Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts: Teil 2 1. Lesung: Allgemeiner Teil (Strafrahmen, Unternehmen einer Straftat). Besonderer Teil (Fortsetzung und Abschluß der Beratungen) [Reprint 2016 ed.] 9783110893267, 9783110117295

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Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts: Teil 2 1. Lesung: Allgemeiner Teil (Strafrahmen, Unternehmen einer Straftat). Besonderer Teil (Fortsetzung und Abschluß der Beratungen) [Reprint 2016 ed.]
 9783110893267, 9783110117295

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
Strafrechtskommission
30. Sitzung vom 28.5.1934
31. Sitzung vom 29.5.1934
32. Sitzung vom 30.5.1934
33. Sitzung von 31.5.1934
34. Sitzung vom 1.6.1934
35. Sitzung vom 2.6.1934
36. Sitzung vom 4.6.1934
37. Sitzung vom 5.6.1934
38. Sitzung vom 6.6.1934
39. Sitzung vom 7.6.1934
40. Sitzung vom 12.9.1934
41. Sitzung vom 13.9.1934
42. Sitzung vom 14.9.1934
43. Sitzung vom 15.9.1934
44. Sitzung vom 17.9.1934
45. Sitzung vom 18.9.1934
46. Sitzung vom 19.9.1934
47. Sitzung vom 20.9.1934
48. Sitzung vom 21.9.1934
49. Sitzung vom 22.9.1934
50. Sitzung vom 24.9.1934
51. Sitzung vom 25.9.1934
52. Sitzung vom 26.9.1934
53. Sitzung vom 27.9.1934
54. Sitzung vom 28.9.1934
55. Sitzung vom 29.9.1934
Anhang: Anträge
I. Anträge der Kommissionsmitglieder zur 1. Lesung
II. Vorschläge der Unterkommissionen
Register zu den Protokollen der amtlichen Strafrechtskommission

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Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts

Herausgegeben von

Werner Schubert, Jürgen Regge, Peter Rieß und Werner Schmid

w DE

G 1989 Walter de Gruyter - Berlin • New York

II. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch Band 2 Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums 2. Teil 1. Lesung: Allgemeiner Teil (Strafrahmen, Unternehmen einer Straftat). Besonderer Teil (Fortsetzung und Abschluß der Beratungen).

Herausgegeben von

Jürgen Regge und Werner Schubert

W DE G 1989 Walter de Gruyter - Berlin • New York

oo Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — pH 7, neutral)

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts / hrsg. von Werner Schubert. . . — Berlin; New York: de Gruyter. Abt. 2, NS-Zeit (1933-1939) — Strafgesetzbuch. NE: Schubert, Werner [Hrsg.] Bd. 2. Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums / hrsg. von Jürgen Regge u. Werner Schubert. Teil 2.1. Lesung: Allgemeiner Teil, Besonderer Teil (Fortsetzung und Abschluß der Beratungen). — (1969) ISBN 3-11-011729-0 NE: Regge, Jürgen [Hrsg.]; Deutschland (Deutsches Reich) / Strafrechtskommission

G Copyright 1989 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung, vorbe­ halten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektro­ nischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: H. Heenemann GmbH & Co, Berlin 42 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe GmbH, Berlin 61

Vorwort Mit Erscheinen dieses Bandes liegen nunmehr sämtliche Protokolle und Anträge zur er­ sten Lesung der amtlichen Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums vor. Der größte Teil des Protokolls über die 37. Sitzung, die sich mit dem strafrechtlichen Rasse­ schutz befaßt, ist seinerzeit ungedruckt geblieben, um insbesondere im Ausland kein Auf­ sehen hervorzurufen. In den Akten des Reichsjustizministeriums findet sich die von den einzelnen Kommissionsmitgliedern handschriftlich korrigierte maschinenschriftliche Fas­ sung des ursprünglichlichen Stenogramms. Eine Reinschrift des definitiven Protokolls konnte bislang nicht aufgefunden werden. Die Herausgeber haben beide Fassungen se­ parat wiedergegeben, da sich diese in vielen Passagen voneinander unterscheiden. Ein Vergleich beider Texte wird durch die Kennzeichnung der Originalseiten ermöglicht. Bei der Suche nach einigen noch fehlenden Anträgen zur 2. Lesung (1934/35) sind die Herausgeber auf eine Darstellung des Kommissionsmitgliedes Prof. Dr. Eduard Kohl­ rausch aus der Zeit nach 1945 über dessen Mitarbeit an der Strafrechtsreform gestoßen. Sie stammt aus der im Universitätsarchiv der Humboldt-Universität Berlin verwahrten Per­ sonalakte von Kohlrausch. In dieser Darstellung verteidigt sich Kohlrausch gegen heftige Vorwürfe wegen seiner Mitarbeit in der Strafrechtskommission, die Kurt Hiller1 in einem an den Rektor der Berliner Universität gerichteten Schreiben erhoben hatte. Diese Darstel­ lung geht nicht nur auf die Tätigkeit von Kohlrausch, sondern in gleicher Weise auch auf diejenige der anderen Kommissionsmitglieder ausführlich ein. Aus diesem Grunde hielten es die Herausgeber für angebracht, den Lesern der Edition das Schreiben von Kohlrausch mitzuteilen, da ähnlich aufschlußreiche zeitgeschichtliche Dokumente über die Arbeiten in der Strafrechtskommission bisher nicht bekanntgeworden sind. Die Herausgeber danken Herrn Prof. Dr. H. Luther (Humboldt-Universität Berlin) und dem Universitätsarchiv der Humboldt-Universität für die Zurverfügungstellung des Schreibens von Prof. Kohlrausch. Wir danken ferner Herrn Dr. med. Friedrich T. Kohlrausch (West-Ber­ lin) für die Erlaubnis, diesen Text wiederzugeben. Was seine „Mitarbeit an der deutschen Strafrechtsreform“ betreffe, so berichtete Kohl­ rausch folgendes: „Ich war seit dem Beginn meiner akademischen Tätigkeit, insbesondere seit meinem Ein­ tritt in den Liszt'schen Arbeitskreis dauernd mit der Reformarbeit verbunden. Seit dem To-

1 Kurt Hiller (geb. 1885 in Berlin; gest. 1972 in Hamburg). Publizist, Kritiker und Essayist. 1903-1907 Studium an den Universitäten Berlin, Freiburg und Heidelberg (u.a. bei Georg Simmel und Franz von Liszt). Ab 1908 freier Schrift­ steller. Expressionist. Kriegsgegner (1915 Desertion aus dem Heeresdienst). In den zwanziger Jahren in der Deutschen Friedensgesellschaft, im Bund der Kriegsdienstgegner und in der Gruppe revolutionärer Pazifisten tä­ tig. März 1933 schwere Mißhandlungen durch die Nationalsozialisten. Flucht nach Holland. Nach Rückkehr bis April 1934 im Konzentrationslager Oranienburg. September 1934 Emigration nach Prag (hier Bemühungen um ei­ ne Einheitsfront). 1936 Emigration nach London. Ende 1939 Gründung des Freiheitsbundes deutscher Soziali­ sten. 1939 — 1946 Vorsitzender der Gruppe Unabhängiger Deutscher Autoren. 1955 Rückkehr in die Bundesrepu­ blik Deutschland. Ab 1956 Vorsitzender des Neusozialistischen Bundes (Hamburg). In dem Schreiben weist Kohlrausch auf Irmgard Litten hin, die mit seiner Familie befreundet gewesen sei und die, wie er einer Zeitungsmeldung entnommen habe, im Freiheitsbund deutscher Sozialisten gesprochen habe. Irmgard Litten (geb. 30.6.1679 in Halle, gest. 30.6.1953 in Berlin). Tochter des Königsberger jüdischen Prof. Dr. iur. Fritz Julius Litten. Führte ab 1933 einen stark beachteten Kampf um die Freilassung ihres Sohnes Hans Litten aus der KZ-Haft. Nach angeblichem Freitod ihres Sohnes in Dachau Emigration nach Großbritannien; hier Veröffentli­ chung des Werkes: "Die Hölle sieht dich an. Der Fall Litten" (auch auf englisch und spanisch 1940/41 erschie­ nen). Verbindung zu Kurt Hiller und dessen Gruppe Unabhängiger Deutscher Autoren. Nach Kriegsende Rück­ kehr nach Berlin-Niederschönhausen.

de von Liszt bildete diese Mitarbeit einen Hauptteil meiner amtlichen Betätigung. Nament­ lich als Herausgeber der .Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft’ und dann als Vorsitzender der deutschen Landesgruppe der IKV (beides brachte mich in nahe persönli­ che Berührung mit den maßgebenden Instanzen der Strafgesetzgebung) wurde ich neben meinem Lehramt durch die Reformarbeit völlig ausgefüllt. So war es selbstverständlich, daß ich im Sommer 1933 die Frage des mir bis dahin noch nicht bekannten Reichsjustiz­ ministers Dr. Franz Gürtner, ob ich bereit sei, an der Fortsetzung der Reformarbeit mitzu­ wirken, bejahte. Ich hatte betont, daß ich voraussichtlich in vielen Fragen anders denken würde, als es nunmehr der amtlichen Meinung entspräche. Gürtner hatte wörtlich erwidert: ,Die Opposition muß auch zu Worte kommen’. Bei meiner Zusage ging ich davon aus, daß eine Mitwirkung die einzige Möglichkeit biete, die Gedanken, für die ich seit langer Zeit eingetreten war, praktisch weiter zu verfolgen. Mir schienen überdies die Grundgedanken der kriminalsoziologischen Schule im Programm des Nationalsozialismus durchaus ver­ tretbar zu sein. Andererseits konnte die Mitwirkung von Vertretern des alten Rechtsstaats (ich war seit jeher ein .Liberaler’) gegenüber Willkürbestrebungen nur nützlich sein. So we­ nigstens schien es damals und so durfte es uns auch scheinen! Durchaus Vertrauen erweckend war auch, abgesehen von der sympathischen Gesamt­ persönlichkeit von Franz Gürtner, was er mir über die Zusammensetzung der neu zu bil­ denden amtlichen Strafrechtskommission mitteilte. Diese war anfänglich keineswegs überwiegend nationalsozialistisch. Über den Mitgliederbestand berichte ich kurz folgen­ des: Der Reichsjustizminister Gürtner selber stand der NSDAP innerlich ganz fern. Das ihm späterhin ehrenhalber verliehene goldene Parteiabzeichen hat er, soweit ich es beobach­ ten konnte, nur ganz selten und nur, wenn es unvermeidlich war, getragen. Er war Fachmi­ nister von unbestechlichem Gerechtigkeitsgefühl, war aber teils zu anständig, teils als Nicht-Pg. zu schwach, um sich gegenüber seinem Gegenspieler von der Polizei, dem Mi­ nister Himmler, durchsetzen zu können. Der Vorwurf, Gürtner habe durch Nachgiebigkeit sich in seinem Ministeramt halten wollen, verkennt ihn. Er blieb im Amt, weil er wußte, daß nach seinem Weggang halt- und charakterlose, ehrgeizige und brutale Nationalsoziali­ sten, wie Frank oder Freisler (Thierack’s Stern ging erst nach Gürtner’s Tod auf), an die Spitze der Justiz gestellt werden würden. Es ist üblich, diesem Beweggrund, von dem Un­ zählige geleitet waren, jetzt jede ernste Beachtung zu versagen. Indessen war passiver Widerstand, der nicht einmal ungefährlich war, die einzige Waffe derer, die ihre Stelle in­ nerhalb des staatlichen Machapparates nicht willenlosen Werkzeugen der nationalsoziali­ stischen Führung einräumen wollten. Zweifellos war dem Minister Gürtner vorzuwerfen, daß er im Sommer 1934 die lex Röhrn unterschrieb. Zweierlei ist immerhin zu bedenken: einmal, daß Gürtner, wie ich bestimmt weiß, erst nach vielen Monaten erfuhr, daß die Nie­ derschlagung der ’Röhm-Revolte’ zum Anlaß von unzähligen mit dem Fall Röhrn nicht zu­ sammenhängenden Mordtaten wurde; und sodann, daß Gürtner sich im Reichskabinett als einziger gegen die Straflosigkeit ausgesprochen hatte. So bleibt als der bewußt be­ gangene Fehler, daß Gürtner eine Einzeluntersuchung abgeschnitten und daß er in Geset­ zesform ein Urteil gesprochen hat. Beides war zweifellos bedauerlich, die Vorwürfe indes­ sen, die ihm seitdem gemacht wurden und werden, gehen weit darüber hinaus und sind insoweit ungerecht. Meine menschliche Hochachtung habe ich ihm bis zu seinem Tode bewahrt. Den Arbeiten der Strafrechtskommission hat Franz Gürtner die bestimmende Note gegeben. Diese Arbeiten waren sorgfältig und gut. Ohne ihn wären sie phantastische Ausuferungen eines Roland Freisler geworden. Vor Gürtner aber und vor seiner ebenso klugen wie unbestechlichen Persönlichkeit hatte selbst Freisler Respekt. Auch die übrigen Mitglieder der Strafrechtskommission waren, soweit sie dem Reichsju­ stizministerium angehörten, nicht Mitglieder der NSDAP. So der Staatssekretär Schlegel­ berger, der kein Strafrechtsfachmann war und sich an den Arbeiten auch nicht aktiv betei­ ligte. Er war seit Jahren Honorarprofessor an der Universität für Zivilprozeß und Handels­ recht und war hier sowohl beruflich wie menschlich näher verbunden mit den Professoren

Heinrich Titze und Martin Wolfs. — Der geistige Leiter der Strafrechtsreformarbeit war der Ministerialdirektor Ernst Schäfer. Politisch stand er wohl dem Zentrum nahe, obwohl er ein ausgesprochener Opportunist war. Ich kannte ihn seit Jahren und kann allerdings nicht leugnen, daß ich über seine Nachgiebigkeit gegenüber dem Staatssekretär Freisler mitun­ ter erstaunt war. Ausgesprochener Antifaschist war Gürtners .Adjutant’, der Oberregie­ rungsrat v. Dohnanyi, der im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 unmittelbar vor Been­ digung der Kampfhandlungen ermordet wurde. — Politisch indifferente Fachleute waren die Ministerialräte Leopold Schäfer, Schafheutle, Doerner, sowie der Oberlandesgerichts­ rat Karl Schäfer, der jetzt am Oberlandesgericht Frankfurt a.M. tätig ist. Besonders hervor­ heben muß ich in diesem Zusammenhang den Reichsgerichtsrat Niethammer, der ein glü­ hender Antifaschist war und auch in der Strafrechtskommission aus seiner Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus und gegen Freisler’s Person kein Hehl gemacht hat. Er ist jetzt Honorarprofessor an der Universität Tübingen. Aus den Kreisen der Wissenschaft wa­ ren außer mir die Professoren Nagler aus Breslau und Mezger aus München zugezogen, die nach einigen Jahren der NSDAP beitraten. Der Block der der NSDAP angehörigen Kommissionsmitglieder war erheblich schwächer. Ihm gehörten namentlich die aus dem Preußischen Justizministerium übernommenen Be­ amten an. So der Preußische Justizminister Kerrl, der weder Jurist noch sonderlich begabt war, und dessen zum Teil völlig abwegige Reden man über sich ergehen ließ. — Sodann der Preußische Staatssekretär Roland Freisler, der wohl einer besonderen Charakterisie­ rung hier nicht bedarf. Er war ebenso ungewöhnlich begabt wie maßlos und direktionslos und außerdem von einem dermaßen grotesken Geltungsbedürfnis, daß sein tatsächlicher Einfluß im umgekehrten Verhältnis stand zu dem Lärm, mit dem er sich dauernd durchzu­ setzen suchte. Seine Kreaturen waren die Ministerialräte Rietzsch, Grau und Klug, von de­ nen aber nur der fleißige und tüchtige Rietzsch Beachtung verdiente, obwohl ihn sein Hö­ rigkeitsverhältnis zu Freisler nicht zu einer selbständigen Wirksamkeit kommen ließ. — Ein tüchtiger Fachmann war der Senatspräsident am Kammergericht, Professor Dr. Klee. — Als ausgesprochener Nationalsozialist wurde nach einiger Zeit auch Thierack in die Kom­ mission berufen (sächsischer Justizminister, Vizepräsident des Reichsgerichts und spä­ terhin Präsident des Volksgerichtshofs). Sein Einfluß war so gering wie das Maß seines ju­ ristischen Wissens und Könnens. — Aus den Kreisen der Wissenschaft wurden im Laufe der Zeit die nationalsozialistischen Professoren Graf Gleispach, Dahm und Schaffstein zu­ gezogen, von denen aber nur Dahm eine nennenswerte Rolle spielte. — Der Minister Gürtner scheute sich auch nicht, wenn die Kommission ihm zu groß geworden war, einzelne Mitglieder, von denen er sich keinen Nutzen versprach, von der weiteren Mitarbeit zu ent­ binden. Art und Umfang der Mitarbeit der einzelnen muß sich aus den äußerst sorgfältig geführten Akten ergeben. Mein eigenes Exemplar, das mehrere dicke Bände umfaßte, ist leider das Opfer eines Luftangriffs geworden. Sie ergeben sich außerdem auszugsweise aus dem zweibändigen Werk: .Das kommende deutsche Strafrecht’, herausgegeben von Franz Gürtner. Es ist teilweise recht oberflächlich, teilweise aber auch wertvoll — wieso Kurt Fül­ ler es .ekelerregend’ nennt, sehe ich nicht. Aus meiner eigenen Tätigkeit hebe ich hervor, daß ich im .Allgemeinen Teil’ Referent für Strafen und Sicherungsmaßregeln und im .Besonderen Teil’ Referent für die Vermögens­ delikte war. Über die letztgenannten habe ich im 2. Band jenes .ekelerregenden’ Werkes ausführlich und, wie ich glaube, nicht ganz ohne Nutzen berichtet. Im übrigen galt mein Kampf bei jeder sich bietenden Gelegenheit der .Analogie’. Hier hatte ich leider alle ande­ ren Kommissionsmitglieder, auch Gürtner, Ernst Schäfer, Nagler und Mezger, zu meinen Gegnern. Sie wollten nicht einsehen, daß mit Zulassung der Analogie die richterliche Will­ kür zugelassen war. In meinem Erläuterungsbuch zum Reichsstrafgesetzbuch habe ich dies an mehr als hundert Gerichtsentscheidungen nachzuweisen versucht. Die strafrechtliche Rassengesetzgebung wurde in der Kommission nicht bearbeitet. Ich hatte eine ausdrückliche Verwahrung hiergegen zu den Akten gegeben. Dem Minister ge-

genüber habe ich mein Verbleiben in der Kommission davon abhängig gemacht, daß die Kommission keinerlei Verantwortung für die Rassengesetzgebung zu übernehmen genö­ tigt wurde. Aus den Akten der Kommission muß sich dies ergeben. Wenn ich auf meine Arbeiten in der Strafrechtskommission zurückblicke und auf die un­ zähligen mehr oder weniger privaten Gespräche mit einzelnen Kommissionsmitgliedern, so habe ich mir nicht den mindesten Vorwurf zu machen. Ich habe aus meiner Überzeu­ gung nie ein Hehl gemacht, habe mich stets in einem rechtsstaatlich-demokratischen Sinn geäußert, bin mit vielen meiner Ansichten durchgedrungen und glaube, mancherlei Schäden verhindert zu haben.“ Kiel, im Dezember 1988 Jürgen Regge / Werner Schubert

Inhalt VORWORT ...................................................................................................................

V

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ......................................................................................

XV

PROTOKOLLE DER AMTLICHEN STRAFRECHTSKOMMISSION 30. Sitzung vom 28.5.1934 (Falschmünzerei - Amtsdelikte).............................. 1 31. Sitzung vom 29.5.1934 (Amtsdelikte: Geschenkannahme, Bestechung usw., Rechtsbeugung, Nötigung durch Mißbrauch der Amtsbefugnisse) ... 43 32. Sitzung vom 30.5.1934 (Amtsdelikte: Amtsanmaßung und Amtserschleichung, Untreue Amtsführung im auswärtigen Dienste, Beamtenstreik - Störung des öffentlichen Friedens: Aufforderung zur Auflehnung gegen Gesetze zur Steuerverweigerung usw.) ........................... 67 33. Sitzung von 31.5.1934 (Störung des öffentlichen Friedens: Aufforderung zum volksschädlichen Verhalten, Verherrlichung von Verbrechen, Landfriedensbruch, Sprengen einer Versammlung, Auflauf, staatsfeindliche Verbindungen, Verbindungen zu Verbrechen wider das Leben, Landzwang, Strafe gegen Querulanten, Mißbrauch von Notzeichen, Kanzelparagraph, Volksverhetzung) ........................................................................................ 107 34. Sitzung vom 1.6.1934 (Störung der Beziehungen zum Ausland: Hochverräterische Angriffe gegen einen ausländischen Staat, Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Gesandten, Verletzung ausländischer Hoheitszeichen, Verfolgung auf Verlangen, Gegenseitigkeit, Neutralitätsverletzung; Attentate gegen ein ausländisches Staatsoberhaupt usw. - Auflehnung gegen die Staatsgewalt: Widerstand gegen die Staatsgewalt - Verbrechen gegen die Volksvertretung Vergehen bei Wahlen und Abstimmungen - Gefangenenmeuterei und Gefangenenbefreiung)................................................................................. 125 35. Sitzung vom 2.6.1934 (Auflehnung gegen die Staatsgewalt: Gefangenenmeuterei und Gefangenenbefreiung, Bruch amtlicher Verfügungsgewalt - Angriffe gegen die Wehrmacht)..................................... 173 36. Sitzung vom 4.6.1934 (Angriffe gegen die Wehrmacht - Wirtschaftsverrat) . 199 37. Sitzung vom 5.6.1934 (Angriffe auf Volksbestand und Volksgesundheit) ... 219 37. Sitzung vom 5.6.1934 (Vertrauliche Aussprache über die Vorschläge der Preußischen Denkschrift zur Frage des strafrechtlichen Rasseschutzes) ... 223 Anhang I: Erstfassung des Protokolls vom 5.6.1934 über die Beratungen zur Frage des strafrechtlichen Rasseschutzes..............................................277 Anhang II: Vorschläge der Denkschrift des Preußischen Justizministers (S. 47-49): Angriffe auf die Rasse................................................................... 347 38. Sitzung vom 6.6.1934 (Angriffe auf Volksbestand und Volksgesundheit: Gliederung der Tatbestände - Schädigung der Rechtspflege)..................... 349 39. Sitzung vom 7.6.1934 (Schädigung der Rechtspflege - Förderung strafbarer Handlungen)................................................................................. 361 40. Sitzung vom 12.9.1934(Störung des religiösen Friedens und der Totenruhe) .................................................................................................... 405 Anwesenheitsliste..........................................................................................420 41. Sitzung vom 13.9.1934 (Zweikampf)............................................................. 421

42. Sitzung vom 14.9.1934 (Eidesverletzungen - Angriffe auf die persönliche Freiheit und Sicherheit)............................................................................... 433 43. Sitzung vom 15.9.1934 (Hausfriedensbruch - Angriffe gegen Ehe, Familie und Personenstand)...................................................................................... 455 44. Sitzung vom 17.9.1934 (Angriffe auf Ehe, Familie und Personenstand Sittlichkeitsdelikte)........................................................................................ 473 45. Sitzung vom 18.9.1934 (Widernatürliche Unzucht, Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit, Kuppelei, Zuhälterei) ................................................495 46. Sitzung vom 19.9.1934(Gemeingefährliche Handlungen)............................ 509 47. Sitzung vom 20.9.1934 (Gemeinschädliches Verhalten - Mißbrauch von Rauschgiften - Angriff auf sachgebundene Volksgüter - Diebstahl, Unterschlagung. Untreue)............................................................................. 525 48. Sitzung vom 21.9.1934 (Diebstahl, Unterschlagung, Untreue und Raub) ... 547 49. Sitzung vom 22.9.1934 (Besitz von Diebeswerkzeugen - Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums - Erpressung - Hehlerei).............. 569 50. Sitzung vom 24.9.1934 (Hehlerei - Sachbeschädigung - Betrug)................ 567 51. Sitzung vom 25.9.1934 (Urkundenfälschung)................................................611 52. Sitzung vom 26.9.1934 (Geheimnisverrat - Rechtsvereitelung Unberechtigtes Jagen und Fischen - Wucher und Preisstreiberei Glücksspiel)...................................................................................................627 53. Sitzung vom 27.9.1934 (Angriffe auf die Arbeitskraft-Volksverrat)............ 649 54. Sitzung vom 28.9.1934 (Strafrahmen, Einteilung der strafbaren Handlungen - Ehrenstrafen - Strafantrag)..................................................... 677 55. Sitzung vom 29.9.1934 (Unternehmen der Straftat - Aufbau des Strafgesetzbuchs - Wirtschaftsdelikte) .........................................................697 Anhang: ANTRÄGE I.

Anträge der Kommissionsmitglieder zur 1. Lesung..................................................709 Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr.

45 von MezgenZum 12. und 13. Abschnitt: „Angriffe auf die Rechtspflege“ - „Förderung strafbarer Handlungen“ ................ 709 46 von Kohlrausch, Reimer, Rietzsch, L. Schäfer und von Dohnanyi: zum 15. Abschnitt: „Falschmünzerei“ ....................... 711 47 von Leimer: Zum 9. Abschnitt: „Störung der öffentlichen Ordnung“ ...................................................................................713 46 von Leimer: Zum 12. Abschnitt: „Schädigung der Rechtspflege“ ................................................................. 716 49 von Leimer: Zum 13. Abschnitt: „Förderung strafbarer Handlungen“ ..............................................................................719 50 von Klee, Grau, L. Schäfer, Rietzsch, K. Schäfer: Zum 7. Abschnitt: „Verletzung der Amtspflicht“ ..................................722 51 von Lorenz: Zum 4. Abschnitt: „Vergehen bei Wahlen und Abstimmungen“ ........................................................................ 727 52 von Lorenz: Zum 5. Abschnitt: „Störung der Beziehungen zum Ausland“ .....................................................................................729 53 von Gleispach: Zum 9. Abschnitt: „Störung der öffentlichen Ordnung“ ................................................................................. 730 54 von Grau: Zum 6. Abschnitt: „Angriffe gegen die Wehrmacht“ .. 731 55 von Grau: Zu dem Abschnitt: „Angriffe gegen Rasse, Volksbestand, Volksgesundheit“ ................................................732 56 von Nagler: Zu einem Abschnitt 3a: „Verbrechen gegen die Volksvertretung“ ........................................................................ 734 57 von Nagler: Zum 5. Abschnitt: „Störung der Beziehungen zum Ausland".....................................................................................735

Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Antrag Antrag Antrag

Nr. Nr. Nr. Nr.

Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr.

Antrag Antrag Antrag Antrag

Nr. Nr. Nr. Nr.

Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr. Antrag Nr.

58 von Kohlrausch: Zur Frage des Wirtschaftsverrats.......................736 59 von Kohlrausch: Zur Strafbarkeit des Rasseverrats.....................738 60 von Dahm: Zum 6. Abschnitt: „Auflehnung gegen die Staatsgewalt“ .............................................................................. 736 61 von Kohlrausch: Zum 6. Abschnitt: „Angriffe gegen die Wehrmacht“ ................................................................................741 62 von Leimer: Zum 29. Abschnitt: „Betrug, Untreue“ .......................743 63 von Leimer: Zur Gruppe „Verrat von Amts- und Privatgeheimnissen“ (§§ 324,325,140-143 Ref.Entw.)...............748 64 von Mezger: Zum 10. Abschnitt: „Störung des religiösen Friedens und der Totenruhe“ ..................................................... 752 65 von Mezger: Zum 11. Abschnitt: „Eidesverletzung“ ...............755 66 von Mezger: Zum 19. Abschnitt: „Zweikampf“ ....................... 758 67 von Mezger: Über den Aufbau des Allgemeinen T e ils........... 760 68 von Mezger: Zum Referat: Offengebliebene Fragen aus dem Allgemeinen Teil (§§9-11 Ref.Entw.) - Strafrahmen....................762 69 von Klee: Zum 16. Abschnitt: „Gemeingefährliche Handlungen“ - „Störungen des öffentlichen Verkehrs“ .............765 70 von Klee: Zum 36. Abschnitt: „Gemeinschädliches Verhalten“ . 769 71 von Klee: Zum 35. Abschnitt: „Mißbrauch von Rauschgiften“ ... 769 72 von Klee: Zu Abschnitten über: „Angriffe auf sachgebundene Volksgüter“ und „Angriffe auf die Deutsche Wirtschaft“ ...........770 73 von Lorenz: Zum 23. Abschnitt: „Verbrechen und Vergehen gegen Ehe und Familie“ .............................................................. 771 74 von Graf Gleispach: Zum 21. Abschnitt: „Unzucht“ .....................775 75 von Graf Gleispach: Zum 22. Abschnitt: „Kuppelei, Frauenhandel, Zuhälterei“ ...........................................................776 76 von Graf Gleispach: Zum 23. Abschnitt: „Angriffe gegen Ehe, Familie und Personenstand“ ..................................................... 760 77 von Reimer: Zum 26. Abschnitt: „Diebstahl und Unterschlagung" und zu einem Abschnitt: „Angriff auf die Geisteswerke“ ............................................................................ 781 76 von Reimer: Zum 27. Abschnitt: „Raub und Erpressung“ ......... 784 79 von Reimer: Zum 30. Abschnitt: „Hehlerei“ .................................766 60 von Reimer: Zum 25. Abschnitt: „Sachbeschädigung“ ............... 766 61 von Mezger: Zum 20. Abschnitt: „Verbrechen und Vergehen gegen die persönliche Freiheit oder Sicherheit“ ......................... 769 62 von Grau: Zum 16. Abschnitt: „Gemeingefährliche Handlungen, Störungen des öffentlichen Verkehrs“ .................. 790 83 von Nagler: Zum 14. Abschnitt: „Urkundenfälschung“ ................. 793 64 von Grau: Zum 35. Abschnitt: „Mißbrauch von Rauschgiften“ .. 798 65 von Grau: Vorschläge zum 36. Abschnitt: „Gemeinschädliches Verhalten“ ................................................................................... 799 66 von Grau: Zum Abschnitt: „Angriffe auf die Arbeitskraft“ ............800 67 von Kohlrausch: Zum 26. Abschnitt: „Diebstahl, Unterschlagung, Angriffe auf Geisteswerke“ .............................. 803 66 von Nagler: Zum 31. Abschnitt: „Rechtsvereitelung“ ...................811 69 von Nagler: Zum 33. Abschnitt: „Unberechtigtes Jagen und Fischen“ .....................................................................................813 90 von Grau: Zum Abschnitt: „Angriffe auf sachgebundene Volksgüter“ ................................................................................. 815 91 von Kohlrausch: Zum 25. Abschnitt: „Sachbeschädigung“ ___820 92 von Kohlrausch: Zum 27. Abschnitt: „Raub und Erpressung“ .. 621

Antrag Nr. 93 Antrag Nr. 94 Antrag Antrag Antrag Antrag

Nr. Nr. Nr. Nr.

95 96 97 96

Antrag Nr. 99 Antrag Nr. 100 Antrag Nr. 101 Antrag Nr. 102 Antrag Nr. 103 Antrag Nr. 104 Antrag Nr. 105

von Lorenz: Zum 21. Abschnitt: „Unzucht“ .................................. 825 von Dahm: Zum Abschnitt: „Verrat von Amts- und Privatgeheimnissen“ (§§ 324,325,140-143 Ref.Entw.).............. 830 von Dahm: Zum 26. Abschnitt: „Wucher, Preistreiberei“ ........... 632 von Dahm: Zum 32. Abschnitt: „Glücksspiel“ ............................. 633 von Dahm: Zum29. Abschnitt: „Betrug, Untreue“ ........................634 von Lorenz: Zum 22. Abschnitt: „Kuppelei, Frauenhandel, Zuhälterei“ ................................................................................. 636 von Dahm: Zum Abschnitt: „Angriffe auf die Arbeitskraft“ ......... 840 von Lorenz: Zum 31. Abschnitt: „Rechtsvereitelung“ ...................641 von Lorenz: Zum 33. Abschnitt: „Unberechtigtes Jagen und Fischen“ .....................................................................................642 von Kohlrausch: Zum 30. Abschnitt: „Hehlerei“ ..........................644 von Grau: Zum 26. Abschnitt: „Wucher, Preistreiberei“ und zum 32. Abschnitt: „Glücksspiel“ ................................................649 von Lorenz: Zum 14. Abschnitt: „Urkundenfälschung“ ................. 652 von Mezger: Zum „Strafrahmen“ (Ergänzung zu Antrag Nr. 68). 656

II. Vorschläge der Unterkommissionen.......................................................................... 858 Vorschlag Nr. 22 Vorschlag Nr. 23 Vorschlag Nr. 24 Vorschlag Nr. 25 Vorschlag Nr. 26

Vorschlag Nr. 27 Vorschlag Nr. 26 Vorschlag Nr. 29

Vorschlag Nr. 30 Vorschlag Nr. 31 Vorschlag Nr. 32 Vorschlag Nr. 33 Vorschlag Nr. 34 Vorschlag Nr. 35 Vorschlag Nr. 36 Vorschlag Nr. 37 Vorschlag Nr. 36

(Unterkommission XVIII) zu (9 (Sprachgebrauch) und zum 7. Abschnitt: Angriff auf die Reinheit der Amtsführung............ 656 (Unterkommission XIX) zum 9. Abschnitt: Störung des Volksfriedens.........................................................................662 (Unterkommission XX) zu § 9 (Sprachgebrauch) und zum 8. Abschnitt: Auflehnung gegen die Staatsgewalt.................. 663 (Unterkommission XXI) zum 6. Abschnitt: Angriffe auf die deutsche Wehrkraft................................................................667 (Unterkommission XXII) zum 3a. Abschnitt: Vergehen gegen die Volksvertretung; und zum 4. Abschnitt: Vergehen bei Wahlen oder Abstimmungen..................................................666 (Unterkommission XXII) zum 5. Abschnitt: Störung der Beziehungen zum Ausland..................................................... 669 (Unterkommission XXV) zum Aufbau des Besonderen Teils . 871 (Unterkommission XXIV) zum 12. Abschnitt (12. u. 13. Abschnitt des Ref.Entw.): Angriffe gegen Rechtspflege und Verwaltung.......................................................................672 (Unterkommission XXV) zum 15. Abschnitt: Fälschung von Geld und Wertzeichen............................................................ 676 (Unterkommission XXVI) zum 10. Abschnitt: Gotteslästerung und Religionsvergehen................................ 679 (Unterkommission XXVII) zum 19. Abschnitt: Zweikampf___880 (Unterkommission XXVI) zum 11. Abschnitt: Eidesverletzung 661 (Unterkommission XXVI) zum 20. Abschnitt: Angriffe gegen die persönliche Freiheit oder Sicherheit................................ 662 (Unterkommission XXVII) zum 23. Abschnitt: Angriffe gegen Ehe und Fam ilie..................................................................... 664 (Unterkommission XXVII) zu § 9 (Sprachgebrauch) und zum 21. Abschnitt: Unzucht............................................................ 685 (Unterkommission XXVII) zum 22. Abschnitt: Kuppelei, Frauenhandel, Zuhälterei ....................................................... 669 (Unterkommission XXVIII) zu § 9 (Sprachgebrauch) und zum 16. Abschnitt: Gemeingefährliche Handlungen..................... 690

Vorschlag Nr. 39 Vorschlag Nr. 40 Vorschlag Nr. 41 Vorschlag Nr. 42 Vorschlag Nr. 43 Vorschlag Nr.44 Vorschlag Nr. 45

Vorschlag Nr. 46 Vorschlag Vorschlag Vorschlag Vorschlag

Nr. 47 Nr. 46 Nr. 49 Nr. 50

Vorschlag Nr. 51 Vorschlag Nr. 52 Vorschlag Nr. 53 Vorschlag Nr. 54 Vorschlag Nr. 55 Vorschlag Nr. 56 Vorschlag Nr. 57 Vorschlag Nr. 56 Vorschlag Nr. 59 Vorschlag Nr. 60 Vorschlag Nr. 61

(Unterkommission XXVIII) zum 36. Abschnitt: Gemeinschädliches Verhalten .............................................. 893 (Unterkommission XXVIII) zum 35. Abschnitt: Mißbrauch von Rauschgiften.......................................................................... 894 (Unterkommission XXVIII) zum 10b. Abschnitt: Angriffe gegen das Volksgut................................................................694 (Unterkommission XXIX) zum 26. Abschnitt: Diebstahl, Treubruch. Unterschlagung................................................... 696 (Unterkommission XXX) zum 25. Abschnitt: Sachbeschädigung................................................................699 (Unterkommission XXXI)zum 29. Abschnitt: Betrug .............900 (Unterkommission XXXI) zum 7. Abschnitt: Angriffe auf die Reinheit der Amtsführung und zum 10. Abschnitt: Geheimnisverrat..................................................................... 901 (Unterkommission XXXII) zum 26. Abschnitt: Wucher, Preistreiberei.......................................................................... 903 (Unterkommission XXXII) zum 32. Abschnitt: Glücksspiel ... 904 (Unterkommission XXXIII) zum 33. Abschnitt: W ilderei......... 904 (Unterkommission XXX) zum 30. Abschnitt: H ehlerei........... 906 (Unterkommission XXXIII) zu § 9 und zum 14. Abschnitt: Urkundenfälschung................................................................907 (Unterkommission XXXIII) zum 31. Abschnitt: Rechtsvereitelung ................................................................. 909 (Unterkommission XL) zum Abschnitt: Volksverrat..................910 (Unterkommission XXXII) zum 5.a Abschnitt: Angriffe auf die Arbeitskraft ............................................................................ 911 (Unterkommission XXXVI) zum Aufbau des Allgemeinen Teils........................................................................................ 914 (Unterkommission XXXVII) zum 6. Abschnitt: Angriffe gegen die Wirtschaftskraft ................................................................915 (Unterkommission XXXVIII)zu §32a: Begehung einer Straftat ................................................................................... 916 (Unterkommission XXXIX) zu §§ 9-11 des Allgemeinen Teils 917 (Unterkommission XL) zum X. Abschnitt: Erhaltung der Volkskraft............................................................................... 916 (Unterkommission XXXIX) zu mehreren Bestimmungen des Allgemeinen Teils................................................................... 916 (Unterkommission XXXIX) zu einer Bestimmung des Allgemeinen Teils über den Strafantrag..................................922 Zusammenstellung der von der Redaktionskommission beschlossenen Änderungen des gedruckten Entwurfs 1. Lesung 1933/34 gegenüber den Vorschlägen der Unterkommissionen .............................................................. 924

REGISTER ZU DEN PROTOKOLLEN DER AMTLICHEN STRAFRECHTSKOMMISSION Personenregister.................................................................................................... 937 Sachregister............................................................................................................941

Abkürzungsverzeichnis A bs.

A b s a tz

ADR

A k a d e m ie für D e u ts c h e s R e c h t

a. E.

am E nde

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A m ts g e r ic h t

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A llg e m e in e s L a n d re c h t fü r d ie P r e u s s is c h e n S ta a te n von

30 .

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1794 a p l.

a u ß e rp la n m ä ß ig

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A l lg e m e in e r le il

Ausl.

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und

A r b e its lo s e n v e r s i­

c h e r u n g i.d.F. v o m 1 2 .1 0 .1 9 2 9 (R G B l. I S. 1 6 2 ) BA

B u n d e s a r c h iv

b a y r., b a y e r.

b a y e r is c h

B e g r.

B e g rü n d u n g

B e g r .E n tw .1 9 2 7

B e g r ü n d u n g z u m E n tw u rf e in e s A llg e m e in e n D e u ts c h e n S tr a fg e s e tz b u c h s 1 9 2 7

BGB B in d in g

B ü rg e r lic h e s G e s e tz b u c h B in d in g , L e h rb u c h d e s G e m e in e n D e u ts c h e n S tra fre c h ts , B e s . I . . 1. B a n d , L e ip z ig 1 9 0 2

BNSDJ

B u n d N a tio n a ls o z ia lis tis c h e r D e u ts c h e r J u ris te n

B I

B e s o n d e r e r T e il

DDP

D e u ts c h e D e m o k r a tis c h e P a rte i

DGWR

D e u ts c h e s G e m e in - u n d W ir ts c h a fts r e c h t

DJ

D e u ts c h e J u s tiz

D JZ

D e u ts c h e J u r is te n z e itu n g

DR

D e u ts c h e s R e c h t, A u s g a b e A

DRZ

D e u ts c h e R e c h ts -Z e its c h rift

D R W is s

D e u ts c h e R e c h ts w is s e n s c h a ft

D R iZ

D e u ts c h e R ic h te rz e itu n g

D S tR

D e u ts c h e s S tra fre c h t

dt., d te .

d e u ts c h , d e u ts c h e

D te . J u s tiz b e a m te

D e r d e u ts c h e J u s tiz b e a m te

E.

E n ts c h e id u n g d e s R e ic h s g e r ic h ts (A m tl. S a m m lu n g )

ebd.

ebenda

E b e rm a y e r

E b e rm a y e r , L o b e , R o s e n b e r g : R e ic h s -S tr a fg e s e tz b u c h , 4. Ausl., B e rlin 1 9 2 9

E n tw ., E.

E n tw u rf

E n tw u rf 1 8 3 3 P r e u s s e n

R e v id irte r E n tw u rf d e s S t r a fg e s e tz b u c h e s fü r d ie K ö n ig ­ lic h -P r e u ß is c h e n S ta a te n , B e rlin 1 6 3 3 (N a c h d r u c k in „ G e ­ s e tz r e v is io n ( 1 8 2 5 - 1 8 4 8 ) " , I. A b t. (H rs g . J. R e g g e ), B d. 3. V a d u z 1 9 8 4 , S.1 ff.)

E n tw u rf 1 8 3 6 P r e u s s e n

R e v id ir te r E n tw u rf d e s S tr a fg e s e tz b u c h e s fü r d ie K ö n ig -

Entwurf 1919/Denkschrift

Entwurf 1925 Entwurf 1927

f. fahrl. FamRZ Frank französ. FS geb. Geh. Rat Ges. Ges. z. Ordn. d. nat. Arbeit gez. GS Flrsg., hrsg. i.d.F. IKV intern. i.S. i. Vbdg. JbADR JbDR dg. JGG JR JuS JW JZ KO Komm. Entw Komm.Entw. 1913

Kr. K. V. Lfg. LG v. Liszt m. E. Michaelis/Schraepler

lich-Preußischen Staaten, Berlin 1836 (Nachdruck in: „Gesetzrevision (1825-1848)“ , I. Abt. (Flrsg.: J. Regge) Bd. 3, Vaduz 1984, S. 785 ff.) StGB-Entwurf 1919 nebst Denkschrift zu dem Entwurf 1919, in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, Berlin 1920 Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafge­ setzbuchs (Reichsratsvorlage), Berlin 1925 Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs (1927) (Reichstagsvorlage). Drucksache des Reichstags III. Wahlperiode 1924/27, Nr. 3390 für fahrlässig Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frank, Reinhard: Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Ausl., Tübingen 1931 französisch Festschrift geboren Geheimrat Gesetz Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (RGBl. 1,1934, 45) gezeichnet Der Gerichtssaal Fierausgeber, herausgegeben in der Fassung Internationale kriminalistische Vereinigung international im Sinne in Verbindung Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht Jahrbuch des Deutschen Rechts Jahrgang Jugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Konkursordnung Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1933 (s. Quellen, II. Abt., Bd. 1,1, S. 79 ff.) StGB-Entwurf von 1913 (aufgestellt von der Strafrechts­ kommission), in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafge­ setzbuch, Berlin 1920 Kreis Körperverletzung Lieferung Landgericht v.Liszt/Eb. Schmidt: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 25. Ausl., Berlin 1927 meines Erachtens Michaelis, H./Schraepler, E: Ursachen und Folgen. Vom

Mezger MinVO m. M.(n). MschrKrim., MKrimP mündl., Mündl. NB NDB NF NJW NotVO. NS, ns. NSRB o .

öster. OLG v. Olshausen Pat.Ges. Pol. polit. Pr., Preuß. Preuß. Denkschrift Preuß. StGB v. 1851 Prof. RAO RefEntw., Ref. E., RE Reform 1910 Reg. Entw. RG RGBl. RGSt RJG RJM RStGB, StGB RV RVwBI. sechs. Schäfer-Wagner-Schafheutle

SchwJZ SchwZStr. SJZ Spion. Ges. 1893

deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945. Biograph. Register Teil I u. II, Berlin oJ (1979) Mezger: Strafrecht. Ein Lehrbuch, 2. Ausl., München 1933 Ministerialverordnung meiner Meinung (nach) Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsre­ form mündlich notabene Neue Deutsche Biographie neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Notverordnung Nationalsozialismus, nationalsozialistisch NS-Rechtswahrerbund ordentlicher österreichisch Oberlandesgericht v. Olshausen: Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 11. Ausl., 2 Bde., Berlin 1927 Patentgesetz Polizei politisch Preußisch Denkschrift des Preußischen Justizministers. Nationalso­ zialistisches Strafrecht (1933) Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten vom 14. 4. 1651 Professor Reichsabgabenordnung Referentenentwurf 1933(auch: Reg. Entw.) Aschrott u. v. Liszt Die Reform des Reichsstrafgesetz­ buchs, Berlin 1910 Entwurf eines Allgemeinen Strafgesetzbuchs 1933 (Refe­ rentenentwurf) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Amt­ liche Sammlung) Reichsjagdgesetz vom 3.7.1934 (RGBl. I, S. 549) Reichsjustizministerium Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15.5.1871 Reichsverfassung Reichsverwaltungsblatt sächsisch Schäfer-Wagner-Schafheutle, Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Siche­ rung u. Besserung, Berlin 1934 Schweizerische Juristenzeitung Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Süddeutsche Juristenzeitung Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse (RGBl. 1893,205)

Spionagegesetz 1914 StPO u. a. m. u. A. n. UK, UnterKomm u. M. n. UWG V. D. B. VO Vorb. VorEntw. 1909, Entwurf 1909 WeimRV württ. ZADR ZPO Zs. ZStW ZStaatW Zusammenstellung 1911

ZWehrR

Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse (RGBl. 1914,195) Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich und andere mehr unserer Auffassung nach Unterkommission unserer Meinung nach Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb i.d.F. der VO vom 9.3.1932 (RGBl 1,121) Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländi­ schen Strafrechts (Besonderer Teil), Berlin 1906 ff. Verordnung Vorbemerkung Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch, Berlin 1909 Weimarer Reichsverfassung württembergisch Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zivilprozeßordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 6.11. 1933 (RGBl. 1,821) Zeitschrift Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen über den Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch, Berlin 1911 Zeitschrift für Wehrrecht

Strafrechtskommisslon

technisch wichtig ist, und ich möchte vorschlagen, die Tagung dam it zu beginnen — die Herren Referenten sind ja darüber unterrichtet worden — , daß wir zu­ nächst die Nummer 9 »Falschmünzerei«

30. Sitzung 28. Mai 1934 Inhalt Falschmünzerei ®«itf Reichsjustizminister D r. Gürtner 1. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 16. 17. 18. 19. 20. 2 1 . 2 2 Berichterstatter Professor D r. Kohlrausch (Berlin) 1. 7. 8. 9. 10. 11. 13. 18. 2 0 . 2 1 . 2 2 Berichterstatter Oberstaatsanwalt D r. Reimer (Berlin) 4. 16 Ministerialrat B a y r h o ffe r .............

4. 5. 6. 16. 17. 2 0

Ministerialrat D r. S c h ä fe r .. 5. 6. 10. 11. 12. 17. 21 Reichsbankrat D r. W itte........................................................

5

Ministerialdirektor Schäfer 5. 6. 7. 8. 11. 13. 14. 17. 2 2 Postrat D r. Schuster............................................

5. 13. 14

Professor D r. N agler ( B r e s l a u ) ............................... 8. 21 Professor D r. G raf Gleispach (B e r lin ) ..................

9. 19

Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin) 9. 10. 15. 21. 22 Professor D r. Dahm (K ie l).............................

11. 17. 19

Ministerialdirektor D r. D ü r r ............................................

11

Professor D r. Mezger (M ünchen)....................................

12

Ministerialrat Rietzsch...........................................................

12

Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig).......................

18

Vizepräsident G r a u ...............................................................

19

Amtsdelikte Reichsjustizminister D r. Gürtner 2 2 . 2 7 . 3 0 . 31. 32. 3 4 . 35. 3 6 . 3 8 . 39. 41 Berichterstatter

Senatspräsident

Professor D r. Klee

(B erlin )......................................................

2 2 . 34. 38. 4 0

Berichterstatter Vizepräsident G rau .................................

26

Regierungsassessor D r. Dellbrügge 2 7 . 3 2 . 35. 3 9 . 40. 41 Staatssekretär D r. Freister . . .

2 8 . 3 5 . 36. 38. 40. 41

Professor D r . D ahm (Ä tel)....................................... 30. 31 Professor D r . Mezger (M ü n ch en ).......................... 31. 3 2 Professor D r . N agler (B r e sla u )....................................... 33 Ministerialdirektor S ch ä fer...............................

35. 38. 4 0

Postrat D r. S ch u ster...........................................................

39

(Aussprache abgebrochen)

Beginn der Sitzung 10 Uhr 19 Minuten. Reichsjüstizminister D r. G ürtner: Meine Herren, von dem reichen Stoff, der auf der Tagesordnung steht, sind für zwei Abschnitte, nämlich für 8 und 9, Amts­ delikte und Falschmünzerei, abweichend von der bis­ herigen Übung, von der Unterkommission formulierte, in Gesetzesform gebrachte Entwürfe vorgelegt worden. Die Entwürfe sind den Herren bekannt. Nun haben w ir für heute die H errm Vertreter des Reichsfinanzministeriums und der Reichsbank einge­ laden, weil in diesen Bestimmungen einige P a ra g ra ­ phen sind, deren In h a lt weniger juristisch als finanz30.

zum Gegenstand unserer Betrachtungen machen. Berichterstatter sind Herr Professor D r. Kohlrausch (Berlin) und Herr Oberstaatsanwalt D r. Reimer (Berlin). Ich glaube, w ir könnten bei diesem Abschnitt das Tempo etwas beschleunigen, nachdem doch oie Herren den W ortlaut der Vorschläge der Unterkommission in der Hand haben. Berichterstatter Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Meine Herren, die »Münzfälschung«, wie es früher hieß, ist im 15. Abschnitt des Referentenentwurfs ge­ regelt. Die Unterkommission schlägt zunächst vor, die Überschrift zu fassen: »Fälschung von Geld und W ert­ zeichen«, weil unser heutiges Geld nur zu einem Teil gemünztes Geld ist und weil eine Reihe von W ert­ zeichen dem Geld, was den strafrechtlichen Schutz be­ trifft, gleichgestellt werden. An der Aufzählung des § 214a schlagen wir vor, vorläufig nichts zu ändern. Es ist für den finanzrecht­ lich nicht bis ins kleinste orientierten Juristen schwierig, die Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Katalogs zu beurteilen. Hier ist wohl eine Äußerung des Reichs­ finanzministeriums und oer Reichsbank einzuholen. W as die Tatbestände betrifft, so handelt es sich zu­ nächst um die Geldfälschung und die Geldverringerung. Die Fassung der §§ 215 und 216 und dam it auch der Umfang der Tatbestände weichen von dem geltenden Recht etwas ab, indem § 215 als vollendete Geld­ fälschung schon den straft, der sich m it der Absicht der Weitergabe Falschgeld verschafft, während er es jetzt außerdem in Verkehr bringen muß. Diese Vorver­ legung des Zeitpunktes der formellen Deliktvollendung ist richtig. W ir haben uns in diesem Punkte dem R e­ ferentenentwurf angeschlossen, so daß der § 215 jetzt unter der a potiori genommenen Gesamtüberschrift »Geldfälschung« drei Tatbestände unter S tra fe stellt: erstens, wer Geld in der Absicht fälscht oder verfälscht, daß es als echt in Verkehr gebracht werde, zweitens, wer sich in dieser Absicht falsches oder verfälschtes Geld ver­ schafft, und drittens, wer falsches oder verfälschtes Geld als echt in Verkehr bringt, eine Bestimmung, über deren Tragweite nachher int Anschluß an § 217 noch ein paar W orte zu sagen wären. Zunächst ist es klar, daß m an diesen dritten Tatbestand für die Fälle braucht, in denen der T äter das Geld weder selbst gefälscht, noch sich zu dem Zwecke verschafft hat, es als echt in Verkehr zu bringen, es aber trotzdem in Verkehr bringt. D ie zweite Tatbestandsgruppe ist die der Geldver­ ringerung in § 216, in der w ir uns auch dem Referen­ tenentwurf angeschloffen haben. I m Abs. 4 haben w ir n u r eine kleine stilistische Änderung vorgenommen, die sachlich nichts Neues bringt, aber im Ausdruck einfacher ist. D aß das W ort »Tat« hier sowohl auf Abs. 1 wie auf Abs. 2 zu beziehen ist, ist selbstverständlich. Schwierigkeiten bringt der § 217, der heutige § 148. S ie sind alt und bei allen Beratungen der Geldfälschungsdelikte immer wieder aufgetaucht. D er

§ 148 sollte einen privilegierten Fall des § 146 her­ ausheben und unter mildere Strafe stellen. D er Sinn der Privilegierung war, daß in Fällen, wo man Geld als echt empfängt und- dann als falsch erkennt, die Versuchung groß ist, es wieder als echt auszugeben und den entstandenen Schaden auf andere abzuwälzen, so daß die T at bis zu einem gewissen Grade entschuldbar erscheint. Es gibt sogar Menschen, die stch eines gesun­ den Rechtsempfindens rühmen und behaupten, das ver­ diene überhaupt keine S traft. D as geht natürlich zu weit. Aber wir sind uns wohl darüber einig, daß hier eine fühlbare Strafmilderung am Platze ist. Es fragt sich nur, wie die Fälle zu umgrenzen sind. § 148 hatte den Fehler gemacht, diese Fälle zu eng zu umgrenzen. Auch wer das Geld aus Gefälligkeit f ü r e i n e n a n d e r e n weitergibt, muß milder strafbar sein. E r fällt aber nicht unter den § 148, weil dieser voraussetzt, daß derjenige, der das Geld weitergibt, es selber als echt empfangen habe. Bei dem Versuch, diesen Fehler zu korrigieren, ist nun der Referentenentwurf unserers Erachtens zu weit gegangen. E r schlägt für den § 217 die Fassung vor: Wer falsches, verfälschtes oder verringertes Geld, das als echt oder vollwertig eingenommen wor­ den ist, als echt oder vollwertig weitergibt, wird mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. D as geht zu weit. Denn danach würde die Weitergabe von falschem Geld, das von irgend jemand irgend­ wann als echt oder vollwertig eingenommen worden ist, niemals unter den schweren Fall des § 215 bezogen werden können, eigentlich auch dann nicht, wenn der Weitergebende es sich in der Absicht verschafft hat, e8 als echt in den Verkehr zu bringen. Dies dem W ort­ laut entsprechende Ergebnis kann natürlich nicht ge­ meint sein. M an muß also einerseits mit der Notwendigkeit bre­ chen, daß Empfänger und Weitergebender identisch sein müssen. Andererseits darf die Privilegierung nicht über dm S inn hinausgehen, der ibr zugrunde liegt, und die­ ser S inn ist der Beweggrund der Weitergabe: die Ab­ wälzung eines ohne eigene Schuld erlittenm Schadens. Unter die mildere Strafdrohung soll also nicht nur der Empfänger selber fallen, wenn er das Falschgeld ausgibt, sondern auch der, der es f ü r i h n a u s ­ g i b t , um den Schaden v o n i h m abzuwälzen, z. B. der Ehemann für die Ehefrau, der Kellner für den Kellnerkollegen. Ein solcher muß vor der Auslegung bewahrt werden, er habe sich das Falschgeld »verschafft, um« es auszugeben, eine Auslegung, die für ihn die Zuchthausstrafe bedeuten würde. D er Vorschlag unserer Unterkommission trägt dem Rechnung. E r beugt gleich­ zeitig einer zu weiten Ausdehnung des privilegierten Tatbestandes vor, indem er bei Verschiedenheit der Person des Empfängers und der des Weitergebenden die mildere S tra ft auf den Fall beschränkt, daß der letz­ tere lediglich die Absicht hatte, den Schaden von dem, bei dem er durch die gutgläubige Einnahme von Falsch­ geld entstanden w ar, wieder abzuwälzen. Leider erschien m ir nachträglich auch diese Fassung als unzureichend. Unter die mildere Strafdrohung muß — in Übereinstimmung mit dem jetzigen § 148 und dem § 217 des Referentenentwurfs — auch ein dritter Fall gezogen werden, wo der Empfänger das Geld nicht

für sich, sondern f ü r e i n e n a n d e r e n e i n g e ­ n o m m e n hatte und es nun weitergibt, um v o n d i e s e m den Schaden abzuwälzen/ z. D. die Kassiere­ rin eines Geschäfts für den Geschäftsinhaber. Man kann dem Rechnung tragen, indem man entweder statt: »von sich oder dem anderen« sagt: »von sich oder einem anderen abzuwälzen«. Besser noch wäre eine Fassung, die ich hiermit vorschlage, über die ich mich aber leider mit den anderen Herren der Unterkommission nicht mehr in Verbindung setzen konnte: » __ lediglich in der Absicht weitergibt, den durch die Einnahme entstandenen Schaden auf den, dem er es weitergibt, abzuwälzen«. Eine weitere Zweifelsfrage folgt aus dem W ort »ein­ genommen«. Z ur Zeit heißt es: wer das Geld als echtes »empfangen« hat. Der § 217 sagt: wer es als echt oder vollwertig »eingenommen« hat. Es ist streitig, ob das W ort »empfangen« im Sinne eines abgeleiteten Erwerbs zu verstehen sei oder ob unter dem Geld­ empfänger des § 148 auch der Finder, ja sogar der Dieb zu verstehen sei. Diese Streitfrage ist in einer ausführlich begründeten neuen Reichsgerichtsentschei­ dung vom Ju li vorigen Jahres in dem Sinne entschie­ den worden, daß auch der Erwerb durch Fund, Dieb­ stahl usw. unter den § 148 des geltenden Rechts zu be­ ziehen sei. Im ersten Augenblick frappiert diese Ent­ scheidung, aber sie ist doch wohl richtig. Es handelt sich hier nicht darum, ob der Dieb bestraft werden soll. Der Diebstahl als solcher bleibt natürlich strafbar. Es handelt sich hier nur um die Strafbarkeit der Weiter­ gabe unter der Voraussetzung, daß der Dieb die Unecht­ heit des Geldes erst nachträglich merkt. Allerdings hat der Dieb nicht die Absicht, einen Schaden abzuwälzen/ denn ihm ist keiner entstanden. Aber noch weniger hatte er die die Zuchthausstrafe begründende Absicht, sich Falschgeld zu verschaffen, um es in Verkehr zu bringen. Es geht nicht an, ihn weder aus § 146 noch aus § 148 zu strafen. So bleibt nur § 148. ^B eim Finder liegt die Sache noch deutlicher. Ein Schaden ist ihm auch nicht entstanden. Es entgeht ihm aber unter Umständen ein Gewinn, den e r .sichaneignen dürfte, wenn das Geld echt wäre. Natürlich hat der Finder keinen Anspruch auf diesen Gewinn. Auf der andern Seite fehlt aber erst recht das, was durch § 146 im schwersten Falle getroffen und mit Zuchthaus be­ straft werden soll, nämlich eine sein ganzes Tun be­ herrschende Absicht, von vornherein die Sicherheit des Münzverkehrs zu gefährden. Es fragt sich, wie man diese de lege lata so zu ent­ scheidenden Fälle de lege ferenda stellen soll, ob man also Dieb und Finder unter die mildere oder die stren­ gere Bestimmung fallen lassen soll. Meinem Empfinden entspricht es, wenn diese beiden Fälle, aber auch andere, bei denen die Absicht der Scha­ densabwälzung besteht, der schwereren Strafdrohung des § 215 des Referentenentwurfs unterstellt werden. Deshalb halte ich es für richtig, daß § 217 das W ort »eingenommen« gebraucht und nicht »empfangen«. Darüber kann ja kein Zweifel sein, daß weder der Dieb noch der Finder Geld »einnimmt«, während man zwei­ feln konnte, ob sie es »empfangen« baben. Und rechts­ politisch kann man von ihnen fordern, daß sie eine Weitergabe unterlassen: ein Schaden entsteht ihnen da­ durch nicht, denn für den entgehenden Gewinn fehlt jeder Rechtstitel.

Neben dem D ieb und dem F in d e r bleiben aber die Fälle des G e s c h e n k e m p f ä n g e r s , auch des B e tt­ lers, die unechtes Geld bekommen haben. Auch diese Fälle w ürden, wenn w i r dem § 217 in der von der U nterkom m isflon gegebenen Fassung folgen, doch Wohl wieder unter § 215 fallen müssen,- denn auch hie r ist ein Schaden nicht entstanden, den es abzuwälzen g ilt. W i r werden unS überlegen m uffen, ob w i r auch diese Fälle m it Zuchthaus bestrafen w ollen. D ie Fassung der Unterkomm ission bejaht die Frage. Ob es ric h tig ist, in § 217 bis auf sechs M o nate G efängnis hinaufzugehen, m ag dahingestellt bleiben. D a s geltende Recht kennt n u r drei M onate. V ielleicht könnte m an dabei bleiben. A ber da ja das M in im u m im m e rh in die M indestgefängnisstrafe ist oder Geld­ strafe, habe ich gegen die S tra fd ro h u n g von sechs M o ­ naten oder Geldstrafe nichts einzuwenden. D ie endgültige Fassung, die daher folgendermaßen lauten:

ich empfehle, w ürde

W e r falsches, verfälschtes oder verringertes Geld, das er oder ein anderer als echt oder v o ll­ w e rtig lediglich in der Absicht w e ite rg ib t, den durch die Einnahm e entstandenen Schaden von sich oder einem anderen abzuwälzen, w ir d m it G efängnis bis zu sechs M onaten oder m it Geld­ strafe bestraft. Gegen § 2 1 8 habe ich nichts einzuwenden, und die Unterkommisston ha t sich hier ebenfalls dem Referenten­ e n tw u rf angeschlossen. E r entspricht dem § 275 des geltenden Rechts. A ber au f eines möchte ich aufm erk­ sam machen: im § 218 werden nicht n u r inländische, sondern auch ausländische Wertzeichen, amtliche W e rt­ zeichen oder W ertm arken geschützt. M a n könnte zwei­ feln, ob es ric h tig ist, daß Deutschland seinen S tr a f schütz ausländischen Wertzeichen oder W ertm arken ohne weitere Voraussetzung angedeihen läßt. B e im Geld stehen w i r ja seit lanaer Z e it auf dem S tand pun kt des U niv e rs a lp rin z ip s uno zweifeln nicht da ran, daß das, w as irgendw o als Geld anerkannt w ird , von jedem S ta a t geschützt werden muß. B e i Wertzeichen oder W ertm arken könnten allerdings Z w e ifel kommen. Es ist schwer zu übersehen, w as das A usland unter diesen B e g r iff faßt. Es ist deshalb mehrfach der V o r ­ schlag bemacht worden, den Strafschutz von der Gegen­ seitigkeit abhängig zu machen. I m Reichstagsausschuß ist von deutschnationaler S eite damals folgender Z u ­ satz empfohlen w orden: »W er inländische oder solche ausländische amtliche Wertzeichen oder W ertm arken, zu deren Schutz sich das Reich verpflichtet hat, . . . D e r A n tra g w urde m it S tim m engleichheit abgelehnt, ha t also im m e rh in , und zw ar bei Sachverständigen, ein ge­ wisses V erständnis gefunden. D ie Frage ist vom K rim in a lis te n schwer zu beurteilen. M a n könnte vie l­ leicht die Unbedenklichkeit dieser Fassung durch eine Rückfrage beim Reichsfinanzm inisterium noch einm al nachprüfen. Ic h selber verm ag sie nicht zu beurteilen. § 2 1 9 entspricht den §§ 276 und 36 4 des geltenden Rechts. Ic h habe nichts dagegen einzuwenden. Auch die Unterkomm ission w a r einstim m ig d a m it einver­ standen. Schwierigkeiten macht wieder § 2 2 0 , und zw ar sprachliche Schwierigkeiten. W i r glaubten, vom Refere nten entw u rf abgehen zu sollen. E r hat sich hier, und zw ar geht das schon au f die Reichsratsvorlage von

1925 oder noch w eiter zurück, in seiner Kasuistik ve r­ strickt. W enn es heißt: »W er m it solchen Gerätschaften hergestellte Abdrücke a n fe rtig t« , so ist offensichtlich eine Entgleisung passiert. D ie Abdrücke toetben doch mit diesen Gerätschaften »hergestellt«/ trotzdem sollen sie noch einm al »angefertigt« werden? D ie T ä tig ke it des Herstellens und A nfertigen s ist doch w o h l dieselbe. W i r haben geglaubt, die Kasuistik des § 220 in drei N u m ­ m ern teilen zu sollen, indem w i r oen ersten Absatz in gwei N um m ern auflösten. D ie Z ä su r befindet sich v o r oen W o rte n »oder m it solchen Gerätschaften«. D ie drei T a ten, die unter S tra fe gestellt weroen müssen, gliedern sich nach den Gegenständen, an denen die S t r a f ­ taten begangen werden: erstens Form en oder andere Gerätschaften, also Gerätschaften, zweitens Abdrücke und d ritte n s P a p ie r. D ie Ausführungshandlungen sind das A n fe rtig e n , das Sichverschassen, das Feilhalten oder Überlassen an andere (wobei das A nfertigen eigentlich unter N um m er zwei von den beiden anderen Derben abgesondert werden müßte). A ls Ganzes lautet der § 220 jetzt so: M i t G efängnis bis zu zwei Ja h re n w ird be­ stra ft, w er zum Zwecke der Geldfälschung, Geld­ ve rrin g e ru n g oder Wertzeichenfälschung Form en oder andere Gerätschaften, die zur Herstellung von Geld oder von Wertzeichen oder W ertm arken der im § 218 bezeichneten A r t oder zu r Geldverrin g e ru n a geeignet sind, oder m it solchen G erätschäften hergestellte Abdrücke a n fe rtig t oder sich verschafft, fe ilh ä lt oder einem anbeten überläßt. Ebenso w ird bestraft, w er zur Getdfälschung oder Wertzeichenfälschung P a p ie r a n fe rtig t, sich verschafft, fe ilh ä lt oder einem anderen überläßt, das einer P a p ie ra rt gleicht oder zum V e r­ wechseln ähnlich ist, die m i Herstellung von Geld oder von Wertzeichen oder W ertm arken der im § 21 8 bezeichneten A r t bestimmt ist. Versuch soll nicht bestraft werden. D a ß dieser § 220 Abs. 1 m it seinen beiden N u m m e rn schön ist, w ird im m e r noch nicht behauptet werden können. S o ent­ steht die Frage, ob w ir ih n nicht noch w eiter zusammenstreichen sollen. Ic h würde vorschlagen, folgende Fassung zu erwägen: W e r Gegenstände, die zur Herstellung von Geld oder von Wertzeichen oder W ertm arken der im § 218 bezeichneten A r t oder zur G eld­ verringe run g geeignet sind, a n fe rtig t, sich ve r­ schafft, f tilh ä lt oder einem anderen überläßt. Ic h möchte glauben, daß d a m it alles gesagt ist. Ic h komme zum Abs. 2 des § 220, der die tätige Reue oder den R ü c k tritt vom Versuch regelt. H ier w a r die Unterkommission nicht e in ig / das ergibt sich auch aus der von uns zugefügten Anmerkung. W ir haben zunächst den R eferentenentw urf übernommen, und der Abs. 2 lautet:. Wegen V orb ereitu ng der Geld- oder W e rtzeichenfälschuna w ird nicht bestraft, wer fte iw illig die Fälschungsm ittel vernichtet, zur Fälschung unbrauchbar macht oder der Behörde ab liefert, bevor sie zum Zwecke einer G eld­ fälschung, G eldverringerung oder Wertzeichen­ fälschung verwendet w orden sind. Diese Bestim m ung fand sich weder in der Reichsrats­ vorlage noch in der Reichstagsvorlage. S ie ist im 1

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Reichstag aufgenommen worden, und das Reichsjustiz- troffen. E r ist gestrichen worden nicht nur auf Grund ministerium hat der Ausnahme nicht widersprochen, im eines Antrages, der im Reichstagssausschuß gestellt wor­ Gegenteil darauf aufmerksam gemacht, daß ähnliche den ist, sondern aus ausdrücklichen Wunsch sowohl des Bestimmungen wohl an verschiedenen Stellen eingefügt Reichsjustizministeriums wie auch der Reichsfinanzver­ werden müßten, wo derartige Vorbereitungshandlungen waltung. Die Frage sollte im Einsührungsgesetz geregelt m Sonderdelikten gemacht sind. Folgendes w ar wohl werden. der Gedanke: wenn ein Rücktritt vom Versuch generell Berichterstatter Oberstaatsanwalt D r. Reimer (Ber­ straflos macht, dann muß der Rücktritt von Vorberei­ tungshandlungen, die hier zu delicta sui generis ge­ lin): D as Referat des Herrn Professor D r. Kohlrausch stempelt sind, erst recht straflos machen. S o bestechend ist das Ergebnis der Verhandlungen der Unterkommis­ dieses Argument auf den ersten Blick zu sein scheint, sion. Ich kann mich daher fernen Ausführungen im so glaube lch nicht, daß es Stich hält/ denn es könnte ja wesentlichen anschließen. Die Abänderungsvorschläge, sein, daß man solche Vorbereitungshandlungen gerade die heute zu dem § 217 und § 220 Abs. 1 in der Fas­ deshalb zu delicta sui generis macht, um sie unter sung des Kommissionsentwurfs gemacht worden sind, allen Umständen zu bestrafen, um einem Rücktritt eben halte ich für eine entschiedene Verbesserung. nicht strafbesreiende Wirkungen zuteil werden zu lasten/ W as den Abs. 3 des § 220 des Referentenentwurfs und das ist nach meinem Gefühl das richtigere Argu­ betrifft, so bin ich bereits in der Unterkommission in ment. Ich habe auch, rein aus der Gefährlichkeit der Übereinstimmung mit H errn Professor D r. Kohlrausch, Münzdelikte heraus, das Gefühl, daß schrankenlose aber im Gegensatz zu den beiden Herren Referenten des Straflosigkeit beim Rücktritt von solchen Vor­ Reichsjustizministeriums, für deffen gänzliche Streichung bereitungshandlungen nicht am Platze ist. eingetreten. Solange wir die Bestimmung des neu ge­ Aber vielleicht können wir, wenn wir die vier schaffenen § 245 a des Strafgesetzbuches haben, der den Tätigkeitswörter betrachten, unterscheiden zwischen bloßen Besitz oder Gewahrsam von Diebeswerkzeugen »anfertigen« und »sich verschaffen« auf der einen B e rlin s : Solche Bestrebungen existieren doch.) — J a , gewiß. Ic h kann m ir aber nicht denken, daß ein S trafrecht bei der V erfo lg u n g der Verbrechen schlecht­ hin das Le g a litä tsp rin zip verlassen und die V e rfo lg u n g etwa der D isp o sitio n der S taatsanw altschaft oder der politischen Leitung überhaupt freigeben könnte. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): D e r Hammsche F a ll würde doch geeignet sein, das Le g a litä ts p rin z ip zu durchbrechen. Vielleicht müßte da doch eine Klausel eingeführt werden. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h habe v o rh in selber H e rrn Professor Kohlrausch entgegenhalten wollen, daß unter Umständen das Dahmsche Rezept ein M itte l gäbe, bei Sittlichkeitsverbrechen — davon haben w ir schon bei den A ntragsdelikten gesprochen —

die Sache auf diesem Wege zu beseitigen. D an n ist für unterlassene Rechtsverfolgung natürlich g ar kein R aum mehr. Ich wollte n u r nicht so leichthin d as W o rt vom auf­ gegebenen L egalitätsprinzip durchlassen. S enatspräsident Professor D r. Klee (B erlin): Ich bin persönlich ganz derselben' M einung: w ir brauchen das L egalitätsprinzip als G rundlage der S trafrech ts­ pflege. Professor D r. Mezger (München): Ich möchte zur F rage der obligatorischen Achtung in § 129 (Rechts­ beugung) noch sagen: Selbst beim Landesverrat ist die Achtung nicht obligatorisch, sondern es ist dort die W endung gebraucht: » . . . k a n n erkannt werden auf Achtung«. D a s würde wohl auch hier am Platze sein, also eine K annvorschrift, nicht eine M ußvorschrift. (Reichsjustizminister D r. G ü rtn er: Oder umgekehrt/ jedenfalls muß das parallel gestellt werden.) Ich glaube, dam als ist bewußtermaßen n u r eine K ann­ vorschrift eingestellt worden. Professor D r. Dahm (Kiel): Ich halte diese B e­ schlüsse der Unterkommission für nicht genügend. M einer M einung nach ist die Unterkommission in der Zulassung von Ehrenstrafen allzu zurückhaltend ge­ wesen. Ich würde in weiterem Um fange eine obliga­ torische Achtung vorsehen, so fü r Rechtsbeugung, L andesverrat und andere Verbrechen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D a s muß ja am Schluß überhaupt einmal gegeneinander abgestimmt werden. Rach der Auffassung des H errn M inisterialdirektors Schäfer w ürde in § 1 29 a das W o rt »wissentlich« an der ersten S telle durch »absichtlich« ersetzt werden können. Professor D r. Kohlrausch (B erlin): W enn w ir uns auf dieses Gebiet begeben, w ird die Sache gefährlich. D a gibt es recht unfruchtbare S treitfra g e n . D arü ber sind w ir uns doch klar, daß jede H andlung von einer ganzen Reihe von M otiven beherrscht ist, und daß jede Absicht eine darüberliegende Absicht voraussetzt. E s kommt d ara u f an, welches der b e h e r r s c h e n d e Bew eggrund ist/ und das w a r in diesem Falle nicht der, diesen Sittlichkeitsverbrecher, m it dem der S ta a ts ­ anw alt natürlich kein M itleid haben konnte, der V er­ folgung zu entziehen, sondern der, die F ra u zu retten. Ich glaube, das liegt hier doch psychologisch ziemlich einfach. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D ie F rage müßte m an doch so stellen: Z u welchem Zweck hast du das ge­ macht? Welchen Erfolg wolltest du erzielen? Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig): Z u der Frage, ob im § 1 2 9 a Abs. 2 auch der Tatbestand der Erzw ingung der A u s s a g e - V e r w e i g e r u n g m it aufzunehmen sei, möchte ich m ir die Bemerkung er­ lauben, daß ich m ir solche Fälle praktisch wohl v or­ stellen könne, ich denke ganz besonders an gewisse poli­ tische S trafv e rfa h re n ober auch an S trafv e rfa h re n , in die B eam te m it als Beschuldigte verwickelt sind. Folgender F all w äre jetzt z. B . praktisch denkbar, um auch die Verschiedenartigkeit der möglichen Z w angs­ m ittel zu zeigen: B ei der Entlassung aus der Schutzhaft müssen die Leute u. a. einen R evers des In h a lts

unterschreiben, daß sie keine Beschwerden anzubringen haben. Es w äre denkbar, daß der zuständige Aufsichts­ beamte nun sagt: »W enn du das nicht unterschreibst, kommst du aus der Schutzhaft nicht heraus«. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Es handelt sich um die M itw irkung berufener A m tsträger bei einem S trafv erfah ren . Ich habe bis jetzt nicht die Überzeu­ gung, daß w ir das W o rt »oder verhindern« hinein­ schreiben müssen. Ich glaube, es ist kein rechtes A n ­ wendungsgebiet vorhanden. D a n n kämen w ir zu § 129b. Alle H erren haben sich bisher dafür ausgesprochen, den Absatz 2 fallen zu lassen. W enn sich dagegen kein W iderspruch erhebt, w ürde ich diesen Wunsch fü r beachtenswert halten. W ir kämen nunm ehr zu dem Abschnitt, der nach der Einteilung von H errn Vizepräsidenten G rau die §§ 130 bis 139 umfassen sollte. Vizepräsident G ra u : Ich würde vorschlagen, § 144 auch gleich hinzuzunehmen/ denn dieser P a ra g ra p h steht dort gänzlich verlassen, er paßt nicht zu dem Geheim­ nisbruch. Reichsjustizminister D r. G ü rtn er: D a erhebt sich die F rage: M uß das, w as in der Reihenfolge der B ehand­ lung als d ritter Abschnitt erscheint, bei der Gesamt­ anordnung dann nicht hinter die Rechtsbeugung kommen? (Vizepräsident D r . G ra u : Ich dachte hinter Rechtsbeugung und Amtsdelikte bei A usübung der Rechtspflege!) — D a s könnten w ir dann als Abschnitt B bezeichnen. B is jetzt haben w ir die Bestechung noch gar nicht unter­ gebracht, diese käme erst später. D a rf ich nun bitten, über diese ganzen P a ra g ra p h e n einschließlich 144 zu berichten. Berichterstatter Vizepräsident G ra u : Zunächst wende ich mich zu § 130, der N ötigung durch M ißbrauch der Amtsbefügniffe. A ls T ä te r sind bisher nur A m tsträger vorgesehen. E s ist aber schon gestern in der allgemeinen D ebatte gesagt w orden, daß gerade dieser Tatbestand dazu drän gt, den T äterkreis auch auf T rä g e r kirchlicher Ä m ter auszudehnen. Ich erinnere n u r an Die bekannten Erscheinungen, die im m er wieder beobachtet werden, daß nämlich T rä g e r kirchlicher Ä m ter ihre Am tsbefug niffe in dem Zusam m enhang überschreiten, daß sie K in­ der aus Mischehen einem bestimmten Bekenntnis zuzu­ führen bestrebt sind. I n der Unterkommission ist auch hierüber gesprochen w orden/ sie h at sich aber in dieser Richtung nicht schlüssig gemacht. Ich möchte deshalb diese Anregung von m ir aus geben. I m übrigen h at die Unterkommission es für richtig gehalten, statt »Am tsgew alt« im bisherigen W o rtla u t des Referenten­ entw urfes »Amtsbefügniffe« zu setzen/ denn unter A m ts­ gew alt versteht ein nicht unwesentlicher Teil der Wissen­ schaft n ur solche Am tsbefügniffe, die m it einep gewissen G ew altausübung verbunden sind. D eshalb glaube ich, daß es richtiger ist, von M ißbrauch der Amtsbefugnisse zu reden. A ls S tra fe ist G efängnis vorgesehen, , in be­ sonders schweren Fällen Zuchthaus. N u n komme ich zu § 132, der unrichtigen B eurkun­ dung oder B eglaubigung durch einen A m tsträger. V o r­ weg möchte ich bemerken, daß entgegen dem Referenten­ entw urf als uneigentliche Amtsdelikte die Verfälschung und Unterdrückung von Urkunden und die Verfälschung und Unterdrückung von Beglaubigungszeichen weg-

ae fassen worden sind. In s o fe rn sollen die allgemeinen V orschriften der §§ 203 Abs. 1, 206 und 209 des Refe­ rentenentwurfes gelten/ als Ausgleich ist § 148a h in ­ zugefügt worden. W as den Tatbestand selbst an la n g t, so ist in ver­ schiedener R ichtung von der Unterkommission eine Ände­ ru ng vorgenommen worden. Zunächst ist eingesetzt worden, daß der A m ts trä g e r n u r inne rha lb seiner »sach­ lichen« Zuständigkeit handeln muß. B is h e r hieß es ein­ fach »Zuständigkeit«, also sachliche und örtliche Z u ­ ständigkeit. D e r Unterkom m isflon schwebte folgender F a ll v o r: Es geht jemand zu einem Standesbeamten und veranlaß t ihn, eine falsche G eburtsurkunde aus­ zustellen, obwohl der Standesbeamte örtlich nicht zu­ ständig ist, sondern der Standesbeamte des Nachbarbezirkes zuständig ist. D a s tu t der Standesbeamte in K enn tnis seiner örtlichen Unzuständigkeit. E r würde, tuenn in dem Tatbestand n u r von Zuständigkeit die Rede w äre, nicht strafbar sein. Es muß deshalb ge­ nügen, daß der T ä te r innerhalb seiner s a c h l i c h e n Zuständigkeit handelt. D a n n ist von der Unterkommission weggelassen w o r­ den, daß die unrichtige Beurkundung »in einer öffent­ lichen Urkunde« geschehen sein muß. D a s Reichsgericht bat ja w iederholt entschieden, daß eine öffentliche U r ­ kunde dann zu einer D riv a tu rk u n d e werde, wenn wesent­ liche Formerfordernisse verletzt seien. M a n nehme den F a ll, der Standesbeamte verletzt bewußt eine F o rm ­ vorschrift und beurkundet im übrigen falsch. E r würde dann straflos sein, wenn man das E rfo rd e rn is einer öffentlichen Urkunde a u fn im m t. M a n kommt inhaltlich zu demselben E rgebnis, wenn m an einfach sagt: »Ein A m ts trä g e r, der ein Recht, ein R echtsverhältnis oder eine Tatsache u n ric h tig beurkundet.« M a te rie ll würde nichts geändert, und man hätte doch den gewünschten E rfo la , daß auch bei bewußter Form verlehung der T ä ter nicht straflos bliebe. W e ite r ist zu fragen — das entsvricht allerdings nicht einer A nregung der Unterkommission, sondern einereigenen A nregung — , ob nicht auch hier die T rä g e r der kirchlichen Ä m te r den A m ts trä q e rn gleichzustellen sind. Ic h könnte m ir folgendes B eispiel vorstellen: I n einem Erbschaftsstreit versteht es jemand, einen Standesbeamten zu einer falschen B eurkundung einer G eburt und gleichzeitig einen kirchlichen A m ts trä g e r zur falschen Beurkundung eines Taufscheins zu veranlassen. Nehmen w ir an, es könnte in einem Erbrecht auch der Augenblick der T a ufe von Bedeutung sein. Ic h sehe nicht ein, w a ru m in einem solchen Falle nicht auch der kirchliche A m ts trä g e r bestraft werden müßte. Sicherlich werden auch andere Fälle unschwer denkbar sein. Abs. 2 enthält die unrichtige A n b rin g u n g von B e ­ glaubigungszeichen. Auch hier sind aus den vorher angeführten G ründen die W o rte »innerhalb der sach­ lichen Zuständigkeit« gewählt w orden. F ü r besonders schwere Fälle ist in Abs. 3 Zuchthausstrafe vorgesehen. Ferner ist auch die Einziehung vorgesehen, selbst wenn die Gegenstände dem T ä te r nicht gehören. D ie'w eggefallenen § § 1 3 3 und 134 enthielten T a t­ bestände uneigentlicher Amtsdelikte. § 136 Abs. 1, der nach dem Vorschlag der U n te r­ kommission ebenfalls weggefallen ist, enthielt im R eferentenentw urf den Tatbestand der Erhebung nicht geschuldeter S teuern, Gebühren oder Abgaben. W ir w aren darüber einig, daß dieser Tatbestand stets eine

B etrngshandlung in sich schließt nnd deshalb w ohl weg­ fallen ' könnte. Abs. 2 ist nach den Vorschlägen der Unterkommission au f kirchliche A m ts trä g e r ausgedehnt worden. S olange die Kirchen selbständige Kaffen haben, kann dieses D e lik t bei kirchlichen A m ts trä g e rn genau so vorkommen wie bei allen staatlichen A m tsträ g e rn . § 139 enthält die Verletzung der A m tspflich t im polizeidienst. D ie Unterkommission w a r der A u f­ fassung, daß dieser Tatbestand sehr problematisch sei, und daß es sehr zweifelhaft sei, ob er überhaupt au f­ rechtzuerhalten ist. Es ist dies in der Anm erkung zum Ausdruck gekommen. D e r Tatbestand setzt voraus, daß ein Polizeibeam ter bei gemeiner G efahr oder inneren Unruhen sich seiner D ienstpflicht entzieht oder daß er Vorschriften und A nordnungen ln dieser R ichtung nicht befolgt. W ir w aren der Auffassung, daß es solche Polizeibeamte hoffentlich in Z u ku n ft nicht mehr geben würde. W enn es aber solche noch geben sollte, so würde man sie sofort aus dem Dienst entlassen. Deshalb w aren w ir der Auffassung, daß man den Tatbestand v ö llig streichen könnte. I n § 144, der V e rle itu n g Untergebener, ist versehent­ lich in dem T e xt stehengeblieben: E in Amtsvorgesetzter, der »es un te rn im m t, zu verleiten«. D a s w a r von der Unterkommission nicht beabsichtigt. Es würde genügen, zu sagen: »E in Amtsvorgesetzter, der verleitet« oder auch »der zu verleiten sucht«, wenn man es sprachlich dem § 30 anpassen w ill. Es fra g t sich aber, ob über­ haupt noch ein B e d ü rfn is fü r diesen ganzen Tatbestand besteht. D ie V e rle itu n g zu einem Verbrechen würde ja schon nach § 30 der allgemeinen Vorschriften strafbar sein. Neu w ürde n u r sein die V e rle itu n g des A m ts ­ vorgesetzten zu einem vorsätzlichen Vergehen. D ie Unterkommission w a r zw ar der Auffassung, daß in ­ soweit ein B e d ü rfn is fü r einen Sondertatbestand be­ stehe/ man könnte aber auch daran denken, den ganzen Tatbestand zu streichen und es fü r genügend zu erachten, die ohne E rfo lg gebliebene A nstiftu ng zu einem V e r­ gehen n u r m it disziplinarischen M aßnahm en zu ahnden. Abs. 2 des § 144 enthält die tätige Reue/ hierüber ist nichts w eiter zu sagen. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: H ie r treten zum erstenmal die R eligionsdiener in den K re is der B e­ trachtung, nnd zw ar nach den Anregungen des H errn Berichterstatters bei § 130, bei § 132 nnd endlich bei § 136. D ie Fälle liegen nicht ganz gleich. Nach meiner M e in ung ist der einfachste F a ll § 136. Ic h verweise bloß auf die B egründung, die H e rr Vizepräsident G ra u selbst gegeben hat. A m schwierigsten scheint m ir die Sache bei § 130 zu liegen. D a s ist ja nicht die einzige S telle, an der von der N ö tigu ng die Rede ist, sondern der allgemeine Tatbestand der N ötigu ng muß noch da­ neben gehalten werden. Ic h habe bei der Überlegung der Frage, ob man hier die R eligionsdiener hereinnehmen soll, bis jetzt unüber­ wundene Bedenken dagegen gehabt, und zw ar aus fo l­ gendem Grunde. Ich gebe einm al von folgendem T a t­ bestand aus. E in Seelsorger droht einem Jungen an oder erklärt ih m : dn w irst nicht zum Kirchenbesuch, zum Abendmahl zugelassen, bn bekommst die Absolution nicht, wenn dn w eiterhin in dem und jenem Verbände bleibst, der also ganz heidnisch und antichristlich ist. S ollen w ir jetzt eine solche Sache in den Bereich der Amtsvergehen oder Amtsverbrechen hereinnehmen? Ic h

muß sagen, ich habe bis jetzt die Bedenken dagegen noch nid)t überwinden sonnen. Diese D rohungen m it der V o re n th a ltu n g geistlicher W ohlta ten finden sich etwa im ganzen Gefüge des kirchlichen kanonischen Rechtes auf S c h ritt und T r i t t , z. B . bei den Folgen einer Mischehe: du w irs t nicht kirchlich beerdigt usw. Jedenfalls kann ich m ir vorstellen, daß abgesehen von den allgemein an der K irchentür angeschlagenen D inge n auch einmal solche Beziehungen hergestellt werden: ich gebe den K in ­ dern keinen K onfirm andenunterricht, die nicht aus irgendeinem Verbände austreten. Sotten w ir das als A m tsdelikt ansehen? D a s kommt m ir außerordentlich bedenklich vor. D ie Frage, ob nicht in solchen Fällen eine N ö tig u n g vorliegen kann, mag ganz dahingestellt bleiben, insbesondere dann, wenn w ir als M itte l der N ö tig u n g nicht die Begehung von Verbrechen oder V e r­ gehen bezeichnen, sondern die A ndrohung jedes empfind­ lichen Übels. I n diesem S in n e bitte ich zu erwägen, ob bei § 130 die R eligionsdiener herangenommen w e r­ den sollen. Z u § 132 hätte ich den dringenden Wunsch, diesen Tatbestand sprachlich zu vereinfachen. M a n könnte auch so sagen: ein A m ts trä g c r, der innerhalb seiner sach­ lichen Zuständigkeit ein Recht, Rechtsverhältnis oder eine Tatsache in der Absicht unrichtig beurkundet, daß davon im Rechtsverkehr zum Zwecke des Beweises Ge­ brauch gemacht werde . . . , nämlich des Beweises dieser Tatsache dieses Rechtsverhältnisses. Auch Abs. 2 müßte sprachlich etwas besser gestaltet werden: in der Absicht a n b rin g t, daß im Rechtsverkehr von der Sache Gebrauch gemacht würde, als läge die bestätigte Tatsache vor. W as gemeint ist, ist ohne w ei­ teres klar. Es w ird sich vielleicht eine bessere Fassung finden lassen. W a s § 139 anlangt, so w ird der H e rr V e rtre te r des In n e n m in is te riu m s w ohl Gelegenheit nehmen, zu dieser Frage S te llu n g zu nehmen und zu sagen, ob das M i n i ­ sterium von seinem S tandpunkt aus eine solche S t r a f ­ vorschrift überhaupt wünscht und braucht. W enn man w ill, ist es eine A r t Bestim m ung gegen die polizeiliche Fahnenflucht. . Ich nlöchte glauben, daß sie nickt unbe­ d in g t notwendig ist. Z u § 144 habe ich n u r eine Gegenfrage. HerrKollege G ra u , S ie w ollten das Z e itw o rt so lassen: ein Amtsvorgesetzter, der einen Untergebenen zu »verleiten^ sucht? (Vizepräsident D r . G ra u : J a , dann würde es £ 30 entsprechen!) Professor D r . G ra f Gleispach (B e r lin ): Ic h bin der Auffassung, daß der Tatbestand des § 130 kein eigent­ liches A m tsde likt ist, sondern ein uneigentliches, und ich frage, ob er überhaupt notwendig ist. Ic h habe die a ll­ gemeine Nötigungsbestimm ung nicht gerade v o r m ir, aber es handelt sich dabei doch da rum , daß jemand durch A ndrohung eines Nachteils zu einer H andlung, D u ld u n g oder Unterlassung gebracht werden soll. § 130 ist aus diesem ganz allgemeinen Nötigungstatbestand dadurch herausgehoben, daß ein A m ts trä g e r einen M iß ­ brauch seiner Amtsbefugnisse androht. M a n müßte die S tra fd ro h u n g vergleichen. W ir haben hier Gefängnis, in besonders schweren Fällen Zuchthaus. D a s w ird bei der N ötig u n g vielleicht nicht anders sein. (Reichsjustizminister D r . G ä rtn e r: D ie S t r a f ­ drohung ist bei den bisherigen E n tw ü rfe n gleich!) 31.

Wozu braucht m an dann den Tatbestand? D a m it würde die Frage nach der Behandlung der P riester hier überhaupt wegfallen. Aber auch dann, wenn er erhalten bleibt, glaube ich nicht, daß es rich tig w äre, hier die Geistlichen einzubeziehen, w eil unter dem Ge­ sichtspunkt des A m tsdelikts § 130 n u r gerechtfertigt ist — nach dem, was heute grundsätzlich festgelegt wurde — , wenn ein M iß brauch des staatlichen Im p e ­ riu m s vo rlie g t, das der Beam te trä ^ t. D a s ist doch beim Geistlichen nicht der F a ll. D a ru m , meine ich, steht er hier lemand anderem gleich, der sonst eine N ö ­ tigu ng begeht, und w ird unter Umständen auch nach dem allgemeinen Nötigungsrecht erfaßt werden. A ber ich sehe nicht den G ru n d , ihn hier dem Beamten gleich­ zustellen. Bezüglich § 136 w ürde ich I h r e r Auffassung zu­ stimmen, H e rr Reichsminister. Reichsjustizminister D r . G ärtner: D ie Frage, ob man § 130 überhaupt braucht, kann man in allem E rnst stellen, wenn man bei der N ö tig u n g etwa den Weg des R eferentenentwurfs geht, nämlich zu sagen: W er einen andern m it G ew alt oder durch gefährliche D ro h u n g n ö tig t, w ird m it Gefängnis bestraft, in besonders schweren Fällen m it Zuchthaus bis zu 5 Jahren. E ine gefährliche D ro h u n g ist nach der Begriffsbestim m ung in § 9 eine solche m it G ew alt, m it einem Verbrechen oder Vergehen oder m it einem anderen empfindlichen Übel, wenn es gegen die guten S itte n verstößt, dieses Übel zu dem verfolgten Zwecke zuzufügen oder anzudrohen. N u n kann ich m ir keine D ro h u n g m it dem M ißbrauch der A m tsge w alt denken, die nicht unter diese Bestim m ung fallen würde. (Senatspräsident Professor D r . Klee [B e rlin ]: M a n müßte n u r noch eine höhere S tra fe zur V e r­ fügung stellen!) Professor D r . D ahm (K ie l): D ie Frage nach der Notw endigkeit des § 130 würde ich bejahen. Denn es handelt sich doch um einen M ißbrauch der A m tsgew alt des staatlichen Im p e riu m s . D en M ißbrauch des geist­ lichen Amtes würde ich hier aber nicht regeln. D enn es feh lt dabei an der Verletzung des staatlichen Im p e ­ riu m s . I n den übrigen Fällen würde ich den Geistlichen aber einbeziehen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: D ie M einungen bei § 130 sind geteilt. Es läß t sich die M e in u n g vertre­ ten, daß es ein typisches D e lik t ist. (Professor D r . D a h m sKielU Wobei die Frage offen wäre, ob es nicht systematisch bei der N ö ti­ gung zu regeln w äre!) — W as w ir jetzt noch nicht endgültig entscheiden wollen. Ic h könnte also dahin zusammenfassen: S ie wünschen, daß irgendw o im Strafgesetzbuch der M iß ­ brauch der Am tsbefugnis bei der N ötigu ng erscheint, und zw ar schien es Ih n e n zweckmäßiger zu sein, das D e lik t bei der N ötig u n g aufzuführen. (Professor D r . D a h m sK ieh: Wobei die Frage offenbleibt, ob es als ein besonderer Tatbestand unter der N ötigungsregelung erscheinen soll!) Wegen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit sind Bedenken nicht erhoben worden. Ic h glaube, daß der Vorschlag der Unterkommission das Richtige tr iff t, wenn er sich auf die s a c h lic h e Zuständigkeit be­ tt

schrankt. H ie r sollten also die Geistlichen nach der M e i­ nung der H erren hereingenommen werden. Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ic h wollte mich d a fü r einsetzen, daß in § 132 die A m ts trä g e r der Religionsgesellschaften miteinbezogen werden, und z w a r im H inblick auf die aus den Kirchenbüchern zu erbringenden Abstammungsnachweise, die zur Zeit höchst aktuell sind, und bei denen fü r den einzelnen, den es angeht, sehr v iel au f dem S piele steht und daher die G e fa h r naheliegt, daß versucht w ird , falsche Kirchen­ buchauszüge zu bekommen, wenn die richtigen irgendwie hinderlich sein könnten. M i r ist folgender F a ll in dieser Hinsicht bekannt: I n der Halleschen Gegend w ollte ein B a u e r seinen H o f zum E rb h o f erklären laffen. Dazu muß der Nachweis arischer Abstam mung noch weiter zurück erbracht werden als beim Berufsbeamtenaesetz, S tich ta g ist da der 1 .1 .1 8 0 0 . E in P fa r r e r gab den eine T a u fe betreffenden Kirchenbuchauszug, der m it dm Satz enthielt: - D e r V a te r w a r ein zugewanderter ge­ ta u fte r Jude.« S o stand es eben im Kirchenbuch. D er B a u e r w o llte den P fa r r e r veranlaffen, diesen Zusatz wegzulassen, w e il dieser die B aue rnfä higkeit im Sinne des Erbhofgesetzes vereitelte. D e r P fa r r e r ta t es nicht. H ä tte er es getan, so müßte er nach der Bestimm ung des § 132 strafbar werden. Andererseits mußte der Zusatz hinzukommen, da gerade der Nachweis erbracht werden sollte, ob der B a u e r re in arischer Abstammung w a r. Schon im Hinblick a u f die zu prüfenden, weiter zurückliedenden Abstammungen bei der P ra x is der Anerbengerrchte halte ich es fü r unbedingt notw endig, daß die kirchlichen A m ts trä g e r m it in § 132 aufgenommen werden, w e il die Gefahr sehr naheliegt, daß hier falsche Auszüge erstattet und verwendet werden. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er. D a s w ird prak­ tisch so zu machen sein: den A m ts trä a e rn im S in n e des Abs. 1 stehen gleich usw. Abs. 2 scheidet in diesem Z u ­ sammenhang aus. P rofessor D r . Mezger (M ünchen): Ic h hätte gegen die Einbeziehung der Geistlichen in § 130 RefE. (N ö tig u n g durch M ißbrauch der A m tsge w alt) kein ent­ scheidendes Bedenken. D enn die v o rh in genannten F ä lle w ürden, wenn § 130 so bleibt, g a r nicht unter oiese Bestim m ung fallen. Es lie g t kein M iß brauch der geistlichen G ew a lt vor, wenn der Geistliche androht, gewisse M it t e l der Kirche nicht zu gewähren, fa lls der Betreffende in einem V e re in bleibt, der nach Ansicht der Kirche kirchenfeindliche oder der Kirche entgegen­ gesetzte Zwecke verfolgt. W enn ein Geistlicher in UbereinsÜmmung m it der kirchlichen Auffassung androht, er könne jemanden un ter bestimmten Voraussetzungen nicht zur K o n firm a tio n zulassen, so lie g t vom S ta n d ­ punkt des kirchlichen Am tes aus kein M iß brauch einer A m tsbefugnis vo r. E in solcher F a ll muß vom S ta n d ­ punkt der Kirche aus betrachtet werden. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: D a s ist sehr die Frage,' jedenfalls sind die M einungen darüber geteilt. D e r eine Geistliche w ird eine laxere, der andere eine sehr strenge H a ltu n g einnehmen. Professor D r . Ragler (B re s la u ): Ic h möchte d rin ­ gend d a v o r w arnen, das deistliche A m t in § 130 einrubeziehen. M i t dem Gebiet der Seelsorge sollte sich der S ta a t grundsätzlich nicht befassen. Sonst kommt es leicht zu K onflikten zwischen S ta a t und Kirche,- solche Reibungsflächen sollte m an un ter allen Umständen ver­

meiden. Überdies werden gröbste Entgleisungen schon durch den Gesichtspunkt der Gefährdung erfaßt. D e r Gesetzgeber sollte sich hüten, ein Ausnahmerecht zu schaffen, welches die Kirchen als gegen sich gerichtet auffassen würden. Aus a ll diesen G ründen möchte ich dringend dazu raten, das geistliche A m t bei § 130 außer Betracht zu lassen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: W ir sollten, glaube ich, d a ra u f abkommen, den § 130 aus diesem Abschnitt verschwinden zu lassen und in einer A nm e r­ kung festzulegen, daß im Bereich der N ötigu ng eine Bestim m ung über den M ißbrauch der Amtsbefugnis zu erscheinen hat. Professor D r . D ahm (K ie l): Ich möchte fragen, ob es unbedingt n ö tig ist, in § 133 Abs. 2 neben Urkunden auch noch Beglaubigungszeichen aufzunehmen. E in B e ­ glaubigungszeichen, das von einem A m ts trä g e r in der Absicht angebracht w ird , daß im Rechtsverkehr von der Sache Gebrauch gemacht werde, ist eine Beurkundung, die T a t also eine Urkundenfälschung. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a s ist sachlich zweifellos rich tig , aber es beruht da ra u f, daß man -Urkunde« und »Bealaubigungszeichen« als zwei Rechtsbesiriffe voneinander getrennt hat. E in sachlicher Unterschied besteht keineswegs/ m an w ollte lediglich eine Kerbe oder eine P lom be nicht als Urkunde be­ zeichnen. D a s W o r t hierzu w ird nicht w eiter gewünscht. — Ic h d a rf nun den V e rtre te r des Reichsm inisteriums des In n e rn bitten, zu

§ 139 S tellung zu nehmen. M in is te ria lra t Foerster: Es ist m ir bei der Kürze der Z e it leider nicht möglich gewesen, die M e in ung der P olizeiab teilung meines M in is te riu m s einzuholen. Einstweilen glaube ich der Streichung der Bestimm ung zustimmen zu können, vorbehaltlich der endgültigen S tellungnahm e meines Ressorts. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a n n d a rf ich S ie bitten, diese Frage im Reichsm inisterium des In n e rn klarzustellen. D ie Frage kann m an m it J a oder N ein beantw orten/ dazu bedarf es keines großen Notenwechsels. Professor D r . D ahm (K ie l): Ic h würde die §§ 136 und 139 streichen. M a n sollte das Strafgesetz nicht m it überflüssigen Bestimmungen überlasten. Dieser ganze Abschnitt scheint m ir verfehlt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Auch ich betrachte das Schicksal des § 139 als zweifelhaft. Dabei möchte ich m ateriell dazu ga r nicht S te llu n g nehmen, denn ich bin der M e in u n g , daß das P o lizeim iniste rium da ra u f w ird verzichten können. Es erhebt sich sofort die Frage: S o ll man die V o r ­ schrift gerade au f die Polizeibeamten beschränken? Nehmen w ir einm al den F a ll eines S ta a ts a n w a lts , der in kritischer Lage und zu kritischer Z e it eine kritische Untersuchung zu führen hat, die vielleicht m it Lebens­ gefahr verbunden ist und von der er sich deshalb drückt. Solche Fälle sind mindestens denkbar. S o ll ein solcher S ta a ts a n w a lt nicht vielleicht auch wegen Fahnenflucht k rim in ell bestraft werden? Ic h sehe da keinen großen Unterschied zwischen einem fahnenflüchtigen P o liz e i­ beamten und dem S ta a ts a n w a lt.

Eine Frage noch: Brauchen w ir den § 136 Abs. 2 ober nicht? Welche Tatbestände haben hier v or­ geschwebt? M inisterialdirektor Schäfer: Einschlägig ist hier die Bestim m ung des geltenden Rechts § 353. § 353 Abs. 1 handelt von der Erhebung nichtgeschuldeter Gebühren. Rach § 353 Abs. 2 trifft gleiche S tra fe den Beam ten/ welcher bei amtlichen Abgaben vorsätzlich und rechts­ w idrig Abzüge macht und die Abgaben als vollständig geleistet in Rechnung stellt. § 136 Abs. 1 handelt von der Erhebung nichtgeschul­ deter Abgaben. D ie Bestim m ung ist jetzt gestrichen. § 136 Abs. 2 betrifft die V orenthaltung. Ich wüßte nicht, wie diese Bestim m ung durch eine bereits v o r­ handene gedeckt werden könnte. D er B eam te verfügt d arü ber nicht zu seinen eigenen Gunsten/ es handelt sich um eine Benachteiligung eines anderen ohne eigenen V orteil. D e r E rtra g w ird fü r andere Zwecke v er­ wendet. (Professor D r. D ah m sKielf: K ann dieser T a t­ bestand nicht als U ntreue bezeichnet werden/ oder genügt nicht disziplinarische A hndung?) — U ntreue braucht nicht im m er vorzuliegen. (Professor D r. D ah m sKiel): D e ra rtig unvolks­ tümliche Bestimmungen sollten nicht in das Gesetz kommen!) — Auch m ir ist aus der P ra x is kein F all bekannt, in dem § 353 Abs. 2 angewendet worden w äre. Professor D r. Kohlrausch (B erlin): Ich wollte fragen, ob sich § 136 Abs. 2 des R eferentenentw urfs von § 353 Abs. 2 des geltenden Rechts unterscheiden oder über die letztere Vorschrift hinausgehen soll. § 353 Abs. 2 S tG B , hat offenbar seine Rechtfertigung d arin , daß die V orenthaltung endgültig geschehen ist und zuungunsten des Berechtigten verschleiert werden soll. § 136 Abs. 2 des R eferentenentw urfs dagegen soll schon zur Anwendung kommen, wenn der Beam te das vorenthaltene Geld in den Schrank legt o. dgl. D a s geht sehr weit. M inisterialdirektor Schäfer: D ie B egründung zu § 136 Abs. 2 sagt, die Bestim m ung soll verhindern, daß ein A m tsträg er einem Bezugsberechtigten bei amtlichen Abgaben usw. B eträge vorenthält, Abzüge macht und die Abgabe als geleistet in Rechnung stellt. D ie B e ­ stimmung ist gedacht als ein Schutz sozial Schwacher gegen eine W illkür der Behörden.

(Professor Dr. Dahm sKielj: Mir scheint, hier handelt es sich um ein typisches D isziplin ar­ vergehen.) Reichsjustizminister D r . Gärtner: Auch ich könnte m ir vorstellen, daß der F all auf dem D isziplinarw ege geahndet werden könnte. Ein A nw endungsfall w äre übrigens denkbar beim W interhilfsw erk u. dgl. Professor D r. Kohlrausch (B erlin): W ie ist der F all zu beurteilen, wenn ein B eam ter das Geld in den Schrank legt, ohne es in Rechnung zu stellen oder v o r­ zuenthalten? M inisterialdirektor Schäfer: Ich glaube, daß der Fall gerade vor einiger Z eit bei einem in der presse viel erörterten ostpreußischen Fall praktisch geworden ist. D a sind Einnahm en, die eingegangen w aren, nicht zu dem Zweck verteilt worden, zu dem sie gesammelt

w aren, foiibm t sind einem schwarzen Fonds zugeführt worden. Professor D r. D ahm (Kiel): Nein, das ist nicht not­ wendig. U ntreue liegt im m er dann vor, wenn das Geld nicht zu dem ursprünglich vorgesehenen Zweck ver­ w andt w ird, auch wenn der unrechtmäßig verfolgte Zweck uneigennützig w ar. Reichsjustizminister D r. Gärtner: D a s ist richtig. D ie Abgrenzung des g 136 gegen Untreue und U n ter­ schlagung ist ja ganz H ar. (Professor D r. Kohlrausch (B erlins: Absichtlich zum Nachteil des A uftraggebers! — M inisterial­ direktor Schäfer: -Z u m Nachteil des A u ftrag ­ gebers'^ kommt hier nicht in Frage! — Professor D r. Kvhlrausch (B erlins: Doch, ich verfüge hier zum Nachteil des A uftraggebers! — M inisterial­ r a t D r. Schäfer: Ich halte es n ur für eine V o r­ schrift zum Schutze sozial Schwacher. E s ist nach meiner Ansicht ein abgeschwächter U ntreuefall, und ich glaube nicht, daß w ir sehr viel verlieren, ivetm w ir ihn herausstreichen!) — D a n n würde ich schon den Vorschlag machen, die Bestim m ung wegzulassen. M in isterialrat D r. Schäfer: § 139 ist hauptsächlich um deswillen aufrecht erhalten worden, weil die A uf­ forderung zu solchen H andlungen in § 153 als A uf­ wiegelung von Polizeibeam ten unter S tra fe gestellt ist und m an nicht gern die Aufwiegelung zu einer an und für sich nicht strafbaren H andlung unter S tra fe stellen wollte. D a s wollte ich n u r für den H errn V ertreter des Reichsm inisterium s des In n e rn bemerken, dam it das m it in Erw ägung gezogen w ird. Reichsjustizminister D r . Gärtner: § 153 lautet: W er es unternim m t, einen pölizeibeam ten oder einen m it der Beaufsichtigung von Gefangenen B eauftragen zu verleiten, Vorschriften oder A n ­ ordnungen in Dienstsachen nicht zu befolgen, w ird m it G efängnis bestraft. H ier handelt es sich um eine lex specialis. Professor D r . D ahm (K iel): H ier w ird auch zu prüfen sein, ob die Beschränkung auf Polizeibeam te zu rechtfertigen ist. W enn m an überhaupt eine solche B e ­ stimmung aufnehmen w ill, ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch die Aufwiegelung anderer B eam ter bestraft werden soll. Ich würde also diesen P arag rap h en ent­ weder fortlassen oder verallgemeinern. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Ich glaube, daß das Herausstellen der Polizeibeam ten dem B ilde eines öffentlichen. A u fruh rs und der Vorstellung einer er­ höhten G efahr entstam m t, nicht aber dem abstrakten Gedanken, daß ein B eam ter schlechthin zum Ungehor­ sam aufgefordert w ird. M an kann doch praktisch nicht d i e A m tsrichter aufwiegeln. (Professor D r . D ah m (Kiels: D a s ist aber doch 1918 in der R evolution praktisch geworden! Es ist denkbar, daß ein Richter aufgefordert w ird, nicht gerecht zu sprechen und auf diese Weise U nruhe in die Bevölkerung zu tragen!) M inisterialdirektor Schäfer: P ie Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieses P a ra g ra p h e n ist im m er sehr um stritten gewesen. S ie ist seinerzeit etw a so begründet worden: D e r V ersailler V e rtra g h at uns au f eine so kleine Reichswehr beschränkt, daß w ir zu ihrer Ergän-

zung ein schlagfertiges und zuverlässiges P olizeikorvs haben müssen, und so ist es berechtigt, daß als Gegen­ stück zur V erle itu n g zur Fahnenflucht bei der Reichsw ehr h ier im Interesse der S chlagfertigkeit des P olize i­ korps der § 139 eingesetzt w orden ist. Es ist auch d a ra u f hingewiesen worden, daß Beispiele vorgekommen sind, daß in kritischen Zeiten ein Polizeibeam ter sich drücken wollte, sich krank meldete u. dgl., um eben nicht, gerade bei der A u s tra g u n g großer Gegensatze, in diese kritische Lage zu kommen. F ü r diesen F a ll hat dam als das In n e n m in is te riu m es als erwünscht bezeich­ net, daß nicht n u r disziplinäre M aßnahm en, sondern auch strafrechtliche S anktionen eintreten. Aber w ie ge­ sagt, die Frage, ob das notw endig ist oder nicht, ist schon im m e r sehr um stritten gewesen. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: Ic h glaube, das entscheidende W o rt zu dieser Frage hat das P olizeim in is te riu m zu sprechen. E in entsprechendes Ersuchen habe ich ja auch schon d o rth in gerichtet. N u n zu § 144, Senatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): Ich w ollte n u r die Frage stellen, w a ru m eigentlich im Re­ ferentenentw urf der Tatbestand des geltenden § 357 ausgelassen ist, daß nämlich der Beamte wissentlich eine strafbare H andlung seiner Untergebenen geschehen läßt. U n te r Umständen lie g t allerdings negative B e ih ilfe des Vorgesetzten vor, aber die Frage ist doch, ob in allen Fä lle n der Vorgesetzte rechtlich verpflichtet ist, strafbare Handlungen seiner Untergebenen zu unter­ drücken und zu verhindern. W enn m an das bejaht, dann w ürd e sich ja die eine S pezialvo rschrift erübrigen. Z ie h t m an aber in Z w e ife l, ob der Amtsvorgesetzte im m e r die Rechtspflicht ha t, in strafbare Handlungen seiner Untergebenen einzugreifen, dann kann man eigentlich auf diesen Tatbestand »wissentliches Geschehenlaffen von strafbaren Handlungen« im S tr a f­ gesetzbuch nicht verzichten. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: D ie H erren der Unterkommission, die ich hie r einm al fragen möchte, haben ja sicher einen bestimmten G ru n d d a fü r gehabt, der im Allgemeinen T e il liegt. V ielleicht kom mt man un ter Heranziehung des B e g riffs der » M itw irk u n g « aus. M in is te ria lra t D r . Schäfer: D e r von H e rrn S enats­ präsidenten Klee vermißte Tatbestand w a r schon im E n tw u r f von 1927 weggefallen. D ie B egründung zu diesem E n tw u rf rechtfertigt das da m it, daß der A m ts­ vorgesetzte, wenn er wissentlich eine strafbare H andlung seines Untergebenen geschehen läß t, je nach Sachlage als M ittä te r oder Gehilfe zu bestrafen ist. Auch die Unterkommission hat offenbar die V orschriften über die M itw ir k u n g fü r ausreichend gehalten. D e r A m ts v o r­ gesetzte ist verpflichtet, d a fü r zu sorgen, daß innerhalb seines Am tes keine strafbaren H andlungen begangen werden. (Senatspräsident Professor D r . Klee s B e rlin j: N egative B e ih ilfe !) — N u r der F a ll der erfolglosen A n stiftu n g , der sonst nicht stra fbar wäre, soweit- es sich um »Vergehen« des Untergebenen handelt (§ 30), bedarf einer ausdrück­ lichen Regelung. Reichsjustizminister D r . G ürtner: H e rr Professor D a h m , ich sehe die Sache so an: nach dem Allgemeinen

T e il ist die erfolglose A nstiftu ng zu einem Verbrechen strafbar. (M in is te ria lra t D r . S chäfer: D a s . steht ja im § 3 0 : w er jemand zu einem Verbrechen zu ver­ leiten sucht usw., w ird bestraft, wie wenn er an der T a t m itg e w irk t hätte!) — W enn w ir uns auf das Verbrechen beschränken, so brauchen w ir g a r nichts, was über § 30 hinausgeht. N u r das Vergehen eines Amtsvorgesetzten, der einen anderen zu einem Vergehen zu verleiten sucht, das ist durch den Allgemeinen T e il nicht gedeckt. S o ist doch die Sache. (Senatspräsident Professor D r . Klee s B e rlin j: Deswegen haben w ir es d rin gelassen!) M in is te ria ld ire k to r Schäfer: I n dieser Fassung kann es nicht drinbleiben. Nachdem w ir jetzt die Regelung in dem Allgemeinen T e il ganz anders gestaltet haben und die erfolglose A nstiftu ng als eine Erscheinungs­ fo rm des D elikts, ju dem angestiftet werden sollte, be­ strafen w ollen, ist insow eit fü r ein D e lik t sui generis kein R a u m mehr. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h hätte keine E rinne run g dagegen, um so weniger als die un ter­ lassene Aufsicht und das Geschehenlaffen auch durch den Allgemeinen T e il gedeckt w ird . (M in is te ria lra t D r . Schäfer: W enn die T a t began­ gen w ird , ist alles in O rd n u n g !) — U nd wenn nichts begangen w ird , ist es ein D ienst­ vergehen, einfach mangelnde Aufsichtspflicht. (M in is te ria lra t D r . Schäfer:

K ein Verbrechen!)

— Ic h w ürde der Unterkommission also vorschlagen, § 144 zu streichen. D a m it w ären w ir am Ende des d ritte n U n te r­ abschnitts angelangt, und es w äre jetzt folgendes zu be­ handeln: zunächst dieser aus den Amtsdelikten heraus­ zunehmende Abschnitt über die Verletzung frem der Ge­ heimnisse. D e r kann so, w ie hie r vorbereitet, in dieser Ausschußsitzung nicht behandelt werden. D a muß aus dem übrigen Strafgesetzbuch zusammengetragen werden, was noch hineinzubringen ist. D a s muß also bis a u f einen späteren Z e itpunkt verschoben werden, ich möchte das nicht im R ahm en der Am tsdelikte behandeln. Aber w ir haben von den Am tsdelikten dann noch zu behan­ deln das, was üb rig b le ib t, im wesentlichen also A m ts ­ erschleichung und Am tsanm aßung, ferner B eam ten­ streik und Führertreubruch. Aber der Beamtenstreik und die Verletzung von P rivatg eheim niffen fallen hier­ aus, und w ir hätten n u r noch das, was m it A m ts ­ erschleichung und Am tsanm aßung zusammenhängt. Diese §§ 146 und 147 werden auch noch einige Nüsse zu knacken aufgeben, wenn m an sich einm al an das A n ­ wendungsgebiet heranmachen w ird . M eine H erren! Ic h w ürde nun folgendes v o r­ schlagen: W ir setzen die B e ra tu n g dieses S toffes fo r t morgen v o rm itta g um 10 U h r und behandeln im A n ­ schluß da ran die bereits gestern erwähnten Abschnitte über S tö ru n g der öffentlichen O rd nun g und Sicher­ heit. D a s w äre das P ro g ra m m fü r morgen, und ich w ürde bitten, sich morgen auch a u f eine N achm ittags­ sitzung vorzubereiten. D e r heutige N achm ittag würde dann sitzungsfrei bleiben. (Schluß der S itzung 13 U h r 56 M in u te n .) Ncichsdruckerct, Berlin. 6942 34 II t

Strafrechtskommission

32. Sitzung 30. Mai 1934

Inhalt Amtsdelikte (Schluß der Aussprache) Seite A m t s a n m a ß u n g und A m t s e r s c h l e i c h u n g Neichsjustizminister Dr. Gürtner 1. 2. 3. 5. 7. 8. 9. 11. 12. 14. 16. 17. 18. 19 Berichterstatter Vizepräsident G rau................... 1. 9. 14 Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) 2. 5. 10. 12 Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz (Leipzig)...................... 4 Professor Dr. Nagler (Breslau). . . 4. 5. 7. 9. 14. 16 Professor Dr. Dahm (K iel)............... 5. 8. 15. 16. 18 Professor Dr. Mezger (München).............................6. 17 Ministerialdirektor Schäfer........................ 7. 11. 12. 16 Professor Dr. Kohlrausch (B erlin ).. 7. 13. 14. 16. 18 Negierungsassessor Dr. D ellbrügge............... 12. 13. 18 Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)___ 15. 17. 19 U n tr e u e A m t s f ü h r u n g i m a u s w ä r t i g e n D i e n s t e (§ 141 Abs. 2 )' Neichsjustizminister Dr. Gürtner............ 19. 20. 21. 22 Professor Dr. Dahm (K iel)........................... 19. 20. 21 Professor Dr. Kohlrausch (B erlin)............................... 20 Professor Dr. Nagler (B erlin)................................. 20. 21 Professor Dr. Mezger (München).............................20. 21 Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)........................ 21 Senatspräsident Professor Dr. Klee (B e rlin )............ 22 Beamtenstreik Reichsjustizminister Dr. Gürtner................... 22. 23. Vizepräsident G rau.......................................................22. Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) . . . 22. Professor Dr. Dahm (K iel)...................................... 23. Ministerialdirektor Schäfer.........................................23. Professor Dr. Nagler (B erlin)....................................... Störung des öffentlichen Friedens A u f f o r d e r u n g zur A u f l e h n u n g g e g e n Ge s e t z e , zur S t e u e r v e r w e i g e r u n g usw . Neichsjustizminister Dr. Gürtner 25. 26. 28. 29. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 38. Staatsanwalt Dr. von Dohnanyi .......................... 25. Berichterstatter Prof. Dr. Graf Gleispach (Berlin) 26. 38. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg) 29. Professor Dr. Dahm (K iel).......... 31. 35. 36. 38. Professor D r. Nagler (Breslau)................... 33. 34. Ministerialdirektor Schäfer.................................... 34. Vizepräsident G rau............................................................ Professor Dr. Kohlrausch (B erlin )............... 35. 36. Ministerialrat Rietzsch.............................................. 35. Professor Dr. Mezger (München).................................. Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) . . 37. Ministerialrat Dr. Schäfer.............................................. (Aussprache abgebrochen) 32.

25 24 23 24 24 24

30. 39 29 36. 39 28. 30 39 38 37 34 38 39 36 38 39

Beginn der Sitzung 10 U hr 17 M inuten. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren, ich habe den Eindruck bekommen, daß der Abschnitt Amtsdelikte sich außerordentlich vereinfachen und ver­ deutlichen läßt. Wenn w ir die Geheimnisverletzung bier ausschalten, w äre der Rest, der noch übrigbleibt, das, was jetzt noch nach dem § 144 aufgeführt ist. D er § 144 hat gestern keinen Anklang gefunden. Bei § 145 entsteht die V orfrage, ob er überhaupt im Bereich der Amtsdelikte Platz haben kann. Ich w äre aber der Meinung, daß m an, ohne auf die Gesetze der Logik einen ausschlaggebenden W ert legen zu müssen, diese Delikte den Amtsdelikten anknüpfen könnte. Berichterstatter Vizepräsident Grau: Der letzte Unterabschnitt um faßt die A m t s a n m a ß u n g und die A m t s ­ erschleichung, die §§ 145 bis 147 des Entw urfs in der Fassung der Beschlüsse der Unterkommission. S ie sägten eben A on, H err Reichsminister, es erhebe sich zunächst die Frage, ob die Amtsanm aßung, ebenso auch die Amtserschlei­ chung und die Erschleichung der Befähigung zu einem Amt überhaupt hierher gehörten/ denn der Täter ist ja kein Beamter, sondern ein D ritter, der sich ein Amt anmaßen will. E s ist aber nicht zu verkennen, daß ein ganz enger Zusammenhang m it den Amtsdelikten be­ steht, und deshalb glaubten w ir, entgegen der Regelung des geltenden Rechts doch den § 145 und die beiden neuen P aragraphen hier unterbringen zu sollen. § 145 Abs. 1 enthält die Am tsanm aßung, und zwar die Anmaßung eines öffentlichen Amtes oder einer militärische Dienstgewalt. I m Abs. 2 ist die Anmaßung eines kirchlichen Amtes unter S tra fe gestellt. W ir haben uns im Abs. 1 der Fassung des Referenten­ entwurfs angeschlossen. N ur die Gefängnisstrafe ist unbeschränkt angedroht. Schon in der Generaldebatte ist darüber gesprochen worden, ob es richtig sei, die Anmaßung eines kirchlichen Amtes der Anmaßung eines öffentlichen Amtes gleichzustellen. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob der S ta a t überhaupt ein I n ­ teresse daran habe, die Anmaßung kirchlicher Ämter unter S trafe zu stellen. H err Staatssekretär Freister hat die Frage verneint. Es ist m ir zweifelhaft, ob man sie verneinen soll/ denn m an darf hierbei doch nicht nur von dem Interesse der Kirche ausgehen, sondern man muß auch daran denken, daß der S ta a t die Gläubigen, die Anhänger der betreffenden Religionsgesellschaft vor falschen Geistlichen und ihren Lehren schützen muß. Ich würde es deshalb in Übereinstimmung mit der Auffassung der Unterkommission doch für richtig halten, den Abs. 2 Satz 1 beizubehalten. Nicht tragbar er­ scheint es m ir allerdings, daß die Religionsgesellschaften nun insoweit eine Sonderstellung bekommen, als bei ihnen dieses Delikt ein Antragsdelikt sein soll, während bei Anmaßung von anderen Ämtern und militärischer Dienstgewalt von Am ts wegen eingeschritten werden muß. Ich glaube deshalb vorschlagen zu sollen, den letzten Satz des Abs. 2 zu streichen/ die Unterkommission hat allerdings diesen Standpunkt nicht geteilt. D ann kommt die Erschleichung eines Amtes im § 146, ein neuer Tatbestand gegenüber dem geltenden Recht, aber schon im Entw urf von 1927 und im Referenten­ entwurf enthalten. Nach dem geltenden Recht konnten derartige Handlungen nur über den B etrugsparagrai

phen erfaßt werden. Es ist zweifellos bedenklich, ein solches D e lik t n u r unter dem Gesichtspunkt des Dermögensdeliktes zu sehen, und es besteht deshalb ein B e d ü rfn is , einen Sondertatbestand zu schaffen. Die Täuschungshandlung, die hier begangen w ird , ist bewußt a u f Umstände beschränkt, die Voraussetzung fü r die Anstellung sind, also nicht etwa auf Neben­ umstände. D a s erscheint notw endig, um diesen Sonder­ tatbestand nicht in s Ungemeffene auszudehnen. D er Erschleichung eines öffentlichen Am tes ist Lleichgestellt die Erschleichung der Einstellung in die W ehrmacht. Es erhebt sich die Frage, ob der Tatbestand auch auf die Erschleichung kirchlicher Ä m te r ausgedehnt werden soll. H ierüber ist in der Generaldebatte ebenfalls schon ge­ sprochen worden. W enn ich mich nicht irre , hat H err P ro fe ffo r Mezger sich fü r diese Ausdehnung ausgespro­ chen, während von anderer S eite Z w e ife l geäußert w or­ den sind. M i r selbst ist es zw eifelhaft, ob ein B edürfnis besteht, auch die Erschleichung eines kirchlichen Amtes unter S tra fe zu stellen. § 147 b rin g t die Erschleichung der Befähigung zu einem A m t. I m Abs. 1 ist der T ä te r der Examinand, der die Prüfungsbehörden täuscht. D a s geltende Recht konnte hiergegen n u r einschreiten über den Weg der intellektuellen Urkundenfälschung. Dieser Behelf ist bekanntlich sehr lückenhaft und zw eifelhaft, so daß ein B e d ü rfn is fü r die Schaffung dieses Tatbestandes be­ steht. D enn es ist notw endig, daß grobe Unehrlich­ keiten, die im Examensverfahren vorkommen, auch krim in ell unter S tra fe gestellt werden. Ic h sagte schon, daß der T ä te r im Abs. 1 der E xam inand ist, und zwar handelt es sich h ie r um einen doppelten Tatbestand: E in m a l g ib t der Exam inand eine fremde P rü fu n g s ­ leistung als eigene aus, oder er lä ß t einen andern die P rü fu n g fü r sich an seiner S te lle ablegen. D ie A n­ merkung 12 zeigt, daß die Unterkom m ission sich darüber im klaren w a r, daß sehr leicht auch noch andere Fälle denkbar sind, die vielleicht ebenfalls eine krim inelle Be­ strafung nö tig machen. D e r wichtigste F a ll (A nm . 12a), der zur Z e it auch außerordentlich praktisch ist, ist die Erschleichung der Z u la ffu n g zu einer P rü fu n g , z .B . durch bewußte Täuschung über die arische Abstammung. D e r weitere un ter A n m . 12 vorgesehene F a ll b ist zweifelhafter. E r b e trifft die unrechtmäßige Verschaf­ fung von P rüfungsaufgaben v o r der P rü fu n g . D ie Unterkommission h a t an folgenden F a ll gedacht: Ein A b itu rie n t weiß, daß sein P ro fe ffo r die P rü fu n g s ­ arbeit zu Hause aufbew ahrt. E r steckt sich hinter dessen Dienstmädchen und bekommt m it deffen H ilfe Einsicht oder gar A bschrift von den P rüfu ngsa ufga ben . Außer­ dem ist aus der Vorkriegszeit bekannt, daß es hier in B e rlin S tellen gab, die gegen Geld ganze Fragebogen aushändigten, in denen diejenigen Fragen wiedergegeben waren, die die einzelnen E xam inatoren fü r das Assessorexamen regelmäßig zu stellen beliebten. Es ist eine Frage der Entscheidung, ob m an auch solche Fälle noch krim in ell strafbar machen w ill. Es erhebt sich ferner die Frage, ob auch hier die Ausdehnung auf ein kirch­ liches A m t erwünscht ist. Ic h w ürde ebenso wie bei der Amtserschleichung auch bei der Erschleichung der Be­ fähigung zu einem A m t eine solche Ausdehnung nicht fü r notwendig halten, und zw ar in Übereinstimmung m it der Auffassung der Unterkomm ission. I m Abs. 2 ist T ä te r nicht der E xam inand, sondern der D r itte , der h ilft. D e r Tatbestand ist einm al der,

daß dieser die P rü fu n g s a rb e it fü r einen anderen her­ stellt, zum andern, daß er die P rü fu n g fü r einen andern ablegt. Schließlich sind noch Fälle der H ilfeleistung erfaßt worden, aber diese nicht unbeschränkt. D ie H ilfe ­ leistung soll auf die F älle beschränkt werden, daß sie gegen E ntge lt e rfolgt. Diese Beschränkung ist unbe­ d in g t notw endig/ sonst würde der Tatbestand u n e rträ g ­ lich ausgedehnt werden. I m Abs. 3 ist schließlich das öffentliche E rbieten zu einem solchen Vergehen unter S tra fe gestellt. W eiln man diese Tatbestände überhaupt k rim in e ll erfassen w ill, besteht auch h ie rfü r ein B e d ü rfn is. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Welche Fragen hier im einzelnen auftauchen können, h a t schon die ein­ leitende Aussprache ergeben. Es handelt sich zunächst um die V o rfra g e : S o lle n A m tsanm aßung und A m ts ­ erschleichung überhaupt in Zusammenhang m it den Am tsdelikten gebracht werden? M eine eigene M e in ung dazu habe ich schon ausgesprochen. Ic h w äre dankbar, wenn die H erren sich nachher auch zu dieser Frage äußern würden. B e i der A m tsanm aßung hat schon in der General­ aussprache die Frage eine R olle gespielt, ob auch die kirchlichen Ä m te r einbezogen werden sollen, wie die Unterkommission es vorschlägt. B e i § 146 ist die gleiche Frage bezüglich der Erschleichung eines kirchlichen Am tes aufgetaucht, von der Unterkommission aber nicht in be­ jahendem S in n e entschieden w ord m . Es ist nicht ganz leicht, einen leitenden Gesichtspunkt zu finden, w ann man das K irchenam t dem öffentlichen A m t gleichstellen soll und w ann nicht. W i r müssen versuchen, diesen leitenden Gesichtspunkt zu finden, d a m it es nicht re in zu­ fä llig und w illkü rlich erscheint, w ann die kirchlichen D in g e erw ähnt werden und w ann nicht. W a s die Erschleichung der B efähigung zu einem A m t anlangt, so möchte ich als meine Auffassung zum A u s ­ druck bringen, daß w ir irgendwo einen solchen P a r a ­ graphen brauchen. B e i § 147 scheint m ir , abgesehen davon, daß die S tra fd ro h u n g w o h l auch H a ft enthalten müßte, die Frage der Ausdehnung die wichtigste zu sein.. Ic h meine, w ir sollten genau prüfen, ob w ir die beiden A u s­ dehnungen, die die Unterkommission angeregt hat, in das Strafgesetzbuch hineinnehmen wollen. Uber das unrechtmäßige Sichverschaffen der P rüfu ngsa ufga ben und die unentgeltliche unbefugte H ilfeleistung bei der Herstellung der P rüfungsaufgaben kann m an sehr ver­ schiedener M e in u n g sein, und ich glaube, w ir sollten der G efahr nicht erliegen, den Rahmen des S trafrechts auf diesem Gebiet allzu w e it zu spannen, w e il ja au f der anderen S eite die W irk u n g der Kassierung der P r ü ­ fung doch eigentlich die A n tw o r t ist, die au f eine solche M a n ip u la tio n erfolgen kann und erfolgen muß, und wenn eine P rü fu n g kassiert ist, die a u f u n fa ire Weise erschlichen worden ist, dann hat eigentlich der Betreffende doch den größten Schaden, den er davon haben kann. D a r f ich bitten, sich zu diesen Fragen zu äußern! Senatspräsident P ro fe ffo r D r . Klee (B e r lin ): Ich glaube auch, daß es keinem Bedenken u n terlieg t, die Am tsanm aßung, Amtserschleichung in den Abschnitt über die Am tsdelikte aufzunehmen/ denn es steht doch auch hier im V o rd e rg ru n d der Zweck des Schutzes der R einheit des Am tes. D e r T ä te r ist a llerdings kein B e ­ am ter. A ber auch bei der aktiven Bestechung ist der T ä te r ein Nichtbeamter, und auch da ist der Gesichts-

Punkt maßgebend, daß der Angriff auf die Reinheit des Amtes getroffen werden soll. W as dann die Frage anlangt, ob das kirchliche Amt dem staatlichen Amt gleichzustellen ist, insofern, als auch die Anmaßung eines kirchlichen Amtes unter Strafe zu stellen ist, so ist es von vornherein zweifel­ haft, ob der S taa t ein unmittelbares Interesse daran hat, daß sich keiner ein Kirchenamt anmaßt oder er­ schleicht. Ich möchte mich auf den Standpunkt stellen, daß ein solches unmittelbares Intereffe des Staates nicht vorliegt. Ich halte diesen Standpunkt keineswegs für eine irgendwie bedenkliche Konzession an die Kirche in dem Sinne, daß sich der S taat an die Sache nicht herantraut,- sondern ich meine, der S ta a t hat einfach zu sagen: Ich bin hier nicht interessiert, und ich über­ lasse das dem Einschreiten der Kirche. Nun wurde gesagt, der Schutz der Gläubigen ver­ lange ein Eingreifen auch des Staates. Diese kommen hier aber nicht in ihrer Eigenschaft als schützenswerte Staatsbürger in Betracht, sondern es handelt sich hier um eine'Betätigung der Persönlichkeit auf einem Ge­ biet, das staatsfremd oder vielmehr neutral ist. Wenn wir auch die Religionsgesellschaften als Kulturmittel schützen und vom staatlichen Standpunkt aus schützen sollen, so darf es doch nicht so weit gehen, daß man den ganzen Betätigungskreis der Persönlichkeit auf dem religiösen Gebiet in den Strafschutz einbezieht und verlangt, daß die Gläubigen auch geschützt werden sollen, wenn ein Unberufener eine Predigt auf der Kanzel hält. Ich sehe da gar keine Notwendigkeit eines Schutzes. Soweit eine solche von seiten der Kirche aus besteht, ist die Kirche selbst in der Lage, sich zu schützen. Sollte man glauben, daß sie die Hilfe des brachium saeculare hierbei braucht, so würde die strafbare Amtsanmaßung auch auf kirchliche Ämter auszudehnen, dann aber die T at nur auf Verlangen der Neligionsgesellschaft zu verfolgen sein. Die Gründe dafür ergeben sich aus dem, was ich über die Prinzipale Ablehnung der Bestrafung der kirchlichen Amts­ anmaßung m ir eben erlaubt habe auszuführen. Bei der Amtsanmaßung, ließe sich am ehesten noch über eine Ausdehnung auf kirchliche Ämter sprechen, weil ja die Amtsanmaßung in einen Dauerzustand übergehen kann und dadurch außerordentliche Mißhelligkeiten ent­ stehen können. Die Erschleichung des Amtes ist dagegen ein einzelner Akt, den die Kirche sofort, wenn sie da­ hinter kommt, wieder wettmachen und dadurch ver­ nichten kann, daß sie die Amtsausübung für nichtig erklärt und den M ann aus dem Amte entfernt. D as­ selbe würde bei der Erschleichung der Befähigung der Fall sein. W as im übrigen die Erschleichung der Befähigung zu einem Amt im allgemeinen betrifft, so ist ein wirk­ sames Mittel gegen einen solchen Täuschungsversuch der dauernde Ausschluß von der Prüfung. Ein solcher Aus­ schluß wird in erster Linie angewandt, wenn der Kan­ didat versucht hat, über seine Leistungen zu täuschen, zum Beispiel fremde als eigene Leistung ausgegeben hat. Dann kann er sich zum Beispiel zur Referendar­ prüfung bei keinem Oberlandesgericht mehr melden. Der Fall wird allen anderen Prüfungsämtern mitge­ teilt, und eine Wiederholung der Prüfung ist dann ausgeschlossen. Wenn jemand eine falsche Angabe über die für die Zulassung zur Prüfung vorgeschriebenen Voraussetzungen, zum Beispiel über seine arische Ab­

stammung macht — ich habe den Fall in meiner Eigen­ schaft als Vorsitzender des hiesigen Prüfungsam ts praktisch noch nicht erlebt —, so gilt dasselbe. Aber nicht allen Täuschungsversuchen gegenüber genügt der Ausschluß von der Prüfung. I m Sinne der Anmerkung zu § 12b möchte ich vor­ schlagen, unrechtmäßige Verschaffung der Prüfungs­ aufgaben unter kriminelle S trafe zu stellen. Wir wis­ sen, daß auf diesem Gebiet große Mißstände bestehen. D as fängt schon beim Abiturium an. Die Prüfungs­ aufgaben werden auf unerlaubte Weise bäufig erlangt, auch ohne daß ein krimineller Tatbestand, etwa Haus­ friedensbruch, erfüllt würde, insbesondere auf dem Wege des Sich-in-Verbindung-Setzens mit Hausange­ stellten, mit Bureaudienern und mit Bureaubeamten. Es kommt weiter als kriminell strafbar der Fall in Frage, daß sich jemand die Prüfungsaufgaben von einem anderen ausarbeiten läßt. D as soll nach § 147 des Referentenentwurfs strafbar sein. I m Abs. 3 des § 147 dürfte das W ort »öffentlich« zu streichen sein. Es kommt häufig vor, daß die Repe­ titoren Prospekte herumschicken oder auch Briefe an einzelne, worin sie in mehr oder weniger verschleierter Form ihre Hilfe anbieten. Hier liegt Öffentlichkeit des Anbietend meines Erachtens nicht vor. (Ministerialdirektor Schäfer: Wenn es wahllos geschieht?) Wenn dem Repetitor eine Liste von Kandidaten bekannt wird und er wendet sich an die auf dieser Liste Stehen­ den, so ist das meines Erachtens nicht »öffentlich«, straf­ würdig erscheint e8 aber in höchstem Grade. Besser wäre es daher, »schriftlich« statt »öffentlich« zu sagen. I m allgemeinen möchte ich noch bemerken, daß S tra f­ bestimmungen zum Schutze der Reinheit des Prüfungs­ betriebes nicht zu unterschätzende generalpräventive Wirkungen haben könnten. Auf der anderen Seite ist es doch von großer Bedeutuna für die Allgemeinheit, daß keine Leute in Ämter und Berufe hineinkommen, die sich mit fremden Federn schmücken, also an die Stelle der eigenen Tüchtigkeit den Schwindel setzen. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Vielleicht wird es sich empfehlen, einmal diese beiden Themen ausein­ anderzusondern und uns zunächst darauf zu beschrän­ ken: inwieweit sollen die Religionsdiener und die K ir­ chenämter hier einbezogen werden, denn diese Frage geht durch alle Paragraphen hindurch. Die Frage, inwieweit die kirchlichen Amtsträger den Beamten gleichgestellt werden sollen, ist, glaube ich, von einer außerordentlich tiefgehenden Bedeutung. Ich er­ innere mich aus der Geschichte des bayerischen S taats­ rechts, daß dort die Verleihung des brachium saeculare an die Kirche ungefähr ein Jahrhundert lang eine ganz große Rolle gespielt hat. D as ist zwar nur ein Aus­ schnitt aus dem Kapitel, aber ein sehr wesentlicher Ausschnitt, so daß diese Frage nicht bloß kriminelle Be­ deutung, sondern auch eine ganz große politische Be­ deutung hat. Und zwar sind es zwei Fragen: soll das brachium saeculare für die Amtsanmaßung kirch­ licher Ämter überhaupt gegeben werden, und soll das vom Willen der Kirche abhängig gemacht werden? D as sind die zwei Fragen, um die es sich hier handelt. Die Meinungen sind geteilt, wie die Herren aus der General­ aussprache schon wiffen. — Die Kirchenfrage spielt dann auch bei Erschleichung eines Amtes eine Rolle. l*

S ie spielt, glaube ich, im § 147 bei Erschleichung der B efähigung zu einem A m te keine R olle, und zw ar des­ wegen nicht, w e il sie d a rin sowieso schon enthalten ist. D enn wenn es h ie r heißt: »eine P rü fu n g , die jemand vo r einer Bebörde ablegt, um seine B efähigung zu einem A m t oder B e ru f nachzuweisen«, so fä llt doch da runter nicht bloß die zweite juristische P rü fu n g , die dm Nachweis fü r den R ichterberuf lie fe rt, sondern etwa auch die medizinische S ta a ts p rü fu n g — das w a r doch die M e in u n g der Unterkomm ission — , aber w ohl dann auch der P farrdienst? (S en atspräsidm t P ro fe ffo r D r . Klee s B e rlin j: N ein, es ist abgestellt a u f »staatliche Behörde«.) D a n n spielt diese Fraae auch im § 147 eine R olle. — Ic h bitte die H erren, eie B etrachtung zunächst einm al au f diesen P u n k t zu beschränken. Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ic h wollte m ir n u r vorweg noch eine kurze Bemerkung zu § 145 erlauben. D e r § 145 u m fa ß t jetzt im Gegensatz zum § 132 des geltenden Rechts ausdrücklich auch die A n­ maßung der m i l i t ä r i s c h e n Dienstgew alt. E in ähnlicher Tatbestand ist im § 120 des M ilitä r s tr a f­ gesetzbuchs m it S tra fe bedroht, und es wäre vielleicht zu prüfen, wie sich die beiden S trafbestim m ungen zu­ einander verhalten. Es ist doch wahrscheinlich so ge­ m eint, daß es au f den T ä te r ankommt. I s t der T ä ter eine Z ivilpe rson , so fä llt er u n te r den § 145 des Reichs­ strafgesetzbuchs — z. B . der F a ll des H auptm anns von Köpenick — , und ist der T ä te r eine Person des S o l­ datenstandes — ein U n te ro ffiz ie r m aßt sich vielleicht unzulässigerweise eine D is z ip lin a rs tra fb e fu g n is an — , so fä llt er unter § 120 des Militärstrafgesetzbuchs. S o ist es w ohl gedacht? (Zustim m ung.) S o ist auch die Rechtsprechung bisher gewesen. w ollte ich n u r klarstellen.

D as

Professor D r . N agler (B re s la u ): W i r müssen aus­ gehen von dem B e g riff des öffentlichen A m ts im § 145. Nachdem w ir gestern uns geeinigt haben, das öffentliche A m t — 8 9 Z iffe r 4 — im S in n e des Komplexes hoheitlicher Funktionen zu begreifen, w ird dieser B e­ schluß bei § 145 u n m itte lb a r praktisch. I n der T a t handelt es sich ja bei der A m tsanm aß ung um die A n ­ maßung von H oheitsfunktionen, von Hoheitsrechten des S ta a ts . Es lie g t die genaue P a ra lle le zum § 392 vo r, wo es sich auch um Rechtsanmaßung, allerdings anderer A r t handelt. E s geht eben um die Anmaßung von Rechten, und hier speziell von Hoheitsrechten. Es ist abzustellen a u f das A ußenverhältnis. Heute sind nicht alle Beam te T rä g e r eines öffentlichen A m ts in diesem S in n . K ü n ftig h in — nach dem neuen Reichs­ beamtengesetz — w irb der A m ts trä g e r identisch sein m it dem Beam ten im S in n e des Reichsbeamtengesetzes. D a s vorausgeschickt w ürde sich ergeben, daß die Kirche in diesem Zusammenhang nicht geschützt werden kann/ denn S taatshoheitsfunktionen üb t ja die Kirche heute un ter keinen Umständen (geschichtlich gesehen) mehr aus. Infolgedessen w ürde die Kirche, wenn w ir nicht aus­ drückliche Bestimmungen darüber hinzufügen, von vo rn ­ herein von dem § 145 nicht b e rü h rt werden. Frage: S o lle n w ir nun durch einen besonderen Abs. 2 diesen Schuh des § 145 auch a u f die Kirche, also im S inne unseres heutigen Staatskirchenrechts auf die p r iv i­

legierten Religionsgesellschaften m it öffentlichem Rechts­ charakter ausdehnen? Ic h würde der M e in u n g sein, w ir sollen uns d a vo r hüten, und zw ar nicht zuletzt nach den E rfahrungen der bisherigen P ra x is . D enn der Schuh der kirchlichen Ä m te r ist bei der Am tsanm aßung schon von der bisherigen P ra x is , aber auch von der Theorie, soweit ich sehe, abgelehnt worden. U nd zw ar m it guten G ründen/ w e il nämlich die große G efahr besteht, daß sich der S ta a t in innenkirchliche S tre itig ke ite n ein­ mischen müßte. D a b e i ha t der S ta a t in der T a t und haben vo r allen D in g e n die Gerichte nichts zu suchen. B ei den vielen S eparationen, die innerhalb der evanelischen Kirche stattgefunden haben — ich erinnere an ie hessische usw. — , ist es im m er so, daß die S e p a ra ­ tisten behaupten: w ir sind die ursprüngliche Kirche, die anderen sind abgefallen, während die M e h rh e it eben­ fa lls sagt: w ir sind die ursprüngliche Kirche, und die Separatisten haben sich abgetrennt. S o ll nun der S ta a t durch seine Gerichte diesen kirchlichen S tr e it schlichten, wenn beide Richtungen das bisherige kirch­ liche A m t in Anspruch nehmen? Nach m einem 'D a fü r ­ halten geht das unter keinen Umständen, denn das mag die Kirche, die doch sonst auf ihre Autonom ie besonderen W e rt legt, in sich ausmachen. Ebenso steht es jetzt auch m it den abgesetzten P fa rre rn . W i r wissen ja , daß eine ganze Reihe der abgesetzten P fa r r e r nach wie vo r ihren Dienst tu t, nach wie v o r predigt und sonst das bisherige A m t versieht. I s t das Anm aßung eines öffentlichen A m ts? W i r P rotestanten stehen doch auf dem S ta n d ­ punkt des allgemeinen P riestertum s. Jeder kann die Sakramente verw alten, jeder kann predigen. Es ist eine bloße O rdnungsmaßnahme, wenn m an ein besonderes kirchliches B eam tentum der P fa r r e r eingeführt hat. B e i der A m ts fü h ru n g eines abgesetzten P fa rr e rs han­ delt es sich also um bloße O rd nun gsw idrigke it. S ie mag fü r die Kirche als O rg anisatio n sehr bedeutungs­ v o ll sein. S o lle n w ir uns aber als S ta a t in diese S töru nge n der guten O rdnung, die auch fü r die Kirche prin zip ie ll n u r O rdnungsw idrigkeiten sind, einmischen? Ic h würde sagen: U nte r keinen Umständen, das ist nicht unsere Aufgabe. W ie w äre es denn bei der katholischen Kirche? E in P fa r r e r oder überhaupt ein Geweihter, der sich von seiner Kirche tre n n t, ha t doch die W eihegewalt als character indelebilis behalten. D ie Akte, die er v o r­ n im m t, sind kirchlich v o ll wirksame Akte. D ie sakramen­ tale W eihegew alt bedeutet eine unzerstörliche geistliche allgemeine Fähigkeit (C ha rism a )/ der Geweihte kann dieses C harism a m it W irku n g fü r die Kirche nach außen bis an sein Lebensende anwenden. E s ist eine D iszip lin und O rd n u n g sw id rig ke it, wenn er entgegen den unteren Weisungen der Kirche von dieser geistlichen B efähigung Gebrauch macht, also die W eihegewalt a u ftra g s w id rig verw altet. D e r S ta a t sollte sich in diese Konflikte nicht einmengen. S o w e it ich unterrichtet bin, ist dies auch der Wunsch der katholischen Kirche, die diese D inge fü r sich allein bereinigen w ill. W o llte n w ir die A m ts ­ anmaßung fü r den Amtsbereich der kirchlichen Beamten bestrafen, so müßten w ir erst die V o rfra g e n der A m ts ­ entsetzung usw. erledigen. D abei handelt es sich um kirch­ liche Angelegenheiten, die nach kanonischem oder sonstiem kirchlichen Recht zu bearbeiten sind. Z u r Entscheiung solcher Fragen sind die staatlichen Gerichte wenig geeignet. Ic h bin der M e in u n g : der S ta a t w ird der Kirche schon nach verwaltungsm äßigem Ermeffen den

Schutz gewähren, den sie braucht. D a s brachium sacculare w ird ihr, wenigstens nach der preußischen Gesetzgebung, im V erw altungsw ege auf Requisition der Kirche zur V erfügung stehen. W enn also z. B . ein P f a r r e r abgesetzt worden ist und das P fa rrh a u s nicht rä u m t, so w ird der R äum ungsbefehl durch den O ber­ präsidenten für vollstreckbar erklärt und daraufhin im V erw altungsw ege auch exekutiert werden. D e r S t a a t schützt die Kirche schon in vollem U m fang, soweit die Kirche selbst ein Interesse d aran h at/ w ir sollten uns deshalb hüten, den Schutz nach § 145 Abs. 2 noch w eiter auszudehnen. D e r leitende Gesichtspunkt, nach dem S ie , H err M inister, fragten, ist doch immer der: exi­ stiert ein staatliches Interesse, d. h. ein Volksinteresse — denn der S ta a t ist doch die höchstrangige rechtliche O rganisation der Volksgemeinschaft — , existiert also ein unm ittelbares weltliches oder staatliches Interesse d aran , diese Akte zu inhibieren?, und da muß ich sagen: D ie F rage ist für die A m tsanm aßung schon in dem Augenblick verneint, wo w ir den § 145 auf die spezifisch staatlichen Hoheitsfunktionen beschränken. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D er neueste S tand pu nk t der beiden Kirchen — der katholischen und der protestantischen Kirche — ist der, daß beide die A m tsanm aßung auf ihre Geistlichen ausgedehnt wissen wollen. Professor D r . Nagler (B reslau): Ich bin auch darüber unterrichtet, und zw ar in dem S in n , daß die Kirche die I n te r n a nicht nachgeprüft wissen will. Reichsjustizminister D r. Gürtner: W ie H err P r o ­ fessor N agler schon angegeben hat, ist die W eihe ein charakter indelebilis: der zum P riester Geweihte kann das M eßopfer darbringen, kann also die Messe lesen. Praktisch braucht er hierzu, wenn es nicht in seiner eigenen H eim atpfarrei ist, eine E rlaub nis, die den N am en Celebret führt. Dieses Celebret kann einem P riester entzogen oder nicht erteilt werden aus G rü n ­ den der D isziplin oder auch aus anderen G ründen. Liest er trotzdem die Messe, dann w äre das fü r den Katholiken, der seiner Sonntagspflicht genügt, eine gültige Messe. W ürde er das Abendmahl austeilen, dann w äre das fü r den G läubigen, der es em pfängt, ein gültiges S akram ent. D a s ist absolut richtig. Ge­ setzt nun den F all, einem Geistlichen würde das Celebret entzogen und er würde trotzdem die Messe lesen, dann w äre das doch ein F all der A m tsanm aßung in diesem S in n , wenn w ir die Kirche einbeziehen. (Professor D r . N agler sB reslau j: D a s ist n u r eine A uftragsw idrigkeit!) G ut, ich lasse mich auf beide Auffassungen ein. I s t es kein F a ll der A m tsanm aßung, sondern nur sozusagen eine Verletzung eines V erw altungsverbots, dann würde ja dieser Schuh der Kirche g a r nichts helfen, dann würde ja der Bischof, in dessen Bereich der P riester die Messe ohne Celebret liest, gar nicht den strafrechtlichen Schuh seiner Kirche oder ihrer O rgane erreichen können. I s t es aber ein F all der A m tsan m a­ ßung, dann w ird mein Bedenken gegen die Einbeziehung der R eligionsdiener noch größer/ denn dann m uß ich wirklich sagen: das ist ein F all, in dem m ir die A n­ wendung staatlicher Zw angsgew alt völlig undenkbar zu sein scheint. 32.

Senatspräsident Professor D r. Klee (B erlin): D a rf ich vielleicht dazu eine M einungsäußerung der Fuldaer Bischofskonferenz anführen. Ich habe die S tellung­ nahme der Kirche nicht so aufgefaßt, daß die A m ts­ anm aßung kirchlicher Ä m ter grundsätzlich bestraft w er­ den soll. Es heißt in dieser Ä ußerung: Hinsichtlich der A m tsanm aßung müssen zunächst dieselben Erw ägungen gelten. D ie Kirche allein hat darüber zu entscheiden, ob jemand befugt ist, ein kirchliches A m t auszuüben. A llerdings sind Fälle denkbar, in denen die Kirche selbst ein Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung haben kann, wenn ein kirchlicher A m tsträger, dem von der zuständigen Kirchenstelle das A m t abgesprochen ist, sich hartnäckig dieses Am t in der Öffentlichkeit weiter anm aßt. Unbedingt not­ wendig ist dann aber, daß die S trafverfolgung von dem V erlangen der in B etracht kommenden Religionsgesellschaft abhängig gemacht w ird, da­ m it wirklich n u r Fälle der gedachten A rt den Gerichten unterbreitet werden. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: Also?) — Ich glaube allerdings auch, es können Fälle v o r­ kommen, in denen das B edürfnis nach 'staatlicher S tra fe besteht. Professor D r . Nagler (B reslau): D ie V orfrage, ob dem abgesetzten Kirchenbeamten das Am t noch zusteht, sollte n u r die Kirche entscheiden/ sie allein sollte darüber befinden, ob jemand befugt ist, ein kirchliches Amt a u s­ zuüben. Solche Enscheidungen können w ir dem Richter nicht wohl zumuten. (Reichsjustizminister D r. G ü rtn e r: D ie Sum m e dieser Betrachtung verstärkt die Bedenken, den Abs. 2 zu 8 145 aufzunehmen, wenigstens so, wie ich die D inge jetzt sehe.) M ir ist das Wichtigste der § 145. Z u den §§ 146 und 147 würde ich der M einung sein, w ir brauchten diese Bestimmungen auf die Kirche nicht auszudehnen. D ie Kirche h at genug M ittel, sich zu schützen. D a s würde im Zusam m enhang stehen m it dem, w as ich weiter zu Ziffer 12 auf S eite 12 ausführen w ill. M a n darf m it dem staatlichen Schutz nicht allzu w eit ausgreifen/ vor allem soll die Kirche selbst dafü r sorgen, daß es nicht zu Exzessen kommen kann. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Gegen die A m ts­ erschleichung will die katholische Kirche nach meiner E r ­ innerung keinen strafrechtlichen Schutz< haben, wohl aber die protestantische. (Professor D r . N agler sB reslau j: D ie katholische Kirche w ill in vollem Um fange bezüglich des öffent­ lichen Am tes dem S ta a te gleichgestellt sein.) D a ß m an nicht differenzieren kann, steht von vornherein fest. D a s Ergebnis der A usführungen des H errn P r o ­ fessor N agler w ürde ich praktisch dahin zusammen­ fassen: Streichung des Abs. 2 von § 145 und bei §§ 146 und 147 keine Ausdehnung. P ro f. D r. Dahm (Kiel): M an w ird zunächst erö r­ tern müssen, ob § 145 überhaupt in diesen Abschnitt hineingehört. W ir haben es in diesem Abschnitt m it Angriffen gegen das staatliche Im p e riu m i n n e r h a l b der amtlichen S p h ä re , also m it Am tsdelikten zu tun. § 145 regelt nun zwei Fälle: erstens den F a ll, daß je2

mattb sich fü r einen B eam ten ausgibt, und zweitens den, daß jem and, ohne sich als B eam ter zu gerieten, eine H andlung vornim m t, die nur ein B eam ter hätte vor­ nehmen dürfen. D ieser zweite F all fällt zweifellos aus dem R ahm en der übrigen, in diesem Abschnitt ent­ haltenen strafrechtlichen Bestimmungen heraus. Es handelt stch da um einen E ingriff in die staatliche S p h ä re v o n a u ß e n h e r . D er erste Fall liegt dagegen auf der Grenze. M a n könnte also d aran denken, die A m tsanm aßung in den Abschnitt »Auflehnung gegen die S ta atsg e w a lt« hineinzunehmen. Aber das paßt auch wieder nicht. D enn wenn jemand von außen her in die staatliche S p h ä re eingreift, kann m an das nicht als A uflehnung gegen die S ta atsg e w a lt ansehen und m it W iderstand gegen die S ta atsg e w a lt, Gefangenen­ befreiung usw. in Zusam m enhang bringen. § 145 ist überhaupt systematisch schwer unterzubringen. Ich möchte mich d aru m doch dafür aussprechen, daß er in diesem Abschnitt bleibt, vor allem im Hinblick auf den ersten F all, der hier hineingehört. D a s k i r c h l i c h e A m t sollte m einer M einung nach nicht durch die §§ 145 und 146 geschützt werden. D e r Ab­ schnitt des Strafgesetzbuches, der sich m it dem Schutz des staatlichen Im p e riu m s befaßt, ist nicht der Platz fü r solche Bestim m ungen. Auch in der System atik des Strafgesetzbuchs sollten S t a a t und Kirche nicht einfach nebeneinandergestellt werden. D a s sind verschiedene Lebensbezirke, die nach ihren eigenen Bedürfnissen und Gesetzen zu ordnen sind. Professor D r. Mezger (München): D ie F rage einer Einbeziehung der kirchlichen Ä m ter in den Beam ten­ begriff ist sehr tiefgreifend und grundsätzlich. I n einem S ta a te , der bei aller Anerkennung der Gewissensfrei­ heit sich, wie der nationalsozialistische deutsche S ta a t, zum positiven Christentum bekennt, ist — wie früher schon betont — zunächst der S tand pu nk t, den die deutsche evangelische Kirche einnim m t, der richtige, nämlich: die grundsätzliche Gleichstellung der Religions­ diener m it den staatlichen Beam ten. W enn das V er­ h ältn is von S t a a t und Kirche schon endgültig und restlos geklärt w äre, w äre das auch nach meiner Auf­ fassung der ideale und richtige W eg. Tatsächlich ist aber diese ganze Entwicklung noch im Fluß, und es haben sich feste Form en des gegenseitigen Verhältnisses noch nicht gefunden. D eshalb neige ich doch der Auf­ fassung zu, daß m an den radikalen S tand pu nk t, der in der Denkschrift der deutschen evangelischen Kirche an die erste S telle gerückt ist, im gegenw ärtigen Augen­ blick noch nicht einnehmen kann. Es ist nickt Sache des S trafrech ts — das h at sich z. B . auch beim Hochverrat gezeigt — , in solche im Fluß befindliche Entwicklungen einzugreifen und sie beeinflussen zu wollen, sondern es ist die Sache des S trafrech ts, eine zu Ende geführte Entwicklung m it seinem Schutz zu umgeben. S o kann m an in der T a t den radikalen S tand pu nk t der Gleich­ stellung heute noch nicht aufrechterhalten, und m ir scheint fü r eine grundsätzliche Abgrenzung deshalb nur der andere W eg gegeben, nämlich: im einzelnen zu prüfen, inw iew eit eine Gleichstellung vorzunehmen sei. D a scheint m ir eines ganz sicher zu sein: dort ist eine solche Gleichstellung notwendig und geboten, wo In te r ­ essen des S ta a te s unm ittelbar b erührt werden, die auch sonst vom S t a a t geschützt werden. Ich denke vor allem an die Fälle, in denen kirchliche D iener irgendwie zu Urkundszwecken herangezogen werden. D o rt scheint

m ir eine Gleichstellung absolut notwendig zu sein. Aber auch, wo unm ittelbar andere öffentliche Interessen be­ rü h rt oder wo schutzwürdige Interessen der Kirchen­ angehörigen anerkannt werden, ist ein w eiterer zweiter S c h ritt zu solcher Gleichstellung zu tun. Ich reckne hierzu etwa den § 143 R efE ., die Verletzung des Steuergeheimnisses. Ich w a r bei meinen früheren A us­ führungen zunächst geneigt, unter dem Gesichtspunkt der schutzwürdigen Interessen der Kirchenangehörigen auch die sonstigen Geheimnisverletzungen eines Kirchen­ dieners hierher zu rechnen. H err Kollege N agler hat aber doch recht beachtenswerte Bedenken geltend ge­ macht und ausgeführt, m an greife dam it, namentlich bei der katholischen Kirche, zu sehr in das Beichtgeheim­ nis ein. Ich schließe mich diesen Bedenken an und halte diesen Vorschlag nicht aufrecht. D e r d ritte Gesichts­ punkt, der dann einzig noch in Frage kommt, ist der, den m an kurz m it dem S chlagw ort »brachium saeculare« bezeichnen kann. D a m it meine ich den Gesichts­ punkt: wie weit soll der S ta a t nun auch der Kirche als solcher in ihrem Interesse seinen Strafschutz, also die V er­ folgung einer bestimmten T a t des Kirchendieners als kri­ mineller T a t, zur V erfügung stellen ? H ier w äre natürlich in erster Linie die S tellun g der Kirche selbst maßgebend. D ie S tellun g der beiden Kirchen ist, soviel ich sehe, nicht einheitlich. D a auch hier die D inge noch sehr im Flusse sind, ist auch insoweit Zurückhaltung geboten. M an w ird sich darau f beschränken, n u r dort einen Strafschutz anzuerkennen, wo m an sagen m uß: die Kirche h at ein Interesse d aran , daß T aten, die sie im V erw altun gs­ wege nicht selbst ausgleichen kann, auch als kriminelle Taten gebrandm arkt werden. D ie O rdnung der Kirche selbst und die V erw altung dieser O rdnung muß m an bei dem gegenwärtigen S ta n d der D inge der Kirche überlassen und nicht — da berühre ich mich wiederum weitgehend m it den A usführungen des Kollegen N agler — in verwaltungsrechtlichen Fragen m it Strafschutz eingreifen. N u r d o rt w ird das S trafrech t in Tätigkeit treten, wo m an auch vom Standpunkt der Kirche aus sagen kann, daß die T a t als kriminelle T a t gebrand­ m arkt werden muß. D a h in w ürde für mein Empfinden allerdings der § 146 RefE. (Amtserschleichung) ge­ hören. D ie Kirche h at ein Interesse d aran , einen Geist­ lichen, der sich in verabscheuungswürdiger Weise in ein Am t eingescklichen hat, nicht n u r zu entlassen, sondern seine T a t auch kriminell zu kennzeichnen. Aber schon das ist, wie ick zugebe, eine Frage, über die sich streiten läßt. Z u dem § 145 R efE. muß ich dagegen auch m einer­ seits von dem jetzt vertretenen S tand pu nk t aus sagen, daß ich für S t r e i c h u n g des A b s . 2 bin. D ie A m tsanm aßung ist eine Frage, die unter den heutigen Umständen kirchenverwaltungsrechtlicher A rt ist. W enn bei S treitfällen dieser A rt, in denen die Abgrenzung zur Z eit noch zweifelhaft ist, in denen vielleicht jede der beteiligten Kirchen behauptet, sie sei die w ahre Kirche, Überschreitungen vorkommen, so ist es Sache der ver­ w altungsm äßigen Regelung, eine T rennung zu voll­ ziehen, aber es ist kein dringendes B edü rfnis gegeben, eine solche A m tsanm aßung, sagen w ir etwa eine P re d ig t eines abgesetzten P fa r r e r s , als kriminell und dam it als strafbar zu kennzeichnen. M it dem bisher A usgeführten sind dann aber auch alle die Gesichtspunkte erschöpft, die fü r eine Gleich-

stellung der Religionsdiener mit den Beamten geltend emacht werden können. Um es also zu Wiederholm: ie Gleichstellung ist erforderlich (1), wo es das un­ mittelbare staatliche Interesse, z. B. bei Urkunden­ fälschung und falscher Beurkundung, fordert: dann (2) wo die mittelbaren Interessen des Staates oder die Interessen der zu schützenden Kirchenangehörigen dafür sprechen,' und schließlich (3) dort, wo die Interessen der Kirche verlangen, daß Verstöße auch von den staatlichen Strafgerichten gebrandmarkt werden. Weitere Gesichts­ punkte für die Einbeziehung der Religionsdiener würde ich nicht anerkennen können. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as Ergebnis wäre also auch ein Plaidoyer für die Streichung von Abs. 2 in § 145, für eine eventuelle Gleichstellung in § 146. Bei § 147 ist keine Bemerkung veranlaßt. (Professor D r. Mezger jMünchenj: D a scheint mir schon die jetzige Fassung auch die theologischen Examina zu decken.) D as ist bezweifelt worden. D arauf können wir aber beim Prüfungskapitel nochmals zurückkommen. Aber eins ist in den Ausführungen von Herrn Professor Mezger zutage getreten, nämlich die Frage der Beur­ kundung. D as haben wir im § 132 noch nicht ganz durchgepflügt. Wenn ich den § 132 in der jetzigen Fassung zugrunde lege, so ist nach meiner Meinung — ich bitte, das zu korrigieren, wenn Sie anderer Auf­ fassung sind — die Ausstellung von Urkunden vor der Zeit deS Personenstandsgesetzes, wo also der Geistliche für Geburts- und Heiratsurkunden zuständig war, jetzt schon durch § 132 gedeckt/ denn es ist eine sachliche Zu­ ständigkeit. Solche Urkunden spielen ja heute eine große Rolle. Wie ist es aber mit dem Taufschein nach dem Inkrafttreten des Personenstandsaesetzes, wobei in der Regel Geburtsschein und Taufschein zusammenfallen, manchmal allerdings auch auseinanderfallen? Wie ist es mit den Urkunden über die kirchliche Trauung nach dem Personenstandsgesetz? D as fällt nach meiner Meinung nicht unter die jetzige Fassung des § 132. Natürlich liegt einfache Urkundenfälschung vor. Sind die Herren auch meiner Auffassung? Ministerialdirektor Schäfer: Es ist gestern beschlossen worden, dies hier ausdrücklich aufzuführen. Professor D r. Nagler (Breslau): Zwei kurze Nach­ träge! Die katholische Kirche hat darauf hingewiesen, daß nach Artikel 10 des Reichskonkordats der S ta a t ihr zugesichert habe, unter die Bestimmungen über die Be­ strafung für den Mißbrauch militärischer Uniformen und dergleichen auch den Mißbrauch des geistlichen Kleides oder des Ordensgewandes zu stellen. D am it ist, glaube ich, indirekt kundgetan, daß der S ta a t sich nicht verpflichtet hat, auch die Amtsanmaßung unter sträf­ lichen Strafschutz zu stellen. Eine solche Verpflichtung ist offenbar der Kirche gegenüber nicht eingegangen worden. (Reichsjustizminister D r. Gürtner: Nein, davon kann keine Rede sein!) Darum haben wir hier freie Hand. Was die §§ 146 und 147 anlangt, so verwahrt sich die katholische Kirche ausdrücklich dagegen, daß sie da einbezogen wird. Sie sagt, in beiden Fällen sei es für die Kirche untragbar, wenn auf Anzeige jedes Beliebigen die weltlichen Behörden eine Untersuchung anstellen

könnten und müßten/ von der Anwendung der genann­ ten Strafvorschriften bei den öffentlichen Reliaionsacsellschaften sei daher abzusehen. Vorher wird das damit motiviert, daß man es ihr überlassen müsse, dar­ über zu wachen, wie sie ihr Prüfungswesen und ihr Arnterwesen einrichte. Ich meine, aus diesem S tand­ punkt der katholischen Kirche ergibt sich, daß wir ihr nicht einen Schutz aufdrängen sollten, den sie selber gar nicht wünscht. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Zu diesem Punkt scheint das W ort nicht mehr begehrt zu werden. D as Ergebnis wäre also folgendes: Abs. 2 von § 145 wird aufgegeben. D ann kamen wir zu dem zweiten Kapitel: Erschlei­ chung des Amts und der Befähigung zum Amt. D a­ bei wäre nach meiner Meinung das wichtigste, daß wir uns darüber klar werden, wieweit wir die Grenze des Strafrechts gezogen wissen wollen. Hierzu liegen W ort­ meldungen von Herrn Professor D r. Dahm und Herrn Professor D r. Kohlrausch vor. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Meine Herrm! Ich habe den Eindruck, der ja hier gelegentlich schon zum Ausdruck gebracht wurde, daß der § 147 in dem Bestreben, das Amt auch nach der Richtung hin rein­ zuhalten, daß es nicht erschlichen werden kann, reichlich weit geht. Ich möchte zunächst eine Spezialfrage herausnehmen. D as ist die Frage der Doktorprüfung, die dadurch hereingekommen ist, daß auch die Titelerlangung ge­ schützt werden soll. Dagegen habe ich verschiedenes ein­ zuwenden. Ich finde zunächst: man darf nicht amtlich anerkennen, daß der Zweck der Doktorprüfung ist, einen Titel zu erlangen. Der Zweck der Doktorprüfung ist, die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten nach­ zuweisen. Ich halte es weiter für überflüssig, die Dok­ torprüfung nach dieser Richtung hin überhaupt unter Strafschutz zu stellen, ja geradezu für bedenklich. Es handelt sich hier ja nicht, nur um juristische Prüfungs­ arbeiten/ auch philosophische, historische, naturwissen­ schaftliche Arbeiten usw. kommen in Betracht. Eine wissenschaftliche Leistung aber ist fast niemals restlos eigenes Geistesprodukt. S eit Jahrzehnten baut einer auf dem anderen auf. Ich würde es für höchst bedenk­ lich halten, wenn wir die Frage der Selbständigkeit hier einem staatlichen Gericht unterbreitm wollten. Die Entscheidung hierüber kann nur Sache der Fakultäten sein, die den Doktortitel zu verleihen haben. D as staatliche Gericht würde ja nur mit Sachverständigen arbeiten können. Ob es immer die geeignetsten und un­ parteiischsten finden wird, wissen wir nicht. Ich würde ein Strafgerichtsverfahren über die Selbständigkeit einer wissenschaftlichen Arbeit für ganz schlimm halten, für einen unerträglichen Eingriff in die Selbstverwal­ tung der Fakultäten ansehen, die mit allen Mitteln ver­ teidigt und geschützt werden muß, soweit es sich um ihre rein wissenschaftlichen Aufgaben handelt. Ich bitte dringend, die Worte »oder einen Titel« zu streichm. Anders mag es liegen, wenn die Befähigung für ein staatliches Amt oder einen Beruf, für eine Anstellung oder eine Beförderung in ein höheres Amt dargetan werden soll. Hier hat der S taa t als solcher ein In ter­ esse daran, daß die Voraussetzungen hierzu ernsthaft geprüft und wahrheitsgemäß dargetan werden. Aber auch da, glaube ich, sollte man äußerst vorsichtig sein.

W enn ich d a ra u fh in den Tatbestand ansehe, so habe ich verschiedene grundsätzliche und Einzelbedenken. D a s grundsätzliche geht d a hin: man sollte hier nicht zuviel reglementieren! I m einzelnen bemängele ich das W o rt »P rüfungsleistungen« im Abs. 4. Es kommt doch nicht d a ra u f an, daß der K and id at eine fremde P rü fu n g s ­ leistung als eigene ausgibt. Es ist doch nicht nö tig , daß die A rb e it, von der er abgeschrieben hat oder die er als eigene ausgibt, ihrerseits auch eine » P rü fung sarb eit« sei! D e r K a n d id a t kann aus irgendeiner gedruckten D isserta tion, also aus einer »P rüfungsleistung«, aber auch aus einer sonstigen Abhandlung oder aus einer A bhandlung, die g a r nicht gedruckt worden ist, abge­ schrieben haben. A lso zum mindesten müßte die Fassung doch dahin abgeändert werden: »eine ganz oder im wesentlichen fremde Leistung als eigene ausgibt«. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: S o ist das gemeint!) D a n n glaube ich, daß das W o r t »P rü fung s-« nicht hierhergehört. Ic h w ürde, wenn m an das W o r t »T itel« sowie im Abs. 4 das W o r t » P rü fu n g s-« streicht, inso­ w e it keine schwerwiegenden Bedenken gegen § 147 haben, obwohl ich glaube, daß die Behörde auch hier schon, was den T e x t des § 147 bis dahin b e trifft, durch Aberkennung des verliehenen Am tes, durch U n fä h ig ­ keitserklärung zur E rlang ung eines derartigen Amtes, durch disziplinarische S tra fe n usw. ausreichende und adäquatere M it t e l in der H and hätte, Amtererschleichungen zu verhindern oder zu ahnden! W a s die Bestrebungen b e trifft, den P aragraphen auszudehnen, so widerspreche ich ihnen. Ic h habe nicht vie l einzuwenden gegen die A nm erkung: »§ 12a« der Vorschläge der Unterkommission,' wenn man den § 147 Abs. 1 läß t, so kann m an n a türlich sagen: w er die P rüfu n g sle istu n g selber erschleicht, der soll auch bestraft werden, wenn er schon die Zulassung zur P rü fu n g er­ schleicht. A ber gegen § 12b habe ich doch schwere B e­ denken. E ine P rü fu n g soll so eingerichtet sein, daß derartiges nicht passieren kann. D ie schriftlich zu stellen­ den P rü fu n g s a rb e ite n müssen eben sekretiert werden, und wenn da einer einbricht und die P rüfu ngsa rbe iten stiehlt, dann g ib t es schon andere Strafbestim m ungen, um vorgehen zu können. N u n ist gesagt w orden, daß sogar die unrechtmäßige Verschaffung von Fragen, die der betreffende E xam i­ n a to r zu stellen pflegt — wenigstens habe ich es so ver­ standen — , unter § 12b gebracht werden könnte/ minde­ stens m it H ilfe der zuzulassenden Analogie. Ich muß sagen, daß durch diesen S tra fp a ra g ra p h e n die wich­ tigsten E rziehungsm ittel verlorengehen würden, die uns E xam inatoren zwingen, nicht im m e r dasselbe zu fragen. (Heiterkeit.) Es ist ja bekannt, daß ein Gewerbe daraus gemacht ist, Examensprotokolle gegen Geld auszuleihen. Ic h finde das nicht so schrecklich! K rim in e lle s jedenfalls kann ich d a rin nicht sehen. D e r Abs. 2 ist historisch w ohl der Ausgangspunkt der ganzen B estim m ung. Ic h erinnere mich,' daß sein Gedanke schon v o r Jahrzehnten diskutie rt wurde. Schamlos boten sich Repetitoren in Zeitungsannoncen zur A n fe rtig u n g von P rüfu ngsa rbe iten an. D ie E m pörung richtete sich gegen die Inserenten, aber das praktische Interesse au f die Kandidaten. W ie kann m an erm itte ln , w e r sich seine A rbeiten anfertigen läßt?

Es w a r aber keine M öglichkeit, der Sache beizukommen, wenn nicht auf G ru n d solcher Angebote Haussuchungen bei den Inserenten möglich w aren, um so die Namen der Kandidaten zu erfahren, die sich ihre A rbeiten an­ fertigen ließen. D a zu bedurfte m an zunächst einer S trafbestim m ung. U n te r diesem Gesichtspunkt wurde der Abs. 2 geschaffen, der dann seine Kreise im m er w eiter in das krim inelle S tra fre ch t hineinzog — meines Erachtens v i e l zu w eit! Reichsjustizminister D r . Gürtner: W enn ich das zu­ sammenfassen d a rf, H e rr Professor, so wünschen S ie erstens, daß der T ite l beseitigt w ird , zweitens eine sprachliche Änderung, die sicher dem S in n dieses V o r ­ schlages genau gerecht w ird , daß nämlich jemand eine irrt wesentlichen fremde als eigene P rüfu ngsleistu ng ausgibt. (Professor D r . Kohlrausch s B e rlin j: D a s W o rt »P rü fu n g « in der letzten Zeile müßte gestrichen werden!) — A lso: eine im ganzen oder im wesentlichen fremde Leistung als eigene sei. P rü fu ngsleistu ng ausgibt. D a s wäre buchstäblich das, was auch die Unterkommission gemeint hat. I h r d ritte r Wunsch wäre, der A nm e r­ kung 12 nicht zu folgen. Ferner wünschen S ie , im Abs. 2 die W o rte »gegen Entgelt« zu streichen, und S ie stellen anheim, im Abs. 3 das W o r t »öffentlich« zu streichen. Professor D r . Dahm (K ie l): M i r scheint, daß man den § 147 entweder streichen oder wesentlich umgestal­ ten muß. E in solches Gesetz paßt eher in das A ll­ gemeine Landrecht hinein als in ein Strafgesetzbuch, wie w ir es schaffen wollen. I m übrigen ist die Kasuistik des § 147 unzulänglich. Es scheint m ir w illkü rlich , daß bestraft werden soll, wer fremde Prüfungsleistungen als eigene ausgibt, nicht aber, wer ganze S eiten aus einem wissenschaftlichen W erk zitie rt, ohne die Quelle anzugeben. D a s fä llt nicht unter § 147 Abs. 1, wenn es sich nicht um eine P rüfu ngsleistu ng handelt. Dieses Bedenken könnte n u r behoben werden, wenn m an, dem Vorschlag von Professor Kohlrausch folgend, das W o r t »P rü fung « wegläßt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: H e rr Professor, ich möchte glauben, daß der Vorschlag von H e rrn P r o ­ fessor Kohlrausch auch dem S in n der Unterkommission entsprach: w er eine fremde Leistung als eigene sei. P r ü ­ fungsleistung ausgibt. Ic h glaube, daß die Unterlassung der Angabe der Quelle bei Z ita te n eigentlich schon da runter fallen w ürde. Professor D r . Dahm (K ie l): S ehr bedenklich scheint m ir die Bestim m ung des § 147 Abs. 2. Danach soll bestraft werden, w er einem anderen bei der P rü fu n g gegen E ntgelt H ilfe leistet. E ntge lt ist nach § 9 Z iffe r 8 \ e b e r V o rte il, gleichgültig wem er zugute kommen soll. Demnach wäre zu bestrafen, w er einem anderen h ilft gegen das Versprechen einer entsprechenden H ilfe ­ leistung bei anderer Gelegenheit. D a s geht viel zu weit. I m übrigen ist die Grenze zwischen dem Hilfeleisten und dem Herstellen einer P rü fu n g s a rb e it flüssig. S tra fw ü rd ig ist, abgesehen von den Fällen des £ 147 Abs. 3, n u r derjenige, der sich fü r einen andern ausgibt und an dessen S telle das Exanren macht. D a rü b e r hinaus könnte man die in der Anm erkung 12 a vor

geschlagene Bestim m ung aufnehmen, also die E r­ schleichung der Zulassung zum Examen un ter S tra fe stellen. Vizepräsident G ra u : Ic h w ollte n u r ein paar W orte zu der Rüge von H e rrn Professor Kohlrausch sagen, daß es im Z 147 Abs. 1 heißt, daß der Exam inand eine ganz oder im wesentlichen fremde P rü fu n g s le is tu n g als eigene ausgibt. Ic h glaube, dieser W o rtla u t ist bewußt so gewählt worden und beruht keineswegs auf einem sprachlichen V ergreifen. W ürde die Fassung n u r so lauten: w er eine fremde Leistung als eigene P rü fu n g s ­ leistung ausgibt, dann würde auch der F a ll darunter fallen, daß jemand aus wissenschaftlichen Werken z itie rt, ohne die Quelle anzugeben. Ic h meine, es ist Aufgabe der Exam inatoren, das festzustellen/ das braucht nicht krim in e ll erfaßt zu werden. H ie r ist an einen ganz anderen F a ll gedacht, nämlich daran, daß jemand ad hoc eine P rü fu n g s a rb e it anfertigen läßt. D a s ist ein ganz grober F a ll der Hintergehung und Unehrlichkeit, der meines Erachtens erfaßt werden muß. Ic h glaube also, daß^die Fassung doch richtig ist. Jedenfalls w ar das ih r S in n und Zweck/ vielleicht kann man es aber sprachlich besser zum Ausdruck bringen. Professor D r . Nagler (B re s la u ): M eine H erren! Ich d a rf Ih r e Aufmerksam keit noch einm al au f § 146 lenken, der jetzt etwas zu kurz gekommen ist. D a heißt es: D e r Ü bertragung eines öffentlichen A m ts steht die Einstellung in die W ehrmacht gleich. Ic h glaube, hier müssen die Angestellten hinzukommen. D a s Beam ten' V erhältnis w ird ja heute in weitem Umfange abgelöst durch das Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst. D a ru m muß auch der Angestellte im § 146 berücksichtigt werden. Es d a rf also nicht bloß bei der Beam ten­ anstellung sein Bewenden haben, sondern es muß auch die Verwendung sogenannter Angestellter gleichgeschaltet werden. B e i § 147 bin ich der M e in ung , daß w ir eine solche Bestim m ung grundsätzlich benötigen — schon aus Gründen der G eneralprävention/ denn hinsichtlich des Prüfungswesens haben sich doch allm ählich sehr üble Erscheinungen gezeigt. A u f der anderen S eite aber dürfen w ir über das, w as § 147 bietet, keinesfalls h in ­ ausgehen/ denn er enthält das M a x im u m dessen, was überhaupt geleistet werden soll. I m einzelnen ist zu beachten, wie H e rr Kollege G ra u eben schon klargestellt hat, daß das bloße P la g ia t in 8 147 grundsätzlich nicht getroffen werden soll, sondern daß es sich bei der P rüfu ngsleistu ng um das Ganze handelt. Es w ird n u r der F a ll getroffen, daß etwas, was schon einm al als P rüfu ngsleistu ng passiert ist, noch einm al in einem anderen F a ll als P rüfungsleistung v o r­ gelegt w ird . D a r in w ürde ich eine sehr glückliche E in ­ schränkung sehen. D a n n bin ich auch d a fü r, daß man den »T iteln streicht. D enn das Prom otionsw esen unserer Fakultäten ist so geartet, daß w ir schon allein in unserem eigenen Hause fe rtig werden und keinen Strafschutz nach § 147 brauchen. W ir können uns dadurch sichern, daß w ir eidesstattliche Versicherungen verlangen. W ir sind öffent­ liche Behörden und können infolgedessen durch diese eidesstattliche Versicherung, wenn w ir es fü r notwendig halten, dem Kandidaten schon einen Z a u m anlegen. I m übrigen dürfen w ir doch den Prüfungsbehörden die 32.

V e ra n tw o rtu n g nicht abnehmen/ au f der anderen Seite müssen w ir uns d a ra u f einrichten, daß das Repetitorenwesen nun einm al existiert. D ie Repetitoren sollen ja jetzt sogar ordnungsm äßig in den U nterrichtsplan ein­ gegliedert werden, das ist ja die neueste Wendung. W ir müssen also m it gewissen Unterstützungen unserer P r ü f ­ linge rechnen. Ic h w ill mich hier nicht in In tim itä te n des Prüfungswesens verlieren, jeder könnte aus seiner E rfa h ru n g m it allerlei Erbaulichem aufw arten. Ic h spreche n u r von den juristischen S taatsprüfunge n, die m ir besonders naheliegen. Entscheidend ist, daß eben d a ra u f gedrungen werden m uß: einm al mündlich fo r t­ gesetzte V a ria tio n e n der Them ata, aber ebenso auch schriftlich. Es d a rf nicht, w ie es jetzt im juristischen Prüfungsw esen üblich ist, dieselbe H ausarbeit serien­ m äßig, 'mindestens alle anderthalb Jahre gleich dutzend­ weise ausgegeben werden. W i r haben von Fakultäts wegen w iederholt Widerspruch dagegen erhoben, aber bisher noch keine durchgreifende Besserung erzielen können. Es liegt hier zweifellos eine schwere K a la m itä t vor. W ir wissen, daß bei bestimmten Repetitoren K a r ­ teien existieren, in denen die A rbeiten re g istrie rt sind, dazu die Leute, die sie schon bearbeitet haben, auch die Noten, die fü r solche Bearbeitungen erte ilt worden sind. Einen »Vorgang« zu erlangen, h ä lt m ith in nicht schwer. Es muß von innen heraus gebessert werden. M i t dem Strafschutz können w ir gewiß auch einiges leisten, aber entscheidend ist, daß die Prüfungskommissionen sich so einrichten, daß Durchstechereien n u r in geringstem Maße möglich sind. Ic h w ürde un ter allen Umständen sowohl a w ie b von der Note Z iffe r 12 zurückweisen. Ic h bin auch der M e in ung , man soll nicht zu viel an strafrecht­ lichen Bestimmungen auf solchen Spezialgebieten leisten, sondern man muß sehen, daß das Ganze gesund a u f­ gezogen w ird , und, wenn es krank geworden ist, inne r­ lich wieder gesundet. B e i Abs. 2 würde ich die H ilfeleistung gegen E ntgelt doch strafen. N a tü rlich verstehe ich dann un ter E ntgelt materielle V o rte ile , und zw ar erheblicher A r t. Jede H ilfe gleich zu krim inalisieren, geht nicht an. Jeder K a n d id a t, der etwa eine H ausa rbe it zu leisten hat, w ird sich befragen, w ird m it K o m m ilito nen Rücksprache nehmen/ oas w ird man in angemessenen Grenzen fü r zulässig erachten müssen. M a n soll eben nicht m it Kanonen a u f Kleinigkeiten schießen, wie sich schon von selbst versteht. Ganz anders lie g t die Sache, wenn die Gewinnsucht dabei ist, wenn die H ilfe bezahlt w ird , also materielle V o rte ile in erheblichem U m fange in Frage kommen. Es g ib t jedoch heute auch schon Repetitoren, die diese H ilfe gegen ordentliche Bezahlung leisten, und das muß unterbunden werden/ denn das ist der K rebs­ schaden des Ganzen. B e i Abs. 3 bin ich auch der Auffassung, daß man das W o r t »öffentliche streichen sollte. Dieses Anerbieten ist korrum pierend und muß unter allen Umständen beseitigt werden. Reichsjustizminister D r . G ürtner: B ei den T ite ln scheint es m ir , als ob ganz allgemein bloß an den D ok­ to r tite l gedacht würde. D a kommen aber noch andere D in g e in Betracht: D ip lo m la n d w irt, D iplom in gen ie ur. Auch der M e istertite l hängt, soviel ich weiß, von einer P rü fu n g ab, und wahrscheinlich noch ein halbes Dutzend andere. Auch der W irtsch a ftsp rü fe r und verschiedene andere müssen jetzt eine P rü fu n g machen.

Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Z u ­ nächst möchte ich empfehlen, in Zeile 1 des § 147 zum Ausdruck zu bringen, daß hier die P rü fu n g e n v o r kirch­ lichen Behörden ausscheiden sollen. Ob gesagt werden kann »fcot einer staatlichen Behörde«, w ird zu über­ legen sein/ möglicherweise kommen auch noch andere Behörden als schuhbedürftige Prüfungsbehörden in Frage. D em Vorschlag des H e rrn Professor Kohlrausch, die W o rte »oder einen T ite l« zu streichen, kann ich mich nicht anschließen. D e r H e rr Reichsminister ha t eben schon hervorgehoben, daß hie r keineswegs ausschließlich an den D o k to rtite l gedacht w orden ist. Es kommen da eine ganze Reihe anderer T ite l in Frage, die ohne wei­ teres auf G ru n d des Bestehens von P rü fu n g e n verlie­ hen werden, z. B . , um n u r einen herauszugreifen, der D ip lo m in g e n ie u r. D en Verfassern des § 147 lag es w irklich v ö llig fern, zum Ausdruck zu bringen, daß der Zweck des wissenschaftlichen Doktorexam ens die E rla n g u n g eines T ite ls sei. Z u r Bedeutung des D o k to rtite ls n im m t der P a ra g ra p h überhaupt keine S te llu n g , und das w a r ja auch nicht seine Sache. A ber im m e rhin hat doch die E rla n g u n g des D o k to rtite ls nicht n u r innerhalb der F a k u ltä t eine große Bedeutung, sondern auch nach außen h in . F ü r das P u b lik u m ist zum B eispiel ein approbierter A rz t, der nicht D o k to r ist, überhaupt kein A rz t. D a s P u b lik u m soll d a vo r geschützt werden, daß jemand unrechtmäßig einen D o k to rtite l erlangt. Des­ wegen ist auch nicht oie Rede von einem E in g r iff in die S elbstverw altung der Fakultäten! D a s kom mt m ir gerade so v o r, w ie wenn die katholische Kirche sagte, es sei ein E in g riff in ihre Rechte, wenn der S ta a t den S ta a ts b ü rg e r schützt, soweit er sich re lig iö s betätigt. I m übrigen w äre es auch g a r nicht maßgebend, ob die S elbstverw altung der Fakultäten oder der Kirchen von einer S trafbestim m ung b e rü h rt w ird . Maßgebend ist einzig und allein der Schutz der A llgem einheit/ der S ta a t kann es sich, wenn er ein Schutzbedürfnis der A llgem einheit a n n im m t, nicht gefallen lassen, daß Kirche oder F a lk u tä t irgendwelche P rä ro g a tiv e n in Anspruch nehmen. D a n n haben w ir sicher nicht daran gedacht — auch das ist schon hervorgehoben w orden — , das P la g ia t als Vortäuschung eigener P rüfu ngsleistu ng aufzufassen. V ielm eh r ist da ran gedacht worden, daß jemand eine A rb e it a u f den Tisch des Hauses legt und sagt: »Die habe ich ganz allein gemacht«^ während er sie sich in W a h rh e it von einem anderen ganz oder zum T e il hat herstellen lassen. N un glaube ich aber auch, w ir müßten dann doch das W o r t P rü fu ngsleistu ng streichen/ denn eine P rüfu ngsleistu ng eines anderen ist es doch nicht. D e r M a n n hat die A rb e it a d hoc zu dieser P rü fu n g eines anderen hergestellt, während »Prüfungsleistung« den S in n nahelegt, daß der Fremde, der geholfen hat, die A rb e it selbst vorher bei seiner eigenen P rü fu n g als P rüsungsleistung hergestellt und verwertet hat. D as kann natürlich auch vorkommen, w ird aber v e rhältnis­ m äßig selten sein. W i r haben w eiter in der U nterkommission erwogen — das möchte ich zu dem bemer­ ken, was H e rr Professor D a h m über die Kasuistik dieses P ara grap hen gesagt h a t — , ob w ir nicht ganz allgemein Prüfungstäuschungen unter S tra fe stellen sollen. W i t haben das nicht getan, w e il es sich hier

meist um wenig greifbare D in g e handelt, um D inge , die auch m it dem Ausschluß von der weiteren P rü fu n g genügend bestraft sind. Es ist z. B . das Schreiben von Notizen auf die Manschetten erw ähnt w orden, aber es kann auch das Sichvorsagenlassen in Frage kommen. Es kom mt nicht selten vo r, daß aus dem Z u h ö re rra u m heraus vorgesagt w ird . D a s kann au f Verabredung beruhen und würde dann auch Täuschung durch den K andidaten sein. (Professor D r . D a h m sK ielft Auch E xam inatoren sagen v o r! — Heiterkeit.) — W i r w ollten auch nicht so w e it gehen, alle P r ü ­ fungstäuschungen unter krim inelle S tra fe zu stellen. Im m e rh in aber scheinen m ir solche Handlungen, w ie sie in der Anm erkung 12 b erw ähnt sind, den Verzicht auf K rim in a lis ie ru n g nicht zu vertragen, insbesondere die vorherige unerlaubte Beschaffung der P rü fu n g s a u f­ gaben. Es ist hierzu gesagt worden, dann müßten eben die Aufgaben in genügend sicheren Verschlüssen aufbe­ w a h rt und es müsse so d a fü r gesorgt werden, daß sie nicht bekannt würden. D a s ist richtig , und, soweit das menschenmöglich ist, w ird d a fü r auch S org e getragen. Aber die E rfa h ru n g hat im m er wieder gezeigt, daß es ungetreue B oten und Beamte gibt. Dagegen kann m ail sich durch noch so sorgfältige A ufbew ahrung nicht sichern. Es kom mt g a r nicht so selten vo r, daß die Leute sich die P rüfungsaufgaben au f verbotenem Wege verschaffen. H ierbei ist natürlich nicht gedacht an die Fragebogen der Repetitoren. D a s sind keine P r ü ­ fungsaufgaben. P rüfungsaufgaben sind die Them ata fü r die K lausuren und fü r die häuslichen Aufgaben. M a n kann nicht die Fragen, die im m e r wieder von einem E xa m in a to r gestellt werden, als P rü fu n g s a u f­ gaben bezeichnen, die der R epe titor verschaffen soll. Ich nehme es im übrigen nicht tragisch, wenn sich ein K a n ­ didat a u f einen bestimmten P rüfenden p rä p a rie rt. Es gehört im m e r eine wesentliche eigene Gedankenarbeit dazu, sich au f einen bestimmten E x a m in a to r zu p rä ­ parieren. W enn der K a n d id a t die M a te rie nicht auch sonst beherrscht, nützt ihm diese A r t der V orbereitung wenig oder g a r nichts. Ic h möchte also dabei bleiben, daß w ir den F a ll der Anmerkung 1 2 b m it S tra fe bedrohen sollten, vielleicht auch die in Anm erkung 12 a erwähnte falsche Angabe über die Voraussetzungen der Zulassung zur P rü fu n g . Ic h glaube übrigens, daß dann auch die von H e rrn Professor D a h m erwähnte V o rd a tie ru n g ge trof­ fen würde. M a n kann hier eine Vorspiegelung durch schlüssige H andlungen annehmen. I s t der Abgabe­ term in v o rd a tie rt, so lie g t hie rin die stillschweigende E rkläru ng des K andidaten: »D ie P rü fu n g s a rb e it habe ich an dem und dem Tage schon abgegeben«. S o lä ß t sich jedenfalls konstruieren, zumal w ir die Analogie haben werden. E in wenn auch nicht zu weitgreifender straf­ rechtlicher Schutz ist — das wiederhole ich — gerecht­ fe rtig t und geboten. D ie P rü fu n g ist nun einm al eine außerordentlich wichtige G rundlage fü r die Verleihung von Ä m te rn , T ite ln usw., und der S ta a t hat alles Interesse da ran, daß diese G rundlage sichergestellt werde. M a n sollte deshalb nicht von P olizeistaat und übermäßiger Reglementierung sprechen. F ü r S treichung der W o rte »gegen Entgelt« im Absatz 2 des § 147 bin auch ich nicht/ ich meine auch, daß die erlaubte B era tung und die unerlaubte H ilfe-

fi'iftinui fcsiv ineinander übergehen. D ie Grenzen sind da flüssig. Kein K andidat w ird sich ganz einschließen, wenn er seine Eram ensaufgabe erledigt, er w ird m it Kam eraden, m it Kom m ilitonen darüber sprechen. W as von uns getroffen werden, soll, ist n u r die gew erbs­ m äßige Hilfeleistung. H ierin stimme ich H errn P r o ­ fessor N agler vollkommen bei. E s ist noch gesagt worden, daß die vorhandenen llbelstände in starkem M aße davon herrühren, daß ein und dieselbe Aufgabe von den P rü fu n g säm te rn zu häufig ausgegeben werde. Aber ich d arf d arau f hin­ weisen, daß neuerdings nicht n u r die Klausuren in P reuß en — wie es früher schon in Sachsen w a r — einheitlich vom M inisterium bestimmt werden, sondern vom 1. J u li ab auch die H ausaufgaben. Eine zu häufige Ausgabe derselben Aufgabe w ird von der Z en­ trale verhindert werden. Rcichsjustizminister D r. G ü rtn e r. A ls P rü fu n g sschwindel kommen folgende Fälle in B etracht: Erstens: D e r prim itivste Fall ist der der persönlichen S u b stitu ­ tion: D er K andidat schickt einen anderen in die P r ü ­ fung. D a s ist tatsächlich vorgekommen und kann an großen U niversitäten, wo die persönliche Fühlung m it den Studenten gering ist und wo — zu meiner Zeit wenigstens — eine F dentitätsp rüfu ng g ar nicht statt­ fand, in der T a t möglich sein. D e r zweite F all: D er K andidat gibt als seine Leistung eine fremde aus. Eine sachliche S ubstitution! M inisterialdirektor Schäfer: § 147 ist erwachsen aus den schlimmen E rfahrungen insbesondere des P re u ß i­ schen L andesprüfungsam ts fü r die erste und zweite juristische P rü fu n g .' D ieser § 147 ist von zwei P r ä s i­ denten des Preußischen L andesprüfungsam ts begutachtet und geformelt worden, die über jahrzehntelange P r a x is verfügen. B ei den V erhandlungen im Reichstag h at der dam alige P räsid en t des L andesprüfungsam ts selbst die Vorschriften erläutert und dargelegt, welche M iß ­ stände bestanden haben. D a s Ziel ist gewesen, wenigstens die gröbsten Verstöße strafrechtlich zu erfassen und alles andere der anderweitigen disziplinären Regelung durch die Prüfungsbehörden selbst zu überlaffen. Und diese gröbsten Verstöße sind — wie der H err M inister schon angeführt h a t — die, daß entweder jemand durch einen anderen die mündliche P rü fu n g ablegen läßt oder daß er die schriftliche A rbeit eines anderen als eigene A rbeit ausgibt. D azu kommt dann das Gegenstück: die B e­ strafung des anderen, der m itw irkt. Besonders erw ähnt sind die entgeltliche Hilfeleistung und die besonderes Ä rgernis erregende öffentliche A n­ bietung der P rüfungshilfe. W enn ich nun auf die Einzelheiten kommen darf, so ist in Abs. 1 klar herausgearbeitet der eine Fall, daß jemand einen anderen in die P rü fu n g schickt, und der andere F all, daß jemand die schriftliche A rbeit eines anderen als die seinige ausgibt. Welchen Fall m an voranstellen soll, darüber kann m an verschiedener M einung sein. D e r häufigere Fall w ird die Übernahme einer fremden schriftlichen A rbeit sein. D aß jemand die K ühnheit besitzt, für einen anderen in die mündliche P rü fu n g zu gehen, w ird ja seltener vorkommen. E s ist allerdings schon vorgekommen und kann insbesondere an größeren U niversitäten vorkommen. B eim Preußischen Landesprüfungsam t fü r die Affessorprüfung w ürde es z .B ., wenn die Entdeckung nicht durch die Kom m ilitonen

selbst erfolgen würde, der Kommission schlechterdings unmöglich sein, den B etru g aufzudecken, w eil die P rü fe r wohl niem als die K andidaten persönlich kennen. Häufiger w ird der Fall sein, daß die schriftliche A rbeit von einem anderen angefertigt w ird. D a s dies vorkommt, steht außer Frage. D ie Anzeigen in der Zeitung, in denen sich jemand zur entgeltlichen Herstellung erbietet, sprechen eine beredte Sprache. N un w ird m an sich nicht d arau f beschränken können, n u r den Fall zu treffen, wo die A rbeit bis zum letzten W o rt von einem anderen her­ gestellt ist. M a n muß gleichstellen die Fälle, wo die A rbeit im wesentlichen von einem anderen hergestellt ist. Aber davon ist völlig verschieden der F a ll, wo ein P la g ia t vorkommt, wo aus anderen Werken ohne Quellenangabe zitiert w ird. Solche P la g ia te fallm nicht unter § 147, sofern es sich um einzelne Stellen handelt. E s kommen aber Fälle vor — z.B . bei rein theoretischen Themen — , daß aus einer lange zurückliegenden D oktordiffertation oder aus ausländischen Schriften mehr oder weniger die ganze A rbeit ohne Quellenangabe abgeschrieben w ird. D a s fällt natürlich unter § 147. D eshalb stimme ich dem Vorschlag von H errn Professor Kohlrausch zu und halte es fü r richtig, w as er ausge­ fü h rt hat, daß m an sagen sollte: »W er ganz oder im wesentlichen eine fremde Leistung als eigene P rüfungsleistung ausgibt.« M ir scheint das richtiger zu sein als die Fassung, die der R eferentenentw urf hatte und die H err P räsid en t G rau vorhin verteidigt hat. D ie andere F rage, ob m an auch die W orte »um einen T itel zu erlangen« stehen lassen soll, beurteile ich fol­ gendermaßen: D e r H err M inister h at eben schon darau f hingewiesen, daß auch andere T itel als der D oktortitel in Frage kommen. Schon m it Rücksicht d ara u f braucht m an wohl eine solche W endung. N un habe ich volles V erständnis fü r die A usführungen, die die Herren Professor Kohlrausch, D ah m uno andere Herren ge­ macht haben, daß ihnen die Fassuna nicht recht gefällt, weil sie als eine H erabw ürdigung des D oktortitels ge­ deutet werden könnte. Aber das läß t sich leicht ver­ meiden. M an braucht nicht zu sagen »um einen T itel zu erlangen«, sondern m an braucht n u r zu sagen: »bei einer P rü fu n g , die Voraussetzung ist fü r die Erlangung eines T itels«. (Professor D r . D ah m sKiesj: Ich will überhaupt keinen Strafschutz!) D a ß an sich bei der P rü fu n g zur E rlangung des D oktor­ titels dieselben Täuschungen vorkommen können, das läßt sich doch nicht bestreiten. (Professor D r. Kohlrausch sB erlinj: D ann bekommt er ihn aberkannt!) — B ish er gab es keine Aberkennung. Jetzt soll sie ein­ geführt werden. Aber w arum m an hier» nicht durch Strafschutz eingreifen soll, verm ag ich nicht einzusehen. M ir ist eben von H errn G rafen Gleispach eine kürzere Fassung herübergereicht worden: »W er bei einer P r ü ­ fung vor einer Behörde eine L e istu n g ........... « D a würde der Eindruck vermieden, den S ie im Auge haben. Aber ich trage doch Bedenken, eine so kurze Fassung zu wählen. D a s würde nämlich das Anwendungsgebiet der Vorschrift doch sehr erweitern. D a würden z. B . die kleine sogenannte D ekanatsprüfung oder die Zwischenprüfungen darunterfallen, Und an deren E r­ fassung h at doch der S t a a t kaum Interesse.

W enn ich dann kurz einige W o rte zum Abs. 2 sagen d a rf, so ist dieser das Gegenstück zum Abs. 1: -'der­ jenige, der sich selbst dazu hergibt, die P rüfungsleistung ganz oder im wesentlichen seinerseits herzustellen«, aber nun um eine nicht unwichtige B estim m ung erw eitert: --oder wer unbefugt dem anderen bei der Herstellung gegm E ntgelt H ilfe leistet«. H e rr Professor Kohlrausch ha t angeregt, hie r die W o rte -- gegen Entgelt« zu streichen. (Professor D r . Kohlrausch [93 etlm ]: Ic h ziehe das zurück!) — Ic h habe gleich angenommen, daß es sich da wohl n u r um ein M iß verstä ndnis handelt, denn die unbefugte H ilfeleistung kann m an doch strafrechtlich w irklich nur ahnden, wenn sie gegen E ntgelt geschieht/ auch dieser Zusatz ist aus den E rfah run gen oer P ra x is geboren. Ic h kann m ir jede weitere A u sfü h ru n g dazu ersparen. Endlich Abs. 3. Ic h möchte glauben, daß auch hier der E n tw u rf die richtige M itte eingehalten hat, wenn er n u r das öffentliche Anerbieten m it S tra fe bedroht, also hauptsächlich das Anerbieten in Zeitungen. Eine solche S trafbestim m ung ist n ö tig oder wünschenswert, einm al um eine Beschlagnahme zu ermöglichen. D as könnte ja vielleicht auch au f andere Weise erreicht wer­ den. Insbesondere w a r aber A nlaß zu diesem Absatz, daß dasArgerniserregende, das d a rin liegt, daß jemand w agt, in der Z e itu n g selbst sich zu solchen Täuschungen anzubieten, erfaßt werden soll/ und wenn m an bei dem ganzen P ara grap hen die Linie einhält, n u r das Gröbste strafrechtlich zu erfassen, dann möchte ich mich auch da fü r einsetzen, daß m an Abs. 3 in dieser Fassung läßt und ih n nicht etwa erw eitert, wie H e rr Senatspräsident D r . Klee angeregt hat, auch jedes schriftliche Anerbieten zur H ilfeleistung zu erfassen, also wenn etwa der Freund dem Freunde schreibt: wenn D u D eine A rb e it hast, bin ich gern bereit, einm al herüberzukommen. (Senatspräsident Professor D r . Klee [SBetltn]: E ntgeltlich!) — J a , das steht nicht d a rin . (Senatspräsident Professor D r . Ic h weiß w o h l!)

Klee s B e rlin j:

D a s entgeltliche Hilfeleisten w ürden w ir durch die M i t ­ wirkensbestimmung schon erfassen. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): Diese --versuchte M itw irk u n g « g ib t es doch nicht. Es sott überhaupt n u r das gewerbsmäßige Anbieten getroffen werden, aber dieses in jeder F o rm . M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Nach dem L a u f der Debatte glaube ich, m an sollte sich cnif die krassen Fälle beschränken. D ie krassen Fälle sind die des öffentlichen Erbietend zur H ilfeleistung, wobei neben der Zeitungs­ anzeige auch das wahllose Verschicken von gedruckten Rundschreiben usw. in B etracht kommt. M eine A n­ regung würde also dahin gehen, den § 147 im wesent­ lichen in der Fassung der Unterkommission anzunehmen und n u r in der sechsten Reihe das W o r t --P rüfun gs­ leistung« in --Leistung als eigene P rüfungsleistung« zu ändern und w eiter zu versuchen, die W o rte --oder einen T ite l zu erlangen« etwas zu ändern, dagegen sonstige E rw eiterungen nicht vorzunehmen, insbesondere auch nicht die E rw e ite ru n g in der Anm erkung 12a und b.

Regierungsassessor D r . Dellbrügge: D e r neue E n t­ w u rf des Strafgesetzbuchs soll möglichst konzentriert und doch umfassend sein. Trotzdem bitte ich zu erw ä­ gen, ob es nicht möglich ist, den § 146 hier überhaupt fallen zu lassen und eventuell als verschärfte Klausel nachher dem neuen B etrugsparagraphen anzugliedern. D e r § 147 ist lediglich abgestellt auf die --P rü fu n g « . Ich habe den Eindruck aus der Debatte, als ob man diese Frage doch zu sehr von den akademischen P r ü fu n ­ gen aus betrachtet. W as macht es schließlich aus, wenn z. B . bei einer handwerklichen M eisterprüfung ein Schlossergeselle einen T a g vorher zu erfahren bekommt, daß er am folgenden Tage praktisch irgendeine H and­ leistung vorzumachen hat, wobei er nach seiner Geschick­ lichkeit zu prüfen ist, ob er die Bedingungen der M e i­ sterprüfung e rfü llt. D a s fä llt nach dem W o rtla u t des § 147 auch unter den strafrechtlichen Tatbestand. I s t es nicht vielm ehr richtig , den § 147 überhaupt herauszu­ lassen und statt dessen eine Verschärfung der P rü fu n g s ­ bestimmungen zu bringen? S t a t t der bisherigen psiichtmäßigen Versicherungen, die allgemein abzugeben und ohne W irk u n g sind, eidesstattliche Versicherungen zu verlangen? Vielleicht kann m an in neuen P rü fu n g s ­ bestimmungen alle Bedenken, die in der Debatte aufge­ taucht sind, zusammenfassen! D enn genau so wenig, wie S ie bei solchen Bestimmungen herausbekommen, ob der P r ü flin g unlautere M aßnahm en angewandt hat oder nicht, um die P rü fu n g zu bestehen, haben S ie die Möglichkeit bei Vorhandensein dieses S tra fre c h ts p a ra ­ graphen. Solche Bedenken bestehen bei allen P r ü ­ fungen. U nd schon aus diesem Grunde glaube ich nicht, daß es unbedingt notw endig ist, einen S traftatbe stand zu konstruieren. S o llte aber der § 147 bestehen bleiben, so möchte ich zu dem Abs. 2 doch zu bedenken geben, ob das W o r t --Hilfeleistung« klar genug ist. I s t es z. B . schon Hilfeleistung im S in n e des Abs. 2, wenn jemand, wie es allgemein üblich sein soll, wenn er die große A rb e it bekommt, zu einer Buchhandlung geht und sagt: --Ich habe die und die A rb e it, können S ie m ir das ein­ schlägige M a te ria l dazu geben? S ie haben doch eine Sachkartothek darüber.« I s t das schon H ilfeleistung im S in n e des Abs. 2, oder ist es keine Hilfeleistung? (Z u ru f: D a s ist ausdrücklich verboten!) Is t es ferner notwendig, Abs. 3, den ich nach der D e ­ batte als den geistigen Ünzuchtsparagraphen ansprechen w ill — w er sich öffentlich, w ahllos anbietet — , hier hineinzubringen? Oder kann m an das später nicht bei der Neufassung des Reichspolizeirechts oder Gewerbe­ rechts mitberücksichtigen? V o m S tand pun kt des Reichs­ innenm inisterium s aus w ürde ich also gegen eine V e r­ w ertung der Gedanken des § 146 beim neuen B e tru g s ­ paragraphen und gegen eine Fortlassung des § 147 bzw. Verschärfung der Prüfungsbestim m ungen keine Bedenken haben. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Es ist ganz ve r­ dienstvoll, daß unser Augenmerk jetzt d a ra u f hingelenkt w ird , daß es auch andere P rü fu n g e n gibt. — Eine Frage an den H e rrn Kollegen D ellbrügge: B e i der Ge­ sellenprüfung muß ein Gesellenstück gemacht werden, bei der M eisterprüfun g ein Meisterstück. W enn jemand nun bei der Schlosserprüfung ein Schloß als M eister­ stück vorle gt und vorweist, das g a r nicht er, sondern ein

anderer gemacht ha t, würden S ie das als strafrechtlich zu erfassenden Tatbestand ansehen? (Regierungsassessor D r . D ellbrügge: Verzeihung, H e rr Reichsminister, der Geselle muß doch dieses Schloß un ter Aufsicht herstellen!) — D ie Frage, ob m an das verhindern kann, ist eine andere Frage. A ber ein solcher F a ll ist doch sehr leicht denkbar und kommt doch v o r: das Meisterstück hat der A . ga r nicht gemacht, sondern der B ., und das w ird bei der M eisterprüfun g vorgelegt. (M in is te ria lra t D r . Schäfer: D a s geschieht doch v o r den Augen der Komm ission! — R egierungs­ assessor D r . D ellbrügge : D a s kann ja n u r unter Aufsicht hergestellt werden! M a n w ill doch die Geschicklichkeit prüfen!) — Ic h weiß nicht, ob S ie über diese Bestimmungen unterrichtet sind. Ic h kenne das sehr genau aus den S tra fa n s ta lte n . I n der Iug end strafa nstalt in B a ye rn kann die Gesellenprüfung vorbereitet und auch während des S tra fv o llz u g s abgelegt werden, eine der größten Errungenschaften der letzten 10 Jah re. Dieses Gesellen­ stück, z. B . ein Möbelstück oder ein Anzug oder ein Schloß oder sonst etwas, w ird in der W erkstatt der S tra fa n s ta lt hergestellt oder im freien B e ru f bei einem M eister, der überhaupt in der Lage ist, Gesellen und Lehrlinge zu halten, und da g ib t es gewisse V erpflich­ tungen, daß er das Stück allein herstellt usw. Es ist nicht so, daß etwa in der P rüfungskom m ission ein Schloß oder seine Urbestandteile hergestellt werden müssen, sondern dieses Meisterstück w ird vorgelegt. Ge­ setzt den F a ll, es w äre nicht von ihm , sondern von einem anderen, etwa im bewußten oder gewollten Zusammen­ spiel m it seinem M eister und dem Aufseher in der S tra fa n s ta lt, w ürden S ie der M e in u n g sein, daß man das strafrechtlich nicht erfassen sollte? Regierungsassessor D r . D ellbrügge: W enn man die P rüfungsbestim m ungen dahin faß t, daß m it einem ein­ m aligen Mogelversuch überhaupt jede weitere Z u ­ lassung zu einer P rü fu n g ausgeschlossen w äre, so würde ich das fü r einen ausreichenden Nachteil halten, der strafrechtlichen Schutz u n nötig macht. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: S ie stellen also die G ru ndfrage in Zw eifel, ob m an überhaupt einen strafrechtlichen Schutz auch fü r die gröbsten Fälle braucht?) — W enn m an eben die P rü fu n g s o rd n u n g dahin er­ gänzt, daß bei dem einm aligen Betrugsversuch — so w ill ich es einm al nennen — , bei dem Versuch, die B e ­ stimmungen zu umgehen, ein fü r allem al die M ö glich­ keit, ein betreffendes A m t zu erreichen, ausgeschlossen ist, dann ja ! Professor D r . Kohlransch (B e rlin ): M e in e .H erren, der V e rla u f der Debatte über diesen P ara grap hen , der ja wieder gezeigt ha t, daß die scheinbar unwichtigsten Bestimmungen die längste Diskusston herbeiführen, hat n u r eigentlich die Überzeugung gegeben, daß w ir ver­ suchen, verschiedene D in g e über einen K am m zu scheren, die sich ga r nicht über einen K am m scheren lassen. Gerade die dankenswerten letzten Anregungen und der H in w e is da rauf, daß es sich nicht n u r um geistige P rüstm gen handelt, zeigen, daß w ir g a r nicht eine ge­ meinschaftliche Bestim m ung dieser A r t fü r alle P r ü ­ fungen schaffen können. W enn w ir aber die geistigen 32.

P rü fu n g e n , an die ich zunächst dmke, ins Auge fassen, dann sind meine Bedenken in keiner Weise verringe rt. M a n kann geistige Leistungm nicht m it den groben Maßstäben von S tra fp a ra g ra p h e n messen. Ich gebe ohne weiteres zu: s tra fw ü rd ig ist jemand, der eine P rü fu n g durch einen anderen machen läß t. D arü ber ist kein S tre it. D e r zweite F a ll unterscheidet sich davon graduell, nämlich dadurch, daß jemand die P rü fu n g nicht durch einen anderen machen läßt, sondern sich m it fremden Federn schmückt. Gewiß, es ist n u r ein gradueller Unterschied/ aber doch ein ge w a ltiger! Zudem scheint m ir hier der P u n k t zu sein, w o man geistige und technische P rü fu n g e n nicht mehr gleichmäßig behandeln kann. Es mag sein, daß Meister­ prüfungen und Gesellenprüfungen in dieser Weise ge­ regelt werden können. Ic h glaube das aber nicht bei P rü fu n g e n akademischer oder überhaupt geistiger A r t, w e il es hier unmöglich ist, die eigene Leistung von einer fremden in dieser kategorischen Weise zu trennen, wo also der Richter schließlich darüber entscheiden muß, w ie­ w e it die vorgewiesene Leistung eine » i m w e s e n t ­ l i c h e n « f r e m d e ist. H e rr Kollege D ahm hat schon d a ra u f hingewiesen, daß d a m it in W a h rh e it das P l a g i a t unter S tra fe gestellt w ird . W ie gefährlich das ist, wissen w ir aus den Beratungen der Urheberrcchtsgesetze. F ü r S ta a tsp rü fu n g e n ist es bedenklich, fü r re in wissenschaftliche P rü fu n g e n unerträglich. D e r A m tsrich ter kann nicht über die geistige Selbständigkeit einer physikalischen oder philosophischen D o kto ra rb e it entscheiden! F ü r die Wissenschaft w äre das der A nfang vom Ende. D a s ist keine Ü bertreibung, sondern ich sage es m it vollem Bewußtsein. W a s i n d e r W i s s e n ­ schaft »im wesentlichen« fremdes G e i s t e s p r o d u k t is t und in dieser Weise nicht hätte hingestellt werden dürfen als eigene Leistung, darüber kann keine andere Instanz entscheiden als die Wissenschaft s e l b e r . W ir sind im B egriffe, h ie r böse abzuirren! F ü r mich bleibt im Abs. 1 n u r derjenige strafbar, der die P rü fu n g durch einen anderen machen lä ß t — das mag m it Gefängnis bestraft werden — , nicht aber der­ jenige, der sich in irgendeiner F o rm m it fremden Federn schmückt. W as den Abs. 2 b e trifft, so ist er vollkommen richtig insofern, als er als Gegenstück zu Abs. 1 denjenigen stra ft, der die P rü fu n g f ü r e i n e n a n d e r n m a c h t . D a ra u s erg ib t sich fü r mich, daß ich nicht fü r die Wiederherstellung der W o rte »gegen Entgelt« bin, sondern fü r die S treichung des ganzen Zusatzes: »oder w er unbefugt dem anderen bei der Herstellung gegen E ntge lt H i l f e l e i st e t«. D e r Strafgesetzgeber würde sich hier auf ein Gebiet begeben, das ihn nichts angeht. D a s Hilfeleisten ist fcöDig unabgrenzbar, auch wenn m an das E ntgelt h ine inm m m t. H e rr Kollege D a h m h a t überdies rich tig d a ra u f hingewiesen, daß das E ntgelt nach der Ledaldefinition, wie w ir sie bis heute kennen, jeder V o rte il ist, gleichviel, wem er zugute kommen soll, eine D e fin itio n , die bekanntlich bei der Bestechung w ichtig ist. Ic h bitte nun, m it der eigenen Phantasie sich Beispiele ausmalen zu wollen, w as dabei hier her­ auskommen kann! D eutlicher möchte ich nicht werden. — Ic h halte es auch nicht fü r unsere Aufgabe, gegen den R e p e t i t o r zu kämpfen. N a tü rlich bespricht er in seinem R ep e tito riu m gerade solche Fragen, die im 4

Examen eine Rolle spielen, vielleicht auch in zur Zeit Vizepräsident G rau: Es gibt wohl noch einen Fall, laufenden häuslichen Prüfungsarbeiten. M an stelle sich der genau so grob ist wie der, daß jemand eine ad hoc nun die Denunziationen vor, die hier aegen den Repe­ hergestellte Prüfungsleistung verwendet, nämlich wenn titor kommen werden! Nicht nur von der Konkurrenz, er eine bereits vorhandene Prüfungsleistung als eigene sondern auch von Kandidaten, die von ihm schlecht be­ ausgibt. D as müßte auch darunterfallen. Ich würde handelt sind, die nicht zahlen wollen, die durchgefallen sagen: »eine von einem andern hergestellte oder bereits sind usw. Ich bin also dafür, im Abs. 2 den ganzen vorhandene fremde Prüfungsleistung als eigene aus­ Schlußpaffus: »oder wer unbefugt . . . Hilfe leistet« gibt«. überhaupt zu streichen. Wenn er dennoch bleibt, dann Professor D r. Ragler (Breslau): Ich glaube, ich müßten allerdings die Worte »gegen Entgelt« auch kann zu einer weiteren Schrumpfung unseres Diskus­ bleiben, und zwar verdeutlicht werden dahm, daß es sionsmaterials beitragen. Es kommt nämlich darauf ein materielles Entgelt sein muß. an, wie wir den Ausdruck »Titel« verstehen. Im eigent­ Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ich habe den Ein­ lichen Sinne ist der D r. gar kein »Titel«, sondern ein druck: der Gesprächsstoff verengert sich schon etwas, akademischer Grad oder eine akademische Würde/ es und das wäre ein Fortschritt. — Eine Prüfung durch ist nur der vulgäre Sprachgebrauch, wenn wir vom einen anderen machen zu lassen, wäre auch nach dem Doktor»titel« svrechen. Vergleichen kann man den jetzigen Vorschlag des Herrn Professors Kohlrausch ein § 392, wo von der Rechtsanmaßung die Rede ist und strastvürdiges Vergehen: Prüfungserschleichung. P a r­ wo es heißt: wer unbefugt Titel oder Würden führt. allel dazu steht dann der Fall, daß jemand eine Prü- »Würde« im Sinne des § 392 ist vor allem der D r. fmiHsleistung ganz für einen andern herstellt/ denn das Wenn wir uns dahin schlüssig würden, daß unter den tut \a bet, der hingeht und für den andern die Prüfung »Titeln« in unserem Strafgesetzbuch nie der D r. ver­ macht. Die Schwierigkeit beginnt beim zweiten Tat­ standen wird, sondern daß er eine akademische Würde bestand des § 147 Abs. 1: wer sich m it fremden Federn ist, wäre mit einem Schlage ein großes Streitobjekt aus schmückt, weil sich hier sofort der Ausblick ins Plagiat, unserer Diskussion herausgelöst. So sollte man ver­ in dieses uferlose Gebiet aufgetan hat und Entscheidun­ fahren. Zweitens! Ob w ir die Worte »ganz oder im wesent­ gen gefordert werden, die man dem Amtsrichter nicht mbilligen kann. Nun könnte man ja daran denken, lichen« im Text belassen oder sie streichen, kommt auf die Abgrenzung etwas gröber zu machen. Herr P ro ­ dasselbe hinaus, denn hier liegt es so, daß die Quanti­ fessor Kohlrausch, Sie würden doch auch, wenn Sie fizierung zur Qualifizierung wird. Es kommt alles auf schon die Prüfung durch einen anderen für strafbar das Ausmaß an. Es geht um eine. ganz fremde halten, es im selben Maße für strafwürdig halten Leistung, wenn der Prüfling das eigentliche M aterial müssen, wenn einer eine Prüfungsarbeit durch einen von Fremden bezieht und nun eine fade eigene Soße darumgießt, die gar nichts zur Sache zu bedeuten hat. andern herstellen läßt? Angenommen, die Arbeit umfaßt 80 Schreibmaschinen­ (Professor D r. Kohlrausch sBerlinj: Jawohl. seiten und der Kandidat übernimmt 60 Seiten glatt D as ließe sich dadurch erreichen, daß man die und tut 20 Seiten aus eigenem dazu, die gar keine Be­ Worte »ganz oder im wesentlichen« streicht. — deutung für bas Gesamte haben, so ist das Ganze eine Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlins: fremde Leistung. Es ist also gleich, ob wir die Worte D ann würde nur Abs. 2 übrigbleiben.) »ganz oder im wesentlichen« hinzunehmen. I n diesem Wenn ich Abs. 1 und 2 in Beziehung setze, müßte im Sinne muß die Bestimmung jedenfalls interpretiert Abs. 1 die Substitution quoad personam strafbar werden. bleiben. Dem entspricht im Abs. 2, daß ein anderer Reichsjustizminister D r. Gürtner: D am it ist aber die die Prüfungsleistung für jemand herstellt. Nun kommt der zweite Tatbestand, das Sich-mit- andere Frage noch nicht berührt. Die fremde Leistung fremden-Federn-Schmücken. D a ist den beiden Herren kann ja verschiedenes sein. Z. B . eine wissenschaftliche Kohlrausch und Dahm die Abgrenzung gefährlich, weil Abhandluna ist sicherlich auch eine Leistung. Ich hatte das in ein Gebiet hinüberführt, wo die Wissenschaft die so den Einoruck, daß die Meinungen darüber ausein­ Entscheidung für sich beansprucht. D as P lagiat soll andergehen, ob diese fremde Leistung gerade eine P rü ­ man nicht in den Bereich des Strafrechts stellen. Aber fungsleistung sein soll. das werden die Herren doch zugeben, daß, wenn jemand Vizepräsident G rau: Ich würde das P lagiat ganz sich eine Prüfungsarbeit durch einen anderen machen herauslassen und nur die ganz groben Fälle nehmen, daß läßt, das eigentlich nicht anders zu beurteilen ist als die sich jemand von einem anbeten eine Prüfungsleistung Personalsubstitution, und das müßte dann auch straf­ machen ließe oder sich von einem bereits geprüften bar bleiben. Kandidaten die Kopie seiner Arbeit schicken läßt und Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Jawohl. Ich diese Arbeit dann als eigene ausgibt. Reichsjustizminister D r. Gürtner: S ie wollen jetzt würde vorschlagen, im ersten Absatz in der vierten Zeile die Worte »ganz oder im wesentlichen« und im zweiten die Strafdrohung auf Prüfungsaufgaben beschränkend Absatz in der dritten Zeile die Worte »ganz oder teil­ (Vizepräsident D r. Grau: Ja .) weise« zu streichen. Dann ist die Parallele wiederher­ D as würde doch eine gewisse Barriere gegen die Ein­ gestellt. beziehung des P lagiats bedeuten. (Professor D r. Dahm fKies>: D ann muß »ganz oder im wesentlichen« bleiben. Es kann jemand Professor D r. Kohlrausch (Berlin): D as würde also nur die Klausur für einm andern schreiben, aber bedeuten, daß das W ort »Prüfungsleistung«, wie es die nicht für ihn ins mündliche Examen gehen.) Unterkommission vorgeschlagen hat, stehenbleiben muß.

D as würde namentlich im Sinne des Herrn Vertreters des Reichsinnenministeriums liegen. Dann würde die Frage des P lagiats hier gar nicht mehr zur Erörterung stehen. Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Ich wollte die Frage auswerfen, ob der § 147 auch auf das akademische Habilitationsverfahren anzuwenden sei oder nicht. Man kann darüber verschieden denken, aber man muß sich doch darüber klar sein, ob es hier einbezogen ist. Ich möchte das glauben. (Reichsminister D r. Gürtner: Befähigung zum Lehramt!) Dadurch verstärken stch allerdings die Bedenken in der Richtung, die Herr Kollege Kohlrausch schon stark unter­ strichen hat. Auf der andern Seite muß ich sagen: wenn man schon einen Tatbestand mit dem § 147 Abs. 1 aufstellt, dann ist es für mich ganz unverständlich, warum man den Unterschied zwischen der Prüfungs­ leistung und einer anderen Leistung macht. Es ist aus dem Gesichtspunkt »Schutz der wirklichen Erprobung« in einem staatlichen Verfahren, um die es sich hier han­ delt, ganz gleichgültig, ob jemand die Arbeit eines anderen Kandidaten als seine eigene ausgibt oder ob er ganze Absähe aus fremden wissenschaftlichen Werken als seine Arbeit ausgibt. D a ist doch kein sachlicher Gegen­ satz. Professor D r. Dahm (Kiel): Wenn jemand eine fremde Doktorarbeit benutzt, ist das die Benutzung einer fremden Prüfungsleistung. W ird dagegen ein wissen­ schaftliches Werk anderer A rt benutzt, dann soll das Strafgesetz nicht zur Anwendung kommen. D as halte ich nicht für richtig, denn der Grad der Täuschung ist doch viel größer, wenn jemand ein wissenschaftliches Werk ausschreibt, als wenn er eine Prüfungsarbeit benutzt. Zum mindesten wäre zu sagen: »Wer für einen anderen ganz oder teilweise die Prüfung ab­ legt ___ « und dementsprechend: »wer einen anderen ganz oder teilweise die Prüfung für ihn ablegen läßt«. Weiter würde ich nicht gehen. Wenn man aber darüber hinausgeht, sollte man außer den Prüfungsarbeiten auch andere Arbeiten einbeziehen. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Auch ich möchte die Plagiate ausschließen. Es liegt doch meines Erachtens wesentlich verschieden, wenn ein P rü ­ fungsamt in der Weise getäuscht wird, daß jemand aus einer Doktordissertation, die gleichgültig wann, veröffentlicht worden ist, abschreibt, ohne die Quelle an­ zugeben, und wenn sich jemand ad hoc eine Prüfungs­ leistung von einem anderen Herstellen läßt. Im ersten Fall sollte eigentlich eine Täuschungsmöglichkeit der P rü ­ fungskommission gar nicht gegeben sein. Denn wie es heißt: »Jura novit cüria«, so muß man auch an­ nehmen, daß die Wissenschaft alles, was über ein Thema geschrieben worden ist, kennt. Es kann sich kein Examinator darauf berufen, daß er eine Disser­ tation zu dem betreffenden Thema nicht gekannt habe. (Zurufe.) — Ich meine natürlich nur die gedruckten Disserta­ tionen. Er muß jedenfalls die zugänglichen gedruckten Dissertationen knnen. (Professor D r. Kohlrausch sBerlinI: Kennt er aber nicht! — Heiterkeit.)

Mag die Kenntnis oft auch eine Fiktion sein, es handelt sich hier um den prinzipiellen Unterschied! Der Be­ nutzung einer Dissertation kann man in der Regel auf die S p u r kommen, der sonstigen Benutzung frem­ der Hilfe nicht. Gegen ersteren braucht man also nicht, gegen letztere muß man also geschützt werden. D arum möchte ich den Tatbestand auf die Fälle beschränken, daß erstens jemand sich von einem anderen ad hoc die Arbeit herstellen läßt, und zweitens, daß jemand eine schon im Prüfungsverfahren verwandte Arbeit als eigene Leistung vorlegt. Auch letzteres kann der Kom­ mission sehr leicht entgehen/ sie ist vielleicht ganz anders zusammengesetzt als die- Kommission, der die uner­ laubterweise benutzte Leistung seiner Zeit vorgelegen hatte. Ich würde es aber für bedenklich halten, gerade vom Standpunkt der wissenschaftlichen Verantwortlich­ keit des Prüfungsausschusses, die Kommission gegen Plagiate im technischen Sinne zu schützen. Im übrigen erkläre ich, daß wir natürlich hier nicht nur die akademischen Prüfungen ins Auge zu fassen haben. Wenn ein Geselle die Meisterprüfung macht und sich Meister nennt, so hat das für seinen ganzen Kundenkreis und sein wirtschaftliches Fortkommen eine außerordentlich große Bedeutung. Auch die Reinheit der Basis seiner wirtschaftlichen Existenz muß geschützt werden im Interesse derer, die seine Kunden sind oder werden wollen. Wenn ein solcher Geselle einen anderen in die Prüfung schickt, so liegt die Sache genau so wie bei dem Mann, der einen anderen vorschickt, der für ihn den Doktor macht. Es ist vorhin von dem Herrn Vertreter des Reichs­ innenministeriums, wenn ich recht verstanden habe, auch der Fall berührt worden, daß eine Buchhandlung dem Kanditaten ein Literaturverzeichnis zur Verfügung stellt, natürlich gegen Entgelt. D as geschieht in großem Umfange. Die Kandidaten laufen meistens zu einer hier sehr bekannten Buchhandlung und lassen sich dieses Verzeichnis zusammenstellen. Ich halte das durchaus für strafwürdig/ denn das bedeutet eine sehr wirksame Hilfe und Zeitersparnis für den Kandidaten. Ein gewiffenhafter Kandidat, der sich selbst die Literatur zu­ sammenstellt, braucht dafür unter Umständen eine ge­ raume Zeit. Der Tatbestand des Referentenentwurfs wäre also dahin zu fassen: »Wer unbefugt einem ande­ ren bei der Herstellung einer Prüfungsleistung gegen Entgelt Hilfe leistet__ «. WaS meinen Vorschlag betrifft, den Absatz 3 zu strei­ chen, so möchte ich zunächst einmal darauf hinweisen, daß die Absätze 2 und 3 nicht ganz konzinn sind. D aß sich nämlich einer öffentlich anbietet, die Prüfung ganz oder teilweise für einen anderen abzulegen, dürfte über­ haupt nicht vorkommen. (Ministerialdirektor Schäfer: Zum schriftlichen Examen ja!) — D am vielleicht! Aber daß er sich öffentlich anbietet, für andere in das mündliche Examen zu steigen und die Prüfung vor der Kommission abzulegen, habe ich noch nicht gehört. D as würde auch sehr töricht sein. (Prozessor D r. G raf Gleispach (Berlins: D as ist in Wien wiederholt vorgekommen!) — Daß jemand sich öffentlich erboten hat, für andere die Prüfung zu machen? (Professor D r. G raf Gleispach [99erlin]: Gemacht hat!)

— J a , gemacht hat! D as bestreite ich nicht. Aber daß sich dazu jemand öffentlich anbietet, kommt wohl kaum vor. Ich glaube also, daß w ir bei Abs. 2 an diesen F a ll nicht zu denken brauchen, sondern nur an den Fall, daß jemand sich öffentlich anbietet, eine P rüfungslei­ stung ganz herzustellen oder einem anderen bei der Herstellung einer Prüfungsarbeit gegen Entgelt zu helfen, und beschränken w ir die Strafdrohung auf diese beiden Fälle, so sehe ich eigentlich nicht ein; wenn Ent­ geltlichkeit vorliegt, warum w ir dann n ur auf den F a ll des öffentlichen Anbietens abstellen sollen. Herr M inisterialdirektor Schäfer hat vorhin aus einen Fall hingewiesen, den w ir nicht bestrafen können. Wenn ein Freund dem anderen schreibt: »Ich w ill d ir helfen«, so kriegt er ja auch in der Regel dafür nichts bezahlt, son­ dern er tu t es aus Gefälligkeit, aus Kameradschaft. Wenn aber ein Repetitor sich hinsetzt und an eine Reihe von Kandidaten oder vielleicht auch n ur an einen, der ihm besonders zahlungsfähig vorkommt, schreibt: »Ich w ill d ir gegen Entgelt bei deinen Arbeiten Hilfe leisten«, so halte ich das unbedingt fü r strafwürdig. Deshalb möchte ich nach wie vor dafür eintreten, daß das W o rt »öffentlich« entfällt. M inisterialdirektor Schäfer: Ich glaube, daß in W ahrheit der S tre it kaum noch etwas Essentielles be­ tr ifft. H e rr Professor Dahm hat vorhin den V or­ schlag gemacht, die Bestimmung dahin zu fassen: »Wer ganz oder teilweise die P rü fu n g fü r einen anderen ab­ legt oder die Arbeit herstellt------«. Wenn er sagt: »ganz oder teilweise«, so geht das doch weit über das hinaus, was in dem E n tw u rf steht. I m E n tw u rf ist n ur von »ganz oder im wesentlichen« die Rede. Ich glaube, H e rr Professor Dahm geht m it seinem V o r­ schlag viel weiter als der E ntw urf. Aber noch etwas hat die Debatte ergeben. Wenn w ir die W orte »ganz oder im wesentlichen« streichen, wird eigentlich nichts geändert. D ie W orte »oder im wesent­ lichen« dienen nur zur Verdeutlichung des Gewollten. Bei dem zweiten Absatz hat H err Professor Kohl­ rausch, wenn ich recht verstanden habe, seinen W ider­ spruch gegen die W orte: -gegen Entgelt« aufrecht­ erhalten. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): Rein! Wenn der Schlußsatz bleibt, müssen auch die W orte »gegen Entgelt« bleiben. M inisterialdirektor Schäfer: Ich verstand S ie so, daß Sie die Bestimmung so fassen wollten, daß n u r die H ilfe gegen materielles Entgelt unter S tra fe gestellt werden sollte. (Professor D r . Kohlrausch: Jaw ohl!) Insofern haben Sie doch Ih re n Widerspruch aufrecht­ erhalten. Ich möchte glauben: die P ra xis w ird nur Fälle des materiellen Entgelts darunter bringen. (Widerspruch. — Z u ru f: W ir haben das definiert!) Auch trotz der D efinition des § 9 w ird die P ra x is nichts anderes darunter bringen als die Fälle des materiellen Entgelts. (Professor D r . Kohlrausch: D ann wollen w ir das auch sagen!) — Wollen S ie sagen: »gegen materielles Entgelt«? Ich weiß nicht, was die W orte »materielles Entgelt«

bedeuten sollen, ob das nur das geldliche oder auch geldwerte Entgelt sein soll. Etwas Vertrauen kann man auch meines Erachtens auf die Anwendung des § 153 der Strafprozeßordnung setzen. Sollten aber wirklich ernste Bedenken gegen die W orte »gegen Entgelt« m it Rücksicht auf die D efinition des 8 9 bestehen, so könnte man wiederum in der Richtung der Linie, nur die gro­ ben Fälle erfassen zu wollen, vielleicht die Worte »gegen Entgelt« ersetzen durch das W o rt »gewerbsmäßig«, ob­ wohl ich m ir von vornherein darüber klar bin, daß dann einzelne strafwürdige Fälle herausfallen und die Beweisschwierigkeiten größer werden. Was die Frage betrifft, ob man die T ite l erwähnen soll oder nicht, so ist das Anstößige eigentlich schon durch eine andere Fassung beseitigt. A u f der anderen Seite möchte ich doch glauben: gerade diejenigen, die den Doktortitel im Interesse des deutschen Ansehens hoch­ halten wollen, müssen doch eigentlich auch gegen die allergröbste Erschleichung und den gröbsten Unfug auf­ treten. H err Professor Kohlrausch und andere Herren haben auch die Besorgnis geäußert, durch die S tr a f­ vorschriften, durch die Befassung der Strafgerichte m it solchen Fällen könnte in die Freiheit der Wissenschaft eingegriffen werden. (Professor D r . Kohlrausch: Höchst wahrscheinlich!) Wenn man da wirklich noch Bedenken hat, könnte man daran denken, ein Antragsrecht der Prüfungsbehörde einzuführen, die getäuscht worden ist. Professor D r . Nagler (Breslau): W ir werden schon allein fertig. W ir brauchen das Strafrecht nicht. (Z uruf.) — Ich meine natürlich nur die akademischen Grade. Professor D r . Dahm (Kiel): Abs. 2 könnte lauten: »Ebenso w ird bestraft, wer die P rü fu n g ganz oder teil­ weise fü r einen anderen ablegt«. D e r Schlußabsatz wäre zu streichen. Abs. 3 aber könnte so stehenbleiben, wie der E n tw u rf es vorschlägt. Das genügt vollkommen. Dagegen würden w ir in das Gebiet des P lagiats hin­ eingeraten, wenn w ir die Herstellung fremder Arbeiten und das Ausgeben einer fremden Prüfungsleistung als eigener einbezögen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D e r strittige Punkt ist jetzt nur noch folgender. Wenn w ir die Worte »ganz oder im wesentlichen« weglassen, bin ich auch der M ei­ nung, daß das gar keine Sinnesänderung ist; denn das quantum ist hier das quäle. D as ist ganz klar, und weil es so ist, würde ich es weglassen. Es bliebe nur noch ü b rig : wer eine ftemde Prüfungsleistung als eigene ausgibt. Dagegen haben Sie, H err Professor Dahm, auch jetzt noch das Bedenken, daß es in das P la g ia t hineinführen würde. D as Bedenken habe ich eigentlich nicht. Ich bitte einmal von diesem Satz aus­ zugehen. Es ist der einzige Punkt, der noch unklar ist. Welches Bedenken haben Sie gegen diese Formulierung? Professor D r . Dahm (Kiel): Eine Prüfungsleistung ist doch auch die Leistung fü r ein Doktorexamen. Jede Doktorarbeit ist eine Prüfungsleistung. (Professor D r . Kohlrausch sB e rlin j: D as ist nicht gemeint!) — D as muß aber zum Ausdruck kommen. Das W o rt Prüfungsleistung ist mißverständlich.

Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a s m eint H e rr Senatspräsident Klee nicht. E r m eint die große Staatskonkursaufgabe, die jemand schon einm al bearbeitet hat. (Senatspräsident Professor D r . Klee p ö e tlin ]: D ie jemand im Examen oder ad hoc hergestellt

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D a s sind die beiden V a ria n te n G ra u . Ic h bitte nun, diese V erte idigun g durch eine Reprise zu widerlegen, wobei ich ausdrücklich betone, daß der ganze Kleesche Gedanke aus rationellen Gesichtspunkten geschöpft ist: ich w ill mich als E x a m in a to r nicht d o rt beschwindeln lassen, wo ich nicht ganz sicher hineinsehen kann,- d o rt, w o es sich um das Abschreiben handelt, bin ich m ir selber genug,- das finde ich schon. (Senatspräsident Professor D r . Klee fB e r lin j: P la g ia t muß ich als solches erkennen. Aber es kann jemand im Referendarexamen dieselbe A rb e it bearbeitet haben,- sie ist vielleicht m it gu t zensiert worden. R u n g ib t er sie seinem Nachfolger, und der benutzt sie.) — M eine H erren, da h ö rt die juristische K onstruktion auf. D a s sind einfach praktische Erw ägungen. Professor D r . G ra f Gleispach (B e r lin ): Ic h glaube, daß eine Abgrenzung fü r die P rüfungsleistungen in diesem S in n e nicht zu finden ist. M a n müßte dann geradezu sagen: er g ib t eine A rb e it als eigene aus, die der E x a m in a to r als fremde erkennen könnte. D a s ist der Gedanke. Aber das g ilt ja auch allgemein fü r die P rüfu ngsleistu ng im engeren S in n e . D a s akademische H a b ilita tio n s v e rfa h re n ist hier auch einbezogen. Infolgedessen ist im weiteren S in n e auch die H a b ilita tio n s s c h rift eine P rü fu n g s a rb e it. Ic h kann aber nicht verstehen, w a ru m der, der von einer H a b ili­ tationsschrift abschreibt, stra fbar sein soll, nicht aber derjenige, der von irgend etwas anderem abschreibt, das der wissenschaftlichen L ite ra tu r angehört. Ohne Rücksicht da rauf, ob ich dadurch meinen R u f als Wissen­ schaftler gefährde, möchte ich aber überdies sagen: es ist eine glatte F ik tio n , daß jemand aus seinem ganzen Fach alles kennen kann, was gedruckt w orden ist. D a s ist heute ganz unmöglich. D adurch, daß irgend etwas irgendw o erschienen ist, ist fü r mich noch nicht die M ö glichkeit gegeben, daß ich es kenne. W e r behauptet, daß er alles, was in seinem Fach geschrieben worden ist, so beherrscht, daß er das Abschreiben erkmnen könnte, m utet sich zuviel zu. Reichsjustüminister D r . G ü rtn e r: Conclusum: S ie würden bloß die Herstellung einer P rü fu n g s a rb e it durch einen andern unter S tra fe stellen. Ic h möchte das jetzt fo rm u lie rt sehen. Uber die Bedenken sind w ir ganz klar, llb e r den ersten P u n k t, über die persönliche S ubs titu tio n , reden w ir nicht. W i r reden n u r über die sach­ liche S u b s titu tio n . D a w ürde nach Ih r e n A u s fü h ­ rungen n u r der stra fw ü rd ig sein, der sich von einem andern fü r seine P rü fu n g die A rb e it anfertigen läßt und sie als seine ausgibt. Diesen F a ll w ürden S ie doch auch fü r stra fw ü rd ig halten? (Professor D r . G ra f Gleispach [S B etlin]: H e rr Reichsminister, ich stehe diesem ganzen Vorschlag äußerst skeptisch gegenüber.) Professor D r . Mezger (München): Ic h meine, es gibt doch ein K r ite r iu m , das hier die Grenze ziehen läß t, 32.

nämlich das V e r ö f f e n t l i c h t s e i n , einer S c h rift, wobei ich das W o r t im weitesten S in n e nehme. H ie r­ un ter würde meiner Ansicht nach z. B . auch die Zusen­ dung der nicht gedruckten D oktordissertationen an die Bibliotheken fallen. W enn w ir sagen w ürden: »eine nicht veröffentlichte P rüfu ngsleistu ng« , so w ürde das vielleicht genügen. S o b a ld in irgendeiner F o rm eine Veröffentlichung e rfo lg t ist, g re ift die V e ra n tw o rtu n g des Prüfenden P latz. D a s P la g ia t gegenüber einer veröffentlichten Leistung können w ir nicht strafrechtlich er­ fassen. Aber nicht veröffentlichte Prüfunasleistunaen, also frühere Examensarbeiten, noch nicht gedruckte oder noch nicht veröffentlichte D okto rdiffe rtatio nen u. ähnl. dürfen nicht benutzt werden, ohne daß dies gesagt w ird . Ic h möchte deshalb glauben, daß die Bedenken des H e rrn Kollegen D a h m mindestens gem ildert w ürden, wenn w ir , w ie vorgeschlagen, sagen w ürden: »eine nicht ver­ öffentlichte P rü fu n g s a rb e it« . (Senatspräsident Professor D r . Klee fB e r lin j: D a s ist mein Gedanke.) Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a s klin g t sehr bestechend, v e rlie rt aber an Überzeugungskraft, wenn w ir an die W eltveröffentlichungen denken. D ie Arbeiten werden nicht bloß in Deutschland in deutscher Sprache veröffentlicht. Professor D r . Mezger (München): Ic h habe den praktischen F a ll einer H a b ilita tio n im Auge,'bei welcher der V o r w u r f erhoben w urde, sie sei eine teilweise Über­ setzung russischer A rbeiten, die sonst kaum zugänglich w aren. Aber ich stehe auf dem S tandpunkt, daß gerade hie r die Grenze liegt. W enn irgendwo in der wissen­ schaftlichen L ite ra tu r etwas veröffentlicht ist, dann ist die Benutzung ein P la g ia t, das w ir nicht strafrechtlich fassen können. D a s ist, mag die K enntnis der Ö ffent­ lichkeit auch eine F ik tio n sein, eben eine Sache, die in die V e ra n tw o rtu n g der P rüfenden fä llt. W i r wollen ja auch nicht schließlich alle Fälle erfassen, sondern n u r die wesentlichsten, und das sind diejenigen, die durch d m Zusatz, daß sie n i c h t veröffentlicht sind, getroffen werden. Fälle, in denen es sich um irgendw ie veröffent­ lichte S chrifte n handelt, fallen zw ar nicht im m er in die K enntnis, w ohl aber in die V e ra n tw o rtu n g der P rüfungsbehörde. S ie scheiden strafrechtlich aus. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Ic h glaube, die ganze Diskussion geht von der V orstellung aus, es sei sehr schwer, es sei unmöglich, zwischen einer m it frem ­ den Federn geschmückten und einer v ö llig unselbstän­ digen, fremden A rb e it überhaupt eine G rm ze zu ziehen. A ber der Spatz w ird noch kein K o lib ri, wenn er sich eine fremde Feder ansteckt. Jetzt kommt nämlich der Naglersche Gedanke, das Quantum und Quäle. Es kom mt d a ra u f an, w ieviel. D aß m an das gesetzlich nicht definieren kann, davon bin ich fest überzeugt. Aber soll uns das dazu zwingen, auf den B e g riff der fremdm Leistung überhaupt zu verzichten? D a A gcht doch zu w eit. W enn jemand in einer A rb e it von 100 Seiten fü n fm a l 10 Zeilen P la g ia t a n b rin g t ohne Z ita t, des­ wegen braucht doch die A rb e it noch keine fremde Lei­ stung zu sein. Es ist ausgeschlossen, das gesetzlich ab­ zugrenzen. A ber soll uns das dazu zwingen, auf den B e g riff der S u b s titu tio n der eigenm A rb e it durch eine fremde A rb e it im Gesetz überhaupt zu verzichten, w e il w ir sehen: es ist sehr schwev, im einzelnen F a ll zu sagen,

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ob das noch eigenes P ro d u k t ist oder nicht? S o können w i r als Gesetzgeber nicht verfahren. D e r Gesetzgeber kann doch den einfachen B e g riff der fremden Leistung in das Gesetz hineinschreiben. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): W enn die ganze B estim m ung bleibt, so halte ich in der T a t die Fassung fü r die beste Lösung: »wer eine fremde Leistung als eigene ausgibt«. D a s schließt aber nicht aus, daß ich dem ganzen § 147 sehr skeptisch, sogar m it einem aus­ gesprochen unbehaglichen Gefühl gegenüberstehe. Ic h finde, w i r büro trassieren eine Angelegenheit, die fich nicht dazu eignet, und nötigen un ter Umständen den R ichter zu U rte ile n , fü r die er sich nicht eignet! Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h möchte n u r be­ merken, daß dieser P a ra g ra p h seine Entstehung den dringendsten Wünschen der P rüfungskom m ission ver­ dankt. (Professor D r . Kohlrausch s B e rlin j: N u r eines Vorsitzenden der P rüfungskom m ission!) — A u f den vielleicht einige der W o rte paffen, die S ie v o rh in gebraucht haben. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h d a rf berichtigen: es handelt sich nicht n u r um einen Vorsitzenden der P rüfungskom m ission, sondern genau so um seinen V o rg ä n g e r, von dem die erste Fassung stammt.) — W i r w ollen die Sache nicht ad personam w eiter­ führen. A ber ich möchte noch einm al betonen: ich kann nicht erkennen, daß das gesetzgeberisch nicht zu fo rm u ­ lieren w äre . W enn ich schon die Ersetzung des wahren Exam inanden durch einen falschen un ter S tra fe stelle, dann kann ich auch die Ersetzung der eigenen A rb e it durch eine fremde unter S tra fe stellen. W enn w ir an diesem P ro b le m scheitern, so werden w ir , glaube ich, v o r vielen gesetzgeberischen P roblem en von vornherein die Flagge streichen müssen. Regierungsasseffor D r . Dellbrügge: Je länger die D ebatte da uert und je mehr einzelne Fälle in die D e ­ batte hereingezogen werden, desto mehr verstärkt üch meine A bneigung, die ich von vornherein gegen den § 147 gehabt habe. Ic h fürchte, daß m an, wenn man ih n überhaupt beibehalten w ill, den ganzen Fragen­ komplex zu sehr beengt. D a n n müßte m an vielmehr den P a ra g ra p h e n überhaupt schon gam vage fassen: » W e r zur E rla n g u n g einer P rü fu n g uno eines Amtes gröblich täuscht usw.«, und die Auslegung der J u d i­ katu r überlassen. D a s ist auch anscheinend der G ru n d ­ gedanke der Professoren, die einen Täuschungsversuch bei der P rü fu n g un ter S tra fe stellen wollen. Es w ird aber m it W o rte n überhaupt nicht möglich sein, das im einzelnen abzugrenzen. Eine solche Fassung widerspricht aber der Tendenz des neuen S tra fre c h ts . Reichsjustizminister D r . Gürtner: H e rr Kollege, diese Bem erkung w ürden S ie nicht machen, wenn S ie die vielen D ebatten über die mögliche Lösung gesetz­ geberischer Aufgaben mitgemacht hätten. D a s ist die Lösung nach der R ichtung des Freirechts h in , die in ih re r konsequenten Fortsetzung la u te t: W e r sich gemein benim m t, w ird bestraft. (Regierungsasseffor D r . D ellbrügge : Ic h habe das n u r betont, um die U ntragba rkeit des P ara grap hen von meinem S tandpunkt aus darzulegen.)

— H e rr Kollege, ich richte auch an S ie persönlich diese Frage. W ir sind davon ausgegangen, daß das S t r a f ­ recht n u r den gröbsten P rüfungsschwindel erfassen soll, und als solcher kristallisieren sich zwei Fälle heraus. D e r erste F a ll ist, daß der E xam inand sich durch einen andern ersetzen läßt. D a s ist nach meiner M e in ung ein Tatbestand, der unbedingt unter S tra fe gestellt werden muß/ denn etwas Gröberes an Schwindel g ib t es über­ haupt nicht. D a n n kommt der zweite F a ll, daß er seine Leistung durch eine andere erseht, auch in aller gröbstem S in n und S t i l un ter Ausschaltung aller Ie in arbeit. W enn man Ih r e n Tatbestand: »wer die Prüfungsbehörde gröblich täuscht« auf diese beiden D inge setzt, daß die Person oder die A rb e it durch eine fremde ersetzt w ird , so lie g t das doch ganz in der Rich­ tung, die w ir w ollen, nämlich n u r die gröbsten, m a r­ kantesten Fälle überhaupt strafrechtlich anzufassen. Ich kann mich durch keine A u sfü h ru n g überzeugen lassen, daß w ir da ra u f verzichten müssen, hier den B e g riff der fremden Leistung einzuführen. D a s muß gelingen. Ich halte das durchaus fü r lösbar. Ic h bin der M einung, daß die Fakultäten, z. B . bei der B e u rte ilu n g von D oktorarbeiten, jeden T a g v o r diese Frage gestellt werden. Eine Voraussetzung der D o k to ra rb e it ist doch der Nachweis der B efäh igun g, selbständig ein wissen­ schaftliches Them a zu behandeln. D ie Fakultäten müssen jedesmal entscheiden, ob eine eigene, selbständige A rb e it vo rlie g t. Professor D r . D a h m (K ie l): A ber die Fakultäten werden niem als geneigt sein, es bei der B eurte ilu n g dieser Frage d a ra u f ankommen zu lassen, ob eine solche A rb e it eine P rü fu n g a rb e it ist oder nicht/ im Gegenteil! Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Gewiß, w e il die Wissenschaft diese Frage m it sehr viel feineren M itte ln bearbeiten muß. F ü r unseren F a ll aber handelt es sich um Grobschmiedsarbeit, um Z im m erm ann sarb eit: nu r dann, wenn der K a n d id a t seine P rü fu n g s a rb e it über­ haupt nicht selbständig gemacht, sondern eine fremde

er strafbar. (Professor D r . D a h m sK ie lj: Es ist aber etwas Verschiedenes, ob m an eine P rü fu n g s a rb e it als eigene ausgibt, oder sich von einem anderen die A rb e it fü r eine P rü fu n g machen läß t. — S enats­ präsident Professor D r . Klee s B e rlin j: W e r eine fremde P rüfu ngsleistu ng als eigene ausgibt!) — Ic h bitte, das nicht zu wiederholen, sonst kommen w ir wieder in die Diskussion über das P la g ia t. D ie D ebatte hat dazu geführt, und schließlich hat es sich auch aus der D ifferenzierung von H e rrn Kollegen G ra u ergeben, daß gemeint ist: ebenso w ie der eine seine Person ersetzen läß t, läß t der andere seine Leistungen ersetzen. (Professor D r . D a h m sK ie lj: Es ist ein etwas künstliches A rgu m ent dabei. B e i dem Studenten, der seine K la u su ra rb e it abschreibt, haben w ir einen gröberen F a ll der Täuschung. E r w ird vie l­ leicht gar nicht mehr fü r eine P rü fu n g zugelassen. Aber daß er ins Gefängnis kommt, ich glaube, das w ird man ih m nicht klarmachen können.) — Diese G ru ndfrage w ird m it den Prüfungsbehörden noch einm al zu behandeln sein.

Es würde also, wenn ich zusammenfassen darf, dein Wunsche des Herrn Professor Dahm am meisten ent­ sprechen, nur die Personenunterschiebung unter Strafe zu stellen, alles übrige herauszulassen, abgesehen von dem öffentlichen Anbieten, denn das wollen Sie doch auch darin haben? Ich würde glauben, das würde auch die Zustimmung des Herrn Professor Kohlrausch und des Herrn Grafen Gleispach finden. (Professor D r. Kohlrausch [93etlin]: Jawohl!) Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Herr Reichsminister, darf ich dazu bemerken: I n Österreich ist der Betrug die Irreführung durch listige Vor­ stellungen oder Handlungen, mit deren Hilfe jemand — das kann auch der S ta a t sein — einen Schaden erleiden soll, einen Schaden an Rechten, nicht not­ wendig einen Schaden an Vermögen. Die P raxis in Österreich geht deshalb dahin, daß solche Fälle als Betrug bestraft werden, wenn sie als grob geaxtet er­ scheinen. D as ist nach österreichischem Recht ohne weiteres richtige Rechtsauffassung. Ein Beispiel: Der Student A. hat eine Prüfung abzulegen/ aber der Student B. erscheint vor der Prüfungskommission und legt die Prüfung ab. D as sind Fälle, die nach der ostgalizischen Invasion in Österreich wiederholt vorgekom­ men sind. Nun ist ja noch nicht entschieden, wie der Betrugstatbestand ausgestaltet werden soll. Wenn man ihn nicht auf vermögensrechtliche Schädigung beschrän­ ken würde, wäre die weitere Erörterung dieses T at­ bestandes entbehrlich. Wenn der künftige Betrugs­ begriff des deutschen Rechts nicht auf Vermögens­ schäden eingeschränkt wäre, dann könnte man sich damit beruhigen, grobe Fälle dieser A rt als Betrug fassen zu können. Ich wollte also nur darauf hinweisen, daß man § 147 auch, sagen wir, in Anlehnung an einen Betrug etwa ungefähr so fassen könnte: daß strafbar sei, wer eine Prüfungskommission oder eine Person, die behördlich zu diesem Zweck die Prüfung abzuneh­ men hat, über die Urheberschaft der Leistung in grober und hinterlistiger Weise täuscht. W ir hätten dann so­ wohl die Personenunterschiebung als auch das Unter­ schieben einer fremden Leistung. Man müßte das im objektiven und subjektiven Tatbestand möglichst be­ lasten, so daß nur ganz grobe Fälle vom Tatbestand ergriffen würden. Diesen Weg könnten wir vielleicht beschreiten. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Daß deckt sich ja mit dem Grundgedanken des Herrn Dellbrügge: und dann auf weitere Tatbestandseinschränkungen zu ver­ zichten, das heißt, die Einschränkungen zu suchen in einer allgemeinen Formel/ denn Sie wollen ja auch nur die gröbsten Fälle erfassen. (Professor D r. Nagler sBreslauf: D ann hätten wir das P lagiat wieder im Tatbestand. Gerade das, was wir vermeiden wollten, würde auf diese Weise wieder hineinkommen.) — Unter Umständen ja. W ir hätten dann auch eine Reihe von Tatbeständen: Abschreiben, Manschetten­ notizen und ähnliches darin. Ich glaube, daß wir damit vielleicht das Gegenteil von dem erreichen, was wir wollen. Ich habe den Eindruck, daß neue Gedanken zu diesem Vorschlag nicht mehr produziert werden. Ich glaube,

daß man sich gegenseitig kaum wird überzeugen können. Sehr wünschenswert wäre es, diese Frage nun auch einmal mit den Vertretern der Prüfungskomission zu verhandeln, und zwar nach der Richtung, daß hier — ich glaube, ich kann es so feststellen — allgemeine Be­ denken erhoben worden sind, einen solchen Tatbestand überhaupt ins Strafrecht hineinzunehmen, Prüfungs­ täuschungen, will ich einmal kurz sagen. Die Meinun­ gen darüber sind nicht einheitlich. Einheitlich ist aber die Auffassung, daß, wenn überhaupt, nur die aller­ gröbsten Fälle dem Strafrecht zugänglich gemacht wer­ den sollen. Als Beispiel eines solchen gröbsten Falles wäre anzuführen: die Ersetzung eines richtigen Exami­ nanden durch einen falschen. Der Fall des Ersatzes der eigenen Leistung durch eine fremde hat zu einer ausiebigen Aussprache geführt und zu der Befürchtung, aß damit die Abgrenzung des Begriffs der »fremden« Leistung zu großen Schwierigkeiten führen könne, ins­ besondere im Hinblick auf das Plagiat. Die Be­ sprechung hat vielfach den Wunsch erkennen lassen, die­ sen Tatbestand überhaupt nicht aufzunehmen. Einigkeit bestand auch darüber, daß das öffentliche Anbieten im Sinne des Abs. 3 in das Strafrecht hin­ eingehören soll, und daß parallel zur Unterschiebung der Person der Examinand und der, der sich unter­ schieben läßt, strafwürdig sind. D as war wohl das Ergebnis. D am it wären wir mit der Erörterung der Beamten­ delikte fertig, abgesehen von dem Verrat der Geheim­ nisse. (Ministerialrat D r. Schäfer: Uber § 141 Abs. 2 müßten wir, glaube ich, noch sprechen!) — Ich bitte, das noch nachzuholen. § 141 A b s . 2 steht hier im Bereich der Amtsgeheimnisse, gehört aber eigentlich nicht hierher: Ebenso wird bestraft, wer bei der Vertretung des Reichs gegenüber einer auswärtigen Regie­ rung einer amtlichen Anweisung wissentlich zu­ widerhandelt oder'in der Absicht, die Reichs­ regierung irrezuleiten, unwahre Berichte tatsäch­ licher A rt erstattet. Die T at wird nur auf Verlangen der Reichs­ regierung verfolgt. D a tauchen zwei Fragen auf: Soweit es sich hier um gravierende Fälle handelt, kommen wir in die Nach­ barschaft vom Geheimnisverrat, soweit es sich um ein­ fache Fälle handelt, kommen wir aus dem Bereich des Straftechts heraus. D as sind bei der Fassung, wie sie hier steht, die beiden Grenzlinien, über die wir uns klar werden müßten. Es handelt sich hier also um die wissentliche Zuwiderhandlung gegen eine amtliche An­ weisung und die Erstattung falscher Berichte, und zwar in oer Absicht, die Reichsregierung irrezuleiten. D as wäre nach meiner Meinung ein Tatbestand, der als Spezialtatbestand für bestimmte Beamte in Frage kommt, nämlich im wesentlichen eigentlich nur für me Beamten des auswärtigen Dienstes. Daß dieser T at­ bestand im Bereich der Amtsdelikte auftritt, ist nicht recht überzeugend. Professor D r. Dahm (Kiel): Ich habe Bedenken gegen Abs. 2. Der letzte Tatbestand, also die falsche 5

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Berichterstattung, gehört systematisch doch wohl in den Abschnitt über Landesverrat hinein. D e r erste T a t­ bestand — Zuwiderhandlung gegen eine amtliche An­ weisung — könnte überhaupt fehlen. Ich könnte m ir denken, daß ein D ip lo m a t gelegentlich genötigt ist, von formellen Anweisungen abzuweichen. Ich würde eine Festlegung auf solche Anweisungen nicht fü r glücklich halten. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Also S ie wollen das erste weglassen und das zweite anknüpfen an die sogenannte diplomatische Untreue? (Professor D r . Dahm sKielj: J a . — Senats­ präsident Professor D r . Klee jB e r lin j: Abs. 1 soll doch als Geheimnismaterie überhaupt weg­ fallen!) — Nein, das nicht, n ur dieser Abs. 2! W as nun den Aufbau im ganzen anlangt, so sind w ir davon ausgegangen, daß als erstes erscheinen soll die Rechtsbeugung m it Anhang, also §§ 129 bis 129b, daß als zweites die einzelnen Amtsdelikte erscheinen sollen, §§ 130 bis 139. Das wäre nach der Grauschen Zählung A b schnitts. Jetzt ergibt sich die Frage: Was soll hinterher kommen, soll jetzt Bestechung kommen oder Amtsanmaßung? (Zurufe.) — Bestechung? — Ich würde das auch fü r richtig hal­ ten. D ritte n s würden also kommen die §§ 123 bis 128, und endlich Amtsanmaßung §§ 145 bis 147. Das wäre die Anordnung. Was nun das --Amtsgeheimnis« anlangt, so wäre die Frage zu erörtern, ob § 140 nicht wenigstens im Bereich der Amtsdelikte auftreten soll/ denn das ist eine allgemein den Beamten obliegende Verpflichtung: E in Am tsträger, der ein ihm kraft seines Amtes anvertrautes oder zugängliches Geheimnis gegen Entgelt oder in der Absicht offenbart, sich oder einem anderen unrechtmäßig einen V o rte il zu verschaffen___ w ird m it Gefängnis bestraft. Alles andere sind Spezialvorschriften, die den V errat von Geheimnissen betreffen und schließlich m it dem Steuergeheimnis endigen. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): M i r scheint gleichgültig, ob w ir in den Vordergrund stellen das A m t oder das Geheimnis. Ich wollte mich bloß ver­ gewissern: Was soll aus dem § 141 Abs. 2 werden? Is t da die Entscheidung schon gefallen? Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a soll der erste Tatbestand: --Wer bei der Vertretung des Reichs gegen* über einer auswärtigen Regierung einer amtlichen A n­ weisung wiffentlich zuwiderhandelt« überhaupt weg­ bleiben! Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): D as ist der Bismarcksche Gedanke, der im Abs. 2 verkörpert ist, und ich kann mich den Argumenten von Herrn Professor D ahm nicht anschließen. Ich glaube, jeder, der Offizier w a r, weiß, daß er einen Befehl auszuführen hat, aber natürlich s i n n g e m ä ß . I n keiner In s titu tio n ist diese Idee pädagogisch und praktisch so glänzend ver­ w irklicht worden wie im deutschen Heer. (Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ich darf darauf hinweisen: H ier handelt es sich nicht um militärischen Gehorsam!)

— Gewiß, aber Herr Professor Dahm meinte: Auch beim M ilit ä r g ilt der Grundsatz, daß, wenn jemand vor einer S itu a tio n steht, auf die sich der Befehl nicht be­ zog, er befehlswidrig handeln darf. Nicht befehlswidrig darf er handeln, aber in jedem Befehl steckt gleichzeitig der Befehl, ihn s i n n g e m ä ß auszuführen. Aus diesem Grunde sollte Abs. 2 als Grundsatz bleiben. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Es ist n ur die Frage, ob das unter Strafschutz gestellt werden soll. Über den Arnim -Paragraphen ist m ir berichtet w or­ den, er sei nie angewendet worden. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): M a n weiß nicht, wie oft der Verstoß, der dam it unter Strafe gestellt w ird, vorgekommen wäre, wenn der Arnim -P aragraph überhaupt nicht bestanden hätte. Professor D r . Dahm (Kiel): Wenn ein Konflikt zwi­ schen dem Außenminister und einem Diplomaten entsteht, dann, muß der Außenminister sich eben durchsetzen und darauf hinwirken, daß der Botschafter abberufen w ird. Diese Dinge gehören aber nicht in das Strafgesetzbuch hinein und nicht vor das Forum der ordentlichen Ge­ richte, die diese Fragen gar nicht beurteilen können. Reichsjustizminister D r . Gürtner: M an hat an fo l­ gende Fälle gedacht: Ein auswärtiger Vertreter be­ kommt den A uftrag, bei irgendeinem Staatsakt an­ wesend zu sein, und er tu t es wiffentlich nicht. Daraus entstehen peinliche politische Folgen. Es kann ein ganz harmloser Anlaß sein: ein Sportfest oder eine Beerdigunp. Aber das Fehlen des deutschen Vertreters gibt gewisse Gruiidlagen fü r politische Schlußfolgerungen. An diesen F a ll hat man gedacht. S o ll man den straf­ rechtlich erfassen? Professor D r . Nagler (Breslau): Ich bin der M ei­ nung, daß es sich um eine reine Zweckmäßiakeitsfrage handelt, die das Auswärtige A m t entscheiden sollte. Wenn das Auswärtige A m t meint, es bestehe ein Be­ dürfnis fü r den Absatz, dann sollten w ir den verlangten strafrechtlichen Schutz schaffen. Aber w ir von uns aus können diese politische Frage nicht endgültig entscheiden. Zunächst bin ich persönlich der M einung, den Abs. 2 aufrechtzuerhalten, weil ich es fü r selbstverständlich halte, daß die Vertreter unseres Auswärtigen Amtes im Ausland nicht plötzlich eigene P o litik treiben dürfen, sondern immer fest in der Hand der zentralen Leitung bleiben müssen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D ie Frage lautet einfach: Auswärtiges Am t, willst D u den A rnim Paragraphen beibehalten oder nicht? Professor D r . Dahm (Kiel): Ich meine, daß das Auswärtige A m t diese Frage nicht entscheiden kann. Das ist eine grundsätzliche Frage. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D as ist m ir nicht klar, H err Professor. Was ist die grundsätzliche Frage? Professor D r . Dahm (Kiel): Es ist eine grundsätz­ liche Frage, ob der S trafrichter m it der Beurteilung von außenpolitischen Fragen befaßt werden und dar­ über entscheiden soll, wie der deutsche Botschafter in P a ris in einer bestimmten S itu a tio n hätte handeln oder nicht handeln sollen. Professor D r . Mezger (München): Einem Mißbrauch w ird doch durch den letzten Absatz vorgebeugt! Wenn

nur auf Verlangen der Reichsregierung verfolgt wird, dann kann ich m ir Fälle nicht denken, die nur aus formalen Gründen verfolgt würden. D ann wird eben dieses Verlangen nicht gestellt. I m übrigen liegt das Verhältnis im diplomatischen Außendienst doch anders als bei anderen Verwaltungen. Vom Standpunkt des Strafrechts — vorbehaltlich der Äußerung des zu­ ständigen Amtes — besteht meines Erachtens Grund, diesen eigenartigen Beziehungen gerecht zu werden. B is zum Beweis des Gegenteils bin ich dafür, die Vorschrift stehenzulassen. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Abs. 2 des ArnimP aragraphen (§ 353 a S tG B .) hat folgende Fassung: Gleiche S tra fe trifft einen m it einer ausw ärti­ gen Mission betrauten oder mit einer solchen be­ schäftigten Beamten, welcher den ihm durch seinen Vorgesetzten amtlich erteilten Anweisungen vor­ sätzlich zuwiderhandelt oder welcher in der Ab­ sicht, seinen Vorgesetzten in dessen amtlichen Handlungen irrezuleiten, demselben erdichtete oder entstellte Tatsachen berichtet. D a s ist ungefähr das gleiche, was hier in § 141 Abs. 2 steht. Professor D r. G raf Gleispach (Berlin): Die grundsätzliche Frage, um die es sich hier handelt, ist me Ab­ grenzung des kriminellen Strafrechts vom Dlsziplinarstrafrecht. W enn man glaubt, oaß ein Bedürfnis dafür besteht, so könnte ich m ir vorstellen, daß m an einen Beamten oder Beauftragten des Auswärtigen Amts schon dann bestraft, wenn er bloß fahrlässig die B e­ ziehungen zu einer befreundeten Regierung durch sein auftragswidriges Verhalten gefährdet. D a s ist eine wesentliche Ausdehnung des Strafschutzes,' denn da be­ wegt man sich noch auf dem Gebiet des kriminellen Strafrechts. Aber hier w ird der reine Ungehorsam m it S tra fe bedroht, selbst dann, wenn er m it bester Absicht und gutem Erfolg vor sich gegangen ist. D a s absicht­ liche Zuwiderhandeln kann gerade die Beziehungen ge­ bessert haben. Ich würde mich nicht darauf verlassen, daß die Reichsregierung gewiß in solchen Fällen den A ntrag nicht stellen wird, sondern ich würde glauben, dieser reine Ungehorsam ist eben Sache des Disziplinar­ rechts, aber nicht Sache des kriminellen Strafrechts. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: D as würde heißen, den Barographen aufheben.) -Ja ! Professor D r. Dahm (Kiel): Es besteht die Gefahr, daß man hier der justizförmigen Politik Einlaß ge­ w ährt. Es handelt sich doch um politische Fragen, deren Beurteilung w ir dem Strafrichter nicht überlassen können. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Diese Entschei­ dung braucht der Richter auch nicht zu treffen, denn daß ist ein Formaldelikt. E r brauchte sie erst zu treffen, wenn man den Tatbestand G raf Gleispach nähme: »wer zuwiderhandelt und dadurch gefährdet.« Professor D r. Dahm (Kiel): D arüber besteht doch wohl Übereinstimmung, daß ein Vertreter des A us­ wärtigen Am ts eine formale Anweisung auf G rund be­ sonderer politischer Verhältnisse überschreiten darf? (Zustimmung.)

Wenn man das zugibt, dann überträgt man dem Richter in diesen Fällen die Entscheidung über eine politische S ituation. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Deswegen ist der »Antrag der Reichsregierung« vorgesehen. Der Fall, daß jemand wissentlich einer solchen formalen Anwei­ sung zuwidergehandelt und Recht gehabt hat, so zu han­ deln, würde (Sem Strafrecht nicht zugänglich sein. Professor D r. D ahm (Kiel): Wenn man es doch auf die Entscheidung der politischen Behörde ankommen läßt, dann sehe ich nicht ein, w arum man solche E nt­ scheidungen nicht von vornherein der Disziplinarbehörde überlassen will. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Meine Herren, über diese Frage brauchen w ir hier nicht zu diskutieren. Wenn es gemacht werden soll, dann werden w ir es un­ gefähr nach dem Vorbild des A rnim -Paragraphen machen müssen, der, glaube ich, ganz bestimmt aus­ spricht: wer wissentlich oder vorfätzlich einer amtlich er­ teilten Anweisung zuwiderhandelt oder falsch berichtet. Professor D r. Mezger (München): Ich glaube, man sollte die Frage doch im wesentlichen dahin stellen, ob der A tnim -P aragraph irgendwie zu Mißständen geführt hat. M ir ist in dieser Richtung nichts bekannt. Es spricht oft gerade für die Richtigkeit eines Strafgesetzes, daß es nicht zu oft angewandt werden mußte. Seine Existenz als solche hindert Verstöße. Seinerzeit ist das Bedürfnis vorhanden gewesen, eine solche Bestimmung aufzunehmen. Wenn sie wirklich nirgends zu Mißständen geführt hat, so ist es doch gefährlich, sie einfach wieder zu beseitigen, wenn nicht grundsätzliche Erw ä­ gungen gegen sie sprechen. D er diplomatische Dienst ist etwas anderes als der Innendienst. Es ist wohl ver­ tretbar, daß w ir hier auch zu dem starken Mittel des Strafschutzes greifen. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ich darf vielleicht die Zwischenfrage stellen: das Auswärtige Amt hat, soweit ich überschen kann, in den vielen Verhandlungen zum Strafgesetzentwurf sich niemals gegen die Bei­ behaltung des A rnim -Paragraphen ausgesprochen? (Ministerialdirektor Schäfer: Nein, es hat nur auf die Beibehaltung des Abs. 3 m it dem Antragserforoernis W ert gelegt!) Professor D r. D ahm (Kiel): Ob sich ein Mißstand ergeben hat, läßt sich doch nur durch ein W erturteil entscheiden. Meinem Gefühl nach ist es ein Mißstand, daß das ordentliche Gericht darüber entscheidet, ob der Deutsche Botschafter richtig gehandelt hat oder nicht. Professor D r. Ragler (Breslau): Wenn ein Meister der Diplomatie wie Bismarck diesen Paragraphen für notwendig erachtet hat, so bin ich der Auffassung, w ir sollten ttn Zweifel annehmen, es bestehe etti solches Be­ dürfnis. Die Grenze des Disziplinarrechts gegenüber dem Strafrecht ist vollkommen flüssig, und w ir können sehr leicht Disziplinartatbestänoe kriminalisieren oder umgekehrt bisher kriminalisierte Tatbestände ausschließ­ lich dem Disziplinarrichter überweisen. Bismarck ist jedenfalls der Meinung gewesen, daß eine Disziplinieruna nicht aenüat hat. Endlich: sollen politische Fragen von dem Gericht entschieden werden oder nicht? Die Gerichte werden ziemlich häufig auch politische Fragen entscheiden

müssen. Aber bas »Verlangen der Neichsredierung« schiebt doch hier einen Niegel vor, unb nur diejenigen Fragen, bei denen die Reichsregierung annimmt, daß das Gericht ihnen gewachsen ist, werden eben an das Gericht kommen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich glaube, wir können die Debatte damit beschließen, daß wir diesen Abs. 1 in einer sprachlich verbesserten Nachbildung des Arnim-Paragraphen in den Entwurf hineinschreiben mit einer Anmerkung: ob er endgültig beibehalten wer­ den soll, bleibt noch vorbehalten. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Die Gerichte werden nach § 90b auch darüber zu entscheiden haben, ob ein Beauftragter des Reichs ein S taats­ geschäft vorsätzlich zum Nachteil des Reichs geführt hat. D as ist eine viel schwerere Entscheidung als hier in die­ sem Falle. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Gewiß, das ist eine viel schwerere Entscheidung. Aber damit ist dieser Gegenstand, soweit wir ihn hier behandeln wollen, erschöpft. Die Herren vom Verkehrsministerium und vom Postministerium sind ja noch anwesend. Meinen Wunsch, die die Post betreffenden Paragraphen durch­ zuprüfen, habe ich ja gestern schon angebracht, und ich würde bitten, das baldigst zu tun. Eine erhebliche Rechtsänderung gegenüber dem bisherigen Recht findet sich nicht darin. (Postrat D r. Schuster: Nur eine Fassungsänderung!) Es wäre nur die Frage, ob Sie Wünsche in bezug auf eine andere Fassung bezüglich der Verkehrsmittel haben. (Postrat D r. Schuster: Vereinfachung!) D a wären wir für Vorschläge sehr dankbar. Bevor wir diese nicht haben, möchte ich den Abschnitt Geheimnisschutz nicht behandeln. Meine Herren, ich muß vorschlagen, die Beratung heute nachmittag erst um 5 Uhr zu beginnen, weil ich vorher durch andere Geschäfte festgehalten bin. Es käme dann der Abschnitt über die Störung der öffentlichen Ordnung. Ist es eine Vermessenheit, die Hoffnung daran zu knüpfen, daß das Tempo der Beratung dieses Punktes vielleicht piü allegro sein könnte? — Ich schließe die Vormittagsberatung. (Pause von 13 Uhr 46 Minuten bis 17 Uhr 15 Minuten.) Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Meinung, daß die Amtsdelikte wirklich bis zum letzten Buchstaben erledigt seien, ist nicht richtig. Es ist übersehen wor­ den, daß wir uns noch zum Beamtenstreik zu äußern haben. Ferner ist wegen der unechten Amtsdelikte fest­ zustellen, was die Meinung der Kommission ist, und endlich und letztlich, was ich aber nicht zur Diskussion stellen möchte, es ist eine Überschrift zu diesem Ab­ schnitt zu finden. Wenn ich mit dem letzteren anfange, so möchte ich der Meinung Ausdruck geben, daß die Überschrift, die das geltenoe Recht hat, »Verbrechen und Vergehen im Amte« nicht übernommen werden sollte, nicht bloß deshalb nicht, weil sie tatsächlich nicht recht für alle Fälle paßt, sondern auch deswegen nicht, weil sie unserem Wunsche nach plastischen und wirk­ samen Überschriften nicht so ganz gerecht wird. Ich wäre dankbar, wenn über diese Frage hier nicht disku­ tiert würde, aber wenn alle guten Einfälle auf diesem

Gebiete der Untcrkommisfion zugänglich gemacht wür­ den. Solche Einfälle sind mir schon begegnet, z. B. »Angriff auf die Reinheit und Würde des Amtes«, was etwa ein adäquater Ausdruck für integritas magistratuum wäre. W as den zweiten Punkt, die unechten Amtsdelikte, betrifft, so bestand die Meinung, sie sollten nicht hier, wie es nach dem Unterkvmmissionsentwurf geschehen ist, aufgeführt werden, sondern entweder im Allge­ meinen Teil unter den Strafzumeffungsregeln erschei­ nen oder eventuell bei einzelnen Tatbeständen mit er­ höhtem Straftahm en oder vielleicht in einer Kom­ binierung beider Systeme sowohl hier wie dort. D a wir der Unterkommission eine Marschrichtung geben müssen, müssen wir uns schlüssig werden, welche das sein soll. Ich möchte glauben, für die Formulierung dieses Abschnitts sollte es die sein, die unechten Amts­ delikte nicht zu erwähnen/ denn nur dann haben die beiden anderen Lösungsmöglichkeiten Platz. D ann kommt endlich der Beamtenstreik, der dem geltenden Recht nicht angehört. Frage: soll der Beamtenstreik überhaupt ins Strafrecht aufgenom­ men werden? Welche Auswirkungen hat das für den Streik sonst? W ird das Konsequenzen für den Streik auf dem Gebiete des Arbeitsrechts haben? Endlich: wie könnte der Tatbestand formuliert werden? Vizepräsident Grau: Ich habe wiederholt schon den Standpunkt vertreten, daß der Streik ebenso wie die Aussperrung, seien sie politisch oder nur wirtschaftlich, unter Strafe gestellt werden müssen. Ein politischer Streik ist völlig sinnlos im heutigen Staate, und ebenso ist ein wirtschaftlicher Streik sinnlos geworden, min­ destens seit dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit. Jetzt werden eben wirtschaftliche Streitigkeiten durch ein verantwortliches Staatsorgan endgültig ent­ schieden. Bei dieser Rechtslage ist ein Streik und ebenso eine Aussperrung ein Verhalten, das die nationale Arbeitskraft auf schwerste schädigt und belastet. Ich würde deshalb glauben, daß allgemein jeder Streik und jede Aussperrung strafrechtlich zu ahnden sein werden. Um so mehr muß man auch den Beamtenftreik unter Strafe stellen. Es ist eine völlige Unmög­ lichkeit, daß sich heute mehrere Beamte zusammentun und die Arbeit niederlegen. Ich würde allerdings meinen, daß es genügen würde, den Beamtenstreik als Oualifikation in den ordentlichen Tatbestand des Streikverbots aufzunehmen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Aus diesen Aus­ führungen ergibt sich schon, daß man den Beamten­ streik ohne Ausblick auf den Streik allgemein straf­ rechtlich wohl kaum wird behandeln können. Der Vorschlag wäre also der, den Streik schlechthin und die Aussperrung etwa im Kapitel »Angriffe auf den Wirtschaftsfrieden« unter Strafe zu stellen und den Beamtenstreik als Sonderdelikt zu erwäh­ nen, um die Beamtenarbeit als eine von den vielen Arbeiten zu betrachten, die durch die Arbeitskraft der Bevölkerung geschafft werden. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Ich meine, beim Beamtenstreik steht nicht der Gedanke des Schutzes der nationalen Arbeitskraft im Vordergrund, sondern der Gedanke des Schutzes des glatten Funktio-

nierens der Staatsmaschine und der aus der H inter­ treibung dieses glatten Funktionierens fü r die Gesamt­ heit entstehenden Gefahr. Ich glaube doch, daß es rich­ tiger wäre, in diesem Abschnitt über die Amtsdelikte den Beamtenstreik als besonderen Tatbestand aufzu­ führen. Eine Aussperrung kann ich m ir hier auch gar nicht vorstellen, sondern es handelt sich nur um den Streik nach der passiven Seite. Ich möchte weiter vor­ schlagen, nicht wie das italienische Strafgesetzbuch den Streik und die Verweigerung der Diensterfüllung sei­ tens jedes einzelnen Beamten unter S trafe zu stellen/ denn damit kann die Staatsverwaltung fertig werden, den einzelnen Beamten kann sie sehr leicht zur Raison bringen. Eine Gefahr ist aber fü r den S ta a t gegeben, wenn sich Beamte zusammenschließen und die Erfüllung ihrer Amts- und Dienstpflichten verweigern. S o un­ gefähr würde ich auch die Formulierung vorschlagen: wenn sich eine Mehrheit von Beamten zusammenschließt, um die Erfüllung der Dienstpflichten zu verweigern. (Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ein Streik ohne irgendwelche organisatorische Zusammen­ fassung ist kaum denkbar.) — Nein! Aber das italienische Strafgesetzbuch bestraft, wie gesagt, auch den einzelnen Beamten, der seine Am ts­ pflichten nicht e rfüllt oder zögernd erfüllt, was w ir doch wohl nach wie vor nur disziplinarisch ahnden wollen/ es muß also wohl zum Ausdruck gelangen, daß sich eine Mehrheit zusammenschließt. Reichßjustizminister D r . G ürtner: Wenn das W o rt dazu nicht weiter begehrt w ird, dann darf ich daraus schließen, daß es die Meinung der Kommission ist, hier den Beamtenstreik als besonderes Delikt aufzuführen und unter S tra fe zu stellen. Dann bliebe nur die dritte Frage, die ich stellte: Form ulierung des Tatbestandes. Kann man m it dem W o rt vStreike ohne weitere Begriffsdarstellung ope­ rierend I s t das heute schon ein W o rt, das einen be­ stimmten In h a lt hat? Ich möchte das eigentlich glauben. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ja , ich glaube, es ginge, wenn man sagen würde: »in Streik treten« oder etwas ähnliches. Professor D r . Dahm (Kiel): Vielleicht darf ich ein­ mal die einschlägigen Bestimmungen des italienischen Strafgesetzbuchs vorlesen. Es handelt sich zunächst um Artikel 328 (Dienstverweigerung des einzelnen Be­ amten). D a heißt es: D er öffentliche Beamte oder der m it einer öffent­ lichen Dienstleistung Beauftragte, der eine Am ts­ oder Diensthandlung unbefugt verweigert, unter­ läßt oder verzögert, w ird m it Gefängnis bis zu einem J a h r oder m it Geldstrafe bis zu 10 000 Lire bestraft. Dann folgt ein Zusatz fü r Richter usw. Artikel 329 handelt von der Verweigerung oder Verzögerung des Gehorsams durch eine M ilitärperson oder einen Polizeibeamten. Sodann heißt es in Artikel 330: D ie öffentlichen Beamten, die m it einer öffent­ lichen Dienstleistung Beauftragten, welche die Eigenschaft als Angestellte haben, Me private oder im öffentlichen Interesse notwendige Dienste versehen, soweit sie nicht in Unternehmungen

zusammengefaßt sind, und die Angestellten von Unternehmungen öffentlicher oder im öffentlichen Interesse notwenMger Dienste, welche, zu drei oder mehr Personen gemeinsam das Amt, die Anstellung, die Dienstleistung oder die Arbeit aufgeben oder ste in einer A r t leisten, daß deren Fortdauer oder regelmäßiger Verlauf gestört w ird , werden m it Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. M inisterialdirektor Schäfer: W ir haben uns bisher immer auf den Standpunkt gestellt, man sollte eine Strafvorschrift über den Beamtenstreik lieber nicht treffen, und zwar aus verschiedenen Gründen. Zunächst einmal ist die Bedürfnisfrage doch recht problematisch, da D isziplinarm ittel einschließlich des Verlustes der Beamteneigenschaft zur Verfügung stehen. Dann aber vor allem: wenn es einmal zu einem S tre ik kommt, w ird es immer eine große Masse von Personen sein, die straffällig und abzuurteilen sein werden. Alle Massendelikte eignen sich wenig fü r eine strafrechtliche Aburteilung/ darunter leidet die Strafrechtspflege, und die Verurteilung kann erfahrunqsmäßig nachher doch nicht durchgehalten werben. Entweder werden die Verfahren nicht durchgeführt, oder sie werden zwar durchgeführt, aber spater amnestiert. Also ich glaube, kriminalpolitisch ist es nicht klug, ein solches Delikt, das notwendigerweise ein Massendelikt werden würde, zu schaffen. Dann weiß ich auch nicht, ob gerade der jetzige S ta a t, der doch ganz anders a u to ritä r ist, eine solche Strafbestimmung einführen sollte. Wenn der jetzige S ta a t m it der Aufstellung eines solchen Delikts hervorträte, so würde das leicht den Rückschluß zulassen, daß die A u to ritä t so gelitten habe, daß der S ta a t Straffanktionen schaffen müsse, obwohl er bis­ her ohne solche Strafbestimmungen ausgekommen ist. Alle diese Gründe haben uns bisher veranlaßt, von der Aufstellung eines strafrechtlichen Tatbestandes des Be­ amtenstreiks abzusehen. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ich meine, daß gerade vom Standpunkt des autoritären Staates aus generalpräventiven Gründen eine solche Vorschrift sehr angezeigt wäre. Ita lie n hat ja als Führerstaat diese Vorschrift, wie w ir gehört haben, auch. Daß sich Weiterungen und Schwierigkeiten fü r die Aburteilung ergeben, ist ja gar nicht zu leugnen/ aber man würde natürlich in einem solchen Falle nur die Schlimmsten herausgreifen, vielleicht die Rädels­ führer des Streiks. M a n muß doch an die große Gefahr denken, daß in Krisenzeiten die ganze Staatsmaschine lahmgelegt werden kann. Ich erinnere an den KappPutsch, der eigentlich nur an der Treue der Unterstaats­ sekretäre, wie man damals allgemein annahm, scheiterte. Ich kann m ir sehr wohl ganz allgemein eine große Gefahr fü r den S ta a t denken, wenn eine größere Masse von Beamten beschließt, ihre Pflichten nicht zu erfüllen. A ls nach dem Kriege die allgemeine Wehrpflicht abge­ schafft werden sollte, berief ein Staatsanw alt in M oa b it — er ist schon längere Zeit to t — eine Kon­ ferenz seiner Kollegen, in der er ernsthaft zum Streik der Staatsanwälte aufforderte, um die Regierung zu zwingen, in irgendeiner Form ein Volksheer doch auf­ rechtzuerhalten. D ie Idee fiel ins W affer. Aber man kann sich ausmalen, was daraus geworden wäre/ denn die Gemüter waren damals sehr erhitzt, und es wäre

nicht unmöglich gewesen, daß einige heißblütige Leute den Vorschlag au fgriffe n und ih m gemäß verfuhren. W i r sehen doch nicht vo ra u s , w as fü r K risen im S taatsleben noch eintreten können. Ic h sehe in einer strafrechtlichen B estim m ung gegen Beamtenstreik auch keinen Ausdruck einer Schwäche der jetzigen S ta a ts ­ regierung. I m Gegenteil, durch eine solche V orschrift w ürde die A u to r itä t des S ta a te s und die P flic h t­ e rfüllung der Beam ten um jeden P re is stark unter­ strichen werden. Professor D r . D a h m (K ie l): Ic h b in derselben M e in ung . Ic h w ürde auch eine Bestim m ung über den Beamtenstreik aufnehmen. D e r E inw and , daß es sich um ein M a ffendelikt handelt, scheint m ir hier nicht durchschlagend. Es g ib t auch andere Verbrechen gegen die öffentliche O rd nun g, die sich als typische Massendelikte ansprechen lassen, etwa den Hochverrat. Schon heute w ir d der S tre ik in lebenswichtigen Betrieben unter S tra fe gestellt. Es m ag der S ta a ts a n w a lt­ schaft unbenommen bleiben, die M itlä u fe r nicht unter Anklage zu stellen. A ber an sich ist eine solche Bestim­ m ung notw endig. Auch der zweite E inw and , eine solche Bestim m ung lasse au f Neigungen in dieser Richtung schließen und sei geeignet, den neuen S ta a t zu dis­ kreditieren, ist nicht überzeugend. M i t dieser B e grün­ dung könnte m an auch die Bestim m ungen gegen Rechts­ beugung, Bestechung und anderes angreifen. Ic h würde eine allgemeine B estim m ung dieser A r t aufnehmen und die R äde lsführer m it besonders h a rte r S tra fe bedrohen, insow eit auch Zuchthausstrafe vorsehen. Es fra g t sich allerdings, in welchen Abschnitt diese Bestim m ung hineingehört. W enn die Ü berschrift lautet: » A n g riffe gegen die R e in h a ltu n g und W ürde des A m tes«, dann dü rfte der Beamtenstreik hier nicht auf­ genommen werden. Geeigneter w äre der Abschnitt S tö ru n g der öffentlichen O rd n u n g , w e il das Typische und Wesentliche beim Beamtenstreik die B eunruhigung der Gesamtheit ist. Vieles spricht auch fü r den V o r­ schlag des H e rrn Vizepräsidenten G ra u , den Beamten­ streik als qualifizierten F a ll des S tre ik s überhaupt zu behandeln. Es würde m ir u n n natürlich vorkommen, wenn m an den Beamtenstreik vom norm alen S tre ik ab­ trennen w ollte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h d a rf noch einm al a u f das A rg u m e n t zurückkommen. Ic h glaube, es ist eine krim inalpolitische W eisheit, daß m an bei der A u f­ stellung von Tatbeständen, die von großen Massen ein­ m a l verw irk lic h t werden könnten und dann zur Ab­ u rte ilu n g stehen, äußerste Vorsicht, äußerste Zurückhal­ tung üben sollte. D ie Justiz w ir d dabei nichts gewin­ nen. W i r werden die Prozesse nicht durchführen kön­ nen, und wenn w ir n u r gegen die R ädelsführer vor­ gehen, schleift das Gesetz am Boden. W enn Beispiele d a fü r herangezogen werden, daß es auch sonst in ge­ wissem U m fa ng Massendelikte gibt, so liegt doch hier graduell die Sache wesentlich ungünstiger. Gewiß ist auch beim A u fru h r und A u fla u f eine größere Z a h l von Personen beteiligt, hier aber w ird m an es eventuell m it Hunderten und Tausenden zu tu n haben. D a s sollte doch schrecken. Ferner liegt die Sache h ie r insofern anders, als w ir hier recht wirksame Abschreckungsmittel zur Verfügung haben. W i r haben die schärfsten D is z ip lin a rm itte l, bei denen die ganze Existenz des Betreffenden in Frage

steht/ eventuell v e rlie rt er sein A m t m it dem Pensions­ anspruch usw. D a s steht bei A u fla u f und A u fru h r alles nicht zur V erfügung. Es ist auf den S tre ik in lebenswichtigen Betrieben hingewiesen w orben. D a mag die Sache ähnlich liegen. Im m e rh in ist das ein ganz kleines Anwendungsgebiet, und schon die Beschränkung a u f die lebenswichtigen Betriebe zeigt gerade die kluge Zurückhaltung des Gesetzgebers. Ic h bin noch nicht eingegangen au f die Frage der Tatbestanbsbilbung. Ic h erinnere d a ran, daß es schwer sein w ird , h ie r w irklich die Lebensvorgänge durch eine Gesetzesdefinition zu erfassen. Es taucht sofort die Frage der passiven Resistenz auf, die sehr schwer faßbar sein w ird . D a s bietet der Justiz vom praktischen S ta n d ­ punkt aus fast unlösbare Schwierigkeiten. Endlich d a rf ich daran erinnern: wenn es einm al h a rt auf h a rt geht, dann bleibt im m e r noch die M ö g ­ lichkeit, im äußersten Falle schnell m it einer N o tve ro rd ­ nung einzugreifen, m it einer vorübergehenden V o r ­ schrift. Ic h möchte aber davor w arnen, in das A llg e­ meine Strafgesetzbuch einen allgemeinen Tatbestand des Beamtenstreiks aufzunehmen. Professor D r . N a g le r (B re sla u ): Ic h glaube nicht, daß w ir h ie r die B eoü rfnisfrage endgültig entscheiden können. Es w ird auch a u f das In n e n m in is te riu m an­ kommen, ob es eine solche S trafbestim m ung fü r n o t­ wendig h ä lt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der G eneralprävention. I m Zw eifel w ürde ich allerdings dann, wenn w ir den S tre ik überhaupt un ter S tra fe stellen, d a fü r sein, daß auch der Beamtenstreik Berück­ sichtigung finden muß. Technische Schwierigkeiten sehe ich eigentlich nicht. Unser Recht kennt schon eine ganze Reibe von Massendelikten/ z. B . die M euterei beim M i l i t ä r kann auch sehr großen U m fa ng annehmen. D a n n g ib t es nicht bloß Generalstreiks, sondern auch lokale S tre iks, wenn z. B . irgendwo in der S ta d t plötz­ lich diese S tre ikm a n ie aufflam m t. Es sind vielleicht verhältnism äß ig wenige Personen, die daran m it w ir ­ ken, aber f ü r den V e rw a ltu n g sa p p a ra t der betreffenden Gemeinde kann der S tre ik natürlich sehr verhängnis­ vo ll sein. W a s die D e fin itio n des S tre iks a n la ngt, so haben w ir ja schon eine sehr eingehende L ite ra tu r dazu. D a r ­ über ist m an sich einig, daß es sich um Massendienstver­ weigerungen handelt, angefangen von der passiven Resistenz bis zum Generalstreik. D ie passive Resistenz gehört also auch hierher. I m übrigen sind die B e ­ denken, die geltend gemacht worden sind, w ohl schon ausgeräum t, so daß vom S tand pun kt der juristischen Technik aus Schwierigkeiten kaum bestehen. Vizepräsident G ra u : Ic h möchte mich der Auffassung von H e rrn Professor N agle r anschließen, daß die F o r­ m u lie run g des Tatbestandes sicherlich keine S chw ierig­ keiten machen w ird . D e r A rtik e l 502 des italienischen Strafgesetzbuchs definiert den S tre ik ganz einfach so: A rbeitnehm er, die zu mehreren gemeinschaftlich die A rb e it aufbeben, allein zu dem Zweck, dem Arbeitgeber andere Bedingungen aufzuerlegen. D a s ist der eigent­ liche S tre ik . D ie passive Resistenz, die auch hierher gehört, w ir d so de finiert: Arbeitnehm er, die zu mehre­ ren die A rb e it in einer A r t leisten, daß die F o rtda uer und der regelmäßige V e rla u f des Betriebes gestört ist.

D as ist eine ganz klare Gesetzesbestimmung, die keinerlei Schwierigkeiten bietet. Noch aus einem anderen Gesichtspunkte wird man um die Strafandrohung gegen Streik nicht herumkom­ men. W ir werden einen Arbeitgeber, der aus egoisti­ schen Gründen seine Arbeiter aussperrt, künftig unter allen Umständen bestrafen müssen. Wenn w ir aber die Aussperrung bestrafen, so werden wir den Streik nicht straflos lassen können. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Herr Kollege, ich glaube, der letztere Hinweis schlägt nicht durch. Ein Arbeitgeber, der aus egoistischen Gründen eine Aus­ sperrung vornimmt, ist keine 24 Stunden mehr Leiter seines Betriebes. Die Frage scheint mir die zu sein: Braucht man den Beamtenstreik im Strafgesetzbuch, oder braucht man ihn nicht? D as ist die Kernfrage. Die Formulierung an sich kann keine Schwierigkeit machen, auch nicht bei Einschluß der passiven Resistenz, die ja in dem italie­ nischen Text durch die Fassung getroffen wird: wer die Arbeit so leistet, daß die Fortdauer und der regelmäßige Verlauf des Betriebes gestört ist. D as würde auch zu­ treffen für die Form des Streiks, wie er auf den öster­ reichischen Bundesbahnen üblich war unter Befolgung aller Vorschriften, aber so, daß es am Schluß nicht mehr ging. (Professor D r. Dahm sKielft Der Ausdruck -ver­ zögern« im italienischen Strafgesetzbuch bezieht sich auf den passiven Widerstand.) — D as könnte keine Schwierigkeiten machen. Die Frage, ob man den Arbeiterstreik mit einer S tra f­ bestimmung aufnimmt, brauchen wir nicht zu entschei­ den. Vielleicht können w ir der Unterkommission die Aufgabe stellen, einen Paragraphen über Arbeiterstreik zu formulieren unter Hervorhebung der Anstifter oder Rädelsführer wie im italienischen Recht, und uns vor­ behalten, diesen Paragraphen, wenn er aus dem einen oder andern Grund oder aus politischen Gründen nicht beliebt, zu streichen. D as kann man tun- denn er hat keinen Zusammenhang mit andern Delikten. Dann würde ich bitten, dieses Thema als endgültig abge­ schlossen anzusehen. W ir gehen jetzt über zu dem Abschnitt über Störung der öffentlichen Ordnung. Die Referenten sind Herr Graf Gleispach und Herr Landesgerichtsdirektor Leimer. Meine Herren, ich hatte mir vorgenommen, einen Vorschlag für die Behandlung dieses Abschnittes zu machen, und zwar ausgehend von der Erkenntnis, daß es schon jetzt und wahrscheinlich auch in Zukunft nicht leicht sein wird, für diesen Abschnitt einen wirklich durchschlagenden zusammenfassenden Gesichtspunkt zu finden. Es ist eine Mischung verschiedener Tatbestände, und deswegen ist auch der Titel, wie einer der Herren Berichterstatter zum Ausdruck bringt, reichlich ver­ schwommen. Der Abschnitt vereinigt eine Reihe von Straftaten, die innerlich nur wenig Zusammenhang miteinander haben. D as kann man wohl kaum be­ streiten. Nun würde ich zunächst vorschlagen, daß der Herr Sachbearbeiter des Justizministeriums in einer A rt Vorspruch an der Hand des geltenden Rechts die einzel32.

nen Tatbestände nennt und dabei feststellt, was von diesen Tatbeständen in den neuen Entwurf hinein­ kommen soll und was nicht hineinkommen soll, und daß er zweitens die dem Abschnitt folgenden Tatbestände aufführt, die nach unseren Referentenvorschläaen hin­ einkommen sollen, damit w ir einmal einen Überblick über die Materie bekommen. Dann würde ich bitten, die Referate zu erstatten, wobei die Frage des Titels, die Frage der Zusammenfassung an die Spitze gehört, und gleichzeitig zu dieser Gruppierung Stellung zu nehmen, die aus dem Vorspruch ersichtlich sein wird. Oberregierungsrat D r. von Dohnanyi: Im gelten­ den Recht wird durch den 7. Abschnitt des Besonderen Teils unter der Überschrift -Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung« eine große Zahl von Tatbeständen zusammengefaßt, die nur lose mitein­ ander zusammenhängen. D er Referentenentwurf ver­ teilt diese Tatbestände nun auf verschiedene Abschnitte. Die Vorschriften zum Schutze der Wehrmacht, die in den §§ 140 bis 143 des Strafgesetzbuchs enthalftn sind, werden in dem Referentenentwurf der geltenden Wehrverfassung angepaßt und mit der Strafdrohung des § 144 gegen den Auswanderungsbetrua zu einem be­ sonderen 6. Abschnitt -Angriffe gegen die Wehrmacht und gegen die Volkskraft« zusammengefaßt, der ja noch einer besonderen Behandlung in der Kommission unterliegen wird. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Verzeihung, wenn ich einen Moment unterbreche! Herr Kollege von Doh­ nanyi, es wäre übersichtlicher auch für die Herren, wenn wir bei § 123 anfingen und zu dm einzelnen P arag ra­ phen einfach sagm: Set kommt her, der kommt nicht her. Oberregierungsrat D r. von Dohnanyi: § 123, der Hausfriedensbruch, kommt nicht hierher, weil er als ein Vergehen gegen die Freiheit aufgefaßt wird und an anderer Stelle erscheint. § 124, die öffentliche Zusammenrottung, fällt weg. § 125, der Landfriedensbruch, ist unter § 172 im Referentenentwurf aufgenommen worden. § 126, der Landzwang, ist unter § 179 des Referen­ tenentwurfs aufgenommen. § 127, bewaffnete Haufen, ist unter § 177 im Re­ ferentenentwurf aufgenommen. Die §§ 128 und 129, die staatsfeindlichen Verbin­ dungen, sind im § 175 des Referentenentwurfs aufge­ nommen. § 130, die Aufreizung zum Klaffenhaß, ist in § 171 des Referentenentwurfs aufgegangen, zusammm mit § 111 des geltenden Strafgesetzbuchs, der im geltenden Strafgesetzbuch in dem Abschnitt -Widerstand gegen die Staatsgewalt« steht. § 130a, der Kanzelparagraph, ist im Referentenentwurf nicht enthalten. § 131, die Staatsverleumdung, ist in den 3. Abschnitt des Referentenentwurfs übergegangen und auch dort schon behandelt worden, ist also im 9. Abschnitt nicht mehr enthalten. § 132, die unbefugte Ausübung eines öffentlichen Amtes, ist in dem Abschnitt Amtsanmaßung aufgegan­ gen, der heute früh behandelt wordm ist. § 133 ist in den Abschnitt -Urkundenfälschung« auf­ genommen worden.

§ 134 ist auch in den vorliegenden Abschnitt nicht aufgenommen worden. E r ist in den 8. Abschnitt ge­ kommen. § 134 a, die Beschimpfung der Verfassung, Farben, Flaggen und der deutschen Wehrmacht, ist in den 9. Ab­ schnitt nicht aufgenommen. E r soll nach einem der hier gemachten Vorschläge in den Abschnitt: Angriffe gegen die Wehrmacht aufgenomemn werden. § 135, die Zerstörung, Beschädigung, Wegnahme von Hoheitszeichen ist in den 3. Abschnitt übernommen worden. § 136, Siegelbruch, und 8 137 find hier nicht auf­ genommen worden. § 138 ist hier auch nicht aufgenommen worden, er ist weggefallen, und ebenso ist § 139 hier nicht aufgenom­ men. D ie §§ 140, 141, 142, 143 und 144 sind auf ver­ schiedene Abschnitte verteilt worden. D ie §§ 140 bis 143 stehen im Abschnitt Schutz der Wehrmacht, § 144, Auswanderungsbetrug, in dem Abschnitt Angriffe gegen die Volkskraft. § 145 ist hier nicht aufgenommen worden. § 145 a ist in dem schon behandeltm Abschnitt über die Münzdelikte enthalten. § 145 b, Tierquälerei, ist hier nicht aufgenommen worden/ ebenso ist § 145 c nicht int 9. Abschnitt ent­ halten. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Diese Sichtung wollte ich geben, um zu zeigen, daß der V orw urf, daß dieser Abschnitt ein Durcheinander verschiedenartiger D inge sei, so nicht erhoben werden kann. Es sind schon sehr viele heterogene Dinge aus diesem Abschnitt her­ ausgenommen worden. Berichterstatter Professor D r. Graf Gleispach (Ber­ lin): H err Reichsminister, ich gebe gern zu, daß der äußerst verschiedenartige In h a lt des entsprechenden Abschnitts des geltenden Rechts im Entw urf und im Referentenvorschlag wesentlich verringert und dadurch der M angel der Einheitlichkeit wesentlich herabgedrückt würde. Aber ich glaube, er besteht noch immer fort. Ich bin außerstande, einen einheitlichen Gesichtspunkt für die Tatbestände aufzufinden, die heute noch im 9. Abschnitt vereinigt sind. Ich muß auch gestehen — das mag die Folge meiner persönlichen Unzuläng­ lichkeit sein — , daß ich m ir unter dem Rechtsgut der öffentlichen Ordnung eigentlich nichts Rechtes vorzu­ stellen vermag. D a s müßte doch ein Begriff sein, der sich von den anderen scharf oder möglichst scharf ab­ hebt, die zur Umgrenzung der Nächstliegenden, der ver­ wandten Abschnitte, verwendet werden. D a ra n fehlt es aber meiner Auffaffung nach. W enn ich kurz kennzeichnen darf, wie ich m ir den Aufbau denken würde, dann muß ich etwas über den 9. Abschnitt hinausgreifen. Ich glaube, daß an die schon erörterten Abschnitte, wo es sich um den Schutz des Bestandes des S taates, seine Sicherheit nach außen usw. handelt, anzuschließen wäre ein Abschnitt über Angriffe gegen die Organe der S taatsgew alt, ein Ab­ schnitt, der einen großen Teil des jetzigen 8. Abschnitts umfassen würde, und dann einen zweiten Abschnitt: Schutz der Rechtspflege und der V erwaltung. Ein großer Teil dessen, was heute im .8. Abschnitt und zum Teil im 9. Abschnitt steckt, würde am besten unter diesen Gesichtspunkt gebracht, daß wichtige B etätigungs­

zweige der Staatsgew alt, Rechtspflege und Verw al­ tung, zu schützen wären. Es bleibt dann ein Rest übrig. Sow eit ich sehe, liehe der sich gut im 9. Abschnitt unter dem Gesichtspunkt vereinen: Schutz des Volksfriedens oder Schutz des öffentlichen Friedens. Hier liegt ein Rechtsgut vor, das sich doch annähernd schärfer ab« Temen läßt, und im Landzwang und Landfriedens­ ruch haben w ir doch typische V ertreter von Angriffen gegen den Frieden des Volkes. Ich will das aber jetzt im einzelnen nicht weiter ver­ folgen. Ich habe auch hier in meinen schriftlichen Aus­ führungen vorgeschlagen, eine Reihe von Tatbeständen, § 169: Aufforderung zur Auflehnung gegen Gesetze, § 170: Aufforderung zur Steuerverweigerung, §§ 174 und 175: Widerstand gegen die Staatsgew alt, Staatsfeindliche Verbindungen, aus diesem Abschnitt auszuscheiden. Ich sehe nicht ein, wieso sie gerade die öffentliche Ordnung stören können. S ie sind auch nicht typische Friedensstörungen. S ie sind aber entweder Angriffe gegen Staatsorgane oder eben Angriffe auf die Verwaltung des S taates. Ich habe aber diese An­ deutungen nicht gemacht, um mich etwa einer Betrach­ tung dieser einzünen Tatbestände überhoben zu sehen. Wenn ich nun zu den einzelnen Tatbeständen über­ gehe, so steht jetzt also an der Spitze der § 169, Auf­ forderung zur Auflehnung ge^en Gesetze. Wenn man bezüglich der Systematik meinen Vorschlägen folgen würde, dann würde offenbar der Landfriedensbruch an die Spitze gehören. Ich folge jetzt aber im Interesse der Ordnung dem Referentenentwurf. Bei der Auf­ forderung zur Auflehnung gegen Gesetze ist gegenüber dem früheren Entw urf neu aufgenommen worden nicht nur das Auffordern oder Anreizen zur Auflehnung gegen ein Gesetz oder eine Verordnung, sondern auch gegen eine behördliche Anordnung. D ie Preußische Denkschrift hat vorgeschlagen, hier überhaupt vom Formalen abzurücken und die Aufforderung zu einem volksschädlichen Verhalten unter S tra fe zu stellen/ das ist, wie überhaupt die Vorschläge der Preußischen Denkschrift, offenbar nicht als form ulierter Tatbestand gedacht. Wenn ich auch den Gedanken für richtig halte, so habe ich doch Bedenken, ob nicht, wenn man den Tatbestand in dieser Weise aufstellen wollte, seine Um­ grenzung zu vage ist. Ich glaube, daß durch den V or­ schlag des Referentenentwurfs, neben Gesetzen und Verordnungen noch die behördliche Anordnung zu nennen, das Bedürfnis nach einer Strafdrohung auch im S inne der Denkschrift eigentlich gedeckt ist, weil ohne eine behördliche Anordnung ja doch kaum größere Aktionen — die Denkschrift verweist auf Samtnlungen u. dgl. — unternommen werden, so daß also dann die Aufforderung zur Auflehnung gegen solch ein Unter« nehmen unter die Strafdrohung fallen würde. Ein paar W orte sind noch zum zweiten Absatz zu sagen. Die Aufforderung zur Auflehnung soll nur strafbar sein, wenn die Verordnung rechtsgültig oder die Anordnung rechtmäßig ist. Ich fasse diesen zweiten Absatz so auf, daß er ein Schutz gegen folgende In terpretation des Gesetzes sein soll: W er sich gegen eine Verordnung oder Anordnung auflehnt oder zur Auflehnung anreizt, die er selber nicht für rechtsgültig oder rechtsmäßig hält, der soll dann mangels eines subjektiven Tatbestands nicht bestraft werden. Diese Tendenz billige ich durchaus. Es ist aber heute außer­ halb der Sitzung die Frage aufgeworfen worden, ob

auch n u r dieser zweite Absatz an sich erforderlich sei, ob man nicht das Aufreizen zu Ungehorsam gegen irgendeine behördliche A nordnun g schlechthin unter S tra fe stellen soll, selbst dann, wenn die A nordnung c'ttoa nicht rechtsmäßig w a r, denn sie ist ja fo rm a l im m e rh in erlassen w orden/ es dürfen n u r nicht solche M ä ngel vorliegen, die es nicht mehr gestatten, von diesem B efehl als einer behördlichen A nordnun g zu sprechen. Ic h w ürde mich dieser Auffassung nicht widersetzen und meine also, m an könnte sicherlich den Abs. 2 auch streichen. D a n n hätte man vielleicht die In te rp re ta tio n , daß der Vorsatz durch die Annahme des M angels der Rechtsmäßigkeit oder Rechtsgültigkeit der V ero rdnu ng oder A nordnun g ausgeschlossen sei, nicht zu befürchten. § 170 b e trifft die A u ffo rd e ru n g zur Steuerverweige­ rung. D azu hätte ich w eiter nichts zu sagen. Ic h bin allerdings der M e in u n g , daß es sich in diesen beiden Fällen nicht eigentlich um ein V erhalten handelt, das gegen den öffentlichen Frieden und eigentlich auch nicht gegen die öffentliche O rdnung gerichtet ist, sondern ganz offenbar doch gegen den S ta a t und staatliche A n o rd ­ nungen. § 171 bedroht die öffentliche A uffo rd e ru n g zu irgend­ einer strafbaren H andlung, also nicht n u r Verbrechen und Vergehen, sondern selbst zu einer Ü bertretung. D aß die A u ffo rd e ru n g stra fbar sein soll, steht w ohl außer Diskussion. D ie Unterscheidung und E in te ilu n g der strafbaren Handlungen, soweit sie schon feststeht, ist w ohl kaum geeignet, hier eine Abgrenzung oder eine D ifferenzierung eintreten zu lassen. S o wie der T a t ­ bestand jetzt dasteht, besteht das Bedenken, daß er ver­ hä ltnism äß ig geringfügige A ufforderungen oder A u f­ reizungen t r if f t , und anderenteils fü r Fälle, in denen eine sehr ernste G efahr aus einer solchen A uffo rderung entstehen kann und auch beabsichtigt ist, die S t r a f ­ drohung hier unzureichend erscheint. Ic h w ürbe darum vorschlagen, den weiteren Absah hinzuzufügen, der je nach der Einziehung der Ü berschrift des Abschnitts etwa lauten w ürde, daß bei schwerer G efahr fü r den öffent­ lichen Frieden auch Zuchthaus zu verhängen sei. Ic h meine, im Gewände des § 171 kann w irklich eine A g ita tio n von sehr großer G efahr betrieben werden. § 172 ist vLandfriedensbruch« überschrieben, hat aber zwei Fälle zusammengezogen, die schon dem Namen nach in der alten Gesetzgebung und doch auch sachlich im wesentlichen voneinander verschieden sind. D ie B e te ili­ gung an einer öffentlichen Zusam m enrottung einer Menschenmenge, die der S ta a ts g e w a lt W iderstand leistet, ist ein D e lik t, das sich typischerweise wieder gegen den S ta a t und seine O rgane richtet. D a s ist hier tatbestandsmäßig m it F a ll 2 verbunden: echten Land­ friedensbruch, öffentliche Zusam m enrottungen, um Ge­ w altta ten gegen Menschen oder Sachen zu verüben. D a s zu trennen m ag vielleicht n u r ein systematisches B e ­ d ü rfn is sein. Ic h würde aber doch da fü r eintreten, diese beiden Fälle wieder voneinander zu trennen und den W iderstand gegen die S ta a ts g e w a lt d o rth in zu stellen, w ohin er der A n g riffs ric h tu n g nach gehört, und hier n u r den Landfriedensbruch als Tatbestand auhuführen, eigentlich die beste V erkörperung des A n g riffs gegen den öffentlichen Frieden. I m übrigen ist keine wesentliche Ä nderung gegenüber dem geltenden Recht und dem früheren E n tw u rf hier festzustellen.

§ 173, S prengung einer V ersam m lung. M i t S tra fe w ird bedroht, w er m it G ew alt oder D ro h u n g eine V e r­ sammlung, einen Aufzug oder eine ähnliche Kundgebung verhindert oder sprengt. D e r zweite Absatz sagt: Ebenso w ir d bedroht, w er bei einer solchen Versam m ­ lung oder Kundgebung G ew alttätigkeiten in der Absicht begeht, die V ersam m lung usw. zu sprengen. Ic h würde, wenn ich das auch in meinen schriftlichen A nträgen noch nicht hervorgehoben habe, beantragen, Abs. 2 zu streichen, w e il er — abgesehen von einer geringfügigen Ungenauigkeit dieses Satzes — eigentlich nichts anderes ist als die S tra fd ro h u n g gegen den Versuch des Deliktes, das Abs. 1 aufstellt. Ic h sagte: Abgesehen von einer kleinen Ungenauigkeit besteht der Versuch des Abs. 1 d a rin , daß m it G ew a lt oder D ro h u n g — nehmen w ir den H a u p tfa ll — eine Versam m lung zu sprengen oder zu verhindern unternommen w ird . D e r Abs. 2 fü h rt dieses M itte l der G ew a lt besonders auf. A lso wenn ich den Abs. 2 streiche, w ürde der Tatbestand des Abs. 2 als Versuch des D eliktes des Abs. 1 ergriffe n werden. Vielleicht ist Abs. 2 daraus entstanden/ daß der Refe­ rentenentw urf nicht von der allgemeinen S tra fb a rk e it des Versuchs bei Vergehen ausgegangen ist. Aber nach­ dem w ir diese festgelegt haben, ist Abs. 2 überflüssig. § 174 behandelt den A u fla u f, den Ungehorsam gegen­ über der W eisung an die Menge, auseinanderzugehen. D azu ist w o h l w eiter nichts zu sagen. D ie T a t ist n u r strafbar, wenn die A uffo rderung nach den gesetzlichen V orschriften zulässig und derjenige, der die A uffo rde­ ru ng zum Auseinandergehen erlassen ha t, zu dieser A u f­ forderung zuständig w a r. M a n könnte hier natürlich wieder eine ähnliche Frage auswerfen wie beim § 169 Abs. 2. Ic h würde h ier den gleichen S tandpunkt ein­ nehmen wie do rt. M a n kann den Ungehorsam natürlich auch dann strafen, wenn die A u ffo rd e ru n g nicht den gesetzlichen V orsch riften entsprochen hat. § 175: S taatsfeindliche Verbindungen. Hiernach w ird bestraft, »wer an einer V erb in dun g te iln im m t, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, M a ß ­ regeln der V e rw a ltu n g oder die V ollziehung von Ge­ setzen durch ungesetzliche M itte l zu verhindern oder zu entkräften.« D a ß diese V erbindung geheim sei, ist hier nicht Tatbestandsmerkmal. D ie T a t ist stra fw ü rd ig , w e il das Z ie l der V erbindung S ab o tie ru n g der V e r­ w a ltu n g ist. D e r zweite Absatz b e trifft dann die geheimen V e r­ bindungen, Verbindungen, die insgeheim einen den Strafgesetzen zuwiderlaufenden Zweck oder insgeheim ihren Zweck durch strafbare M itte l verfolgen. H ie r setzt die Frage ein, ob der Versuch, eine der früheren p o li­ tischen P a rte ie n des Reiches in ih re r O rg anisatio n a u f­ rechtzuerhalten — so ungefähr ist der W o rtla u t des Gesetzes gegen die F o rtda uer und N eubildung von p o li­ tischen P a rte ie n — oder ob der Versuch, eine solche P a rte i neu zu gründen, von diesem Tatbestand erfaßt würde. Ic h w ürde die Frage verneinen. Ic h glaube, daß n u r durch eine gezwungene In te rp re ta tio n behaup­ tet werden könnte, Abs. 1 ergriffe auch diese Versuche. M a n könnte sagen, das Gesetz über die Abschaffung der P arte ie n w ird tn seiner Vollziehung ve rh in d e rt oder zu entkräften versucht, wenn jemand eine solche P a rte i aufrechterhält oder sie neu zu errichten sucht. Aber das erscheint m ir ein Umweg. N u n ist in den Referentenentw urf — das e rklä rt sich vielleicht auch zeitlich,

ich kann es im Augenblick nicht überblicken — das Ge­ setz über die N eubildung der P a rte ie n nicht hineinge­ arbeitet worden. E in Grundsatz, der hier einm al von H e rrn S taatssekretär F re iste r aufgestellt w urde und allgemein Z ustim m ung gefunden hat, geht dahin, daß es nicht unsere A ufgabe sein kann, die ganze Novellen­ gesetzgebung der letzten V /2 J a h re in d e n -E n tw u rf hin­ einzuarbeiten, w e il es sich um Abergangsgesetze handelt. Ic h glaube allerdings, daß man das Gesetz über die N eubildung der P a rte ie n nicht als ein solches ansehen kann/ denn das V e rb o t des Parteienstaates und daher auch der B ild u n g von P a rte ie n , der Aufrechterhaltung der alten politischen P a rte ie n gehört zu den G ru n d ­ lagen des neuen S taates, und ich glaube, daß dieser Grundgedanke auch im Strafgesetzbuch seine S anktio n finden sollte. Ic h glaube also, daß m an den Tatbestand des § 2 des mehrfach erwähnten Gesetzes in den Gesetz­ e n tw u rf aufnehmen sollte, daß er allerdings nicht in den § 175 hineingehört. Aber die systematische E in­ teilung bleibt ja vorbehalten. Schließlich habe ich zum letzten Absatz des § 175 noch zu sagen, daß er m it den allgemeinen Grundsätzen be­ züglich der S tra fm ild e ru n g und der faku ltativen S t r a f ­ aufhebung beim R ü c k tritt nicht übereinstim m t, daß gegen die S tra flo s ig k e it dessen, der sich zuerst m it der V erb in dun g einläßt, aber fie dann bei der Behörde an­ zeigt, doch auch schwerwiegende ethische Bedenken be­ stehen. Es ist das aus einem A nlaß gestern oder vor­ gestern schon festgestellt worden. Ic h w ürde mich schlechtweg fü r die S treichung des letzten Absatzes aus­ sprechen. § 176: Verbindungen zu Verbrechen w id e r das Leben bedarf keinerlei E rläuterun g. Abänderungsanträge habe ich hier nicht zu stellen. Ic h w ürde aber auch hier den letzten Absatz bezüglich des R ü c k tritts , der tätigen Reue lieber wegfallen sehen. § 177 — bewaffnete Haufen — entspricht dem gel­ tenden Recht u n d bedarf keiner weiteren E rö rte ru n g . D e r R eferentenentw urf schließt m it dem Tatbestand des Landzwanges. Ic h würde in Ü bereinstim m ung m it der Preußischen Denkschrift vorschlagen, dem T a t­ bestand noch einen zweiten anzufügen, wo jemand nicht durch Verbrechen oder gemeingefährliche Vergehen die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt, aber doch U nruhe erzeugt durch das V erbreiten von zur Beun­ ru h ig u n g geeigneten und falschen Gerüchten. D a s A us­ streuen eines falschen Gerüchtes, das die Bevölkerung beunruhigen soll, sollte unter S tra fe gestellt werden. D a s ist auch geltendes österreichisches Recht, ist auch von der Preußischen Denkschrift vorgeschlagen worden und scheint m ir durchaus richtig zu sein. Ferner wäre, auch im Anschluß an einen Vorschlag der Preußischen Denkschrift, der M iß brauch von N o t­ zeichen aufzunehmen. Ic h führe das hier an, w e il man es auch in diesem Zusammenhange betrachten sann; m an kann ja auch hier eine Friedensstörung annehmen. Ic h dmke an den M ißbrauch eines öffentlichen oder a ll­ gemein anerkannten Notzeichens, etwa der Feuerwehr oder einer anderen öffentlichen E in rich tu n g zur B e ­ käm pfung von gemeiner Gefahr oder großen Unglücks­ fällen. E in solcher M iß brauch sollte m it S tra fe bedroht werden. Es ist w ohl die Denkschrift selbst, die da rauf aufmerksam macht, daß das jetzt als grober U nfu g er­ fa ß t werden kann, aber doch w ohl d a m it nicht genügend geahndet sei.

Schließlich würde ich auch, hier noch etwas über meine schriftlichen A usführungen hinausgehend, der A nregung der Preußischen Denkschrift a u f S eite 39 Rechnung tragen, die eine S tra fd ro h u n g gegen das Q uerulantentum vorschlägt. D e r Tatbestand, der hier ohne weiteres übernommen werden könnte, lautet: --W er nach Erschöpfung der zulässigen Rechtsbehelfe trotz V e rw a rn u n g durch die zuständige Behörde nicht abläßt, sie m it offenbar grundlosen Beschwerden und A nträgen zu b e lä s tig e n ...« . Diese doppelte K autel, daß der Instanzenzug erschöpft sein muß und der Que­ ru la n t v e rw a rn t sein muß, scheint m ir sehr richtig. W enn diese Kautelen e r fü llt sind, kann m an w o h l in der T a t sagen: Es lie g t hier im wesentlichen eine B e­ einträchtigung der Rechtspflege oder V e rw a ltu n g vor, wenn solche Leute im m e r wieder m it neuen grundlosen Beschwerden kommen, dadurch den A p p a ra t nutzlos in Bewegung setzen und die Beam ten von der E rfü llu n g ih re r eigentlichen Aufgaben abhalten. Berichte aus der P ra x is zeigen, wie sehr die Behörden durch Q ue ru­ lanten in Anspruch genommen werden. Deshalb sollten w ir dieser Anregung der Preußischen Denkschrift hier Rechnung tragen. Reichsjustizminister D r . G ärtn er: W enn ich kurz zu­ sammenfassen d a rf, H e rr G ra f, dann w ürden S ie diesen Abschnitt im wesentlichen un ter dem Gesichts­ punkt --S törung des Volksfriedens« betrachten? (Zustim m ung.) — D a s w äre der leitende Gesichtspunkt. D a ß sich nicht alles streng logisch hineinpressen läßt, nehmen S ie in K a u f. D a s können w ir alle, glaube ich, in K a u f neh­ men. Ausgehend von diesem Gedanken, haben S ie an H and des E n tw u rfs die einzelnen P ara g ra p h e n beur­ te ilt und u n te r diesem Gesichtspunkt gewünscht, daß der § 170 --Aufforderung zur Steuerverweigerung« nicht hierher kommt. (P ro fe ffo r D r . G ra f Gleispach sB e rlin ^: Auch § 169 nicht!) — D e r ganze § 169 nicht? (Zustim m ung.) — Also 169 nicht und 170 nicht! D a s w ären die beiden Minuszeichen. D a zu auch 174 und 175. D ie beiden Z u taten w ären der falsche A la rm und das Q uerulanten­ tum . W enn man von --falschem A la rm « spricht, so kommt d a rin die S tö ru n g des öffentlichen Friedens p Ausdruck. Jeder A la rm ist ja S tö ru n g des F rie ­ dens, der echte auch; aber der kann nicht s tra fb a r sein. Also der falsche A la rm und das Q uerulantentum , das w ären die beiden Bestimmungen, die S ie dazu haben möchten. D a s Q uerulantentum w ürde allerdings nicht hierher gehören, sondern eigentlich zu --Rechtspflege und V e rw a ltu n g « , w ohl aber der falsche A la rm . (Erneute Zustim m ung.) Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (N ü rn ­ berg): Es ist schon durch den Vorspruck, den H e rr von D o h n a n yi gegeben hat, gezeigt w orden, daß der Referen­ ten entw u rf ziemlich aufgeräum t hat m it solchen S t r a f ­ taten, die mcht in dm Abschnitt --S tö run g der öffent­ lichen O rdnung« oder w ie m an vielleicht richtig er sagen w ürde --S tö run g des Dolksfriedens« gehören. Ic h habe das in meinen schriftlichen D arlegungen schon da r­ gelegt, und ich bin der M e in ung , daß das, w as jetzt

in diesem Abschnitt geblieben ist, doch im großen und ganzen den Volksfrieoen w irklich gefährdet. Selbstver­ ständlich kann bei jedem Tatbestand irgendwelche E in ­ wendung gemacht werden, daß er vielleicht da oder d o rt­ hin gehört und nicht in diesen Abschnitt. W enn man indessen die Tatbestände genauer betrachtet, dann muß man sagen, daß hier die S tö ru n g des Dolksfriedens im Vordergründe steht. Deshalb habe ich keine Bedenken, auch'die §§ 169, 170, 174 und 175 in diesem Abschnitt stehen zu lassen, wenngleich ich mich frü h e r da für aus­ gesprochen hatte, daß § 175 hier herausgenommen w er­ den soll. B e i näherer Überlegung scheint m ir das nicht notwendig. Ic h lasse also diesen A n tra g fa llm . Ebenso lasse ich die frühere Einstellung fallen, daß die A m ts ­ anmaßung und Amtserschleichung hierher gehören sollen. D a rü b e r ist genügend gesprochen worden. Ic h würde also die D elikte, die der Referentenentw urf hier aufgenommen hat, in diesem Abschnitt lassen. W as nun die einzelnen D elikte a n la n g t-------Reichsjustizminister D r . G ürtner: Könnten w ir , H e rr Kollege, u n m itte lb a r im Anschluß daran nicht gleich die Frage anknüpfen: Wünschen S ie noch andere D elikte hereinzunehmen? Oder wollen S ie das am Schluß machen? Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (N ü rn ­ berg): Ic h hätte das am Schluß getan. Ic h spreche mich dagegen aus, daß die S trafbestim m ung über Neu­ bildung von P a rte ie n hierher genommen w ird . Es ist eindrucksvoller, wenn sie d o rt sich findet, w o das V e r­ bot der P arte ie n steht. Diese S trafbestim m ung h in ­ sichtlich der B ild u n g von neuen P a rte ie n halte ich auch fü r eine Dauerbestim m ung. W as die B estim m ung über das Q uerulantentum an­ geht, so weiß ich, daß sich die Q uerulanten in der letzten Z e it sehr verm ehrt haben. A ber ich trage doch Bedenken, eine solche S trafbestim m ung gegen das Que­ ru la nten tum zu schaffen. Ic h erinnere mich eines Falles, in welchem einer, der v e ru rte ilt w orden w a r und da­ durch sein S te llu n g verloren hatte, im m e r und im m er wieder m it Wiederaufnahmegesuchen kam und im m er wieder abgewiesen w urde, bis eines Tages ein S ta a ts ­ an w a lt sich breitschlagen ließ und sagte: ich w ill ein­ m a l die Sache aufgreifen- und v o r einiger Z e it ist es dazu gekommen, daß der M a n n freigesprochen worden ist. M a n sieht also: schließlich kann es doch auch ein­ m a l einen F a ll geben, in welchem einer n u r dadurch, daß er ununterbrochen bo hrt, zu seinem Recht kommtdenn m an d a rf doch w ohl annehmen, daß die letzte Entscheidung nun das Recht gewesen ist. Deswegen, meine ich, wäre es viel besser, hier etwas auf dem V erw altungsw ege zu tun, indem man der­ artige D in g e mehr in den P apierkorb befördern läß t, als daß sie im m e r wieder am tlich behandelt werden müssen. G o tt sei D a n k ist in der R ichtung ja in letzter Z e it, soviel ich von S tellen gehört habe, die m it der Justizve rw altun g zu tu n haben, auch vieles geschehen. — Ic h würde also eine solche Bestim m ung nicht aufnehmen. Ob m an eine Bestim m ung gegen den M ißbrauch öffentlicher N o tru fe und dergleichen aufnehmen soll, die jetzt schon in § 395 Z iffe r 2 des R eferentenentwurfs v o r­ gesehen ist, ob m an etwa diese B estim m ung hierher übernehmen soll, ist eine Frage n u r dahin, ob dieser M ißbrauch zum Vergehen werden soll- eine Ü bertretung soll es ja jetzt schon sein. Ic h w äre d a m it einverstanden, 32.

daß diese T a t zum Vergehen gemacht und die V o r ­ schrift hierher genommen w ird , denn im m e rhin kann durch solchen M ißbrauch eine sehr starke B eun ruhig ung der Allgem einheit eintreten. D ie Zusätze, die zu den einzelnen P ara grap hen zu machen sind, werde ich bei den einzelnen P aragraphen behandeln. — I s t d a m it Ih r e m Wunsch entsprochen, H e rr Reichsminister? Reichsjustizminister D r . Gürtner: J a , jetzt handelt es sich n u r um den allgemeinen Gesichtspunkt. S ie wünschen die B estrafung der Q uerulanten nicht, und zw ar aus allgemeinen G ründen, und bezüglich des M iß ­ brauchs von Notzeichen w ürden S ie m it sich reden lassen. (Landgerichtsdirektor Leimer s N ü rn b e rg j: J a !) Keiner der H erren B erichterstatter ist a u f den T a t ­ bestand eingegangen, wenn ich das noch fü r den Gesamt­ überblick einschalten d a rf, den die Preußische Denkschrift un ter dem S ch la g w o rt »Volksverhetzung« b rin g t: W e r es u n te rn im m t, 1. öffentlich in einer den V olksfrieden gefährden­ den Weise Angelegenheiten des S taates zum Gegenstände hetzerischer E rörterungen zu machen, 2. Druckschriften oder sonstige S chrifte n auszu­ geben, zu verbreiten oder einzuführen, in denen Angelegenheiten des S taates in einer den V olksfrieden gefährdenden Weise hetze­ risch e rö rte rt werden, macht sich der Volksverhetzung schuldig. E in besonders schwerer F a ll lie g t dann vo r, wenn der T ä te r ein B eam ter oder R e ligion s­ diener ist. D a s ist ein Tatbestand, der im Bereich dieses A b ­ schnittes von der Preußischen Denkschrift erwähnt worden ist und der sich, allerdings in einer etwas anderen Fassung, im norwegischen Recht findet- w ir können ja dann d a ra u f zurückkommen. Ic h bemerke n u r, daß das v o rlä u fig nicht in den Bereich der B e ­ trachtung gezogen worden ist. Sonst ist m ir unter den M a te ria lie n , die ich besitze, ein Wunsch, andere neue Tatbestände hier hereinzunehmen, nicht entgegengetreten. S ta a ts a n w a lt D r . von Dohnanyi: A u f S eite 37 der Preußischen Denkschrift ist noch vorgeschlagen, wenn ich unterbrechen d a rf: Wegen A u ffo rd e ru n g zu volksschädlichem T u n ist zu bestrafen, w er wissentlich in der Öffentlichkeit zu einem T u n oder Unterlassen a u fford ert, das dem W o h l des Reichs oder eines Landes schadet. Reichsjustizminister D r . Gürtner: G ewiß, das kommt aber im A nhang zu der A uffo rd e ru n g überhaupt- das ist kein v ö llig neuer Tatbestand. Jetzt d a rf ich den H e rrn Kollegen Leim er bitten, m it dem zu beginnen, was der zweite T e il seiner A u s fü h ru n ­ gen sein sollte. B erichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (N ü rn ­ berg): Z u den einzelnen P ara grap hen habe ich folgen­ des zu sagen: D em § 169 stimme ich zu. Ic h glaube auch, daß durch die Wiederhereinnahme der behördlichen A n o rd ­ nung, die im E n tw u rf von 1927 weggelassen worden w a r, dem B e d ü rfn is genügt w ird und daß d a m it dem

Wunsche der Preußischen Denkschrift, hier eine allge­ meine Bestimmung zu schaffen, daß wegen Aufforde­ rung zu volksschädlichem Tun derjenige zu bestrafen ist, der wissentlich in der Öffentlichkeit zu einem Tun oder Unterlassen auffordert, das dem Wohl deS Reichs oder eines Landes schadet — es ist dabei insbesondere auf Sabotagehandlungen gegen Winterhilfe u. dgl. hinewiesen worden — , entsprochen wird. Ich denke mir, aß die Behörde, wo nötig, die Anordnung trifft, und dann ist es möglich, einzugreifen, ohne daß dem Richter überlassen werden muß, zu entscheiden, ob irgendein Tun volksschädlich ist oder nicht. D as sind doch Fragen, die sich immer von zwei Seiten ansehen lassen. Darum soll man das der Verwaltung überlassen. Wenn sie durch Anordnung das Erforderliche verfügt, dann ist hier auch die nötige Handhabe gegeben, um strafrecht­ lich einschreiten zu können. Ich würde als Strafe hier allgemein Gefängnis zulassen. Zu 8 170 kann ich gleichfalls sagen, daß ich mit der Fassung des Referentenentwurss und mit der Auf­ nahme dieser Bestimmung hier einverstanden bin. Sie entspricht der Verordnung des Reichspräsidenten vom 15. September 1923 im § 1. Es genügt also hier die Aufforderung oder Anreizung, einer steuerrechtlichen Verpflichtung nicht zu genügen, so daß nicht nur die Nichtbezahlung, sondern auch die Verweigerung der Abgabe einer Erklärung usw., die verlangt wird, hier unter S trafe gestellt ist. Ich glaube, es besteht auch ein Bedürfnis, diese Strafandrohung zu schaffen. Zu tz 171, Aufforderung zu strafbaren Handlungen, möchte ich nur anregen, daß die Bestimmung allge­ meiner gefaßt wird. Es besteht kein Zweifel und ist auch schon von dem Herrn Mitberichterstatter hervor­ gehoben worden, daß hier nur die allgemeine Auf­ forderung zu strafbarem Tun und Unterlassen unter S trafe gestellt werden soll. Aus dem Referentenent­ wurf ist dies ja auch ersichtlich, da man bei der Auf­ forderung m Gewalttätigkeiten das W ort » allgemein« ausdrücklich eingefügt hat. Ich meine, das würde be­ stimmter hervortreten, wenn man sagen würde: »2Ber öffentlich zu Zuwiderhandlungen gegen Strafgesetze oder zu Gewalttaten gegen Menschen oder Sachen auf­ fordert oder anreizt, wird mit Gefängnis bestraft.« Wenn man hier sagt: -wer öffentlich zu einer straf­ baren Handlung auffordert«, so könnte man doch zu der Meinung kommen, das sei eine bestimmte strafbare Handlung. (Zuruf: Ist es auch!) Diese bestimmte strafbare Einzelhandlung, zu der auf­ gefordert wird, wäre ja nach anderen Gesichtspunkten strafbar, so, wenn es zu der strafbaren Handlung, auch nur zum Versuch, kommt, als Anstiftung oder nach den Bestimmungen über das Verleiten nach 8 30 unseres Entwurfes. D o rt allerdings ist ja nur von Verbrechen die Rede. D a wir noch nicht wissen, was bei uns ein Verbrechen sein soll, so steht der Umfang der S tra f­ barkeit noch offen. Aber wenn die Beschränkung auf Verbrechen bliebe, wäre jedenfalls die fruchtlose Auf­ forderung, der Versuch der Verleitung zu einem Ver­ gehen nach 8 30 nicht strafbar. Ich meine, man sollte hier eine allgemeinere Fassung wählen, so daß auch sicherer hervortritt, daß hier die allgemeine Aufforde­ rung, strafbare Handlungen zu begehen, gemeint ist. Ich habe in meinen schriftlichen Erklärungen schon hervorgehoben, daß ich eine Aufnahme der Bestimmung

im 8 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Gewährleistung des Rechtsfriedens über Einführung von Druckschriften, die den Tatbestand der 8§ 210 und 211 des S tra f­ gesetzbuchs erfüllen, nicht für veranlaßt halte, denn das scheint mir nur eine vorübergehende Bestimmung zu sein, die auch in der Sondervorschrift stehenbleiben kann, solange sie gelten soll. D er Landfriedensbruch, 8 172, umfaßt die T at­ bestände des 8 115 und des 8 116 Abs. 2 sowie des geltenden Strafgesetzbuchs. Ich möchte mich dafür aus­ sprechen, im Gegensatz zu dem Herrn Mitberichterstatter, daß man die Zusammenfassung beläßt, weil die hier mit S trafe bedrohten Tatbestände meist beisammen liegen. Ich stimme also der Fassung zu. Hier ist für die Rädelsführer oder diejenigen, die ge­ walttätig geworden sind, nur Zuchthaus angedroht. Ich kann aus der P raxis sagen, daß es auch Fälle gibt, in denen Zuchthaus nicht unbedingt am Platze ist. Ich denke mir, daß der Referentenentwurf diese Strafandro­ hung gebracht hat, weil er noch auf dem Standpunkt stand, daß allgemein mildernde Umstände eingeführt werden, so daß dann auch Gefängnis zulässig wäre. Da wir mildernde Umstände bis jetzt wenigstens aus­ geschlossen haben, so würde ich vorschlagen, hier wahl­ weise Gefängnis nicht unter einem Jahre anzudrohen. D as wäre eine Verdoppelung der bisherigen Mindest­ strafe bei mildernden Umständen. Ich glaube auch, man sollte die Bestimmung hereinnehmen, daß derjenige wie ein Rädelsführer oder wie ein gewalttätig Gewordener bestraft wird, der sich einer Waffe bedient. Ich weise auf 8 5 Abs. 2 Ziffer 2 der Verordnung vom 28. Fe­ bruar 1933 zum Schutze von Volk und S ta a t hin. Die Begründung dafür ist die, daß der M ann gefährlicher ist- auch im Abschnitt Körperverletzung haben w ir bei Schlägereien diese Gefährlichkeit besonders anerkannt. Ich würde also den Abs. 1 lassen, wie er ist, und als Abs. 2 vorschlagen: Die Rädelsführer werden mit Zuchthaus und Gefängnis nicht unter einem J a h r bestraft. Ebenso wird ein anderer Beteiligter bestraft, der sich einer Waffe bedient oder durch eine Gewalttat einen Menschen in ernste Gefahr für Leib und Leben gebracht oder großen Sachschaden angerich­ tet hat. Zu 8 173, Sprengen einer Versammlung, habe ich weiter nichts zu sagen. Ich schließe mich der Ansicht des Herrn Mitberichterstatters an, daß man den Abs. 2 entbehren kann, weil er, alles in allem genommen, nur einen Versuch zu Abs. 1 darstellt und danach schon ge­ nügend betroffen wird. D er 8 174 deS Referentenentwurfs behandelt den Auflauf. Ich würde dm Auflauf, wie schon allgemein gesagt, hier in diesem Abschnitt stehenlassen und stimme dem Vorschlag des Referentenentwurfs zu. Ich würde hier auch die Haftstrafe zulassen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as wäre im übrigen obligatorisch, denn es ist bisher die Meinung der Kommission, daß, wenn Gefängnis oder Geldstrafe — meist alternativ — angedroht ist, auch die Haft zu­ lässig sein muß. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (Nürn­ berg): Dann würde das ja ohne weiteres mit getroffen werden.

Z u dem Abs. 2 der §§ 169, 174 möchte ich sagen, daß ich die hier gesetzten Bedingungen fü r die S tr a f b a r ­ keit als ric h tig ansehe. S in d diese Bedingungen nicht e rfü llt, so soll auch der T ä te r nicht strafbar sein. M a n soll es hier nicht d a ra u f ankommen lassen, ob der T ä te r etwas nicht als rechtmäßig angenommen hat, sondern wenn die A nordnung oder tue V ero rdnu ng w irklich nicht rechtsgültig oder nicht rechtmäßig oder die A u f­ forderung nicht zulässig w a r oder die Zuständigkeit des Befehlshabers, der die A uffo rderung gibt, nicht be­ standen hat, dann soll der T ä te r auch nicht bestraft werden. Z u m § 175, staatsfeindliche Verbindungen, hatte ich frü h e r vorgeschlagen, ihn hier herauszunehmen. Ic h habe bereits erw ähnt: ich habe nichts dagegen, daß er hier stehenbleibt, da er doch manches enthält, w as auch hierher gehört. Z u den Vorschlägen des Referenten­ en tw urfs habe ich sonst nichts zu sagen, außer zu dem letzten Absatz. D e r H e rr M itberichterstatter ha t vorge­ schlagen, den Absatz zu streichen. Ic h glaube aber, daß man ih n aus krim inalpolitischen Gründen nicht gut entbehren kann. D a s ist ja gestern schon gestreift w o r­ den. Ic h betone, daß hier ein großer Unterschied gegen­ über dem Vorschlage des H e rrn O berstaatsanw alts R eim er zur Frage der Bestechung besteht. H ie r soll Anzeige erstattet werden, bevor etwas geschehen ist. M a n w ill dem B e teiligte n einen Anreiz geben, sich S tra flo s ig k e it zu sichern, indem er alles verhindert. D o r t sollte aber erst die Bestechung vollständig vorge­ nommen sein und hinterher wieder gutgemacht werden. Es w ird , um hin te r derartige Verbindungen zu kommen und Kronzeugen zu gewinnen, notwendig sein, hier einm al ausnahmsweise im Gegensatz zu den sonstigen Bestimmungen über den R ü c k tritt eine S tra flo s ig k e it zu­ zusichern. D a s gleiche g ilt auch fü r die nächste Bestim m ung, § 176 letzter Absatz. Es handelt sich im § 176 um Verbindungen zu V e r­ brechen w id e r das Leben. Diese Bestim m ung ist schon im § 4 9 b des Strafgesetzbuchs auf G ru n d der N o t­ verordnung vom 19. Dezember 1932 enthalten und soll hier übernommen werden. Ic h glaube nicht, daß der § 31 unseres E n tw u rfs sie überflüssig macht, w e il d o rt n u r die V erabredung bestimmter Verbrechen m it S tra fe bedroht ist, hie r aber eine allgemeine V erabredung von S tra fta te n , die noch nicht bestimmt, aber M o rd ' und Totschlag, Verbrechen w ider das Leben sind, unter S tra fe gestellt w ird . Ic h stimme dem Vorschlage zu, meine aber, die fü r besonders schwere Fälle angedrohte Zuchthausstrafe sollte nach oben hin unbegrenzt sein. D em § 177 des Referentenentwurfes, der den B e g riff der bewaffneten Haufen enthält und dem § 127 des geltenden Rechts entspricht, stimme ich zu. W as die Bestim m ung im § 179 — Landzwang — anlangt, so sollte m an hier die A ndrohung von S t r a f ­ taten gleichwie von G ew alttätigkeiten überhaupt unter S tra fe stellen, wenn sie in einer Weise, die geeignet ist, in der Bevölkerung Angst ober Schrecken zu erregen, geschieht. H ie rm it sollte man aber, wie auch der H e rr M itberichterstatter vorgeschlagen hat, das Ausstreuen falscher Gerüchte verbinden. Ic h würde vorschlagen, den § 179 vielleicht so zu fassen: »W er in einer Weise, die geeignet ist, in der Bevölkerung Angst oder Schrecken zu erregen, S tra fta te n oder G ew alttätigkeiten androh t oder falsche Gerüchte ausstreut, w ird m it G efängnis

bestraft.« D ie Tatsache, daß die A ndrohun g geeignet sein muß, Angst oder Schrecken zu erregen, ist ein ge­ nügendes H in d e rn is fü r die allzu werte Anwendung dieser Bestim m ung, so daß h ie r auch das Ausstreuen falscher Gerüchte m it hereingenommen werden kann. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ic h danke den Herren B erichterstattern und möchte nun bitten, die Aussprache darüber zu beginnen und, wenn irgend möglich, sich an die Methode zu halten: Bezeichnung des Abschnitts, Zusammenfassung der M a terie, und rw a r am besten an der H and des E n tw u rfs , wobei m an dann ausscheiden und zusehen sollte: was soll hinzu­ kommen, was soll aus anderen Abschnitten oder etwa an neuen Tatbeständen hereinkommen? A n neuen T a t ­ beständen haben w ir bis jetzt n u r drei zur Diskussion: einm al das O uerulantentum , dann den falschen A la rm und schließlich die Volksverhetzung, um es so zu be­ zeichnen. Professor D r . D a h m (K ie l): A ls Überschrift fü r den neuen Abschnitt möchte ich vorschlagen »Gefähr­ dung des öffentlichen Friedens« oder »Friedensgefähr­ dung«. Es handelt sich in allen Fällen um öffentlich begangene S tra fta te n , die den Volksfrieden gefährden. D ie Ü berschrift » S tö ru n g der öffentlichen O rdnung« scheint m ir zu fa rblos und allzu unbestimmt. M a n kann zweifeln, ob die jetzt im 9. Abschnitt ent­ haltenen Bestimmungen sämtlich in diesen Abschnitt hineingehören. Diese Zw e ifel scheinen m ir namentlich gegenüber den §§ 169 bis 171 (§ § 1 1 0 und 111 des geltenden Strafgesetzbuches) begründet. Es spricht manches d a fü r, daß diese P ara grap hen in den A b ­ schnitt »Auflehnung gegen die S taatsgew alt« a u f­ genommen werden. D enn in diesen Fällen w ird eben die A u to r itä t des S taates an sich in Frage gestellt. Ic h möchte daher unter Preisgabe meiner R ichtlinien dem H e rrn G rafen Gleispach folgen und vorschlagen, daß die § § 1 6 9 bis 171 in den 8. Abschnitt übernom­ men werden. A u f der andern S eite verm iß t man im 9. Abschnitt gewisse Bestimmungen, die das bisher geltende Strafgesetzbuch enthielt. Zunächst scheint m ir zweifelhaft, ob es richtig ist, auf den § 130 des Strafgesetzbuchs, also die Bestim m ung gegen K l a s s e n h e tz e, zu verzichten und eS bei dem allgemeinen Tatbestand des § 171 bewenden zu lassen. D ie Klaffenhetze ist ein in der Volksanschauung leben­ diger, in sich geschlossener Tatbestand, der auch fü r sich unter S tra fe gestellt werden sollte. Ferner ist zu erw ä­ gen, ob nicht eine Bestim m ung nach A r t des § 13 0a S tG B , notw endig ist. Es handelt sich da um typische A n g riffe geaen die G rundlagen des neuen S taates, die unter besonders schwere S tra fe zu stellen sind. Ic h bin aber nicht davon überzeugt, daß eine B e ­ stimm ung gegen den M i ß b r a u c h v o n N o t ­ z e i c h e n und dergleichen in diesen Abschnitt hineingehört. W enn z. B . jemand im Zuge die Notbremse zieht, um sich einen Scherz zu machen, oder wenn ein S tude nt eine Feueralarm vorrich tung zerschlägt, so liegt d a rin keine Verletzung des Volksfriedens. D a s sind Fälle des groben U nfugs, allen falls D elikte gegen die V e rw a ltu n g , die hier nicht erscheinen sollten. D a s Querulantendelikt gehört ebenfalls in den Abschnitt über A n g riffe gegen Rechtspflege und V e r­ w a ltu n g hinein.

Ich darf dann kurz zu den einzelnen Tatbeständen des Referentenentwurfs übergehen: W as zunächst den § 169 angeht, so bin ich m it dem H errn Grafen Gleispach der Meinung, daß die preußische Denkschrift ?iU weit geht. Eine A u f f o r d e r u n g z u v o l k s ­ s c h ä d l i c h e m V e r h a l t e n schlechthin darf nicht unter S tra fe gestellt werden, weil die Tragweite einer solchen Bestimmung völlig unübersehbar wäre. D a r­ unter fiele die Aufforderung zum wirtschaftlichen Boy­ kott, die A gitation fü r den E in tr itt oder Nichteintritt in Verbände, Vereinigungen usw., also eine Fülle von verschiedenartigen, schwer übersehbaren Lebensvor­ gängen. Von großer Bedeutung ist die Entscheidung über § 169 Abs. 2, also die Frage, ob die Verordnung, zu deren Nichtbefolgung aufgefordert w ird , rechtmäßig sein muß oder nicht. Diese Fragen werden uns bei der Beratung des 8. Abschnitts »Widerstand gegen die Staatsgewalt« noch eingehender beschäftigen. D o rt ist die Frage, ob der Beamte, dem Widerstand geleistet w ird , sich in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes be­ finden muß oder nicht. D ahinter steht die grundsätz­ liche Frage: H at der Staatsbürger, und in welchen Grenzen, hat der einzelne fehlerhafte Anordnungen zu respektieren? — eine Frage, die das Strafrecht nur in Übereinstimmung m it dem Staats- und Verwaltungs­ recht lösen kann. Grundsätzlich muß heute das W ider­ standsrecht (wenn man diesen Ausdruck überhaupt ge­ brauchen w ill) soweit wie nur irgend möglich ein­ geengt werden. Es entspricht dem Wesen des neuen autoritären Staates, daß Verordnungen, Verfügungen usw. grundsätzlich anerkannt werden, es sei denn, daß der Staatsakt durch dm Fehler den Charakter eines Staatsakts völlig verliert. Deshalb würde ich auf § 169 Abs. 2 und auf § 174 Abs. 2 verzichten. Ob § 170, also die Bestimmung gegen » A u f f o r ­ d e r u n g z u r S t e u e r v e r w e i g e r u n g « not­ wendig ist, bedarf der P rü fu ng . D a § 169 auch fü r die Aufforderungm zum Widerstand gegen behördliche Anordnungen g ilt, könnte zweifelhaft sein, ob es Fälle der Aufforderung zur Stmerverweigerung gibt, die nicht schon unter § 169 fallen. Diese Frage ist aber zu bejahen. Wenn man nämlich der bisherigen Recht­ sprechung zu Z 110 S tG B , folgt, dann fa llm n u r solche Fälle unter § 169, in denm oer T äter die A u to ritä t des Gesetzes und oes Staates an sich gefährdet. Be­ straft w ird also nicht die .Aufforderung zu einer gesetz­ widrigen Handlung schlechthin, sondern Voraussetzung ist, daß die Nichtbefolguna eines gesetzlichen Befehls die Mißachtung der staatlichen A u to ritä t als solchen zum Ausdruck bringen soll. D ie Nichtbefolgung oes Gesetzes muß also Selbstzweck sein. Nun kann die Steuerverweigeruna allerdings dm S in n habm, daß die Berechtigung oer Steuererhebung überhaupt in Frage gestellt uno gegen die Steuergesetzgebung demon­ striert werden soll. Doch ist das keineswegs notwen­ dig. Vielmehr brauchm w ir dm § 170 fü r die Fälle, in denen die T äter nicht die Absicht haben, die A u to ri­ tä t des Staates anzugreifm, sondern wirtschaftliche oder andere Gründe habm, die durch § 169 nicht erfaßt werden. Ich nehme an, daß eine Erweiterung über § 169 hinaus in dieser Richtung beabsichtigt ist. (Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ja.) D a n n muß man § 170 stehenlassen.

D e r § 1 7 1 , die Bestimmung gegen die A u f f o r ­ der u n a z u r B e g e h u n g s t r a f b a r e r H a n d ­ l u n g e n , ist unentbehrlich. D ie Vorschrift bezieht sich nicht auf die Anreizung bestimmter Personen zur Begehung bestimmter strafbarer Handlungen, sondern sie g ilt fü r die allgemeine Aufforderung unbestimmter Personen zur Begehung strafbarer Handlungen. Es ist zu überlegen, ob man nicht nach dem Vorbilde des ita lie ­ nischen Straftechts auch noch die Verherrlichung straf­ barer Handlungen einbeziehen soll. D a rin liegt nicht notwendig auch eine Aufforderung zur Begehung von Straftaten. D e r § 173, die Bestimmung gegen das S p r e n en v o n V e r s a m m l u n g e n , scheint m ir entehrlich. Heute besteht Wohl kein Bedürfnis mehr nach einem besonderen strafrechtlichen Schutz der Versamm­ lungsfreiheit. M a n würde hier m it den allgemeinen Bestimmungen fü r die politischen Delikte und über die Nötigung auskommen. Ic h möchte also die Streichung des § 173 anregen. D ann noch em W o rt zu § 175, der Vorschrift über staatsfeindliche Verbindungen. M an muß versuchen, die schwerfällige Fassung des Abs. 1 zu vermeiden, und sollte auch hier dem richterlichen E r­ messen einen gewissm Spielraum lassen. Nicht nur in der Überschrift, sondern auch im Tatbestand selbst sollte man von »staatsfeindlichen Verbindungen« sprechen. I m Abs. 2 ist das W o rt »insgeheim« ver­ fehlt. Es w ird zwar nicht häufig vorkommen, daß solche Verbindungen sich öffentlich betätigen. Wenn das aber der F all ist, dann besteht erst recht ein Bedürf­ nis nach strafrechtlichem Schutz. Ich würde also das W o rt »insgeheim« im Abs. 2 streichen. (Reichsjustizminister D r . G ürtner: I n beiden Fällen?) -2 a . D ie Bestimmung des § 177 gegen die B i l d u n g b e w a f f n e t e r H a u f e n scheint m ir recht fra g ­ würdig. Ic h bezweifle, daß diese Bestimmung praktische Bedeutung hat, und möchte zur Erwägung stellen, ob diese Vorschrift nicht gestrichen werden kann. I n der Regel w ird eine Vorbereitung zum Hochverrat vorlie­ gen. D ie Vorschrift hätte n u r Bedeutung fü r den Fall, daß jemand zu anderen als hochverräterischen Zwecken, also ohne die Absicht, die Grundordnung oes Staates zu gefährden, bewaffnete Haufen bildet, oder dann, wenn man dem Täter eine solche Absicht nicht nachweisen kann. Aber ein wirkliches Bedürfnis nach der Aufnahme einer derartigen, auch sprachlich sonder­ baren Bestimmung besteht doch wohl nicht. I m § 179 würoe ich auf das W o rt »gemeingefähr­ liche« verzichten. Wenn in der Bevölkerung Angst oder Schrecken hervorgerufen werdm, würde ich die A ndro­ hung von Vergehen allgemein unter S tra fe stellen, also zum Beispiel auch den F a ll zu erfassen suchen, daß K ö r­ perverletzungen angedroht werden und dadurch Be­ unruhigung in die Bevölkerung hineingetragen w ird . Sehr glücklich scheint m ir der Gedanke des Herrn Grafen Gleispach, daß auch das Verbreiten von Gerüch­ ten unter S tra fe gestellt werden soll. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r:. Meine Herren! W m n nicht beliebt w ird , jetzt das W o rt zu nehmen, dann da rf ich vielleicht selber einmal versuchen, die bis­ herigen Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen zusammenzufassen. Was zunächst die Überschrift an-

langt, so ist vorgeschlagen w orden, als Überschrift zu w ählen: » S tö ru n g des öffentlichen Friedens« statt der Llberschrift: » S tö ru n g der öffentlichen O rdnung«. D ie Ersetzung des W ortes »O rdnung« durch daS W o rt »Frieden« scheint m ir richtig zu sein. Aber ob w ir nicht statt »öffentlichen Friedens« am Ende sagen sollten: »Volksfriedens«? (Professor D r . N agler: »Angriffe auf den Rechts­ frieden der Volksgemeinschaft«!) — E s ist nicht der Rechtsfriede, es ist der tatsächliche Friede/ es ist die Nachtruhe der Bevölkerung, wenn m an so sagen w ill. M ir w äre der Ausdruck » S tö ru n g des öffentlichen Friedens« durchaus sympathisch. (Professor D r. N agler: » S tö ru n g des Volks­ friedens« oder » S tö ru n g des Friedens der Volks­ gemeinschaft« !) Vielleicht entscheiden w ir uns für die Fassung: » S tö ru n g des Volksfriedens«. H err Professor D ah m w ird dagegen auch keine E rinnerung haben. (Professor D r. D ah m : Nein!) — Jedenfalls möchte ich in der Überschrift das W o rt »Recht« nicht gebrauchen. W a s nun zunächst den § 169 anlangt, bei dem im Anschluß hieran das volksschädliche V erhalten zu er­ örtern w äre, so ist die M ehrzahl der H erren, die sich ausgesprochen haben, der M einung, daß m an das hier nicht anbringen sollte, sondern in einem anderen Ab­ schnitt, in dem von der Auflehnung gegen die S t a a t s ­ gew alt die Rede ist. W er das w ill, m uß dasselbe fü r 170 wollen. D e r Unterschied zwischen § 169 und 8 170 ist von H errn Professor D ah m meines E rachtm s richtig herausgestellt worden. N un kommt eine F rage, die von größerer W ichtig­ keit ist. S ie betrifft § 169 und § 174 Abs. 2, wo als B edingung der S trafb ark eit festgelegt ist, daß die V e r­ ordnung rechtsgültig, die A nordnung rechtmäßig, die A ufforderung zulässig w ar. D a s ist nun eine Frage, in der sich die Auffassungen, glaube ich, kontradiktorisch gegenüberstehen. Professor D r . Nagler (B reslau): Ich möchte mich gegen den Abs. 2 sowohl im § 169 wie im § 174 wenden, und zw ar au s folgenden G ründen. Ich verkenne durch­ aus nicht, daß § 169 Abs. 2 die bisherige P ra x is des Reichsgerichts wiedergibt. Es handelt sich um zwei Entscheidungen aus älterer Z eit. D a rin h at das Reichs­ gericht ausgeführt: beim »Gesetz« kommt es nicht d a r­ aus an, ob es gültig und verbindlich w a r oder nicht, wohl aber bei Set V erordnung, bei dem V erw altun gs­ befehl, bei der V erw altungsverfügung. Diese D ifferen­ zierung w ird hergeleitet aus der Textierung, weil es im § 110 des Strafgesetzbuchs heißt: »zum U ngehor­ sam gegen Gesetze oder rechtsgültige V erordnungen« — von »rechtsgültigen Gesetzen« w a r ja nicht die Rede — , »oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen A nordnungen«. Nach meinem D afü rh alten eine rein form ale In te rp re ta tio n ! Ein tieferer S in n ist für mich wenigstens d arin nicht zu finden, daß m an das Gesetz anders wie die V erord­ nung behandeln w ill. Nach meinem D afü rhalten liegt die Sache so: es kann sein, daß die Rechtsverbindlichkeit eines einzelnen Gesetzes, z. B . eines Landesgesetzes, sehr zweifelhaft ist/ es kann etwa im W iderspruch zu einem Reichsgesetz stehen. W ir haben doch noch eine ganze 32.

M enge von alten Landesrechten, und m an kann zwei­ feln, ob die eine oder andere Bestim m ung noch gilt. W ir wollen einm al annehmen, die Sache sei so, daß m an den Instanzenzug in der V erw altung oder auch im Rechtsweg erschöpft hat, aber eine höchstrichterliche Entscheidung, etw a des Reichsgerichts, bisher nicht her­ beiführen konnte. D a h at m an sich bisher bisweilen so geholfen, daß m an zum Ungehorsam gegen das Gesetz aufforderte, und h at auf diese Weise oie Entscheidung des Reichsgerichts über die Gültigkeit der Rechtsnorm herbeizuführen gesucht. Ich finde d arin nichts allzu Schlim m es. W enn der T ä te r voll davon überzeugt ist, daß das Gesetz wirklich nicht gilt, so fü h rt er doch eigent­ lich einen K am pf fü r das Recht. D a ß w ir ihn unbe­ dingt nach § 169 bestrafen müßten, w ill m ir nicht ein­ leuchten. Ich möchte d arau f hinweisen, daß auch immer noch der dolus eventualis in B etracht kommt. D aß jemand, der absolut sicher ist, daß das Gesetz nicht g ilt, der sich vielleicht durch alle möglichen Gutachten dessen vergewissert h at und der nun zum Ungehorsam gegen dieses nach seiner ehrlichen M einung absolut unverbind­ liche Landesgesetz auffordert, schlechthin nach § 169 be­ straft werden soll, will m ir, offengestanden, nicht ge­ recht erscheinen. D a s widerspricht doch im Grunde ge­ nommen unserem D olusbegriff, der das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit in sich aufgenommen h at. Ähnlich scheint es m ir m it § 174 Abs. 2 zu sein. Ich glaube wirklich nicht, daß hier ein Bruch mit dem au toritären Zuschnitt unseres heutigen S ta a te s vor­ liegt. Also würde ich anheimgeben, doch sehr zu er­ wägen, ob w ir nicht die objektive Strafbarkeitsbedin­ gung, die jetzt im § 169 enthalten ist, streichen sollten. Reichsjustizminister D r . Gürtner: S ie wollen also dm Gedanken verschärfen, indem S ie ihn zum T a t­ bestandsmerkmal erheben? Professor D r. Nagler (B reslau): Nein, die Sache ist doch so: jetzt ist jede A ufforderung zum Ungehorsam gegen ein Gesetz strafbar, ganz gleichgültig, ob das Ge­ setz gilt oder nicht. (W iderspruch.) Reichsjustizminister D r. Gürtner: Nack dem E n t­ w u rf doch nicht! I m Abs. 2 steht als objektive Bedin­ gung der S trafb ark eit, daß die T a t nur strafbar ist, wenn die V erordnung rechtsgültig oder die A nordnung rechtsmäßig ist. J (M inisterialdirektor Schäfer: D a s ist die objek­ tive B edingung der S trafb ark eit!) Professor D r. Nagler (B reslau): Ich m uß gestehen, daß ich dann Abs. 2 mißverstanden habe. Ic h habe ihn in dem S in n e aufgefaßt, daß die jetzige P ra x is bei­ behalten werden soll. (Professor D r. G ra f Gleispach: Nein, im Gegenteil!) Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ich habe im Gegenteil den Eindruck, H err Professor N agler, daß der Abs. 2 Ih re n Wünschen weit entgegenkommt. (Professor D r. N agler: Aber nicht fü r die Gesetze!) — D a rf ich vielleicht einm al versuchen, diesen T a t­ bestand an einem Beispiel klarzumachen. Eine örtliche Polizeibehörde trifft die A nordnung, daß ein bestimm­ tes W irtsh au s, das im Besitz eines Ju d en ist, nicht besucht werden darf. Diese A nordnung ist nicht etwa 9

durch Sicherheitsgründe oder sonst etwas begründet, sondern ist ein klarer wirtschaftlicher Boykott, der von der Ortspolizeibehörde ausgegeben worden ist. Wenn es nun heißt: »Wer öffentlich zur Auflehnung gegen eine rechtsmäßige Anordnung auffordert....... «, so würde derjenige, der öffentlich zur Auflehnung gegen diese Anordnung auffordert, nicht strafbar sein, weil die Anordnung nicht verbindlich ist. Professor D r. Nagler (Breslau): Za! Ich bin der Meinung, daß die Aufforderung zur Auflehnung gegen unverbindliche Gesetze straflos wäre. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Jetzt verstehe ich Sie. Sie wollen im Abs. 2 als Bedingung der S traf­ barkeit auch verlangen, daß das Gesetz rechtsungültig w ar. Profeffor D r. Nagler (Breslau): D as akzeptiere ich zweifellos. Es ist mir nur die Differenzierung zwischen Gesetz auf der einen Seite und behördlicher Verordnung oder Verfügung auf der anderen Seite zuwider. Ministerialdirektor Schäfer: Wenn ich die bisherige Rechtsprechung richtig kenne, gibt § 169 gerade das wieder, was dem bisherigen Rechtszustand entspricht/ denn bezüglich der Gesetze verlangte auch das Reichs­ gericht bisher nicht den dolus bezüglich der Rechts­ gültigkeit, sondern nahm bezüglich der Gesetze eine Be­ dingung der Strafbarkeit an/ nur bei den Verord­ nungen war es zweifelhaft. Hier wird doch jetzt er­ reicht, daß, wenn es sich um die Aufforderung zur Auf­ lehnung gegen Gesetze handelt, schlechterdings, einerlei ob das Gesetz gültig ist oder nicht, die Bestrafung ein­ tritt. (Profeffor D r. Nagler: Dagegen wende ich mich!) Dagegen bei Verordnungen und behördlichen Anord­ nungen wird als objektive Bedingung der Strafbarkeit verlangt, daß die Verordnung, daß die behördliche Anordnung gültig ist. Hier so weit zu gehen, wie Herr Profeffor Dahm vorschlägt, also auch bei einer ungültigen behördlichen Anordnung, die doch die An­ ordnung einer untersten lokalen Stelle sein kann, stets Bestrafung eintreten zu lasten, steht doch mit dem Rechtsbewußtsein weitester Kreise meines Erachtens nicht im Einklang. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D er Streitstand ist vollkommen klar. Die letzte Bemerkung konnte sich nur gegen Herrn Professor Dahm richten/ denn das liegt ja in Ih re r Linie, Herr Professor Dahm. (Professor D r. Dahm: Ja !) Vizepräsident Grau: Ich bin auch der Auffassung, daß sehr richtig im § 169 ein Unterschied gemacht ist zwischen Gesetz, Verordnung und Anordnung. Es geht nicht an, daß zur Auflehnung gegen ein Gesetz öffentlich aufgefordert wird, ganz ohne Rücksicht darauf, ob dieses Gesetz rechtmäßig ist oder nicht. Anders ist es natürlich bei Anordnungen. D a ist es sehr wohl denk­ bar, daß Anordnungen ergehen, die ungültig sind und unrechtmäßig erlassen sind. Hier würde es dem Rechtsbewußtsein des Volkes widersprechen, wenn jemand, der sich gegen eine solche Anordnung aufgelehnt oder zur Auflehnung öffentlich aufgefordert hat, be­ straft werden sollte. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Herr Kollege, den § 171 bitte ich jetzt nicht zu berühren. D as ist eine ver­

zwickte Materie, die wir allein behandeln müssen. Bleiben wir bei § 169 mit dem Annex »Volksschäd­ liches Verhalten«! Vizepräsident Grau: Ich hätte zu § 169 noch einen Vorschlag. Es ist zu fragen, ob man in § 169, wie Herr Profeffor Dahm zu § 171 vorgeschlagen hat, ent­ sprechend dem italienischen Gesetz nicht nur das Auf­ fordern und das Anreizen, sondern auch das Billigen oder Verherrlichen — das italienische Gesetz sagt: preisen und sich dafür einsetzen — aufnehmen soll. Ich könnte mir denken, daß dieses Billigen und Verherr­ lichen auch bei § 169 m Frage käme. Leute, die geschickt sind, fordern eben nicht dazu auf, sondern reden darum herum, billigen öffentlich eine solche Auflehnung gegen ein Gesetz, verherrlichen vielleicht auch die Auflehnung/ eine Aufforderung im Sinne des Gesetzes wird aber häufig nicht nachweisbar sein. (Reichsjustizminister D r. Gürtner: Aber ein Anreizen!) — J a , auch beim Anreizen ist das immerhin zweifel­ haft. M an kann durchaus verherrlichen und trotzdem nicht dazu anreizen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Aber ich meine: wenn ich — um im Rahmen des § 171 zu sprechen — ein Verbrechen verherrliche und nicht dazu anreize, auch nicht anreizen will, so können wir das doch nicht in das Strafgesetzbuch hineinnehmen. Vizepräsident Grau: Ich will anreizen. Ich bin nur geschickt und lasse das nicht nach außen hin hervor­ treten. Aber ich billige die Auflehnung und verherr­ liche sie. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Aber doch zu dem Zwecke, um bei anderen Leuten Stimmung zu machen! (Vizepräsident Grau: Sicherlich!) Sonst müßten wir die Aufführung von »Wilhelm Teil« schließlich strafrechtlich wegen Verherrlichung eines Mordes verfolgen. (Heiterkeit und Zurufe.) Ministerialdirektor Schäfer: Es ist ganz interessant, § 10 M s. 1 des Sprengstoffgesetzes einmal zum Ver­ gleich heranzuziehen. I n 8 10 M s. 1 des Sprengstoff­ gesetzes heißt es: Wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder durch Verbreitung oder Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften zur Begehung einer der in den 88 5 und 6 bezeichneten strafbaren Handlungen auffordert-----I n Abs. 2 wird dann gesagt: Gleiche Strafe trifft denjenigen, der auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer der in Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen ins­ besondere dadurch anreizt oder verleitet, daß er dieselben anpreist oder als etwas Rühmliches dar­ stellt. D a ist also der Gedanke verwirklicht, daß das An­ preisen und Rühmen eines der mittelbaren M ittel der Aufforderung und des Anreizend ist. Vizepräsident Grau: Ich dachte nur an die Beweis­ schwierigkeiten, die entstehen, wenn man nur das An­ reizen bestraft. S o ist es natürlich sehr viel klarer, als es im Sprengstoffgesetz steht.

Neichsjustizminister D r. Gürtner: Daß wir bei ß 171 auf die Glorifikation zu sprechen kommen werden, ist schon durch eine Bemerkung von vorhin angedeutet worden. Vielleicht liegt die Frage dort etwas näher. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Ich wollte zu den §§169 Abs. 2 und 174 Abs. 2 sprechen und für die Aufrechterhaltung der Fassung des Referentenentwurfs eintreten. Die Streichungsvorschläge der Herren Dahm und Nagler sind, wie mir scheint, aus entgegengesetzten Gründen gemacht worden. Herr Professor Dahm wollte strenger sein als der Referentenentwurf, Herr Professor Nagler milder. Ich glaube, daß wir, wenn wir die Absätze streichen, strenger werden. D as, was der Entwurf wollte, w ar doch einfach eine Legalisierung der Reichsgerichtspraxis, die aus Sinn, Zweck und Ent­ stehungsgeschichte der §§ 110 bis 113 herausliest, daß die Rechtsgültigkeit der Verordnung kein »Tatumstand« sei, auf den sich gemäß § 59 der Vorsatz beziehen müsse. D aß eine derartige Ignorierunb der gesetzlichen I rr tumsbestimmung nicht mehr nötig ist, erreicht der Re­ ferentenentwurf durch die Herausnahme dieser Rechtsbültigkeitsvoraussetzung aus dem Tatbestand und durch ihre Ausgestaltung als Bedingung der Strafbarkeit. Der Referentenentwurf scheint mir also vollkommen korrekt zu sein. Die Rechtsgültigkeit auch objektiv zu streichen, würde auch m ir nicht richtig scheinen. Der Herr Reichsminister hat schon Beispiele angeführt, bei denen mein Rechtsgefühl dahin reagiert, daß man sich gegen tatsächlich ungültige Anordnungen in der doch harmlosen Weise der Aufforderung zum Ungehorsam allerdings wehren darf. Wieweit ein Widerstand im Sinne des heutigen § 113 mlässig ist, ist erst später zu erörtern. Ich nehme an, daß zu § 175 noch nicht ge­ sprochen werden soll. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Nein, ich wollte nur auch das volksschädlichc Verhalten ein wenig in die Debatte ziehen. Der Gedanke der preußischen Denk­ schrift liegt sehr stark nach der Richtung der diskretio­ nären Rechtsfindung, der freirechtlichen Lösung. W ir haben auch versucht, diesem Gedanken eine Fassung zu geben. W ir sind dabei davon ausgegangen, daß ein volksschädliches Verhalten, das nicht eine Auflehnung gegen irgendeine Anordnung ist, an sich schwer vorzu­ stellen ist. (Senatspräsident Professor D r. Klee [Berlin]: Z. B. die Aufforderung, dem Reichsluftschutzbund nicht beizutreten. D a handelt es sich nicht um eine behördliche Anordnung.) — D as ist keine behördliche Anordnung. Wenn man das aber will, dann muß man sehr stark herausheben, daß der Betreffende weiß: das, wozu er auffordert oder anreizt, schädigt die Volksgemeinschaft. D as müßte man dann in den Tatbestand hineinnehmen. Eine ganz aus dem Handgelenk gegebene approximative Fassung wäre etwa: wer öffentlich zu Maßnahmen auffordert, von denen er weiß, daß sie die Volksgemeinschaft schä­ digen, macht sich strafbar. Darüber ließe sich allen­ falls reden. (Senatspräsident Professor D r. Klee [©erlitt]: D as ist doch mehr ein Delikt gegen die Volkskraft, das wir in einem andern Abschnitt vielleicht erörtern könnten, vielleicht beim Schutz des öffent­ lichen Friedens.)

Professor D r. Dahm (Kiel): Es ist vielleicht nicht angebracht, den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit heute besonders in den Vordergrund zu stellen. Eine der­ artige Bestimmung ist zu unbestimmt. Ich könnte mir vorstellen, daß jemand sagt: es entspricht den In ter­ essen der Volksgemeinschaft, daß der Raffengedanke sich durchsetzt, der heute in Gesetzen, Verordnungen und Anordnungen selbst noch gar keinen Niederschlag ge­ funden hat. M an könnte sagen: wenn jemand heute öffentlich dazu auffordert, sich nicht an das Prinzip der Rasseneinheit zu halten und es als ein Vorurteil hinstellt, so ist das eine Aufforderung, die keineswegs außerhalb des Bereichs des Möglichen liegt. Ich halte es für unmöglich, daß derartige Auslegungen durch das Gesetz nahegelegt werden, bei aller Anerkennung des Prinzips. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich würde gegen die Aufnahme eines derartigen Prinzips sein. Ich selber kann mich dafür nicht sehr erwärmen, und zwar gerade wegen der Schivierigkeiten einer solchen allge­ meinen Formulierung. Die Hauptfälle trifft man da­ durch, daß die behördliche Anordnung gemeint ist. Bei der Suche nach Beispielen bin ich bis jetzt nur der Agi­ tation gegen den E intritt in den Reichsluftschutzverband begegnet. Dieser Einfall ist in einem Ministerialbüro geboren worden und macht jetzt die Runde. M inisterialrat Rietzsch: Der Denkschrift ist meines Erachtens darin beizutreten, daß eine Lücke vorliegt. Die Denkschrift erwähnt das Beispiel, es fordere jemand auf, nicht der NS-Volkswohlfahrt beizutreten. Es könnte auch jemand dazu auffordern, eine von der Reichsregierung empfohlene Sammlung für die Opfer eines Bergwerks- oder Eisenbahnunfalls nicht zu unter« stützen, etwa mit der Begründung, der S ta a t müsse selbst Mittel genug haben zu helfen, wenn er wolle. Es wäre auch an eine Aufforderung zu denken, den Wunsch des Rundfunks, die Lautsprecher abends leiser einzu­ stellen, aus irgendeinem Grunde nicht zu befolgen. Auf­ forderungen und Empfehlungen der Reichsregieruttg werden immer vorkommen/ sie nach A rt und Inhalt im voraus zu übersehen, ist nicht möglich. Die Lücke des Referentenentwurfs besteht darin, daß er nur A n ­ o r d n u n g e n der Reichsregierung schützt. Arbeitet aber die Reichsregierung aus wohlerwogenen Gründen mit Aufforderungen zu freiwilligem Tun, so muß auch verfolgt werden können, wer solche Aufforderungen sabotiert oder ihnen in ungehöriger Weise entgegen­ tritt. Wenn Herr Landgerichtsdirektor Leimer meint, es könne in derartigen Fällen mit den Mitteln der Ver­ waltung eingegriffen werden, so ist dies gewiß in manchen Fällen richtig/ so kann eine Zeitung, die D er­ artiges bringt, verboten werden. Vielfach 'wird aber ein 'Zeitungsverbot eine unverhältnismäßig einschnei­ dende Maßnahme sein/ eine Strafvorschrift wäre ein einfacheres Mittel der Abwehr. Die Strafvorschrift würde auch zum Schutze gegen Aufforderungen der fraglichen Art auf der Straße oder in Versammlungen zweckmäßig sein. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Der leitende Ge­ danke, der die preußische Denkschrift offenbar beherrscht, ist dieser: Es soll nicht einer durch die Maschen des Gesetzes hindurchschlüpfen können, wenn er ein gemei­ ner Kerl ist. D as ist der immer wiederkehrende Ge9*

danke der preußischen Denkschrift. Außerordentlich sympathisch! Aber ich fürchte, die Form ulierung wird nicht ganz leicht sein. Professor D r. D ahm (Kiel): Liegt nicht ein W ider­ spruch darin, daß nicht allgemein bestraft wird, wer die Volksgemeinschaft schädigt, wohl aber, wer dazu auffordert? M an sagt doch auch nicht: wer zum Scha­ den des Volkes handelt, macht sich strafbar. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ganz schlüssig ist das ja nicht. D er Ungehorsam gegen die behördliche Anordnung ist in vielen Fällen auch nicht strafbar, wohl aber die öffentliche Aufforderung dazu. Professor D r. Mezger (München): Ich hätte noch ein anderes Bedenken gegen diese Bestimmung. Es ist mit Recht schon betont worden, daß, wenn sie aufgenommen würde, der subjektive Tatbestand außerordentlich stark in den Vordergrund gerückt werden müßte. D as ist kein empfehlender Gesichtspunkt. D ie ganze Be­ stimmung ist auch m ir zu wenig faßbar und führt auf dem Umweg über den subjektiven Tatbestand zu Erörte­ rungen, die eigentlich eher geeignet sind, die A utorität zu schädigen, als sie zu stützen. Reichsjustizminister D r. G ürtner: D arin liegt die Schwierigkeit. Meine aus dem Handgelenk gegebene Fassung: »wer öffentlich zu M aßnahm en auffordert, von denen er weiß, daß sie die Volksgemeinschaft schädigen«, ist nichts weiter als ein Versuch, dem Gedanken gerecht zu werden, daß man den subjektiven Tatbestand stark betonen muß. Ich bitte einmal bei dem Beispiel zu bleiben. Als die RS-V olksw ohlfahrt zum ersten M ale auf der S traße aufgetreten ist, hat sie, wie ich mich selbst überzeugt habe, gar keine Sym pathie gefunden. D ie Sam m el­ tische im Zentrum der S ta d t blieben leer. Die M ittel, die man als Anreizung zum Geben benutzte, die gar nicht ungeschickt w aren, sind erfolglos geblieben. Grund — ich habe das aus vielen Gesprächen gehört — : »Was ist das jetzt wieder für eine neue Sam m lung? W as ist denn eigentlich die RS-V olksw ohlfahrt? Haben Sie davon schon gehört? Ich gebe zu allem, z. B . zum W interhilfswerk- da weiß ich, wo das Geld hinkommt. Hier aber weiß ich gar nicht, wo das Geld hinkommt. Zu welchem Zweck dient das? D afü r gebe ich nichts!« D as ist ein Beispiel, das ich selbst mindestens zehnmal beobachtet habe. D as hat sich dann geändert, als das Publikum erfuhr, w as die RS-V olksw ohlfahrt sein will. V orher hatte sich das nicht herumgesprochen. Gesetzt nun den Fall, es würde jemand aus bester Meinung und Überzeugung der Auffassung sein, unter den vielen Sam m lungen, öie an ihn herantreten, wäre die eine oder andere nicht durchsichtig, da wisse man nicht, wo das Geld hinkäme, ob es nicht von den Ver­ waltungskosten verschluckt w ird und ob nicht bloß ein paar Menschen davon leben und die anderen wären nur ein Aushängeschild, — angenommen, das wäre seine beweisbare Überzeugung, dann könnte das doch nicht eine Aufforderung zu volksschädlichem Verhalten dar­ stellen, weil der M ann von sich aus ja behauptet, er tue etwas Gutes, wenn er die öffentliche Gebefreudig­ keit sich nicht in Zwecken verbrauchen lasse, die er nicht für richtig hält. D arin liegt die große Gefahr. Sind nun die Herren der M einung, daß diese Gefahr min­ destens beschränkt oder gebannt wäre, wenn w ir den

Tatbestand so formulieren: wer öffentlich zu M aß­ nahmen auffordert, von denen er weiß, daß sie die Volksgemeinschaft schädigen? Professor D r. G raf Gleispach (B erlin): H err Minister, ich habe einen anderen Versuch gemacht. D a ­ nach würde der Tatbestand ungefähr so lauten: wer böswillig dazu auffordert, eine von der Behörde empfohlene Veranstaltung zur Förderung des Volkswohles zu sabotieren. Reichsjustizminister D r. G ürtner: D as wäre eine Ausweitung des Gedankens der behördlichen Anord­ nung. D arüber ließe sich schon reden. (Senatspräsident Professor D r. Klee sBerlinf: E r muß aber auch den Vorsatz haben, daß es der Förderung des Volkswohles dient.) Professor D r. D ahm (Kiel): D as wäre doch eine Einengung/ denn dam it würde das formale m it dem materiellen M oment verbunden werden. D as würde nicht so weit gehen wie der jetzige § 369, der die Auf­ forderung zum Ungehorsam gegen Anordnungen und Verordnungen ohnehin trifft. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: D as ist ein M ißverständnis. D as wäre ein Zusatz.) Professor D r. G raf Gleispach (B erlin): D as wäre ein Zusatz zu Ziff. 2. Erstens darf man nicht zum Ungehorsam gegen eine behördliche Anordnung auf­ fordern. Jetzt hören w ir aber von vielen Veranstal­ tungen, die dem Dolkswohl dienlich sein sollen und die, wie H err M inisterialrat Rietzsch sagte, absichtlich in einer sehr klugen Taktik nicht vorgeschrieben, sondern nur empfohlen werden. D a handelt es sich um die Winterhilfe, die RS-Volkswohlfahrt und eine Fülle von anderen Einrichtungen. Auch die Gemeinschaft »Kraft durch Freude« gehört in diesen Rahmen, und das versuche ich jetzt durch einen Tatbestand zu erfassen, etwa in Ziff. 2 des § 169 oder anderswo: wer öffent­ lich böswillig dazu auffordert, eine von der Behörde empfohlene Veranstaltung zur Förderung des Volks­ wohles zu sabotieren. D er T äter muß wissen: die Veranstaltung soll zur Förderung des Volkswohles dienen, und die Behörde empfiehlt sie. Trotzdem fordert er öffentlich dazu auf, sich davon fernzuhalten. D as ist ein Tatbestand, der sich vertreten läßt. Professor D r.K ohlrausch (Berlin): Ich würde je­ denfalls von den beiden Vorschlägen dieser Fassung den Vorzug geben. W as aber den subjektiven Tatbestand betrifft, so bin ich m ir über eines noch nicht ganz klar. Genügt es, daß der T äter weiß: die V erordnung ver­ folgt den Zweck, das Volkswohl zu fördern, so daß seine Meinung, der Zweck, den sie verfolgt, werde in W ahrheit nicht erreicht, gleichgültig ist, oder gehört zum Vorsatz auch das Bewußtsein, daß er durch die Sabotierung das Volkswohl schädigt? Ich würde mich dem Vorschlag nur anschließen, wenn auch das letztere hinzugehört. Denn ich sehe nicht ein, w arum hier jede öffentliche Kritik — darauf kommt es hinaus — unter­ bunden werden soll. Ich möchte zur Erw ägung stellen, ob m an nicht einen Weg gehen kann, der den Gedanken noch weiter abschwächt, indem m an nämlich in e i n z e l n e n Fällen die Sabotierung von öffentlichen Aufforderungen unter S trafe stellt. H ier kommt z. B . auch die Raffengesetzgebung in Betracht. S ie enthält zum Teil leges imperfectae.

D ie Nichtbcfolgung gewisser Grundsätze ist an sich straflos, aber a u f 'd e r andern Seite d arf auch eine S ab otierun g nicht erlaubt sein. Bei derartigen grund­ sätzlichen Fragen, bei denen eine Strafsank tion für die Bevölkerung noch nicht gegeben ist und vielleicht auch in absehbarer Z eit nicht gegeben sein w ird, kann m an dem Gedanken vielleicht näher treten. Aber nur auf Einzel­ fälle beschränkt, würde ich ihn akzeptabel finden. Senatspräsident Professor D r . Klee (B erlin): Unbe­ dingt verhindert werden muß die S ab otag e von Empfehlungen der N egierung und der dazu berufenen Stellen, das Volkswohl nach irgendeiner Richtung zu fördern. D a kommt z. B . die eugenische Empfehlung in Frage, daß sich die Leute ein ärztliches Gesundheits­ zeugnis ausstellen lassen, bevor sie heiraten. Ich würde mich auch dem Vorschlag des H errn G rafen Gleispach anschließen, aber, abweichend von H errn Professor Kohlrausch, gerade m it der M aßgabe, daß der Vorsatz sich nicht d arau f zu beziehen braucht, daß die Empfehlung inhaltlich auch wirklich dem VolksWohl dient. W enn w ir es anders machen, wenn w ir den Vorsatz fordern, daß die M aßnahm e der R egierung wirklich dem Volkswohl dient, dann kommen wieder die unliebsamen E rörterungen zu Tage, von denen H err Professor Mezger vorhin bei dem Vorsatz in bezug auf die Volksschädlichkeit gesprochen hat. Es müßte also eine Form ulierung gefunden werden, die eine objektive Fassung auch nach dieser Richtung b ring t: wenn die R egierung davon überzeugt ist, daß das, w as sie v o r­ schlägt und empfiehlt, dem Dolkswohl dienlich ist, dann muß das gelten. D a kann der Einzelne nicht sagen: »3d) bin anderer M einung.« B ei § 169 Abs. 2 sind w ir doch wohl alle darüber einig, daß der Vorsatz des T ä te rs sich auf keinen Fall auf die Rechtsgültigkeit beziehen soll? (Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: Nein.) D a n n aber ist weiter die F rage, ob das E rfo rdern is der objektiven Rechtsgültigkeit am Platze ist. E s ist m ir zweifelhaft, ob die Rechtsgültigkeit aller V erordnungen verlangt werden muß. D ie behördliche A nordnung muß auf alle Falle rechtsgültig sein, denn sie w ird häufig auch von unteren O rganen erlassen, und es ist ganz unmöglich, solchen ungültigen Anordnungen Schutz zu gewähren. Aber wie ist es'denn heute m it den V erord­ nungen? Gesetze und V erordnungen werden in weitem Um fange von denselben Instanzen, und zw ar von den­ selben hohen Instanzen erlassen. W enn w ir bei den Gesetzen ein Noli me tangere aufrichten und unter allen Umständen die A ufforderung zum Ungehorsam bestrafen, dann müssen w ir meines Erachtens auch die A ufforderung zum U ngehorsam gegen V erordnungen schlechthin bestrafen. Es kann sehr zweifelhaft sein, ob eine Polizeiverordnung gültig ist oder nicht. D a s Kammergericht und das O berverw altungsgericht sind in diesem Punkte sehr verschiedener Ansicht. D a s Kamm ergericht h at viele V erordnungen fü r gültig erklärt, die das O berverw altungsgericht für ungültig erklärt hat, und auch umgekehrte Fälle sind vorgekom­ men. Ich glaube, daß m an bei der Zweifelhaftigkeit dieser M aterie nicht auf die objektive Rechtsgültigkeit abstellen kann. B ei behördlichen »A nordnungen« dagegen w ird das Recht zu ihrem E rlaß meistens nicht zweifelhaft sein, beispielsweise in dem Fall, den der 32.

H err Neichsminister vorhin erw ähnte. W ir müssen doch dabei auch an den staatsrechtlichen Zustand denken, daß heute Gesetze eigentlich in der F orm von V erord­ nungen erlassen werden. E s erlassen doch auch die zur Gesetzgebung berufenen Instanzen häufig Verordnungen. Ich d arf d ara n erinnern, daß früher die Königlichen V erordnungen in P reußen auch eine Sonderstellung gehabt haben/ bei ihnen durfte die Rechtsgültigkeit von den Gerichten nicht geprüft werden. Ich halte es vom heutigen staatsrechtlichen S tand pu nk t aus nicht für angezeigt, im zweiten Absatz des § 169 n u r von der Rechtsgültigkeit der V erordnungen zu sprechen, denn w as ihnen recht ist, müßte eigentlich auch den Gesetzen billig sein, weil die Gesetze heute genau so einfach erlassen werden wie die V erordnungen. N un kann die S t r a f ­ barkeit der A ufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze keinesfalls von ihrer Rechtsgültigkeit abhängig gemacht werden. D a s füh rt auch dahin, Gesetze und V erordnungen in der Weise gleichzustellen, daß weder bei jenen noch bei diesen die S trafb a rk e it der Aufforde­ rung zum Ungehorsam gegen sie an die Voraussetzung der Rechtsgültigkeit geknüpft w ird. M inisterialdirektor Schäfer: Z u diesem letzten P u nk t: Gewiß ist es richtig, daß es V erordnungen höchster Stellen gibt, die einem Gesetz sehr nahe stehen. Aber viel häufiger sind die V erordnungen lokaler Stellen. Auch in dem Beispiel, das der H err M inister gebraucht hat, handelt es sich ja doch um das Beispiel einer V er­ ordnung. (Z uruf: A nordnung!) — E s ist doch eine V erordnung, wenn verboten w ird, ein Lokal zu betreten, wenn eine lokale Behörde einem Christen verbietet, öffentlich m it N ichtariern zu verkeh­ ren, oder wenn gar von lokalen Stellen ein Verbot der Eheschließung zwischen A riern und N ichtariern a u s ­ gesprochen würde. Alles das w ären Verordnungen der unteren Stellen, und diese sind viel zahlreicher. Gerade bei ihnen taucht das P roblem der Rechtsgültigkeit in viel höherem M aße auf als bei V erordnungen höherer Stellen. E in W o rt noch zu der F rage, ob m an den Abs. 1 etw a im S in n e des Vorschlages des H errn G rafen Gleispach erw eitern sollte. W enn ich recht verstanden habe, würde es ja d arau f hinauslaufen, daß m an sagen würde: eine behördliche A nordnung oder Empfehlung. N u n ist m ir doch zweifelhaft, ob m an eine A nordnung und Empfeh­ lung strafrechtlich gleichstellen sollte. K ann m an über­ haupt noch von einer »Auflehnung« gegen etwas sprechen, w as nicht geboten, sondern n u r empfohlen w ird? Ich meine, der Gesetzgeber oder die Behörde haben doch gerade bewußt eine Zurückhaltung geübt, wenn sie nicht ein Gebot aussprechen, sondern n u r eine Empfehlung. W ollte m an überhaupt strafrechtlich d arau f reagieren, so dürfte m an, möchte ich glauben, das nicht m it einer kriminellen S tra fe , sondern höchstens m it einer Polizei­ strafe bedrohen, etwa im Polizeistrafgesetzbuch, das w ir wohl ergänzend schaffen müssen. B ei den Empfehlungen wieder zu unterscheiden, ob sie dem Volkswohl dienen oder nicht, das scheint m ir auch mißlich zu sein. S o ll etwa eine Empfehlung, die der Sicherheit oder der­ gleichen dient, weniger wichtig sein als eine Empfeh­ lung, die dem Dolkswohl dient, oder fällt schließlich nicht alles unter das Dolkswohl? Ich glaube, w ir ver­ lieren uns da ins Unbestimmte.

Neichsjustizminister D r. Gürtner: Ein Gedanke hat baß die Polizeiverordnung, die die Eheschließung hier ein gewisses Gewicht: eine Auflehnung gegen eine zwischen Ariern und Nichtariern für unzulässig erklärt, Empfehlung gibt es eigentlich nicht, eine Auflehnung nichtig ist. gibt es nur gegen einen Befehl. Wohl aber kann man Professor D r. Nagler (Breslau): Zur Richtig­ sagen: es gibt eine Sabotage atter Empfehlung: Wer stellung: ich befürworte natürlich kein radikales Wider­ öffentlich dazu auffordert, eine von der Behörde emp­ standsrecht, es handelt sich für mich um den fohlene Maßnahme zu sabotieren — ganz ins Rohe In h alt des sondern dolus, der bei § 169 Abs. 2 für mein esprochen — , macht sich so oder so strafbar. D er Ge­ Empfinden das fordert, daß das Gesetz ante schiene m ir erwägenswert zu sein, insbesondere gültig ist. D as Bewußsein ist doch der springende Punkt. Ich die Verbindung mit der Behörde. D arin sehe ich über­ abe mich gewandt gegen bas argumentum e contrario, haupt den Weg, wie man diesen Tatbestand in ein Ge­ as sich aus § 169 Abs. 2 ergibt. Meinem Gedanken setz bringm kann, sonst steht er ganz im Leeren. Die könnte man in der Weise Rechnung tragen, daß man Behörde empfiehlt irgendein Verhalten oder eine Maß­ nahme, und der andere lehnt sich zwar nicht dagegen das Gesetz in § 169 Abs. 2 mit erwähnt oder den Ab­ auf, das kann man nicht sagen, aber er fordert die satz streicht. Also nur danim ging es mir, den dolus Öffentlichkeit auf, das nicht zu tun, vielleicht sogar, das in dem Sinne festzustellen, daß jemand, der gar nicht Gegenteil zu tun. D as könnte ich mir im Bereich des gegen die Rechtsordnung anrennen will, sondern ehrlich meint, das Gesetz, das er behandelt, sei ungültig, und Strafrechts vorstellen. deshalb brauche er es nicht zu befolgen, nicht bestraft Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Ich möchte werden soll, weil er nicht dolos ist. Er kann vielleicht mit meinem Vorschlag nicht die sachliche Kritik aus­ fahrlässig handeln. S trafbar bleibt natürlich auch schließen. Wenn jemand sachlich untersucht, ob die Maß­ der dolus eventualis. Aber von einem radikalen nahme geeignet ist, das Volkswohl zu fördern, etwa in Widerstandsrecht habe ich nicht gesprochen,' ich denke einem Aufsatz, so würde er nicht unter die S tra f­ natürlich auch nicht daran. drohung fallen. Aber die Aufforderung an die Menge, Senatspräsident proftffor D r. Klee (Berlin): Würde möglichst viele möchten das nicht tun, was die Behörde empfiehlt, scheint m ir allerdings schon eine kriminelle es nicht angebracht sein, wenigstens die Verordnungen der zentralen und höchsten gührerstellen aus Abs. 2 her­ S trafe zu vertragen. auszunehmen? Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as ist ja im D r. Gürtner: Ist das wirklich letzten Ende, wenn man durch die Kulissen hindurch­ so Reichsjustizminister notwendig, Herr Präsident? Sollen wir den Fall, sieht, schon ein Auflehnungsakt gegen die Behörde, die daß eine Verordnung der Reichsregirrung nicht rechts­ die Empfehlung gegeben hat. gültig ist, nun als gar so häufig vorkommend unter­ Professor D r. Dahm (Kiel): Für diese Zusatz­ stellen? bestimmung, die dem Herrn Grafen Gleispach vor­ Senatsprästdent Professor D r. Klee (Berlin): Nein, schwebt, braucht man doch wohl ein stärkeres W ort zur eben gerade deshalb, weil man der Reichsregierung das Kennzeichnung des subjektiven Tatbestands, etwa ^bös­ Vertrauen schenken kann, baß rechtsungültige Verord­ willig«. Dolus eventualis sollte nicht genügen. Man nungen nicht erlassen werden, ist eine Nachprüfung nach könnte also denjenigen bestrafen, der böswillig entgegen dieser Richtung hin nicht notwendig. Es würde, wenn der Empfehlung einer Behörde handelt. wir die Rechtsungültigkeit der Verordnungen voraus­ Roch ein W ort zu § 169 Abs. 2. Ich bin natürlich setzen, ein Anreiz geschaffen werden, zu ihrer Nicht­ nicht davon ausgegangen, daß jeder Willkürakt einer beachtung aufzufordern, wenn der Täter sie für Behörde hinzunehmen sei. D as wäre polizeistaatlich ungültig hält. gedacht. Aber wenn etwa die Polizeibehörde die Ehe­ Neichsjustizminister D r. Gürtner: D er Streitpunkt schließung zwischen Ariern und Nichtariern verbietet, so ist das nicht nur eine unrechtmäßige Polizei­ ist der: Soll die Verordnung dem Gesetz gleichbehandelt verordnung, sondern juristisch gar nichts, ein privater oder der Anordnung entsprechend behandelt werden? Jetzt ist versucht worden, die Verordnung auseinander­ Akt, dm man nicht zu beachten braucht. zuspalten in eine dem Gesetz ähnliche und eine der An­ (Reichsjustizminister D r. Gürtner: S o leicht ist ordnung ähnliche Verordnung. Ich glaube aber, das das nicht, Herr Professor!) ist eine sehr stark kasuistische Komplizierung der T at­ — Auf der anderen Seite halte ich das extreme Wider­ bestände. Der Gedanke ist ja einleuchtend/ ich habe aber standsrecht, wie es Herr Professor Nagler vertritt, für doch die Vorstellung, auch wegen der praktischen Aus­ unerträglich. wirkung der Dinge, daß w ir mit dem W ortlaut des Reichsjustizminister D r. Gürtner: Natürlich kommen Referentenentwurfs ohne weiteres durchs praktische wir an der Stelle auch darauf. Leben steuern können. Einschaltend wollte ich noch bemerken: Ich glaube, Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Ich habe Herrn so einfach kann man nicht deduzieren, daß die Verord­ Klee dahin verstanden, daß er jetzt nung, hier dürfen keine Christen verkehren oder Arier Senatspräsidenten nur noch Verordnungen und Anordnungen, die von der und Nichtarier nicht heiraten, überhaupt nichts wäre, Reichsregierung ausgehen, dem Gesetz gleichstellen will quasi nihil! in der Hinsicht, daß ihre Rechtsgültigkeit nicht nach­ Professor D r. Dahm (Kiel): Ich würde sagen, daß zuprüfen sei. Darüber läßt sich reden, und das würde die Verordnung, daß die Wirtschaft nicht betreten dadurch zu erreichen sein, daß man Abs. 2 so faßt: »Die werden darf, deren Besitzer ein Jude ist, wirklich eine Aufforderung zur Auflehnung gegen eine Verordnung unrechtmäßige Verordnung ist, während ich meine, oder eine behördliche Anordnung, die nicht von der

Reichsregierung ausgegangen ist, ist nur strafbar, wenn die Verordnung rechtsgültig oder Die Anordnung recht­ mäßig ist.« Neichsjustizminister D r. Gürtner: D as wäre die W ortfaffung dieses Gedankens! (Zustimmung des Senatspräsidenten Professor D r. Klee [©erlin].) Eine Frage, die ich noch hätte! Wenn w ir der Auf­ forderung zum volksschädlichen Verhalten nähertreten wollen, sind dann die Herren der M einung, daß das in den Abschnitt »S törung des Volksfriedens« hinein­ gehört? (Senatspräsident Professor D r. Klee [Berlin]: Nein, in den anderen Abschnitt »gegen Volkskraft und Volkswohl«!) W as ist Ih re Auffassung, H err Rietzsch? S ie haben den Gedanken hier vertreten. M inisterialrat Rietzsch: Ich halte dafür, daß die Vorschrift in diesen Abschnitt gehört. Es handelt sich um eine Ergänzung des § 169: Neben die Verordnung w ird die Aufforderung oder Empfehlung gestellt und zugleich bestimmt, daß der Strafschutz entfällt, wenn die Aufforderung oder Empfehlung nicht rechtmäßig ist. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as berührt sich m it dem Gedanken, den ich vorhin beiläufig geäußert habe. Wenn ich öffentlich zur Sabotierung einer solchen Empfehlung auffordere, dann ist das im Grunde ge­ nommen schon eine auflehnende Haltung gegen die Stelle, die die Empfehlung gegeben hat. D as kann man wohl sagen. M inisterialrat D r. Schäfer: Eine Empfehlung der Reichsregierung kommt bei der heutigen Sachlage einem Befehl nahe, es ist ein quasi-Befehl! Professor D r. G raf Gleispach (Berlin): W ir haben noch die Frage zu entscheiden, ob eine Dolksverhetzung überhaupt als Tatbestand aufgenommen werden soll. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: D as kommt später!) Und wenn ein solcher Tatbestand aufgenommen werden soll, dann würde ich glauben, daß diese Aufforderung zur Sabotierung von dem Volkswohl dienenden Emp­ fehlungen sehr gut angeschlossen werden könnte. Es liegt darin auch eine Verhetzung des Volkes. Die Regierung empfiehlt das, und jetzt steht einer auf und sagt: D as soll man gerade nicht tun. E r stört den Volksfrieden dadurch, oaß das Volk verhetzt w ird. M an muß doch annehmen, daß die M ehrheit der Bevölkerung der Empfehlung der Regierung Rechnung tragen will, und so ist es wohl eine Friedensstörung. Vielleicht wird der Tatbestand ein bißchen verw irrt, wenn man ihn zu nahe m it der Aufforderung zur Auflehnung gegen Gesetze verbindet. E r würde klarer hervortreten, wenn man ihn zur Volksverhetzung stellte.

Reichsjustizminister D r. Gürtner: D arüber ließe sich auch reden. D a ist wieder der Blickpunkt auf die W ir­ kung einer solchen Tätigkeit gerichtet, nicht auf die Angriffsfront, die letzten Endes hier die Reichsregie­ rung ist. Die W irkung ist bei der Volksverhetzung sehr stark verwandt m it der W irkung einer öffentlichen Aufforderung, etwas, was die Regierung empfohlen hat, gerade nicht zu tun. (Professor D r. G raf Gleispach [© erlin]: Etwas, was dem Volkswohl dienen soll!) Professor D r. Dahm (Kiel): Ich würde, gerade wenn man das formale M oment der behördlichen Empfehlund hereinnimmt, es doch für besser halten, wenn es hierher gestellt w ird/ denn eine Verhetzung finde ich kaum darin. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Es w ird sich zei­ gen, wie der Tatbestand der Volksverhetzung aussieht. W ir haben hier verschiedene Gedanken und verschiedenes Rohm aterial bei der Hand/ einmal die preußische Idee: die E rörterung öffentlicher Angelegenheiten in volksverhetzender Welse, kurz gesagt/ dazu dann auch den norwegischen Gedanken der Aufhetzung einzelner Teile der Bevölkerung gegen andere, also den alten Ge­ danken des Klassenkampfs, wobei ich allerdings emp­ fehlen möchte, den Ausdruck »Klasse« zu vermeiden/ das müssen w ir als quasi non existens betrachten. Vielleicht wird sich die Sabotierung öffentlicher Emp­ fehlung auch in dieser Weise regeln lassen. — S o viel hat die Aussprache jedenfalls ergeben, daß offenbar nicht gewünscht w ird, einen Tatbestand m it völlig frei­ rechtlichem In h a lt zu schaffen: wer zu volksschädlichem Verhalten auffordert oder anreüt, sondern daß dieser Tatbestand dadurch veredelt werden soll, daß man ihn m it der Obrigkeit in Verbindung bringt, und der Ver­ bindungsfaden heißt hier »Empfehlung« oder ungefähr so. D ann aber, möchte ich meinen, sollte das »Volks­ wohl« dabei keine Rolle mehr spielen, denn daß die öffentliche Hand etwas empfiehlt, w as das Volkswohl nicht fördert, dürfen w ir doch wohl nicht unterstellen. (M inisterialdirektor Schäfer: D ie Aufforderung zum Flaggm hat doch z. B . nichts m it dem Volks­ wohl zu tun/ aber wenn jemand dafür eine Gegen­ order gibt, so ist das genau so störend!) — D ann müßte man »Volkswohl« und »Dolksschaden« ausscheiden. W ürden S ie sich m it dieser Ummodellie­ rung ungefähr in dieser Weise einverstanden erklären können? (Zustimmung.) D ann aber paßt es wieder mehr in die Nachbarschaft der Aufforderung hinein. Meine Herren, ich würde vorschlagen, die Debatte, die doch gezeigt hat, daß wir sehr viele Streitpunkte in dem Abschnitt kaum haben werden, jetzt zu unterbrechen und morgen früh 9 U hr fortzusetzen. (Schluß der Sitzung 19 Uhr 40 Minuten.)

NelchSdrnckeret, Berlin. 0910 34 11 E

Seite

Etrafrechtskommisslon

Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)...................... Ministerialrat Dr. Schäfer.......................... 12. 13. Professor Dr. Dahm (Kiel) ............... 12. 13. Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) .. 13. Professor Dr. Kohlrausch (Berlin)............ Professor Dr. Mezger(München)................

12 14 14 14 13 14

Landzwang Neichsjustizminister Dr. G ärtner................................. 15 S t r a f e gegen Q u e r u l a n t e n Neichsjustizminister Dr. G ärtner........................ 15. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz (Leipzig).................... Senatspräsident Professor Dr. Klee (B erlin)........... Ministerialrat Rietzsch................................................... Professor Dr. Mezger(München)................

33, Sitzung

Mi ß b r a u c h von Not z e i c he n Neichsjustizminister Dr. G ärtner................................. 16 Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)...................... 16

31. Mai 1934 Inhalt

®(it(

Störung des öffentlichen Friedens (Schluß der Aussprache) A u f f o r d e r u n g zu m v o l k s s ch ä d l i ch e n V e r ­ halten Reichsjustizminister Dr. Gärtner............. 1. 2. 4. s>. Ministerialrat Rietzsch..................................................... Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) . . . . 2. Obcrregierungsrat Dr. von D ohnanyi.................. 3. Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)........................

6 2 6 T> 5

V e r h e r r l i c h u n g von Ve r br e c he n Neichsjustizminister Dr. Gärtner........................ 6. 7. Senatspräsident Professor Dr. Klee (B erlin)............. Professor Dr. Dahm (Kiel)................................... 6. Vizevräsident G rau.............................................. 6. 7. Professor Dr. Nagler (Breslau) ................................. Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)........................

8 6 7 8 6 6

Landfriedensbruch Neichsjustizminister Dr. Gärtner...................... 8. 9. 10 Ministerialdirektor Schäfer............................... 8. 9. 10 Vizepräsident G r a u .................................................. 8. 9 Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)........................ 9 Ministerialrat Dr. Schäfer............................................ 9 S p r e n g e n einer Ve r s a mml u n g Neichsjustizminister Dr. G ärtner................................. 10 Professor Dr. Nagler (Breslau)................................. 10 Auflauf Neichsjustizminister Dr. G ärtner................................. Professor Dr. Dahm (Kiel)........................................ Staatspräsident Professor Dr. Klee (B erlin)........... Ministerialdirektor Schäfer..........................................

10 10 10 10

Staatsfeindliche Verbindungen Neichsjustizminister Dr. G ärtner.................. 10. 11. Senatspräsident Professor Dr. Klee (B erlin)........... Professor Dr. Dahm (Kiel)........................................ Ministerialdirektor Schäfer.......................................... Professor Dr. Kohlransch (Berlin).............................

12 11 11 11 11

Ve r b i n d u n g e n zu Ve r b r echen wi de r d a s Leben Reichsjustizminister Dr. G ärtner.................. 12. 13. 14 Ministerialdirektor Schäfer................................. 12. 13 33.

16 15 15 15 16

Kanzelparagraph Neichsjustizminister Dr. G ärtner................................. 16 Senatspräsident Professor Dr. Klee (B erlin)........... 16 Vol ksverhet zung Neichsjustizminister Dr. G ärtner................................. 17 Professor Dr. Dahm (Kiel)....................................... 17

Beginn der Sitzung 9 Uhr 20 Minuten. Neichsjustizminister D r. Gürtner: W ir haben uns gestern unterhalten über § 169 in Verbindung mit § 174 Abs. 2. D ie überwiegende Meinung der Kom­ mission ging dahin, diesen Abs. 2 hier aufrechtzuerhal­ ten. Es hat sich dabei der Ausblick eröffnet, daß w ir beim Widerstand gegen die Staatsgew alt dann noch in einem anderen Zusammenhang auf dieses Thema zu sprechen kommen müssen. D a s wird hoffentlich heute der Fall sein. Es ist dann weiter zu §§ 169, 170, 171 die Frage gestellt worden, ob man diese Bestimmungen nicht hier herausnehmen und in den Abschnitt, der uns nachher beschäftigen wird, einordnen soll, den Abschnitt über Auflehnung gegen die Staatsgew alt. D as ließe sich, für § 169 und § 170 m it guten Gründen vertreten, für § 171 nach meiner M einung nicht. D ie öffentliche Auf­ forderung zu einer strafbaren Handlung ist keine A uf­ lehnung gegen die S taatsgew alt/ wenigstens meine ich, daß dieser Gesichtspunkt hier sehr im Hintergründe steht. Nun bin ich der Auffassung: weil wir § 171 doch in dem Abschnitt über die Störung des öffentlichen Friedens werden stehen lassen müssen, könnte man sich wohl damit abfinden, wegen der inneren Verwandt­ schaft zwischen §§ 169 und 170 einerseits und § 171 andererseits auch die beiden erstgenannten P a r a ­ graphen hier zu lassen. Ich würde der Unterkommission empfehlen, zunächst so zu verfahren. D ie endgültige Placierung einzelner Vorschriften bleibt ja ohnehin vorbehalten. Zu § 169 und § 170, deren innerer Unterschied gestern von Herrn Professor D ahm richtig und klar herausgestellt worden ist, liegt keine Wortmeldung mehr vor.

N un h at uns gestern noch der Tatbestand beschäftigt, der sich an die W orte " A u f f o r d e r u n g z u m v o l k s s ch ä d l i ch e n Verhalten« allknüpft. D a sind verschiedene M einungen in die E r­ scheinung getreten. D ie letzte w a r: m an sollte diesen Tatbestand anknüpfen an den Gedanken des § 169, und zw ar in der F o rm , daß an den Befehl angehängt wer­ den soll die Empfehlung. Eine öffentliche Stelle kann irgend etw as empfehlen, wenn sie m it guten Gründen die F o rm des Befehls nicht w ählen w ill. Eine solche Em pfehlung kann der einzelne befolgen oder nicht — dieses Recht ist unbestritten — , aber er soll nicht die Möglichkeit haben, öffentlich zur Zuw iderhandlung dagegen aufzufordern oder anzureizen. I n diesem Zusam m enhang ist ein Gedanke auf­ getaucht, der aus einer ganz anderen Richtung her­ kommt. Es ist das Beispiel gebraucht worden, daß die R egierung auffordert, aus dem und dem G runde die H äuser zu beflaggen. D a s kann jeder tun oder nicht tun, aber er soll nicht öffentlich dagegen agitieren dürfen. D a s w ird m an sehr schwer unter die Be­ griffskategorie des volksschädlichen V erhaltens bringen können. Infolgedessen scheint m ir dieser Gesichtspunkt schon gestern ein wenig in den H intergrund getreten zu sein, dagegen der andere, der die Auflehnung gegen die O brigkeit implicite auch d arin erblickt, daß gegen ihre Em pfehlung ag itiert oder gehetzt w ird, im V order­ grund zu stehen. D a rü b e r sind w ir nun noch nicht zu Ende gekommen. D ie großen Fragen, die sich d ara n anknüpfen, sind w iederum , wie so oft, die B egrenzungsfragen: Von wem soll die Empfehlung ausgehen? W er sott der T rä g e r einer solchen Em pfehlung sein, deren Sabotage unter S tra fe gestellt w ird? D a , glaube ich, zeigt ein Blick in die P ra x is , daß doch eine gewisse Vorsicht am Platze ist. Ich hätte kein Bedenken, Empfehlungen, die etw a von der Reichsregierung ausgehen, darunterzu­ nehmen/ ich hätte aber das größte Bedenken, jede Em p­ fehlung schlechthin jeder öffentlichen Behörde unter diesen Strafschutz zu stellen. Ic h w äre sehr dankbar, wenn sich die H erren zu dieser F rage noch äußern w ür­ den, insbesondere der H err V ertreter des Preußischen Justizm inisterium s, weil ja von dort dieser Gedanke, der an sich etw as Einfangendes hat, ausgegangen ist. S o ll also — erste Frage — die S ab otag e einer solchen obrigkeitlichen Empfehlung unter S tra fe gestellt wer­ den ohne Rücksicht auf das Volkswohl und die Volks­ schädlichkeit — wobei ich an das Flaggenbeispiel zu denken bitte — , und wenn ja, wie soll der K reis abge­ grenzt werden, und schließlich noch wie dann, wenn zwei Empfehlungen entgegengesetzter Richtung vorliegen? M in iste ria lra t Rietzsch: D ie Denkschrift gibt als Beispiele ausschließlich Empfehlungen d e r " Reichsregierung, und bei den V orarbeiten an der Denkschrift ist n u r an Empfehlungen der Reichsregierung gedacht worden. Ich würde kein Bedenken haben, wenn die Vorschrift auf Empfehlungen der Reichsregierung be­ schränkt w ird, und halte es fü r entbehrlich, die Rücksicht auf Volkswohl und Volksschädlichkeit in der Fassung zum Ausdruck zu bringen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: W enn w ir es auf die Reichsregierung beschränken, dann ist ein ganz großer T eil der Bedenken, die m an haben kann, aus­

geräum t. D ie Ausdehnung auf untere Stellen, in s­ besondere auf die kleinsten lokalen Stellen, halte ich für undenkbar. D ie Entscheidung der Frage, w as geschehen soll, wenn Empfehlungen verschiedener Richtung v o r­ liegen, müßte m an dann der P ra x is überlassen. Es hat gestern schon andeutungsweise der Gedanke eine Rolle gespielt, ob m an nicht das ganze von hier wegnehmen lind in die Atm osphäre der Volksverhetzung stellen könnte, auf die w ir heute auch noch zu sprechen kommen, also die Volksverhetzung gedacht als E rbin des Klassenkampfes. Ich habe gestern schon erw ähnt, daß w ir das W o rt Klassenkampf oder Klassenhaß nicht verwenden dürfen, sondern nach norwegischem V orbild neutraler sagen müssen: einen T eil der Bevölkerung gegen den anderen aufhetzt, wozu dann der preußische Gedanke kommt, der etwa so lautet: bei der E rö rteru ng öffentlicher Angelegenheiten das Volk verhetzt, oder: in betzerischer Weise öffentliche Angelegenheiten erörtert. Ob m an hier die S abotage gegen Empfehlungen der Reichsregierung einbeziehen könnte, ist eine Frage, die man sich auch noch überlegen muß. M in isterialrat Rietzsch: M ir persönlich würde es näherliegen, die Frage im Anschluß an die Auflehnung gegen die S ta a tsg e w a lt zu regeln. Aber m an kann ja prüfen, wenn die Fassung der Vorschrift gegen Volks­ verhetzung vorliegt, ob m an ihr den Schutz der A uf­ forderungen und Empfehlungen der Reichsregierung angliedern will. Reichsjustizminister D r. Gürtner: W enn dazu das W o rt nicht gewünscht w ird, können w ir vorläufig ein­ m al d aran festhalten, an den Befehl der Obrigkeit die Empfehlung anzuknüpfen, sie auf die Reichsregierung zu beschränken und den Tatbestand vielleicht auch sub­ jektiv ein wenig einzuengen durch die Hinzufügung — wie gestern, glaube ich, schon vorgeschlagen worden ist — des W ortes »bösw illig«, um gewissermaßen den dolus sehr scharf herauszuarbeiten und alle diejenigen Fälle fernzuhalten, wo jemand aus wirklicher guter Überzeugung gegen etw as a u ftritt, w as er für das Volk für schädlich hält. W ären die H erren m it diesem Gedanken, dieser Skizze vorläufig einverstanden? — D a s scheint der F all zu sein. Senatspräsident Professor D r. Klee (B erlin): E s ist doch bekannt, daß die katholische Geistlichkeit im S ch rift­ tum schon stark gegen verschiedene Grundsätze der nationalsozialistischen R egierung S tu r m gelaufen ist, z. B . in bezUg auf die Rassenfrage. W enn nun ein solcher Geistlicher öffentlich auffordern w ürde, diese Grundsätze nicht zu befolgen, dann kann m an nicht unter allen Umständen sagen, daß das böswillig ist, denn es ist eben — so ist wenigstens die V erteidigung — m it der W eltanschauung des K atholizism us nicht zu vereinbaren, die Rassenfrage zu forcieren. Aber es besteht doch ein vitales Interesse für die nationalsozia­ listische Bewegung, daß diese Grundsätze nicht ange­ tastet werden, daß das Volk sich d arau f einstellt, soweit es nicht schon natürlicherweise d arau f eingestellt ist. Es gilt, die Grundsätze zu sichern, von denen die n atio n al­ sozialistische R egierung ausgeht, und deshalb empfiehlt es sich, in den subjektiven Tatbestand das W o rt »bös­ willig« nicht aufzunehmen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D ie S tellung der katholischen Kirche zum Sterilisationsgesetz und zu

ihrer M itwirkung an diesem Gesetz ist ein sehr aktuelles Thema. H ier erhebt sich die Frage: Kann . darin, daß die katholische Kirche feststellt, m it der Gewissenspflicht eines katholischen Arztes sei es unvereinbar, bei einer Sterilisation mitzuwirken, die Verletzung einer S tra f­ rechtsnorm erblickt werden? D ie Lösung, die w ir Praktisch gefunden haben, ist ein Musterbeispiel von Dialektik, um aus den Schwierigkeiten überhaupt her­ auszukommen. M an muß m it der katholischen Kirche einen rnodus vivendi finden, und der w ird gefunden werden. M an wird niemals unter S trafe stellen können, wenn die katholische Kirche erklärt, sie halte es m it ihrer Lehre für unvereinbar, eine Ehe zwischen einem Christen und einem getauften Juden zu verbieten. D ies w ird die katholische Kirche erklären, solange sie besteht. (Senatspräsident D r. Klee [^Berlin]: Aber eine öffentliche Aufforderung, die sich gegen die G rund­ sätze der Regierung richtet, ist doch bedenklich.) — Jedenfalls kann man niemals unter S tra fe stellen, wenn die katholische Kirche erklärt, irgend etwas sei m it der katholischen Lehre nicht vereinbar. (Senatspräsident D r. Klee [©erlin]: Aber die öffentliche Aufforderung ist etwas anderes. D ie Böswilligkeit ist es, die bestraft werden muß.) — Gewiß, die Böswilligkeit paßt zur Volksverhetzung. D ie Kompaßnadel der Strafbestimmung orientiert sich nach der Volksverhetzung hin. W ir können die end­ gültige Entscheidung treffen, wenn w ir die Volksverhetzung erledigt haben. £ u § 171 sind zwei Vorschläge gemacht worden. D a ist zunächst der Vorschlag: "W er öffentlich . . . auffordert^. Ich glaube, dem Gedanken dieses Amen­ dements gerecht zu'werden, wenn ich formuliere: >»Wer öffentlich zu strafbarem T un auffordert oder anreizte. M an kann auch sagen: »Handlunaen oder Unterlassun­ gen«, wenn man das für notwendig hält. Ich würde diese Fassung für durchaus annehmbar halten. D as K riterium des § 171 besteht darin, daß die Aufforderung an u n b e s t i m m t e P e r s o n e n ge­ richtet wird. Hier liegt der entscheidende Unterschied zu § 30, wo die Aufforderung an eine bestimmte Person gerichtet wird. Zweite Frage: Wozu soll aufgefordert werden? D ies ist nun auch wieder in zwei Beziehungen möglich: E nt­ weder zu einer bestimmten strafbaren Handlung — der Volksredner auf der S traß e ruft zur Menge: »Zündet das W arenhaus £ . an!« — oder ganz all­ gemein: »Schlagt die Juden tot!«. D as ist keine be­ stimmte, sondern eine unbestimmte strafbare H and­ lung. Beide Fälle sollen unter § 171 fallen. D as K riterium ist nicht, w o z u , sondern a n w e n die Aufforderung ergeht. R un darf ich den H errn Kollegen D r. von D ohnanoi bitten, das V erhältnis von §171 gu § 30 klarzulegen. O berregierungsrat D r. von Dohnanyi: § 30 Abs. 1 des Allgemeinen Teils lautet: W er jemand zu einem Verbrechen zu verleiten sucht, oder wer das Anerbieten eines anderen, ein Verbrechen zu begehen, annimmt, w ird be­ straft, wie wenn er an der T a t mitgewirkt hätte/ doch kann die S tra fe gemildert werden (§ 73).

Auf die übrigen Absätze kommt es in diesem Zusam ­ menhang nicht an. U nter diese Fassung des § 30 fällt also jedenfalls die n i ch t ö f f e n t l i ch e Aufforderung einer bestimmten Person zu einem bestimmten Ver­ brechen, wobei der Begriff des Verbrechens hier zu unterstreichen ist. I m Unterschied m § 30 um faßt § 171 des Referen­ tenentwurfs nur die ö f f e n t l i c h e Aufforderung. Nach der Fassung, wie der Referentenentwurf sie vor­ schlägt, w ird m an in § 171 folgende öffentliche Auf­ forderungen subsumieren können. Zunächst die öffentliche Aufforderung einer bestimm­ ten Person zu einer bestimmten strafbaren H and­ lung. — Auf die Frage, ob darunter auch das Ver­ brechen fällt, werde ich nachher noch gesondert zu sprechen kommen. Herr Landgerichtsdirektor Leimer hat gestern die Auffassung vertreten, § 171 in der Fassung oes Refe­ rentenentwurfs stelle schon klar, daß nur die öffentliche Aufforderung unbestimmter Personen zu bestimmten oder unbestimmten strafbaren Handlungm unter diese Strafbestim m ung falle. D ies dürfte nicht richtig sein. An sich w ird man sagen können, daß die Fassung »W er öffentlich . . . auffordert« sowohl die öffentliche Auf­ forderung einer bestimmten wie auch die öffentliche Aufforderung einer unbestimmten Person in sich schließt. Es fällt darunter zweitens die öffentliche Aufforde­ rung einer b e s t i m m t e n P e r s o n zu u n b e ­ s t i m m t e n G e w a l t t a t e n gegen Menschen oder Sachen, also nicht zu unbestimmten Straftaten schlechthin. D rittens fällt darunter die ö f f e n t l i c h e Auffor­ derung u n b e s t i m m t e r Personen zu b e s t i m m ­ t e n strafbaren Handlungen. Es heißt ausdrücklich: »W er öffentlich zu einer strafbaren Handlung oder . . . usw. auffordert«. Und schließlich fällt darunter die ö f f e n t l i c h e Aufforderung u n b e s t i m m t e r P e r­ sonen zu u n b e s t i m m t e n Gewalttaten gegen M en­ schen oder Sachen, also nicht zu unbestimmten straf­ baren Handlungen schlechthin. Nun fällt unter die §§ 30 und 171 nach dem W ort­ laut des Referentenentwurfs die ö f f e n t l i c h e Auf­ forderung einer b e s t i m m t e n Person zu b e ­ s t i m m t e n Verbrechen. Bei § 30 wird man an­ nehmen können, daß der Tatbestand erfüllt ist, wenn jemand einen anderen zu einem Verbrechen zu verleiten versucht dadurch, daß er ihn öffentlich dazu auffordert. Ebenso würde dieser Tatbestand aber unter § 171 fallen. S traflo s bleibt — und das ist für die Formulierung des § 171 immerhin von Bedeutung — nach der vorge­ schlagenen Fassung einmal die n i c h t ö f f e n t l i c h e Aufforderung einer b e s t i m m t e n Person zu einem b e st i m m t e n V e r g e h e n / zweitens die ö f f e n t l i ch e Aufforderung einer b e s t i m m t e n Person zu u n b e s t i m m t e n strafbaren Handlungen s c h le c h t­ h i n , die n i c h t Gewalttaten gegen Menschen oder Sachen darstellen/ drittens die ö f f e n t l i c h e Auffor­ derung u n b e s t i m m t e r Personen zu u n b e ­ s t i m m t e n strafbaren Handlungen s c h l e c h t h i n , die n i c h t Gewalttaten gegen Menschen oder Sachen darstellen. S ieht m an sich diese bunte K arte genauer an, so wird man feststellen können: Es erscheint zweifelhaft, l*

ob die ö f f e n t l i c h e Aufforderung einer b e s t i m m t e n Person zu einer b e s t i m m t e n straf­ baren Handlung, die n i c h t ein Verbrechen ist, und die öffentticho Aufforderung einer b e s t i m m t e n Person zu u n b e s t i m m t e n G ewalttaten gegen Menschen oder Sachen s c h l e c h t h i n unter Strafe gestellt werden sollen. Es erscheint weiter zweifelhaft, ob die n i c h t ­ ö f f e n t l i c h e Aufforderung einer b e s t i m m t e n Person zu einem b e s t i m m t e n Vergehen, die zur Zeit nicht strafbar ist, oder die ö f f e n t l i c h e Auf­ forderung einer b e s t i m m t e n Person zu u n b e ­ s t i m m t e n strafbaren Handlungen, die n i c h t Ge­ w alttaten gegen Menschen oder Sachen darstellen, eine Aufforderung, die zur Zeit auch nicht strafbar ist, unter S tra fe gestellt werden sollen. W enn m an die öffentliche Aufforderung einer b e ­ s t i m m t e n Person zu b e s t i m m t e n strafbaren Handlungen, die n i c h t V e r b r e c h e n sind, und die öffentliche Aufforderung b e s t i m m t e r Personen zu u n b e s t i m m t e n Gewalttaten gegen Menschen oder Sachen und bestimmten strafbaren Handlungen schlecht­ hin ausschaltet, so würde für die revidierte Faffung des § 171 folgendes übrigbleiben: M an würde zu er­ wägen haben, ob unter § 171 der Fall fällt: die öffent­ liche Aufforderung unbestimmter Personen zu unbe­ stimmten strafbaren Handlungen schlechthin, also Handlungen, die auch nicht G ewalttaten gegen Men­ schen oder Sachen sein können. Dieser Fall fällt nicht unter § 171 in der Faffung des Referentenentwurfs. Zweitens wäre klarzustellen, daß die Aufforderung oder Anreizung sich nu r an u n b e s t i m m t e P er­ sonen richten darf. Es ist nicht veranlaßt, unter diese Faffung die öffentliche Aufforderung bestimmter P er­ sonen zu bestimmten strafbaren Handlungen fallen zu lassen. Endlich muß § 171 — das hängt aber m it dieser Kasuistik nicht unm ittelbar zusammen — auch einem Gedanken Rechnung tragen, der in § 111 des geltenden Strafgesetzbuchs enthalten ist. § 111 R S tG B . be­ straft denjenigen wie einen Anstifter, der zu einer straf­ baren Handlung aufgefordert hat, wenn auf diese Auf­ forderung hin die strafbare Handlung oder mindestens ein strafbarer Versuch derselben begangen worden ist. Ein solcher Gedanke fehlt in § 171 des Referenten­ entwurfs. Schließlich ist bei der Form ung des § 171 daran zu denken, daß wir im Tötungsabschnitt den § 249, die Aufforderung zu einer Tötung, gestrichen haben. W ir waren uns bei der Streichung darüber klar, daß dann § 171 einen erweiterten S trafrahm en bekommen müsse. Läßt man sich alle diese Erwägungen durch den Kopf gehen, so wird m an zu folgender Fassung des § 171 kommen können: Zunächst ist entsprechend dem vom H errn Landgerichtsdirektor Leimer vertretenen Ge­ danken ganz allgemein zu sagen: »W er öffentlich zu strafbaren Handlungen auffordert oder anreizt, wird m it Gefängnis bestraft«. D ann müßte als Abs. 2 ein erweiterter S tra f­ rahm en fü r besonders schwere Fälle, z. B . für die Aufforderung oder Anreizung zu einer Tötung auf­ genommen werden, etwa in der Form : » In besonders schweren Fällen ist die S tra fe Zuchthaus bis zu — sagen w ir — fünf Jahren«.

Als Abs. 3 würde der Gedanke des § 111 des gelten­ den Strafgesetzbuchs aufzunehmen sein, etwa in der Form : F ührt die Aufforderung oder Anreizung zur B e­ gehung einer strafbaren Handlung, so ist der T äter zu bestrafen, wie wenn er zu der T a t an­ gestiftet hätte. Dabei muß man sich folgendes überlegen: I n § 111 des geltenden Strafgesetzbuchs w ar das Problem der B e­ strafung des T äters wie eines Anstifters nicht so sehr einschneidend, weil hier die Voraussetzung ist, daß der T äter immer zu einer ganz bestimmten strafbaren Handlung aufgefordert hatte. W urde diese begangen, dann lag es nahe, den T äter zu bestrafen, wie wenn er zu dieser T a t angestiftet hätte. I n unserem Falle liegen die Dinge etwas anders. Nach der eben vorgeschlagenen Faffung, wie sie im wesentlichen auch der Referentenentwurf enthält, würde der T äter auch zu unbestimmten strafbaren H andlun­ gen auffordern können. W irb nun auf diese Aufforde­ rung hin eine bestimmte S tra fta t begangen, dann könnte der Fall eintreten, daß der T äter als Anstifter billiger wegkäme, als wenn er auf G rund des § 171 wegen Aufforderung oder Anreizung zu einer unbe­ stimmten S tra fta t schlechthin bestraft würde. Dieser mißlichen Konsequenz kann m an durch folgende Fas­ sung vorbeugen: D er T äter ist, sofern nicht nach Abs. 1 und 2 eine schwerere S tra fe verwirkt ist, zu bestrafen, wie wenn er zu der T a t angestiftet hätte. § 171 würde nach meinem Vorschlag somit folgende Fassung bekommen: W er öffentlich zu strafbaren Handlungen auf­ fordert oder anreizt, w ird m it Gefängnis be­ straft. I n besonders schweren Fällen ist die S trafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Führt die Aufforderung oder Anreizung zur Begehung einer strafbaren Handlung, so ist der T äter, sofern nicht nach Abs. 1 und 2 eine schwe­ rere S trafe verwirkt ist, zu bestrafen, wie wenn er zu dieser Handlung angestiftet hätte. Problematisch ist hier noch der Begriff »öffentlich«. Öffentlich kann nicht nur aufgefordert werden eine unbestimmte Personenmenge, sondern auch eine be­ stimmte Person. Wenn w ir den Begriff »öffentlich« in § 171 verwenden, dann laufen wir Gefahr, daß der nicbtstrafbare Tatbestand der öffentlichen Aufforderung bestimmter Personen auch m it erfaßt wird. Zunächst dachte ist daran, zu sagen: »W er öffentlich eine M en­ schenmenge auffordert,---- «. Aber das ist deswegen nicht tunlich, weil die öffentliche Aufforderung in der Presse sicherlich nicht vor einer Menschenmenge erfolgt, aber auch m it erfaßt werden muß. Die Präzisierung des Begriffs »öffentlich« scheint m ir daher noch einer näheren P rüfung und Überlegung zu bedürfen. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Meine Herren! Ich möchte einmal bitten, von folgender veränderter Textfassung auszugehen: W er öffentlich zu strafbaren Handlungen auf­ fordert oder anreizt, w ird m it Gefängnis be­ straft, in besonders schweren Fällen m it Zucht­ haus bis zu 5 Jahren. F ührt die Aufforderung

oder Anreizung zur Begehung einer strafbaren Handlung, so ist der T äter zu bestrafen, wie wenn er zur T a t angestiftet hätte, sofern nicht nach Abs. 1 und 2 eine schwerere S trafe ver­ wirkt ist. D as wäre der Aufbau, der sich aus diesen Überlegungen ergibt. Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): H err ReichsMinister, ich wäre im großen und ganzen m it den A us­ führungen des H errn von Dohnanyi einverstanden m it Ausnahme des Abs. 3. Ich habe es gerade als einen Vorzug empfunden, daß der Gedanke des § 111 des Reichsstrafgesetzbuches in den Entw urf nicht aufgenom­ men worden ist, weil er meiner M einung nach in krassem Widerspruch steht m it den Grundsätzen, die w ir bei der Anstiftung und Aufforderung zugrunde gelegt haben. E r ist aber in meinen Augen überdies auch über­ flüssig, weil es m ir selbstverständlich erscheint, daß die strengere S tra fa r t auf den T äter Anwendung findet. D am it ist das Problem gelöst. Wenn aber der Richter den richtigen Gedanken ver­ folgt und sich sagt: weil infolge dieser öffentlichen An­ reizung einer unbestimmten Menschenmenge jemand ein schweres Verbrechen begangen hat, ist die Friedens­ störung besonders schwer gewesen, also liegt der beson­ ders schwere Fall vor — , dann haben w ir ohndies den Abs. 2 m it dieser Strafverschärfung von Zuchthaus bis zu 5 Jah ren / vielleicht kann man auch allgemein sagen: Zuchthaus. Wozu brauche ich dann den Abs. 3? (w foll ja die Anwendung des Zuchthauses nicht notwendiger­ weise vom Erfolg abhängen. D ie Aufforderung kann auch sehr gefährlich gewesen sein, ohne daß jemand da­ durch bestimmt worden ist, das Verbrechen zu begehen/ das gehört also auch unter die strengeren Strafbestim ­ mungen. W as nun die zweite von H errn von D ohnanyi auf­ geworfene Frage bezüglich der Umgrenzung des Begriffs »öffentliche angeht, so darf ich vielleicht daran erinnern, daß w ir im österreichischen Entw urf seinerzeit diese an­ gedeutete Schwierigkeit dadurch zu überwinden versucht haben, daß w ir in solchen Fällen von einem Auffordern oder überhaupt einem Handel in Druckschriften in einer öffentlichen Versammlung oder vor einer Menschen­ menge gesprochen haben. D as wäre eine mögliche Lösung. Aber ich würde das Bedenken, das hier ge­ äußert worden ist, nicht so hoch einschätzen und glaube, daß Abs. 1 und 2 so, wie sie hier vorgeschlagen sind, den Bedürfnissen gerecht werden. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D a rf ich noch ein­ mal zurückfragen: D er österreichische Lösungsversuch entspricht also unserem geltenden Recht? (Professor D r. G raf Gleispach sBerlinj: J a ­ wohl! — M inisterialdirektor Schäfer: I n einer Verordnung des Reichspräsidenten vom ^15. Sep­ tember 1923 heißt es ja: »Wer öffentlich oder in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften oder andere Darstellungen dazu auffor­ dert oder anreizt usw.«) — D as ist kasuistisch aufgezählt. — Also dann könnte man S ie dahin verstehen,' daß S ie das nicht für not­ wendig halten? (Professor D r. G raf Gleispach [S etlin]: Nein, ich halte es nicht für notwendig!) 33.

Oberregierungsrat D r. von Dohnanyi (Berlin): H err G raf, wie würden S ie den Fall beurteilen, daß jemand öffentlich zu M ordtaten auffordert und nun auf Grund dieser Aufforderung ein M ord tatsächlich begangen wird? Wie würden Sie den M ann strafen? (Professor D r. G raf Gleispach (Berlins: Nach § 171 Abs. 2!) — Also Sie würden jedenfalls nicht glauben, daß die S tra fe so zu bemessen wäre, wie wenn er Anstifter zu einem M ord gewesen wäre? Es würde hier, konkret gesprochen, Zuchthaus über fünf Jahren oder etwa die Todesstrafe nach Ih re r M einung nicht in Frage kommen? (Professor D r. G raf Gleispach [SBeilin]: Wenn er die Aufforderung an eine unbestimmte Menschen­ menge gerichtet hat, dann kann man den Begriff der Anstiftung nicht gebrauchen!) — Und wenn nun der M ord begangen w ird? (Professor D r. G raf Gleispach [© ctlin]: D as ist für mich n u r ein Indiz, daß die Aufforderung sehr gefährlich w ar. Aber wenn sie, weil sie E r­ folg hat, dem Begriff der Anstiftung unterliegt, dann ist ja jeder Unterschied zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung aufgehoben!) — Nach der Fassung des § 171, wie ich sie vorgeschla­ gen habe, würde nur gesagt werden: Er w ird bestraft, wie wenn er angestiftet hätte. M it anderen W orten, es w ird eine Fiktion eingeschaltet, es w ird gesagt: das S trafm aß muß hier, da ein M ord begangen ist, eben höher sein können als fünf Ja h re Zuchthaus/ es muß so hoch sein können, wie wenn er angestiftet hätte/ er muß so bestraft werden können, wie wenn er der An­ stifter wäre. Professor D r. Graf Gleispach (B erlin): Ich meine aber doch, daß dann der Unterschied überhaupt auf­ gehoben ist, denn S ie lassen nur den Erfolg darüber entscheiden, ob er dem Anstifter gleichsteht oder nicht. Wenn das grundsätzlich richtig ist, dann darf ich einen Unterschied zwischen Aufforderung und Anstiftung über­ haupt nicht mehr anerkennen, sondern in dem einen Falle ist der Anstifter, im zweiten Falle die erfolglose Anstiftung strafbar. Aber an sich halte ich den Ge­ danken für richtig, zwischen Anstiftung und Aufforde­ rung zu unterscheiden und die öffentliche Aufforderung grundsätzlich milder zu bestrafen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren! Ich habe diesen Einwand erwartet, und er mußte von dem H errn Grafen Gleispach kommen aus dem Gedan­ ken der Ablehnung der Erfolgshaftung heraus. D as ist absolut folgerichtig. Ich bin auch der M einung, daß man der Anregung folgen kann. D arau s ergibt sich allerdings der Zw ang, im Abs. 2 dann die' Zuchthaus­ strafe ohne Höchstbegrenzung auszusprechen. Ich glaube, daß das auch eine mögliche Lösung ist/ denn daß der M ann nicht Anstifter m unserem S inne ist, das wird ja von keinem der Herren bestritten, und das ist auch im Entw urf anerkannt dadurch, daß er hier m it dem »als ob« als fiktiver Anstifter bezeichnet w ird. Aber das ist eine durchaus mögliche Lösung, und es ist nach dem gesamten Aufbau des Straftechts vielleicht kon­ sequenter, zu sagen: hier handelt es sich überhaupt nicht um Anstiftung im technischen Sinne, sondern das Delikt ist die S tö ru n g des öffentlichen Friedens. Wie 2

schwer ich diese Friedensstörung bewerte, dafür kann ein In d iz auch die Folge sein. D as ist ja doch die Gedanken­ führung, die w ir aus der Erfolgsbetrachtung jetzt immer gewonnen haben. D ann muß ich allerdings sagen, würde ich eine Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren fü r den schwersten F all fü r zu gering halten. Senatspräsident Professor D r . Klee (B erlin): Ich bin derselben Ansicht. Welche S tra fe hier festgesetzt werden soll, da rf nicht von dem Z u fa ll abhängen, ob die Aufforderung Erfolg gehabt hat oder nicht. Die Erfolgshaftung ist auch in dieser Richtung abzulehnen. Wie würde es nun aber sein, wenn jemand öffentlich eine bestimmte Person zu einer bestimmten strafbaren Handlung auffordert? D as fä llt doch wohl nicht unter den neuen Paragraphen? (Oberregierungsrat D r . von Dohnanyi [^Berlin]: Nein, das würde nicht darunter fallen!) Also nur die Aufforderung vor einer unbestimmten Menschenmenge ist gemeint. Wenn öffentlich eine be­ stimmte Person zu einer bestimmten strafbaren Hand­ lung aufgefordert w ird und diese Handlung dann be­ geht, liegt selbstverständlich Anstiftung vor. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Und Sie würden sich wohl dam it einverstanden erklären, im zweiten Ab­ satz bei besonders schweren Fällen keine Höchstgrenze festzusetzen? (Senatspräsident Professor D r . Klee [B e rlin ]: Ja, keine Höchstgrenze!) — Das schiene m ir dann auch zu wenig. Dann würde also der Abs. 1 so stehenbleiben, die Auflösung in einzelne kasuistische Unterschiede, wie es im geltenden Recht ist. I m zweiten Absatz würden die W orte »6i8 zu 5 Jahren« gestrichen werden. D er dritte Absatz würde wegfallen. Diese Fassung verdient in ­ sofern den Vorzug, als sie sehr einfach imb sehr ge­ meinverständlich ist. S ie würde also jetzt so lauten: W er öffentlich zu strafbaren Handlungen auf­ fordert oder anreizt, w ird m it Gefängnis be­ straft. I n besonders schweren Fällen ist die S tra fe Zuchthaus. Meine Herren! I n diesem Zusammenhang käme jetzt als eine Unterfrage herein die V e r h e r r l i c h u n g von Verbrechen, von der gestern beiläufig schon die Rede war, und zwar knüpft stch das an an das W o rt »anreizt«. Es ist gestern schon hervorgehoben worden, daß die Verherrlichung eines Verbrechens in der Regel und auch nach dem Text eines Gesetzes, das hier vor­ gelesen worden ist, als M itte l der Anreizung dient, und ich bin nach nochmaliger Überlegung der Meinung, w ir sollten auf eine besondere Herausstellung des Begriffs »Verherrlichung« verzichten, und zwar deswegen, weil die Verherrlichung in diesem Zusammenhang doch nur unter dem Gesichtspunkt der Anreizung, des S tim mungsmachens überhaupt'aufgefaßt werden kann und das scherzhaft gebrauchte Beispiel von der Aufführung von »W ilhelm Tell« dam it aus der Betrachtung des Strafrechts ausscheidet. Ich wäre der Meinung, man sollte einen besonderen Tatbestand über die Verherrlichung von Verbrechen nicht schaffen. I s t das die Auffassung der Kommission?

Senatspräsident Professor D r. Klee (B e rlin ): V ie l­ leicht könnte man in den Tatbestand einfügen: »ins­ besondere durch Verherrlichung von Verbrechen«, damit man sieht, daß w ir an diesen F all der Anreizung ge­ dacht haben, und dam it auf ihn die Aufmerksamkeit be­ sonders gelenkt w ird. (Reichsjustizminister D r . Gürtner: J a , das wäre kein selbständiger Tatbestand!) — Nein. Professor D r . Dahm (Kiel): D ie Verherrlichung w ird doch nicht allein deshalb bestraft, weil dadurch zur Begehung strafbarer Handlungen angereizt w ird, sondern weil dadurch die S taatsautorität beeinträch­ tig t w ird . Diese Gefährdung der S ta a tsa u toritä t ist auch dann strafwürdig, wenn keine Anreizung vorliegt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Praktisch, Herr Profeffor Dahm , ist der F a ll furchtbar schwer denkbar, daß einer sozusagen abstrakt ein Verbrechen verherrlichen w ill. Ich kann m ir das kaum denken. Ich muß dann immer wieder, wenn Sie das Beispiel vom »Tell« nicht mehr hören wollen, erinnern an den größten griechischen Lyriker, der ein Panegyrikon auf die M örder des Pisistratus geschrieben hat, oder, wenn Sie aus der neueren Z eit etwas haben wollen, die Äußerungen etwa zum Rathenaumord, zum Erzberger­ mord usw. Vizepräsident Grau: Ich glaube doch, daß solche Fälle praktisch sind. Wenn ich an die pazifistische Literatur der früheren Jahre zurückdenke, so wurde dort in sehr geschickter Weise die Kriegsdienstverweige­ rung verherrlicht und öffentlich gebilligt. Das w ar damals ja keine Verherrlichung von strafbaren Hand­ lungen, würde aber in der Zukunft sicherlich eine solche sein. Literaten, die gewandt sind, hüllen ihre Aus­ führungen in öffentliches B illigen und Verherrlichen und hüten sich, sie so zu gestalten, daß sie direkt auf­ fordern und anreizen. F ü r solche Aufsätze und V er­ öffentlichungen, die genau so strafwürdig wie eine ausgesprochene Aufforderung und Anreizung sind, würde ich doch vorschlagen, dieses öffentliche Billigen und Verherrlichen so in den Tatbestand aufzunehmen, daß man es als Unterfall des Anreizend bringt, wie es auch im Sprengstoffgesetz geschieht. (Reichsjustizminister D r . G ürtner: D as wäre kongruent m it dem Vorschlag Gleispach!) — Jawohl. Profeffor D r . Nagler (Breslau): Ich glaube, das Verbrechen der Verherrlichung ist unter dem Gesichts­ punkt der verderblichen Einwirkung auf die Gesinnung der Volksgenossen zu verstehen. Ich möchte m ir erst fü r die zweite Lesung einen besonderen A ntrag in dieser Richtung vorbehalten, weil man das Problem erst richtig übersehen kann, wenn man den ganzen Beson­ deren T eil des Strafgesetzbuchs beisammen hat. Ich möchte diese Frage m it dem Maffen-Verbrechen in Z u ­ sammenhang bringen, m it dem w ir uns ja wohl auch noch auseinandersetzen müssen. P rofeffor D r . G raf Gleispach (B e rlin ): Ich meine, man muß zwei Gesichtspunkte unterscheiden. Einm al die Anpreisung von Verbrechen als M itte l zur Anreizung. Meines Erachtens wäre es eine vernünftige Auslegung, solche Fälle dem B egriff »auffordert oder anreizt« zu unterstellen. M an muß aber, bevor man hier etwa die Verherrlichung anführt, doch überlegen, daß an vielen

anderen S tellen des Strafgesetzbuches auch von a u f­ fordern oder anreizen« gesprochen w ird : D a n n ist im m e r ein Rückschluß möglich, den w ir hier doch nicht haben w ollten. Ic h glaube, das Verherrlichen soll a ll­ gemein als ein taugliches M itte l der Anreizung gelten. W enn m an der Auslegung aber nicht genug V ertraue n schenkt, dann wäre w o h l der richtige Weg der, eine W o rte rk lä ru n g zu bringen, durch die m an sich das W o rt »anreizen« ersparen könnte, und man w ürde sagen: U n te r »auffordern« w ird auch »anreizen«, insbesondere durch Verherrlichen und dergleichen verstanden. Ic h halte das aber eigentlich nicht fü r notwendig. E in zweiter Gedanke ist der, eine staats- und rechts­ feindliche Gesinnung durch solche V erherrlichung zu er­ zeugen. D a s würde meines Erachtens im Abschnitt, der vielleicht gebildet w ird , »Verbrechen gegen die Rechts­ pflege« zu erwägen sein. D a s ist dann die Verhöhnung der B e tä tig u n g der staatlichen S tra fg e w a lt und Ge­ richtsbarkeit. D a s w ürde in dieselbe L in ie gehören, wie etwa das Veröffentlichen und V erbreiten von B ild e rn von Verbrechern und dergleichen, aber nicht zu wissenschaftlichen Zwecken. W enn m an also noch einen strafw ürdigen Rest hier sieht, der durch V erherrlichung von Verbrechen als M itte l der Anreizung nicht erfaßt ist, dann gehört das w o h l nicht an diese S telle, sondern in den M s c h n itt »Verbrechen gegen die Rechtspflege«. Professor D r . Dahm (K ie l): Wenn man diesen als unerheblich bezeichneten Rest hier nicht aufnehmen w ill, so bedeutet das, das Verherrlichen als U n te rfa ll des A nreizens nicht zu nennen. Ic h glaube, das Wesen der V e r­ herrlichung ist nicht, daß die G efahr der Begehung straf­ barer Handlungen herbeigeführt w ird , sondern das, was Professor N agle r hervorhob, E in w irk u n g au f die Gesinnung der Bevölkerung, und das w ird nicht durch »verherrlichen« gedeckt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: S ie selbst sind also der M e in u n g , man sollte das Verherrlichen als M itte l der A nreizung nicht erwähnen. D a s möchte ich am lieb­ sten auch, w e il ich der Auffassung bin, daß, soweit das Verherrlichen gebraucht würd, um eine S tim m u n g fü r strafbares T u n zu schaffen, es keinen Richter a u f der W e lt gib t, der diesen Zusammenhang nicht einsehen w ird . Ic h erinnere mich an die Fälle, die ich zumeist selbst erlebt und verhandelt habe, wo in gewissen Zeiten der N o t der Landw irtschaft ein Redner aufgetreten ist und von F lo ria n Geyer zu sprechen angefangen hat. D a ß das von einer vernünftigen Auslegung unter den § 171 genommen würde, darüber habe ich ga r keinen Z w e ifel. N un kommt aber der zweite F a ll, das Verherrlichen im Nahm en der Verhöhnung der Rechtspflege. D a s ist etwas v ö llig anderes. Verhöhnung der Rechtspflege scheint m ir ga r kein schlechter Ausdruck zu sein. D a s , w as I h r Richter v e rw e rft, billigen w ir . Fälle dieser A r t erleben w ir jeden T a g . S tellen S ie sich n u r vor, jemand w ir d wegen schwerer Körperverletzung an­ geklagt. D e r Verletzte gehört einem Verband an, der Verletzende einem anderen. U n m itte lb a r nach V erkü n­ dung des U rte ils w ird der V e ru rte ilte von seinem höhe­ ren Vorgesetzten im Gerichtssaal in eine höhere Charge befördert. D a s w äre nicht eine A ufreizung zu stra f­ barem T u n , sondern das ist das, w as H e rr G ra f Gleispach die Verhöhnung der Rechtspflege nennt. Ob w ir diesem Tatbestand in t Nahm en der D elikte über

die Rechtspflege nicht nähertreten müssen, das ist eine Frage, die ernstlich zu erwägen ist. Professor D r . Dahm (K ie l): Dagegen hätte ich B e ­ denken. D ie Bezeichnung »Verhöhnung der Rechts­ pflege« ist zu eng. W enn jemand einen politischen Verbrecher verherrlicht, dann ist das Wesentliche nicht die Verhöhnung der Rechtspflege, sondern die A u f­ hetzung der Bevölkerung gegen den S ta a t und der A n ­ g r iff auf die staatstreue Gesinnung. Reichsjustizminister D r . Gürtner: M a n braucht nicht an politische D elikte zu denken. D a s , was hier die G rundlage gebildet hat, w a r kein politisches, son­ dern ein höchst persönliches D e lik t. W ir können aber die B e ra tu n g über den § 171 d a m it verlassen, daß ich als die M e in u n g der Kommission glaube feststellen zu dürfen, daß in diesem Zusammenhang von V e rh e rr­ lichung besonders nicht die Rede sein soll, w e il w ir alle der M e in u n g sind, daß dieses wichtige und wesentliche A n re iz m itte l ohnehin da runter fä llt. Zw eitens bestand der Wunsch beim H e rrn G rafen Gleispach, in diesem F a lle fü r schwere Fälle auch Zuchthaus vorzusehen. I n der neuen Fassung ist das schon berücksichtigt. S ie lautet dann: »W er öffentlich zu strafbaren H a nd lun­ gen a u ffo rd e rt oder anreizt, w ird m it Gefängnis be­ straft. I n besonders schweren Fällen ist die S tra fe Zuchthaus.« Vizepräsident G ra u : Ich möchte zu § 171 noch etwas ergänzen. D ie häufigsten Anwendungsfälle des § 171 sind ja nicht die, daß sie durch V orträge , durch Reden und auch nicht durch die Presse begangen w e r­ den, sondern durch F lu g b lä tte r im politischen K am pf. D ie F lu g b lä tte r, die w ir in den letzten Jah ren im m er wieder in die H and bekamen, enthielten öffentliche A u f­ forderungen zu strafbaren H andlungen. D e r H eraus­ geber, der Drucker usw. waren selbstverständlich nicht ersichtlich, und man konnte deshalb die V erb reiter, die man allein faßte, nicht strafen. D ie Folge dieses Nechtszustandes w a r, daß kurz nach der nationalen R e­ vo lu tio n durch V erordnung vom 4. F e bru ar 1933 ein Sondertatbestand geschaffen wurde, der denjenigen be­ s tra ft, der vorsätzlich oder fahrlässig Druckschriften politischen In h a lts herstellt, verbreitet oder zum Zwecke der V e rb re itu n g v o rrä tig h ä lt, die den Tatbestand der A u ffo rd e ru n g zü strafbaren Handlungen enthalten. Ic h glaube, es besteht ein ausgesprochenes B e d ü rfn is, diesen Tatbestand aufrechtzuerhalten. W e r politische Strafsachen häufiger in die Hand bekommt, sieht, daß das eigentlich auch jetzt noch das häufigste aller politischen D elikte ist. Es genügt nach § 20 der V erordnung, daß der objektive Tatbestand in der Druckschrift ve rw irk­ licht w ird , und es müßte noch hinzukommen, daß der V e rb re ite r bei gewissenhafter S o rg fa lt diesen objek­ tiven Tatbestand hätte erkennen können. Einen ähn­ lichen Tatbestand hat die Kommission auch schon bei S chrifte n hochverräterischen In h a lts im § 88 c be­ schlossen, und ich glaube, der Gedanke ist hier, wo doch auch eine außerordentliche G efahr fü r den öffentlichen Frieden besteht, fast der gleiche. Mindestens so häufig wie S chrifte n hochverräterischen In h a lts sind die kommunistischen F lu g b lä tte r des In h a lts von § 171 und auch § 169. Ic h würde anregen, das geltende Recht insow eit zu übernehmen, die S tra fb a rk e tt a lle r­ dings nicht davon abhängig zu machen, daß ein E in ­ schreiten nach dem Preßgesetz nicht möglich ist, also

Drucker, Verleger usw. in der D ruckschrift nicht ent­ halten find , sondern einfach p a rallel zu § 8 8 c hier einen ähnlichen Tatbestand zu faffen. Reichsjustizminister D r . Gärtner: W enn ich meine E rfah run gen aus der P ra x is bedenke, so möchte ich glauben, daß der § 88 c, wie er jetzt lautet: W er S chrifte n, S challpla tten oder bildliche D arstellungen, deren I n h a lt d m äußeren Tatbestand des Hochverrats begründet, herstellt, verbreitet oder zum Zwecke der V e rb re itu n g v o r rä tig h ä lt, obwohl er bei sorgfältiger P rü fu n g den strafbaren I n h a l t hätte erkennen müssen, w ird bestraft, praktisch der häufigste und wichtigste Tatbestand ist. D e n n in dem F lu g b la ttm a te ria l, das uns zur K enn tnis kom m t, w ird fre ilich auch zu sehr vielen gemeinen strafbaren Handlungen aufgefordert: A u f die B a rrik a d e n ! H eraus aus den B etrieben zum Generalstreik!, aber alles zum Komplex des Hochver­ ra ts gehörig. A ber ich hätte an sich kein Bedenken, wenn die H erren meinen, es bestehe ein B e d ü rfn is fü r ein Dauerrecht, das nach dem M o d e ll des Hochverrats hier aufzunehmen. Vizepräsident Grau: Ic h habe jetzt einige P ra x is gerade in kommunistischen Um trieben, w e il ich p o li­ tische Strafsachen zeichne. D a kommen solche Fälle nicht selten v o r, daß die F lu g b lä tte r nicht hochverräterischen In h a lts sind, sondern daß sie zu G ew alttätigkeiten und strafbaren H andlungen auffordern. D ie kommunistische A g ita tio n hat sich seit F e bru ar 1933 kaum verändert. Ic h glaube nicht, daß w ir a u f einen solchen Tatbestand verzichten können. Reichsjustizminister D r . Gärtner: D ie Frage ist hier keine sachliche- denn der sachliche I n h a lt ist durch § 88c vorgezeichnet. D ie Frage ist, ob fü r das Dauerrecht ein B e d ü rfn is ist. I m Z w e ife l sollte m an es bejahen. E in E in w a n d dagegen erhebt sich nicht. D a n n würde ich die Unterkomm ission bitten, dem § 171 einen A n ­ hang nach dem V o rb ild des § 88c anzuschließen. W i r kämen dann zum Landfriedensbruch. D a ist der Wunsch ausgesprochen worden, den Land­ friedensbruch an die Spitze des ganzen Abschnitts zu (letten. W enn w i r so verfahren wie bei den B eam trndelikten, w o w ir das kapitalste der Beamtendelikte, nämlich die Rechtsbeugung, als E in le itu n g des A b­ schnitts genommen haben, glaube ich, w äre das W o rt Landfrieoensbruch die drastischste In te rp re ta tio n der Überschrift. D ie S tö ru n g des öffentlichen Friedens w ird durch den Landfriedensbruch am prim itiv s te n beangen. Ic h w ürde gegen diese Umstellung kein Beenken haben, im Gegenteil, sie fü r rich tig halten. B e im Landfriedensbruch ist dann gewünscht worden, den Tatbestand wieder aufzuspalten. E r um faß t jetzt zwei D in g e : entweder m it vereinten K rä fte n der S ta a ts g e w a lt W iderstand leisten, oder einen ganz an­ deren Tatbestand, G ew alttaten gegen Menschen und Sachen verüben, bisher §§ 115 mb 116 Abs. 2. H e rr G ra f Gleispach h a t m it Recht d a ra u f hingewie­ sen, daß das zwei Tatbestände sind, und das sollen sie auch sein. Ob m an die Systematik nicht überspitzen würde, indem m a n das wieder auflöst, scheint m ir nicht so ganz sicher zu sein. Meistens geht eins ins andere über. E in Landfriedensbruch ohne G e w a ltta t

gegen Menschen und Sachen kommt ga r nicht vo r, wenigstens die Landfriedensbrüche, die ich in den letzten sechs M o nate n gesehen habe, sind so. Auch K ö rp e rve r­ letzung, Freiheitsberaubung, Sachbeschädigung kommt hinzu. M eist ist es ein ganzes K ong lo m erat von stra f­ baren Handlungen. S o richtig es also ist, daß das an sich zwei verschiedene D in g e sind, w e il die A n g riffs ­ objekte verschieden sind, möchte ich doch empfehlen, die Sache so zusammen zu lassen. D a n n w urden wie hier, so auch später gewisse S t r a f ­ drohungen beanstandet, und zw ar deswegen, w e il sie obligatorischen Charakter haben. S ie sind obligatorisch einm al nach der negativen S eite. Diese Fälle müssen w ir w o h l nach dem V o rb ild des Allgemeinen T e ils in eine K ann vorschrift um ändern. D a n n wurde beanstan­ det die obligatorische Zuchthausstrafe fü r den R ädels­ füh rer und gewünscht die wahlweise A ndrohung von G efängnis — vielleicht m it einem M in im u m — und Zuchthaus. Ic h glaube, daß m an sich dem w ird an­ schließen können, w e il es doch Landfriedensbrüche von so kleinem A usm aß geben kann, daß m an d a ra u f ein­ gehen kann. Eine Verweichlichung des S trafrechts ist das sicherlich nicht. D a n n bestand endlich noch der Wunsch, daß eine S trafverschärfung nicht bloß eintreten soll, wenn eine G e w a ltta t einen Menschen in ernste G efahr fü r Leib und Leben gebracht hat oder großer Sachschaden an­ gerichtet wurde, sondern schon, wenn ich mich recht er­ innere, bei Gebrauch von W affen, also wenn der Land­ friedensbruch von Bewaffneten begangen w urde oder, wie es im geltenden Recht heißt, im bewußten und ge­ w ollten Zusammenwirken m it Bewaffneten. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D e r Vorschlag geht dahin: wenn der B eteiligte sich der W affe bedient hat. Ob m an noch weitergehen und verschärft jeden bestrafen soll, der weiß, daß ein anderer eine W affe bei sich hat, was im Augenblick kra ft einer N otve rord nun g gelten­ des Recht ist, ist zweifelhaft. Ic h würde es vorziehen, nicht so w e it zu gehen. Vizepräsident Grau.- Z u diesem P a ra g ra p h e n kann ich aus eigener Sachkunde A usführungen machen. A ls die D erordnund vom 28. F e bru ar 1933 erging und den­ jenigen gleich einem R ädelsführer bestrafte, der die T a t m it W affen oder in bewußtem und gewollten Zusam ­ menwirken m it Bewaffneten beging, w a r das eine ganz außerordentliche Erleichterung fü r alle Gerichte. Es ist ja doch so, daß gerade bei Landfriedensbrüchen die Beweisschwierigkeiten ganz ungeheuer sind. D a ist eine große Menschenmenge, es w ird geschossen, es bleiben Tote liegen. W ie soll festgestellt werden, w er die Ge­ w alttä tigkeiten begangen hat? Es ist fast unmöglich und n u r in den allerseltensten Fällen festzustellen, daß eine bestimmte Person eine bestimmte G ew a lttätigke it begangen hat. Aber sehr vie l leichter ist es festzustellen, wer W affen in der H and hatte- und wenn mehrere W affen in der H and hatten, so ergibt sich daraus ohne weiteres, daß die anderen, die keine W affen hatten, im bewußten und gewollten Zusamm enwirken m it den Bewaffneten gehandelt haben. Ic h würde deshalb bitten, wenn man überhaupt eine S trafschärfung v o r­ sieht — und das scheint m ir unbedingt notwendig zu sein — , es nicht auf die Feststellung abzustellen, daß eine bestimmte Person eine bestimmte G e w a ltta t be­ gangen haben muß. D a s ist einfach nicht zu erweisen,

und dann könnten die allerschwersten Fälle des Land­ friedensbruchs häufig nicht m it Zuchthaus bestraft w er­ den. D a s geltende Recht in der V erordnung vom 28. F e bru ar 1933 enthält eine ausgesprochene V e r­ besserung, und ich glaube doch, daß sie in das künftige Strafgesetzbuch übergehen müßte. Reichsjustizminister D r . G ürtner: D e r W affen­ gebrauch beim R aufhandel w ürde sich jetzt so aus­ nehmen: W e r sich bei einer Schlägerei oder bei einem A n g r iff einer Schußwaffe, eines Messers oder einer anderen W affe bedient, w ird m it Gefängnis bestraft. H ie r haben w ir den Gebrauch der W affe. R ichtig ist ganz zweifellos, w as der H e rr Kollege G ra u an prak­ tischen Erwägungen aus seinem eigenen Wissen wieder­ gegeben hat. Ic h habe v o r m ir die Beschreibung eines ganz schweren Landfriedensbruchs, der in B a yern be­ gangen worden ist/ d o rt tauchen ganz die gleichen Fragen auf. Aber eine gewisse Schwierigkeit besteht. D a s bewußte und gewollte Zusamm enwirken m it B e­ waffneten ist ganz zweifellos damals m it voller Absicht hineingeschrieben worden, um den schweren L a n d frie ­ densbruch — das w a r die Z e it der Straßenschlachten — unter besondere Strafbestim m ungen zu stellen. Ob w ir fü r ein Daüerrecht nicht doch ein wenig zu w eit gehen, wenn w ir schon das Besitzen der W affe und das Wissen vom Besitz darunter nehmen, möchte ich doch zur D is ­ kussion stellen. Ic h habe eine gewisse Scheu, Strafgesetze so zu schärfen, daß sie bei der praktischen Anwendung versagen. V ielleicht sollten w ir uns doch m it dem Ge­ brauch der W affe begnügen. W i r haben noch andere Strafschärfungen da, H e rr Kollege G ra u . W enn ein Mensch in ernste G efahr fü r Leib und Leben gebracht worden ist, wenn großer Sachschaden angerichtet w o r­ den ist, so ha t das auch schon die S trafschärfung zur

Folge. Vizepräsident G rau : M a n kann die Schwierigkeit dadurch vermeiden, daß m an fa k u lta tiv Zuchthaus fü r den ganzen Absatz zuläßt. W i r haben in anderen Fällen dem R ichter so weitgehende F reiheit gelassen, w a ru m nicht in diesem Falle? Reichsjustizminister D r . G ürtner: D a n n sinkt die Bedeutung der Frage zur M aß fra ge herunter. W ir w ollten ohnehin der Anregung folgen, die Zuchthaus­ strafe nicht obligatorisch anzudrohen, schon m it Rück­ sicht auf einen kleineren R äde lsführer: Gefängnis nickt unter einem J a h r oder Zuchthaus. D a n n ist vielleicht mein Bedenken, daß es dann zu einer Anwendung einer solchen V o rs c h rift gar nicht käme, nicht mehr so wesentlich. W ürd en die H erren diese Lösung fü r mög­ lich halten? (Professor D r . N a g le r: Ic h verstehe in dem (Ä nne, daß n u r der Gebrauch der W affe q u a li­ fizieren soll?) — N ein. W i r haben zwei Möglichkeiten. D ie engere ist der Gebrauch der W affe, die weitere ist das bewußte und gewollte Zusamm enwirken m it Bewaffneten. D e r Gebrauch der W affe begegnet den großen Beweisschwie­ rigkeiten, von denen w ir hören, w eil man nicht weiß, wer geschossen hat. D a s ist eine bekannte Sache. M anchm al weiß man es auch. Infolgedessen ist es vom S tandpunkt des S ta a ts a n w a lts aus bequemer, leichter, lvenn er das bewußte und gewollte Zusammenwirken m it Bewaffneten nachzuweisen hat. D a n n aber — m ein 33.

E inw and — besteht die Gefahr, daß die S tra fd ro h u n g , wenn sie besonders scharf ist, nicht angewandt w ird . N u n wiederum : D ie S tra fd ro h u n g ist nicht besonders scharf, wenn w ir Gefängnis nicht un ter einem J a h r bis Zuchthaus in unbegrenzter Höhe zur V erfügung stellen. Infolgedessen kann m an unter dieser Voraussetzung am Ende auch das geltende Recht annehmen: bewußtes und gewolltes Zusammenwirken m it Bewaffneten. D a s w a r der Gedanke. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h möchte doch g la u ­ ben, auch bei einem M in im u m von einem J a h r Ge­ fängnis w ürde man denjenigen zu h a rt strafen, der n u r weiß, daß ein B e te ilig te r eine W affe fü h rt. Ich tv innere an einen F a ll, der uns gerade v o rlie g t. Ich kann m ir nicht denken, daß in diesem F a ll jeder Beteiligte m it einem J a h r Gefängnis bestraft werden könnte. Vizepräsident G ra u : Es genügt nicht, daß jemand weiß, daß der andere W affen hat. E r muß vielmehr m it dem, der die W affe in der H and hat, zusammen­ wirken. D a s ist doch viel mehr als das W iffe n von der W affe. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: I n dem erwähnten F a ll handelte es sich um ein Iu d e n p ro g ro m , bei dem einer oder mehrere einen Revolver bei sich ge führt und ge­ braucht haben und die zahleichen M itlä u fe r sich dessen bewußt waren. D a s ist doch ein bewußtes und gewoll­ tes Zusammenwirken. Ic h könnte m ir nicht denken, daß in diesem Falle jeder ein J a h r G efängnis im M in im u m bekommen sollte. D a s wäre zu h a rt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ich meine auch, das w ird bei allen Landfriedensbrüchen so sein, wo ein p a a r hundert Personen beteiligt sind. D e r S ta a ts ­ a n w a lt w ird doch nicht alle anklagen, sondern die W ichtigeren heraussuchen. D a s w a r bisher immer so. A ber ich glaube, fü r die F o rm u lie ru n g einer S t r a f ­ drohung sollte man an dieses Ausweichen nicht denken. Professor D r . G ra f Gleispach (B e rlin ): M i r scheint der von H e rrn Vizepräsidenten G ra u hervorgehobene Gesichtspunkt sehr zutreffend zu sein, w a ru m w ir uns hie r so in die Kasuistik der S trafbestim m ungen ein­ lassen, während w i r das'sonst bei v ie l schwereren V e r­ brechen vermieden haben. Vielleicht könnte man m it den besonders schweren Fällen hier den richtigen Ausweg finden: Zuchthaus bis zu zehn Ja h re n , Gefäng­ n is nicht unter einem J a h r fü r die R ädelsführer, v ie l­ leicht auch noch fü r den anderen B eteiligte n, der eine G e w a ltta t verübt oder von der W affe Gebrauch gemacht hat, und sonst in besonders schweren Fällen. D a n n w ürde fü r die M itw irke nde n, die w iffen, daß ein B e­ waffneter dabei ist, das Ermessen des Anklägers und des Gerichts schließlich entscheiden, ob er unter den höheren oder den Grundstrafsatz kommt. D a n n wäre der B esorgnis einer zu strengen S tra fa n d ro h u n g und auch dem B e d ü rfn is einer leichten Anwendung des Rechts vielleicht Rechnung getragen. M in is te ria lra t D r . Schäfer: Ic h b in auch der M e i­ nung, daß m an die Ergänzung der Q u a lifika tio n auf den beschränken sollte, der die T a t m it W affen begeht. W enn aber besonderer W e rt d a ra u f gelegt w ird , die verschärfte S tra fe auch bei bewußtem und gewolltem Zusammenwirken m it Bewaffneten zur D e rftg u n g zu haben, so könnte man das dadurch erreichen, daß m an die G rundstrafdrohung des ersten Absatzes auch im zweiten Absatz wahlweise zur V erfü gun g stellt, indem 3

man etwa sagt: D ie Rädelsführer können m it Zucht­ haus bis zu zehn Jahren bestraft werden/ ebenso kann ein anderer Beteiligter bestraft werden, der usw. Dann würde fü r den zweiten Absatz die S tra fe lauten: Ge­ fängnis nicht unter drei Monaten oder Zuchthaus. Dann wäre wenigstens das Bedenken ausgeräumt, daß man einen M itlä u fe r unter allen Umständen mindedestens m it einem J a h r Gefängnis bestrafen muß. D a­ gegen hätte er Bedenken. Daß irgendeiner der Beteilig­ ten eine Waffe bei sich hat, ist beim Landfriedensbruch doch die Regel, und die meisten wissen auch, daß irgend­ einer eine Waffe hat. D as bewußte und gewollte Zu­ sammenwirken m it Bewaffneten ist also hier eigentlich kein besonderer Q ualifikationsfall, sondern ein T at­ bestand, der fast regelmäßig vorliegt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ich betrachte das nur als eine andere technische Lösungsmethode zum Ge­ danken des H errn Grafen Gleispach. M a n kann es so oder so machen. M inisterialdirektor Schäfer: Ich würde die Lösung des H errn Grafen Gleispach vorziehen, denn sonst geht uns das doch wertvolle M inim um fü r den Rädelsführerverloren. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ich würde vor­ schlagen, dem Gedanken des Herrn Grafen Gleispach zu folgen, der ja nur eine kleine Variante zu dem anderen Vorschlag ist. D ann käme der § 173, S p r e n g e n

einer

Versammlung.

Hier sind zwei Fragen zur Diskussion zu stellen. Erste Frage: brauchen w ir den Abs. 2? Ich habe m ir die Einwände von gestern überlegt, und ich muß ganz offen und uneingeschränkt sagen: nein, w ir brauchen ihn sicher nicht mehr. Zweite Frage: brauchen w ir, wenn der Abs. 2 weg­ gestrichen ist, den Abs. 1 ? D a muß ich auch als Jurist sagen: nein. Denn es hindert uns gar nichts, das unter den Nötigungstatbestand zu bringen. (Senatspräsident Professor D r . Klee sBerlinj: D as Dersammlungsleben spielt auch heute nicht mehr eine solche Rolle.) — D as Sprengen vielleicht nicht, Versammlungen schon! Nun erhebt sich hier keine juristische Frage. Ich bin vollkommen überzeugt, daß das eine Nötigung ist und als solche erfaßt w ird . Eine andere Frage wäre die Rechtsgestaltungsfrage: ist der B e g riff und das W ort Versammlungssprengung nicht etwas so Eingebürger­ tes, so Geläufiges geworden, daß es damit ein Anrecht auf Weiterexistenz im Strafgesetzbuch hat? D as ist die Frage. Dazu kann man keine juristischen Ausführungen machen. Ich möchte eigentlich dazu neigen, einen solchen B egriff wie »Versammlungen sprengen« nicht aus dem Strafgesetzbuch auszutilgen. Es ist Geschmackssache. Professor D r . Nagler (Breslau): Ich würde § 173 Abs. 1 erhalten und nur die Strafe der Nötigung — in besonders schweren Fällen Zuchthaus bis zu 5 Jahren — hinzufügen, damit § 173 Abs. 1 nicht privilegierend wirkt. N u r die Parallele m it dem Strafrahm en des § 277! W ir sind uns doch klar, daß nur ein besonderer F all der Nötigung gegeben ist. Aber aus dekorativen Gründen sollte man den. § 173 Abs. 1 stehenlassen.

Reichsjustizminister D r . Gürtner: W ir können ja so verfahren, daß w ir den Tatbestand der Versammlungs­ sprengung zunächst einmal stehenlassen. Ich bin auch der Meinung, daß man den Strafrahm en der Nötigung in Parallele stellen muß. Und wenn irgendwelche über­ wältigenden Gründe geltend gemacht werden, daß man es nicht braucht, kann man es ja weglassen. V orläufig würde ich dafür sein, es zu erhalten. Nun käme der Auflauf. H ie r wäre zunächst bei der Strafdrohung selbstver­ ständlich die H aft m it zu lesen: Geldstrafe, Gefängnis und Haft. Hier ist auch ein Fragezeichen entstanden, nämlich ob der Tatbestand in diesem Abschnitt stehen­ bleiben soll. Ich glaube, das Fragezeichen stammt vom H errn Grafen Gleispach. Professor D r. Dahm (Kiel): A u fru h r und A uflauf sind typische Maffendelikte und gehören als solche zu­ sammen. Aber muß die Menschenmenge unbedingt d r e i m a l aufgefordert werden? M uß das im S tr a f­ gesetz stehen? Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ich halte es fü r einen Schönheitsfehler, wenn in dem ersten Absatz des § 174 gar nicht gesagt w ird , von wem der Betreffende aufgefordert sein muß, dam it er sich straf­ bar macht. Die A n tw o rt auf diese Frage, die jeder natürlicherweise stellt, kommt erst im Abs. 2. D a heißt es: der Am tsträger oder militärische Befehlshaber. Liest man nur den ersten Absatz, könnte man meinen: Auffordern zum Auseinandergehen kann jedermann, der sich zum Hüter der Ordnung ausw irft. D as ist natürlich falsch, wie Abs. 2 ergibt. Es ist aber ungewöhnlich, daß der Tatbestand über ein sehr wichtiges Merkmal keine Auskunft gibt, daß erst im zweiten Ab­ satz unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit des Auffordernden diese Frage beantwortet w ird . Ministeraldirektor Schäfer: Wenn w ir das in Abs. 1 hineinschreiben würden, dann würde es vom subjektiven Tatbestand m it umfaßt werden müssen. D arum schreiben w ir es richtiger nicht in den Abs. 1, sondern in den Abs. 2 und machen es zur Bedingung der S tr a f­ barkeit. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Vom subjektiven Tatbestand soll doch nur die Zuständigkeit nicht umfaßt werden) während der Betreffende doch wissen muß, daß er einen Beamten oder einen m ilitä ri­ schen Befehlshaber vor sich hat. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ich muß sagen, das Bedenken hat etwas fü r sich. Gegen den Vorschlag Klee würde nur dann etwas einzuwenden sein, wenn das W o rt »zuständig« dabei stände. Denn das dürfen w ir nicht in den subjektiven Tatbestand m it aufnehmen. Aber daß das ein Beamter oder ein S o ld a t ist, muß man allerdings sehen oder wissen. Ich glaube, das kann man hineinschreiben. Nun käme der § 175, der auch m it dem Gleispachschen Fragezeichen versehen ist. Sollen d ie

staatsfeindlichen

Verbindungen

hier geregelt werden? H err G ra f Gleispach hat, glaube ich, daran gedacht, die staatsfeindlichen Verbindungen unter die Auflehnung gegen die Staatsgewalt zu stellen.

D a n n ist die zweite F rage: soll die F rage der Neu­ bildung von P a rte ie n , die jetzt in einem Zeitgesetz be­ handelt ist, so oder in irgendeiner anderen F o rm ins D auerrecht übernommen werden? D ie dritte F rage ist die: brauchen w ir im Abs. 2 den B egriff »insgeheim«, der zweimal vorkommt. D ie vierte F rage, die w ir kurz abtun können, be­ trifft den Abs. 4: Nach diesen Vorschriften w ird nicht bestraft usw., um geändert nach unserem früheren B ei­ spiel. Endlich kommt zum 4. Abs. noch die F rage: b rau ­ chen w ir den überhaupt? I s t das nicht eine B e­ lohnung eines m iserablen K erls, wie es ausgedrückt w urde? Oder brauchen w ir es aus polizeilichen G rü n ­ den? Senatspräsident Professor D r. Klee (B erlin): W enn ich m it dem 4. Abs. des § 175 des Referentenentw urfs anfangen darf, so halte ich eine solche Bestimmung durchaus fü r zweckmäßig aus kriminalpolitischen G rü n ­ den. D e r Behörde m uß es vor allem d ara u f ankommen, die B eteiligten an einer solchen V erbindung kennenzu­ lernen/ deshalb d arf m an sehr wohl demjenigen, der rechtzeitig Anzeige von dem Bestehen einer solchen V er­ bindung macht, belohnen. Ich bin auch dafür, daß man ihm hier volle S tra ffre ih e it in Aussicht stellt. E s kann meines Erachtens hier nicht der Gesichtspunkt m aß­ gebend sein, die Vorschrift muffe m it § 32 b des Komm issionsentwurss in Einklang Abbracht werden. Denn der F all liegt hier anders. W ir müssen hier als A na­ logon den § 31 Abs. 2 des Kom m issionsentwurfs heran­ ziehen. D o rt w ird wegen V erabredung eines V er­ brechens nicht bestraft, w er freiw illig die weitere D urch­ führung aufgibt und den erstrebten Erfolg verhindert. Ebenso liegt es im § 82 Abs. 3 S tG B , in der neuen Fassung auf G rund der Novelle vom 24. A p ril: Nicht bestraft w ird, w er freiw illig seine M itw irkung an einem hochverräterischen Unternehm en aufgibt und es ver­ hindert. I n diesen F ällen ist ein ganz anderer Gesichts­ punkt maßgebend als bei der allgemeinen tätigen Reue/ im V ordergrund steht der Zweck, die Behörde in die Lage zu setzen, gegen alle Beteiligten vorzugehen. I m übrigen glaube ich, daß kein dringender G rund besteht, den Tatbestand des § 175, der schwer u nter­ zubringen ist, hier zu lassen. D a s Delikt ist nicht im eigentlichen S in n e gegen den Frieden des Volkes ge­ richtet. Ob das V erbot der Neubildung von P a rte ie n — ein Gesetz, das im höchsten G rade politischen C harakter hat, einen Grundsatz des N ationalsozialism us enthält, von dem er nicht abgehen kann — hier in diesen Zusam m en­ hang gehört, ist m ir zweifelhaft. Ich glaube, es w äre besser, wenn m an es an dem O rt beließe, wo es sich jetzt befindet. D a s W o rt »insgeheim« im Abs. 2 des § 175 möchte ich auch für entbehrlich halten. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: Ich muß gestehen, daß die A usführungen, m an müsse den vierten Absatz, wenn iimn ihn überhaupt haben w ill, m it den E in ­ gangsw orten: »Nach diesen Vorschriften w ird nicht be­ straft«, stehen lassen, auch auf mich einen überzeugenden Eindruck gemacht haben. E s soll ja in der T a t hier eine P rä m ie fü r den Polizeihilfsdienst oder fü r den Polizeidienst gegeben werden. D er H err S en atsp räsi­

dent tritt also dafür ein, den Abs. 4 stehen zu lassen u nter Zurückstellung der Bedenken, daß das nicht gerade die edelsten B lüten der Menschheit sind, die da honoriert werden. W ichtiger scheint m ir die F rage wegen der Neubildung von P a rte ie n zu sein. Professor D r. D ahm (Kiel): Ich würde eine der­ artige Bestim m ung, wenn sie überhaupt in das S t r a f ­ gesetzbuch aufgenommen werden soll, jedenfalls nicht an dieser Stelle unterbringen. D enn der Versuch zur N eubildung von P arteien w ird in der Regel einen A n­ griff auf die G rundordnung des völkischen Lebens d a r­ stellen, also unter den B egriff des Hochverrats fallen. Aber auch wenn die Neubildung von P a rte ie n kein Hochverrat sein sollte, so handelt es sich doch stets um ein politisches Verbrechen, das jedenfalls im Anschluß an den Hochverrat zu behandeln, wäre. Reichsjustizminister D r. G ü rtn e r: Gegen die S tr e i­ chung der beiden W orte »insgeheim« im Abs. 2 be­ stehen keine Bedenken? M inisterialdirektor Schäfer: Es wäre beispielsweise die Teilnahm e an einer schlagenden K orporation bisher d aru nter gefallen. B ish er w a r das W o rt »insgeheim« unbedingt nötig. W enn m an nun zur Straflosigkeit der M ensur kommt, mag das Bedenken beseitigt sein. Es würde beispielsweise jeder Spielklub d arunter ge­ hören. (Reichsjustizminister D r. G ü rtn e r: S o w eit er ver­ botene Glücksspiele betreibt!) Reichsjustizminister D r. G ü rtn e r: D a n n würde ich vielleicht hier dam it schließen können: Bei der D urch­ sicht und letzten Zusammenstellung möge geprüft w er­ den, ob die Streichung der beiden W orte »insgeheim« irgendwelchen Bedenken begegnet. Prima vista, soweit w ir jetzt unterrichtet sind, sind solche Bedenken nicht zu erkennen/ denn das einzige Beispiel m it der schlagen­ den V erbindung würde nicht überzeugend sein. Jetzt w äre n u r noch offen die F rage des Abs. 4. D a stehen sich die M einungen von H errn Professor D r . Kohlrausch und H errn Senatspräsidenten D r. Klee einander gegenüber. Professor D r. Kohlrausch (B erlin): N atürlich ist die Entscheidung eine kriminalpolitische, ob hier das B edürfnis der Polizei nach Kenntnisnahm e von staaatsfeindlichen Verbindungen größer ist als unser W iderstreben, derartiges Spitzeltum ausdrücklich zu privilegieren oder unter. Umständen geradezu anzu­ regen. E s kann nach dieser Vorschrift sich jemand zu dem Zweck des späteren V e rra ts in eine V erbindung einschleichen. Schön ist das nicht. M eines Wissens ist diese P rivilegierun g eine Angewohnheit, die aus dem Republikschutzgesetz stam m t. Ich habe sie iüim er m it einem gewissen W iderw illen betrachtet. Aber vielleicht könnte m an einen M ittelw eg gehen, indem m an sagt: S tra flo s k a n n bleiben, w er usw. S e h r viel w ird dadurch allerdings nicht gebessert, weil im m erhin die Möglichkeit der P rivilegierun g des Spitzeltum s bleibt. D a r f ich im Anschluß d ara n eine stilistische Bem er­ kung machen. I n den letzten beiden Zeilen kommen vier W ö rter vor, welche auf ung endigen. Diese deut­ schen W ö rter auf ung sind ein G räuel. Vielleicht ließen sich einige von ihnen beseitigen. 3*

Neichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h glaube, baß bas sehr [eicht ist; man (naucht n u r freit Satz aufzu­ lösen. D a n n bars ich zu K 17s) die Unterkommission bitten, von fr er Hineinnahm e des Tatbestandes frer N eubildung Von P a rte ie n abzusehen, das W o r t »insgeheim« beide M a le zu streichen, es sei denn, fraß sich bei nochmaliger näherer Überlegung triftig e G ründe d a fü r ergeben, fraß es stehenbleiben muß, endlich freit Abs. 1 zu be­ lassen und ihm n u r die Verbesserung frer Fassung angefreihen zu lassen, die eben angeregt worden ist. W i r kommen zu § 17 6, V e r b i n d u n g e n z u V e r b r e c h e n w i d e r das Leben. H ie r ist der Wunsch ausgesprochen worden, minde­ stens die gemeingefährlichen Verbrechen noch m it hinein­ zunehmen. Es besteht hier auch die N otw endigkeit, sich über das V e rh ä ltn is zu § 198 des Besonderen T e ils klar zu werden. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D e r § 198 fü h r t eine Reihe bestimmter strafbarer Handlungen au f, zu deren fortgesetzter Begehung eine V erbindung geschaffen w ird . D e r K atalog dieser strafbaren Handlungen, über die noch zu sprechen sein w ird , hat in den ver­ schiedenen E ntw ürfen sehr geschwankt. Im § 176 haben w ir es m it einem S p e z ia lfa ll zu tu n , nämlich m it Verbrechen w ider das Leben. Es ist der P a ra ­ graph, der zunächst unter dem T ite l »FememordP a ra g ra p h « gegangen ist, bis man diese allgemeinere Fassung gewählt hat. N ö tig ist hier eine V erbindung ober Verabredung. I n dem verwandten § 198 heißt es: »W er sich m it einem anderen zu fortgesetzter B e­ gehung von Verbrechen oder von Vergehen . . . ver­ bindet«. D ie S tra fd ro h u n g im § 176 ist schwerer, w e il es sich hier um Verbrechen w ider das Leben handelt. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Besteht denn ein Unterschied zwischen »W er sich m it anderen verbindet« und »W er an einer V erbindung te iln im m t« ?) — E in kleiner Unterschied ist da. D ie Verabredung ist lockerer a ls die V erbindung. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a n n käme die F rage der Einschließung der gemeingefähr­ lichen Verbrechen, etwa die B randstifterkolonne. D a s wäre w ohl gegen § 198 abzustimmen.) — D ie gemeingefährlichen Verbrechen fallen alle unter § 198. Höchststrafe ist G efängnis bis zu fü n f Jahren. Reichsjustizminister D r . G ürtner: I m § 176 Abs. 2 ist nun f ü r besonders schwere Fälle Zuchthaus vorge­ schlagen, und zw ar bis zu zehn Jahren. Gestern hat sogar einer der H erren ausdrücklich bemerkt, er wünsche, daß das nach oben nicht begrenzt werde. W enn w i r hier die gemeingefährlichen Verbrechen besonders aufführen wollen, so könnte man das dam it begründen, daß fü r die gemeingefährlichen Verbrechen die Bandenstrafe des § 198, wie sie jetzt aussieht — G efängnis schlechthin — , nicht ausreichend ist. A n sich w ürden die gemeingefährlichen.Verbrechen jetzt nach § 198 zu bestrafen sein, m it einem freilich etwas enge­ ren Tatbestand.

Professor D r . G ra f Gleispach (B e r lin ): Ic h w ürde auch befürw orten, die gemeingefährlichen Verbrechen hier hineinzunehmen. D ie T e ilu n g lä ß t sich rechtfer­ tigen unter dem Gesichtspunkt, daß die V erbindung zur Verübung besonders schwerer Verbrechen gegen das Leben oder gegen das E igentum usw. eine Friedens­ störung darstellt, während D iebstahl usw. nicht als Friedensstörung aufzufassen sind. D ieser Gesichtspunkt, daß m an den Tatbestand aufspaltet und einen T e il hier hereinnim m t, spricht d a fü r, die gemeingefährlichen V e r­ brechen hier anzuschließen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h kann nicht leugnen: daß die Autokolonne, vom Gesichtspunkt des öffentlichen Friedens aus gesehen, etwas anderes ist als die B randstifterkolonne, das ist ganz sicher. M in is te ria lra t D r . Schäfer: Ic h sehe den Unterschied zwischen dem Vergehen des § 176 und der Bande des § 198 hauptsächlich d a rin , daß die B ande der A u s ­ füh run g der T a t viel näher steht als der T ä te r aus § 176. B e i den M ä n n e rn , die sich an der Bande be­ teiligen, steht der Entschluß, eine T a t zu begehen, abso­ lu t fest. S ie wissen n u r noch nicht das Objekt. S ie haben sich noch nicht auf eine bestimmte, konkrete T a t konzentriert, wissen aber genau, daß sie unter allen Umständen zusammen eine T a t oder sogar fortgesetzt Taten begehen wollen. S ie müssen sich n u r noch die einzelnen T a ten spezialisieren. Dagegen liegt bei § 176 die T a t in w eiterer Ferne. D ie Leute, die sich an einer V erbindung oder Verabredung des § 176 beteiligen, nehmen un ter Umständen auch schon eine bestimmte T a t in Aussicht, aber im allgemeinen liegt das in weiterer Ferne. S ie rechnen m it einer T a t oder m it Taten fü r den F a ll, daß gewisse Umstände eintreten, aber es muß nicht sein/ sie haben sich nicht so stark festgelegt auf den Entschluß, die T a t zu begehen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Also die A u to ­ kolonne besteht aus Leuten, die sich verbinden, um A utos zu stehlen, zu schlachten, um zuwandeln, ins A u s ­ land zu verkaufen oder sonstwie zu verwerten. Diese Sache ist in der Großstadt beinahe m ilitä risch diszipli­ n ie rt und ausaezeichnet organisiert. D a s würde doch w ohl die B anoenbildung sein. Diese Leute sind d a r­ auf eingerichtet, von der Gelegenheit des Autodiebstahls Gebrauch zu machen, w o sie sich ergibt. Auch beim E in ­ bruch g ib t es ähnliche Kolonnen, Einbruchskolonnen, Hehlerkolonnen, wie w i r das so o ft erleben. M in is te ria lra t D r . Schäfer: D a s Entscheidende ist nach meiner M e in u n g folgendes: B e i den T ä te rn aus § 176 steht es noch nicht von vornherein fest, daß sie auch w irklich etwas begehen werden. Es wäre ihnen vielleicht sogar lieber, wenn kein A n la ß zu der in A u s ­ sicht genommenen T a t sich ergäbe, sie sind n u r ent­ schlossen, wenn sich die N otw endigkeit ergibt, die T a t zu begehen. In s o fe rn ist die Existenz der V erbindung friedensgefährdend. Professor D r . D ahm (K ie l): Zwischen der T e il­ nahme an einer V erbindung und dem sich-mit-anderenverbinden besteht doch ein Unterschied. D enn die V e r­ bindung setzt einen organisatorischen Zusamm enhalt voraus, wenn auch in noch so lockerer F o rm . F ü r die Teilnehm er an der V erbindung scheint m ir das, was H e rr G eheim rat Schäfer au sfu h rt, nicht zuzutreffen. (M in is te ria lra t D r . S chäfer: D a s ist n u r im Ausdruck verschieden.)

Reichsjustizminister D r . G ürtner: M i r ist jetzt nicht klar, w as das Z ie l dieser Debatte ist. S o ll die Frage d isku tie rt werden, ob w ir den § 176 überhaupt brauchen? — D a n n w ollen w ir die Frage auch k la r so stellen. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): M a ll könnte auf den Gedanken kommen, diese beiden P a ra graphen (§ 176 und § 198 Referentenentwurf) — an welcher S te lle , das sei v o rlä u fig noch dahingestellt — zu vereinigen, denn das sind so feine Unterschiede, die hier zwischen »sich verbindet« und »an einer V e rb in ­ dung te iln im m t« bemacht sind, daß die P ra x is Schwie­ rigkeiten haben werd, die Grenze zu ziehen. D e r S pe­ z ia lfa ll des § 176 könnte Wohl ohne Schaden in beut allgemeinen § 198 aufgehen. V ielleicht könnte auch noch § 31 en tw urfs einbezogen werden, der die Verbrechens bestraft, zum al sich R ücktrittsbehandlung findet w ie in

des Komm issions­ Verabredung eines auch hier dieselbe § 176 und § 198.

Reichsjustizminister D r . G ürtner: I n einem P u n k t kann ich dem H e rrn V o rredne r ohne weiteres recht geben: D ie Tatbestände stießen ineinander über. § 3 1 bestraft den, der m it einem anderen ein Verbrechen ver­ abredet. I n § 176 heißt es: w er an einer Verabredung te iln im m t, die Verbrechen w id e r das Leben bezweckt. D e r Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen be­ steht n u r d a rin , daß im ersteren F a ll ein bestimmtes Verbrechen, im zweiten ganz allgemein Verbrechen w ider das Leben in Aussicht genommen sind. Professor D r . D ahm (K ie l): Ic h bin nicht der M e in u n g , daß man diese Tatbestände zusammenziehen kann. § 31 behandelt das K o m p lo tt, § 198 die Bande. D a s K o m p lo tt gefährdet einzelne Rechtsgüter, die Bande den öffentlichen Frieden. I n § 176 aber stießen K o m p lo tt und Bande zusammen. Es wäre deshalb besser, tucmi § 176 auseinandergenommen würde. Es bleibt aber noch ein F a ll denkbar, der weder unter § 31 noch unter den erweiterten § 198 fiele: Eine V e ra b ­ redung, nicht ein bestimmtes Verbrechen zu begehen, sondern die V ereinbarung irgendeines nicht näher bestimmten Verbrechens. B eispiel: Mehrere Personen verabreden, einen D iebstahl oder dergleichen zu begehen, ohlle Näheres zu verabreden. H ie r wäre kein bestimmtes Verbrechen verabredet/ anderseits liegt auch kein B a n ­ dendelikt v o r. Denn das M e rk m a l öer Bande ist die Absicht, mehrere Verbrechen zu begehen. I n unserem Falle liegt aber weder eine konkrete Verabredung nach $ 31 noch eine B andenbildung gemäß § 198 vor. Neichsjustizminister D r . Gürtner: D ie Verabredung eines b e s t i m m t e n Verbrechens ist zweifellos durch § 31 gedeckt. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Auch ich möchte g la u ­ ben, man könnte auf § 176 ganz verzichten. D ie wich­ tigsten Fälle sind der F a ll des § 31: Verabredung zu einem bestimmten Verbrechen, und der F a ll des § 198: der F a ll der B andenbildung zur Begehung von V e r­ brechen oder gewissen Vergehen, die nach A r t, Z a h l und U m fang unbestimmt sind. B e i § 176 hat der F a ll der O rg anisatio n Consul P ate gestanden, deren Satzung die Bestim m ung ent­ h ie lt: V e rrä te r verfallen der Feme. D ie s ist der einzige Anw endungsfall, der m ir bekannt geworden ist. Nach 33.

dieser R ichtung scheint m ir heute ein B edü rfnis nicht mehr zu bestehen. Schließlich haben w ir auch noch die A ushilfsbestim m ung des § 175 Abs. 2: Ebenso w ird bestraft, w er an einer V erbindung te iln im m t, die insgeheim einen den Strafgesetzen zuwiderlaufenden Zweck oder ihren Zweck in s­ geheim durch strafbare M itte l verfolgt. U nter diesen Umständen scheint! m ir ein besonders prak­ tisches B e d ü rfn is fü r § 176 nicht vorzuliegen. Über­ dies bietet er dem Verständnis und der praktischen A n ­ wendung große Schwierigkeiten. D abei brauchen w ir den Tatbestand des § 198 gar nicht zu erweitern. E r bedroht m it S tra fe , w er sich m it einem anderen zu fortgesetzter Begehung von Verbrechen zusammentut. Verbrechen sind auch Verbrechen w ider das Leben. M in is te ria lra t D r . Schäfer: I m Falle der Bande des § 198 sind die T ä te r sich einig, eine T a t begehen zu wollen. D a s »Ob« steht fest, nicht aber das »Wie«. B e i § 176 dagegen ist das »Ob« noch offen/ hier sind sind die T ä te r sich einig, daß sie g e g e b e n e n f a l l s die in Aussicht genommene S tr a f ta t begehen wollen. M i r scheint, die meisten Fälle des § 176 werden schon durch § 175 erfaßt. Es handelt sich meist um politische Delikte. Professor D r . D ahm (K ie l): § 198 setzt voraus, daß jemand sich m it einem anderen zur fortgesetzten B e­ gehung von Verbrechen oder Vergehen verabredet. Es wäre aber der F a ll denkbar, daß mehrere Leute sich zur Begehung eines M ordes zusammentun, aber noch kein konkretes Verbrechen im Auge haben, so daß § 31 nicht anwendbar wäre. Anderseits haben ste sich auch nicht zur fortgesetzten Begehung von Verbrechen oder V e r­ gehen verabredet. M a n könnte aber § 198 erweitern, indem man das W o r t »fortgesetzt« streicht. D a n n reichen die §§ 31, 198 und 175 vollkommen aus, und man könnte § 176 streichen. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): Auch ich möchte unter dieser Voraussetzung den § 176 fü r überflüssig halten. F ü r straflos halte ich den F a ll, wo ein einzelner M o rd erst geplant w ird , aber noch keinerlei weitere Vorbereitungen getroffen sind. Ic h halte es w eiter fü r zweckmäßig, in § 198 das W o rt »fortgesetzt« zu streichen. D ie fortgesetzte T a t ist ein M o m ent der B andenbildung. N u r müßte dann in § 198 das Verbrechen gegen das Leben aufgenommen und die S trafbestim m ung dahin ergänzt werden, daß bei Verbrechen gegen das Leben das S tra fm in im u m drei M onate ist. D a n n kann man § 176 ru h ig streichen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: W enn w ir im § 198 das W o r t »fortgesetzt« fortlassen, verändern w ir da m it nicht den ganzen B e g riff der Bandenbildung? Oder glauben S ie ) das kommt genügend zum Ausdruck durch den P lu r a l: der fortgesetzten Begehung von V e r­ brechen oder Vergehen, die im einzelnen noch nicht be­ stim m t sind? (M in is te ria lra t D r . Schäfer: Es müssen mehrere sein.) — D a n n ist es der F a ll des 8 31 in einer starken A u s­ w eitung nach rückw ärts: w er sich in Verhandlungen einläßt und ernsthaft den W ille n zu erkennen gibt, ein Verbrechen zu begehen. Jedenfalls kommen w ir zu dem Schluß, daß w ir den § 176 entbehren können.

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Es ist noch die Frage, ob w ir beim § 198 die beson­ deren Fälle, A n g riffe a u f Veben usw. durch ein erhöhtes S tra fm in im u m auszeichnen sollen. Doch diese Frage können w i r b is zur B e ra tu n g des § 198 zurückstellen. Professor D r . D ah m (K ie l): M a n könnte auch an die Festsetzung eines S tra fm a x im u m s denken, etwa in der F o rm : » I n besonders schweren Fällen . . . « M in is te ria lra t D r . Schäfer: B e i § 7 (W eltstraf­ rechtspflege) sollte noch eine A nzahl w eiterer T a t­ bestände eingefügt werden, die zum Schutze des deut­ schen Volkes und S taates unter S tra fe gestellt sind. B e i der D urchberatung des Besonderen T e ils sollte dies jew eils geprüft werden. Diese Frage müsse nun auch bei § 175 entschieden werden. Reichsjustizminister D r . G ürtner: E in bei der staatsfeindlichen V erbindung naheliegender Gedanke! D a s w ill also den F a ll treffen, daß diese Verbindung, wenn sie zu diesem hier verbotenen Zweck im Ausland geschaffen w ird , auch dann v erfolgba r sein soll, wenn sie im A usland nicht v e rfolgba r ist. (M in is te ria lra t D r . Schäfer: D a s b e trifft also Beschimpfung des Reichs und der Länder, A ll­ g riffe gegen den Reichskanzler, R egierungs­ m itg lie der, W ehrmacht usw .!) Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ich möchte n u r an das erinnern, was w i r dam als bei der B e ra tu n g des § 31 des K om m issionsentw urfs in A us­ sicht genommen haben, nämlich in § 198 auch das K o m p lo tt einzuarbeiten. A n und fü r sich stehen ja K o m p lo tt und Bande in enger Beziehung, und in mcleu Gesetzen des Auslandes stehen sie auch zusammen, ob n u n im Allgemeinen T e il oder im Besonderen T e il, ist nicht so wichtig. Ic h gebe aber zu, wenn w ir , wie w i r das in g 31 Abs. 1 v o rlä u fig getan haben, die B estra fung des T ä te rs in Beziehung setzen zu einem ganz bestimmten Verbrechenstatbestand, wäre es ge­ re chtfertigt, das K o m p lo tt im A llgem einell T e il V 1 lassen und die Bande im Besonderen T e il bei der S tö ru n g der Rechtspflege erscheinen zu lassen. Professor D r . Mezger (München): B e i dem A b­ schnitt über die S tö ru n g der Rechtspflege werde ich den Vorschlag zu machen haben, die »Bande« in den Allgemeinen T e il zu übernehmen, und ich sehe die Rechtfertigung der Täterstrafe d a r i n ---------------. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: H e rr P r o ­ fessor Mezger, d ü rfte ich S ie bitten, gleich die Frage zu beantw orten: welcher Täterstrafe, wenn die Bande noch g a r nichts begangen hat?) Ic h weiß nicht, ob sachlich schon hier au f diese Frage eingegangen werden soll. Ic h w ollte m ir d a rauf hin ­ weisen, daß der Vorschlag später cm der einschlägigen S te lle kommen soll. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Ic h würde bitte n, das bis zu 198 zurückzustellen. Ic h wollte n u r schon gleich die Frage klären, welche T ä te r­ strafe gemeint sein soll!) — Ic h habe bisher die V o rs c h rift des § 198 des Referentenentw urfs so aufgefaßt, daß hie r eine fo r t­ gesetzte Begehung von Verbrechen oder Vergehen des D iebstahls, des B etruges usw. gemeint ist. Also es soll zw ar noch keine konkrete T a t v ereinba rt sein, aber die A r t der T a t soll doch bereits feststehen.

Reichsjustizminister D r . Gürtner: D ie Bandenbikdung — ich nehme wieder das G roßstadtbild — macht das doch nicht so, daß sie in ihre ungeschriebene Vereinssatzung hineinschreibt: w ir wollen jetzt das V e r­ brechen des g 243 Z iffe r 1 oder 5 begehen, sondern die Idee der B andenbildung ist doch die: W ir wollen uns ein arbeitsloses Einkommen verschaffen. D a s ist doch der Im p u ls der B andenbildung in diesem Falle, und das arbeitslose Einkommen verschafft man sich durch Einbruchsdiebstahl, Taschendiebstahl, B e tru g oder sonst etwas. D abei sönnen auch Urkundenfälschung, H aus­ friedensbruch, vielleicht auch Totschlag usw. v o r­ kommen. Deswegen glaube ich, daß w ir , wenn w ir die B andenbildung überhaupt als selbständigen T a t­ bestand aufbauen wollen, und das müssen w ir , eine Beziehung zur Täterstrafe g a r nicht schaffen können. Professor D r . Mezger (München): D a n n ist n a tü r­ lich die Konsequenz, daß der Tatbestand im Besonderen T e il bleibt, wie es bisher der F a ll ist. D ie ganze Frage muß beim g 198 des R eferentenentwurfs in extenso besprochen werden. Reichsjustizminister D r . G ürtner: W ir kämen da ra u f ab, den g 176 hier aufzugeben und den nicht zu ändern, sondern so zu lassen, wie er hier mit) allen falls bei g 198 zu überlegen, ob dann an Tatbestand etwas geändert werden sott.

also g 31 steht dem

(M in is te ria lra t D r . Schäfer: D a r f ich fragen, ob das im tc r die Weltverbrechen aufgenommen werden sott?) - - A n und fü r sich w äre ich geneigt, unter das W e lt ftrafrecht auch die staatsfeindliche V erbindung aufzunehmen. (Professor D r . D a h in >.Kielj: Genau so wie eine V erbindung in Frankreich gegen den französischen S ta a t! — M in is te ria lra t D r . Schäfer: Ic h glailbe, daß diese Sache ziemlich aktuell ist!) — Ic h möchte das auch meinen. D ie Folge ist doch die, daß, wenn eine staatsfeindliche V erbindung sich im A usland konstituiert und nach dem ausländischen S tra fre ch t nicht stra fbar ist, der M a n n aber im I n ­ land gegriffen w ird , er trotzdem strafbar ist. D a s ist doch die Konsequenz, und diese Konsequenz, meine ich, müßte man bei diesem P ara grap hen ziehen. (M in is te ria lra t D r . Schäfer: U nbedingt!) D a n n kämen w ir zu g 177. Brauchen w ir diesen P aragraphen? Ic h bin nicht in der Lage, ihm das W o rt zu reden, ich w ürde ihn am liebsten verschwinden lassen. (Senatspräsidcnt Professor D r . Klee f B e r lin j: D e r F a ll ist n u r einm al vorgekommen bei dem H auptm ann von Köpenick!) — D e r ist aber schon so historisch, daß w ir sein A n ­ denken nicht durch ein Strafgesetz zu konservieren brauchen. (Senatspräsident Professor D r . Klee s B e rlin j: D a s hätte ebensogut unter A m tsanm aßung fallen können!) — A lso, meine H erren, aus diesem Zwiegespräch ent­ nehme ich, daß eine N eigung, den P ara grap hen zu

retten, nicht besteht. D ie H erren P raktiker scheinen auch nicht sehr häufig m it ihm in B erüh run g ge­ kommen zu sein, (Landgerichtsdirektor D r. Lorenz [Leipzig]: W ir haben den Fall nie erlebt! — O berstaatsanw alt D r. R eim er [B e rlin ]: Es ist n ur eine V orberei­ tungshandlung zu einem später zu begehenden Delikt! — Professor D r. D ah m [Stiel]: Eine V orbereitung fü r den Hochverrat zum Beispiel!) — F a , Landfriedensbruch, A ufruhr, W iderstand gegen die S ta atsg e w a lt, der bewaffnete H aufen, all das kolnnlt schon im Leben vor, aber nicht ohne einen B e ­ gleitakt. A ls Solostim m e kommt es im Orchester der strafbaren H andlungen nicht leicht vor. W ir kämen nun zu § 179/ das ist ein ernsthafterer Tatbestand, der L a n d z w a n g. H ier bestehen folgende Wünsche: 1. D ie Einschrän­ kung auf gemeingefährliche Vergehen zu streichen und von Vergehen schlechthin zu sprechen/ 2. eine Erw eite­ rung dahin, daß als ein M ittel, um Angst und Schrecken zu erregen, auch die A usstreuung unw ahrer Gerüchte aufgenommen w ird. Ich persönlich w äre ge­ neigt, den beiden Vorschlägen zuzustimmen. Es besteht aber d rittens noch der Wunsch, eine Strafschärfung einzuführen fü r den F all, daß die T a t geschieht, um unter Ausnutzung von Angst und Schrecken strafbare Handlungen zu begehen! W ären die H erren einver­ standen, wenn m an, um diesem letzteren Wunsche ent­ gegenzukommen, die Höchstgrenze wegließe und einfach sagte: w ird m it G efängnis bestraft? (Zustimmung.) M eine Herren! D a n n hätten w ir uns jetzt noch auseinanderzusetzen m it folgenden D in gen: 1. M iß ­ brauch von Notzeichen, w orüber w ir gestern schon vorübergehend gesprochen haben/ 2. S tra fe gegen O uerulanten/ 3. Volksverhetzung und endlich 4. der K anzelparagraph. Vielleicht d arf ich vorschlagen, einm al m it den Querulanten zu begumen. W enn ich selber aus meiner langjährigen E rfahrung als O uerulantenreferent ein W o rt dazu sagen darf, so w äre das eine dringende W arn un g, das nicht zu machen, und zw ar aus folgendem G runde. Ich hatte in der M aienblüte meiner J a h re als junger Q ueru­ lantenreferent die Auffassung, daß m an Q uerulanten belehren könne. Ich habe S tunden meines Lebens d a­ m it zugebracht, einem B au ern auseinanderzusetzen, es sei töricht, sein H aus und seinen Hof zu verspielen, um einen Prozeß wegen eines Notwegs zu gewinnen. D er M an n ging getröstet weg und h at nach vierundzwanzig S tun den eine doppelt so lange Beschwerde eingereicht. Ich bin dann aus diesem W ahn durch den Münchener Psychiater Bumke befreit worden, der m ir einm al in einer sehr ausführlichen Besprechung klargemacht hat, daß der Q uerulantenw ahnsinn ein Stück Geisteskrank­ heit ist, mania querulatoria, und daß alle diese Leute in der Nachbarschaft des § 51 zu suchen sind und weder für Erkenntnis noch für Zuspruch überhaupt ein O rgan besitzen. N un bin ich der Auffassung, wenn w ir hier eine Strafbestim m ung einführen, dann erreichen w ir

g ar nichts dam it, sondern der Q uerulant würd dann seine neuen Querelen auf seine B estrafung erstrecken, unt) die Zahl der Papierbogen, die ans M inisterium geschickt werden, wenn er verurteilt worden ist, werden verzehnfacht, so daß praktisch gar nichts erreicht w ird. D er Gedanke einer G eneralprävention dem Q uerulan­ ten gegenüber ist eine Phantasie. D a s kommt gar nicht vor. Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig): D a s >-Ablegen zu den Akten« dürfen sich die Herren der M iniste­ rien erlauben, aber nicht ohne weiteres der S ta a ts ­ anw alt zum Beispiel, für den entsteht eine ungeheure B elastung durch die Q uerulanteneingaben, weil in ande­ rem stets ein ausführlicher Bericht zu machen ist, in dem er sich unter Umständen noch gegen alle möglichen A nw ürfe und Beschwerden rechtfertigen m uß. Heute ist es ja in dieser Beziehung schon besser geworden. Aber id) glaube auch, daß m it der vorgeschlagenen S tr a f ­ drohung das Gegenteil erreicht w erden' würde. Es könnte viel eher geschäftsordnungsm äßig dadurch abge­ holfen werden, daß das M inisterium die E rlaubnis gibt, daß solche Eingaben einfach zu den Akten genommen werden können. D a m it w äre allen diesen Behelligungen abgeholfen. Senatspräsident Professor D r. Klee (B erlin): D a s Kammergericht h at den P a ra g ra p h e n der allgemeinen Gerichtsordnung, der diese Q uerulantenbestim m ung ent­ h ält, für gültig erklärt, bis sie 1931 als veraltet auf­ gehoben worden ist. M ir haben den Q uerulanten­ paragraphen in der P ra x is des Ersten S trafsen ats sehr selten angewandt. D ie Voraussetzungen, die er ähnlicb wie die Preußische Denkschrift vorsah, w aren nämlich so gefaßt, daß m an mindestens subjektiv sehr selten feststellen konnte, daß der T ä te r sich der offenbaren Grundlosigkeit seiner Beschwerden bewußt w ar, aus den G ründen, die der H err Reichsminister angeführt hat. Ich verspreche m ir keinen praktischen Nutzen von solcher Strafvorschrift. D ie Leute sind unbelehrbar und würden sich, wenn sie bestraft werden, noch mehr als M ä rty re r vorkommen. Ich verkenne dabei keines­ wegs, daß es eine crux ist, die sich ständig wieder­ holenden Eingaben der Q uerulanten strafen zu müssen. M in isterialrat Rietzsch: D ie Fassung des V o r­ schlags der Denkschrift für den O uerulantenparagraphen läßt sich sicherlich noch verbessern. Zum Beispiel ist es kaum zweckmäßig, die offenbare Grundlosigkeit der Ouerelle zum Vorsatz zu erfordern/ sie m üßte B edin­ gung der S trafb ark eit sein. D ie Bedenken, die gestern von dem H errn Referenten geäußert w urden, sind da­ m it ausgeräum t. (Reichsjustizminister D r. G ü rtn er: W ie beurteilen S ie den praktischen Effekt einer solchen S tr a f ­ bestimmung?) F ü r nutzlos halte ich sie nicht. D er preußischen Justizverw altung ist früher nicht selten nahegelegt, auf häufigere Anwendung der Vorschrift des A LR . hin­ zuwirken/ nach ihrer Aufhebung ist vielfach be­ d auert, daß dam it die letzte B a rrie re gegen Q uerulanten aufgehoben sei. D a s Bedenken, die V o r­ schrift des A LR. sei ungeschickt gefaßt, hat m an in der P r a x is meines Wissens kaum je gelten lassen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ic h verspreche m ir in der P ra x is n u r, daß I h r e M ittelgebirge von Q ueru­ lantenakten zu Hochgebirgen werden.

Professor D r . Mezger (M ünchen): Ich kann meiner eigenen Beschäftigung m it Q uerulanten bestätigen: jedes V erfahren w ir d im m e r wieder K ristallisatio nspun kt fü r einen neuen B e rg von schwerden.

aus nur zum Be­

Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: kann m it einem B eispiel dienen. W ir haben in B adern in Z e i­ ten großer Courage zusammen m it dem Landtag ein­ m a l ausgemacht, daß, wenn in einer Beschwerde an den Landtag oder die Regierung eine Ungehörigkeit, eine grobe B eleidigung oder so etwas d rin stand, ein kleiner ro te r gedruckter Z e ttel draufgeklebt wurde, welcher besagte: W ird nicht behandelt nach P a ra g ra p h soundsoviel der Geschäftsordnung! D a s wurde ins K u ve rt gesteckt und zurückgeschickt. D ie Folge w a r, daß sofort eine neue Reihe von Querelen sich anknüpfte wegen Rechtsverweigerung usw. Ic h w a r selbst ein be­ geisterter Verfechter dieses Gedankens. Unser Akten­ papier h a t sich dadurch nicht verm inde rt, das kann ich bestimmt aus E rfa h ru n g sagen. Professor D r . Mezger (M ünchen): Es sind w ohl nicht a l l e Q uerulanten, die die Gerichte oder die M in is te rie n beschäftigen, w irklich g e i s t e s k r a n k e Q uerulanten. Ic h kann m ir denken, daß auch Geistes­ gesunde sich in einen bestimmten F a ll verrennen. Ä h r viele, wenn nicht die große M e h rz a h l aber gehören zur G ruppe der Geistesgestörten. B e i ihnen ist es aber ganz sicher, daß neue V erfa hre n n u r wieder zum A n ­ satzpunkt weiteren Q uerulierens werden. D ie S tra fe , die ja nicht allzu groß sein kann, schreckt diese psycho­ pathischen oder psychotischen Q uerulanten sicher nicht ab. S ie ist ihnen vollkommen gleichgültig, vielfach ge­ rade ein Anstoß zu w eiterer W ah n b ild u n g . D ie wenien Fälle ohne geistige S tö ru n g geben zu einer besoneren S tra fd ro h u n g auch meines Erachtens keinen ge­ nügenden A nlaß . Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: Ic h glaube, die S tim m u n g der Kommission doch dahin erfassen zu dü r­ fen, daß ein B e d ü rfn is fü r diese Strafbestim m ung eigentlich nicht bejaht w ird . Ic h möchte n u r anmer­ kungsweise zum Schluß noch sagen: W enn hier eine Freiheitsstrafe verhängt und verbüßt w ird , stellen S ie sich vor, welches neue B etätig ung sfeld fü r den Q ueru­ lanten sich allein aus der B ehandlung im Gefängnis, in der H a ft ergibt, ein v ö llig neues, bisher unbetretenes Gebiet. (M in is te ria lra t D r . Schäfer: D a d a rf er den Instanzenweg erschöpfen!) — Diesen P u n k t halte ich fü r erledigt. W ir kommen dann zu dem P u n k t des Mißbrauchs

von

R o t z e i ch e n ,

der von der preußischen Denkschrift vorgeschlagen ist. S tra fb a r macht sich, w er öffentliche Notzeichen oder öffentliche Einrichtungen zur Bekäm pfung gemeiner Gefahren oder zur H ilfeleistung bei Unglücksfällen m iß ­ braucht. A ls einziges Beispiel ist hier der Feuer­ ala rm gegeben. A n sich kann m an sagen: W e r einen falschen Feueralarm gibt, stört zweifellos den öffent­ lichen Frieden. E r stört ihn aber auch, wenn der A la rm begründet ist. Desweaen w äre ich der M e in ung , man könnte den Tatbestand w ohl hier unterbringen, man müßte ih n n u r beschränken, um nicht D in g e da runter zu fassen, die zweifellos nicht hierher gehören.

P ro fe ffo r D r . G ra f Gleispach (B e rlin ): E in wesent­ licher G ru nd fü r eine krim inelle Erfassung dieses M iß ­ brauchs liegt auch d a rin , daß die H ilfeleistung bei der Bekämpfung einer auftretenden G efahr im Ernstfälle durch die mißbräuchliche A la rm ie ru n g der Feuerwehr vernichtet werden kann, und daß vielleicht auch die Hilfsbereitschaft der Menschen, die öfter grundlos a la rm ie rt werden, sinken muß. D a s ist ein Gesichts­ punkt, der weniger in der S tö ru n g des öffentlichen Friedens als in der S tö ru n g der V e rw a ltu n g liegt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: W enn sich kein Widerspruch erhebt, einverstanden. D a n n käme der Kanzelparagraph, der jetzt im § 1 3 0a lautet: E in Geistlicher oder anderer R eligionsdiener, welcher in A usübung oder in V e r­ anlassung der A usübung seines B erufes öffentlich vor einer Menschenmenge oder in einer Kirche Angelegen­ heiten des S taates in einer den öffentlichen Frieden gegefährdenden Weise zum Gegenstand einer V erkündi­ gung oder E rö rte ru n g macht, w ird soundso bestraft. D ie Idee des Kanzelparagraphen haben w ir im Ge­ setz noch nicht anderswo zum Ausdruck gebracht. (Z u ru f: I s t gestrichen w orden!) — D e r ist an sich gestrichen worden, und zw ar m it der Begründung, daß, wenn eine solche T a t von einem Geistlichen begangen w ird , vielleicht auch von einem anderen, der eine besonders a u to rita tiv e S te llu n g hat, das im S tra fm a ß zum Ausdruck kommen soll. Eine Hervorhebung des Geistlichen, so w a r die M e in u n g bei der Fassung des E n tw u rfs , wäre am Ende ga r nicht notwendig. D abei ließe sich etwa noch denken, daß man bei einzelnen Tatbeständen als besonders schweren F a ll erwähnt, daß die T a t von einem Geistlichen oder einem Beainten begangen ist, wie w ir frü h e r schon sagten. W ie stellen sich die H erren zu dieser Frage? Senatspräsident P ro fe ffo r D r . Klee (B e rlin ): Ic k glaube, der Kanzelparagraph als Sondertatbestand ist entbehrlich. E r ist ja damals aus dem K u ltu rk a m p f hervorgegangen, und es w äre w ohl nicht richtig, unserm Strafgesetzbuch einen kulturkämpferischen Einschlag zu geben.' E r kann in einem allgemeinen P ara g ra p h e n auf­ gehen, wie er hier in der preußischen Denkschrift auf Seite (31 vorbehaltlich der näheren Fassung vorgeschla­ gen ist. Ic h würde dann allerdings noch vorschlagen, eine S tra fe rh ö h u n g vorzusehen fü r den F a ll, daß T ä te r ein B eam ter oder geistlicher A m ts trä g e r ist. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D e r Tatbestand, der hier in 130 a steht, ist ja eigentlich beinahe identisch m it dem Volksverhetzungstatbestand der preußischen Denkschrift. (Senatspräsident P ro fe ffo r D r . Klee: D a r in könnte er sehr gut aufgehen!) Dieser Tatbestand der preußischen D enkschrift — viel­ leicht zusammen m it noch einem anderen — müßte aber allgemein gefaßt sein. M a n könnte sagen: besonders schwerer F a ll, wenn ein B eam ter oder Geistlicher es tut. (Professor D r . G ra f Gleispach: Ic h bin durchaus gegen die Aufnahm e des Kanzelparagraphen,' die G ründe sind genügend e rö rte rt! — Professor D r . N a g le r: Ic h bin auch fü r eine Q u a lifika tio n -bei einem anderen Tatbestand! — Professor D r . Mezger: Ic h b in auch gegen A ufnahm e eines besonderen Kanzelparagraphen!)

Ich glaube, die Stimmung der Kommission ist ge­ nügend gekennzeichnet. D ann kämen wir zu dem letzten Punkt, ich möchte es Volksverhetzung nennen. Man hat es im geltenden Recht Anreizung p m Klassenkampf genannt, nämlich § 130: Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegen­ einander öffentlich anreizt, wird bestraft. Die preußische Denkschrift hat das anders gefaßt. Sie sagt Seite 61: Wer es unternimmt, öffentlich in einer den Dolksfrieden gefährdenden Weise Angelegenheiten des Staates zum Gegenstand hetzerischer Erörterun­ gen zu machen, zweitens Druckschriften oder son­ stige Schriften auszugeben, zu verbreiten oder einzuführen, in denen Angelegenheiten des S ta a ­ tes in einer den Dolksfrieoen gefährdenden, hetze­ rischen Weise erörtert werden, macht sich der Volksverhetzung schuldig. Ein besonders schwerer Fall liegt dann vor, wenn der Täter ein Beamter oder Religiönsdiener ist. I n besonders schweren Fällen kann auf Entziehung des Staatsbürgerrechts erkannt werden. Nun habe ich ausgeführt, daß wir dazu einen Gedan­ ken aus dem norwegischen Straftecht gefunden haben, der sich möglicherweise zur Verwendung eignet. Dieser Gedanke lautet: Derjenige wird bestraft, der öffentlich einen Teil der Bevölkerung gegen einen anderen auf­ hetzt oder dazu mitwirkt. Letzteres wäre die Erbschaft der Klaffenausreizung, wobei wir den Ausdruck Klaffe vermeiden müssen, weil Klaffen als nicht existent be­ trachtet werden müssen. Aber daß man einen Teil der Bevölkerung gegen einen anderen aufhetzt: Städter egen B am rn, Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer usw. — as ist möglich. Mein Vorschlag ginge dahin, diese Tatbestände der Dolksverhetzung zu kombinieren. Professor D r. Dahm (Kiel): Ich glaube, daß sowohl § 130 des Strafgesetzbuchs als auch der Vorschlag der preußischen Denkschrift zu eng ist/ § 130, weil er von »Klassen« spricht und eine Aufreizung zu Gewalttätig­ keiten fordert, die preußische Denkschrift, weil sie vor­ aussetzt, daß Angelegenheiten des Staates zum Gegen­ stände der Erörterung gemacht werden. Ein typischer Fall ist aber der, daß soziale Verhältnisse zum Anlaß der Kntik und der Hetze genommen werden, also nicht eigentlich Angelegenheiten des Staates. Ich würde eine Erweiterung in der Richtung des norwegischen Vor­ schlags für glücklich halten. Reichsjustizminister D r. Gürtner: W as die Ange­ legenheiten des Staates anlangt, so möchte ich auch glauben, daß das zu eng ist. Augenblicklich könnte ich mir vorstellen, daß Angelegenheiten der Kirche einen willkommenen Anlaß zur Hetze bieten. Aber könnte

man das nicht umfassen mit dem Wort »öffentliche Angelegenheiten«? P rivate Angelegenheiten sind nicht dazu geeignet. (Professor D r. Dahm: Wenn jemand z. B . Vor­ gänge aus dem privaten Leben eines einzelnen Menschen als typisch für eine bestimmte Gesell­ schaftsschicht hinstellt?) Wenn jemand von dem Prassen des Generaldirektors und von seinem Auto spricht und sagt: so lebm die Leute von unserem Schweiß und Blut, dann haben Sie den Tatbestand. Von feiten der P raxis scheint kein Einwand gemacht zu werden. Ich glaube, daß wir so mit dem P aragra­ phen marschieren könnten. D ann würde ich auch meinen, man sollte einen schweren Fall andeuten: wenn der Täter ein Amtsträger oder ein Religionsdiener ist. Den Beamten würde ich ausdrücklich hereinnehmen. Ich hätte jetzt zu diesem Abschnitt keine Fragen mehr. (Ministerialdirektor Schäfer: Es fragt sich, ob durch diese Formulierung des Hetzparagraphen sich ein Zusatz zu § 169 erledigt!) — J a , das hatten wir vorhin bei der Sabotierung obrigkeitlicher Empfehlungen zurückgestellt. Wenn man den Tatbestand der Volksverhetzung so ausweitet, daß man sagt: »öffentliche Angelegenheiten in hetzerischer Weise erörtert«, so fragt sich, ob das am Ende schon dem Gedanken der Sabotierung behördlicher Empfeh­ lungen entsprechen würde. Ein großer Teil der letz­ teren wird sicher darunter fallen, z. B . alle mit Sentiment gewürzten Erörterungen. Ich kann mir aber auch denken, daß ein Teil nicht darunter fällt, daß also die Sabotage von Dingen wie des Winterhilfswerks auch in einer Form geschehen kann, von der man nicht gerade sagen kann, sie sei volksverhetzend. Wenn die Herren dieser Auffassung sind, würde auch die erwei­ terte Fassung des Volksverhetzungsparagraphen den anderen Tatbestand nicht überflüssig machen. (Ministerialdirektor Schäfer: Es war dann vor­ gesehen, nur Empfehlungen der Reichsregierung aufzunehmen!) — D as war auch der Punkt, mit dem sich Preußen ein­ verstanden erklärt hatte, und der die großen und un­ überwindlichen Bedenken eines allzu weiten strafrecht­ lichen Schutzes ausräumt. (Ministerialdirektor Schäfer: Und das W ort »böswillig«!) Reichsjustizminister D r. Gürtner verläßt nunmehr infolge einer dringenden anderweiten Beanspruchung die Sitzung. Unter dem Vorsitz von Ministerialdirek­ tor Schäfer werden in die Unterkommission für den Abschnitt »Delikte gegen den öffentlichen Frieden« außer den beiden Referenten berufen Professor D r. G raf Gleispach und Landgerichtsdirektor Leimer. D arauf wird die Beratung vertagt auf Freitag, den 1. Ju n i, vormittags 9 Uhr. (Schluß der Sitzung 12 Uhr.)

RetchSdruckerei, Berlin. (>962. 34. DK.

33.

5

Strafrechtskormniffion

(Seite

34. Sitzung 1.3um 1934 Inhalt Seite

Störung der Beziehungen zum A usland Ministerialdirektor S c h ä fe r.................................... 2. 3. Berichterstatter Professor D r. Nagler (Breslau) . . 2. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig). Vortragender Legationsrat D r. S ie d le r................... 3. Professor D r. G raf Gleispach (Berlin) ........................ Professor D r. Mezger (München) ............................. 3. Senatspräsident Professor D r. Klee (B e rlin )............... Professor D r. Dahin (K ie l).............................................. Professor D r. Kohlrausch (B e rlin )..................................

4 4 3 4 3 4 4 4 4

Hochverräterische A n g r i f f e gegen einen ausländischen S t a a t Ministerialdirektor S c h ä fe r........................ 4. 5. 6. 7. Berichterstatter Professor D r. Nagler (Breslau) 4. 5, Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig). Vizepräsident G ra u ............................................................... Senatspräsidcnt Professor D r. Klee (B e rlin )............... Professor D r. Dahm (K ie l) ...................................... 5. Professor D r. Kohlrausch (B e rlin ).................................. Professor D r. G raf Gleispach (B erlin)...........................

8 6 5 5 5 6 6 6

B e l e i d i g u n g e i n e s ausländischen S t a a t s o b e r h au pt s oder Ges a n d t e n Ministerialdirektor Schäfer?. 8. 9. 10. 11. 12. 13. Berichterstatter Professor D r. Nagler (B reslau)?. 8. 12. Berichterstatter Landgcrichtsdirektor D r. Loreuz (Leipzig) 10. 12. Vortragender Legationsrat D r. Siedler 8. 11. 12. 13. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin) 8. 9. 11. Professor D r. Dahm (Kiel)...................... 9. 10. 12. Vizepräsident G ra u ............................................ 10. 11. Professor D r. Kohlransch (B e rlin )...............................

14 10. 13 7. 13 14 13 14 12 14

Verl et zung a u s l ä n d i s c h e r Hoheitszeichen Ministerialdirektor Schäfer .................................... 14. Berichterstatter Professor D r. Nagler (Breslau) 14. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig) Vortragender Legationsrat D r. S ie d le r ...................... Professor D r. Nagler (B re s la u )........................... —

15 15 14 15 15

Verfolgung an f Verlangen. Gegensei­ tigkeit Ministerialdirektor S c h ä fe r............................. 15. 16. Berichterstatter Professor D r. Nagler (Breslau) 15. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig) Professor D r. Graf Gleispach (B e rlin )........................ Professor D r. Kohlrausch (B e rlin )............................... Senatspräsident P ro f. D r. Klee (B e rlin )................... Professor D r. Mezger (M ünchen)..................................

17 17 16 16 17 17 17

fr

Ncutralitätsverletzung Berichterstatter Professor D r. 9?agier (Breslau) 17. Ministerialdirektor S c h ä fe r............................................. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig) Vizepräsident G ra u ............................................................ Vortragender Legattonsrat D r. S ie d le r ..................... Professor D r. Mezger (München).................................

18 18 18 18 18 18

A t t e n t a t e g e g e n ei n. a u s l ä n d i s c h e s S t a a t s oberhaupt. Beleidigung fremder R e ­ gierungsmitglieder. Ver l e t z ung ausländischer Hoheitszeichen Ministerialdirettor Schäfer...................... 19. 20. 21. Berichterstatter Professor D r. Nagler (Breslau) 19. 21. 22. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig) Vortragender Legationsrat D r. Siedler........................ Professor D r. Kohlrausch (B e rlin )............................... Ministerialrat D r. S c h ä fe r............................... .... 20. Staatssekretär D r. Freister............................. 21. 22. Professor D r. G raf Gleispach (B erlin)........................ Reichsjnstizminister D r. G ürtner. -........................... 22.

22 20. 23 19 20 20 22 23 22 23

Auflehnung gegen die Staatsgew alt W i d e r s t a n d g e g e n di e S t a a t s g e w a l t Reichsjustizminister D r. Gürtner 23. 24. 25. 32. 33. 35. Berichterstatter Professor D r. Dahm (Kiel) 23. 24. 32. Berichterstatter Staatssekretär D r. Freister 24. 27. 34. Professor D r. Mezger (München)............ 25. 33. Professor D r. Kohlrausch (B e rlin )............................... Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin) . . . 25. Ministerialdirektor Schäfer...................... 32. 33 35. Oberlandesgerichtsrat D r. S c h ä fe r............................... Vizepräsident G r a u .................................................. 34. (Anssprache abgebrochen) Berbrechen gegen die Volksvertretung Ministerialdirettor S c h ä fe r............................. 36. 37. Berichterstatter LandgerichtSdirettor D r. Lorenz (Leipzig) Berichterstatter Professor D r. Nagler (Breslau) 37. 37. Professor D r. Dahm (Kiel)............................... Professor D r. Kohlrausch (B erlin)........................ 37. Vizepräsident G ra u ............................................................

34. 36 25. 35 33 35 36 25 32 36 34 35

38 36 Z8 38 38 38

Vergehen bei W ahlen und Abstimmungen Ministerialdirettor S c h ä fe r............ 38. 39. 40. 41. 43 Berichterstatter LandgerichtSdirettor D r. Lorenz (Leipzig) 38. 39. 40. 42 Bettchterstatter Professor D r. Nagler (Breslau) 38. 39. 40. 42 Professor D r. Mezger (M ünchen)................. 39. 40. 42 Professor D r. Dahm (Kiel).................................... 39. 41 Senat-präsident Professor D r. Klee(B erlin). . . 39. 40 Professor D r. Kohlrausch (B e rlin )............................... 41 ReichSjustizminister D r. G ü rtn e r................... 41. 42. 43 Staatssekretär D r. Freister............................. 41. 42. 43 Oberstaatsanwalt D r. Reimer (B erlin)........................ 41 Vizepräsident G ra u ............................................................ 42 Ministerialrat D r. S ch äfer.............................................. 43

1

Auflehnung gegen die Ltaatsgewalt (,'tvi4]>humi der Ans spräche) W i d e r s t a nd

g e g e n di e

3fi,r

S t a a t s g ewalt

Reichsjustizminifter D r. G ärtner. .

4,‘>. 44. 45. 40. -17 Professor D r. D a hur (Kiel)................... 44. 45. 40. 47 Staatssekretär D r. Freislcr............................

44. 40. 47

Senatspräsident Professor D r. Klee M erlin) . . .

44. 4'»

Professor D r. Mezqcr (München)................................ Professor D r. Graf G leispach (B erlin )....................... Dbcrlandesgerichsrat D r. Schäfer................................ Ministerialdirektor S chäfer............................................

4s) _15

1 4/

G e f a n § e n e n in e n t e r e i n n d G e f a n g e n e n b cf r ei u n g Neichsjustizminister D r. G ä rtn e r.......................... 47. Staatssekretär D r. Freister............................................

'

4S

(Anssprache abgebrochen)

B eginn bet S itzung 9 U h r 12 M in u te n . M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D er H e rr Reichsjustizm inistet ist verhindert, sofort den Vorsitz zu führen, im b hat mich gebeten, ih n einstweilen zu vertreten. W ir wollen beginnen m it beut 5. A bschnitt: Störung der Beziehungen zum Ausland. Referenten sind H e rr Professor D r . N a g le r und H err Landgerichtsdirektor D r . Lorenz. Ic h glaube, daß nach den A nträgen der H erren Referenten A nlaß zu einer Generaldebatte nicht v o rlie g t, und mochte vorschlagen — so kommen. w ir w o h l am schnellsten v o rw ä rts — , baß die Referenten gleich zu ben einzelnen P aragraphen berichten. Ic h schlage v o r, zunächst zu ber Überschrift tm b dem ersten P a ra grap hen zu referieren. Berichterstatter Professor D r . Nagler (B re sla u): Es hanbelt sich bei ben V orschriften, bie im 5. Abschnitt (überschrieben » S tö ru n g ber Beziehungen zum A u s­ land«) zusammengefaßt sinb, um bie E rh a ltu n g bes äußeren Friedenszustandes bes Deutschen Volkes. Es g ilt also, Friedenssicherungen nach außen zu gewinnen, d a m it es nicht zu internationalen Verwicklungen kommt, — positiv ausgedrückt, da m it ber Zustand u n ­ getrübter Beziehungen zu anderen S taaten erhalten bleibt. M a n ist sich heute über das A ngriffsobjekt v o ll­ kommen k la r/ der äußere Frieden des Volkes als eines höchst eigenständigen Rechtsvolks. W enn der Tatbestand Friedensgefährdung ist, so ergibt sich als natürliche Voraussetzung, daß es nicht schon zum Kriege oder zu einem ernsten Z e rw ü rfn is m it dem ausländischen S ta a t gekommen ist. D enn in dem Augenblick, wo sich eine solche K o m p lik a tio n eingestellt hat, fehlt das Rechtsgut, das geschützt werden soll, dann ist eben der Friede nicht mehr gefährdbar, w e il er schon nicht mehr vorhanden ist. Es hat m ith in als eine Selbstverständlichkeit zu gelten, daß die A n g riffe n u r gegen sogenannte »befreun­ dete^ S taaten gerichtet werden können. D ie Friedens­ gefährdung t r i t t schon im Preußischen Allgemeinen Landrecht hervor, das zuerst diesen Tatbestand in A n ­ lehnung an das Völkerrecht entwickelte. S ie ist vollends unbestreitbar geworden seit dem Bayerischen S tra f-

aesetzbuch von 1813, das auf die m it dem Auslande ab­ geschlossenen Traktate abstellte, die ja nach Völkerrecht liehen Grundsätzen mindestens in dem Augenblick sus­ pendiert werden, wo der Kriegszustand oder'etw as A hn liches ausbricht. Andere deutsche S taaten (z.B . Sachsen, H annover) haben die W endung »A ng riffe gegen verbündete S taaten " gebraucht. S ie ist natürlich zu eng. Es ist eine allgemeine Entwicklungstendenz der K u ltu r staaten dahin festzustellen, daß n u r A n g riffe gegen befreundete S taaten, das heißt also solche, m it denen man sich nicht im Kriegszustände oder in ähnlichen völkerrechtlich schwierigen Zuständen befindet, gerichtet werden können. D a s g ilt auch fü r diejenigen Staaten,' welche, wie Frankreich, von »befreundeten" N ationen und dergleichen nicht sprechen. D a s Schwergewicht der D inge hat sich auch d o rt durchgesetzt, und es ist auch fü r sie ganz unausweichlich, daß ber Strasschutz n u r den jenigen S taaten zuteil w ird , m it denen man auf völker­ rechtlich gutem Fuße steht. D a s deutsche System, von »befreundeten« S taaten zu sprechen, ist inzwischen von den Schweizer und auch von den österreichischen E nt w ürfen übernommen worden. Es m utet zunächst etwas befremdlich an, wenn der 5. Abschnitt überschrieben ist: » S tö ru n g der Beziehun­ gen zum A usland^ schlechthin. Es findet sich diese — ich w ill m al sagen — Verküm m erung der Überschrift seit den V ore ntw ürfen von 1909 und w ir d etwa so m o tiv ie rt: eine sachliche E rw eiterung der V orschriften gegenüber dem bisherigen Recht trete dadurch nicht ein, da der Ausdruck »befreundete S taaten« allgemein im weitesten S in n e verstanden worden sei. Ic h glaube, diese etwas mysteriöse W endung t r i f f t nicht den Kern der Sache/ denn der Schutz, welchen der 5. Abschnitt organisieren w ill, ist erst möglich, seitdem das A usland von uns als ausländischer S ta a t anerkannt worden ist, seitdenl also entweder ausdrücklich oder durch d ip lo ­ matischen Verkehr die Beziehungen zu ihm aufgenom­ men sind. D a s w ird bei S eparationen praktisch. Ob man seinerzeit im Nordamerikanischen Bürgerkriege die Südstaaten als kriegführende S ta a te n anerkennen sollte oder nicht, w a r eine sehr schwierige Frage, und heute haben w ir dasselbe im V e rh ä ltn is m it China und der Mandschurei. Zw eitens können n u r die S taaten als befteundet oder vielleicht als S taaten überhaupt an­ gesprochen werden, m it denen man die diplomatischen Beziehungen aufrechterhält, und n u r ihnen kann der Schutz gewährt werden. Praktisch geworden ist das z. B . frü her bei T ra n s v a a l. I n dem Augenblick, wo die von E ngland ausgesprochene Annexion von uns aner­ kannt w a r, schied na türlich T ra n s v a a l als S ta a t, der un ter den 5. Abschnitt fallen könnte, aus. Vollends der Kriegszustand! V on dem Augenblick des K riegsa us­ bruchs an handelt es sich nicht mehr um Friedensgefähr­ dungen. D em Kriege aber steht der Abbruch der diplo malischen Beziehungen gleich/ denn nach völkerrecht­ lichen Grundsätzen ist er eine kriegsähnliche Maßnahme. D a rü b e r hinaus w ird m an die Iriedensblockade, die eigenmächtige Okkupation und dergleichen als einen Z u ­ stand ansehen müssen, der aus entern uns bisher be­ freundeten einen feindlichen S ta a t macht. D abei hat n a türlich die S taatsanw altschaft, ehe sie in solchen Fällen zur Anklageerhebung schreitet, in engste Tuch­ füh lung m it der Leitung unserer a llsw ärtigen Geschäfte zu treten, d a m it alles im E inklang m it den Forderungen unseres ausw ärtigen Dienstes vor sich geht.

M inisterialdirektor Schäfer: Also S ie möchten der Ich würde infolgedessen vorschlagen, daß w ir die B e­ schränkung auf »bcfmmfcctc« S ta a te n wieder auf­ W eglassung des W o rtes »befreundetes« den Vorzug nehmen und dies etw a in der F o rm zum Ausdruck b rin ­ gebend gen, daß w ir die Überschrift: » S tö ru n g der Beziehun­ (V ortragender L egationsrat D r. S iedler: Ja !) gen zum befreundeten A usland« wählen. H err G eheim rat S iedler, wie denken S ie sachlich über B erichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz diese Frage? Sehen S ie die Grenze lediglich gezogen (Leipzig): Ich schließe mich den Ausführungen meines durch § 116 oder legen S ie dem W o rt »befreundet« H errn M itreferenten an. M an könnte hinsichtlich der noch eine besondere technische Bedeutung bei? D a ra u s, Überschrift auch den gegenteiligen Standpunkt ver­ daß S ie es fü r ziemlich gleichgültig halten, ob m an treten, wenn m an bedenkt, daß d as geltende Recht den das hinzufügt oder nicht, möchte ich schließen: S ie legen Ausdruck »befreundet« hat, der Referentenentw urf dem W o rt »befreundet« keine technische Bedeutung bei, dieses W o rt aber weggelassen hat. D a s w ird ja wohl sondern halten sachlich § 116 für maßgebend. m it Überlegung geschehen sein. An sich ist es eine V ortragender L egationsrat D r. Siedler: Jaw ohl! Selbstverständlichkeit, daß hier n u r befreundete S ta a te n in Frage kommen können. D a s ergibt sich weiter auch Ich würde die Grenze, die § 116 zieht, für zweckmäßig aus § 116, in dem steht, daß diese Bestim m ung n u r bei halten. verbürgter Gegenseitigkeit Anwendung findet. An sich Professor D r . Graf Gleispach (B erlin): H err aber stimme ich dem H errn M itreferenten zu, daß es M inisterialdirektor, ich würde eine entscheidende A b­ deutlicher und klarer w ird, wenn m an das W o rt änderung des im Referentenentw urf vorgeschlagenen »befreundet« auch in die Überschrift nim m t. T itels vorziehen. D e r Ausdruck »befreundete S taaten« M inisterialdirektor Schäfer: E s w ird von beson­ sagt eigentlich zu viel, wie S ie , H err M inisterial­ derem W ert sein, hier die Stellungnahm e des A us­ direktor, am Schluß schon selbst hervorgehoben haben. w ärtigen Am tes kennenzulernen. Ehe ich dem H errn W enn m an heute etwa Frankreich als einen dem D eu t­ V ertreter des A usw ärtigen Am tes das W o rt gebe, darf schen Reich befreundeten S ta a t bezeichnet, so ist das ich m ir eine Bemerkung meinerseits gestatten, um zu doch sachlich kaum zutreffend. Hingegen ist der A us­ betonen, w orauf es bei der K lärung dieser Frage an ­ druck »Beziehungen zum A usland« nach meiner V o r­ kommt. Zunächst w ird es sich d arum handeln, ob stellung wieder etw as zu farblos. Ob m an nicht von zwischen den verschiedenen Fassungen ein sachlicher » S tö ru n g der guten Beziehungen zum Ausland« Unterschied besteht. W ir sind bei der Aufstellung des sprechen könnte? E n tw urfs davon ausgegangen, daß das Maßgebende Professor D r . Mezger (München): Ich w ürde mehr aus dem § 116 zu folgern ist, daß es also darau f an ­ geneigt sein, die W orte: »befreundetes Ausland« auf­ kommt, nicht, ob daß andere Land befreundet oder nicht zunehmen. Ich glaube nicht, daß dies zu M ißdeutungen befreundet ist, ob Kriegszustand besteht oder nicht, A nlaß geben w ird. sondern daß maßgebend ist: w ir wenden die V o r­ M inisterialdirektor Schäfer: Ich habe nicht ganz schriften so lange an, als die Gegenseitigkeit als ver­ bürgt zu gelten hat. W enn der Krieg erklärt und aus- verstanden, ob w ir sachlich konform gehen. S in d S ie gebrochen ist, verbietet sich die Annahm e der V erb ür­ der Ansicht, daß auch dann, wenn die Gegenseitigkeit gung der Gegenseitigkeit von selbst. S ie kann aber nicht verbürgt ist, R au m ist für die Anwendung dieser beispielsweise auch schon bei gespannten Beziehungen Vorschriften m it Rücksicht d arauf, daß es sich um einen aufhören. D a s schien uns der maßgebende Gesichts­ befreundeten S ta a t handelt'? punkt zu sein, und w ir meinten, daß die Aufnahme des Professor D r . Mezger (München): Nein, umgekehrt! W ortes »befreundet« in der Überschrift mehr oder D a s form ale. M om ent der »Gegenseitigkeit« möchte ich weniger bedeutungslos sei. H err Professor N agler hat wie in § 116 des R eferentenentw urfs in das Gesetz m it Recht d arau f hingewiesen, daß der Ausdruck aufnehmen, aber ich möchte offen lassen, in Fällen, in »befreundetes A usland«, »befreundeter S ta a t« dem denen die Gegenseitigkeit bisher form al verbürgt w ar unbefangenen Leser zunächst befremdet und zu M iß ­ und in denen später schwere Differenzen m it einem deutungen A nlaß geben kann. W enn es richtig ist, S ta a t entstanden sind, unter Umständen daß die Grenze allein durch den § 116 gezogen ist, so ausländischen auf dem Umwege über das »befreundet« den Schuh spricht doch allerhand dafür, den Zusatz »befreundet« zurücktreten zu lassen. wegzulassen. Aber w ir müssen zunächst klären, ob w ir M inisterialdirektor Schäfer: Und wie würden S ie sachlich auseinandergehen, ob S ie dem W o rt »be­ freundet« einen ganz bestimmten technischen S in n glauben, daß das Gericht das entscheiden sott, nachdein geben, der nicht identisch ist m it dem, w as sich aus es festgestellt h at: die Gegenseitigkeit ist verbürgt? S o ll $ 116 ergibt, oder ob sie ihm keine besondere technische dann das Gericht sagen dürfen: aber trotzdem sind Bedeutung beilegen. — D a rf ich jetzt vielleicht H errn unsere Beziehungen zu der und der M acht so gespannt, G eheim rat D r. Siedler bitten, dazu vom S tandpunkt daß trotz Gegenseitigkeitsverbürgung nicht der Schutz des § 112 gew ährt werden kann? D a s w äre ein wirk­ des A usw ärtigen Am tes aus Stellun g zu nehmen. licher sachlicher Unterschied. V ortragender Legationsrat D r. Siedler: Ich kann n u r meine eigene Auffassung zum Ausdruck bringen, da Professor D r . Mezger (München): D a s w äre wohl ich nicht auf diese Sitzung vorbereitet w ar. Ich möchte eine nicht zu vermeidende Konsequenz. E s w äre dies aber annehmen, daß vom Standpunkte des A us­ unleugbar ein kleiner S c h ritt in der Richtung einer w ärtigen Am tes weder gegen die eine noch gegen die justizförmlichen V erw altung, unt> dem w ird H err P r o ­ andere Fassung Bedenken zu erheben sind. Ich selbst fessor D ah m widersprechen. Auch ich w ürde solche würde dem Ausdruck »Ausland« den Vorzug geben. Regelungen im großen und ganzen verwerfen. Aber l*

eS ist nichts grundsätzlich anders, als wenn sonst elastische Tatbestandsmerkmale verwendet werden. Es handelt sich hie r eben nicht um ein strenges EntwederOder, sondern u m Nuancen, und da w äre ich geneigt, das W o r t aufzunehmen, um einer m ateriellen Rechts­ auslegung nicht den W eg zu verbauen. S enatspräsident P ro fe ffo r D r . Klee (B e rlin ): Ic h halte es fü r unzulässig, aus der Ü berschrift beraus einen Tatbestand auszulegen, und meine daher, daß es g a r keine praktische Bedeutung fü r die A nw endung des form alen M o m ents der Gegenseitigkeit des 8 116, an oem w i r festhalten müssen, hätte, wenn in der Über­ schrift von »befreundeten« S ta a te n die Rede wäre. Ic h schließe mich daher dem Vorschlage des H e rrn Grafen Gleispach an, n u r ganz fo rm ell zu sagen: "S tö ru n g der Beziehungen zum A u sla n d « / höchstens könnte von "friedlichen« Beziehungen zum A u sla n d gesprochen werden. P ro fe ffo r D r . Nagler (B re s la u ): W a s zunächst ein­ m a l das Bedenken des H e rrn Kollegen Gleispach be­ t r if f t , so ist das W o r t "befreundet« n a tü rlic h nicht im vulgären S in n e zu verstehen, sondern im S in n e der D ip lo m a tie . W i r haben an diesem W o r t bisher nie Anstand genommen, w eil w ir es eben im S in n e des au sw ä rtig e n Dienstes ausgelegt haben. »Befreundet« ist h ier gleich »nicht feindlich«, und das ist doch das Entscheidende. W enn nun H e rr College Klee a u s fü b rt, es sei un­ möglich, aus der Überschrift etwas fü r den Tatbestand selbst zu gewinnen, so ist einzuwenden: sie bedeutet na türlich ein sehr wichtiges Auslegungsm om ent. Unsere gesamte L ite ra tu r hat bisher aus der Überschrift fü r die Tatbestände selbst sehr wichtige Auslegungsargu­ mente gewonnm , und zw ar so w e it gewonnen, daß man z. B . sogar den d o lu s d a ra u fh in m o d ifiz ie rt hat. A lle rd in g s ist die Frage um stritten. F rank sagt: Aus der Ü berschrift kann man nichts entnehmen. Aber F rank steht a llein auf weiter F lu r . Andere, z. B . ein so tüchtiger D ogm atiker wie B in d in g , haben durchaus auf das »befreundet« abgehoben. Ic h glaube, w i r müßten das ebenfalls tun. D ie W endung »gute Beziehungen« ist m ir etwas zu fa rb lo s , aber ich würde mich aitd> d a m it abfinden können. Ic h w ürde dann das »befreundet« in das »gut« wieder hineininterpretieren. Jedenfalls müssen w ir uns über diese grundsätzlichen D in g e k la r sein, d a m it sich nicht späterhin irgendwelche unnötigen Differenzen ergeben. D ie V e rb ürgu ng der Gegenseitigkeit ist nach meiner Ansicht nicht ausreichend, und zw ar oeshalb nicht, w e il sie erstens einm al eine objek­ tive S trafbarkeitsbedingung ist und w e il zweitens sich die F rage erhebt, w o ra n w ir denn die V erb ürgu ng er­ kennen. D a s ist doch die große S chw ierigkeit. D ie V e r­ bü rgun g braucht nicht durch offiziellen S ta a ts a k t zu geschehen/ sie kann durch gewohnheitsrechtliche B in d u n g , durch eine ständige P ra x is und dergleichen ersetzt w er­ den. D a ru m ist die W endung »V erbürgung der Gegenseitigkeit« nach meinem D a fü rh a lte n nicht aus­ reichend, um der ganzen Auslegung eine feste D ire k tio n zu geben. P ro fe ffo r D r . Dahm (K ie l): Ic h w ürde im Gegen­ satz zu H e rrn Professor Mezger a u f ein materielles K r ite r iu m verzichten. M a n sollte den R ichter hier auf einen form alen Maßstab verweisen, das heißt die Gegenseitigkeit verlangen.

D ie Überschrift »befreundete S taaten« w ürde ich vermeiden. D ie von H e rrn G rafen Gleispach vorge­ schlagene Überschrift fd)cmt m ir treffender. S ie laßt auch die Möglichkeit offen, daß die V o rs c h rift nicht zur Anwendung kom mt, obwohl die äußeren Beziehungen zu einem fremden S ta a t nicht förm lich abgebrochen sind. P ro fe ffo r D r . Kohlrausch (B e rlin ): Ic h bin fü r die Fassung des E n tw u rfs . D ie Beziehungen brauchen keine guten, sie können sogar schlechte sein, und trotzdem hat der einzelne sie so lange ungestört zu lasten, als die deutsche A ußenpolitik es fü r erforderlich und zweckmäßig hält. Professor D r . Mezger (München): gibt hier n u r ein Entweder-Oder.

Ic h glaube: es

V ortrage nde r Legationßrat D r . S ie d le r: Ic h möchte mich weder fü r den Ausdruck «gute Beziehungen« noch fü r den »befreundete S ta a te n " aussprechen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer. D a n n d a rf ich fest­ stellen, daß die A nregung des H e rrn Professors D r . N agle r n u r von den H erren D r . Mezger unb D r . Lorenz unterstützt w ird . D ie M e h rh e it der K om ­ mission ist anderer M e in ung . P ro fe ffo r D r . Dahm (K ie l): W enn ich rich tig ver­ standen habe, sind die H erren N agle r und Mezger durch­ aus nicht einig. D e r Vorschlag des H e rrn N a g le r be­ zieht sich auf die Ü berschrift, während H e rr Mezger ben B e g riff des befreundeten Auslandes einen einschränkenden S in n verleihen w ill. M in is te ria ld ire k to r Schäfer. D a s w ill H e rr P r o ­ fessor D r . N a g le r auch. Jedenfalls hat die Anregung keine M e hrhe it gefunden. D ie Anregung des H e rrn G rafen Gleispach, den Ausdruck »gute Beziehungen« zu wählen, ist auch nur eventualiter von den H erren D r . N a g le r und D r . Klee aufgenommen worden. (Senatspräsident Professor D r . Klee s B e rlin j: Ic h ziehe die A nregung zurück.) — Es entspricht som it dem W ille n der M e hrhe it, daß es bei der Ü berschrift des R eferentenentwurfs verblei­ ben soll. W ir kommen nunmehr zu

$ 112, hochver r ät er i sche A n g r i f f e gegen ei nen a u s l ä n d i s c h e n S t a a t . Professor D r . N a g le r (B re s la u ): § 112 behandelt hochverräterische A n g riffe gegen einen ausländischen S ta a t. Abs. 1 verweist auf die Bestimmungen über den Hochverrat: §§ 85 b, 86 bis 88, dagegen nicht auf § 88 c. § 88 c scheidet als Fahrlässigkeitsdelikt aus, w eil die Bedeutung dieser Friedensstörung m in im a l ist, außerdem müßte die S tra fd ro h u n g des § 8 8 c zur Schaffung einer besonderen S trafbestim m ung in § 112 Abs. 1 führen. Ic h mache ferner d a ra u f aufmerksam, daß in der letzten Redaktion des § 102 des geltenden Gesetzes durch das Gesetz vom 26. A p r il 193-1 der heutige § 8 8 c ausdrücklich nicht aufgenommen ist. S o ­ m it ist dieser Fahrlässigkeitstatbestand schon in der jüngsten Gesetzgebung beseitigt, und zw ar m it gutem G ru nd.

W as $ 1 1 2 Abs. 2 betrifft, so erscheint diese V o r ­ schrift im Hinblick auf § 31 unseres Allgemeinen Teils als überflüssig/ ich schlage daher vor, ihn zu streichen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz lLeipzig): Ich schließe mich dem Vorschlag des Herrn D r . Nagler an. M inisterialdirektor Schäfer: D re i frag e n sind es, die w ir hier zu erörtern hoben. Zunächst fra g t es sich, welche Paragraphen des Hochverratsabschnitts w ir in $ 112 Abs. 1 zitieren wollen. Die zweite Frage ist, ob Abs. 2 durch § 31 entbehrlich geworden ist. D ie dritte Frage betrifft das Strafm aß. M as die erste Frage betrifft, welche Paragraphen des Hochverratsabschnitts w ir hier zitieren müssen, so geht die Anregung beider Herren Referenten dahin, die $$ 85b bis 88 aufzuführen. Die Aufnahme des § 88c hat niemand befürwortet/ auch ich wäre dagegen. D a ­ m it dürfte dieser Punkt erledigt sein. Vizepräsident G rau: Es ist m ir nicht ganz klar, ob w ir hier ohne weiteres den § 86 a anwenden können. Bezüglich der staatsrechtlichen Stellung des Reichs­ präsidenten besteht wohl kein Zweifel. Anders verhält es sich jedoch m it der staatsrechtlichen Stellung des Reichskanzlers/ hier erhebt sich die Frage, welches A m t unserem Reichskanzleramt in den anderen Ländern ent­ spricht. M inisterialdirektor Schäfer: Hier handelt es sich um eine entsprechende Übertragung der Begriffe auf die staatsrechtlichen Verhältnisse in den anderen Staaten. Es besteht wohl kaum ein Zweifel, daß Mussolini oder der englische Ministerpräsident in ihrer staatsrechtlichen Stellung unserem Reichskanzler entsprechen. Vizepräsident G rau: J u r Vermeidung von Zweifeln würde: ich vorschlagen, das W o rt »entsprechend« einzu­ fügen. Aus dem vorliegenden W o rtla u t ergibt sich das nicht ohne weiteres. M inisterialdirektor Schäfer: Das ist auch gemeint. Ob die Einfügung »entsprechend " sprachlich schön ist, ist eine andere Frage. Gegen die zur Z itieru n g in Abs. 1 vorgeschlagenen Paragraphen aus dem Hochverratsabschnitt besteht kein Bedenken/ die vorgeschlagene Zitierung ist gebilligt. W ir kommen zu zweiten Frage: Is t § 112 Abs. 2 durch § 31 überflüssig geworden oder nicht? H ier möchte ich glauben, daß die beiden Herren Referenten nicht recht haben/ denn § 31 beginnt doch: »Wer m it einem anderen ein Verbrechen verabredet___ «. N un hat aber § 112 Abs. 1 kein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen im Auge, und schon aus diesem Grunde brauchen w ir die besondere Bestimmung des Abs. 2. (Senatspräsident D r . Klee [B e rlin ]: D ie hoch­ verräterische Handlung ist doch ein Verbrechen!) — Rein/ das ist kein Verbrechen. Sie brauchen nur an den Strafrahm en des $ 31 zu denken. § 31 b rin g t doch den Strafrahm en bei der Verabredung in Relation zu dem Strafrahm en, der fü r das Begehungsdelikt vo r­ gesehen ist. Das zeigt auch schon, daß w ir das W o rt »hochverräterische Handlung« nur im Sinne dieses § 112 Abs. 2 verstehen können und dürfen. Sonst existiert eine strafbare hochverräterische Handlung gegen ausländische Staaten nicht. M ir w ill also scheinen, daß

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w ir § 112 Abs. 2 brauchen, weil er durch die Fassung des § 31 nicht entbehrlich geworden ist. Professor D r . Ragler (Breslau): Als w ir den § 31 schufen, wußten w ir noch nicht, ob w ir Verbrechen oder Vergehen unterscheiden würden. Diese Frage war in suspenso. D ie wirkliche Tragweite des § 31 festzustellen, sollte eine Aufgabe der zweiten Lesung sein. Wenn irgendwelche Bedenken bestehen, können w ir hinzusetzen: »§ 31 findet entsprechende Anwendung«. W oran ich mich stoße, ist, daß die in § 31 fü r die Verabredung vorgesehene Täterstrafe im Falle des § 112 Abs. 2, wo sich die Verabredung der hochverräterischen Handlung gegen das Ausland richtet, durch eine geminderte S trafe ersetzt werden soll. M inisterialdirektor Schäfer: Ich schlage folgende Fassung des § 112 Abs. 2 vor: Ebenso w ird bestraft, wer eine hochverräterische Handlung gegen einen ausländischen S ta a t m it einem anderen verabredet. § 31 Abs. 2 g ilt ent­ sprechend. D a m it dürften alle Schwierigkeiten behoben sein. Senatspräsident Professor D r . Klee (B erlin): Könnten w ir nicht einfach in den Abs. 1 des $ 112 noch den Verabredungsparaaraphen hineinbringen? I m geltenden Recht ist doch der § 102 so gefaßt: wer gegen einen ausländischen S ta a t eine der in den §§ 81 bis 84 bezeichneten Handlungen vornim m t, darunter ist § 83, der von Verabredung handelt. M inisterialdirektor Schäfer: Dagegen habe ich ein allgemeines Bedenken, H err Präsident Klee. W ir wollen doch den § 31 Abs. 2 über tätige Reue für an­ wendbar erklären. Das paßt aber nicht im Falle der Verabredung. (Senatspräsident Professor D r . Klee [S e rlin ]: M a n könnte sagen: § 82 Abs. 4 findet Anwen­ dung, dann brauchen w ir nicht noch einmal den Tatbestand aufzuführen.) — Haben w ir § 82 Abs. 4 noch? — Herr Direktor Lorenz, sind w ir uns sachlich einig? (Landgerichtsdirektor D r . Lorenz: Jaw ohl!) W ird sonst noch zu diesem Punkte das W o rt ge­ wünscht? — Das ist nicht der F all. Dann würde Abs. 2, vorbehaltlich einer Nachprüfung durch die Unterkommission, so lauten: Ebenso w ird bestraft, wer eine hochverräterische Handlung gegen einen ausländischen S ta a t m it einem andern verabredet. § 31 Abs. 2 g ilt ent­ sprechend. D as D ritte wäre noch die Frage des Strafmaßes. Es herrscht Einverständnis darüber, daß die Worte »mit Festungshaft« fallen sollen. D as Strafm aß ist dann einheitlich schlechthin Gefängnis. (Professor D r . Dahm sKielf: Ich hätte hier auch kein Bedenken gegen Haftstrafe.) — Es würde etwas merkwürdig aussehen. D ie Frage ist ja noch offen, ob im Allgemeinen Teil vorgesehen werden soll, daß an Stelle einer Gefängnisstrafe bis zu soundsoviel auch auf Haftstrafe erkannt werden kann. Professor D r . Dahm (Kiel): Ich möchte die Be­ denken unterstreichen, die H err Vizepräsident Grau ge­ äußert hat. Es scheint auch m ir nicht richtig, daß

112 auf das deutsche Recht Bezug nim m t. D ie deutsche Hochverratsregelung w ird für d as A usland, d a s doch eine ganz andere politische S tru k tu r hat als D eutschland, oft nicht paffen. Ich würde einfach von hochverräterischen H andlungen sprechen und es der A uslegung überlaffen, zu bestimmen, w as im Einzel­ falle und unter Berücksichtigung der Verhältnisse und Rechtsallschauungen des A uslandes eine hochverräte­ rische H andlung ist. M inisterialdirektor Schäfer: E s ist m ir nicht be­ kannt, daß die Regelung des geltenden Rechts Schwie­ rigkeiten bereitet hätte. S ie lautet ganz entsprechend: ein Deutscher, der im A usland usw. eine H andlung v o rn im m t, die, wenn er sie gegen einen B undesstaat begangen hätte, nach Vorschrift der §§ 81 bis 82 zu bestrafeil sein würde. D a s w äre die entsprechende A n­ w endung. (Professor D r. D ahm >Kielst E s muß zusammenkonlmen erstens, daß die H andlung nach dein ausläildischell Gesetz strafbar ist, und zweitens, daß allch die Ausländer in Deutschland unter die entsprecbenden Bestim m ungen fallen.) — Ja w o h l. Ih re Fassung würde zu einer Folgerung führen, die w ir nicht billigen. W ir würden deil $ 8 1 c hineinbringen, den w ir nicht haben wollen. (Professor D r. D ah in sKielst D a n n lnüftte das zum Ausdruck kommen. Ich finde ilicht, daß die Fassung des $ 112 diese doppelte Einschränkung erkennell läßt.) — D a s ergibt sich wieder au s § 1 1 6 . D enn nur dann ist die Gegenseitigkeit verbürgt, weiln d as Auslaild eine entsprechende V orschrift hat. W ir müssen alles elltsprechend transferieren. Diese Ü bertragung müssen lv ir ständig vorilehmen. Professor D r. Dahm (Kiel): D ie Gegenseitigkeit besagt doch, das; allch das A usland jem and verfolgt, der Hochverrat gegen das Deutsche Reich begeht, sie besagt aber nicht, daß die H andlung im A usland Hoch­ v e rra t sein muß. E s würde z. B . jeder A ngriff gegen die G riindordnullg ei lies fremden S ta a te s zu bestrafen seill, selbst dann, wenn ein d erartiger A ngriff auf die G ru nd ord nu ng nach dem ausländischen Recht keinen H ochverrat darstellt. (Professor D r. N agler sB reslaust D a n n fehlt es au der Gegenseitigkeit!) — N ein, das ist etw as anderes. D ie Gegenseitigkeit berllht auf einem form alm Recht. M inisterialdirektor Schäfer: Ich habe m it der Frage der Gegenseitigkeitsverbürgung ständig zu tun bei der Entscheidung über die G ew ährung der internationalen Rechtshilfe. Es muß dabei jedesmal geprüft werden: gibt es einen entsprechenden Tatbestand im ausländi­ schen Recht? Es muß also z. B . feststehen, daß ein Ita lie n e r, wenn er einen A ngriff gegen die G rund­ ordnung des deutschen S ta a te s begehen würde, in I ta lie n nach dem italienischen S trafrech t entsprechend bestraft würde. Ich muß stets transferieren. M it der allgem einen Feststellung kann ich mich nicht begnügen: d a s italienische Recht kennt einen H ochverrat, und das deutsche Recht kennt einen H ochverrat, sondern ich muß von F all zu Fall feststellen, daß die Gegenseitigkeit ver­ b ü rg t ist/ — cum grano salis natürlich. D a s ist das, w as w ir ständig handhaben.

Professor D r. Kohlrausch (B erlin): Ich möchte mich dem ausdrücklich anschließen, besoilders in Erinnerllilg an den K önigsberger Geheimbundprozeß aus dem J a h re 1904. D ie Reichsgerichtsentscheidung findet sich im 28. B ande. D a s Reichsgericht sagt da: D ie B e ­ dingung der Gegenseitigkeitsverbürgung ist gegeben, wenn kein begründeter Zweifel besteht, daß die cnb sprechende gegen Deutschland begangene T a t im A lls­ land ebenfalls bestraft würde. E s ist also etw as Doppeltes vorausgesetzt, daß nämlich das A uslaild einen unseren P a ra g ra p h e n entsprechenden Tatbestand kennt und daß auch die ausländischen S trafv erfo lg u n g s­ behörden die T a t, wenn sie gegen Deutschland bcgangell w äre, verfolgen. A ndernfalls haben w ir feinen G rund, einen A uslandsstaat zu schützen. Professor D r. Graf Gleispach (B erlin): D a s E r­ fordernis der Gegenseitigkeit bedeutet doch: Erstens muß die T a t, die gegen den fremden S ta a t verübt worden ist und von uns bestraft werden soll, nach dem Recht des angegriffenen fremden S ta a te s tatbcstandsm äßig sein, und zweitens muß dieser fremde S ta a t auf den: S tandpm lkt stehen, daß er diese T a t, wenn sie gegen Deutschland gerichtet ist, allch bestraft. Nicht notwendig ist, daß die T a t nach fremdem Recht mm gerade Hochverrat heißt. D arllm sind die Bedenken des Kollegen D ah m nicht ganz begründet. Auch weilll ein fremder S ta a t den A ngriff ans seine G rundordnung nicht als Hochverrat bezeichnet, so lvird die T a t doch iulmerhill strafbar sein. W as w ir so schwer werteil, daß w ir es als Hochverrat bezeichnen, lvird es doch allch im fremden S ta a te geben. Professor D r . N agler (B reslau): Solange dieser Tatbestand existiert, hat m an die sogenamlte Um stellullg vom In la n d zum A usland vornehmen müsstll. S onst h at er g ar keinen S iiln . W elm w ir bisher 60 J a h re lang richtig ausgelegt haben, werden lvir es in den nächsten 60 Ja h re n auch nicht schlechter machen. Fm übrigen hat H err G ra f Gleispach ganz recht. E s kommt auf die Gegenseitigkeit an. W enn das A usland uns in der gleichen ^age keinen erhöhten Strafschlltz gibt, dann gewähren w ir auch keinen. Irgendwelche Gefahren existieren nicht. D a s P ro blem , das hier behandelt w ird, ist uns durchaus geläufig. D ie T ra n sform atioll vom In la n d zum A usland ist eine uns durchaus geläufige Erscheinung. Ich kann daher die Bedenken des H errn Kollegen D ah m ganz und g ar nicht teilen. Sonst müßte ich schon den Tatbestand ganz streichen oder ihn ganz anders aufziehen. A ller­ dings kämen w ir dabei in eine Kasuistik, die schlechter­ dings nicht zu leisten ist. Gerade bei den delikaten Angelegenheiten m it dem A usland ist es notwendig, eine gewisse Elastizität den Bestim m ungen zu geben, um sich jeweils den besonderen Verhältnissen anzupassen. W enn ich vorhin davon sprach, daß von unserer S t a a t s ­ anwaltschaft m it dem M inisterium des A usw ärtigen Fühlung gehalten werden m uß, so wollte ich dam it zum Ausdruck bringen: w ir können uns jetzt nicht form al ein für allem al auf einen bestimmten T a t­ bestand des Befreundetseins festlegen, sondern müssen eine gewisse Auflockerung vornehmen, wie w ir ja auch sonst gegen die Form alisierung der Tatbestände sind. S o h at m an das bisher im m er hinsichtlich des § 112 gehalten, und so sollte m an es auch w eiterhin halten.

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a n n d a rf ich diesen P u n k t als genügend geklärt betrachten in dem S in n e , daß die Bedenken des H e rrn Professor D a h m sonst nicht geteilt werden. W i r kommen dann zu K 113, B e l e i d i g u n g e i n e s a u s l ä n d i s c h e n S t a a t s o b e r h a u p t s oder Gesandten. B erichterstatter Professor D r . Nagler (B re s la u ): § 113 behandelt die B eleidigung eines ausländischen S taatsoberhaupts oder Gesandten. D e r B e g riff S taatsoberhau pt ist na türlich völkerrechtlich zu be­ greifen. I n erster Vinie ist es der S ouverän, aber ebenso der Regent. Denn völkerrechtlich ha t er durch­ aus die F u nktion des Staatsoberhauptes. D a n n gehört der P räside nt-e iner R epublik hierher. Auch d e r'P apst m ix t, vollends seitdem w ir die Vatikanische S ta d t haben, na türlich als S ouverän in diesem S in n e an­ gesprochen werden müssen. D ie Gesandtenverletzung ist ein u ra lte r Tatbestand. F rühe r enthielt er eine Verletzung sakraler A r t, A u f lehnung gegen das göttliche Recht, das über dem Ge­ sandten w altet. S ie hat man später in die I m m u n i­ tätsverletzung umgedeutet. Dieser Zusammenhang ist heute gelöst. D e r Gesandte w ird heute auch unter dem Gesichtspunkt des friedensgefährdenden A n g riffs gegen einen bcfvcunbetcn S ta a t "geschützt. I m P rin z ip ie lle n sind keine Schwierigkeiten bei § 113 abzusehen. W a s die Einzelheiten anlangt, so sind ein paar Schönheits­ fehler des Textes zu bereinigen. Nach der neuen staatsrechtlichen O rg anisatio n des Reiches muß es natürlich heißen: »beim« Reich be­ glau bigt. D a s ist heute zw angsläufig. D ie B e g la u b i­ gung selbst ist enger als die Im m u n itä t. U nter bcm Schutze der Im m u n itä t steht der Gesandte von bem Augenblick an, wo er unsere Grenze überschreitet, bis zu beut Augenblick, wo er sie verläßt. D ie B e g la u b i­ gung ist aber enger. S ie beginnt erst m it der E n t­ gegennahme des Beglaubigungsschreibens und endet schon m it der Überreichung des Abberufungsschreibens, m it der Zustellung der Pässe oder m it dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Vollends läß t der Atlsbruch des Krieges die B eglaubigung entfallen. W i r tverden also an der Beglaubigung festhalten, schon m it Rücksicht a u f die »befreundeten« S taaten. D a n n w ird man den Ausdruck »ausländische« Ge­ sandten entbehren können/ denn andere Gesandte fennett w ir im In la n d nicht mehr. D a s Gesetz sagt in Übereinstim mung m it den b is ­ herigen Gesetzesbestimmungen: »Gesandte oder Ge­ schäftsträger«, beide sind nebeneinandergestellt. N u n ist der Gesandte beim S taatsoberhaupt beglaubigt, der Geschäftsträger dagegen n u r bei dem A u s w ä rtig e n M in is te riu m . I c h ' glaube, die D ifferenzierung des § 113 ist ganz unmöglich, denn beide sind beim Reich beglaubigt. I n t übrigen kommt hinzu: wenn w ir die Trenn ung »Gesandten oder Geschäftsträger« stehen­ lassen, so könnte jemand auf die Idee kommen, gemeint sei die E tikettierung, die seit A nfan g des 19. J a h r ­ hunderts üblich ist/ dann v erm iß t man den Botschafter. Außerdem ist es so, daß nicht bloß die ständigen Ge­ sandten, sondern auch die unständigen Gesandten den Schutz des § 113 benötigen. Eine alte Kontroverse, wie es m it beut N u n tiu s und In te rn u n tiu s zu halten ist, dü rfte erledigt sein seit der

Anerkennung der Vatikanischen S ta d t. das ist auch durchaus sachgemäß.

Ic h

glaube,

W as die S tra fd ro h u n g anlangt, so müssen w ir jetzt der Tatsache Rechnung tragen, daß in unseren §§ 317 und 317a dieselbe S tra fd ro h u n g verwendet w ird , näm ­ lich H a ft oder G efängnis. Ic h glaube nicht, daß die jetzige Regelung bestehen bleiben w ird . D ie einfache B eleidigung w ird m an nicht so schwer bestrafen können wie die Ehrabschneidung. B e i der Ehrabschneidung w ird man also den S tra fra h m e n erhöhen müssen. Jedenfalls muß man den S tra fra h m e n des § 113 Abs. 1 dem S tra fra h m e n des Abs. 2 angleichen. Auch da muss es heißen: G efängnis nicht unter 1 M onat. W ir dürfen auch nicht die Begrenzung bis zu 3 Jahren im Abs. 1 stehenlassen. D em Gesandten soll ja ein erhöhter Strafschutz zuteil werden. W enn nun das kommende Strafgesetzbuch allgemein den P riv a tm a n n gegen Beleidigungen schon m it G efängnis bis zu o Jahren schützt, können w ir selbstverständlich die B e­ leidigung des Gesandten nicht m it G efängnis bis zu 3 Jah ren abfertigen. N u n spricht unser Gesetzentwurf von Beleidigungen. W ir behandeln diese A n g riffe auf das ausländische S taatsoberhaupt und den ausländischen Gesandten also nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ih re r Rechtswürde (wie E ngland oder Frankreich), sondern unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der persön­ lichen Ehre. Infolgedessen muß W ahrheitsbeweis u. dgl. zugelassen werden. W i r verweisen daher im Schlußabsatz auf bestimmte Beleidigungsbestimmungen, und zw ar au f alle bis auf den § 320, also a u f §§ 318 Abs. 2 bis 4, 321, 322 und 323. § 320 fä llt des­ wegen aus, w e il er eine injuria immediata bedeutet: die Verletzung der Ehefrau — ein alte r römischer Grundsatz — ' ist darnach zugleich auch eine E hrver­ letzung des Ehemanns. D a ß das S taatsoberhaupt und die sonstigen S taatsorga ne aber n u r in ihre n dienst­ lichen Beziehungen geschützt werden, versteht sich ganz von selbst. D a ru m kann eine Verletzung, die ganz in die P riva tsp h ä re fä llt, w ie die Verletzung der Ehre der Ehefrau, hier nicht in B etracht kommen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Auch diesen A usführungen trete ich bei. A u f einen P u n k t möchte ich n u r noch zu sprechen kommen: 8 113 soll doch eine Q u a lifizie ru n g der B elei­ digung sein, entsprechend dem § 100 des Unterkomm is­ sionsentwurfes. D o r t ist m it Tatbestandsmerkmal das M o m ent der Öffentlichkeit. Ic h glaube, das muß auch hier eingefügt werden, w e il sonst, wenn man es bei M itg lie d e rn der eigenen Regierung ve rla n g t, nicht ein­ zusehen ist, weshalb m an es bei entsprechenden M i t ­ gliedern der ausländischen Regierungen — Gesandte kommen hier noch m it in Frage — nicht verlangen sollte. Ic h w ürde also vorschlagen, einzufügen: W e r ein ausländisches S taatsoberhau pt usw. ö f f e n t l i c h beleidigt. B e i dem S tra fm a ß wäre vielleicht auch zu erwägen, ob der Vorschlag »Gefängnis nicht u n te r drei Monaten oder Zuchthaus« bei V erleum dung nicht einfach heißen m üßt? »Gefängnis oder Zuchthaus«, entsprechend der Note 5 zu N r . 18 der Unterkommissionsvorschläge. D o r t ist zum Ausdruck gebracht, daß kün ftig, wenn Ge­ fängnis neben Zuchthaus angedroht ist, die Mindest­ gefängnisstrafe 6 M o nate sein soll, so daß eine andere

Einschränkung grundsätzlich nicht in Frage S onst hätte ich nichts hinzuzufügen.

kommt.

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Es scheinen m ir Vieroder fü n f Punkte der E rö rte ru n g zu bedürfen. D ie ersten beiden Punkte sind technische Fragen, die ins­ besondere von den V e rtre te rn des A u s w ä rtig e n A m ts beleuchtet werden müßten, nämlich ob m an sagen soll, entsprechend dem Vorschlag des H e rrn Professor Nagler nnb der beiden Referenten, »einen b e.i m Reich be­ glaubigten Gesandten« statt »einem im R e ic h ___ «. (V ortragender Le gation srat D r . S ie d le r: D e r ständige Ausdruck ist jetzt »beim Reich«!) D a n n ist dieser P u n k t erledigt. D a n n dung: »Ausländische Gesandte«. Es E inigkeit darüber: Seitdem w ir keine Gesandten mehr haben, ist das W o r t entbehrlich. (Z ustim m ung.) Eine weitere Frage ist die, ob oder Geschäftsträger« oder uns, N a g le r vorschlägt, a u f das W o rt ken. D a r f ich auch dazu um I h r e

noch die Wen­ herrscht wohl innerdeutschen »ausländisch«

w i r sagen »Gesandte w ie H e rr Professor »Gesandte« beschrän­ M e in u n g bitten!

nischen Ausdruck, den man kürzlich in ein Gesetz ein gefügt hat, durch den Ausdruck »diplomatische V e r­ treter« zu ersetzen. F indet diese Anregung Anklang? Professor D r . R agler (B re sla u ): »Diplom atischer V ertreter« ist eigentlich der zutreffende völkerrechtliche Ausdruck. E r ist heute ganz präzis, w e il das V ö lke r­ recht da m it einen besonderen B e g riff verbindet. Ita lie n sagt: »V ertrete r in führender diplomatischer S en­ dung«. Ic h halte es fü r volkstümlicher, auch w eiterhin von »Gesandten« zu sprechen. W enn w ir alle der M e i­ nung sind, daß d a ru n te r im m e r ein diplomatischer V e r­ tre ter zu verstehen ist, dann werden sich kün ftig Auslcgungsschwierigkeiten nicht ergeben. Aber ich bin auch d a m it einverstanden, statt »Gesandter« » D ip lo m a ­ tischer V ertreter« zu setzen. Senatspräsident Professor D r . Klee ( B e r lin ) : Ic h möchte n u r eine Frage stellen. H e rr Professor N a g le r hat in seinem R efe rat auch des Falles gedacht, daß in besonderer a u sw ä rtig e r M ission ein Gesandter her­ kommt. S ollen nun auch diese Persönlichkeiten hier ge­ schützt werden? D a s sind keine beglaubigten Gesandten! Ic h meine aber, auch sie sind besonderen Schutzes w ü rd ig .

V ortragender L e gation srat D r . S iedler: S ta tt des Allsdrucks »Gesandter« w ird heute in der P ra x is meist der Ausdruck »D iplom atischer V ertreter« gebraucht, der umfassender ist, da er auch den »Botschafter« und den »Geschäftsträger« m itu m fa ß t. D e r Ausdruck »Ge­ sandter« könnte von den Geschäftsträgern höchstens den ständigen Geschäftsträger, aber nicht den interim istischen mitumfassen.

Professor D r . R agler (B re s la u ): Es kommt ganz d a ra u f an. W enn er herkommt, mit die A n ku n ft des Monarchen anzuzeigen, so ist er nicht beglaubigt/ aber ivenn er hierher kommt, um besondere Verhandlungen zu führen als außerordentlicher unständiger Gesandter, dann kann es sehr w ohl sein, daß er beglaubigt w ird . D a werden S ie m ir recht geben!

(M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Verstehen S ie auch den Botschafter unter dem Allsdruck »Gesandter«?)

(V ortragender Legationsrat D r . S ie d le r: J a w o h l!)

B is h e r ja ! Aber die Entw icklung hat dazu geführt, daß lnan den Ausdruck »D iplom atischer V ertreter« ge­ braucht, wenn Ulan sowohl Botschafter als auch (Ge­ sandter bezeichnen w ill. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Also I h r Vorschlag w ürde dahin gehen, die W o rte »Gesandter oder Geschäftsträger« durch »D iplom atischer V e rtre ­ ter« zu ersetzen?) Ic h möchte dies heute nicht vorschlagen, w e il der Aus­ druck »Gesandter« sprachlich schöner ist. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: H a t sonst schon in der Gesetzgebung dieser Ausdruck »Diplom atischer V ertreter« E ingang gefunden?) J a , in einem neuen Gesetz vom vorigen Ja h re ist er ge­ braucht worden. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Welches Gesetz ist das?) Ic h kann es momentan nicht sagen. I m vorigen Som m er w urde es erlassen. Es w a r l i t t e V erordnung. F rü h e r ha t m an übrigens die diplomatischen Vertreter stets m it dem Ausdruck »Gesandte« bezeichnet. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: V ielleicht erörtern w ir diesen P u n k t vorweg. D a n n kämen die juristisch-tech­ nischen Fragen: die Anpassung des § 113 an den A b­ schnitt über Beleidigungen und die Anpassung des S tra fra h m e n s . B leiben w ir aber zunächst einm al bei der zweiten Frage! D ie A nregung des H e rrn Lega­ tio n s ra ts D r . S ie d le r geht dahin, die' W o rte »Ge­ sandter oder Geschäftsträger«, entsprechend dem tech­

Senatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): Ich würde es fü r richtig halten, außerordentliche Missionen m it einzubcziehen. Ginge das auch durch die W endung »Diplom atischer V e rtreter« ? V ortrage nde r Le gation srat D r . Siedler: N ein, das würde nicht da runter fallen. (M in is te ria ld ire k to r S chäfer: W ährend das W o r t »Gesandter« das decken würde?) — J a , decken könnte, nicht decken würde. darüber zw eifelhaft sein.

M a n kann

Professor D r . Ragler (B re s la u ): W enn w ir in der Sache einig sind, dann werden fü r die Z u k u n ft A u s ­ legungsschwierigkeiten nicht bestehen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h verstehe die A n ­ regung des H e rrn L e gation srat S iedler dahin, entweder zu sagen »beim Reich beglaubigte diplomatische V e r­ treter« oder »Gesandte oder Geschäftsträger«. V ortrage nde r Le gation srat D r . Siedler: Ic h würde das fü r notw endig halten. D abei kann man zweifelhaft sein, ob der interimistische Geschäftsträger da runter fä llt. W enn der Gesandte auf U rla u b geht, w ird er durch den Ersten Gesandtschaftsrat oder Botschafter vertreten. Dieser ist dann »Geschäftsträger ad interim « und hat als solcher auch eine besondere S te llu n g im Diplom atischen Corps. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: U nd geschützt werden?)

w ürde

auch

— Ic h halte es fü r zweifelhaft, ob der Schuh m it S icherheit geschaffen würde, wenn man sagt ^Geschäfts­ träger«. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h glaube, w ir können das der Auslegung überlassen, zumal, wenn es h a rt auf h a rt ginge, dann ein V o tu m des A u s w ä rtig e n Amtes Vorn Gericht angefordert würde, dem man entscheidendes Gewicht beimessen würde. W ir haben n u r zu wählen zwischen -Gesandter oder Geschäftsträger- oder statt dessen "diplomatischer V e rtre te r« . Ic h habe S ie doch w ohl recht verstanden, daß S ie diese zwei Fassungen zur W a h l stellen möchten? (V ortrag ende r Le gativnsrat D r . S ie d le r: J a !) Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): " V e r ­ tre te r- ist doch das D auernde- der diplomatische V e r­ treter ist eine ständige Persönlichkeit? (V ortrag ende r Legationsrat D r . S ie d le r: Ich würde das als den jeweiligen Chef der fremden M ission ansehen!) Eine außerordentliche Mission würde auch durch den Ausdruck »diplomatischer V e rtre te r- gedeckt werden? (V ortrag ende r Le gationsrat D r . S ie d le r: N ein, die M ission ist ständig/ der Chef kann vorüber­ gehend sein, er kann eine beschränkte Z e it fehlen!) M in is te ria ld ire k to r Schäfer: M i r scheint es klüger zu sein, w ir lassen es bei den W orte n »Gesandte oder (Geschäftsträger«. D a s sind B egriffe, die eingebürgert sind und eine gewisse G crichtspraxis haben. * D a s ist eine Fassung, m it der das A u s w ä rtig e A m t durchaus einverstanden sein w ird . (Zustim m ung des Vortragenden Legationsrates D r . S iedler.) D a n n d a rf ich diesen P u n k t w o h l als geklärt betrachten, in denl S in n e , daß w ir sagen »oder einen beim Reiche beglaubigten Gesandten oder Geschäftsträger«. N u n kommt der d ritte P u n k t: die Anpassung des Tatbestandes dieses P ara grap hen an den B eleidigungs­ abschnitt. D ie Fassung des R eferentenentwurfs lautet hier »beleidigt« und m eint »Beleidigung« in dem S in n , umfassend erstens die form ale B eleidigung, zweitens die Ehrabschneidung und d ritte n s die Verleum dung. D a s entspricht jetzt aber nicht mehr der technischen A u s ­ drucksweise der Kommissionsbeschlüffe. Nach den K o m ­ missionsbeschlüssen zum 24. Abschnitt ist der gemein­ same Ausdruck »Ehrenkränkung«. Diese zerfällt in drei Tatbestände: B eleidigung, Ehrabschneidung, V erleum ­ dung, so daß w ir also hier das W o r t »beleidigt« w ohl nicht gebrauchen können. Es w ürden sich, wie m ir scheint, fü r die Fassung zwei Möglichkeiten bieten. E n t­ weder sagt m an h ier: »W er gegen ein ausländisches S taatsoberhau pt usw. eine Ehrenkränkung begeht — man könnte vielleicht in K la m m e rn die P ara grap hen angeben — , w ird soundso bestraft«, und sagt dann im Abs. 2 : » I m F alle der Ehrabschneidung soundso, im Falle der V erleum dung soundso«. D a s ist die eine Möglichkeit. D ie andere M öglichkeit der Regelung w äre die, daß m an im Abs. 1 etwa die form ale B eleidigung und die Ehrabschneidung behandelt und im Abs. 2 die Verleum dung. Welche der beiden Fassungen vorzu­ ziehen ist, w ir d etwas davon abhängen, wie man den S tra fra h m e n bemißt. N u n haben beide Referenten schon da ra u f hingewiesen, daß dieser ganze Tatbestand n u r 34.

dann S in n hat, wenn man ih n auch aus den S t r a f ­ rahmen heraushebt, die w ir sonst in dem Beleidigungs­ abschnitt vorgesehen haben, und eine solche Heraus­ hebung w ird n u r durch E in fü g u n g eines erhöhten M i n i ­ m um s möglich sein/ denn w i r haben nach den K o m ­ missionsbeschlüssen sowohl bei fo rm a le r Beleidigung wie bei Ehrabschneidung H a ft oder G efängnis vorgesehen, n u r m it der V a ria tio n , daß w i r bei fo rm a le r B eleidi­ gung H a ft an erster S telle nennen, bei Ehrabschneidung an zweiter S telle, und haben bei Verleum dung v o r­ gesehen G efängnis oder Zuchthaus. Also kann eigent­ lich eine Heraüshebung n u r durch E in fü g u n g eines er­ höhten M in im u m s erfolgen, wobei n a tü rlich die große allgemeine Frage offenbleibt, w as überhaupt aus den S tra fm in im a des Besonderen T e ils werden soll, eine Frage, die w ir im Augenblick beiseiteschieben wollen, da w ir den S tra fra h m e n jetzt n u r provisorisch ein­ setzen. Es w ürde sich also fragen, welches S t r a f ­ m in im u m man fü r form ale B eleidigungen und fü r Ehrabschneidungen, dem Gesandten gegenüber begangen, vorsieht, welches M in im u m m an bei Verleum dung v o r­ sieht. Käme man etwa dazu, f ü r B eleidigung und E h r­ abschneidung ein M in im u ln von 1 M o n a t Gefängnis vorzusehen und bei V erleum dung ein M in im u m von 3 M onaten, wie die Referenten vorgeschlagen haben, oder von 6 M o naten, dann w ürde sich vielleicht die zweite der von m ir erwähnten Fassungen empfehlen: daß man im Abs. 1 die form ale B eleidig ung und die Ehrabschneidung zusammen behandelt und im Abs. 2 die V erleum dung regelt. D a s ist eine reine Jweckmäßigkeitsfrage. D ie .w e ite re Frage scheint m ir schon genügend gek lä rt zu sein, die F rage der Anpassung des Abs. 3 an die Beschlüsse der Kommission. N u r weiß ich nicht, ob die Z iffe rn genau stimmen. Ic h bitte einm al den B e ­ leidigungsabschnitt zu vergleichen. Ic h glaube, w ir sind einig, daß anwendbar sein muß § 31 8 Abs. 2 bis 4. D a n n scheidet aus § 3 1 9 / der kom mt ja h ie r nicht in Frage. (Professor D r . N a g le r sB re sla u j: § 320 scheidet aus. D a n n ist wieder anwendbar § 3 2 l.) — Ic h glaube, § 321 scheidet auch aus, H e rr Professor, der hat doch keinen S in n mehr hier. (Professor D r . N a g le r s B re s la u l: D e r muß eigentlich bleiben wegen der fre iw illig e n A bbitte!) — Auch dem Gesandten gegenüber? — D a s wäre eine sachliche D ifferenz. § 322 'm uß bleiben, da sind w ir einig. § 323 gehört dazu und § 323a auch. Es bliebe also n u r eine sachliche D ifferenz bezüglich des § 321. Ic h dürfte jetzt zur Debatte stellen die F rage der A n ­ passung des § 313 an den Beleidigungsabschnitt be­ züglich des S tra fra h m e n s , bezüglich der technischen F o r­ m u lie run g und der Frage der Anwendbarkei V erklarung des 8 321. Professor D r . Dahm (K ie l) : Ic h möchte auf den § 100 nach den Vorschlägen der Ünterkommission h in ­ weisen und zur E rw ä g u n g stellen, ob die Überlegungen, die w i r darüber angestellt haben, nicht auch hier zutref­ fen. Es heißt im § 100: »W er öffentlich den Reichs­ präsidenten usw. beleidigt, ih m die Ehre abschneidet oder ihn verleumdet u n d d a d u r c h d a s A n ­ sehen v o n Reich u n d D o l k h e r a b w ü r d i g t , w ir d . . . bestraft«. D a s Wesentliche ist hier also nicht die K rän kung des einzelnen in seiner Ehre,

sondern die V e ru n g lim p fu n g des S ta a te s , den z. B . der Reichspräsident v e r tr itt. Dasselbe g ilt doch auch hier. I m V ordergründe steht nicht die Beleidigung des D iplom aten als einer Einzelperson, sondern die V e ru n g lim p fu n g des S ta a te s, den er v e r tr itt. Wenn das richtig ist, dann muß der Tatbestand hier ebenso wie in t § 100 gestaltet werden. N u r die Klausel ^A n­ sehen von V o lk und Reich« d ü rfte hier kein Gegenstück finden. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: S ie w ürden, praktisch gesprochen, auch die Frage eines W ahrheitsbeweises — das ist ja die Frage des § 318 Abs, 2 bis 4 — ausschei­ den toolsen? Professor D r D ahm (K ie l): N ein, ich möchte an­ nehmen, daß diese Frage ebenso lie g t wie bei § 100. I m § 100 ist die Rede von V erleum dung und E hr­ abschneidung. D e r R ichter hat, m it anderen W orten, mindestens die M öglichkeit, d a ra u f zu sehen, ob eine Verleum dung oder eine Ehrabschneidung vo rlie g t. Ich möchte das einm al zur E rw ä g u n g stellen/ ich übersehe es nicht ganz, aber ich glaube, daß dieselbe Überlegung auch hier obwaltet. Vizepräsident G rau : D ie A nregung des H e rrn P ro ftffo rs D a h m , die B eleidig ung des ausländischen Staatsoberhauptes dem § 100 anzugleichen, scheint m ir jedenfalls insow eit rich tig , als m an die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes n u r auf die öffentlich geschehenen F ä lle beschränken sollte. (M in is te ria ld ire k to r S chäfer: D a s ist die A n ­ regung, die H e rr Landgerichtsdirektor D r . Lorenz auch schon gegeben hat, die w i r hier vermißten.) S ie aber v ö llig dem § 100 anzugleichen, ist m ir bedenk­ lich/ denn man w ir d doch nicht dazu kommen wollen, den W ahrheitsbeweis abzuschneiden, wenn ein auslän­ discher D ip lo m a t beleidigt w orden ist. Ic h würde es deshalb n u r auf die Öffentlichkeit oder vielleicht auch d a ra u f abstellen, daß durch die B e le id ig u n g das Ansehen des ausländischen S taates oder Volkes herabgesetzt w or­ den ist. * Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ich möchte noch zu dem, w as H e rr Professor D r . D ahm vorschlug, hinzufügen, daß ich die Anpassung an den § 100 insofern nicht fü r n ö tig halte, als hier auch aus­ drückliche Voraussetzung sein soll, daß das Ansehen von V o lk und Reich herabgew ürdigt w ird . M a n w ird wohl davon auszugehen haben, daß dann, wenn eine fremde Regierung den S tra fa n tr a g stellt, sie eine Verfolgung in ihrem Interesse fü r n ö tig h ä lt und ih r Ansehen fü r verletzt betrachtet. D a s entspricht dann ohne weiteres dem, was man im § 100 fü r unsere Verhältnisse ver­ la n g t, daß das Ansehen von V o lk und Reich herabge­ w ü rd ig t sein muß. — A u f das M o m e n t der Öffentlich­ keit hatte ich bereits hingewiesen. (M in is te ria ld ire k to r S chäfer: I h r Vorschlag geht also dahin, n u r »öffentlich« einzufügen?) — J a , entsprechend dem § 100, w e il w ir keine V er­ anlassung haben, beim A u sland ohne Einschränkung das q u a lifiz ie rt au bestrafen, was w ir bei uns so n u r bestra­ fen, wenn das Tatbestandsm erkm al der Öffentlichkeit m it gegeben ist. Professor D r . Ragler (B re s la u ): W as der H err Kollege D a h m angeregt hat, ist eine vollkotnmene V er­

schiebung des § 113. D ie V o rfra g e ist: schützen w ir die Ehre des Gesandten und stellen w ir sie unter erhöhten Schutz, w e il er gleichzeitig S ta a tso rg a n ist, oder schützen w ir die Rechtswürde, w as ein ganz anderes Rechtsgut bedeutet. B e i der Rechtswürde schützen w ir sozusagen das A m t, das durch diese Person repräsentiert w ird . D e r praktische Unterschied zwischen beiden ist: im ersten F a ll legen w tr grundsätzlich den Tatbestand der B e le id i­ gung m it W ahrheitsbew eis und dem, w as frü h e r W ahrnehm ung berechtigter Interessen usw. w a r, zu­ grunde/ beim zweiten muß sowohl der W ahrheitsbew eis wie § 193 S tG B , ausscheiden, w eil eben das unantast­ bare A m t als solches in Frage gestellt, die unverlierbare Rechtswürde als solche angegriffen ist. Ic h w ürde warnen, den Gesichtspunkt des § 113 zu ändern, und zwar deshalb, w e il es bisher im internationalen V e r­ kehr überwiegend (wenigstens von uns aus gesehen) so w a r, daß auf den Beleidigungstatbestand abgehoben wurde. D a s ist unser bisheriges Recht, und ich würde nicht befürw orten können, daß w ir m it diesem Rechts­ zustand brechen sollten. W enn w ir aber davon abgehen und die Rechtswürde, nicht mehr die Ehre des S ta a ts ­ organs, schützen w ollen, dann müssen w i r natürlich auch a l l e Konsequenzen ziehen. Ic h w ürde mich auch durchaus nicht d a m it befreun­ den können, daß w ir in § 113 n u r die öffentliche B e ­ leidigung unter erhöhte S tra fe stellen. D enn wie ist es, wenn der Gesandte etwa durch einen B r ie f usw. be­ lästigt w ird ? S olle n w i r das nun so ohne weiteres h in ­ gehen lassen? Ic h w ürde es fü r bedenklich halten. (Landgerichtsdirektor D r . Lorenz >Leipzigs: D a genügen meines Erachtens die allgemeinen B e le id i­ gungsvorschriften!) — J a , die bleiben gewiß im m e r/ daraus möchte ich auch noch hinweisen. H in te r a ll diesen Bestimmungen — es handelt sich fü r uns gegenwärtig doch n u r um die Frage des erhöhten Strafschutzes — stehen die a ll­ gemeinen Grundsätze. Also wenn das S taatsoberhaupt öder der Gesandte nicht mehr den Schutz nach § 113 genießt, dann w ird er nach §§ 317 ff. geschützt/ das ist ja selbstverständlich. W i r reden hier n u r von erhöhtem Schutz. (Professor D r . D a h m sK ie lj: Ich w ollte das n u r bei der öffentlichen B eleidig ung!) — Eben!

Ic h w ürde da raten, vorsichtig zu sein.

Professor D r . D ah m (K ie l): Ic h möchte H e rrn Vizepräsidenten G ra u d a rin zustimmen, daß man den § 113 nicht vollständig dem § 100 anpassen kann. Zunächst sollte m an in § 113 das W o r t »öffentlich« einfügen. D a s w ürde zur Folge haben, daß die nicht­ öffentliche B eleidigung von D iplo m a te n nach den a ll­ gemeinen Bestimm ungen zu bestrafen w äre, die aus­ reichende S tra fd ro h u n g e n vorsehen. Dagegen ginge es zu w eit, wenn w i r fü r den E inzelfall d a ra u f abstellen w ollten, ob das Ansehen des fremden S taates beein­ trä chtigt ist. D e r fremde D ip lo m a t muß unter allen Umständen geschützt werden. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ich hätte gern eine Ä ußerung von Ih n e n , H e rr G eheim rat S iedler, über die Frage, ob S ie im Interesse der V erm eidung einer S tö ru n g der guten Beziehungen zum A u sla n d eine Fassung des § i l 3 fü r nö tig halten, die auch die nicht-

öffentliche B eleidigung hier besonders erfaßt, oder ob S ie meinen, es genügt hier, wenn man die öffentliche B eleidigung erfaßt. V ortrage nde r Legationsrat D r . Siedler: Ic h würde es begrüßen, wenn w ir auch die nichtöffentliche B e le id i­ gung fassen könnten. D enn die Fälle sind nicht selten, daß jemand durch B rie fe beleidigt w ird , daß O rg a n i­ sationen an einen Gesandten schreiben und ihn gerade als V e rtre te r des fremden S taates beleidigen. D a n n muß er heute auf den Weg der P riv a tk la g e verwiesen werden. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: N ein! Ic h d a rf zu I h r e r U nterrichtung bemerken, daß der S tra fra h m e n ziemlich angeglichen sein w ird / es w ird keinen großen Unterschied machen. D ie Frage der P riv a tk la g e köntieit w ir auch ausscheiden. D ie P riv a tk la g e w ird es bei B eleidigung vielleicht ga r nicht mehr geben, sondern es w ird n u r eine Offizialklage in Frage kommen. Aber viel­ leicht ist zu erwägen — und das ist, glaube ich, das Einzige, was man bei diesen Nuancen fü r die S tra fe in B etracht zu ziehen hätte — , welchen Eindruck es macht, wenn w ir überhaupt hier einen Tatbestand der Gesandten-Beleidigung besonders Herallsheben. Es kommt mehr auf den Eindruck an, denn die sachlichen Unterschiede gegenüber der Behandlung im Beleidigllngsabschnitt sind sicherlich nicht groß. Es fra g t sich, welchell Eindruck die besondere S trafbestim m ung macht llnd ob es insbesondere vielleicht beim Laien, beim Volk, das sich m lterrichten w ill, einen I r r t u m hervorrufen könnte, meint man hier n u r von der öffent­ lichen B eleidignng des Gesandten spricht, was fast so anssähe, als ob der Gesandte bezüglich einer schrift­ lichen B eleidigung, also etwa in B rie fe n , schutzlos wäre. Es könnte dieser falsche Eindruck erweckt werden. W enn w ir da m it rechnen müßten, dann sollte man ru h ig hier and) die nichtöffentliche Beleidigung m it ersassen. Ich möchte auch nicht glauben, daß man so un­ bedingt den B lick zum Vergleich im m er auf § 100 richten muß. D e r £ 100 hat ja doch in W a h rh e it schon ein ganz anderes B ild durch den Zusah, der hier gar nicht am P latz ist. Ic h erinnere S ie da ran, daß auch im geltenden Recht die Differenz bestand: w ir haben die Gesandten B eleidigung auf jeden F a ll der B e le id i­ gung erstreckt, während w ir die Majestätsbeleidigung stark eingeengt hatten. Ic h sehe nicht gerade eine I n ­ konsequenz d a rin , wenn w ir insoweit von § 100 ab­ weichen. M i r scheint die maßgebende Frage zu sein, ob man unter dem Gesichtspunkt der S tö ru n g der ausländischen Beziehungen eine schriftliche Beleidigung genau so zu verhindern suchen muß wie eine öffentliche mündliche B eleidigung, und ob der Eindruck im A u s ­ land besser ist, wenn hier nicht zwischen öffentlicher und schriftlicher B eleidigung differenziert w ird . D a s scheint m ir der maßgebendere Gesichtspunkt zu sein, als daß man hier so sehr nach der Logik und nach der paralle­ len Gestaltung sieht. Dieser Ansicht neige ich wenigstens zu. D a r f ich Ih r e Stellungnahm e dazu erbitten, H e rr G eheim rat S iedler? V ortrage nde r Legationsrat D r'. Siedler: W enn man sich in die Person des fremden Gesandten denkt, so w ird es fü r ihn häufig dasselbe sein, ob die B e lei­ digung »öffentlich« e rfo lg t oder ob ihm eine fremde O rg anisatio n schreibt/ denn an dem B r ie f der O rg a n i­

sation sind meist mehrere be teiligt/ die Voraussetzung einer öffentlichen B eleidigung ist d a m it aber wohl noch nicht e rfü llt. F ü r den Gesandten w ird der Eindruck jedoch derselbe sein: er ist in seiner Eigenschaft als Ge­ sandter beleidigt worden, und es w ird der Wunsch bei ihm bestehen, daß der B eleidiger bestraft w ird . M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h verstehe S ie dahin: S ie würden es vorziehen, wenn auch in diesem T a t­ bestand eine D ifferenzierung zwischen öffentlicher und nichtöffentlicher B eleidigung vermieden w ird . (Zustim m ung.) D a s wäre Ih n e n lieber, als fü r den F a ll der nicht­ öffentlichen B eleidigung auf die allgemeinen P a r a ­ graphen zu verweisen. Verstehe ich S ie so recht? (V ortragender Legation srat D r . S ie d le r: J a !) Vizepräsident G rau : Ic h bedaure sehr, dieser A u f­ fassung durchaus widersprechen zu müssen. I n erster Linie ist doch unser Strafgesetzbuch fü r unsere deutschen Volksgenossen da, und das deutsche V olk liest, daß g rund­ sätzlich alle Beleidigungen auf G ru n d der allgemeinen Tatbestände ve rfo lg t werden. Besondere Bestimmungen g ib t es n u r im § 100, wenn die eigenen Führer des S ta a ts , nämlich der Neichspräsident, der Reichskanzler, die M itg lie d e r der Reichsregierung und der Führer der P a rte i, beleidigt werden, aber auch n u r dann, wenn dies öffentlich geschieht und wenn darüber hinaus das Ansehen des Volkes und des Reiches herabgewürdigt w ird . Liest nun der Volksgenosse w eiter, so findet er zu seinem Erstaunen, daß dem ausländischen S ta a ts ­ oberhaupt und dem ausländischen Gesandten viel w eiter als den eigenen F ü hre rn entgegengekommen w ird . D a s vermag er nicht zu verstehen. Ic h bin deshalb der A u f­ fassung, daß w ir den Tatbestand n u r auf öffentliche B eleidigung beschränken sollten. D enn w ir können doch unmöglich das ausländische S taatsoberhau pt besser behandeln als den eigenen Reichspräsidenten. Dagegen glaube ich nicht mehr, daß w ir auch eine Einschränkung dahingehend machen sollten, daß durch die Beleidigung zugleich das Ansehen des Volkes und Reiches herabge­ w ü rd ig t würde. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): W as die Gesandten und Geschäftsträger b e trifft, so wollen w ir ja nichts anderes tun, als fü r sie einen erhöhten Strafschutz gegen Beleidigungen schaffen. D a n n ist aber sehr zweifelhaft, ob w ir die Gesandtenbeleidigung über­ haupt im § 113 lassen/ denn w ir haben im B eleidi­ gungsabschnitt nach dem R eferentenentw urf — die Kommissionsbeschlüsse liegen m ir nicht v o r — einen P ara g ra p h e n , der den Personen, die im öffentlichen Leben stehen, einen besonderen Strafschutz zuteil werden läß t. U nte r Umständen kann sogar auf Zuchthaus er­ kannt werden. D a s w ürde das S tra fb e d ü rfn is auch bezüglich der Gesandten sicher decken. D ie Frage wäre allerdings, ob der Gesandte dadurch charakterisiert ist, daß er im öffentlichen Leben steht. (M in is te ria ld ire k to r S chäfer: D ie Fassung ist enger/ sie lautet: »wenn sich die Ehrenkränkung gegen Volksgenossen richtet, die im öffentlichen Leben stehen«.) D a n n könnte man vielleicht den W o rtla u t so fassen, daß auch der Gesandte dadurch gedeckt ist. Ic h würde es 3*

jedenfalls fü r mißlich halten, das W o r t »öffentlich« in den § 113 hineinzubringen, w e il sonst der falsche E in ­ druck im Auslande entstehen könnte, daß bei uns Gesandtenbeleidigung n u r bestraft w ird , wenn sie öffent lich geschieht. D e r Gesandte genießt doch denselben Schutz gegen B eleidigung, die im Gebiete des Reiches begangen w ird , wie jeder andere. V e rfo lg t w ird die Gesandtenbeleidigung — das müßte au f alle Fälle klar­ gestellt werden, selbst wenn w ir hier einen besonderen Tatbestand der Gesanbtenbeleidigung nicht aufnehmen w ürden — n u r au f V erlangen der ausländischen Re­ gierung. Diese w ird selbstverständlich ein solches V e r­ langen n u r stellen, wenn das Ansehen ihres Landes durch diese Beleidigung geschädigt ist. Ic h möchte also vorschlagen, daß w ir die Gesandtenbeleidigung in keiner Beziehung, abgesehen von der S tra fv e rfo lg u n g s v o ra u s ­ setzung des Verlangens der fremden Regierung, anders stellen als die gewöhnliche B eleidig ung. D a n n würde es sich überhaupt erübrigen, einen besonderen P aragraphen über Gesandtenbeleidigung aufzunehmen, und es könnte höchstens vorbehalten bleiben, ob w ir in unserem Be­ leidigungabschnitt den P a ra g ra p h e n über die Volks­ genossen, die im öffentlichen Leben stehen, noch in der Weise ergänzen, daß dadurch erm öglicht w ird , gewisse Personen, die nicht Volksgenossen sind, in diesem Falle also Gesandte, un ter erhöhten Strafschutz zu stellen. N u n bleibt allerdings noch das ausländische StaatsOberhaupt ü b rig , das besonders zu schützen sicher alle Veranlassung besteht, w e il es sich dabei niem als n u r um eine B eleidigung der Person als solche, sondern immer um eine B eleidigung auch des fremden Landes handelt. H e rr Professor D a h m w ill die B eleidigung des aus­ ländischen S taatsoberhaupts ähnlich form ulieren wie § 100, also d a rauf abstellen, daß das Ansehen des aus­ ländischen S taates herabgesetzt w ird . Ic h möchte nicht empfehlen, diesen Zusatz zu machen, w e il ich überzeugt bin, daß die ausländische R egierung n u r dann ein V e r­ langen a u f Bestrafung stellen w ird , wenn das Ansehen des fremden Landes irgendw ie beeinträchtigt ist. Ich möchte mich also dahin zusammenfassen: der § 113 ist auf die B eleidigung des ausländischen S taatsober­ haupts zu beschränken, die Gesandtenbeleidigung soll in der allgemeinen B eleidigung aufgehen m it der M a ß ­ gabe, daß die Gesandtenbeleldigung n u r auf Verlangen der ausländischen R egierung bestraft w ird .

H e rrn Vizepräsidenten G ra u möchte ich er­ w idern, daß dieser Schutz u n m itte lb a r im deutschen Interesse liegt. Ic h möchte da ran erinnern, daß v o r g a r nicht langer Z e it der Schah von Persien in Deutschland beleidigt worden ist durch eine Z eitung, die vo ll einem früheren P erser heraus­ gegeben wurde. D a s hatte zur Folge, daß der Schah in größte E rre gung geriet, daß die Deutschen in Persien entlassen und ausgewiesen wurden, daß die E in fu h r aus Deutschland nach Persien unterbunden wurde. S o ist also ein außerordentlicher Schaden entstanden. Ähnliche Fälle können täglich wieder passieren, und es liegt dringendst im deutschen Interesse, das fremde S taatsoberhaupt und den fremden Gesandten stra f­ rechtlich in möglichst weitem Rahmen zu schützen. Vizepräsident G rau : S ie haben mich ganz m iß ­ verstanden. Ic h habe mich durchaus nicht dagegen ausgesprochen, daß das fremde S taatsoberhau pt und der fremde Gesandte geschützt werden/ ich w ill n u r, daß sie nicht mehr als unsere eigenen F ü hre r geschützt werden sollen. V ortrage nde r Legationsrat D r . Siedler: B e i lie fe n Personen liegen ganz andere Gesichtspunkte vo r als sonst, und es w ürde sich durchaus vertreten lassen, das fremde S taatsoberhau pt und den fremden Gesandtell auch in weiterem Rahm en zu schützen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h glaube, H e rr P r o ­ fessor Klee v e rfo lg t seine Anregung nicht weiter. (Zustim m ung.) Diesen P u n k t betrachte ich als erledigt. Es würde sich nun um die Frage handeln, ob w ir uns fü r eine B e ­ schränkung auf die öffentliche B eleidigung wie im § 100 entscheiden oder ob w ir das W o r t »öffentlich« streichen wollen. Diese Frage ist allein noch zu entscheiden. Auch wenn w ir das W o rt »öffentlich« hier stehen lassen, schützen w ir in W a h rh e it den ausländischen Gesandten viel mehr als unsere F ü h re r/ denn w ir müssen bei unseren F ü h re rn im m er noch daneben feststellen, daß das Ansehen von V olk und Reich herabgew ürdigt ist. Professor D r . D ahm (K ie l): D a s tertium comparationis liegt in der B eleidigung von S ta a t und

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s wäre eine ganz neue Anregung. F ü r die B e u rte ilu n g dieser Frage w äre von W e rt, zu wissen, w ie die ausländischen Rechte in dieser Beziehung verfahren.

V olk in der P erson ihres V e rtre te rs. D a ra u s fo lg t keineswegs, daß beide A rte n der B eleidigung nun gleich zu bewerten sind. Ic h bin der M e in u n g , daß die Beleidiaung des Gesandten weniger streng zu bestrafen ist als die B eleidig ung des deutschen Staatsoberhauptes.

Professor D r . Nagler (B re s la u ): N a tü rlich hat das ausländische Recht solche Tatbestände in weitestem Umfange. Ic h habe m ir hier n o tie rt: Frankreich, England und U nga rn. U n te r diesem ganz besonderen Gesichtspunkt w äre es schon als ein A kt inte rnatio nale r Eourtoisie notwendig, die Gesandten als solche in diesem Abschnitt zu erwähnen und unter erhöhten Strafschutz zu stellen. D ie W irk u n g wäre sonst die, daß unsere Gesandten im A uslande auch so minder behandelt und au f das N iveau von Privatpersonen heruntergedrückt w ürden. D a s wollen w ir doch unter keinen Umständen. Ic h w ürbe also dringend davor w arnen, der Anregung von H e rrn Präsidenten Klee zu folgen.

Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): 3m Gegensatz zu dem, was H e rr S ena tsprä flden t Klee v o r­ tru g , möchte ich d a ra u f hinweisen, daß das italienische Strafgesetzbuch diese Tatbestände besonders heraushebt. D o r t a ib t es einen Abschnitt: Verbrechen gegen die ausländischen S ta a te n , ihre Oberhäupter und ihre V e rtre te r, und d a rin einen A rtik e l: A n g r iff auf die Ehre der ausländischen S taatsoberhäupter (A rt. 297), und einen weiteren A rtik e l: A n g riffe gegen die V e r­ tre ter ausländischer S taaten (A rt. 298). A lle rdin gs w ird hier die B eleidigung allgemein ohne das besondere M o m e n t der Öffentlichkeit behandelt. Aber den S ta n d ­ punkt, f ü r den ich eingetreten bin, möchte ich aufrecht­ erhalten. I m italienischen Strafgesetzbuch heißt es

allgemein: »wer die Ehre oder das Ansehen des Ober­ hauptes eines ausländischen Staates angreift«, und ent­ sprechend bei den ausländischen Vertretungen. Berichterstatter Professor D r . Ragler (Breslau): Ic h d a rf hinzufügen: das ausländische Recht unter­ scheidet nie zwischen öffentlicher uno nichtöffentlicher Beleidigung, sondern behandelt schlechthin die Beleidi­ gung der Gesandten. W ir würden den schütz, den das Ausland unseren Gesandten gibt, entsprechend ver­ kürzen, wenn w ir nur auf die Öffentlichkeit der E hr­ verletzung abstellen. M it jeder Einschränkung, die w ir vornehmen, schneiden w ir uns ins eigene Fleisch. M inisterialdirektor Schäfer. D e r Punkt ist wohl genügend erörtert. D ie Anregung, das W o rt »öffent­ lich« einzufügen, geht aus von H errn D irektor Lorenz und ist bisher von H errn Vizepräsidenten G rau und H errn Professor Dahm unterstützt worden. D a rf ich fragen, ob sie noch von anderer Seite unterstützt toitb? — D ann ist offenbar die Mehrheit gegen die E in ­ fügung des Wortes. D a m it wäre dieser Punkt ge­ klärt,- " es bleibt noch die Frage der Gestaltung des Strafrahm ens. Vortragender Legationsrat D r . Siedler: Nicht ge­ schützt werden besonders die fremden Regierungsmit­ glieder. W ir haben in neuerer Z eit die ständige E rfah­ rung, daß deutsche Regierungsmitglieder im Ausland beleidigt werden, und daß die Verfolgung im Auslande häufig daran scheitert, daß w ir die Gegenseitigkeit nicht gewähren. Es wäre zu erwägen, die fremden Regie­ rungsmitglieder unter besonderen Schutz zu stellen. M inisterialdirektor Schäfer: D as ist eine besondere Anregung, die auch von Herrn p ro fe ffo r Nagler zur Debatte gestellt wurde. Vielleicht stellen w ir sie im Augenblick noch zurück, um erst diesen Paragraphen vollständig zu erledigen. H ier ist also nur noch die Frage des Strafrahm ens zu erledigen. Vielleicht können w ir uns da kürzer fassen. Es würde sich darum handeln, daß w ir bezüglich der Formalbeleidigung und Ehrabschneidung, wenn w ir sie überhaupt herausheben wollen, ein erhöhtes S tra fm in im u m einführen. V o r­ geschlagen ist 1 M onat fü r beide Fälle. F ü r die V e r­ leumdung wurde ein M in im u m von 3 Monaten vor­ geschlagen. M ir würde das M in im u m sehr niedrig erscheinen, ich möchte 6 Monate vorschlagen. Senatspräsident Professor D r. Klee (B e rlin ): Ich möchte jedenfalls nicht die üble Nachrede gegenüber bei* einfachen Beleidigung herausheben. M inisterialdirektor Schäfer: S ie wollen also nicht differenzieren und wollen fü r die Verleumdung eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten vorsehen? (Senatspräsident Profeffor D r . Klee: J a !) Herrscht darüber Einverständnis? (Zustimmung.) D ann ist nun noch die Formulierungsfrage zu klären. Ic h d a rf Ihnen einmal die Fassung vorlesen, die dann die Unterkommission noch einmal" nachprüfen könnte. D ie Fassung würde also lauten können: W er gegen ein ausländisches Staatsoberhaupt oder einen beim Reiche beglaubigten Gesandten oder Geschäftsträger eine 34.

— nun kommen abschnittes —

die

Worte

des

Beleidigungs­

Beleidigung oder Ehrabschneidung begeht, w ird m it Gefängnis nicht unter 1 M onat bestraft. W er ein ausländisches Staatsoberhaupt oder einen Gesandten oder Geschäftsträger verleumdet, w ird m it Gefängnis nicht unter 6 Monaten oder m it Zuchthaus bestraft. Ob beide Bestimmungen vereinigt werden sollen, mag die Unterkommission prüfen. D ann käme dahinter als Abs. 3 oder Abs. 2: . Die §§ 318 Abs. 2 bis 4, — ob »Z 321« lasse ich noch offen/ darüber können w ir uns noch, einmal unterhalten — 322 bis 323 a finden Anwendung. D er einzige offene Punkt wäre jetzt noch der, ob auch der tz 321 Anwendung finden soll. § 321 lautet: Bei der Bestrafung ist als erschwerend zu behan­ deln, wenn sich die Ehrenkränkuna gegen P e r­ sonen richtet, die im öffentlichen Leben stehen. — D as wäre hier nicht anzuwenden. — Ehrliche freiw illige Abbitte oder Aussöhnung w irkt strafmildernd oder strafbefreiend. Das wäre der zweite Absatz. D ann käme Abs. 3: Hat sich der Täter durch berechtigte Entrüstung über das unmittelbar vorhergehende Benehmen des Verletzten zu der T a t hinreißen lassen, w ird er nicht bestraft. Also es würde sich darum handeln, ob man Abs. 2 und Abs. 3 des tz 321 hier fü r anwendbar erklärt. Profeffor D r . Ragler (Breslau): Ic h würde doch der Meinung sein, es bei § 321 zu belassen. Wenn eine ehrliche freiw illige Abbitte oder Aussöhnung stattgefun­ den hat, warum sollen w ir da nicht eine S trafm ilde­ rung gewähren können? Ich finde, daß der Rechts­ gedanke, den w ir damals entwickelt haben, durchaus hier zur Anwendung kommen sollte. I n § 321 Abs. 3 heißt es weiter: wenn jemand sich durch eine berechtigte Entrüstung über das unm ittelbar vorgehende Benehmen des Verletzten zu einer T a t hat hinreißen lassen . . . . Es kann in der T a t sein, daß im Klub ein Gesandter sich ungebührlich benommen hat und nun eine Zurecht­ weisung erfuhr. W arum sollen w ir darauf die Be­ stimmung des § 321 M s . 3 nicht anwenden? Es ist zur Disziplinierung des fremden Gesandten auch ganz ut, wenn diese Bestimmung anwendbar bleibt. M it er Frage, ob ein S tra fa n tra g erfordert werden soll oder nicht, wollen w ir uns hier nicht befassen. Aber eine gewisse Rücksicht auf unsere Volksgenossen im V er­ kehr m it Gesandten ist angebracht. Ic h würoe mich des­ halb durchaus dafür einsetzen: § 321 sollen w ir als ganz nützlichen Zaum belassen. Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ich bin auch fü r Einbeziehung von M s . 2 uno M s . 3 des § 321 aus denselben Gründen, die H e rr p ro fe ffo r Nagler vorhin anführte. Ich kann m ir durchaus vorstellen, daß Fälle nach Abs. 3 vorkommen. (Vortragender Legationsrat D r . Siedler: dann volle S tra ffre ih e it ein?) 4

T r it t

M inisterialdirektor Schäfer: Abs. 3 lautet: Hat sich der T äter durch berechtigte Entrüstung über das unm ittelbar vorhergehende Benehmen des Verletzten zu der T a t hinreißen lassen, wird er nicht bestraft. Also wenn die Beleidigung auf der Stelle erwidert w ird , t r it t keine Bestrafung ein. Vortragender Legationsrat D r . Siedler: D as geht zu weit. M an kann sich doch Fälle denken, in denen dieser Tatbestand vorliegt und trotzdem eine Bestrafung am Platze wäre, wenn auch eine mildere Bestrafung. M inisterialdirektor Schäfer: Also gegen Abs. 3 hät­ ten Sie Bedenken, gegen Abs. 2 nicht? (Vortragender Legationsrat D r . Siedler: Wenn da stünde » tritt mildere Bestrafung ein« würde ich keine Bedenken haben!) Also Sie dächten, daß man sagte: im Falle des § 321 Abs. 3 kann von S tra fe abgesehen oder die S tra fe ge­ m ildert werden. Professor D r . Dahm (Kiel): D a m it würde man die Rücksicht aus das Ausland meiner M einung nach zu w eit treiben. M a n kann unmöalich einem Deutschen unter allen Umständen zumuten, das ungebührliche Be­ nehmen eines Ausländers hinzunehmen. Ich würde § 321 Abs. 3 stehenlassen. Es handelt sich ja nur um eine Kannvorschrift. (M inisterialdirektor Schäfer: Nein, er w ird nicht bestraft! — Professor D r . Nagler: Abs. 2 ist eine Kannvorschrift!) Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): Ic h schließe mich dem an. An sich ließ sich über den § 321 reden/ man hätte ihn auch weglassen können. Aber wenn w ir ihn haben, dürfen w ir den ausländischen Gesandten nicht privilegieren. M inisterialdirektor Schäfer: D ie überwiegende Meinung scheint m ir also dahin zu gehen, auch § 321 — w ir können ja dann die Z iffern ruhig so lassen — in vollem Umfange fü r anwendbar zu erklären, und ich da rf Herrn Geheimrat Siedler nur bitten, wenn noch weitere Bedenken auftauchen, uns davon M itte ilu n g zu machen. D ann könnte dieser Punkt noch einmal nach­ geprüft werden. (Landgerichtsdirektor D r . Lorenz: S o ll Abs. 2 m it zitie rt werden?) W ir wollen ruhig den ganzen Paragraphen zitieren. (Zustimmung.) § 113 Abs. 3 würde also lauten: Die §§ 318 Abs. 2 bis 4, 321 bis 323a finden Anwendung. (Zustimmung.) D ann ist der Paragraph erledigt. W ir kommen zu § 114: Verletzung ausländischer zei chen.

Hoheits­

Berichterstatter Professor D r . Ragler (B reslau): Zu § 114 ist wenig zu bemerken. W ir müssen ihn nur genau an unseren § 101 a anpassen, der die inländischen Hoheitszeichen schützt. Es empfiehlt sich deshalb, statt »beschimpfenden Unfug daran verübt« nach dem V or­ schlag der beiden Berichterstatter zu setzen: »beschimpft«.

Beschimpfen ist natürlich das Zentrale. Alles übrige w ird nur unter dem Gesichtspunkt des Beschimpfens wirksam. W ir machen keine Einschränkung. Ich würde auch da­ für sein, im Interesse unserer eigenen Hoheitszeichen im Auslande keine Einschränkung zuzulassen. Polen zum Beispiel schützt nur die ausländischen Hoheitszeichen, wenn sie von Vertretern der fremden Regierung ange­ bracht worden sind. Das scheint m ir zu eng zu sein. Was die S trafe anlangt, so schlage ich vor, es bei § 114 ju belassen, aber späterhin, wenn w ir die Sachbeschädrgungsstrafe bestimmt haben, die feste Beziehung zu der Sachbeschädigungsstrafe herbeizuführen/ denn unter keinen Umständen darf § 114 eine geringete S tra fe ent­ halten als das normale, das gemeine Strafgesetz. Augenblicklich läßt sich dazu noch nichts Näheres sagen. Vielleicht darf ich dann noch über den S tra fa n tra g sprechen? Das ist das letzte, was überhaupt zu be­ handeln wäre. M inisterialdirektor Schäfer: Ich möchte bitten, hier einen Augenblick stehenzubleiben. Ich d a rf eine Frage an Sie richten, Herr Professor Nagler. Den S tr a f­ rahmen des § 101 a, der Gefängnis nicht unter einem M onat vorsieht, wollen Sie bewußt hier nicht über­ nehmen? Oder doch? Also wollen Sie das ausländische Hoheitszeichen geringer schützen? Professor D r . Ragler (Breslau): D ie ausländischen Hoheitszeichen würde ich nicht so scharf schützen wie unsere eigenen. Das ist, glaube ich, auch innerlich be­ gründet. D er gemeine Schutz ist nur der Sachbeschä­ digungsschutz. D ie Sachbeschädigungsvorschrift böte das gemeine Strafgesetz, das zur Anwendung käme, wenn w ir §1 1 4 nicht hätten. Aber ich würde der Meinung sein: unsere eigenen Hoheitszeichen müssen w ir noch ganz anders als die fremden schützen. Deren W ert muß zwischen Sachbeschädigungsdrohung und der Strafdrohung des § 101 a gefunden werden. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz: Ich schließe mich den Ausführungen des Herrn Professor Nagler an, es sei denn, daß — wie er auch andeutete — fü r Sachbeschädigung eine andere Mindeststrafe fest­ gelegt werden sollte. Beide Paragraphen müßten dann aufeinander abgestimmt werden. M inisterialdirektor Schäfer: Es w ird ja selbstver­ ständlich sein, daß w ir bei der gewöhnlichen Sachbeschä­ digung eine erhöhte Mindeststrafe vorsehen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ich bin auch dafür, daß unsere eigenen Hoheitszeichen hinsichtlich des Strafschutzes heraus­ gehoben werden sollten/ denn die Verletzung u n s e r e r Hoheitszeichen ist ein ganz anderes D elikt von unserem Standpunkt aus als die Verletzung der ausländischen Hoheitszeichen. M inisterialdirektor Schäfer: Haben Sie Wünsche zu äußern, H err Geheimrat Siedler? Ich da rf nur zur Orientierung auf folgendes hinweisen. D ie entspre­ chende Bestimmung des § 101a fü r deutsche Hoheits­ zeichen lautet nach den Kommissionsbeschlüssen: W er ein öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen des Reiches oder eines Landes absichtlich beschädigt, zerstört, beseitigt oder unkenntlich macht oder beschimpft, w ird m it Gefängnis nicht unter 1 M onat bestraft.

Hier schlagen die Herren Referenten vor, den W o rtlau t dahin zu ändern: W er ein öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen eines ausländischen Staates absichtlich beschädigt, zerstört, beseitigt oder unkenntlich macht oder be­ schimpft, w ird m it Gefängnis bestraft. Würden S ic damit einverstanden sein, Herr Geheintrat Siedler? Vortragender Legationsrat D r. Siedler: Dagegen habe ich keine Bedenken. Ich darf aber noch die Frage stellen: würde unter den Ausdruck »beschimpft« auch eine Handlung fallen, bei der jemand auf einer Fahne herum tritt? Das ist öfter int Ausland vorgekommen. M inisterialdirektor Schäfer: J a ! Ich w ill aber auf eines hinweisen, und das muffen w ir noch vorher er­ örtern, da Herr Geheintrat Siedler diese Frage in bezug auf die Fahnen gestellt hat. Es handelt sich jetzt im wesentlichen nur um die öffentlich angebrachten Hoheitszeichen des ausländischen Staates. D arunter tvürde nicht jede ausländische Fahne fallen. Diese Frage w ird von Herrn Professor Nagler noch beson­ ders zur Debatte gestellt. Ich möchte auch gleich die Frage erörtern, wieweit man überhaupt Farben, Flaggen und Jahnen eines fremden Staates schützen w ill, wenn sie nicht öffentlich angebrachte Hoheits­ zeichen sind. Beispielsweise wenn ein T rupp m it einer französischen Fahne herumzöge und sie auf einem öffentlichen Platz verbrennen würde, so würde das jedenfalls nicht durch § 114 getroffen. Professor D r. Nagler (Breslau): Wenn sie nicht öffentlich angebracht ist! W ir müssen doch den § 114 aus unserem § 101a formen. Wenn w ir unsere Hoheitszeichen n ur schützen, falls sie öffentlich an­ gebracht sind, dann dürfen w ir die fremden Hoheits­ zeichen auch nicht umfassender schützen. M inisterialdirektor Schäfer: W ir müssen sofort diesen Punkt erörtern/ denn w ir schützen ja in W a h r­ heit unsere Farben und Flaggen auch in anderen Paragraphen und nicht nur in § 101 a, also zum Bei spiel hier in § 114. F ü r Herrn Geheimrat Siedler möchte ich bemerken: in § 114 w ird nur getroffen die Beschimpfung einer öffentlich als Hoheitszeichen, also z. B . bei der Gesandtschaft angebrachten Fahne, nicht einer anderen Fahne. Vortragender Legationsrat D r . Siedler: W ir haben cs häufig erlebt, daß von unseren deutschen Schiffen in fremden Häfen die Hakenkreuzfahne m it Gewalt entfernt wurde. D as ist zum Beispiel in Dänemark vorge­ kommen, wo die Leute die Fahne von einem deutschen Schiff entfernten, dann eine Versammlung abhielten, die Fahne zerrissen und auf ih r herumtraten. Dieser Tatbestand würde nicht getroffen werden? M inisterialdirektor Schäfer: D as möchte ich nicht verneinen. Das hinge ab von der Beantwortung der Frage, ob die Flagge am Schiff als ein Hoheitszeichen anzusehen ist. Vortragender Legationsrat D r . Siedler: Das Herab­ reißen würde wahrscheinlich darunter fallen, nicht aber die weitere Beschimpfung der Flagge.

M inisterialdirektor Schäfer: Ja , derselbe Fall läge doch vor, wenn die Fahne von der Botschaft herunter­ geholt und dann m it Füßen getreten würde. Sie be­ haupten doch, daß dieser Tatbestand unter § 114 fä llt. Nun würde nur die Frage zu beantworten sein, die m ir tticht ganz zweifelsfrei zu liegen scheint, ob die deutsche Flagge am deutschen Schiff ein öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen ist. Das ist m ir doch recht zweifelhaft. Professor D r. Nagler (Breslau): Ich würde das nicht fü r zweifelhaft ansehen. Das Schiff muß ja diese Flagge führen und die Flagge zeigen. D ie Flagge ist ein öffentlich angebrachtes Hoheitsabzeichen. Sie ist ein Zeichen dafür, daß das Fahrzeug u n s e r Staatsge­ biet, u n s e r Schiff ist. D arum habe ich keine Beden­ ken. Aber ob w ir die Flagge im übrigen schützen, diese Frage müssen w ir behandeln, wenn w ir die Parallele zu § 101 später erörtern. (Ministerialdirektor Schäfer: Das bitte ich zurück­ zustellen!) — Diese Frage wollen w ir ja später behandeln. M inisterialdirektor Schäfer: D ann ist dieser P a ra ­ graph, denke ich, in folgender Fassung gebilligt: Wer ein öffentlich angebrachtes Hoheitsabzeichen eines ausländischen Staates absichtlich beschädigt, zerstört, beseitigt oder unkenntlich macht oder be­ schimpft, w ird m it Gefängnis bestraft. W ir kommen nunmehr zu § 116: Verfolgung

auf Verlangen. seitigkeit

Gegen­

den der Herr Berichterstatter gleich im Anschluß hieran erörtern möchte. Berichterstatter Professor D r . Nagler (Breslau): Ich möchte im Anschluß an § 114 die Bestimmung des § 116 erörtern, weil sie auf § 114 Bezug hat. Eigent­ lich müßte § 116 sich unmittelbar mt § 114 anschließen. § 115 steht etwas außerhalb. § 116 handelt von zweierlei, einmal von dem S tra fa n tra g der aus­ wärtigen Regierung. F ü r den S tra fa n tra g ist n atür­ lich kein strafrechtlicher Grund maßgebend, sondern ein ausschließlich völkerrechtlicher Grund. D ie auswärtige Regierung soll darüber befinden, ob sie ihren S ta a t geschützt wissen w ill. Sie mag sich, insbesondere weil w ir den Wahrheitsbeweis und dergleichen zulassen, in zweifelhaften Fällen genau überlegen, ob sie sich auf das Glatteis des Strafverfahrens begeben w ill. D er Prozeß kann ja auch ih r Unangenehmes bringen. Ebenso, wie sie darüber zu befinden hat, ob sie den S tra fa n tra g stellen w ill, muß sie auch in der Lage sein, den S tra fa n tra g wieder zurückzuziehen. Diese M ög­ lichkeit kannten w ir im früheren deutschen Recht nicht, sie hat sich aber als notwendig herausgestellt. Denn wenn im Laufe des Prozesses Dinge zur Sprache kommen, welche die ausländische Regierung nicht dis­ kutiert haben w ill, dann muß sie den Ausweg haben, die Sache rückgängig zu machen. Also man muß ih r eine Rückzugsbasis sichern. Diese ist 1876 auch in unser Strafgesetzbuch gekommen. D ie Möglichkeit des Strafantrages ist weiter auch gegeben nach dem Tode des Beleidigten, weil ja die Regierung als solche den S tra fa n tra g stellt. Es ist ein Strafantragsrecht, das der Negierung, nicht etwa dem Beleidigten persönlich

zusteht. D a s Ganze gehört aber in den Prozeß. W i r werden also vormerken, daß es in das Prozeß gesetz A ufnahm e finden soll. E in zweites ist die V e rb ürgu ng der Gegenseitigkeit, also die V e rb ü rg u n g der Schutzgleichheit. Es muß ein re la tiv gleicher Schutz vom Auslande uns zu­ gestanden sein. Es besteht ein genauer P a ra lle lis ­ mus. S o w e it w ir schützen, werden w ir vom A us­ lande geschützt, oder umgekehrt, soweit das Ausland uns schützt, soweit werden w ir unseren Schutz ge­ währen. D ie S pezialisierung, die w ir in unserem fünften A bschnitt belieben, w ird sich dadurch im ein­ zelnen als fruchtbar erweisen. D a s D erbürgtsein der Gegenseitigkeit ist ein objektives S trafbarke itsm erkm al. Es muß im Augenblick der T a tverü bun g wie zur Z e it der A b u rte ilu n g gegeben sein. Es ist bekanntlich früher streitig gewesen, ob schon zur Z e it der T a t die Gegen­ seitigkeit v e rb ü rg t sein mußte oder nicht. W e il sie zur Z e it der Begehung fehlte, hat der Königsberger Hvchverratsprozeß m it Freisprechung geendigt. D e r G ru n d ­ satz, daß sie schon zur Z e it der T a t bestehen muß, ist seit B a n d 38 S . 75 der Entscheidungen des Reichs­ gerichts m it Recht allgemein anerkannt. Es ist zu be­ grüßen, wenn dieser Grundsatz jetzt im § 116 aus­ drücklich n o rm ie rt w ird . Hiernach muß die Gegen­ seitigkeit auch noch zur Z e it der A b u rte ilu n g bestehen, und zw ar deshalb, w e il der Strafschutz des fünften A b ­ schnitts sonst zu suspendieren ist und es bei der A n ­ wendung der gemeinen Gesetze bleibt. Zuzugeben ist, daß die Gegenseitigkeit auch vom spezifisch staatsrecht­ lichen Gesichtspunkt aus v erteidigt werden kann, aber genau gesehen ist es doch ein spezifisch völkerrechtlicher Gesichtspunkt, der hier durchschlägt. D ie Reichs­ regierung hat im J a h re 1875 e rk lä rt, jeder S ta a t sei völkerrechtlich verpflichtet, Unternehmungen seiner B ü rg e r gegen das A usland zu verhindern. S ie wollte d a m it zum Ausdruck bringen, daß der Schutz des Auslandes durch das In la n d unbedingt gewährleistet sein müsse, gleichgültig, ob die Gegenseitigkeit noch v e rb ü rg t sei oder nicht. D ie spätere Entwicklung hat uns w ohl das Gefährliche und Unbefriedigende dieser Auffassung so deutlich gezeigt, daß ich nicht nö tig habe, weitere A usfüh run gen im S in n e des Referentenent­ w u rfs zu machen, wonach im Augenblick der A burteilung die Gegenseitigkeit v erbürg t sein muß. Ic h w ürde also vorschlagen, es beim § 116 zu belassen. I m übrigen handelt es sich, w ie ich w iederholt fest­ stelle, beim V erlangen der ausländischen Regierung um eine Prozeßvoraussetzung, die nicht in das mate­ rielle, sondern in das formelle S tra fre ch t, in das Strafprozeßrecht aufzunehmen ist. B erichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ic h kann mich den A usführungen des H errn V o rre d n e rs grundsätzlich anschließen. Es handelt sich bei dem V erlan gen einer ausländischen R egierung nach S tra fv e rfo lg u n g in der T a t um ein E rfo rd e rn is , das grundsätzlich in der S trafproze ß ordnu ng zu regeln ist. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: I m Einführungsgesetz w a r die technische Regelung des V erlangens der auslän­ dischen R egierung in einem besonderen Abschnitt vor­ gesehen/ fe rn e r w a r bestimmt, daß das Verlangen stets

zurücknehmbär sei. D e r Wunsch des H e rrn Professor D r . N agle r geht dahin, eine solche B estim m ung über­ haupt nicht hie r aufzunehmen. Ic h glaube doch, man würde sie vermissen. Professor D r . G ra f Gleispach (B e r lin ): Ic h würde den § 116 am liebsten gestrichen sehen/ ich verfolge aber diesen Wunsch nicht w eiter, da ich ih n fü r ziem­ lich aussichtslos halte. Ic h meine aber, m an muß zw i­ schen dem E rfo rd e rn is des Verlangens der ausländi­ schen Regierung und dem S ta n d der Gegenseitigkeit unterscheiden, gleichviel wo das eine oder andere ge­ regelt w ird . D a s Verlangen der ausländischen Regie­ ru ng ist eine Prozeßvoraussetzung, die Gegenseitigkeit hingegen ist eine objektive B edingung der S tra fb a rk e it und ha t m it der V erfo lg u n g nichts zu tun. W enn beide Voraussetzungen hier geregelt w eÄ en, so t r i t t eine Verm engung ein. Es bedarf des V erlangens der aus­ ländischen R egierung, und zweitens sind solche Taten n u r strafbar, wenn Gegenseitigkeit besteht. D a s E r ­ fordernis der Gegenseitigkeit ist sicherlich ein Hem m nis fü r eine Umgestaltung des Rechts, w ie w i r sie fü r er­ wünscht halten, wenn w ir diesen Tatbestand aufstellen. Ic h w ürde das E rfo rd e rn is am liebsten h ie r g a r nicht aufgestellt sehen, aber zweifellos geht die herrschende M e in ung dahin, m an solle am E rfo rd e rn is oer Gegen­ seitigkeit festhalten. Dagegen leuchtet es m ir nicht recht ein, daß m an an dem Grundsatz festhalten soll, die Gegenseitigkeit müsse schon zur Z e it der T a t bestanden haben. Ic h glaube nicht, daß die E rw ägungen d a fü r sprechen, die H e rr Professor D r . N a g le r hier geltend gemacht ha t/ viel­ mehr t r i t t hier der Gedanke he rvor, daß sämtliche S trafbarkeitsbestim m ungen zur Z e it der T a t bestanden haben müssen, ein S tand pun kt, den w ir heute nicht mehr als unbedingt richtig anerkennen. W enn man Strafgesetze m it rückwirkender K r a ft fü r richtig hält, dann fä llt ein großer T e il der G ründe weg, die fü r das E rfo rd e rn is der Gegenseitigkeit zur Z e it der T a t sprachen. N u n ha t m an gesagt, die Beziehungen zweier S taaten könnten sich geändert haben, sie könnten in Kriegszustand gegeneinander getreten sein usw., so daß man aus diesem G runde eine T a t nicht m ehr bestrafen wolle. (Professor D r . N a g le r: D e r erhöhte Schutz muß bleiben!) — Es ist m ir aber Zweifelhaft, ob dieses Ergebnis überhaupt erreicht w ird . D ie Gegenseitigkeit ist jeden­ fa lls durch den Bestand eines analogen Strafgesetzes verbürg t, und dieses w ird durch den Abbruch der d ip lo ­ matischen Beziehungen und selbst durch eine form elle K riegserklärung nicht geändert. H ie r müßte man also eigentlich in anderer Weise vorgehen. M a n hat bisher angenommen, daß diese Bestimmungen durch den A b­ bruch der Beziehungen zwischen zwei S ta a te n oder durch den Ausbruch des Krieges unpraktisch werden. D ie ausw ärtige R egierung hat auch nicht gleich die Möglichkeit, das V erlangen zu stellen, und w ill das auch nicht tun. D eshalb em pfiehlt sich nach meinem D a fü r ­ halten eine einschränkende Bestim m ung des In h a lts : D ie Gegenseitigkeit muß verbürg t sein im Augenblick der A b u rte ilu n g . Schließlich h a t m an w iederholt d a ra u f hingewiesen, unter Umständen sei es sehr schwierig, den Bestand der

Wcgcufcitigfcit festzustellen. Hier möchte ich auf eine Vorschrift des österreichischen Rechts hinweisen, die nicht nur den Bestand der Gegenseitigkeit voraussetzt, sondern auch fordert, daß das Verlangen der ausländi­ schen Regierung gehörig kundgemacht ist. Eine ähnliche Bestimmung würde die Handhabung des Erfordernisses der Gegenseitigkeit wesentlich erleichtern. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Ich bin, soweit ich es im Augenblick übersehe, geneigt, in der Frage, ob die Gegenseitigkeit schon zur Zeit der T a t gegeben sein muß, dem Herrn Grafen Gleispach zu folgen. Gewiß ist es ein Schutz für unsere S taatsbürger, die sich gegen das Ausland vergangen haben, daß sie nach der Fassung des Referentenentwurfs freigesprochen werden fönnett, wenn sich die Beziehungen zu dem betreffenden auslän dischen S ta a t verschlechtert haben. Die Beziehungen können sich aber auch gebessert haben, und es kann in­ zwischen die Gegenseitigkeit verbürgt worden sein. D ann aber würde ein Freispruch doch bedenklich und bedauer­ lich fein. W as den Königsberger Geheimbundprozeß betrifft, den H err D r. Nagler erwähnt hat, so ist richtig, daß dam als wegen nicht verbürgter Gegenseitigkeit ein Frei­ spruch erfolgte. Ich w ar dam als in Königsberg und an der Prüfung der Frage, ob die Gegenseitigkeit ver­ bürgt sei, beteiligt. Ich glaube mich zu erinnern, daß die deutschen amtlichen Stellen diesen Freispruch be dauert haben. Die Beziehungen zu R ußland waren da­ mals, wenn auch nicht herzlich, so doch korrekt. Gerade im Interesse der Aufrechterhaltung ungetrübter B e­ ziehungen erschien der Freispruch von Haase und Ge­ nossen unerwünscht und hat die deutschen Stellen un­ angenehm berührt. Ich finde, es wäre richtiger und zweckmäßiger, es für genügend, aber auch für erforder­ lich zu halten, daß die Gegenseitigkeit zur Zeit der Ab­ urteilung verbürgt sein muß. I m übrigen w ird in dieser Frage wohl das A uswärtige Amt ein W ort m it­ zusprechen haben. Professor D r. Nagler (B reslau): Solange w ir den Grundsatz der Nichtrückwirkung der Strafgesetze haben, müssen w ir ihn auch bei 8 116 zur Anwendung bringen. D as Reichsgericht hat in seinen Entscheidungen B and 38 das Urteil auf diesen Grundsatz gestützt. Wenn wir ihn revidieren sollten, so ist auch eine andere Sachlage für den ß 116 geschaffen. Aber noch ein anderes M oment erscheint m ir beacht­ lich: Wenn die Gegenseitigkeit zur Zeit der T a t nicht verbürgt zu sein braucht, dann kann das Ausland erst einmal abwarten, bis die Frage praktisch w ird und dann erst m it der Erklärung der Gegenseitigkeit plötzlich hervortreten. D ie Folge wäre, daß w ir den 8 116 an­ wenden müßten. Uber die Notwendigkeit der Kundmachung, wie sie das österreichische Recht vorsieht, ließe sich reden/ aber dazu muß wohl das A usw ärtige Amt sich äußern, ehe w ir den Vorschlag akzeptieren könnten. Senatsprästdent Professor D r. Klee (B erlin): D as Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit soll nicht bloß bedeuten, daß das Strafrecht des auslän­ dischen S taates oder ein anderes Gesetz bestimmt, in solchen Fällen müssen die ausländischen Derfolgungsbehördeneinschreiten, sonderndes isdauchdann nicht erfüllt, wenn die Gegenseitigkeit infolge Abbruchs der diploma34.

tischen Beziehungen oder infolge Kriegszustandes rein tatsächlich nicht mehr verbürgt ist. Ich bin dafür, die Voraussetzung des § 116, daß die Gegenseitigkeit schon zur Zeit der T a t verbürgt w ar, zu streichen. Voln deutschen Standpunkt aus kann es uns nur darauf an­ kommen, daß der ausländische S ta a t in Zukunft ebenso handelt wie wir. Professor D r. Mezger (München): Ich möchte mich dafür aussprechen, daß die Zeit der Aburteilung ent­ scheidend sein soll. W ir wollen m it dem ganzen Ab­ schnitt die Beziehungen zum Ausland in befriedigender Weise regeln, und da sotten die Dinge, die zwischen T at nnb Aburteilung liegen, nicht unberücksichtigt bleiben. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): W enn ich biefeu Vorschlag aufgenommen habe, so wollte ich damit keineswegs allgemein einer Rückwirkung der Strafgesetze das W ort reden, was Herr Nagler offenbar daraus entnommen hat. W ir fassen die Verkürzung der Gegen­ seitigkeit heute als eine Bedingung der Strafbarkeit auf. D as ist eine Konstruktion der Theorie. Wenn w ir es im § 116 anders regeln, so hat die Theorie sich danach zu richten. Ich halte es für richtiger, im neuen Gesetz die Verbürgung der Gegenseitigkeit nicht zu einer materiellen Strafbarkeitsbedingung, sondern nur zu einer Prozeßvoraussetzung zu machen. M it »Rückwirfuttg« hat das nichts zu tun. Niemand hat ein Recht darauf, fremde S taaten anzugreifen, weil die Gegen­ seitigkeit nicht verbürgt ist. Es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob w ir ihn verfolgen wollen, und diese ist lediglich nach der Zeit zu beurteilen, in der die Verfolgung in Betracht kommt. Ministerialdirektor Schäfer: D ie M einung geht also dahin, auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit zur Zeit der Aburteilung abzustellen. Ich möchte an H errn Geheimrat Siedler die Frage richten, ob er vom Standpunkt des Auswärtigen Amts etwas da­ gegen einzuwenden hat. (Vortragender Legationsrat D r. Siedler: Vom Standpunkt des Auswärtigen Amts wäre es nur zu begrüßen, wenn es auf einen späteren Zeitpunkt verlegt wird.) — D ann darf ich das als allgemeine Ansicht der Kommission betrachten. W eiterhin stelle ich fest, daß auch die Anregung des H errn Grafen Gleispach, die beiden Fragen auseinanderzuziehen und die Fassung zu ändern, der M einuna der Kommission entspricht, da von keiner Seite Widerspruch erhoben worden ist. 8 116 ist dam it erledigt. Berichterstatter Professor D r. Nagler (Breslau): 8 115 behandelt die Neutralitätsverletzung. S ie ist ein neuer, sehr notwendiger Tatbestand. D a sie eine ganz inländische Angelegenheit bedeutet, kann sie in 8 116 nicht zur Erwähnung kommen. Deshalb sollten w ir auch den 8 116 vor den 8 115 stellen. W ir haben schon früher Anläufe genommen, die N eutralitäts­ verletzung unter S trafe zu stellen, z. B . im B raun­ schweiger Strafgesetzbuch. -Aber das Reichsstrafgesetzouch hat diese Bestimmungen leider nicht reproduziert. Inzwischen hat das Ausland eine ganze Reihe p ar­ alleler Tatbestände entwickelt, z. B . England, N ord­ amerika, Spanien, Frankreich usw.

W ir müssen ganz zweifellos in der gleichen Rich­ tung uns orientieren. Ic h halte die Technik unseres § 115 fü r außerordentlich glücklich. Es w ird nämlich d a m it eine elastische B lankettvorsch rift gegeben. Wenn der Tatbestand so aufgezogen ist, haben w ir die M öglichkeit, uns den jew eiligen politischen S itu a tio n e n und Bedürfnissen m it unseren V orschriften anzupassen. D ie V orschriften können oann je nach B e d a rf geändert werden. W ir hätten also einen elastischen Schuh unserer N e u tra litä t. E ngland geht einen anderen W eg/ es spezialisiert ein fü r allem al den Tatbestand in h a lt­ lich. Aber ich glaube, daß englische V o rb ild ist nicht gut, es ist zu starr. Ic h hätte am § 115 Abs. 1 n u r auszusetzen, daß nicht besonders schwere Fälle berücksichtigt sind, also die Bezugnahme au f unsern § 7 2 a fehlt. Ic h würde fü r besonders schwere F älle Zuchthausstrafen vorsehen, z. B . wenn die T a t begangen w ird , um K onflikte m it dem A usland , Repressalien u. dgl. herbeizuführen, oder wenn tatsächlich völkerrechtliche K om plikationen eingetreten sind, die vorauszusehen waren, oder wenn die guten Beziehungen gestört sind, vielleicht gar die K riegsg efah r heraufbeschworen ist. Ic h erinnere an das B eispiel des italienischen Rechtes, das, wenn der K rie g w irklich d a ra u fh in ausgebrochen ist, D a u e r­ zuchthaus, also lebenslängliches Zuchthaus vorsieht. D a s ist das einzige, was ich zur Ergänzung des § 115 zu bemerken hätte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: S ie wollen fü r be­ sonders schwere Fälle Zuchthausstrafe androhen. Ohne Grenze? (Professor D r . N agle r s B re s la u j: D a rü b e r läßt sich reden, vielleicht bis zu 10 Jahren.) — W ürd en nicht auch 5 J a h re genügen? Professor D r . Ragler (B re s la u ): J a . Es kann sehr schwerem F ä lle geben, z. B . es w äre möglich, daß jemand eigenmächtig au sw ä rtige P o litik macht, daß er V o r ­ sehung fü r sein V o lk spielen w ill, daß er dabei außen­ politische Zwischenfälle he rbeiführt, die bei bespannter Atm osphäre w ie der Funke im P u lv e rfa ß w irken müs­ sen. W i r müssen jederzeit m it allerlei Kom plikationen rechnen. (M in is te ria ld ire k to r S chäfer: Haben S ie auch in Abs. 2 über den S tra fra h m e n gesprochen?) — B e i Fahrlässigkeit w ürde ich vorschlagen, m it Ge­ fän gnis oder Geldstrafe zu bestrafen. B erichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ic h schließe mich diesen A usführungen an. Ic h bin insbesondere auch d a fü r, daß fü r besonders schwere F ä lle eine Q u a lifik a tio n im Gesetz vorgesehen w ird . W enn einer die Absicht hat, solche K o m p lik a tio ­ nen herbeizuführen oder wenn der E rfo lg seines H an­ delns g a r K rie g ist, w ürde eine Höchststrafe von 5 J a h ­ ren Zuchthaus w ohl nicht im m e r ausreichend sein. D es­ halb w ürde ich vorschlagen, einfach unbeschränkt zu sagen: »Zuchthaus« als S tra fe rh ö h u n g fü r besonders sc^vere Fälle. Vizepräsident G rau : I c h w ollte n u r ein W o r t zu dem S tra fm a ß sagen. Ic h w ürde den Abs. 2 so fassen: I s t die T a t fahrlässig begangen, so kann auch au f Geld­ stra ft erkannt werden. D a n n haben w ir nebenher H a ft unbeschränkt und außerdem Gefängnis. Es gibt

besonders leichte Fälle, wo m an m it einer Geldstrafe auskommen kann. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Es muß aber noch ein Satz hinzukommen, daß in besonders schweren Fällen a u f Zuchthaus erkannt werden kann.) — D a s w ollte ich als letzten Satz schreiben. (M in is te ria ld ire k to r S c h ä ftr: Aber doch nicht bei Fahrlässigkeit!) — Ic h w ollte n u r erreichen, daß die Fahrlässigkeit m it G efängnis, H a ft und Geldstrafe — alle drei S tra fe n unbeschränkt — bedroht ist. Es scheinen m ir aber andererseits bei Vorsatz so schwere F älle denkbar, daß man auch die Zuchthausstrafe unbeschränkt androhen sollte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Anregungen gehen dahin, im Abs. 1 die Zusatzbestimmung einzufügen, daß in besonders schweren Fällen au f Zuchthaus erkannt werden kann, und zw ar ohne eine besondere Grenze zu setzen, und im Abs. 2 fü r die Fahrlässigkeit Gefängnis bis zu 2 Ja h re n oder H a ft oder Geldstrafe vorzusehen. W ie das zu fassen ist, kann m an der Unterkommission überlassen. V ortrage nde r Le gation srat D r . Siedler: M a n könnte an eine E rw eiterung dieses Tatbestandes denken, z. B . an einen B ürg erkrie g. Ic h erinnere an die chine­ sischen Verhältnisse, wo der N ordstaat gegen den S ü d ­ staat K rie g geführt hat. D ieser F a ll würde von der vorgeschlagenen Fassung des P a ra grap hen nicht ge­ troffen werden, w e ll es sich nicht um zwei S taaten handelt. W i r können aber ein erhebliches außenpolititisches Interesse daran haben, Wafferwerschickungen in das A u sla n d oder den E in t r it t in fremde Armeen zu verhindern. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W o llen S ie die W o rte ganz streichen: zwischen anderen S taaten?) — M a n könnte vielleicht hinzufügen: oder während eines Bürgerkrieges in einem fremden S ta a t. M in is te ria ld ire k to r Schäftr: Bestehen Bedenken gegen den Zusatz: während eines B ürgerkrieges in einem fremden S ta a t? (Professor D r . G ra f Gleispach [SBetlin]: Ic h glaube nicht, daß in solchen Fä lle n eine K rie g s­ erklärung möglich ist.) G ib t es da eine N eutralitätsverletzung? (V ortragender Le gation srat D r . S ie d le r: Ü berschrift würde nicht Paffen.)

D ie

Von, N e u tra litä t kann man da auch nicht sprechen. (M in is te ria lra t D r . Schäfer: M a n könnte sagen: D ie Vorschriften der Abs. 1 bis 3 gelten entspre­ chend fü r V orschriften, die die Reichsregierung aus A n la ß eines B ürg erkrie gs in einem fremden S ta a t erläßt.) — D a s w äre eine vorläufige Fassung. Professor D r . Ragler (B re s la u ): Ic h glaube gar nicht, daß dies notwendig ist. I n dem Augenblick, wo w ir eine N e u tra litä ts e rk lä ru n g abgeben, sagen w ir : es ist ein K rie g ausgebrochen, an dem w ir uns nicht be­ teiligen/ d a m it treten die Bestimm ungen des § 115 in K ra ft. D e n besprochenen F a ll haben w i r beim n o rd ­ amerikanischen B ü rg e rkrie g erlebt, von dem ich v o rh in

sprach. D a haben bestimmte Staaten — England, Frankreich usw. — die Südstaaten als kriegführende Macht anerkannt und in diesem Augenblick zugleich die Neutralitätserklärung ausgesprochen. Es wäre also § 115 damit maßgebend geworden. M an kann jedoch stillschweigend eine kriegführende Macht anerkennen. Aber in dem Augenblick, wo w ir eine N e utralitäts­ erklärung ausdrücklich abgeben, sagen w ir: es liegt ein Krieg vor, bei dem w ir neutral bleiben. Ich würde der Meinung sein, daß der Zusatz gar nicht notwendig ist. Auch der T ite l »Neutralitätsverletzung« deckt den Ge­ danken durchaus. Es würde nur komplizieren, toenn w ir sagten: »während eines Bürgerkriegs«. Professor D r . Mezger (München): Ich habe gegen die Ausführungen von H errn Professor Nadler das Be­ denken: eine Neutralitätserklärung, die gleichzeitig als die A n e r k e n n u n g der einen P a rte i als S ta a t angesehen werden könnte/ ist hier gar nicht gegeben. Es w ird nur die Ausfuhr von Waffen verboten, wenn an anderer Stelle Bürgerkrieg herrscht. Das ist noch keine Anerkennung als S ta a t. Vielleicht könnte man sagen: »wer während eines Kriegs zwischen oder in anderen Staaten einer Vorschrift zuwiderhandelt«. Dann braucht das ominöse W o rt Bürgerkrieg nicht ausdrücklich aufgenommen zu werden. Wenn beispiels­ weise in China Bürgerkrieg herrscht und Deutschland die Waffenausfuhr dorthin verbietet, so kann § 115 des Referentenentwurfes unbedenklich Anwendung finden. (M inisterialdirektor Schäfer: S ie glauben, daß zu dieser Fassung auch das W o rt N eutralitäts­ verletzung paßt.) D a ra n würde ich keinen Anstoß nehmen. M inisterialdirektor Schäfer: D ann könnten w ir die Worte überhaupt weglassen und sagen: wer während eines Krieges einer Vorschrift zuwiderhandelt. (Professor D r . Nagler sBreslauj: I n der Sache besteht keine Differenz. Ich könnte mich m it dem Vorschlag Mezger einverstanden erklären.) — D ann möchte ich glauben, daß die Unterkommission sich die Fassung überlegen mag. W ir können auch noch einmal zusammen m it dem Auswärtigen A m t die andere Frage prüfen. D ie Fassung, die Herr Geheim­ ra t Schäfer vorgeschlagen hat, scheint auch m ir annehm­ bar: wer Vorschriften verletzt, die die Reichsreaierung aus Anlaß eines Bürgerkriegs oder eines Kriegs in einem fremden Land erlassen hat. Das sind nur noch Fragen der Form ulierung. Sachlich sind w ir einig, tz 115" ist dam it erledigt. Uber § 117 herrscht wohl auch Einverständnis. Bei diesem Abschnitt sind danach nur noch die A n ­ regungen der Herren Professor Nagler und des Geheunrats Siedler zu erörtern, ferner die Anregung des H errn D irektors Lorenz, in § 113 eine Ergänzung ein­ zufügen, die den §§ 98a und b, 99 und 101 entsprechen würbe. Berichterstatter Professor D r . Ragler (Breslau): Ich darf darauf hinweisen, daß in dem Strafschutz gegen hochverräterische Unternehmungen gegen fremde Staaten eine Lücke eingetreten ist, seidem w ir die M o n a r­ chien in Deutschland aufgegeben haben. Früher w ar auch der hochverräterische M ord , der Mordversuch gegen die Landesherren Hochverrat. Wenn diese Bestimmung in § 112 aufgenommen wäre, so wäre auch ein ausländi­

sches Staatsoberhaupt gegen Tötung besonders ge­ schützt. Das ist nicht der Fall. Infolgedessen ergibt sich eine. Lücke, die w ir ausfüllen müssen. Es handelt sich also um Attentate, Anschläge auf das Leben und tätliche Angriffe gegen das fremde Staatsoberhaupt. Schon das Preußische Allgemeine Landrecht hat, als es zum ersten M ale die Beziehungen zum Ausland unter besonderen Strafschutz stellte, ausdrücklich die Ver­ letzung des Völkerrechts gegenüber fremden Staatsober­ häuptern hervorgehoben m it der charakteristischen M o ti­ vierung: »weil sonst Unfrieden oder Zwietracht m it den betreffenden Mächten herbeigeführt werden könne«. Diesen Gedanken hat die deutsche Partikulargesetz­ gebung aufgenommen und auch das gesamte Ausland, soweit ich übersehen kann/ ich könnte Ih n en Skandi­ navien, Belgien, Holland, Ita lie n usw. vorführen. Ich bin der Meinung, daß ein Bedürfnis besteht, das fremde Staatsoberhaupt gegen Attentate zu schützen. W ir brauchen dafür einen besonderen Tatbestand. Is t das fremde Staatsoberhaupt im In ia n de und würde es Opfer eines A ngriffs, so würden w ir in eine. sehr schlimme Lage kommen, wenn w ir nicht dem Staats­ oberhaupt einen erhöhten Schutz zuteil werden ließen. Aber auch sonst ergibt sich die Gefahr außenpolitischer Verwicklungen. Das wäre das eine. Das zweite, was ich anregen möchte, wäre, frivole Angriffe gegen die Ehre eines fremden Volkes oder Staates zu strafen und bei der Form ulierung § 101 zugrunde zu legen, wie die Unterkommission lhn jetzt vorschlägt: Wer öffentlich das Deutsche Volk, das Deutsche Reich, seine Farben und Flaggen beschimpft oder böswillig verächtlich macht. Ic h würde der M einung sein, daß w ir einen analogen Schutz auch dem Ausland zuteil werden lassen sollten. D a m it in Verbindung steht die frivole Beleidigung fremder Regierungsmitglieder. Emen solchen Schutz gewährt den ausländischen Regierungs Mitgliedern heute die Schweiz, zum 'Teil wohl auch Norwegen. Sicherlich würde es zur Entspannung der außenpolitischen Atmosphäre wesentlich beitragen, wenn das fremde Volk, der fremde S ta a t, die fremden Regierun­ en außerhalb der Invektiven-, der Beschimpfungszone lieben. W ir sollten hier unseren fünften Abschnitt er­ gänzen. Selbstverständlich müßten alle diese Vorschrif­ ten unter der Garantie der Gegenseitigkeit stehen/ den erhöhten Strafschutz dürften w ir n u r gewähren, wenn uns volles Gegenrecht gewährt w ird. Würden w ir die fremden Länder dazu veranlassen, uns Gegenrecht zu gewähren, so würden, glaube ich, sehr heilsame Ergeb­ nisse außenpolitischer A r t herbeigeführt werden können. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ich stimme Herrn Professor Nagler bei. Ich bin durchaus dafür, daß hier die Grenzen nicht zu eng gezogen werden, weil es in unserem eigenen Interesse liegt. Es trä g t dazu bei, unseren Friedenswillen zu bekunden, und da Gegenseitigkeit verbürgt ist, würde es auch u n s e r e n Vertretern zugute kommen. Ich bin auch fü r Aufnahme eines entsprechenden Paragraphen in diesen Abschnitt. Allerdings lassen sich andererseits auch Bedenken gegen eine allzu weite Ausdehnung geltend machen. M inisterialdirektor Schäfer: Vielleicht können w ir die Diskussion so gliedern, daß w ir betrachten: erstens 5

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die Fälle, in denen ein Strafschutz in einem anderen P ara grap hen ohnedies besteht, und zweitens die Fälle, in denen eine Lücke bestehen würde. P ro fe ffo r D r . R agler (B re s la u ): Es bestehen Lücken fü r alle A n g riffe , die nicht n u r Beleidigungen sind. M o rd w ürde sowieso unter der Höchststrafe stehen. Es kämen also in B etracht der Mordversuch, der Totschlag, der Totschlagsversuch, Körperverletzung, A n g riffe auf die F reiheit. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h habe eben n o tiert: § 98a, T ö tu n g des Präsidenten, des Kanzlers, ent­ sprechend angewandt, § 98b, gew alttätige A n g riffe auf Präsidenten oder K anzler, entsprechend angewandt, d ritte n s § 99, A n g riffe auf Leib oder Leben eines Re­ gierungsm itglieds, entsprechend angewandt, viertens 8 100, Beschimpfung von R egierungsm itgliedern, fü n f­ tens § 101, Beschimpfung von S ta a te n , sechstens § 101 a, Beschimpfung von Hoheitszeichen, Farben, Flaggen. Professor D r . R agler (B re s la u ): B e i § 9 8 b kommt n u r der erste Absatz in Frage: »W er A n g riffe auf Leben oder F re ih e it eines fremden Staatsoberhaup­ tes . . . « . Außerdem § 99 Abs. 1. (M in is te ria ld ire k to r S chäfer: N icht die N ötigung?) Ic h würde sagen: »Leben, F re ih e it, Ehre eines M i t ­ glieds ___ «. § 100 würde ich nicht zum V o rb ild nehmen, da fü r aber § 101: »W er öffentlich das fremde V olk, den fremden S ta a t, seine Farben oder Flaggen beschimpft oder b ö s w illig verächtlich macht«. (Staatssekretär D r . F re iste r b e tritt den S itzungs­ saal.) M in is te ria ld ire k to r Schäfer: H e rr Staatssekretär, d a rf ich berichten, wie w e it w ir sind! W i r haben eben den Abschnitt »D elikte gegen befreundete Staaten« be­ handelt/ zur E rö rte ru n g steht eben die Frage, ob auch P arallelbestim m ungen entsprechend der T ö tu n g oder G ew a lttätigke it gegen Präsidenten oder Kanzler, A n ­ g riffe au f Leib oder Leben, Beschimpfung eines Re­ gierungsm itglieds, Beschimpfung vom deutschen S ta a t und V olk, Beschimpfung von deutschen Farben und Flaggen in diesen Abschnitt über D elikte gegen be­ freundete S taaten über das geltende Recht und die E nt­ w ü rfe hinaus eingefügt werden sollen f ü n f t e n des S taatsoberhauptes und zugunsten von R eglerungsm itgliedern fremder S ta a te n oder ih re r Farben und Flaggen und des S ta a te s selbst. Diese Frage erörtern w ir gerade. H e rr Legationsrat D r . S ie d le r, d a rf ich fragen, wie w e it S ie vom S ta n d p u n k t des A u s w ä rtig e n A m ts hier eine Ergänzung wünschen! S ie haben v o rh in die Frage selbst angeschnitten. V ortragender Le gation srat D r . Siedler: W iew eit Wünsche bestehen, kann ich nicht sagen. Ic h möchte aber anregen, daß fremde R egierungsm itglieder besonders geschützt werden. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: S ie meinen also, daß es nicht genügt, wenn sie bei uns nach den allgemeinen P ara grap hen über M o rd . Körperverletzung, B eleidi­ gung usw. geschützt werden, daß diese allgemeinen S traftatbestände nicht genügen, daß vielm ehr auch hier Q ualifikationstatbestände, entsprechend den Q ua lifika­ tionstatbeständen, die w ir fü r unsere F ü h re r und

R egierungsm itglieder usw. sollten?

haben,

geschaffen

werden

V ortrage nde r Le gation srat D r . Siedler: Ic h meine, daß man den besonderen Schutz, der fü r fremde S tatso berh äup ter und fremde Gesandte vorgesehen ist, auch den fremden Regierungen geben sollte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: U nd was speziell die Frage der Beleidigung oder Beschimpfung eines fremden S taates be trifft? (V ortrag ende r Legation srat D r . S ie d le r: D a s w ürde ich fü r sehr wünschenswert halten!) — A lso entsprechend § 101! U nd die Frage der B e ­ schimpfung der Farben und Flaggen? (V ortrag ende r Legation srat D r . S ie d le r: Auch h ier w ürde ich einen Schutz fü r zweckmäßig halten!) P ro fe ffo r D r . Kohlrausch (B e rlin ): D ie A u s­ dehnung des Schutzes auf die ganze R egierung des fremden S taates scheint m ir von unübersehbarer T ragw eite zu sein. W e r sich in einem exotischen S ta a t M in is te r nennen d a rf, wissen w ir nicht, und es ist w ohl nicht n ö tig, daß der erhöhte strafrechtliche Schutz davon abhängt. W o h l aber ist es notw endig und im Interesse der Gegenseitigkeit erwünscht, den leitenden S ta a tsm in iste r einzubeziehen. Ic h würde sagen »das S taatsoberhau pt oder den Chef der R egierung«. M a n könnte auch sagen »oder den leitenden M in is te r« . (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: I m § 113 haben w i r bereits die B eleidigung des fremden S ta a ts ­ oberhauptes!) Aber allen ausländischen R egierungsm itgliedern gegen­ über eine Analogie entsprechend dem Schutz unserer Reichsregierung zu schaffen, das scheint m ir zu w eit zu gehen. Ic h habe auch den H e rrn V e rtre te r des A u s ­ w ä rtig e n A m ts dahin verstanden. V ortra g e n d e r Le gation srat D r . S iedler: Ic h denke an unsere eigenen Verhältnisse. N icht n u r unser Reichskanzler, sondern auch Reichsminister G ö rin g m x b im Auslande ständig beschimpft. W enn w ir n u r den fremden »Regierungschef« schützen, so gewähren w ir anderen fremden R egierungsm itgliedern keinen besonderen Schutz. W ir können daher mangels deutscher Gegenseitigkeit die S tra fv e rfo lg u n g im A usland wegen B eleidigung unserer R eg ie ru n g sm it­ glieder nicht m it E rfo lg betreiben. A u f diese mangelnde Gegenseitigkeit ist im A usland gegenüber unseren S ch ritte n w iederholt hingewiesen worden. M in is te ria lra t D r . Schäfer: Gem eint ist doch w ohl ein ausw ärtiges R egierungsm itglied, wenn es bei im§ im Lande ist? M in is te ria ld ire k to r Schäfer: N ein, nicht n u r wenn er sich bei uns a u fh ä lt, sondern schlechtweg. Es ist allerdings die Frage, ob ein solcher Schutz von unseren Volksgenossen verstanden würde. W enn z. B . jemand wegen Vergehens gegen § 101 bestraft werden soll, w e il er öffentlich über ein fremdes V o lk etwas A bfälliges sagt. A u f der anderen S eite fra g t es sich: I s t das wünschenswert und erscheint es uns tatsächlich auch durchsetzbar? Ic h überschaue augenblicklich nicht, ob auch die Gegenseitigkeit w irklich ve rb ü rg t wäre. M einen S ie , daß z. B . P o le n m it einem S tr a f-

VcrfaO rni gegen jemand vorgehen würde, der über das deutsche V o lk eine abfällige Äußerung getan hat? D a s wäre doch das notwendige Gegenstück dazu! D en Farben und Flaggen könnte man in gewissem Umfange strafrechtlichen Schutz gewähren, zumal w ir eine Unterscheidung gemacht haben zwischen angebrachten und nicht angebrachten Hoheitszeichen. M a n sollte sich die verschiedenen Tatbestände vornehmen und nicht in Bausch und Bogen sagen: Unser ganzer straf­ rechtlicher Schutz fü r unsere eigene Negierung w ird auf fremde Regierungen einfach übertragen. S taatssekretär D r . Freister: M a n würde doch zu ungeheuerlichen Konsequenzen kommen, wenn man auf G ru n d einer solchen Bestim m ung gegen deutsche Z e i­ tungen vorgehen müßte, die die Maßnahmen einer fremden R egierung pflichtgemäß a b fä llig charakterisier­ ten. W o käme man hin, wenn w ir bestimmen w ollten : »W er einen ausländischen M in is te r beleidigt, w ird ge­ nau so bestraft, wie wenn er über deutsche M in is te r etwas D e ra rtig e s sagen w ürde«! B e i allen Gegensätzen, die sich im Leben der Völker und ihren S taaten zeigen, w ird es S pannungen geben, und diese Spannungen w er­ den zum Ausdruck kommen, hauptsächlich in der Presse, aber auch in Versam m lungen und in Einzeläußerungen/ und es scheint m ir unerträglich zu sein, der eigenen P r o ­ paganda, der P rop agan da, die sich auf die Beeinflus­ sung der W ille n srich tu n g des Volkes richtet, hier ge­ radezu unmögliche Fesseln anzulegen. Ic h habe keinen Zw eifel, daß nach dieser Bestim m ung wahrscheinlich auch das heutige B ild im »Völkischen Beobachter« be­ anstandet werden würde. W o h in kämen w ir aber d a n n ! Ic h bin der M e in u n g , daß diese Frage heute auch gar nicht mehr so schlimm ist wie früher. W i r können die Gegenseitigkeit m a teriell viel besser verbürgen, selbst wenn w i r sie fo rm e ll nicht als Rechtssatz aufstellen. D a s ergibt sich daraus, daß die Meinungen, die hier öffent­ lich vertreten werden — und da rauf kommt es doch an — , alles M einungen sind, au f deren V e rtre tu n g und auf deren Zurückweisung w ir auch ohne das S t r a f ­ gesetzbuch genügend E in flu ß haben. D ie S c h riftle ite r stehen d e ra rtig un ter der unm ittelbaren K o n tro lle des Reichs, daß, wenn da eine Entgleisung vorgekommen sein sollte, die das Reich bedauert, es ohne Strafgesetz­ buch ohne weiteres die M öglichkeit hat, jederzeit und überall das zum Ausdruck zu bringen. D ie Versam m ­ lungen sind alle Versam m lungen der N S D A P , und einem Redner in diesen Versammlungen kann man, auch ohne daß w i r eine besondere strafgesetzliche B estim ­ mung haben, sehr w ohl und in einer sehr merkbaren Meise zum Ausdruck bringen, daß er das nicht tun durste. W enn w ir einfach die Gegenseitigkeit fo rm e ll feststellen w ollen, so vergessen w ir dabei, daß unser S ta a t anders aufgebaut ist als die demokratischen S taaten, in denen ungehindert auch Meinungen zum Ausdruck kommen können, die der R egierungsm einung widersprechen und in denen niemand den anderen zw in ­ gen kann, zu bedauern, daß er diese M e in ung zum A u s ­ druck gebracht hat. M i t jenen S taaten können w ir unseren S ta a t nicht vergleichen. W enn die Herstellung der Gegenseitigkeit überhaupt von der anderen Seite verbürg t sein sollte, was ich m ir aber nicht denken kann, — denn ich glaube nicht, daß es irgendeinen S ta a t gibt, der ein Gesetz hat, wonach Beleidigungen irgend­ eines au sw ä rtige n M in is te rs so bestraft werden w ie B e ­ leidigungen des eigenen M in is te rs — , wenn aber die 34.

Herstellung der Gegenseitigkeit verbürg t sein sollte, so brauchen w ir nach meiner M e in u n g auf diese Gegen­ seitigkeit keinen W e rt zur legen. Es wäre aber in te r­ essant, zu hören, ob denn fü r die S ta a te n , die hier in Frage kommen, überhaupt solche Bestimmungen in deren Rechtsgebiet bestehen. Ich glaube das, wie ge­ sagt, zunächst einm al nicht. S onst könnte ich m ir z. B . nicht vorstellen, daß die B eleidigung des Führers in Österreich ungehindert in einer geradezu schamlosen Weise vor sich'geht. Deshalb bin ich dagegen, eine solche Bestim m ung zu schaffen, sondern glaube, daß man allerhöchstens das S taatsoberhaupt unter diesen besonderen Schutz stellen soll. Ob m an dem Wunsch Rechnung tragen kann, neben dem S taatsoberhaupt auch einen M a n n , wie meinetwegen in I ta lie n M u ssolini, in diesen Schutz einzubeziehen, vermag ich nicht zu sagen. Ic h glaube, es w ird nicht gehen. D a n n müßte man diesen Schutz im m er und überall auf den Ministerpräsidenten ausdehnen, und ich weiß nicht, ob dies unbedingt über­ a ll geschehen kann. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h b in bei der P rü fu n g zu folgendem Ergebnis gekommen. B ei der Beschimp­ fu n g einer ausländischen Fahne oder Flagge w ird das gesunde Empfinden im m er eine B estrafung verlangen. F ü r solche Fälle scheint m ir also eine Lücke in dem E n t­ w u r f vorzuliegen. I m übrigen steht doch ein auslän­ discher M inisterpräsident unter dem Schutz unserer a ll­ gemeinen B eleidigungsparagraphen. (Staatssekretär D r . F re is le r: Dagegen wende ich mich nicht!) D a genügt es also, daß w ir den allgemeinen S tr a f ta t­ bestand haben. D a s geltende Recht ist auch nicht dazu übergegangen, diese Fälle, wie M o rd , Körperverletzung usw., noch besonders herauszuheben. Bezüglich der B e ­ schimpfung haben w ir eigentlich schon alles behandelt, was besonders herauszuheben wäre, nämlich das S ta a ts ­ oberhaupt und den Gesandten, so daß n u r die Frage bliebe, ob die R egierungsm itglieder aus dem allgemei­ nen Tatbestand noch besonders herausgchoben werden sollen, und da neige ich auch der Ansicht des H e rrn Staatssekretärs D r . F re isle r zu, daß das bei uns doch nicht recht verstanden werden würde. Ebensowenig glaube ich das bei der B eleidigung der N a tio n als sol­ cher, wo w ir keinen Strafschutz haben, w e il ja doch wegen der U nbestimmtheit des Betroffenen der T a t­ bestand der B eleidigung nicht e rfü llt w ird . Ich möchte also n u r eine E rw e ite ru n g des von uns schon beschlosse­ nen § 114 über die ausländischen Hoheitszeichen dahin befürw orten, daß m an auch die Farben und Flaggen der fremden V ölker hinzunehmen sollte. Eine weitere Ausdehnung sollte man dagegen hier nicht vornehmen. Professor D r . Ragler (B re sla u ) : Ic h w ürde vorschla­ gen, eine Ä ußerung des M in is te riu m s des A u s ­ w ä rtig e n darüber zu erbitten, um festzustellen, wo vom A u sw ä rtig e n A m t eine Lücke gefühlt w ird , und danach die A rb e it der Kommission zu bestimmen. Wenn das A u sw ä rtig e A m t sagt: w ir brauchen keinen Schutz, dann erledigt sich die Sache ohne weiteres. Aber wenn das A u sw ä rtig e A m t in dieser oder jener Richtung eine Lücke feststellt, so w äre zu erwägen, ob m an nicht diese Lücke ausfüllen sollte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Lücke, die w ir haben, kann eigentlich n u r bezüglich zweier Punkte bestehen: bezüglich der Farben und Flaggen und be6

züglich der B eleidigung des fremden V olks und S ta a ts. S onst sind Lücken nicht vorhanden. Professor D r . N agler (B re s la u ): P rä ju d iz ie ll und entscheidend w äre die Auffassung des A usw ärtigen A m ts , und es wäre sehr erwünscht, daß uns das A u s w ä rtig e A m t eine offizielle M itte ilu n g über seine S te llu n g zugehen ließe. Staatssekretär D r . Freister: D a n n möchte ich bitten, auch das P rop agan dam inisteriu m anzugehen. D enn die Sache hat auch eine andere Seite. Genau so, w ie das A u s w ä rtig e A m t interessiert ist, ist n a tü r­ lich auch das P rop ag a n d a m in iste riu m interessiert, ob die Möglichkeit, in vorkommenden Fällen und in einer Lage, die w ir heute g a r nicht kennen, eine volkstüm ­ liche P rop agan da zu machen, unterbunden werden soll. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: U nd schließlich sind auch w ir unter dem Gesichtspunkt daran interessiert, ob uns eine B estrafung durchführbar und überhaupt erträglich erscheint. D a s ist ein sehr wichtiger Ge­ sichtspunkt. M in is te ria lra t D r . Schäfer: Ic h bin durchaus der Auffassung, daß die angeregte Ausdehnung unmöglich ist. Aber ein F a ll scheint m ir erwägenswert, nämlich der, daß eine ausländische R egierung einen auslän­ dischen M in is te r zu V erhandlungen zu uns herschickt. D a n n , meine ich, hat dieser ausländische M iniste r ungefähr die S te llu n g eines Gesandten. E r fä llt aber nicht unter den B e g riff des Gesandten. A u f diesen F a ll könnte man a llen falls den Gesandten-Paragraphen ausdehnen, indem man sagt: Dasselbe g ilt fü r die B eleidigung eines ausw ärtigen M in is te rs , der sich in am tlicher F u nktion — oder meinetwegen auch ohne diese letztere Einschränkung — im Reichsgebiet au fhält. Professor D r . G ra f Gleispach ( B e r lin ) : H e rr M in i­ sterialdirektor, S ie haben selbst schon d a ra u f h in ­ gewiesen, daß allerdings eine Lücke beim Schutz der fremden V ölker besteht, und m ir scheint doch der Ge­ danke sehr erwägenswert. Ic k w ürde das ganz trennen von der Beschimpfung frem der Regierungschefs oder frem der M in is te r usw. Ic h halte es fü r ganz u n tra g ­ b a r, da eine S trafbestim m ung aufzunehmen. Etwas ganz anderes ist es dagegen, ein fremdes V o lk zu be­ schimpfen. D a s sollte, glaube ich, bei dem größten Interessengegensatz und dem schärfsten politischen K am pf nicht geschehen. Es ist vielleicht schwer abzugrenzen. Ic h würde in der Beschimpfung des M in is te rs n a tü r­ lich nicht eine Beschimpfung des V olks sehen. D as ist fü r den nationalsozialistischen S ta a t anders als fü r andere S taaten. A ber ich meine, es würde auch der höchsten W e rtu n g des eigenen V olks entsprechen, auch das fremde zu schützen. M a n kann vielleicht sagen: es ist noch zu frü h , diese Gedanken sind noch nicht sehr verbreitet. Aber erwägensw ert scheint m ir das doch. U n te r der Voraussetzung der Gegenseitigkeit w ürde es praktisch nicht sehr bedeutsam sein. Aber es w ürde einen Gedanken auch in t Strafgesetzbuch zum Ausdruck bringen, der grundsätzlich doch durchaus an­ erkannt ist. D ie Höchststellung des eigenen V olkstum s bedingt die Achtung v o r dem fremden V olk. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r ü b ernim m t den Vorsitz.)

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: H e rr Reichsminister, w ir erörtern im Augenblick, in w ie w e it in dem von uns erledigten 5. Abschnitt — S tö ru n g der Beziehungen zum A usland — noch eine Ergänzung nach folgenden Richtungen angezeigt w äre: ob man etwa über das geltende Recht und über die E ntw ürfe hinaus m it Rück­ sicht a u f das befreundete A usland auch noch besondere Q ualifikationstatbestände vorsehen sollte, die die T ö tu n g oder G ew alttätigkeiten gegen ein fremdes S taatsoberhau pt oder einen fremden M inisterpräsiden­ ten oder etwa die A n g riffe auf Leben oder Leib eines Negierungsm itgliedes oder etwa die Beschimpfung von R cgierungsm itgliedern und endlich die Beschimpfung von S ta a t und Farben und Flaggen betreffen. I m ganzen hat sich die Debatte im wesentlichen schon nach der R ichtung geklärt, daß da, wo w ir bereits strafbare Tatbestände in unserem allgemeinen Recht haben, also wie bei der T ö tu n g , bei der G ew a lttätigke it, bei der Körperverletzung, es w ohl nicht angezeigt wäre, w e ite r­ zugehen als das geltende Recht, nämlich hier noch be­ sondere Qualisikationstatbestände zu schaffen. Es be­ steht w ohl Neigung, da, wo eine Lücke zuungunsten des befreundeten A uslands bestände, eine Ergänzung zu schaffen. D a s w ürde insbesondere fü r die Beschimpfung von Farben und Flaggen gelten. Vorgesehen ist bereits eine B estim m ung über die Beschimpfung öffentlich an­ gebrachter Hoheitszeichen, also z. B . der Fahne auf der französischen Botschaft, dagegen iiicftt über die B e ­ schimpfung einer fremden Farbe oder Flagge schlecht­ weg. In s o w e it scheint Geneigtheit zu bestehen, einen Ergänzungstatbestand zu schaffen. U nd endlich e rö rte r­ ten w ir noch die Frage, ob auch eine B estim m ung über die Beschimpfung eines fremden S ta a ts oder Volks, die w ohl nicht unter unseren allgemeinen B ele id ig u n g sta t­ bestand fä llt, w e il die B eleidigung nicht genügend kon­ kretisiert ist, angezeigt wäre. D ie überwiegende M e i­ nung schien dahin zu gehen, daß das dock w ohl schwer erträglich wäre und nicht verstanden würde. Aber H e rr G ra f Gleispach tr a t eben gerade d a fü r ein, doch zil er­ wägen, auch einen solchen Tatbestand zu schaffen: »wer eine fremde N a tio n oder einen fremden S ta a t öffentlich beschimpft«. Es ist angeregt worden, hierzu die M e i­ nung des A u sw ä rtig e n A m ts und wegen der Rück­ wirkungen eventuell auch die des P ropagandam iniste­ riu m s einzuholen. — D a s ist der augenblickliche S ta n d . Reichsjustizminister D r . G ürtner: M e in e H erren, wenn ich nach diesem Eindruck meine M e in u n g sagen da rf, die sich so a tem po auf den ersten B lick bildet, so würde ich dringend w iderraten, qualifizierte T a t­ bestände solcher D elikten aufzunehmen, die sonst v o r­ kommen: Körperverletzung, T ö tu n g , B eleidigung. D a s sollten w ir in das Gebiet der Strafzumessungsgründc, die g a r nicht im Gesetz erw ähnt werden, verweisen. Es würde auch eine gewisse Entlastung des Abschnitts be­ deuten, wenn m an da nicht zu w eit geht. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie d ritte Frage w a r die der Beschimpfung einer fremden N a tio n als solcher, p a rallel gestaltet m it dem § 101: W e r öffentlich das deutsche V olk, das Reich, seine Farben oder Flaggen oder die N S D A P , einschließlich ih re r Üntergliederungen beschimpft oder b ö s w illig verächtlich macht, usw.

Reichsjustizminister D r . G ürtner: G ib t es eine der­ artige Bestim m ung in irgendeinem geltenden S t r a f ­ recht? P ro fe ffo r D r . R agler (B re s la u ): Es g ib t ähnliche Bestimmungen in Ita lie n . D ie Schweiz ha t seit 1853 einen Tatbestand, der die öffentliche Beschimpfung des fremden Volkes oder einer fremden Regierung unter S tra fe stellt. E r ist auch praktisch geworden, z. B . als bei einem Fastnachtsumzug in Basel Leute das Deutsche Reich schwer verhöhnt hatten. I m Prozeß erklärten die Angeklagten — ein W o rt, das heute im m er noch umgeht — , sie hätten »toe Schwoben fuchsen« wollen, die Deutschen als solche zw ar nicht beleidigen, aber ärgern wollen. S taatssekretär D r . Freisler: Bezüglich der gewöhn­ lichen D elikte halte ich es fü r unerträglich, hier q u a li­ fizierte Tatbestände zu schaffen. B e i den Farben und Flaggen muß man von dem Grundsatz ausgehen: die m it uns befreundeten fremden S taaten müssen, soweit ihre Lebensäußerung sich au f unserem Gebiet abspielt, geschützt werden. D a ra u s fo lg t, daß ein frem der M i ­ nister, der bei uns w e ilt, fü r die Z e it seiner amtlichen M ission hier geschützt werden muß, wie auch der Ge­ sandte geschützt w ird / auch die Flaggen des fremden S taates müssen hier v o r Beschimpfung geschützt w er­ den. W as d ritte n s das V olk b e trifft, so sind es außer Ita lie n zwei neutrale S taaten, die diesen Wunsch hatten, w eil sie sich aus jeder P o litik fernhalten wollen. E in V olk aber, das einen solchen Lebensdrang ha t wie das deutsche V olk, kann fü r sich in Anspruch nehmen, daß es über seine eigene W ürd e wacht und sie ganz be­ sonders aufrechterhält, aber im übrigen nicht die W ürde aller anderen staatsrechtlich ebenso behandelt w ie die eigene. H ie r handelt es sich um eine Frage der E r ­ ziehung und nicht der Gesetzgebung. W i r handeln sonst in einer Weise, die bei uns im Volke niöyt verstanden w ird . Es ist nun m a l so, daß besonders in den Grenz­ gebieten sowohl jenseits wie diesseits der Grenze die Bezeichnungen fü r das Nachbarvolk nicht gerade im m er sehr schmeichelhaft sind. D ie Russen heißen in Preußen Russen, und in R uß la nd heißen die Russen Preußen, — nämlich diese unangenehmen Tiere in der Küche. D a s ist n u r bezeichnend d a fü r, daß die Bevölkerung in den Grenzgebieten m eint, sie sei höherw ertig als die des Nachbarvolkes. Diese M e in ung durch besondere Strafbestim m ungen gegen eine Beschimpfung des frem ­ den Volkes bekämpfen zu wollen, scheint m ir nicht an­ gebracht zu sein. Ic h habe vo rh in schon kurz ausge­ fü h rt, daß w ir eine solche Bestimm ung auch g a r nicht nö tig haben. Eine wirkliche Beschimpfung kann in Deutschland n u r vorkommen entweder in der Presse oder in Versam m lungen, und da haben w ir andere M itte l genug, um dagegen vorzugehen. Professor D r . D ah m (K ie l): Es ist nicht richtig, daß das italienische Strafgesetzbuch die Beschimpfung eines fremden Volkes und S taates schlechthin unter S tra fe stellt. D ie Überschrift des betreffenden A b­ schnitts lautet zw ar: »Verbrechen gegen die au slä ndi­ schen S taaten, deren O berhäupter und ihre V e rtre te r« , aber unter S tra fe gestellt sind n u r Anschläge au f aus­ ländische S taatsoberhäupter, A n g riffe au f die Freiheit ausländischer S taatsoberhäupter und au f ihre Ehre, A n g riffe gegen die V e rtre te r ausländischer S taaten,

endlich die B eleidigung der Flagge oder eines anderen Hoheitsabzeichens eines ausländischen S taates. I n dem betreffenden A rtik e l steht aber nichts von der B e ­ schimpfung eines fremden S taates oder Volkes. I m übrigen fürchte ich, daß eine solche Bestimm ung a u f jede zweite N um m er eines W itzb la tts anwendbar wäre. Auch das A usland w ürde eine solche V orsch rift nicht verstehen und über uns lachen. M a n braucht ja n u r ausländische W itzblätte r zur H and zu nehmm und zu lesen, w as d o rt über das deutsche V olk gesagt w ird . Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ich glaube, m an sollte das im einzelnen nicht diskutieren. Nach meiner M e in u n g sollte man den Gedanken nicht w eiterver­ folgen, die Farben und Flaggen und die öffentliche B e ­ schimpfung in § 114 m it aufzunehmen. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D e r Gesandte steht dem R egierungsvertreter gleich, der h ier in am t­ licher M ission w e ilt.) — I n § 113 sind jetzt genannt: S taatsoberhäupter, beglaubigte Gesandte oder Geschäftsträger. F ä llt d a r­ u n te r auch der Gesandte in besonderer Mission? (M in is te ria lra t D r . Schäfer: Es handelt sich nicht im m er um Gesandte im eigentlichen S in n e !) — E in am tlicher Ministerbesuch soll d a runter fallen? (S taatssekretär D r . F re is le r: J a , aber nu r der M in is te r selber! — M in is te ria ld ire k to r Schäfer: V e rtre te r einer fremden Regierung in amtlicher M ission.) — I s t d a m it der Abschnitt erledigt? (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D e r Unterausschuß müßte gebildet werden, und zw ar aus den beiden Referenten, den H erren N a g le r und Lorenz, vom Reichsjustizministerium H e rr Oberlandesgerichts­ r a t Schäfer und vielleicht H e rr M in is te ria ld ire k to r D ü r r .) W i r kämen dann zum 8. A b s ch n i t t , der bei uns die Überschrift Auflehnung gegen die Staatsgewalt trä g t. E in schriftliches R eferat von H e rrn Professor D r . D a h m m it einer Reihe von einzelnen Wünschen lie g t v o r, die aber an die G rundlagen dieses A b ­ schnittes eigentlich nicht rü hren , m it einer einzigen Ausnahme, die wahrscheinlich in der M itte der D e ­ batte stehen w ird . V ielleicht könnten w ir so verfahren, daß H e rr P ro fe ffo r D a h m in einem kurzen R eferat, ohne die einzelnen P ara grap hen eingehender zu behan­ deln, über den Abschnitt berichtet. B erichterstatter Professor D r . D ahm (K iel): I m 8. Abschnitt sind vie r Gruppen von Tatbeständen zu­ sammengefaßt, nämlich erstens der W iderstand aegen die S ta a ts g e w a lt im engeren S in n e — das sind die §§ 149 bis 153 — , zweitens die Gefangenenbefreiung und die Gefangenenmeuterei — § § 1 5 4 bis 159 — , d ritte n s eine Gruppe von S tra fta te n , deren Wesen sich als »Bruch amtlicher V erfügungsgew alt« kennzeichnen lä ß t — § 160 D erw ahrungsbruch, § 161 Derstrikkungsbruch, § 162 Siegelbruch und im Anschluß da ran § 163 Verletzung am tlicher Bekanntmachungen — , viertens gewiffe Tatbestände, die n u r in lockerem Z u ­ sammenhang m it den übrigen hier geregelten D elikten stehen. D a s ist die verbotene Berufsausübung, der

D er Weisungsbruch, die verbotene M itte ilu n g über Ge­ richtsverhandlungen und über Bewegungen der W ehr­ macht. Zunächst die S ystem atik: Gestern hat m an sich wohl schon darüber geeinigt, daß auch noch die §§ 169 bis 171 des R eferentenentw urfs, also die Bestimmungen, die den §§ 110 und 111 des heute geltenden S t r a f ­ gesetzbuchs entsprechen, in den 8. Abschnitt hineinaehören. A u f der anderen S eite sind jetzt im 8. Abschmtt D elikte untergebracht, die nicht hierhergehören. S o scheint m ir erwägensw ert, ob die Bestimmungen über Gefanaenenbefreiung und Gefangenenmeuterei nicht besser tn dem Abschnitt über D elikte gegen Rechtspflege und V e rw a ltu n g unterzubringen sind. Dasselbe g ilt — und zw ar in noch stärkerem Maße — fü r den B ru ch der amtlichen V erfügungsgew alt. Ic h schlage also v o r, daß w ir in dem verkleinerten 8. Abschnitt n u r die Bestimmungen der §§ 169 bis 171 — A u f­ forderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und W id e r­ stand gegen die S ta a ts g e w a lt im engeren S in n e , in s ­ besondere A n g riffe auf Ä m ts trä g e r — zusammenfassen, alles andere aber, w as jetzt noch im 8. Abschnitt ent­ halten ist, in den Abschnitt »Delikte gegen V e rw a ltu n g und Rechtsprechung« verweisen. D em R efe rat möchte ich aber den bisherigen A u fb a u zugrunde legen. Zunächst möchte ich den G r u n d g e d a n k e n zu entwickeln suchen, der die E inzelerörterung im folgenden beherrschen w ird . A lle D elikte, die hier zu behandeln sind, richten sich nämlich irgendw ie gegen die A u to r itä t des S ta a te s , und bei nahezu allen Tatbeständen, die uns hier beschäftigen, taucht die gleiche F rage auf, nämlich das P ro b le m : M a cht m an sich auch dann straf­ ba r, wenn der S ta a ts a k t fehlerhaft w a r? I s t auch der W iderstand gegen den Beam ten strafbar, der w ill­ kürlich handelt oder sich im I r r t u m befindet? Is t der Derstrickungsbruch auch dann zu bestrafen, wenn die P fä n d u n g fehlerhaft zustande gekommen ist? usw. Is t also der fehlerhafte S ta a ts a k t zu respektieren? I s t vor allem der fo rm a l gültige, aber m a teriell unrechtmäßige S ta a ts a k t zu beachten? D a s ist die gemeinsame G ru n d ­ frage, die nun aber bei den einzelnen Tatbeständen, und zw ar zunächst beim W iderstand gegen die S ta a ts ­ gew alt e rö rte rt werden soll. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a r f ich folgendes fragen: S ie wollen die §§ 169, 170 und 171 hier haben (w ird bejaht) und dann die D elikte gegen die Rechtsordnung aus­ geschieden wissen? B e i der M euterei ist es nicht ganz k la r: soll das ein D e lik t gegen die Rechtspflege sein? B erichterstatter Professor D r . Dahm (K ie l): Ich w ürde es nicht fü r ric h tig halten, wenn das eine im Abschnitt über »Delikte gegen die Rechtspflege« und das andere im Abschnitt » A n g riffe gegen die V erw altu ng« behandelt würde. Dieser Tatbestand würde un ter beide Gesichtspunkte fallen. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Aber S ie wollen ih n hier nicht haben, ebensowenig das A u s ­ brechen und die B efre iung von Gefangenen und das Entweichenlassen.) Es könnte die Frage auftauchen, ob nicht bei Z u ­ grundelegung dieser E in te ilu n g auch noch der A u fru h r hierher gehört. D a s w äre aber nicht zweckmäßig. Denn

der A u fru h r ist ein M affendelikt. D a s Wesentliche ist dabei, wie w ir gestern gesehen haben, die A uflehnung QBflßtt bcn öffentlichen qbqbh öbh 93olf$fricöcn. W ir sollten diese Massendelikte als D elikte gegen den Volksfrieden im 9. Abschnitt lassen und den 8. Abschnitt auf die S tra fta te n beschränken, die ich eben genannt habe. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Vielleicht könnten w ir hier das R eferat unterbrechen und die Aussprache über die Stoffausscheidung eröffnen. S taatssekretär D r . F re iste r: Ic h bin auch der M e in ung , daß die Zusammenfassung, w ie sie hier v o r­ genommen worden ist, eben doch keine organisch bedingte rst. A lle rd in g s erstreckt sich diese M e in u n g nicht a u f die Gefangenenmeuterei. Ich bin der Ansicht, daß die Ge­ fangenenmeuterei viel weniger unter dem Gesichtspunkt der Rechtspflege als unter dem Gesichtspunkt der A u f­ lehnung behandelt werden muß, daß das die n a tü r­ liche und das andere die erst durch Überlegung getoonnetic Betrachtungsweise ist. M a n kann n a tü rlich auch die Gefangenenmeuterei unter dem Gesichtspunkt eines A n g riffs au f die Rechtspflege ansehen,' aber das, w as bei der M euterei zutage t r i t t und zum Bewußtsein kommt, ist die gewaltsame A uflehnung. D eshalb gehört meines Erachtens die M euterei, wenn man das B ild der M euterei, das der einfache, gewöhnliche M a n n im H irn trä g t, entscheidend sein lassen w ill — und das muß man tun — , hierher. Eine ganz andere Frage ist es, ob und in welchem Umfange die M euterei überhaupt einer besonderen Regelung bedarf. D a s ist aber nichts, was bei dem Grundsätzlichen zu behandeln ist, sondern ist etwas, was nachher bei der Gefangcnenmeuterei im ein­ zelnen behandelt werden muß. Jedenfalls bin ich der M e in ung , daß die S tra fb a rk e it der Gefangenenmeuterei in irgendeiner Weise bei der B ehandlung dieses A b ­ schnittes über die Auflehnung geregelt werden muß. Dagegen bin ich der Auffassung, daß nicht hierher gcbören die Bestinnnungcn über den Verw ahrungsbruch, Verstrickungsbruch, Siegelbruch, Verletzung amtlicher Bekanntmachungen, und zw ar glaube ich,^ daß ein innerer Zusammenhang da eigentlich kaum festzustellen ist. Ic h bin m ir noch nicht darüber kla r, w ohin w ir diese Bestimmungen, die man übrigens fast alle, ja v ie l­ leicht überhaupt alle, in eine B estim m ung zusammen­ fassen kann, bringen werden. Ic h glaube aber, daß w ir uns darüber erst endgültig schlüssig werden müssen, wenn w ir über den A ufbau des Besonderen Teiles im ganzen gesprochen haben. M i r scheint, daß diese T a t­ bestände deshalb nicht hierher gehören, w e il hier das Bewußtsein, sich einm al aufzulehnen, ein abgeleitetes ist, das nicht sofort vom B eginn an und p r im ä r lebendig w ird . Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a n n Muten B erufsausübung und Verweisung. D a s würde ich dazunehmen. Staatssekretär D r . F re iste r: D ie B erufsausübung gehört überhaupt nicht hierher. Ic h bin ja nun der M e in u n g : m an kann das erst voll überschauen, wenn man sich darüber klar ist, ob m an bei dem A ufba u eine gewisse P a ra lle litä t » S ta a t und Volk« aufrechterhalten w ill. Es entspricht meiner Einstellung, dann möglichst viel nicht in den Schutz der F o rm , sondern letztm Endes in den Schutz des Wesens, nämlich des Volkes, hinein-

zubringen. Kommen w ir zu einer solchen A r t des A u f­ baues, dann w ürde ich bezüglich dessen, was ich zuletzt angegeben habe, aber erst recht bezüglich des V erbots der B erufsausübung keinen Z w e ife l darüber haben, daß das nicht hierhergehört. Dasselbe g ilt fü r den Verweisungsbruch, der meiner Auffassung nach auch nichts d a m it zu tun hat, zum al es sich dabei um jemand handelt, der ga r nicht G lied dieses S taates ist. Es widerstrebt m ir deshalb, dieses Vergehen hier zu be­ handeln. Ic h bin der Auffassung, daß das ein V e r­ gehen gegen den Volksfrieden ist. Dagegen handelt es sich bei $ 168 um eine technische Einzelheit, bei der man sich übrigens fragen kann, ob sie überhaupt in das Strafgesetzbuch hineinkommen soll, ober ob sie nicht, soweit es sich wenigstens um das V e rb o t von M itte ilu n ­ gen über Gerichtsverhandlungen handelt, bei denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, soweit es also um die Presse handelt, in ein Sondergesetz, ein Gesetz, das eben die Sonderpflichten, die Sonderausgaben und die S o n ­ derrechte« eines besonderen B erufes im ganzen behandelt, hineingehört. H ierher gehört es jedenfalls nicht/ § 168a vermag ich ebenfalls schlechterdings nicht hierherzuzählcn. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a s gehört in die Bestimmungen über die W ehrm acht!) — J a w o h l! Professor D r . Mezger (M ünchen): D ie V o rfra g e , ob die D e l i k t e gegen Rechtspflege und V e r w a l t u n g zusammengenommen werden sollen, läß t sich w ohl erst erschöpfend bei der Besprechung des t 2. Abschnitts erörtern. Ic h möchte meinerseits der Auffassung sein, daß die Rechtspflegedelikte selbständig hervorgehoben werden sollten, wie es auch im E n tw u rf vorgesehen ist. A u f dieser G rundlage bin ich der M e i­ nung, daß die Meutereidelikte typische D elikte gegen die Exekutive sind und in engsten Zusammenhang m it dem W iderstand gegen die S ta a ts g e w a lt gehören. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): Auch ich möchte mich dem im; Interesse einer sauberen System atik durch­ aus anschließen. Ic h glaube, daß die M euterei zum W iderstand gegen die S ta a ts g e w a lt gehört/ denn w ir haben ja nicht n u r S trafgefangene, sondern auch Verwaltungsgefangene, Iürsorgezöglinge usw. Es zeigt sich hier doch w ohl, daß zwischen Landfriedensbruch und A u fru h r im S in n e des heutigen Strafgesetz­ buches unterschieden werden sollte. D e r A u fru h r ist Massendelikt m it dem Z ie l des Widerstandes gegen die S ta a ts g e w a lt. D e r Landfriedensbruch ist Massen­ delikt m it dem Z ie l der S tö ru n g des Volksfriedens. Ic h glaube, daß die T renn ung dieser beiden Tatbestände und ihre A u fte ilu n g in zwei verschiedene Abschnitte glücklich wäre. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: D a s ist eine A n ­ regung, die gestern schon gegeben w urde, nämlich A u f­ ru h r und Landfriedensbruch, die jetzt zusammengefaßt sind, wieder zu trennen, und zw ar m it Rücksicht darauf, daß die Angriffsobjekte verschieden sind. W ir hatten gestern als Gegenerwägung die gehört: A u fru h r und Landesfriedensbruch gehen als äußere Erscheinungen so ineinander über, daß man sie aus diesem Grunde auch zusammen behandeln muß. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Rest­ los befriedigend w ird man ja alle diese D elikte nicht in 34.

diesen Abschnitt bringen können/ aber ich b in doch d a fü r, daß man sie in diesem Abschnitt behandelt. Zunächst muß zweifellos die M euterei dem W iderstand folgen. D a n n un ter dem Gesichtspunkt, daß hier gegen den obrigkeitlichen W ille n angegangen w ird , also doch auch eine A uflehnung vo rlie g t, gehört sicher auch hierher die verbotene B erufsausübuna des § 166a des Referenten­ e n tw u rfs/ heißt es hier doch ausdrücklich: wer einen B e ru f ausübt, obwohl ihm seine A usübung berichtlich untersagt ist, macht sich strafbar. Genau so ist es m it dem Verweisungsbruch des § 167. W e r nach der V e r­ weisung ohne E rla u b n is zurückkehrt, also auch einem staatlichen Befehl zuwiderhandelt, macht sich strafbar. U nter denselben Gesichtspunkt gehören schließlich hierher Verstrickungsbruch und Siegelbruch. D ie B e ­ hörde hat ein S iegel angelegt oder eine Sache am tlich gepfändet und d a m it ein noli me tangere fü r jeder­ m ann aufgerichtet. W e r dem zuwiderhandelt, macht sich einer A uflehnung gegen den W ille n der S ta a tsg e w a lt schuldig. Es bleibt also n u r noch ü b rig der Derwahrungsbruch (§ 160 des R eferentenentwurfs). H ie r lie g t allerdings eine Auflehnung nicht unbedingt vo r. Vielleicht könnte man den D erw ahrungsbruch in einen neu zu bildenden Abschnitt »Vergehen gegen die V e rw a ltu n g « un ter­ bringen. Aber wenn w ir keinen besonderen Abschnitt zusammenstellen können — und ich glaube, das können w ir nicht — , der sich n u r gegen die V e rw a ltu n g als solche richtet, dann müssen w ir den V erw ahrungsbruch hier im 8. Abschnitt als Anhängsel in K a u f nehmen. M i t den A n g riffe n au f die Rechtspflege kann man die Delikte gegen die V e rw a ltu n g nicht gut zusammentun, denn die D elikte, die sich in dem Abschnitt »A ng riffe auf die Rechtspflege« finden, sind durchaus typische. Professor D r . D a h m (K ie l): Ic h glaube, man ver­ flüchtigt den Gedanken des Widerstandes, wenn man ihn m it dem weiteren Gesichtspunkt des Ungehorsams vermengt. A u f diese Weise ließe sich fast jedes D e lik t als W iderstand gegen die S ta a tsg e w a lt auffassen. Uber Gefangenenbefreiunq und Gefangenenmeuterei kann man verschiedener Ä e in u n g sein. Ita lie n regelt diese D elikte in dem Abschnitt über » A ng riffe gegen die Rechtspflege«. A ber das, was H e rr Staatssekretär D r . F reister sagte, ist überzeugend: das wesentliche ist doch w ohl die Auflehnung gegen die G ew a lt des S taates, und das spricht da für, oaß man diese Delikte im Anschluß an den W iderstand regelt. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Eine endgültige Entscheidung brauchen w ir ja jetzt nicht zu treffen. I m allgemeinen scheint m ir der größte W iderstand gegen diese D elikte zu bestehen, die tatsächlich Form aldelikte sind, wenn sie auch ihrem I n h a lt nach, sagen w ir, eine A uflehnung gegen den staatlichen W ille n bedeuten. D a ß die M euterei ih re r N a tu r nach nicht bloß hie rh in paßt, sondern h ie rhin gehört, möchte ich eigentlich auch meinen. Ic h weiß n u r nicht, ob die H erren darunter auch das gemeinsame Ausbrechen von Gefangenen ver­ stehen. B e i § 155 w ird man w obl auf dem gleichen Wege marschieren müssen/ da hanoelt es sich um Ge­ fangene, die gemeinsam, m it vereinten K rä fte n aus­ brechen. B erichterstatter Professor D r . D a h m (K ie l): D e r Widerstand gegen die S t a a t s g e w a l t ist zur Z e it in den §§ 113 bis 119 des Strafgesetzbuchs 7

geregelt. Es besteht nun wohl kaum eine Meinungs­ verschiedenheit darüber, daß die §§ 113 bis 119 des Strafgesetzbuchs verunglückt sind, daß insbesondere das Verhältnis von § 113 zu § 114 unklar ist. Nach herr­ schender Auffassung ist § 113 die lex specialis im Ver­ hältnis zu z 114. Einmal bezieht sich § 113 nur auf Dollstreckungsbeamte — ein Begriff, der besondere Schwierigkeiten macht. Zweitens ist die Nötigungsh a n d l u n g in § 113 spezialisiert. D rittens müssen besondere M ittel angetoanbt sein. § 113 verlangt im Gegensatz gu § 114 eine Drohung mit Gewalt. Endlich wird in § 113 vorausgesetzt, daß der Beamte sich in rechtmäßiger Ausübung des Amtes befand. Besondere Schwierigkeiten entstehen daraus, daß die S tra f­ drohung des § 114 härter ist als die des § 113. Es ergeben sich daraus Unstimmigkeiten, die beseitigt werden müssen, und durch die §§ 149 und 149a des Referentenentwurss auch beseitigt worden. I n den §§ 149 und 149a sind die drei Fälle der Nötigung zu einer Amtshandlung, der Verhinderung einer Amts­ handlung und des tätlichen Angriffs auf einen Amts­ träger klar und deutlich umschriwen. Ob es richtig ist, diese Tatbestände in zwei Paragraphen unterzubringen, wird man erst dann entscheiden können, wenn man Klarheit über die Frage der Rechtmäßigkeit der Amts­ ausübung gewonnen hat. Den Grund für die Tren­ nung der beiden Paragraphen sehe ich darin, daß § 149a Abs. 4 im Gegensatz zu § 149 die Rechtmäßig­ keit der Amts- oder Diensthandlung voraussetzt. Wenn man dieses Erfordernis preisgibt, kann man § 149 mit § 149a vereinigen. Der Widerstand richtet sich gegen den A m t 8 t r ä g e r . Unter -Amtsträger« ist auch hier der öffentliche Funktionär, nicht nur der Beamte im staats­ rechtlichen Sinne zu verstehen. Fraglich kann sein, ob auch a u s l ä n d i s c h e A m t s t r ä g e r darunter fallen, eine Frage, an der der Gesetzgeber nicht vorbei­ gehen darf. Wie ist der Widerstand zu beurteilen, der im Ausland gegen einen ausländischen Beamten ge­ leistet wird? Wie der Fall, daß ein Deutscher einem ausländischen Amtsträger in Deutschland Widerstand leistet? D as ist durchaus vorstellbar. M an könnte z. B. an ausländische Zollbeamte denken. Bedenklich ist hier der Standpunkt des Reichsgerichts, das auslän­ dische Amtsträger grundsätzlich den deutschen Amts­ trägern gleichstellt. Der Wesenskern des Deliktes ist aber doch die Auflehnung gegen die deutsche S taats­ gewalt. Die A utorität des fremden Staates zu schützen, ist nicht Aufgabe des deutschen Rechts. Nur zwei Fälle könnte ich m ir denken, in denen auch der Widerstand gegen ausländische Beamte bestraft werden muß. D as ist einmal der Fall, daß ein ausländischer Beamter im Auslande deutsche Interessen wahrnimmt, und zweitens der Fall, daß ein ausländischer Beamter in Deutschland m it Zustimmung der deutschen Regie­ rung tätig wird. Diese beiden Fälle sind meiner Mei­ nung nach ausdrücklich zu bezeichnen. D araus würde sich im Gegensatz zur Rechtsprechung des Reichsgerichts für die übrigen Fälle die Nichtanwendung des § 149 er­ geben. Die entscheidende Frage ist nun die, ob zu fordern ist, daß der Beamte sich in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes befand? D aran schließt sich die weitere Frage: W as ist rechtmäßige Amtsausübung? Hier bedarf es zunächst eines kurzen Hinweises auf die histo­

rische Entwicklung. Der Polizeistaat läßt es nicht auf die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung ankommen. D as Allgemeine Landrecht stellt den Widerstand gegen Obrigkeit und Amtsführung schlechthin unter Strafe. Anders ist die Auffassung der französischen Revolution und der Aufklärungszeit. Für die Aufklärung bildet die Freiheitssphäre des einzelnen Bürgers eine Schranke der Staatsgewalt. Sie gewährt daher dem Bürger ein Widerstandsrecht gegen die Staatsgewalt, sobald diese Schranke überschritten wird. Die historische Wurzel des heutigen tz 113 des Strafgesetzbuchs ist also das Widerstandsrecht des Bürgers gegen Übergriffe der Staatsgewalt. Die klassische Formulierung dieses Widerstandsrechts enthält die französische Verfassung von 1793. Hiernach ist jeder nicht durch das Gesetz vorgesehene Staatsakt, der sich gegen den Bürger richtet, Willkür und Gewalttat. Derjenige, gegen den sich ein solcher Gewaltakt richtete, hatte das Recht zum Widerstand. Dieser Grundsatz setzt sich auch in der deutschen Partikulargesetzgebung durch. Und so fordert denn auch § 113 des Strafgesetzbuchs, daß der Beamte sich in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes befindet. W as bedeutet nun rechtmäßige Ausübung des Amtes? Hier sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: Einmal die Möglichkeit, daß der Beamte das G e s e tz verkennt, zweitens der gehler in der Ausübung des Ermessens. Gerade dieser Fall hat der Rechtsprechung und Wissen­ schaft erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Die herr­ schende Auffassung geht dahin: D er Beamte handelt in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes unter drei Vor­ aussetzungen. Er muß erstens zur Ausübung der Amts­ handlung zuständig sein, zweitens die für die Vornahme der Amtshandlung wesentlichen Formen beachten, und drittens nach pflichtmäßigem Ermessen tätig werden. Der Beamte handelt somit nicht in rechtmäßiger Aus­ übung seines Amtes, wenn er vorsätzlich oder auch nur fahrlässig die Grenzen des Ermessens überschreitet. Ist das der Fall, so liegt kein strafbarer Widerstand vor. In der Beurteilung des s u b j e k t i v e n T a t ­ b e s t a n d e s gehen Lehre und Praxis auseinander. Nach herrschender Lehre ist die rechtmäßige Ausübung des Amtes Tatbestandsmerkmal. Daher muß sich der Vorsatz auf die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung er­ strecken. D as Reichsgericht dagegen erklärt die Recht­ mäßigkeit der Amtsausübung für eine objektive Be­ dingung der Strafbarkeit. Die liberale Theorie, etwa Frank, wirft dem Reichsgericht vor, daß es für seine Auffassung -nur« aus der Entstehungsgeschichte ent­ nommene und rechtspolitische Gründe anführen könne. Trotzdem hält das Reichsgericht mit Recht daran fest, daß der Vorsatz des Täters sich auf die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung erstrecken müsse und verweist zur Begründung auf die Bedürfnisse der P raxis. Die a u s l ä n d i s c h e G e s e t z g e b u n g steht auch auf diesem Gebiet im wesentlichen unter dem Einfluß der Aufklärung und der französischen Revolution. Allge­ mein wird die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung vor­ ausgesetzt. Nur das türkische, das norwegische und das italienische Strafgesetz stellen die Behinderung der Amtshandlung schlechthin unter Strafe. Doch wird die Strafe manchmal gemildert, wenn der Widerstand durch Ungebühr oder Verschulden des Beamten hervor­ gerufen war. Ähnlich lautet der Entwurf von 1919, der den Widerstand gegen eine Amtshandlung ganz allgemein unter Strafe stellt. Die T at bleibt aber straf-

los, wenn der T ä te r sich im I r r tu m befand. D er R e f e r e n t e n e n t w u r f fordert für beide Fälle des § 1 49a, daß die A m tshandlung rechtmäßig w ar, und zwar ist die Rechtmäßigkeit hier als eine objektive Bedingung der S trafb a rk e it verstanden. D e r Vorsah braucht sich also nicht auf die Rechtmäßigkeit der A m ts­ ausübung zu erstrecken. M an kann diese F ragen meiner M einung nach nur von einem grundsätzlichen und politischen Standpunkt aus lösen. E s kommt auf das Wesen des neuen S ta ate s an. D er nationalsozialistische, a u to ritä re S ta a t ist kein Polizeistaat. Gleichwohl erfordert der Gedanke des autoritären Führerstaates, daß S ta atsa k te grund­ sätzlich zu respektieren sind, und zw ar in möglichst weitem Um fange. A us Gesprächen m it jüngeren S taatsrechtlern über diese Problem e glaube ich ent­ nommen zu haben, daß im neuen S taatsrech t überhaupt eine gewisse Neigung besteht, die Grenzen des zu respek­ tierenden S ta a tsa k ts auszudehnen. Aber schon bisher w ar m an in Theorie und P r a x is des S ta a ts - und V er­ w altungsrechts darüber einig, daß auch der fehlerhafte S ta a tsa k t grundsätzlich zwar vernichtbar, aber nicht einfach nichtig sei. Zwischen dieser Lehre und der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu § 113 des S tr a f ­ gesetzbuchs besteht heute ein schwer erträglicher W ider­ spruch. I m D erw altungsrecht h ält m an den fehlerhaften S ta a tsa k t gleichwohl fü r g ültig/ es sei denn, daß grobe Fehler vorliegen, die die Nichtigkeit zur Folge haben. D abei handelt es sich im wesentlichen um o b j e k t i v e M ängel, während die Rechtsprechung gu § 113 schon bei Fahrlässigkeit des Beam ten die Rechtmäßigkeit der A m tsausübung verneint. D a s h at zur Folge, daß unter Umständen der W iderstand gegen eine A m tshandlung nicht unter § 113 fällt, obwohl der S ta a tsa k t nach der durchaus herrschenden und anerkannten V erw altungs­ rechtslehre zw ar vernichtbar, aber keineswegs nichtig ist. M an w ird in Zukunft auch im S trafrech t davon au s­ gehen müssen, daß der einzelne Volksgenosse den S ta a ts ­ akt, soweit er überhaupt noch S ta a tsa k t bleibt, un­ bedingt zu achten hat. E s geht nicht an, daß sogar ein tätlicher A ngriff gegen einen B eam ten jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt straflos bleibt, weil der Beam te die Lage fahrlässig verkannt hat. Ich w ürde also den § 1 4 9 a Abs. 4 streichen. N un ist aber eine Einschränkung notwendig. Es kann natürlich keine Rede davon sein, daß m an jeden W illkürakt eines Beam ten hinnehmen m uß, und das muß auch im Gesetz zum Ausdruck kommen. D a s ge­ schieht aber schon durch die W orte »Amts- oder Diensthandlungen«. S o bald die H andlung des Beam ten den Charakter einer A m tshandlung verliert, ist selbstver­ ständlich die allgemeine Notwehrbestim m ung anwend­ b ar. W enn ein Gerichtsvollzieher jemand verhaftet, so ist das natürlich keine A m tshandlung, sondern W illkür und verwaltungsrechtlich ein nullum. Läßt m an aber den § 149 Abs 4 stehen, verlangt m an also, daß die A m tshandlung rechtmäßig sei, dann taucht die zweite F rage auf, ob der Vorsatz sich auf die Rechtmäßigkeit der A m tshandlung erstrecken soll. Diese Frage ist m it aller Schärfe zu verneinen. Diese Forderung ist nichts anderes als krasser L iberalism us. I h r e Verwirklichung w ürde die T ä tig ­ keit der Behörden einfach lahmlegen und den einzelnen über ten S ta a t stellen.

D ie §$ 149 Abs. 2 und 1 4 9 a Abs. 3 halte ich für slbcrfiüssig, da das Unternehmen ohnehin strafbar ist. D ie S trafd roh un gen bedürfen einer gewissen Ü ber­ arbeitung. S o dürfte fü r besonders schwere Fälle eine vorsichtig begrenzte Zuchthausstrafe kaum zu entbehren sein. Auf der andern S eite sollte neben der G efängnis­ strafe auch H aft und Geldstrafe vorgesehen werden. Es gibt ja ganz harmlose W iderstandsfälle. D en Betrunkenen, der sich m it einem Polizisten herum ­ schlägt, jedesmal m it G efängnis zu bestrafen, würde m ir nicht richtig scheinen. D ie K rim inalstatistik legt allerdings die F rage nahe, ob es nicht notwendig ist, ein S trafm in im u m festzusetzen. D enn die Kritik an der Strafzum effungspraxis der deutschen Gerichte hat gerade an der H andhabung der §§ 113 und 114 des Strafgesetzbuchs Anstoß genommen. E s hat sich gezeigt, daß die P ra x is von den an sich schon bescheidenen S trafd roh un gen der §§ 113 und 114 so gut wie g ar keinen Gebrauch macht und gerade auf diesem Gebiet viel zu milde bestraft. Auf der andern S e ite gibt es wirklich harmlose, und zw ar typisch harmlose Fälle. M an muß also darau f vertrauen, daß der Richter hier von sich aus das Richtige findet. F ü r glücklich halte ich es, daß die strengere S t r a f ­ drohung des § 152 auf die Fälle des § 149 und 1 4 9 a ausgedehnt worden ist. § 119 des Strafgesetzbuchs bezog sich bisher n u r auf den F all des W ald- und Forstwiderstandes. Es besteht gar kein G rund, diese Qualifizierung nicht auch auf andere W iderstands­ leistungen zu erstrecken. S o d an n bitte ich zu erwägen, ob § 151, die B e ­ stimmung über den W iderstand gegen W ald-, Jag d oder Fischereiberechtigte, nicht aus diesem Abschnitt herausgenommen werben soll. Es handelt sich zw ar um einen Tatbestand ähnlich dem der §§ 149 und 1 19 a. Auf der andern S eite haben w ir es aber dabei m it einem qualifizierten Fall der N ötigung zu tun, und da w ir die N ötigung ohnehin an anderer S telle des Strafgesetzbuchs regeln, würde ich den § 151 hier fortnehm en. Geschützt w ird von § 151 ja nicht der S taatsb eam te, sondern der W aldeigentüm er. E s schiene m ir auch nicht richtig, wenn die S t r a f ­ drohungen des § 151 dieselbe wäre wie die des § 149. D e r W iderstand gegen A m tsträger w iegt meiner Ansicht nach schwerer als der W iderstand gegen W aldeigentüm er usw. Z u § 153 (Aufwiegelung von Polizeibeam ten und Gefangenenaufsehern) ist zu überlegen, ob, wenn über­ haupt eine derartige Bestim m ung in das Gesetz auf­ genommen w erden' soll, § 153 nicht verallgemeinert werden kann, ob m an also nicht allgemein die V er­ führung von Beam ten zur Untreue, zur Aufwiegelung, zur Nichteinhaltung von Vorschriften, zur Nicht­ erfüllung ihrer Pflichten unter S tra fe stellen soll. (Reichsjustizminister D r. G ü rtn er: Z u r V er­ letzung einer Dienstpflicht?) — W aru m nicht »zur Verletzung ihrer Pflichten' überhaupt? Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich würde bitten, hier eine Z äsur zu machen. Berichterstatter S taatssek retär D r. Freisler: E s ist ganz klar, baß im B rennpunkt der B ehandlung der B e ­ stimmungen, die jetzt im R eferentenentw urf in den 7*

£§ 149 bis 152 zusammengefaßt sind, die Frage steht, ob die A m ts - oder Diensthandlung, deren Hinderung durch gefährliche D ro h u n g bestraft w ird , eine recht­ mäßige gewesen sein muß. Es ist auch klar, daß, wenn man zu dem E rgebnis gelangt, das sei nicht notwendig, jeder G ru n d fü r das Nebeneinander der §§ 149 und 14 9a — da ja im übrigen die Angleichung gegenüber den 113 und 114 der bisherigen Bestimmungen er­ fo lg t ist — in W e g fa ll kommt. D a s wäre auch sehr er­ wünscht, zumal man die nächsten Bestimm ungen, die §§ 150, 151 und 152, auch äußerlich in dieselbe Be­ stim m ung einarbeiten könnte. Aber diese re in technisch erfreuliche Folgerung kann natürlich fü r die grundsätzliche Entscheidung nicht be­ stimmend sein. Ausgehen muß man meines Erachtens von § 149. D a entsteht, wie H e rr Professor D ahm hervorgehoben hat, bei der Frage nach dem K re is der geschützten Personen eine doppelte U nterfrage, zunächst die Frage des W iderstandes gegen Personen, die eine Amtsträgereigenschaft nicht im S ta a t, sondern in der S A , S S oder P O innehaben. Ic h bin der M einung, daß diese Frage auf denselben Zusammenhang zurück­ fü h rt, den w ir schon einm al bei den Am tsdelikten be­ arbeitet haben, und daß es deshalb nicht erforderlich ist und auch nicht fruchtbar erscheint, diese Frage jetzt noch einm al durchzudiskutieren. D a s Ergebnis jener Diskussion w a r, wenn ich mich recht erinnere, daß bei der Aussprache über den A ufbau des Besonderen Teils gesprochen und auch entschieden werden soll, ob und in ­ w iew eit auch im Besonderen T e il eine P a ra lle litä t zwi­ schen dem Schutz des S taates und dem Schutz der Be­ wegung durchgeführt werden soll. A us den Gründen, die ich auch dam als anführte, halte ich es nicht fü r w ün­ schenswert, die gleiche Behandlung auch äußerlich in denselben Bestimmungen durchzuführen/ denn ich bin der M e in u n g , daß die Funktionen des S taates und der P a rte i ganz verschieden sind und daß deshalb die Be­ wegung ihres besonderen Schutzes bedarf. Ic h gehe des­ halb, da es m ir von meinem S tand pun kt aus jedenfalls wünschenswert erscheint, eine gewisse, wenn auch nicht bis in alle letzten Konsequenzen durchgeführte P a r ­ a lle litä t des Schutzes aufzubauen, zunächst davon aus, den Schutz der S A - und P O -A m ts w a lte r hier nicht ein­ zubegreifen. Ic h erinnere nebenbei daran, daß uns eine besondere Behandlung dieses P ro b le m s auch im Wege der M öglichkeit analoger Rechtsanwendung in den neuen Strafgesetzen gegeben sein w ird . D ie zweite Frage bezüglich des Kreises der geschützten Personen ist die, ob ausländische Beamte ebenfalls als A m ts trä g e r geschützt werden sollen. D a s fü h rt meines Erachtens zu ganz außerordentlichen Schwierigkeiten, zunächst einm al Schwierigkeiten fo rm a le r A r t / Denn w ir schützen hier die A m ts trä g e r, nicht n u r die Be­ amten. W i r gehen hier von einem B e g riff aus, der den deutschen Io rm a lb e g riff des Beam ten zusammen­ stellt m it einem m einer Ansicht nach noch nicht voll­ kommen ausgedrückten m ateriellen Gedanken, den w ir neben den form alen Beam tenbegriff deshalb stellen müssen, w e il der nunmehr eingeschränkte form ale Be­ am tenbegriff den Ansprüchen, die die Strafrechtspflege stellen m uß, infolge seiner Einengung nicht genügt. W ir haben zw a r den Beam ten und denjenigen, der zu ob rig­ keitlicher A m tsausübung bestellt ist, bezeichnet/ dabei haben w i r aber meiner Ansicht nach, wenn auch nicht einen Fehler, so doch eine Unebenheit m it unterlaufen

lassen, indem w ir das, was w ir definieren w ollten, wie­ der in die D e fin itio n aufgenommen haben. Denn wenn w ir den A m ts trä g e r definieren, dann können w ir das nicht m it dem B e g riff der Am tsausübung tun. D e r B e g riff des A m tsträ g e rs, wie w ir ihn aufgestellt Haben, genügt nicht, wie ick an Beispielen nachweisen möchte. D e r Wasserwerksdirektor, der Gaswerksdirektv r, der K raftw e rksdire ktor, der D ire k to r, der die V e r­ antw ortu ng fü r die S ickerung eines Talsperrgebictes hat — , sie alle sind nicht A m ts trä g e r im S inne unserer D e fin itio n . I n ihren H andlungen bedürfen sie aber ganz zweifellos im Interesse des Volkes eines besonderen Schutzes. M a n kann sich etwas la ien haft und vielleicht etwas romantisch überspitzt den F a ll vorstellen, daß Risse an einer S p errm au er gerade entdeckt werden und nunmehr derjenige, der fü r die Sicherheit v e ra n tw o rt­ lich ist, M aßnahm en treffen w ill, um ohne Gefahr fü r die untenliegenden D ö rfe r das Wasser in der Sperre abzulassen, daß er aber nun daran gehindert w ird , diese H andlung ordnungsm äßig durchzuführen. D avon hangt vielleicht das Leben der B ew ohner von 10 oder 12 unten gelegenen D ö rfe rn ab. Ic h halte es fü r aus­ geschlossen, daß dieser D ire k to r deshalb, w e il er nickt unter den B e g riff des A m tsträ g e rs fä llt, den w ir ge­ bildet haben, in seinen H andlungen n u r so w eit ge­ schützt w ird wie jede P riva tp e rso n . D a s zeigt eben, daß der B e g riff, den w ir gebildet haben, der meiner Ansicht nach'auch schon in anderen Fällen nickt paßte, hier erst recht zu eng ist. Ic h bin m ir darüber im klaren, daß w ir fü r den F a ll, daß w ir neben dem Schutz des S taates und seiner obrigkeitlichen Organe auch einen Schutz des Volkes in seinen Lebensintereffen im Strafgesetzbuch ausarbeiten, dann auch den Schuh dieser Personen, also der D irekto ren von Wasserwer­ ken, K raftw erken, Gaswerken, Talsperren usw., an jener anderen S telle werden bringen müssen. Es muß aber ein Sckutz sein, der über den gewöhnlichen Schuh aller Sterblichen hinausgeht. W enn ich nun nicht wei­ ter den B e g riff des A m tsträ g e rs in diesem Zusammen­ hange bemängele, so geschieht es wiederum in der V o r­ aussicht, daß w ir an anderer S telle daran denken w er­ den, den Schutz dieser Personen besonders durchzu­ führen. W enn w ir den A ufbau des Besonderen T e ils des Strafgesetzbuchs besprochen haben, dann w ird klar werden, ob w ir diesen besonderen Schutz hier hinein­ arbeiten werden müssen, ob w ir das durch eine noch­ malige Ü berprüfung des B e g riffs der »A m tsträger« tun oder in anderer Weise, oder ob w ir an einer ande­ ren Stelle diesen Schuh besonders aufbauen können. Auch wenn w ir gezwungen werden, unseren B e g riff der A m tsträ g e r noch einm al zu revidieren, so werden w ir doch angesichts der fü r uns bindenden Bestimmungen des Beamtengesetzes über den B e g riff des Beamten im m er genötigt sein, zu einem Notbehelf zu greifen. W ir werden keinen materiellen B e g riff bilden können, sondern eine fo rm e ll genaue U m reißung m it einem materiellen B ild e verbinden müssen. D a s fü h rt nun in dem Zusammenhange, von dem ick ausgegangen bin, nämlich bei der B estim m ung des U m fangs des Kreises der besonders geschützten Personen, zur P rü fu n g der Frage, w iew eit ausländische A m ts trä g e r ebenso ge­ schützt werden sollen wie deutsche A m tsträ g e r. D e r B e g riff des Beam ten kann n u r von unserem deutschen Recht maßgeblich geprüft werden/ w i r können unmög­ lich den B eam tenbegriff irgendeines fremden Staates

zugrunde legen. B e im B e g riff des A m ts trä g e rs scheint m ir das ähnlich zu sein. N u n glaube ich ja, daß der H all eines ausländischen. A m ts trä g e rs in der Regel w ohl n u r dann praktisch werden würde, wenn dieser gleichzeitig auch B eam ter ist- aber auch gerade dann kann die Unebenheit besonders unerwünscht sein. D enn wenn w ir schon einen solchen Schuh eines ausländischen beamteten A m ts trä g e rs einführen wollen, dann w ird man nicht verstehen, w a ru m dieser ausländische be­ amtete A m ts trä g e r n u r deshalb nicht beamtet sein soll, w eil er nicht unter unseren Beam tenbegriff fallen würde. M i r scheint es auch unmöglich zu sein, im ein­ zelnen zu prüfen: W ürd e er unter unseren Beam ten­ begriff fallen oder nicht? Deshalb sollten w ir den aus­ ländischen Beamten und A m ts trä g e r nicht unter den besonderen Schutz der Bestimmungen des § 149 bzw. 149a stellen. D iel durchschlagender als diese meine B e ­ denken sind in dieser Beziehung die A usführungen von H e rrn Professor D a h m gewesen, die ich n u r deshalb nicht gebracht habe, um sie nicht un nötig zu wieder­ holen: daß w ir nämlich bei diesem Tatbestände natürlich n u r an den Schutz unserer deutschen S ta a ts g e w a lt und ihres Funktionierens denken. W i r sollten deshalb den K re is der Personen, so wie er hier in diesem E n tw u rf niedergelegt ist, festhalten, im m e r jedoch m it dem V o rbebalte, daß der A m ts trä g e rb e g riff einer K o rre k tu r bedarf. N u n entsteht eine weitere Frage. D a s M itte l, das verw orfen w ird und dessen Anwendung die S t r a f ­ drohung rechtfertigt, sollte die gefährliche D ro h u n g sein. D e r B e g riff der --gefährlichen D roh ung « ist m iß ver­ ständlich, und um der M ißverständlichkeit w ille n ist er auch von H e rrn Professor D a h m abgelehnt worden. Aber nun kann man na türlich nicht so vorgehen, daß man das W o r t --gefährlich« wegstreicht- denn w ir haben den B e g riff der --D rohung« nicht definiert, n u r den B e g riff der gefährlichen D ro h u n g . Eine --gefährliche D ro h u n g « ist eine D ro h u n g m it G ew alt oder einem anderen empfindlichen Übel. Es ist also n u r das Ge­ fährliche der D ro h u n g definiert, während die D ro h u n g selbst bewußt Undefiniert geblieben ist. Ganz nebenbei gesagt: Auch diese D e fin itio n ist zu breit- denn wenn lch --gefährlich« in diesem S in n e definieren w ill, dann kann ich die W orte --m it einem Verbrechen oder V e r­ gehen« ru h ig weglassen. D a s wäre m. E. dann auch wünschenswert- denn dann kann ich von der D ro h u n g m it einem empfindlichen Übet — das übrigens die G ew a lt awd) ist — sprechen. N u n bin ich der M e i­ nung, daß diese D e fin itio n fü r die D ro h u n g , so wie die D ro h u n g hier aussehen sott, an sich gut ist, und ich glaube, daß d a m it allen den S tre itfra g e n , die darüber frü her bestanden haben, die Spitze abgebrochen ist. Es ist hier sehr schön gesagt, daß z. B . die D ro h u n g m it einer Beschwerde oder einer S trafanzeige dann nicht zu beanstanden ist, wenn diese Beschwerde, diese S t r a f anzeige, in einem gerechtfertigten inneren Zusammen­ hange steht- dagegen verstößt diese D ro h u n g gegen die guten S itte n , wenn ich z. B . einem A m ts trä g e r drohe, ihn anzuzeigen wegen einer seines Amtes nicht w ürdigen H andlung, die in ga r keinem Zusammenhange m it der in Rede stehenden A m tsha ndlun g steht. Ic h bin der M e in u n g : die D e fin itio n ist gu t- denn sie sagt das, was w ir erstreben. D ie Unebenheit, daß w ir die D ro h u n g nicht durch die D ro h u n g definieren können, muß eben beseitigt werden, und das, w as w ir als 34.

D e fin itio n des --Gefährlichen« ansehen, ist als B e g riffs ­ merkmal der D ro h u n g aufzufassen und entsprechend zu behandeln. Ic h halte das auch strafrechtlich fü r rich­ tig e r: denn dann haben w ir hier nicht die gefährliche D ro h u n g , sondern die D ro h u n g überhaupt stehen. Es scheint m ir richtiger zu sein, daß derjenige, der das liest, nicht erst d a ra u f hingewiesen w ird : Außer der gefährlichen D ro h u n g g ib t es noch eine leichte D roh ung , die du d ir gestatten kannst! D enn so w ürde der nicht juristisch geschulte Leser das W o rt --gefährliche D r o ­ hung« in § 149 auffassen. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: U rsprünglich gab es auch die D ro h u n g schlechthin- dann kam die ge­ fährliche D ro h u n g !) Ic h schließe mich insofern der M e in u n g von H errn P ro feffor D a h m ebenfalls an. Es ist ferner zu prüfen, ob w ir im übrigen dem B eispiel R uß lands und, soviel ich weiß, auch Ita lie n s folgen und eine B eam tennötigung n u r dann bestrafen wollen, wenn, die H andlung, zu der der A m tsträger ge­ n ö tig t werden soll, offensichtlich ungesetzlich oder pflicht­ w id rig ist. Es ist das der Gedanke, daß jeder A m ts ­ trä g e r, insonderheit jeder Beam te gehalten ist, sich als D ie n e r des Volkes zu betrachten und zu betätigen, daß es deshalb nicht erträglich sei, wenn jemand, fü r den gewissermaßen der Beam te oder sonstige A m ts ­ trä ger m it da ist, zuschauen soll, w ie ein A m tsträger und insbesondere ein B eam ter seine A m tspflicht nicht ausübt, so daß m it einem W o r t der dauernd frü h ­ stückende Beam te genötigt werden muß, nun endlich m al sein Frühstück zu beendigen und m it seiner Am tshand­ lung zu beginnen. Ic h bin aber der M einung, daß dieser Gedanke des russischen S trafrechts fü r uns nicht anwendbar ist- denn es soll nicht jeder einzelne V olks­ genosse die S te llu n g des Dienstvorgesetzten des Beamten einnehmen dürfen, sondern sich beschwerdeführend an den Dienststellenvorsteher wenden. Dieses B ild sollten w ir fü r uns nicht als V o rb ild w ä h lm , sondern es ablehnen. W as nun den § 149 a an la ngt, so sagte ich am E in ­ gang meiner A usführungen, daß n u r ein einziger G ru n d besteht, diesen § 149 a selbständig neben § 149 erscheinen zu lassen, während ja sonst das H inde rn ohne weiteres neben das N ötige n treten könnte und, richtig verstanden, d a rin einbegriffen ist und von einer richtiggehenden Rechtsprechung, wenn w ir vom --Hindern« nicht aus­ drücklich reden w ürden, auch in den § 149 einbegriffen werden würde. D e r einzige G ru n d ist die Frage, ob die A m ts- oder D iensthandlung des A m tsträgers recht­ m äßig gewesen sein muß. H ie r d a rf man nicht eine der beiden radikalen Lösungen wählen, w e il beide radikalen Lösungen lebensfremd sind. Lebensfremd ist es, dem A m ts trä g e r den besonderen Schutz bei der Ausübung seiner A m tshandlungen n u r zu geben, wenn seine A m ts ­ handlung in jeder Beziehung in O rdnung w a r. A ber lebensfremd ist es auch, zu verlangen, daß jeder sich alles gefallen und bieten lasten muß, lediglich w e il der, der ihm alles bietet, eben sein Hoheitszeichen trä g t. D a s ist beides unmöglich. In n e rh a lb dieser beiden möglichen Unmöglichkeiten muß also die S telle gefunden werden, die die richtige fü r die Regelung ist. D a muß m an davon ausgehen, daß zunächst einm al der Führerstaat in den H andlungen seiner Funktionäre geschützt werden 8

muß. W i r müssen davon ausgehen, auch um ein lebens­ N u n fra g t cs sich, wie man die Grenze richtig zum wahres B ild zu gewinnen, daß in a lle r Regel der Fälle Ausdruck b rin g t. M eines Erachtens dadurch, daß man die Handlungen, die die Funktionäre des S taates aus­ den Abs. 4 aus § 149 a wegläßt. D a n n hat m an näm ­ üben, rechtmäßig sind und daß die Fälle, in denen diese lich, w o ra u f H e rr Professor D a h m hinw ies, im m er F u nktion äre gegen ihre Am tspflichten verstoßen, seltene noch »eine A m ts- oder D iensthandlung«/ es heißt näm ­ Ausnahm en sino. W i r begehen einen Fehler, wenn w ir, lich oben »eine«, und das ist sehr wesentlich, und es von allem Grundsätzlichen abgesehen, die auch vorkom­ heißt w eiter »Am ts- oder D iensthandlung«. D a s ge­ mende Ausnahme gewissermaßen als Regel betrachten nügt meines Erachtens vollkommen, um darzutun, daß bei der Festlegung der P flichten, der D uldu ngsp flich t, dort, wo es sich ganz offenbar um etwas ganz anderes die doch letzten Endes in dem § 149 a fü r jedes einzelne handelt, der $ 149 a eben nicht in Frage kommt. Ic h bin sogar noch d a fü r, zur Verdeutlichung, aber n u r zur D olksglied ausgesprochen w ird . W enn w i r aber davon Verdeutlichung fü r die Allgem einheit, die W o rte »einer ausgehen, daß die Am tshandlungen berechtigt und sei es auch fehlerhaften A m ts- oder Diensthandlung« ordnungsm äßig sind, dann kann auch das einzelne V olks­ hinzuzuschreiben. D a s h a t aber keine grundsätzliche B e ­ glied sich zumuten lassen, hören zu müssen: » D u bist deutung, denn nach alledem, was ausgeführt w orden ist, nicht derjenige, der zu prüfen hat, ob die H and lung , die ist das schon einbegriffen. Es ist lediglich ein Gedanke, dich augenblicklich stört, ordnungsm äßig ist«. D a n n muß der m ir kom mt uno der den S in n haben soll, erzieherisch man von dieser P rä s u m p tio n ausgehen »sie ist ord­ auf das V o lk, an das dieser P a ra g ra p h sich wendet, nungsm äßig« und muß selbstverständlich von dem ein­ einzuwirken. K o m m t m an zu diesem E rgebnis, dann ist zelnen Volksglied verlangen, daß es sein Verlangen man allerdings dabei angelangt, daß m an auch äußer­ dieser P rä s u m p tio n entsprechend einrichtet. D a s muß lich den § 149 und den § 149 a ohne weiteres vereinigen der Grundsatz sein. N u r dann, wenn man schlechterdings kann. M a n w ird dann meines Erachtens fü r den F a ll a u f den ersten B lick nicht davon reden kann, daß diese des § 149 a überhaupt nicht zu einer anderen Auslegung P rä s u m p tio n hier auch z u trifft, n u r dann kann m an die gelangen können. Frage auswerfen, ob dann das einzelne V olksglied hin­ dernd eingreifen d a rf. D a m it ist meines Erachtens Ic h gehe nun w eiter in der Reihenfolge des E n tw u rfs gesagt, daß die Fehlerhaftigkeit der A u s fü h ru n g der vor. — Z u tz 150 ist nicht viel zu sagen, höchstens das A m tsha ndlun g bedeutungslos sein muß, daß es außer­ eine, daß § 150 juristisch u n n ö tig ist/ denn meines dem bedeutungslos sein muß, ob die örtliche ZuständiaErachtens fallen diejenigen, die zur Unterstützung bei keit f ü r die A m tshandlung gegeben ist, u n d daß es end­ einer A m ts- oder D iensthandlung zugezogen oder von lich bedeutungslos sein muß, ob die funktionelle Z u ­ der zuständigen Behörde zur A ufrechterhaltung der ständigkeit innerhalb des Behördenapparats, dem der öffentlichen Sicherheit und O rd nun g herangezogen w e r­ betreffende A m ts trä g e r angehört, gegeben ist. Es kann den, eben unter den A m tsträ g e rb e g riff, so w ie 'w ir ihn vielm ehr n u r d a ra u f ankommen, ob es sich um eine aufgestellt haben. H a nd lung handelt, die in ih re r ganzen A r t und nach (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: »W er, ohne ihre m allgemeinen C harakter eine mögliche A m tshand­ B eam ter zu sein, d a fü r bestellt ist, obrigkeitliche lung m it Bezug a u f diesen F a ll ist oder nicht, und dann Aufgaben wahrzunehm en«!) in gewisser Weise — jetzt möchte ich mich einm al so — J a , »dazu bestellt ist« / aber er ist doch bestellt. Ic h ausdrücken — : ob sie in den R effo rtkre is, innerhalb bin also der M e in ung , daß auch ohne den § 150 die dessen gerade dieser Beam te steht, auch hineinpaßt. Ich materielle Regelung die gleiche wäre. Trotzdem schadet möchte also den U m fa ng der Fälle, in denen das Reichs­ es g a r nichts, wenn ein entsprechender H inw eis v o r­ gericht ein H indern, einen W iderstand gestattete, ein­ handen ist, den ich aber dann in den § 149 einzuarbeiten engen, ich möchte aber den B ü rg e r nicht schutzlos jeder bitte/ denn er läß t sich ohne weiteres einarbeiten. Es offenbarsten W illk ü r überlassen. Es ist daher die Frage, sind ja auch dieselben fo lg e n da ran geknüpft. Es ist w ie m an das zum Ausdruck b rin g t. M i r scheint das im m er mißlich und eigentlich ein Zeichen, daß man es aber der richtige W eg zu sein. D enn der B ü rg e r ist technisch noch nicht ganz durchgearbeitet hat, wenn man doch m it einer solchen Masse von Schutzgarantien um­ im nächsten P a ra g ra p h e n die beiden vorherigen zitieren geben, daß er w irklich einm al ein Fehlgreifen des A m ts­ muß und sagt: fü r das, w as ich hier sage, g ilt dasselbe trä gers b is zu dem Augenblick, in dem die Entscheidung wie fü r das, was ich schon vorher gesagt höbe. au f seine Beschwerde h in g e fällt w ird , ertragen kann. Ic h komme nun zu § 151. M a n kann zunächst Es w äre lächerlich, ihm zu gestatten, w e il nachts ohne zweifelhaft sein, ob der § 151 hierher gehört. Liest E rm ächtigung oder am S o n n ta g gepfändet w ird , den man die Fassung des § 151, so muß m an in den Z w e i­ Beam ten m it G ew a lt zu hindern. Es wäre meines feln, ob der P a ra g ra p h hierher gehört, bestärkt werden. Erachtens auch eine Unmöglichkeit, den Beam ten hin­ Denkt man aber an den S in n des § 151, der ihm in s ­ dern zu dürfen, wenn dieser pfändet und dies bei besondere jetzt gegeben werden muß, dann gehört er F re is te r tu t, während der T ite l gegen Schulze lautet. hierher. N u r muß er so gefaßt werden, daß kein I r r ­ E r d a rf den Beam ten in einem solchen F a lle nicht hin­ tum entsteht. Schon die Überschrift halte ich fü r un­ auswerfen und hindern/ er kann sogar lächelnd m it dem möglich: »W iderstand gegen W a ld -, Jagd- oder B le is tift in der H and dabeistehen und die Schadens­ Fischereiberechtigte«/ das steht im W iderspruch zu dem ersatzansprüche, die er hätte, schon ausrechnen. E r kann S in n , zu der Ursache, um deretw illen w ir diesen beson­ sich dieserhalb an den S ta a t halten un d braucht gar deren Schutz geben, nämlich nicht w eil die Betreffenden nicht aufgeregt zu sein, sondern kann ru h ig abwarten, berechtigt jinfc, sondern w e il sie eine Aufgabe haben. wie die Sache sich entwickeln w ird . — Ic h bin also der I m preußischen Jagdgesetz steht das unter Jagdschutz, M e in u n g , daß w i r die M öglichkeit des hindernden E in­ und da heißt es, daß der Jagdschutz in einem Ja g d ­ greifens nicht zu sehr ausdehnen dürfen. bezirk neben dem Beam ten des P olizei- und Sicherheits-

dienstcs bnnjciiiflen obliegt, bei für den Jagdbezirk zur selbständigen A usübung der J a g d berechtigt ober beauf­ tra g t ist. S o w ird auch der Jagdschutz im künftigen Reichsjagdgesetz gefaßt werden müssen. D a m it ist oer Gedanke zum Ausdruck gebracht: hier h at jemand eine öffentliche Aufgabe. Geschützt w ird er um der Aufgabe willen, weil er insofern nichts anderes ist als ein Am tsträger nach § 149. Ich bitte deshalb, die Fassung dieser Bestim m ung in diesem S in n e um zuredigieren, daß aus der Überschrift und der Jnh altsfaffun g ersichtlich ist, daß hier jemand nicht um seines Rechtes'willen — m an denkt dabei im m er schon mehr an ein Ieudalrecht — ge­ schützt werden soll, sondern daß der Forst geschützt w ird — ich bitte, auch das W o rt W ald durch Forst zu ersetzen — und daß diejenigen in ihrer A usübung ge­ schützt werden, die den Schutz des W ildes, W aldes und Forstes zur Aufgabe haben. Ich bitte dann noch, diese Bestim m ung auch in § 149 einzuarbeiten/ sie ist parallel der B estim m ung in § 150. Ich glaube zw ar, daß beide an sich unnötig sind, wenn w ir § 151 richtig verstehen. Ich bin aber der M einung, daß beide gebracht werden können, und weiß auch, daß ein sehr lebhaft geäußerter Ressortwunsch besteht, das hier hervorzuheben. D ie Tatbestände werden aber tatsächlich n u r zur V erdeut­ lichung des G rundtatbestandes des § 149 hier erw ähnt und müssen deshalb in demselben P a ra g ra p h e n untergebracht werden. D en § 152 halte ich für überflüssig, und zwar m it einer bestimmten M aßgabe. Ich kann dem § 152 n u r insofern B edeutung beimeffen, als in besonders schweren Fällen auf Zuchthaus soll erkannt werden können. Ich gestatte m ir, d ara n zu erinnern, daß w ir bei B earbei­ tung des Allgemeinen T eils den V orbehalt gemacht haben, im einzelnen zu prüfen, ob nicht dem Richter all­ gemein die Möglichkeit gegeben werden sollte, in be­ sonders schweren Fällen von G efängnis nach Zuchthaus herüberzugehen. Ic h gestatte m ir ferner, d arauf h in ­ zuweisen, daß insbesondere S ie , H err Reichsminister, bei jener Aussprache dam als, wenn ich mich recht er­ innere, auch erklärt haben, daß die Abgrenzung des S trafm aß es nach oben rechtspolitisch g ar nicht etw as so unbedingt Notwendiges ist. W enn oas der Fall ist, so m uß es auch möglich sein, allgemein für besonders schwere Fälle, wo eben an sich G efängnis angedroht ist, dem Richter den Übergang zu Zuchthaus zu gestatten. T u n w ir das — und das möchte ich hier erneut an ­ regen — , dann kann ich dem § 152 keine besondere B e­ deutung beimeffen/ denn dann ist der ganze Effekt der Geschichte n u r der, daß der Richter dann nicht m it 1 M o nat, wie es mein Wunschbild ist, oder m it 2 Wochen, wie es I h r Wunschbild ist, bei G efängnis soll anfangen können, sondern er soll n u r m it 3 M o n a ­ ten anfangen können. Ich möchte den Richter sehen, der in einem solchen Falle, in dem durch die G ew alttat eine ernste G efahr fü r Leib und Leben entstanden ist, u nter 3 M onaten bliebe, so daß die eine Bedeutung der Heraussetzung der M indeststrafgrenze praktisch nicht v o r­ handen ist. Aber auch die andere B edeutung, daß dann der Richter bei der Berechnung, ob er 1 J a h r oder 1 J a h r und 1 M o n a t als S tra fe geben soll, davon a u s­ geht: ich m uß meine Rechnung m it 3 M onaten begin­ nen, ist ja n u r eine rein theoretische und gelangt prak­ tisch überhaupt nicht zum Zuge, so daß ich der M einung bin, daß § 152 überflüssig ist. E r ist aber auch schäd­ lich, weil er eine Durchbrechung unseres Grundsatzes insofern bedeutet, als ja nicht gesagt ist, daß das B r in ­

gen in die ernste G efahr fü r Leib und Leben irgendwie in den W illen des Betreffenden aufgenommen sein muß. Ich weiß nicht sicher, wie das gemeint ist. I s t das so gemeint, daß auch das zufällige Jn-eine-ernite-GefahrB ring en m it um faßt sein soll, dann w ürde das ja unseren Grundsätzen widersprechen. Aber d as merke ich n u r nebenbei an/ denn ich bin der Überzeugung, daß w ir doch d arau f abkommen, die besonders schweren Fälle im Allgemeinen T eil hervorzuheben, und daß dann dieser P a ra g ra p h in sich zusammenfallen würde. D a s würde bedeuten, daß die technisch meiner Ansicht nach be­ grüßensw erte Lösung, von der ich zu E ingang meiner A usführungen sagte, daß w ir uns durch sie nicht ver­ leiten lassen dürften, eine falsche Regelung zu erstreben, bei richtiger Regelung gerade gefunden w ürde, nämlich den W iderstand in einer Bestim m ung plastisch und all­ gemein verständlich zusammenzufassen, w as ich nur sehr begrüßen könnte. H err Professor D ah m hat dann noch vorgeschlagen, den § 153, der ja nun etw as Besonderes ist und auch nicht unm ittelbar zum W iderstand gehört, aber doch in einem gewissen Zusam m enhange dam it steht und des­ halb hier m itbehandelt w ird, auch m it zu behandeln und dabei zu erkennen, daß es sich hier n u r um die unvoll­ kommene kasuistische Ausdrucksform eines allgemeinen P o stu lats handelt, nämlich des allgemeinen Postulats an jeden Volksgenossen, keinen B eam ten zur Untreue zu verleiten. W ir haben erkannt, daß das n u r die unvoll­ kommene kasuistische Ausdrucksform dieses allgemeinen P o stu la ts ist, und ich würde es deshalb auch für wünschenswert Kalten, wenn w ir das allgemeine P o stu ­ la t aufstellen, das Vergehen hingegen u nter S tra fe stellen und es an die Stelle des § 153 setzen würden. Es würde dabei nichts ausmachen, wenn m an einige Fälle, daru nter auch diesen, im Interesse der Plastik der D arstellung hervorheben würde. @o, wie es jetzt erscheint, ist es fast ein M iß trau en gegen eine besondere Beamtenkategorie, die sich im letzten J a h r e ganz außer­ ordentlich bew ährt h at/ und das möchte ich auch be­ rücksichtigt sehen. Reichsjustizminister D r.G ü rtn e r: D ie beiden ausführlichen Berichte der H erren Referenten haben die Z en­ tralfrage, um die es sich hier handelt, in den M ittel­ punkt gestellt.. N atürlich w ill auch H err Professor D ah m nicht, w as sich gestern schon gezeigt hat, daß schlechthin kein Notwehrrecht gegeben sein soll. D a rin sind sich die beiden H erren Berichterstatter einig: ein Notwehrrecht soll bestehen, wenn sich aus dem Augen­ schein ergibt, daß es sich überhaupt um keine amtliche P erso n oder amtliche H andlung handelt. D ie Schwie­ rigkeit ist n u r: wo und wie soll die Abgrenzung gefunden werden? D e r E n tw urf h at es darauf ab ­ gestellt, daß die T a t n u r strafbar ist, wenn die A m ts­ oder D ienstbandlung rechtmäßig w a r. D a s ist ohne Zweifel vieloeutig. »Rechtmäßig« — im S inn e einer abstrakten Zuständigkeit: das ist ungefähr der A us­ druck für I h r e Theorie, H err S taatssek retär Freister. S ie haben es vorhin so umschrieben, daß die H and­ lung in den Reffortkreis des Beam ten gehören muß. D a ra u f, ob die H andlung m ateriell berechtigt w ar, ob z. B . bei einer V erhaftung eine Personenverwechs­ lung vorliegt, kommt es nicht an. D enn d as muß ich ohne weiteres zugeben: jeder von uns kann in die Lage kommen, verhaftet zu werden, und w äre es auch n u r deshalb, weil er einen steckbrieflich Verfolgten mehr

ober weniger ähnlich sieht. H ie r einen W iderstand zuzubilligen, ist v ö llig ausgeschlossen. D ie Frage ist n u r die: soll m an im Gesetz, wenn m an auf den Abs. 4 verzichtet, d a ra u f vertrauen, daß beim Gebrauch des W o rte s »A m tshandlung« sich das dann von selbst er­ geben würde? Besteht nicht die größere G efahr einer einschränkenden und die geringere einet ausweitenden Auslegung? Könnte man etwa an dieses P roblem m it B egriffen w ie »offensichtlich rechtsw idrig« oder ähnlichen herangehen? Ic h stelle das n u r zur E r ­ w ägung.

nisdirektor wendet trotz des strikten gesetzlichen Verbotes als D isziplinarm aß nahm e in schwierigen Fällen die Prügelstrafe an. N u n bitte ich, sich einm al zu fragen: sind das nicht alles Am ts- oder Diensthandlungen? Können S ie sagen, daß die D isziplinarm aßnahm e^ die der Anstältsvorstand anwendet, den Charakter einer A m tshandlung ganz verloren hat?

Professor D r . D a h m (K ie l): Ic h möchte noch — als eine A r t Eventualvorschlag — folgendes anregen: Abs. 4 lautet jetzt: »D ie T a t ist n u r stra fbar, wenn die A m ts- oder D iensthandlung rechtmäßig w ar«. D a r in liegt eine demonstrative Einschränkung der M acht des Beam ten. V ielleicht kann m an diesen Ge­ danken umkehren und statt deffen sagen: »D ie T a t ist strafbar, wenn die A m ts- oder Diensthandlung nicht offenbar rechtsw idrig w a r« . I n dieser Fonn könnte man den Abs. 4 allen falls stehenlassen.

W ir sind alle d a rin einig, daß w ir den W iderstand gegen solche »Amtshandlungen« nicht bestrafen wollen.

Reichsjustizminister D r .G ü r tn e r : S ie w ollen im W o rt »offenbar« oder »offensichtlich« nicht die materielle R echtsw idrigkeit, sondern die sogenannte abstrakte Z u ­ ständigkeit, wenn ich das W o r t gebrauchen d a rf, zum Ausdruck bringen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h hatte m ir fast genau denselben Vorschlag erlauben w ollen, n u r in etwas abgeschwächter F o rm , und möchte ihn eben verlesen. S t a t t zu sagen: »D ie T a t ist n u r dann strafbar, wenn ___ « würde ich es lieber negativ fassen und sagen: » D ie T a t ist n u r dann nicht stra fbar, wenn die A m ts­ oder D iensthandlung offensichtlich rechtsw idrig w ar«, aber lieber noch etwas unjuristischer, aber w ohl deut­ licher so sagen: »D ie T a t ist n u r dann nicht strafbar, wenn sie sich gegen einen offensichtlich groben M iß ­ brauch der A m ts- oder D ienstgew alt gerichtet hat.« W enn S ie erlauben, H e rr M in is te r, w ürde ich gern drei praktische Beispiele vorführen, die nicht meiner Phantasie entstammen, um daran zu erproben, ob die Lösung des H e rrn P ro fe ffo r D a h m , die er zunächst vor­ schlug und die dahin ging, zu sagen: die T a t ist dann nicht strafbar, wenn die D iensthandlung den Charakter einer A m tshandlung ganz verloren hat — das w ar doch I h r Gedanke, und d a m it b e rü h rt sich der Ge­ danke des H e rrn Staatssekretär Ir e is le r — fü r solche Beispiele paßt. Erster F a ll: der vernehmende P olizei­ beamte geht dazu über, als der zu Vernehmende die Aussage verweigert, ihn m it Schlägen zu bearbeiten, um dadurch seine Aussage zu erzwingen. Frage: darf dagegen N o tw e h r ausgeübt werden? (Staatssekretär D r . g re is le r: D a s ist k la r!) A ber dies V erfahren w a r ein A kt der Dernehmungstechnik, den der betreffende Beam te häufiger bei seinen Vernehmungen anzuwenden pflegte. Z w e ite r F a ll: D er Disziplinarvorgesetzte, der m it Recht über einen groben Verstoß eines Untergebenen erbost ist, beschränkt sich nicht auf w örtliche V orh altung en, sondern verabreicht in begreiflicher E rregung dem Untergebenen, obwohl es verboten ist, gesetzwidrig P rü g e l. Frage: ist Notlvehr dagegen zulässig? D ritte s B eispiel: E in Gefäng­

(S taatssekretär D r . F re isle r: J a .) D a s ist zum mindesten recht zweifelhaft. (Staatssekretär D r . F re isle r: Ic h glaube, hier ist niem and im Zweifel.),

(Staatssekretär D r . F re iste r: Eine A m tsha ndlun g dieser A r t g ib t es in Deutschland überhaupt nicht, bei feiner Behörde.) D a s sind alles Verbrechen im A m t und nicht n u r ge­ legentlich des Am tes. N un nehmen S ie die F älle — ist möchte ganz der B ew eisführung von H e rrn P ro fe ffo r D a h m folgen — , wo dieser Beamte nicht etwa fa h r­ lässig — darüber lä ß t sich ja sehr streiten; meiner M ein ung nach geht die Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht w eit genug — seine A m tspflich t ü b e rtritt, sondern vorsätzlich, bewußt rechtsw idrig seine A m ts- und D ienst­ pflicht grob verletzt. S o ll da nicht der Betroffene das Notwehrrecht haben? W enn man aber im Gesetzeswort­ la u t alles wegläßt, alles dahingestellt sein lä ß t und alles der Auslegung überläßt, so werden in der P ra x is Zw e ifel auftauchen. H e rr Professor D a h m schlug vor, eventuell hinzuzufügen: »D ie T a t ist n u r dann strafbar, wenn die H andlung offensichtlich rechtmäßig w ar.« (Staatssekretär D r . F re isle r: Diese Auslegung geht zu w eit.) D a stimme ich vollkommen m it H e rrn Staatssekretär g re isle r überein. Ic h würde, um im Interesse der A u to r itä t des S taates die Fälle des straffreien W id e r­ stands einzuschränken, sagen: »D ie T a t ist n u r dann nicht strafbar, wenn die A m ts- und D iensthandlung offensichtlich rechtsw idrig w ar« oder aber mehr laien­ haft, aber deutlicher, »wenn sie sich offensichtlich gegen einen groben M iß brau ch der A m ts- oder D ienstgew alt gerichtet hat.« Senatspräsident P ro fe ffo r D r . Klee (B e r lin ): I n den Fällen, die eben H e rr M in is te ria ld ire k to r Schäfer angeführt hat, ist eine N otw eh r ohne weiteres deshalb gegeben, w e il hier das Objekt der A m tsha ndlun g durch eine strafbare H and lung des Beamten angegriffen w ird . D ie Frage ist aber, ob im 4. Absatz des § 149a die Rechtsmäßigkeit als objektive S trafvoraussage aufrecht­ zuerhalten ist. H e rr S taatssekretär F re is le r w ollte n u r d a ra u f abstellen, ob die A m tshandlung re ffortm äß ig eine solche H andlung w a r, fü r die der Beam te zuständig w a r. Ic h meine auch: die allgemeine oder sogenannte abstrakte Zuständigkeit muß gegeben sein. M e h r nicht. D a s Reichsgericht hat entschieden, daß ein Exekutiv­ beamter, der einen Befehl seiner vorgesetzten Behörde, a u sfü h rt, selbst wenn dieser Befehl in concreto nicht ge­ geben werden durfte, trotzdem rechtmäßig handelt; er ist eben durch den Befehl des Vorgesetzten gedeckt. D a s ist eine alte Rechtsprechung. N u r eine Ausnahme ha t das Reichsgericht gemacht: nämlich, wenn der Befehl, der dem Exekutivbeamten e rte ilt w a r, v ö llig aus dem Rah-

men der abstrakten Zuständigkeit der Befehlsbehörde E s ist dann noch ein Zusatz gemacht worden, der im herausfiel, so liegt and) bei dem Exekutivbeamten keine Augenblick nicht interessiert, den ich aber doch verlesen rechtmäßige A m tshandlung vor und dann kann N o t­ darf. E r lautet: wehr geübt werden. W enn z. B . der Polizeivorgesetzte ........ oder sonst einen groben Verstoß in der dem Schutzpolizisten den A uftrag gibt, in eine zivilrecht­ Anwendung gesetzlicher Vorschriften enthält. liche S treitigk eit einzugreifen, so ist die den Exekutiv­ beamten deckende Zuständigkeit des Vorgesetzten nicht H ier ist also der Gesichtspunkt der groben Fahrlässig­ gegeben. D enn die Polizei hat überhaupt nicht in keit verw ertet worden. Zivilrechtsstreitigkeiten einzugreifen, z. B . auch dann Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a s Problem , nicht, wenn ein E lternteil das Kind von dem anderen das zu lösen ist, ist einfach die B eantw ortung der heraushaben will und m an sich nicht einig darüber ist, F rage: wo h ört die D uldungspflicht des S ta a ts b ü r­ wer das Sorgerecht hat. H ier regelnd einzugreifen ist gers auf? "Lache des Dormundschaftsgerichts. Gegen den P o li­ S taatssekretär D r. Freister: Zunächst einmal ist ja zisten, der das Kind dem betreffenden E lternteil gew alt­ sam abnehmen w ürde, w äre N otw ehr gegeben. N u r stier noch ein P ro blem , das bisher nicht besprochen diese abstrakte Zuständigkeit muß erfüllt sein, dam it die worden ist. E s wurde eben von H errn Senatspräsident Amtshcnrdlung des beauftragten Beam ten rechtmäßig Klee angedeutet. D a s ist das P roblem des Befehls. ist. D ie örtliche, überhaupt bk konkrete Zuständigkeit Ich bin aber der M einung, daß das P ro blem des B e­ braucht nicht gegeben zu sein. Es kommt auch nicht fehls nicht in diesem Zusam m enhange behandelt werden auf die formell korrekte A rt und Weise der A usfiihrung sollte und daß w ir es bei passender Gelegenheit, da es der Am ts- und D iensthandlung an. D a rü b e r sind w ir in die Regelung des Allgemeinen T eils hineingehört, uns alle einig. Ich glaube aber, das praktische B e­ dort besprechen'müssen. Es handelt sich u m H andlun­ dürfnis würde befriedigt sein, wenn m an in den § 149a gen, die bewußt, ja gewollt, ausgeführt werden, fü r die als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der A m ts­ aber der Handelnde trotzdem nicht verantw ortlich ist. W as nun die Frage anlangt,, über die w ir jetzt disku­ handlung aufnehmen w ürde, daß die A m tshandlung wenigstens der allgemeinen Zuständigkeit des Beam ten tieren, so bin ich doch der Ansicht, daß d as, was w ir zum Ausdruck bringen wollen, durch »eine Amts- oder entsprochen hat. W as dann die Frage des pflichtmäßigen Ermeffens D iensthandlung« zum Ausdruck gebracht w ird, aller­ betrifft, so hat das Reichsgericht allerdings gesagt: dings nicht allein durch das W o rt »Am tshandlung« wenn der Beam te kein pflichtmäßiges Ermessen hat w al­ und nicht allein durch das W o rt »Diensthandlung«. ten lassen, wenn er z. B . einen Haftbefehl dem unrichti­ Es ist von Bedeutung, daß »eine Am ts- oder D ienst­ gen gegenüber ausgeführt hat, ohne sich den M a n n und handlung« dasteht. E s braucht nicht s e i n e A m ts­ den Haftbefehl genau anzusehen, so liegt eine F a h r­ oder D iensthandlung zu sein, aber es muß e i n e A m ts­ lässigkeit vor, und er ist dann nicht geschützt. Es ist sehr oder D iensthandlung sein. K ürzer und sicherer kann zweifelhaft, ob m an dem de lege ferenda folgen soll m an das meines Erachtens g ar nicht zum Ausdruck und hier nicht w ird sagen müssen: der B eam te ist auf bringen. D e r Lösungsversuch, der sonst gegeben worden alle Fälle zu schützen, um es dann der disziplinären A hn­ ist: »nur dann strafbar, wenn sie sich gegen einen offen­ dung zu überlassen, seine Unaufmerksamkeit und F a h r­ sichtlich groben M ißbrauch der A m tsgew alt gerichtet lässigkeit zu bestrafen. Ic h meine, m an kann nicht p ro ­ hat«, ist zu eng. Ein Einschreiten soll nur dann möglich klamieren, daß, wenn der B eam te sich fahrlässig irrt, sein, wenn der betreffende A m tsträg er ganz offensicht­ dann W iderstand geleistet werden darf/ denn das kann lich eine H andlung v ornim m t, die ihrer A rt nach der W iderstand Leistende ja g ar nicht beurteilen. In s o ­ — das steht in dem E n tw urf von 1929 — nun wie­ fern w ürde ich vom Reichsgericht de lege ferenda ab­ derum nicht fü r ihn — das ist nämlich im E ntw urf weichen, ihm aber beitreten in der Rechtsprechung be­ von 1929 zu eng gefaßt — , sondern fü r einen B e­ züglich der F rage der allgemeinen Zuständigkeit. E s ist am ten dieses Behöroenbereichs nicht in F rag e kommt. auch vom praktischen S tand pu nk t aus erwünscht, das (M inisterialdirektor Schäfer: ........ ih re r A rt in das Gesetz hineinzuschreiben. G enau wie w ir es beim nach nicht zu dem Am ts- oder Dienstkreis der B e­ A uflauf hineingeschrieben haben und wie w ir auch von hörde des A m tsträgers gehört!) sachlicher Zuständigkeit bei der falschen Beurkundung » Ih re r A rt nach nicht zu den Aufgaben des A m ts­ im Am te gesprochen haben, und zw ar absichtlich von der träg ers gehört« ist m ir zu eng. sachlichen, nicht von der örtlichen Zuständigkeit, so kön­ (M inisterialdirektor Schäfer: D a s ist aber die nen w ir in irgendeiner F o rm auch hier die allgemeine D efinition der abstrakten Zuständigkeit!) Zuständigkeit als Voraussetzung der A m tshandlung, — Es m ag sein, daß das die D efinition der abstrakten der m an nicht W iderstand leisten darf, aufführen. Zuständigkeit ist. Es ist aber nicht gesagt, ob es die Reichsjustizminister D r . Gürtner: D e r Gedanke ist D efinition ist, die, rechtspolitisch gesehen, als die schon einm al im J a h r e 1929 form uliert w orden. V iel­ richtige erscheint. D ie Sache w äre in O rdnung, wenn leicht d arf ich bitten, diese F orm ulierung vorzulesen. m an 'sagen w ürde: »zum A m tskreis des Behörden­ a p p arats, dem dieser B eam te angehört«. M inisterialdirektor Schäfer: D am als h at m an fol­ (M inisterialdirektor Schäfer: D a s ist gemeint!) genden Vorschlag gemacht: D ie T a t ist nicht strafbar, wenn die A m ts­ oder D iensthandlung ihrer A rt nach nicht zu dem A m ts- oder Dienstkreis der Behörde, des A m tsträg ers und So ld aten gehört. 34.

Professor D r . Mezger (M ünchen): D ie b ish e rig Aussprache h at das wohl kaum zu erw artende Ergebnis gehabt, daß die Grenze, die in sachlicher Beziehung fest­ gelegt werden soll, fast allgemein ähnlich gezogen w ird, 9

nämlich so, baß ein Wiberstanbsrecht nicht anerkannt w ir b bei n u r form ellen Verstößen bes Beam ten oder bei M iß g riffe n in der k o n k r e t e n Zuständigkeit, daß dagegen das Widerstandsrecht P latz greifen soll bei einem Überschreiten der a b s t r a k t e n Zuständigkeit. D a ru n te r würde eine H a n d lu n g zu verstehen sein, die überhaupt nicht mehr in den Bereich dieser Beamten­ kategorie und derjenigen Beamtenkategorien fä llt, die sinngemäß gleichgestellt werden müssen. E in W iderstanosrecht besteht v o r allem in den Fällen eines ver­ brecherischen Handelns des Beam ten. S o steht nach der bisherigen Diskussion die Grenze im allgemeinen fest. Ic h weiß nicht, ob Einzelbeispiele noch Differenzen er­ geben w ürden, aber im großen ganzen scheint es stch nur noch um eine Frage der F o rm u lie ru n g zu handeln. D a muß ich sagen: W enn die Grenze in dieser Weise fest­ steht, d ü rfte die einfache Verw endung der W orte »A m ts- oder D iensthandlung« ohne jeden Zusatz die w irk lic h beste und schönste Lösung sein. H e rr Kollege D a h m h a t das Schreckgespenst der bisherigen Recht­ sprechung beschworen. Ic h glaube, da d a rf m an doch sagen, daß es diese Rechtsprechung a u f G ru n d des neuen Strafgesetzbuches nicht mehr geben w ir d / denn es ist ja auch schon dem W o r tla u t nach gegenüber § 113 S tG B , eine ganz deutliche Neufassung eingetreten, wenn ein­ fach von »A m ts- oder Diensthandlungen« die Rede sein w ird . D ie Frage ist n u r, ob dann nicht auch verbreche­ rische Handlungen un ter den B e g riff subsumiert werden können. H e rr M in is te ria ld ire k to r Schäfer hat vorhin gesagt: das sind doch im m e r noch A m t s verbrechen. J a , aber ich w ürde den Akzent a u f das zweite W o rt legen/ es sind eben A m ts v e r b r e c h e n und keine A m ts H a n d l u n g e n / sie gehören also n i c h t hier­ her. Also ich glaube, die schönste und, w ie ich vertrauens­ v o ll annehmen w ürde, zum richtigen Ergebnis führende Lösung w äre, von a l l e n weiteren Zusätzen a b z u s e h e n / denn ich fürchte, daß jede juristische F or­ m u lie ru n g wieder ein H em nis bilden und die Grenze w iederum v e rw irre n w ird . Oberlandesgerichtsrat D r . Schäfer: Ic h möchte m ir die Frage an H e rrn S taatssekretär F re is le r erlauben: W ie soll der F a ll behandelt werden, daß ein P o lizei­ beamter wissentlich einen Unschuldigen v o rlä u fig fest­ n im m t, beispielsweise um ih n zu blamieren? D a s ist eine M aßnahm e, die an sich in den Rahmen seiner ab­ strakten Zuständigkeit f ä llt/ a u f der anderen S eite ist es ein schweres Amtsverbrechen. H e rr Senatspräsident Klee meinte: wenn ein Amtsverbrechen vorläge, dürfe m an sich ohne weiteres w e h rm , wie z. B in dem vorhin angeführten Beispiel, w o der A m ts trä a e r a n fäng t zu prügeln. Nach der D e fin itio n dagegen, die S ie gegeben haben, H e rr Staatssekretär, w ürde der v o rlä u fig Fest­ genommene keinen W iderstand leisten dürfen/ denn der Polizeibeam te n im m t ja eine H and lung v o r, die in den Rahm en seiner abstrakten Zuständigkeit fä llt. S o ll nun W iderstand zulässig sein oder nicht? Staatssekretär D r . F re is le r: Ja, ich bin der M e in u n g , daß er sich nicht wehren d a rf. D ie A rg u ­ m e ntatio n des H e rrn Senatspräsidenten Klee, daß man sich im m e r webren dürfe, wenn es sich um ein A m ts ­ verbrechen handle, kann ich nicht anerkennen. Ic h bin näm lich der M e in u n g , daß der B e g riff des A m ts ­ verbrechens h ie rm it überhaupt g a r nichts zu tun hat.

Zwischen einem Amtsverbrechen und irgendeiner w eniger bedeutungsvollen, auch strafbaren H and lung , die ein B e ­ amter begehen kann, ist ja kein grundsätzlicher U n te r­ schied m it Bezug a u f diese Frage. D a s würde also bedeuten, daß, wenn zum B eispiel der Beam te eine F re i­ heitsberaubung begeht, der einzelne, der davon betroffen ist, prüfen d a rf: Lieg t eine Freiheitsberaubung vor? P r ü f t er nun ric h tig und ist nachher das Gericht seiner M e in ung , dann ha t er sich m it Recht gewehrt. Sonst hat er sich nicht m it Recht gewehrt. I n Ih r e m Beispiel, H e rr Oberlandesgerichtsrat Schäfer, handelt es sich um eine A m tsh a n d lu n g , die an sich von diesem Beamten vorgenommen werden kann. Gegen diese A m tsha nd­ lung ist m ir Schutz genug zur V erfü gun g gestellt. Es ist m ir der Schutz zur V erfü gun g gestellt, daß ich mich beschweren kann. D e r Beam te stiegt/ d a m it ist m ir Genugtuung verschafft. Es ist m ir auch der Schutz von Schadensersahansprüchen gegeben. Ic h kann sofort, wenn ich in das G efängnis komme, die Sache aufklären. Wenn ich irgendw o anders hingebracht werde, nicht in ein G efängnis, dann ist das na tü rlich keine A m tsha nd­ lung mehr. W enn ein B eam ter jemand irgendwo anders hin v e rb rin g t, in einen W a ld , in eine Höhle oder sonst­ w ohin, wie m an sich das romantisch ausmalen kann, so ist das keine A m tsha ndlun g mehr, keine A m tshand­ lung irgendeines Beamten, auch nicht eines Beamten Ih re s Beispiels. Ic h muß aber an stch mich verhaften lassen/ fü r unerträglich halte ich es, daß der Betreffende sich m it G e w a lt wehren da rf. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Praktisch würde ich fre ilich , wie die D in g e im Leben liegen, dem ein­ zelnen nicht empfehlen, abzuwarten, w o der verhaftende Beamte ihn h in b rin g t, um daraus dann seine Schlüsse zu ziehen. S onst h ilf t ihm nämlich das Notwehrrecht womöglich nicht mehr. D ie Frage ist, ob diese K on­ struktion m it dem Leben zusammengeht. Vizepräsident Grau: D a ß die Rechtmäßigkeit der A m tshandlung nach geltendem Recht B edingung der S tra fb a rk e it w a r, ist uns R ichtern in vielen politischen Prozessen v o r dem 30. J a n u a r 1933 außerordentlich begrüßenswert erschienen. W i r haben Fälle unerhörten M ißbrauchs der A m tsge w alt v o r allem durch polizeiliche Exekutivbeamte erlebt, Fälle, in denen unbedingt ein Widerstandsrecht gewährt werden mußte. Ic h denke zum B eispiel da ran, daß nach politischen Zusamm en­ stößen von der P o liz e i der Befehl kam: D ie S tra ß e w ird geräum t. D ie S tra ß e n rä u m u n g w urde so aus­ geführt, daß w ahllo s m it G um m iknüppeln K in d e r, Greise und Frauen niedergeschlagen w urden, oder daß die Leute w ie V ieh auf die P olize itra n sp o rtw a g e n ge­ w orfen und verladen wurden. Ic h habe solche F ä lle in der P ra x is erlebt, und w ir w aren glücklich, daß w ir einen W iderstand gegen einen derartigen M iß brauch der A m tsg e w a lt fü r straflos erklären konnten. D a s sind alles amtliche Diensthandlungen im R ahm en der abstrakten Zuständigkeit der betreffenden P olizeiorgane ewesen. Heutzutage sind ja derartige Ausschreitungen er polizeilichen S tellen nicht mehr zu befürchten, w e il P o lizei und V o lk an einem S tra n g e ziehen. Im m e rh in lassen solche Fälle es m ir bedenklich erscheinen, auch gröbste Verstöße gegen die m aterielle Rechtmäßigkeit der A m tsha ndlun g v ö llig auszuschließen und gegen solche gröbsten Ausschreitungen nicht ein W iderstands­ recht zuzulassen. D eshalb stehe ich dem Vorschlag des

H e rrn M in is te ria ld ire k to rs Schäfer sympathisch gegen­ über, der den W iderstand gegen eine A m tsha ndlun g dann nicht fü r strafbar erklären w ill, wenn er sich gegen einen offensichtlichen A m tsm ißbrauch richtet. H ie r han­ delt es sich dann um A m tshandlungen, die m a teriell d e ra rt unrechtmäßig sind, daß m an ein W iderstands­ recht gewähren muß. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ic h meine, w ir dürfen den K ernpunkt der D ebatte nicht verschieben, und zw ar insofern nicht, als das, was hier als straf­ w ü rd ig angesprochen worden ist, z. B . die M iß h a n d ­ lung bei einem Gefangenentransport, auch nach der M e in u n g der anderen H erren nicht etwa straflos sein d a rf. Es braucht nicht geduldet zu werden. N u r ist die B e a n tw o rtu n g der gesetzestechnischen Frage verschieden. Einerseits herrscht die M e in ung , m an könne die Schw ierigkeit m it dem Ausdruck » A m ts ­ und D iensthandlung« lösen. Anderseits besteht die B esorgnis, daß das zur klaren Ausscheidung der stra f­ losen Fälle nicht ausreicht. Vizepräsident Grau: Es g ib t zweifellos A m ts- und Diensthandlungen, gegen die ein W iderstand zulässig sein muß. Ic h erinnere hier n u r an die schon erwähnten S traß enräum üngen durch P olizeiorgane, die ganz ver­ schieden gelagert waren. I n dem einen F a ll bestand die N otw endigkeit, die R äum ung der S tra ß e m it den brutalsten M itte ln zu erzwingen. I n zahlreichen an­ deren Fällen w a r aber jedes gewaltsame Vorgehen als unbegründet durchaus abzulehnen. Professor D r . Dahm (K ie l): Ic h möchte davor w arnen, daß man auf die Überschreitung der sachlichen Zuständigkeit abstellt. D ie Grenzen der sachlichen Z u ­ ständigkeit sind äußerst schwer zu bestimmen. Es g ib t aber auch eine S phäre jenseits der sachlichen Zuständig­ keit, innerhalb deren die H and lung noch als A m ts ­ handlung erscheint und respektiert werden muß. Diese Fragen tauchen auch im Z iv ilre c h t auf. S o v erla ngt § 839 B G B , daß der Beam te in Ausübung seines A m tes, wenn auch unter Überschreitung seiner Z u ­ ständigkeit, tä tig geworden ist. Nach meiner Auffassung sind auch solche A m ts- oder Diensthandlungen zu dulden, die unter Überschreitung der Zuständigkeit v o r­ genommen sind, es sei denn, daß ein offenbarer M iß ­ brauch des Am tes v orlie gt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: llb e r einen F a ll herrscht aber w ohl Übereinstim m ung: wenn der T ä te r überhaupt kein B eam ter oder A m ts trä g e r ist, soll auch kein strafbarer W iderstand möglich sein. Staatssekretär D r . Freister: M i r scheint, w ir finden hier ein Grenzgebiet v o r, das w ir nicht ab­ grenzen können. W enn jemand, der die Fischereipolizei hat, beim Jagen oder Fischen von O tte rn eine A m ts ­ handlung vornehmen w ill, obgleich das eine Sache der Ia g d p o liz e i w äre, so würde ich nicht sagen, daß deshalb nun ein W iderstand nicht möglich wäre. Auch die Beispiele, die H e rr Vizepräsident G ra u angeführt hat, zeigen, daß es Fälle gibt, die der Gesetzgeber nicht klar umreißen kann. I n solchen Grenzfällen muß die Anklagebehörde die Möglichkeit haben, von einer V e r­ folg ung nach eigenem Ermessen abzusehen. S ie muß un ter Umständen die Anklage fallen lassen, wenn sich der S achverhalt erst in der H auptverhandlung her­

ausstellt. Auch hier läge es nahe, nicht allzuviel ge­ setzlich festzulegen, zumal wenn m an sieht, daß das schwer oder g a r unmöglich ist. W enn w ir , wie es den Anschein hat, eine befriedigende Lösung nicht finden können, dann sollte man auf die Lösung überhaupt verzichten. H ie r muß die Anklagebehörde die nötigen Befugnisse erhalten, solche Grenzfälle nach eigenem pflichtmäßigem Ermessen zu beurteilen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Es handelt sich hier um eine allgemeine methodologische Frage. W enn w ir bestimmen: w er einen A m ts trä g e r oder S oldaten bei der V ornahm e einer D iensthandlung tätlich an­ g re ift, w ird m it Gefängnis bestraft, dann heißt das: der S ta a ts b ü rg e r ha t jede A m ts- oder Diensthandlung eines A m tsträ g e rs zu dulden/ sonst macht er sich stra f­ bar. D a s wollen w ir aber ga r nicht! D e r Gesetzbeber w ill zw ar die Fälle des Widerstandes gegen eine Dienstoder A m tsha ndlun g treffen. E r w ill aber nicht, daß gegenüber offenbarem grobem Unrecht eine D u ld u n g s­ pflicht besteht. E r kann das aber in der Sprache des Gesetzes nicht vollkommen ausdrücken und hofft, daß die Auslegung den richtigen Weg finden w ird . N un, ob w ir uns m it einem solchen Verzicht begnügen müssen, das scheint m ir doch noch nicht überzeugend dargetan zu sein. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: H e rr M in iste r, ich möchte auch gern meinem Rechtsgefühl Ausdruck geben zu den Beispielen, die v o rh in gegeben worden sind. W enn ein P olizeibeam ter w ider besseres Wissen einen Unschuldigen festnim m t mb sich vielleicht noch d a m it brüstet und dieser erkennt das und w ehrt sich dagegen, so soll nach Ansicht einiger H erren strafbarer W id e r­ stand gegen die S ta a ts g e w a lt vorliegen. Ic h muß sagen, daß diese Auffassung meinem Rechtsgefühl widerspricht. Ic h habe eine lange richterliche P ra x is hinter m ir und habe in der Großstadt viele Prozesse wegen W id e r­ standes gegen die S ta a tsg e w a lt m it Schöffen geführt. Ic h kann ehrlich die Überzeugung aussprechen: ich hätte keinem meiner Schöffen klarmachen können, daß hier strafbarer W iderstand gegen die S ta a ts g e w a lt vorliegt. H e rr Vizepräsident G ra u ha t w ohl dasselbe Gefühl. Es wäre m ir aber doch w e rtvo ll, zu wissen, ob einer der anwesenden R ichter anders darüber denkt. H e rr S ta a ts ­ sekretär F reister, das, was S ie h ie r vertreten, würde ich, wenn m ir der Ausdruck gestattet ist, einen H erois­ mus nennen, den S ie von einem S ta a tsb ü rg e r nicht verlangen können. S ich v ö llig passiv zu beugen unter das, w as m an als ungerecht empfindet, das ist ein H eroism us, den w ir der großen Masse des Volkes meiner Ansicht nach nicht zumuten können. D ie Sache ha t aber noch eine andere Seite. Ic h möchte die Frage einm al so stellen: I s t denn dem a u to ri­ tären S ta a t w irklich d a m it gedient, daß er sich hinter Beamte stellt, die bewußt p flic h tw id rig das Recht brechen und in die Rechte anderer eingreifen? M e in e r M einung nach ist dem a u to ritä re n S ta a t nicht d a m it gedient, wenn w ir so etwas durch eine F o rm u lie ru n g des T a t­ bestandes auch n u r als möglich zulassen. Wenn S ie aber — und d a m it komme ich zum d ritte n — die krassen Fälle dadurch ausschalten wollen, daß S ie ga r nichts hineinschreibm, und d a ra u f vertrauen, daß der Richter sagt, das sei überhaupt keine A m ts- oder D ienst­ handlung, dann bleibt alles offen. D a n n ist aber auch

nicht einm al das erreicht, was w ir erreichen wollten, nämlich klarzustellen, daß die Rechtmäßigkeit eine ob­ jektive B edingung der S tra fb a rk e it ist. W enn m an aber diese Z w eifelsfrage offenläßt, so betrachte ich das ein­ fach als einen Verzicht a u f eine Regelung. H e rr S ta a ts ­ sekretär, auch der A ppell an die Staatsanw altschaften, deren Ermessen P latz greifen würde, ist nichts anderes als ein Verzicht a u f eine klare gesetzliche Regelung. Reichsjustizminister D r . G ärtner: D e r Gedanke ist der: W ie w irk t es, wenn der Gesetzgeber dieses Be­ kenntnis ablegt, der S ta a ts b ü rg e r habe jede A m ts- oder D iensthandlung zu dulden und dürfe sich nicht dagegen wehren? W ie w irk t das auf den S ta a ts b ü rg e r, und w ie w irk t es a u f den Beamten? D e m B eam ten w ird lediglich in t 8. Abschnitt gesagt: du stehst, wenn du im A m t bist, unter einem ganz besonderen Schutz, niemand kann dich antippen, ohne sich schwer s tra fb a r zu machen/ aber ich w ill d ir schon zum Bewußtsein bringen, daß du nicht über die Grenzen hinausgehen da rfst/ offenbar das Recht brechen darfst du nicht/ sonst versage ich d ir den Schutz! S o w äre die pädagogische W irkung . O b daraus nicht doch ein M o tiv gefunden werden könnte, den Weg des Verzichts nicht zu gehen? P ro fe ffo r D r . Mezger (München): Ic h b in der A u f­ fassung, daß m it irgendeiner näheren F o rm u lie ru n g g a r nichts gewonnen ist. D ie Fälle, die am Schluß an­ geführt wurden, in denen die Verhafteten in einer un­ menschlichen Weise au f einen W agen geworfen wurden, kann man ga r nicht m ehr als A m ts- oder Diensthand­ lu n g ansehen. D a s e rg ib t sich aus einer sinngemäßen Auslegung des B e g riffs . Also ist hier ein W iderstands­ recht gegeben. Ebenso b in ich durchaus m it dem ein­ verstanden, was H e rr Kollege D a h m gesagt hat. E r h a t v o rh in ausgeführt, das W iderstandsrecht sei nicht begründet, wenn die H andlung noch in der Sphäre der A m tshandlungen dieser Beamtenkategorie oder einer sinngemäß noch hinzuzunehmender Kategorie liegt, so daß beispielsweise eine Abgrenzung zwischen Ia g d p o lize i und K rim in a lp o liz e i keine R olle spielen würde. Auch das scheint m ir sicher zu sein. M a n muß h ier sagen: wenn ein m it der Ia g d p o liz e i ^Beauftragter über den K re is seiner engsten verbrechensverhütenden Tätigkeit hinausgeht, so ist dies doch im m er noch eine --Amts­ handlung«, gegen die ein Widerstandsrecht nicht ge­ geben ist. D a s sind Fragen der praktischen Abw ägung, nicht solche der absüakten begrifflichen Grenzziehung. Reichsjustizminister D r . G ärtn er: H e rr Professor Mezger, die G efahr fürchten S ie nicht, daß es am Ende zu einer einschränkenden Auslegung fü h rt, wenn w i r den 4. Absatz weglassen, also den Weg des V e r­ zichtes gehen? M e in e r M e in ung nach ist d a m it zu rechnen. W enn der 4. Absatz w egfällt, fürchte ich, w ird die P ra x is einen engeren Anwendungsbereich finden, a ls w ir alle m iteinander wollen. Ic h bin auch nicht der M e in ung , H e rr Professor, daß w ir uns auf den W eg der begrifflichen Abgrenzung begeben, wenn w ir glauben, schon m it den W orte n '--Am ts- oder Dienst­ handlung« das P ro b le m gelöst zu haben. W a s ist denn eine A m tshandlung? W enn w ir dagegen den andern W eg gehen und offenbar grobe Verstöße als rechtsw idrig ansehen, dann ist das eine begriffliche Lösung. Dem w ird auch der Vorschlag D a h m gerecht. Professor D r . Mezger (München): D ie W endung: --eine wenn auch fehlerhafte A m tshandlung« ist schon

re in sprachlich nicht schön und w ürde auch bei der Auslegung kaum rich tig verstanden werden. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: V ielleicht ist folgende Fassung geeignet, die Bedenken etwas zuschwächen:

die ab­

D a s Gericht kann von S tra fe absehen, wenn die T a t sich gegen einen offensichtlichen groben M iß brauch der A m tsge w alt richtet. Reichsjustizminister D r . G ärtn er: Ic h schlage vor, die Besprechung jetzt abzubrechen mb um 4 U h r 30 fortzusetzen. (Pause von 2 U h r 20 bis 4 U h r 30 M in u te n .) M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h habe zw ar keinen A u ftra g von H e rrn M in is te r, die S itzung zu eröffnen und zu leiten, nehme aber an, daß H e rr M in is te r bei einer Konferenz länger aufgehalten ist, als er vo ra u s­ sah, und daß es sicher seinem W ille n und auch Ih r e m W ille n entspricht, wenn w ir die Z e it ausnutzen. Ic h möchte Ih n e n vorschlagen, nicht in dem A b ­ schnitt fortzufahren, bei dem w ir stehengeblieben w aren, sondern m it dem 4. Abschnitt: Vergehen bei W ahlen und Abstim m ungen zu beginnen, wenn die H erren Referenten bereit sind. — Ic h möchte glauben, daß sich auch h ie r eine Generaldebatte e rü b rig t, vielleicht ab­ gesehen von der Frage, ob m an einen A b s ch n i t t 3a einfügen soll. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ic h d a rf vielleicht vorausschicken: der P a r a ­ graph 'über Reichstag und Reichstagsm itglieder, der beim d ritte n Abschnitt weggelassen w a r, gehört w ohl sinngemäß m it in diesen Zusammenhang, und es fra g t sich, ob w ir ih n m it in den Abschnitt --Verbrechen bei W ahlen und Abstimmungen« hineinnehmen oder einen besonderen Abschnitt etwa m it der Überschrift: Verbrechen gegen die Volksvertretung bilden. Es handelt sich um A n g riffe gegen den Reichs­ tag und Reichstagsmrtglieder und naturgem äß auch gegen einen T e il des Reichstages, also gegen Ausschüsse des Reichstages. M a n kann dann w eiter fragen, ob man das D e lik t in einem P ara grap hen zusammen­ fassen oder in zwei P ara g ra p h e n verteilen w ill: ein P a ra g ra p h , der den Reichstag und die Reichstagsausschüffe b e trifft, und ein anderer, der die einzelnen M i t ­ glieder b e trifft, w ie H e rr Professor N agle r es in seinen Leitsätzen vorschlägt. D a s ist sachlich kein größer Unterschied und an sich Geschmacksache, aber vielleicht kann m an sagen: der geringen Bedeutung, die heute und w ohl auch kün ftig der Reichstag haben w ird , entspricht es, wenn man beides in einem P ara grap hen zusammen­ faßt. Ic h w ürde dann die Fassung so vorschlagen, wie sie bereits H e rr Professor D a h m bei einem früheren R eferat zum Abschnitt 3 fo rm u lie rt hatte, näm lich: --Wer den Reichstag oder ein M itg lie d des Reichstags« — es wäre noch '--Ausschuß des Reichstages« einzu­ fügen — --m it G ew a lt oder durch gefährliche D ro h u n g n ö tig t oder hindert, seine Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten S in n e auszuüben, w ird m it G efäng­ nis nicht unter 6 M o nate n oder m it Zuchthaus bis zu 5 Ja h re n bestraft.« Diese F o rm u lie ru n g w ürde ich also vorschlagen, wenn m an den Tatbestand nicht in zwei P ara grap hen zerlegen w ill und den einzigen P a r a ­ graphen als § 102a v o r § 103 einfügen würde.

Berichterstatter Professor D r . N agler (B re s la u ): Ic h habe im Anschluß an den R eferentenentwurf (§§ 99 f.) vorgeschlagen, die beiden P a ra g ra p h e n wieder auseinanderzulegen oder — besser — getrennt zu lassen, und zwar deshalb, w e il der I n h a lt an sich verschieden ist. I n den: ersten P ara grap hen — § 102a — handelt es sich um die Reichstagsnötigung im S in n e einer K o l­ lektivnötigung, so da ß 'die ganze V olksvertretu ng ent­ weder funktionsunfähig bemacht oder in einer bestimm­ ten R ichtung widerrechtlich beeinflußt w ird . Es ist das ungefähr derselbe Tatbestand, den w ir bisher schon ha t­ ten (§ 105 S tG B .) , n u r daß der Sondertatbestand der gewaltsamen E ntfernung von M itg lie d e rn aus dem Reichstag nicht wiederkehrt. S o w e it durch 6ö8toitluje E ntfernung von M itg lie d e rn die FunktionsunfähiHkett des Reichstages oder seine Beeinflussung herbeigeführt w ird , würde dieser V o rg a n g schon durch die jetzige F o r­ m u lie ru n g m it um faßt sein. I m übrigen w ürde er zu der N ö tig u n g einzelner Reichstagsm itglieder gehören. D e r zweite F a ll wäre also so gelagert, daß eine I n d i v i ­ dualnötigung eines einzelnen R eichstagsm itglieds, w o­ durch die A rbe itsfähigke it des Reichstages nicht be­ r ü h r t w ird , den Gegenstand des Tatbestandes bildet. Ic h habe dann noch als eine Ergänzung (w oh l in Ü ber­ einstim mung m it der M e h rh e it des S c h rifttu m s ) hinzu­ gefügt, daß m an dem Reichstag selbst einem Ausschüsse desselben ausdrücklich gleichstellt,' denn wenn die A u s ­ schußtätigkeit e n tfällt, lst eben auch die P le n a rtä tig k e it lahmgelegt. D a s ist keine Ä nderung, sondern eine K larstellung. W as die In d iv id u a ln ö tig u n g anlangt, so ließ der § 106 unseres geltenden Strafgesetzbuches die V ollständigkeit des Schutzes vermissen. Ic h befinde mich da im E inklang m it dem Referentenentw urf, im großen und ganzen auch in Übereinstim m ung m it dem H e rrn Korreferenten, n u r daß ich eine Auseinander­ legung der beiden Tatbestände befürw orten würde, im Anschluß an den Referentenentw urf aber auch eine D i f ­ ferenzierung der S tra fe n .

D e r H e rr M in is te r ha t n u r einm al durchblicken lassen, daß w ir bei dem Nötigungstatbestand, der im Augen­ blick n u r die G efängnisstraft vorsieht, in den verschie­ denen Strafgesetzbuchentwürfen auch schon einm al die Zuchthausstrafe gehabt haben und daß w ir ohne Zucht­ hausstrafe in besonders schweren Fällen w ohl nicht aus­ kommen würden. A n mehr kann ich mich nicht er­ innern. N u n haben w ir besondere Bestimmungen gegenüber dem Präsidenten, gegenüber dem F ü h re r und nach meiner E rin n e ru n g auch gegenüber den M itg lie ­ dern der Regierung eingefügt.

Professor D r . D ah m (K ie l): Es erscheint m ir keines­ wegs sicher, ob w ir Bestimmungen wie die des § 102 a und § 102 b überhaupt brauchen. M e in e r M e in u n g nach w ürden die allgemeinen Bestimmungen genügen. W enn man aber Bestimmungen dieser A r t wünscht, w äre es w ohl besser, wenn m an die beiden Tatbestände zusammenzöge. D a s läge durchaus auf der L inie , die w ir sonst verfolgen/ denn w ir sind ja im m e r wieder be­ strebt, die übertriebene Kasuistik des geltenden Rechts einzuschränken und die Tatbestände zu vereinfachen.

Professor D r . Nagler (B re s la u ): Ic h glaube, die beiden P ara grap hen unterscheiden sich dann n u r noch hinsichtlich des M in im u m s . D a s eine M a l haben w ir Zuchthaus nicht un ter drei Jah ren, das andere M a l G efängnis w ohl nicht u n te r einem J a h r. D adurch ist eine erhebliche D ifferenzierung der S t r a f t gegeben.

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Besonderheit würde zunächst im S tra fm a ß liegen, das sicherlich im § 102 a w e it über den N ötigungsstrafrahm en hinausgehen würde. Professor D r . D ahm (K ie l): Ic h möchte dann Zucht­ hausstrafe fü r besonders schwere Fälle der N ö tig u n g vorschlagen. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s ist, glaube ich, bei einer Gelegenheit auch schon von dem H e rrn M in is te r gesagt w orden!) Ic h alaube, den H e rrn M in is te r bei früheren B e ra tu n ­ gen oahin verstanden zu haben, daß dieser P a ra g ra p h gestrichen werden sollte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a ß dieser P a ra g ra p h gestrichen werden sollte, ist m ir nicht in E rinne run g. 34.

(Zustim m ung.) D a liegt es nahe, solange w ir einen Reichstag haben, auch die V olksvertretung noch besonders aufzuführen. Ic h möchte vorschlagen: w ir lassen es m al so, wie es hier steht. W enn w ir zur N ö tig u n g kommen, können w ir ja a u f die Frage zurückkommen. Ic h betrachte diese Frage als eine politische Frage, die w i r hier nicht ent­ scheiden sollten. Es sind dann noch.folgende Fragen zu klären, einm al eine mehr redaktionelle im Anschluß an das, was heute morgen besprochen w orden ist. W enn w ir vo rn dazu kommen, die D rohungen zu definieren im S inne der gefährlichen D ro h u n g , dann w ürde das 2 B o tf »gefähr­ lich« zu streichen fern. D a s würde sich einfach auto­ matisch vollziehen. D ie S treichung dieses W ortes w ü r ­ den w ir also abhängig machen von dem Ergebnis der B e ra tu n g beim Abschnitt »W iderstand gegen die S ta a ts g e w a lt« / dann w ürden w ir w ohl w eiter in § 1 0 2 b die Begrenzung der Zuchthausstrafe m it Rück­ sicht darauf, daß bei der gewöhnlichen N ö tig u n g eventuell Zuchthaus bis zu zehn Jah ren vorgesehen w ird , streichen müssen. (Professor D r . N a g le r: D a s würde ich auch tun!) W enn w i r soweit sind, dann unterscheiden sich im S tra fra h m e n die beiden P ara grap hen nicht mehr.

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a n n bliebe n u r noch die A nregung des H e rrn Professors D a h m , die beiden P ara grap hen zu vereinigen. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): Diese beiden P ara grap hen habm m it den §§ 149 un d 149 a, die w ir heute v o rm itta g eingehend besprochen haben, den T a t ­ bestand gemeinsam. Es handelt sich n u r um andere P e r­ sonen, um Reichstagsabgeordnete auf der einen Seite, um A m ts trä g e r au f der anderen S eite. W i r sind im B e g riffe , fü r die N ö tig u n g oder H inderung der A b ­ geordneten in § 102 b eine sehr viel strengere S tr a f t einzuführen als fü r die N ö tig u n g oder H inderung von A m tsträ g e rn . Ob das bewußt und gew ollt ist, weiß ich nicht. B egründet scheint es m ir nicht zu sein. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h glaube, der S tr a f­ rahmen ist heute morgen noch nicht e rö rte rt worden. Es lie g t der A n tra g des Berichterstatters vor, bei jedem W iderstand gegen die S ta a ts g e w a lt fü r besonders schwere Fälle Zuchthausstrafe vorzusehen. 10

Professor D r . D ahin (Kiel): M a n könnte vielleicht daran denken, die Bestimmungen über den Widerstand gegen die Staatsgewalt auf Reichstagsabgeordnete aus­ zudehnen. D ie Kasuistik der §§ 99 und 100 w ird heute rm S chrifttum allgemein abgelehnt. M a n wünscht viel­ mehr die Vereinigung dieser Tatbestände. M inisterialdirektor Schäfer: Es handelt sich um zwei verschiedene Fragen. D ie erste Frage geht dahin, ob man den Reichstag und die Reichst'aasmitglieder im Gesetz besonders erwähnen soll. Jedenfalls wollen w ir sie zunächst einmal einfügen. Es w ird sich später zeigen, ob die Vorschrift entbehrlich ist oder nicht. H ier hängt alles von der zukünftigen Gestaltung des Reichstags ab. D ann bliebe noch die Frage der Vereinigung der T a t­ bestände. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): § 102b kann man in den § 149a übernehmen. Bei § 102a ist das fraglich. M inisterialdirektor Schäfer: Ich könnte m ir z. B . Drohbriefe an einen Reichstagsausschuß denken, die ein vielleicht an der Grenze der Zurechnungsfähigkeit stehen­ der Mensch losläßt, von dem unter Umständen allerhand zu befürchten ist. Professor D r . Koblrausch (B e rlin ): D ie Selbstän­ digkeit des 8 102 ist nicht zu bezweifeln. D er Reichstag braucht nicht im ganzen auseinandergetrieben zu wer­ den/ es genügt, daß er bei einer bestimmten Gelegen­ heit unfähig gemacht w ird , seine Funktionen auszu­ üben. D ie eigentlichen hochverräterischen Tatbestände sind also m it umfaßt. M inisterialdirektor Schäfer: D a r f ich an die Herren, die darüber Bescheid wissen, die Frage richten: Hat man nicht ähnliche Bestimmungen in den Rechten aller Völker? Professor D r . Ragler (Breslau): S e it der französi­ schen Revolution befinden sich solche Vorschriften in den Strafrechten aller Länder m it Parlamenten. M inisterialdirektor Schäfer: Z u r Zeit ruh t die T ä ­ tigkeit des Reichstags so ziemlich, und ein großes A u f­ gabengebiet w ird er nicht haben. Aber hier handelt es sich um eine politische Frage, die w ir im Augenblick weder entscheiden können noch entscheiden sollten. Das gehört nicht zu unserer Kompetenz. Ich glaube, w ir können die Frage, ob w ir auf die Bestimmungen über den Reichstag, Reichstagsausschuß und Reichstagsmit­ glieder verzichten sollen oder nicht, ruhig vertagen, bis K larheit über die Verfassung besteht. Einstweilen kön­ nen w ir den Tatbestand ja formulieren fü r den Fall, daß etwas Ähnliches wie der Reichstag auch in Zukunft bleiben w ird. D ann bliebe noch die Frage der Vereinfachung. D ie heutige S itu a tio n legt meines Erachtens doch nahe, die Tatbestände zu trennen. Professor D r . Ragler (Breslau): F ü r mich ist das keine Lebensfrage. Welche politische Bedeutung der Reichstag künftig haben w ird , können w ir heute noch nicht wissen. Schließlich ist doch der Reichstag das zum P arlam ent organisierte Volk. Auch heute haben w ir , wenn auch in anderem Rahmen, eine veredelte Demokratie. D e r Reichsminister D r . Goebbels hat wiederholt betont, daß das Volk die letzte, oberste I n ­

stanz ist und daß der Führer immer die Fühlung m it dem Volke habe und haben müsse. Doch das ist eine politische Frage, die einstweilen auf sich beruhen kann. M ir ist es gleich, ob man die §§ 102a und 102b zu­ sammenfaßt. M inisterialdirektor Schäfer: Ich schlage vor, die bei­ den Bestimmungen zu vereinigen und die S trafe dem § 102 b zu entnehmen. Vizepräsident G rau: Ich frage mich, ob Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus bis zu fünf Jahren nicht zuviel ist. Ich könnte m ir Fälle des Versuchs, etwa gegen einzelne Abgeordnete, denken, wo das Strafm aß wirklich zu hoch erscheint. Ich würde einfach Gefängnis oder Zuchthaus vorschlagen. M inisterialdirektor Schäfer: Also einfach: Zucht­ haus oder Gefängnis. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. D a m it ist dieser Unterabschnitt, der einstweilen unter den T ite l »Verbrechen gegen die Volksvertretung« läuft, erledigt. Seine Einordnung bleibt vorbehalten. W ir gehen nunmehr über zu dem eigentlichen Ab­ schnitt 4: Vergehen bei Wahlen und Abstimmungen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ich würde als Überschrift vorschlagen: Vergehen bei Wahlen und Abstimmungen. Diese Überschrift scheint m ir paffender und auch sprachlich schöner als die des geltenden Strafrechts, wo es heißt: Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Aus­ übung staatsbürgerlicher Rechte. D ie preußische Denk­ schrift betont m it Recht (S. 36 unten), daß heute Wahlen und Abstimmungen nicht mehr die ausschlag­ gebende Bedeutung haben, die ihnen bisher beizumeffen w ar, daß aber andrerseits nach wie vor ein dringendes allgemeines Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung der Wahlen und Abstimmungen besteht. D ie §§ 103 bis 111 des Referentenentwurfs ent­ sprechen den 88 107 bis 109 des geltenden Reichsstraf­ gesetzbuchs. R u r der durch Gesetz vom 23. M a i 1923 eingefügte 8 107 a erscheint hier nicht, sondern im 9. Abschnitt des Referentenentwurfs als § 173. D o rt gehört er auch seinem In h a lt nach hin. § 103 stellt zu­ nächst klar, fü r welche Wahlen und Abstimmungen die Schutzvorschriften des 4. Abschnitts gelten sollen, und beseitigt dam it Meinungsverschiedenheiten, die bisher über die Auslegung des Geltungsgebietes der 8§ 107 bis 109 S tG B , bestanden. Zugleich stellt er klar, daß auch Wahlen zu Organen von Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts und Abstimmungen in solchen Organen geschützt sind. D ie W orte »oder eines Landes« dürften im H in ­ blick auf den Neuaufbau des Reichs zu streichen sein. Dem Abschnitt 4 des Referentenentwurfs w ird rundsätzlich zugestimmt, ebenso seinen einzelnen S tr a f­ rohungen. N u r w ird die Festungshaft nach den bisher aufgestellten Grundsätzen zu streichen sein. Berichterstatter Professor D r . Ragler (Breslau): Ich möchte darauf aufmerksam macken, daß in 8 103 von öffentlichen (nicht bloß politischen) Angelegenheiten die Rede ist. Dies ist eine Generalklausel, die m ir sehr glücklich erscheint. Nunmehr ist klargestellt, daß jede Angelegenheit des Staates, einer öffentlichen Kor-

P ora tion, S tiftu n g oder A nstalt, soweit W ahlen und Abstimm ungen in Frage kommen, erfaßt w ird . D ie Kirchen sind bisher schon von der Rechtsprechung in den Schutz einbezogen w orden. D e r Vorschlag des § 103 Abs. 2 ist also durchaus gutzuheißen. Geschützt werden alle Entscheidungen im Wege der W a h l oder A bstim m ung über sachliche Fragen innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. W ie § 103 Abs. 3 endgültig zu fassen sein w ird , muß erst die Entw icklung lehren. D a s Volksbegehren dürfte nunm ehr absolet sein,' der Volksentscheid dagegen w ird auch in Z u k u n ft Lebenskraft behalten. A ber w ir sprechen darüber nicht das letzte W o r t. Ic h w ürde also das Volksbegehren m it einem Fragezeichen versehen und abwarten, wie die politische und staatsrechtliche Entwicklung des Reichs w e ite rve rlä u ft. Professor D r . Mezger (München): Ic h teile zunächst die Bedenken gegen den Ausdruck Religionsgesell­ schaften des öffentlichen Rechts«. Professor D r . Ragler (B re s la u ): D a s ist jedenfalls ein technischer. Ausdruck unserer heutigen Gesetzgebung. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Es ist aber die Frage, ob der Ausdruck auch fü r das kommende Recht gelten soll. Ic h d a rf feststellen, daß § 103 unter Streichung der W o rte »oder eines Landes« angenommen ist.

angleichen,' denn § 104 ist n u r existenzberechtigt, wenn er m it einer erhöhten S tra fd ro h u n g ausge­ stattet ist. W a s die.G efahr der Beeinflussung der W ahlen durch die Geistlichkeit b e trifft, so sollte m an hier den M iß ­ brauch der geistlichen A m tsg e w a lt — im Gegensatz zu Ita lie n — un erw äh nt lassen. I n der Z e it des K u ltu r­ kampfes hatte das Preußische Gesetzbuch vom 23. M a i 1873 in § 3 Z iff. 2 eine ähnliche Bestim m ung erlassen. D ie G efahr eines Ubergreifens in die Seelsorge blieb im m e r d a m it verbunden,' sie läß t sich niem als ganz von der H and weisen. D a n n aber schafft der S ta a t u n ­ nötigerweise M ä rty re r, und der Kirche ist bekanntlich noch nichts so g u t bekommen w ie ein M a rty riu m , sei es ein wirkliches oder ein vermeintliches. D a s aber kann f ü r den S ta a t nicht nützlich sein. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Es bleibt n u r zu ent­ scheiden, ob man § 104 überhaupt noch braucht neben dem allgemeinen N ötigungstatbestand. D ie B e a n tw o r­ tung der Frage w ird davon abhängen, ob man, vom re in dekorativen abgesehen, ein erhöhtes S tra fm in im u m fü r den F a ll der W a h ln ö tig u n g fü r angezeigt hä lt oder nicht. M a n kann die Frage so oder so entscheiden. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ic h w ürde den § 104 streichen/ es liegt kein G ru nd vo r, diesen Tatbestand neben dem allgemeinen N ötigu ngs­ tatbestand des § 277 des Referentenentw urfs hervor­ zuheben.

Ic h bitte noch zu erwägen, ob m an die W o rte »auf G ru n d der Verfassung oder anderer V orschriften des Reichs« nicht weglassen soll. M a n könnte vielleicht ein­ facher sagen: »auf G ru n d gesetzlicher V orschriften«.

Professor D r . Mezger (München): Ich neige dazu, den § 104 des Referentenentw urfs stehenzulassen, so­ fern der 4. Abschnitt überhaupt bleibt.

Professor D r . D ahm (K ie l): I m Zusammenhang m it den anderen V orschriften kann der Ausdruck » V e r­ fassung« n u r auf die geschriebene Verfassung bezogen werden. D a s scheint m ir formalistisch.

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s spielt natürlich auch eine R o lle bei berufsständischen W ahlen und der­ gleichen, bei W ahlen zu öffentlichen Körperschaften, so­ w e it sie bleiben.

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h möchte vorschlagen, einfach zu sagen: »auf G ru n d der gesetzlichen V o r ­ schriften«.

Professor D r . Mezger (München): W enn ein beson­ derer Abschnitt: »Vergehen bei W ahlen u n d Abstim ­ mungen« bleibt, dann erw a rte t m an einen besonderen H inw eis.

W ir kommen zu § 104. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): § 104 enthält den Z w a n g b e i W a h l e n. D a es in der Fußnote bei § 104 des R eferentenentwurfs § 277 und nicht § 270 heißen muß, wie ich inzwischen festgestellt habe, so kann ich die in meinen Leitsätzen zum Ausdruck gebrachte S tellungnahm e zu § 104 nicht aufrechterhalten. I m H inblick auf § 277 erscheint § 104 überflüssig. W i ll man aber § 104 aufrecht­ erhalten, dann müßte die S tra fd ro h u n g erheblich erhöht werden, da zu einer P riv ile g ie ru n g hier kein A nlaß gegeben, ist.

P ro fe sso r.D r. Ragler (B re s la u ): E s ist die P arallele zu der B estim m ung über die S pre ngun g von Versamm­ lungen, also einem S o n d e rfa ll der N ö tig u n g . W enn der Tatbestand überhaupt auftechterhalten werden sollte, dann müßte man die gleiche S tra fe w ie bei der N ö ti­ gung wiederholen.

Berichterstatter Professor D r . Ragler (B re s la u ): Ic h stimme meinem H e rrn V orredne r durchaus zu. Es handelt sich um die Sicherung der ungehemmten aktiven Teilnahm e des Volksgenossen am öffentlichen Leben. B e i kirchlichen W ahlen kann auch ein A usländer w a h l­ berechtigt sein. Jedenfalls handelt es sich hier um einen leinen Nötigungstatbestand. M a n muß sich, wie H e rr D ire k to r Lorenz m it Recht bemerkt hat, die Frage v o r­ legen, w ie sich das V e rh ä ltn is des § 104 zu § 277 stellt. W ir haben die M öglichkeit, § 104 zu streichen und § 277 allein stehenzulassen. W ir können aber auch § 104 belassen/ dann aber müssen w ir den S tra fra h m e n

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie überwiegende M e i­ nung geht also dahin, den P ara g ra p h e n zu streichen.

Professor D r . D ah m (K ie l): Ic h möchte doch den A n ­ tra g auf S treichung unterstützen. (Landgerichtsdirektor D r . Lorenz fLeipzigj: Ic h würde auch fü r S treichung sein.)

W i r gehen über zu § 105. B erichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): § 105 behandelt die Täuschung bei W ahlen und Abstimm ungen, eine S trafbestim m ung , die sehr zu begrüßen ist. D a s geltende S tra fre ch t gibt kaum oder wenigstens nicht im m er die Möglichkeit, T ä uschungshandlungen im W ahlkam pf un ter S tra fe zu stel­ len, wie es § 105 jetzt vorsieht. § 105 erfaßt nicht die Fälle, in denen jemand durch Täuschung dazu gebracht

toixb, sich fü r einen bestimmten K andidaten zu entschei­ den, den er bei K enn tnis des w ahren Sachverhalts nicht gewählt haben würde. Es ist durchaus rich tig , das nicht m it S tra fe j w bedrohen, schon aus dem G runde, w eil ich in der P ra x is gerade h ie r sehr erhebliche Beweischwierigkeiten ergeben w ürden. Ic h stimme der Fasung des P ara grap hen zu. N u r muß, w ie in allen ähn­ lichen Fällen, der letzte Absatz » D e r Versuch ist straf­ bar« gestrichen werden (vg l. § 32 n des E n tw u rfs 1934). B erichterstatter Professor D r . Ragler (B re s la u ): Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Z u begrüßen ist, wie Kollege Lo rm z schon sagte, daß die fraudulöse W a h l­ a g ita tio n ausgenommen ist, also die M o tiv a tio n des W a h l- oder Stim m entschluffes w ir d nicht erfaßt. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Unterkommission kann die redaktionelle N achprüfung vornehmen. W i r kommen zu § 106. B erichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): § 106 behandelt die Bestechung bei W ahlen und Abstimmungen. E r geht noch etwas über die bis­ herigen E n tw ü rfe zu diesem Tatbestand hinaus. I n dieser F o rm kann ich ih m n u r beipflichten. Vorschläge zur Abänderung habe ich nicht vorzubringen. Berichterstatter Professor D r . R agler (B re sla u): § 106 wechselt das System. W i r hatten bisher bei der Wahlbestechung den Rechtsgeschäftstyp und gehen jetzt über m m (französischen) Bestechungstyp. B is h e r bat m an die W ille nseinia ung der Pavteien f i i r notwendig angesehen, so daß sich Schwierigkeiten bei der Unernstlichkeit, M andatreservation u. dgl. ergabm . D a s alles w ird jetzt m it einem M a le ausgeräum t, wenn man zum Bestechungstyp übergeht. Ic h begrüße also die Form , die § 106 jetzt angenommen hat. Z u erwägen w äre nur, ob im Anschluß an andere Gesetzgebungen noch die in ­ direkte Bestechung un ter die strafbaren Tatbestände auf­ zunehmen ist, also das D in g e n von W ahlagenten zur V ornahm e von Wahlbestechungen. Aber ich glaube, w ir sollten uns beschränken und es bei der jetzigen Fassung des § 106 belassen. M in is te ria ld ire k to r §107.

Schäfer:

W ir

gehen über zu

Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): § 107 behänoelt den W a h l v e r r u f . Diese S trafbestim m ung ist neu, sie entspricht aber be­ re its lange in dieser R ichtung geltend gemachten Wünschen. D e r R eferentenentw urf b rin g t gegenüber dem E n tw u rf von 1927, der auch schon den W a h lv e rru f enthielt, eine Einschränkung: durch die D errufserkläru n g m uß, wenn sie stra fb a r sein soll, fü r den Be­ treffenden oder einen andern die G efahr eines erheb­ lichen wirtschaftlichen Nachteiles herbeigeführt worden sein. Ic h halte es fü r ric h tig , daß diese Einschränkung aufgenommen worden ist. D e r vorgeschlagenen Fassung stimme ich bei. I n einer Fußnote w ird im E n tw u rf noch angeregt, zu prüfen , ob h in te r dem W o rt »Gefängnis« die W o rte »oder m it Festungshaft« ein­ gefügt werden sollen. Nach den Grundsätzen, die in oer Kommission v o rlä u fig herrschen, w äre das zu ver­ neinen. (Berichterstatter P rofessor D r . N a g le r sB re sla u j: Ic h habe dem nichts hinzuzufügen.)

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Festungshaft w äre über­ a ll zu streichen. D a s ist die Linie , die w ir im Augen­ blick einhalten. S enatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ic h weiß nicht, ob § 107 (W a h lv e rru f) noch am Platze ist. E r ist neu, ist aber offenbar noch un ter dem Eindruck eines Staatswesens entstanden, in dem unser V olk in P a rte ie n zerrissen w a r. W enn ich an die A bstim ­ mung vom November 1933 denke, kann ich m ir eigent­ lich nicht recht vorstellen, daß jemand bestraft werden soll, der einen Volksgenossen deswegen in V e rr u f tun w ill, w e il er sich an solcher A bstim m ung nicht beteiligt hat. Es g ib t Volksgenossen, die eigentlich keine sind, die dam als ihren negativen S tand pun kt sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben. W a ru m soll die große M e h rh e it des Volkes sich gegen solche Außenseiter auch durch wirtschaftlichen B o y k o tt nicht wehren können? P rofessor D r . Ragler (B re s la u ): H e rr Kollege Klee denkt n u r an politische W ahlen. A ber da es sich auch um W ahlen zu allen öffentlichen Körperschaften handelt, hat § 107 eine vie l w eiter gehende Bedeutung und w ird insbesondere auch fü r die Sicherung des Arbeitsplatzes des A rb e ite rs w ichtig sein. W i r brauchen eine solche Bestim m ung schon, um auch den A rb e ite r bei allen Abstimmungen in öffentlichen Angelegenheiten zu sichern, d a m it er nicht wirtschaftliche Nachteile irgendwelcher A r t e rfä h rt. Ic h würde also sehr d a fü r sein, daß w ir den § 107 beibehalten. E r ist ein Ausschnitt aus dem allgemeinen Schutz der A rb e its k ra ft, der A rb e its k ra ft­ verw ertung u. dgl. P rofessor D r . Mezger (München): Ic h w ürde auch fü r B eibehaltung des P ara g ra p h e n sein, möchte aber die Frage auswerfen, w a ru m man ih n auf w irtscha ft­ liche Nachteile beschränken w ill. W a ru m sollen nicht auch andere Nachteile in B etracht kommen können? (Professor D r . N agle r sBreslaus ^ S o z ia le Nach­ teile sind schwer zu erfassen. — ^enatsprästdent Professor D r . Klee: D a r f ich nach der Entstehungs­ geschichte des P a ra grap hen fragen?) M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Dieser P a ra g ra p h ist bei den Verhandlungen im m e r sehr um stritten gewesen. Insbesondere w a r es sehr u m stritten , ob neben dem wirtschaftlichen Nachteil auch gesellschaftliche Nachteile einbezogen werden sollten. B is h e r hat m an davor zurückgeschreckt, auch jeden gesellschaftlichen Nachteil einzubeziehen, z. B . den Ausschluß aus einer geselligen V ereinigung usw. W i r haben d a ra u f verzichtet und haben uns dabei beruhigt, daß unter Umständen der gesellschaftliche B o y k o tt in den wirtschaftlichen über­ geht, d. h. auch wirtschaftliche Nachteile nach sich zieht, so daß die schwersten F älle des gesellschaftlichen B oykotts auch unter den wirtschaftlichen B o y k o tt fallen. W a s nun die Frage des wirtschaftlichen B oykotts angeht, so haben die M einungen geschwankt, insbeson­ dere nach der R ichtung, ob der B e g riff des In - V e r r u fE rklärens fü r einen strafrechtlichen Tatbestand genügend bestimmt sei. M a n hat sich dabei beruhigt, daß auch das bürgerliche Recht — B G B . § 8 2 6 usw. — stark m it dem B e g riff des wirtschaftlichen B ovkotts arbeitet und daß sich d o rt schon eine gewisse Rechtsprechung herausgebildet hat. Deswegen hat m an geglaubt, man

käme auch strafrechtlich m it dem B egriffsm erkm al der V e rru fs e rk lä ru n g durch. Aber die M einungen über den P a ra g ra p h e n sind im m e r geteilt gewesen. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): Ic h finde, der § 107 ist eine gesunde D em onstration, indem er sagt: w ir schützen a u fric h tig die F re ih e it der W a h l oder A b ­ stimm ung, fa lls sie stattfindet/ das V olk kann sich unge­ hind ert und fre i fü r diese oder jene Sache oder Person entscheiden. Eine solche B estim m ung hätte eine gute W irk u n g au f das Ausland, wie a u f das In la n d . M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Bestim m ung ist auch begrüßt w orden im Interesse der Sauberkeit des politischen Kam pfes. (Senatspräsident Professor D r . Klee [93etlm ]: D a s w a r frü h e r ein großer Gesichtspunkt, aber heute doch kaum noch.) — Es ist eine B estim m ung, die w ir von B e rlin aus viel schwerer beurteilen können. Es ist ein Tatbestand, der in der P ro v in z in kleinem Kreise eine ganz andere R olle spielt. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r wieder den Vorsitz.)

üb ernim m t

— H e rr M in is te r, w ir haben es fü r rich tig gehalten, die Z e it zu nützen, und haben den vierten Abschnitt vorgenommen. W i r w aren beinahe d a m it fe rtig . W ir haben zunächst einen Abschnitt 3 a erledigt, der die Frage der N ö tig u n g oder V erg ew altigu ng deS Reichstags, eines Reichstagsausschuffes oder von Reichs­ tagsm itgliedern brachte. W i r haben diese P ara grap hen zunächst eingestellt und es als eine Frage der politischen Entscheidung bezeichnet, ob m an ihn etwa später fü r entbehrlich halten könnte. W ir haben uns dann dem eigentlichen Abschnitt über W ahlen und Abstimm ungen zugewandt und haben ih n ziemlich unverändert erledigt, bis auf die Frage des S tra fra h m e n s . Im wesentlichen sind die §§ 103 — § 104 haben w ir fü r entbehrlich gehalten — , 105 und 106 m it kleinen Änderungen g e billig t worden. W ir standen eben bei § 107, der den W a h lv e rru f behandelt. Es w a r die Frage aufgeworfen worden, ob man, wenn der Tatbestand bleibt, auch die A ndrohung gesellschaftlicher Nachteile einbeziehen sollte. W enn ich recht verstanden habe, bestand d a fü r keine S tim m u n g , sondern m an w a r d a fü r, es bei der A ndrohung w i r t ­ schaftlicher Nachteile zu belassen. Es wurde auch d a ra u f hingewiesen, daß ein schwerer gesellschaftlicher B o y k o tt sich auch w irtschaftlich a u sw irkt und au f diese Weise ebenfalls getroffen würde. N un standen w i r bei der Frage, ob man den T a t­ bestand des W a h lv e rru fs , der nicht n u r fü r P a rla m e n ts ­ wahlen, sondern auch fü r W ahlen zu anderen K ö rp e r­ schaften eine Rotte spielt, noch fü r n ö tig h ä lt, etwa im Interesse der S auberkeit des politischen Lebens. Staatssekretär D r . Freister: I n einem Augenblick, in dem die W ahlen vollkommen anders gestaltet worden sind als frü h e r, in einem Augenblick, in dem die W ahlen n u r eine S tellungnahm e fü r oder gegen den F ü hre r der R egierung bedeuten, scheint m ir die Schaffung eines solchen neuen Tatbestandes nicht berechtigt zu sein. M a n kann einfach nicht verhindern, daß, wenn und solange das V olk in seinem aktivistischen und deshalb ausschlag­ gebenden T e il einer einheitlichen M e in ung ist, dann 34.

eine Stellungnahm e, die sich gegen die F ü h ru n g und den F ü h re r richtet, a b fä llig behandelt w ird . Es ist zwar selbstverständlich, daß man die F reiheit der W a h l sichern muß. D ie F re ih e it der W a h l ist ja auch schon durch andere M aßnahm en gesichert. Aber es scheint m ir un­ möglich, eine verschiedene Achtung desjenigen, der sich gegen den F ü h re r ausgesprochen "hat, und desjenigen, der sich fü r den F ü h re r ausgesprochen hat, strafrechtlich zu verbieten. Es kommt auch hinzu, daß m . E. da für ga r kein B e d ü rfn is besteht. Auch die Rücksicht auf die M e in ung des Auslandes über unsere W ahlen wäre kein G ru nd, den W a h lv e rru f bestrafen zu lassen. Eine solche Bestrafung würde nicht in die neuen Verhältnisse passen. Professor D r . D ahm (K ie l): A u f der einen Seite haben w ir die B eleidigung, au f der anderen Seite könnte man den Gedanken, her in dem § 107 steckt, ver­ allgemeinern. D ie einseitige H ervorhebung der W a h l hat ihren G ru n d in der besonderen Bedeutung, die m an frü her dem W ählen und Abstimmen zuschrieb. D a s ist heute vorbei. M a n sollte diesen ganzm A b­ schnitt nach M öglichkeit zusammenstreichen und verein­ fachen. (Staatssekretär D r . F re iste r: D en Abschnitt weg!) Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ü berhaupt von den W ahlen nicht zu sprechen, das, glaube ich, geht wieder zu w eit. (Professor D r . D a h m s K ie lj: D a s w ill ich auch nicht!) — Es wurde m ir eben zugerufm. (Staatssekretär D r . F re is le r: Keinen besondern Abschnitt, meinte ich!) — D a rü b e r ließe sich nachher reden. H e rrn Staatssekretär F reisler d a rf ich entgegen­ halten: D ie gesellschaftliche Achtung ist hier m it A b­ sicht nicht aufgenommen, n u r der wirtschaftliche Nach­ teil, der B oykott. Staatssekretär D r . Freisler: D a s w a r m ir vorhin auch aufgefallen, ich habe es n u r vergessen zu sagen. Gerade das scheint m ir auch eine Inkonsequenz zu sein! S ie betonten eben: N u r der wirtschaftliche B oykott ist aufgenommen. D a s bedeutet also: E in M e h r des Reagierens auf eine gewisse Stellungnahm e bei den W ah­ len w ird strafrechtlich nicht verfolgt. D enn ich muß m ir doch sagen: D e r gesellschaftliche B o yko tt, also die Achtung, ist ideenmäßig ein M e h r, als wenn der eine oder andere sagt: » D u kaufst jetzt deine Lebensmittel nicht mehr da/ denn der hat sich bei der W a h l gegen unseren F ü h re r ausgesprochen.« W enn ich sogar die schärfere A r t des Reagierens, nämlich die Achtung, weg­ lasse, dann kann ich nicht gu t die H erbeiführung w ir t ­ schaftlicher Nachteile bestrafen. O berstaatsanw alt D r . Reimer (B e r lin ): F ü r die B e i­ behaltung der Bestim m ung des § 107 des Referenten­ e n tw u rfs w ird in Z u k u n ft insoweit kein B e d ü rfn is be­ stehen, als p o l i t i s c h e W ahlen in Frage kommen. Dagegen kann ich m ir sehr w ohl das S ta ttfin d e n er­ b itte rte r W ahlkäm pfe innerhalb eines Betriebes v o r­ stellen. Ich denke da insbesondere an die W a h l der V e r­ trauensm änner und ih re r S te llv e rtre te r nach § 9 des Gesetzes zur O rd nun g der nationalen A rb e it. (Staatssekretär D r . F re is le r: D a g ib t es doch keine verschiedenen Listen!)

Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: Ic h stelle die Frage an die H erren: W ürd en S ie ein B e d ü rfn is fü r die Be­ stimmung bejahen? W enn nicht, wäre ich fü r S treichung des P ara grap hen . Vizepräsident G ran : Ic h b in fü r S treichung, m in­ destens soweit als W ah le n th a ltu n g auch unter W a h l­ v e rru f fallen soll. Ic h d a rf d a ra n erinnern, daß bei der letzten Reichstagswahl von allen Parteistellen der­ jenige m it Recht al's vö llig e r Außenseiter erklä rt w o r­ den ist, der seiner P flic h t zur W a h l nicht genüge. M a n kann also die W ah le n th a ltu n g un ter keinen Umständen unter den strafbaren W a h lv e rru f stellen. Professor D r . Mezger (M ünchen): M i r scheint es doch richtig zu sein, den § 107 des Referentenentwurfs beizubehalten. Gerade bei W ahlen in kleineren Kreisen dient er der S auberkeit. D a soll der wirtschaftliche B oykott ausgeschlossen sein. Professor D r . R egler (B re s la u ): Ic h bin fü r B e i­ behaltung des § 107, und zw ar deswegen, w e il er eine Sicherung des Arbeitsplatzes fü r den A rb e ite r in sich schließt. Vizepräsident G rau : Ic h hatte mich schon darüber geäußert. Ic h w ollte n u r noch einm al an die letzte Reichstagswahl erinnern, die m it der außenpolitischen Entscheidung verbunden w a r. D a ist doch von allen S tellen der R egierung, der P a r te i m it aller Deutlich­ keit in jeder V ersam m lung gesagt worden, daß der­ jenige sich aus der völkischen Gemeinschaft ausschließt, der nicht seiner W a h lp flic h t genüge. D eshalb meine ich: D ie W a hlen tbaltu ng kann m an un ter keinen U m ­ ständen un ter den strafbaren W a h lv e rru f stellen. Staatssekretär D r . Freisler: Ic h bitte, den Gesichts­ punkt, den H e rr Professor N a g le r hervorgehoben hat, zu berücksichtigen, aber nicht an dieser S telle, sondern beim Abschnitt »Schutz der A rb e it« . D o r t gehört er hin. D a m it ist dem einzigen B e d ü rfn is , das fü r diesen $ 107 ins Feld geführt werden könnte, gewiß Genüge geleistet. D a n n können w i r den P ara grap hen ver­ missen. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: W ir kämen zum Tatbestand der F ä l s c h u n g b e i W a h l e n u n d Abstimmungen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Ic h habe w eiter nichts auszuführen. D e r Tatbestand des § 108 entspricht dem § 108 des gelten­ den Rechts, n u r die Fassung ist eine andere. D ie Fassung des R eferentenentw urfs ist vorzuziehen. Ic h würde n u r den Abs. 3 streichen, wie auch der H e rr Reichsminister das bereits als n ö tig ausgeführt hat. Berichterstatter Professor D r . N agler (B re sla u ): Le­ g a litä t und Lauterkeit des W ahlaktes im ganzen sollen öurch diesen § 108 geschützt werden. Ic h bin grundsätz­ lich m it dessen Fassung einverstanden, möchte aber zu erwägen geben, ob nicht das W a h lb ü ro , das sich die W ahlfälschung zuschulden kommen läß t, in der S tra fe hervorgehoben werden soll. D a s tu n andere Gesetz­ gebungen, soviel ich weiß, und das haben w i r bisher ( S tG B . § 108 Abs. 1) auch getan. Es ist innerlich gerechtfertigt, daß die bei der E rm ittlu n g des W a h l­ ergebnisses m itw irkenden Personen fester angefaßt w er­ den als der einfache W ä h le r/ denn hie r fä llt der Bruch eines Vertrauensverhältnisses in die Waagschale.

Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a s fü h rt zu der Frage: M u ß m an das im Tatbestand hervorheben? W ir haben G efängnis bis zum M a x im u m von zehn Jah ren. W enn ein W ahlvorsteher, wenn ein S tim m e n ­ zähler sich eine Unregelm äßigkeit zuschulden kommen läßt, nehme ich an, daß die Gerichte selber die S t r a f ­ barkeit der T a t höher taxieren würden. A u f Zuchthaus w ürden S ie auch nicht gehen? (Professor D r . N a g le r sB reslau ^: N ein, durchaus nicht!) Ic h möchte also der Unterkommission empfehlen, den Text zu übernehmen, wie er hier ist, und das W a h lb ü ro und den W ahlvorsteher nicht besonders zu erwähnen, sondern deren schärfere B estrafung bei Verfehlungen der P ra x is zu überlassen. § 109. I s t der notwendig? B erichterstatter Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): § 109 stellt die W a h l v e r h i n d e r u n g unter S tra fe . Nach geltendem Recht w a r diese auch strafrechtlich zu fassen, aber n u r auf Umwegen. D e r P a ra g ra p h enthält zum T e il einen Nötigungsbestand, insow eit ist er w o h l durch § 277 des E n tw u rfs über­ flüssig. D e r S t ö r u n g s t a t b e s t a n d w ir d aber nicht durch § 277 erfaßt. Dieser müßte dann stehenbleiben. D a m an also die »S tö ru n g « stehenlassen müßte, könnte man ja auch erwägen, ob es zweckmäßig w äre, eine her­ vorgehobene A r t der N ö tig u n g , die W ahlverhind erun g, in diesem Abschnitt m it aufzunehmen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D ie S tö ru n g kann auch begangen werden, ohne daß gegen eine Person irgend etwas geschieht, z. B . durch Abschneiden eines Kabels. Auch die V erhinderung! D eshalb deckt sich dieser Tatbestand m it dem der N ötig u n g nicht ganz. Ic h möchte sogar glauben, daß V erhinderung eines W a h l­ ergebnisses sich praktisch nicht durch D ro h u n g m it Ge­ w a lt gegen Personen auswirken w ird , daß es praktisch näherliegt, G ew a lt gegen Sachen zu gebrauchen. B erichterstatter Professor D r . N agler (B re sla u ): Ic h w ürde doch m it H e rrn D ire k to r Lorenz gehen. S o ­ w e it eine V erhinderung des W ahlvorganges vo rlie g t, ist sie w eiter nichts als eine hervorgehobene N ötigu ng. W ir haben aber schon im § 104 die N ö tig u n g e lim in ie rt. D a ru m würde ich d a fü r sein, es auch hier zu tu n , so daß in § 109 n u r der Tatbestand der S tö ru n g ü b rig ­ bliebe. Professor D r . Nagler (B re sla u ): D ie »S törung « soll also au f jeden F a ll bleiben. A ber wenn w ir die »V erhinderung«, also die N ötigu ng, in § 109 belassen, dann müßten w ir sie auch in §§ 104 und 107 beibe­ halten. Ic h w ürde vorziehen, dm N ötigungstatbestand aus § 109 herauszuziehen und der allgem einm Regelung zu überlassen und n u r die » S tö ru n g « , die doch selb­ ständige Bedeutung hat, in § 109 übrigzulassen. S taatssekretär D r . Freisler: M i r scheinen die A u s ­ führungen nicht durchschlagend zu sein. D a s V e rh in ­ dern kann ein Nötigungstatbestand sein, braucht es aber nicht zu sein, genau so wie das S tö re n in der Regel kein Nötigungstatbestand sein w ird , aber im einzelnen doch w o h l auch sein kann. D ie S tö ru n g kann wirklich der Versuch einer V erh in derung sein. Es ist deshalb nicht rich tig , zu sagen, daß das V erhindern unbedingt im m e r ein N ötigungstatbestand ist. W enn

man es also fü r nötig hält, den ganzen Wahlvorgang gegen Störungs- und Verhinderungsversuche zu sichern, dann w ird man beides hier erwähnen müssen: V erhin­ derung und Störung. Es liest sich sonst fü r den Nicht­ juristen komisch. E r kommt unwillkürlich auf den Ge­ danken: »stören« darf ich nicht, aber wenn es gelingt, zu verhindern, so ist es gut. (Heiterkeit. — Reichsjustizminister D r . G ürtner: D as ist absolut überzeugend!) M in iste ria lra t D r . Schäfer: Ein Beispiel fü r V er­ hinderung ohne S tö ru ng : Es geht jemand, bevor die W ahl begonnen hat, in das W ahllokal und holt die Wahllisten weg. D a m it ist die W ahl verhindert, denn ohne Wahllisten kann man nicht wählen. Es ist aber keinerlei Störung. Das Wahlbüro setzt sich hin, und wenn man anfangm w ill, stellt sich heraus, daß die Listen weg sind. Reichsjustizminister D r . Gürtner: M a n sollte dann Verhindern und Stören nebeneinander stehen lassen, auch auf die Gefahr hin, daß die beiden Tatbestände sich überschneiden. D e r F a ll w ird m it der Nötigung zusammengehen müssen. (M inisterialdirektor Schäfer: Bei der Nötigung w ird man auf eine höhere Strafe kommen müssen!) M an w ird die Festungshaft durch H a ft ersetzen müssen. (M inisterialdirektor Schäfer: D ie haben w ir jetzt gestrichen!) Haben die Herren die Meinung, daß in diesem Falle die H a ft vorgesehen werden soll? (Zurufe: Nein! — M in iste ria lra t D r . Schäfer: Es sei denn, daß es ein Überzeugungstäter ist!) — D er ist abgeschafft. D ann käme der 8110, V e r l e t z u n g d e s W a h l ­ oder A b s tim m u n g s g e h e im n is s e s . — § 111: V e r l u s t v o n R e c h t e n u n d F ä h i g ­ keiten. M inisterialdirektor Schäfer: M an würde vielleicht die Worte »die Amtsfähigkeit und« streichen können, weil die Amtsfähigkeit schon nach den Bestimmungen des Allgemeinen Teils immer aberkannt werden kann, sobald auf Gefängnis von drei Monaten erkannt w ird. Bei Gefängnis unter drei Monaten, wenn das über­ haupt in Betracht kommt, w ird dann auch die Aberken­ nung der Amtsfähigkeit kaum eine Rolle spielen. D a ­ gegen w ird fü r Aberkennung des Wahl- und S tim m ­ rechts selbständig hier Raum sein. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ich glaube, der Anregung könnte man Folge geben. (Zustimmung.) Staatssekretär D r . Freister: D a rf ich m ir erlauben, eine Anmerkung zu dem Abschnitt zu machen. I n dem Abschnitt ist auch über R e l i g i o n s g e s e l l s c h a f t e n gesprochen. M inisterialdirektor Schäfer: Diese Frage haben w ir hier zurückgestellt. (Staatssekretär D r . Freister: D ann ist es gut! Das wollte ich n u r fragen!) — Vielleicht bin ich doch falsch verstanden worden. W ir haben nicht die Frage zurückgestellt, ob auch die k i r ch t ic h e n W a h l e n hier einbezogen werden sollten,

sondern nur die Frage zurückgestellt, wie man die Rellgionsgesellschaften des öffentlichen Rechts bezeichnen sollte. Dagegen haben w ir geglaubt, die kirchlichen Wahlen wie alle Wahlen in öffentlichen Angelegen­ heiten einzubeziehen. Staatssekretär D r . Freisler: Ich bin der Meinung, daß man auch die Kirchenwahlen als Wahlen öffent­ licher Körperschaften ebenso schützen kann. Aber es ist wünschenswert, daß das nicht unter dem Namen » K ir­ chen« geschieht, sondern daß man überhaupt sagt: »Wahlen bei öffentlichen Körperschaften«. M inisterialdirektor Schäfer: D er Ausdruck ist hier: Wahlen in öffentlichen Angelegenheiten. D e r Ausdruck ist im heutigen Recht schon bekannt. Er umfaßt alle Wahlen von öffentlichen Körperschaften, die eben öffentliche Angelegenheiten betreffen. Auch heute wer­ den darunter schon die kirchlichen Wahlen verstanden. Aber da im merhin Zweifel möglich sein könnten, ist es ausdrücklich im Abs. 2 gesagt. Also sachlich besteht keine Disserenz. Es fragt sich nur, ob man es ausdrücklich sagen soll. Staatssekretär D r . Freisler: Deshalb würde ich vorschlagen zu sagen: »für Wahlen zu sonstigen Körper­ schaften des öffentlichen Rechts«. D arunter fallen dann auch die Kirchen. Dann ist die Kirche nicht allein p r i­ vilegiert/ und ich sehe nicht ein, warum sie allein p rivilegiert werden soll. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Wie soll nun der Text läuten? M inisterialdirektor Schäfer: I m Abs. 2 heißt es, daß die Vorschriften auch fü r Wahlen zu Organen von Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts gelten. Dabei ist offengelassen, ob man den Ausdruck» Kirchen« oder einen anderen wählen soll. Das ist eine Frage, die später bei den Religionsdelikten erörtert werden sollte. Staatssekretär D r . Freisler: Es bedeutet aber doch, daß L>ie ausdrücklich erkennbar machen wollen, daß die Wahlen zu Organen von Kirchen oder Religionsgesell­ schaften besonders geschützt sein sollen. Wenn Sie die Wahlen zu Organen sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts besonders schützen wollen, dann brauchen Sie die Religionsgesellschaften nicht besonders hervorzuheben. (M inisterialdirektor Schäfer: D as könnte aber zweifelhaft sein!) F ü r uns haben die Kirchen doch nur deshalb eine Be­ deutung, weil sie nach unserem staatlichen Recht »Kör­ perschaften des öffentlichen Rechts« sind. (M in iste ria lra t D r . Schäfer: D ie Kirchenwahlen beruhen nicht auf gesetzlichen Vorschriften, wäh­ rend bei den Wahlen zu den anderen Körper­ schaften in der Regel besondere Gesetze vorliegen!) — Herr Reichsminister, ich bitte, der Unterkommission nur zu sagen, daß sie versuchen soll, eine Ausdrucks­ form zu finden, die die Kirche oder die Religionsgesell­ schaften nicht als solche erwähnt, aber ihren Wahlen doch Schutz gibt. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Sonst wird das W o rt nicht mehr gewünscht. — Dann kehren w ir zurück zum § 149, W i d e r s t a n d g e g e n d i e Staatsgewalt. Ich wäre sehr dankbar, wenn li*

w i r darüber nicht mehr debattieren würden. Ic h glaube, die S tim m u n g der Kom m ission geht im großen und anzen dahin, das D ile m m a wegen der Rechtmäßigkeit er A m ts - und D iensthandlungen nicht im Wege des Verzichts, sondern dadurch zu lösen, daß m an versucht, eine begriffliche Abgrenzung der allergrößten Rechts­ w idrig keiten zu finden. Professor D r . Dahin (S tiel): Ic h möchte noch eine Frage auswerfen, die doch w ohl im Gesetz geklärt werden muß, nämlich die nach dem V e rh ä ltn is der §§ 149 und 149 a zum § 24 des E n tw u rfs , also zur Notw ehrbestim m ung. § 24 lautet jetzt: N o tw e h r ist diejenige V erteidigung, welche er­ forderlich ist, um einen gegenwärtigen rechts­ w id rig e n A n g r iff von sich oder anderen abzu­ wenden. Ic h nehme an, daß die B estim m ung des § 149 a in der jetzt vorgeschlagenen Fassung eine" Einschränkung des § 24 enthält, und möchte zur E rw ägu ng geben, ob nicht ausdrücklich gesagt werden soll, daß § 24 insow eit nicht gelten soll. D enn es w äre denkbar, daß m an gegen fehlerhafte S taatsakte, also gegen rechtswidrige Hand­ lungen eine N o tw e h r zuließe? Staatssekretär D r . Freisler: Ic h w ürde die von H e rrn M in is te ria ld ire k to r Schäfer in der U nte r­ kommission vorgeschlagene F o rm u lie ru n g fü r besser halten. M a n kann n u r hineinschreiben: »ist nicht straf­ bar« und kann daneben auch noch das W o rt »Notwehr« erwähnen, so daß es sich auf die N otw eh r m it bezieht. Reichsjustizminister D r . Gürtner: H alten die Herren fü r notw endig, daß man die N otw eh r durch einen be­ sonderen Satz ausschließt, also dem S inne nach: »ist n u r dann nicht stra fbar, wenn« ? (Zustim m ung.) S enatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): Es w ir d unbedingt n ö tig sein, daß, wie es in § 149 a Abs. 4 des R eferentenentw urfs geschieht, die »Rechtmäßigkeit« der A m tsausübung ausdrücklich als Voraussetzung der S tra fb a rk e it des W iderstandes aufgeführt w ird . Wenn w ir das nämlich nicht tun, werden die Gerichte gerade au f G ru n d des N otw eh rparagraphen im m er fragen, ob hier ein rechtsw idriger A n g r iff des Beam ten vo rlie g t, denn jeder Tatbestand setzt doch die R echtswidrigkeit vor­ aus. Es d a rf kein Unrechtsausschließungsgrund, insbe­ sondere N o tw e h r, vorliegen. E s handelt sich doch nur um die Frage, w ie w e it w ir die N otw eh r beim W id e r­ stände einschränken sollen, und da ist nun die Form el vorgeschlagen w orden, daß N o tw e h r gelten soll, wenn ein gröblicher M iß brau ch des A m ts vo rlie g t. D a s halte ich fü r selbstverständlich. D ie Beispiele, die H e rr Vize­ präsident G ra u und andere H erren angeführt haben, sind alle dem Bereich stra fbarer Handlungen der Be­ amten entnommen, und es ist eigentlich selbstverständ­ lich, daß, wenn ein B eam ter sich einer strafbaren H and­ lung — Körperverletzung oder Aussageetpreffung o. dg l. — schuldig macht, der einzelne das Recht haben muß, sich dagegen zu wehren. W enn w ir also die Rechtmäßigkeit nicht in § 149 a hineinschreiben, werden die Gerichte dazu kommen, vielleicht in viel größerem U m ­ fang, a ls w ir es fü r ric h tig halten, einen rechtwidrigen A n g r if f ' anzunehmen, vielleicht auch dann schon, wenn der Beam te nicht zuständig w a r oder wenn er die A m ts ­ handlung nicht in der gehörigen F o rm vorgenommen

hat usw. V o r allem ist noch eins zu bedenken. D ie Ge­ richte werden, davon ausgehend, daß die Rechtmäßig­ keit der A m tshandlung selbstverständliche V o ra u s ­ setzung der S tra fb a rk e it ist, auch die P u ta tiv n o tw e h r berücksichtigen. D a n n w ürde es dahin kommen, daß das, was w ir vermeiden w ollen, nämlich daß der V o r ­ satz des T ä te rs sich auch a u f die Rechtmäßigkeit zu er­ strecken habe, in der P ra x is durchgeführt werden würde. Ich halte es daher fü r richtig , den Abs. 2 des § 149a be­ stehen zu lassen, diesem Abs. 4 aber eine Maßgabe bei­ zufügen, die deutlich zeigt, in welchem U m fang w ir die N otw eh r ausschließen wollen. Ic h w ürde vorschlagen, zu sagen: die Rechtmäßigkeit der A m tsha ndlun g w ird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der A m ts trä g e r die A m tshandlung nicht in der gehörigen F o rm vorge­ nommen h a t oder daß er im E i n z e l f a l l nicht zu­ ständig w a r — d a m it würde die a b s tr a k te Zuständig­ keit f ü r die Rechtmäßigkeit der A m tsha ndlun g ve rla n g t werden — , u n d endlich w ir d sie nicht dadurch ausge­ schlossen, daß sich der Beamte in einem I r r t u m über die Voraussetzungen der A m tshandlung befunden hat. W ir w ollten ja gerade von der Auffassung des Reichsgerichts abrücken, daß ein nach dieser R ichtung gehender I r r ­ tum des Beam ten, wenn er nicht entschuldbar ist, die Rechtmäßigkeit der A m tsha ndlun g beseitigt. H ie r­ bei ist fü r mich selbstverständlich, daß jede 'strafbare H andlung eines Beamten N otw ehrrecht begründet und begründen muß, und das w ird durch die von m ir v o r­ geschlagene Fassung stillschweigend anerkannt. Es ist v o rh in bie M e in ung la u t geworden, daß die Rechtmäßigkeit auch durch den M a n g e l der allgemeinen (abstrakten) Zuständigkeit nicht b e rü h rt w ird . D a s scheint m ir bedenklich zu sein. W enn die P o lize i auf einem Gebiet handelt, wo sie von vornherein nichts zu suchen hat, dann hat der Beam te keinen Anspruch auf Schutz gegen W iderstand. N o tw e h r ist also gegeben. W enn die Fo rm e l der G röblichkeit des A m ts m iß ­ brauchs angenommen w ird , dann fra g t es sich doch: w ann liegt denn ein gröblicher M iß brau ch vor? I s t das erst dann der F a ll, wenn von dem Beam ten ein schweres Amtsverbrechen begangen w ird , oder schon dann, wenn der Beam te sonst bewußt seine B e fu g n is überschreitet, z. B . bewußt einen n u r leicht, nicht dringend Verdäch­ tigen festnim m t, und die Einstellung fü r den W iderstand leistenden T ä te r erkennbar h e rv o rtritt? Ic h meine, auch in letzterem Falle muß der Festgenommene ein N o tw e h r­ recht haben. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D ie F o rm u lie ru n g des Vorschlages von H e rrn Senatspräsidenten Klee würde etwa lauten: D ie Rechtmäßigkeit w ir d nicht da­ durch ausgeschlossen, daß der A m ts trä g e r die A m ts ­ handlung nicht in der gehörigen F o rm vorgenommen hat, daß er im Einzelfalle nicht zuständig w a r, oder daß er sich in einem I r r t u m über die Voraussetzungen der A m tshandlung befunden hat. W enn der Abs. 4 ganz w egfällt, kommen w i r im übrigen bei der P u ta t iv ­ notw ehr in unlösbare Schwierigkeiten. S taatssekretär D r . Freisler: Ic h fasse auch den V o r ­ schlag von H e rrn Senatspräsidenten Klee in dem S in n e auf, daß er einer der Vorschläge sein soll, die der U n te r­ kommission als M a te ria l dienen. A ber es ist doch n ö tig , angesichts der Empfehlung dieses Vorschlages auch bie Bedenken dagegen ganz kurz hervorzuheben. M e in Hauptbedenken gegen den Vorschlag ist die erschöpfend

sein wollende Kasuistik, die in W irklichkeit nicht er­ schöpfend ist. Ic h erinnere an den bindenden B e fth l. D e r Beam te handelt au f B efehl seines Vorgesetzten. (Senatspräsident Professor D r . Klee: Ic h hatte schon da ran gedacht, den Vorgesetzten noch h ine in­ zuschreiben.) I n diesem Augenblick habe ich noch keinen zweiten F a ll, aber ich bin überzeugt, daß w ir innerhalb einer halben S tunde eine Reihe anderer F älle finden könnten. Ic h glaube deshalb, dieser Vorschlag w ir d nicht dahin führen, daß die Gerichte eine erhebliche Beschränkung einführen, sondern w ir d das ©egenteit dessen, w as w ir w ollen, herbeiführen, nämlich eine Einschränkung der H and lung sfreihe it des Beam ten. W ir sollten doch ver­ suchen, wie S ie , H e rr M in is te r, heute v o rm itta g an­ regten, einen allgemeinen H in w e is zu finden, und sollten nicht mehr als diesen allgemeinen H inw eis geben. I n dem Falle übrigens, den H e rr S ena tsprä sid m t Klee an­ füh rte, daß der Beamte sagt: D u paßt m ir schon lange nicht/ ich verhafte D ich a u f alle F älle! t r i t t der B e ­ amte ga r nicht m it dem Anspruch auf, eine A m tsha nd­ luna vorzunehmen. D enn wenn er sagt: es ist egal, ob ich dich verhaften d a rf oder nicht, ich w ill an d ir Rache nehmen! — dann ist das keine A m tshandlung, w as ja der Beam te selbst zugegeben hat, und es ist fü r den R ich­ ter eine K leinigke it, das zu erkennen und auszusprechen. W a s das N otwehrrecht an la n g t, so w o llm w ir gar nicht in diesem Umfange das H inde rn des Beam ten an­ erkennen. I n diesem Um fange w o llm w i r auch P u ta t iv ­ notwehr nicht zulassen. D a s müssen w i r aber irgendw ie zum Ausdruck bringen, und wenn w ir sowieso versuchen w o llm , einen richtunggebenden H inw eis zu bringen, so müssen w ir das auch hineinschreiben. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: U nte r S tra fb a rk e it kom m t P u ta tiv n o tw e h r nicht in Frage.) D a s ist richtig . N u n dm km S ie sich aber, an wen sich das Gesetz wendet, nämlich an das V olk, und das V olk weiß von alledem ga r nichts, sondern beim V o lk ent­ steht sofort der Gedanke: es g ib t keine N otw ehr. D es­ halb muß ich dem Volke sagen, w iew eit es N otw eh r g ib t/ denn das Gesetz soll sich nicht an den S t r a f ­ juristen, sondern an das V o lk wenden. Professor D r . Mezger (M ünchen): W e n n ein Zusatz aufgenommen werden soll, bin ich fü r den Vorschlag von H e rrn M in is te ria ld ire k to r Schäfer, der au f den »gröblichen M ißbrauch« abstellt. B e im I r r t u m muß noch irgendw ie der »entschuldbare« I r r t u m betont w er­ den. E in B eam ter setzt beispielsweise in grob fa h r­ lässiger Weise dm V erhafteten einem schwerm körper­ lichen Schaden aus. H ie r muß es unter Umständen doch möglich sein, daß sich der Betroffene gegen den B e ­ amten zur W ehr setzt. H ie r macht sich der Beamte eines Amtsvergehens schuldig, m an d a rf den B e tro f­ fenen deshalb nicht schutzlos lassen. (Senatspräsident Professor D r . Klee: Es sei denn, daß eine strafbare H and lung v orlie gt.) Professor D r . Dahm (K ie l): Jetzt steuern w ir w ie­ der a u f die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu. D ie Einschränkung, die H e rr S ena tsprä sid m t Klee v o r­ geschlagen und H e rr Professor Mezger be fürw ortet hat, geht v ie l zu w eit. Heute m o rg m ist beschlossen w orden, 34.

daß es so heißen soll: D ie T a t ist strafbar, wenn die A m ts- oder D iensthandlung offenbar nicht rechtsw idrig w a r. D azu käme der Zusatz, daß § 24 insoweit aus­ geschlossen sein soll. Nach der Ansicht des H errn Klee w ürde jede Überschreitung der abstrakten Zuständigkeit die N otw eh r rechtfertigen. D a s ist praktisch und g ru n d ­ sätzlich unerträglich. Professor D r . Gras Gleispach (B e rlin ): A ls G ru n d ­ gedanke soll doch aus § 149 hervortreten, daß ein W iderstand gegen die Behörde und gegen A m tsträ g e r nicht gestattet ist, darum bin ich gegen die Methode von H e rrn Senatspräsidenten Klee, w e il dabei die Recht­ mäßigkeit der A m tshandlung als etwas hervorgehobm w ird , was die Voraussetzung fü r die Bestrafung sei, und dabei w ird n u r deduktiv durch den Ausschluß ge­ wisser Fälle der Rechtmäßigkeit der H and lung versucht, einen zu w eitgehm dm W iderstand einzuschränken. Ic h bin also durchaus fü r den Vorschlag, es so auszudrücken, daß bei grobem M ißbrauch der A m tsge w alt eine S t r a f ­ barkeit nicht e in tritt. W enn w ir einen ähnlichen Z u ­ satz aufnehmen, ist ein w eiterer H inw eis a u f die B e ­ schränkung des Notwehrrechts nicht n o tw m d ig . (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r:

Juristisch!)

D a s versteht sich von selbst. N u r wenn w i r hier ga r nichts sagten, wie es heute v o rm itta g zur Diskussion stand, wäre das gerade G egm teil von dem, was w ir wollen, das E rgebnis, w e il dann der N o tw eh rpa ra­ graph voll angewmdet w ird , selbst m it der P u ta tiv ­ notw ehr. D ie beste Lösung ist doch die, daß nicht gesagt w ird , wann die T a t oder der T ä te r stra fbar ist, son­ dern daß gesagt w ird : in bestimmten Fällen, also beim groben M iß brauch der A m tsge w alt, ist der T ä te r nicht strafbar. D a s ist auch volkstümlich, und d a ra u f kommt es hier auch sehr an. Reichsjustizminister D r . Gürtner: W ir können die Debatte schließen. W as w ir w ollen, scheint klar zu sein. I m übrigen ist F o rm u lie ru n g sm a te ria l zu dem P a ra graphm genug geliefert worden. N u n zur Frage der V e re in ig u n g von § 149 und § 149 a. D a s w a r eine Eventualfrage zum Abs. 4, die m ir erledigt zu sein scheint. (S taatssekretär D r . F re is le r: Ic h glaube nicht. Ic h bitte jedenfalls, der Form ulierungskom m ission anheimzugeben, zu prüfen, ob trotzdem die Verein­ heitlichung möglich ist.) W ir kämen zu § 150. H ie r ist die Frage gestellt worden, ob er überhaupt notw endig ist. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Z u § 149 habe ich eine Frage zu stellen, nämlich, wie es hier m it dem W iderstand gegen Geistliche stehen soll. D ie katholische Kirche hat durch den M u n d der Fuldaer Bischofskonferenz den A n tra g gestellt, die Geistlichen in den Schuh des § 149 einzubeziehen, und macht geltend, daß die Beeinflussung von Geistlichen durch D rohungen bei irgendwelchen kirchlichen V errichtungen und A m ts ­ handlungen g a r nicht selten ist und daß die Kirche hier ein Schutzbedürfnis hat. D on meinem S tand pun kt aus w ürde ich nichts dagegen haben. W enn jemand sagt: du m ußt m ir A bsolution erteilen, und wenn du es nicht tust, passiert das und das! — (S taatssekretär D r . F re is le r: — dann gehe ich aus der Kirche heraus!)

— dann muß dem Geistlichen staatlicher Schutz zuteil werden, vorausgesetzt, daß das angedrohte Übel m it objektivem M a ß gemessen, ein erhebliches ist. End­ gültige S tellungnahm e kann aber Vorbehalten werden, bis feststeht, wie der allgemeine Nötigungstatbestand gestaltet ist. Reichsjustizminister D r . Gürtner: W i r kämen nun zu § 150. D a ist die F rage gestellt w orden: ist eine solche Bestim m ung überhaupt notwendig? M a n könnte sie höchstens zur Diskussion stellen bezüglich der P e r­ sonen, die zur Unterstützung bei einer A m ts- oder D iensthandlung zugezogen worden sind, nicht bezüglich der zur A ufrechterhaltung der öffentlichen O rd nun g und S icherheit hinzugezogenen Personen/ denn die, meine ich, müßten unter unseren A m ts trä g e rb e g riff zu bringen sein. O berlandesgerichtsrat D r . Schäfer: Es kommen auch Fälle in B etracht, in denen die Rechtsprechung einen privatrechtlichen V e rtra g zwischen dem Polizeibeamten und der zugezogenen P riv a tp e rs o n angenommen hat. W ir d beispielsweise einem Polizeibeamten bei einer Festnahme W iderstand geleistet, so kann er jemand aus dem P u b lik u m b itte n , ihm behilflich zu sein. W enn der Betreffende ihm n u n h ilft, so n im m t die Rechtsprechung an, es sei ein privatrechtlicher V e rtra g zwischen dem S ta a t, vertreten durch den Polizeibeamten, und dieser P riv a tp e rs o n abgeschlossen worden. K o m m t der P r i ­ vate dabei zu schaden, dann soll dieser V e rtra g nach der Rechtsprechung die V erpflichtung des S taates zum Schadensersatz enthalten. I n solchen Fällen w ir d der Hinzugezogene nicht A m ts trä g e r. E r leistet dem A m ts ­ trä g e r H ilfe , üb t aber selbst keine obrigkeitliche G ew alt aus. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a s unterstützt das, was ich v o rh in sagte. W enn jemand von der zuständigen Behörde, zum Beispiel von der P olizeidirektion B e r lin eine A rm b in de bekommt, a u f der steht: » H ilfspo lize i«, und den A u ftra g erhält, bei einer S traß en- oder Verkehrsregelung m itzuw irken, so ist das nach unserer D ik tio n ein A m ts trä g e r. Schwierige ist es bei der Unterstützung. D a sehe ich nicht g u t, ob m an das unter den B e g riff des A m ts trä g e rs bringen kann. S taatssekretär D r . Freisler: Ic h vermag der A rg u ­ m entation des H e rrn Oberlandesgerichtsrats Schäfer nicht zuzustimmen. Ic h sehe nicht ein, w a ru m derjenige, der zur Unterstützung zugezogen ist, dazu nicht von der zuständigen S telle zugezogen sein soll. Diese S telle ist ja doch gesetzlich dazu erm ächtigt, das zu tu n , und auf G ru n d dieser E rm ächtigung tu t sie es. D ie Bestellung und die H inzuziehung zur Unterstützung scheint m ir aber auch eine obrigkeitliche T ä tig k e it zu sein. W enn wirklich die Rechtsprechung, also die Zivilge richtsb arkeit, form al m it der K onstruktion eines privatrechtlichen Vertrages kommt, so muß ich doch sagen, daß diese Konstruktion absurd ist/ denn d a ra n denkt in diesem Augenblick weder der bestellende Polizeibeam te, noch der Bestellte, sondern das ist eine typische, aus der L u ft gegriffene juristische Konstruktion, die n u r dem Zweck dient, zu einer be­ stimmten B egründu ng eines fü r ve rn ü n ftig gehaltenen U rte ils zu kommen. S o etwas kann doch fü r uns kein A rgu m ent sein. Oberlandesgerichtsrat D r . Schäfer: Ic h d a rf nur sagen: nach geltendem preußischen Polizeirecht ist ein

Polizeibeam ter nicht befugt, einer P riva tp e rso n polizei­ liche Befugnisse zu übertragen. D ie Ü bertragung polizei­ licher Befugnisse an H ilfspolizeibeam te ist Sache des Ressortministers, also des In n e n m in iste rs und der von ihm beauftragten S tellen, in der Regel der R egierungs­ präsidenten. Dieser Rechtszustand müßte dann dahin geändert werden, daß auch jeder Polizeivollzugsbeamte die zur Hilfeleistung hinzugezogenen Personen zur W ahrnehm ung polizeilicher Aufgaben ermächtigen kann. Staatssekretär D r . Freisler: D e r Polizeibeamte kann doch irgend jemand hinzunehmen/ man müß doch überhaupt P olize ih ilfe leisten! Oberlandesgerichtsrat D r . Schäfer: D a s g ilt nach dem Liebesparagraphen n u r bei Unglücksfällen und ge­ meiner Gefahr oder N o t, aber nicht bei irgendeiner Fest­ nahme. Es ist meist guter, fre ie r W ille des M annes aus dem P u b liku m , wenn er H ilfe leistet. (Staatssekretär D r . F re is le r: D a s verstehe ich nicht!) D a n n müßte schon das preußische P vlizeirecht geändert werden, und man müßte dem einzelnen Exekutivbeamten diese B efug nis geben. S taatssekretär D r . Freisler: Ic h bin der M e in ung , daß heute frü h die Debatte im E rgebnis nach folgender R ichtung ging. Es w urde zw ar die M e in u n g vertreten, daß das u n nötig sei, aber trotzdem wurde erklä rt, daß es aus Gründen der E in w irk u n g au f die Bevölkerung nichts schade, wenn man es erwähne. D eshalb kann man es ja auch erwähnen, selbst wenn es un n ö tig sein sollte, und zw ar kann m an es ebenso erwähnen, wie man § 151 erwähnen w ird . Reichsjustizminister D r . G ürtner: J a , erwähnen bloß m it der Unterstützung oder auch m it diesen Q uasi-A m tsträgern? D a s ist nun die Frage, die w ir der Untcrkommission überlassen können. Z u § 151, gegen dessen I n h a l t sich kein Bedenken erhoben hat, besteht n u r der Wunsch, ih n in einen anderen Abschnitt zu verweisen. Dieser Wunsch ist aber zurückgezogen worden, und nunm ehr wurde vorge­ schlagen, ih n in § 149 einzuarbeiten. D azu lie g t ein Vorschlag des H e rrn M in is te ria ld ire k to rs Schäfer vor, der folgende Fassung en thält: E inem A m ts trä g e r steht gleich, wer m it der W ahrnehm ung des Forst-, Jag d- oder Fischerei­ schutzes betraut ist. (Zustim m ung des Staatssekretärs D r . F reisler.) Professor D r . D ahm (K ie l): Ic h b in durch H e rrn S taatssekretär F re isle r überzeugt worden und habe jetzt auch gegen § 151 Bedenken. E in m a l sind in § 151 n u r D roh ung en m it G ew a lt vorausgesetzt. Anders in § 149/ daraus ist die Rechtmäßigkeit der G ew altaus­ übung zum Tatbestandsmerkmal gemacht, das vom Vorsatz um faß t werden soll, — wie im § 117 S tG B , nach der heutigen Rechtsprechung. W enn man aber den m it dem Waldschutz usw. B etra u te n als F u n ktio n ä r der Gemeinschaft betrachtet — und das ist rich tig — , dann muß m an ih n auch dem Beam ten gleichstellen. § 151 wäre also dem § 149 stärker anzugleichen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h glaube, das ist eine Lösung, gegen die m an gar nichts sagen kann/ denn d a m it findet nun das gesamte W iderstandsrecht auf diesen Betreffenden auch Anwendung. Gegen diese

analoge Hereinziehung frem der Elemente in die B e­ amtenkategorie habe ich n u r aus dem G runde keine Bedenken, w e il ich sagen kann, daß das eben auch eine A r t P olizei ist. Also § 151 würde in dieser Fassung gänzlich weg­ fallen und als T e il des § 149 oder des § 150 er­ scheinen. W i r kommen zu § 152, der den s c h w e r e n W i d e r s t a n d behandelt. Auch hier w urde die Frage des Bedürfnisses gestellt. Diese Frage hängt, glaube ich, zusammen m it den S tra fd ro h u n g e n fü r den Grundtatbestand. (Staatssekretär D r . F re is te r: J a !) Eine zweite Frage ist folgende. S o ll m an die S t r a f ­ erschwerung lediglich an die ernste G efährdung fü r Leib und Leben knüpfen oder allgemein eine S trafschär­ fung fü r besonders schwere F ä lle vorsehen? D enn ich könnte m ir denken, daß andere M om ente auch eine Straferschw erung begründen könnten. Professor D r . D a h m (K ie l): D a s ist, glaube ich, ein E inw and gegen die Technik des Referentenentwurfs überhaupt, den m an d a ra u fh in noch einm al durcharbei­ ten muß. W ir sind bei der Hervorhebung der E r ­ schwerungsmomente v iel zu sehr in Kasuistik verfallen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Also Ih n e n würde der Gedanke sympathisch sein? (Professor D r . D a h m :

S e h r!)

Staatssekretär D r . Freister: Ic h w ürde die E r ­ schwerungsmomente hier nach M öglichkeit überhaupt weglassen und die besonders schweren M lle im Allgemeinen T e il regeln. D a s w a r auch m ein Vorschlag. R u r m it Rücksicht auf diesen Vorschlag, den ich gleich­ zeitig gemacht hatte, habe ich § 1 5 2 fü r überflüssig gehalten. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Also w ürden w ir jetzt zunächst einm al die besonders schweren Fälle hier ein­ stellen und würden uns vorbehalten, später eine Ände­ ru ng vorzunehmen. Staatssekretär D r . Freisler: Es lo h n t sich schon, wenn es n u r zwei Fälle sind/ es sind aber tatsächlich mehr als zwei Fälle. R u n können w i r ja folgender­ maßen verfahren: W enn w irklich die Zuchthausandro­ hung sich als notwendig erweist, so können w ir schon ier in der Anmerkung erwähnen, daß w ir den Geanken haben, das im Allgemeinen T e il zum Ausdruck zu bringen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: W i r kämen dann zu § 153, der wie ein Solokrebs in diesem Teich schwimmt (Heiterkeit) und dem seine Existenzberechtigung vielfach bestritten worden ist. W enn w ir den Tatbestand verallgem einern und sagen: »W er es un te rn im m t, einen Beam ten zur V e r­ letzung seiner Dienstpflicht zu verleiten«, dann geht das meines Erachtens etwas zu w eit. Wenigstens ist das mein erster Eindruck. W enn hier der Polizeibeamte und Verwahrungsbeam te besonders genannt sind, so h a t das seinen G ru n d , w e il ja auf der anderen S eite die T a t­ bestände zum Schutz von Beam ten und später dann auch

noch zum Schutz gegen V erw ahrungsbruch usw. au f­ gestellt sind. H ierzu möchte ich noch eine U nterfrage stellen. W enn w ir schon die V e rleitu ng von Beamten allgemein zu einer Dienstverletzung unter S tra fe stellen, gehört das dann nicht in die Beamtendelikte, und zw ar m it dem gleichen Recht wie die Bestechung? S taatssekretär D r . Freisler: W enn es übertrieben erscheint, die V e rle itu n g zum Treubruch allen Beamten gegenüber unter besondere S tra fe zu stellen, dann scheint es m ir nicht richtig zu sein, von der A ufw iegelung von Polizeibeamten und Gefangenenaufsehern zu sprechen, schon deshalb, w e il das den Eindruck erwecken würde, als ob diese Beamten nun ih re r psychischen Anlage nach besonders geeignet w ären, Versuchungen zu unterliegen. D a s hat diese Beam tengruppe ganz sicher, nachdem das J a h r 1933 abgelaufen ist, nicht verdient. D e r Gedanke, der zugrunde liegt, ist ja auch ein anderer. D e r Gedanke ist der, nicht bestimmte Gruppen von Beam ten in ih re r psychischen In t e g r itä t zu schützen, sondern zu schützen das Funktionieren der Aufrechterhaltung des Dolksfriedens. D a n n gehört es übrigens auch hierher, und des­ halb würde ich vorschlagen, es so zum Ausdruck zu b r in ­ gen. D a s w ürde also eine Ausdehnung sein, nicht auf alle Beam te, aber es w ürde den Gedanken züm Ausdruck bringen, der hier in W irklichkeit zugrunde liegt: es soll das Funktionieren der Aufrechterhaltung der O rdnung im Volksleben besonders geschützt werden. Es müßte also von allen Beam ten gesprochen werden, deren Funk­ tio n d a rin besteht, die staatliche oder völkische O rdnung aufrechtzuerhalten. Reichsjustizminister D r . Gürtner: S ie würden sich n u r gegen diese A ufzählung "Polizeibeam te und Gefan­ genenaufseher« wenden? Staatssekretär D r . Freisler: Ic h bin nicht nu r gegen die A ufzählung, sondern die Fassung scheint m ir auch zu eng zu sein. Ic h w ürde darunter doch zum Beispiel auch die S taatsanw altsch aft einbeziehen. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: U n d S ie suchen nach einem O berbegriff fü r diese Kategorie?) — J a , und dieser O berbegriff muß meiner Überzeugung nach gefunden werden in der F o rm u lie ru n g der Ursache, wegen der diese Bestim m ung aufgenommen worden ist. Diese Ursache ist das B e d ü rfn is, den T e il des S ta a tsa p p a ra ts, der den Schutz der O rdnung garan­ tie rt, gegen V e rle itu n g besonders zu sichern. D a s braucht m an n u r zum Ausdruck zu bringen, und dann w ir d es ja hierher gehören. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a n n gehört es hierher. Deswegen steht es auch da. Ic h glaube, daß das der G ru n d gewesen ist. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s ist durchaus der Grundgedanke gewesen!) Also dürfen w ir an die Unterkommission den Wunsch geben, die W endung »Vorschriften oder Ordnungen« zu beseitigen, und den Grundgedanken nicht durch eine kasuistische A ufzählung, sondern durch eine allgemeine Umschreibung zum Ausdruck zu bringen. R u n kämen die §§ 154 bis 159: G efangenenm euterei undGefangenenbefreiung. D ie M e in ung , daß diese P aragraphen in einen ande­ ren Abschnitt, nämlich in den Abschnitt »A ng riffe gegen

Rechtspflege und Verwaltung« eingestellt werden soll­ ten, wurde vertreten und bestritten. Ich habe mir hier einmal notiert: »Sollen bleiben« und dann wieder: »Freister und Kohlrausch für die Beibehaltung des Sitzes der Materie«. Ich würde eigentlich dazu neigen, es hier zu lassen, und zwar mit Rücksicht auf den Grundtabbestand, die Meuterei. D as ist doch eine sehr dramatische Form der Auflehnung gegen die S taats­ gewalt, und dies ist doch die Überschrift unseres Ka­ pitels. Staatssekretär D r. Freisler: Sollen wir zum Aus­ druck bringen, ob wir grundsätzlich dieser Meinung sind, oder soll auch über die Art, wie es aufrechterhalten wird, schon gesprochen werden? Reichsjustizminister D r. Gürtner: Zunächst einmal sedes materiae!

(Staatssekretär D r. Freisler: Einverstanden!)

— D a sind Sie einverstanden! D ann kämen wir zum Tatbestand selber. Die Herren haben den Text vor sich. Es heißt int § 154: Gefangene, die mit vereinten Kräften einen Anstaltsbeamten oder einen m it ihrer Beauf­ sichtigung Beauftragten mit Gewalt oder mit Drohung mit Gewalt zu einer Handlung, D ul­ dung oder Unterlassung nötigen, werden mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Ebenso werden Gefangene bestraft, die mit vereinten Kräften einen Anstaltsbeamten oder einen mit ihrer Beaufsichtigung Beauftragten tätlich angreifen oder Sachen zerstören oder be­ schädigen. Den nächsten Absatz kann man streichen. Nun muß ich bitten, die Beratung abzubrechen. W ir setzen die Beratung morgen, 9 Uhr, fort. (Schluß der Sitzung 18,34 Uhr.)

NelchSbruckeret. Berlin.

Strafrechtskommisston

35. Sitzung Z

Juni 1934

I n ha l t Auflehnung gegen die S ta a tsg ew a lt spräche)

(Schluß der AuS-

Ge fa ng ene n meutere! b e fr e i u n g

Gefangenen-

und

Reichsjustizminister D r. Gärtner

.................. t. 4. 5.

Berichterstatter Professor D r. Dahni ( K ie l) ...........1.

6 8

Berichterstatter Staatssekretär D r. Freister 2. 5. 7. 8.

9

Professor D r. Dahm ( K ie l) .................................

4. 7.

8

Vizepräsident Grau ..............................................................

4

Professor D r. Graf Gleifpach (Berlin) .......................

5

Ministerialdirektor S c h ä fe r ....................................... 5. 8 . 9 Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin) . . . . 5.

7

Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig)........................

6

Professor D r. N agler ( B r e s l a u ) ....................................

7

Ministerialrat D r. S c h ä fe r .................................................

8

Ministerialdirektor D r. D ü r r ............................................

9

B ru ch

amtli cher

Verfügungsgewalt

Berichterstatter Professor D r. Dahm ( K ie l).............9. 13 11. 12. 13 14 . 15

Berichterstatter Staatssekretär D r. Freister

Professor D r. N agler (Breslau) .................................... Ministerialdirektor S c h ä fe r ...............................

11

11. 14. 15

Senatspräsident Professor D r. Klee ( B e r lin ) .............

12

Professor D r. Kohlrausch (B er lin )..................................

13

Professor D r. Graf Gleifpach (Berlin) .................. 14. 15 Professor D r. Mezger (M ünchen)............................... 14. 15 OberlandeSgerichtörat D r. S c h ä fe r ............. § 166a

b is

................

15

tz 1 6 8 a

Ministerialdirektor S ch ä fer............................................ 15. 16 Berichterstatter Professor D r. Dahm (K ie l)____15.

16

Professor D r. Graf Gleifpach (Berlin) .......................

15

Professor D r. Mezger (M ünchen)....................................

16

Professor D r. Kohlrausch (B e r lin ).................................. 16 Staatssekretär D r. Freister............................................

16

Angriffe gegen die Wehrmacht Reichsjustizminister D r. Gärtner 16. 2 1 . 2 2 . 2 3 . 2 4 . 25 Berichterstatter Vizepräsident G r a u ................

16. 2 2 . 24

Berichterstatter Professor D r. Kohlraufch (Berlin) 19.

22

Korvettenkapitän S ch n iew in d .................................... 2 1 .

24

Oberführer Binz ........................................................... 2 1 .

24

Professor D r. D ahm (K iel)...............................................

22 22

Ministerialdirektor S c h ä fe r ............. ....................

...........

Professor D r. G raf Gleifpach ( B e r l i n ) ........................ 23 Ministerialrat D r. S ch ä fer................................................. 23 Professor D r. Mezger (München)....................................

23

SenatSpräfident Professor D r. Klee (B e r lin ) .............

25

(Aussprache abgebrochen) 35.

Beginn der Sitzung 9 Uhr 14 Minuten. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Meine Herren! W ir würden nach dem gestrigen P lan bei den Bestim­ mungen über Gefangenenmeuterei und Gefangenenbefreiung zu beginnen haben. Dazu ist wohl noch nicht referiert worden, Herr Professor Dahm? (Professor D r. Dahm sKielj: Herr Reichsminister, ich darf vielleicht diesen ganzen Komplex zusammen behandeln?) — D as wären also die §§ 154 bis 159 einschließlich. Berichterstatter Professor D r. Dahm (Kiel): Ich möchte die Gefangenenbefteiung vor der Meuterei behandeln. Es wäre meiner Meinung nach erwägens­ wert, ob man nicht die Gefangenenbefteiung auch im Gesetz vor der Meuterei regeln sollte. Zunächst der Begriff des Gefangenen, von dem im § 158 die Rede ist. Die Vorschriften der §§ 156 bis 158 beziehen sich auf Gefangene der Justiz- und Ver­ waltungsbehörden, einschließlich der Personen, die in Sicherungsverwahrung oder in einem Arbeitshause untergebracht sind. Davon unterscheidet § 159 die behördlich Verwahrten, Fürsorgezöglinge, Personen, die in Trinkerheilanstalten untergebracht, sind usw. Diese Bestimmung verdient an sich Zustimmung. Nur wird man, glaube ich, prüfen müssen, ob nicht die Bestimmung des § 159, die sich jetzt auch in der S tra f­ drohung von den Bestimmungen der §§ 156 ff. unter­ scheidet, mit den §§ 156ff. vereinigt werden kann. Ich halte eine Unterscheidung im Strafm aß hier nicht für unbedingt notwendig und möchte eine Vereinfachung anregen. Ich sehe auch keinen Grund dafür ein, daß, wenn das fahrlässige Entweichenlaffen von Gefangenen überhaupt unter Strafe gestellt werden soll, das nicht auch für Personen gelten soll, die gemäß § 159 in Verwahrung genommen sind. Ich möchte also vor­ schlagen, daß § 159 in § 158 hineingearbeitet wird. Nun die Tatbestände im einzelnen. Zunächst wird zu prüfen sein, ob auch die S e l b s t b e f r e i u n g e i n e s G e f a n g e n e n unter Strafe gestellt werden soll. Die Selbstbefreiung eines Gefangenen ist heute bekanntlich straflos, abgesehen von der Bestimmung des ß 179 des Militärstrafgesetzbuchs. Die Rechtsprechung ist aber der Meinung, baß ein Gefangener sich in dem Augenblick strafbar macht, in dem er an der strafbaren Handlung eines anderen teilnimmt. M an stößt hier auf das Problem der sogenannten notwendigen Teil­ nahme. D er Gefangene, der zur BefteiunHshandlung eines anderen Beihilfe leistet oder dazu anstiftet, macht sich nach dem Reichsgericht strafbar. Nun halte ich den Standpunkt, nach dem die Selbstbefteiung -des Gefan­ genen straflos ist, de lege ferenda für bedenklich. Meiner Meinung nach sollte die Selbstbefreiung des Gefangenen unter Strafe gestellt werden. Natürlich läßt sich der Standpunkt des geltenden Rechts vertei­ digen. Man kann die Ansicht vertreten, daß auf den natürlichen Freiheitstrieb des Gefangenen Rücksicht zu nehmen sei. Richtiger scheint mir aber der Standpunkt des italienischen, englischen und japanischen Rechts, das die Selbstbefteiung unter S trafe stellt. D er (befangene hat eben zu sühnen und lehnt sich, wenn er entweicht, i

gegen die A utorität des S ta ate s und gegen die Gemeinschaft auf. Zweitens die B e f r e i u n g e i n e s G e f a n e n e n d u r c h a n d e r e , das heißt der Tatbestand es § 156 des Referentenentwurfs, der die heute in den §§ 120, 121 und 347 des Strafgesetzbuchs verstreu­ ten Vorschriften zusammenfaßt. Hierzu sind einige tech­ nische Einzelheiten zu bemerken. § 156 regelt auch die Beihilfe m x Selbstbefreiung eines Gefangenen, ein Tatbestand, der bezeichnet ist durch die W orte: »Wer . . . sein Entweichen erleichtert«. Sollte nun aber, was ich für richtig hielte, die Selbstbefreiung unter kriminelle S tra fe gestellt werden, so würde die Frage auftauchen, ob man die Beihilfe zur Selbstbefreiung unter § 156 bringen oder ob es bei den allgemeinen Teilnahme­ regeln sein Bewenden haben soll. Meiner Meinung nach wäre die Beihilfe zur Selbstbefreiung auch dann als delictum sui generis in § 156 zu regeln, weil die Gründe für eine mildere Bestrafung der Selbst­ entweichung — Rücksichtnahme auf den Freiheitstrieb usw. — auf die Beihilfe zur Befreiung durch andere nicht zutreffen würden. Ferner würde ich die Faffung »Wer sein Entweichen erleichtert« ersetzen durch die W orte: »Wer seine Befreiung erleichtert«. D a s ist eine gewisse Erweite­ rung des Tatbestandes. Es wäre da an den immerhin möglichen Fall zu denken, daß jemand Beihilfe leistet zur Befreiung eines Gefangenen durch andere gegen seinen, des Gefangenen, Willen. M an hat auf diese Lücke schon mit Recht im Schrifttum hingewiesen. D ritte n s ist die Frage der Anstiftung zur Selbst­ befreiung zu klären. Auch dieser Fall ist durch § 156 nicht eindeutig erfaßt. Z w ar w ird die Anstiftung zur Selbstbefreiung in der Regel eine psychische Erleichte­ rung des Entweichens darstellen, notwendig ist das aber nicht. Sollte m an die Selbstbefreiung unter S trafe stellen, dann bedarf es keiner besonderen Bestimmung, denn dann gelten die allgemeinen Teilnahmebestim­ mungen. Anderenfalls wäre die Wendung »erleichtern« durch eine weitere Fassung zu ersetzen, die auch die Anstiftung mitumfaßt. I n der Bestrafung wäre eine gewisse Differenzierung denkbar, die sich auch in ausländischen Rechten findet. I m Ausland wird z. B . nach der A rt der Gefan­ genschaft unterschieden. M an unterscheidet etwa in Ita lie n zwischen der Befreiung von Zuchthaussträflingen auf der einen Seite und der Befreiung von Gefängnisinsassen auf der anderen Seite. I n anderen Rechtm, z. B . im englischen und französischen Recht, wird danach unterschieden, ob die Befreiung mit Gewalt oder ohne Gewalt erfolgt. Ober, das ist die dritte und beste Möglichkeit, es wird nach dem Grade der Pflichtverletzung unterschieden. S o unterscheidet man in Deutschland zwischen dem Amts träger im wei­ teren Sinne, also dem, dem der Gefangene anvertraut ist, und anderen Personen. Diese Unterscheidung macht auch der Referentenentwurf im § 156. Ich würde es dabei lassen und nur die Verletzung der Dienstpflicht noch besonders erwähnen, um auch Angehörige der S A zu erfassen, die m it der Bewachung der Gefangenen betraut sind usw. Die S tra fe des § 156 Abs. 3 für die Gefangenenbefreiung scheint m ir zu hart. Daß da n u r Zuchthausstrafe vorgesehen wird, halte ich nicht für richtig. Meiner Meinung nach müßte hier Gefäng­

nisstrafe wahlweise neben Zuchthaus angedroht werden. § 156 Abs. 2, die Versuchsbestimmung, fällt weg. Sodann kommt als dritter Tatbestand neben der Selbstbefreiung und der Befreiung der Gefangenen durch andere die f a h r l ä s s i g e G e f a n g e n e n ­ b e f r e i u n g in Betracht. Ich könnte m ir denken, daß es einer Bestimmung über das fahrlässige Entweichenlaffen von Gefangenen überhaupt nicht bedarf und daß für diesen Fall die Disziplinarstrafe genügt. Sollte man aber die fahrlässige Gefangenenbefreiung unter kriminelle S tra fe stellen, dann würde ich auch hier wieder die Faffung vorschlagen: »wer seine Befreiung erleichtert«. D arunter würde auch die fahrlässig falsche Berechnung der S trafzeit gehören und das Be­ dürfnis befriedigen, das sich schon bei § 156 ergab. Neben Gefängnis- und Geldstrafe wäre hier Haftstrafe vorzusehen. § 157 Abs. 2 würde ich streichen. Sodann w ird gelegentlich von den Gefängnisverwal­ tungen vorgeschlagen, man sollte den unberechtigten Verkehr des Publikums m it den Gefangenen in der Anstalt, auf Transporten usw. unter S trafe stellen. Eine derartige Bestimmung halte ich nicht für notwen­ dig. Dem Gefangenen könnte man m it Disziplinar­ strafen beikommen, und das Publikum kann man durch polizeiliche M aßnahmen fernhalten. § 159 würde nach meinem Vorschlag fortfallen und mit § 158 vereinigt werden. D aß die Strafbestim ­ mung über die Selbstbefreiung auf Personen ausge­ dehnt wird, die sich in Sicherungsverwahrung und im Arbeitshaus befinden, scheint m ir richtig. Diese P e r ­ sonen werden zum Teil unzurechnungsfähig sein, aber dann kommt eben die dem § 51 S tG B , entsprechende Vorschrift zur Anwendung. D aß Fürsorgezöglinge einbezogen werden, ist nicht ganz befriedigend, aber ein durchschlagendes Bedenken dagegen scheint m ir nicht zu bestehen. Sodann die G e f a n g e n e n m e u t e r e i . Hier taucht die Frage auf, auf die Herr Kohlrausch gestern in anderem Zusammenhang zu sprechen kam, ob dieser Tatbestand nicht m it dem des A ufruhrs zusam­ mengelegt werden soll. Es handelt sich in der T a t um etwas dem A ufruhr Ähnliches. Trotzdem meine ich, daß der A ufruhr von der Meuterei unterschieden ist. M it Recht hat der Referentenentwurf vom Merkmal der S törung des öffentlichen Friedens, das im geltenden Strafgesetzbuch verwandt wird, Abstand genommen. Es handelt sich weniger um die Gefährdung des öffentlichen Friedens als um einen Verstoß gegen die Disziplin, der der Gefangene unterworfen ist. Ich würde daher beides trennen. Allerdings könnte fraglich scheinen, ob wir eine besondere Bestimmung über die Gefangenen meuterei überhaupt brauchen. Die ausländische Gesetz­ gebung kennt diesen Tatbestand zum Teil nicht. Trotz­ dem scheint m ir hier doch ein geradezu typischer Fall der Auflehnung gegen die S taatsgew alt vorzuliegen, so daß die Beibehaltung richtig wäre. Berichterstatter D r. Freister: Ich will mich ganz kurz fassen. Zunächst bin ich auch der Meinung, daß man eine möglichste Zusammenfassung der einzelnen Bestimmungen erstreben muß. Nicht bin ich der M ei­ nung, daß m an m it der Meuterei schließen solle, son­ dern ich meine, daß man m it ihr als dem typischen Tatbestand beginnen sollte. Aber ich habe bezüglich der Meuterei ein anderes Bedenken. Die Meuterei umfaßt

ja zwei ganz verschiedene Tatbestände, den Tatbestand des Abs. 1 und den des Abs. 2. Ic h bin der M e in u n g , daß w ir den Tatbestand des Abs. 1 nicht brauchen. D enn ich vermag keinen Unterschied zwischen dem Abs. 1 und der A m ts n ö tig u n g des § 149 zu sehen, und zw ar deshalb nicht, w e il die A m tsn ö tig u n g , die die Veranlassung einer A m ts- oder Diensthandlung um ­ faß t, ja in W irklichkeit dasselbe ist wie die N ö tig u n g zu einer H andlung, D u ld u n g oder Unterlassung im § 154. Ic h dlaube nicht, daß zwischen beiden T a tbe­ ständen, obgleich die W ortfassung eine andere ist, ein Unterschied zu erblicken ist. D a n n unterscheidet sich aber — und das scheint m ir wiederum m erkw ürdig zu sein — § 154 vom § 149 dadurch, daß im § 149 als Veranlassung der N ö tig u n g G e w a lt oder D ro h u n g , hier aber die D ro h u n g m it G ew a lt genannt ist. Ic h erblicke in letzterem eine E in ­ schränkung gegenüber dem M itte l des § 149. D a s scheint m ir nicht richtig zu sein. Ic h finde das sogar unverständlich und vermag nicht einzusehen, w a ru m die N ö tig u n g des Gefangenen gegenüber seinem Wachtpersonal wenigstens im Rahmen der Gefangenen­ meuterei n u r dann strafbar sein soll, wenn ein stärkeres M itte l angewandt w ir d als das M itte l, das schon zur B eam tennötigung im allgemeinen fü h rt. A us allem scheint m ir hervorzugehen, daß in W ir k ­ lichkeit § 154 Abs. 1 und § 149 dasselbe sind, daß lediglich fü r eine besondere Lebenslage derselbe noch ein­ m a l w iederholt worden ist. D e r praktische Unterschied bestünde in dem S tra fra h m e n , indem der S tra fra h m e n bei § 154 m it drei M onaten G efängnis beginnt. Aus den aus anderem A nlaß mehrfach gemachten A u s ­ führungen und angegebenen Gründen vermag ich zu einer solchen Unterscheidung ein B e d ü rfn is nicht anzu­ erkennen. Ic h glaube nicht, daß ein Richter unter drei M o nate n bei Gefangenenmeuterei erkennen w ürde, und ich glaube nicht, daß lediglich, um zum Ausdruck zu bringen, daß es nicht möglich sein soll, w eniger als drei M o n a te auszuwerfen, ein besonderer Tatbestand erforderlich ist. W enn w ir zu dem E rgebnis kommen w ürden, daß der Tatbestand des § 154 Abs. 1 im § 149 enthalten ist, dann würde es sich n u r darum handeln, ob es zweckmäßig ist, ihn noch einm al be­ sonders hervorzuheben. DaS halte ich auch nicht fü r notw endig. Ic h möchte allerdings die Gefangenen­ meuterei nicht missen/ aber der Name der Gefangenen­ meuterei w ürde dann gebraucht werden können fü r den Tatbestand des zweiten Absatzes des § 154, fü r den er jetzt ja sowieso bereits g ilt. N u n entsteht die Frage der R ädelsführer. D a s ist eine Frage, die wiederum m it der Frage der besonders schweren Fälle zusammenfallen würde. Ic h bin m ir darüber kla r, daß die Hervorhebung der R ädelsführer an sich schon S in n hat, und ich bin deshalb der M e i­ nung, daß es sich hier um einen F a ll handelt, in dem m an nicht n u r so im Allgemeinen T e il m it den be­ sonders schweren Fällen arbeiten sollte, obgleich m an es n a tü rlic h tu n könnte, sondern besser m it der besonderen E rw ähn ung der R ädelsführer. Es fra g t sich: Müssen die R äde lsführer auch dann hervorgehoben werden fü r den Tatbestand des ersten Absatz des § 154. D a s ist eine Geschmacksfrage. U m das juristische Ergebnis zu erzielen, das gewünscht w ird , ist es zweifellos nicht n ö tig . W enn w ir die R ädelsführer bei dem dann bleibenden Tatbestand der Gefangenenmeuterei — § 154

Abs. 2 — hervorheben, dann ist auch den psycholo­ gischen E inw irkungsgründen, die m an d a fü r geltend machen könnte, Rechnung getragen. A ber ich gebe gern zu, daß ich bei dieser E rw ägung einer Versuchung erlegen bin, nämlich der, dem Gedan­ kengang von H e rrn M in is te ria ld ire k to r Schäfer, den er einm al an anderer S telle geäußert hat, zu folgen, nämlich der juristischen S auberkeit zu sehr nachzugehen. W enn es rich tig ist, daß § 154 Abs. 1 in W irklichkeit n u r ein F a ll des § 149 ist, dann würde es der j u r i ­ stischen (Surberkeit entsprechen, ihn wedfallen zu lassen. D a s kann aber na türlich nicht der einzige Gesichtspunkt sein. W enn ich angeregt habe, § 154 Abs. 1 wegfallen zu lassen, so sollte das n u r die A nregung zu einer A u s ­ sprache sein/ prinzipielle Bedeutung h a t das nicht. Dagegen verstehe ich nicht, w a ru m in den Fällen des Abs. 2 der Versuch nicht strafbar sein soll. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Tätliches Angreifen enthält im m e r einen Versuch!) — B e i dem A ngreifen na tü rlich , aber es braucht doch dazu gar nicht zu kommen. Ic h kann m ir sehr w o h l denken, daß m it vereinten K rä fte n irgendw ohin gestürmt w ird , um z. B . eine Verschlußtür zu sprengen,' aber es ge lin gt g a r nicht, bis an diese T ü r hinzu­ kommen. D a s ist ein F a ll, in dem meines Erachtens dieser Versuch bestraft werden muß. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s erledigt llch dadurch, daß w ir Abs. 3 überhaupt streichen!) — G u t, das w ollte ich eben vorschlagen, und zwar muß ich das vorschlagen in bezug a u f den zweiten Absatz, w eil die bisherige F o rm u lie ru n g erkennen ließ, daß S ie den Versuch n u r im Abs. 1 bestrafen w ollten. W enn er aanz gestrichen werden soll, ist es in O rdnung, dann ist dieser A nregung Rechnung getragen. W as die Selbstbefreiung anbelangt, so bin ich der M e in ung , daß sie bestraft werden muß. D ie bisherige gesetzlich zw ar vorgesehene, von der P ra x is aber nicht befolgte Nichtbestrafung der Selbstbefreiung der Gefan­ genen e rklä rt sich daraus, daß m an sagte: seine F reiheit zu erstreben, ist letzten Endes ein unveräußerliches Lebensrecht eines jeden. D a s können w ir nicht anerkennen. U nd daß die P ra x is a u f Umwegen doch praktisch die Selbstbefreiung bestraft hat, zeigt auch, daß ein B e d ü rfn is d a fü r vorhanden w a r. D ie Selbst­ befreiung muß bestraft werden, und d a m it ist, w ie H e rr Professor D a h m angeregt ha t, die Frage der A nstiftu ng usw. bereits bei dem A ufbau, den w ir dem Gesetz geben wollen, erledigt. D a s fahrlässige Entweichenlaffen sollte man meines Erachtens nicht strafrechtlich fassen. D enn es ist d a m it eine E rm u nterung zur Aufmerksamkeit an eine Beamten­ gruppe verbunden, die in einer F o rm e rfolgt, wie m an sie nicht vornehmen sollte. D e r m it der Bewachung der Gefangenen B etra ute weiß sehr w ohl, daß eine Fahrlässigkeit schwere Nachteile fü r ih n nach sich ziehen w ird auf disziplinärem Wege. Ic h finde auch, daß in gewisser Weise schon der E n tw u rf dem Gedanken, daß es üch eigentlich um eine disziplinäre Angelegenheit handelt, Rechnung trä g t,' denn er w ill das Vergehen n u r verfolgen a u f Verlangen des Vorgesetzten. D a s zeigt m ir, daß es doch richtiger ist, hie r n u r d isziplina r­ rechtlich vorzugehen. Ic h meine also, w ir könnten diese Bestim m ung streichen. l*

D en Verkehr m it Gefangenen würde ich ebenfalls nicht u n te r S tra fe stellen. Ic h bin dann ferner dafür, un ter äußerer V e re in igun g des In h a lts der beiden §§ 158 und 159 in der Weise, wie es m a te rie ll hier geschehen ist, die Bestimm ungen über Gefanaenenmeuterei, und w as sich daran schließt, auch a u f die in anderer am tlicher V e rw a h ru n g befindlichen Personen auszudehnen. I m übrigen stimme ich den Vorschlägen von H e rrn P ro fe ffo r D a h m zu. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Es handelt sich erstens um die Frage : ist Abs. 1 des § 154 überhaupt notw endig? D a r f ich einm al die Frage zur E rörteru ng stellen: welcher Tatbestand verbindet sich denn nach der volkstümlichen Auffassung des W orte s »M euterei« m it diesem D e likt? D a spielt doch ein M o m e n t eine Rolle, das keiner der H erren Berichterstatter hervorgehoben h a t und das in den W o rte n zum Ausdruck kom m t: »m it vereinten K rä fte n « . D a s ist das Wesentliche. U nd was ist nun eine Meuterei? D a möchte ich glauben: nach dem volkstümlichen I n h a lt des W orte s denkt man dabei in erster L in ie an den Abs. 2 : m it vereinten K rä fte n einen A n g r iff machen oder Sachen zerstören oder beschädigen/ w ärend der Abs. 1, die N ötigung, nicht u n m itte lb a r dem V orstellungsbild von der M eu­ terei entspricht. Also die erste Frage ist: brauchen w i r den Abs. 1 überhaupt? D a bin ich der M e in u n g , daß w i r den Tatbestand im V e rh ä ltn is zur N ö tig u n g nicht unbedingt brauchen, so daß w ir a u f den Abs. 1 verzichten könnten,' es sei denn, daß der Wunsch nach einem erhöhten S tra fm in im u m so groß ist, daß m an ih n deswegen hier einfügen muß. D e r Abs. 3 soll gestrichen werden, das ist die allge­ meine M e in ung . D a ß m a n die R äde lsführer und die­ jenigen, die selbst G e w a lt gebraucht haben, hervorhebt, möchte ich aus dem o ft wiederholten G runde einer lebensvollen P lastik des S trafrechts gerade h ie r fü r wünschenswert halten. D enn bei der M e uterei trä g t ja tatsächlich der R äde lsführer nicht n u r moralisch, sondern auch strafrechtlich im m er eine höhere V e ra n t­ w o rtu n g , wie ja bei allen gemeinschaftlichen W id e r­ standsdelikten. B e im Landfriedensbruch haben w ir den R ä de lsführer auch hervorgehoben. N u n kommt der Tatbestand der Selbstbefreiung. W enn m an sich fü r diesen Tatbestand entscheidet, so kom mt m an um die Schwierigkeiten m it der M i t w i r ­ k u n g - A n s tiftu n g und B e ih ilfe zur Selbstbefreiung — herum. Z u § 155 ist kein Wunsch geäußert worden. I m § 156 sollte das W o r t »Entweichen« durch »B efrei­ ung« ersetzt werden, durch einen allgemeineren Aus­ druck. Ic h hätte dagegen keine Bedenken. D ie S tr a f­ barkeit des Versuchs f ä llt weg. Es ist ferner h ie r der Wunsch ausgesprochen worden, neben die »Ausübung eines Amtes« die A usübung der D ienstpflicht zu setzen, um den ja augenblicklich nicht gerade seltenen F a ll unterzubringen, daß ein S A -M a n n etwa in einem S icherungsverw ahrungslager als A u f­ sichtsperson verwendet w ird . Bedenken sind dagegen erhoben worden, die Zuchchausstrafe obligatorisch anzu­ drohen. Ic h glaube, dem müssen w ir nach unseren allgemeinen Grundsätzen Rechnung tragen, etwa da­ durch, daß aus Zuchthaus erkannt werden k a n n .

W a s § 157 an la ngt, so w ürde ich d a fü r plädieren, ihn v ö llig zu streichen, und zw ar aus den von den bei­ den H erren Berichterstattern angegebenen Gründen. D en Verkehr m it D r itte n w ürde ich unter keinen Umständen unter S tra fe stellen, aus den G ründen, die H e rr P ro fe ffo r D a h m angegeben hat. D ie Sicherheits­ beamten müssen in der Lage sein, das P u b lik u m von Gefangenen fernzuhalten. D a n n wünscht, wenn ich das ric h tig verstanden habe, H e rr P ro fe ffo r D a h m , den § 159 m it dem § 158 zu­ sammenzufassen. Es ist Ih n e n doch klar, H e rr P r o ­ fessor, daß dann die Selbstbefreiung von Fürsorgezög­ lingen auch unter S tra fe siele, also das E ntlaufen aus einer Erziehungsanstalt. (Professor D r . D a h m sK ie lj: W i r haben ja A u s ­ weichstellen m it den besonders leichten Fällen, w ir haben auch das Iugendgerichtsgesetz.) D e r F a ll w ürde natürlich, wenn w ir hier Iu g e n d fü rsorgeintereffenten hätten, von diesen abgelehnt werden. D enn wenn der Versuch, aus der Erziehungsanstalt zu entweichen, m it krim in eller S tra fe bedroht w ürde, so w ürden sicherlich die D ire kto re n dieser Erziehungs­ anstalten den lebhaftesten W iderspruch erheben, w e il sie ja schon au f anderen Gebieten im m e r wieder danach trachten, den V ollzug einer Freiheitsstrafe nach M ö g ­ lichkeit zu verhindern, indem sie sagen: das macht uns die Frucht der Zw angserziehung von vornherein v o ll­ kommen kaputt. D a s w ollte ich zu bedenken geben. Professor D r . D a h m (K ie l): Gegen die Ausdehnung der S tra fe fü r die Selbstbefreiung a u f die Fälle des § 159 hatte ich ja selbst schon Bedenken geäußert. V ie l­ leicht wäre es doch besser, wenn man m it Rücksicht auf die Fürsorgezöglinge die §§ 158 und 159 unterschiede. Vizepräsident G ra u . Ic h möchte Bedenken tragen, die S trafbestim m ungen über M euterei von Gefangenen in irgendeiner F o rm abzuschwächen, und bitte auch, davon abzusehen, den Abs. 1 etwa unter die allge­ meine Beam tennötigung zu bringen. D ie ungeheure Gefahr, die in diesem Tatbestand fü r die A nstalts­ beamten liegt, ist ja dadurch gegeben, daß die Gefangenen m it v e r e i n t e n K rä fte n tä tig werden. Es kommt durchaus nicht n u r in der P ra x is der Abs. 2, sondern auch der Abs. 1 v o r, und zw ar in ganz gefährlicher F o rm . D a fü r kann ich ein B eispiel geben: B a ld nach dem Kriege w a r in einem alten Zuchthaus in HessenNassau eine M euterei ausgebrochen. I n einem großen A rbeitssaal hatten die Gefangenen einen Beamten ent­ w affnet und ih m die Schlüssel weggenommen. S ie kamen dadurch in die Lage, zu der W affenkam m er zu kommen. S ie bewaffneten sich und g riffe n die B e ­ amten tätlich an, zerstörten die Zellen und zwangen die Beam ten — das ist der F a ll der N ö tig u n g — die A nstalt zu räum en. D e r E rfo lg w a r, daß die A nstalt eradezu belagert werden mußte. Ic h kenne den F a ll adurch genau, w e il ich nicht lange Z e it danach m it der vorübergehenden Leitung dieses Zuchthauses be­ tra u t wurde. H ie r liegt ein F a ll der Beam tennötigung m it vereinten K rä fte n vo r, der eine ungeheure G efahr fü r die Anstaltsbeamten darstellte. Ic h glaube deshalb, daß es notw endig ist, diese Tatbestände in das neue S tG B , zu übernehmen. Ic h w ürde auch vorschlagen, wegen dieser G efahr, in der sich die Beam ten in Bern Augenblick befinden, in dem die Gefangenen sich zu-

[ammenrotten und m it vereinten Kräften tätig werden, in allen Fällen Zuchthaus zuzulassen. Ich würde als S trafen fü r richtig halten: Zuchthaus oder Gefängnis unbeschränkt. D ann könnte man vielleicht davon absehen, die Rädelsführer besonders zu erwähnen. Meines E r­ achtens ist es auch notwendig, das Unternehmen des Abs. 2 unter S trafe zu stellen. Ferner erscheint m ir die Selbstbefreiung der Ge­ fangenen strafwürdig und eines besonderen T a t­ bestandes wert. Bezüglich des fahrlässigen Entweichenlassens von Ge­ fangenen möchte ich nur daran erinnern, daß w ir vor ein paar Tagen beschlossen haben, die fahrlässige F rei­ heitsberaubung durch einen Beamten nicht unter kri­ minelle S tra fe zu stellen. Demnach wäre es nur kon­ sequent, nun umgekehrt auch das fahrlässige E nt­ weichenlassen von Gefangenen nicht unter kriminelle S trafe zu stellen, sondern das der Disziplinarbestrafung zu überlassen. Professor D r. G raf Gleispach (B erlin): Ich glaube, daß man den Abs. 1 des 8 154 nicht nur m it § 147 oder § 149 vergleichen muß, sondern auch mit § 172 alt. Es können Fälle des Abs. 1 des § 154 unter § 172 alt gebracht werden, und es ist wohl auch von den Verfassern dieses Entw urfs der § 172 als die Parallele aufgefaßt worden. Ich würde das unterstreichen, was H err Reichsmi­ nister ausgeführt haben: der typische oder der den volkstümlichen Vorstellungen entsprechende Fall der Meuterei sei der des Abs. 2. Ich würde darum vor­ schlagen, diesen Abs. 2 an die Spitze zu stellen, den jetzigen Abs. 1 aber doch beizubehalten. Ich glaube, daß sonst gewisse Schwierigkeiten entstehen werden. D er Bestrafung der Selbstbefreiung stimme ich zu, ebenso der Streichung des fahrlässigen Entweichen­ lassens. D a s Antragserfordernis, int § 159 möchte ich aber streichen, zumal wenn der Fürsorgezögling heraus­ genommen wird. Die Auflehnung gegen die S ta a ts ­ gewalt ist da/ ich weiß nicht, w arum es von dem V or­ steher der Anstalt abhängig sein soll, ob da eine S trafe eintritt oder nicht. (Reichsjustizminister Dr? G ürtner: D a kommt hauptsächlich der Fall des Wegnehmens eines in einer Trinkerheilanstalt Untergebrachten in B e­ tracht.) — Ich meine, wenn er zu Recht untergebracht ist, darf er nicht befreit werben. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: Richt für die Frage der Strafbarkeit, sondern für die Frage des Äntrags!) — Ich bin ja für die Strafbarkeit, aber gegen den A ntrag. M inisterialdirektor Schäfer: Eingefügt ist dieser Ab­ satz auf Wunsch der Direktoren von Fürsorgeanstalten usw., die nicht immer genötigt sein möchten, S tr a f ­ anzeige zu erstatten. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren, es handelt sich jetzt nur noch um den § 154. D a ist der Vorschlag gemacht worden, man solle den typischsten Tatbestand nach vorn stellen — das wäre m ir auch sympathisch — , den anderen aber nicht unterdrücken. Senatspräsident Professor D r . Klee (Berlin): Ich bin auch der letzteren Ansicht. Ich möchte noch hinzu35.

fügen, daß der tatsächliche Ablauf solcher Meutereien nicht selten so ist, daß die Gefangenen die W ärter zwin­ gen, ihnen Schlüssel herauszugeben usw. Gerade in der Volksvorstellung sind solche Handlungen durchaus mit dem Begriff der Meuterei vereinigt. M it der Bestrastmg der Selbstbefreiung kann ich mich nicht befreunden. Es ist nicht der Gedanke an die Unveräußerlichkeit der Freiheit, aus dem heraus die Selbstbefreiung bisher nicht bestraft worden ist, sondern die Rücksicht auf den ganz natürlichen Selbsterhaltungs­ trieb/ und ich muß sagen, daß ich es immer als kleinlich empfunden habe, wenn die Gerichte doch tatsächlich zur Bestrafung der Selbstbefreiung auf dem Wege ge­ kommen sind, daß sie den M ann wegen Diebstahls von Gefangenenkleidung — was juristisch außerordentlich zweifelhaft ist — , wegen Sachbeschädigung und dergl. bestraft haben. Die gegnerische Meinung scheint davon auszugehen, daß es die Pflicht eines jeden S ta a ts ­ bürgers ist, zu dulden, was der S ta a t ihm auferlegt hat. D as ist richtig, führt aber nicht notwendig zur kriminellen Bestrafung der Selbstbefreiung. W ir haben ja auch eine Gestellungspflicht im Strafprozeß und be­ strafen den nicht, der nicht vor Gericht erscheint, um vernommen und abgeurteilt zu werden/ w ir verhaften ihn höchstens. Sonst müßten w ir konsequenterweise z. B . auch den Selbstentleibungsversuch eines Gefan­ genen bestrafen. D er Selbstentleibungsversuch'ist zwar in der Strafprozeßordnung erwähnt in dem Zusam­ menhang, daß ein solcher Gefangener gefesselt werden kann, aber frimineüe Folgen hat er nicht/ auch de lege ferenda denkt doch wohl keiner von uns daran, jeman­ den wegen eines Selbstmordversuchs deshalb zu be­ strafen, weil er sich der W eiterbuldung der Strafvoll­ streckung entziehen wollte. D as wäre aber die Konse­ quenz des Gedankens der Bestrafung wegen Nicht­ erfüllung einer Duldungspflicht. D ie Gefängnisvorstände haben natürlich ein großes Interesse an der Be­ strafung der Selbstbefreier, aber die sehen ja alle diese Dinge nur unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhal­ tung der Gefängnisordnung an. Disziplinarisch wird ja immer eine Bestrafung eintreten, und meines E r­ achtens genügt das vollständig. Den Tatbestand des fahrlässigen Entweichenlassens von Gefangenen bitte ich auch zu streichen. Staatssekretär D r. Freister: Ich bin bezüglich des Abs. 1 des § 154 nicht der Meinung, daß es unerträg­ lich sei, ihn hier auch zu bringen. Ich sagte schon vorhin, daß das keine grundsätzliche Frage ist. Es ist zweifellos dann richtiger, den Abs. 2 an die Spitze zu stellen. Wenn w ir aber den Abs. 1 bringen, dann bitte ich doch, die Unebenheiten aus der Welt zu schaffen, die zweifellos vorhanden sind/ denn die M ittel, die im § 154 verworfen werden, sind nicht kongruent den M itteln, die im § 149 verworfen werden. Ich sagte schon vorhin, daß es m ir so scheint, als ob das, was aus § 154 bestraft werden soll, trotzdem hier das K ri­ terium des Handelns m it vereinten Kräften noch hinzu­ kommen muß, doch im übrigen eingeengt ist gegenüber den nach § 149 verworfenen M itteln. (Zuruf: Absichtlich!) — D as verstehe ich nicht. Ich bin der Meinung, da ja der Unterschied der vereinten Kräfte sowieso hinzu­ kommt, müßten schon die M ittel gleich sein, der Gefangene also dann schon in allen denjenigen Fällen bestraft 2

werden müssen, in denen er M itte l anwendet, deren Anwendung allgemein zur B eam tennötigung führen würde. E tw as anderes würde m ir auch deshalb merk­ w ü rd ig erscheinen, w eil ja doch die S tra fa n d ro h u n g genau dieselbe ist. Es steht allerdings da: »nicht unter drei M o naten«, aber da kann ich im m e r wieder nur sagen, daß ich das nicht anzuerkennen vermag. Ich vermag nirgends ein B e d ü rfn is anzuerkennen, dem R ichter zu sagen, daß er zw ar bis zu zehn Jahren G efängnis erkennen d a rf, aber nicht un ter drei M o ­ naten. D eshalb geht mein w eiterer Vorschlag dahin, wenn m an das schon b rin g t, die W o rte »nicht unter drei M onaten« fallen m lassen. D a n n w ürde ich auch bitten, das W o r t »R ädelsführer« nicht zu streichen. W a s die F rage der Selbstbefreiung b e trifft, so glaube ich, daß m an durchaus nicht unbedingt zu den Folgerungen gelangen muß, zu denen H e rr S enats­ präsident Klee gelangen zu müssen glau bt, wenn man die Selbstbefreiung bestraft. H e rr Senatspräsident Klee sagte, die Konsequenz der B estrafung der Selbst­ befreiung sei die, daß m an auch die Selbstentleibung, wenn sie e rfo lg t, um sich der S trafvollstreckung zu ent­ ziehen, bestrafen müßte. W ir schaffen aber kein S t r a f ­ gesetzbuch in der Absicht, konsequent zu sein, sondern in der Absicht, die natürlichen Grenzen zu achten und anzuerkennen. Meines Erachtens ist die Frage, die H e rr Senatspräsident Klee aufgeworfen hat, lediglich eine Frage der Grenze, wo m an m it der Bestrafung aufhören soll. Irgendwelche Konsequenzen folgen aus einer Grenzziehung meines Erachtens überhaupt nicht. D e r S ta a t muß meiner M e in u n g nach von jemandem, der sich a u f staatliches Gebot h in in V e rw a h ru n g be­ findet, verlangen, daß er diesem Gesetz des S taates, das auf ih n angewandt ist, Achtung und Gehorsam ent­ gegenbringt. D a ß es gu t ist, um diese Achtung und Diesen Gehorsam zu erzwingen, denjenigen, der ent­ weicht, d a fü r zu bestrafen, das ist auch nicht eine Frage der Konsequenz aus einer Ansicht, sondern eine Frage der Zweckmäßigkeit. U nd ich halte es in diesem Falle fü r zweckmäßig. Dagegen w ürde ich es fü r höchst un­ zweckmäßig halten, denjenigen, der sich durch Selbst­ entleibung der S trafvollstreckung entziehen w ill, zu be­ strafen. Nebenbei möchte ich einen F a ll erwähnen, der sich von einiger Z e it in Preußen zugetragen hat. D a hat sich jemand, der zum Tode v e ru rte ilt w a r, erhängt. I n einem B rie fe hatte er geschrieben, daß ih m alles viel zu lange dauere, im übrigen danke er der Justiz fü r die gute B ehandlung, aber er w olle den T o d sterben, der moralischer ist, er w olle sich selbst töten und sich er­ hängen. D a s n u r in Parenthese, aber der F a ll ist tatsächlich ga r nicht so lebensfremd. Es wäre eine Überspannung der S tra fe , wenn m an diese Fälle strafen w ollte, die H e rr Ä n a ts p rä s id e n t Klee erwähnt hat. Ic h b in aber d a fü r, Selbstentweichen zu bestrafen, und beziehe mich wiederum a u f das B e d ü rfn is , das hervor­ getreten ist/ denn sonst w ürde die Rechtsprechung diesen ekünstelten Weg nicht gegangen sein, um das Selbst­ efreien bestrafen zu können. D a n n ist noch die Frage der Selbstentweichung des § 159 offen. Auch da sollte man nach m einer M e in ung die Selbstentweichung be­ strafen. A ber m a n sollte in gewissen Fällen die Be­ hörde anhören, die ve ra n tw o rtlich ist fü r die Erreichung des Zweckes, um deswillen der Betreffende, der ent­ wichen ist, eingeschlossen w a r. D a s h a t ga r nichts da­

m it zu tun, daß ich mich sonst dagegen wende, A n tra g s ­ delikte aufzunehmen/ das ist hier etwas v ö llig anderes. D ie V e rw a h ru n g von Jugendlichen und seelisch oder geistig Kranken erfo lg t, wenn diese letzteren nicht un ­ heilbar krank sind — und dann kommt eine Bestrafung sowieso nicht in Frage — , um eines Zweckes w ille n , und fü r die Erreichung dieses Zweckes ist die Behörde, die die V e rw a h ru n g auszuführen, die H eilun g und E r ­ ziehung durchzuführen hat, verantw ortlich. Deshalb d a rf auch gegen den W ille n des V erantw ortlichen nie­ mand d o rt eingreifen. Es scheint m ir daher berechtigt, daß, wenn Psychisch oder geistig Kranke oder Jugend­ liche sich in V e rw a h ru n g befinden, deren Selbst­ entweichen n u r dann ve rfo lg t w ird , wenn die fü r die Erreichung des Zweckes der Einschließung v e ra n tw o rt­ liche Behörde das wünscht. Ic h kann m ir sehr w ohl denken, daß der Leiter einer Fürsorgeanstalt in manchen Fällen das wünschen w ird . Deshalb möchte ich bitten, daß die Selbstentweichung n u r auf A n tra g der Behörde bestraft w ird . D a s hat m it den anderen Fällen nichts zu tun , auch nichts m it der B efre iung durch andere. D a bin ich allerdings der M e inung, daß w ir von den anderen, auch wenn sie Angehörige sind und auch wenn im einzelnen F a ll die T a t menschlich begreiflich er­ scheint, w eil d ir T ä te r nämlich nicht an die K rankheit ihres Angehörigen geglaubt haben, doch verlangen müssen, daß sie die Gesetze achten. Ic h möchte diese A u s­ nahme, die nicht eine Ausnahme von der S tra fb a rk e it, sondern n u r eine Ausnahme insofern sein soll, als das Einverständnis der Behörde eingeholt werden soll, be­ schränken au f geistig und Psychisch Kranke, a u f die Jugendlichen und auch n u r au f das Selbstentweichen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: A u f eine In k o n ­ gruenz möchte ich noch aufmerksam machen, die sich am besten aus einem B eispiel ergibt. Ic h bitte, sich einm al folgenden Tatbestand zu überlegen — es ist ein F a ll aus meiner früheren A m tszeit — : I n einer baye­ rischen Zuchthaus hatte ein Aufseher sich bewegen lassen, einen chiffrierten B r ie f eines Gefangenen zu befördern. E r kannte den I n h a lt des B riefes nicht/ m an glaubte zunächst, es handle sich um eine hochverräterische K on­ spira tion. I n W irklichkeit -enthielt der B r ie f ein päderastisches Liebesangebot. D ie M ith ilfe zur Beförde­ rung des chiffrierten B riefe s wurde noch einigen an­ deren Gefangenen bekannt, und die machten nun von diesem Wissen Gebrauch, indem sie den Aufseher durch D rohungen zu allerhand Sachen zwangen, die m it seiner D ienstordnung nicht vereinbar w aren. I s t das nun ein F a ll, den m an eigentlich M euterei nennen muß? (Z u ru f: N ein! — Staatssekretär D r . F re iste r: Nicht um des M itte ls w ille n ist es kein F a ll von M euterei, sondern um des Zweckes w ille n !) — N e in ! D a s ist kein F a ll von M euterei nach der volks­ tümlichen Auffassung. Landgerichtsdirektor D r . Lorenz (Leipzig): Eine B e­ merkung über den unerlaubten Verkehr m it Gefangenen! D ie M e in u n g geht w ohl dahin, daß dieser Tatbestand nicht unter S tra fe gestellt zu werden braucht, w e il man sagt: D ie Sicherheitsbeamten können das verhindern. W enn man an den unm ittelbaren Verkehr von Person zu Person denkt, dann t r i f f t das zu. A ber auch andere Fälle sind einzubeziehen, die häufig vorkommen und gefährlich sein können. Ic h denke z. B . an den Kassiber­ verkehr, an die M öglichkeit, daß ein Kassiber von außen

an den Gefangenen herangebracht wird. Hier würde es die P ra x is sehr m it Freude begrüßen, wenn da eine Möglichkeit gegeben würde, m it S trafe auch gegen die­ jenigen vorzugehen, die in solchen Verkehr m it den Ge­ fangenen treten. F ü r einen S taatsan w alt oder U nter­ suchungsrichter ist es stets unbefriedigend, wenn ein solcher Fall aufgedeckt worden ist, er aber nichts dagegen unternehmen kann. D er Gefangene kann zwar diszipli­ narisch bestraft werden, aber ein st r a f rechtliches V or­ gehen ist weder gegen ihn noch gegen andere möglich, es sei denn, daß besondere Tatbestände noch gegeben sind (etwa versuchte Gefangenenbefreiung), die ein straf­ rechtliches Einschreiten begründen. Aus diesem Grunde möchte ich doch anregen, daß man nochmals prüft, ob nicht ein solcher Tatbestand aufgenommen werden könnte. I m übrigen bin ich auch für Streichung des fahr­ lässigen Entweichenlaffens, aber für S trafbarerklärung der Selbstbefreiung. Hinsichtlich der M euterei schließe ich mich dem an, was H err Vizepräsident G rau aus­ geführt hat, ganz besonders möchte ich mich auch dafür einsetzen, daß auch die Androhung von Zuchthausstrafe m it aufgenommen wird. Senatspräsident Profeffor D r. Klee (B erlin): Ich möchte nur noch zu einem Punkt, nämlich zu dem Strafm inim um zu Abs. 1 des § 154 kurz sprechen. Dieses M inim um müßte bei der Gefährlichkeit der Handlung eigentlich erhöht werden. Sonst würde nämlich der Schutz gegenüber dem geltenden Recht ver­ ringert werden. Nach dem geltenden Recht ist das M inim um 6 M onate Gefängnis, und ich stehe grund­ sätzlich auf dem Standpunkt, daß w ir genötigt sind, gerade in solchen Fällen den Richter an em bestimmtes M inim um zu binden. Ich würde vorschlagen, »Ge­ fängnis nicht unter 6 M onaten« zu sagen. I m übrigen meine ich auch, daß das M ittel der Nötigung für bk Meuterei ganz typisch ist, nämlich die D rohung mit Gewalt oder die Gewalt selber. M it irgendwelchen Beschwerden und dergleichen werden diese Leute in einem solchen Augenblick, wo sie ausbrechen wollen, nicht drohen, und gerade wegen der Typizität der ge­ waltsamen Einwirkung auf die Gefängnisbeamten schiene es m ir richtig, diesen Fall hervorzuheben und unter höhere S trafe zu stellen. Profeffor D r. Nagler (Breslau): M ir ist nicht wohl, wenn w ir die Selbstbefreiung selbständig unter S trafe stellen. D aß sie straffähig ist, ist ganz zweifellos/ die juristische Konstruktion hat gar keine Bedenken. Die Frage ist nur, ob die Selbstbefreiung strafwürdig ist. W ir haben hier einen der Fälle, wo die Grenzziehung zwischen Disziplinar- und Strafgew alt praktisch wird. B isher haben w ir die Fälle der Selbstbefreiung diszipli­ när abgegolten. Aus meiner badischen P ra x is als Ge­ fängnisbeamter oder wenigstens Mitwirkender beim Strafvollzug habe ich immer den Eindruck gewonnen, daß man dort m it Recht glaubte, m it D isziplinarm it­ teln vollkommen durchzukommen. W ir haben, auch wenn ein Gefangener m it der Gefängniskleidung durchgegangen w ar, die Sache nicht an die Gerichte weitergegeben. S o kleinlich sind w ir nicht gewesen. W ir haben immer gemeint: Wenn nicht ein Ausbruch stattfindet oder ein Zusammenwirken m it anderen, haben w ir keine Veranlassung, die Gerichte zu bemühen. Ich habe auch heute noch den Eindruck, daß D isziplinar­

mittel völlig genügen. D as würde auch der Tradition entsprechen, die wir in Deutschland seit über 100 Jahren eingehalten haben. Soviel ich weiß, ist seit 1813 im deutschen Strafrecht der Abbau der Bestrafung der einfachen Selbstbefreiung erfolgt. Die letzte Etappe w ar die Aufhebung des § 79 des Militärstrafgesetzbuchs, der heute nicht mehr gilt. Ich muß schon sagen, daß es m ir nicht einleuchtet, jetzt die Selbstbefreiung wieder unter selbständige S trafe zu stellen. Ich sehe kein S trafbedürfnis. Es ist doch auch etwas merkwürdig, wenn der Gefangene, der zwei M onate H aft verbüßen sollte und in den letzten 14 Tagen durchgeht, nun des­ wegen ins Gefängnis kommt. Es scheint m ir nicht die richtige P roportion gegeben zu sein. Staatssekretär D r. Freisler: D ie Rednerliste ist erschöpft. Es scheint m ir also so zu sein, daß die M ei­ nung bezüglich der Fraae der Herstellung der Kon­ gruenz der nach den §§ 149 und 154 verworfenen M ittel in dem Sinne entschieden ist, daß mit gutem Grunde, weil es nämlich m it dem volkstümlichen Begriff der Meuterei zusammenhängt, das M ittel des § 154 die Gewaltdrohung ist. Es scheint mir augen­ blicklich nur noch die Frage bestritten und umkämpft zu sein, ob die Selbstbefreiung von Gefangenen bestraft werden soll. D a ist nun bezeichnend, H err Professor Nagler, daß S ie selbst einen typischen Zeitpunkt für den Beginn der Nichtbestrafung der Selbstbefreiung ange­ geben haben. D arau s ergibt sich nämlich auch, warum man aufgehört hat, die Selbstbefreiung zu bestrafen. Aber wenn es auch im badischen Musterländle nicht ge­ schehen sein sollte, so ist doch in weiten anderen Teilen Deutschlands die Bestrafung der Selbstbefreiung tat­ sächlich durchgeführt worden. Profeffor D r . Dahm (Kiel): M ax Ernst M aier spricht hier von einem liberalen Prinzip und bezeichnet die Straflosigkeit der Selbstbefreiung als Ausdruck des Respekts vor der natürlichen Macht des Freiheitstriebes und als Errungenschaft einer humanen Strafrechtsauffaffung. M an ersieht daraus die weltanschaulichen und politischen Hintergründe, der Straflosigkeit. W ir müssen heute andere Wege gehen. Profeffor D r. Nagler (B reslau): Ich sagte: Es leuchtet m ir nicht ein. Es handelt sich um eine reine Bedürfnisfrage, die ich nicht endgültig entscheiden will und kann. Ich habe nur meine Erfahrungen bei­ gesteuert. Staatssekretär D r. Freisler: W ir sind alle einig, daß w ir neue Gesichtspunkte in dieser Frage nicht mehr beibringen können. Es w ird gut sein, den Herrn Reichsminister dahin zu unterrichten, daß zweien Herren bei der Sache nicht wohl ist, (Heiterkeit) daß aber die Selbstbefreiung bestraft werden soll. Es w ar noch die Frage der behördlichen Zustimmung diskutiert worden. E s ist angeregt worden, die behörd­ liche Zustimmung zur Bestrafung der Selbstbefreiung in denjenigen Fällen vorzusehen, in denen durch die Be­ strafung der Zweck der Verwahrung nach Ansicht des für die Erreichung dieses Zweckes Verantwortlichen ge­ fährdet werden könnte. D azu hat sich auch niemand zum W ort gemeldet, so daß die Ansicht des Ausschusses hierzu eine zustimmende ist.

M inisterialdirektor Schäfer: Noch ein Punkt, Herr Staatssekretär! Es würde auch der Ansicht des Herrn M inisters entsprechen, wenn im § 154 der zweite Absatz vorangestellt wird. (Staatssekretär D r. Freister: J a , das ist allseitig angeregt worden!) Die Strafrahm ensfrage im § 154 halten S ie für er­ ledigt? Staatssekretär D r. Freisler: Ich bin der Meinung, daß ein Beginn des Strafrahm ens m it 3 M onaten eine Unmöglichkeit ist. (M inisterialrat D r. Schäfer: D as hat die Bedeutung, daß Geldstrafe ausgeschloffen bleibt!) — Geldstrafe hat doch hier praktisch gar keine Bedeu­ tung! (M inisterialrat D r. Schäfer: Praktisch nicht!) — Wenn w ir uns darüber klar sind, daß Geldstrafe praktisch bedeutungslos ist, dann können w ir sie, die doch nie vorkommt, auch theoretisch ruhig ausschalten. Es handelt sich hier um eine grundsätzliche Frage. W ir brauchen eine derartige Differenzierung von S tra f­ rahmen nicht/ diese wäre auch schwer verträglich mit dem Vertrauen zum Richter, das wir hier nun wirklich ganz sicher haben können. Aber die Frage der Diffe­ renzierung der S trafrahm en wird ja doch, wenn der Besondere Teil durchgearbeitet ist, noch einmal zutage treten. D ann werden w ir das besprechen. Ministerialdirektor Schäfer: Es würde also im § 156 die Fassung im ersten Satz dahin geändert werden: -oder seine Befreiung erleichtern«. (Zustimmung.) D a n n scheint m ir über den § 159 noch nicht volle Klarheit zu herrschen. Wenn ich Sie recht verstanden habe, Herr Staatssekretär, wollten S ie das Verlangen der Behörde für den neu einzufügenden Tatbestand der Selbstbefreiuna vorsehen. D a scheinen die Ansichten noch auseinanderzugehen. (Staatssekretär D r. Freisler: Ich glaube nicht, daß eine andere Meinung zutage getreten ist!) Und die Selbstbefreiung würde dann besonders ein­ gefügt werden. Professor D r. Dahm (Kiel): Die Strafandrohung im § 159 sollte dieselbe sein wie im § 156. Staatssekretär D r. Freisler: D as ist auch bereits entschieden. D a s entspricht dem Vorschlag beider Be­ richterstatter. H err Professor Dahin hat das aus­ geführt. Meinungen dagegen sind nicht zutage ge­ treten. (M inisterialrat D r. Schäfer: D ann sollen also die Leute, die bisher unter § 159 gefallen sind, als -Gefangene« erscheinen?) — -Erscheinen«! S ie sind etwas anderes, aber sie werden gleicherweise behandelt, wenn sie zuwider­ handeln. M inisterialrat D r. Schäfer: Ich habe das noch nicht anz verstanden. S oll § 159 insofern wegfallen, als iese festgehaltenen Leute, deren Befreiung unter § 159 fällt, nun den Sicherungsverwahrten ooer in einem Arbeitshaus Untergebrachten im § 158 gleichgestellt werden? (Staatssekretär D r. Freister: Ja !)

Sie werden also den Gefangenen gleich behandelt. B is ­ her hat man immer größten W ert darauf gelegt, Leute, die in einer Irrenanstalt, in einer Trinkerheilanstalt oder Fürsorgeerziehungsanstalt untergebracht sind, eben nicht als Gefangene erscheinen zu lassen. Professor D r. Dahm (Kiel): Sie sind ja keine Ge­ fangenen, sondern werden nur den Gefangenen gleich­ gestellt. Dagegen bestehen keine Bedenken. (M inisterialrat D r. Schäfer: D a s geht m ir sehr gegen den Strich!) Staatssekretär D r. Freisler: D ann verstehe ich nicht, warum Ihnen die Regelung, wie sie im Entw urf vor­ gesehen ist, nicht gegen den Strich geht/ denn ich vermag wahrhaftig keinen inneren Unterschied der Behandlung zu erf ernten, wenn man die Sache in zwei Paragraphen behandelt, als wenn man sie zusammenzieht. (M inisterialrat D r. Schäfer: D er Unterschied ist der: sie können nicht meutern, sie können nicht aus­ brechen!) — W arum sollen sie nicht meutern können? (M inisterialrat D r. Schäfer: Weil sie eben nicht ganz richtig sind! Die Leute sind eben anders zu behandeln!) Sow eit sie deshalb nicht meutern können, weil sie geistig nicht ganz in Ordnung sind, werden sie auch aus an­ deren Gründen nicht bestraft werden können. Aber so­ weit sie in Ordnung sind, muß man sie doch, wenn sie dasselbe tun, entsprechend zur V erantwortung ziehen können. Es ist natürlich richtig, daß vielfach W ert darauf gelegt wurde, die in diesen Anstalten Unter­ gebrachten unter keinen Umständen als Gefangene und noch dazu als Strafgefangene anzusehen. D as paßte allerdings sehr schlecht zu der andererseits verfolgten Tendenz, die Strafgefangenen nach Möglichkeit auch nicht als Strafgefangene anzusehen und zu behandeln, sondern als Pensionäre/ und deshalb ist m ir das nicht so recht verständlich. D as ist lediglich ein Ausdruck einer noch nicht einmal konsequenten H um anität. Aber wenn jemand, der auf Grund seiner seelischen, geistigen und sonstigen Konstitution für seine Handlungen ver­ antwortlich erscheint, in gleicher Weise gegen das Gebot des S ta a ts verstößt, dann muß er es sich auch gefallen lassen, daß er in gleicher Weise zur Verantwortung ge­ zogen wird. Ich finde also darin nicht eine D egra­ dierung der in solchen Anstalten, an die der § 159 denkt, Untergebrachten, sondern finde darin lediglich die Selbstverständlichkeit, diejenigen, die das gleiche tun, auch gleich zu behandeln. D am it wird doch der in einer solchen Anstalt Untergebrachte einem Gefangenen auch noch nicht einmal gleichgestellt, sondern er wird ledig­ lich, wenn er sich in der gleichen Weise wie ein anderer gegen die Ordnung vergeht, ebenso behandelt/ und das scheint m ir richtig zu fern. M inisterialrat D r. Schäfer: Ich denke bei der ganzen Sache viel weniger an den Schutz oder die bessere Be­ handlung dieser Leute als daran, daß der Zweck dieser Einrichtung erfüllt wird, und ich glaube, daß der Zweck dieser Einrichtung beeinträchtigt wird, wenn die Leute das Gefühl haben, in einer Gefangenenanstalt zu sein/ und das Gefühl müssen sie haben, wenn im Gesetz steht, daß sie wie Gefangene behandelt werden sollen. Ich habe ja m it der Sache schon jahrelang zu tun und die Dinge m it vorbereitet. Wenn die Leiter solcher An-

stalten bei uns waren, haben sie immer den größten W ert darauf gelegt, daß der Fall gesondert und als eine Heilmaßnahme betrachtet wird, aber nicht als Gefäng­ nis. D a s gilt sowohl für die Fürsorgeerziehung, für die Unterbringung in der Heil- und Pflegeanstalt wie für die Unterbringung in der Trinkerheilanstalt. An­ dere Unterbringungen kommen nicht in Frage. Bei all diesen Dingen sind auch die Verwandten anders zu be­ urteilen als bei dmjenigen, die ein Verbrechen begangen haben und eine S trafe verbüßen oder in der Sicherungs­ verwahrung oder im Arbeitshaus sind. D er Fall liegt bei der Befreiung eines Strafgefangener: psychologisch nach meinem Gefühl vollkommen anders, als wenn man einen Irre n , weil man glaubt, daß er in der Irre n anstalt ganz verrückt gemacht w ird, wieder aus der An­ stalt herausholt. M an muß sich einmal in die Seele dieser Leute versetzen/ sie sind doch anders zu beurteilen als Gefandene. Deswegen ist es weise von der Gesetz­ gebung, diese Fälle differenziert zu behandeln. Die Insassen solcher Anstalten m it Heilungszielen sollen nicht befreit werden. W er sie befreit, soll unter eine mildere S tra fe kommen. D ie Verwaltung der Anstalt kann am besten beurteilen, ob hier m it einer S trafe etwas erwirkt- wird oder ob die Sache disziplinarisch oder überhaupt nicht zu behandeln ist. Vielleicht reden die Verwandten nach entsprechender Belehrung dem Be­ freiten gut zu, er solle vernünftig sein usw. Die Dinge liegen hier an der Grenze des Pathologischen. D a ist es, glaube ich, nicht das Richtige, wenn man die Kanonen des Strafrechts hier auffahren läßt. Ministerialdirektor D r. D ü rr: D er Hinweis des Herrn Geheimrat Schäfer auf die Stellungnahme der Heilund Pflegeanstalten schlägt nach den Erfahrungen in B ayern nicht 'durch.' Denn die Heil- und Pflegeanstal­ ten lehnen in Bayern überhaupt ab, die Personen aufzu­ nehmen, deren Unterbringung in Heil- und Pflege­ anstalten vom Gericht angeordnet worden ist. W ir müssen diese Personen in Abteilungen der S trafanstal­ ten unterbringen und tragen uns m it dem P la n , eine Anstalt zu bauen, die Abteilungen für Sicherungsver­ wahrung, für Unterbringung in einer Heil- und Pflege­ anstalt und für Unterbringung in einer Entziehungs­ anstalt enthält. Ich höre, daß auch in Preußen teil­ weise Personen, deren Unterbringung in einer Heilund Pflegeanstalt angeordnet ist, in Abteilungen der Strafanstalten verwahrt werden. Hiernach halte ich die Unterscheidung, die in den §§ 158 und 159 gemacht wird, nicht für gerechtfertigt. Ministerialdirektor Schäfer: Ich bin m ir noch nicht ganz klar über den Umfang der Personen, die im § 159 etroffen sind. D ahin gehören ja nicht nur diejenigen, ie auf G rund eines S tra fu rte ils verwahrt werden, sondern auch die nie kriminell gewordenen, gemein­ gefährlichen Geisteskranken, die auf polizeiliche Anord­ nung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit verwahrt werden. Diese werden doch sicher auch in den bayerischen Irrenanstalten untergebracht. (Zustimmung des Ministerialdirektors D r. D ürr.) D a würden die Ausführungen von Herrn Geheimrat Schäfer durchaus zutreffen. Ich habe den Eindruck, daß es eine zu grobe Regelung wäre, wenn man alles gleich behandelte. Es sind ganz verschiedene Gruppen, die w ir in den §§ 158 und 159 haben. Die in § 158 genannten müssen selbstverständlich den Strafgefangenen 36.

gleichgestellt werden. Aber bei § 159 ist m ir das doch bedenklich. Die Rückwirkung für die Betrachtungs­ weise auch des Volks kann eigentlich nicht ausbleiben. Die Sache steht doch so: wenn w ir auf die im § 159 m einten Personenkreise den besonderen Tatbestand es § 154 usw. nicht anwenden, so könnten doch die allgemeinen Tatbestände der Nötigung usw., insbeson­ dere auch § 149 zur Anwendung gelangen. Dies dürfte genügen. Staatssekretär D r. Fveisler: Is t es die Meinung des Ausschusses, daß diese Trennung doch in irgend­ einer Weise aufrechterhalten werden soll? (Zustimmung.) D ann kämen w ir zu den §§ 1 6 0 ff., V e r w a h ­ r u n g s b r u c h usw. Berichterstatter Professor D r. D ahm (Kiel): D er gemeinsame Gesichtspunkt, unter den die folgenden Be­ stimmungen gestellt werden können, ist der oes Bruchs der amtlichen Verfügungsgewalt. Es handelt sich im einzelnen um Derwahrungsbruch — § 160 —, Ver­ strickungsbruch — § 161 — und Siegelbruch — § 162. D a ran anschließend könnte man die Verletzung am t­ licher Bekanntmachungen — § 163 — behandeln. D er § 164 bezieht sich auf Siegelbruch und Verletzung am t­ licher Bekanntmachungen gemeinsam. Zunächst der V e r w a h r u n g s b r u c h (§ 160): I s t ein solcher Tatbestand überhaupt notwendig? Diese Frage möchte ich bejahen. Die Bestimmung über die Urkundenunterdrückung wird nicht sämtliche Fälle des § 160 erfassen/ z. B . nicht den Fall, daß ein Beamter andere Gegenstände als Urkunden unterdrückt. Die Fassung des Tatbestandes ist im Referentenentwurf ver­ einfacht. S t a tt von vUrkunden« ist von »Schrift­ stücken« die Rede. M an könnte den Zusatz »Schrift­ stücke« vielleicht entbehren, weil auch die Schriftstücke unter den Oberbegriff der »beweglichen Sachen« fallen. Aber das plastische W ort »Schriftstücke« würde ich doch stehen lassen. Voraussetzung ist eine amtliche Übergabe der Schriftstücke oder der beweglichen Sachen, und zwar ohne Rücksicht auf die materielle Zulässigkeit der Über­ gabe, auf die Zuständigkeit der empfangenden Behörde usw. Die Rechtsprechung verlangt heute allerdings, daß die wesentlichen Formen gewahrt werden, und der Gegenentwurf will einen Zusatz dieses In h a lts in das Gesetz aufnehmen. Bestraft würde danach ein Sichvergreifen an Gegenständen, die unter Beobachtung der wesentlichen Formen in Verwahrung genommen sind. Ich halte einen derartigen Zusatz aber nicht für glück­ lich und verweise auf die Erörterungen über § 149 Abs. 4. Zweitens der V e r s t r i c k u n g s b r u c h (§ 161): M an könnte sich zunächst überlegen, ob die W orte »zerstören« und »beiseiteschaffen« hier wegfallen sollen. Ob man diese Frage m it ja oder nein beantwortet, ist prak­ tisch ohne Bedeutung. Wichtiger ist die Frage: W as bedeutet hier Beschlagnahme? D er Begriff der B e­ schlagnahme bereitet ja schon der Auslegung des § 137 im heute geltenden Strafgesetzbuch erhebliche Schwie­ rigkeiten. Grundsätzlich sind zwei Standpunkte denk­ bar. M an könnte einmal sagen: Eine Beschlagnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, daß die S taatsgewalt den Gegenstand in Gewahrsam genommen hat, also den plastischen Zugriff des S taates. M an könnte aber auch die Ansicht vertreten, daß schon das bloße 3

Verbot der Verfügung genüge. Untersucht m an die heutige Rechtsprechung, so kommt m an zu dem Ergeb nis, daß die P ra x is in sich widerspruchsvoll und unein­ heitlich ist. Auf der einen Seite findet m an eine Reihe von Entscheidungen, die die engere Auslegung zu ver­ treten scheinen. S o ist das Reichsgericht der Meinung, daß der Erlaß eines Veräußerungsverbots im Rahmen einer einstweiligen Verfügung für sich allein noch keine Beschlagnahme im S in n e des § 137 darstellt. Viel­ mehr verlangt das Gericht die Inbesitznahme durch eine dam it betraute Person. Keine Beschlagnahme ist z. B. der E rlaß eines Arrestbefehls oder eines VeräußerungsVerbots nach § 100 der Konkursordnung vor der I n ­ besitznahme durch eine vom Gericht beauftragte Person. Auf der anderen Seite wird die Zustellung eines Zwangsversteigerungsbeschluffes gemäß § 22 Abs. 1 des Zwangsversteigerungsgesetzes als Beschlagnahme ange­ sehen, und bei der strafprozessualen Beschlagnahme — §§ 94 ff. der Strafprozeßordnung — begnügt sich das Reichsgericht zwar nicht m it dem Beschluß an sich, aber wohl m it der mündlichen Weisung, nicht über die Sache zu verfügen. M ir scheint, das Gesetz muß diese Zweifel und Widersprüche beseitigen und sich entscheiden, also S tel­ lung nehmen zu der Frage, ob die Beschlagnahme effek­ tiv sein muß oder ob die weitere Auslegung gelten soll. D er Gegenentwurf entscheidet sich fü r die erstere Auf­ fassung, indem er eine Beschlagnahme in äußerlich er­ kennbarer Weise verlangt. Danach müßte der Gegen­ stand in Besitz genommen sein und dies in äußerlich erkennbarer Weise zum Ausdruck gebracht werden. Will man dagegen die weitere Auffassung übernehmen — und die Tendenz der Rechtsprechung bewegt sich in der Richtung einer weiteren Auslegung — , dann wird man sich überlegen müssen, ob die Beschränkung auf Sachen noch angebracht ist, und ob dann nicht auf die Forde­ rung, die durch einen Pfändungs- und llberweisungsbeschluß in Beschlag genommen ist, unter § 161 fallen müßte. Ich gestehe offen, daß ich sehr im Zweifel dar­ über bin, für welche der beiden Lösungen ich mich ent­ scheiden soll. Ich neige mehr der engeren Auffassung zu. D enn wenn man — der weiteren Auffassung fol­ gend — jeden Ungehorsam gegen ein Verbot, einen Pfändungsbeschluß, einen Arrestbefehl usw. unter S tra fe stellen wollte, dann käme man zu einer bedenk­ lichen Vielbestraferei und zur Einbeziehung von zum großen Teil harmlosen Vorgängen. Sodann ist zu prüfen, ob Derstrickungsbruch auch dann vorliegt, wenn die Beschlagnahme fehlerhaft war. D as Reichsgericht verlangt für das Vorliegen einer Beschlagnahme, daß die wesentlichen Formen eingehal­ ten werden. Insbesondere muß die Pfändung gemäß den Vorschriften der Zivilprozeßordnung ersichtlich ge­ macht worden sein. Aber auch auf diesem Gebiet ist die Rechtsprechung nicht ganz einheitlich. Auch hier wäre ich geneigt, den Grundsatz gelten zu lassen, den w ir auch im § 149a Abs. 4 zum Ausdruck bringen wol­ len. Auch hier ist der fehlerhafte S taatsak t zu be­ achten, es sei denn, daß ein offenbarer M ißgriff der Behörde vorliegt. Neben Gefängnisstrafe würde ich auch Haftstrafe vor­ sehen. Den f a h r l ä s s i g e n V e r s t r i c k u n g s b r u c h , der zum Beispiel in Ita lie n unter S tra fe gestellt ist, würde ich nicht bestrafen.

Endlich taucht die Frage auf, ob der Tatbestand des Verstrickungsbruches m it dem der Vollstreckungsvereite­ lung zusammengezogen werden soll. D er Unterschied zwischen Derstrickungsbruch und Vollstreckungsvereite­ lung liegt bekanntlich in folgendem: D er Derstrickungs­ bruch richtet sich gegen die S taatsgew alt und setzt eine publizistische Verstrickung, eine zur Zeit der T a t schon bestehende Beschlagnahme voraus. D ie Vollstreckungs­ vereitelung dagegen richtet sich gegen den Gläubiger und verhindert eine Zwangsvollstreckung für die Z u­ kunft. D as italienische und das polnische Strafgesetz­ buch haben beide Tatbestände vereinigt. . Ich bin aber der M einung, daß beide Delikte ihrem Wesen nach ver­ schieden sind und auch technisch voneinander getrennt werden müssen. D er dritte Tatbestand ist der des S i e g e l b r u ch s (§ 162), den man wieder in zwei Untertatbestände auf­ gliedern könnte, erstens Siegelbruch im engeren und technischen Sinne und zweitens Verschlußbruch. Erstens: B e s c h ä d i g u n g e i n e s S i e g e l s : D as Reichsgericht legt hier andere Maßstäbe zugrunde als die Rechtsprechung zu § 137 S tG B . § 136 S tG B , ist nach Auffassung oes Reichsgerichts auch dann an­ wendbar, wenn wesentliche Formvorschriften verletzt worden sind, während die Anwendung des § 137 S tG B , voraussetzt, daß die wesentlichen Formen ein­ gehalten worden sind. Auch diese Unstimmigkeit muß beseitigt werden. D as W ort»Siegel« wird in der Recht­ sprechung ziemlich weit auch auf Bahnplomben, gewisse Stempel usw. ausgedehnt. M an könnte vielleicht, um alle Zweifel auszuräumen, noch »andere« oder »ähnliche Zeichen« neben den Siegeln hervorheben. V e r s c h l u ß b r u c h liegt dann vor, wenn das Siegel nicht beschädigt, sondern umgangen wird. J e ­ mand betritt z. B . ein Zim m er, dessen T ü r versiegelt worden ist, oder jemand nim m t ein Schriftstück aus einer versiegelten Hülle heraus. D as wird heute durch § 136 nicht erfaßt, würde aber jetzt unter § 162 des Referentenentwurfs fallen. Die Reihenfolge Der­ strickungsbruch — Siegelbruch halte ich für richtig. Es fragt sich zum Schluß, ob diese drei Tatbestände nicht zusammengezogen werden können. D aß die S tra f­ drohung des Verwahrüngsbruchs wesentlich anders sein soll als die des Verstrickungs- und Siegelbruchs, kann ich nicht einsehen. Ich gebe zu, daß bei feinerer Be­ trachtung gewisse Unterschiede herausgearbeitet werden könnten. Aber ich halte gerade bei der Behandlung dieser Delikte, die doch nicht eigentlich zum Grundstraf­ recht im engeren Sinne gehören, eine gewisse Vergrübe-^ rung für ganz unbedenklich. M an könnte diese drei Tatbestände jedenfalls unter verschiedenen Ziffern in einem P aragraphen erscheinen lassen, um so den gemeinsamm Grundgedanken schärfer zum Ausdruck zu bringen. D ie V e r l e t z u n g a m t l i c h e r B e k a n n t ­ m a c h u n g e n (8 163) braucht meiner Meinung nach überhaupt nicht als selbständige S tra fta t im Gesetz zu erscheinen. Wenn man diesen Tatbestand aber erhalten will, so bin ich dam it einverstanden, daß der Referenten­ entwurf statt »böswillig« »absichtlich« sagt. D er Be­ griff »absichtlich« ist weiter als der Begriff »böswillig«. Auch die Verletzung amtlicher Bekanntmachungen aus Übermut oder Protest gegen eine Amtshandlung würde dann einbezogen werden.

B erichterstatter S taatssekretär D r . F reister: Meine H erren! A ls M itberichterstatter habe ich kaum etwas hinzuzufügen. Ich bin auch der M einung, daß die Diffe­ renzierung des S trafra h m e n s in den Fällen der §§ 160 bis 162 keineswegs geboten scheint und baß es w ün­ schenswert und auch möglich ist, diese drei Fälle zu einem zusammenzuziehen. Es w äre Sache der Unterkommission, zu überlegen, ob das n u r in der äußeren F o rm der Zusammenziehung in einer Bestim m ung m it drei Ziffern oder in einer engeren Zusammenziehung geschehen kann. D ie F rage der Fehlerhaftigkeit des S ta atsa k te s ist auch nach meiner Ansicht genau so zu behandeln, wie sie nach den gestrigen Besprechungen in dem anderen F all behandelt werden sollte. W a s die Auslegung des Begriffs »Beschlagnahme« anlang t, so möchte ich ergänzend n u r d ara u f hinweisen, daß es meines Erachtens erforderlich ist, eine Regelung zu treffen, die Zweifel ausschließt. Es muß in irgend­ einer F orm klargestellt werden, w as unter »Beschlag­ nahme« verstanden werden soll. E s ist nicht erträglich, daß eigentlich kein Mensch weiß, ob im Einzelfalle eine Beschlagnahme im S in n e dieser Bestim m ung vorliegt oder nicht. Bezüglich des § 163 habe ich nichts zu sagen. Z u § 164 bin ich derselben M einung wie H err P r o ­ fessor D ahm . Z u § 160 Abs. 2 habe ich außer der Bezeichnung »Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechtes« zu mo­ nieren, daß es sich dabei um alle Schriftstücke handeln soll, w ährend ich der M einung bin, daß es sich dabei n u r um solche Schriftstücke handeln kann, die für den S ta a t bedeutungsvoll sind. Ich würde deshalb vor­ schlagen, in diese Bestim m ung eine entsprechende E in­ schränkung aufzunehmen. Professor D r. Ragler (B re sla u ): Es w ird sich d arum handeln, w as w ir unter Verstrickung und B e­ schlagnahme im S in n e des § 161 zu verstehen haben. Ich selbst kann mich der Auffassung des H errn Kollegen D ah m anschließen, daß d arunter die effekttve V er­ strickung zu verstehen ist, also nicht die A nordnung, der zufolge ein besonderes staatsrechtliches G ew altverhält­ nis erst herbeigeführt werden soll, sondern erst die D urchführung dieses Beschlusses, so daß ein Zustand eines staatlichen Verstrickungsbesitzes besteht. D a fü r spricht schon, daß n u r von »Sachen« die Rede ist, nicht von Gegenständen. F olgt m an dagegen der anderen Auffassung, wonach schon die bloße A nordnung genügen soll, so müßte m an natürlich alle anderen Objekte auch einbeziehen. Ich meine deshalb, w ir sollten uns dahin schlüssig werden, das W o rt »effekttv« hinzuzufügen, weil auf diese Weise auch dem P ublikum , dem Rechts­ genossen, der klare Tatbestand vor Augen geführt w ird. W enn die Verstrickung durchgeführt worden ist, so ist das Schutzobjekt leicht erkennbar. D ie bloße A nordnung als solche entzieht sich dagegen sehr häufig der vollen Übersetzbarkeit durch den juristisch nicht geschulten Volksgenossen. Ich frage mich aber, ob die W endung »amtlich ge­ pfändet oder in Beschlag genommen« noch von Bedeu­ tung ist. Jedenfalls besteht hm te doch die M o b iliar­ pfändung gerade in der Beschlagnahme. D ie Herbei­ führung der Beschlagnahme ist ja nach der Z ivilp ro ­ zeßordnung das Wesentliche bei der P fä n d u n g , aber

nicht nur nach der Zivilprozeßordnung, sondern, soweit ich sie übersehen kann, auch nach dm V erw altungs­ gesetzen. Ich würde der Unterkommiffion anheimgeben, zu prüfen, ob m an nicht das W o rt »gepfändet« au f­ geben könnte/ die Beschlagnahme scheint m ir das Wich­ tigste zu sein. Bezüglich der Fehlerhaftigkeit des Beschlagnahme­ akts sind w ir durch die Beschlüsse von gestern gebun­ den/ das h at ja H err Kollege D ah m bereits betont. W a s die Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts anlangt, so würde ich der M einung sein, daß m an (an dieser Stelle) den § 164 streichen muß. Ob ein B edürfnis dafür vorliegt, die Analogie des Schutzes zu § 163 aufrechtzuerhalten, werden w ir erst im Z u ­ sammenhang m it den Religionsdelikten (Kirchenschutz) zu behandeln haben. Endlich ein W o rt zu § 160 Abs. 2: der S ta a t h at ein eigmes Interesse d aran , daß die von den Kirchen verw ahrten Sachen ungeschmälert in der H and der zu­ ständigen Stellen bleiben. Insofern muß also § 160 Abs. 2 in diesem Zusam m enhang erscheinen. M inisterialdirektor Schäfer: Ich habe Bedenken d a­ gegen, in § 161 dm Zusatz zu machen, den H err P r o ­ fessor D ahm vorgeschlagen und den H err Professor N agler eben unterstützt hat, nämlich den Zusatz: »in äußerlich erkennbarer Weise«. N atürlich ist das der wichtigste Fall. Aber es gibt doch auch andere Fälle, bei denen eine äußerliche Erkennbarmachung nicht Platz greift — ich erinnere an die Konkursbeschlagnahme oder an die Beschlagnahme eines Grundstücks durch Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses — . I n diesen Fällen gegenüber einem böswilligen Schuldner, der genau weiß, daß die Beschlagnahme erfolgt ist, den strafrechtlichen Schutz zu beseitigen, erscheint m ir be­ denklich. W eiter möchte ich glauben — um ein W o rt zu dem anderen Bedenken des H errn Professor D ahm zu sagen — , daß auf der anderen S eite, bei dem nicht böswilligen Schuldner, die G efahr einer zu großen A us­ dehnung des strafrechtlichen Tatbestandes kaum be­ stehen dürfte m it Rücksicht auf die Erfordernisse des subjektiven Tatbestands. Ich möchte davor w arnen, nach der Anregung des H errn Professor D ah m , den § 161 nach der Rich­ tung zu erw eitern, daß auch Forderungen, nicht n u r Sachen, einbezogen werden. D a w ir doch bei Forderun­ gen einen Schutz des gutgläubigen Erw erbers nicht kennen, so scheint m ir ein B edürfnis nicht zu besteben, zugunsten des Beschlagnahmegläubigers strafrecht­ liche Sanktionen einzuführen. Also ich neige dazu, dem § 161, wie er im Referentenentw urf steht, den Vorzug zu geben. (S taatssekretär D r. F reisler: N un die P fän d u n g einer Hypothek?) — D ie P fän d u n g der Hypothek erfordert die W eg­ nahme des Hypothekenbriefes oder die E intragung im Grundbuch. Eher w ird die P fän d u n g nicht wirksam, so daß eine gewisse äußerliche Kundbarmachung V o r­ aussetzung fü r die W irksamkeit der P fä n d u n g ist. Z u der weiteren A nregung des H errn Professor D ah m , ob m an 161 m it dem P a ra g ra p h e n über die Vollstreckungsvereitelung vereinigen könnte, möchte ich glauben, daß die D inge ganz verschieden liegen. D enn w ir haben es doch in 161 nicht n u r m it P fändungen 3*

und Beschlagnahmen zwecks Befriedigung eines Gläu­ bigers zu tun. (Staatssekretär D r. Freister: Ich glaube, Herr Professor D ahm hat das nicht empfohlen!) — D an n ist der Punkt erledigt. N un noch ein W ort zu der etwas schwierigen und zweifelhaften Frage, ob m an hier etwas über die Recht­ mäßigkeit des Aktes sagen soll. Ich gehe m it Herrn Professor D ahm und H errn Professor Nagler davon aus, daß man hier denselben Grundsatz anwenden soll, den w ir zu 149 und 149a aufstellen, und doch habe ich Hemmungen, dies ausdrücklich auszusprechen. Ich möchte glauben, ein Bedürfnis dafür ist bisher nicht hervorgetreten. Gewiß kommen Fälle in der P rax is vor. Aber wenn S ie zunächst § 160 nehmen, dann spielt hier nur eine Rolle, ob die Sache zu Recht in amtlicher Bewahrung ist oder nicht. Ich weiß nicht, wie m an das ausdrücklich aussprechen und positiv formulieren soll. Bei § 161 ist die P ra x is, ohne daß etwas im Gesetz geregelt ist, bisher zu ganz vernünfti­ gen Ergebnissen gekommen. Hier spielt die Frage des nichtigen Staatsaktes eine Rolle, eine Frage voller Zweifel aus dem Zivilrecht und dem Staatsrecht, die noch ziemlich ungeklärt sind. Insbesondere wenn wir an die Lösung zu 149, 149 a denken, wie sie uns gestern überwiegend vorgeschwebt hat und als deren Vorzug w ir es bezeichneten, daß sie unjuristisch sei, so kann ich m ir bei § 161 allerdings eine unjuristische Lösung schwer vorstellen. Ich neige dazu, obwohl ich die Schwierigkeiten gar nicht verkenne, daß w ir im § 161 zu dieser Frage nichts ausdrücklich im Gesetz sagen, im V ertrauen darauf, daß die P ra x is den Verhältnissen schon gerecht werden wird. Endlich noch ein W ort über die Frage der Vereini­ gung der drei P aragraphen. Ich würde darin keinen Gewinn sehen. Denn das ist doch schließlich kein Ge­ winn, daß m an aus drei P aragraphen einen macht, wenn w ir die drei Tatbestände brauchen. Es ist doch übersichtlicher, kurze P aragraphen zu haben, die die verschiedenen Fälle regeln, als diese drei P aragraphen unter drei Ziffern in einen P aragraphen zu bringen. D a rin stimme ich Herrn Staatssekretär D r. Freister zu: die S trafrahm en kann m an gleichgestalten, inso­ weit liegt zu einer Differenzierung nach unserem ganzen Aufbau des Besonderen Teils kein Anlaß vor. Bei § 164 scheint es m ir im Interesse deS Volks­ friedens richtig zu sein, daß m an die kirchlichen Be­ kanntmachungen einbezieht. Auf diese Einbeziehung haben die beiden Kirchen immer den H auptw ert gelegt. D ie öffentlich angeschlagenen kirchlichen Schriftstücke bedürfen des Strafschutzes des § 163. (Staatssekretär D r. Freister: Gehört jedenfalls nicht hierher!) Bezüglich des § 162 bin ich gleichfalls m it der Ein­ beziehung einverstanden m it der von Ihnen vorgeschla­ genen Einschränkung. (Staatssekretär D r. Freister: Diese Einschrän­ kung bezog sich auf § 160 Abs. 2!) Staatssekretär D r. Freister: Ich darf noch etwas nachholen. Es taucht hier auch wieder die Frage der P a rte i auf. Überall, wo w ir von »amtlich« sprechen, taucht jetzt, man kann wohl sagen: tagtäglich, die Frage der P a rte i auf. D as ist auf allen Gebieten der Fall.

I n der Zivilrechtspflege hat sich diese Frage in der letzten Zeit geradezu hervorgedränat, ob z. B . M aß­ nahmen, die der Kreisleiter für oie S A trifft, be­ hördliche und amtliche M aßnahmen sind, deren U nter­ bleiben nicht durch einstweilige Verfügung erzwungen werden kann usw. Diese überall auftauchende Frage besteht selbstverständlich auch hier. Aber w ir brauchen sie jetzt, glaube ich, nicht zu erörtern, weil wir doch demnächst beim Aufbau des Besonderen Teils das P r o ­ blem der P a rte i und ihres Schutzes und der Einord­ nung dieses Schuhes behandeln müssen. Ich möchte nur nicht, daß w ir daran nicht gedacht haben. E nt­ scheiden können w ir aber diese Frage in diesem Zusam­ menhang nicht. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Es spricht zunächst bei § 161 manches für den Vorschlag des Herrn ersten Referenten, zu saAen: gepfändet oder »in äußerlich erkennbarer Weise« m Beschlag genom­ men. Es ist ganz richtig, daß die Beschlagnahme weit greifbarer ist und äußerlich der Besitzstand deutlicher in die Erscheinung tritt, wenn man eben nur abstellt auf körperliche Inbesitznahme. Aber es lassen sich doch auch Fälle denken, in denen die bloß symbolische Beschlag­ nahme, wenn ich so sagen darf, oder die Beschlag­ nahme durch Zustellung eines Beschlusses, durch ein Veräußerungsverbot, Strafschutz verdient. Nun müssen wir bei der Form ulierung der einzelnen gesetzlichen Tatbestände immer im Auge haben, daß w ir ja eine Analogie zuungunsten des T äters einfihren wollen. Deswegen würoe ich es nicht für nötig halten, den W orten »in Beschlag genommen« noch etwas hinzu­ zusetzen, und ich würde mich im Ergebnis dem V or­ schlag des H errn Ministerialdirektor Schäfer anschlie­ ßen, daß w ir den Tatbestand so lassen, wie er im Refe­ rentenentwurf steht. D ann ist ein sehr wichtiger Punkt der, ob man die Klausel üher den fehlerhaften S taatsakt, wenn ich so sagen darf, auch hier einfügen soll. Ich habe dagegen auch Bedenken. Es handelt sich insbesondere beim Voll­ streckungsbruch um etwas rein Form ales. I n der Zivilprozeßordnung ist nun einmal bestimmt, daß ein Pfandrecht nur entsteht, daß der Gedenstand als wirk­ sam gepfändet nur dann anzusehen ist, wenn die M o­ biliarpfändung in einer ersichtlichen Weise vorgenom­ men ist. D a s Siegel muß also an einer Stelle ange­ bracht sein, die in die Augen fällt. W as soll man da mit dem Gesichtspunkt des gröblichen Amtsmißbrauchs anfangen? (Staatssekretär D r. Freister: Nun bitte, Konkurs und Zwangsversteigerung!) — D a gelten andere Vorschriften. Hier, bei Siegel­ verletzung und Vollstreckungsbruch im Falle der M o­ biliarpfändung, ist die Frage, ob w ir den Schuldner, der die gepfändete Sache beiseiteschafft, auch dann bestrafen sollen, wenn die Pfändung unwirksam ist. Der Gesichtspunkt des gröblichen Mißbrauchs der B e­ fugnisse des Gerichtsvollziehers hilft uns nicht weiter. Liegt kein solcher Mißbrauch vor, wenn er die Siegelmarke an der Seite oder unten anklebt, damit sie niemand sieht? Aus Rücksicht auf den Schuldner geschieht so etwas nicht selten. W ir müssen bei diesen rein formalen Vollstreckungsdelikten rein auf das for­ melle M oment der Wirksamkeit der Pfändung ab­ stellen und können nicht einen Gesichtspunkt heranziehen,

der bei Widerstand gegen die Staatsgew alt paffen mag. Ich bin also dagegen, auch in den §§ 161 und 162 des Referentenentwurfs eine dem Abs. 4 des § 149 a ent­ sprechende Bestimmung einzufügen, des § 149 a in der Fassung, die er ja nun anscheinend bekommen soll. Die Zusammenziehung m it der Vollstreckungsver­ eitelung liegt auch m ir vollständig fern. Bei der Vollstreckungsvereiteluna steht der Gläubigerschutz im V or­ dergründe, währeno hier lediglich ein formaler obrig­ keitlicher Akt geschützt wird. D er D olus des T äters brauckt sich gar nicht auf die materielle Berechtigung der Pfändung zu beziehen, sondern er braucht nur die Tatsache zu umfassen, daß von amtlicher Seite ein Siegel angelegt worden ist. S o heterogene Dinge dürfen nicht zusammengebracht werden. I m übrigen hätte ich gegen das von der M ehrheit Geäußerte nichts einzuwenden. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Ich kann mich auf das beziehen, w as H err Professor Klee gesagt hat, und kann mich für die drei P arag rap h m aussprechen, auch dafür, daß w ir uns über die Rechtmäßigkeit, die Rechtsgültigkeit der Pfändungen mit Ausführlichkeit nicht im Gesetz aussprechen dürfen, auch dafür, daß w ir die drei P arag rap h en auseinanderhalten. E s sind ver­ schiedene Gedanken. Bei 160 befindet sich die Sache von vornherein im amtlichen Gewahrsam, bei 161 wird eine staatliche Herrschaft über die Sache begründet, bei 162 w ird lediglich das äußere Zeichen dieser staat­ lichen Herrschaft geschützt, so daß m ir auch die Abschwä­ chung der S tra fe von 161 auf 162 geboten zu sein scheint, während eine Differenz zwischen 160 und 161 in der S tra fe nicht nötig wäre. Staatssekretär D r. Freister: W as S ie ausgeführt haben, H err Geheimrat, widerspricht aber doch nicht dem, daß in den §§ 160, 161 und mindestens in der zweiten Alternative des § 162 ein gemeinsamer G rund­ gedanke vorhanden ist, nämlich der Gedanke, daß m an auf staatliche Anordnung festgelegte Sachen, einerlei, ob sie schon festgelegt waren o& t erst festgelegt werden, nicht aus dieser Festlegung herausnehmen darf. Ich glaube deshalb nach wie vor, daß das zwar drei ver­ schiedene Lebensäußerungen sind, sie aber alle einen ein­ heitlichen Gesichtspunkt, eine einheitliche Grundlage haben. W as dann Ih re M einung betrifft, es sei die Diffe­ renzierung der S trafen in den §§ 161 uno 162 berech­ tigt, während § 160 und § 161 in dieser Beziehung wohl als gleich betrachtet werden könnten, so gebe ich da doch zu erwägen, daß es sich bei § 162 um ein amtliches Siegel handelt. Insofern liegt also doch ein gröberer Eingriff vor. Es ist deshalb meines Erachtens eine gleiche Bebandlung im S trafrahm en gerechtfertigt. Ich würde doch vorschlagen, diese drei D inge zu verein­ heitlichen. Professor D r. D ahm (Kiel): Gegenüber den A usfüh­ rungen von H errn M inisterialdirektor Schäfer möchte ich doch an der engeren Fassung des § 162 festhalten. Auf das Merkmal des guten Glaubens würde ich nicht abstellen. D a s Wesentliche ist doch die Verletzung der staatlichen A utorität. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Staatsaktes müßte im Gesetz geklärt werden. D a fü r würde der Hinweis auf § 164a Abs. 4 nicht ausreichen. M an könnte aber 35.

vielleicht sagen, daß der T äter sich nur strafbar macht, wenn der staatliche Akt nicht offenbar unwirksam oder rechtswidrig toaL Staatssekretär D r. Freister: Ich darf die Meinung des Ausschusses zusammenfassen: 1. Eine Zusammenfassung der Bestimmungen der §§ 160 bis 162 ist, ohne daß man dem In h a lt der B e­ stimmungen Gewalt antut, wünschenswert und zu er­ streben. 2. Die Einschränkung des § 160 Abs. 2 bezüglich der Schriftstücke, die sich in kirchlichem Gewahrsam befin­ den, auf solche, die für den S ta a t bedeutungsvoll sind — das sind im wesentlichen die Kirchenbücher — ist erwünscht. 3. Die Frage der Ausdehnung des § 161 über Sachen hinaus hat keine durchschlagende Befürwortung gefunden. 4. Die Frage der Fehlerhaftigkeit des Staatsakts macht insofern Schwierigkeiten, als eine unmittelbare Bezugnahme auf die gestern gefundene Lösung offenbar nicht möglich ist. Es ist einmal die M einung vertreten worden, daß bisher auch gar kein Bedürfnis hervor­ getreten sei, hier eine ausdrückliche Regelung vor­ zunehmen, sondern daß man es der P ra x is, die ja jetzt auch über das neue M ittel der Analogie verfügt, über­ lassen könne. Andererseits wurde im Interesse einer gewissen Festigkeit und Sicherheit für erstrebenswert gehalten, doch eine Formulierung zu finden, wobei aber auch gesagt wurde, daß das außerordentlich schwierig sei. Jedenfalls ist eine Formel, die befriedigt, nicht zutage getreten, so daß man doch wohl sagen muß, daß die überwiegende Meinung des Ausschusses die ist: das, was bisher nicht unbedingt geregelt zu werden brauchte, braucht m an auch künftig nicht ausdrücklich zu regeln. 5. Die Frage der Auffassung des Wesens der Be­ schlagnahme ist verschieden behandelt worden. Es ist für eine engere, an die äußere Erkennbarkeit der B e­ schlagnahme geknüpfte Auffassung gesprochen worden. Andererseits ist nicht bestritten worden, daß es weite Gebiete gibt, bei denen man dam it nicht auskommt, so daß wohl das Ergebnis sein dürfte, daß man es auch hier der P ra x is überlassen soll, daß also auch hier eine besondere festlegende Regelung nicht vorgeschlagen wird. 6. Die zweite Alternative des § 162, die neu hinein­ gekommen ist, wurde als glücklich bezeichnet und begrüßt. Die Frage der Aufnahme des § 164 ist noch nicht entschieden. Es wurde einmal die Meinung vertreten, daß § 164 überhaupt nicht aufgenommen werden solle. Ferner wurde die Meinung vertreten, daß er nicht hier­ her an diese Stelle gehöre/ und drittens wurde die M einung vertreten, daß er hier bleiben solle. Darüber ist nachher nicht mehr gesprochen worden. W ir könnten ja versuchen, noch einmal kurz unsere Stellungnahme hierzu zu präzisieren. D as wären die Punkte, die in der Aussprache her­ vorgetreten sind. Die Frage ist also nur noch, ob § 164 hier erwünscht ist. Ich darf vielleicht, dam it wir nicht über diese Frage eine grundsätzliche Aussprache begin­ nen, anregen, daß w ir uns darüber einigen, daß er hier nicht hergehört. Denn er paßt nach dem systematischen Aufbau, in dem der ganze Abschnitt erscheinen soll, offenbar nicht hierher. 4

Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Ich bin mir im Augenblick nicht ganz klar darüber, ob der Fall vor­ kommen kann, daß eine Kirche etwas öffentlich bekannt­ macht, was für den S ta a t Bedeutung hat. M an könnte auf den Gedanken kommen, daß man § 164 analog, wie w ir das bei § 162 Abs. 2 getan haben, auf die staatlich bedeutsamen Bekanntmachungen beschränkt. Dann würde die systematische Stellung natürlich auch hier sein, schon kraft der P a ra llelitä t zu § 160 Abs. 1. Ge­ dacht ist aber § 164 wohl so, daß Bekanntmachungen in den Kirchen hier geschützt sein sollen ohne Rücksicht auf den In h a lt. Wenn m an so weit gehen will, könnte man das vielleicht in den Abschnitt »Schutz der Re­ ligion« stellen. Staatssekretär D r. Freister: Ich meine nur, daß das eine unerträgliche Bevorzugung der Kirchen wäre. Sie selbst, H err G raf Gleispach, haben gesagt, m an müsse nachdenken, ob die Möglichkeit besteht, daß die Kirche einmal eine Bekanntmachung erläßt, die für den S ta a t im positiven S inne von Bedeutung sein kann. Nicht nachzudenken braucht man darüber, ob etwa die Mög­ lichkeit besteht, daß die P a rte i oder die S A eine solche Bekanntmachung erläßt. D as erscheint ohne weiteres selbstverständlich. Wenn w ir hier nun zwar die kirch­ lichen Bekanntmachungen, weil sie vielleicht auch ein­ m al für den S ta a t von Bedeutung sein können, hervor­ heben wollen, aber die für den S ta a t bedeutsamen Be­ kanntmachungen anderer öffentlich-rechtlicher Körper­ schaften nicht hervorheben, so scheint m ir das unmöglich zu sein. Aber man könnte natürlich Ih rem Gedanken Rech­ nung tragen, indem m an ohne Benennung der Kirche überhaupt die für den S ta a t bedeutsamen öffentlichen Bekanntmachungen unter einen besonderen Schutz stellen würde. D a s würde auch hierher gehören, und das würde ich auch empfehlen. Ministerialdirektor Schäfer: M ir würde es möglich erscheinen, auf die Aufführung des § 162 im § 164 zu verzichten. Dagegen liegt die Allwendung des § 163 auf Bekanntmachungen der Kirche in Konsequenz des Standpunktes, den w ir auch sonst bezüglich der Kirchen eingenommen haben. Ich erinnere daran, daß w ir die kirchlichen Wahlen ausdrücklich geschützt haben. Folg­ lich müssen auch die Bekanntmachungen über die kirch­ lichen Wahlen Schutz genießen. Ebenso haben wir bei der Kirchensteuer den Schutz und die Gleichstellung an­ erkannt. D ann müssen auch Bekanntmachungen über die Kirchensteuer geschützt werden. Aber ich möchte noch weiter gehen. Sicherlich ist die Kirche eine besonders wichtige Körperschaft des öffent­ lichen Rechts, auch vom Standpunkt des heutigen S ta ate s aus. Auch Schriftstücke der Kirche, die rein kirchliche Dinge betreffen, z. B . gottesdienstliche Be­ kanntmachungen, die an der Kirchentür angeschlagen sind, sollten meines Erachtens gegen böswilliges Ab­ reißen u. dgl. strafrechtlich geschützt werden. D as Be­ dürfnis hierfür scheint m ir hier auch vom Standpunkt des S ta ate s aus zu bestehen im Interesse des Dolksfriedens, zu dem der kirchliche Friede schließlich auch gehört. Eine andere Frage ist es, ob m an die Kirche ausdrück­ lich als solche hervorhebm will, oder ob man die allge­ meine Fassung wählt: Körperschaften des öffentlichen

Rechts von besonderer Bedeutung, ähnlich wie w ir es bei den Kirchenwahlen getan haben. D am it könnte ich mich einverstanden erklären. Professor D r. Mezger (München): D ie Frage der Religionsgesellschaften und der Kirche kehrt immer: wieder. I n der vorliegenden Frage bin ich der Auf­ fassung des Herrn Ministerialdirektor Schäfer, daß die besondere Stellung, die die Kirche erhalten hat, es not­ wendig macht, Bekanntmachungen der Kirche zu schützen. Aber diese Dinge gehören innerlich zusammen, so daß sie später bei den Religionsdelikten im Zusammenhang besprochen und geregelt werden müssen. Nicht könnte ich mich m it dem Gedanken befreunden, etwa den 8 164 des Referentenentwurfs so auszuweiten, daß beliebige staatlich interessierende Bekanntmachun­ gen darunter fallm. Die Verhältnisse für die Kirche liegen doch gerade besonders. Staatssekretär D r. Freister: Ich wehre mich da­ gegen, hier eine grundsätzliche Aussprache, zu der man geradezu verlockt wird, einzuleiten. Aber ich muß doch dagegen protestieren, daß nach dem S ta a t nun die Kirche für den jetzigen S ta a t das Wichtigste sei. Ich vermag die Kirche nur in einer Reihe m it den übrigen Körperschaften des öffentlichen Rechts zu sehen, weil ich der M einung bin, daß das Volk im S ta a t und in der Bewegung lebt, und daß es außerdem aus gewissen Gründen gewisse Körperschaften mit einer gewissen Autonomie versehen hat. D a s muß meiner Ansicht nach der Standpunkt des S ta ate s und des Volkes sein. Deshalb wehre ich mich in diesem Zusammenhang da­ gegen, wenn man überhaupt Bekanntmachungen der Kirche — die Siegelgeschichte ist ja schon fallen ge­ lassen — schützen will, hier die Kirche als solche zu er­ wähnen, statt sie aufgehen zu lassen oder einzureihen in die Körperschaften des öffentlichm Rechts, die w ir an­ erkennen. Wenn die Bekanntmachungen aller Körper­ schaftm des öffentlichen Rechts Strafschutz genießen, dann würden dam it ohne weiteres auch die Bekannt­ machungen der Kirche geschützt sein. Ich sehe wirklich nicht, daß unsere Rechtsordnung irgendwo einm G rad­ unterschied zwischen den verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts gemacht hätte, m it der einzigen Ausnahme, daß die Kirchen Steuern erheben könnm. D a aber die übrigen Körperschaften des öffentlichen Rechts durch die neueste Gesetzgebung bezüglich ihrer Einnahmen auch unter eine öffentliche Bewirtschaftung gestellt sind, soweit sie m it der N S D A P zusammen­ hängen und der Geldaufflcht der N S D A P unterliegen, so ist auch dieser Unterschied an sich nicht mehr vor­ handen. Nun wird erklärt, man wehre sich dagegen, den § 164, soweit er den § 163 in sich aufnimmt, auf andere Körperschaften des öffentlichen Rechts auszu­ weiten. Ich weiß nicht warum. Ich finde sogar, der S ta a t muß, wenn er solche Körperschaften anerkennt, auch dafür sorgen, daß sie geordnet leben können. D es­ halb muß er deren Bekanntmachungen genau so schützen wie die kirchlichen. Ich wehre mich nicht gegen den be­ sonderen Schutz der kirchlichen Bekanntmachungen, son­ dern dagegen, daß dieser Schutz über den Schutz der Bekanntmachungen anderer öffentlicher Körperschaften hinausgehen soll. D a s unter die Religionsvergehen zu stellen, dagegen bestehen auch Bedenken/ aber das ist eine Frage, die w ir heute nicht zu besprechen habm.

Oberlandesgerichtsrat D r . Schäfer: D ie H e rv o r­ hebung der Kirchen hat n u r technische Bedeutung. Es ist nicht so, als ob aus den öffentlich-rechtlichen K ö rp e r­ schaften gerade die Kirchen hervorgehoben und als ein­ zige hier m it schütz versehen seien, sondern im § 163 w ir d jedes amtliche Schriftstück geschützt. N un sind ja die öffentlich-rechtlichen Körperschaften Organe, die ihre Aufgaben aus der S ta a tsg e w a lt ableiten. Ih r e A n ­ schläge sind daher amtliche Schriftstücke. D ie Kirche dagegen n im m t keine Aufgaben w a h r, die aus der S ta a ts g e w a lt abgeleitet sind/ ihre Schriftstücke bedürfen daher, um den gleichen besonderen Strafschutz zu ge­ nießen, besonderer Hervorhebung neben den amtlichen Schriftstücken. Aus den gleichen Erwägungen sind auch bei den W ahlen und Abstimmungen neben den öffent­ lichen Angelegenheiten — das sind Angelegenheiten des S taates oder solche, die aus der S ta a ts g e w a lt abgeleitet sind — die W ahlen und Abstimmungen der Kirchen be­ sonders erw ä hnt worden, w eil sie sonst nicht ohne weiteres geschützt würden. S taatssekretär D r . Freister: D a s g ilt n u r, wenn S ie die Rechtslage vom S tand pun kt der Kirche aus be­ trachten. W enn S ie so vorgehen, wie hier v o r­ geschlagen ist, erkennen S ie d a m it an, daß innerhalb Deutschlands die Kirchen ihre Funktionen nicht von dem deutschen S ta a t ableiten, sondern aus sich selbst. Irgendwelche hoheitlichen oder hoheitsähnlichen B e fu g ­ nisse können die Kirchen in Deutschland aber n u r aus­ üben, w e il der S ta a t ihnen das erlaubt, und n u r des­ halb schützen w i r sie hier. Oberlandesgerichtsrat D r . Schäfer: Aber sie üben keine Aufgaben aus, die aus der S ta a ts g e w a lt ab­ geleitet w orden sind. A n sich würde auch die N S D A P als öffentlich-rechtliche Körperschaft (Gesetz vom 1. D e ­ zember 1933) ohne weiteres unter § 163 fallen, wenn nicht die ganze Frage, inw ie w e it die P a rte i besonderen Strafschutz genießen soll, noch offen wäre. S taatssekretär D r . Freister: D a n n sagen S ie doch einfach im § 163: »ein amtliches Schriftstück einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft«. Professor D r . G ra f Gleispach (B e rlin ): Ic h möchte in fo rm a le r Beziehung m it Rücksicht a u f den Wunsch des H e rrn Staatssekretärs, daß jetzt keine grundsätzliche D ebatte g e fiih rt werden solle, vorschlagen, den U n te r­ ausschuß zu ersuchen, alle die Bestimmungen, bei denen diese Frage des Schutzes der Kirchen auftaucht, zu­ sammenzustellen, um eine grundsätzliche Entscheidung vorzubereiten. W a s die Verwendung des B e g riffs »Körperschaften des öffentlichen Rechts« an la ngt, so möchte ich an die letzte S itzung der Akademie fü r Deutsches Recht er­ innern, in der über die Arbeiten der staatsrechtlichen A b te ilu n g berichtet wurde. S ie w ill sich m it diesem B e ­ g r iff jetzt besonders beschäftigen, w eil er eine fü r die gegenwärtigen Verhältnisse ganz unerträgliche A u s ­ dehnung gewonnen habe. G egenw ärtig scheint m ir also dieser B e g riff nicht verw ertbar. Staatssekretär D r . Freisler: D a n n können w ir ja fo rm ell als M e in u n g des Ausschusses dem H e rrn M i ­ nister sagen, daß die Frage, ob und in welchem U m ­ fange hier ein solcher Schutz gegeben werden soll, vom Unterausschuß geprüft werden w ird .

Professor D r . Mezger (München): D e r U nteraus­ schuß soll doch nicht etwa die ganze Frage des »Ob« entscheiden. D e r Wunsch des H e rrn G ra fen Gleispach ging dahin, die Fälle, in denen diese Frage praktisch w ird , einm al v o rlä u fig zusammenzustellen. D em möchte ich mich anschließen. M in is te rn ia ld ire k to r Schäfer: D ie Frage, ob über­ haupt kirchliche Bekanntmachungen gegen Abreißen und Beschädigen geschützt werden sollen, ist doch bejaht w o r­ den. Offen geblieben ich n u r die Frage, ob das hier oder an anderer S telle und in welcher F o rm es aus­ gesprochen werden soll. D a n n d a rf ich H e rrn Professor D a h m bitten, jetzt über § 166a zu referieren. Berichterstatter D r . Dahm (K ie l): Es sind noch folgende Tatbestände zu besprechen: Verbotene B e ru fs­ ausübung, Verweisungsbruch und verbotene M itte i­ lungen über Gerichtsverhandlungen und über Bewe­ gungen der W ehrmacht. 3 u § 166a hätte ich nichts zu bemerken. D e r Derweisungsbruch gehört meiner M e inung nach überhaupt nicht in das Strafgesetzbuch hinein. § 168 hat sich inzwischen teilweise erledigt. D a s g ilt namentlich fü r Z iffe r 4, die dem § 197 a nach den Vorschlägen der Ünterkommission über den Landesverrat entspricht. D ie übrigen Tatbestände enthalten eine Vereinfachung von Bestimmungen, die heute in ver­ schiedenen Gesetzen verstreut sind: so im Gesetz über die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindenden Ge­ richtsverhandlungen vom 5. A p r il 1888, im § 184b des Strafgesetzbuchs und in t § 17 des Pressegesetzes. S ie haben eine E rw e ite ru n g dieser Bestimmungen nach verschiedenen Richtungen zur Folge. V o r allem sind jetzt auch Veröffentlichungen erfaßt, die nicht durch die Presse erfolgen. S oda nn w ird in Z u ku n ft der G ru nd fü r die Ausschließung der Öffentlichkeit gleichgültig sein und nichts mehr d a ra u f ankommen, ob die V e r­ öffentlichung geeignet w a r, Ä rg e rn is zu erregen. M a n w ird die Frage prüfen müssen, ob die Bestimmungen des § 168 Z iffe r 1 bis 3 im Strafgesetzbuch stehen sollen oder ob sie in das Pressegesetz hineingehören. D a s letztere w ürde ich befürw orten, obwohl eine V e r­ öffentlichung durch die Presse nicht mehr unbedingt notwendig sein soll. llb e r § 168a brauche ich nicht zu sprechen. Es scheint m ir sicher, da er nicht in diesen Abschnitt hineingehört. Professor D r . G ra f Gleispach (B e rlin ): Ich hätte zu § 16 6 a n u r die Frage über den U m fa ng seines T a t­ bestandes auszuwerfen. Zunächst ist daran zu denken, daß es sich um Verbote der B erufsausübung handelt, die in einem S trafprozeß ausgesprochen worden sind. Solche Verbote können aber auch in einem Z ivilprore ß ausgesprochen werden. D ie Frage ist, ob nun jedes solches B eru fs- oder Gewerbeverbot unter diese S t r a f ­ bestimmung fallen soll. D a s ist w o h l nicht die M e i­ nung, aber das müßte zum Ausdruck kommen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: M a n kann ja statt »gerichtlich« sagen: »strafgerichtlich«. § 168 Z iffe r 1 bis 3 wäre also in h a ltlich gebilligt, vorbehaltlich der E in o rd n u n g / Z iffe r 3 kann eventuell in das Pressegesetz eingestellt werden. Professor D r . G ra f Gleispach (B e r lin ): Ich würde mich d a fü r aussprechen, es doch in das Strafgesetzbuch aufzunehmen.

Zn einer Privatunterhaltung ist dann noch die Frage aufgeworfen worden, ob nicht der D ortraa zu Lehr­ zwecken durch diese Vorschrift gehemmt werden könnte. Allenfalls könnte man sagen, baß solche Erörterungen zu wiffenschaftlichen Zwecken ausgenommen werden. (Ministerialdirektor Schäfer: Sie brauchen doch nicht einen Fall mit Namen zu nennen!) Professor D r. Mezger (München):. Ich halte diese Bedenken für gerechtfertigt. § 168 Ziffer 3 Referenten­ entwurf erschwert den Betrieb psychiatrisch-krimina­ listischer Institute, wenn er formalistisch angewendet wird. Zum Zwecke der Klarstellung würde ich ein­ fügen: »zu anderen als rein wissenschaftlichen Zwecken.« Auch das »verbotswidrig« in Ziffer 1 ist vielleicht zu eng und unbestimmt. Professor D r. Dahm (Kiel): Ich möchte mich da­ gegen aussprechen. W ir verlangen doch allgemein die materielle RechtswidriHkeit, an der es hier fehlt und haben keinen Anlaß, dieses Prinzip bei der Regelung einer ganz speziellen Einzelfrage ausdrücklich zur Gel­ tung zu bringen. Der Richter wird den § 168 auch ohne gesetzliche Regelung so vorsichtig anwenden, daß die Wissenschaft nicht behindert wird? (Ministerialdirektor Schäfer: Wenn Sie den Na­ men weglassen, ist es doch nur ein Schema. Den Fall dürfen Sie erwähnen, nur nicht den Namen!) Professor D r. Mezger (München): D er Angeschul­ digte wird in diesen Fällen meist persönlich vorgestellt. Also von einer Verbergung des Betroffenen kann keine Rede sein. (Ministerialdirektor Schäfer: D ann geht es eben nicht!) Die Bestimmung der Ziffer 3 ist konkret und be­ stimmt gefaßt. Bei aller Ehrfurcht vor der materiellen Rechtsauslegung könnte es doch vorkommen, daß die Wissenschaft durch die Fassung dieses Paragraphen ungerechtfertigt eingeengt wird? (Staatssekretär D r. Freister: D ann muß die Genehmigung eingeholt oder abgewartet werden, bis Me Sache erledigt ist!) Bei schwebenden Verfahren werden die Gerichte die ausdrückliche Genehmigung nicht leicht erteilen. (Staatssekretär D r. Freister: Und mit Recht!) Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Als einer der Mitbetroffenen möchte ich sagen, daß ich die Bedenken nicht teile. Staatssekretär D r. Freisler: Dann wäre dieser Ab­ schnitt erledigt. Allerdings ist ja zu Eingang seines Referats von Herrn Professor Dahm der Vorschlag gemacht worden, auch die Zß 169 bis 170 einzubeziehen. (Professor D r. Dahm fKielj: D as ist Aufforde­ rung zum Ungehorsam!) Ministerialdirektor Schäfer: Die Frage wollten wir erst im Zusammenhang mit dem Aufbau entscheiden. (Staatssekretär D r. Freister: S o daß wir also jetzt den Abschnitt erledigt hätten!) Vielleicht könnte die Zusammensetzung der Unterkommission bekanntgegeben werden. Die Bildung der Unterkommission für den Abschnitt »Vergehen bei Wahlen und Abstimmungen« fehlt auch noch. Beim

Abschnitt »Schutz befreundeter Staaten« waren Refe­ renten Herr Professor D r. Nagler und Herr Direktor Lorenz. Ich glaube, die Zusammensetzung könnte die gleiche sein wie für den Abschnitte. Ich glaube, es waren die Herren Ministerialdirektor D r. D ü rr und Oberlandesgerichtsrat D r. Schäfer. Und für diesen Abschnitt, Herr Staatssekretär, für den Sie selbst Refe­ rent sind, könnten vielleicht die Herren Professor Dahm und Geheimrat Schäfer oder Oberlandesgerichtsrat Schäfer und Herr M inisterialrat Rietzsch mitwirken. (Reichsjustizminister D r. Gürtner übernimmt den Vorsitz.) Reichsjustizminister D r. Gürtner: W ir kommen zu dem Sammelthema, das unter Ziffer 1 unserer Tages­ ordnung aufgeführt ist: »Angriffe gegen die Wehrmacht und die Volkskraft, Rasse, Volksgesundheit und w irt­ schaftlicher Landesverrat«. Uber die Systematik und die Eingliederung in den Besonderen Teil wollen wir erst am Ende sprechen, bei der Debatte über die Syste­ matik. D a die Herren von seiten des Reichswehrministeri­ ums und des SA-Ministeriums da sind, können wir die »Angriffe gegen die Wehrmacht« an die Spitze stellen. Berichterstatter sind die Herren Professor D r. Kohl­ rausch (Berlin) und Vizepräsident G rau (Berlin). Berichterstatter Vizepräsident Grau: Meine Herren! Die Existenz eines jeden Staates beruht, wenn es zur letzten Konsequenz kommt, stets auf seiner Wehrbereit­ schaft und aus der aus dieserWehrbereitschaft erwachsenen Wehrkraft. Die Wehrbereitschaft ist die Bereitschaft eines ganzen Volkes, sich gegen einen Feindesangriff zur Wehr zu setzen. Sie bericht sich also keineswegs nur auf das vom S taate gebildete Heer. Es muß wieder Allaemeingut des deutschen Volkes werden, daß jeder deutsche Mann, soweit er dazu fähig ist, im Falle eines Feindes­ angriffs zur Verteidigung des Vaterlandes berufen ist. Diese Berufung zur Verteidigung des Vaterlandes für jeden Deutschen besteht unabhängig davon, ob bei uns etwa wieder einmal die allgemeine Wehrpflicht einge­ führt werden sollte oder ob wir weiterhin unter den Fesseln des Versailler Diktats auf ein kleines Reichsheer angewiesen sein werden. D aß die Wehrbereitschaft des deutschen Volkes, von der seine Existenz abhängt, strafrechtlich geschützt werden muß, kann nicht zweifelhaft sein, und zwar ist dieser Schutz der Wehrbereitschaft ein so wichtiges Kapitel, ein Kapitel von so weittragender Bedeutung, daß es unbedingt in einem Sonderabschnitt untergebracht wer­ den muß. D as bisherige Recht und auch der Referentenentwurf kennen nur einen Schutz der W e h r m a ch t , also nur einen Schutz des Reichsheeres und der Reichsmarine,denn gemeinhin versteht man unter »Wehrmacht« in Deutschland Oie Reichswehr. Dieser Schutz ist natürlich notwendig, da sie der Kern der Landesverteidigung ist. Aber ich sagte schon: Darüber hinaus ist es not­ wendig, daß alle wehrhaften Deutschen im Falle eines Krieges diese Wehrmacht ergänzen und verstärken, und deshalb erscheint es mir nicht richtig zu sein, wie der Referentenentwurf vorschlägt, diesen Abschnitt zu be­ zeichnen mit »Angriffe gegen die Wehrmacht«/ auch »Schutz der Wehrmacht« würde zu eng sein. Ich würde

die Ü berschrift des Abschnittes benennen: »Schutz der W ehrbereitschaft« oder »Schutz der W e h rkra ft« . D ie A n g riffe gegen diese W ehrbereitschaft des Volkes ehen in zwei Richtungen. S ie richten sich einm al gegen en Bestand des Heeres und gegen die materiellen W e h rm itte l. Ic h möchte sie. als A n g riffe gegen die m aterielle W ehrbereitschaft bezeichnen. Aber gerade die E rfah run gen des letzten großen Krieges haben uns gelehrt, daß auch das gewaltigste R üstungsm aterial zum Siege nicht genügt, wenn nicht dazu kommt die ent­ sprechende geistige H a ltu n g des einzelnen S oldaten, des ganzen Heeres. Andererseits ist uns im letzten Kriege klar v o r Augen getreten, daß auch ein zahlenmäßig und in 6 m tg auf die A usrüstung unterlegenes Heer die größ­ ten Siege der Weltgeschichte erfechten kann, wenn seine M ä n n e r von Kampfesgeist und dem W ille n beseelt sind, sich restlos fü r ih r V a te rla n d einzusetzen. Diesen h e ili­ gen W ille n zur V e rte idigun g des V aterlandes kann man als geistige W ehrbereitschaft bezeichnen, und auch gegen sie richten sich zahlreiche A n g riffe . Auch die geistige W ehrbereitschaft muß strafrechtlich geschützt werden. S o viel möchte ich m ir erlauben, allgemein voraus­ zuschicken, und ich komme nun zu den Sondertatbeständen, die ich, w ie ich schon sagte, einteile in »A ng riffe gegen die m aterielle Wehrbereitschaft« und »A ng riffe gegen die geistige W ehrbereitschaft«. D ie materielle Wehrbereitschaft soll in erster L inie den Bestand des Heeres schützen. D a kommt man zunächst auf die T a t­ bestände, die m an un ter dem B e g riff »W ehrflucht« zusammenfaffen kann, die frü h e r in den Bestimmungen der §§ 1 4 0 ,1 4 2 und 143 des Strafgesetzbuchs enthalten w aren. Voraussetzung fü r diese Bestimmungen w a r ja die allgemeine W ehrpflicht, die allgemeine D ienst­ pflicht. Z u r Z e it lä ß t sich nicht überschauen, ob sich unsere W ehrverfa ffung in absehbarer Z e it ändern w ird . D eshalb w ird man w ohl n u r anmerkungsweise dieser Wehrfluchttatbestände gedenken dürfen und v o rlä u fig von Einzelheiten absehen müssen. D e r nächste Tatbestand, der sich gegen den Bestand des Heeres richtet, ist die Soldatenaufw iegeluna, die der R eferentenentw urf im § 118 regelt. Ic h w ürde den Tatbestand n u r auf deutsche S oldaten beschränken/ denn ich sehe kein B e d ü rfn is d a fü r, daß w ir denjenigen be­ strafen, der etwa einen französischen S oldaten verleitet, seine D ienstpflicht m verletzen. Ic h würde w eiterhin vorschlagen — uno da befinde ich mich in Ü berein­ stimm ung m it H e rrn Professor Kohlrausch — , diesen Tatbestand allgemein noch dahin zu ergänzen, daß man hinzusetzt: „o d e r w er in anderer Weise die M annes­ zucht in der Reichswehr u n te rg rä b t". W a s das S tra fm a ß angeht, so erscheint es unbedingt notw endig, fü r besonders schwere Fälle Zuchthaus an­ zudrohen. A lles in allem würde ich fo rm u lie re n : M i t G efängnis, in besonders schweren Fällen m it Zuchthaus, w ird bestraft, w er einen deutschen Soldaten verleitet, Befehle in Dienstsachen- nicht zu befolgen oder sich einem Vorgesetzten zu w id e r­ setzen oder tätlich gegen ihn zu werden, oder wer in anderer Weise die Manneszucht in der Reichs­ wehr un terg räbt. D e r zweite Tatbestand in diesem Zusammenhange ist die V e rle itu n g zur Fahnenflucht. Ic h w ürde v o r­ schlagen, die beiden Absätze des § 119 des Referenten36.

en tw urfs zusammenzufassen, auch hier fü r besonders schwere Fälle Zuchthaus vorzusehen und etwa zu fo r ­ m ulieren: W e r einen deutschen S oldaten zur Fahnenflucht verleitet oder die Fahnenflucht eines deutschen S oldaten erleichtert, w ird m it Gefängnis, in be­ sonders schweren Fällen m it Zuchchaus bestraft. S oda nn schlage ich vor, einen neuen Tatbestand ein­ zufügen, und zwar die wehrschädliche Sachbeschädigung, die m an auch vielleicht m it »Sabotage der W ehrm ittel« bezeichnen könnte. Es ist meines Erachtens notwendig, aus dem allgemeinen Tatbestände der Sachbeschädigung den F a ll herauszunehmm und in diesen Abschnitt u n te r­ zubringen, in dem sich die Sachbeschädigung gegen ein W e h rm itte l oder gegen E inrichtungen der Wehrmacht wendet. W e ite rh in dazu kommen müßte, daß sie m it dem Vorsatz geschieht, diese Gegenstände fü r die Zwecke der Landesverteidigung unbrauchbar zu machen. Dieser besonders wichtige F a ll der Sachbeschädigung scheint m ir von so großer Bedeutung zu sein, daß er einer Sonderregelung bedarf. Ic h würde etwa so fo r ­ m ulieren: W e r ein W e h rm itte l — — das sind in erster Linie die A n g riffs - und V e rte id i­ gungswaffen — oder Einrichtungen der Wehrmacht — d a runter würden Kasernen und alles sonstige fallen — m it dem Vorsatz beschädigt oder zerstört, sie fü r die Zwecke der Landesverteidigung unbrauchbar zu machen, w ird m it Zuchthaus bestraft. K o m m t zu der Sachbeschädigung dieser Vorsatz hinzu, so ist der Tatbestand d e ra rtig stra fw ü rd ig , daß n u r Zuchthaus angemessen erscheint. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a r f ich bloß am Rande bemerken: H e rr Kollege, S ie setzen v o r­ aus, daß das ein Friedensdelikt sein soll?) — Ic h werde gleich über den Kriegszustand sprechen/ dabei kommt ja auch die Abgrenzung zu § 9 5 b in den Landesverratsbestimmungen m Betracht. Ic h würde die wehrschädliche Sachbeschädigung schon im Frieden so schwer bestrafen, wenn eben dieser besonders verw erf­ liche Vorsatz hinzukommt. D a n n komme ich zu der A nw erb ung zum ausländi­ schen Heeresdienst. Ic h w ürde mich hierbei dem § 120 Abs. 1 und 3 des Referentenentwurfs anschließen. Abs. 2 — das ist die Versuchsbestimmung — fä llt ja ohne weiteres weg. D ie S tra fa n d ro h u n g w ird auch hier in besonders schweren Fällen a u f Zuchchaus auszu­ dehnen sein. D ie Gefängnisstrafe möchte ich ohne eine Mindeststrafe androhen. Es schließen sich nun die Fälle an, in denen diese A n ­ g riffe gegen die W ehrmacht in Kriegszeiten erfolgen. D a haben w ir ja — und das g ib t die notwendige Abrenzung dieser Tatbestände — den § 95 b in den Lanesverratsvorschriften: Begünstigung des Feindes. D a ­ nach w ird bestraft, w er während eines Krieges gegen das Reich oder in Beziehung au f einen drohenden K rie g der feindlichen M acht Vorschub leistet ^ das spielt hier keine R olle — oder aber der Kriegsm acht des Reichs oder seiner Bundesgenossen einen Nachteil zufügt. D e r T ä te r w ird hier m it dem T o d oder m it lebenslänglichem 5

Zuchthaus bestraft. Es fragt sich nun, ob neben diesem Tatbestand, der verlangt, daß ein Nachteil der eigenen Kriegsmacht zugefügt lst oder zugefügt werden sollte, ein Bedürfnis besteht, Sondervorschriften für Angriffe gegen die Wehrmacht in Kriegszeiten zu bringen. Ich möchte das bejahen, und zwar in Übereinstimmung mit dem Referentenentwurf. Ich bin der Auffassung: wer eine Soldatenaufwiegelung im Kriege begeht, wer eine Verleitung zur Fahnenflucht im Kriege begeht, wer eine wehrschädliche Sachbeschädigung oder auch Anwerbung zum ausländischen Heeresdienst im Kriege oder bei dro­ hender Kriegsgefahr begeht, braucht damit noch keine Ieindbegünstigung begangen zu haben, muß aber be­ sonders schwer bestraft werden. Ich würde lebenslange und zeitige Zuchthausstrafe hier für notwendig halten. § 9 5b enthält nur die allerschwersten Fälle- m denen tatsächlich für die gesamte Kriegsmacht deS Reichs ein Schaden eingetreten ist oder eintreten sollte, was bei Tatbeständen gegen die Wehrbereitschaft nicht ohne weiteres gegeben zu sein braucht. Ich bitte deshalb, meinen A ntrag unter Ziffer 6 dahin zu ändern, daß die Todesstrafe gestrichen und nur lebenslanges oder zeitiges Zuchthaus hier angedroht wird. Als weiterm Tatbestand schlage ich die Nichterfüllung von Verträgen über Kriegsbedürfnisse vor. Bei der B eratung des Landesverrats ist ja hierüber schon ge­ sprochen worden, und es waren flch wohl alle Beteilig­ ten einig, daß diese Bestimmung im Landesverrats­ abschnitt keinen günstigen Platz gefunden hat. S ie hat m it dem eigentlichen V errat gar nichts zu tun, steht aber auch nur in sehr losem Zusammenhang m it den sonsti­ gen Tatbeständen des Landesverrats. Es würde nach meiner Auffassung eine wesentliche Verbesserung sein, wenn im gleichen Abschnitt die Beschädigung von Wehr­ mitteln und die Nichterfüllung von Verträgen, die fich auf die Lieferung von solchen Bedürfnissen des Heeres beziehen, bestraft werden. Ich halte es deshalb für richtig, daß dieser Tatbestand, der jetzt im § 96 enthal­ ten ist, aus dem Landesverratsabschnitt herausgenom­ men und hierher gesetzt wird. D er Referentenentwurs steht bei allen Angriffen gegen die Wehrmacht eine tätige Reue vor. Ich schlage vor, den § 119b zu streichen. Die tätige Reue bei diesen Deliktstatbeständen scheint m ir weder für eine Strafm ilderung noch für eine Straffreiheit geeignet zu sein. Denn der.wehrfeindliche Wille, der sich aus diesen Tatbeständen klar zeigt, kann, wenn überhaupt, nur durch rigorose S tra fen gebrochen werden. E r wird sonst, auch wenn der T äter im Einzelfall einmal die Ausführung der H aupttat aus irgendeinem Grunde verhindern sollte, fortbestehen und weiterhin Unheil an­ richten, Deshalb glaube ich, daß im Rahmen dieser Vorschriften für eine Privilegierung der tätigen Reue kein R aum sein darf. D a s sind die Tatbestände, die ich als Angriffe gegen die materielle Wehrbereitschaft des Volks bezeichnete. D er zweite Teil des Schutzes der Wehrbereitschaft er­ streckt sich auf die geistige Wehrbereitschast. Ich sagte schon: alle Kanonen nützen nichts, wenn nicht hinter diesen Kanonen M änner stehen, die sie auch m it der ent­ sprechenden geistigen H altung bedienen. Es ist deshalb notwendig, die geistige H altung des ganzen Volkes und insbesondere der Reichswehr zu schützen und ihre Zer­ setzung zu bestrafen.

D er erste Tatbestand, den ich vorgeschlagen habe, soll sich nur gegen die Zersetzung der geistigen Haltung der Reichswehr richten/ ich bitte deshalb, den ersten Unter­ fall, den der Aufforderung zur Verweigerung des Kriegsdienstes in der deutschen Kriegsmacht, aus dem von m ir vorgeschlagenen Tatbestand zu streichen. Die Zersetzung der Reichswehr kann dadurch erfolgen, daß in Vorträgen, in Schriften, in Aufsätzen, in Flugblät­ tern zu Angriffen gegen die deutsche Wehrmacht aufge­ fordert wird, zu Angriffen, wie ich sie eben vorgetragen habe. S ie kann werter dadurch erfolgen, daß oie S o l­ daten öffentlich aufgefordert werden, S tra fta ten nach dem Militärstrafgesetzbuch zu begehen. S ie kann schließlich dadurch erfolgen, daß öffentlich aufgefordert oder angereizt wird, das innere Gefüge der Wehrmacht, insbesondere die Manneszucht, zu untergraben oder zu zersetzen. Diese Gedanken führen zu meinem Vorschlag, der etwa folgendermaßen lautet: Wer öffentlich zu Angriffen gegen die deutsche Wehrmacht, — es darf nicht heißen »Wehrbereitschaft«, das ist ein Schreibfehler — zu militärischen S traftaten deutscher Soldaten oder zu sonstigen Maßnahmen auffordert oder anreizt, die das innere Gefüge der Wehrmacht, insbesondere die Manneszucht, untergraben oder zersetzen, wird mit Zuchthaus oder Gefängnis be­ straft. Den zweiten Absatz der öffentlichen Verherrlichung und Billigung solcher Taten bitte ich entsprechend der Auf­ fassung der Kommission bei ähnlichen Tatbeständen zu streichen. Die Kommission w ar ja der Auffassung, daß die öffentliche Billigung und Verherrlichung immer eine Anreizung enthält und deshalb nicht besonders her­ vorgehoben zu werden braucht. Besonders schwer ist selbstverständlich diese S tra fta t — und das wissen w ir aus dem letzten Kriege ja nur allzu gut — , wenn sie in Kriegszeiten oder m Zeiten drohender Kriegsgefahr begangen wird. D ann kann die S tra fe nur Tod oder lebenslanges Zuchchaus sein. D ie weiteren Angriffe gegen die geistige Haltung der Wehrmacht liegen darin, daß ihre Symbole, ihre Ab­ zeichen, die Orden und Auszeichnungen des Soldaten beschimpft und verächtlich gemacht werden. Dieser Tatbestand ist schon in der preußischen Denkschrift vor­ gesehen, ist jetzt auch in ähnlichem Umfang geltendes Recht, § 134a des Strafgesetzbuchs. Ich bitte, in meinen Vorschlägen die W orte zu streichen: »oder Symbole«. Ich glaube nicht mehr, daß dafür ein Be­ dürfnis besteht, und würde folgende Fassung vor­ schlagen: Eines Vergehens macht sich schuldig, wer öffent lich die deutsche Wehrmacht, ihre Fahnen, Kom­ mandoflaggen, ihre Abzeichen oder Auszeichnun­ gen beschimpft oder böswillig verächtlich macht. Ich hatte bisher über die geistige Zersetzung der Reichswehr gesprochen und möchte nun daran den letzten Tatbestand meiner Vorschläge anschließen, die Z er­ setzung des völkischen Wehrwrttens, die Zersetzung des Willens zur Wehrbereitschaft, wie er im deutschen Volke vorhanden ist oder jedenfalls großgezogen wer­ den muß. Diese Zersetzungshandlungen bestehest z. B . darin, daß öffentlich propagiert wird: in einem zukünf-

Ligen Krieg drücken w ir uns, da braucht keiner mitzu­ machen. 3 $ würde insoweit vorschlagen, und bitte, in dieser Richtung meine schriftlichen Leitsätze zu er­ gänzen: W er öffentlich zur Verweigerung des Kriegs­ dienstes in der deutschen Kriegsmacht — nicht etwa Wehrmacht — auffordert oder anreizt oder in anderer Weise den Willen des deutschen Volks zur wehrhaften Selbstbehauptung böswillig — auf diese Fälle w ird es zweckmäßig beschränkt wer­ den — lähm t oder zersetzt, wird m it Gefängnis bestraft. I n besonders schweren Fällen, insbesondere wenn die T a t zu Kriegszeiten oder zu Zeiten drohender Kriegsgefahr begangen w ird, ist die S trafe Zuchthaus. D am it sind die Angriffe gegen die geistige H altung des Volkes eigentlich abgeschlossen,- nun ist es aber meines Erachtens notwendig, die Urheber dieser An­ griffe auch dadurch zu fassen, daß m an schon die T eil­ nahme an Verbindungen, von denen diese Angriffe aus­ gehen, unter S tra fe stellt. Ich denke an die bekannten pazifistischen Verbindungen, die in den letzten 14 Jah ren ihr Unwesen zum Schaden des Vaterlandes getrieben haben, und ich glaube, daß ein Bedürfnis besteht, ab­ gesehen von den allgemeinen Tatbeständen über T eil­ nahme an Verbindungen zu gesetzwidrigen Zwecken, hier einen Sondertatbestand zu bitten: W er einer Verbindung oder Vereinigung an­ gehört, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, wehrfeindlichen Bestrebungen obzuliegen, w ird wegen Vergehens bestraft. D er Referentenentwurf fleht dann noch weiter in diesem Zusammenhang den Auswanderungsbetrug (§ 121) vor. Dieser Tatbestand gehörte vielleicht stüher unter den Voraussetzungen der allgemeinen Dienstpflicht hierher. Jetzt gehört er wohl sicher nicht mehr in diesen Abschnitt. E r paßt besser in den Abschnitt: Schutz der nationalen Arbeitskraft. Denn durch jeden A us­ wanderungsbetrug wie überhaupt durch jede Auswande­ rung eines deutschen Arbeiters w ird eine Arbeitskraft der Gemeinschaft entzogen, nicht nur die kämpferische K raft zur Unterstützung der Landesverteidigung, son­ dern überhaupt die dem einzelnen innewohnende K raft zur Betätigung für die Gemeinschaft. § 122, der letzte P arag rap h des Referentenentwurfs in diesem Abschnitt, ist zu streichen, weil die Reichs­ verweisung inzwischen eine polizeiliche M aßnahme ge­ worden ist. Berichterstatter Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Meine Herren! D arüber, daß die deutsche W ehrbereit­ schaft des schärfsten Schutzes bedarf, braucht kein W ort verloren zu werden. I n der A rt, wie der Referenten­ entwurf ihr diesen Schutz angedeihen lassen will, stimme ich ihm im wesentlichen zu und ebenso im wesentlichen auch den Vorschlägen von H errn Vizepräsidenten G rau. I m einzelnen: Ich habe in Übereinstimmung m it den Vorschlägen des H errn Vizepräsidenten G rau zu II vorgeschlagen, zu trennen auf der einen Seite die Untergrabung der Manneszucht in der Reichswehr und auf der anderen Seite die Lähmung des Wehrwillens des deutschen Volkes.

Ad 1 glaube ich, daß man die Hauptbestimmungen unter 117 a und 118 vereinigen könnte. D er § 118 enthält nur Sonderfälle des § 117 a; auch hier befinde ich mich in Übereinstimmung m it H errn Vizepräsi­ denten G rau. M an w ird sich weiter überlegen müssen, wie sich der auf diese Weise entstehende Tatbestand ver­ halten soll zu der Teilnahme an Militärdelikten. Die Frage muß klargestellt werden. Ich nehme an, daß das gemeinte und gewünschte Ergebnis das ist, daß diese neuen §§ 117a und 118 dann nicht angewendet werden sollen, wenn wegen der Teilnahme an einem M ilitärdelikt eine schwerere S trafe verwirkt ist, also etwa bei Anstiftung zu einem konkreten Vergehen, zur militärischen Meuterei usw. D aß solche Fälle an und für sich unter die §§ 117 a und 118 fallen würden, ist klar. Ich halte es aber für richtig, daß sie in diesem Falle nur unter das Militärstrafgesetzbuch fallen. D aß die Anstiftung zu einem Sonderdelikt auch begangen werden kann von einer Person, die nicht zu den Rormadreffaten des Sonderdelikts gehört, ist herrschende und meines Erachtens richtige Meinung. Ich komme infolgedessen zu der Formulierung auf Seite 2 der von m ir unterbreiteten Vorschläge. Sie lautet folgendermaßen: § 118. W er einen Soldaten zum Ungehorsam gegen Befehle in Dienstsachen oder zu Widersetz­ lichkeiten oder Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte ver­ leitet oder in anderer Weise die Manneszucht in der Reichswehr untergräbt, wird, soweit nicht nach anderen Strafbestimmungen eine schwerere S trafe verwirkt ist, mit Gefängnis bestraft. M ein Vorschlag deckt sich also weitgehend m it dem V or­ schlag von H errn Präsidenten G rau, allerdings mit Ausnahme eines Punktes. Ich schlage vor, das T a t­ bestandsmerkmal der »Öffentlichkeit«, das in § 117a des Referentenentwurfs eine entscheidende Rolle spielt, zu streichen. (Vizepräsident G rau jB erlinj: Ich bin auch dieser Auffassung!) — D as heimliche Wühlen ist erst recht zu bestrafen. Ich bin also für Streichung des W ortes »öffentlich«. Ich habe in meinen Vorschlägen die Mehrzahl »Be­ fehle«, »in Dienstsachen«, »Widersetzlichkeiten« und »Tätlichkeiten«, aber auch die Mehrzahl »Vorgesetzte« gebraucht, denn der S in n des neuen Paragraphen soll ja sein, die Verleitung zu unbestimmten strafbaren Handlungen unter S trafe zu stellen, und es würde meines Erachtens eine ungerechtfertigte Einschränkung sein, wenn w ir bei der Anreizung zu Widersetzlichkeiten und Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte einen bestimmten Vorgesetzten dabei als ins Äuge gefaßt uns denken müßten. Ich nehme nicht an, daß das die Ansicht des Referentenentwurfs w ar. Aber dann müßte wohl auch das W ort »einen Vorgesetzten« in § 118 des Refe­ rentenentwurfs in den P lu ra l verwandelt werden. D aß ich mein schriftliches Referat m it einem kleinen stilistischen M onitum begonnen habe, möchte ich nicht verschweigen. Ich glaube, w ir können unter keinen Um­ ständen sagen, daß jemand öffentlich die Reichswehr untergräbt. Ich weiß nicht, wie m an das anfangen soll, die Reichswehr zu untergraben und wie man vor allem versuchen soll, das öffentlich zu tun. Wohl aber kann man die Manneszucht untergraben, und mein Vorschlag ist entsprechend stilisiert.

Ic h komme zur V e r l e i t u n g z u r F a h n e n ­ f l u c h t . Di e V e rle itu n g zur Fahnenflucht ist auch ein Tatbestand, der als Teilnahm e an einem M ilitä r d e lik t unter Sonderstrafe gestellt ist. H ie r lie g t nun nach heute herrschender Auffassung das V e rh ä ltn is des jetzt ja schon im S tG B , sich befindlichen § 141 zur T e il­ nahme am M ilitä r d e lik t, also A nstiftu ng z u r Fahnen­ flucht, anders als v o rh in . H ie r stellt der § 141 S tG B , ein S onderdelikt d a r gegenüber der A n s tiftu n g oder B e i­ hilfe zur Fahnenflucht, also den §§ 48 und 49 in V e r­ bindung m it 88 6 9 ff. des Militärstrafgesetzbuches. Diese M e in u n g halte ich nicht n u r de lege lata fü r richtig , sondern auch de lege ferenda f ü r beibehaltensw e rt, denn es ha t in der T a t keinen S in n , m it den hohen S tra fe n des Rückfalls in §§ 70 und 71 usw. des Militärstrafgesetzbuches auch oen Verleitenden zu treffen, während es m ir a u f der anderen S eite ein gesunder Gedanke zu sein scheint, daß — ich spreche jetzt vom betenden Recht — 8 141 S t G B , ein höheres S tra fm in lm u m hat, als es die A n s tiftu n g oder B e i­ hilfe zur Fahnenflucht des Militärstrafgesetzbuches haben würde. Ic h glaube, daß dieses V e rh ä ltn is bei­ behalten werden sollte, daß also keine S u b s id ia ritä t besteht. D a ich aber auf dem hier w o h l allgemein geteilten S tandpunkte stehe, daß 8 H 8 subsidiär ist gegenüber der Teilnahm e am M ilitä r d e lik t, so muß hier zum Ausdruck gebracht werden, daß umgekehrt 8 119 S tG B , p r im ä r gelten soll. D em I n h a lt stimme ich zu, aber die beiden Absätze sollten zusammengezogen werden, schon d a m it nicht etwa eine S tre itfra g e daraus gemacht w ird , ob es eine verschiedene Bedeutung habe, wenn jemand etwas u n te rn im m t oder wenn er etwas zu tu n versucht. Ich schlage also v o r, zu sagen: 8 119. W e r einen deutschen S oldaten zur Fahnen­ flucht verleitet oder seine Fahnenflucht befördert, w ird m it G efängnis bestraft. Ic h habe in diesem P ara grap hen nicht zum Ausdruck gebracht, daß er p r im ä r gelten soll. D a s ergibt sich meines Erachtens daraus, daß w ir in 8 118 ausdrück­ lich sagen: »soweit nicht nach anderen S trafbestim ­ mungen eine schwerere S tra fe v e rw irk t ist« und dies im H 119 nicht sagen. H e rr Vizepräsident G ra u hat w eiter vorgeschlagen, die wehrschädliche Sachbeschädigung un ter S tra fe zu stellen und die » N i c h t e r f ü l l u n g v o n L i e f e ­ r u n g s v e r t r ä g e n « hierherzuziehen. I m zweiten P u n k t b in ich anderer Ansicht. Ic h glaube, daß die beim Landesverrat ric h tig eingeordnet ist, denn die­ jenigen Tatbestände, die n u r in Kriegszeiten hier in B etracht kommen können und m it Bezug au f einen K rie g , die sollten urzter den Abschnitt kommen, der das charakteristische und schwerere D e lik t enthält, und das ist der Landesverrat. D ie N ichterfüllung von Liefe­ rungsverträgen im Kriege ist etwas landesverrats­ ähnliches. W a s die w e h r s c h ä d l i c h e S a c h b e s c h ä d i ­ g u n g b e trifft, so scheint m ir der Gedanke von H errn Vizepräsidenten G ra u gut zu sein. Es w äre die Frage, ob m an es hierher stellt oder in die Sachbeschädigung. W as w eiterhin die Beschimpfung der W e h r m a c h t b e trifft, so kommen w ir m it 8 101 in der Fassung unserer Unterkommission, w o h l aus. F ü r bedenklich halte ich dagegen, auch die Beschimpfung von

Abzeichen unter S tra fe zu stellen. Ic h glaube, das geht doch zu w eit. W i r wissen ja doch alle, wie es frü h e r w a r, da sprach m an vom Gefreitenknopf als dem Kuckuck usw., und jeder wußte, daß das nicht bös gemeint w a r. Hiernach aber könnte das als Beschimpfung des Abzeichens ausbelegt werden, denn anders kann es doch a r nicht gemeint sein, nachdem die Fahnen und S y m ole schon besonders genannt sind. Ic h würde es bei den Fahnen und Flaggen belassen. Ic h komme nun w eiter zu der Frage der S t r a f ­ schärfung in K r ie g s z e ite n . D em 8 H 9 a stimme ich grundsätzlich zu und halte die S tra fe (Zucht­ haus bis zu 10 Jahren) fü r angemessen, aber auch fü r benügend. Ic h dcmfee, in allen w irklich schweren Fällen im K riege w ir d 8 9 5 b (»Begünstigung des Feindes«) anzuwenden sein, und wenn dem nicht so ist, so scheinen m ir auch 10 Jah re Zuchchaus eine vollständig genü­ gende Sühne zu sein. Überlegen müssen w ir uns w ohl, wie w ir den häufig vorkommenden Z e itra u m u n m itte lb a r v o r K riegsaus­ bruch nennen sollen. W enn w ir Verschiedenes meinen, dann müssen w ir es auch verschieden benennen. Fch bin aber nicht sicher, ob im m e r Verschiedenes gemeint ist. I m 8 119a w ird davon gesprochen, daß die T a t auch zu einer Z e it begangen sein kann, »zu der wegen des u n m itte lb a r zu erwartenden Kriegsausbruchs m ili­ tärische Vorbereitungen getroffen werden«. A n an­ derer S telle w ird gesagt: »in Beziehung au f einen drohenden Krieg« (8 9 5 b ). V o n einem »Zustand d ro­ hender Kriegsgefahr« haben w i r gesprochen im 8 9 6 b . D ie jetzt in K r a ft befindliche Novelle macht die beiden letzten Unterscheidungen auch. D e r Sprachgebrauch w ird nachzuprüfen und nötigenfalls zu vereinheitlichen sein. D e r »t ä t i g e n R e u e« w ill der R eferentenentw urf in weitestem U m fang strafbefreiende Bedeutung bei­ messen, nämlich überall d o rt, w o in den Fällen der § § 1 1 8 bis 119a die versuchte V e rle itu n g oder E r ­ leichterung a u f eine bestimmte T a t sich bezieht und der T ä te r diese T a t fre iw illig verhindert. D ie ethischen Bedenken, die hier gelegentlich erhoben worden sind und die ich auch geteilt habe, scheinen m ir in diesem Falle nicht zu bestehen. W o h l aber teile ich die Bedenken des H e rrn Vizepräsidenten G ra u . Ic h glaube, daß in den Fällen, in denen ein w ehr­ feindlicher W ille äußerlich betätigt worden w a r, eine Verzeihung nicht m chr angebracht ist. D e r entgegenstehende Gesichtspunkt, die Theorie von der goldenen Brücke zum Rückzug, muß hier w ohl in den H in te r­ grund treten. W ir strafen ja alle diese D elikte nicht in erster Linie deshalb, d a m it nicht der einzelne S o ld a t flieht, oder w e il der einzelne S o ld a t geflohen oder un­ gehorsam geworden ist, sondern w eil sich in diesen D e­ likten des Nichtsoldaten oder Teilnehm ers ein w ehr­ feindlicher W ille konkretisiert ha t und nach außen hin in Erscheinung getreten w a r. D a s kann nicht unge­ schehen gemacht werden. S o bin ich auch in erster Linie d a fü r, den § H 9 b zu streichen. U nte r allen Umständen aber halte ich es fü r nö tig , der tätigen Reue strafausschließende K r a ft zu versagen in Kriegszeiten. W e r hier ein derartiges M ilitä r d e llk t begangen hat, kann nicht zurück. Ic h würde dann eventuell vorschlagen, den § 1 1 9 b zu beschränken au f 118 und 119, die V e rw e i­ sung auf 1 1 9a aber au f alle Fälle zu streichen.

Wa S die L ä h m u n g d e s W e h r w i l l e n s betrifft, so stimme ich im wesentlichen H errn Präsidenten G rau zu. Eine gewisse Gefahr liegt ja natürlich immer in allen Strafandrohungen gegen bloße Gedanken­ äußerungen, die schließlich auf weltanschauliche D iffe­ renzen, sei es m it dem Gesprächspartner, sei es m it der heute herrschenden Weltanschauung beruhen. Rein weltanschauliche Diskussionen über Krieg und Frieden muffen natürlich straflos bleiben. W ir könnten nicht eine Schrift wie die von K ant »Zum etoigen Frieden« unter S trafe stellen, wenn sie heute beschrieben würde. Aber ich glaube, dem ist auch ein Riegel dadurch vor­ geschoben, daß das W o rt »böswillig« nach den V o r ­ schlägen der preußischen Denkschrift aufgenommen w o r­ den ist. S o stimme ich dem Vorschlag zu: »W er öffent­ lich und böswillig den W illen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbchauptung zu lähmen unternimmt, w ird m it Gefängnis bestraft«. Ob man dem hinzusetzt die Teilnahme an einer Verbindung, zu deren Zweck und Beschäftigung derartiges aehört, stelle ich anheim. Wenn ja, dann kann man beides natürlich verbinden, die Verbindung voranstellen und dann sagen »oder in anderer Weise öffentlich«, wie es H err Präsident G rau vorgeschlagen hat. § 122 über die Reichsverweisung ist gegenstandslos geworden. Reichsjustizminister D r . Gürtner: V o r der Aus­ sprache möchte ich zunächst eine technische Feststellung durch eine Frage an die Herren vom Reichswehrministerium treffen. Früher w ar der Ausdruck »drohende Kriegsgefahr« ein technischer, militärischer Ausdruck. Is t das jetzt auch noch so? Korvettenkapitän Schniewind: Rein. D ie Ansichten haben auch beim Wehrministerium noch zu keiner fest umrissenen Begriffsbestimmung geführt. W ir rech­ nen damit, daß in einem künftigen Kriege nicht unbe­ dingt ein bestimmter T a g , etwa der erste M o b il­ machungstag, den Krieg beginnen muß. D e r Kriegsbetjinn kann vielleicht ganz andere Formen annehmen. D ie Z e it vor einem Kriege haben w ir zunächst in allen unseren Erörterungen benannt m it der Z e it der »außenpolitischen Spannung«. D a s ist wohl ein B e­ griff, der weit genug gefaßt ist, um unseren Absichten auf strafrechtlichem Gebiet Rechnung zu tragen. D ie Ausdrücke, wie sie früher waren, Sicherung als erster Begriff, drohende Kriegsgefahr als zweiter und schließ­ lich die Mobilmachung werden wohl in Zukunft viel­ leicht fallen gelassen werden. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ich wollte diese Feststellung nur treffen, damit w ir hier nicht m it Ausdrücken operieren, die vielleicht eine technische Bedeu­ tung haben. Ich darf feststellen, daß die »drohende Kriegsgefahr« kein spezifisch militärisch-technischer Aus­ druck mehr ist. Bevor w ir an die Einzelheiten gehen, zunächst eine Frage über die allgemeine Gruppierung des Stoffs. Keine Frage scheint m ir zu sein, daß w ir einen beson­ deren Abschnitt brauchen, der die Angriffe gegen die Wehrmacht, W ehrkraft, Wehrbereitschaft überhaupt regelt. W ie benennen w ir einen solchen Abschnitt? D a tauchen die W orte auf: Wehrbereitschaft, Wehrmacht. Sprachlich würde jeder der Ausdrücke paffen. Denn zur »Wehrmacht« gehören natürlich nicht nur die tech­ nischen Kriegsmittel. Unter »Wehrbereitschaft« auf

der andern Seite kann man, wenn man w ill, auch die technischen M itte l der Landesverteidigung verstehen. W ie wäre es, wenn w ir diese beiden Ausdrücke in einem W orte »Wehrkraft« zusammenfassen würden? Is t W ehrkraft nicht ein brauchbarer Oberbegriff? E r scheint m ir auch die psychischen Voraussetzungen für die Landesverteidigung zu enthalten, ohne daß man der Sprache Gewalt antut. W ir werden einen verwandten Ausdruck ganz sicher gebrauchen, nämlich die Dolkskraft. D ie Dolkskraft ist ein allgemeiner B egriff, Wehrkraft ist ein Ausschnitt davon. Ich wäre geneigt, diesen Ausdruck vorzuschlagen. Korvettenkapitän Schniewind: D azu da rf ich viel­ leicht einflechten: Alle neueren Anordnungen tm W ehr­ ministerium und der Sprachgebrauch brechen mit dem bisherigen B egriff »Reichswehr«, der ja im Sprach­ gebrauch des Volkes häufig falsch angewandt wurde. W ir setzen jetzt statt dessen fü r oie Wehrmachtteile als Oberbegriff: Wehrmacht, und w ir meinen damit Heer und M a rin e. W ir meinen damit sowohl die Personen wie auch die materiellen M itte l, die zur Kriegführung gehören, d. h. Waffen, Gerät, Kasernen, Bauten, Lie­ genschaften aller A rt usw. D as müßte man wohl trennen von dem anderen B egriff der psychischen W ehr­ bereitschaft. E in anderer, besserer Ausdruck ist m ir augenblicklich nicht geläufig. I m normalen Sprach­ gebrauch bezeichnen w ir im W ehrministerium zunächst alles, was die seelischen und geistigen Kräfte des Volkes betrifft, m it W ehrwille, Wehrbereitschaft, Wehrkraft. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ich finde, daß diese Ausführungen eigentlich eher eine Unterstützung als eine Bekämpfung meines Vorschlages darstellen. Ich möchte auch nicht den Ausdruck Wehrmacht verwenden, insbesondere jetzt schon gar nicht, wenn S ie diesen Aus­ druck als einen juristisch-technischen bezeichnen und dem­ nächst brauchen wollen fü r Heer und M a rin e. Oberführer B in z (M inisteram t der S A ): Ich möchte kurz bemerken, daß m ir der Begriff der W e h r b e r e i t s c h a f t am besten den Bedürfnissen zu ent­ sprechen scheint. Denn in der Wehrbereitschaft kommt der In b eg riff a l l e r Faktoren zum Ausdruck, die irgendwie geeignet oder notwendig find, um die Landes­ verteidigung zu wahren. D e r Ausdruck W ehr k r a f t enthält doch wohl eigentlich mehr die Vorbedingungen, die notwendig find, um zu einer W ehr b e r e i t s c h a f t zu gelangen. D arüber, daß die Wehrmacht, rein organisatorisch genommen, nur das Reichsheer und die Reichsmarine sein kann, glaube ich, ist ja eine D is ­ kussion kaum mehr möglich. Aber wegen des nunmehr zu wählenden Ersatzbegriffes würde ich vorschlagen, doch »Wehrbereitschaft« zu wählen. Denn ich glaube, darin stecken alle Faktoren, die subjektiven, der W ehr­ wille, dann aber auch die objektiven W ehrmittel und darüber hinaus schließlich die organisatorischen Fak­ toren, die notwendig sind, um die personellen und die stofflichen W ehrm ittel zu dem zu gestalten, was man Landesverteidigung nennt. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ich habe vorhin schon angedeutet: wenn man w ill, kann man natürlich unter Wehrbereitschaft alles verstehen. Z u r W ehr­ bereitschaft gehört nicht nur, daß man Soldaten und Kanonen hat, sondern dazu gehört auch, daß man den Abwehrwillen hat. I n diesem Kreise herrscht eine ge* wisse Abneigung gegen alle W orte, die unvolkstümlich

sind, die abstrakt klingen, und W ehrbereitschaft könnte man zu dieser K ategorie zählen.

Adresse sich einfach erledigen durch den B e g riff der A n ­ stiftung und des Versuchs der A n stiftu n g .

(Professor D r . D a h m : M u ß es unbedingt e i n W o r t fein? W a ru m sagt m an nicht W ehrmacht und W e h rw ille ? )

Reichsjustizminister D r . Gärtner: V ielleicht können w ir uns das an einem B eispiel klarmachen. W e r einen bestimmten, im D ienst befindlichen S oldaten dazu au f­ fo rd e rt, fahnenflüchtig zu werden, begeht eine A n ­ stiftung zur Fahnenflucht.

— Auch einverstanden. D a n n sehen S ie diese B e re it­ schaft auch auf der W illensseite. .(P ro fessor D r . D a b m : D a s sind volkstümliche uno heute jeden 'Lag verwendete B e g riffe !) — J a , es ist absolut unmißverständlich und sichert uns gegen etwas, w as ich jetzt ganz und ga r nicht riskieren könnte, nämlich das W o rt W ehrm acht in einem anderen S in n e zu verstehen, als es im W ehrm in is te riu m ver­ wendet w ird . Vizepräsident Grau: Ic h halte die Zusammenstellung W ehrm acht un d W eh rw ille nicht fü r richtig . Denn unter W ehrm acht verstehen w ir , wie die H erren des R eichsw ehrm inisterium s bestätigt haben, das aktive Heer. Es soll aber im Falle eines Krieges das ganze V o lk die W e h rk ra ft darstellen. Deshalb würde ich nicht W ehrm acht und W eh rw ille , sondern W e h rk ra ft und W e h rw ille sagen. Reichsjustizminister D r . Gärtner: Ic h glaube, w ir sollten die D ebatte nicht vertiefen. M a n kann es so und so machen. Ic h habe eigentlich an meinem eigenen Vorschlag noch die größte Freude. D a s W o r t W ehr­ kra ft scheint m ir alles zu umfassen. D ie W ehrkraft äußert sich d a rin , daß das V o lk 'A b w e h rm itte l bereit h a t: Reichsm arine, Reichsheer, W affen, und d a rin , daß es über ein R eservoir von W ille n v erfügt, das die ganze B evölkerung e rg re ift, um sich selbst zu behaupten. Ich glaube, daß m an da der Sprache keine G ew a lt antut. Ic h kann alles, was die H erren sagen, nicht m it G rü n ­ den widerlegen, w e il man es eben auch anders machen kann. W i r kämen zunächst zur Z e r s e t z u n g der W e h r m a c h t und zur A u f w i e g e l u n g v o n S o l d a t e n , zwei Tatbestände, deren V ereinigung gewünscht w orden ist, und zw ar von beiden Herren Referenten. F rage: S o ll besonders hervorgehoben werden, daß es sich um »deutsche« S oldaten handeln muß? W eitere Frage: M u ß das S tra fm a x im u m nicht in besonders schweren Fällen heraufgesetzt werden?

(M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W enn sie ausgeführt w ird . U nd wenn sie nicht ausgeführt w ird , V e r­ such: § 119.) W ie ist es aber nun, wenn jemand in einer kritischen Z e it F lu g b lä tte r v e rte ilt: S oldaten, schießt nicht auf eure Landsleute! (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s ist § 117a.) Vizepräsident Grau: Es müssen bei der U n te r­ grabung der Manneszucht zwei Tatbestände unterschie­ den werden. E in m a l richtet sich die T a t gegen ein be­ stimmtes Objekt, gegen einen bestimmten S oldaten. D a s kann geschehen, indem dieser aufgefordert w ird , Dienstbefehle nicht zu befolgen, sich seinem Vorgesetzten zu widersetzen, gegen ih n tätlich zu werden. Es kann ferner auch dadurch geschehen, daß der S o ld a t m iß ­ vergnügt gemacht w ird . Deshalb muß jeder unter S t r a f t gestellt werden, der die Manneszucht in dieser Weise un terg räbt, ohne dabei öffentlich zu handeln. Ferner gib t es andere Fälle, in denen sich die T a t gegen die gesamte W ehrmacht, gegen ihre geistige H altu n g richtet. D abei ist das Charakteristikum , daß öffentlich durch S chriften, V o rträ g e usw. zu diesen Handlungen aufgefordert w ird . Ic h glaube deshalb, daß diese Fas­ sung, die auch H e rr G eheim rat Kohlrausch vorgeschlagen hat, doch rich tig ist. S ie besteht n u r d a rin , daß § 118 durch die Generalklausel ergänzt w ir d : w er au f sonstige Weise die Manneszucht in der Reichswehr untergräbt.

Professor D r . D a h m (K ie l): Ic h w ürde das W o rt v deutsch« bei S oldaten nicht ausdrücklich hervorheben. Es w ürd e n u r eine Selbstverständlichkeit besagen.

Reichsjustizminister D r . Gärtner: W i r dürfen bei dem Wunsch, Me §§ 117a und 118 zusammenzunehmen, nicht übersehen, daß das zwei ganz verschiedene D inge sind. S o , w ie es im R eferentenentw urf steht, ist § 117a der F a ll: Schießt nicht auf Landsleute! und § 118 ist der F a ll, daß einer den anderen zu verleiten versucht, einen Dienstbefehl, einen beliebigen, an sich nicht sehr schwerwiegenden Dienstbesehl nicht auszuführen. D ie Fassung von H e rrn Professor Kohlrausch w ürde nach meiner M e in ung diesen Vereinigungsgebanken glücklich darstellen/ denn da kann man alles d a ru n te r nehmen. D ahe r könnte m an hier, glaube ich, auf den B e g riff »öffentlich« verzichten.

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ich möchte zu der Frage, ob eine S treichung des W orte s »öffentlich« so unbedenklich ist, ein W o rt sagen. D a s W o rt »öffent­ lich« h a t hier eine besondere Bedeutung. D a s W o rt »öffentlich« bedeutet hier, ähnlich wie im § 171, nichts anderes als: an die unbestimmte Adresse. W enn ich einm al die Fassung des H e rrn Vizepräsidenten G ra u zu­ grunde lege: W e r zur Verw eigerung des Kriegsdienstes in der deutschen Kriegsm acht usw. au fford ert. D a s ist doch der Versuch der V erle itu n g zur Fahnenflucht, wenn das W o r t »öffentlich« nicht dabei steht, also im Falle der A n s tiftu n g . Ebenso ist es bei dem zweiten T e il der Grau'schen Fassung. M i r scheint, daß § 117 a über­ haupt n u r S in n hat, wenn das W o r t »öffentlich« stehenbleibt. D a s bedeutet eben: an die unbestimmte Adresse/ w ährend alle Aufforderungen an die bestimmte

Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): W enn man meinen § 118 annehmen würde, dann würde man, glaube ich, das W o r t »öffentlich« nicht n u r entbehren können, sondern streichen müssen. D enn wie würde sonst ein F a ll zu behandeln sein, bei dem in einer kleinen und bestimmten Z a h l von Menschen einer au fträte und allgemein zur Kriegsdienstverweigerung aufforderte? D a s wäre keine öffentliche A u ffo rd e ru n g , trotzdem müßten w ir es doch bestrafen, auch wenn es sich nicht bezieht auf bestimmte Ungehorsamsfälle. D a s ist ja klar, daß w ir unterscheiden müssen die A u ffo rd e ru n g zu bestimmten Handlungen und die allgemeine Zersetzung der Manneszucht durch allgemein gehaltene Ä ußerun­ gen, die zur D isziplinlosigkeit anreizen sollen. Aber bei denen muß es doch gleichgültig sein, ob sie öffentlich oder nicht öffentlich erfolgen.

Professor D r. G raf Gleispach (Berlin): Ich glaube, es handelt sich im wesentlichen um die Frage, ob ein Unterschied besteht zwischen der öffentlichen Aufforde­ rung und der Aufforderung an einen nicht genau be­ stimmten Personenkreis. Und nun kann man wohl die Auffassung vertreten, daß gewisse Aufforderungen zwar nicht öffentlich geschehen, aber doch nicht so, daß sie an bestimmte Personen gerichtet sind, daß sie den Begriff der Anstiftung erfüllen. Um das zum Ausdruck zu bringen, würde ich anregen, in dem § 118 in der Fas­ sung Kohlrausch das W ort »einen« vor »Soldaten« zu streichen, also zu sagen: »Wer Soldaten zum Ungehor­ sam usw.« dann würde der Gedanke der Abgrenzung gegen die Anstiftung scharf hervortreten. Reichsjustizminister D r. G ürtner: W ürde von einer Seite gegen diese Fassung ein Widerspruch erhoben werden? — D as ist nicht der Fall. M inisterialrat D r. Schäfer: M an sagt vielleicht besser: »Wer Soldaten zum Ungehorsam . . . zu ver­ leiten sucht.« Denn wenn der Fall zur Vollendung kommt, tritt ja Bestrafung nach anderen Bestimmun­ gen ein. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Wenn es zum wirklichen Ungehorsam, zu wirklichen Widersetzlich­ keiten, zu wirklichen Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte kommt, würde vermutlich die Strafbestim mung ganz anders lauten. D a s soll zum Ausdruck gebracht wer­ den durch den letzten Nachsatz. (Ministerialdirektor Schäfer: Den können w ir dann weglassen!) D as bitte ich die Unterkommisston zu prüfen. D ann käme § 119, die Verleitung zur Fahnenflucht. Uber die Frage der Verschärfung bei Kriegsgefahr reden w ir dann im Zusammenhang. Bei der Verlei­ tung zur Fahnenflucht wäre vielleicht auszugehen von der Grau'schen Fassung: W er einen Soldaten zur Fahnenflucht verleitet oder die Fahnenflucht eines Soldaten erleichtert, wird m it Gefängnis, in besonders schweren F ä l­ len m it Zuchthaus bestraft. D a s ist inhaltlich der § 119 des Referentenentwurfs. Ich hätte gegen diese Fassung vorbehaltlich der Kriegs­ erschwerung keine Erinnerung. Von seiten des Reichs­ wehrministeriums? — Auch nicht. Nun kommt ein neuer Tatbestand, der im Referenten­ entwurf nicht stand und der, glaube ich, auch in der preußischen Denkschrift nicht steht. Es handelt sich darum, W chrmittel oder Einrichtungen der Wehrmacht m it dem Vorsatz zu beschädigen oder zu zerstören, sie für die Zwecke der Landesverteidigung unbrauchbar zu machen, also ein qualifizierter Fall der Sachbeschädi­ gung. Hier wird wahrscheinlich die Beziehung auf die besonderen Verhältnisse des Krieges sehr nahe liegen und sehr einfach sein/ denn hier scheint m ir doch der normale Fall der zu sein, daß das ein Dorschubleisten der fremden oder ein Beeinträchtigen der eigenen Heereskraft ist. Aber es kann daS doch wohl auch im Frieden denkbar sein. (Korvettenkapitän Schniewind: Unbedingt!) S ie würden also dm Tatbestand als solchm wünschen und begrüßen? (W ird bejaht.)

Professor D r. Mezger (München): Der Tatbestand ist m ir noch nicht recht klar, namentlich nach der sub­ jektiven Seite hin. Ich möchte ein ganz einfaches B ei­ spiel wählen. Angenommen, jemand beschädigt das Gewehr eines Soldaten, also ein »Wehrmittel«. D er Vorsatz ist gegeben, er nimmt in Kauf, dieses Gewehr zum Zwecke der Landesverteidigung unbrauchbar zu machen. S o , wie jetzt die Fassung ist, würde solche einfache Beschädigung eines Gewehrs unter die Bestim­ mung fallen. D a s ist aber doch wohl bei diesem zucht­ hausbedrohten Verbrechen nicht gemeint. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ich glaube, dieser Einwand ist nicht ganz unberechtigt. Es ist auch sprachlich nicht ganz richtig, zu sagen: mit dem Vorsatz, sie unbrauchbar zu machen. Ich glaube, gemeint ist — oder täusche ich mich da? — : m it der Absicht, sie für die Landesverteidigung unbrauchbar zu machen. (Vizepräsident G rau: Jaw ohl!) Würden S ie sich dann damit abfinden können? Professor D r. Mezger (München): D ann ist es also so gedacht, daß in der Absicht des T äters zugleich auch die Beziehung zur Landesverteidigung enthalten sein soll. D a s muß deutlicher gesagt werden. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ich glaube auch nicht, daß das so gemeint sein kann. D ie Strafdrohung »Zuchthaus« läßt sich nur damit rechtfertigen, daß die Absicht auf eine Schwächung der Landesverteidigung geht. Professor D r. G raf Gleispach (Berlin): Ich glaube, das/ was dem Vorschlag vorschwebt, würde durch eine Umdrehung erreicht, indem man sagt: »Wer die Landesverteidigung dadurch schädigt, daß er ein W ehr­ mittel . . .«. D arau f kommt es an, denn die Z er­ störung e i n e s Infanteriegewehrs schwächt doch nie­ m als die Landesverteidigung. Es wäre dann dem E r­ messen der Anklagebehörde ober des Gerichts überlassen, festzustellen, ob die Beschädigung bedeutsam genug ist, um eine Schädigung der Landesverteidigung darzu­ stellen, oder ob es sich um eine gemeine Sachbeschädi­ gung handelt. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ich glaube, daß das Reichswehrministerium diesem Vorschlag leiden­ schaftlich widersprechen wird, weil wir dann den S ta atsa n w a lt in die Zwangslage versetzen, m be­ haupten und zu beweisen, daß die Landesverteidigung geschwächt worden ist. D a s sind Beweise, die das Reichswehrministerium nicht liebt. (Korvettenkapitän Schniewind: D ie wären nicht immer leicht zu bringen!) D a s wäre eine Einengung des Tatbestandes, 'die auch m ir zu weit gehen würde. Ich würde es dabei bewen­ den lassen, daß man sagt, es sei die Absicht vorhanden gewesen, das zu tun/ ob die Absicht erreicht wird, da­ nach wird nicht gefragt. M inisterialrat D r. Schäfer: Ich glaube auch, daß der Vorschlag Gleispach viel zu weit gehm würde, daß er Fälle des Eventualdolus einschließen würde, die w ir nicht einschließen wollen. Wenn sich etwa ein S oldat über einen Vorgesetzten oder einen Kameraden geärgert hat und deshalb an dessen Gewehr irgend etwas kaputt macht, dam it er bei der nächsten Besichtigung herein­ fällt, dann würde das Gericht sagen müssen: D u hast

gewußt, daß das Gewehr ein W e h rm itte l ist, hast also m it der Möglichkeit rechnen oder sogar wissen müssen, daß du durch die Beschädigung des Gewehrs die Landes­ verteidigung schädigst. H ie r w äre also der E ventual­ dolus und vielleicht sogar der direkte Vorsatz g la tt er­ wiesen. D ie Absicht w a r aber doch eine ganz andere. Diese Fälle wollen w ir nicht un ter die Zuchthausdro­ hung bringen. Infolgedessen müssen w ir au f die Absicht abstellen. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a s würde ich auch fü r den richtigen Weg halten.) O berführer B m z : R ein inform atorisch w ollte ich be­ merken, daß im italienischen Strafgesetzbuch ebenfalls ein strafrechtlicher Schutz der E inrichtungen der W ehr­ macht vorgesehen ist. W a s nun das K e n n w o rt »wehrschädliche Sachbeschä­ digung« anlangt, so würde ich vorschlagen, dafür »Wehrsabotage« zu setzen. Ic h habe m it oem H errn Vizepräsidenten G ra u darüber einm al gesprochen, und er meinte, es wäre nicht angebracht, ein Frem d w o rt zu gebrauchen. Ic h glaube aber, daß es gerade im S in n e der nationalsozialistischen P rop agan oaw irku ng liegt, im Z w e ifel lieber einm al ein F re m d w o rt zu nehmen, wenn es plastischer herausstellt, was gemeint ist. Ic h halte den an sich auch ziemlich schwerfälligen Ausdruck vwehrschädliche Sachbeschädigung« nicht fü r geeignet, die Tatbestände, die w i r meinen, so populär zu machen, daß jeder weiß, w o ru m es sich handelt. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: A n dem Fremd­ w o r t w ürde ich keinen Anstoß nehmen, aber ich habe gegen diesen Vorschlag ein anderes Bedenken. W ehr­ sabotage ist ein viel w eiterer B e g riff als der, den w ir hie r meinen. Ic h bitte S ie , etwa an die Wehrsabotage zu denken, die auf w irtschaftlichem Gebiet möglich ist. W i r kämen dann, wenn w ir der Grau'schen Aufzählung folgen, zur A nw erbung zum ausländischen Heeresdienst. D a zu ist von keinem Set beiden H erren Referenten eine A nm erkung gemacht worden, abgesehen vielleicht von dem n u r uns Juristen interessierenden P u n k t, daß der Versuch hier wegfallen würde. D a n n ergäbe sich jetzt die Gelegenheit, vielleicht noch vorwegzunehmen die N i c h t e r f ü l l u n g v o n Verträgen über Kriegsbedürfnisse. D a sind die M einungen darüber, ob m an das im Lan­ desverrat belassen oder hierher m h m m soll, verschieden gewesen. H e rr Professor Kohlrausch h a t das erstere be fürw ortet. (Professor D r . Kohlrausch: W e il es sich n u r auf den K rie g bezieht!) Es müßte noch ge prüft werden, ob der Ausdruck »drohende Kriegsgefahr« zu erhalten ist. D a s steht hier in der Nachbarschaft des K rie g s v e rra ts . Ic h möchte auch d a fü r sein, es hier zu belassen. N u n kom mt eine wichtige Frage, über die w i r uns sehr genau unterhalten müssen. W ie, w ann und wo soll eine S trafverschärfung eintreten, wenn eine solche T a t im Kriege begangen w ird , wenn sie in dem Zustand der »außenpolitischen S pannung« begangen w ird ? F ü r § 117a und fü r § 119 ist die S trafverschä rfun g ge­ wünscht worden. B e i der A nw erbung zum auslän­ dischen Heeresdienst ist ein besonders schwerer F a ll vor­ gesehen. W i r brauchen uns m it der Fassung nicht ab­ zuplagen — das möge die Unterkommission tu n — ,

aber darüber besteht w ohl E in m ü tig ke it, daß bei § 118 in der Fassung Kohlrausch und bei der V erle itu n g zur Fahnenflucht die Begehung in Kriegszeiten eine E r ­ schwerung darstellen soll. D ie H erren sind auch der M e in u n g , daß man diese Erschwerung namentlich be­ nennen und nicht einfach in den besonders schweren Fällen aufgehen lassen sollte. D a s w ir d w ohl auch den Wünschen des Reichswehrm inisterium s entsprechen. Vizepräsident Grau: Ic h hatte vorgeschlagen, auch die wehrschädliche Sachbeschädigung und die A n ­ werbung zum ausländischen Heeresdienst hineinzuneh­ men- denn ich sehe insoweit gar keinen Unterschied. Es ist bei allen Tatbeständen vorgesehen, daß in beson­ ders schweren Fällen Zuchthaus erkannt werden kann, auch bei der Soldatenaufw iegelung und bei der V e rle i­ tung zur Fahnenflucht. Trotzdem glaube ich, daß fü r alle diese Taten in Kriegszeiten ein besonderes ordent­ liches S tra fm a ß angedroht werden muß. Ic h glaube auch, daß ein solcher Unterschied zwischen der w ehr­ schädlichen Sachbeschädigung in Kriegsbeilen und § 9 5 b vorhanden sein kann, daß dieser Sonoertatbestand ge­ rechtfertigt ist. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Es ist ohne w ei­ teres zuzugestehen, daß die Wehrmittelbeschädigung und -Zerstörung hier einbezogen werden muß. Eine andere Frage ist, ob das bei der ausländischen A nw erbung nö tig ist, denn ich kann m ir ga r nicht denken, daß das kein F a ll des K rie g sve rra ts sein sollte. A ber w ir brauchen diese Frage hier nicht zu lösen, denn w as w ir wollen, ist ganz klar. Es muß vermieden werden, daß neben dem K rie g s v e rra t ein Tatbestand entsteht, der vielleicht g a r eine geringere S tra fa n d ro h u n g hätte. D e r leitende Gedanke beim K rie g s v e rra t ist doch, daß derjenige, der während des Krieges die Machtlage ver­ schiebt, also den Feind begünstigt, m it dem Tode be­ straft w ird . D a s kann auf sehr vielen Wegen geschehen. Auch die Wehrmittelbeschädigung kann K rie g s v e rra t sein und w ir d es sehr häufig sein. W i r können die D ebatte darüber w ohl schließen. D as möge die Unterkommission genau prüfen. D a s V e rh ä ltn is von § 9 5 b zur HeereSanwerbung und zur Wehrmittelbeschädigung oder -Zerstörung scheint m ir so zu sein, daß w ir hier die K riegsgefahr schon w ie bei § 117 und § 118 nennen dürfen, aber dann in den K o n flik t kommen, daß w ir fü r K rie g s v e rra t einen T a t ­ bestand m it geringerer S tra fd ro h u n g bekommen. Es muß meiner Auffassung nach möglich sein, daß auch während des Krieges eine solche H andlung begangen w ird , die nicht ipso facto K rie g s v e rra t ist. K orvettenkapitän Schniewind: Ic h möchte die Frage stellen, ob unter W e h rm itte ln auch Zeichnungen, P lä n e , K arte n zu verstehen sind. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ic h w ollte nach­ her ohnehin an die H erren vom Reichsw ehrm inisterium noch die Frage richten, ob ihnen die Bezeichnung »W eh rm itte l oder E inrichtungen der Wehrmacht« ge­ nügt. D a s müssen S ie sich genau überlegen. (K orvettenkapitän S chniew ind: M i r ist nicht klar, ob dieser Ausdruck »W ehrm ittel« alles das deckt.) — I n erster L in ie W affen, A n g riffsw a ffe n , V e rte i­ digungswaffen, wozu auch der Unterstand gehört, und ich glaube, es gehören auch alle H ilfs m itte l dazu. Eine

geographische Karte, die sonst nichts enthält, gehört anders als bei staatsfeindlichen Verbindungen, Mord­ natürlich nicht dazu, dagegen eine geographische. Karte, komplott usw., wo, um dem S ta a t die Möglichkeit zu auf der etwa Aufmarschpläne oder etwas Ähnliches geben, den ganzen Herd auszuräumen, hinter die Orga­ enthalten ist, würde ich ohne weiteres als Wehrmittel nisation zu kommen und sie unschädlich zu machen, ein bezeichnen. Solche Dinge sind eben Hilfsmittel der krrminalpolitisches Bedürfnis besteht, völlige S tra f­ Verteidigung. Es gab früher doch auch vorbereitende freiheit zuzusichern. Deshalb würde ich vorschlagen, Befehle. D as würde ich auch darunter rechnen, im den Paragraphen zu streichen und die allgemeine Rege­ lung über »tätige Reue« in § 32b auch hier Platz weitesten Sinne als Wehrmittel ansehen. Nun käme die t ä t i g e R e u e . Hier stehen sich zwei greifen zu lassen. Auffassungen und auch zwei Interessen gegenüber, wie Reichsjustizminister D r. Gürtner: Wenn das die Herr Professor Kohlrausch treffend bemerkt hat, näm­ Meinung der Kommission ist, so neige ich mehr dazu, lich das Interesse, daß etwas unterbleibt, und das der anderen Auffassung das Übergewicht zu geben: daß Interesse, daß ein einmal so bekundeter Wille keiner ein einmal so bekundeter Wille mcht durch eine tätige Verzeihung fähig ist. Es ist das eine Frage der Ge- Reue ausgelöscht werden kann. wichtsbemeffung. Ich würde mehr dazu neigen, die Ich möchte nun den Vorschlag machen, die Beratung tätige Reue nicht besonders aufzuführen. jetzt zu unterbrechen und sie am M ontag mit dem Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Ich gleichen Thema fortzusetzen. meine auch, daß hier der Gesichtspunkt im Vorder­ Dann danke ich verbindlichst und schließe die gründe steht, daß eigentlich nicht wieder gutgemacht werden kann, was geschehen ist, daß daher ein Anspruch Sitzung. (Schluß der Sitzung 1 Uhr 2 Minuten.) auf Straffreiheit nicht am Platze ist. Es liegt hier

RetchSbruckeret, Berlin. 6864 84 HE

86.

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Strafrechtskommisslon

36. Sitzung 4. Juni 1934 Inhalt Angriffe gegen die Wehrmacht (Schluß der Andsvrache) Reichsjustizminister Dr. Gürtlicr . . 1. 2. 3.-4. 5. 6. 7 Korvettenkapitän Schniewind..................................... 1. 5 Ministerialrat D orten............................................... 1 Vizepräsident G ran ................. ............................ 2. 4. 5 Professor Dr. Kohlrausch (Berlin).............................2. 5 Ministerialdirektor Dr. D ü rr................................... 2 Oberführer Binz................................................... 3. 5. 6 Professor Dr. Dahin (Kiel).............................3. 4. 5. 6 3 Ministerialrat Dr. S chäfer..................................... Oberstaatsanwalt Dr. Reimer (B erlin ).................. 3 Professor Dr. Mezger (München)............................. 6 Ministerialrat Riepsch.............................................. 6 Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin).................... 6 Ministerialdirektor Schäfer .......................................... 7 Wirtschaftsverrat Reichsjustizminister Dr. Gürtner

7. 9. 10. 11. 12. 14. 15. 16. 17. 18. Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch (Berlin) 7. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. Berichterstatter Vizepräsident G r a u ................ 9. 13. Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) 10. 15. Professor Dr. Nagler (B reslau)............ 11. 13. Professor Dr. Mezger (München). . 11. 13. 16. 17. 13. Korvettenkapitän Schniewind.................. 12. Ministerialrat D orten................................................... 17. Ministerialdirektor Schäfer.................... 16. Oberführer Binz............................................................

13 19 10 18 15 18 18 18 14 14 18 19

B eginn der Sitzung 9 U hr 20 M inuten. Reichsjustizminister D r . Gürtner: W ir wollen den Abschnitt Angriffe gegen dir Wehrmacht zu Ende bringen. W ir hatten das letztemal noch über die Aufnahme einer besonderen Bestim m ung über die tätige Reue ge­ sprochen. D a ging die M einung, soweit sie zum A us­ druck gekommen ist, überwiegend wohl dahin, von der Aufnahme einer Bestim m ung, wie in § 1 1 9 b , abzu­ sehen. D ie beiden H erren B erichterstatter w aren dieser Auffassung, und eine starke S tim m u n g , den § 119 b 31t erhalten, h at sich nicht gezeigt. W enn dazu nicht mehr das W o rt gewünscht w ird, würde ich nach diesen V o r­ schlägen auf § 119b verzichten. — 36.

D a n n w a r eine noch nicht ganz erledigte Frage die Verschärfung gewisser Strafvorschriften fü r den F all einer Begehung in Kriegszeiten oder in Zeiten, die hier der Kriegszeit gleichgestellt werden müssen, wofür w ir noch nach einem Ausdruck suchen. K orvettenkapitän Schniewind: Jaw oh l, ein Z eit­ punkt, der, ganz ähnlich wie vor dem Kriege der A u s­ druck Sicherung und drohender Kriegsgefahr, bestimmte militärische M aßnahm en bereits anordnet. W ir wollen von dem früheren B egriff Sicherung und drohender Kriegsgefahr lediglich deshalb abgehen, weil er zeitlich etw as zu eng gefaßt ist und wollen lieber auf den etwas allgemeineren Begriff der außenpolitischen S p annung abkommen, weil w ir glauben, daß uns da etwas g rö ­ ßere Zeiträum e zur V erfügung stehen werden, ohne daß aber die ganzen Vorbesprechungen, die zunächst im Hause stattgefunden haben, schon einen endgültigen Niederschlag gefunden haben. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Vielleicht kann die Unterkommission vorbehaltlich einer endgültigen Entscheidung sich einm al des Ausdrucks »außenpolitische Spannungen« bedienen. D a s kann man ja jederzeit ändern. Klargestellt werden muß aber noch folgende Frage: S o ll die Begehung in Kriegszeiten oder kriegsähnlichen Zeiten im Strafgesetzbuch überhaupt erw ähnt werden, oder soll m an sich dam it begnügen, das als einen be­ sonders schweren Fall zu bezeichnen? D ie Kommission neigte zu der letzteren Auffassung. Welche T aten sollen nun unter die S trafd ro h u n g fallen? Nach dem Referentenentw urf Zersetzung der W ehrmacht, Aufwiegelung von S oldaten und V e r­ leitung zur Fahnenflucht sowie Erleichterung der F a h ­ nenflucht. Bei der Anwerbung zum ausländischen Heeresdienst spricht der R eferentenentw urf nicht von der Begehung in Kriegszeiten, sondern n u r von »be­ sonders schweren Fällen«. I s t es denkbar, daß bei der A nw erbung zum ausländischen Heeresdienst auch im Frieden so schwere Fälle auftreten, daß m an hierfür die schwere S trafd ro h u n g des Zuchthauses braucht? I s t die A nwerbung zum ausländischen Heeresdienst außer­ halb der Kriegszeit ein typischer Fall? W er verfügt über E rfahrungen auf diesem Gebiet? M in isterialrat Dörfern M a n könnte zum Beispiel an eine M affenanw erbung etw a zur Legion denken, an den Fall, daß ein ganzer T ru p p ertappt w ird, der strahlenförm ig nach einem bestimmten P u n k t beordert worden ist und nun gemeinsam die Grenze überschreitet. I n diesem Falle würde ein besonders schwerer T atb e­ stand auch außerhalb der Kriegszeit vorliegen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: J a , »außerhalb der Kriegszeit«, d aran wollen w ir festhalten. S in d die H erren der M einung, daß, wenn jemand, au f die Aben­ teurerlust seiner Landsleute spekulierend, zum Beispiel eine Anwerbung fü r den Heeresdienst im G ran Chaco macht, das ein zuchthauswürdiges Verbrechen ist? K orvettenkapitän Schniewind: Ich möchte das nicht gerade als ein zuchthauswürdiges Verbrechen bezeichnen, H err Reichsminister. Ich könnte m ir sehr wohl auch einen anderen Fall denken als diesen, nämlich nach der unfreundlichen Seite hin. H ier handelt es sich ja um einen Fall nach der freundlichen S eite hin, ich erinnere n u r an die Anwerbungen für W rangel und Kemal

Pascha in den J a h re n 1919/20. W eshalb w ir das un­ bedingt unter Zuchthausstrafe stellen sollen, sehe ich nicht ein. (Z u ru f: D a s kann m an unter »besonders schwere Fälle« brin gen !) Reichsjustizminister D r . Gürtner: W ir kämen nun au § 121, A u s w a n d e r u n g s b e t - r u g . W a ru m oer P a ra g ra p h überhaupt hierhergekommen ist, ist aus dem T e x t nicht ersichtlich. (O berregierungsrat D r . von D o h n a n y i (B e r lin ): »Verbrechen gegen die V o lk s k ra ft!« ) — J a , das ist ein Gesichtspunkt. W ürde m an den A usw anderungsbetrug sich bezogen denken auf die wehr­ fähigen und wehrpflichtigen M ä n n e r, dann könnte man ihn auch in den Bereich der Wehrmachtsdelikte bringen. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a w ir ja jetzt einen ganzen Abschnitt »W ehrmacht« haben, werden w ir uns d a ra u f beschränken müssen, ih n irgendwoanders hinzubringen! — M in is te ria lra t D r . S chäfer: E r bezieht sich ja nicht einm al auf Deutsche a llein !) Es w ir d also vorgeschlagen, den Auswanderungsbe­ tru g jedenfalls im Rahm en der W ehrdelikte nicht auf­ zuführen. R u n kommen w ir 'z u m zweiten Abschnitt: A ngriffe auf W e h rw ille n und Wehrbereitschaft. D azu hatte HerrVizepräsident G ra u schon re fe rie rt. Vizepräsident Grau: Ic h möchte die A n g riffe auf die geistige Wehrbereitschaft in zwei Teile gliedern: ein­ m a l in die A n g riffe gegen die W ehrmacht und zweitens in A n g riffe gegen die W ehrbereitschaft des ganzen Volkes. D e n ersten Tatbestand w ürde ich bezeichnen als Zersetzung der Wehrmacht,- diese richtet sich gegen das Heer. D ie W o rte »oder zu sonstigen Maßnahmen« sind nunm ehr entbehrlich geworden, nachdem w ir die S o l­ datenaufwiegelung erw e itert haben. D ie V orsch rift lautet also jetzt: W e r öffentlich zu A n g riffe n gegen die deutsche W ehrm acht oder zu m ilitärischen S tra fta te n deutscher S oldaten a u ffo rd e rt oder anreizt, w ird m it Zuchthaus oder G efängnis bestraft. I n Kriegszeiten oder in Zeiten drohender K riegsgefahr kann au f Todesstrafe oder lebens­ langes Zuchthaus erkannt werden. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): V on den vier vorgeschlagenen Tatbeständen sind drei übriggeblieben. E s ist m ir nicht ganz kla r, welche Fälle es außer den schon un ter S tra fe gestellten überhaupt noch gibt. Vizepräsident Grau: D e r Zweck des Tatbestandes ist, die bisherige pazifistische P rop agan da in W o r t und S c h rift unmöglich zu machen. Fast alle pazifistischen Zeitungen enthielten öffentliche A ufforderungen zu m ili­ tärischen S tra fta te n oder A n g riffe n gegen die Wehrmacht. D a w urden in Aufsätzen die S oldaten aufgefordert, sich ih re rD ie n s tp flic h t zu entziehen und ungehorsam inD ienstsachen zu sein. M a n forderte ferner systematisch zur U nte rgra bun g der Manneszucht auf, ja sogar zu aus­ gesprochenen Sachbeschädigungen. D ie V o rs c h rift soll also die geistige H a ltu n g des S oldaten schützen. Wenn es möglich ist, daß der S o ld a t in pazifistischen Preffeerzeugni.ssen straflos zu derartigen D in g e n aufgefordert,

w ird , dann kann er ja sein H andwerk nicht mehr ernst nehmen, und seine W ehrbereitschaft v e rfä llt allmählich der Zersetzung. Ic h kann also nicht zugeben, daß der Tatbestand durch die anderen Bestimmungen überflüssig wäre. B e i der S oldatenaufw iegelung, auf die H e rr Professor Kohlrausch hinzielte, versucht der T ä te r, einen einzelnen S oldaten zu Unbotmäßigkeiten zu ver­ anlassen. H ie r aber richtet sich die A uffo rd e ru n g an eine unbegrenzte Menge, sie geschieht öffentlich durch W o rt oder S c h rift. Gerade die öffentliche A uffo rde­ rung richtet sich aber gegen die geistige H a ltu n g und D is z ip lin des S oldaten. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): W ir haben einen allgemeinen Unternehmensbegriff. W äre es also nicht möglich, im neuen § 118 auch schon das U n te r­ nehmen zu bestrafen? M a n könnte dem § 118 einen zweiten Absatz geben des In h a lts : I s t die T a t öffentlich begangen, so kann auf Zuchthaus erkannt werden. (Vizepräsident G ra u : D a m it ist noch nicht alles getroffen: V erle itu n g zur Fahnenflucht, Sachbeschädigung.) Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ic h glaube, w ir könnten es ru h ig der Unterkommission überlaffen, die neu vorgeschlagene Bestim m ung auf die vorhergehen­ den abzustimmen. I n der Kohlrausch'schen Fassung überschneidet sich der § 119 allerdings m it dem neuen P aragraphen. W enn es heißt: » . . . oder in anderer Weise die Manneszucht der Reichwehr u n te rg rä b t.. . « , so ist das ein sehr w eiter B e g riff. N icht darunter fä llt etwa die A m in ie ru n g der A llgem einheit zur Zerstörung von W e h rm itte ln . M in is te ria ld ire k to r D r . D ü rr: D ie Unterkommission hat den § 171 ganz allgemein so gefaßt: »W er öffent­ lich zu strafbaren Handlungen a u ffo rd e rt oder anreizt, w ird m it Gefängnis bestraft,' in besonders schweren Fällen ist die S tra fe Zuchthaus ohne zeitliche Grenze«. D ies dürfte doch dem B e d ü rfn is vollständig genügen. W ürde man daneben noch den Sondertatbestand des §1 18 aufnehmen, so w ürden sich die beiden Tatbestände überschneiden. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ic h bin der M e i­ nung, der Abschnitt » A ng riffe gegen die W e h rkra ft des deutschen Volkes« sollte als besonderer Abschnitt im Strafgesetzbuch stehen. W i r dürfen uns dabei aber nicht von der Versuchung besiegen lassen und ihn über­ chargieren. W i r dürfen hier nicht etwas noch einm al sagen wollen, w as anderw ärts schon besser gesagt ist. Aber das kann die Unterkommission prüfen. W as ew ollt ist, ist allgemein geklärt: G e w o llt ist nicht n u r ie A uffo rd e ru n g von S oldaten zu Pflichtverletzungen, sondern auch jenes öffentliche Stim m ungm achen der pazifistischen L ite ra tu r gegen den W e h rw ille n und die Wehrbereitschaft. W ir kommen nun zu einem P ara grap hen , von dem wieder um stritten ist, ob w ir ihn brauchen oder nicht: Beschimpfung d e r W e h r m a c h t , zur Z e it enthalten in § 1 3 4a fceg geltenden Rechts, w o es heißt: W e r öffentlich die deutsche W ehrm acht beschimpft oder b ö s w illig und m it Überzeugung verächtlich m.acht, w ird m it G efängnis bestraft.

M i r persönlich ist nicht klar, w as unter den S ym bolen der deutschen W ehrmacht zu verstehen ist. I s t das ein vom S tand pun kt der W ehrm acht eindeutiger B e g riff? (K orvettenkapitän S chniew ind: Ic h glaube, m an könnte sich bei der W ehrmacht m it 'den Fahnen begnügen/ selbst die Komm andoflaggen sind w o h l überflüssig.) — Ic h möchte, wenn es irgend geht, diesen Tatbestand nicht so kasuistisch aufspalten. D enn was gemeint ist, ist ohne weiteres klar. W as H e rr Professor Kohlrausch von den Abzeichen gesagt ha t, ha t sehr vie l fü r sich. D a ß gewisse m ilitärische Abzeichen Objekte w aren, an denen der Volks- und S oldatcnw itz sich übt, wissen w ir alle, von den Siegellackbeinen angefangen, vom himbeer­ farbenen H auptm ann bis zu den Gefreitenknöpfen. Es g ib t kaum irgendein Abzeichen, das nicht in diesen B e ­ reich hineingezogen worden ist. Ic h habe daher gewisse Bedenken gegen diese kasuistische A ufspaltung. O be rfüh rer B inz: V ielleicht ist es möglich, den anderen W eg zu beschreiten, nämlich die Spezifizierung zu unterlassen und lediglich zu schreiben: die deutsche W ehrmacht oder ihre S ym bole. D a n n w äre es n a tü r­ lich dem Gutachten der Reichswehr überlassen, festzu­ stellen, w as als S y m b o l zu gelten hat. Ic h glaube doch, daß das ein Ausweg wäre. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er. D a r f ich die Frage zurückgeben? W as sind nach I h r e r M e in ung die S ym bole der deutschen W ehrmacht? (O berführer B in z : U nte r den Sym bolen der deut­ schen W ehrmacht würde ich verstehen die hier ge­ nannten Fahnen, die Komm andoflaggen, auch die Auszeichnungen und die Hoheitsabzeichen.) — M i t anderen W o rte n , S ie sind nicht in der Lage, dem W o rt S y m b o l einen selbständigen I n h a lt zu geben. (O berführer Binz-: E in technisch feststehender B e ­ g r iff ist es nicht. E r müßte sich n a türlich erst herausentwickeln. Aber m an spricht doch auch von den S ym bolen der nationalsozialistischen Bewegung.) — D a s ist ein inhaltsvolles W o rt. (O berführer B in z : D a s ist schon irgendwo einge­ baut worden. Es wäre vielleicht doch nicht so schwierig, auch fü r die W ehrmacht einen so fest um riffenen B e g riff zu geben.) — W as ein S y m b o l, bezogen au f die na tionalso ziali­ stische Bewegung ist, weiß jeder Mensch. W as aber ein S ym b o l, bezogen au f die W ehrmacht, sein soll, ist m ir nicht klar. Es kann nicht die Reichsflagge sein, auch nicht die Hakenkreuzflagge und nicht das Hakenkreuz/ denn die sind nichts Wehrmachtsspezifisches. D a s sind Hoheitszeichen, die aber die W ehrmacht nicht allein fü r sich in Anspruch nehmen kann. Professor D r . D ahm (K ie l): Ic h kann m ir keine B e­ schimpfung von S ym bolen der W ehrmacht vorstellen, die nicht zugleich eine Beschimpfung der W ehrmacht ent­ hielte. D enn es ist ja gerade im Wesen eines S ym b o ls begründet, daß im S y m b o l auch das S ym bolisierte ge­ troffen w ird . W enn w ir den überflüssigen H in w e is auf das S y m b o l beibehalten, dann kann das eigentlich n u r die Bedeutung einer Einschränkung haben, und es w er­ den unfruchtbare literarische E rörterungen darüber ein­ setzen, ob auch die Kokarde dazu gehört usw.' Gerade

im Interesse eines weitgespannten Strafschutzes würde ich den Zusatz S ym bole vermeiden. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D a s ist m ir aus der Seele gesprochen. W ie stellen S ie sich zu den Abzeichen?) — Ic h w ürde n u r die Fahnen und Flaggen nennen. Es heißt ja auch in der Bestim m ung über die Beschimpfung von V olk und Reich: »W er öffentlich das deutsche V olk, seine Fahnen und Flaggen beschimpft.« Unbedingt n o t­ wendig ist nicht einm al das. Aber ich w ürde das doch hinzusetzen, w e il es volkstümlich und plastisch ist. M in is te ria lra t D r . Schäfer: Es ist w ohl zweck­ m äßig, die Abzeichen ausdrücklich mitzuschützen, z. B . die Schützenschnur. D a g ib t es D inge , die dem M i l i t ä r spezifisch sind. (Professor D r . D a h m sK ielj: J a . D ies empfiehlt sich schon deshalb, w e il es bei den Abzeichen der W ehrmacht nicht ganz selbstverständlich ist, daß sie ohnedies mitgeschützt werden.) Reichsjustizminister D r . G ürtner: Aus den G rü n ­ den, die w ir hier o ft e rö rte rt haben, bin ich der A u f­ fassung, w i r sollten uns nicht m it dem W o r t W ehr­ macht begnügen, sondern sollten ihm noch einen fig ü r­ lichen I n h a lt geben, und zwar durch den Zusatz F a h­ nen, Abzeichen und Auszeichnungen. B e i den K o m ­ mandoflaggen bin ich m ir im Z w e ifel. D ie Reichswehr hat viele Flaggen. B eim M a n ö ve r gib t es z. B . eine Verlustflagge. D ie wollen w ir nicht da runter nehmen, ebenso auch nicht die W inkerflagge der M a rin e . B e i der M a rin e sind die Kommandoflaggen ein eindeutiger B e g riff, bei der Reichswehr w ohl auch ziemlich. Es geht bis zu einer gewissen Charge, die überhaupt K o m ­ mandoflaggen fü h rt. (K orvettenkapitän Schniew ind: Es fra g t sich, ob in der Bevölkerung überhaupt ein Unterschied zwischen Fahnen und Flaggen gemacht w ird .) — B e i einem großen T e il der Bevölkerung sicherlich nicht. D a vo n können S ie überzeugt sein. Ic h würde auf die Kom m andoflaggen verzichten. Dagegen scheinen m ir Jahnen, Abzeichen und Auszeichnungen als Deko­ ra tio n , als figürliche B egriffsbestim m ung erwünscht zu sein. D a n n kämen w ir zu einem weiteren Tatbestand: wehrfeindliche V erbindungen. H ier ist zu beachten, daß w ir im I n h a lt nicht etwas schaffen dürfen, was sich vielleicht m it dem Tatbestand der staatsfeindlichen V erbindung deckt oder den andern T a t­ bestand verdunkelt. Ic h d a rf vielleicht bitten, den W o r t­ la u t der Bestimmungen über staatsfeindliche V e rb in ­ dungen, a u f den w ir uns ungefähr geeinigt haben, zur K enntnis zu geben. O berstaatsanw alt D r . Reimer (B e r lin ): § 175 lautet: W e r an einer V erbindung te iln im m t, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, M a ß ­ regeln der V e rw a ltu n g oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche M itte l zu verhindern oder zu entkräften, w ird m it Gefängnis nicht unter drei M onaten bestraft. Ebenso w ir d bestraft, w er an einer V e rb in ­ dung te iln im m t, die einen den Strafgesetzen zu­ widerlaufenden Zweck oder ihren Zweck durch strafbare M itte l verfolgt. l*

-reichsjustizm inister D r . Gürtner: D e r erste T a t­ bestand kom mt zum Vergleich nicht in B etracht, aber der zweite. H ie r w ird vorgeschlagen: w er einer V e r­ bindung angehört, zu deren Zwecken oder Beschäftigun­ gen es gehört, wehrfeindliche M itte l anzuwenden, w ird soundso bestraft. D a s vorgestellte A ngriffsobjekt sollen die Pazifistischen V ereinigungen sein, die es als ihre Aufgabe betrachten, die W ehrbereitschaft des Volkes zu untergraben oder lächerlich zu machen. A u f den ersten B lick möchte es m ir scheinen, daß die Tatbestände sich nicht vollkommen decken, sondern daß der Tatbestand h ie r w eiter geht. Professor D r . D a h m (K ie l): D e r B e g riff der wehr­ feindlichen Bestrebungen ist ja ein n o rm a tiv e r B e g riff. D ie ganze Fassung scheint m ir sehr geschraubt und sprachlich unschön zu sein. K ann m an nicht einfach sagen: »W er einer wehrfeindlichen V erb in dun g oder V ere in igun g angehört« ? Reichsjustizminister D r . Gürtner: M a n könnte sagen: w e r einer V erb in dun g oder V ere in igun g an­ gehört^ die wehrfeindliche Bestrebungen verfolgt, oder noch einfacher: w er einer wehrfeindlichen V erbindung angehört. W as d a m it gemeint ist, ist durchaus er­ sichtlich. Vizepräsident Grau: D ieser Tatbestand unterscheidet sich von dem allgemeinen Tatbestand dadurch, daß jener sich im m e r gegen bestehende Gesetze und Anordnungen richtet, während hier die Stimmungsmache als solche erfaßt werden soll. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D e r S tim m u n g s ­ mache gegenüber w a r das frühere S tra fre c h t ziemlich w ehrlos. Ic h muß im m e r wieder an die literarischen B lü te n der Vergangenheit erinnern, in denen der Hel­ dentod a ls eine D u m m h e it und die Fahnenflucht als eine K lu g h e it bezeichnet w urden. A n diese L ite ra tu r­ produkte denken S ie hier. Vielleicht kommen w ir m it der einfachen Fassung am besten durch. N u n h a t H e rr P räside nt G ra u noch eine vierte Be­ stim m ung vorgeschlagen m it dem S ch la g w o rt: Z e r­ setzung des völkischen W e h rw ille n s, anknüpfend an eine A u s fü h ru n g der preußischen Denkschrift, im übrigen neu: W e r in anderer Weise öffentlich den W ille n des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehaup­ tung b ö s w illig lä h m t oder zersetzt, w ird . . . be­ stra ft. F ü r besonders schwere F ä lle ist S trafverschärfung vorgesehen, wobei a ls B eispiel die K riegszeit genannt w ird . H ierzu w ürde auch noch die drohende K riegsgefahr gehören. N u n d a rf ich fragen, H e rr P räside nt G ra u , ist die Abgrenzung dieses Tatbestandes eine E rw eiterung zu dem, w as w ir bisher hatten? Vizepräsident Grau: Ic h hatte m ir schon am Sonnabend erlaubt, den Tatbestand etwas abzuändern, und zw ar w ollte ich zunächst diesen Tatbestand von den A n g riffe n gegen die W ehrm acht abgrenzen. D e r T a tbestand richtet sich gegen den völkischen W ehrw illen, gegen den W ille n , den jeder deutsche M a n n haben soll. D e r wichtigste Teiltatbestand ist die A u ffo rd e ru n g zur V erw eigerung des Kriegsdienstes in der deutschen W ehrm acht, daß z. B . in Zeitschriften geschrieben w ird , es w äre eine völlige D u m m h e it, wenn sich jemand heut­ zutage noch einm al im Falle des Krieges der K riegs­

macht zur V erfügung stellte usw. D eshalb w ollte ich die Bestim m ung folgendermaßen abändern: W e r öffentlich zur Verw eigerung des K riegsdienstes in der deutschen Kriegsm acht au ffo rd e rt oder anreizt — das ist der wichtigste A n g r iff gegen den völkischen W e h rw ille n — oder in anderer Weise den W ille n des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung bös­ w illig lä h m t oder zersetzt. D e r Tatbestand ist eine erhebliche Ausdehnung gegen über den A n g riffe n gegen die Wehrmacht. D enn h ie r­ unter fallen als A ngriffsobjekt nicht n u r die S oldaten, sondern das ganze deutsche V olk. Reichsjustizminister D r . Gürtner: I s t denn die öffent­ liche A uffo rd e ru n g zur V erw eigerung des Kriegsdienstes nicht ohne weiteres die A u ffo rd e ru n g zu einer straf­ baren Handlung? (Vizepräsident G ra u : V o rlä u fig nicht/ das hängt von der neuen W ehrverfassung ab.) Professor D r . D a h m (K ie l): Auch ich b in der M e i­ nung, daß eine solche Bestim m ung notw endig ist und daß sie nicht durch Abs. 1 ersetzt werden kann. Ic h habe aber Bedenken gegen das M e rkm a l » b ö sw illig «. Es handelt sich hier doch um eine Bestim m ung, die sich geradezu typischerweise gegen den sogenannten llb e rzeugungsverbrecher richtet. S ie hätte praktisch über­ haupt keine Bedeutung, wenn man denjenigen heraus­ fallen ließe, der den W e h rw ille n aus pazifistischer Ge­ sinnung lähm t. Ic h w ürde also den Zusatz »bösw illig« weglassen. Ic h könnte m ir Gerichte vorstellen, die in d iv id u a l ethische Maßstäbe anlegen und sagen: W enn jemand aus Überzeugung pazifistische P rop agan da tre ibt, so fä llt das nicht unter diese Bestim m ung. Diese Auslegung muß unbedingt ausgeschloffen werden. W i r brauchen hier eine w eit ausgedehnte, scharfe Bestim m ung, fü r besonders schwere Fälle auch Zucht­ hausstrafe. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a ß über das W o rt »bösw illig« sich eine D ebatte entfesseln würde, hatte ich gedacht. Ic h gehe einm al von der Grauschen Fassung aus, die lautet: »W er öffentlich zur V e rw e i­ gerung des Kriegsdienstes anreizt oder a u ffo rd e rt oder in anderer Weise öffentlich den W ille n des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung lä h m t oder zersetzt«. D a s w ären die vorgeschlagenen Tatbestände. Gegen die objektive Abgrenzung läß t sich nicht viel sagen. W as die beiden H erren ausgeführt haben, ist richtig. N u n kommt aber die S chw ierigkeit beim sub­ jektiven Tatbestand. H e rr G ra u selbst hatte »b ösw illig « vorgeschlagen. D e r H e rr B erichterstatter Professor D a h m wendet dagegen ein, das sei eine viel zu enge Abgrenzung, w e il ich einem überzeugten Pazifisten die B ö s w illig k e it nicht behaupten und nachweisen kann. D a m it aber würde ein ganz großer T e il des A nw en­ dungsgebietes dieses P ara g ra p h e n in s Leere fallen. B ei »bösw illig« müssen w ir einen Augenblick inne­ halten/ denn so einleuchtend das Beispiel ist, daß der F riedenstraktat von K a n t nicht im J a h re 1934 und 1935 als strafbare H andlung q u a lifizie rt werden kann, so sind doch hier die Grenzfälle sehr wesentlich. Ic h könnte m ir z. B . vorstellen, daß jemand auch heute ein sehr ernsthaftes Buch schreibt, wie töricht und absolut

verwerflich vom Standpunkt eines jeden Volkes aus es wäre, einen Wirtschaftskonflikt m it kriegerischen M it­ teln zu lösen, — ein Gedanke, der oft geäußert worden ist. Ich könnte m ir vorstellen, daß jemand für die Idee des Völkerbundes auch heute seine Überzeugung ins Feld führt, daß der Krieg die ultima ratio im Leben der Völker sein soll. D as soll nicht strafbar sein. Professor D r. Dahm (Kiel): Ich darf vielleicht ein Beispiel anführen, das nicht meiner Phantasie ent­ stammt. Jem and vertritt — nehmen w ir an, öffent­ lich — die Ansicht, unsere Wehrlosigkeit sei gerade unser bester Schutz. Denn gerade weil w ir wehrlos seien, kämen w ir nicht in Versuchung, uns außenpoli­ tischen und militärischen Konflikten auszusetzen. W er das öffentlich vertritt, ist meiner M einung nach zu be­ strafen, auch wenn er nicht eigentlich »böswillig«, son­ dern aus ehrlicher Überzeugung so redet. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: D as Nächst­ liegende wäre, daran zu denken, solch einen M ann ins N arrenhaus einzusperren!) Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Ich hatte gestern das W ort »böswillig« befürwortet, komme aber bei näherer Überlegung dahin, es fallen zu lassen, und zwar deshalb, w eil'w ir in allen diesen Bestimmungen nicht den Kriegswillen, sondern den W ehnvillen in den Vordergrund stellen. W er diesen Willen, aus welchen Gründen auch immer, zu lähmen versucht, ist unter allen Umständen strafbar. I n unserer Lage müssen w ir allerdings sagen: der Wille, sich gegen einen An­ greifer zu »wehren«, darf auch nicht aus weltanschau­ licher Überzeugung, sowenig wie aus Feigheit oder sonstigen Gründen gelähmt werden. Deshalb würde ich keine Bedenken in der Streichung des W ortes »bös­ willig« sehen. Bestehen bleibt natürlich, daß die Ab­ sicht vorliegen muß, das deutsche Volk einem Angriff gegenüber wehrlos zu machen, und dazu der Tatvorsatz einschließlich des dolus eventualis. W as die von H errn Präsidenten G rau vorausge­ schickte Klausel betrifft: »wer öffentlich zur Verweige­ rung des Kriegsdienstes in der deutschen Wehrmacht auffordert oder anreizt«, so sehe ich dafür kein Be­ dürfnis. Diese Fälle sind im wesentlichen gedeckt, wenn w ir die Generalklausel, besonders unter Streichung des W ortes »böswillig« beibehalten. Namentlich paßt sie nicht recht in eine Zeit, die keine allgemeine Dienst­ pflicht hat/ denn den Kriegsdienst kann man nur dann verweigern, wenn man verpflichtet ist, ihn zu leisten. I n Kriegszeiten würde die Gesetzgebung schon schnell dafür sorgen, daß solche Delikte unter S trafe gestellt werden. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Dom rechtlichen Standpunkt wird sich gegen diese Ausführung kaum etwas sagen lassen. D ie Frage ist nur, ob man nicht aus einem andern Grunde etwa die Aufforderung an die Arbeiter: ihr werdet euch nie mehr bereit finden lassen, zur A ustragung der Konflikte der internatio­ nalen Großfinanz zum Gewehr zu greifen und auf eure Arbeitskollegen jenseits der Grenze zu schießen! — ein Gedankengang, der in der kommunistischen Literatur gang und gäbe ist — treffen soll. Vizepräsident Grau: Die Aufforderung zur Ver­ weigerung des Kriegsdienstes ist an sich eine Zersetzungs­ handlung, und zwar die Handlung, die am allerhäufig­

sten begangen wurde. D arau f liefen doch alle pazifisti­ schen Schriften hinaus, und deshalb schien es m ir not­ wendig zu sein, diesen Tatbestand ausdrücklich zu nennen und dann eine Generalklausel anzuhängen. Wenn H err Professor Kohlrausch meinte, es bestehe gar keine recht­ liche Verpflichtung zum Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht, so trifft das zu, und w ir wissen auch nicht, ob w ir eine solche Rechtspflicht auf G rund der neuen Wehrverfassung bekommen werden. Aber das soll doch gerade hier propagiert werden, daß es moralische Pflicht eines jeden deutschen M annes ist, sich im Falle eines Angriffs des Feindes zur Verteidigung des V ater­ landes zur Verfügung zu stellen. Deshalb heißt es auch nicht in der deutschen »Wehrmacht«, sondern in der »Kriegsmacht«, es ist also nicht auf das bestehende Heer beschränkt. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ich sehe keinen unversöhnlichen Gegensatz in der beiderseitigen Betrachtung.) Korvettenkapitän Schniewind: I n der Wahlperiode 1928 hat der jetzige H err Reichsminister D r.Frick einen A ntrag gestellt, in dem es heißt: W er den sittlichen Grundsatz der allgemeinen Wehr- oder sonstigen Staatsdienstpflicht der Deutschen in W ort, Schrift, Druck, B ild oder in anderer Weise bekämpft, leugnet oder verächtlich macht, oder wer für die geistige, körperliche oder materielle Abrüstung des deutschen Volkes w irbt, oder wer zur Kiegsdienstverweigerung oder zu sonstigen die Landesverteidigung gefährdenden Maßnahmen auffordert, — es folgen noch eine ganze Reihe von anderen T a t­ beständen — oder wer es sonst unternimm t, die Wehrkraft oder den Wehrwillen des deutschen Volkes zu untergraben, w ird wegen W ehrverrats m it dem Tode "bestraft. Ich glaube, das ist dasselbe, was H err G rau meint. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D a s ist genau derselbe Gedanke, den H err Präsident G rau vorgetragen hat. Auch hier ist das W ort von dem »Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung« ge­ braucht. Oberführer Binz: Ich möchte anheimgeben, statt vom »Willen zur wehrhaften Selbstbehauptung« von dem allgemeinen »Willen zur L a n d e s v e r t e i d i ­ g u n g « zu sprechen, aus dem Gesichtspunkt heraus, daß diese Fassung etwas konkreter ist, mehr auf die Verpflichtung abgestellt, auch m it m i l i t ä r i s c h e n M itteln das Land zu verteidigen. »Wille zur Selbst­ behauptung« könnte vielleicht etwas zu verschwommen aufgefaßt werden. Vielleicht würde dann jemand sagen können: der passive Widerstand ist für mich schon genug. Auch die Wehrmacht w äre wohl daran interessiert, wenn hier die »Landesverteidigung« einbezogen würde, w as ein absolut klarer und feststehender Begriff ist. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: Eine Gewissensfrage, die ich zurückgebe: S ie empfinden es als eine E i n s c h r ä n k u n g , wenn S ie »Landesverteidi­ gung« sagen?) — Eigentlich nicht. Es ist aber eine kontretere Fassung. Ich würde es nicht als Einschränkung auffassen, sondern 2

als eine Regelung in dem S in n e , daß auch m i l i ­ t ä r i s c h e M it t e l hier einbegriffen sind. D a s w ird dadurch ausdrücklich betont. Reichsjustizminister D r . G ü rtn er: Komme ich Ih re n Gedanken nahe, wenn ich etwa so sage: der Ausdruck » W ille des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbe­ hauptung« kom mt Ih n e n zu gespreizt und geschraubt, zu gelehrtenhaft und intellektuell v o r, während »Landes­ verteidigung« ein W o rt ist, unter dem sich jeder etwas denken kann? (O berführer B in z : » W ille zur wehrhaften Selbst­ behauptung« ist m ir nicht Plastisch genug.) Professor D r . Mezger (M ünchen): D ie Neufassung von H e rrn Vizepräsidenten G ra u m it den W orte n: »öffentlich zur V erw eigerung des Kriegsdienstes usw. a u ffo rd e rt« , möchte ich auch meinerseits empfehlen. P rofessor D r . D ahm (K ie l): Ic h habe Bedenken gegen die V erw endung des W o rte s »Landesverteidi­ gung«. Ic h glaube nicht, daß d a m it sachlich dasselbe gesagt ist wie m it der W endung »wehrhafte Selbstbe­ hauptung«. W enn man näm lich das W o r t »Landes­ verteidigung« eng auslegen w ollte, so könnte m an viel­ leicht sagen: W enn es um unserer Selbstbehauptung w ille n notw endig sein sollte, fo rm e ll den ersten S c h ritt zu tun, z. B . den K rie g zu erklären, so d a rf m an sich der P flic h t gegenüber dem eigenen Volke entziehen. Es kom m t hinzu, daß das W o rt »Landesverteidigung« zu einseitig a u f den m ilitärischen Bereich hindeutet und nicht das bezeichnet, was hier entscheidend ist, nämlich die geistige W e h rh a ltu n g und W ehrgesinnung. Ich w ürde also der weiteren F o rm u lie ru n g »wehrhafte Selbstbehauptung« den V orzug geben. M in is te ria lra t Rietzsch: E in F a ll, der bei dem Ge­ danken des H e rrn Vizepräsidenten G ra u P ate gestanden hat, d ü rfte den Gegensatz der beiden Auffassungen sehr g u t charakterisieren. Es ist dies das bekannte W o rt des S chriftstellers Tucholsky »S oldaten sind M ö rder«. D e r Ausspruch w a r nach bisherigem Recht als bloße K ollektivbeleidigung einer unbestimmten V ie lh e it straf­ los. D ie F o rm u lie ru n g von H e rrn G ra u ermöglicht es m it S icherheit, ih n zu treffen/ ob dies auch nach der Fassung von H e rrn O berführer B in z der F a ll ist, kann zw eifelhaft sein. Reichsjustizm inister D r . G ü rtn er: Landesverteidi­ gung ist — das w ollte ich aus dem H e rrn Diskussions­ redner herauslocken — ein konkreter, handhafter B e­ g r iff, und deswegen w urde er gegenüber dem zu ver­ schwommen erscheinenden B e g riff der wehrhaften Selbst­ behauptung b e fürw ortet. A ber das, was H e rr P r o ­ fessor D a h m ausführte, kommt w o h l dem K ern der Sache näher, und w i r sollten es nicht auf die Landesver­ teidigung abstellen. W enn w ir diesen P u n k t verlassen, habe ich nach meinen Aufzeichnungen den Eindruck, daß w ir unter Z u ­ grundelegung der Grauschen Vorschläge m it den B e­ stimmungen gegen die W ehrmacht fe rtig sind. Professor D r . G r a f Gleispach (B e r lin ): H e rr Reichs­ m inister, ich meine — wenn ich m it ein paar W orten au f den zuletzt erörterten P ara grap hen zurückkommen d a rf — , daß m a n vielleicht von »w ehrhafter Gesin­ nung« oder »W ehrw illen« sprechen könnte. Ic h sage das aber n u r deshalb, um noch d a ra u f hinzuweisen,

daß ein M itte l zur Zerstörung dieser Gesinnung auch das Herabziehen der Helden des deutschen Volkes ist. M a n kann das zum T e il diesem Tatbestand unterstellen. Ic h möchte allerdings nicht beantragen, etwa einen eigenen Tatbestand dieser A r t zu schaffen. M a n muß sich daran erinnern, daß die Helden eines Volkes nicht ausschließlich au f die m ilitärischen Helden beschränkt sind, und zweitens daß der A n g r iff auf die Heldenver­ ehrung nicht n u r die wehrhafte Gesinnung schädigt, son­ dern darüber hinaus die richtige Einstellung des Volkes überhaupt. Ic h w äre der Auffassung, daß in einen Abschnitt » A ng riffe gegen das V olkstum « etwa ein Tatbestand dieser A r t aufzunehmen wäre. Aber wenn das nicht geschehen sollte, dann wäre doch hier wenig­ stens der Helden im engeren S in n e des W orte s zu ge­ denken. Ic h möchte n u r auf diesen Gegenstand hin ­ weisen. O berführer B inz: Ic h d a rf vielleicht d a ran erinnern, daß in dem v o rh in bereits erwähnten nationalsozialisti­ schen E n tw u rf zu einem Gesetz über den Schutz der N a tio n solche Tatbestände au fgefü hrt worden sind/ sie sind ja dann auch in der preußischen Denkschrift ver­ wendet worden. Ic h weiß nicht, ob geplant ist, an an­ derer S telle diesen Schutz festzulegen. I n dem erwähn­ ten Gesetzentwurf w urden geschützt: Helden, dann F ü h re r, auch politische F ü hre r der N a tio n , ferner Ehrenfriedhöfe gegen beschimpfenden U n fu g und ähn­ liche A n g riffe . A n sich lie g t also der Gedanke in der L u ft, einen Strafschutz aufzubauen. A ber ich muß auch sagen: ich habe das in dem vorliegenden E n tw u r f ver­ m iß t. O ffenbar ist geplant, diesen Schutz irgendwoanders einzubauen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D azu möchte ich folgendes bemerken. D aß die H eldenverunglim pfung irgendw ie in den Bereich des S trafrechts hineingezogen werden muß, ist, glaube ich, keine Frage, die zur D is ­ kussion steht. D ie V e ru n g lim p fu n g der Helden eines Volkes richtet sich in jedem F a ll gegen seine Ehre, und zwar in höherem M aße als etwa die V e ru n g lim p fu n g Verstorbener, über die w ir bei der B eleidigung schon gesprochen haben, wenn die Herren sich da ran erinnern wollen. D a m a ls habe ich den Unterschied gemacht: wenn jemand etwa meinen G roßvater ve ru n g lim p ft, der längst gestorben ist, so ist das etwas anderes, als wenn jemand den Feldmarschall Blücher verunglim pfen würde. W ir haben damals auf diese doppelte N a tu r der V e ru n g lim p fu n g Verstorbener schon hingewiesen. N u n kann na tü rlich die Verächtlichmachung von K rie g s­ helden ein M itte l, und zw ar ein sehr beliebtes M itte l sein, um den W eh rw ille n und überhaupt den Gedanken der m ilitärischen Selbstbehauptung verächtlich und lächerlich zu machen. D a s ist e i n e s von den vielen M itte ln , oie es gibt, und deswegen sollte m an es hier meines Erachtens ga r nicht erwähnen. D a rü b e r, daß an einer anderen S telle, wo es sich um den Schutz der Ehre des Volkes handelt, die H eldenverunglim pfung auftreten w ird , sind w ir uns ja bei der B eleidigung schlüssig geworden. Ic h w ürde also vorschlagen, die Heldenverunehrung als ein M itte l, am Ende g a r als das einüge M itte l, um die militärische Selbstbehaup­ tung lächerlich zu machen, hier nicht aufzuführen. W enn die Herren auch dieser Auffassung sind, dann hätte ich zu dem Abschnitt »Wehrmacht« keine Frage mehr.

M inisterialdirektor Schäfer: Hier schließt sich in ­ haltlich der Abschnitt »Wirtschaftlicher Landesverrat« an. Ic h glaube, da w äre uns doch die Anwesenheit der H erren vom Reichswehrministerium und des H errn O berführers Binz w ertvoll, desgleichen für die U n ter­ kommission, die w ir einsetzen würden, wenn w ir zu positiven Vorschlägen kommen. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Ich wollte auch dem Wunsche Ausdruck geben, daß an den B eratungen der Unterkommission einer der H erren vom Reichswehr­ m inisterium teilnehmen möchte, ebenso H err O berführer Binz. W ir kämen nunm ehr zu dem U nterteil der Ziffer 1 der T agesordnung, den w ir bezeichnet haben m it dem W o rt »Wirtschaftsverrat«. W ir sind auf den W irtschaftsverrat schon einm al beim Landesverrat zu sprechen gekommen und haben uns dam als vorgenommen, ihn später einer besonderen B etrachtung zu unterziehen. E s liegen vor Leitsätze des H errn B erichterstatters Professor D r . Kohlrausch. Vielleicht d a rf ich H errn Professor D r . Kohlrausch bitten, das W o rt dazu zu nehmen. An R o hm aterial liegt sonst noch vor ein kleiner Abschnitt aus der preu­ ßischen Denkschrift. B erichterstatter Professor D r. Kohlrausch (B erlin): M eine H erren! D e r Gedanke, den W irtschaftsverrat dem Gedanken des Landesverrats zu unterstellen oder m inde­ stens anzugliedern, ist gelegentlich im m er wieder ge­ äußert worden. E r ist sogar im 18. Jah rh u n d e rt, in den Zeiten des wirtschaftlichen M erkantilism us, in die P ra x is umgesetzt worden. Es ist interessant, zu sehen, daß dam als das, w as w ir heute B etriebsverrat nennen, als L andesverrat bezeichnet wurde. E s wurden wegen L andesverrats bestraft W eber oder andere Angehörige irgendwelcher Gewerbe, die ihre Geheimnisse bei der A usw anderung m itnahm en und dadurch die Konkurrenz ihres eigenen Landes gegenüber anderen Ländern schä­ digten. E s ist dann dieser Gedanke durch die P a r t i ­ kulargesetzgebung des 19. Jah rh u n d erts gegangen, plötzlich aber vom preußischen Strafgesetzbuch fallen gelassen worden, ohne daß m an einen G rund dafü r sagte. D e r G ru nd w ar aber wohl der Übergang zum W irtschaftsliberalism us. E s ist nicht verwunderlich, daß gegen Ende des 19. Jah rh u n d erts, als wieder w ir t­ schaftliche B indungen sichtbar werden, der Gedanken von neuem auftaucht/ nun freilich von anderen S eiten her/ von Landesverrat w a r zunächst nicht die Rede. Zw eierlei wurde jetzt in den V ordergrund gerückt, einm al der Gedanke des unlauteren W ettbewerbs des einen in­ ländischen Unternehm ens gegen das andere inländische Unternehm en, zweitens der Gedanke der U ntreue des Angestellten gegen den eigenen Betrieb. D a s zweite w ar der eigentliche G rund, den m an fü r genügend tra g ­ fähig hielt, um eine S tra fe für B etriebsverrat d arau f zu gründen. S o kam der heutige § 17 in das Gesetz über den unlauteren W ettbewerb hinein/ an Landes­ v e rra t h at zunächst niem and dabei gedacht. D e r Landesverratsgesichtspunkt wurde erst nach dem W eltkrieg berührt. Auch ich habe dies getan (1929) in meinem Aufsatz über »Industriespionage«, dabei frei­ lich Zw eifel geäußert, daß m an ihn zu dem maßgeben­ den O rientierungspunkt nehmen könne. D a doch der Gesichtspunkt des unlauteren W ettbewerbs inländischer

Unternehm en gegeneinander im V ordergrund stehe, und da es auch de lege ferenda meines Erachtens schwierig sei, hier die inländische W irtschaft von der ausländischen zu trennen. Gerade m it Bezug auf § 17 U W G . zeigt es sich, daß w ir von einem wirtschaftlichen L andesverrat eigentlich n u r sprechen könnten, wenn w ir imstande w ären, inländische Unternehm ungen w irt­ schaftlich von ausländischen zu trennen. Angesichts der Verflechtung der heutigen In d u strien , besonders der chemischen, der elektrotechnischen Ind ustrie usw., n a ­ mentlich bei der gegenseitigen Durchsetzung m it K apital, ist dies schwer möglich. M an bedenke auch, daß die ausländischen Unternehmungen bei uns Tochterunter­ nehmungen haben — ich erinnere an Opel, Ford, S i n ­ gers Nähmaschinen usw. — und daß unsere U nter­ nehmungen wie IG -Ia rb e n , S iem en s usw. im A us­ lande Tochtergesellschaften haben. D ie Angestellten und A rbeiter sind meistens Angehörige des Landes, wo die Tochtergesellschaft ihren Sitz h a t/ G eheim haltun­ gen werden schwieriger, namentlich aber ist Geheim­ n isv errat hier selten Landesverrat. E s kommt aber noch etw as anderes hinzu. D er V er­ r a t von Staatsgeheim nissen ist zw ar einer der wichtig­ sten Fälle des L andesverrats, aber doch n u r ein A n­ wendungsfall, eine Erscheinungsform des Landesver­ ra ts . Ebenso wichtig, wenn auch im allgemeinen n u r in Kriegszeiten praktisch, ist die offene Unterstützung des Feindes. M an h at sich d ara n gewöhnt, diese D o p ­ pelbedeutung des W ortes »V errat« zu vergessen. M a n h at vergessen, daß der S in n des W ortes »V errat« ursprünglich der ist, dem vertrauenden Freund in den Rücken zu fallen. W ürde m an m it der Ü bertragung des Landesver­ ratsgedankens auf den W irtschaftsverrat E rnst machen wollen, dann dürfte m an auch beim W irtschaftsverrat nicht auf den G eheim nisverrat sich beschränken. W irt­ schaftlicher Landesverrat w äre dann im Grunde jede bewußte Schädigung der eigenen W irtschaft zugunsten des A uslands. D er § 17 U W G . dürfte dann auch hier n u r als ein Einzelfall angesehen werden. Von dieser Seite her aber die Sache anzufassen, halte ich für schwer möglich. W ir müßten dann als wirtschaftlichen Landesverrat alle Fälle zusammen­ fassen, in denen ein Deutscher oder vielleicht auch je­ m and, der den wirtschaftlichen V orteil genießt, in Deutschland zu leben, uns wirtschaftlich in den Rücken fällt, Deutschland bewußt schädigt, sei es unm ittelbar zugunsten des A uslandes, sei es, daß es sich zu einer solchen Schädigung in der internationalen Stellung ausw irkt. D a n n ist natürlich W irtschaftsverrat jedes bewußte Schädigen der deutschen Volkswirtschaft, nicht n u r der V e rra t von Betriebsgeheimnissen, sondern oud) eine Unmenge von wirtschaftlichen Delikten, also auch Devisendelikte, die ja auch gerade unsere internationale wirtschaftliche Stellung betreffen, Zoll- und S te u e r­ delikte, ein T eil der Delikte des neuen Gesetzes über den V e rra t der deutschen Volkswirtschaft. Aber auch eine U nm enge.von einzelnen Delikten, wenn sie zum Scha­ den der Gesamtvolkswirtschaft begangen werden: z. B . B etru g und U ntreue. Denken w ir an die Bankver­ gehen des S om m ers 1931, deren B edeutung schließlich nicht d arin bestand, daß der Einzelne im Sinne des § 269 betrogen oder daß nach § 266 eine Untreue be­ gangen, sondern daß die Gesam theit aufs schwerste ge-

schädigt wurde, auch gerade gegenüber dem Aus­ land. Es könnten dahin auch Konkursdelikte gehören ; denn ein Konkurs, namentlich großer Unternehmungen, zieht'Dutzende von anderen Konkursen und schließlich eine Wirtschaftskrise größten Ausmaßes nach sich. Es könnte hierin eine bewußte Schädigung der deutschen Volkswirtschaft, mindestens eine fahrlässige, zu sehen sein. Die Grenzen würden unübersehbar. D am it möchte ich nicht sagen, daß der Gedanke des wirtschaftlichen Landesverrats überhaupt nicht vertret­ bar sei. Aber ich glaube nicht, daß wir über einen solchen Begriff in absehbarer Zeit schlüssig würden. D as ist eine Zukünftsaufgabe,' schwer heute abzu­ schätzen, vielleicht fruchtbar, aber keinesfalls spruchreif. Trotzdem sollten wir den wirtschaftlichen G e ­ h e i m n i s v e r r a t hier herausgreifen und seinen Gedanken erweitern. Ob das int Strafgesetzbuch ge­ schehen soll, und an lvelcher Stelle, mag dabei zunächst dahingestellt bleiben. 'I n das UWG. allerdings gehört er dann nicht mehr. D er jetzige § 17 UWG. hat dort von Anfang an als Fremdkörper gewirkt. Solange es sich um einen Wettbewerb inländischer Unternehmungen untereinander handelt, gehört der P aragraph zwar dorthin. Aber schon dadurch, daß man den Angestellten­ verrat nur dann strafen wollte, wenn der Angestellte gewissermaßen einen Vertragsbruch, also eine Untrcuh oeging, hat man den Rahmen zu eng gezogen. Man hat ihn andererseits durch den Absatz 2 des § 17 über­ schritten, der mit Wettbewerb gar nichts zu tun hat, wonach der bestraft wird, der ein solches Geheimnis verrät, das auf unlautere Weise in seine Hände ge­ kommen ist. D er § 17 hat seine gesteigerte praktische Bedeutung neuerdings dadurch bekommen, daß Betriebsgeheimniffe im allgemeinen an das Ausland verraten wurden. Hier aber versagte er. Es fehlte namentlich die Be­ strafung des Versuchs, und es fehlte eine besondere Strafverschärfung für Fälle, wo der V errat an das Ausland begangen wurde. Um andere Dinge unbe­ rührt zu lassen, so ist außerdem die schwierige Streit­ frage in der Schwebe geblieben, ob man das Berufs­ geheimnis über die Zeit des Angestelltenverhältnisses hinaus ausdehnen solle. Die Novelle von 1932 hat diesen Bedenken zu einem gewissen Teil Rechnung ge­ tragen. Sie hat insbesondere den V errat an das Aus­ land unter etwas schwerere Strafe gestellt. Sie hat aber nicht die Zeit der Geheimnispflicht ausgedehnt, da der Mensch das, was er gelernt habe, doch in seinerneuen Stellung verwerten dürfe: eine Streitfrage' zwischen Angestelltenverbänden und Industrieverban­ den, um die der Kampf sehr hitzig und zum Teil in verletzender Form geführt wurde! Die Novelle hat auch den »Versuch« nur für einen bestimmten Fall unter S trafe genommen: es solle nicht darauf ankom­ men, ob der, an den das Geheimnis verraten wird, es schon kenne. D as waren nämlich die praktisch wichti­ gen Versuchsfälle. Diese spielten sich im allgemeinen so ab, daß ein Angestellter in Zeitungen schamlos annoncierte: »Chemiker sucht sich zu verändern. Aus­ landsstellung wäre angenehm!« Diese Annoncen waren den Agenten, von denen wir überschwemmt sind, in ihrer Tragweite bekannt. Ein Verrat lag darin natür­ lich noch nicht. Der Stellensucher wurde engagiert, und wenn er im Ausland war, verriet er. Diesen Din­

gen konnte unsere Industrie nur auf die S pur kom­ men, indem sie eigene Agenten an diese Inserenten heranschob. Es wurde entschieden, daß der V errat an einen solchen Agenten, der das Geheimnis kennt, nur ein Versuch sei, und da der Versuch nach § 17 nicht strafbar sei, so sei eben nichts zu machen. Diesen wichtigen Versuchsfall hat der letzte Absatz des § 17 unter Strafe gestellt. Aber es bleiben die Fälle straflos, in denen im Inland nur Angebote er­ folgen, der eigentliche Verrat sich im Auslande voll­ zieht. Die Industrie legt den größten Wert darauf, daß die Dersuchsstrafe ganz generell ausgesprochen wird, und sieht offenbar nicht ein, warum sich die ge­ setzgebenden Faktoren gegen diese generellen Versuchs­ bestimmungen sträuben. Ich habe in meinem Aufsatz von 1928 schon ein großes M aterial benutzt und zum Teil veröffentlicht. Es waren 43 Verratsfälle, die ich damals aktenmäßig prüfen konnte. Ich habe neuerdings weiteres M aterial bekommen, das den Herren zur Ver­ fügung steht. Geradezu schamlos ist ein Treiben, welches im Jahre 1932 aufgedeckt worden ist, ein Fall, wo die schwierigsten und wichtigsten deutschen Betriebseheimnisse ausspioniert wurden, ohne daß man mit em Strafrecht dem Mann beikommen konnte, solange nicht ein wirklicher »Verrat« erfolgte, und dann war es zu spät. Hier fragt es sich in der T at, ob man nicht die Be­ stimmung von Grund aus ändern und das Verbrechen des B e t r i e b s v e r r a t s als eine Schädigung der i n l ä n d i s c h e n W i r t s c h a f t konstruieren sollte. Freilich ist Vorsicht geboten. Ich habe mir erlaubt, schriftlich einen Vorschlag zu machen, und zwar auf Seite 5 meiner »Anträge«. Die Formulierung ist zu­ stande gekommen nach eingehenden Rücksprachen mit führenden Juristen von großen industriellen Unterneh­ mungen. Es würde unter Strafe zu stellen sein jetnand, der ein deutsches Betriebsgeheimnis in den Bereich des Auslandes bringt. Dieses müßte geschehen zum Schaden der deutschen Volkswirtschaft, das heißt, ein Schaden der deutschen Volkswirtschaft müßte nachweisbar sein. Und was den subjektiven Tatbestand betrifft, so müßten verlangt werden Eigennutz und Wissentlichkeit. Größten W ert lege ich auf das W ort »Wissentlichkeit«, der dolus eventualis müßte unter allen Umständen ausgeschlossen sein. Die Dinge gehen ja doch so vor sich, und das ist geradezu interessant für die Psychologie des dolus eventualis: Wenn ein wirtschaftliches Unter­ nehmen z. B . ein Patent verkaufen will, dann wird das in den Kreisen des Vorstandes oder irgendeines anderen Gremiums besprochen. Die Ansichten gehen auseinander. Es handelt sich also um einen Kampf der Motive, der beim dolus eventualis sich im ein­ zelnen Kopf abspielt, hier am Beratungstisch. Die M ajorität ist dafür, die M inorität dagegen,' also wie bei einem Motivenstreit im Kopfe eines einzelnen. Die M inorität sagt: hier könnte die deutsche Volkswirt­ schaft geschädigt werden. Die M ajorität sagt: per saldo wird der Gewinn für Deutschland größer sein. Was schließlich geschieht, könnte, wenn die deutsche Volkswirtschaft aber doch geschädigt wird, als Schädi­ gung mit dolus eventualis aufgefaßt werden. Ob letzten Endes für die deutsche Volkswirtschaft mehr herauskommt, wenn man verkauft, als wenn man

y nicht verlaust, das weiß m an nicht. W enn man ver­ kauft, so h o fft m an, an Lizenzgebühren unb Devisen fü r die deutsche V olksw irtschaft mehr hereinzubringen, als wenn m an nicht verkauft, und dann über kurz oder lang das A usland es doch e rfä h rt — die Fälle drohen­ den V e rra ts gehören ja auch hierher — und es dann ohne uns nachmacht. M a n muß in K a u f nehmen, daß die deutsche V olksw irtschaft geschädigt w ird , man muß es riskieren. Solche Fälle müssen durch das W o rt »wissentlich« ausgeschlossen werden. W enn ich die Fassung »in den Bereich des A u s ­ landes« vorgeschlagen habe, so meinte ich da m it das A usland nicht geographisch, sondern wirtschaftlich ge­ faß t zu haben/ und ich glaube, durch eine vernünftige Auslegung im K om m entar könnte nachgeholfen werden. D ie entscheidende Frage ist na tü rlich : läß t sich der Tatbestand praktisch objektiv feststellen? D a befürchte ich allerdings Schwierigkeiten. Schon ob bk deutsche V olksw irtschaft p e r saldo geschädigt ist, w ird o ft schwer feststellbar sein. W ir dürfen dabei nicht ver­ gessen, daß auch der deutsche A rb e itsm a rkt ein Bestand­ te il der deutschen V olksw irtschaft ist und daß, wenn etwa ein Unternehm er oder Angestellter in dieser unbe­ rechtigten Weise aus Eigennutz ein solches Geheimnis an eine amerikanische In d u s trie firm a v e rrä t, die es etwa in Deutschland durch eine deutsche F ilia le ver­ werten w ill, der deutsche A rb e itsm a rkt dadurch unter Umständen eine Ankurbelung erfahren kann. Noch heikler wäre n a tü rlic h praktisch die Feststellung des subjektiven Tatbestandes! D e r Nutzen dieser Bestimm ung aber würde nicht n u r der sein, daß, wenn diese Fälle denkbar sind und vorkommen, w i r sie fassen können, sondern auch, daß w ir dann auch den Unternehmer gleichbehandeln m it dem Angestellten und, nachdem w ir das getan haben, uns nicht mehr zu scheuen brauchen, im § 17 U W G . die Beschränkung des Angestelltenverrats au f die Z e it des Angestelltenverhältniffes preiszugeben. E in letztes noch zum Erfindergeheim nis. D ie preu­ ßische D e n ksch rift-h a t zwei Vorschläge gemacht. A u f Seite 29 ha t sie vorgeschlagen, das Erfindergeheim nis unter besonderen Strafschutz zu stellen, und auf S eite 75 hat sie den wirtschaftlichen Landesverrat unter S tra fe stellen wollen. W as das Erfindergeheim nis b e trifft, so stimme ich m it H e rrn Präsidenten G ra u überein, wenn ich meine, daß hier ein besonderer Strafschutz nicht geboten ist. D ie jetzige Rechtsprechung gewährt hier meines E r ­ achtens genügenden Schutz, besonders in den Fällen, in denen das m ilitärische Geheimnis in B etracht kommt, namentlich nach den V orschriften über den La n­ desverrat, bk w ir neulich hier fo rm u lie rt haben. Weiterzugehen, halte ich fü r untunlich. Ic h trete d a rin auch H e rrn Präsidenten G ra u bei. B erichterstatter Vizepräsident Grau: Anläßlich der B e ra tu n g des Landesverrats hatte ich m ir schon er­ laubt, au f die wichtigsten Fragen des wirtschaftlichen Landesverrats einzugehen. Ic h w a r dam als zu dem Ergebnis gelangt, daß es unerwünscht sei, einen S o n ­ dertatbestand des wirtschaftlichen Landesverrats zu schaffen, und daß es vielmehr richtig sei, die schweren Fälle in den allgemeinen Landesverratsvorschriften zu erfassen/ im übrigen müsse eine Ausdehnung des § 17 36.

des U nlauteren Wettbewerbsgesetzes helfen. mich deshalb kurz fassen.

Ic h d a rf

D e r Tatbestand, den H e rr Geheim rat Kohlrausch au f S eite 5 seiner Vorschläge vorsieht, bestärkt mich nun in der Überzeugung, daß es einfach ein Schlag ins Wasser sein würde, wenn w ir einen Tatbestand des wirtschaftlichen Landesverrats in dieser F o rm b r in ­ gen würden. D a s Neue w äre die Ausdehnung gegenüber dem U nlauteren Wettbewerbsgesetz. D e r T ä te r­ kreis ist in diesem Tatbestand au f den Unternehmer und den B etrie bsfüh rer ausgedehnt w orden/ außerdem w ird erford ert, daß der T ä te r wissentlich zum Schaden der deutschen V o lksw irtscha ft handelt. N un möchte ich behaupten, daß a u f seiten des Unternehmers ein solcher F a ll w ohl überhaupt nicht nachzuweisen sein w ird , daß aber die Folgen eines solchen Tatbestandes eine Einschränkung der Unternehmenslust und der Ge­ schäftsfreudigkeit sein w ürden, die vielleicht größere Nachteile als V o rte ile hervorrufen würden. D e r wichtigste F a ll, der ja auch unter den Tatbestand von H e rrn G eheim rat Kohlrausch fä llt, ist doch der E rfind ungsve rra t an das A usland. Ic h hatte schon beim Landesverrat die Lage klarzustellen versucht und möchte mich deshalb hier auf folgendes beschränken: Wenn heutzutage ein U nternehm er eine E rfin d u n g macht, dann sagt er sich in erster L in ie : ich muß sofort P a tentschutz bekommen, und zw ar überall, im In la n d und bei allen K u ltu rvö lke rn des Auslandes. I s t der P a ­ tentschutz da, dann ist die zweite Frage: w ie w ird nun die E rfind ung verwertet? M a n kann sie a u f zweier­ lei Weise verwerten, einm al, indem man selbst fa b ri­ ziert, zum andern, indem m an durch Lizenzverträge die E rfin d u n g an das A u sla n d vergibt. B e i Lizenzver­ trägen entsteht dann die weitere S chw ierigkeit, daß ein großer T e il der K ulturstaate n diese Lizenzverträge zeit­ lich stark beschränkt, auf ein p a ar Ja h re nu r, und nach A b la u f dieser Z e it verla ngt, daß nunmehr die F a b rika tio n im eigenen Lande, von dem die Lizenz er­ te ilt worden ist, vorgenommen werden muß. Also der B e trie b sfü h re r, der eine E rfin d u n g gemacht hat oder dessen Angestellte eine E rfin d u n g gemacht haben, steht v o r der großen Frage: w ie handle ich, w as ist zum Schaden und zum V o rte il der deutschen Volksw irtschaft? Diese Frage ist in dem Augenblick, in dem die be­ treffenden Maßnahm en oder Verfügungen getroffen werden müssen, also im voraus, kaum zu beantworten. D enn es ist meist nicht möglich, zu überschauen, ob es richtiger ist, die E rfin d u n g im eigenen Lande zu ver­ werten, oder ob es fü r die V olksw irtschaft wünschens­ w e rte r ist, a u f G ru n d der Lizenzverträge Devisen in großer Z a h l hereinzubekommen. Deswegen möchte ich, ohne übertreiben zu w ollen, behaupten, daß dieser T a t­ bestand auf die Unternehm er praktisch w o h l keine A n ­ wendung finden w ird . R ichtig und sehr erwünscht ist, was H e rr Geheimr a t Kohlrausch vorgeschlagen hat, daß m an § 17 deS U W G . in der hier vorgeschlagenen Weise ausdehnt und v o r allen D inge n auch versucht, den Täterkreis insow e it zu erweitern, als m an die Angestellten auch noch zu einer Z e it erfaßt, .in der sie nicht mehr im Angestelltenverhältnis stehen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D ie S chw ierig­ keit bei dieser M a te rie lie g t weniger in der Konzeption als in der F o rm u lie ru n g der Rechtssätze.

D er einzige Vorschlag, der formuliert worden ist, lautet: Wer aus Eigennutz und wissentlich zum Schaden der deutschen Volkswirtschaft ein deutsches Be­ triebsgeheimnis in den Bereich des Auslandes bringt, w i r d ___ bestraft. n der Verwendung der W orte: »in den Bereich des uslandes« liegt eine Einschränkung. D as ist beson­ ders deutlich geworden durch den Kommentar, den Herr Professor D r. Kohlrausch selbst hierzu gegeben hat. Der engere Bereich des Wirtschaftsverrats wird an­ knüpfen an den Begriff des Geheimhaltens von Gegen­ ständen, Druckschriften usw. Dieser Tatbestand wird sich etwa in dem Rahmen halten, wie ihn Herr P ro ­ fessor D r. Kohlrausch abgegrenzt hat. (Senatspräsident Professor D r. Klee: llber die Beziehungen zum Landesverrat oder über den Verkauf einer Erfindung an das Ausland soll nicht gesprochen werden?) — Doch, natürlich! Die Beziehungen, die zum Landes­ verrat bestehen, können wir gar nicht aus der D is­ kussion ausschalten. Die Frage ist nur: Inwieweit brauchen wir eine Erweiterung der Vorschriften über den Landesverrat? Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Was zunächst die Abgrenzung von Landesverrat betrifft, so waren die beidm Herren Referenten sich darüber einig, daß die gegenwärtige Rechtsprechung den Verkauf einer Erfindung an das Ausland, ohne daß die Erfindung vorher den deutschen zuständigen Behörden angeboten ist, schon als V errat eines Staatsgeheimnisses be­ trachtet. Ich weiß nicht, in welchem Umfang das richtig ist. Nach meiner Ansicht ist Staatsgeheimnis niemals ein Geheimnis, das zunächst nur ein einzelner, nämlich der Erfinder, kennt. Ein Staatsgeheimnis liegt vielmehr nur vor, wenn die zuständigen deutschen Be­ hörden irgendwie mit dem Gegenstand befaßt worden sind. D as Geheimnis einer Erfindung, das noch in der Brust des Erfinders ruht, ist noch kein Staatsgeheim­ nis. Es scheint allerdings so, als ob die Definition des Staatsgeheimnisses in § 88 R S tG B . in der Fassung der Novelle vom 24. April 1934 auch ein reines Privatgeheimnis umfaßt, wenn seine Geheimhaltung vor einer ausländischen Regierung für das Wohl des Reichs, insbesondere im Interesse der Landesvertei­ digung, erforderlich ist. Die Rechtsprechung könnte aber den Begriff enger fassen und es für erforderlich halten, daß eine deutsche Behörde ihr Interesse an dem Geheimnis kundgetan haben muß. Es ist früher immer die Frage erörtert worden, ob der V errat von Waffen­ lagern, die nach dem Versailler Diktat verboten sind, an das Ausland nur dann V errat eines Staatsgeheim­ nisses ist, wenn die Regierung von dem Vorhandensein des Waffenlagers Kenntnis hat und es trotzdem duldet. Es bedarf meines Erachtens zunächst einmal der Klärung, ob der Begriff des Staatsgeheimnisses es er­ fordert, daß die Behörde Kenntnis von der geheimzu­ haltenden Tatsache hat. Wenn das der Fall ist, dann halte ich es für unbedingt erforderlich, daß ein be­ sonderer Strafschutz gegeben wird gegenüber dem­ jenigen, der eine Erfindung macht, die im Interesse der Landesverteidigung geheim zu halten ist, und diese Er­ findung dem Ausland preisgibt. Die preußische Denk­

schrift hebt hervor, daß der Reichskanzler nach dem Patentgesetz schon jetzt eine angemeldete Erfindung für die Zwecke der Landesverteidigung in Anspruch nehmen kann. Es ist aber keine Bestimmung im Gesetz vor­ handen, die den Erfinder verpflichtet, seine Erfindung zuerst der deutschen Behörde anzubieten. Nun ist ausgeführt worden, daß eine derartige Be­ stimmung aus praktischen Gründen nicht möglich sei. M an könne nicht bestimmen, daß jemand, Ser eine Erfindung macht, die im Interesse der Landesverteidiung geheimzuhalten ist, diese zunächst einmal der eutschen Behörde anbieten müsse, und zwar deshalb nicht, weil schließlich jede Erfindung einmal für die Landesverteidigung wichtig werden könne. Es ist nicht zu verkennen, daß dieses praktische Bedenken einiger­ maßen schwer toiegt. Aber es gibt andererseits auch Erfindungen, die die Interessen der Landesverteidigung unmittelbar berühren. Die Bedenken können uns nicht davon abhalten, den V errat von solchen unmittelbar und ganz offen­ sichtlich für die Landesverteidigung in Frage kommen­ den Erfindungen unter Strafe zu stellen. Wenn jemand eine neue Pulverzusammensetzung erfunden hat oder einen neuen Verschluß für eine Artilleriewaffe, dann muß er diese Erfindung, wenn er sie überhaupt ver­ werten will, zunächst der deutschen Behörde anbieten. Es darf ihm nicht gestattet sein, diese für die Landes­ verteidigung vielleicht äußerst wichtige Erfindung ohne weiteres dem Ausland anzubieten. Ich glaube daher, die preußische Denkschrift trifft doch das Richtige, wenn sie auf Seite 29 eine solche Vorschrift, über deren nähere Formulierung noch zu sprechen wäre, vorschlägt. D as, was ich sage, steht allerdings unter der Vor­ aussetzung, daß der Begriff des Staatsgeheimnisses so aufzufassen ist, wie ich ihn auffassen möchte, daß nämlich von einem Staatsgeheimnis nur dann die Rede sein kann, wenn die Behörde selber von diesem Ge­ heimnis weiß. Selbst wenn aber der Begriff des Staatsgeheimnisses Erfindungen, die noch niemand außer dem Erfinder kennt, umfassen sollte, so wäre doch zu überlegen, ob die Preisgabe solcher Erfindungen an das Ausland nicht aus generalpräventiven Gründen als schwer strafbarer Landesverrat besonders hervorgehoben werden sollte. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Frage, wie es mit Erfindungen werden soll, die für die Landesverteidi­ gung wichtig sind, würde später zu behandeln sein. Ich wäre dankbar, wenn wir uns jetzt in diese wichtige Frage nicht vertiefen wollten. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Ich würde dem Vorschlag, qualifizierte Tatbestände für den Fall der schweren Schädigung der deutschen Volkswirtschaft an gewisse Tatbestände anzuhängen, zustimmen, also das Modell von § 266 zu verwerten und auszubauen. Ich halte das für glücklich. Ich möchte darauf Hinweisen, daß wir es im Allgemeinen Teil schon vorgesehen haben. § 72a Abs. 2 lautet: Ein besonders schwerer Fall ist namentlich dann anzunehmen, wenn die T at das Wohl des Volkes schwer geschädigt oder gefährdet hat und der Täter hiermit gerechnet hat oder rechnen mußte. Wenn wir uns die einzelnen Tatbestände daraufhin an­ sehen, werden wir vorwärts kommen. Der llber-

legung, ob w ir einen Gesamttatbestand brauchen, sind w ir d a m it aber nicht enthoben. W ir können unmöglich alle Tatbestände, bei deren V erw irklichu ng eine Schädi­ gung der deutschen V olksw irtschaft denkbar wäre, m it einem solchen Annex versehen. D enn denkbar ist solches natürlich nicht n u r bei der Untreue, auch beim B e tru g , bei den Konkursdelikten, bei Unterschlagung (z. B . von S taatsgeldern), bei der Unterschlagung von B a n k ­ geldern usw. Ic h stimme also dem Gedanken durchaus zu, glaube aber nicht, daß uns das der Überlegung ent­ hebt, nach einem allgemeinen Tatbestand zu suchen. V o rlä u fig aber möchte ich über den von m ir vorge­ schlagenen, auf wirtschaftlichen B e trie b s v e rra t be­ schränkten Tatbestand nicht hinausgehen. Professor D r . N a g le r (B re s la u ): W i r werden uns bei den Vermögensverbrechen darüber klar werden müssen, welche A ngriffsobjekte schützwürdig sind und welche Angriffsobjekte geschützt werden müssen. B is jetzt haben w ir k ra ft einer liberalistisch-individualistischen Betrachtungsweise fast ausnahm slos n u r das Einzelvermögen gegen rechtswidrige A n g riffe geschützt. D a s große P ro b le m , das uns bei den V e r­ mögensverbrechen beschäftigen muß, ru h t an der E n t­ scheidung, w iew eit w ir die nationale W irtscha ft als solche zum Gegenstand von Vermögensverbrechen er­ heben müssen. H ie r betreten w i r Neuland. D ie großen Schwierigkeiten, die hier auftauchen, h a t der Kollege Kohlrausch schon angedeutet,' m it diesen Schwierigkeiten werden w i r uns noch ex professo auseinandersetzen müssen. W i r befinden uns im Ü bergang vom bishe ri­ gen liberalistischen Wirtschaftssystem in ein neues ge­ bundenes Wirtschaftssystem/ w ir haben alle K o m p li­ kationen dieses Überganges v o r uns. D a ru m werden w ir die Frage, in welchem U m fang die nationale W i r t ­ schaft als solche schutzbedürftig ist, später noch einm al durchdiskutieren müssen. Ic h bin durchaus der Ü ber­ zeugung, daß w ir im wesentlichen subsidiäre Tatbestände schaffen werden, daß w ir dagegen A n g riffe gegen das In d iv id u a lv e rm ö g e n , soweit sie gleichzeitig eine A u s ­ w irk u n g au f die nationale W irtscha ft haben, in der F o rm erledigen können, daß w ir sie als q u a lifiz ie rt be­ handeln. Aber ich glaube, auch dann w ird noch ein un­ gelöster Rest verbleiben, und insow eit werden w ir der veränderten S itu a tio n , der veränderten W irtscha ftsauf­ fassung v o ll Rechnung tragen — w ir sind ja in die ge­ bundene W irtsch a ft gekommen — und die nationale W irtscha ft als solche selbständig unter den Strafschutz stellen müssen. I m Augenblick ist das P ro b le m noch nicht ganz zu übersehen. E n d g ü ltig erledigen können w ir diese Frage erst nach Abschluß der Verm ögensver­ brechen. Jedenfalls w ürde sich daraus ergeben, daß w ir in diesen Abschnitt (A n g riffe gegen den S ta a t) die A n ­ griffe gegen die nationale W irtscha ft als solche nicht aufzunehmen hätten. W a s die A n g riffe gegen die wirtschaftliche W e h r­ bereitschaft an la ngt, so bin ich der M e in u n g , w ir soll­ ten zunächst auch einm al hier den W eg der S onder­ bestimmung betreten und die besonderen Bedürfnisse, welche sich ergeben, zunächst einm al durch Spezial-' bestimmungen zu lösen versuchen. Auch bezüglich des Schutzes des Betriebsgeheimnisses kann ich dem Kollegen Kohlrausch n u r beipflichten, daß w ir in dem großen Abschnitt über den G eheim nisverrat

die Betriebsgeheimnisse in den V o rd e rg ru n d stellen und deren Strafschutz wesentlich erw eitern "müssen. Dieses Them a ist auch auf einer T a gun g der Deutschen S t r a f ­ rechtlichen Gesellschaft einm al eingehend behandelt w o r­ den,' dabei h a t Lobe sich im gleichen S in n e ausge­ sprochen. D e r B e g riff des Betriebsgeheimnisses w ird allerdings noch einer Umschreibung bedürfen. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D e r H inw eis da rauf, daß es bei den wirtschaftlichen Delikten nicht bloß den A n g r iff gegen die W irtschaftssphäre des ein­ zelnen, sondern auch gegen die Wirtschaftssphäre der N a tio n gibt, ist durchaus am Platze. A us diesem Ge­ danken heraus ist ja das Gesetz gegen den V olksverrat entstanden. D o r t steht nicht die Bereicherungsabsicht im V o rd e rg ru n d , sondern das eigentliche M o tiv ist die S tö ru n g der Gleichgewichtslage der Devisen, die zu überwachen Aufgabe der Reichsbank ist. D a s bestärkt mich erst recht in dem Gedanken, den w ir schon im A l l ­ gemeinen T e il niedergelegt haben, daß ein allgemeiner S trafschärfungsg run d im m er dann gegeben ist, wenn das W o h l des Volkes besonders geschädigt ist. Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): W enn jemand eine V erleum dung gegen eine im Wirtschaftsleben fü h ­ rende Person, etwa den Reichswirtschaftsm inister oder den G eneraldirektor eines großen Unternehmens aus­ spricht, so kann das die schwersten allgemeinen w i r t ­ schaftlichen Folgen haben. W i r kommen also nicht da­ m it aus, den § 7 2 a den Vermögensdelikten anzuhängen. Ic h möchte deshalb zur E rw ä g u n g stellen, fü r diese Fälle, in denen die T a t das W o h l des Volkes schwer geschädigt und gefährdet hat und der T ä te r dam it ge­ rechnet hat oder rechnen mußte, eine allgemeine S t r a f ­ schärfung im Allgemeinen T e il vorzusehen, ohne da ra u f zu verweisen, daß im Besonderen T e il besonders schwere F älle unter besondere S tra fe gestellt sind. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D urch diese W en­ dung w ird die Frage zur methodologischen, zur tech­ nischen Frage. W enn w ir dazu kommen, zu erklären, daß die Tatbestände, bei denen eine Schädigung der V olksw irtscha ft möglich ist, ganz unübersehbar sind und nicht n u r ein paar typische Fälle wie Untreue, B e tru g , Unterschlagung, dann ist na türlich der W eg gewiesen, das als allgemeinen S trafschärfungsgrund auszu­ sprechen. Professor D r . Mezger (M ünchen): W enn ich H e rrn Kollegen Kohlrausch recht verstanden habe, so ist die Sachlage die, daß der Komplex der §§ 17 ff. des Ge­ setzes über den unlauteren W ettbewerb ausgedehnt w e r­ den soll, dagegen aber der W iderstand der Angestellten­ verbände zu befürchten ist. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: D as gleich richtiggestellt werden.)

kann

Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): D e r Widerstand der Angestelltenverbände bezieht sich auch darauf, aber nicht so stark. E r bezieht sich in erster Linie au f die Ausdehnung der Geheimnispflicht über die Z e it des A ngestelltenverhältniffes hinaus. D ie Angestelltenverbände erklären, es könne jemand überhaupt nicht mehr eine neue S telle antreten, wenn er nicht das, w as er in der alten S telle gelernt hat, in der neuen verwerten dürfe. Professor D r . Mezger (M ünchen): D e r E ventual­ vorschlag au f S eite 5 ist m ir nicht sehr sympathisch. 3*

Meine Frage ging dahin: ergibt sich nicht schon aus dem Gesetz über die nationale Arbeit eine andere S tel­ lung zu § 17 des UWG? Es ist jetzt nicht mehr notwendig, daß Führer und Unternehmer die gleichen Personen sind. § 17 des U W G . richtet sich dam it überhaupt nicht mehr so ein­ seitig wie früher nur gegen Angestellte usw. Es wird eine Bestimmung Aufnahme finden müssen, die auch den Führer oder Unternehmer eines Wirtschaftszweiges in Beziehung auf Geheimnisverrat trifft. Korvettenkapitän Schniewind: Ich bin nicht ganz umfassend im Bilde, ob wirklich durch das Gesetz vom Jahre 1933 über Rohstoffe und fremde Fabrikate tat­ sächlich alles, was bei wirtschaftlicher Mobilmachung, wenn man diesen Komplex so bezeichnen soll, in Frage kommt, erfaßt ist. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich mochte die Diskussion nicht aufhalten durch die Frage, wie es mit dem Erfinderschutz steht. D ie primitivste Vorstellung einer Verbindung von Erfinderschutz und Landesver­ teidigung ist die, daß man die Erfindungen, die gemacht werden und die fü r die Landesverteidigung eine gewisse Bedeutung haben, einer Zentralstelle vorlegt, die dann darüber befindet, ob sie fü r die Landesverteidigung von Bedeutung sind oder nicht. Dadurch würde eine V o r­ aussetzung geschaffen, die später die Feststellung des subjektiven Tatbestandes erleichtert. Wenn dem Erfinder gesagt w ird : das darfst du nicht ins Ausland schaffen, weil es fü r unsere eigene Landesverteidigung wichtig ist, wäre die Frage des subjektiven Tatbestandes er­ ledigt. Diese Vorstellung scheint m ir aber zu p rim itiv zu sein aus folgendem Grunde — und da wäre ich für Meinungsäußerungen sehr dankbar: es gibt doch eine ganze Reihe von Erfindungen, die zunächst m it der Landesverteidigung gar nichts zu tun haben. Beispiel: die Frage, ob man einen Dieselmotor konstruieren kann, der vielleicht 10OO, 2 000 oder 3 000 Umdrehungen macht, hat zunächst m it der Landesverteidigung nichts zu tun. D a fü r w ird sich der Flugzeugkonstrukteur und vielleicht eine ganze Reihe von Industrien interessieren. Run aber wissen w ir doch aus dem Munde sehr be­ rufener Leute, daß die Frage, ob ein ungedeckter Kreu­ zer 10 Seemeilen mehr oder weniger laufen kann, für die Entscheidung einer Seeschlacht ausschlaggebend sein kann. W ir haben doch diese Diskussion noch im Ge­ dächtnis, ob man eine Flotte auf Schwere oder auf Ge­ schwindigkeit aufbauen soll, und deswegen w ird die Erfindung des neuen Dieselmotors vielleicht ih r wich tigstes Anwendungsgebiet bei den Maschinen von T o r­ pedobooten haben. Insofern sieht man einer Erfindung auf den ersten Blick gar nicht an, ob sie fü r die Landes­ verteidigung wichtig ist oder nicht. Deshalb habe ich das Gefühl, daß die Konstruktion, man müsse alle E r­ findungen, die gemacht werden, prüfen lassen, um sozu­ sagen später fü r den subjektiven Tatbestand des Verrats einen festen Boden zu haben, praktisch unmöglich ist. Professor D r. Kohlrausch (B e rlin ): Was den Fall des Dieselmotors betrifft, so halte ich ihn fü r straf­ w ürdig. Wer heute etwas erfindet, was zu einer erheb­ lichen Verbesserung der Flottentechnik beiträgt, muß wissen, daß das fü r die Landesverteidigung von Be­ deutung ist, und wenn er ferner weiß, daß das Aus­ land die Erfindung nicht kennt oder kannte, so weiß er

etwas, dessen Geheimhaltung fü r das W ohl des Reiches erforderlich ist, und damit ist dieses von ihm selbst produzierte Wissen ein Staatsgeheimnis. Ich glaube, daß ein solcher Erfinder ohne weiteres zu bestrafen ist. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ein S ta a ts­ geheimnis liegt nicht nur dann vor, wenn die Z entral­ stelle darum weiß, sondern ein Staatsgeheimnis kann sich aus sich selbst ergeben. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): Deshalb wollte ich damals den Oberbegriff des Geheimnisses so weit wie möglich fassen und m it dem B e g riff »Tatsachen« durch­ kommen. (M in iste ria lra t D r . Schäfer: Deswegen haben w ir »Tatsachen« hineingeschrieben, um sogar die E r­ findungen zu treffen, die noch nicht zu Papier gebracht sind und die der Erfinder n u r in seinem Kopfe hat.) Selbstverständlich, w ir würden aber m it der jetzigen D efinition in die größten Schwierigkeiten kommen. (Widerspruch.) W ir hätten, keinen genauen Tatbestand, um den Be­ treffenden zu bestrafen. W ir würden allerdings dahin gedrängt werden, das Erfindergeheimnis unter beson­ deren Schutz zu stellen. Ich habe das Gefühl: je mehr Paragraphen und Tatbestände man auf diesem Ge­ biete schafft, desto mehr engt man den Schutz ein, weil gerade auf diesem Gebiet viel zwischen die Paragraphen fällt. Wenn sich in meinem Kopfe eine bestimmte Kom bination technischer Ideen gebildet hat, die ver­ wertbar ist, so weiß ich nicht, wie dieses mein Wissen, welches nur ich habe, unter den Oberbegriff des Ge­ heimnisses fallen soll, den w ir dem Geheimnis gegeben haben. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D ie Schwierigkeit liegt hier mehr auf tatsächlichem als auf rechtlichem Gebiete. Ich kann m ir kaum eine Erfindung denken, die nicht vom Standpunkt der Landesverteidigung aus wichtig wäre. D a braucht man gar nicht an die Nächst­ liegenden Dinge zu denken. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): D e r subjektive Tatbestand muß auch noch da sein. Erstens muß der Täter wissen, daß Geheimhaltung erforderlich ist, und zweitens muß er den Vorsatz haben, das W ohl des Reichs zu gefährden. Das ist beim Dieselmotor wohl leichter festzustellen als etwa beim Lederputzmittel. (Reichsjustizminister D r . G ürtner: D a r f ich dann Ih re M einung dahin verstehen, H err Professor, daß Sie die prim itive Idee der Zentralstelle, die gewissermaßen die Erfindungen p rü ft und legi­ tim ie rt, nicht vertreten wollen?) Ich möchte nicht einen Anbietungszwang vertreten. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Jetzt ist es doch auch so, daß alle Erfindungen auf wehrtechnischem Ge­ biete dem Reichswehrministerium zugänglich gemacht werden, das sich dann irgendwie dazu äußert. Die Fälle wären juristisch sehr einfach. D ie Schwie­ rigkeit ist nur die Frage: soll der Erfinder gezwungen sein, anzubieten, und wenn er das nicht tut, soll das schon strafbar sein? — das wäre die Folge — oder soll die S trafbarkeit des Erfinders aus -unserer Regelung

des S taatsgeheim nisverrats geschöpft werden? D a­ gegen hat H e rr Professor Kohlrausch gewisse Bedenken, w e il er m eint, die wichtigsten Fälle w ürden gar nicht darunter fallen. Also der E rfin d e r eines neuen S pre ng­ stoffs bietet seine E rfin d u n g in a lle r Regel dem Reichs­ w ehrm inisterium an. Dieses kann verschieden d a ra u f reagieren. Entweder es erk lä rt, es habe kein Interesse d a ra n / zweite M öglichkeit: das R eichswehrm inisterium erklä rt, die E rfind ung dürfe im A usland nicht an­ geboten werden. D r itte M öglichkeit: das Reichswehr­ m inisterium sagt: du kannst die E rfin d u n g im Auslande verwerten. Professor D r . Kohlrausch ( B e r lin ) : Ic h würde diese kriminalistische K larstellung nicht ohne weiteres zugeben. Ic h bin der M e in ung , daß er d a m it natürlich in weitem Umfange gedeckt ist. Es könnte sein, daß er dem Reichswehrm inisterium D in g e , die er noch weiß, ver­ schwiegen ha t und daß das Reichsw ehrm inisterium in ­ folgedessen die Anbietung an das A usland erlaubte. W ir müssen bei dem m ateriellen B e g riff des V e rra ts von Staatsgeheimnissen bleiben. D ie Genehmigung durch die P rüfungsstelle im Reichswehrm inisterium ist na türlich fü r ih n eine starke Deckung, aber keine restlose Deckung, weder nach der einen noch nach der anderen S eite. Professor D r . Mezger (M ünchen): D ie Frage, ob eine b e s o n d e r e Bestim m ung im Zusammenhang m it dem W irts c h a fts v e rra t notw endig ist, scheint m ir wesentlich von der Frage abhängig zu sein, w as künftig unter »Staatsgeheimnis« zu verstehen ist. Ic h muß gestehen: ich bin in dieser dogmatischen V o rfra g e ande­ re r Auffassung als H e rr Senatspräsident Klee. Ic h bin der M e in u n g , daß. eine Tatsache auch dann hierher zählen kann, wenn sie noch nicht den Behörden bekannt­ geworden ist. M a n nehme etwa folgendes Beispiel: Eine F a brik hat einen A u ftra g bekommen/ ein A rbe iter v e rrä t die A r t und Weise der D u r c h f ü h r u n g dieses A uftrages, bevor d i e s e noch zur K enntnis der Staatsbehörde gekommen ist. Ic h würde hier ohne alles Bedenken ein »S taatsgeheim nis« annehmen. W enn m an die V o rfra g e 's o , also in einem anderen S in n e als H e rr Senatspräsident Klee, entscheidet, dann ist ein dringendes B e d ü rfn is zu einer S o n d e r bestimmung meines Erachtens nicht vorhanden, namentlich wenn etwa die §§ 17 jf. U W G . noch nach der Unternehmerseite hin eine Ausdehnung erfahren. Gegen den form alen A nbietungszwang hätte ich im Interesse der W irtscha ft die allergrößten Bedenken. D a s gibt Verzögerungen und B ü ro k ra tifie ru n g e n der W irtscha ft, die ich m ir nicht als förderlich fü r das Ganze der deutschen V olksw irtscha ft vorstellen kann. W ie w ir uns frü h e r m it Recht gegen justizförmliche V e rw a ltu n g gewandt haben, so sehr ist doch auch zu w arnen v o r einer justizförmlichen und straftrechtlichen Regelung von D ingen der W irtsch a ft, die im Flusse sind und bei denen es sehr o ft a u f schnelle und nicht au f bürokratisierte Entscheidungen ankommt. M eine S te llu n g wäre demnach folgende: F ü r den B e g riff des Staatsgeheimnisses kommt es n i c h t auf die K enntnis einer Behörde an. Ic h glaube, es ist nach der vorgeschlagenen Fassung zweifellos, daß die K ennt­ n is der Behörde nicht erforderlich ist. D a n n können aber w irklich schwere Fälle der A r t , wie sie hier gefaßt werden sollen, m itgefaßt werden, und im übrigen

würde ich glauben, daß die Eventualvorschläge des H e rrn Kollegen Kohlrausch zurückgestellt werden soll­ ten. M a n g re ift d a m it in D in g e der W irtscha ft ein, die einen solchen E in g riff w ohl kaum ertragen. Nicht bloß im Interesse der In d iv id u a lw irts c h a ft, sondern v o r allem auch im Interesse der V olksw irtschaft muß dies vermieden werden. Vizepräsident G rau : Auch ich teile die Auffassung des H e rrn Senatspräsidenten Klee, daß Erfindungen, wenn sie sich noch im Kopfe des E rfin d e rs befinden, also noch ga r nicht schriftlich niedergelegt sind, nicht unter den B e g riff des Staatsgeheimnisses im S inne des Landesverrats fallen, durchaus nicht. Es ist doch zweifel­ los, daß eine E rfin d u n g , auch wenn sie sich der E rfind er n u r im eigenen K o p f klargemacht ha t, bereits eine T a t­ sache ist. W enn diese Tatsache eine so große Bedeutung ge w in nt und so w ichtig ist, daß eben ihre Geheimhaltung fü r das W o h l des Reichs erforderlich ist, dann ist sie ein S taatsgeheim nis. D a s entspricht ja auch dem geltenden Recht, und ich glaube, darüber ist in der L ite ra tu r gar kein Zw eifel. D a ra u s erg ib t sich, daß diese wichtigsten Fälle des E rfin d u n g sve rra ts auch auf m ilitärischem Gebiet vom Landesverrat bereits jetzt erfaßt werden. Es fra g t sich n u r, ob darüber hinaus noch ein B e­ d ü rfn is fü r einen Sondertatbestand besteht. D a möchte ich doch ebenfalls v o r einem Anbietungszwang warnen. D enn ein solcher Anbietungszwang legt der W irtschaft eine ganz unerträgliche Fessel an, zumal fü r den E r ­ finder — w o ra u f ja der H e rr Reichsminister vo rh in schon selbst hingewiesen hat — zunächst in den meisten Fällen g a r nicht klar ist, fü r welches Gebiet seine E r ­ findung von Bedeutung sein kann. Schließlich d a rf ich noch da ra u f hinweisen, daß ein gewisser Schutz auch noch d a rin liegt, daß, wenn der E rfin d e r die E rfin d u n g zum P a te n t angemeldet hat, das Reichsw ehrm inisterium bereits nach § 5 des Patentgesetzes eingreifen und die E rfin d u n g fü r sich in Anspruch nehmen kann. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a s ist geltendes Recht. D a r f ich, bevor ich das W o r t an H errn P r o ­ fessor N a g le r weitergebe, an das Reichswehrministerium die Frage richten: haben S ie denn ein Interesse an der E in fü h ru n g eines Anbietungszwanges in diesem weite­ sten Umfange? K orvettenkapitän Schniewind: S o w e it ich die Sache übersehe, könnte ich den Ausführungen des H errn Vize­ präsidenten G ra u zustimmen. Dieser allgemeine A n ­ bietungszwang w ürde w ohl zu W eiterungen in der allgemeinen W irtsch a ft führen. D e r allgemeine A n ­ bietungszwang w äre demnach unerwünscht. W enn die E rfin d u n g zum P a te n t angemeldet ist, kann ja das R eichsw ehrm inisterium die Hand d a ra u f legen. S o w e it ich bisher die M a te rie übersehen kann, w ürde das aus­ reichen. Professor D r . Ragler (B re sla u ): D ie Form alisie­ rungen, von welchen hier die Rede w a r, könnten n u r durch eine Spezialgesetzgebung erreicht werden, und da wäre der geeignete O r t natürlich das Erfindungsrecht. Ic h glaube aber, durch diese Form alisierungen würde der Strafschutz, wie w ir ih n jetzt gewähren wolle»», zum guten T e il eingeengt werden. N u n hat H e rr Professor Kohlrausch schon angedeutet: w i r sind bis-

her von dem m ateriellen Geheim nisbegriff des § 88 ausgegangen, haben den B e g riff also möglichst weit ausgedehnt. D ie Bedenken, die H e rr Senatspräsident Klee in der R ichtung hatte, bestehen daher jedenfalls nach der Auffassung, die ich bisher von unserem § 88 hatte, bestimmt nicht. Dieser Auffassung entspricht ja auch der neuen O rd nun g des Verhältnisses des ein­ zelnen zum S ta a t. D e r einzelne ist jetzt nicht mehr das freie Verfügungssubjekt wie frü h e r/ er kann nicht über seine E rfin d u n g und ähnliche W erte fre i verfügen, sondern er ist eingeordnet in den großen Volkskörper. E r ha t fich bei allem , was er tu t, zuerst einm al zu fragen: wie ist das V e rh ä ltn is m einer H andlung zu den Interessen der Volksgesamtheit? E r muß also dann, wenn er findet, daß es sich um D in g e handelt, die fü r die Landesverteidigung von Bedeutung ftitb, diese Besonderheit in seine Rechnung stellen. Wenn er es nicht tu t, fä llt er unter die Vorschriften gegen Landesverrat. Ic h würde also v o r irgendwelchen Form alisierungen w arnen. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): H e rr M in is te r, ich w ürde es fü r interessant und dankenswert halten, wenn die H erren des Reichsw ehrm inisterium s S te llu n g nähmen zu den positiven Vorschlägen, die von seiten der In d u s trie au f diesem Gebiete gemacht sind. Ich habe diese Vorschläge nicht zur Sprache gebracht, son­ dern n u r in einer allgemeinen Bem erkung gestreift. M a n ist der M e in u n g , daß das. alte Kriegsgerätegesetz nicht w iede rho lt werden sollte. Ic h glaube, darüber sind w o h l alle S tellen einig. A u f der anderen Seite h ä lt m an es fü r gefährlich, einen allgemeinen A n ­ bietungszwang einzuführen, w eil die T ra g w e ite einer E rfin d u n g unübersehbar sei, und besonders w eil, wenn Fahrlässigkeit un ter S tra fe gestellt w ürde, eine B ü ro ­ kratisierung, jedenfalls eine Verzögerung die Folge sein würde. Es w ird deshalb vorgeschlagen, in t § 1 des Spionagegesetzes — das würde also heute heißen: in unserem P ara g ra p h e n , der das S taatsgeheim nis defi­ n ie rt, und das w äre ja heute wesentlich — , die E rfin ­ dungen ausdrücklich aufzuführen, aber den V e rra t von E rfind unge n auf die Fälle zu beschränken, in denen es sich um E rfindungen au f dem Gebiete der Kriegsgeräte handelt, und dann hinzuzufügen: W a s als K riegsderät im S in n e dieser Bestim ­ m ung anzusehen tst, ist einer Liste zu entnehmen, die der Reichswehrminister von Z e it zu Z e it im Reichsgesetzblatt veröffentlicht. K orvettenkapitän Schniewind: D ie E rfindungen zu definieren und in einer Liste oder sonst irgendw ie zu­ sammenzufassen, halte ich praktisch nicht fü r möglich. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): D ie E rfin d u n ­ gen sollen nicht de finiert werden/ aber der Reichswehr­ m inister soll sagen, w as er als K riegsg erä t ansieht, wo­ m it er gleichzeitig sagen w ürde: auf diesem Gebiete ver­ lange ich G eheim haltung auch von E rfindungen, zum B eispiel — um etwa Harm loses zu nehmen — die Ge­ heim haltung eines Lederputzmittels. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a s halte ich fürv ö llig ausgeschlossen und unmöglich. D ie Frage­ stellung zw in g t ja dazu, fich nochmals dazu zu bekennen, daß w tr das P ro b le m des Geheim nisbegriffs n u r ma­ te rie ll lösen können.

M in is te ria lra t Dörken: Es w ird im m e r auf die I n ­ teressen ankommen und au f die Gefahren, die da m it verbunden sind. Ic h kann m ir sehr w ohl denken, daß das R eichsw ehrm inisterium die Genehmigung zur V e r­ breitung einer E rfin d u n g im Auslande nicht g ib t, dem E rfind er aber sagt: »Ich verbiete d ir die V erb reitun g im A usland aber nicht, du handelst auf eigene G efahr, wenn es so kommt, dann m ußt du die G efahr a u f dich nehmen«. D e r Reichswehrminister ist o ft ga r nicht in der Lage, im E inzelfall eine Entscheidung zu treffen. E r kann unter Umständen dem E rfin d e r sagen: » D u han­ delst au f eigene G efahr, wenn du die E rfin d u n g ins A usland bringst«. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h glaube, daß w ir in den Bereich des W irtsch a ftsve rra ts eine Bestim ­ mung, die irgendeine Aussage über Landesverrat ent­ hält, nicht aufnehmen sollten — das würde ich fü r das richtigste halten — und daß w ir m it den B estim m un­ gen über den Landesverrat auch auf diesem Gebiet zu­ recht kommen müssen. D a s wäre das eine. N u n kommt das zweite. Es ist v o rh in m it Recht d a ra u f hingewiesen worden, daß bei den W irtschaftsdelikten auch solche denkbar sind, die sich weniger gegen ein In d iv id u u m als gegen die gesamte V olksw irtschaft wenden. B e i­ spiel: das Volksverratsgesetz, die H interziehung von D e­ visen. W enn w ir d a fü r einen besonderen Tatbestand aufstellen wollen, dann w ürde er eine sehr allgemeine Fassung haben. Es w ird sich daher die Frage ergeben: soll das in das Allgemeine Strafgesetzbuch überhaupt hereinkommen, wenn ja, welche A rte n von D elikten kämen da in Betrachts Oder könnte man etwa ganz allgemein sprechen von Verletzungen der V orschriften auf dem Gebiete einer vom Reich geregelten P la n w ir t­ schaft? Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): S ie meinen d a m it, in diese allgemeine Blankettbestim mung sollen nicht diejenigen S tra fv o rs c h rifte n einbezogen werden, die an sich schon die Verletzung der V olksw irtschaft in einer bestimmten Weise u n te r S tra fe stellen, zum Beispiel Verletzung der Devisenvorschriften. W enn solches doch da runter kommen sollte, dann fürchte ich, daß die V o rsch rift einen S tra fra h m e n von 3 J U i Geldstrafe bis zur Todesstrafe umfassen müßte. D es­ halb wäre der richtige W eg der vom H e rrn M in is te r schon angedeutete: eine allgemeine S trafschärfungs­ bestimmung, die fü r alle D elikte anwendbar w äre fü r den F a ll, daß objektiv das W o h l der V olksw irtschaft geschädigt ist/ subjektiv würde ich Fahrlässigkeit fü r genügend halten, aber auch fü r erforderlich. V o n den drei Lösungen scheint m ir diese alles zu umfassen. Reichsjustizminister D r . G ürtner: W enn ich S ie recht verstanden habe, dann sind S ie dagegen, alle diese D e­ likte a u f einen Generalnenner zu bringen. Ic h muß in der T a t sagen, daß m ir das vo rlä u fig auch un lö sbar zu sein scheint, wenn w ir da nicht au f eine A r t P ro g ra m m ­ satz abkommen wollen. D elikte, die sich gegen die V olksw irtschaft als solche richten, A n g riffe au f die W ä h ru n g , Verletzung der B e­ stimmungen über die M ilch ve rte ilu n g , Devisengesetz­ gebung, Vorschriften über die Lagerung von Benzin, um ein anderes B eispiel zu nennen, können nicht auf einen Generalnenner gebracht werden. Solche S t r a f ­ vorschriften find in das jeweilige planwirtschaftliche Gesetz zu verweisen. D a m it w äre dieser T e il erledigt.

N u n kämen w ir zur Frage des W irtscha ftsverrats im S in n e des G e h e i m v e r r a t s , wobei ich bitte, im m er im Auge zu behalten, daß auch hier vom Landes­ v e rra t nicht gesprochen werden soll. D a ist der A u s­ gangspunkt der schon m ehrm als zitierte § 17 des Ge­ setzes über den unlauteren W ettbewerb und der V o r­ schlag Kohlrausch: W e r aus Eigennutz und wissentlich zum Schaden der deutschen V olksw irtschaft ein deutsches Betriebsgeheimnis in den Bereich des Auslandes b rin g t, w ird wegen W irtscha ftsverrats bestraft. D a s ist der echte und wirkliche V e rra t von Geheimnissen. Z u r Diskussion stünde v o r allem die F o rm u ng des subjektiven Tatbestandes, fü r den hier zwei V o ra u s ­ setzungen bestehen, die einengend sind, Eigennutz und wissentlich. Schließlich der Ausdruck »in den Bereich des Auslandes b rin g t« . H e rr Professor Kohlrausch hat schon angedeutet, w as er d a m it m eint. D a s wäre kein geographischer B e g riff, sondern ein D isp o sitio n s­ begriff. (Professor D r . Kohlrausch s B e rlin j: M a n könnte vielleicht sagen »in den Bereich der ausw ärtigen V olksw irtschaft bringt«*. — S enatspräsident P r o ­ fessor D r . Klee [93er lin ] : D a s ist in der preußischen Denkschrift au f S eite 75 auch gesagt!) — » I n den Bereich einer ausländischen Volksw irtschaft« ist hier die Fassung. D a s scheint m ir den Gedanken, wie S ie ihn v o rh in inte rpretierten, sehr nahe zu kommen. D a s erinnert mich an einen F a ll, den ich zurzeit beobachte. Eine große amerikanische P e tro le u m firm a u n terh ält in H am b urg eine A spha ltfabrik. S ie be­ schäftigt d o rt viele A rb e ite r. S ie hat Niederlassungen in P ra g , N om , Bukarest und anderen Plätzen. D a s ist ein F a ll, wo die ganze F irm a nicht bloß von auslän­ dischem K a p ita l betrieben w ird , sondern überhaupt aus­ ländisch ist. W enn nun ein B etriebsgeheim nis an diese Gesellschaft verraten würde, so w ürden S ie doch w ohl annehmen, daß das Geheimnis in den »Bereich des Auslandes« gelangt ist? Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): D a s käme auf die O rganisation des Unternehmens an. Vielfach sind die Unternehmungen so verschachtelt, daß man nicht dahinterkommen kann. Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a ru m möchte ich die W orte »in den Bereich einer ausländischen V olks­ wirtschaft« zur Diskussion stellen. W a s gemeint ist, scheint m ir ziemlich klar zu sein. Es sollen die Fälle ausgeschlossen werden, wo die inländische V o lk s w irt­ schaft selber so stark an der Ausnutzung des Geheim­ nisses beteiligt ist, daß man sagen kann: es entsteht kein Schaden, sondern eher ein Nutzen. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): Namentlich fü r den inländischen A rb e its m a rk t! Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, eine Belebung des A rbeitsm arktes in Z iffe rn auszudrücken und in die Gesamtbilanz der V olksw irtschaft einzustellen. Reichsjustizminister D r . Gürtner: B e v o r ich den A rtik e l 17 des Gesetzes über den unlauteren W ettbewerb speziell zur Diskussion stelle, wäre es doch erwünscht, wenn die Herren sich zu diesem äußerstenfalls gemachten Vorschlage überhaupt äußern würden. D e r Gedanke an sich ist bestechend, und wenn sich irgendeine gesetz­ geberische F o rm finden läß t, sollten w ir d a ra u f nicht verzichten. »W er aus Eigennutz oder wissentlich zum

Schaden der deutschen V olksw irtschaft usw.«, — das muß er gewußt haben — (Professor D r . Kohlrausch: D a s Wissen muß sich au f den Schaden der deutschen V olksw irtschaft beziehen!) — »ein deutsches Betriebsgeheimnis in den Bereich des Auslandes b rin g t, w ird wegen W irtscha ftsverrat be­ straft.« S in d die H erren P ra ktike r der M einung, daß w ir m it diesem Tatbestände ungefähr durchsteuern könnten? Vizepräsident Grau: Ic h w ollte n u r bezüglich dieses Tatbestandes betonen, daß auch seine wichtigsten Fälle un ter den Landesverrat fallen. D ie w ic h tig e n Betriebsgeheimnisse sind eben Staatsgeheimnisse im S in n e des Landesverrats. W e ite rh in ist der wichtigste A nw endungsfall auch hier wieder der E rfin d u n g sve rra t/ denn die wichtigsten Betriebsgeheimnisse sind eben E r ­ findungen. Gegen die Einbeziehung des Unternehmers bestehen insoweit die schwerwiegendsten Bedenken, als jeder Unternehmungsgeist getötet w ird , wenn der Unternehm er G efahr laufen muß, bestraft zu werden, wenn er sein Betriebsgeheim nis aus irgendwelchen G ründen ans A usland verkauft. Diese Einengung des Unternehmergeistes besteht meiner Ansicht nach auch dann, wenn im Gesetz Eigennutz und Wissentlichkeit er­ fo rd e rt werden/ denn es ist einfach nicht vorauszusehen, ob, wenn ein Betriebsgeheim nis, besonders eine E r fin ­ dung, ans A usland gegeben w ird , das zum Schaden oder zum Nutzen der deutschen V olksw irtschaft ausschlagen w ird . Reichsjustizminister D r . Gürtner: D a s scheint m ir gerade die B a rrie re zu sein, fü r die H e rr Professor Kohlrausch plä d ie rt, daß er ve rla n g t: wissentlich zum Schaden der deutschen V olksw irtschaft. Vizepräsident Grau: D e r Unternehmer kann es eben nicht überschauen. Infolgedessen w ir d er sich durch diese V o rsch rift in einer Weise eingeengt fühlen, daß sein Unternehmungsgeist tatsächlich lahmgelegt w ird . Deshalb ha t m an sich auch in der Denkschrift seitens der In d u s trie gegen einen solchen Tatbestand gewendet. N un höre ich von H e rrn Professor K o h l­ rausch, daß der Verfasser der Denkschrift jetzt seinem Tatbestände zugestimmt ha t/ ich möchte aber glauben, daß dies sicher n u r m it erheblichen Bedenken geschehen ist. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): E r hat dem zugestimmt: W enn die Gerichte in der Lage sind, diesen S a ld o rich tig zu errechnen, was ihnen allerdings selten gelingen w ird / und außerdem den subjektiven T a t­ bestand m it größter Genauigkeit feststellen. Wenn hier aber eine irgendw ie persönlich animose Rechtsprechung einsetzt — und die kann leicht kommen, wenn es sich da um große B eträge handelt — , dann h a t er n a tü r­ lich Bedenken. D a s ist eine Frage des V ertrauens in die Justiz. D e r Tatbestand ist meiner M e in ung nach ungefährlich, wenn er richtig aufgefaßt w ird . Aber die G efahr, daß er falsch und einseitig aufgefaßt w ird , ist nicht von der H and zu weisen. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): D ie G efahr einer animosen Rechtsprechung lie g t schon des­ wegen nicht vor, w e il das M om ent der Wissentlichkeit eingefügt worden ist. I m übrigen glaube ich zw ar, daß die schwersten Fälle, an die hier gedacht ist, jetzt, nachdem w i r den B e g riff des Staatsgeheimnisses in dem o in n e geklärt haben, daß er sozusagen auch P r iv a t-

geheimnisse umfaßt, wohl unter die V erratspararaphen fallen würden. Aber beim Landesverrat steht och nach der allgemeinen P ra x is und den Erfahrungen der Schutz der Landesverteidigung, der Schutz soge­ nannter politischer und diplomatischer Geheimnisse im Vordergründe. D er Schutz wirtschaftlicher Geheimnisse ist kaum noch unter den Gesichtspunkt des Landes­ verrats gebracht worden/ ich weiß wenigstens keinen Fall aus der P ra x is. Deswegen scheint es m ir angezeigt, den Tatbestand einer A rt wirtschaftlichen Landesverrats, ohne das W o rt zu gebrauchen, nach dem Vorschlag des Herrn Professors Kohlrausch einzuführen, schon aus generalpräventiven Gründen. Es ist doch in der T a t der deut­ schen Volkswirtschaft schon schwerer Schaden insbeson­ dere dadurch zugefügt worden, daß chemische Geheim­ nisse verraten worden sind. Die Chemie ist die Stärke unserer deutschen Dolkwirtschaft. Es ist leider häufig vorgekommen, daß deutfche Angestellte sich im Ausland haben anstellen lassen und diese Geheimnisse dann an das A usland verraten haben. Schließlich darf ich noch zur systematischen Stellung ein W o rt sagen. Ich würde es nicht für richtig halten, die Bestimmung in einen besonderen Abschnitt über Geheim nisverrat zu stellen/ denn w ir haben uns ja schon eine Reihe von Geheimmsverratsfällen vor Augen geführt, bei denen im Vordergründe der Schutz eines individuellen privaten Geheimnisses steht. Hier aber steht nicht der Schutz der individuellen Volkswirtschaft des Betriebes im Vordergrund, sondern der Schutz der gesamten deutschen Volkswirtschaft. Deswegen würde ich es für richtig halten, die von mir befürwortete Bestimmung des H errn Professors Kohl­ rausch in einen Abschnitt über Angriffe auf die Volks­ wirtschaft oder die Volkskraft aufzunehmen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as betrifft die Frage, wohin diese Bestimmung gestellt werden soll, und darüber kann man sehr verschiedener Meinung sein. Eines ist absolut richtig, daß zum Beispiel der G eheim nisverrat des Rechtsanwalts und das, w as wir hier meinen, eigentlich n u r das W ort »Geheimnis« ge­ meinsam habm. W as w ir bisher unter »Geheimnis­ verrat« verstanden, das w ar eigentlich mehr der Schutz eines Individualrechts. M an w ird sagen können: Der V errat der deutschen Volkswirtschaft gehört, wenn ich jetzt auf das angegriffene Rechtsgut sehe, in die Nach­ barschaft der Verbrechen gegen die Volkskraft. M inisterialdirektor Schäfer: Wenn m an sich die Frage des Risikos eines solchen Tatbestandes vorlegt, so muß m an unterscheiden das Risiko für den Unter­ nehmer und das für den Angestellten. W as das Risiko für die Unternehmer betrifft, so möchte ich H errn P ro ­ fessor Kohlrausch darin zustimmen, daß in einem sub­ jektiv eingeschränkten Tatbestand letzten Endes der Unternehmer kein großes Risiko läuft. Aber drei Ge­ sichtspunkte bitte ich zu erwägen. Erstens: Eine G aran­ tie, daß die Rechtsprechung nicht auch einmal fehlgreift, kann m an nicht übernehmen/ es liegt auf der Hand, daß sie leicht einmal fehlgreifen kann. Zweitens: D ie Be­ stimmung wirkt lähmend auf den Unternehmergeist. D as D ritte ist die Gefahr des Überhandnehmend von Denunziationen und der dam it verbundenen Beunruhi­ gung des Wirtschaftslebens. D aru m möchte ich glauben, man sollte einen solchen Tatbestand nach der Unter­

nehmerseite gar nicht bilden/ denn einen Nutzen hat er bei der notwendigen subjektiven Einschränkung des T a t­ bestandes nicht, und die indirekten Schäden überwiegen. W as die Frage des Risikos für den Angestellten be­ trifft, so fällt dieser viel häufiger unter diesen T a t­ bestand, weil bei ihm ja nicht die erwähnte Schlußsaldo­ rechnung aufzumachen ist. D er Angestellte würde dam it auch für Handlungen in der Zeit nach dem Aus­ scheiden aus dem Dienst verantwortlich und strafbar werden. Ich möchte glailben, daß der Vorschlag nach dieser Richtung keine vollkommene Lösung bietet, und daß man die Lösung für den Angestellten richtiger im Rahmen des § 17 des Wettbewerbsgesetzes suchen sollte und nicht aus dem Wege einer solchen allgemeinen Be­ stimmung. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Den revidierten W ortlaut des § 17 habe ich schon zur Kenntnis gebracht. D a käme vor allem in Betracht der Satz, daß jemand bestraft wird, der ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, dessen Kenntnis er durch seine Anstellung oder durch eine M itteilung von einem Angestellten oder durch eine gegen das Gesetz oder die guten S itten verstoßmde Maßnahme erlangt hat, zum Zwecke des Wettbewerbs oder aus Eigennutz unbefugt verwertet oder an jeman­ den mitteilt. Professor D r. Kohlrausch (Berlin) : Herr Minister, ich habe nicht angenommen, daß w ir heute schon auf die Frage des § 17 UW G. so gründlich eingehen w ür­ den. Ich bin deshalb auf formulierte Vorschläge, wie sie hier vielfach gemacht worden sind, so genau nicht vorbereitet/ ich hatte geglaubt, daß dies einer beson­ deren Beratung vorbehalten bleibe. Aber ich bin un­ gefähr im Bilde. Es sind sehr interessante Formulie­ rungen gemacht worden. (Reichsjustizmimster D r. G ürtner: Aber das haben S ie nun schon zugegeben, daß das eine ganz andere Atmosphäre ist!) — Jaw ohl, das ist auch eine andere Atmosphäre als im UWG., und deshalb gehört es nicht dorchin, son­ dern an einen dritten O rt, und dies ist der des »Ge­ heimnisverrats« schlechthin. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren! Vielleicht könnten w ir darauf abkommen, das, was zum Begriff »W irtschaftsverrat« in das Allgemeine Strafrecht hineinkommen soll, nach dem derzeitigen S tan d der Überlegungen so zusammenzufassen: Erstens : Uber den Landesverrat soll, wie ich noch einmal wieder­ hole, nichts ausgesagt werden. Zweitens: D er W irt­ schaftsverrat soll sich an dieser Stelle nur in dem Be­ reich des Geheimnisverrats bewegen. D ie gemeinschäd­ liche Wirkung gewisser anderer Delikte auf die Volks­ wirtschaft soll an anderer Stelle behandelt werden. Beim Geheimnisverrat sollte die Unterkommission ein mal von der Fassung des Herrn Professors Kohlrausch ausgehen, wobei die Frage des in den Bereich des Aus­ landsbringens und die Frage der subjektiven T a t­ bestandsabgrenzung eigentlich im Mittelpunkt der E r­ örterungen stehen. Professor D r. Mezger (München): Wenn daran gedacht wird, das W ort »wissentlich« zu streichen, was ich meinerseits für unmöglich halte, dann sollten darüber doch zunächst wirkliche Sachverständige der

W irtscha ft gehört werden. Ic h habe das G efühl, daß eine Lähm ung wichtiger W irtschaftszweige eintreten könnte, wenn inan nicht klare und scharfe Einschrän­ kungen in subjektiver Beziehung macht. Jedenfalls kann darüber n u r jemand entscheiden, der in diesen D inge n besondere E rfa h ru n g besitzt. Ferner habe ich erhebliche Bedenken gegen den A u s ­ druck: »in den Bereich einer ausländischen V o lk s w irt­ schaft«. D a s sind doch re in merkantilistische V o r ­ stellungen, die man heute nicht von neuem in einem Gesetz beleben und betonen sollte. Reichsjustizminister D r . Güriner: Es ist nicht etwa ein Versehen, daß die V e rtre te r des Reichswirtschaftsm iniste rium s und der W irtsch a ft zur heutigen D is f uff ton nicht eingeladen worden sind. W ir haben m it voller Absicht davon Abstand genommen, w e il w ir es fü r wünschenswert hielten, die M a te rie zunächst vom strafrechtlichen Gesichtspunkt aus, also vom Gesichts­ punkt des strafrechtlichen Bedürfnisses, zu prüfen. Erst dann ist die Z e it gekommen, uns m it den V ertretern der W irts c h a ft auseinanderzusetzen. W ir werden da alle Einwände wieder hören, die auch heute schon a u f­ getaucht sind. Wenn ich dem W irts c h a fts fiih re r die Frage so stelle: S o ll der deutsche Unternehmer das Recht haben, ein deutsches Betriebsgeheim nis in den Bereich des Auslandes zu bringen, obwohl er nach A b ­ wägung alles F ü r und W id e r w e iß , daß das zum Schaden der gesamten deutschen V olksw irtschaft ausschlagen muß, so kann kein deutscher Unternehmer die Frage m it J a beantworten. D a ru m sehe ich in dem »wissentlich« einen sehr wichtigen P u n k t. Im übrigen dü rfte es lange E rörterungen darüber geben, was zum Nutzen oder zum Schaden der deutschen V olksw irtschaft ist. Solche Fragen kann man nicht im m er ganz einheitlich beantworten. Es g ib t im m er welche, die sagen, es wäre fü r die deutsche V o lks­ w irtschaft ein Schaden, wenn man garantierte Ge­ treidepreise festsetzte. Andere sehen d a rin die R ettung des Bauernstandes. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Beibehaltung des W orte s »wissentlich« erscheint m ir nicht ganz unbe­ denklich. Nehmen S ie E rfindungen, wie den Kaffee H ag, A s p irin oder N irosta,' wenn die deutsche W i r t ­ schaft die U m w an dlung solcher Erfindungen im In la n d abgelehnt und der E rfin d e r sie d a ra u fh in vo lle r E r­ kenntnis dessen, daß der deutschen W irtscha ft ein riesiges Gewinngeschäft entgehe, ins A usland verkauft hätte, sollte es dann strafbar sein? Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): Solche E in ­ wendungen liegen na türlich a u f der Hand. Aber wenn der E rfin d e r des Kaffee H ag oder des A s p irin usw. die E rfin d u n g an das A usland verkauft, so kommen Devisen herein, und zw ar in großen Mengen. D a s kommt dann auch der deutschen V olksw irtschaft zugute. N u n behaupten die Sachverständigen, hier liege der P u n k t, wo sich die D u rc h fü h ru n g als unmöglich er­ weisen werde. D enn niem als kann man eine Rechnung darüber aufstellen, w as der deutschen V olksw irtschaft an W erten zugeflossen w äre,' wenn die E rfin d u n g im In la n d verblieben und nicht ins A usland gegangen wäre. (Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: A ls P lu s bei der V erw e rtu n g im In la n d wäre zweifellos die vermehrte Arbeitsbeschaffung zugeflossen.) 36.

— Aber das kann man niem als fassen. Ic h stehe m it dem Herzen nicht hinter dieser Bestim m ung. Aber »wissentlich« ist jedenfalls eine conditio sine qua non. Professor D r . Mezger (München): Z u r P rü fu n g der Frage nach dem B e d ü rfn is w eiterer strafrechtlicher Bestimmungen w ürde es w e rtv o ll sein, wenn das V e r­ h ä ltn is de s'W irtsch aftsve rrats zum Landesverrat noch w eiterhin klargestellt würde, insbesondere in der Rich­ tung, w o rin das Wesen der Fälle beruht, die über den Landesverrat hinausgehen. D e r einzige Unterschied, den ich im Augenblick sehe, ist, daß zum Landesverrat die Geheimhaltung vor einer ausländischen Regierung gehört, die fü r das W o h l des Reichs erforderlich ist. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Aber I h r Wunsch geht nicht dahin, die Landesverteidigung im Tatbestand zu erwähnen. Professor D r . Mezger (München): S o w e it das Interesse der Landesverteidigung in Frage kommt, w ird alles schon restlos vom »Landesverrat« erfaßt. I n den Fällen der E rfind ung des Kaffee Hag usw. kann man allerdings nicht sagen, daß eine Geheim­ haltung v o r der R egierung geboten wäre. Anderseits handelt es sich aber hier um Fälle, in denen die A b ­ wägung von Schaden und Nutzen f ü r die V o lk s w irt­ schaft objektiv und subjektiv ein äußerst schwieriges U nterfangen ist. Reichsjustizminister D r . Gürtner: H ie r kann ich nicht ganz folgen. Gesetzt den F a ll, ein Chemiker er-, findet ein billiges Medikament, von dem er sich einen Massenabsatz verspricht. E r versucht das inländische K a p ita l d a fü r zu interessieren. Es gelingt ihm nicht,' er te ilt das Schicksal vieler E rfin d e r, daß man ihm nicht glaubt. W enn nun dieser M a n n versucht, schwei­ zerisches K a p ita l fü r seine E rfin d u n g zu interessieren, dann kann man nicht sagen, daß er wissentlich zum Schaden der deutschen V olksw irtschaft ein B etriebs­ geheimnis in s A usland gegeben habe. S o ll man von einem E rfind er, der im m e r der Gläubigste seiner E r ­ findung ist, verlangen, seine E rfin d u n g in ein K uvert zu stecken und einzugraben, w e il er kein inländisches K a p ita l zur G rü ndu ng einer Aktiengesellschaft au f­ treiben kann? Ic h glaube, w i r verlieren uns in A b ­ straktionen. W enn ein E rfin d e r im In la n d inländisches K a p ita l nicht zu engagieren verm ag und dann, w e il er an den großen W e rt seiner E rfind ung glaubt, eng­ lisches K a p ita l zu gewinnen versucht, dann kann m an unmöglich sagen, daß er wissentlich zum Schaden der deutschen V olksw irtschaft ein deutsches Betriebsgeheim­ nis in den Bereich des Auslandes gebracht habe. D a s halte ich einfach fü r ausgeschlossen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W a s heißt: »Z um Schaden der deutschen V olksw irtschaft«? D a s hat gar nichts m it Absicht und Zweck zu tu n , sondern ist n u r eine Frage des E rfolges, wie wenn es hieße: »Wer aus Eigennutz ein deutsches Betriebsgeheim nis in den B e­ reich des A usland s b rin g t und dadurch die deutsche V olksw irtschaft schädigt«. Denken S ie an den F a ll, daß ein S chriftsteller vergeblich ein Buch bei deutschen Verlegern unterzubringen versucht. D ie Verleger lehnen es ab. D e r S chriftsteller weiß, daß das Buch sicher einschlagen w ird ,' er sieht k la r voraus, daß die 5

deutsche V olksw irtschaft den Schaden davon haben w ird . D e r S chriftsteller handelt hie r vorsätzlich und aus Eigennutz, nämlich um G ew inn zu machen.

w a r dieses geraubte Stickstoffverfahren längst so über­ holt, daß die F a brik eigentlich vernichtet w a r, bevor sie zu arbeiten begonnen hatte.

Professor D r . Mezger (M ünchen): D a r f ich die Gegenfrage stellen: W enn Fälle wie die E rfin d u n g des Kaffee H ag nicht unter den neuen P a ra g ra p h e n fallen sollen, welches sind dann eigentlich noch'die Fälle, die über den Landesverratstatbestand hinausgehen? Und w enn es solche g ib t: soll man w irklich wegen dieser PaarF ä lle das große Risiko auf sich nehmen, das in einem solchen Tatbestand enthalten ist?

M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Beispiele, die ich gegeben habe, betreffen jedenfalls dann Betriebsgeheim­ nisse, wenn die E rfind ung — N irosta, A s p irin oder Kaffee H ag — in einer deutschen F a b rik verwertet w ird . D adurch w ird die E rfin d u n g zu einem B e­ triebsgeheimnis.

Professor D r . Kohlrausch (B e r lin ): W i r dehnen, glaube ich, den B e g riff »Betriebsgeheim nis« allzusehr aus. D a s Erfindergeheim nis ist kein Betriebsgeheim­ n is. Betriebsgeheim nis ist das Geheimnis eines deut­ schen Betriebs und nicht n u r eine Tatsache, die außer dem E rfin d e r noch niemand weiß und die einm al zum Gegenstand eines deutschen B etrie bs gemacht werden könnte. In s o fe rn passen die Beispiele nicht, die hier vorgebracht wurden. A u f die Frage des H e rrn Kollegen Mezger, inw ie­ w e it der neue Tatbestand überhaupt über den Landes­ verratstatbestand hinausgehe, möchte ich erw id ern : der Unterschied und die E rw e ite ru n g lie g t in der Gegen­ überstellung von Betriebsgeheim nis und S taatsgeheim ­ n is. D ie Bedenken des H e rrn Kollegen Mezger rühren daher, daß w ir im Landesverratstatbestand das W ohl des Reichs in den V o rd e rg ru n d gerückt haben. D a m it haben w ir aber, glaube 'ich, nicht die W irtschaftslage und die wirtschaftliche Gesamtbilanz des Deutschen Reichs gemeint. W äre das gemeint, so w ürde ich den B e g riff »das W o h l des Reichs« d o rt fü r zu weitgehend halten. D a m it w a r zweifellos gemeint die Sicherheit des Reichs einschließlich selbstverständlich der Umstände, die m itte lb a r diese S icherheit betreffen, nicht aber Faktoren, die die wirtschaftliche B ila n z des deutschen arbeitenden Volkes betreffen. In s o fe rn geht der neue Tatbestand über den Landesverrat hinaus. Noch ein D ritte s : Selbstverständlich werden auch die W irtschaftsbehörden sich dazu äußern müssen. Aber ich glaube allerdings, daß die W irtsch a ftsfü h re r hier das sachverständigere und deshalb maßgeblichere U rte il haben könnten. In s o fe rn stimme ich dem H errn Kollegen Mezger zu. Reichsjustizminister D r . G ürtner: Es ist sehr am Platze gewesen, d a ra u f hinzuweisen, daß es sich hier um Betriebsgeheimnisse handelt und nicht um Erfindungen, so daß das Beispiel, das ich gebraucht habe, hier aus­ scheidet. Aber es g ib t auch sehr schöne Beispiele fü r das Betriebsgeheim nis, z. B . die S tickstoffabrikation. D a ß man Stickstoff a u f vielerlei Weise fabrizieren kann, ist allen Chemikern, selbst den ABC-Schützen der Chemie, bekannt. M a n kann Wasser zerlegen, man kann den Stickstoff aus der L u ft destillieren. D a s ist kein Geheimnis. Aber fü r die praktische Herstellung des Stickstoffes ist es sehr w ichtig, welche Methode be­ nutzt w ird . Den H erren w ird der F a ll noch gut in E r­ innerung sein, daß die Franzosen seinerzeit aus Höchst ein V erfahren der S tickstoffabrikation geraubt hatten. S ie w o llte n sich in der S tickstoffabrikation vonDeutschland unabhängig machen, das dam als den W eltm a rkt beherrschte. Aber als die M a rs e ille r F a b rik fe rtig w ar,

Senatspräsident Professor D r . K l« (B e r lin ): F ü r den Landesverräter im S in n e des § 88 ist typisch, daß er sich m it der ausländischen R egierung entweder direkt oder durch V e rm ittlu n g eines Agenten in V erbindung setzt. Ich kenne wenigstens keine Landesverratsfälle, in denen er sich m it anderen S tellen in V erbindung gesetzt hätte. F ü r den W irtsch a ftsve rra t dagegen ist es typisch, daß sich der Betreffende in der Regel nicht m it der ausländischen R egierung — das kann auch einm al v o r­ kommen — , sondern m it der ausländischen W irtscha ft, m it ausländischen W irtsch a ftsfü h re rn , der auslän­ dischen F a b rika tio n usw. in V erbindung setzt. D es­ wegen glaube ich, daß ein B e d ü rfn is fü r eine solche Bestim m ung doch besteht, w e il eben § 88, abgesehen davon, daß E rfind ung und Betriebsgeheim nis ineinan­ der übergehen, fü r Falle, wie w ir sie im Auge haben, nicht ausreicht, v o r allem nicht beim V e rra t von Ge­ heimnissen, die die chemischen Betriebe betreffen. Ic h möchte m ir noch nachträglich den Vorschlag e r­ lauben, statt der W o rte »in den Bereich des A u s­ landes« oder etwa »in das A usland« zu sagen: »an das A usland«. D a m it w äre das geographische M o ­ ment ausgeschaltet, und das entscheidende Gewicht würde auf den Nutzen gelegt werden, den die auslän­ dische W irtscha ft aus dem V e rra t zieht auf Kosten unserer eigenen W irtscha ft. N u r das haben w ir ja im Auge. W enn w ir sagen: »in den Bereich der aus­ ländischen V olksw irtschaft«, könnte m an leicht an geo­ graphische Beziehungen denken, die nicht ausschlag­ gebend sein sollen. Professor D r . Mezger (München): Ic h muß der B e ­ hauptung entgegentreten, daß die chemische In d u s trie die einzige sei, die hier in Frage kommt. Auch auf ganz andern Gebieten, etwa a u f dem Gebiet der Wasser­ kra ftverw ertung, also des Turbinenbaus, der gerade fü r die Devisenbeschaffung außerordentlich bedeutsam ist, besteht eine ganz entsprechende Lage. E in auslän­ discher G ro ß a u ftra g au f dem Gebiete des T u rb in e n ­ baus kann der deutschen V olksw irtschaft unter Umständen große Bestände an Devisen zuführen. B e i diesen A uslandsaufträgen werden die Betriebsgeheimnisse schon beim B a u der einzelnen Maschinen eine große R olle spielen. Deshalb mein vorheriger Wunsch, daß w ir hier möglichst viele Industriezweige hören sollten. Ic h würde m ir auch von der A nhö rung amtlicher S tellen allein nicht genügende K lä ru n g versprechen, sondern eben erst von der A nhö rung maßgebender be­ te ilig te r W irtscha ftsfüh rer, Überspannte S trafbestim mungen hat schließlich die deutsche V olksw irtschaft selbst und nicht n u r der einzelne zu büßen. Professor D r . Nagler (B re s la u ): E in typisches B e i­ spiel fü r diesen Tatbestand ist die V erpflanzung der P forzheim er Schmuckindustrie in das A usland. D ie P forzheim er In d u s trie hatte ein W eltm onopol, sie

machte insbesondere Riesengeschäfte nach Nordamerika. Dann kamen die Nordamerikaner und engagierten eine Reihe von Werkmeistern, aber auch kleine Unter» nehmer mit außerordentlich hohen Bezügen nach Nord­ amerika, und diese brachten nun all unsere Betriebsgeheimnisse mit. I n Nordamerika wurde eine große Konkurrenzindustrie aufgebaut, welche nicht bloß das amerikanische Geschäft für die Pforzheimer zerstörte, sondern auch auf den andern Weltmärkten eine fühl­ bare Konkurrenz schuf. Ich habe selbst mit einem dieser Leute, die engagiert worden waren, eingehend ge­ sprochen. E r rühmte sich noch, was er persönlich für ein wunderbares Geschäft gemacht hätte/ er hatte gar kein Empfinden dafür, daß er ein ganz schmählicher w irt­ schaftlicher Überläufer war, der Deutschland in größtem Umfange geschädigt hatte. Ich bin also der Meinung, w ir sollten, wenn es irgend möglich ist, einen derartigen Tatbestand formulieren. Oberführer Binz: Ich möchte die Frage auswerfen, ob es nicht notwendig ist, auch eine Strafflcherung zum Schutze der Wirtschaftssubstanz an stch festzulegen. Es besteht doch immer noch die Gefahr, daß Unternehmun­ gen irgendwelcher Art durch Kauf oder in anderer Weise in ausländische Hände gespielt werden, vielleicht auch auf dem Umweg über Strohmänner. Natürlich wäre hier zu bedenken, daß auch die Gegenseitigkeit eine Rolle spielt. Aber trotzdem müßte man diese Frage ein­ mal diskutieren.

Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ihnen schwebt die Gefahr der Uberftemdung der deutschen Wirtschaft vor. Meine Herren, ich bitte Sie aber immer wieder, bei diesen Erwägungen nicht zu vergessen, daß es nicht bloß Ausländer in Deutschland, sondern auch Deutsche im Ausland gibt. D as ist die große Schwierigkeit, die uns bei jeder solchen Spezialregelung entgegentritt. W ir müssen an das Gegenseitigkeitsverhältnis denken. W ir wollen die Unterkommission beauftragen, in dem erörterten Rahmen einen Tatbestand des W irt­ schaftsverrats zu formulieren, im wesentlichen nach dem Rezept, das Herr Professor Kohlrausch vorgeschlagen hat. Danach käme dann erst eine Erörterung mit Männern der Wirtschaft. M an könnte sich ja auch vorstellen, daß der Wunsch nach einem solchen S traf­ gesetz sich nicht an Erfahrungen und Tatsachen knüpft, sondern an eine Forderung, an ein Postulat, wenn Sie wollen, an eine sittlich-natwnale Forderung. Ich glaube, w ir können diese Besprechung damit schließen, daß wir sagen, in der Strafrechtskommission sei die Stimmung dafür gewesen, eine Strafsatzung für den Wirtschaftsverrat aufzustellen. D as wollte ich als Schluß und als Ausblick gesagt haben. Ich möchte nur noch bemerken, daß spezielle Interessen des Reichswehrministeriums hier nicht an­ gemeldet sind. (Schluß der Sitzung 1 Uhr.)

Reichsdruckerei, Berlin.

Strafrechtskommission

37. Sitzung 5. Juni 1934 Inhalt Angriffe auf Dolksbestand und Bolksgesundheit Berichterstatter Vizepräsident G ra u .................................. Reichsjustizminister D r. G ä rtn e r.................................... 2. Berichterstatter Professor D r. Kohlrausch (Berlin) . . . Professor D r. Mezger (München)..................................... Professor D r. G raf Gleispach (B erlin)...........................

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(Aussprache abgebrochen)

Beginn der Sitzung 9 U hr 18 M inuten. D ie Kommission führte zunächst eine vertrauliche Aussprache über die Vorschläge der Preußischen Denk­ schrift zur Frage des strafrechtlichen Raffeschutzes. Sodann wurde der strafrechtliche Schutz der Bolksgesundheit erörtert. Berichterstatter Vizepräsident G rau: Ich habe über die Tatbestände zu referieren, die die Preußische Denk­ schrift unter dem Kapitel --Angriffe auf Volksbestand und Volksgesundheit« zusammenfaßt. Dieses Kapitel ist ein Unterkapitel zu dem zweiten Abschnitt der Denk­ schrift --Schutz von Raffe und Volkstum«. I n meinen schriftlichen Ausführungen hatte ich vorgeschlagen, diese beiden Kapitel unter der Überschrift --Schutz des Volkstums« zusammenzufassen, und w ar m ir dabei klar, daß abgesehen von dem Schutz der Raffe und dem Schutz des Volksbestandes und der Volksgesundheit unter diesen Abschnitt auch noch eine ganze Reihe anderer Tatbestände gehören. Es handelt sich zunächst um die Frage der Abgren­ zung: W as soll unter den Unterabschnitt, den die Denkschrift m it --Angriffe auf Dolksbestand und Dolksgesundheit« bezeichnet, alles fallen? Ich möchte m ir zunächst erlauben, diejenigen Tatbestände der P reu ß i­ schen Denkschrift herauszunehmen, die nach meiner Auffassung nicht in diesen Zusammenhang gehören. D ie Preußische Denkschrift beginnt m it dem Aus­ wanderungsbetrug. N e Herren erinnern sich, daß der Auswanderungsbetrug in dem Referentenentwurf in den Abschnitt »Angriffe gegen die Wehrmacht und gegen den Volksbestand« aufgenommen worden ist. Ob der Auswanderungsbetrug in diesen Abschnitt hineingehört, kann immerhin zweifelhaft sein, je nach­ dem man den Tatbestand bewertet. W enn jemand durch eine Betrugshandlung zur Auswanderung be­ stimmt worden w ar, so ist es klar, daß der Volks­ bestand dadurch als solcher vermindert wird. M an kann aber auch sagen: Dadurch, daß irgendein D eut­ scher, der arbeitskräftig und -fähig ist, durch eine Betrugshandlung zur Auswanderung veranlaßt worden 37

ist, wird die nationale Arbeitskraft gemindert, und das hat insofern etwas für sich, als der Auswanderungsdetrug in engem Zusammenhang m it dem Tatbestand steht, der die unerlaubte V erm ittlung von deutschen Arbeitern in das Ausland unter S trafe stellt. Aus diesem Gesichtspunkt neige ich dazu, den Auswande­ rungsbetrug in einem größeren Abschnitt »Schutz der nationalen Arbeitskraft« unterzubringen und nicht in diesem Abschnitt/ ich verkenne aber nicht, daß durchaus gute Gründe auch dafür sprechen könnten, ihn hier zu belassen. D ann sieht die Preußische Denkschrift einen Gesund­ heitsgefährdungstatbestand vor. D ie Kommission hat sich ja bereits dahin schlüssig gemacht, daß ein allge­ meiner Gesundheitsgefährdungstatbestand, wie er hier vorgesehen ist, nicht aufgestellt werden soll, es soll nur die Gesundheitsgefährdung von Kindern, Jugendlichen und Frauen durch Überanstrengung unter Strafe ge­ stellt werden, und zwar in dem Abschnitt über Körper­ verletzungen, so daß dieser Tatbestand hier ausscheiden muß. Ferner steht die Denkschrift einen Lebensgefähr­ dungstatbestand vor. Auch hier hat die Kommission sich schon entschieden, daß ein Lebensgefährdungstat­ bestand in den Abschnitt über Tötung einzureihen ist, und es fragt sich nur, ob der letzte Absatz dieses T a t­ bestandes der Denkschrift vielleicht hier bleiben könnte. Ich bin der Auffassung, daß dieser letzte Absatz, der vorsieht, daß derjenige bestraft w ird, der vermöge seines Amtes usw. zu besonderer Aufmerksamkeit ver­ pflichtet w ar, aber trotzdem während der Ausübung seines Amtes durch Trunkenheit das Leben anderer gefährdet, überhaupt entbehrlich ist, so daß auch dieser Tatbestand hier ausscheiden würde. Schließlich ist in der Preußischen Denkschrift die Verabreichung geistiger Getränke an Betrunkene vor­ gesehen. Dieser Tatbestand richtet sich nicht gegen die Volksgesundheit, sondern soll Ausschreitungen von Trunkenen verhüten. Ich würde deshalb vorschlagen, auch diesen Tatbestand hier wegfallen zu lassen. Schließlich sieht die Preußische Denkschrift noch einen Tatbestand vor, durch den derjenige bestraft w ird, der einen unterstützungsbedürftigen Zustand durch Trunkenheit herbeiführt. D as ist der § 361 Nr. 5 des geltenden Rechts. Auch diesen Tatbestand würde ich hier ausscheiden/ denn der Kern des Tatbestandes liegt darin, daß der T äter durch die Trunkenheit seine Arbeitskraft der Volksgemeinschaft entzieht, und des­ halb glaube ich, daß es besser ist, diesen Tatbestand ebenfalls in dem Abschnitt »Schutz der nationalen Arbeitskraft« unterzubringen. Ich habe dam it die Tatbestände vorweggenommen, die nach meiner Auffaffnng nicht in diesen Zusammen­ hang gehören, und will m ir nun erlauben, auszuführen, welche Tatbestände denjenigen der Preußischen Denk­ schrift hinzuzufügen sind. D ie Preußische Denkschrift spricht, wenn man vom Auswanderungsbetrug absieht, zunächst von der Brunnenvergiftung, dann von dem Seuchenschutz. Ich würde vorschlagen, neben der Brunnenvergiftung einen Tatbestand aufzunehmen, der die Vergiftung von B e­ darfsgegenständen unter S tra fe stellt, einen Tatbestand, der ja im geltenden Recht schon enthalten ist, dann aber in den Entwürfen und in dem Referentenentwurf i

weggelassen worden ist, w e il er im wesentlichen durch das Lebensmittelgesetz ersetzt worden ist. Ic h glaube aber — d a rauf komme ich später noch zu sprechen — , daß ein B e d ü rfn is besteht, ih n aus dem Lebensmittel­ gesetz herauszunehmen, ihn über Lebensmittel hinaus auszudehnen und dann in diesen Abschnitt zu stellen. W e ite r würde -ich vorschlagen, als einen besonderen F a ll der Gefährdung der Gesundheit des Volkes die wichtigsten P ara grap hen des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hie r einzufügen, und zwar die §§ 5 und 6 dieses Gesetzes. Schließlich würde ich als neuen Tatbestand noch die Verabreichung von geistigen Getränken und Tabak an K in d e r vorschlagen. D a s ist der bekannte Tatbestand aus dem Gaststättengesetz. Ic h glaube, daß auch dieser Tatbestand ganz besonders die Volksgesundheit ge­ fährdet. W enn man diese Tatbestände hinzu nim m t und die Tatbestände in der Preußischen Denkschrift ebenfalls hinzufügt, dann kommt m an zu etwa zehn Tatbeständen. Es ist m ir nun klar, daß die Abgrenzung dieser T a t­ bestände v o r allem gegenüber den gemeingefährlichen Delikten außerordentlich flüssig und zweifelhaft ist. Es ist ja doch so, daß die gemeingefährlichen D elikte fast im m e r A n g riffe auf den Volksbestand eben wegen ih re r Gemeingefährlichkeit enthalten, und ich bin m ir klar, daß das eine oder andere dieser gemeingefährlichen Delikte, wenn nicht g a r alle, in diesen Zusammenhang gebracht werden können. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: H e rr Kollege G ra u , ich würde entgegen unserer S itte vorschlagen, hier einen S to p p zu machen, und zw ar deswegen, w eil dieser Abschnitt zu einer Diskussion über die Systematik führen w ird . F ü r die H erren von der linken «Leite eröffnet sich hier ein weites B etätigungsfeld. Ic h habe die Überzeugung, daß alle menschlichen D in g e ver­ schiedene Seiten haben. W enn ich durch Auswandernngsbetrug einen Menschen dem deutschen Volke ent­ ziehe, dann entziehe ich ihm erstens einm al einen Menschen — das b e trifft den Volksbestand — , auch einen späteren Rekruten — das b e trifft die W ehr­ macht — und vielleicht einen A rb e ite r — das b e trifft die A rb e its k ra ft. D a s ist ein typisches Beispiel dafür, daß eine Sache drei S eiten haben kann. Wahrscheinlich könnte m an noch mehr dazu finden. R u n scheint m ir: W i r müssen uns zunächst darüber klar werden, was w ir hier überhaupt machen wollen, an welchen A us­ gangspunkt w ir überhaupt anknüpfen wollen. D a s ist das wichtigste! Und dann kom mt die Frage der A b ­ grenzung — die S ie gerade berührten — gegen die gemeingefährlichen D elikte und vielleicht auch gegen In d iv id u a ld e lik te , z. B . bei Lebensgefährdung. W ir müssen zunächst einen Boden gewinnen, was w ir unter diesen Abschnitt überhaupt bringen wollen. D ie V olks­ gesundheit gefährdet n a tü rlic h jeder, der einen A n g riff au f die Gesundheit des einzelnen Menschen unter­ n im m t, z. B . schlechte Schokolade verkauft oder ein ver­ dorbenes Medikament. S o ll das h ier alles aus den einzelnen Spezialgesetzen gesammelt und un ter einen K a ta lo g zusammengefaßt werden? D a rü b e r müssen w ir uns zuerst klar sein. D e r Vorschlag des H e rrn Referenten ging dahin, zunächst negativ folgendes auszuscheiden: Auswande­ rungsbetrug, Lebensgefährdung, Verabreichung geistiger

Getränke an Trunkene und die H erbeiführung eines unterstützungsbedürftigen Zustandes durch Trunkenheit. (Z u ru f:

U nd auch die Gesundheitsgefährdung!)

— D en F a ll habe ich nicht erw ähnt, w e il ich meine, daß ein solcher allgemeiner Gesundheitsgefährdungs­ tatbestand nach M e in u n g der Komm ission nicht a u f­ genommen werden sollte. D ie Lebensgefährdung könnten w ir , glaube ich, auch un erw äh nt lassen, w e il w ir ja eine F o rm u lie ru n g getroffen haben bei der A u s ­ setzung: »W er einen Menschen aussetzt und dadurch dessen Leben gefährdet oder w er sonst in gewissenloser Weise das Leben eines Menschen u n m itte lb a r ge­ fährdet . . . « D a s ist unsere Fassung des § 2 4 8 b . H alten w i r da ran fest, dann können w ir von der Lebensgefährdung in diesem Zusammenhange eigentlich nicht m ehr sprechen. Gegenüber dieser negativen Ausscheidung werden nun vom H e rrn Referenten folgende Tatbestände v o r­ geschlagen: D ie B ru n n e n ve rg iftu n g , die V e rg iftu n g von Bedarfsgegenständen, die Gefährdung durch Seuchen, die V erb reitun g von Geschlechtskrankheiten, die H ilfeverw eigerung bei gemeiner G efahr, das I n ­ verkehrbringen gemeingefährlicher Gegenstände. Da würden z. B . die sämtlichen Verkehrsgesetze über die Herstellung und den Handel m it blei- und zinkhaltigen Sachen, m it Sprengstoffen usw. in B etracht kommen. D a s gemeingefährliche V erh alten! I s t da etwa an den Kom plex der gemeingefährlichen D elikte gedacht? (B erichterstatter Vizepräsident G ra u : R ein, das ist der Sondertatbestand des jetzigen § 367 N r . 8 bis 11!) Abgabe von Rauschmitteln, Verabreichung geistiger Getränke an K in d e r, M ißbrauch von Gesundheitszeug­ nissen — das wäre der K atalo g, wie er hier gewünscht w ird . Ic h möchte einm al die einzelnen Tatbestände nicht zur Diskussion stellen, w e il w ir erst die T rupp en ordnen müssen. Ic h w äre dankbar, wenn sich die H erren darüber aussprechen w ollten, wobei ich besonders die V o rfra g e zu berücksichtigen b itte : S o ll dieser Abschnitt einen extensiven I n h a lt haben, oder sollen w ir ihn restringieren? Danach w ird sich entscheiden, w ieviel w ir hineinpacken. B erichterstatter Professor D r.K o h lra u s c h (B e r lin ): Ic h habe hier von schriftlichen Vorschlägen abgesehen, w eil w ir uns ja m it der Gesamtsystematik beschäftigen w ollten. V o rh e r werden w ir über den I n h a lt des von H e rrn Vizevräsidenten G ra u vorgeschlagenen Abschnitts nicht schlüssig werden können. Bedenken melde ich aber jetzt schon an gegen eine P reisgabe des B e g riffs der »gemeingefährlichen« D elikte und gegen ihre A u fte ilu n g unter dem Gesichtspunkt des angegriffenen einzelnen Rechtsgutes. S ie sind durch den Gedanken zusammen­ gehalten, daß der T ä te r durch Entfesselung einer unbe­ herrschbaren N a tu rk ra ft Rechtsgüter in unabgrenzbarem U m fang gefährdet. D a s ist ein systematisch vielleicht schwer einzugliedernder, aber sehr verständiger und praktisch unentbehrlicher Gedanke. Manches von H e rrn G ra u Vorgeschlagene gehört dahin, z. B . die B ru n n e n ­ ve rg iftu n g , die sich auch gegen Sachen, insbesondere gegen T ie re auswirken kann und deshalb bei H e rrn G ra u fehl am O r t ist. S o ist es auch m it anderen T a t­ beständen, bei denen m ir- d ie Zusammenfassung un ter

dem Gesichtspunkt der Volksgesundheit etwas gewalt­ sam vorkommt. Ich möchte aber glauben, daß w ir über die ganze Frage schwerlich diskutieren können, bevor wir nicht wiffen, ob w ir den Besonderen Teil nach geschützten Rechtsgütern oder nach der A rt und Weise der Be­ gehung oder wie sonst orientieren wollen. Deshalb habe ich Vorschläge in positiver Richtung zunächst nicht zu machen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren, diese Aussprache über den systematischen Aufbau des Besonderen Teils ist für morgen vormittag 10 Uhr vorgesehen. Ich habe selbst das Gefühl, daß wir das nicht mehr sehr lange aufschieben können. Professor D r. Mezger (München): Der Gesichts­ punkt, die gemeingefährlichen Delikte zusammenzufassen, hat sich durchaus bewährt. Es sind eine ganze Menge von Fragen, die viel präziser und schärfer gestellt werden können — abstrakte Gefährdung, konkrete Ge­ fährdung, konkrete Verletzung —, wenn diese Delikte beisammen sind, und so wäre es meiner Meinung nach richtiger, die Delikte, welche eben genannt wurden, möglichst mit den gemeingefährlichen Delikten zu ver­ binden. Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Wenn ich mich an die schriftlichen Vorschläge halte, so sollten Angriffe gegen Raffe, Volksbestand und Volksgesundhcit zusammengefaßt werden, und der Herr Bericht­ erstatter Vizepräsident G rau hat vorgeschlagen, den Abschnitt als Schutz des Volkstums zu benennen. Wenn ich mit dem letzteren beginnen darf, so glaube ich, daß unter Volkstum etwas viel engeres verstanden werden sollte. Ich würde einen Strafschutz des deutschen Volkstums wünschen. Aber ich bin der Auffassung, daß nicht einer der Tatbestände, die hier überhaupt genannt worden sind, gleichviel, ob als einzureihend oder auszuscheidend, unter diesen Begriff gebracht werden kann. »Schutz des Dolksbestandes« ist über­ haupt ein zu vager Begriff. Ich kann mir nicht recht vorstellen, was eigentlich unter dem Schutz des Be­ standes des Volks gedacht werden sollte, es wäre denn, daß man jede Verminderung des Umfangs des Be­ standes an Volk hier begreifen will. Es ist ein durchaus möglicher Gedanke, jede Tötung hier hereinzuziehen. Aber ich habe vielleicht morgen Gelegenheit, über den Aufbau des Besonderen Teils noch näher zu sprechen, und will das nicht vorwegnehmen. Ich würde an sich gar nichts dagegen einzuwenden haben, die ganze Ein­ teilung strafbarer Handlungen gegen einzelne und gegen die Gesamtheit überhaupt über Bord zu werfen, und dann wäre ein solcher Abschnitt »Schutz des Volks­ bestandes« denkbar.

Wenn man schließlich einen Abschnitt »Schutz der Volksgesundheit« bildet, dann sprengt man die Gruppe der gemeingefährlichen Delikte. Ich glaube, darüber muß man sich ganz klar sein. Nebeneinander sind die zwei Gruppierungen nicht möglich. Die eine legt den systematischen Gesichtspunkt: Art und M ittel des An­ griffs zugrunde und die andere das Rechtsgut. Bei der Gruppe »Gemeingefährliche Delikte« ist ja vielleicht die Nebeneinanderstellung von Leben und Gesundheit von Menschen und von fremdem Eigentum nicht sympathisch. (Zuruf: Auch von Tieren!) — D as ist ja schließlich auch fremdes Eigentum. Nun hat die Denkschrift hier den Versuch gemacht, die sachgebundenen Volksgüter, wie sie das nennt, besonders zu schützen. D as wäre ein Weg, der mir sympathischer wäre. Aber man muß sich dann ganz klar darüber sein, daß es eine Gruppe gemeingefährliche Delikte nicht mehr geben wird, wenn man scharf nach dem ange­ griffenen Rechtsgut unterscheidet. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich halte es nicht für fruchtbar, wenn wir diese systematische Debatte hier fortsetzen. D er Einwand des Herrn Professors Kohl­ rausch scheint mir überzeugend zu sein. W ir müssen uns zuerst darüber klar werben, wie wir, abgesehen von den Abschnitten, deren Einreihung und Reihenfolge schon feststeht, im Strafrecht weiter verfahren wollen. Es ist ganz gewiß ein einleuchtender Gedanke, daß man jeden Totschlag als Angriff auf den Volksbestand und jeden Diebstahl als Angriff auf das Volksgut ansehen kann, wenn man es nur richtig versteht. Die P reu­ ßische Denkschrift geht andere Wege. Sie unterscheidet tatsächlich die Rechtsgüter des einzelnen von den Rechts­ gütern der Gemeinschaft, und bei den Rechtsgütern der Gemeinschaft kommt eine Unterteilung, von der ich auch noch nicht ganz sicher bin, ob sie nicht zu Schwierig­ keiten führt: nämlich einmal der S ta a t — und der S ta a t wiederum nach außen und nach innen — und die Funktionäre des S taats. Darüber haben wir uns schon ausgesprochen. Dann kommt das Volkstum, wo­ bei ich mir über den In h alt des Wortes Volkstum noch nicht ganz klar geworden bin. Ich glaube, er ist vieldeutig. W ir müßten ihn selbst erst bestimmen. Und nun kommen die Begriffe Dolksbestano, Volksgesundheit, Religion und Sitte, Familie und Volksgut. Damit endigt der kollektivistische Teil, wenn ick so sagen darf, des Strafrechts, und es beginnt jetzt der individuali­ stische. — D er Vorschlag des Herrn Professors Gleispach, den er angedeutet hat, würde andere Wege gehen. Aber ich meine, wir sollten die Debatte hier ab­ brechen und uns morgen mit dem systematischen Auf­ bau des Besonderen Teils in extenso befassen. (Schluß der Sitzung 7 Uhr.)

ReichS-rnckeret, Berlin. 9017 31 HE

Strafrechtskommission 37. Sitzung Dienstag, den 5. Juni 1934. Rassenschutz Reichsjustizminister Dr. Gürtner Berichterstatter Vizepräsident Grau Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch (Berlin) Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi Oberregierungsrat Dr. Lösener Staatssekretär Dr. Freister Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) Professor Dr. Dahm (Kiel) Ministerialrat Dr. Möbius Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin) Professor Dr. Mezger (München) Ministerialdirektor Schäfer Professor Dr. Nagler (Breslau) Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz (Leipzig) Oberstaatsanwalt Dr. Reimer (Berlin) Ministerialdirektor Dr. Dürr Ministerialrat Dr. Schäfer [2-3] Beginn der Sitzung 9 Uhr 18 Minuten. Reichs justizminister Dr. Gürtner. Meine Herren, wir kommen heute zu den Angriffen ge­ gen die Rasse, den Volksbestand und die Volksgesundheit. Als Rohmaterial dazu haben wir einzig und allein die Vorschläge der Preußischen Denkschrift, Seite 47 und 46. [4] Bevor ich den Herren Berichterstattern Professor Kohlrausch und Präsident Grau das Wort erteile, möchte ich vorschlagen, folgendermaßen zu disponieren: Beim Schutz der Rasse innerhalb des Strafrechts, um den es sich hier handelt, kommen drei Fragen in Betracht. Erste Frage: Soll der Rassenschutz überhaupt im Strafrecht oder soll er in anderen Rechtsgebieten gesucht und gefunden werden? Ich nenne: Zivilrecht, Öffentliches Recht, Beamtenrecht, Rechtsanwaltsordnung usw. Zweite Frage: Soll der Rassenschutz in dem Sinne, wie wir ihn hier meinen, auf dem Wege des Strafrechtes mit Strafsanktionen, man 1 Wiedergegeben nach dem Konzept des endgültigen, d. h. von den Sitzungsteilnehmern gebilligten Sten. Protokolls im BA Koblenz, R 22/855, Bl. 76-328. Diese Fassung besteht aus dem ursprüngli­ chen maschinenschriftlichen Stenogramm mit den handschriftlichen Änderungen bzw. Streichun­ gen, die in der Regel von den jeweiligen Diskussionsrednern stammen dürften. Eine Reinschrift des Protokolls konnte nicht aufgefunden werden; die hier wiedergegebene Fassung stammt von den Herausgebern. Im Anhang wird das vollständige, um ein Drittel umfangreichere Stenogramm (d. h. ohne die hand­ schriftlichen Veränderungen) wiedergegeben. Um einen Vergleich beider Fassungen zu erleichtern, sind in eckigen Klammem die Originalseitenzahlen des Protokolls hinzugefügt. Ist eine Seitenziffer weggelassen, ist die Seite im endgültigen Protokoll weggefallen. Das Protokoll wird grundsätzlich in der Originalrechtschreibung wiedergegeben. Offensichtliche Versehen und Schreibfehler sind stillschweigend berichtigt worden. Der Abschnitt der preußischen Denkschrift über „Angriffe auf die Rasse" ist auf S. 347 f. wieder­ gegeben.

könnte sagen: forciert, garantiert werden? Oder kann man darauf vertrauen, daß die Nach­ teile der Rassenmischung durch eine gewisse sehr weit reichende, tiefgreifende Änderung in der Erziehung ohnehin in kürzester Zeit verschwinden werden? Und drittens die Frage: Ist es zweckmäßig, sich jetzt oder zu einem anderen Zeitpunkt strafrechtlich zu einem sol­ chen Rassenschutz zu bekennen? Die dritte Frage, meine Herren, gehört nicht vor dieses Forum; ich wäre sehr dankbar, wenn sie hier überhaupt ausschiede. Wir wollen uns hier als Juristen lediglich mit der Frage befassen: Wenn es aus politischen Gründen wün­ schenswert und möglich ist, zu irgendeiner Zeit den Rassenschutz strafrechtlich zu gewäh­ ren, in welcher Form kann das gemacht werden? Die Vorfrage, ob das jetzt [5-20] oder in nächster Zukunft zweckmäßig ist, sollten wir hier gar nicht diskutieren. Ich selber, wenn ich das gleich sagen darf, stelle mir vor, daß man die Rasse strafrecht­ lich nicht schützen kann, ohne ein trennendes Ehehindernis zu schaffen, und daß, wenn man ein solches Ehehindernis aufstellt, nach dem Modell der Bigamie in bezug auf die eheliche Verbindung verfahren werden müßte. In bezug auf die uneheliche Verbindung möchte ich eine Meinung vorläufig nicht äußern. Es wird sich vielleicht aus der Diskus­ sion ergeben, wie man sich das denken kann. [21] Berichterstatter Vizepräsident Grau: Es ist nicht ganz leicht, sich in der heutigen Zeit außenpolitischer Spannung über einen strafrechtlichen Rasseschutz in Deutschland schlüssig zu machen. Denn wir wissen, welche politischen und wirtschaftlichen Schwierig­ keiten schon aus den unverbindlichen Vorschlägen der Preußischen Denkschrift seinerzeit erwachsen sind, und es kann nicht zweifelhaft sein, daß es unsere heutige außenpolitische Lage nicht gestattet, die bestehenden Wünsche in dieser Richtung gesetzgeberisch, insbe­ sondere strafrechtlich, restlos zu erfüllen. Wenn man die Frage beantworten will, ob man überhaupt in ein neues Strafgesetzbuch etwas von Rasseschutz bringen soll, dann wird man sich, wie auch Sie, Herr Reichsmini­ ster, schon betonten, zunächst einmal darüber klar werden müssen, welche strafrechtli­ chen Vorschriften wir für angezeigt halten würden, wenn uns nicht, wie es zur Zeit leider der Fall ist, die Hände gebunden wären. Erst dann kann man die Frage beantworten, von welchen Tatbeständen man unter den gegebenen Umständen vielleicht absehen soll und welche Tatbestände vielleicht trotz der vorhandenen Schwierigkeiten Aufnahme in ein Strafgesetzbuch finden können. Sieht man einmal, wie schon gesagt, von den außenpolitischen Rücksichten ab, so wird man von folgendem auszugehen haben: Das Parteiprogramm bestimmt, daß Staatsbürger nur deutschstämmige Menschen sein können und daß die Fremdrassigen unter einem Gastrecht stehen sollen. Das Programm will also den neuen deutschen Staat auf rassischer Grundlage aufgebaut wissen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ja im letzten Jahre schon sehr viel geschehen. Man hat sich bemüht, die fremdrassigen Elemente aus dem Volkskörper [22] auszumerzen, einmal dadurch, daß man erstrebt hat, sie einflußlos zu machen, sie aus der Staatsführung und aus sonstigen einflußreichen Stellungen und Berufen heraus­ zudrängen. Ich erinnere an das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, an die Novelle zum Reichsbeamtengesetz, an die Bestimmungen über die Beschränkung der Zahl der jüdischen Rechtsanwälte und an Vorschriften über die Beschränkung der Zahl jü­ discher Studenten. Man hat auch durch das Gesetz vom 14. Juli 19332 versucht und er­ reicht, wenigstens einen Teil derjenigen fremdrassigen Elemente, die in den letzten 14 Jah­ ren nur zu zahlreich aus dem Osten eingewandert waren und eingebürgert worden sind, wieder auszubürgern und ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit wieder abzuerkennen. Neben diesen negativen Maßnahmen bestehen auch zahlreiche positive Maßnahmen zur rassischen Aufzucht. Ich erinnere an die eugenischen Maßnahmen, an den ganzen Fra­ genkomplex um die Gewährung der Ehestandsdarlehen, an das Gesetz zur Verhütung des

2 Gemeint ist das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deut­ schen Staatszugehörigkeit (RGBl. 1933, S. 480).

erbkranken Nachwuchses, an die Novelle zum Strafgesetzbuch über die Entmannung ge­ fährlicher Sittlichkeitsverbrecher. — Ich denke an die sozialen Maßnahmen, vor allem das Reichserbhofgesetz, wodurch erstrebt und zum guten Teil erreicht worden ist, das Volk wieder zum Ursprung seiner Rasse, zum Bauerntum, zurückzuführen und es dort wieder zu verankern. Ich erinnere an das Gesetz gegen Mißbräuche bei der Eheschließung und Annahme an Kindesstatt, wodurch wieder die Heiligkeit und Reinheit der Familie betont worden ist, die von Annahmen an Kindesstatt und Eheschließungen aus rein geschäftli­ chen Gründen freigehalten werden muß. All diese Maßnahmen haben uns zweifellos einen Schritt vorwärts gebracht; aber sie haben nicht erreicht und konnten [23-40] nicht erreichen eine wirkliche Abkapselung der fremdrassigen Elemente in Deutschland von den deutschstämmigen Menschen. Ein sol­ ches Gesetz konnte aus außenpolitischen Gründen nicht ergehen, — ein Gesetz, das jede geschlechtliche Vermischung zwischen Deutschstämmigen und Fremdrassigen gesetzlich verhinderte. Nun kann man vielleicht sagen — und da komme ich auf die zweite Frage, die der Herr Reichsminister gestellt hat —, daß dieses Ziel auch durch Erziehung und Aufklärung ohne ein ausdrückliches Gesetz allmählich erreicht werden könne. Auch andere Völker, könnte man sagen, hätten ein solches Ziel im wesentlichen durch gesellschaftliche Absonderung erreicht. Dies ist aber doch nur bedingt richtig. Bei den anderen Völkern — ich denke in erster Linie an Nordamerika, das ja sogar auch Gesetze in dieser Richtung hat, — handelt es sich um ein anderes Problem, nämlich um das Problem der Femhaltung der Angehöri­ gen farbiger Rassen, ein Problem, das bei uns in Deutschland so gut wie keine Rolle spielt. Bei uns ist das Problem ganz scharf abgestellt auf die Juden und ihre dauernde Fernhal­ tung, da sie ganz zweifellos einen Fremdkörper im deutschen Volke darstellen. Nur auf dem Wege gesellschaftlicher Absonderung und Abtrennung wird dieses Ziel nach meiner Überzeugung so lange nicht erreicht werden, solange die Juden in Deutschland noch eine ganz außerordentliche wirtschaftliche Macht darstellen. Solange sie noch in unserem deut­ schen Vaterland wirtschaftlich in dieser Weise wie jetzt mitzusprechen haben, solange sie noch die schönsten Autos, die schönsten Motorboote haben, solange sie auf allen Vergnügungs- und Erholungsplätzen und überall dort, wo es teuer ist, eine erhebliche Rolle spie­ len, so lange glaube ich nicht, daß man sie ohne Gesetz wirklich vom deutschen Volkskör­ per absondern kann. Dies kann nur durch positive gesetzliche Maßnahmen geschehen, die jegliche geschlechtliche Vermischung eines Juden mit einem Deutschen verbieten und un­ ter schwere Strafe stellen. [41] Es besteht deshalb, wenn man das Parteiprogramm überhaupt erfüllen will, ein Be­ dürfnis, ein gesetzliches Ehehindemis zu schaffen und auf diesem aufbauend jegliche Art der geschlechtlichen Vermischung zwischen Juden und Deutschstämmigen unter Straf­ schutz zu stellen, weiterhin als letztes Endziel, entsprechend dem Parteiprogramm, die Ju­ den auszubürgern und unter ein Gastrecht zu stellen. Denn es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß alle Maßnahmen zur Aufzucht der Rasse unnütz und erfolglos bleiben wer­ den, solange es den Juden noch gestattet ist, unsere Rasseangehörigen zu verseuchen. Die Juden stellen ein ganz unerhörtes orientalisches Rassegemisch dar, das, wie die Geschichte lehrt, überall, wo es hinkommt, die Völker zu sich herunterzieht und die Rassen vernichtet. Dieses Kernstück des Rassenschutzes, Ehehindernis, strafrechtliches Verbot der Ver­ mischung, Ausbürgerung, kann zur Zeit zweifellos nicht erreicht werden, und es erhebt sich nun die dritte Frage, die der Herr Reichsminister gestellt hat. Wenn man von diesem Kernpunkt absieht, ist es zweckmäßig und besteht ein Bedürfnis dafür, nun noch, wenn ich so sagen darf, in Nebenpunkten einen strafrechtlichen Rasseschutz zu gewähren? Die Preußische Denkschrift sieht ja, abgesehen von der geschlechtlichen Vermischung, drei Tatbestände vor, einmal die Verletzung der Rassenehre. Sie will denjenigen bestraft haben, der es als Deutscher unternimmt, unter gröblicher Verletzung des Volksempfin­ dens und in schamloser Weise öffentlich Verkehr mit [42] Angehörigen farbiger Rassen zu pflegen. Ich darf daran erinnern, daß gerade dieser Tatbestand zu außenpolitischen

Schwierigkeiten besonderer Art geführt hat. Man hat bewußt oder unbewußt übersehen, daß der Tatbestand dadurch sehr eingeschränkt ist, daß in schamloser Weise öffentlich mit Angehörigen farbiger Rassen verkehrt werden muß. Trotzdem hat gerade dieser Tatbe­ stand zu Vorstellungen von diplomatischen Vertretern farbiger Rassen geführt und hat Schwierigkeiten schon auf Grund der Vorschläge der Denkschrift gemacht. Die beiden anderen Tatbestände, die die Denkschrift vorsieht, bestehen darin, daß eine Blankettvorschrift gegeben wird, wonach strafbar ist, wer gegen die sonstigen zur Reiner­ haltung und Veredelung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen gesetzlichen Vor­ schriften verstößt, und eine weitere Blankettvorschrift, wonach jedes Entgegenwirken den zur Aufklärung des deutschen Volkes über Reinerhaltung und Veredelung seiner Blutsge­ meinschaft erfolgten Maßnahmen des Reiches und der Länder, wenn es böswillig ge­ schieht, bestraft werden soll. Ich darf daran erinnern, daß dieser letzte Tatbestand bereits von unserem § 169 in der jetzigen Fassung teilweise erfaßt wird, wonach wir jede öffentli­ che Aufforderung zum Verstoße gegen Gesetze, gegen Anordnungen der Regierung und auch gegen bloße Empfehlungen der Regierung unter Strafe gestellt haben. Wenn ein wirklicher Rasseschutz, wie ihn das Parteiprogramm fordert, in das Strafgesetz hineinkä­ me, dann würde ich allerdings nicht auf diesen generellen Tatbestand verweisen, sondern den Rasseschutz restlos und deutlich hier im einzelnen regeln. Ich würde, abgesehen von dem Verbot der geschlechtlichen Vermischung, vorschlagen, jede Sabotage der Volksauf­ klärung über Rassefragen unter Strafe zu stellen, weiterhin [43] auch alle Verstöße gegen Gesetze und Anordnungen, die zur Veredelung und Reinerhaltung der Rasse ergangen sind. Wenn man davon ausgeht, daß die Kernfrage des Rasseschutzes zur Zeit strafrechtlich nicht gelöst werden kann, dann kann man zweifelhaft sein, ob irgendwelche Nebenpunkte unter strafrechtlichen Schutz gestellt werden sollen oder ob es vielleicht praktischer ist, in diesem Falle im Strafgesetzbuch überhaupt nichts auf dem Gebiete des Rasseschutzes zu sagen. Diese Frage hängt, wie gesagt, eng mit der Politik zusammen und ist von hier aus kaum endgültig zu entscheiden. Ich persönlich neige dazu, unter den gegebenen Umstän­ den vorläufig gar nichts über den Rasseschutz in das Strafgesetzbuch zu bringen, weil ich mir sage, daß das Wichtigste zur Reinerhaltung der Rasse nicht gebracht werden kann. Ei­ ner späteren Gesetzgebung wird es dann überlassen bleiben, den strafrechtlichen Rasse­ schutz einmal befriedigend und restlos zu regeln. [44] Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Nach dem Ergebnis, zu dem Herr Präsident Grau gekommen ist, kann ich mich kurz fassen: denn mein Ergebnis ist dasselbe. Auch ich sehe unsere Aufgabe nicht in einer grundsätzlichen Stellungnahme zur Rassen­ frage, sondern nur in einer Abwägung dessen, was dafür oder dagegen spricht, mit Mitteln des Strafrechts einzugreifen. Es fragt sich, welchen Nutzen man sich von Strafbestimmun­ gen verspricht, und welche Bedenken Strafbestimmungen entgegenstehen. Der Nutzen scheint auf der Hand zu liegen. Eine Strafbestimmung könnte generalpräventiv wirken und sie würde namentlich einen der wichtigsten Grundsätze des heutigen Staates in ernst­ hafter Weise ausdrücken. Die Bedenken liegen aber ebenso offen zutage. Sie bestehen zunächst in gewissen Ne­ benwirkungen, die einer Strafbestimmung unzweifelhaft folgen würden. Erpressungen, Denunziationen usw. von dem Partner einer auseinandergegangenen Verbindung oder von dritter Seite würden nicht nur eine erschreckende Zahl erreichen, sondern auch ein ganz besonders unerfreuliches, ja widerwärtiges Gesicht annehmen. Wichtiger ist mir aber ein zweites Bedenken, nämlich daß gerade auf diejenigen, die den Grundsatz der Rassereinheit nicht schon als einen volksethisch verpflichtenden aner­ kennen, mit Strafbestimmungen hier wenig Eindruck gemacht würde; daß diese sich durch Strafbestimmungen zu allerletzt zu ihm bekehren würden, daß sie vielleicht sogar in einer erbitterten Auflehnung gegen jenen Grundsatz bestärkt werden könnten. Da entsteht die [45] Frage, ob es wirklich richtig und erstrebenswert ist, das Rechttun in so ausschließli­ chem Maße auf die Furcht vor der Strafe abzustellen. Ich verneine die Frage. Jedes Strafge-

setz setzt die Möglichkeit einer inneren Empfangsbereitschaft voraus. Hier aber liegt es so, daß bei den einen diese Möglichkeit fehlt und daß die anderen ein Strafgesetz nicht nötig haben. Aus diesem Grunde glaube ich, daß hier Strafbestimmungen weder opportun wä­ ren, noch überhaupt zu dem Gebiet, um das es sich hier handelt, passen. Hier muß man, wenn man es für richtig hält, mit anderen Mitteln wirken. Über Ehegesetzgebung und Ähnliches habe ich mich hier nicht zu äußern. Aber ich bin davon überzeugt, daß der Weg, den wir beschreiten oder fortsetzen können, nur der einer Erziehung zu einem gesunden rassemäßigen Empfinden ist. Den Eindruck haben wir wohl alle, daß diese Erziehung im letzten Jahre Fortschritte gemacht hat. Einer ganzen Reihe von Menschen, die bisher über Rassefragen gar nicht nachgedacht haben, sind sie zu lebendigem Bewußtsein gekommen. Ich möchte aber glauben, daß wir demjenigen, der hieraus nicht eine innere Pflicht ableitet, dieses Pflichtgefühl auch nicht einbläuen können. [46] Was auf dem Gebiete der Beamten­ gesetzgebung und der Arbeitergesetzgebung getan ist, das weist den Weg, auf dem diese Pflicht zum Bewußtsein gebracht werden kann. Was hier und was durch allgemeine Auf­ klärung geschah, hat eindrucksvoller gewirkt als eine Strafbestimmung es vermocht hätte. [47] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Wenn wir vom juristischen Standpunkt aus bei ei­ ner Diskussion dieser Fragen gefragt würden, wie man sich denn eine gesetzliche Rege­ lung des Rassenschutzes denken könnte — ich habe vorhin schon skizziert, wie ich es mir etwa denken würde —, welche Vorstellungen würden Sie dann haben? [48] Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Sollten wir dem Problem strafrechtlich nähertreten wollen, dann würde auch ich glauben, daß eine vorausgehende Änderung des Eherechtes unerheblich wäre. Es käme sonst dahin, daß wir die gemischt-rassische uneheliche Ge­ schlechtsverbindung unter Strafe stellen müßten, während wir die eheliche straflos lassen müßten. Das wäre nicht nur eine unvollkommene, sondern eine geradezu unmögliche Lö­ sung. [49] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Die Skizze würde auch nach Ihrer Meinung sein: Trennendes Ehehindernis, Strafbestimmung etwa nach dem Modell der Bigamie. Dazu kommt aber eine nach meiner Meinung sehr viel schwierigere Frage. Wie soll der außer­ eheliche Geschlechtsverkehr behandelt werden? Hier schweigt der Zivilgesetzgeber. Das sind keine Rechtsverhältnisse, das sind Tatsachen, das kann nur der Strafgesetzgeber be­ antworten. [50] Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Ich sehe ein strafgesetztechnisches Hindernis da nicht mehr, den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Rassenverschiedenen unter Strafe zu stellen. [51-60] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin den Herren Berichterstattern sehr dankbar, daß sie sich an diese Einteilung gehalten haben. Ich glaube auch, es ist das Rich­ tigste, dabei zu verbleiben. Wenn ich selber ein paar Gedanken dazu äußern darf, so wären es diese. Bei der Rassegesetzgebung war es natürlich sehr verlockend, in der Welt herumzuse­ hen, ob und wie dieses Problem etwa von anderen Völkern angefaßt worden ist. [61] Ich besitze hier eine überaus anschauliche synoptische Darstellung der nordameri­ kanischen Rassengesetzgebung3 und möchte gleich sagen, daß das Material dazu ziemlich schwierig aufzufinden ist. Falls jemand von den Herren ein persönliches Interesse daran hat, würde ich bereit sein, diese Aufstellung zur Verfügung zu stellen. Das Material gibt eine Antwort auf die Frage, wie in den amerikanischen Bundesstaaten die Rassengesetzge­ bung aussieht. Das Bild ist buntfarbig wie die amerikanische Landkarte. Fast in allen ame­ rikanischen Bundesstaaten besteht eine Rassengesetzgebung. Die abzuwehrenden Rassen 3 Vgl. hierzu Heinrich Krieger, Das Rassenrecht in den Vereinigten Staaten (Neue Deutsche Forschun­ gen, Abt. Staats-, Verwaltungs-, Kirchen-, Völkerrecht und Staatstheorie, Bd. 6, in Verbindung mit Victor Bruns, Hans Gerber und Rudolf Smend hrsg. von Ulrich Scheuner), Berlin 1936, bes. S. 168 ff. (S. 174/175 eine Übersicht über die gesetzlichen Verbote der Heirat zwischen Weißen und Angehörigen fremder Rassen).

werden verschieden bezeichnet. Aus der verschiedenen Bezeichnung ergibt sich aber der Grundgedanke sehr leicht. Es werden da aufgeführt die Nigros oder die Mulatten oder die Chinesen oder die Mongolen in bunter Abwechselung. Manchmal ist auch die Rede von den Deszendenten der Afrikaner, um die Sache historisch darzustellen, womit die Neger gemeint sind, und in ein paar Paragraphen ist positiv die Rede von der kaukasischen Rasse. [62] Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Ja, in der Richtung, daß die kaukasische Rasse schlechthin das Gegenteil aller farbigen Rassen ist, also die weiße Rasse, und da die Juden zur weißen Rasse gehören, werden sie zur kaukasischen Rasse gerechnet. [63] Reichs justizminister Dr. Gärtner: Eine gegen die Juden gerichtete Rassegesetzge­ bung haben wir im geltenden ausländischen Recht nicht feststellen können. Ich glaube, man müßte, um eine solche zu finden, auf die mittelalterlichen deutschen Stadtrechte zu­ rückgehen. [64] Die Meinungen der beiden Herren Berichterstatter gehen übereinstimmend mit meiner eigenen dahin, daß Voraussetzung für die strafrechtliche Erfassung der Mischehe die Schaffung eines trennenden Ehehindernisses wäre. Dann könnte man nach dem Mo­ dell der Bigamie verfahren. Schwieriger scheint mir die Frage beim außerehelichen Verkehr zu sein. Es spricht sich leicht aus, daß man auch den außerehelichen Verkehr unter Strafe stellen müßte. Ich bitte, einmal folgendes zu erwägen. Der Vorschlag geht doch davon aus, daß beide Teile straf­ rechtlich zur Verantwortung gezogen werden müßten. Ich stelle mir also vor, daß, wenn ein Nichtarier ein arisches Mädchen außerhalb der Ehe geschwängert hat, von beiden Sei­ ten das größte Interesse daran besteht, die Vaterschaft zu verschweigen. Man wird sich unter der Hand abfinden, wird womöglich sogar einen Alimentenvertrag schließen, man wird aber die Vaterschaft verschweigen aus beiderseitigem Interesse. Nun richte ich an die anwesenden Herren Rassesachverständigen die Frage: [65] Haben Sie ein Mittel, um eini­ germaßen zuverlässig aus objektiven Merkmalen festzustellen, daß das Kind ein Misch­ ling ist? Wäre das nicht der Fall, dann würden wir, glaube ich, durch eine Strafverfolgung der unehelichen Verbindung nur erreichen, daß beide Eltern teile das größte Interesse an der Verschweigung des Umstandes hätten, daß das Kind ein Mischling ist und daß daher das Kind als Arier angesehen würde, was nicht ganz in der Richtung unserer Rassenpolitik läge. Die Frage kurz zu streifen, habe ich mir vorgenommen, weil ich vorläufig eine Lö­ sung nicht sehe. Es wäre mir sehr interessant, Ihre Meinung darüber zu hören. [66] Oberregierungsrat Dr. Lösener: Ein wirksames Mittel, aus einem vorhandenen Men­ schen nach dem Habitus oder nach seinem Blut oder dergleichen festzustellen, ob er jüdi­ schen Einschlag hat, gibt es nicht, ist wenigstens zur Zeit noch nicht gefunden. Unser Sachverständiger für Rasseforschung, der öfter vor derartige Fragen gestellt wird, befindet sich da auch in einer sehr starken Verlegenheit. Unser Sachverständiger für Rassefor­ schung ist ja in Wirklichkeit ein Sachverständiger für Sippenforschung, d. h. wenn er den Auftrag bekommt, bei einer Person festzustellen, ob jüdisches Blut in ihr ist, geht er ihrem Stammbaum nach und stellt auf diese Weise, also durch Sippenforschung fest, ob jüdische Vorfahren vorhanden sind. Dieser Forschungsgang ist natürlich sicher. Bei einem unehe­ lich Geborenen, dessen Erzeuger nicht bekannt ist oder nicht genannt wird, also jedenfalls dem Sachverständigen für Rasseforschung nicht bekannt ist, fehlt ihm das Mittel, im Stammbuch beider Eltemteile der Frage nachzugehen, ob fremdes Blut dabei ist. Wenn Zweifel bestehen können, ob der Mann oder das Kind jüdisches Blut hat, wenn also bei ei­ ner Person ein Eltemteil nicht bekannt ist, sieht er sich infolgedessen genötigt, ihm eine Bescheinigung zu erteilen, die zwar nicht wie die übliche Bescheinigung besagt, daß der Betreffende Arier im Sinne des § 3 des Berufsbeamtengesetzes ist, aber, daß er mangels anderweitiger Anhaltspunkte als Arier im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gilt. Das ist natürlich nur ein Ausweg, eine sehr schwankende Brücke; aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht, und diese vom Herrn Reichsminister angedeuteten [67] Folgen bei einem Ver­ bot des außerehelichen Geschlechtsverkehrs würden natürlich in verstärktem Maße ein­ treten. Denn bei einem kleinen Kind lassen sich am Habitus noch viel weniger Rassemerk-

male erkennen als bei einem Erwachsenen, wo sie dann gewöhnlich stärker hervortreten. Die Nachteile würden dann wohl in vollem Umfange eintreten. Wir würden einen großen Teil Neugeborener bekommen, bei denen weder der Sachverständige noch das Volk erken­ nen kann, daß es sich hier um einen Menschen mit fremdem Blutszusatz handelt. [68] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Das bestätigt also mein Bedenken. [6 g] Staatssekretär Dr. Freister: Herr Reichsminister, ich kann es nicht ertragen, daß in diesem Kreise die Aufnahme eines Rassenschutzes in das neue Strafrecht überhaupt keine Befürwortung findet. Ich würde meine ganze kämpferische Vergangenheit nur als Ver­ gangenheit bezeichnen, wenn ich nicht zu dem Gegenteil raten würde. Mir ist aber klar, daß man zu dem Gegenteil nur kommen kann, wenn man zunächst über einige wenige Be­ griffe sich klar ist. Daß das bisher nicht der Fall ist, entnehme ich daraus, daß mit dem an­ geblichen Zentrum des Schutzbedürfnisses, nämlich mit dem Geschlechtsverkehr zwi­ schen Verschiedenrassigen, schon alle Bestimmungen fallen sollen. Weil es nicht möglich ist, ohne eine vorherige Änderung der Ehegesetzgebung einen strafrechtlichen Rasse­ schutz in bezug auf den geschlechtlichen Verkehr Verschiedenrassiger aufzubauen, des­ halb soll alles andere, was in dieser Richtung getan werden kann, auch nicht geschehen. Das zweite, was mir aufgefallen ist, ist die Beschränkung der Frage auf die Juden. Auch dagegen wehre ich mich. Ich bin nicht der Meinung, daß es eine Frage ist, die sich auch in Deutschland praktisch nur auf die Juden beschränkte, sondern ich bin der Meinung, daß die Frage in viel weiterem Umfange lebendig ist und gelöst werden muß. Ich brauche da nur an die großen Hafenstädte zu erinnern. Es ist ja letzten Endes auch eine Frage der gro­ ßen Hafenstädte aller Völker. Auch das muß man hervorheben, damit nicht der Eindruck entsteht, als ob aus einem gewissen Dünkel des Besserseins der eigenen Rasse heraus hier Bestimmungen erstrebt werden sollen, die gleichzeitig eine [70-79] Minderbewertung an­ derer Rassen einschließen. Es ist ja bekannt, daß die Preußische Denkschrift mehrfach fälschlich in diesem Sinne aufgefaßt worden ist, während in Wirklichkeit unser Wunsch dahin gehen muß, daß genau denselben Rassenschutz, den wir bei uns aufbauen, andere Völker und andere Rassen bei sich auch gegen uns ebenso aufbauen. Damit ist zunächst einmal der Behandlung der Frage die breitere Grundlage gegeben und ihr zweitens auch ei­ ne verletzende Spitze genommen, worauf ich besonderen Wert lege. Nachdem ich das vorausgeschickt habe, möchte ich darauf hinweisen, daß der Verrat der Rasse, d. h. des Volkstums, wie es blutgebunden geworden ist, vorhanden ist und sich weiter entwickelt, keineswegs nur strafrechtlich getroffen werden kann und soll. Deshalb scheint mir die Argumentation von Herrn Geheimrat Kohlrausch gegen die Aufnahme von Rassenschutzbestimmungen im Strafrecht auch nicht durchschlagend zu sein. [61] Herr Geheimrat Kohlrausch fragte rhetorisch, ob es denn wirklich richtig sei, das Rechttun zu erzwingen nur durch die Furcht vor der Strafe. Diese rhetorische Frage könnte man mit dem gleichen Recht, nämlich mit ebenso wenig Recht bei der Behandlung jeder anderen Frage im Strafrecht stellen. Man kann genau so gut fragen: soll das Nichtstehlen und in diesem Sinne das Rechttun nur gestützt werden auf die Furcht vor der Strafe? Es hat sich in Deutschland gezeigt, daß das unmöglich ist, wenn und so lange im Volke eine sehr große und starke Gruppe sich auf den Standpunkt stellt: Eigentum zu haben, ist unsittlich. Dann kann man natürlich nicht den Schutz des Eigentums auf die Dauer nur auf Strafbe­ stimmungen stellen. Ich könnte also diese rhetorische Frage genau so an irgend einem an­ deren Punkte unserer Besprechungen stellen; nur hätte ich dann ebenso wenig recht, wie es richtig ist, diese Frage hier zu stellen. Denn kein Mensch denkt daran, daß überhaupt die Furcht vor der Strafe geeignet ist, auf die Dauer eine bestimmte Haltung des Volkes zu si­ chern, sondern eine bestimmte Haltung des Volkes und seiner Glieder kann immer nur durch die bewußt gewordene einheitliche innere Einstellung und den Willen, dieser Ein­ stellung entsprechend zu leben, also letzten Endes durch Erziehung erzielt werden. Das hindert aber nicht daran, daß der Staat zusätzlich eben auch mit Strafen arbeitet. Und so handelt es sich hier nicht um die Frage, die Herr Geheimrat Kohlrausch aufgewor­ fen hat, ob nur durch strafgesetzliche Bestimmungen das Rechttun gesichert werden soll,

sondern um die Frage, ob wir uns hier jenseits oder diesseits der Grenze befinden, bei der wir zusätzlich zu den anderen Maß- [82] nahmen auch strafrechtlich reagieren. Nun erlaube ich mir auf die Tatbestände hinzuweisen, die in den Leitsätzen der Preußi­ schen Denkschrift auf Seite 48 enthalten sind, und zwar auf die besonders schweren Fälle: Rassenverrat unter arglistiger Verschweigung der Zugehörigkeit zur fremden Rasse oder Blutsgemeinschaft oder mittels einer Täuschung insbesondere in der Ehe oder bei Einge­ hung der Ehe. Das ist ein Tatbestand, der ganz zweifellos eine schwere Verfehlung an der deutschen Blutsgemeinschaft darstellt. Es ist ebenso zweifellos, daß auch diejenigen in Deutschland, die den Rassengedanken der nationalsozialistischen Bewegung heute noch für abwegig halten, zugeben müssen, daß es unerträglich ist, wenn jemand zu einem Ge­ schlechtsverkehr, einerlei ob ehelich oder außerehelich, gebracht wird unter arglistiger Täuschung über die Rassezugehörigkeit des andern.

Mein Minister pflegt immer zu sagen: man kann Gesetze nur schaffen, wenn der ent­ sprechende Zustand in der Seele des Menschen bereits vorhanden ist. Hier ist dieser Zu­ stand zweifellos vorhanden. Es wird niemand geben, der nicht zugibt: es ist eine Gemein­ heit, den Partner arglistig über die Rassenzugehörigkeit zu täuschen. Warum habe ich nun, eingehend auf die einzelnen möglichen Tatbestände, damit be­ gonnen? Weil hier die Änderung der Ehegesetzgebung nicht Voraussetzung für ein straf­ rechtliches Eingreifen ist, weder beim ehelichen noch beim außerehelichen Verkehr. Es ist richtig, daß es eine Unmöglichkeit darstellen würde, [83] den Staat und seine Beamten zu zwingen, Ehen abzuschließen, und andererseits diejenigen, die die Ehe unter sich ge­ schlossen haben, zu bestrafen. Das geht nicht. Es ist ganz klar, daß der Staat es zunächst unmöglich machen müßte, daß unter seiner Mitwirkung eine Ehe unter Verschiedenrassi­ gen zustandekommt, bevor er dazu übergehen kann, eine solche doch zustandekommene Ehe zu bestrafen. Ich gebe also grundsätzlich zu, daß man die Ehe zwischen Verschiedenrassigen nicht bestrafen kann, wenn man sie nicht vorher überhaupt eherechtlich unmöglich gemacht hat. Aber für diese besonders schweren Fälle der Preußischen Denkschrift paßt eben dieser Gesichtspunkt nicht; denn das ist völlig unabhängig von dem Abschluß der Ehe selbst. Ich bin der Meinung, daß es sich auch lohnt, insoweit einen Straf schütz einzuführen und Strafbestimmungen zu erlassen. Ich halte das für notwendig, und ich finde auch nicht, daß wir uns sagen müßten: ja, wir haben uns nun mit einem kümmerlichen Notbehelf be­ gnügt. Es würde schon ein sehr erheblicher Schutz sein, wenn neben der arglistigen Ver­ schweigung auch die Täuschung allgemein, wie es ja die Preußische Denkschrift vorsieht, mit unter Strafe gestellt wird. Es ist richtig, daß die Gefahr besteht, daß bei dem Auseinandergehen von ehelichen oder außerehelichen Verbindungen der eine Teil aus Rache Behauptungen dieser Art auf­ stellen wird, und es ist richtig, daß diese Gefahr erheblich ist. Ebenso ist es richtig, daß man dieser Gefahr begegnen muß. Das [84] Mittel, wie man ihr begegnet, muß gefunden werden. Ich würde als Richter dieses Mittel jetzt schon ein wenig in der Hand haben; denn ich würde eben bei der Bewertung der Behauptungen der einen Seite der mir seelisch ver­ ständlichen Versuchung, in der sich diese Seite befindet, Rechnung tragen. Mir würde wahrscheinlich in sehr vielen Fällen die wenn auch eidlich erhärtete Behauptung eines der beiden Partner zum Beweise der Richtigkeit der behaupteten Tatsache nicht genügen; und ich glaube, das würde nicht nur mir als Richter so gehen, sondern das würde allen Richtern so gehen. Damit ist die theoretisch vorhandene Gefahr praktisch schon erheblich einge­ schränkt. Man kann mir dann erwidern: ja, wenn nun im allgemeinen der Richter aus den von mir eben dargelegten Gründen der Behauptung eines der Partner keine volle Beweiskraft zumessen würde, dann ist die angestrebte Bestimmung doch praktisch bedeutungslos. Es mag sein, daß es praktisch in nicht sehr vielen Fällen zu einer Verurteilung käme. Aber ich glaube, die erzieherische Bedeutung dieser Bestimmung für das ganze Volk wäre sehr er­ heblich.

Ich bin deshalb der M einung, daß in einer noch näher auszuarbeitenden Weise eine Be­ stim m ung dieser Art aufgenommen wird. Wir haben uns dann eben auf den Standpunkt gestellt, daß zwar die Sicherung der gesunden Weiterentwicklung der deutschen Blutsge­ m einschaft vom nationalsozialistischen Volk und seiner Führung, also auch von seinem Staat m it den verschiedensten M itteln erstrebt wird, und daß nicht überall und bis ins Letz­ te hinein das Mittel der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeit gewählt wurde, daß man aber in solchen schweren Fällen nicht davor zurück-[85]gescheut ist, die strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit zu wählen. Es ist also dann nur eine Frage der Grenzziehung zwischen den verschiedenen Maß­ nahm en, die der Staat zur V erfügung hat. Es ist nicht eine Frage des Verrats an der eigenen Grundanschauung. M ir aber kommt es so vor, als ob wir in der Gefahr sind, unsere G rundanschauung zu verraten, wenn wir nicht einmal diese Bestimmung aufnehmen. Nun ist es mir natürlich klar, daß, wenn man sich grundsätzlich auf den Standpunkt stellen sollte, diese Bestimmung aufzunehmen, man in der weiteren Debatte noch sehr viele Einzelfragen auswerfen wird. Man wird sagen: wie ist es mit dem Verkehr von Deut­ schen und Fremdrassigen bei fremden Völkern draußen in der Welt? Man wird da m it Bei­ spielen kommen. M an wird sagen: was soll da werden, wo keine weiße Frau ist? M an wird weiter die Frage auswerfen: wie ist es bei der Frau und wie ist es beim Mann? Das und noch viele andere Fragen sind aber alles Fragen, über die man zwar auch sprechen muß, die ich aber jetzt in diesem Stadium der Verhandlungen — Ihr Einverständnis, Herr Reichsmi­ nister, vorausgesetzt — nicht behandle, weil ich nur beim Grundsätzlichen bleiben möch­ te. Ich bitte nur, aus den Schwierigkeiten, die sich in der angedeuteten Richtung ergeben, nun nicht etwa Argumente gegen den Grundsatz herzuleiten. Ich komme also zu dem Ergebnis, unabhängig von einer Änderung der Ehegesetzge­ bung schon diese schweren Fälle des Rassenverrats unter Strafe zu stellen, und zwar in ei­ ner W eise, die die Gegenseitigkeit des Unter-Strafe-Stellens mindestens für das deutsche Gebiet sicherstellt, sodaß damit dieser Regelung auch [86] jede Spitze gegenüber fremden Volks- und Blutsgemeinschaften abgebrochen wäre. W arum sollen wir nicht eine Rege­ lung wählen, die auch die frem den Blutsgemeinschaften bei uns in Deutschland schützt? Ich würde das empfehlen, einerlei ob diese anderen Blutsgemeinschaften das wollen oder nicht, weil es nämlich unserer inneren Einstellung entspricht. Es entspricht doch nicht un­ serer Einstellung, in einen Rassendünkel zu verfallen, sondern lediglich die Rassenrein­ heit auch der anderen als das Naturentstandene und offenbar Naturgewollte zu achten. Ich habe das hervorgehoben, um den Einwand — der ja erfreulicherweise aus der De­ batte ausgeschlossen werden soll, der aber doch in dem Gedanken eines jeden als eine M acht mitspricht — zu widerlegen: ob man nicht dadurch die Seele fremder Blutsgemein­ schaften und Völker unnötig und untragbar verletzt. Man braucht das durch die Art der Regelung nicht zu tun. W as nun den Geschlechtsverkehr mit Fremdrassigen, einerlei ob ehelich oder außerehe­ lich, betrifft, so bin ich allerdings der Ansicht, daß die V oraussetzung einer straf rechtlichen Re­ gelung hier die Ä nderung der Ehegesetzgebung sein m uß. Es muß ein absolutes Ehehindemis auf gestellt werden, wenn wir, von derTäuschung usw. abgesehen, die Eingehung irgend einer ehelichen oderunehelichenGeschlechtsgemeinschaftmitFremdrassigenbestrafen wollen. Es istnach meiner Ansicht ausschließlich eine Frage der politischen Entscheidung, ob das j etztgeschehen soll. Das ist von Ihnen, Herr Reichsminister, vorhin hervorgehoben worden; ins olgedessenwillichdarübernichtsprechen.Sollte[87-ioo]diepolitischeEntscheidungdahingefällt werden, daß dieser Grundsatz des Nationalsozialismus jetzt durchgeführt werden soll, dann würde natürlich der Weg der über die Änderung der Ehegesetzgebung sein. [101] Die Preußische Denkschrift hat einen weiteren Tatbestand des Rassenverrats vor­ geschlagen, nämlich die Rassengefährdung: Rassengefährdung begeht, wer es unternimmt, i . gegen die sonstigen zur Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemein­ schaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen,

2. den zur Aufklärung des deutschen Volkes über Reinerhaltung und Veredelung sei­ ner Blutsgemeinschaft erfolgten Maßnahmen des Reichs oder der Länder böswillig entge­ genzuwirken. Der zweite dieser beiden Tatbestände ist der schwerere, das Verschulden, das darin liegt, ist das größere, denn es handelt sich um das propagandistische Zuwiderhandeln ge­ gen Bestimmungen, gegen aufklärendes Einwirken, gegen Empfehlungen der Reichsregie­ rung. Soweit ich jetzt sehe, würde dieser Tatbestand, soweit er sich gegen die Empfehlun­ gen der Reichsregierung richtet, durch die in diesem Sinne bereits beschlossene allgemei­ ne Regelung mit erfaßt sein, so daß in diesem Zusammenhang nur die Frage entstehen könnte, ob man ihn hier besonders hervorheben sollte. Eine Regelung dieser Art scheint mir erforderlich zu sein, und dem ist auch bereits Rechnung getragen worden, wenn auch an anderer Stelle. Ob man das hier nochmals ausdrücklich sagen soll oder nicht, das ist wieder einmal eine Frage der politischen Entscheidung, und dann eine Frage, die auf ande­ ren Gebieten oft schon vor uns aufgetaucht ist, nämlich die Frage, ob man etwas, was man eigentlich nicht zu sagen brauchte, weil das gewünschte Ergebnis sowieso erzielt ist, doch aus Gründen der Einwirkung auf den, an den sich das Gesetz richtet, auf das Volk, zweck­ mäßigerweise doch nochmals sagt. Ich bin der [102] Meinung, daß es hier zweckmäßig ist, das besonders zu sagen, bin mir aber klar, daß der Grund, der dafür spricht, es besonders zu sagen, aufgehoben werden könnte durch politische Gründe, die etwa dagegen sprä­ chen, worüber ich mich aber hier nicht äußern will. Unter der Voraussetzung, daß nicht überwiegende politische Gründe dagegen sprechen, wäre meine Meinung die, daß der zweite Tatbestand der Rassengefährdung der Preußischen Denkschrift aufgenommen werden müßte. Der erste Tatbestand der Rassengefährdung bedeutet nichts anderes als eine Rahmen­ bestimmung für irgendwelche sonstigen gesetzlichen Bestimmungen. Es handelt sich also um das Zuwiderhandeln gegen gesetzliche Vorschriften auf diesem Gebiet, das immer un­ ter eine Strafe gestellt wird. Ich glaube, da befinden wir uns nicht mehr auf dem Gebiete des Grundsätzlichen, sondern auf dem Gebiete der Zweckmäßigkeit; denn es handelt sich darum, die Grenze zu ziehen zwischen strafrechtlicher Sanktion und sonstigen Erzie­ hungsmitteln des Staates. Die Preußische Denkschrift hat als weiteren Tatbestand die Verletzung der Rassenehre aufgestellt. Dieser Tatbestand ist ja vorhin von den Herren Berichterstattern auch erwähnt worden. Der Verletzung der Rassenehre macht sich schuldig, wer unter gröblicher Verlet­ zung des Volksempfindens und in schamloser Weise öffentlich Verkehr mit Angehörigen farbiger Rassen pflegt. Ich bin heute nicht mehr der Meinung, daß man diesen Tatbestand zweckmäßigerweise hier aufnimmt, sondern daß schamloser öffentlicher Verkehr der hier angedeuteten Art unter Umständen auch dann bestraft werden sollte, wenn er nicht mit Angehörigen fremder Rassen gepflegt wird. Eine Bestimmung dieser allgemeinen [103] Art müßte allerdings enger gefaßt werden, als es hier geschehen ist; denn wir wollen hier nicht einen calvinistischen Staat aufrichten. Sie würde genügen, um die hier gemeinten Fälle innerhalb des Strafrahmens als besonders schwere Fälle zu behandeln. Dagegen meine ich, daß zwei andere Tatbestände der Preußischen Denkschrift in Wirk­ lichkeit hierher gehören. Auf S. 55 ist die Rede von der Grabschändung, insbesondere von der Schändung von Gräbern der Großen unseres Volkes. Ich bin mir klar, daß die Grab­ schändung an sich im wörtlichen, an das Materielle anknüpfenden Sinne nicht hierher ge­ hört, wohl aber im ideellen Sinne. Wir dürfen, wenn wir von der Rasse sprechen, nicht den Fehler machen, den man so vielfach bei der Betrachtung des Volkes gemacht hat, indem man nämlich die lebende Generation als das Volk angesehen hat. Die Rasse ist nicht nur die in ihr zur Zeit lebende Blutsgemeinschaft, sondern zur Rasse, zur Blutsgemeinschaft gehören auch Vergangenheit und Zukunft. Insofern kann die Rasse ideell geschädigt, her­ abgesetzt, beschimpft werden in dem Werden der deutschen Blutsgemeinschaft und in den künftigen Möglichkeiten ihrer Entwicklung. Hier befinden wir uns nach meiner Über­ zeugung bei einer Wurzel des Übels und nicht bei einer Nebenerscheinung. Ich kann es

nicht beweisen, aber ich glaube, daß wir in den letzten 50, vielleicht sogar 100 Jahren nicht so weit in der Verirrung gekommen wären, wenn man in Deutschland an der Vergangen­ heit und an den in die Zukunft weisenden Tendenzen nicht hätte rütteln dürfen, wenn es nicht möglich gewesen wäre, die vergangene Entwicklung unserer Blutsgemeinschaft ver­ ächtlich zu machen oder herabzusetzen. [104] Denn dann hätte das Volk den Sinn für die Reinheit des eigenen Blutes bewahrt und wäre nicht in die Verirrungen hineingeraten, in die es, wie immer, unter Führung der Plutokratie und des Feudalismus tatsächlich geraten ist. Weil wir uns hier also bei einer Wurzel des Übels befinden, müssen wir auch hier an­ greifen, und zwar strafrechtlich. An der vorhin genannten Stelle steht nun allerdings etwas von der Schändung von Gräbern der Nationalhelden. Dieser Tatbestand unterscheidet sich bezüglich des am Materiellen des Grabes Haftenden und auch bezüglich der Einschrän­ kung auf Nationalhelden von dem Tatbestand, den wir hier als einen ideellen Rasseverrat aufnehmen müssen, der sich auf das Werden des Volkes überhaupt bezieht. Ein weiterer Tatbestand der Preußischen Denkschrift ist folgender: „Wer es unter­ nimmt, öffentlich in Wort, Druck, Bild oder in sonstiger Weise den natürlichen Willen des deutschen Volkes zur Fruchtbarkeit zu lähmen oder zu zersetzen, macht sich strafbar/' Da steht nun nichts von verschiedenen Rassen, und es könnte deshalb so scheinen, als ob die Bestimmung gar nicht unter den Rassenschutz gehöre. Ich bin anderer Meinung; und zwar deshalb, weil ich mir den Rassenschutz nicht nur im Verhältnis mehrerer Rassen gegenein­ ander denke, sondern unter dem Schutz der Rasse auch den Schutz der natürlichen Le­ benskraft unserer Blutsgemeinschaft verstehe. Man kann die Lebenskraft der Blutsge­ meinschaft auch von innen heraus aushöhlen. Deshalb gehört diese Bestimmung nicht in den Zusammenhang, in den sie die Preußische Denkschrift bringt, sondern in [105] den Zusammenhang, den wir hier behandeln. Ich möchte deshalb bitten, zu erwägen, ob nicht in ein Kapitel über Rassenschutz, das ich allerdings „Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft" zu nennen empfehlen würde, auch diese Bestimmung gehört. Im Ergebnis meiner Ausführungen stelle ich anheim, in diesem Kapitel zu vereinigen: 1. die besonders schweren Fälle der Preußischen Denkschrift über den Rassenverrat; 2. wenn nicht die politische Entscheidung anders fällt, nach vorheriger Änderung der Ehegesetzgebung auch den Rassenverrat in dem engeren und, wie die Herren Berichter­ statter meinten, zentralen Sinne; 3. die Zersetzung der natürlichen Fruchtbarkeit der deutschen Blutsgemeinschaft; 4. den ideellen Rasseverrat; 5. den zweiten Tatbestand der Rassengefährdung der Preußischen Denkschrift. [106] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Das Thema ist durch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Freister unter neuen Gesichtspunkten zur Diskussion gestellt worden. Richtig ist, daß Bestrafung der arglistigen Täuschung über die Rassenzugehörig­ keit bei Schließung der Ehe keine Schwierigkeiten auf dem Gebiete des Zivilrechts macht. Wenn heute ein Ehepartner den anderen arglistig über seine Rassenzugehörigkeit täuscht, so ist das schon nach geltendem Recht ein Anfechtungsgrund; das scheint mir ohne allen Zweifel zu sein, wenngleich ich gewisse Auffassungen, die von Gerichten in unserer Zeit über Anfechtbarkeit von Ehen vertreten worden sind, für recht bedenklich halte. Kritisch wird die Frage beim außerehelichen Geschlechtsverkehr. [125] Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin): Ich meine auch, daß ein nationalsoziali­ stisches Strafrecht Bestimmungen gegen Rassenvermischung im engeren Sinne enthalten muß. Ich möchte gleichfalls den Begriff der Rassengefährdung im Sinne der Gefährdung durch Vermischung mit anderen Rassen verstehen und möchte von vorherein die Bestim­ mungen über Grabschändung und Unterhöhlung des Fruchtbarkeitswillens, die der Herr Staatssekretär Freister erwähnt hat, in diesem Zusammenhange ausscheiden. Im übrigen möchte ich entschieden dafür eintreten, daß die Täuschung über die Ras­ senzugehörigkeit bei Eheschließungen, wenn nicht auch beim außerehelichen Ge­ schlechtsverkehr, unter Strafe gestellt wird. Wir haben schon gehört, daß die Gerichte in

erheblichem Umfange die Anfechtbarkeit der Ehe aus dem Gesichtspunkte der Täuschung anerkannt haben, wenn der eine Teil den anderen Teil über seine fremde Rassenzugehö­ rigkeit getäuscht hat. Wir können an die bestehende Gesetzgebung anknüpfen, wenn wir den Gedanken strafbarer Täuschung über fremde Rassenzugehörigkeit strafrechtlich verwerten und aus­ bauen wollen. So bestraft § 179 des Strafgesetzbuchs denjenigen wegen Ehetäuschung, der eine Frauensperson zur Gestattung des Beischlafs dadurch verleitet, daß er eine Trau­ ung vorspiegelt oder einen anderen Irrtum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen [126] hielt. Ferner gehört § 170 betreffend Täuschung über ein gesetzliches Ehehindernis hierher. Dann möchte ich auf das Geschlechtskranken-Gesetz hinweisen. §5 bestraft denjeni­ gen, der bei einer Eheschließung dem anderen Teil arglistig eine ansteckende Geschlechts­ krankheit verschweigt. Täuschungen bei der Eheschließung zu strafen, bestehen keinerlei kriminalpolitische Bedenken, und ich kann mir nicht denken, daß solchen Absichten ge­ genüber die Opportunitätsfrage eine Rolle spielt. Was nun die Bestrafung der Ehe mit Angehörigen fremder Rasse schlechthin betrifft, so setzt das selbstverständlich eine Änderung der Zivilgesetzgebung vor­ aus. Sollte aber in absehbarer Zeit im Zivilrecht ein gesetzliches Ehehindernis der Zugehörigkeit zu einer fremden Rasse eingeführt werden, dann würde ich auch für die Bestrafung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit Angehörigen frem­ der Rassen eintreten. Ich möchte allerdings gleich die Einschränkung machen, daß der Begriff der fremden Rassenzugehörigkeit irgendwie noch durch Ausführungsvorschriften enger umgrenzt werden muß, auf die in der Strafvorschrift Bezug zu nehmen wäre. Wenn wir eine Bestim­ mung annehmen sollten, die denjenigen unter Strafe stellt, der durch Täuschung über sei­ ne Rassezugehörigkeit einen anderen zum Geschlechtsverkehr veranlaßt, so müssen Be­ stimmungen der Reichsregierung darüber ergehen, was eine fremde Rasse im Sinne dieser Bestimmung ist; denn ich glaube nicht, daß die Rassenfrage bereits so geklärt ist, daß hier keine Zweifel auftauchen können. [127] Die grundsätzlichen Bedenken, die von einem der Herren Berichterstatter geäu­ ßert worden sind, vermag ich nicht zu teilen. Es wird gewöhnlich, wenn eine neue Strafbe­ stimmung in Aussicht genommen wird, darauf hingewiesen, daß die Gefahr von Denun­ ziationen und Erpressungen besteht, wenn sie eingeführt würde. Das kann man bei jeder Strafbestimmung sagen. Die Gefahr scheint mir gerade hier nicht so erheblich zu sein. Sie wäre jedenfalls größer, wenn wir den Geschlechtsverkehr mit einer abhängigen Person unter Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses unter Strafe stellen würden, und doch würden wir uns wohl hierdurch nicht vom Erlaß einer solchen Strafbestimmung zurück­ halten lassen. Ein anderes Bedenken, das Herr Professor Kohlrausch in seinen schriftlichen Anträgen geäußert hat, ist, daß es schwer wäre, gegen den Naturtrieb anzukämpfen, und daß über­ haupt strafrechtliche Maßnahmen in ihren Erfolgen unsicher sind, wenn es sich um einen Kampf gegen Naturtriebe handelt. Dieses Bedenken schlägt schon deshalb nicht durch, weil man diesen Einwand gegen die Bekämpfung aller Sittlichkeitsdelikte anführen könn­ te. Es handelt sich ja gerade um die Frage, ob man dem Naturtrieb freie [128-140] Bahn las­ sen darf und welche strafrechtliche Grenzen und Schranken man ihm ziehen soll. Daß letzten Endes nur an die Furcht vor Strafe beim Verbot eines außerehelichen Ge­ schlechtsverkehrs mit Fremdrassigen appelliert würde, kann ich auch nicht zugeben; denn ich glaube, die überwältigende Mehrheit des Volkes wird heute zur Rassenethik stehen. Der relativ verschwindende Teil der Bevölkerung, der auf abweichendem Standpunkt steht, muß es sich gefallen lassen, daß diese Ethik der Allgemeinheit hier strafrechtliche Gestaltung gewinnt. Der Einwand, der übrigens, wie Herr Staatssekretär Freister ausge­ führt hat, auch bei anderen Delikten in Frage kommen könnte, ist ein rein theoretischer, kann daher nicht durchschlagen.

[141] Was im übrigen die auf Seite 49 der Pr. Denkschrift unter Ziffer 1 angeregte Frage betrifft die der Herr Reichsminister auch erwähnt hat, ob man eine Blankettbestimmung gegen diejenigen aufstellen soll, die gegen die zur Reinerhaltung der deutschen Blutsge­ meinschaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften verstoßen, so ist hier schon darauf hin­ gewiesen worden, daß diese Vorschriften wahrscheinlich selbst schon vorhandene Straf­ drohungen enthalten werden und daß es deswegen nicht nötig sei, im Strafgesetzbuch dar­ auf einzugehen. Ich würde es doch vorziehen, im allgemeinen Strafgesetzbuch eine solche Blankettbestimmung aufzustellen, denn der Eindruck würde ein viel deutlicherer und wuchtigerer sein, als wenn diese Strafbestimmungen von Fall zu Fall innerhalb der betref­ fenden Vorschriften erschienen. Dann möchte ich noch auf einen Einwand eingehen, der gegen die Kriminalisierung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit fremden Rassenangehörigen gemacht wor­ den ist. Es wurde gesagt, daß dann, wenn beide Teile bestraft würden — und das muß doch geschehen, dieser Ansicht bin ich auch — ein gemeinsames Interesse daran vorhan­ den wäre, es nicht an den Tag kommen zu lassen, daß das Kind aus der strafbaren Verbin­ dung ein fremdblütiges, z.B. nichtarisches ist, und daß auf diese Weise gerade das Gegen­ teil von dem erreicht würde, was wir wollen, daß nämlich in das deutsche Volk eine ganze Reihe als solche nicht erkennbar Nichtarier hineinkämen. Nun ist es sicher richtig, daß der eine oder andere Fall so verlaufen wird, daß ein Nichtarier sozusagen einmal unterschla­ gen wird und als Arier auftritt. Dieses Bedenken wiegte aber so gut wie nichts, wenn wir [142] ins Auge fassen, daß die generalpräventive Wirkung einer Strafvorschrift gegen au­ ßerehelichen Geschlechtsverkehr mit Rassefremden sicher dahin führen würde, daß in viel geringerem Umfang als heute gemischtblütige Existenzen in die Welt gesetzt würden. [143] Reichsjustizminister Dr. Giirtner: Ich habe nur zwei Fragen, die ich in der weiteren Aussprache zu berücksichtigen bitte. Herr Senatspräsident Klee, welcher Art sollen die Bestimmungen sein, die unter die Rassengefährdung, Ziffer 1, fal­ len? Woran denken Sie da? (Senatspräsident Professor Dr. Klee: An Seite 49 Ziffer 1 der Preußischen Denkschrift!) — Das sind die „zur Reinerhaltung und Verede­ lung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften". Dar­ unter würden doch nach unserem bisherigen Sprachgebrauch und auch nach Ihrem Rassenbegriff die Sterilisationsbestimmungen nicht fallen? (Senatspräsident Profes­ sor Dr. Klee: Nein!) [144] Professor Dr. Dahm (Kiel): Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, um eine Bemer­ kung zum Grundsätzlichen zu machen. Ich möchte nicht, daß der Eindruck entsteht, als ob gerade in der jungen Generation und allgemein an den Universitäten die starke Skepsis ge­ teilt würde, die in den Ausführungen des Herrn Professors Kohlrausch zum Ausdruck kam. Das Strafrecht soll den Schutz der völkischen Grundordnung sichern. Ein völkischer Grundwert aber ist die Rasse, und weiten Kreisen unseres Volkes würde ein Gesetz als un­ zulänglich erscheinen, das diesen Grundgedanken nicht deutlich zum Ausdruck bringt. Das wiegt sehr viel schwerer als die grundsätzlichen Bedenken, die Herr Professor Kohl­ rausch gegen die Aufnahme solcher Bestimmungen vorgetragen hat. Selbstverständlich muß der Rassegedanke von innen her wachsen, und das Strafrecht hat gegenüber der Er­ ziehungsarbeit, die hier zu leisten ist, nur eine untergeordnete Bedeutung. Aber mit dieser Begründung könnte man schließlich auch die Aufnahme von Bestimmungen über Sittlich­ keitsverbrechen, Landesverrat usw. in das Strafgesetzbuch bekämpfen. Andererseits ha­ ben gerade die Erfahrungen der letzten Monate gezeigt, daß die Gesetzgebung zu dieser Erziehungsarbeit wesentliches beitragen kann. Denn wenn sich heute der Rassengedanke in weiten Volkskreisen, und gerade in den gebildeten Schichten, durchgesetzt hat, so ist das nicht zum wenigsten ein Erfolg des Geset- [145] zes zur Wiederherstellung des Berufs­ beamtentums, das über alle Einzelwirkungen hinaus eine große erzieherische Wirkung auf das ganze Volk ausgeübt hat. Darum scheint mir der Hinweis auf die Kreise, die heute dem Rassegedanken grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen, keineswegs überzeugend. Es gibt ja auch andere Überzeugungen, auf die wir keine Rücksicht nehmen können.

Der Rassegedanke könnte an verschiedenen Stellen des Strafgesetzbuchs zum Aus­ druck kommen. So muß zunächst der Vorspruch einen Hinweis auf den Rassengedanken enthalten, unabhängig davon, ob und in welchem Umfange Einzelvorschriften geschaffen werden. Es wird sodann im Rahmen der zweiten Lesung zu prüfen sein, ob z. B. das soge­ nannte Personalprinzip auf Angehörige unseres Volkes und unserer Rasse zu beschränken ist. Weiterhin gehört die Frage der Schwangerschaftsunterbrechung auf Grund eugenischer Indikation in diesen Zusammenhang. Endlich sollten wir einen Abschnitt über den Schutz der Rasse in den Besonderen Teil aufnehmen und hier den Vorschlägen des Herrn Staatssekretärs Dr. Freisler folgen. [147] Ministerialrat Dr. Möbius: Herr Reichsminister, darf ich als Mediziner meine Dis­ kussionsbemerkung in eine Frage kleiden, die sich auf die Rassengefährdung bezieht und die durch Ihre Ausführungen und durch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Freisler und auch durch die Frage des Herrn Senatspräsidenten Dr. Klee schon erheblich berührt worden ist? Wir Verwaltungsmediziner müssen an die Reichsregierung den Wunsch herantragen, daß diejenigen Gesetze, die sich mit Erb- und Rassenpflege beschäf­ tigen und die Erb- und Rassenpflege unseres Volkes sichern wollen, gegen jedwede Sabo­ tage geschützt werden. Wir müssen erstens von Erbpflege und zweitens von Rassenpflege sprechen: die Erbpflege, die zum Ziel hat, das Erbgesunde in unserem Volke zu erhalten, zu sichern und weitmöglichst eine Vermehrung dieses gesunden Erbguts anzustreben, und zweitens die Rassenpflege, die darauf ausgeht, unsere deutsche Rasse zu erhalten und zu bessern. Solche Gesetze sind bereits erlassen, und es werden und müssen weitere Ge­ setze auf diesem Gebiete folgen. Das Hauptgesetz, das wir in dieser Beziehung haben, ist das Gesetz zur Verhütung erb­ kranken Nachwuchses. Dieses Gesetz bringt, soweit ich es übersehe, keine Strafbestim­ mung gegen diejenigen, die Sabotage gegen dasselbe ausüben. Daß aber Sabotage in ge­ wissem Sinne dagegen getrieben wird, ist klar. Die Schwierigkeit jedoch, dieser Sabotage Herr zu werden, scheint erheblich groß zu sein. Ich möchte nun in der Diskussion nur die Frage stellen: reicht das, was jetzt im Strafgesetzbuch steht oder was im Strafgesetzbuch beabsichtigt ist, dazu aus, die gesetzlichen Bestimmungen, die in solchen Spezialgesetzen getroffen werden, um unsere deutsche Erb- und Rassenpflege zu sichern und zu fördern, gegen Sabo- [148] tage zu schützen? Ich kann (dies) hier nicht übersehen, möchte jedoch gleichzeitig daran die Bitte anschließen, daß der Ausschuß oder eine andere Stelle Bestim­ mungen treffen, die die Sabotage dieser Gesetze unbedingt aufs schwerste bestrafen und verhüten. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß wir bei der Erb- und Rassenpflege nicht nur abgrenzen wollen, was nicht deutsch ist, sondern daß wir dabei zunächst einmal den Bestand unseres deutschen Volks, d. h. dessen, was man allgemein als deutsch versteht, pflegen und zur möglichsten Vollkommenheit bringen wollen. [149] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Herr Dr. Möbius, wenn Sie die Begriffe „Erbund Rassenpflege" nebeneinander aussprechen, so verstehen Sie doch unter Rassepflege in erster Linie den Rassenschutz, d. h. den Schutz vor Vermischung und Verschlechterung der deutschen Rasse durch fremdes Blut? [150] Ministerialrat Dr. Möbius: Ja, nur daß der Begriff „Rassenpflege" — ich improvi­ siere jetzt — eine positive Seite und eine negative Seite hat. Zunächst fördert er das, was da ist, was also deutsch ist; und zweitens will er das, was deutsch ist, gegen fremden Ein­ fluß schützen. [151] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn Sie das Wort „Rassenpflege" so auffassen, ist für „Erbpflege" eigentlich kein Raum mehr. (Ministerialrat Dr. Möbi­ us: Deswegen haben wir den Begriff „Erb- und Rassenpflege" nebeneinander!) — Ich habe schon den Eindruck, daß sich das mit meiner Auffassung ungefähr deckt: Erbpflege ist die Verwaltung und Pflege des gesunden Erbgutes, das vor­ handen ist; die Rassenpflege ist schon mehr ein Schutz gegen Einwirkungen von außen, die Femhaltung fremden Bluts usw.

[152] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich lege bei dieser Diskussionsfrage großen Wert dar­ auf, ob auch die Erbpflege, nicht bloß die Rassenpflege irgendwie geschützt werden kann; denn auch die Erbpflege, die im Sterilisationsgesetz ausdrücklich im Vordergrund steht, muß geschützt werden. Ich kann aber nicht übersehen, ob mit dem, was hier zur Diskus­ sion gestellt wird, überhaupt der Begriff der Erbpflege schon hinreichend eingeschlossen ist. [153-1Ö0] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Vielleicht kommen wir einen Schritt weiter, wenn einer der Herren die Liebenswürdigkeit hat, die Fassung des § 169 zur Kenntnis zu bringen, die Herrn Dr. Möbius sicher nicht gegenwärtig ist. [161] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Der Wortlaut wäre etwa: „Wer es unternimmt, gegen die sonstigen zur Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, wird ..." [162] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Das ist der Vorschlag, und jetzt bitte ich §169 zur Kenntnis zu bringen. [163] Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Wer öffentlich zur Auflehnung gegen ein Gesetz, eine Verordnung oder eine behördliche Anordnung auffordert oder anreizt, oder wer öffentlich dazu auffordert oder anreizt, eine Empfehlung der Reichsregierung zu miß­ achten, wird mit Gefängnis bestraft. [164] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Diese Bestimmung hat einen allgemeinen Inhalt: Auflehnung gegen Gesetze, Verordnungen und Anordnungen, erweitert auf Empfehlun­ gen, die von der Reichsregierung ausgehen. [165] Ministerialrat Dr. Möbius: Diese Frage wollte ich stellen; ob man nicht wenigstens den für uns wichtigsten Punkt „Gesetze, Verordnungen, insbesondere auf dem Gebiete der Erb- und Rassenpflege" hineinbringen soll, damit diese beiden Begriffe im Strafge­ setzbuch — an welcher Stelle, das kann ich nicht übersehen — aufgeführt werden. Mir scheint allerdings, daß der § 169 sehr wohl hierauf angewendet werden kann; doch sollte der Begriff der Erb- und Rassenpflege als Kernstück des ganzen Aufbaues besonders er­ wähnt werden, da dies eine größere Klarheit sowohl für das Volk als auch für den Juristen und den Mediziner schaffen würde. [166] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich habe den Eindruck, daß auf dem Gebiet der Erb- und Rassenpflege die Empfehlungen eine besondere Rolle spielen könnten. [168] Eine völlig andere Frage ist die der arglistigen Täuschung beim Abschluß der Ehe und beim außerehelichen Geschlechtsverkehr, und dann die weitere Frage, die der Herr Staatssekretär zur Debatte gestellt hat. [169] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Aber die allgemeine Frage und der Tatbe­ stand, der von den beiden Berichterstattern gewissermaßen als das Hauptstück angesehen wurde, stehen nicht zur Debatte. Das ist vielleicht nicht ganz verstanden worden, weil die Herren Klee und Dahm doch über diesen Gegenstand gesprochen haben. Ich möchte dar­ auf keineswegs eingehen, aber weil davon gesprochen wurde und weil vom Herrn Kolle­ gen Dahm mit voller Berechtigung gesagt worden ist, daß namentlich die Kollegen der jüngeren Generation den Standpunkt einer Durchbildung der Rassegesetzgebung und na­ mentlich auch der strafrechtlichen Sanktion mit Nachdruck vertreten, darf ich vielleicht nur die kurze Erklärung abgeben, daß ich auf dem gleichen Standpunkt stehe. Ich halte — von politischen Erwägungen natürlich ganz abgesehen — einen weiteren Ausbau der Ras­ segesetzgebung des Deutschen Reiches außerhalb des Bereiches des Strafrechts, aber ganz besonders auf strafrechtlichem Gebiet als dringend wünschenswert. Wenn ich dann auf die Punkte eingehen darf, die jetzt zur Besprechung stehen, im we­ sentlichen die vier Vorschläge, die Herr Staatssekretär Freister gemacht hat, so würde ich es sehr unterstützen, die Erschleichung eines geschlechtlichen Verkehrs mit Verschwei­ gung der Rassenverschiedenheit unter Strafe zu stellen. Das wäre strafrechtlich nicht et­ was ganz Neues. Es ist, kann man sagen, die Anwendung eines Gedankens auf diesem be­ sonderen Gebiet, der sonst im deutschen Strafrecht auch schon vorhanden ist. Man könnte damit sicherlich den Einwendungen, die vielleicht mehr böswillig als sachlich begründet

gegen einen solchen Vorschlag, gegen die ganze Rassegesetzgebung gemacht werden, viel leichter [170] begegnen. Ich würde mich auch nicht auf den Standpunkt stellen, nichts sei besser als wenig, sondern umgekehrt glauben, daß hier wenig doch besser ist, als wenn dieses ganze Problem vom neuen Strafgesetzbuch überhaupt unbeachtet gelassen würde. Von den Anregungen auf Seite 49 der Preußischen Denkschrift wäre Punkt 1 m. E. nicht aufzunehmen, also keine Strafdrohung für die Verletzung von Vor­ schriften zu schaffen, die überhaupt zur Reinerhaltung und Veredelung der deut­ schen Blutsgemeinschaft ergangen sind oder ergehen werden. Ich glaube, daß auch nach den Ausführungen des Herrn Obermedizinalrates Möbius dieser Schluß gezo­ gen werden kann. Es ist doch mißlich, hier eine Strafdrohung für eine vom Standpunkt des Strafgesetzbuches aus gar nicht übersehbare Fülle von Vorschriften aufzustellen, die in ihrer Wertigkeit sehr verschieden sein können. Soweit ich se­ hen kann, sind im Augenblick solche Vorschriften noch gar nicht vorhanden. Es könnte gerade das wieder einen Anlaß zu Angriffen gegen solche Bestimmungen geben, der zum mindesten vorläufig noch gar nicht vorhanden ist. Man würde hier eine Verdeckung vermuten. Irgendeinen erzieherischen Zweck kann man durch eine solche Bestimmung doch nicht erzielen, weil man aus ihr nicht sieht, was hier eigentlich geschützt werden soll. Hingegen würde ich es sehr unterstützen, den Punkt 2 aufzunehmen. Ich glaube über­ haupt, daß der Bestand unseres § 169 uns nicht daran hindern sollte, in einzelnen Ab­ schnitten diesen Tatbestand bezogen auf ein besonderes Gebiet zu wiederholen, so daß man hier den Versuch einer Sabotage namentlich der Empfehlungen zum Schutze und zur Reinerhaltung des deutschen Erbgutes unter Strafe stellen würde, wenn das auch durch § 169 schon gedeckt ist. Man kann immer einen speziellen Fall wiederholen. Das würde ich aus Gründen [171] der Plastik und des Eindrucks, den die Gesetzgebung macht, für sehr er­ wünscht halten. Herr Staatssekretär Freister hat dann angeregt, den Schutz der Heldenehrung und des Willens des deutschen Volkes zur Fruchtbarkeit auch in diesen Abschnitt zu stellen. Es ist mir klar, daß diese beiden Tatbestände im künftigen Strafgesetzbuch erscheinen müssen. Es fragt sich nur, wo sie eingereiht werden sollen. Ich würde nun allerdings glauben, daß diese Zusammenziehung gewisse taktische Vorteile hat, auch den rein technischen, daß wir sonst nicht wissen, ob nicht das Kapitel des Rasseschutzes zu mager ausfällt. Wir hät­ ten hier schon einen Tatbestand, der als unangefochten bezeichnet werden kann. Nur glau­ be ich, daß dann der Gesichtspunkt des Schutzes gegenüber dem ursprünglichen Gedan­ ken des Schutzes der Rasse sich etwas verschiebt. Man könnte dann nicht mehr von einem Schutz der Rasse sprechen, sondern es würde sich um den Schutz, ich würde etwa sagen, des deutschen Volkstums handeln. Das ist dann der entscheidende Gesichtspunkt. Man könnte darunter noch die eine oder andere Vorschrift bringen. Nach der Kapitelordnung, an die wir uns vorläufig halten, würden wir ja eigentlich vor der Besprechung der Vor­ schriften zum Schutze des deutschen Volksbestandes stehen, und der Herr Berichterstatter Vizepräsident Grau hat vorgeschlagen, diesen Abschnitt, in dem dann auch Bestimmun­ gen zugunsten der Volksgesundheit eingestellt werden, Schutz des deutschen Volkstums zu nennen. Allerdings wäre, wenn man die Vorschläge, wie sie bis heute morgen vorlagen, betrachtet, in den Abschnitt Schutz des Volkstums von dem, was ich unter deutschem Volkstum verstehe, überhaupt nicht die Rede gewesen; denn die [172] Brunnenvergiftung kann ich nicht als etwas ansehen, wogegen das deutsche Volkstum besonders geschützt wird, sondern das ist die Gesundheit des Volkes überhaupt. Ich meine, wir müssen sowohl einen Abschnitt Schutz des deutschen Volkstums haben als auch einen Inhalt, der dieser Überschrift entspricht. Da würde ich mir das, was voraussichtlich vom Rasseschutz übrig bleibt, Schutz der deutschen Helden, vielleicht auch eine spezifische Bestimmung zum Schutz deutscher Sitte, deutschen Brauchtums, also des deutschen Volkslebens in seiner Reinheit und schließlich auch den Schutz des Fruchtbarkeitswillens ganz gut vereinigt denken können.

[173] Reichsjustizminister Dr. Gürtner.'Würden Sie in diesen eben skizzierten Abschnitt auch das hineinnehmen, was wir als spezifischen Rasseschutz ansprechen? (Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Ich glaube, man sollte das vereinigen!) [174] Professor Dr. Mezger (München): Im grundsätzlichen Ausgangspunkt kann ich die Auffassung von Herrn Kollegen Kohlrausch nicht teilen. Ich bin der Meinung, daß das Strafrecht im Rassenkampf ein sehr wirksames Mittel sein kann. Ich betone ausdrücklich: im Rassenkampfe. Denn es handelt sich um einen Kampf der Rassen um den deutschen Lebensraum, und ich muß gestehen, daß manche Härten und Ungerechtigkeiten des Kampfes viel eher zu ertragen sind, wenn man sich klar macht, daß es sich um zwei einan­ der gegenüberstehende Fronten und einen Kampf handelt, in dem es eben hart auf hart geht. Wenn die vorgeschlagene Strafbestimmung gegen arglistiges Verschweigen der Zuge­ hörigkeit zur fremden Rasse bei Eingehung einer Ehe aufgenommen wird, so dürfte es kaum möglich sein, daß man eine solche Bestimmung auf die Ehe beschränkt. Es handelt sich bei dieser Frage nicht um eine Frage, die sich nur auf das Institut [175-180] der Ehe be­ zieht, sondern um eine Frage der Rassenvermischung als solcher, also auch um ein Pro­ blem des außerehelichen Geschlechtsverkehrs. [181] Gegen eine Trennung des ehelichen und außerehelichen Verkehrs dürfte auch auf die Gefahr hinzuweisen sein, daß, wenn Strafbestimmungen eingefügt würden, die sich nur auf den ehelichen Verkehr beziehen, dann eben mancher Verkehr in außereheliche Be­ ziehungen abgedrängt würde, und das ist doch ganz gewiß nicht das, was mit der Bestim­ mung erreicht [182] werden will. [183] Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Ich möchte bloß anmerkungsweise daran erin­ nern, daß wir im geltenden Strafgesetzbuch eine Bestimmung haben, die folgendermaßen lautet: „Wer bei Eingehung einer Ehe den anderen Teil zur Eheschließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten, wird, wenn aus einem dieser Gründe die Ehe aufgelöst worden ist, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt auf Antrag des ge­ täuschten Teils ein." Also ein Teil der rechtspolitischen Gedanken ist auch in dem gelten­ den Recht schon enthalten, allerdings unter dem Gesichtspunkt der Verbrechen und Ver­ gehen in Bezug auf den Personenstand. [184] Staatssekretär Dr. Freister: Ich möchte zunächst Herrn Dr. Möbius darauf aufmerk­ sam machen, daß der § 169 nur die öffentliche Sabotage bedroht. Es ist mir zwar klar, daß man bei einer so allgemeinen Fassung, wie sie § 169 hat, die sich auf alle Gebiete der Volksführung praktisch ausdehnt, und zwar nicht nur der staatlichen, sondern auch — das wird die Analogie sehr bald machen — der Volksführung durch die Partei, die Einschrän­ kung auf die öffentliche Sabotage wohl nötig hat. Es fragt sich aber, ob man für das Spe­ zialgebiet der Erb- und Rassenpflege auch die Öffentlichkeit als einschränkendes Moment für die Strafbestimmungen ertragen kann, oder ob nicht da von der Notwendigkeit der Öf­ fentlichkeit der Sabotage abgesehen werden muß. Dann habe ich vorhin einen rednerischen Fehler gemacht. Es war doch nicht richtig, daß ich an die Grabschändung angeknüpft habe, und zwar deshalb nicht, weil ich nicht klar zum Ausdruck gebracht habe, was ich damit meinte. Ich habe damit nicht die Grabschän­ dung im wörtlichen Sinne gemeint. Ich habe während meiner Ausführungen erklärt, daß ich eine Bestimmung dieser Art mir weder in Anknüpfung an das Materielle des Grabes, noch auch an die Helden denke. Ich denke, um etwas ganz Krasses zu sagen, daran, daß es z. B. heißt, die deutschen Stämme der Völkerwanderung seien hergelaufene Räuberhorden gewesen, oder daß man davon spricht, die Vandalen hätten Europa vernichtet, und daß man im Zusammenhang damit etwa Meinungen kundtut, daß der Bund gewisser germani­ scher Stämme mit den Hunnen, der zeitweise ja vorhanden war, auch zu einer Blutvermi­ schung geführt hätte, daß man ferner etwa Gedanken ausführt, wie sie z. B. bei der russi­ schen Blutsgemeinschaft eine Selbstver-[i 85]ständlichkeit sind, daß nämlich der heutige Russe ein Russe und Tartare sei, und dabei Gedankengänge propagiert, die sich auch auf

das Werden der deutschen Blutsgemeinschaft in einer Weise erstrecken, die geeignet ist, dem Bewußtsein, eine eigene Blutsgemeinschaft zu bilden, abträglich zu sein. Der An­ knüpfungspunkt war also rednerisch schlecht gewählt. Ich meine nicht, daß man im buch­ stäblichen Sinne die Gräber der deutschen Helden und auch nicht im buchstäblichen Sinne die deutschen Volkshelden der Vergangenheit hier strafrechtlich schützen soll. Ich bin mir natürlich klar, daß man das anderswo tun muß. Aber ich meine, hier müssen wir den Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft gegen ideelle Angriffe sicherstellen. Für mich bil­ dete dieser Vorschlag der Preußischen Denkschrift nur einen Anknüpfungspunkt. Aber in dem Sinne, wie ich das eben noch einmal ausgeführt habe, scheint mir die Aufstellung ei­ nes Schutzes richtig zu sein. In dem Sinne wollte ich mich auch vorhin ausdrücken, als ich sagte: Wir befinden uns hier an der Wurzel des Übels. Denn ich bin der Meinung, der ide­ elle Angriff ist auf die Dauer viel gefährlicher als der Angriff durch einen Geschlechtsver­ kehr zwischen Angehörigen verschiedener Rassen. Ich meine, daß der Widerstand und der Gegenwille gegen einen solchen Geschlechtsverkehr dann untergraben wird, wenn man, wie es zeitweise doch schon gewesen ist, den Gedanken einer deutschen Blutsgemein­ schaft lächerlich macht. Ich möchte also in diesen Abschnitt den Schutz gegen eine ideelle Gefährdung der deutschen Blutsgemeinschaft aufgenommen haben. [186] Es ist natürlich richtig, daß wir uns schlüssig werden müssen, was wir in diesen Abschnitt hineinbringen wollen. Es ist richtig, wenn man von Rasse spricht, kann man das zunächst so auffassen, faßt es vielleicht sogar in der Regel so auf, daß man den Schutz der Rasse nach außen dabei in den Kernpunkt der Betrachtungen rückt. Es scheint mir fraglich, ob es richtig ist, das zu tun, nicht nur aus dem taktischen Gesichtspunkt heraus, der vorhin erwähnt worden ist, und an den ich auch gedacht habe, sondern auch grundsätzlich. Ich meine tatsächlich, daß die deutsche Blutsgemeinschaft nicht nur dadurch gefährdet wird, daß sie von außen angegriffen wird, sondern ebenso dadurch, daß sie von innen angegrif­ fen wird. Ich bin deshalb der Meinung, daß man unter dem Schutz der Rasse das wohl mit­ verstehen kann. Hat man aber Bedenken, dann wähle man einen Begriff, der nicht gleich an den Rassenkampf denken läßt, der ja nach Ansicht von Herrn Professor Mezger das Kernstück dessen sei, woran wir bei dieser Debatte denken. Es ist natürlich richtig, daß die Abwehr der Angriffe von außen auch hierher gehört; ebenso gehört aber hierher die Pfle­ ge des kräftigen Lebenswillens und der Lebensfähigkeit dieser, nennen wir es Rasse oder nennen wir es Volksblutsgemeinschaft oder nennen wir es unseres Volkstums — das ist gleichgültig — von innen heraus. Deshalb scheint es mir gerade wünschenswert zu sein, beides in einem Kapitel zu vereinigen, das allerdings wiederum unter einem ganz großen leitenden Gesichtspunkt steht, der einen ganzen Abschnitt von mehreren Kapiteln füllt. Dazu [187] gehört dann unter anderem auch die Volksgesundheit, und da wird auch die Brunnenvergiftung, die hier nicht herpaßt, eine Stelle finden. Ich meine also, wenn wir uns dessen bewußt sind, daß der Schutz des Volkes, des Volkstums im Ganzen, wiederum in einen Schutz verschiedener Richtungen zerfällt, dann ist es auch methodologisch durch­ aus erträglich, ich finde sogar, natürlich, daß wir diese beiden Dinge unter dem Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft zusammenfassen, nämlich Schutz gegen Angriffe von au­ ßen und Schutz gegen eine Aushöhlung von innen. Man könnte mir aber etwas anderes entgegenhalten. Man könnte sagen: Was da ge­ schaffen werden soll, ist ja auch im ersten Teil nicht der Schutz der deutschen Blutsge­ meinschaft gegen Angriffe von außen. Denn aus meinem Vorschlage folgt ja, daß ich ge­ nau so denjenigen Deutschen bestrafen will, der — um bei dem angeblich im Vordergrün­ de stehenden jüdischen Beispiel zu bleiben — ein jüdisches Mädchen zu einem Ge­ schlechtsverkehr bringt unter arglistiger Täuschung über seine Rassezugehörigkeit. Das ergibt sich aus den anderen Ausführungen und Betrachtungen, die bisher auch keinen Wi­ derspruch gefunden haben. Man baut zweckmäßigerweise die Regelung so auf, daß keine Blutsgemeinschaft sagen kann, das ist der Ausdruck dieses arischen Rassedünkels, der wieder einmal in diesem Gesetze seinen Niederschlag gefunden hat. Man könnte mir also erwidern: In Wirklichkeit ist das, was hier vorgeschlagen wird, nicht der Schutz der deut-

sehen Blutsgemeinschaft gegen An- [188-200] griffe von außen; aber ich glaube, mit die­ sem Einwand würde man sehr schnell fertig werden. Für uns steht natürlich der Schutz un­ serer Blutsgemeinschaft im Kernpunkt; um derentwillen machen wir das Gesetz. Es sind aber andere Gründe, die es uns ratsam und richtig erscheinen lassen, diesen Schutz nicht einzig und allein hierauf abzustellen. Ich würde es deshalb trotzdem für richtig halten, die Bestimmungen über die arglistige Herbeiführung des Geschlechtsverkehrs zwischen An­ gehörigen verschiedener Rassen unter einem Kapitel im Abschnitt, der vom Schutze des deutschen Volkstums spricht, aufzunehmen, selbst wenn man hier theoretisch sagen könnte, es sei ja nicht genau das, was man hierunter rechnen kann. [201] Man muß sich darüber klar werden: will man in diesem Kapitel unter dem Namen Rasse oder unter dem Namen deutsche Blutsgemeinschaft beides umfassen, sowohl den Hochverrat und den Landesverrat an dieser Blutsgemeinschaft wie auch den physischen Verrat, der letzten Endes durch diese Art der Herbeiführung des Geschlechtsverkehrs, und zwar des ehelichen wie des außerehelichen, begangen wird. Mit diesem ideellen Landes­ verrat hat es nur einen Haken. Denn wir können schließlich den Fremden nicht verbieten, über uns, über unsere Blutsgemeinschaft und deren Werden zu denken, wie sie wollen. Deshalb würde praktisch dieser ideelle Landesverrat, soweit er von außen käme, nicht un­ ter Strafe gestellt werden können, und deshalb würde der Vergleich wie alle Vergleiche in gewisser Weise auch hier hinken. Ich meine, ein solches Kapitel über Rassenverrat erweckt auch keineswegs den An­ schein, als ob es ein Verlegenheitsprodukt wäre. Es ist eine durchaus scharfe und durchaus geeignete Waffe, die sich sehr wohl sehen lassen kann. Man wird diesem Kapitel nicht nachsagen können: die Hauptsache habt ihr gar nicht behandelt. Wir können darauf erwi­ dern: diese Hauptsache haben wir deshalb nicht behandeln wollen, weil wir ja noch andere Mittel zur Erziehung des Volkes haben, und weil wir der Meinung sind: heute ist hier die Grenze erreicht, bis zu der der Staat mit seinen Straf Sanktionen gehen soll, weiter soll er eben heute nicht gehen. [202] Ministerialdirektor Schäfer: Ein Teil dessen, was ich ausführen wollte, hat sich durch das erledigt, was Herr Staatssekretär Dr. Freisler ausgeführt hat. Ich darf noch ein­ mal kurz auf die Frage des Verhältnisses dieser Bestimmungen zu sonstigen Bestimmun­ gen, insbesondere zu den Betrugsbestimmungen, sei es in Bezug auf Vermögensbetrug, sei es in Bezug auf den Ehebetrug, zu sprechen kommen. Ich nehme an, daß es sich bei die­ sem Abschnitt und bei der Frage der Schaffung neuer spezieller Vorschriften in erster Li­ nie handelt, ich möchte sagen, um das Bekenntnishafte, um das Anlitz, und daß darum die­ se Spezialvorschriften sich nicht erübrigen durch die Fassung der Bestimmungen über den Betrug oder durch die Bestimmung über den Ehebetrug. Es soll also hier etwas Spezielles geschaffen werden. Zwei Fälle kommen in Betracht: die Frage des Rassenbetrugs bei der Eheschließung und beim außerehelichen Geschlechtsverkehr. Was den Rassebetrug bei der Eheschließung be­ trifft, so möchte ich zur Erwägung stellen, die Grundlage zu verbreitern, und zwar in dem Sinne: nicht nur Schutz gegen Verschlechterung von außen, sondern auch von innen. Ich glaube, daß man, was den Schutz nach innen betrifft, anknüpfen könnte an die Gedanken des Sterilisierungsgesetzes, wenn nämlich solche Umstände verschwiegen werden, die im Sterilisierungsgesetz als erbbiologisch eine Verschlechterung der Rasse notwendig zur Folge habend anerkannt werden. [203] Wenn man so den Paragraphen gewissermaßen neutralisierte, würden auch die politischen und kirchlichen Bedenken abgeschwächt. Viel problematischer ist mir die Frage des Rassenbetrugs beim außerehelichen Ge­ schlechtsverkehr. Zunächst liegt da ein Punkt grundlegend anders. Während beim eheli­ chen Verkehr der Blickpunkt auf die Nachkommenschaft gerichtet ist, ist das beim außer­ ehelichen Verkehr gerade umgekehrt; hier ist der Blickpunkt nicht auf die Nachkom­ menschaft gerichtet. Das verschiebt zunächst die ganze Sache.

Weiters4 möchte ich auf einige Fragen aufmerksam machen, die wir klären müssen, ehe wir einen solchen Tatbestand schaffen. Zum Teil hat Herr Staatssekretär Dr. Freisler diese Fragen schon angeschnitten. Mir ist zunächst nicht klar, ob dabei gedacht ist nur an das ari­ sche Mädchen oder auch an das nichtarische Mädchen. Wenn ich eben Herrn Staatssekre­ tär Dr. Freisler recht verstanden habe, denkt er auch an den Schutz des nichtarischen Mäd­ chens. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Er nimmt es in Kauf, wollen wir sagen.) Also es kämen beide als Schutzobjekt in Betracht. Und nun muß man sich einmal die Fälle in der Wirklichkeit vorstellen. In wieweit ist im konkreten Fall im Sinne der Preußischen Denk­ schrift eine absichtliche Verschweigung der Zugehörigkeit zur fremden Rasse oder die arglistige Verschweigung erbbiologisch wichtiger Umstände feststellbar? Wir müssen doch bei dem [204] außerehelichen Verkehr auch an die Fälle denken, wo spontane Lei­ denschaft zur Tat führt oder wo die Initiative gerade von dem weiblichen Teil ausgeht. Ich kann die Augen nicht vor der Frage der Prostituierten dabei verschließen. Wenn der Mann vielleicht den Verkehr gar nicht gesucht hat, sondern mehr angereizt wird von dem ande­ ren Teil, so kann ich mir den Tatbestand nicht recht vorstellen. Soll hier der Mann im kriti­ schen Augenblick die Frau schnell aufklären, daß er einer fremden Rasse angehöre? Ich wollte nur die Aufmerksamkeit darauf lenken und bitte, daß auch da eine gewisse Klarheit geschaffen wird. Endlich war mir nicht ganz klar — es ist mir jetzt durch die letzten Ausführungen des Herrn Staatssekretärs etwas klarer geworden —, was mit dem Gesichtspunkt der Gegen­ seitigkeit bei der Tatbestandsentwicklung gemeint ist. Sie denken also, Herr Staatssekretär, insbesondere daran, den Schutz, den man dem arischen Mädchen gewährt, auch dem nichtarischen Mädchen zu gewähren, also beispielsweise auch den Deutschen zu bestra­ fen, der dem Eheschließungspartner, der einer fremden Rasse angehört, nicht mitteilt, daß er der arischen Rasse angehört? Ich kann mir das nicht recht denken. Oder denken Sie an Taten, die im Ausland begangen werden? (Staatssekretär Dr. Freisler: Ich denke an das erste; ich denke, daß man Unrecht nicht abwehren kann, wenn man nicht bereit ist, auch selbst kein Unrecht zu tun!) — Ich wollte nur um Aufklärung bitten, an welche Fälle Sie bei der Ausgestaltung der Gegenseitigkeitstatbestände dachten. [205] Professor Dr. Nagler (Breslau): Es besteht im wesentlichen Übereinstimmung dahin, daß wir einen besonderen Abschnitt zum Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft brau­ chen. Wenn wir einen solchen nicht brächten, würde diese Lücke in weitesten Kreisen des Volkes und insbesondere auch in den Kreisen der Juristen so enttäuschend wirken, daß unser Gesetzgebungswerk dadurch wesentlich diskreditiert sein würde. Ich halte auch den Vorschlag, den uns Herr Staatssekretär Dr. Freisler geboten hat, für durchaus richtig. Ins­ besondere freut es mich, daß die einseitige Frontstellung gegen andere Rassen dadurch vermieden worden ist, daß auch die Zersetzung des Fruchtbarkeitswillens und dgl. mit in diesem Kapitel zur Darstellung kommt. Ich möchte nur zu zwei Fragen Stellung nehmen. Einmal zu der Erschleichung der Ge­ schlechtsverbindung. Soweit die Kirche in Frage kommt, würde wohl kein Bedenken sein. Ich habe die Denkschrift des Herrn Fürstbischofs von Breslau zur Hand. Da heißt es: „Es müssen vielmehr über die Rassenverschiedenheit hinaus noch andere Gründe vorliegen, damit im Einzelfall, sei es bezüglich zweier bestimmter Individuen, sei es bezüglich zweier bestimmter Rassen, die sittliche Unerlaubtheit der Eheschließung behauptet werden kann." Damit ist ein Ventil geöffnet. Wenn eine Täuschung vorliegt, würde auch die Kir­ che nach meinem Dafürhalten durchaus einverstanden sein, daß hier von Seiten des Staa­ tes eingegriffen wird. Die Kirche würde, glaube ich, dem keine Bedenken entgegensetzen können. [206] Dann eine Bemerkung zu den Bedenken, die Herr Ministerialdirektor Schäfer eben wegen der Erschleichung der außerehelichen Verbindung entwickelte. Was den Fall

4 So im Original.

der Prostituierten anlangt, so würde doch stets die Kausalität des Irrtums fehlen. Es muß doch der Partner durch den Irrtum zu dem Geschlechtsverkehr bestimmt worden sein. Ich würde daher die Frage der Prostituierten überhaupt aus diesem Zusammenhang herauslas­ sen. Ich möchte aber auf etwas anderes hinweisen. Ich habe von jeher den Gedanken vertre­ ten, daß die Blankettbestimmung, die auf Seite 49 Ziffer 1 der Preußischen Denkschrift enthalten ist, in unsere kommende Gesetzgebung hineinkommen muß. Unser Strafrecht ist ja sekundär und abhängig von der Rassengesetzgebung, die sich im Laufe der nächsten Zeit allmählich entwickeln wird. Ich glaube, die kommenden Bestimmungen über Rassen­ pflege und Erbpflege können schon jetzt in dieser Blankettbestimmung im Voraus eine gewisse Berücksichtigung finden. Sollte das Blankett nicht passen, so würde ja immer die kommende Gesetzgebung Sonderbestimmungen treffen können. Aber daß wir ein solches Blankett, eine solche Rahmenbestimmung aufnehmen, das scheint mir angesichts der kommenden Entwicklung doch geboten zu sein. [207] Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz (Leipzig): Anknüpfend an die Ausführungen des Herrn Ministerialdirektors Schäfer möchte ich zunächst betonen, daß für die Durchfüh­ rung dieser Rassengesetzgebung mancherlei praktische Schwierigkeiten erst noch zu klä­ ren sein werden. Ich denke nur z. B. an die Fragen: Volljude, Halbjude, Vierteljude usw. Wie ist das gedacht? Sodann ist heute zwar schon mehrfach zur Sprache gekommen, daß manches, was an sich in dieses Kapitel gehört, aus außenpolitischen oder ähnlichen Grün­ den zur Zeit nicht hineinkommen kann. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Das ist nicht konstatiert worden, sondern das blieb die offene Frage!) — Aber wir werden uns alle dar­ über klar sein, daß in einem nationalsozialistischen Strafgesetzbuch der immer vertretene Programmpunkt der Rassenreinheit möglichst umfassend zum Ausdruck gebracht werden muß. Ich wollte mir da erlauben, den Vorschlag eines Tatbestandes zu machen, den man vielleicht mit „Rasse-Erschleichung" bezeichnen kann. Ich denke an Fälle, daß jemand durch gefälschte Unterlagen oder Zeugnisse den Sachverständigen für Rassenforschung beim Reichsministerium des Innern bestimmt, ihm seine arische Abstammung zu Unrecht zu bescheinigen, oder daß bei einem unehelich geborenen Kind, das bestimmt von einem jüdischen Schwängerer stammt, fälschlich ein arischer Vater vorgeschoben wird, um auf die Weise zu erreichen, daß das Kind als arisch gilt. Solche Fälle wären denkbar, und noch mehr dieser Art ließen sich auszählen. Es werden solche Fälle zwar fast alle auch mit anderen Straftatbeständen erfaßbar sein, aber ich glau­ be, aus den Gesichtspunkten, die hier mehrfach betont wurden, möchte wohl in diesem be­ sonderen Fall ein derartiger [208] Sondertatbestand vielleicht doch aufgestellt werden im Hinblick auf die Bedeutung des Gedankens des Schutzes der Rasse, den wir immer vertre­ ten haben. [209-221] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, wir könnten das bisherige Er­ gebnis einmal so zusammenfassen: Was zunächst die Frage der Nichtigkeit und Strafbar­ keit der mischrassigen Ehe anlangt, so könnte ich mir denken, daß die Unterkommission lediglich zum Ausdruck bringt, daß die Strafbarkeit der mischrassigen Ehe ein gesetzliches Ehehindernis voraussetzt. Arglistige Täuschung über die Rassenzugehörigkeit scheint mir nach der Meinung der Kommission ein Tatbestand dieses Abschnitts sein zu sollen. Bedenken dagegen habe ich nicht vorzu-[222]tragen. Endlich wünscht die Kommission, man sollte eine Blankettbestimmung aufnehmen, und zwar sowohl im Bereich des § 169, wenn ich so sagen darf, wie auch im Bereich der ge­ setzlichen Vorschriften auf dem Gebiete der Erb- und Rassenpflege. Nun bliebe nur noch die Frage: Was soll aus den übrigen Tatbeständen werden? — Da scheint mir am unbestrittensten der Tatbestand der Zerstörung des Fruchtbarkeitswillens zu sein. Praktisch wäre das etwa die Propaganda für das Zweikindersystem, die Propagan­ da für die kinderlose Ehe, die ja von den Kommunisten sehr lebhaft betrieben worden ist, und der man damals sehr richtig entgegengehalten hat, daß es nach diesem System in fünf-

zig Jahren keine Kommunisten m ehr geben würde. Was nun diesen ideellen Angriff gegen den Volks- oder Rassebestand betrifft, so ist schon an den Beispielen, die gesucht worden sind, klar zu erkennen, daß dieser Tatbestand sich in unserer Vorstellung noch nicht scharf [223] genug abzeichnet. [224] Senatspräsident Dr. Klee (Berlin): Ich möchte nur zur Ehetäuschung sprechen und davor warnen, den beabsichtigten Ehetäuschungsparagraphen so zu fassen, daß das nicht­ arische Mädchen, das über die Stammeszugehörigkeit ihres arischen Partners getäuscht wird, genau so behandelt, also ebenso geschützt wird wie der Deutsche, der durch eine Nichtarierin getäuscht wird. W enn wir das tun, geben wir den Rassekampfgedanken voll­ ständig auf. Es wird in einer meines Erachtens übertrieben ängstlichen Weise immer dar­ auf hingewiesen, daß unser Rassenkampf kein Kampf gegen minderwertige Rassen ist. Ich halte das für falsch. Vom Standpunkt der Reinerhaltung unserer Rasse ist eben die fremde Rasse, die jüdische Rasse, eine minderwertige. W enn wir aber ganz neutral sein wollen, dann brauchen wir, was die Eheschließung be­ trifft, überhaupt kein neues Strafgesetz zu machen, denn der § 170 des geltenden Strafge­ setzbuchs sagt ja bereits: „W er bei Eingehung einer Ehe den anderen Teil zur Eheschlie­ ßung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berech­ tigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten, wird .. .bestraft.'7Von dem heute hier geäußerten neutralen „objektiven" Standpunkte aus würde dieser § 170 anwendbar sein auch zugun­ sten eines nichtarischen Mädchens, das durch einen Arier über seine Abstammung ge­ täuscht wird. Es ist m ir allerdings sehr [225] zweifelhaft, ob ein deutscher Richter heute den Paragraphen in dieser Weise anwenden würde. Ich glaube nicht, daß heute ein nicht­ arisches M ädchen die A nfechtung ihrer Ehe durchsetzen könnte, wenn sie sagt, der Mann habe sie darüber, daß er kein Jude ist, getäuscht. W ir haben nur von solchen Fällen gehört, in denen ein Angehöriger der arischen Rasse durch den jüdischen Partner getäuscht wor­ den ist. W enn wir das künftig anders gestalten wollten, dann wäre das geradezu ein Rück­ schritt. Darum können wir in dem neuen Ehetäuschungsparagraphen nicht darauf abstel­ len, daß irgend jem and darüber getäuscht worden ist, daß der andere einer anderen Rasse angehört, sondern wir können nur von dem Schutz unserer Blutsgemeinschaft, unserer Rasse, ausgehen und nur den bestrafen, der den anderen Ehepartner über seine Fremd­ stämmigkeit täuscht. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, daß auch der Referentenentwurf im § 311 einen Ehebetrugsparagraphen enthält. Dabei wollen wir doch auf keinen Fall stehen bleiben, soweit die Rassentäuschung in Betracht kommt. Wenn wir sämtliche Rassen in gleicherw eise schüt­ zen wollen, dann können wir mit dem ganzen Rassenkampf gedanken einpacken. Das würde auch zu ganz falschen V orstellungen im Auslande führen. Man würde dann m einen: das ist ein Rückzug, sie fangen an, ob j ektiv und neutral zu werden, und wollen die Rassereinheit der gan­ zen W eltschützen. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Reinheit unserer Rasse schützen. Das können w irabernurtun, wenn wir fremde Rasse und eigene Rassenicht[226]gleichbehandeln. Deswegen schlage ich vor, den neuen Paragraphen so zu fassen, wie die Preußische Denkschrift es schon vorgesehen hat, daß die Verschweigung der Zugehörigkeit zu einer fremden Rasse als das strafbare M oment herausgestellt wird. Das müßte natürlich auch hinsichtlich des außerehelichen Geschlechtsverkehrs geschehen, wenn wir ihn berücksich­ tigen würden. Ich trete übrigens grundsätzlich der A uffassung des Herrn Kollegen M ezger bei, daß es taktisch verfehlt wäre, nur auf die Eheschließung abzustellen, weil wir dadurch die betreffenden Personen in den außerehelichen Geschlechtsverkehr abdrängen würden. Auch im außerehelichen Geschlechtsverkehr kann nur die Täuschung des ari­ schen Partners durch den nichtarischen oder überhaupt fremdstämmigen Partner als straf­ bares Element in Frage kommen. Ich halte es für einen ungeheuerlichen Gedanken, eine Jüdin, die mit einem Arier verkehrt hat, ohne gewußt zu haben, daß er Arier ist, strafrecht­ lich gegen Täuschung zu schützen. Das ist auch von vornherein gar nicht unser Gedanke gewesen. Diese Neutralität, die jetzt hier, vielleicht aus außenpolitischen Gründen, ge­ wünscht worden ist, würde zu untragbaren Ergebnissen führen.

Im übrigen trete ich den zusammengefaßten Anregungen des Herrn Reichsministers in jeder Beziehung bei. [227] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich möchte die Aufmerksamkeit einen Augen­ blick auf die derzeitige Bestimmung des § 1333 BGB über die Eheanfechtung lenken. Da heißt es: „Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der sich bei der Ehe­ schließung in der Person des anderen Ehegatten oder über solche persönlichen Eigen­ schaften des anderen Ehegatten geirrt hat, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei ver­ ständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden." Eine StrafVorschrift, wie sie hier ins Auge gefaßt worden ist, würde sich von die­ ser Bestimmung dadurch unterscheiden, daß das Moment der Zumutbarkeit fortfiele. [241] Professor Dr. Mezger (München): Zu den Einwendungen und Bedenken des Herrn Ministerialdirektors Schäfer ist darauf hinzuweisen, daß die Ausdehnung der Bestim­ mung auf den außerehelichen Verkehr als eine Abwehrmaßnahme in dem früher gekenn­ zeichneten Rassenkampf gemeint ist. Beim außerehelichen Geschlechtsverkehr ist ebenfalls in erster Linie an die mögliche Fortpflanzung durch solchen Verkehr gedacht, ohne [242] daß im Einzelsall der Nachweis einer solchen Gefahr zu führen wäre. [243] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Sie gehen doch auch davon aus, daß, wenn wir den Tatbestand auf arglistige Täuschung abstellen, die Strafbarkeit nur in der Person des Täuschenden eintritt. (Zustimmung) [244] Oberregierungsrat Dr. Lösener: Politische Erörterungen sollen ja heute möglichst nicht in die Debatte geworfen werden. Aber ich möchte doch einige Gesichtspunkte hier berühren, weil sie doch bereits angeschnitten worden sind. Für politisch halte ich die Frage, ob man den Begriff der Verschiedenwertigkeit oder den der Verschiedenartigkeit der Ras­ se in den Vordergrund stellen und danach unsere Maßnahmen einrichten soll, und auf Grund der Erfahrungen des letzten Jahres, die ich in meinem Referat, das sich mit diesen Fragen sehr stark zu beschäftigen hat, gemacht habe, komme ich immer stärker dazu, den Begriff der Verschiedenartigkeit der Rasse in den Vordergrund zu stellen. Wir erschweren uns allen — das ist das politische Moment —, vor allen Dingen auch dem Richter außeror­ dentlich seine spätere Tätigkeit, wenn er auf der sella curulis sitzt und entscheiden soll, falls wir in dem Gesetz irgendetwas bringen, was einen Gefühlsantisemitismus zum Aus­ druck bringt. Wir können als Gesetzgeber immer nur den Rassenantisemitismus hinein­ bringen, und das ist auch der richtige Standpunkt, das ist vom Standpunkt der Rassenfor­ scher und auch vom Standpunkt des Nationalsozialisten der einzig für die Zukunft mögli­ che Standpunkt. Es liegt ja das Ergebnis für den einzelnen dann doch so, daß er sagt: Von der Verschiedenartigkeit der Rasse aus gesehen, erkenne ich die Schädlichkeit der Rassen­ vermischung, und was mir schädlich ist, lehne ich ab, dagegen wehre ich mich gefühlsmä­ ßig. Insofern wird beim einzelnen der Gefühlsantisemitismus daraus. Aber ich halte es für untragbar, das im Gesetz irgendwie zum Ausdruck zu bringen. Es genügt doch vollkom­ men, zur Erziehung [245] des Volkes, wenn wir die Verschiedenartigkeit der Rassen und die daraus entspringende Schädlichkeit der Rassenvermischung betonen. Nur dann haben wir in unserer Abwehr falscher Angriffe von außen oder von innen her die nötigen Waf­ fen in der Hand. Wir müssen es auch aus einem anderen Grunde tun. Die Angriffe wür­ den nicht nur aus dem Auslande, aus Südamerika und aus dem Osten kommen; wir haben eine sehr schwere Aufgabe in Deutschland selbst, das ist die „Verdauung" der Judenstämmlinge, der Halb- und Viertelsjuden. Wie groß die Zahl dieser Menschen ist, hat sich noch nicht einmal schätzungsweise feststellen lassen. Die höchste Schätzung geht auf 4 Millionen, die ich für vollkommen verfehlt halte, die richtige Zahl bewegt sich wohl um 600 000 Menschen herum, die gemischtrassig sind, einschließlich derjenigen, die einen jü­ dischen Großeltern teil haben. Die Frage, wie alle diese Volksgenossen später in unserem Reich aufgehen sollen oder nicht aufgehen sollen, ist noch völlig ungelöst. Es werden aus diesen Kreisen fortwährend Fragen an uns herangetragen: „Was wollt Ihr aus uns ma­ chen? Wir fühlen uns als Deutsche!" Wir haben außerordentlich verdiente Leute darunter.

Matrosen, die auf deutschen Kriegsschiffen untergegangen sind und gerettet worden sind, haben ein Mädchen geheiratet, deren einer Eltern teil jüdisch war; deren Kinder sind nun ausgeschlossen. Wir können diesen Menschen ihr Schicksal nur dann klarmachen, wenn wir sagen: Wir stoßen Euch nicht zurück, weil wir Euch als minderwertig betrachten — die Leute haben ja das Gegenteil bewiesen —, sondern wir können Euch und Euem Nachwuchs deshalb nicht mehr gebrauchen, weil Euer Nachwuchs nun einmal „andersar­ tig" ist. Nur mit diesem Argument können wir als Staatsmänner überhaupt operieren, und ich möchte aufs dringendste darum bitten, keinerlei [246] gefühlsmäßigen, auf Rassenhaß abzielenden Klang in die Gesetzgebung hineinzubringen. Auf zwei Schwierigkeiten, die in der Praxis entstehen werden bei der gegenwärtig noch vorhandenen Formulierung der Paragraphen, möchte ich kurz hinweisen. Der Herr Mini­ ster hat schon betont: Der Begriff der fremden Rasse muß irgendwie erläutert werden. Es ist unmöglich, es der Praxis jedes einzelnen Amtsrichters zu überlassen, was er für eine Ansicht darüber hat, was fremde Rasse ist. Auf keinem Gebiet der nationalsozialistischen Weltanschauung gibt es derartig verschiedene Anschauungen darüber, was man unter dem grundlegenden Begriff zu verstehen hat, wie auf dem Gebiet der Rassenfrage. Auch in der Gesetzgebung ist das alles noch nicht klar zum Ausdruck gekommen. Der in der Ge­ setzgebung bisher allein gewählte Begriff der arischen Abstammung hat zu außerordentli­ chen Schwierigkeiten geführt. Er ist damals auch nur gewählt worden, um einen Gegen­ satz zu dem jüdischen Menschen zu bezeichnen. Es sollte der nichtjüdische in Deutsch­ land oder in Europa lebende Mensch von dem jüdischen abgesetzt werden durch den Be­ griff des Ariers. Der Begriff wird sich auf die Dauer in dieser Form vermutlich nicht halten lassen. Es ist eine dringende Notwendigkeit, ehe das Gesetz in Wirksamkeit tritt, eine amt­ liche Auslegung des Begriffs der fremden Rasse zu geben, mit der der Jurist nachher an der juristischen Front operieren kann, und dann wird es auch dringend notwendig sein, bei der Frage, wer fremdrassiger Mensch ist, die Frage vorweg zu klären: Wie steht es hier mit den Mischlingen? Wieweit ist ein Mensch, der einen fremden Eltemteil hat, noch als fremdrassig im Sinne der Strafbestimmung zu verstehen? Wieweit einer, der nur einen fremdrassigen Groß- [247] eltemteil hat? Eine Grenze muß da gezogen werden; sonst gibt es in der Praxis Schiffbruch, und ich möchte vorschlagen, diese Grenze nicht zu hoch im Stammbaum zu legen; denn dann gibt es für die Praxis eine ganz undurchführbare, un­ fruchtbare und daher im Effekt letzten Endes schädliche Rechtsprechung. [248] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich fasse die Ausführungen des Herrn Oberre­ gierungsrats Dr. Lösener als den Seufzer einer bedrückten Seele auf, die mit der prakti­ schen Durchführung der Dinge zu tun hat. [249-260] Was uns hier im Strafrecht in erster Linie interessiert, ist die Frage: soll man im Strafgesetzbuch den Begriff der „fremden Rasse" umschreiben oder soll man, wie schon von anderer Seite vorgeschlagen worden ist, im Strafgesetzbuch diesen Begriff ein­ fach gebrauchen und es einem anderen Gesetz überlassen, ihn zu definieren? Daß dieser Begriff — und da muß ich dem Herrn Vorredner in vollem Umfange zustimmen — objek­ tiv eindeutig und allgemeingültig, jedenfalls für den Bereich des Strafrechts bestimmt werden muß, halte ich für notwendig. Die Auffassung des Herrn Oberregierungsrats Dr. Lösener, das Strafrecht dürfe nicht eine Atmosphäre der Rassenwertung atmen, entspricht, glaube ich, der Meinung der Herren, die sich dazu geäußert haben. Ich will von Herrn Staatssekretär Freister absehen, der das ganz deutlich gesagt hat; aber auch Herr Professor Mezger und Herr Senatspräsident Klee sind nicht davon ausgegangen, daß im Gesetz eine Rassenwertung zum Ausdruck kommen solle. Ob der innere Impuls der Gesetzgebung aus einem solchen Gefühl entspringt, ist eine andere Frage. [262] Staatssekretär Dr. Freister: Ich glaube, daß ich mich jetzt doch auf einiges berufen muß, weil mir vorgeworfen worden ist: du, der du immer den Unterschied zwischen dem früheren und dem jetzigen Sein ausgedrückt hast und dabei gesagt hast, der frühere Staat sei ein neutraler Staat gewesen und das Jetzige sei ein von einem neuen Weltbild erfülltes Volk und ein von einem neuen Weltbild erfüllter Staat, du ziehst dich jetzt selbst auf einen

neutralen Standpunkt zurück. Das ist ja deutlich gesagt worden. Ich muß nun erklären, daß ich auch nach nochmaliger Überprüfung auf meinem Standpunkt bleibe. Dieser Standpunkt ist nämlich gar kein neutraler Standpunkt. Ich bin aber in der angenehmen La­ ge — und das ist für mich immer die Gewißheit, ob ich noch auf dem richtigen Wege bin —, mich auf Ausführungen berufen zu können, die der Führer selbst gemacht hat, der, wenn er öffentlich zu der Frage der Blutsgemeinschaft Stellung genommen hat, mehrfach betont hat, daß das nicht eine Frage der Minderbewertung Fremder sei. Ich finde mich in Übereinstimmung mit der offiziösen Erklärung des Herrn Reichsministers des Innern, die vor einigen Monaten in dieser Sache herausgegeben worden ist, und zwar zeitlich einige Zeit nach den Ceyloner und sonstigen Angriffen, mit einer Erklärung, die sich auf densel­ ben Standpunkt gestellt hat. Ich befinde mich ferner in Übereinstimmung mit der partei­ amtlichen Veröffentlichung, die vor einigen Monaten herauskam und die Maßnahmen zur Überprüfung der Mitglieder der NSDAP daraufhin einleitete, ob sie alle deutschen Blutes sind. Ich weiß deshalb, daß die Art, in der ich übrigens auch stets in den Zeiten der Oppo­ sition den Ausschnitt der Judenfrage aus der Rassenfrage behandelt habe, die richtige war, nämlich mich genau auf denselben Standpunkt zu stellen, den der Herr Vertreter des Reichsministeriums des Innern ebenfalls hier vorgetragen hat. Der Kampf, der allerdings ein Abwehr- [263] kämpf von unserem Standpunkt aus ist, ist nicht bedingt durch Haß, ist nicht bedingt durch eigene Höherbewertung, sondern ist nur bedingt durch die klare Er­ kenntnis des Naturgesetzes, das unsere Vorfahren bereits erkannt hatten, als sie ihren Mythos der Weltwerdung schufen und davon sprachen, daß am Anfang nicht der Mensch, sondern an einer Stelle ein Mensch und an anderer Stelle auch andere menschli­ che Wesen geschaffen wurden. Auch sie erkannten schon, daß es verschiedene Blutsge­ meinschaften gibt, und daß es ein Naturgesetz ist, daß jeder unter sich bleiben soll. Von dieser Basis aus betrachte ich die Frage, und ich bin der Meinung, daß es nicht richtig ist, daß wir dann, wenn wir diese Basis zur Grundlage unserer Anschauung und unserer Maß­ nahmen machen, mit unseren ganzen Bestrebungen, unser Blut reinzuhalten, einpacken können. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß wir viel stärker sind, wenn wir diese Basis wählen, und viel schwächer sind, wenn wir einen eigenen Höherbewertungsgedanken oder auch einen Haßgedanken entscheidend sein lassen. Nun habe ich vorhin erklärt, die Regelung, die ich vorgeschlagen habe, würde unter Umständen dazu führen, auch die Angehörigen einer fremden Rasse gegen arglistige Täu­ schung, die dem Geschlechtsverkehr vorhergeht, zu schützen. Auch dabei bleibe ich. Ich bin nicht der Meinung, daß man das ausdrücklich sagt, aber ich bin der Meinung: das ist einfach die Konsequenz der eigenen Anschauung. Wenn es auch wegen der äußerlich er­ kennbaren Unterschiede praktisch schwer denkbar ist, so kann man doch theoretisch ruhig sagen: derjenige, der ein Mädchen der indischen Blutsgemeinschaft oder einer der fern­ östlichen Blutsgemeinschaften täuscht und ihr nicht sagt, daß er einer ganz anderen Bluts­ gemeinschaft angehört, muß von mir genau so abfällig beurteilt werden [264] wie ein Fremder, der seine Zugehörigkeit zu einer fremden Blutsgemeinschaft einem deutschen Mädchen arglistig verschweigt oder dieses arglistig darüber täuscht. Das ändert gar nichts an der Tatsache, daß solche Bestimmungen in einem deutschen Strafgesetzbuch naturge­ mäß in erster Linie Abwehrmaßnahmen zugunsten der deutschen Blutsgemeinschaft sind und als solche gedacht sind. Es fragt sich, ob sie als solche nicht dann am sichersten und besten wirken, wenn man sich darüber klar ist, daß sie auch Anwendungsfälle in der um­ gekehrten Richtung haben können. Ich bleibe also auf Grund all dessen, was ich jetzt noch einmal zusammenfassend aus­ geführt habe, insbesondere aber auf Grund der Prüfung, die ich eben vor mir selbst vorge­ nommen habe, indem ich mich gefragt habe, was denn der Führer dazu gesagt hat, bei mei­ nem bisherigen Standpunkt. Ich bin mir ja rein gesetzestechnisch darüber klar, daß das in der Wortform, in der Wortfassung des Gesetzes überhaupt nicht zum Ausdruck kommen kann. (Zuruf: In der Denkschrift kommt es zum Ausdruck: Verschweigung der fremden Rassezugehörigkeit!)

— Nein, darin kommt es nicht ganz zum Ausdruck, sondern in den Worten: „Wer es un­ ternimmt, durch Vermischung eines Deutschen mit einem Angehörigen fremder Blutsge­ meinschaften" usw.; denn das ist auf den Partner bezogen, und wenn ich es auf den Deut­ schen beziehe, dann ist das nach der Preußischen Denkschrift in der Richtung klargestellt, daß die umgekehrte Anwendung, die sowieso höchst selten sein würde, auch theoretisch unmöglich ist. Dagegen wenn ich das Wort „Deutsche" weglasse, dann ist das nicht si­ chergestellt. Das ist die Konsequenz, — eine Konsequenz, von [265] der ich allerdings der Meinung bin, daß sie das taktisch bessere, weil tiefer fundierte Mittel der Abwehr wäre. Ich will mir nun erlauben, Herr Reichsminister, auf einige der konkreten Fragen einzu­ gehen, die Sie ausdrücklich als nunmehr zur Besprechung anstehend hervorgehoben ha­ ben. Das ist einmal die Frage der Bestimmung des Begriffs der Fremdrassigkeit. Wir haben allmählich in der gesamten Rechtspolitik des nationalsozialistischen Staates den Begriff der Fremdrassigkeit auf eine bestimmte Linie zu beschränken verstanden, wenn ich nicht an die Bauernfähigkeit denke, bei der die Linie weiter gefaßt ist; es ist, grob gesagt, auf die Großeltern abgestellt worden. Der Zweck dieser Bestimmung liegt in dem möglicherweise aus dem Geschlechtsverkehr hervorgehenden Kind. Also muß ich meiner Ansicht nach den Begriff der Fremdrassigkeit in diesen Bestimmungen auf das möglicherweise aus dem Geschlechtsverkehr entstehende Kind abstellen; denn ich will Rasseschutz treiben, will al­ so in erster Linie erreichen, daß das Produkt des Geschlechtsverkehrs dann auch in unsere Rasse aufgenommen werden kann. Wenn dieser Gedanke richtig erscheint — das zu entscheiden, ist aber keine juristische Frage, sondern diese Entscheidung müßte an sich an einer anderen Stelle getroffen werden —, so würde das zu dem vielleicht wiederum ketzerisch erscheinenden Vorschlage führen, die Fremdrassigkeit hier festzulegen, und zwar in dem Sinne: Fremdrassigkeit liegt dann vor, wenn das Kind, das aus dem Geschlechtsverkehr hervorgeht, einen nicht der deut­ schen Blutsgemeinschaft angehörenden Großelternteil hat. Daraus würde sich eine Be­ griffsbestimmung ergeben, die dann freilich scheinbar von der bisher üblichen Begriffsbe­ stimmung abweichen würde. Tatsäch- [266] lieh würde sie es aber nicht; denn der Sinn dieser Vorschrift liegt ja in der nächsten Generation, in der Nachkommenschaft. In Wirklichkeit wäre es derselbe Begriff, und der Begriff hätte den Vorteil einer außerordentlichen Bestimmtheit und Klarheit. — Es ist mir vollkommen klar, daß man hier nicht damit kommen und sagen kann: dem Rich­ ter wird man schon vertrauen können, daß er das Richtige trifft, sondern hier muß ein kla­ rer Begriff vorhanden sein. Der Begriff wäre da, und er hat den Vorteil, sich in derselben Linie zu bewegen, in der sich die Rassepolitik des nationalsozialistischen Staates über­ haupt bewegt, nämlich die Nachkommenschaft der bisher entstandenen Mischlinge von einem bestimmten Augenblick an aufzusaugen. Es ist ganz klar, daß das eine Tendenz der deutschen Rassepolitik ist. Ich glaube deshalb, daß man den Begriff der fremden Rasse sehr wohl definieren kann, daß man ihn auch im Strafgesetzbuch definieren kann, freilich natürlich in Übereinstim­ mung mit denjenigen anderen Stellen, die dafür in erster Linie zuständig sind. Es ist dann nur eine technische Frage, ob man die Bestimmung rein wortmäßig so vornehmen soll, daß vom Eltern teil oder von Großeltern teilen gesprochen wird. Von Eltern teilen müßte ich sprechen, wenn ich es auf die beiden abstelle, die den Geschlechtsverkehr miteinander ha­ ben, und von Großelternteilen, wenn ich es auf die Nachkommenschaft abstelle. Nicht nur deshalb, weil die Eigenschaft der Nachkommenschaft das ist, um deswillen wir die Bestim­ mung treffen, sondern auch aus anderen Gründen würde ich es für richtig halten, wenn wir die äußere Wortform so wählen, daß man vom Großeltern teil spricht, also die Abhän­ gigkeit auf den etwa aus dem Geschlechtsverkehr entstehenden Nachkommen bezieht. [267-280] Ein zweiter Punkt, von dem Sie sagten, Herr Reichsminister, daß er nunmehr erörtert werden muß, ist die Frage des außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Der Gedanke, der der erstrebten Regelung zugrunde liegt, gebietet die Einbeziehung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs in diese strafrechtspolitische Maßnahme. Dem kann man meines

Erachtens nicht mit durchschlagendem Erfolg entgegenhalten, daß der Wunsch der mit­ einander Verkehrenden beim außerehelichen Geschlechtsverkehr regelmäßig der wäre, daß kein Kind entsteht, sondern man muß in diesem Falle die Möglichkeit, daß ein Kind entsteht, entscheidend sein lassen. Nun ist dort aber die Lage in mehrfacher Beziehung komplizierter als beim ehelichen Geschlechtsverkehr, und zwar einmal wegen des Pro­ blems der käuflichen Liebe, das eben hier auftaucht. Ich muß schon sagen, daß es auch mir richtig erscheint, die käufliche Liebe auszuschalten; einmal deswegen, weil dabei doch in aller Regel Kinder nicht entstehen, und zweitens deswegen, weil die käufliche Liebe, die nie verschwinden wird, die durch keinerlei Maßnahmen auszurotten sein wird, doch nicht recht in ein Kapitel einbezogen werden kann, in dem wir von Rassereinheit sprechen. [281] Das paßt nicht zusammen. Man könnte das etwa in der Weise erreichen, daß man den Ge­ sichtspunkt der Unbescholtenheit in irgendeiner Form natürlich auch mit Inhaltsbestim­ mung dieses Begriffs in die Regelung hineinnähme. Das würde ich für erträglich, viel­ leicht für wünschenswert halten; aber ich habe es nicht durchdacht, habe nur den Wunsch, die Aussprache über diesen konkreten Punkt irgendwie zu befruchten. Die eingehende Aussprache wird vielleicht ergeben, daß es kein gangbarer Weg ist. Die zweite Schwierigkeit, die ich da hauptsächlich sehe, betrifft die Vergehen Deut­ scher im Auslande. Nachdem wir im Allgemeinen Teil gesagt haben: „Die Strafgesetze des Reichs gelten für Taten, die ein Deutscher im Inland oder im Ausland begeht", sind wir ge­ nötigt, die Konsequenz dieses Satzes bei der hier vorgeschlagenen Regelung zu betrach­ ten. Nun haben wird den Absatz 2 des § 5: „Ist eine Tat, die ein Deutscher im Auslande be­ geht, nach den Gesetzen des Tatorts nicht mit Strafe bedroht, so gelten die Strafgesetze des Reichs nur, wenn die Tat mit der gesunden Anschauung des deutschen Volkes über Recht oder Unrecht unvereinbar ist." Es wird sich fragen, ob dieser Absatz 2 des § 5 genügend klar die Richtlinien für die Beurteilung der Fälle gewährt, daß ein Deutscher im Ausland arglistig eine Fremdrassige täuscht. Der Begriff des Deutschen in § 5 ist ein Formalbegriff, während der Deutsche, an den wir hier in unserer Debatte denken, ein blutsmäßig be­ stimmter Begriff ist. Der Deutsche im Auslande, der dort eine Tat begeht, kann also bluts­ mäßig Deutscher sein, ohne formalrechtlich Deutscher zu sein, und auch umgekehrt kann jemand formalrechtlich Deut-jzBzjscher sein, blutsmäßig aber nicht. Es ist also der Fall möglich, daß ein fremdrassiger deutscher Staatsbürger ein in Brasilien ansässiges, die bra­ silianische Staatsangehörigkeit besitzendes deutsches Kolonistenmädchen oder ein Wol­ gakolonistenmädchen über seine fremdrassige Blutszugehörigkeit arglistig täuscht. Der Fall kann an sich sehr wohl praktisch werden. Es ist nur nötig, daß irgend jemand einem Juden, der hinausgereist ist, nachweist, was er da draußen getan hat. Es fragt sich, ob die­ ser Fall durch den § 5 Absatz 2 in einer befriedigenden Weise reguliert werden würde. Das scheint mir von vornherein schwer möglich zu sein, weil der Begriff des Deutschen in § 5 Absatz 2 ein ganz anderer ist als der Begriff des Deutschen, von dem wir jetzt sprechen. Das ist das zweite Problem, das jetzt ebenfalls auftaucht. Es scheint mir deshalb sehr kom­ pliziert zu sein, weil es sich schlecht ausnimmt, beim Schutze der Blutsgemeinschaft plötz­ lich diejenigen abzuschneiden, die staatsrechtlich nicht, wohl aber blutsmäßig zu uns ge­ hören. Ich kann im Augenblick nicht übersehen, ob diese Schwierigkeit zu lösen ist. Ist sie nicht zu lösen, dann sollte deshalb die Gesamtregelung nicht fallen gelassen werden, son­ dern dann müßte man hier eben die Grenzen des Reichs auch als die Grenzen dieser Be­ stimmung anerkennen, selbst wenn das zu einer unschönen Einschränkung führen würde. Der dritte Punkt, den Sie, Herr Reichsminister, als nunmehr der Besprechung unterlie­ gend bezeichnet haben, ist der Begriff der ideellen Gefährdung der Rasse. Es ist zweifellos richtig, daß dieser Begriff in der Debatte noch nicht klar herausgearbeitet ist, und daß es auch sehr schwierig ist, [283] ihn herauszuarbeiten. Der Wunsch, eine solche Bestimmung aufgenommen zu sehen, ist bei mir entstanden, weil ich auf dem Standpunkt stehe, daß die Zerstörung der geistigen, sittlichen und willensmäßigen Grundlagen immer die Wurzel des Übels, das entsteht, ist. Wir würden, wenn wir etwas Entsprechendes nicht aufnehmen würden, tatsächlich nur etwas Unvollkommenes schaffen. Ich selbst bin augenblicklich

nicht in der Lage, eine Formulierung oder weitere Beispiele zu geben, die diesen Fall klarle­ gen könnten. Ich erinnere mich nur, daß es noch nicht lange her ist, wo man öffentlich ver­ lacht und verspottet wurde, wenn man überhaupt Rassegedanken, ja wenn man den Ge­ danken, daß die gewordene Blutsgemeinschaft des deutschen Volkes eine Einheit, ein Le­ bewesen darstellt, erörterte. Da wurde man mit einem Schlagwort lächerlich gemacht. Da­ gegen möchte ich einen Schutz geben. Ferner möchte ich einen Schutz dagegen geben, daß man in pseudowissenschaftlicher, in Wirklichkeit demagogischer Art das Entstehen und Werden dieser jetzt vorhandenen Blutsgemeinschaft lächerlich macht. Es ist möglich, daß die Beispiele, die ich erwähnte, gar nicht einmal richtig waren. Es ist auch möglich, daß wir wirklich treffenden Fälle uns nur schwer denken können, daß dieses Delikt sehr selten praktisch werden wird. Aber die Bestimmung scheint mir deshalb wesentlich zu sein, weil der Schutz gegen ideelle Angriffe, die auch aus Zeitströmungen heraus entstehen können, die wir uns heute noch nicht denken können, die aber einmal auftauchen könnten, dort, wo es sich um die Grundlagen des Lebens des Volkes handelt, wichtig ist. Ich bedauere, daß ich selbst zu diesem dritten Punkte nähere Vorschläge noch nicht machen kann. [284] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Bei der Frage, was eine fremde Rasse ist, taucht nicht bloß das Problem der Abgrenzung auf, womit das große Problem der Aufsaugung der Judenstämmlinge verbunden ist, sondern noch ein zweites. Was ist eine fremde Rasse? nicht wie weit reicht sie, sondern was ist sie? Das ist eine Frage, die heute schon akut ist; ich weiß nicht, wie sie praktisch-technisch gelöst ist. Haben Sie ein Verzeichnis der Völker, die als fremde Rasse gelten? [285] Oberregierungsrat Dr. Lösener: Nein, darüber besteht weder eine einheitliche Mei­ nung, noch ist ein Verzeichnis vorhanden. Es gibt natürlich ein Unmenge Rassen, bei de­ nen überhaupt kein Zweifel darüber besteht, daß sie fremde Rassen sind. Die große Schwierigkeit ist die, daß das alles naturgewachsen ist und ineinander überfließt. Es han­ delt sich gar nicht darum, herauszufinden, welches fremde Rassen sind und welches eige­ ne Rasse ist, sondern es handelt sich nur darum, in dem Strom einmal eine Grenze zu zie­ hen, die man hier oder dort legen kann. Da das deutsche Volk sich allein auch schon aus fünf Hauptrassen zusammensetzt, die ihrerseits wieder mit anderen eine gewisse Ähnlich­ keit oder Verwandtschaft haben, so handelt es sich um eine sehr schwer zu ziehende Gren­ ze. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Das ist also kein ganz fester Boden, auf den wir da gestellt werden!) — Ich möchte ein Beispiel nennen. Die dinarische Rasse ist bei uns ein sehr gut angesehener Blutsbestandteil im deutschen Volke. Die dinarische Rasse grenzt aber in ihren Rassemerkmalen schon sehr stark an vorderasiatische Rassen. Vorderasiati­ sche Rassen sind uns sehr unerwünscht. Die dinarische Rasse ist uns noch erwünscht. Nun tritt die dinarische Rasse zum Teil nicht mehr ganz rein auf. Unter Umständen ist ein vor­ derasiatisches Merkmal bei einem sonst dinarischen Menschen vorhanden. Die Frage, ob man diesen noch als wünschenswert oder nicht wünschenswert bezeichnet, ist noch voll­ kommen offen. [286] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: [287] Das Problem der technischen Rassenabgren­ zung bereitet mir keine Schwierigkeiten. Diese Abgrenzung reicht aber nicht aus. Es bleibt die Frage offen: Was ist eine fremde Rasse überhaupt? Und dieses Problem muß irgendwie zu lösen versucht werden.

Nun soll der Zweck der Frage nicht der sein, daß Sie uns einen Katalog der Rassen vor­ tragen, sondern nur der, darauf hinzuweisen, daß die Erkenntnis, was eine fremde Rasse sei, eine Voraussetzung für die Anwendung des Strafgesetzes ist. [288-300] Staatssekretär Dr. Freister: Es ist richtig, daß ich daran vorhin nicht gedacht ha­ be. Aber ich bin der Meinung, daß hier praktisch so große Schwierigkeiten nicht bestehen. Nun will ich ruhig auf die Gefahr hin sprechen, daß die Herren Sachkenner sagen, der re­ det etwas vollkommen Falsches. Das kann man nämlich tun, weil die Herren Sachkenner sich hierüber ja auch nicht einig sind. Ich spreche nun nicht vom wissenschaftlichen Standpunkt aus und bekenne mich nicht zu irgendwelchen wissenschaftlichen Theorien, weil diese mir für diese Zwecke auch völlig unbrauchbar erscheinen. Wer weiß im Volke,

und wer wird im Laufe der nächsten zehn oder fünfzehn Jahre wissen, daß er vorzüglich ein dinarischer Mensch ist? Das weiß so gut wie niemand und wird es im Laufe der näch­ sten fünfzehn Jahre, selbst wenn die Wissenschaft dann den Begriff der dinarischen Rasse noch aufrecht erhalten sollte, auch nicht wissen. Genau so ist es mit allen anderen Versu­ chen der Wissenschaft, aus dem Völkergewirr Rassen herauszuarbeiten. Das ist für unser Strafrecht nicht geeignet, ist meiner Ansicht nach aber auch kaum nötig. [301] Denn ich denke mir, der Richter, der den Begriff der Rasse im Strafgesetzbuch findet und die Abgrenzungsmöglichkeit klargestellt hat, wird nur in wenigen Fällen in Zweifel kommen. Wenn ich z. B. Richter wäre, würde ich keinen Augenblick gezweifelt haben, daß alle Völker Europas bis zu den Russen mit den Ausnahmen, die ich nennen werde, nicht als fremdrassig zu bezeichnen wären, und zwar alle Völker, nicht nur die Völ­ ker, die nun geschichtlich geworden sind, und die wir uns gewöhnt haben, ihren Sprachen entsprechend zu bezeichnen, sondern auch diejenigen, die vielleicht abgedrängte Reste ei­ ner früheren Bevölkerung sein mögen. Ich würde keinen Zweifel haben, daß z. B. Reste der Bevölkerung, die die Deutschen vorfanden, als sie Ostpreußen kolonisierten, nicht als fremdrassig zu bezeichnen wären, selbst dann, wenn die Wissenschaft sie als völlig fremdrassig bezeichnen würde, und zwar einfach deshalb, weil die Geschichte, die folgen­ den Jahrhunderte gezeigt haben, daß diese Völker, von denen ich nicht glaube, daß sie restlos mit dem Schwerte vernichtet worden sind, aufgesogen worden sind und das deut­ sche Volk daraus geworden ist. Meiner Ansicht nach könnten für den Richter Schwierig­ keiten nur entstehen, wenn es sich um Zugehörige der finnisch-ugrischen Völkergruppe handeln würde, als die nach meiner vielleicht falschen Vorstellung die Ungarn und die Finnen zu bezeichnen sind. Da wüßte ich als Richter nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich würde vor der Tatsache stehen, daß die sehr weitgehende Vermischung in Ungarn zu ei­ nem sehr kräftigen Volk geführt hat, kann aber als Richter nicht sagen, wie das Problem vom deutschen [302] Standpunkt aus zu behandeln ist. Nach meiner Meinung wäre das der einzige Fall, der für einen deutschen Richter praktisch werden könnte. Denn im übrigen würde er einmal den Gesichtspunkt der Fremdhäutigkeit haben. Mir ist wiederum klar, man wird mir vielleicht von seiten der Rasseforschung sagen: Es ist gar nicht einmal ge­ sagt, daß die rothäutigen Menschen uns so furchtbar fernstehen. Das mag wissenschaft­ lich richtig sein, das weiß ich nicht, das wäre mir als Richter aber gleichgültig. Ich würde sie ganz zweifellos unter die Fremdrassigen rechnen. Ich würde andererseits solche, die scheinbar gleichfarbig sind, nämlich die Juden, ganz sicher nicht unter die gleiche Rasse, sondern unter die Fremdrasse zählen. Ich glaube deshalb, praktisch würden Schwierigkei­ ten in großem Umfange gar nicht entstehen. Deshalb entsteht die Frage, ob wir, wenn man dieses allgemeine Bild, das natürlich keine wissenschaftliche Fundierung hat, zugrunde le­ gen würde, dann eine besondere Definition des Begriffs der Fremdrassigkeit noch nötig haben. Praktisch würde das darauf hinauslaufen, daß man Juden und Andersfarbige als fremdrassig ansehen würde, und daß man für einige wenige Gruppen der in Europa woh­ nenden Völker im Zweifel sein könnte. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Also z. B. die Obotriten in Mecklenburg würden Sie nicht als fremdrassig ansehen?) — Diese halte ich für Slaven, und ich bin der Meinung, daß das deutsche Volk östlich der Elbe zum Teil aus Slaven besteht. [303] (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Auch die Polen?) — Ja, und genau so im Westen. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Im Westen gibt es Einsprengsel von Kel­ ten in Bayern. Die würden Sie dazu nehmen?) — Ja, auch die Spanier und die Franzosen. Ich spreche nicht von dem formalen Begriff der Staatszugehörigkeit. Es kann ja ein spani­ scher Jude sein; den würde ich nicht einbeziehen. Aber sonst würde ich den Franzosen, Ita­ liener, Spanier dazu rechnen. [305] Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte mit einem kurzen Wort sagen, daß dieses Problem weniger schwierig erscheint, wenn man sich klar macht, daß man scheiden muß zwischen einer wissenschaftlich exakten Lösung und einer praktischen Lösung. Die wis­ senschaftlich exakte Lösung mag sehr schwierig sein, dagegen ist die praktische Lösung einfach, wenn man es im Strafgesetzbuch darauf abstellt, daß in einer Ausführungsver-

Ordnung gesagt sein muß, was als fremde Rasse hier gilt, und wenn man weiter bei der Aufstellung einer solchen Liste sich auf wenige, praktisch wichtige Hauptfälle beschränkt und die vielen Grenzfälle herausläßt. [306] Ministerialrat Dr. Möbius: Nur eine kurze wissenschaftliche und praktische Be­ merkung: Wenn ich etwa als gerichtsärztlicher Sachverständiger von dem Richter gefragt würde, ob jemand aus einer fremden Rasse oder aus unserer Rasse stammt, so läge für mich — und das ist für die ganze Diskussion wohl wesentlich — die Grundschwierigkeit darin, daß sich ja nicht die Rasse vererbt, sondern Rassenmerkmale. Es kommt nun darauf an, wie sich in dem einzelnen Fall ein fremdrassiges Merkmal bei jemand ausgeprägt hat. Es besteht die Befürchtung, daß in vielen Einzelfällen ein oder zwei hervorragende Rasse­ merkmale, die sich zufällig bei dem Individuum, um das es sich handelt, hervorheben, die Beurteilung schwierig machen. Nach dem heutigen Standpunkt wird man außerdem im­ mer auf die Vorfahren zurückgreifen müssen. Man wird also die Frage der Rassezugehö­ rigkeit doch zum Teil dadurch entscheiden, daß man fragt: Wo stammt er her, wer ist sein Vater, wer ist sein Großvater, seine Mutter und Großmutter? Dann könnte eine reinliche Scheidung sehr wohl dadurch erzielt werden, daß man eben sagt: ein Drittel, ein Viertel oder ein Achtel. Denn hinsichtlich des Hervortretens der Rasse und der Rassemerkmale bei dem einzelnen Individuum und seiner Eingruppierung in eine fremde Rasse als Rasse­ begriff werden wir wohl auch in der Zukunft noch recht großen und schweren Problemen von seiten der Wissenschaft gegenüberstehen, und es ist sehr richtig, wie Herr Staatsse­ kretär Dr. Freister gesagt hat, daß man mit der Wissenschaft allein nicht vorwärtskommen wird, [307] sondern außerdem auch praktische Gesichtspunkte benötigt. Denn nicht die Rasse vererbt sich, sondern Rassemerkmale. Wie das beim einzelnen Merkmal geschieht, ob rezessiv oder dominant, ist nicht allgemein zu sagen; Rückschläge sind weit über Gene­ rationen verbreitet. Das lehrt ja auch die Praxis. [308] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Herr Dr. Möbius, diese Ausführungen sind nur ein Beleg dafür, daß wir bei der Abgrenzung auf eine andere als eine genealogische Lö­ sung nicht abkommen werden. Aber die andere Frage, ob jemand bei vier Großeltern, von denen einer zugestandenermaßen Finne oder Ungar war, überhaupt unter dem Gesichts­ punkt der fremden Rasse angesprochen werden darf, ist damit nicht erledigt. (Ministerial­ rat Dr. Möbius: Die kann ich auch nicht lösen von meinem Standpunkt aus!) Ich nehme Ihre Ausführungen als Bestätigung des Gedankens, daß man, wie die Dinge liegen, bei der Umschreibung des Begriffs anders als mit Genealogie nicht arbeiten kann. Das ist, von Ih­ rem Standpunkt aus gesehen, etwas grausam Primitives, weil Sie sagen, die Rassemerkma­ le, die sich rezessiv und dominant fortvererben, überspringen Generationen. Darauf kön­ nen wir uns hier nicht einlassen. Wir müssen grobe Zimmermannsarbeit haben, und das ist der Stammbaum. (Ministerialrat Dr. Möbius: Ich sehe noch keinen Weg, auf dem wir Mediziner dazu kommen, in verschiedenen Jahren zu sagen, ob jemand ein Fremdrassiger ist oder nicht!) [309] Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin): Ich glaube, daß für den Richter eindeu­ tig bestimmt werden muß, was fremde Rassezugehörigkeit ist. Das kann nur geschehen durch Vorschriften der dafür maßgebenden Stellen, die je nach dem Stande der rassischen Wissenschaft auch ihre Vorschriften abwandeln können und müssen, auch vom Stand­ punkt der Aufsaugungsmöglichkeit aus, der ganz gewiß das Wort zu reden ist. Ich meine aber, wenn wir eine Bestimmung über rassemäßige Ehetäuschung aufnehmen, muß klar im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden, daß wir hier nur die deutsche Rasse schützen wollen, jedenfalls die Rasse, die wir für unsere Blutsgemeinschaft für die wertbestimmen­ de halten. Der Standpunkt, daß es bei der Rassenfrage im Kern nur auf die Andersartigkeit, nicht auf die Verschiedenwertigkeit der Rassen ankommt, ist vielleicht von einer höheren inter­ nationalen Warte aus richtig, und es ist ja auch ganz schön, daß man die Leute, die von den Härten unserer Rassegesetze betroffen werden, damit trösten kann, daß es sich hier gar nicht um eine Diffamierung handelt, sondern um eine Behandlung Andersgearteter. Aber

ich glaube nicht, daß kriminalpolitisch mit diesem Standpunkt viel anzufangen ist. Populär ist jedenfalls der Standpunkt nicht. Auch die amerikanische Rassegesetzgebung stützt sich sicher nicht auf den Gedanken der Andersartigkeit, sondern, soweit sich diese Gesetzge­ bung gegen [310] Neger und andere richtet, ganz sicher auf den Gedanken der Minderwer­ tigkeit der anderen Rasse, vor der eben die Reinheit der amerikanischen Rasse geschützt werden soll. Das spricht sich ja auch in dem gesellschaftlichen Boykott aus, der gegenüber Negern ganz allseitig in Amerika getrieben wird. Der Rassegedanke hat doch bei uns nur Wurzel geschlagen auf Grund der im Volke allmählich immer mehr verbreiteten Erkennt­ nis der Schädlichkeit der jüdischen Rasse für unser ganzes Volkstum. Ich weiß mich von Haßgedanken völlig frei. Es ist eine rein tatsächliche Feststellung, daß das Judentum unser Volkstum geistig außerordentlich geschädigt, es vergiftet hat, und diese Einsicht ist es doch gewesen, die den ganzen Rassekampfgedanken erst populär gemacht hat. Diese Grundlage dürfen wir meines Erachtens nicht verlassen. Das Volk würde kein Verständnis dafür haben, daß ein Jude, der von einem Arier darüber getäuscht ist, daß der Arier kein Jude sei, geschützt werden soll in der Freiheit seiner Willensbestimmung in Be­ zug auf Eheschließung, in Bezug auf den Geschlechtsverkehr überhaupt. Es würde eine Verwässerung des Gedankens des Rassekampfes bedeuten, wenn wir in dieser neutralen Weise die Frage regeln würden. Ich habe ja jetzt den Eindruck, daß wir uns im Grunde alle darüber einig sind, daß eben nur die deutsche Rasse geschützt werden soll. Der Neutrali­ tätsgedanke mag vom rein rassehistorischen oder rassebiologischen Standpunkt aus man­ ches für sich haben. Aber darin steckt doch nicht das treibende Moment, das der Strafge­ setzgeber [311-320] verwerten muß. Das ist doch die Überzeugung des Volkes, daß unsere eigene Rasse in ihrer Reinheit gegen Vermischung mit Fremdstämmigen geschützt werden muß. [321] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: [322] Bevor ich das Wort weiter erteile, möchte ich noch eine kurze Bemerkung zum Ehebetrug machen. Das geltende Recht, das im § 170 StGB die Eheerschleichung unter Strafe stellt, knüpft die Strafbarkeit an die Bedingung, daß die Ehe aufgelöst worden ist, und läßt die Verfolgung nur auf Antrag des getäuschten Ehegatten eintreten. Über diese Fragen müssen wir uns klar werden, bevor wir an die For­ mulierung herangehen. [323] Oberstaatsanwalt Dr. Reimer (Berlin): Den vorhin gemachten Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Freister zur Frage des Rassenverrats möchte ich in einem Punkte entgegentreten. Herr Staatssekretär Dr. Freister hat den Vorschlag gemacht, daß Rassen­ verrat dann nicht vorläge, wenn das Kind, das aus dem Geschlechtsverkehr hervorgeht, keinen nichtarischen Grojtfeltemteil habe. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, daß dies durchaus im Sinne der Rassenpolitik unserer heutigen Beamtengesetzgebung läge. Ich kann mich aber dieser Auffassung nicht anschließen. Meines Erachtens ist hierbei fol­ gendes übersehen worden: Wenn nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbe­ amtentums die Abstammung von arischen GroßeItem zum Nachweise arischer Abstam­ mung für genügend erklärt wurde, so lag der Grund hierfür nicht in der mehr oder minder erfolgten arischen Aufsaugung, sondern hauptsächlich in der Schwierigkeit, daß in der überwiegenden Zahl der Fälle hinsichtlich weiterer Vorfahren ein positiver Nachweis der arischen Abstammung nicht erbracht werden könnte. Bei dem Vorschlag des Herrn Staatssekretärs Dr. Freister würden wir jetzt zu folgen­ dem Ergebnis kommen: Jemand, der heute als Nichtarier abgestempelt ist, weil er einen nichtarischen Großeltemteil hat, würde durch einen Geschlechtsverkehr mit einer arischen Person ein Kind zeugen, das nun automatisch und gesetzlich Arier würde. Aus diesem Grunde muß man meines Erachtens einen Schritt weiter gehen, indem man dieses Kind mindestens bis zum Urgroßeltemteil in der Abstammung zurückverfolgt. [325] Oberregierungsrat Dr. Lösener: Ich möchte zu den Ausführungen von Herrn Se­ natspräsidenten bloß noch bemerken, daß unser beider Weltanschauung doch wohl weiter übereinstimmt, als sich in der Debatte ausgewiesen hat. Wir sind beide darüber einig, daß die Rassenvermischung eminent schädlich ist. Auf der Basis der Schädlichkeit finden wir

uns unter allen Umständen. Für den einzelnen entspringt daraus nun das Gefühl: was mir schädlich ist, das ist, von meinem berechtigten Standpunkt aus gesehen, minderwertig. Von der anderen W arteaus gesehen, die durchaus nichtnur international ist, sondern meines Erach­ tens die ist, die für den Gesetzgeber die richtige sein soll, sagt man eben: die Schädlichkeit ent­ springt der Verschiedenartigkeit. Das wollte ich nur noch einmal sagen, um nicht in den Ver­ dacht zu kommen, daß ich hier irgendwie unser Gedankengut verwässern wollte. Nun ist noch durch den H errn Reichsminister die Frage der verschiedenen Rassen und die Frage der Schwierigkeiten, die das in der Anwendung des Strafgesetzbuchs geben könnte, in die Debatte geworfen worden. So groß, wie es nach den kurzen Ausführungen scheinen kann, ist die Schwierigkeit bei der Anwendung des Strafgesetzes nicht. Ich muß da noch einmal auf etwas zurückgehen, was Herr Staatssekretär Dr. Freister vorhin er­ wähnt hat. Er sagte: die Hauptabsicht bei unseren Gesetzen, die wir beraten, ist, den ras­ sisch schlechten Nachwuchs zu verhindern. Ich bin da doch der A uffassung, daß daneben ganz groß auch die andere Forderung steht: das Rassenbewußtsein im einzelnen M en­ schen zu züchten und zu erziehen. Und da kommen [326] wir nicht mehr mit Bestimmun­ gen aus, die den Nachwuchs, der unerwünscht ist, verhindern sollen, sondern wir wollen auch den Menschen dahin erziehen, daß er ausgesprochen Fremdrassige überhaupt nicht anfaßt zum Geschlechtsverkehr, ganz gleichgültig, welches die Folgen sein sollen. Also die Erziehung zum Rassenstolz im einzelnen Volksgenossen selbst soll doch wohl auch mit eine Absicht dieser Bestimmungen sein. Und da wird fü r den Richter die Frage nicht allzu schwer sein. M an kann es einem Volksgenossen, einem Deutschen nicht zum Vorwurf machen, wenn er einmal ein Mädchen in irgend einer Form liebt, bei der die Merkmale der fremden Rasse so verborgen sind, daß sie für ihn überhaupt nicht erkenn­ bar geworden sind. Bei der Strafbarkeit wird es sich doch immer bloß um krasse Fälle han­ deln, um solche Fälle, bei denen das Fremdrassige handgreiflich vorhanden ist. Nur in sol­ chen Fällen kann man sagen: der Deutsche hat hier gegen den mit Recht von ihm zu erwar­ tenden Rassenstolz gesündigt. Solche Fälle wird der Richter auch leicht feststellen können. Er wird gar nicht in die Frage hineinsteigen und hineinzusteigen brauchen: hat dieses, sa­ gen wir einmal, blonde, blauäugige Mädchen, wie der Denunziant angibt, einen Urgroßva­ ter aus der ugrisch-finnischen Sprachgemeinschaft. Diese Frage wird gar nicht auftauchen; denn die hat mit dem Rassenempfinden nichts zu tun. Und wenn man dann noch, abgesehen davon, daß hier nur die handgreiflichsten Fälle zur wirklichen Bestrafung führen werden, darauf noch abkommt, daß in der Praxis in du­ bio pro reo gesprochen werden wird, so glaube ich, daß die Schwierigkeiten bei der A n­ wendung des Strafgesetzes in soweit nicht allzu groß sein werden. [328] Ministerialdirektor Dr. Dürr: Ich möchte zu drei Fragen Stellung nehmen. Zu­ nächst darf ich auf die A usführungen des Herrn Vorredners erwidern. Ich stimme ihm vollständig darin bei, daß für das Strafrecht ganz klar abgegrenzt werden muß, was unter frem der Rasse zu verstehen ist. W enn aber vorläufig nicht jede geschlechtliche Vermi­ schung zwischen Angehörigen verschiedener Rassen, sondern nur der Rassenbetrug straf­ bar sein soll, so darf die Strafvorschrift wohl nicht auf die Fälle beschränkt werden, in de­ nen ein Angehöriger einer Rasse sich mit einem Angehörigen einer anderen Rasse einläßt, bei dem die Fremdartigkeit besonders hervortritt. Denn in diesen Fällen wird eine Täu­ schung kaum möglich sein. Dann ein W ort zur Frage der neutralen Fassung des Tatbestandes des Rassenbetrugs. Herr Senatspräsident Dr. Klee hat noch Bedenken dagegen. Sie sind aber unbegründet. Der Gedankengang ist doch: Folgerichtig wäre es, jede geschlechtliche Vermischung zwi­ schen Angehörigen verschiedener Rassen zu verbieten und unter Strafe zu stellen. Dies ist aber nicht möglich, solange nicht die Ehegesetzgebung geändert ist. Deshalb soll zunächst nur der Rassenbetrug strafbar sein. Aber auch diese eingeschränkte Straf vor schrift soll ge­ schlechtliche Verbindungen zwischen Angehörigen verschiedener Rassen möglichst ver­ hindern. Diesem Zwecke der neuen Strafvorschrift entspricht es, wenn darunter auch die Täuschung eines fremdrassigen Mädchens durch einen Arier fällt.

[329-34°] Ich sehe auch keine Schwierigkeiten, den Tatbestand des Rassenbetrugs auf den außerehelichen Geschlechtsverkehr zu erstrecken. Hingewiesen wurde auf die käufli­ che Liebe. Bei ihr werden aber arglistiges Verschweigen und Täuschung kaum in Betracht kommen. Ich glaube deshalb, daß es nicht notwendig ist, für sie ausdrücklich eine Ausnah­ me zu machen, was ich als unschön empfinden würde. Es wird möglich sein, den Tatbe­ stand des Rassenbetrugs so zu fassen, daß er auf die käufliche Liebe keine Anwendung findet. [341] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Bevor ich Herrn Staatssekretär Dr. freister bitte, das Wort zu nehmen, möchte ich folgende Frage auswerfen. Wenn wir auf den Begriff der arglistigen Täuschung innerhalb und außerhalb der Ehe abkommen — ich möchte den letzten Ausführungen zustimmen —, ist dann der Fall getroffen, daß ein Weißer mit einer Negerin hier in Berlin fröhlich einen Mulatten nach dem andern zeugt? [342] Staatssekretär Dr. Freister: Vielleicht gelingt es mir, in meinen Ausführungen auch noch Gedanken zu dieser Frage zu sammeln. Im Augenblick bin ich zu verblüfft. — Ich möchte ganz kurz auf einiges von dem eingehen, was bisher gesagt worden ist. Es hieß, das deutsche Volk solle zum Rassestolz erzogen werden. Ob das aber Aufgabe dieser strafrechtlichen Bestimmung ist, erscheint mir zweifelhaft. Die Frage, wie es mit der Bestrafung einer solchen arglistigen Täuschung ist, die zur Ehe geführt hat, wenn die Ehe weiterbesteht, ist natürlich schwierig. Ich hatte eingangs be­ hauptet, daß diese Frage von der Ehegesetzgebung völlig unabhängig sei. Es hat sich je­ doch ergeben, daß das nicht der Fall ist. Richtig wäre es, das Weiterbestehen oder Nicht­ weiterbestehen der Ehe als gleichgültig zu erklären. Das ist aber nur theoretisch richtig, praktisch scheint es mir unmöglich zu sein, und zwar aus demselben Gesichtspunkt her­ aus, aus dem wir den Abschluß einer Ehe mit einer Fremdrassigen heute nicht für strafbar erklären wollen. Die Gründe, die dort dafür sprechen, das heute nicht zu tun, zwingen hier meiner Ansicht nach dazu, eine Konzession zu machen und zu erklären, daß die Täu­ schung nur dann strafbar sein kann, wenn die Ehe aus diesem Grunde aufgelöst wird oder der Wunsch nach Auflösung der Ehe bei der einen Seite besteht. Man kann allerdings er­ widern, das sei ein Aufgeben des Prinzips. Es ist richtig, daß insofern das Prinzip durch­ brochen wird, aber ein anderer Weg scheint völlig unmöglich zu sein. Wenn ich die Ehe nicht verbiete, dann muß ich bei Aufrechterhaltung des [343] Bandes der Ehe durch die bei­ den Beteiligten diesem Wunsche der beiden Beteiligten nachkommen. Es ist eben so, daß man einzelne Strafbestimmungen nicht immer nur nach einem einzigen Wunschbilde hin, das man verfolgt, ausrichten kann. Eine Frage, die noch nicht erörtert, aber vom Herrn Reichsminister aufgeworfen wor­ den ist, ist die der Einwirkung des § 5 auf die von uns erstrebte Regelung. Ich würde vor­ schlagen, die Regelung auf Deutschland zu beschränken: „Wer in Deutschland . .. wird bestraft." Das ist natürlich auch grob. Man kann an den Fall denken, daß die Ehe außerhalb Deutschlands geschlossen wird, und daß das Ehepaar dann nach Deutschland zieht. Aber es wird immer Grenzfälle geben, die nicht richtig geregelt werden. Mein Vorschlag würde also insofern eine Ausnahme von § 5 Abs. 2 bedeuten. Was nun die Art der Umreißung des Rassebegriffs betrifft, so ist es doch interessant, sich diese Liste der Vereinigten Staaten anzusehen. 30 der Unionsstaaten haben eine Ras­ sengesetzgebung, und zwar eine solche, die, wie mir klar zu sein scheint, unter dem Ge­ sichtspunkte des Rassenschutzes steht. (Ministerialdirektor Schäfer: Und politisch!) — Das vielleicht nur bezüglich der Japaner, aber sonst unter dem Gesichtspunkt der Rasse. Be­ weis: Nordkarolina hat auch Ehen zwischen Indianern und Negern verboten; das ist doch ganz sicher aus dem Gesichtspunkte des Rassenschutzes geschehen. [344] Ferner haben nicht alle Staaten, die überhaupt mit der Möglichkeit einer japanischen Einwanderung rechnen, von Japanern gesprochen, sondern einige haben von Mongolen gesprochen, ob­ gleich doch ganz zweifellos die Japaner und die Chinesen nicht zu den Mongolen zählen, sondern zu einer ganz anderen Völkerblutsgruppe. Warum haben diese Staaten das getan? Ich kann mir nicht denken, daß sie es nur getan haben, um den Begriff zu umschreiben.

sondern glaube, daß sie es getan haben, weil sie damit irgendein Rassebild verfolgt haben, nur irrigerweise auch die Japaner mit unter die Mongolen gerechnet haben. Die Zusam­ menstellung erweist das auch. Ein Staat spricht von Mongolen, Negern oder Mulatten. Das ergibt schon, daß man Rassegesichtspunkte in den Vordergrund gestellt hat; denn bei den Mulatten braucht man doch überhaupt nicht zu fürchten, daß sie jemals irgendwie po­ litisch eine Rolle spielen könnten. Das Ergebnis ist also, daß die Amerikaner in Wirklich­ keit in erster Linie eine Rassengesetzgebung treiben wollten, wenn sie es auch vielleicht heute nicht mehr wahr haben wollen. Wie haben sie das nun gemacht? Sie haben verschiedene Mittel angewandt. Mehrere Staaten haben einfach geographische Begriffe genommen. Ein Staat spricht von afrikani­ scher Abstammung, ein anderer von Personen aus Afrika, Korea oder Malaien. Andere wieder haben das gemischt, haben die örtliche Herkunft vermengt mit ihrer Vorstellung von einem besonderen Blutkreis. Zum Beispiel steht in dem letzten von mir angeführten Beispiel hinterher noch: oder von mongolischer Rasse. Ein anderer Staat hat beides [345] nebeneinander erwähnt. Nevada spricht von Äthiopiern oder von schwarzer Rasse, Malai­ en oder von brauner Rasse, Mongolen oder von gelber Rasse. Das bedeutet eine merkwür­ dige Mischung des Systems des örtlichen Sitzes und der Vorstellung von der Blutszusam­ mengehörigkeit. Diese Staaten haben doch nun offenbar alle eine absolut eindeutige Rechtsprechung, und diese Rechtsprechung würde für uns vollkommen passen, mit einer einzigen Ausnah­ me. Dort werden nämlich, praktisch gesprochen, überall nur Farbige und Halbfarbige ge­ meint, worunter die Mestizen und die Mulatten erscheinen; lediglich die Juden, die auch uns interessieren, sind nicht unter die Farbigen gerechnet. Ich habe nicht gesehen, daß ir­ gendein Staat von einer fremden Rasse spricht, sondern die Rassen sind in irgendeiner pri­ mitiven Weise benannt. Dafür haben wir ja bei uns auch Beispiele. Das Erbhof recht spricht ja auch von farbiger oder jüdischer Rasse. Mir erscheint es heute zweifelhaft, ob man die jüdische Rasse neben den Farbigen überhaupt erwähnen müßte. Ich glaube, jeder Richter würde die Juden, obgleich sie äußerlich weiß aussehen, genau so dazu rechnen wie die Tataren, die nicht gelb sind. Ich bin deshalb der Meinung, daß wir mit derselben Primi­ tivität verfahren könnten, wie es diese amerikanischen Staaten tun. Ein Staat sagt sogar einfach: farbige Leute. Ein solches Verfahren würde zwar roh sein, aber genügen. Wenn man allerdings Zweifel hat, daß irgendein Richter die Juden nicht dazurechnen würde, oder wenn man wegen der besonderen Bedeutung der Juden bei uns sie hervorheben will, dann könnte man es ja tun. Das wäre eine rohe Abgrenzung, die aber allen Bedürfnissen genügen würde. [346] Deshalb bin ich der Meinung, die Herr Ministerialdirektor Schäfer vertreten hat, daß dieseFragepraktischnichtsoschwierigistwietheoretisch.DieserMeinungmußmanauchdeshalb sein, weil zu hoffen ist, daß medizinische Sachverständige dabei überhaupt keine Rolle spielen werden. Wenn ein medizinischer Sachverständiger eine solche Frage beantworten müßte, würde er allerdings die Aufgaben der Rassenforschung und die natürlich viel rohere AufgabederStrafgerichtsbarkeitmiteinanderverwechseln.WenneinmedizinischerSachverständigergefragtwird,mußernatürlicheineAntwortgeben,diedemneuestenStandederWissenschaf t entspricht, eine Antwort, die auch seiner persönlichen Stellungnahme zu den verschiedenenTheorien, die es da wahrscheinlich gibt, Ausdruck gibt. Mit einem solchen Gutach­ ten könnte aber der Richter gar nichts anfangen. Darüber müssen wir uns klar sein. Ich glaube aber, daß das Gesamtergebnis, das wir bei einer solchen rohen Lösung erhal­ ten würden, im großen und ganzen in dieselbe Richtung laufen würde wie die Rassenpoli­ tik, die natürlich auf anderen Gebieten als dem strafrechtlichen sehr viel feiner arbeiten kann. [347-360] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Wenn wir den Rassenschutz im Strafrecht auf den Fall der arglistigen Täuschung abstellen, fällt die ganze Frage der Farbigen ipso facto aus, denn eine arglistige Täuschung bei Farbigen kommt mir nicht sehr wahrschein­ lich vor.

Eines möchte ich kurz festlegen: Im Bereich des Ehebetrugs würde Herr Staatssekretär Dr. Freisler empfehlen, die Kautelen des geltenden Rechts auch in das neue Strafrecht auf­ zunehmen. Ich glaube, das muß man tun, weil die Frage der Eheanfechtung zur Disposi­ tion des getäuschten Ehegatten steht. Er braucht ja nicht anzufechten; im Gegenteil, er ver­ liert das Anfechtungsrecht sogar nach einer Präklusivfrist. Man kann sich nicht gut eine Strafverfolgung in Fällen vorstellen, in denen der getäuschte Ehegatte an der Ehe festhal­ ten will. [361] Was die Abgrenzung des Begriffs der fremden Rasse anbelangt, so könnten wir uns jetzt damit begnügen, in dem Gesetz doch einfach den Ausdruck „fremde Rasse" zu verwenden. Es ist der Vorschlag gemacht worden, den Geltungsbereich der Straf Vorschrift auf Deutschland zu beschränken. Ich bitte dabei nicht den Ausländer zu übersehen, der in Deutschland getäuscht wird. [362] Ministerialdirektor Schäfer: Gerade zu dem letzten Punkt und auch zu einem ande­ ren, den der Herr Staatssekretär berührt hat, möchte ich mich kurz äußern. Es ist das Pro­ blem der räumlichen Geltung nicht allein dadurch gelöst, daß wir § 5 ausschließen, son­ dern wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß bei uns in Deutschland viele Ausländer leben. Beispiel: Ein Franzose heiratet bei uns in Deutschland eine französische Jüdin, die ja auch für ihn fremdrassig ist. Soll der Fall von dem Paragraphen, den wir schaffen, mit ge­ troffen werden? Wenn wir daran dächten, hier noch eine weitere Einschränkung vom Ter­ ritorialitäts-Prinzip zu machen, indem wir die Anwendbarkeit des Paragraphen auf deut­ sche Staatsangehörige beschränken, die in Deutschland dagegen verstoßen, so wäre auch damit das Problem noch nicht gelöst. Man braucht nur an den Fall zu denken, daß der Fran­ zose eine deutsche Jüdin heiratet. Sollen wir auch da die Strafbestimmungen Platz greifen lassen? Nun könnte man über alles hinwegsehen, indem man sich klarmacht, daß wir den Tat­ bestand eines Betrugs unter Strafe stellen, und wir könnten ohne Rücksicht darauf, ob die ausländische Rasse schutzwürdig erscheint, einfach sagen: Wir haben hier einen Spezial­ fall von Betrug, und auch wenn ein Franzose eine französische Jüdin täuscht, ist es ein Be­ trugsfall, den wir strafen wollen. Eine solche Lösung wäre immerhin denkbar. Dabei ist freilich eines merkwürdig: das gesetzgeberische Motiv für die Schaffung des neuen Deliktstatbestands ist für uns das Allgemeininteresse, der Schutz der Rasse; dieses gesetzgeberische Motiv tritt aber bei der Gestaltung des Tatbestands völlig zurück und wird verdrängt von einem rein individuellen Motiv, [363] nämlich der Täuschung einer be­ stimmten Person. Und mit Rücksicht auf dieses individuelle Motiv kommen wir dann zu der Folgerung, die der Herr Staatssekretär Freisler und der Herr Minister schon gezogen haben: daß wir in den Ehebetrugstatbestand eine Straffreiheitsbestimmung ähnlich dem Absatz 3 des § 111 des Referententwurfs einfügen, wonach die Tat nur auf Verlangen des Verletzten und nur dann bestraft wird, wenn die Ehe wegen der Täuschung gelöst wird. Dem stimme ich vollständig zu. Aber die Frage erhebt sich: Welche Auswirkung hat dieser Gedanke für den Rassebetrug beim außerehelichen Geschlechtsverkehr? Wie dann, wenn die Beiden sagen: „Ich bin zwar getäuscht worden, aber wir verkehren weiter miteinan­ der"? Wäre es dann nicht folgerichtig, auch beim außerehelichen Geschlechtsverkehr die Bestrafung vom Verlangen des Verletzten abhängig zu machen? Ich wollte nur auf diese Seite der Frage aufmerksam machen. [364] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Herr Reichsminister, ich glaube, daß irgend­ welche Beschränkungen, sei es der möglichen Subjekte des Täterkreises, sei es auch be­ züglich des Tatortes, nicht notwendig sind. Man muß ja doch ganz scharf festhalten, daß von der Strafdrohung nur die Täuschung hier erfaßt wird. Ob man an Fälle denkt wie z. B. das Verhältnis zu einer Ausländerin oder an Fälle, die im Auslande vorkommen können, ist die Bestrafung dessen gerechtfertigt, der über seine Rassezugehörigkeit bei Anknüp­ fung von sexuellen Beziehungen den Partner täuscht. Ich bin auch nicht ganz der Auffas­ sung des Herrn Ministerialdirektors, daß wir jetzt durch diesen Tatbestand das eigentliche

Prinzip des Rasseschutzes preisgeben und den Schutz eines Individualinteresses in den Vordergrund schieben. Ich würde die Sache so ansehen, daß der Grundsatz auch unter dem neu zu schaffenden Tatbestand doch immer der ist, daß eine Rassevermischung hint­ angehalten werden soll. Ich sehe das Erfordernis, daß eine Täuschung vorliegen muß, so an, wie man sonst die objektive Bedingung der Strafbarkeit ansieht. Es bestehen gewisse Gründe, daß wir mit der Strafdrohung nicht so weit gehen dürfen, wie wir eigentlich für richtig hielten. Wir schränken das ein auf den Fall, wo eine Täuschung vorgekommen ist, aber nicht primär, um den anderen gegen die Täuschung zu schützen, sondern eigentlich, weil wir die Rassevermischung für etwas Abträgliches halten. Darum glaube ich auch, daß der Ausschluß der Strafbarkeit, wenn die auf diese Weise zustande gekommene Ehe nicht gelöst wird, gewiß vorgesehen werden muß, daß man aber daraus auf die Behandlung [365] des außerehelichen Geschlechtsverkehrs keinen Schluß ziehen kann. Gerade auch, daß das Verhältnis fortbesteht, ist kein Hindernis dafür, daß man straft; sondern das ist die Konsequenz daraus, daß, wie früher gesagt wurde, die Grenze erreicht ist, bis zu der wir im Augenblick mit dem Strafrecht gehen können; darum machen wir halt, aber daß die Leute weiter miteinander verkehren, ist für uns unerwünscht. Wir glauben, es nicht stra­ fen zu sollen, aber für das Faktum der Täuschung besteht die Strafbarkeit weiter. Wie sich die Beiden zueinander stellen mögen, interessiert die staatliche Gesetzgebung nicht. [366] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ist daraus zu entnehmen, daß Sie auch beim nichtehelichen Geschlechtsverkehr so etwas wie einen Antrag des Getäuschten oder ein Verlangen des Getäuschten fordern würden? (Professor Dr. Graf Gleispach: Nein, gerade nicht!) — Diese Bemerkung und vieles, was bisher gesagt worden ist, haben noch kein sehr klares Bild auf das Verhältnis geworfen, in dem die Täuschung zu dem Geschlechtsver­ kehr stehen muß. Jetzt wurde der Ausdruck „Bedingung der Strafbarkeit" gebraucht. Bei der Eheanfechtung ist das gänzlich anders! Nehmen wir nun den Fall an: Der eine hat den anderen über seine Rassenzugehörigkeit dadurch arglistig getäuscht, daß er sie verschwie­ gen hat. Daraufhin wird die Ehe geschlossen. Gesetzt nun den Fall, der Getäuschte würde auf dem Standpunkt stehen: „Diese Ehe hätte ich auch geschlossen, wenn ich es gewußt hätte"! Was dann? (Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Dann tritt die Strafbarkeit nicht ein!) — Ja, dann geht die Sache! Und beim außerehelichen Verkehr? [367] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Da allerdings würde ich sagen: In dem Ver­ schweigen ist doch enthalten, daß man annimmt, der Verkehr hätte nicht stattgefunden, wenn die Rassezugehörigkeit geoffenbart worden wäre. Man könnte das vielleicht da­ durch zum Ausdruck bringen, wenn man von arglistiger Täuschung spricht. Ich glaube, das ist notwendig. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Darauf wollte ich hinaus!) [368] Professor Dr. Mezger (München): Ich würde die Konsequenz auch für die Fälle einer Ehe ziehen. Auch dort kann meines Erachtens von einem Antrag auf Bestrafung nicht die Rede sein. Daß die Bestrafung nicht eintritt, wenn die Ehe fortbesteht, ist eine selbstver­ ständliche Konzession, die man auf alle Fälle machen muß. Von einem Verlangen des Ver­ letzten würde ich in allen Fällen absehen. [370] Ministerialdirektor Schäfer: Nur eine Frage zu meiner eigenen Aufklärung! Kann man von arglistigem Verschweigen überhaupt beim außerehelichen Geschlechtsverkehr dann sprechen, wenn der Rassenumstand für den anderen Teil nicht die Hauptsache war, gleichgültig war? Das ist mir zweifelhaft geworden. Ich habe vorhin selbst gesagt: Auf Kausalität kommt es nicht an. Aber es ist mir jetzt zweifelhaft. [371-380] Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Das Problem ist bereits bei der käufli­ chen Liebe angeschnitten worden und hier sind alle, die dazu gesprochen haben, davon ausgegangen, daß der Rasseverrat, der etwa durch Vermischung einer Prostituierten mit einem Andersrassigen begangen wird, deshalb nicht unter die Strafbestimmung fallen soll, weil ja doch für die Vermischung mit dieser Prostituierten ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse vom Standpunkt des Mannes aus gesehen gar nicht von Bedeutung war; dem hat doch wohl der Gedanke zugrunde gelegen, daß dieser Geschlechtsverkehr auch stattgefunden haben würde, wenn der Mann, der mit der Prostituierten verkehrt hat,

gewußt hätte, daß sie, sagen wir mal, eine Jüdin sei. In dieser Stellungnahme kommt ganz deutlich zum Ausdruck, daß das Problem der Kausalität in diesem Zusammenhang von ei­ ner prinzipiellen, grundlegenden Bedeutung ist. [381] Herr Staatssekretär Dr. Freisler hat einmal im Verlauf der Diskussion gesagt, dem Getäuschten könne ja nichts vorgeworfen werden. Das ist sicher richtig, daß ihm nichts vorgeworfen werden kann, wenn er nämlich getäuscht ist und wenn man auch sagen kann: hätte er von der Täuschung gewußt, so würde er den Geschlechtsverkehr nicht vorgenom­ men haben. Wenn man aber sagen kann: hätte der Getäuschte gewußt, daß er mit einer Fremdrassigen verkehrt, und hätte er gleichwohl den Geschlechtsverkehr vollzogen, dann kann man den Standpunkt nicht mehr vertreten, daß ihm nichts vorgeworfen werden kann. Vom Standpunkt der Verletzung der Rasse oder der Rasseschändung, wie man es nun nennen will, kann dem Getäuschten natürlich etwas vorgeworfen werden; es kann ihm vorgeworfen werden: du hast mit einer Fremdrassigen verkehrt, du hast es zwar nicht gewußt, du wärst aber mit diesem Verkehr auch einverstanden gewesen, wenn du es ge­ wußt hättest, und hast dich daher an der Rasse vergangen, ganz unabhängig von der Frage, ob dich dein Partner getäuscht hat oder nicht. Also vom Standpunkt des geschützten Rechtsguts qua Rasse ist dieser ebenso strafbar wie etwa die Täuschende. Von einem an­ deren mehr individuellen Gesichtspunkt aus gesehen, ist natürlich die Täuschende straf­ bar. Aber wenn man die Sache von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, dann kommt man um die Frage der Kausalität einfach nicht herum. Dann muß man sich fragen: ist denn nun für den einen Teil, der getäuscht worden ist, diese Täuschung auch irgendwie kausal gewe­ sen? —, und diese Kausalität wird sich in der Regel nicht feststellen lassen. Ich bin auch der Meinung, daß die Gedanken, die Graf Gleispach zu der Frage des au­ ßerehelichen Geschlechts- [382] Verkehrs in Verbindung zu dem Gedanken der Bedingung der Strafbarkeit, wie es vorhin genannt worden ist, der Auflösung der nichtigen Ehe, vor­ getragen hat, nicht ganz stichhaltig sind; denn wenn man schon sagen muß, wie Herr Staatssekretär Dr. Freisler meines Erachtens mit Recht gesagt hat: der Wunsch der Beteilig­ ten, zusammenzubleiben, muß hier doch ausschlaggebend sein, um wieviel mehr muß man das in einem Falle sagen, wo der außereheliche Geschlechtsverkehr in der Weise voll­ zogen wird, daß beide Teile sagen: es kam uns gar nicht darauf an, welcher Rasse wir ange­ hörten, wir hätten auf alle Fälle geschlechtlich miteinander verkehrt. Ich glaube, daß da ir­ gendeine Konsequenz gezogen werden muß. Ich bin also der Meinung, daß man um die Frage der Kausalität gar nicht herumkommt. Man muß sich dahin entscheiden, ob man hier einen reinen Betrugsparagraphen aufzäumen will, der ein spezifisch individuelles Motiv hat, oder ob man einen Rassenschutz schlechthin anstreben will. Die Konsequenz wäre dann aber auch die, daß der Getäuschte, der, wenn er von der Täuschung gewußt hätte, den Geschlechtsverkehr gleichwohl vollzogen hätte, strafbar ist. [363] Professor Dr. Nagler (Breslau): Hinsichtlich der Rassenvermischung scheint mir der Fall so zu liegen: der Grundtatbestand ist nicht strafbar, sondern eher5 ein qualifizierter Tatbestand. Es handelt sich also um einen Ausschnitt aus der Rassenvermischung über­ haupt. Würden wir die Rassenvermischung schlechthin bestrafen, so würden die Fälle, die wir jetzt erfassen wollen, als qualifizierte erscheinen. Wir finden in der selbigen Kuppelei, bei der auch nur qualifizierte Fälle für strafbar erklärt sind, die genaue Parallele (technisch). Sodann die Frage des Kausalzusammenhanges. Was die Ehe anbelangt, so scheint mir der Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Eheschluß notwendig zu sein. Auf Seite 48 der Denkschrift heißt es ja auch: „mittels der Täuschung zur Eingehung der Ehe verleitet worden ist". Die Verleitung — darüber ist gar kein Zweifel — erfordert diesen Kausalzusammenhang. Nun ist die Frage, ob man bei außerehelicher Vermischung den Tatbestand parallel for­ men soll. Bei der Ehe wird man an der Verleitung doch wohl festhalten müssen, weil ohne-

5 oder: „mehr" (im Original nicht sicher zu entziffern).

hin nicht die Auflösung der Ehe erreichbar wäre, denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es: wenn „der Ehegatte durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist". Also hin­ sichtlich des Ehetatbestandes ist der Kausalzusammenhang nach meinem Dafürhalten ganz unabweislich, und die einzige Frage, die wir hier zu entscheiden haben, ist, ob wir bei außerehelicher Vermischung weitergehen sollen, also schon die bloße Täuschung aus­ schlaggebend sein lassen, den dadurch herbeigeführten Irrtum des Partners aber nicht er­ fordern. Ich würde die Bestimmung durch die Täuschung auch bei dem außerehelichen Umgang befürworten. [384] Staatssekretär Dr. Freister: Meine Herren, ich bin in dem letzten Punkt anderer Meinung. Es folgt daraus, daß die Ehe nur dann für nichtig erklärt werden kann, wenn der Getäuschte durch die Täuschung zum Abschluß der Ehe bestimmt worden ist, keineswegs, daß wir uns strafrechtlich auf denselben Standpunkt stellen müssen. Ich nehme folgendes Beispiel: die Ehe wird nicht für nichtig erklärt, sondern sie wird geschieden, weil sich der betreibende Teil während des Ehescheidungsprozesses auf Ehebruch stützt; aus irgend­ welchen Gründen bringt er das andere nicht vor. Dann ist das Band der Ehe gelöst. Nach meiner Meinung muß auch in diesem Falle die Tatsache, daß seinerzeit einer der beiden Ehegatten über die Rassezugehörigkeit des anderen getäuscht worden ist, die Grundlage für die Bestrafung des Täuschenden bieten. Auch Ihre Gedanken, Herr von Dohnanyi, kann ich nicht anerkennen. Meiner Meinung nach machen Sie den einen Fehler: Sie fragen nicht, ob der Getäuschte strafbar ist, sondern Sie fragen, ob er strafbar wäre. Noch nie­ mand ist aber bestraft worden, weil er strafbar gewesen wäre. Sie sagen, daß ein Vorwurf unter Umständen auch dem anderen, dem Getäuschten, zu machen ist, nämlich dann, wenn er auf des Richters Frage: Hättest Du auch dann, wenn Du gewußt hättest, daß der andere ein Jude ist, Dich mit ihm eingelassen, antworten müßte: ja, ich hätte es auch dann getan. Für diesen Fall, sagen Sie, ist dem Getäuschten [385] ebenfalls ein Vorwurf zu ma­ chen. Das ist noch richtig; aber welche Folgerungen hat denn das? Ich habe noch nicht er­ lebt, daß jemand bestraft worden ist, weil er, als er an einem Hause vorbeiging, hätte sehen müssen, daß das Fenster offen ist und er leicht einsteigen konnte. — Nun ist er aber tat­ sächlich nicht eingestiegen! [386] Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Der Grund meiner Diskussionsbemerkung war der folgende. Wir müssen unterscheiden zwischen dem individuellen Rechtsgut der Rassenehre des Einzelnen und dem allgemeinen Rechtsgut der Rassenreinheit des Volks. Nun ist ja mehrfach in der Diskussion — z. B. von Herrn Senatspräsidenten Dr. Klee — gesagt worden — und das war ganz bezeichnend für die Unklarheit, möchte ich einmal sa­ gen, die in dieser Beziehung in der Kommission noch herrscht —, es solle der Andersrassi­ ge davor geschützt werden, daß er getäuscht wird. Das ist meiner Ansicht nach nicht rich­ tig. Er soll gar nicht davor geschützt werden, daß er getäuscht wird, sondern die Rasse soll davor geschützt werden, daß aus dieser Vermischung irgendein Produkt entsteht, daß der Rasse abträglich sein kann. Nun, Herr Staatssekretär, halte ich die Richtigkeit dessen, was Sie eben dazu bemerkt haben, für zweifelhaft. Man kann eben nicht mit Beispielen aus dem Strafrecht argumen­ tieren, bei denen die Strafbestimmung im wesentlichen ein individuelles Rechtsgut schützt. Betrug und Verletzung der Rassenreinheit können aus diesem Grunde nicht auf eine Basis gestellt und miteinander verglichen werden. [387] Wir müssen uns entscheiden. Wenn wir sagen: das geschützte Rechtsgut ist die Rassereinheit des Volks, dann kommen wir nicht darum herum zu fragen: ist denn nun der Getäuschte zu dem Geschlechtsverkehr nur des­ wegen gebracht worden, weil er angenommen hat, es handele sich um eine Gleichrassige? Hätte er nämlich sonst den Geschlechtsverkehr auch vollzogen, dann entsteht die Frage: warum bestrafen wir nur die Täuschende und nicht auch den Getäuschten? Dafür ist kein gesetzgeberisches Motiv zu sehen. [388] Staatssekretär Dr. Freister: Doch, das Motiv ist zu sehen! Die Sachlage ist doch so: wir sind uns alle darüber klar, daß wir hier nicht ein individuelles Rechtsgut schützen wol­ len, sondern wir wollen die Reinheit unserer Blutsgemeinschaft schützen. Diese Wahl

muß meines Erachtens nicht erst von dem Ausschuß getroffen werden, sondern sie ist längst einmütig entschieden. Aber wenn diese Wahl entschieden ist, dann folgt daraus, daß die Täuschung für die Zustimmung des Getäuschten zum Geschlechtsverkehr nicht kausal zu sein braucht. Haben wir diese Wahl einmal getroffen, so folgt das eben ohne weiteres daraus. Ich hatte mich gegen Sie gewandt, weil Sie nämlich merkwürdigerweise aus Ihrer Deduktion den Schluß gezogen hatten, die Täuschung müsse doch für die Zu­ stimmung des anderen zum Verkehr kausal gewesen sein. Das ist aber nicht der Fall. Wenn wir uns über den Zweck dieser Bestimmung klar sind und bleiben, dann dürfen wir nicht in den Fehler verfallen, die Kausalität der Täuschung für die Zustimmung des Part­ ners zu verlangen, und zwar weder beim ehelichen noch beim außerehelichen Verkehr. Nun sagen Sie etwas anderes; jetzt sagen Sie: wenn wir diese Wahl treffen, dann folgt daraus wiederum konsequent, daß wir auch denjenigen bestrafen müssen, der ungetäuscht mit einem Fremdrassigen Geschlechtsverkehr treibt. (Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Weil es auf die Täuschung gar nicht mehr ankommt! Es ist ganz gleichgültig, ob er getäuscht wird!) — Das ist auch nicht richtig, weil wir hier doch einfach vor der Frage stehen, wieweit wir auf Dinge, die uns unerwünscht sind, strafrechtlich reagieren wollen. Der geschlechtliche Verkehr eines [389-400] Fremdrassigen mit einem deutschen Mäd­ chen ist uns unerwünscht. Der geschlechtliche Verkehr eines Fremdrassigen mit einem deutschen Mädchen, bei dem der Fremdrassige sich des Mittels einer arglistigen Täu­ schung bedient hat, ist uns noch viel unerwünschter. Nun ist das eine Frage, bei der die verschiedensten Gesichtspunkte mitsprechen, ob wir auch schon in dem ersten Falle straf­ rechtlich antworten wollen oder erst in dem schwereren zweiten Falle. Ich habe die bisheri­ ge Aussprache und auch die Beschränkung der Aussprache durch den Herrn Reichsmini­ ster dahin aufgefaßt, daß wir über die Frage des Geschlechtsverkehrs eines Fremdrassigen mit einer Deutschen nicht diskutieren wollen, da es höchstwahrscheinlich nicht erwünscht ist, das unter Strafe zu stellen. [401] Ich bin also der Meinung, wir handeln gar nicht inkon­ sequent, sondern wir haben konsequent eine bestimmte Richtung verfolgt. Wir sind uns klar darüber, daß der Geschlechtsverkehr eines Fremdrassigen mit einer Deutschen uner­ wünscht ist, und haben uns dann gefragt, in welchen Fällen wir diesen unerwünschten Verkehr auch unter Strafe stellen wollen. Da sind wir wiederum dem treu geblieben, was Sie eben ausgeführt haben, nämlich daß wir nicht ein individuelles Rechtsgut, sondern die Rasse in ihrer Reinheit schützen wollen. Wir sind deshalb nicht in den Fehler verfallen, zu verlangen, daß die Täuschung für die Zustimmung des anderen kausal gewesen ist. Diese Regelung hat nach meiner Ansicht durchaus nicht etwas sich selbst Widersprechendes in sich. [402] Professor Dr. Dahm (Kiel): Ich halte das, was Herr von Dohnanyi ausgeführt hat, nicht für zutreffend. Wir sind uns doch darüber klar, daß das Ganze, was wir hier aufrich­ ten, nur ein Notbau ist. Das Ideal ist die Bestrafung der geschlechtlichen Verbindung zwi­ schen Ariern und Nichtariern schlechthin. Wir sind aber gezwungen, gewisse Einschrän­ kungen vorzunehmen, und finden diese Einschränkung im Merkmal der Täuschung. Es ist meiner Meinung nach eine reine petitio principii, daß wir nun unbedingt einen Täu­ schungstatbestand nach Art der Eheerschleichung schaffen müßten. Das ist keineswegs notwendig, sondern es kommt nur darauf an, aus dem Kreise der an sich strafwürdigen Personen eine bestimmte Gruppe herauszugreifen, die besonders strafwürdig handelt und eine besonders verwerfliche Gesinnung an den Tag legt. [403-420] Professor Dr. Nagler (Breslau): Der Kausalitätsgesichtspunkt ist durch die Wendung „verleiten" hereingebracht worden. Wenn wir uns darauf einigen, den Tatbe­ stand nicht unter Benutzung von „verleiten" zu formulieren, so haben wir freie Hand. Nun fragt es sich, wie weit wir die Qualifizierung treiben wollen. Es wird6 ein Ausschnitt aus der Rassenvermischung unter Strafe gestellt, qualifiziert durch das Mittel. Muß das

6 Hier folgen ein bis zwei kurze Worte, die nicht genau zu entziffern sind; evtl.: „hier wieder".

Mittel gewirkt haben oder nicht? Lassen wir es bei der einfachen Täuschung als solcher be­ wenden oder fordern wir auch den dadurch hervorgerufenen Irrtum? Das ist eine rein kri­ minal-politische Frage. Man kann sich, wenn man sich nicht durch die Wendung „Verlei­ ten" bindet, natürlich im Sinne des Herrn Staatssekretärs Freister entscheiden. Ich habe da­ gegen Bedenken: der Tatbestand würde formalisiert. [421] Ministerialdirektor Dr. Dürr: Herr von Dohnanyi hat sich für seine Ansicht, daß ein Kausalzusammenhang zwischen der Täuschung und der geschlechtlichen Vermi­ schung bestehen müsse, auch auf mich berufen; ich hätte mich in dem gleichen Sinne ge­ äußert. Das ist nicht richtig. Ich habe nur gesagt, bei der käuflichen Liebe würden ein argli­ stiges Verschweigen und eine Täuschung überhaupt nicht vorkommen. Aber ich habe es absichtlich vermieden, von Kausalzusammenhang zu sprechen. Ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß wir den Kausalzusammenhang nicht verlangen dürfen. Aber wir müssen noch einen Schritt weitergehen. Schon als der Herr Minister die Frage auswarf, ob bei der Herbeiführung der Eheschließung Voraussetzung der Strafbarkeit die Auflösung der Ehe sein solle, hatte ich mir gesagt: nein, sie darf nicht die Voraussetzung sein. Ich ha­ be mich dann, als der Herr Staatssekretär sprach, seiner Ansicht im Innern angeschlossen und komme nun doch wieder auf meinen ursprünglichen Standpunkt zurück. Wenn wir nur einen erschwerten Fall der geschlechtlichen Vermischung verschiedenartiger Rassen treffen, nicht den Getäuschten schützen wollen, dann dürfen wir auch nicht die Auflösung der Ehe zur Voraussetzung der Strafbarkeit machen. Allerdings wird ja praktisch ein Straf­ verfahren kaum je eingeleitet werden, solange die Ehe besteht. Aber es ist reinlicher, wenn wir die Auflösung der Ehe nicht zur Voraussetzung der Strafbarkeit machen, sondern uns mit der Erwägung beruhigen: Wenn die Ehe nicht aufgelöst wird, wird entweder keine An­ zeige erstattet oder es wird der Ehegatte das Zeugnis verweigern. Infolgedessen wird der Tatbestand nicht festge- [421] stellt werden. Sehen wir beim Rassenbetrug davon ab, die Auflösung der Ehe zur Voraussetzung der Strafbarkeit zu machen, so ist dies ein wichtiger Unterschied dieses Tatbestandes von dem Tatbestand der Eheerschleichung. Die Bestra­ fung erfolgt beim Rassenbetrug nicht wegen Erschleichung der Ehe, sondern weil unter Verwendung des verwerflichen und besonders gefährlichen Mittels der Täuschung eine geschlechtliche Vermischung zwischen Angehörigen verschiedener Rassen eingetreten ist. [423] Ministerialrat Dr. Schäfer: Ich komme um folgendes Bedenken nicht herum: So lange der Staat die Ehe für gültig erklärt, kann man den Geschlechtsverkehr in der Ehe nicht unter Strafe stellen. [425-440] Ministerialdirektor Dr. Dürr: Man behauptet, solange die Ehe fortbestehe, könne wegen einer Straftat die zur Ehe geführt hat, nicht bestraft werden. Allein ein Ehe­ gatte, der sich vor Eingehung der Ehe dem anderen Ehegatten gegenüber durch Täuschung über seine Vermögensverhältnisse des Betrugs schuldig gemacht hat, kann hierwegen während des Bestehens der Ehe bestraft werden, (Ministerialrat Dr. Schäfer: Das ist ein ganz anderer Fall!) Darauf wird die Beratung auf den Nachmittag vertagt. (Pause von 2 Uhr 9 Minuten bis 4 Uhr 38 Minuten.) [441] Reichs justizminister Dr. Gärtner: Wenn ich recht verstehe, so ist die Erörterung nunmehr wieder beim Grundtatbestand angelangt. Das ist aber nicht überraschend; denn ich glaube, wir haben es uns trotz der langen Dauer der Erörterung etwas zu leicht ge­ macht. Ich darf von Folgendem ausgehen: Das Einfachste, dem Grundgedanken des Rassen­ schutzes am meisten Entsprechende wäre, den Verkehr Fremdrassiger untereinander, sei es innerhalb, sei es außerhalb der Ehe, unter Strafe zu stellen. Erste These: das geschützte Rechtsgut ist die Reinheit der Rasse. Zweite These: für den Fall, daß das nicht geht, gibt es zwei Möglichkeiten: Erste Möglichkeit: entweder überhaupt gar nichts in das Strafgesetz­ buch hineinzuschreiben. Diese Möglichkeit ist aus triftigen Gründen abgelehnt worden.

Zweite Möglichkeit: hilfsweise etwas anderes hineinzuschreiben. Da sind wir nun jetzt, glaube ich, im lebhaftesten Meinungsaustausch darüber, ob dieser Ersatztatbestand sich dem Ehebetrug nähern soll, oder ob er sich dem nicht in die Erscheinung tretenden Grund­ tatbestand nähern soll. Das hat sich wohl deutlich herausgestellt: je mehr sich ein solcher Ersatztatbestand dem Ehebetrug nähert oder am Ende gar eine Spezialisierung des Ehebe­ trugs darstellt, umso weiter würden wir uns von der Idee des Rassenschutzes entfernen. Nun will ich mal annehmen: zwei Fremdrassige verkehren miteinander; beide kennen die Fremdrassigkeit des anderen. Das fällt nicht in den Strafbereich. Oder: zwei Fremdras­ sige verkehren miteinander, [442] und die Frauensperson erklärt vorher: Du weißt doch, daß ich ein Judenmädchen bin. Der andere verkehrt trotzdem mit ihr. Dann fällt das wie­ derum nicht unter den Strafbestand. Oder: zwei Fremdrassige verkehren miteinander, und es wird über die Rasse gar nichts gesprochen, niemand interessiert sich eigentlich dafür, und die Frage, ob der Betreffende auch verkehrt hätte, wenn er gewußt hätte, daß der ande­ re Teil fremdrassig ist, kann man vernünftigerweise gar nicht stellen. Würde das dann — jetzt scheiden sich die Wege — nach diesem Vorschlag strafbar sein? Ja. Also wer offen, frei und schamlos sich mit dem Fremdrassigen vermischt, fällt außer­ halb des Strafrechts, wer dasselbe tut, ohne daß er vielleicht einen Grund hat, sich um die Rasse des anderen Teils zu kümmern, wird strafrechtlich verfolgt. Ich weiß nicht, ob das noch recht zusammengeht. [461] Die Sache wird in demselben Augenblick anders, wo wir den Tatbestand auf die Täuschung abstellen. Dann kommen wir allerdings dazu, nicht eine Schutzbestimmung zugunsten der Rassenreinheit zu schaffen, sondern eine Individualschutzbestimmung, die sich in der Sphäre der Rassenvermischung bewegt. [462] Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Wenn zwei Verschiedenrassige miteinander ver­ kehren und die Frage der Rassenverschiedenheit gar nicht zur Sprache kommt, müssen wir verschiedene Möglichkeiten des subjektiven Tatbestandes unterscheiden. Erste Möglich­ keit: beide halten sich für gleichrassig, dann fehlt für die Strafbarkeit der Vorsatz. Zweite Möglichkeit: sie wissen beide, daß sie fremdrassig sind; dann haben wir den Fall, von dem wir heute vormittag übereinstimmend meinten, daß eine Strafbarkeit mindestens zur Zeit untragbar sei. Es bleibt also der Fall übrig: beide sind verschiedenrassig, gesprochen wird darüber nicht, der eine weiß von der Fremdrassigkeit, der andere nicht — wobei Eventual­ dolus nicht genügen dürfte. Nur dieser Fall kann es sein, der Schwierigkeiten macht. [463] Hier habe ich das Gefühl, daß es ganz unmöglich ist, immer eine positive Aufklä­ rung des Partners zu verlangen. Strafe aber verdient hier die ausdrückliche oder konklu­ dente Täuschung. In ihr sehe ich den Grund für das Eingreifen des Staates. Hier werden auch diejenigen, die den Grundfall grundsätzlich straflos lassen wollen, für Strafbarkeit sein, weil eine solche Täuschung heutzutage eine Gemeinheit ist, die Strafe verdient, selbst wenn man die Rasse an sich nicht für ein geeignetes Objekt primären Strafschutzes hält. Ein Mädchen, das so getäuscht wird, kann geradezu ins Wasser gehen. Und zwar fordern Gerechtigkeit und Anstand gleiche Behandlung aller hier denkbaren Fälle. Darauf, ob der Täuschende Arier oder Nichtarier ist, kann es nicht ankommen. [464-480] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, der springende Punkt ist genü­ gend klar herausgestellt. Sobald Sie die Konstruktion wählen, auf die wir heute vormittag vor den Angriffen von Herrn Dr. von Dohnanyi abgekommen waren — die Schwierigkei­ ten haben sich ja erst in der hieran anknüpfenden Debatte herauskristallisiert —, müssen Sie die hieraus sich ergebenden Folgerungen auch in Kauf nehmen. [481] Ich sehe aber eine andere Konstruktion vorläufig noch nicht. Der Begriff der Täu­ schung ist eingänglich und verständlich. [482] Professor Dr. Mezger (München): Ich verstehe die Fassung von Herrn Professor Kohlrausch so, daß zwei Täuschungshandlungen vorliegen müssen, ohne daß aber im Ein­ zelfall der Nachweis der Kausalität dieser Täuschung gefordert wird. Das ist eine mildere Form gegenüber derjenigen, die früher im Sinne einer Bestrafung der unterlassenen Nichtmitteilung zur Diskussion stand. Die Bedenken hängen mit der (technisch immer

verfehlten) Form zusammen, daß man nur einen qualifizierten Tatbestand straft und den Grundtatbestand nicht. Wir können nun einmal aus bestimmten Gründen den Grundtat­ bestand nicht bestrafen und müssen deshalb gewisse Unstimmigkeiten, die sich daraus er­ geben, mit in Kauf nehmen. [483] Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin): Ich glaube, es kommt weniger auf die Kausalitätsfrage an als auf den subjektiven Tatbestand, den wir beim Täter voraussetzen wollen. Wenn wir nämlich auch die Kausalität einführten, so würde doch nach unserem Unternehmensbegriff es immer nötig sein, auch dann zu bestrafen, wenn die Täuschung keinen Erfolg gehabt hat, d. h. also, wenn die Verbindung auch eingegangen worden wäre ohne die täuschende Handlung; denn, wenn der Täter arglistig verschweigt, daß er einer anderen Rasse angehört, so braucht das noch nicht den Erfolg zu haben, daß die andere Person nun gerade dadurch bestimmt wird, die Ehe oder eine geschlechtliche Verbindung einzugehen. Ist das nicht der Fall, bleibt das strafbare Unternehmen der Verleitung übrig. Aber es würde nicht möglich sein, schon den zu bestrafen, der nur verschweigt, daß er ei­ ner anderen Rasse angehört als der Partner, sondern es muß hinzukommen, daß er sich sagt, daß der andere, wenn er es wüßte, mit ihm diese Verbindung nicht eingehen würde. Deswegen würde ich vorschlagen, in das Gesetz hineinzuschreiben „arglistig" ver­ schweigt. Ich würde allerdings nicht für erforderlich halten eine positive Täuschungshand­ lung, sondern auch schon eine Unterlassung würde m. E. genügen, vorausgesetzt, daß das Merkmal der Arglist eingefügt wird. Die Auflösung der Ehe mag gefordert werden aus dem Gesichtspunkt, daß es nicht angeht, Leute, die in einer Eheverbindung bleiben wollen, dadurch von einander zu reißen, daß der eine von ihnen bestraft wird. [484] Daß wir einen Kompromiß schließen, darüber sind wir uns alle klar. Schön ist das nicht, und jeder wird sagen: Wenn ihr das Ziel verfolgt, die Rassen Vermi­ schung zu verhüten, dann müßt ihr konsequenterweise als strafbaren Grundtatbestand die Rassenvermischung selbst aufstellen. Aber da das heute nicht erreichbar ist, kann man sich mit einem Hilfstatbestand abfinden. Nur noch ein Wort, wie es mit Ausländern zu halten ist, die im Inlande Rassenvermi­ schung treiben (?)7, und wie es mit Deutschen ist, die im Auslande die Tat begehen. Neh­ men wir den Fall: Ein Franzose, der nach Deutschland kommt, wird durch eine Jüdin ge­ täuscht. Er hält sie für eine Deutsche, die französisch spricht; sie ist aber Jüdin. Sie hat ihm das arglistig verschwiegen. Arglist liegt vor, wenn der andere Teil anders reagieren würde, wenn er die Wahrheit wüßte und der Täuschende sich dessen bewußt ist. Nun, glaube ich, besteht gar kein Interesse bei uns, einen solchen Fall unter Strafe zu stellen. Wir schützen nicht die Rasse an sich, sondern die Rasse, so weit sie sich in der deutschen Volksgemein­ schaft verkörpert. Diesen Standpunkt würde ich wenigstens für den richtigen halten. Wir haben keinen Anlaß, die französische Volksgemeinschaft vor Verseuchung durch Vermi­ schung mit anderen Rassen zu schützen. [485] Deshalb würde ich vorschlagen, in den zu formulierenden Tatbestand eine Bedingung einzufügen, daß nur dann Strafe eintritt, wenn die Handlung geeignet war, die deutsche Rassegemeinschaft zu gefährden. Wie ist es nun mit Deutschen, die im Auslande dasselbe tun, was wir, wenn in Deutschland begangen, auf alle Fälle unter Strafe stellen wollen. Beispiel: Wie ist es, wenn eine jüdische Person, die hier mit einem deutschen Mädchen Beziehungen angeknüpft hat, die noch nicht zum geschlechtlichen Verkehr geführt haben, mit dem Mädchen eine Reise in die Schweiz macht, um es dort zum Geschlechtsverkehr mit ihr kommen zu lassen? Hier besteht ganz sicher ein Strafbedürfnis. Wir können es nicht zulassen, daß jemand einfach ins Ausland reist, da die Tat vollzieht und nachher sagt: Ich habe zwar eure Rasse gefähr­ det, ich bin aber nicht strafbar, weil ich nach dem Auslande gereist war. Ebenso können wir nicht [486] Eheschließungen mit Fremdrassigen deshalb straffrei lassen, weil sie im Auslande vollzogen worden sind. Freilich läßt sich das nicht in allen Konsequenzen durchfüh-

7 Nicht ganz sicher zu entziffern.

ren. Deutsche, die sich nach dem Orient begeben oder nach Afrika und dort mit fremdras­ sigen Personen verkehren, können wir wohl nicht auf dieselbe Stufe stellen wie deutsche Staatsangehörige, die den Rasseverrat im Auslande in der Weise treiben, wie er mir in dem ersten Beispiele vorschwebte. Aber die Unmöglichkeit, die Strafbarkeit durchzuführen bei Deutschen, die im Auslande Rasseverrat treiben, führt nicht dazu, auf die Bestrafung der Auslandstat überhaupt zu verzichten. Es müßte Sache der Strafverfolgungsbehörde sein, hier in irgendeiner Form ein Ventil zu finden. Grundsätzlich würde ich also dafür eintre­ ten, daß auch die Auslandstat eines Deutschen bestraft wird. Dagegen würde ich Auslän­ der, die hier im Inlande gegen das Rasseprinzip als solches verstoßen, nicht bestrafen, so­ weit sie nicht damit gleichzeitig die deutsche Volksgemeinschaft gefährden. Das würde et­ wa dann der Fall sein, wenn ein französischer Jude hier in Deutschland mit einem deut­ schen Mädchen verkehrt. [487] Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Wären Sie in der Lage, Herr Senatspräsident, we­ nigstens im Rohen den Tatbestand in Worten auszudrücken, wie er Ihnen vorschwebt? [488] Senatspräsident Professor Dr. Klee: „Wer bei der Eheschließung oder beim außer­ ehelichen Geschlechtsverkehr arglistig verschweigt, daß er fremdrassig ist, wird bestraft". Dann als Strafbarkeitsbedingung: „Strafe tritt nur ein, wenn die Handlung geeignet war, die deutsche Rassegemeinschaft zu gefährden". [489-500] Oberregierungsrat Dr. von Dohmnyi: Ich wollte noch einige Bemerkungen, zu denen ich heute Vormittag nicht gekommen bin, zur Frage des Rassenverrats machen, und zwar lediglich Bemerkungen, die sich auf dogmatische Schwierigkeiten beziehen, die, glaube ich, außerhalb und neben der Schwierigkeit des Kausalzusammenhangs noch ent­ stehen, vor allem, wenn man sich die Unstimmigkeit, die der Herr Minister eingangs ange­ führt hat, vor Augen hält, die Unstimmigkeit, die darin besteht, daß derjenige strafbar sein soll, der mit einem anderen geschlechtlich verkehrt und dabei verschweigt, daß er einer fremden Rasse angehört, dagegen derjenige nicht, der aus seiner Fremdrassigkeit kein Hehl macht. Die Schwierigkeit scheint mir auch in folgendem zu liegen: Man stelle sich den Fall vor, daß der Angeklagte behauptet, sein Partner habe seine — des Angeklagten — Fremdras­ sigkeit gekannt und sei gleichwohl mit dem Geschlechtsakt einverstanden gewesen! Nach unserem bisherigen Ergebnis würde unzweifelhaft eine strafbare Handlung nicht vorlie­ gen, wenn der Angeklagte die Richtigkeit seiner Behauptung nachweisen könnte. Daraus muß man die rechtliche Folgerung ziehen, daß das Einverständnis des Partners die Straf­ barkeit der Handlung ausschließt; oder mit anderen Worten, daß der strafrechtliche Schutz des Gemeingutes der Rassenreinheit zur Disposition der an dem Geschlechtsakt Beteilig­ ten steht. Das steht zu allem, was wir bisher in der Kommission über die Einwilligung ge­ hört haben, in einem nicht zu vereinbarenden Gegensatz. [501] Eine weitere Schwierigkeit ist die: wie ist es, wenn der Angeklagte in der Haupt­ verhandlung behauptet und nachweist, er habe sich über die Einwilligung des anderen ge­ irrt? Nun könnte man sagen: dieser Irrtum ist nach der Formulierung des Herrn Senatsprä­ sidenten Klee kein strafbefreiender Irrtum. Mir ist das sehr zweifelhaft; denn wenn der Angeklagte behaupten würde, er habe sich über einen Umstand geirrt, bei dessen Vorlie­ gen die Strafbarkeit der Handlung ausgeschlossen wäre, so wäre das ein Irrtum über eine Tatsache. Wollte man aber selbst annehmen, daß der Irrtum, den der Angeklagte behauptet, nicht strafbefreiend wirkt, kann man sich eigentlich auf den Standpunkt stellen, daß die Hand­ lung des Angeklagten strafwürdig ist? Wenn das Einverständnis beider Beteiligten wirk­ lich vorgelegen hätte, so wäre eine strafbare Handlung nicht gegeben. Wenn ein solches Einverständnis zwar nicht vorliegt, der eine Teil aber nach Sachlage mit gutem Grund das Einverständnis des andern voraussetzen durfte, [502] erscheint dann die Handlung wirk­ lich noch strafwürdig? Schließlich darf ich noch auf eins hinweisen, was eben Herr Senatspräsident Dr. Klee schon berührt hat. Man wird sich auch überlegen müssen, ob man hier den §323 anwen-

den, also das Unternehmen mit Strafe bedrohen kann. Wir sind bisher davon ausgegan­ gen, daß der Ehebruch niemals zu einem Unternehmensdelikt gemacht werden kann. Ich habe mir die Sache noch nicht genau überlegt, möchte aber zur Erwägung geben, ob man hier nicht aus ganz ähnlichen Gründen wie beim Ehebruch die Strafbarkeit des Unterneh­ mens ausschließen müßte. [503] Reichs]ustizminister Dr. Gürtner: Die letztere Frage taucht natürlich sehr drama­ tisch auf, weil ja hier ähnlich wie beim Ehebruch die Strafbarkeit aus der Geschlechtsver­ bindung abgeleitet wird. Ich wäre aber dankbar, wenn wir das zunächst nicht weiter verfol­ gen würden; das könnten wir am Schluß erörtern. Ich muß gestehen, daß es ein wenig grausam ist, wenn Herr von Dohnanyi immer wieder mit unerbittlicher Logik darauf hin­ weist, daß wir zwischen der Scylla des Rasseschutzes und der Charybdis des Betrugs durchsteuern und stranden müssen. Ich glaube, ein Gefühl der Insuffizienz beherrscht al­ le, die hier am Tische sitzen. Wenn wir mit dem Wort „Täuschung" operieren, so ist das, glaube ich, keine Abwei­ chung von dem Vorschlag des Herrn Senatspräsidenten Dr. Klee, denn das arglistige Ver­ schweigen soll ja eine Form der Täuschung sein. (Zustimmung.) — Also der Oberbegriff wäre die Täuschung. Daran knüpfen sich nun all die Fragen, die Herr von Dohnanyi eben gestellt hat, also die vorgestellte Einwilligung, die wirkliche Einwilligung, die vermutbare und die nichtvermutbare. Aber, meine Herren, sollte denn die Verwendung des Begriffs „täuschen" wirklich strafrechtlich solche Schwierigkeiten ergeben? —, [504] eines Be­ griffs, den wir doch anderswo auch haben und seit Jahrhunderten gebraucht haben. Ich hätte eigentlich kein Bedenken, einen solchen Begriff zu verwenden. Das wäre zunächst meine Meinung. Aber das andere steht unwiderleglich fest und kann von niemanden bestritten werden, daß der Rasseschutz, der die Verhinderung des commixio sanguinis zum Gegenstand hat, eigentlich seinem Wesen nach etwas anderes will als das, worum wir hier ringen. Damit müssen wir uns aber abfinden. Das ist meine Meinung. [505] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich bin mir an sich vollkommen darüber klar, daß Sie zur Zeit über den Begriff der Täuschung sprechen. Ich möchte aber doch bitten, einmal au­ ßerhalb des Protokolls etwas bemerken zu dürfen. Ich habe gestern abend erst von der Sit­ zung erfahren und hatte nur noch Gelegenheit gehabt, mit Herrn Ministerialdirektor Dr. Gütt, der ja zunächst aufgefordert war, über diese Fragen zu sprechen. Bei dieser Bespre­ chung habe ich das Empfinden gehabt, daß man aus Gründen, die ja hier schon sehr viel erwähnt worden sind, das gesetzliche Festlegen des Begriffs „rassefremd" fürchtet. Das ging so weit, daß sogar nicht gewünscht wurde, einen Vortrag, der in Berlin stattfindet, zu halten, der auf dem Begriff des Rassegedankens aufgebaut war. Infolgedessen verfolge ich — ich muß einmal ganz offen sprechen — Ihre Verhandlungen mit einem gewissen Herzklopfen, weil ich glaube, daß leider noch nicht die hinreichende Voraussetzung ge­ schaffen ist für die Grundidee. Der Herr Reichsminister hat eben so schön ausgeführt: es ist ein unvollkommener Rasseschutz, der getrieben wird, und selbst dieser unvollkomme­ ne Rasseschutz wird vielleicht schon zu größeren Schwierigkeiten führen, die unserem zu­ ständigen Amt nicht erwünscht sind. Deswegen verfolge ich immer noch den Gedanken, ob man [506] diese Spezialfragen nicht in eine allgemeinere Form bringen könnte, insofern, als man sagen würde: „wer den Gesetzen usw. zuwiderhandelt, die zur Erb- und Rassen­ pflege, — vielleicht auch: die zum Schutz, zur Förderung und zur Erhaltung des deutschen Erbgutes erlassen sind und erlassen werden, wird bestraft"; denn vorläufig wissen keines­ wegs alle Volksgenossen, ob sie rassefremd sind, oder ob sie zur Rasse gehören. Für die Zukunft besteht doch die Absicht, diese Frage erstens in der Ehegesetzgebung zu regeln und zweitens diejenigen, die rassefremd sind, nicht in die Volksgemeinschaft aufzuneh­ men. In dem Augenblick, wo jemand, obgleich er in Deutschland wohnt, nicht in die Volksgemeinschaft aufgenommen wird, weiß er, daß er rassefremd ist; wenn er dann, wenn er eine Ehe eingehen oder Geschlechtsverkehr treiben will, verpflichtet wird, eine entsprechende Erklärung abzugeben, würden die Voraussetzungen viel leichter sein. Der

Herr Ministerialdirektor hat mich ferner beauftragt, daß ich, wenn der Begriff der Rasse­ fremdheit in das Gesetz hineinkommen soll, betonen möchte, daß unbedingt das Auswär­ tige Amt darüber noch vorher zur Stellungnahme gebeten werden müsse. Ich gebe das wiederum nur außerhalb des Protokolls zur Kenntnis. [507] — Es ist doch wohl Tatsache, daß die Mißstimmung im Ausland zum großen Teil' dadurch gekommen ist, weil bestimmte Gesetze schon früher bekannt waren, ehe ihre ei­ gentliche Wirkung überhaupt eingetreten war und übersehen werden konnte, sodaß die letztere zum Teil noch als größer gefürchtet wurde, als sie in Wirklichkeit beabsichtigt war und herauskam. Ich möchte daher zusammenfassen, daß ich keine offizielle Erklärung über diese Sache abgeben kann und umgekehrt doch persönlich so in der ganzen Sache darinstehe, daß ich nochmals betonen muß: die Voraussetzungen für die beabsichtigten Spezialparagraphen werden nachher sehr schwierig festzustellen sein, ob nämlich der Betreffende überhaupt gewußt hat, daß er rassefremd war, und ob er es dennoch verschwiegen hat. [508] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Diese letzteren Befürchtungen sind unbegrün­ det; denn eine arglistige Täuschung und ein arglistiges Verschweigen kann man dann doch wohl nicht annehmen, wenn der Mann gar keine Ahnung gehabt hat, daß er fremd­ rassig ist. Gerade das würde durch einen solchen Tatbestand, wie ihn der Herr Staatssekre­ tär Dr. Freisler nachher zu entwickeln die Liebenswürdigkeit haben wird, aus dem Wege geräumt. Ich fasse Ihre Ausführungen, Herr Ministerialrat Möbius, dahin auf, man möge in For­ mulierungen des Strafrechts nicht eine Schwierigkeit schaffen, die gleichermaßen die deutsche Politik angehen würde, aber auch die Sachverständigen für Rassefragen in eine schwierige Lage bringen würde. [509-520] Staatssekretär Dr. Freisler: Dieser Ansicht sind wir auch heute vormittag schon gewesen, und ich vermag tatsächlich einen wesentlichen Unterschied der Betrach­ tung von heute nachmittag gegenüber heute vormittag nicht zu erkennen. Ich habe mich nun einmal bemüht, das, was ich mir so als Regelung denke, in Worte zu fassen. Es soll nur eine Skizze sein. „Wer in Deutschland bei Eingehung einer Ehe oder einer eheähnli­ chen Verbindung den Ehegatten über seine Rassefremdheit, sei es auch nur durch Ver­ schweigen, täuscht, wird wegen Rasseverrats bestraft. Die Strafbarkeit setzt voraus, daß die Ehe anders als durch Tod eines der Ehegatten gelöst ist. Ebenso wird bestraft, wer sich zur Erzielung der Zustimmung zum außerehelichen Geschlechtsverkehr einer solchen Täuschung bedient/' — Nun ist noch die Frage, ob man einen weiteren Absatz beifügen will oder ob man das nicht ins Strafgesetzbuch hineinschreiben will, sondern in irgendwel­ che Ausführungsverordnung; es gehört aber meines Erachtens in das Gesetz. „Fremdras­ sig im Sinne dieser Bestimmungen ist jeder, dessen Vater oder Mutter farbig oder jüdi­ schen Blutes ist". [521] Das ist jedenfalls die Regelung, wie ich sie mir denke, wobei ich beim letzten Ab­ satz noch erklärt habe, daß es fraglich ist, wo man es sagt. Ich kann nicht anerkennen, daß diese Regelung zu tatsächlichen Unklarheiten führen würde. Sie ist absolut klar. Ob je­ mand farbig oder in diesem Sinne jüdischen Blutes ist, das weiß jeder; denn er braucht nur auf seinen Vater und seine Mutter zu sehen. Weiß er es aber in diesem Falle wirklich nicht, dann kann er auch nicht bestraft werden, so daß die Bestimmung dann nicht zum Zuge kommt. Die Bestimmung ist schon soweit eingeschränkt, daß ich mir nicht denken kann, daß ir­ gend jemand dagegen durchschlagende Einwände erhebt. Erstens ist sie auf Deutschland beschränkt. Man kann sehr wohl sagen, daß das gar nicht einmal nötig wäre, daß es viel­ leicht unrichtig wäre. Es ist aber auf alle Fälle geschehen, es steht dort: Wer in Deutschland usw. . .. Zweitens ist das Moment der Täuschung sehr deutlich hervorgehoben. Meines Erachtens ändert das allerdings an der Grundeinstellung nicht das Geringste. Persönlich bin ich der Meinung, daß es trotzdem eine echte Rasseschutzbestimmung ist und nicht ei­ ne Bestimmung, die um dessentwegen geschehen ist, weil wir jemanden vor einer Täu-

schung schützen wollen. Nur wenn man sich auf diesen Standpunkt nämlich stellt, kommt man zu der Konsequenz, die Herr von Dohnanyi dauernd an die Wand malt. Dann fügt man nämlich zur Täuschung das Bild des Betruges hinzu. Das ist aber gar nicht damit ver­ bunden, das hat mit Betrug gar nichts zu tun, wenn und solange wir zum Betrüge fordern, daß die Täuschung für irgendeine Handlung bestimmend gewesen ist. Das tun wir aber hier nicht. Weil wir das nicht tun, so ist auch diese Bestimmung nicht um deswillen [522] erlassen, weil jemand vor einem Irrtum geschützt werden soll, sondern um deswillen, weil wir meinen, daß das Mittel der Täuschung erfahrungsgemäß eines der gefährlichsten Mit­ tel ist, um den Verkehr der Verschiedenrassigen untereinander zu erreichen. Deshalb ist diese Art der Regelung gewählt. Nebenbei ist es auch angenehm, daß durch diese Art der Regelung zugleich Bedenken von verschiedenster Seite, wie etwa von Seiten der Kirche, zurückgeschlagen werden kön­ nen; denn man kann immer sagen: Bitte sehr, was bestrafen wir? Wir bestrafen die Ge­ meinheit der Täuschung. Warum wir sie bestrafen, nämlich, weil das für unsere Rasse ge­ fährlich ist, das brauchen wir ja nicht zu sagen, ist aber trotzdem eine Tatsache. Ich bin auch der Meinung, daß man dem auch nicht entgegenhalten könnte: Das ist aber merk­ würdig, jetzt bestraft ihr die Täuschung, und ihr bestraft nicht das offene Mit-einanderverkehren. So kann man meines Erachtens nicht erwidern, weil das offene Mit-einanderverkehren von Verschiedenrassigen nicht so leicht vorkommen wird wie ein Verkehr eines deutschen Mädchens mit einem Juden, bei dem das deutsche Mädchen nicht weiß, daß es ein Jude ist. Insofern vertraue ich nämlich der Wandlung, die im Volke schon eingetreten ist und weiter durch außerhalb des Strafrechts vorgenommene erzieherische, aufklärende und sonstige Maßnahmen zum Erfolge führen wird. [523] Wir haben einen Fall in Schles­ wig-Holstein, wo ein Jude über 60 außereheliche Kinder gezeugt hat. Wenn in allen diesen 60 Fällen das Mädchen gewußt hätte, das ist ein Jude, dann würde die Zahl der Kinder und des Geschlechtsverkehrs, der da zustandegekommen ist, nicht so groß, sondern bedeutend geringer sein. Es ist also tatsächlich so, daß außer der Gewalt als Mittel, von der es sich fragt, ob man sie hier besonders hervorheben will, die Täuschung das Gefährlichste ist, dasjenige, wogegen die erzieherischen Maßnahmen, für die andere Stellen der Volksfüh­ rung verantwortlich zeichnen, gar nicht wirken können, wenigstens nicht in dem Regelfall, in dem derjenige, der täuscht, ein Fremdrassiger ist. Es ist deshalb voll begründet, daß wir diesen Fall unter Strafe stellen. Wir befinden uns damit auf dem Gebiete des echten Rasse­ schutzes. Es taucht dann die Frage auf, was man unter Täuschung verstehen will. Da kommt man sofort zu der Frage, ob eine positive Eröffnungspflicht besteht. Das wäre doch gar nichts Neues, daß wir diese positive Eröffnungspflicht deklarieren. Man muß es doch auch vor dem Geschlechtsverkehr eröffnen, wenn man geschlechtskrank ist. Jetzt soll man eröffnen müssen, daß man geschlechtskrank ist, soll aber nicht gezwungen sein, dem Partner zu er­ öffnen, daß man fremdrassig ist. Ich finde, es ist das nicht ein härteres und schwereres Verlangen, es ist nur ein anderes Verlangen, das wir an den Betreffenden stellen. [524] Man muß sich daran gewöhnen, die Anschauung in sich aufzunehmen, daß die Eröffnung der Verschiedenrassigkeit etwas ist, was man ebenso erwarten muß wie die Eröffnung der Geschlechtskrankheit. Nach meiner Ansicht ist das gar nicht so absolut neu und so unbe­ dingt Widerstand hervorrufend. Deshalb würde ich eine Bestimmung etwa derart für rich­ tig halten: Wer in Deutschland bei Eingehung einer Ehe oder eheähnliche Verbindung, wobei ich das letztere in Klammern setzen will — Herr Ministerialdirektor Schäfer möchte das gern —, den Ehegatten über seine Rassefremdheit, sei es auch nur durch Verschwei­ gen täuscht, wird wegen Rasseverrats bestraft. Der zweite Absatz, den ich gewählt habe, ist auch nur die Zusammenfassung dessen, was wir besprochen haben; denn er sagt, daß freilich die Ehe gelöst sein muß, sagt aber ferner, daß sie nicht gerade um deswillen gelöst sein muß; nur habe ich hineingesetzt: Wenn sie durch Tod gelöst ist, soll man nicht mehr darauf zurückkommen; denn dann be­ steht sie eben ideell fort.

Herr von Dohnanyi spricht dauernd, allerdings mit unerbittlicher Logik, von der Frage der dogmatischen Behandlung der Einwilligung. Ich muß aber sagen, bei einem solchen Aufbau kommt man überhaupt nicht auf den Gedanken, daß hiermit die Einwilligung ir­ gend etwas zu tun hätte. Wir kommen überhaupt an keiner Stelle dazu, uns um die Einwil­ ligung oder Nichteinwilligung auch nur zu kümmern. Das ist gewiß eine Änderung gegen­ über der Preußischen Denkschrift; denn da steht etwas von der Verleitung [525] drin. Aber mir scheint es eine Besserung zu sein. Das sichert auch die klare Abgrenzung von dem im übrigen ja allgemeineren Tatbestände des Ehebetrugs, den wir sowieso haben werden, bei dem es dann allerdings auf die Kausalität der Täuschung für die Einwilligung wahrschein­ lich oder vielleicht ankommen wird. Ich muß deshalb bekennen, Herr Reichsminister, daß ich nicht zu denjenigen gehöre, die nach dem Gange der Debatte meinen, daß das, was wir hier tun, nur ein Notbehelf wä­ re, daß es in Wirklichkeit kein Rasseschutz sei, sondern Schutz des guten Glaubens, son­ dern ich bin der Überzeugung, daß es so, wie die Dinge heute stehen, und zwar von allem, was eben vorgetragen wurde, abgesehen, auch nach der Sache selbst die richtige Art des strafrechtlichen Rasseschutzes ist, zu der allerdings ein Rasseschutz durch Mittel der Auf­ klärung und Erziehung hinzukommen muß. [527] Ministerialdirektor Schäfer: Wir stehen immer noch bei der Frage, ob jede Täu­ schung berücksichtigt werden soll oder nur die kausale oder relevante Täuschung. Nun macht mich das sehr stutzig, was gerade die Hauptbefürworter der Berücksichtigung jeder Täuschung selbst formulieren. Ich gehe von dem Fall des unehelichen Geschlechtsver­ kehrs aus. Herr Senatspräsident Klee will da das arglistige Verschweigen berücksichtigen, und er selbst definiert: Arglist liegt vor, wenn man sich sagt, daß der andere anders reagie­ ren würde, wenn man ihn aufklärte. Mit anderen Worten, nur die Lüge, die man selbst für kausal hält! Nun darf ich die Definition von Herrn Staatssekretär Freister vorlesen: Ebenso wird bestraft, wer sich zur Erzielung der Zustimmung zur Ausübung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs einer solchen Täuschung bedient; also wiederum ganz klar, Herr Staatssekretär Freister kommt ganz von selbst zur Kausalität. (Staatssekretär Dr. Freister:Sie können doch nicht das Entgegenkommen, das Ihnen gegenüber gezeigt ist, als Argument für Ihre Ansicht anführen!) — Ich wollte nur sagen, daß die prominentesten Verfechter dieser Idee selbst darauf kommen. Nun möchte ich ein zweites Argument zur Beurteilung der Frage anführen. Man muß sich doch auch die Lebensnähe oder das Lebenswahre dieser Handlung vorstellen. Es ist doch nicht so, daß beim außerehelichen Geschlechtsverkehr es sofort mit diesem Verkehr beginnt, sondern es gehen Zärtlichkeiten und gewisse Intimitäten voran, bei denen die Rassefrage gar keine Rolle spielt. [528-540] Dann geht es vielleicht plötzlich durch spontanen Entschluß zu dem Ge­ schlechtsverkehr über, und jetzt wollen wir hier bestimmen: Halt, stopp, jetzt wird erst ge­ sagt ----- (Staatssekretär Dr. Freister: Sie können es auch schon vorher sagen!) — Wir wol­ len doch lebenswahr bleiben. Ich kann mir nicht helfen, das ist nicht lebenswahr, das ist nicht geeignet, einen gesetzlichen Tatbestand zu bilden. [541] Man kann nicht für die Fälle des außerehelichen Geschlechtsverkehrs die Aufklärungspflicht, die Offenbarungspflicht gesetzlich vorschreiben. Das steht mit den Vorgängen, wie sie sich im Leben abspielen, einfach nicht im Einklang. Anders könnte ich es mir bei der Frage der Eheschließung denken. Allerdings kann man, glaube ich, nach der heutigen Situation nicht davon ausgehen, daß derjenige, der sich zur Eheschließung entschließt, heute allen Grund hat und auch so verfährt, sich volle Klar­ heit über die Rassefremdheit des andern zu verschaffen. Da könnte ich mir wirklich die positive Offenbarungspflicht vorstellen. Aber da möchte ich wiederum glauben, da ver­ fährt jeder so, daß er hier Fragen stellt, und dann haben wir den Fall, den Herr Professor Kohlrausch auch berücksichtigen will, nämlich der wirklichen Lüge auf Befragen, also der Vorspiegelung unterschieden von dem bloßen Verschweigen. Deshalb erledigt sich dieser Fall wohl von selbst, und diese Fälle werden immer getroffen, wenn wir auch nur formu-

Heren: positiv falsche Vorspiegelung. Beim Abwägen der beiden Standpunkte möchte ich also doch immer wieder meinen, es sei richtiger, nur die kausale oder relevante Täu­ schung, wie man es nun nennen will, oder die positive Vorspiegelung hier im Gesetz zur Tatbestandsbildung zu verwerten, also den betrugsähnlichen Gesichtspunkt herauszukeh­ ren. Ich glaube, man darf auch nicht darauf verweisen, daß man im Gesetz über die Ge­ schlechtskrankheiten einen anderen Weg gegangen sei. Denn da lautet die Sache anders. Zunächst kann man da schlechtweg den Satz aussprechen: Sowohl für den Fall der Ehe­ schließung als den Fall des außerehelichen Geschlechtsver- [542] kehrs besteht nun wirk­ lich eine Vermutung dafür, daß die Vorspiegelung oder das Verschweigen oder mit ande­ ren Worten der Umstand der Geschlechtskrankheit für den anderen kausal ist. Ich habe den Wortlaut des Geschlechtskrankheitengesetzes nicht so genau im Kopf, aber es ist doch wohl so, daß da der Grundtatbestand strafbar ist, was hier fehlt. Beide Fälle sind also nicht ohne weiteres vergleichbar. [543] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, Rede und Gegenrede bewegen sich jetzt nicht auf demselben Boden. Bei der Eingehung einer Ehe könnte ich mir vorstellen, daß der eine Teil den anderen über seine Rassezugehörigkeit unterrichten muß. Wenn im übrigen die Sippengesetzgebung ein paar Schritte weiter sein wird und bei der Eingehung der Ehe das Familienblatt usw. eine Rolle spielt, dann wird die Möglichkeit einer Täu­ schung praktisch sehr klein sein. Das ist ein Weg, der nach allem, worüber ich unterrichtet bin, zweifellos von Ihnen beschritten werden wird. Man wird die Eingehung der Ehe mit gewissen Kautelen umkleiden, vielleicht auch auf gesundheitlichem Gebiet: Gesundheits­ zeugnis und Familienblatt. Dadurch wird sich arglistiges und sonstiges Verschweigen und die Möglichkeit einer Täuschung an sich schon praktisch sehr verengen. Ich könnte mir aber vorstellen, daß man auch jetzt schon sagt: Schon bei der Eingehung der Ehe besteht eine Pflicht zur Offenbarung. Dagegen hätten Sie keine Erinnerung? (Ministerialdirektor Schäfer: Nein!) — Das ist der erste Absatz des Antrags Freister. Vielleicht können wir nun den zweiten Absatz hören. [544] Staatssekretär Dr. Freister: „Ebenso wird bestraft, wer sich zur Erzielung der Zu­ stimmung zum außerehelichen8 Geschlechtsverkehr einer solchen Täuschung bedient." Das ist insofern etwas anderes, als auch hier die Täuschung nicht kausal gewesen zu sein braucht. Es ist ein Anklang an die Regelung der Fälle im Geschlechtskrankheitengesetz. Ich habe dieses Entgegenkommen deshalb gewählt, weil ich mir gesagt habe: Dagegen, daß die Institution der Ehe hier ganz besonders geschützt werden muß, wird niemand etwas sagen. Ich habe allerdings dann die eheähnliche Verbindung mit hineingesetzt, und zwar aus dem Gesichtspunkt, daß die eheähnliche Verbindung eben auch den Zweck hat, Kin­ der zu zeugen. Ich glaubte, es dann ertragen zu können, daß bei dem sonst gepflogenen außerehelichen Geschlechtsverkehr die strafrechtliche Reaktion nur einsetzt, wenn die Täuschung zur Erzielung der Zustimmung vorgenommen worden ist. [545] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die beiden Formulierungen sind in ihrem Wesen sehr verschieden. Ich habe den Eindruck, daß die zweite Fassung im wesentlichen den Ein­ wänden gerecht wird, die gemacht worden sind. (Staatssekretär Dr. Freister: Wenn ich ver­ schweige, um dadurch die Zustimmung zu erzielen, ist das auch eine Täuschung!) — Das ist gerade das, was Relevanz genannt wird: das Verschweigen ist nur dann wichtig, wenn es in der Vorstellung des Täters relevant ist. Das war der Gedankengang von Herrn Pro­ fessor Klee. [546] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Herr Reichsminister, ich habe auch versucht, einen Text aufzustellen, der ungefähr meinem Standpunkt entsprechen würde. Ich würde dabei ganz von dem Boden der Tatsachen ausgehen, die Herr Staatssekretär Freister schon ausführlich dargelegt hat. Ich würde das auch nicht als ein Kompromiß auffassen, sondern

8 Im Original steht irrtümlicherweise: „außerordentlichen"

ich würde ungefähr sagen: Wir betrachten die Vermischung fremder Rassen als ein Un­ recht, aber wir glauben im allgemeinen, durch die Mittel der Aufklärung, der Er­ ziehung dieses Unrecht hinreichend hintanhalten zu können. Wenn aber zu diesem schweren Unrecht, das die Grenze der Strafwürdigkeit noch nicht voll erreicht hat, auch nur noch etwas Unrecht hinzukommt, ist eben die Grenze überschritten. Die­ ses Etwas würde ich nun als Verletzung einer Erklärungspflicht ansehen, die jeder hat, der mit einer Fremdrassigen, ob in der Form der Ehe oder ohne diese Form, sich in einen geschlechtlichen Verkehr einläßt. Darum würde der Tatbestand kurz lauten: Wer vor dem Eingehen einer Ehe oder dem außerehelichen Geschlechtsver­ kehr dem andern Teil verschweigt, daß er einer fremden Rasse angehört. Das würde meines Erachtens für den Tatbestand genügen, weil meine Auffassung da­ hin geht, daß jedes Vortäuschen der Zugehörigkeit zur Rasse des andern Teils ein Plus gegenüber dem bloßen Verschweigen ist, so daß, wenn schon das Verschwei­ gen mit Strafe bedroht ist, das Vortäuschen nicht noch besonders hervorgehoben werden müßte. Man könnte aber auch noch hinzufügen: wer verschweigt oder sei­ ne Zugehörigkeit zur gleichen Rasse vortäuscht. Im Falle der Eheschließung tritt die Bestrafung erst ein, wenn die Ehe aufgelöst ist. Endlich müßten wir hier oder anderswo eine Erläuterung des Begriffs [547] der Rasse geben. Nun scheint es ja, als ob dieser Vorschlag, soweit die Ehe in Betracht kommt, einem we­ sentlichen Widerstand nicht mehr begegnet. Hingegen hat namentlich Herr Ministerialdi­ rektor Schäfer gegen eine solche Erklärungspflicht vor einem Geschlechtsverkehr außer­ halb der Ehe lebhafte Einwendungen erhoben. Ich würde fast glauben, man kommt dann in die Versuchung, das Muster des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten auch in dieser Beziehung auf unser Gebiet zu übertragen. Ein Teil der Gründe gegen die Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs zwischen Andersrassigen überhaupt würde ja dann sicher wegfallen, wenn man teilen würde: Tatbestand 1: wer vor dem Eingehen einer Ehe nicht erklärt, daß er einer fremden Rasse angehört; Tatbestand 2: wer außerhalb der Ehe mit einer Fremdrassigen verkehrt. Das wäre die völlige Parallele zur Bekämpfung der Ge­ schlechtskrankheiten, und der radikalen Opposition ist damit ein radikaler Gegenvor­ schlag gegenübergestellt. [548] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Der Erfolg, daß die Diskussion sich verengt, ist jetzt wieder einmal eingetreten, und zwar wenigstens insofern, als offenbar keine Beden­ ken dagegen bestehen — und das billige und unterstütze ich —, daß jemand, der eine so ernste Sache wie eine Eheschließung vornimmt, in einer Zeit, wo mischrassige Kinder sehr großen Schwierigkeiten begegnen, die Pflicht zur Offenbarung hat. Nun käme der außereheliche Verkehr mit Fremdrassigen. Ich glaube, wenn wir das in der Gleispachschen Form, die die radikalere ist, zum Gesetz machen, dann werden sich die Einwände, die vom rechten Flügel des Tisches kommen, aufs neue erheben und verstär­ ken. Deswegen schien mir — ich muß das noch einmal wiederholen — die Fassung, die die Relevanz der Täuschung zum Ausdruck bringt — zur Erzielung der Zustimmung täuscht —, dieser radikaleren Fassung gegenüber den Vorzug zu verdienen. Wenn dazu das Wort nicht mehr gewünscht wird, würde ich der Unterkommission den Auftrag mitgeben, nach diesem Gesichtspunkt den Ausgangstatbestand zu formulieren. Ich glaube, daß dann kei­ ne erheblichen Schwierigkeiten mehr auftauchen. Vorbehalten bleibt natürlich die Nach­ prüfung des dann festgesetzten Textes im Innenministerium unter Berücksichtigung all der praktisch-politischen Erwägungen, von denen wir heute hier nicht gesprochen haben. Auch das Auswärtige Amt müßte dabei beteiligt werden. [549] Wir müssen zum Ende kommen. Das Aufflammen der Debatte am Nachmittag ist nicht dadurch entstanden, daß die Meinungen sich geändert haben, sondern dadurch, daß die Frage der Relevanz der Täuschung gestellt worden ist. Das ist heute vormittag ein we­ nig obenhin behandelt worden. Wir würden in diesen Abschnitt, abgesehen von den Tat­ beständen, die wir jetzt herausgearbeitet haben, noch die Rassegefährdung aufzunehmen haben.

[561] Staatssekretär Dr. Freister:Allerdings auch Ausländer in Deutschland, das halte ich für richtig, und ich bin der Meinung: der Fall, daß nun die zwei nach Basel oder London reisen, wäre genau so zu behandeln, wie wenn der Betreffende die ändere, mit der er die Ehe eingehen will, täuschen will. [5Ö2] Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Ich glaube, wir sollten diese Frage — Deutsche im Ausland, Ausländer in Deutschland —hier nicht vertiefen. Ich bin mir sogar noch nicht ganz klar darüber, ob wir die Einschränkung „in Deutschland" brauchen. Das müßte noch genau überlegt werden. Dann hätten wir noch zwei Tatbestände, deren Aufnahme gewünscht wird, von denen der eine verhältnismäßig einfach ist, das ist die Idee des Frickschen Antrags, die in der Preußischen Denkschrift auf Seite 56 steht: Wer es unternimmt, öffentlich in Wort, Druck, Bild oder in sonstiger Weise den natürlichen Willen des deutschen Volkes zur Fruchtbarkeit zu lähmen oder zu zersetzen, macht sich strafbar. (Staatssekretär Dr. Freister: Das muß dann noch etwas besser gefaßt werden!) [563] Nun käme noch das Letzte, was bisher wie ein Wolkengebilde am Horizont schwebte: die ideel­ le Gefährdung der Volkskraft. Vielleicht gewönne die Aussprache an Kraft und Inhalt, wenn man uns an Beispielen zeigen könnte, was da angestrebt und gemeint ist. [564] Professor Dr. Dahm (Kiel): Mir ist nicht völlig klar geworden, was Herr Staatssekre­ tär Dr. Freisler im Auge hat. Wenn jemand sich abfällig über die Rolle der germanischen Völker bei der Völkerwanderung äußert, so könnte darin unter Umständen eine Be­ schimpfung des deutschen Volkes liegen. Wenn das aber nicht der Fall ist, besteht auch kein Bedürfnis nach Bestrafung. Man sollte hier nicht den Akzent auf die Vergangenheit im Gegensatz zu der Zukunft legen, sondern könnte allenfalls die Verunglimpfung des Rassegedankens überhaupt, also gleichsam den intellektuellen Rasseverrat, zu erfassen suchen. Aber auch darauf möchte ich verzichten. Soweit hier ein Schutzbedürfnis besteht, genügt die Vorschrift über die Beschimpfung des deutschen Volkes. Denn das deutsche Volk ist gerade eine blutmäßige Einheit, und es kann natürlich auch als Rasse beschimpft werden. Man könnte sich ferner überlegen, ob ein Bedürfnis nach einer Erweiterung des Vor­ schlags auf Seite 56 der Preußischen Denkschrift besteht, und ob es notwendig ist, einen Begriff nach Art der Zersetzung des Wehrwillens zu schaffen, also eine Bestimmung über die Zersetzung und Lähmung des Willens zur Erneuerung und Erhaltung der Rasse, über die öffentliche und böswillige Propaganda gegen den Rassegedanken. [5Ö5] Aber auch dagegen würden sich erhebliche Bedenken ergeben. Eine öffentliche, ernsthafte und freimütige Erörterung über Rassefragen darf nicht durch das Strafrecht verhindert werden. [566] Es scheint mir deshalb recht zweifelhaft, ob es gelingen würde, hier eine brauch­ bare Formulierung zu finden. [5Ö7] Reichs justizminister Dr. Gärtner: Der Vorschlag ginge also dahin, in der Skizze auf Seite 56 der Denkschrift, wo von der Zersetzung des Willens des deutschen Volkes zur Fruchtbarkeit die Rede ist, auch den Rassenveredelungswillen hervorzuheben. Dar­ über ließe sich meiner Meinung nach reden. Aber der Blick in die Vergangenheit würde auch Sie nicht veranlassen, in diesem Zu­ sammenhang etwas zu sagen, weil Sie der Meinung sind, der ich mich zuneige, daß man das unter die Beschimpfung des deutschen Volkes bringen könnte. [5Ö9] Ministerialdirektor Schäfer: Ich fürchte, daß wir durch eine solche Formulierung wie „wer den Veredelungswillen zerstört oder lähmt", auch Dinge unter Strafe stellen, bei denen wir Vorsicht üben müssen. Da vertritt z. B. bei der Erörterung der Frage, ob man bis auf den Großeltern teil oder bis auf den Urgroßeltern teil zurückgehen soll, jemand die An­ sicht, es genüge bis zum Großelternteil und selbst ein nichtarischer Großelternteil schade nicht. Das würde dann, wenn es öffentlich vertreten wird, vielleicht schon unter den Straf­ tatbestand fallen, weil es den Willen des deutschen Volkes zur Reinhaltung der Rasse lähmt oder zersetzt. Oder wer z. B. in dieser Gesetzgebung zur Vorsicht und zur Zurück-

Haltung mahnt, könnte auch schon unter diesen Tatbestand fallen. Das sind doch alles Fra­ gen, die noch vollkommen im Fluß sind, und die erörtert werden müssen. Also ich weiß nicht, wie wir diesen Tatbestand so abgrenzen können, daß er für die Praxis handlich ist. Er hat doch eben das gegen sich, daß er nicht eine scharfe Fassung enthält, und daß er in Din­ ge eingreift, die im Fluß sind. [570] Reichs]ustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, dieser Einwand ist nicht nur in Bezie­ hung auf den Veredelungswillen, sondern in gewissem Sinne auch in Bezug auf den Ver­ mehrungswillen zu erheben. Wir wollen einmal folgenden Sachverhalt auf uns wirken las­ sen. Der Gedanke, man müsse sehr viel Kinder haben, wird nach allen Richtungen hin pro­ pagiert. Da ertönt nun ein Ruf, wie er zu Zeiten an unser Ohr dringt, der etwa folgender­ maßen lautet: Wie könnt ihr von uns Müttern verlangen, daß wir immer mehr Kinder ge­ bären; ich habe vier Kinder, von denen ich nicht weiß, wie ich sie unterbringen soll, mein Mann ist mit einem Einkommen bedacht, das eine Erziehung dieser Kinder nur in den knappsten Formen möglich macht; wohin ich mich wende, sind alle Stellen besetzt. Der ganze Druck der Zeit liegt also auf dieser Mutter, und sie wehrt sich nun innerlich gegen die Zumutung, immer mehr Kinder zu gebären im Hinblick auf die Unsicherheit, was aus diesen Kindern werden soll. Ein solcher Notschrei einer vielleicht gerade augenblicklich sich in sehr schlechten Verhältnissen befindlichen Mutter dürfte nach meiner Meinung das Gebiet des Strafrechts nicht erreichen. [571-580] Deswegen ist der Einwand von Herrn Ministerialdirektor Schäfer, der sich scheinbar nur auf den Veredelungswillen bezogen hat, in gewissem Sinne auch auf den Vermehrungswillen zu beziehen, woraus sich ergäbe, daß man doch im subjektiven Tatbe­ stand vielleicht eine Schranke setzen muß. Denn diesen Notschrei der unglücklichen Mut­ ter mit vielen Kindern werden wir nicht aus der Welt schaffen. Das bitte ich bei der Formu­ lierung des Tatbestandes zu bedenken. [581] Staatssekretär Dr. Freister: Es besteht ja die Einschränkung, daß das öffentlich ge­ schehen muß. Aber dieser Notschrei kann auch einmal öffentlich ergehen, und das kann man meines Erachtens nicht zulassen. Wir können uns nicht darauf einlassen, daß wir die öffentliche Propagierung der Beschränkung der natürlichen Fruchtbarkeit irgendwie für entschuldbar erklären. Wenn es schließlich einmal so werden sollte, daß auf Grund dieser Volks Vermehrung das Volk an Zahl so stark wird, daß der Raum nicht langt, wird die Ge­ schichte schon einen Ausweg finden. Ich habe Verständnis dafür, daß ein Einzelmensch die Not empfindet, die Kinder nicht großziehen zu können, aber das Volk als Ganzes kann die Propagierung eines solchen Gesichtspunktes nicht zulassen. Dagegen bin ich im übrigen der Meinung, daß der weitere Tatbestand der ideellen Ras­ seschädigung, wie ich ihn vorgeschlagen habe, hier nicht tragbar ist. Soweit er berechtigt ist, werden wir ihm bei den Angriffen auf die Volksehre Rechnung tragen können. Dar­ über hinaus gibt es, wie wir gesehen haben, nur gekünstelte Beispiele, die darunter fallen könnten. Ich ziehe deshalb meinen Vorschlag von heute vormittag, einen solchen Tatbe­ stand hier aufzustellen, zurück, wende mich aber auch gegen die Ausdehnung des Argu­ ments von Herrn Ministerialdirektor Schäfer auf den Fall der Propaganda für die Be­ schränkung der Fruchtbarkeit, weil ich der Meinung bin, daß man in diesem Falle eben hart sein muß. [582] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Vielleicht ist mit der Abgrenzung „öffentlich" diesem Gedanken Rechnung getragen, insbesondere wenn wir dazu nehmen: „in Wort, Druck, Bild". Das ist eben die Propaganda für das Zweikindersystem usw .. Der Schrei der leidenden Mutter ist schließlich keine Propaganda, und wenn so etwas zur Propaganda ausarten würde, dann würde allerdings die Grenze der Strafbarkeit überschritten werden. [583] Professor Dr. Mezger (München): Dem Bedenken ließe sich vielleicht dadurch noch Rechnung tragen, daß man statt: „in sonstiger Weise", richtiger sagt: „in ähnlicher Wei­ se". Ich glaube nicht, daß dadurch eine zu enge Beschränkung eintritt. [584] Reichs]ustizminister Dr. Gürtner: Was wir wollen, ist uns, glaube ich, klar: der po­ sitive Fall der Propaganda für Kinderlosigkeit, wie er in zahlreichen kommunistischen

Flugschriften und in den kommunistischen Frauenschaften betrieben worden ist, wie er in zahlreichen Reichstags- und Landtagsverhandlungen bei der Behandlung des Themas des Rechts der Verfügung über den eigenen Körper im Bereich des §218 immer wieder auf­ tauchte. [585] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich wollte darauf aufmerksam machen, daß wir da mit sehr vielen Beschwerden und Denunziationen rechnen müßten. Wir befinden uns in einer Zeit, in der ein großer Teil unseres Volkes in vielen Fragen der Stoßtrupp sein muß, ein kleiner Teil muß bremsen. Es muß dennoch bei solchen Fragen sehr beachtet werden, daß nicht etwa diejenigen, die bremsen müssen, nun in einen falschen Verdacht und in Strafe kommen. Deswegen begrüße ich das, was der Herr Reichsminister zuletzt gesagt hat. Es müßte sich nachweislich um bewußte Propaganda für die Unfruchtbarkeit handeln. Da, wo die Leute eng aneinander wohnen, kann es sehr leicht vorkommen, daß aus der Äußerung einer Nachbarin zur anderen sofort eine Denunziation entsteht. Es muß in der Formulie­ rung des § irgendwie gebremst werden. Ich bitte Sie, nur einmal an die umstrittene Forde­ rung einiger der größten Rassenforscher, die wir heute haben, über die Veredelung der Rasse zu denken. Alle diese Forscher wollen den Tatsachen gerecht werden, aber ihre For­ derungen selbst gehen doch noch auseinander. Die Freiheit einer gewissen objektiven Kri­ tik muß also gewahrt bleiben. [586] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Sobald wir uns auf solche Gebiete begeben, tönt von allen Seiten immer das Wort „Denunziation" an unser Ohr; mit absolutem Recht; denn wir leben heute in einem Zustand, wo ein Teil des Volkes jede Gelegenheit benutzt, um dem anderen irgendwie zu schaden. Dieser Zustand ist trotz aller Befehle und Erlasse dagegen augenblicklich noch nicht überwunden. Nun wird aber wohl Einverständnis darüber herrschen, daß eine Propaganda für die Kinderlosigkeit in das Strafrecht einbezogen werden muß. Das ist, glaube ich, gar nicht zu vermeiden. [587] Ministerialrat Dr. Möbius: Meine Äußerung war ja schon halb überholt. Ich wollte nur noch einmal unterstreichen, daß nicht etwa diejenigen, die wirklich an all diesen Fra­ gen gern mitarbeiten, durch allzu scharfe Bestimmungen in die Gefahr kommen, unter das Strafrecht zu fallen, wenn sie ab und zu mal bremsen müssen. [588] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Wir sind uns ja darüber einig, daß der im Leben tausendmal vorkommende Fall von Äußerungen des Unmuts gegenüber der Nachbarin, wenn eine Frau zum vierten oder fünften Mal schwanger wird und Schmalhans Küchen­ meister ist, nicht darunter fallen soll. [589] Professor Dr. Dahm (Kiel): Es ist meiner Meinung nach kein Zweifel daran, daß die Propaganda gegen den Rassegedanken durch die Bestimmung, die jetzt in der Denkschrift vorgesehen ist, nicht miterfaßt wird. Die Einwendungen, die Herr Ministerialdirektor Schäfer dagegen vorgebracht hat, halte ich nicht für ganz überzeugend, schon deshalb nicht, weil sich derselbe Einwand auch gegen die Bestimmung auf S. 56 der Denkschrift vorbringen ließe. [590] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Gefahrenbereich ist uns ja allen klar. Ich möchte noch eine Frage an Herrn Dr. Möbius stellen. Die Frage, ob die Bastardisie­ rung unter allen Umständen eine Verschlechterung ist, wird, wenigstens in der Tierzucht, verschieden beantwortet. Mir ist bekannt, daß wertvolle arabische Pferde in ein deutsches Gestüt gebracht worden sind, um ihm frisches Blut zuzuführen. Die Pferdezüchter haben behauptet, daß das zur Auffrischung des edelsten aller Ställe notwendig, wünschenswert und zweckmäßig ist. Andererseits wird gesagt, daß sich die Schwäche eines solchen Ver­ fahrens bezüglich der Lebenskraft einer solchen Bastardrasse zeigt. Wenn nun jemand über diese Frage eine wissenschaftliche Meinung äußert oder einen Streit darüber führt, so kann man doch wohl nicht von einer Lähmung des Veredelungswillens der deutschen Ras­ se sprechen? [591] Ministerialrat Dr. Möbius: Das, was der Herr Reichsminister eben angeführt hat, ist in der Tat ein Streitpunkt. Es gibt auch menschliche Erbforscher, die in dieser Beziehung

zu einer etwas weniger positiven Meinung neigen als andere. Infolgedessen könnte es un­ ter Umständen fraglich sein, ob nicht einzelne ihrer Äußerungen schon unter diesen Para­ graphen fallen würden. [592] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn diese Gefahr besteht, dann dürfen wir den Weg allerdings nicht gehen, denn sonst kommen wir in einen Zustand hinein, der unge­ fähr dem der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert entspricht, daß wir sagen: Wer über Dogmen streitet, wird verbrannt. [593] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich meine, dieser Wille ist doch vor allen Dingen Erzie­ hungssache. Es wird Aufgabe unserer Medizinalabteilung und anderer Einrichtungen sein, die Massen immer mehr über diese Fragen aufzuklären. Der Wunsch ist bei mir ge­ nau derselbe wie bei Ihnen, aber ob jetzt schon eine bestimmte Abgrenzung möglich ist, das weiß ich nicht. [594] Staatssekretär Dr. Freister: Mir scheint es, als wenn aneinander vorbeigeredet wird. Die Frage, die Herr Professor Dahm hier aufgeworfen hat, ist die, ob auch die Propaganda gegen den Rassegedanken an sich bestraft werden soll. Da bin ich der Meinung, das soll nicht bestraft werden, und zwar deshalb nicht, weil der Rassegedanke an sich durch seine eigene innere Kraft sich aufrechterhalten muß, und weil die Erziehungs- und Aufklä­ rungsmaßnahmen der zuständigen Stellen im Volke die Überzeugung von der Richtigkeit des Rassegedankens wecken und erhalten müssen. Es wäre unmöglich oder doch völlig verfehlt, das durch gesetzliche Bestimmungen tun zu wollen. Ich habe schon einmal ge­ sagt, daß mich das an das Gesetz der Athener erinnert: Es ist verboten, zum Krieg gegen Ägina aufzufordern. Nachher tut es einer doch, es kommt zum Kriege, der Krieg wird ge­ wonnen, und dann ist er nicht strafbar. Die Frage jedoch, die Herr Dr. Möbius aufgeworfen hat, ist, wenn ich es recht verstehe, eine ganz andere Frage. (Ministerialrat Dr. Möbius: Ich bin zu meiner Bemerkung veranlaßt worden, weil hier in diesem Zusammenhang nicht von dem Rassegedanken an sich, son­ dern von der Rassenveredelung gesprochen worden ist.) — Da ist doch das Ergebnis der Aussprache wohl gewesen, daß auch das nicht aufgenommen werden soll. (Reichsjustiz­ minister Dr. Gürtner: Der Wunsch stammt von Herrn Professor Dahm.) [595] — Da stehen wir doch vor der Schwierigkeit, daß wir die verschiedensten Meinungen über die Art, die Richtung und die Mittel der Rassenpolitik im einzel­ nen haben. Wenn man darüber eine Strafbestimmung machen wollte, würde man in die Gefahr kommen, auch den Kampf der ehrlich miteinander ringenden Mei­ nungen zu unterbinden, indem man gewissermaßen eine Meinung als die alleinse­ ligmachende und allein wahre für jetzt und alle Zeiten aufstellen würde. Das halte ich nicht für richtig. [596] Ministerialrat Dr. Möbius: Wir haben es doch vor einem halben Jahr erlebt, als die ersten aufklärenden Vorträge in dieser Beziehung hinausgingen, obwohl der Begriff der nordischen Rasse noch nicht hinreichend umgrenzt war, was das für Mißverständnisse hervorgerufen, zu welchen Angriffen das geführt hat. (Zuruf: Aber doch nicht durch Strafbestimmungen!) — Aber wenn man das hineinnähme, würde das doch unter Umstän­ den wieder eintreten. Es gibt doch Menschen, die den einen, und andere, die den anderen Typ für das Wesentliche erklären. Es gibt auch Forscher, die sagen, daß unser Volk viel­ leicht nicht so groß geworden wäre, wenn nicht eine gute Mischung zwischen Nordisch und Fälisch eingetreten wäre. [597] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Conclusum wäre, die Skizze auf S. 56 auf den Vermehrungswillen beschränkt zu lassen, oder, um es wieder primitiv zu sagen, die Propa­ ganda für die Kinderlosigkeit nicht zuzulassen. Nun, meine Herren, glauben Sie denn nicht, daß das, soweit ein Strafbedürfnis besteht, schon getroffen würde, wenn man etwa dem Gedanken folgt, daß derjenige bestraft wird, der den zur Aufklärung des Volkes über Reinerhaltung und Veredelung seiner Blutsge­ meinschaft erforderlichen Maßnahmen böswillig entgegentritt? Ich meine, daß müßte dem strafrechtlichen Bedürfnis genügen.

[598] Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin): Ich meine auch, daß der Tatbestand auf S. 56 der Preuß. Denkschrift betr. Propaganda, die den natürlichen Willen des deut­ schen Volkes zur Fruchtbarkeit zersetzt, dem Bedürfnis genügt, so daß es nicht nötig wäre, die Vorschrift auf die Propaganda gegen den Rassegedanken als solchen auszudehnen.

Anhang I: Erstfassung des Protokolls der 3 7 . Sitzung vom 5 . 6 . 1 9 3 4 12

[2-3] Beginn der Sitzung 9 Uhr 18 Minuten Reichs justizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wir hätten die Unterthemata zur Zif­ fer 1 der Tagesordnung heute vorzunehmen. Erledigt sind Wehrmacht und wirtschaftli­ cher Verrat. Das ist gestern erledigt worden. Hat die Unterkommission über Wehrmacht etwas formuliert? (Zustimmung.) Fertig? Schön! Wir hätten es also hier noch mit den Angriffen gegen die Rasse zu tun, gegen den Volksbestand und gegen die Volksgesundheit. Das sind termini technici, die samt und sonders aus der Zusammenstellung der Preußischen Denkschrift stammen. Da diese allen Herren bekannt ist, können wir diese Ausdrücke vorläufig gebrauchen. Ob wir nicht spä­ ter irgend einen zusammenfassenden Begriff verwenden müssen, werden wir ja sehen. Nun möchte ich zunächst einmal kurz die Gedanken zur Diskussion stellen, die zur Rassengesetzgebung geäußert worden sind. Als Rohmaterial dazu haben wir aus dem gel­ tenden Recht nichts, aus dem Referentenentwurf nichts, sondern einzig und allein die Preußische Denkschrift, auf Seite 47 und 48. Zunächst eine Vorfrage zur Geschäftsordnung: Halten die Herren für notwendig, daß die Aussprache über diese Dinge überhaupt stenographisch festgehalten wird? Oder sind Sie der Meinung, daß wir etwa so verfahren sollen wie bei den Wehrmacht-Fragen, wo wir uns die Stenogramme vorlegen lassen und von den beteiligten Ministerien werden zu­ rechtschneiden lassen? Welche Meinung besteht? (Ministerialrat Dr. Schäfer: Das Letztere ist besser. Sonst ist noch ein Loch in den Protokollen, und dann steht man diesen Paragra­ phen mit besonderem Mißtrauen gegenüber.) [4] Reichs justizminister Dr. Gürtner. Man könnte ruhig aufnehmen lassen, um dann den Rohentwurf des Stenogramms zur Verfügung zu haben. Es wird hier nicht so sein wie bei den Wehrmachtsdingen, wo gestern allerhand gesprochen worden ist, was eben schließ­ lich nicht festgehalten werden darf. Bevor ich den Herren Berichterstattern Professor Kohlrausch und Präsident Grau das Wort zum Bericht erteile, möchte ich folgendermaßen vorschlagen zu disponieren: Beim Schutz der Rasse innerhalb des Strafrechts, um den es sich hier handelt, kommen drei Fra­ gen in Betracht: Erste Frage: Soll der Rassenschutz überhaupt im Strafrecht gesucht wer­ den? Oder soll er in anderen Rechtsgebieten gesucht und gefunden werden? Ich nenne in Klammern: Zivilrecht, Öffentliches Recht, Beamtenrecht; Rechtsanwaltsordnung usw.. Zweite Frage: Soll der Rassenschutz in dem Sinne, wie wir ihn hier meinen, auf dem Wege des Strafrechts mit Straf Sanktionen, man könnte sagen: forciert werden, garantiert wer­ den? Oder kann man darauf vertrauen, daß die Nachteile der Rassenmischung durch eine gewisse sehr weit reichende, tiefgreifende Änderung in der Erziehung ohnehin in kürze­ ster Zeit verschwinden werden? Und endlich drittens die Frage: Ist es zweckmäßig, jetzt oder zu einem anderen Zeitpunkt sich strafrechtlich zu einem solchen Rassenschutz zu be­ kennen? Die dritte Frage, meine Herren, gehört nicht vor dieses Forum; ich wäre sehr dankbar, wenn sie hier überhaupt ausschiede. Wir wollen uns hier als Juristen lediglich mit der Frage befassen: Wenn es aus politischen Gründen wünschenswert und möglich ist, zu irgendeiner Zeit den Rassenschutz strafrechtlich zu gewähren, in welcher Form kann das gemacht werden? Die Vorfrage, ob das jetzt [5-20] zweckmäßig ist oder in nächster Zu­ kunft zweckmäßig ist, sollten wir hier gar nicht diskutieren.

1 Unbearbeitete Fassung des Protokolls der 37. Sitzung. Die Ziffern in den eckigen Klammem ver­ weisen auf die Originalseitenzahlen. Im übrigen vgl. oben S. 223, Fn. 1.

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Ich selber, wenn ich das gleich sagen darf, habe mir immer vorgestellt, daß, wenn man einen Rassenschutz strafrechtlich machen will, das nicht geht ohne ein trennendes Ehehindemis der Rassenmischung, und wenn man ein solches Ehehindernis aufstellt, daß wir dann nach dem Modell der Bigamie in bezug auf die eheliche Verbindung verfahren müs­ sen. In bezug auf die uneheliche Verbindung möchte ich eine Meinung vorläufig nicht äu­ ßern. Es wird sich vielleicht aus der Diskussion ergeben, wie man sich das denken kann. Das wollte ich im voraus sagen, und ich wollte die Herren Berichterstatter und Debat­ teredner bitten, sich möglichst in diesem Rahmen zu halten. Dann kommen wir durch die­ ses Thema wohl verhältnismäßig rasch durch. [21] Berichterstatter Vizepräsident Grau: Meine Herren, es ist nicht ganz leicht, sich in der heutigen Zeit außenpolitischer Spannung über einen strafrechtlichen Rasseschutz in Deutschland überhaupt zu äußern, denn wir wissen, welche politischen und wirtschaftli­ chen Schwierigkeiten schon aus dem unverbindlichen Vorschlag der Preußischen Denk­ schrift seinerzeit erwachsen sind, und es kann nicht zweifelhaft sein, daß es unsere heuti­ ge außenpolitische Lage nicht gestattet, die bestehenden Wünsche in dieser Richtung, ge­ setzgeberisch, insbesondere strafrechtlich, restlos zu erfüllen. Wenn man die Frage beantworten will, ob man überhaupt in ein neues Strafgesetzbuch etwas von Rasseschutz bringen soll, dann wird man sich, wie auch Sie, Herr Reichsmini­ ster, schon betonten, zunächst einmal darüber klar werden müssen, welche strafrechtli­ chen Vorschriften wir für angezeigt halten würden, wenn uns nicht, wie es zur Zeit leider der Fall ist, die Hände gebunden wären; und erst dann kann man die Frage beantworten, von welchen Tatbeständen man unter den gegebenen Umständen vielleicht absehen soll und welche Tatbestände vielleicht trotz der vorhandenen Schwierigkeiten Aufnahme in ein Strafgesetzbuch finden könnten. Sieht man einmal, wie schon gesagt, von den außenpolitischen Rücksichten ab, so wird man von folgendem auszugehen haben: Das Parteiprogramm bestimmt, daß Staatsbürger nur deutschstämmige Menschen sein können und daß die Fremdrassigen unter einem Gastrecht stehen sollen. Das Programm will also den neuen deutschen Staat auf rassischer Grundlage aufgebaut wissen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ja im letzten Jahre schon sehr viel geschehen. Man hat versucht, die fremdrassigen Elemente aus dem Volkskörper [22] auszumerzen, einmal dadurch, daß man erstrebt hat, sie einflußlos zu machen, sie aus der Leitung des Staats und der Staatsführung herauszudrängen. Ich erinnere an das Be­ rufsbeamtengesetz, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, die No­ velle zum Reichsbeamtengesetz, an die Bestimmungen über die Beschränkung der Zahl der jüdischen Rechtsanwälte, über die Beschränkung der Zahl der jüdischen Studenten. Man hat auch durch das Gesetz vom 14. Juli 1933 versucht und erreicht, wenigstens einen Teil derjenigen fremdrassigen Elemente, die in den letzten 14 Jahren nur zu freigebig aus dem Osten eingewandert waren und eingebürgert worden sind, wieder auszubürgern und ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit wieder abzuerkennen. Neben diesen negativen Maßnahmen bestehen auch zahlreiche positive Maßnahmen zur rassischen Aufzucht. Ich erinnere an die eugenischen Maßnahmen, an den ganzen Fra­ genkomplex um die Gewährung der Ehestandsdarlehen, an das Gesetz zur Verhütung des erbkranken Nachwuchses, an die Novelle zum Strafgesetzbuch über die Entmannung ge­ fährlicher Sittlichkeitsverbrecher. - Ich denke an die sozialen Maßnahmen, vor allem das Reichserbhofgesetz, wodurch erstrebt und zum guten Teil erreicht worden ist, das Volk wieder zum Ursprung seiner Rasse, zum Bauerntum zurückzuführen und es dort wieder zu verankern. Ich erinnere an das Gesetz gegen Mißbräuche bei der Eheschließung und Annahme an Kindesstatt, wodurch wieder die Heiligkeit und Reinheit der Familie betont worden ist, die von Annahmen an Kindesstatt und von Eheschließungen aus äußeren ge­ schäftlichen Gründen freigehalten werden muß. All diese Maßnahmen haben uns zweifellos einen Schritt vorwärts gebracht; aber sie haben nicht erreicht und konnten [23-40] nicht erreichen eine wirkliche Abkapselung der fremdrassigen Elemente in Deutschland von den deutschstämmigen Menschen. Ein sol-

ches Gesetz konnte ja aus außenpolitischen Gründen nicht ergehen, ein Gesetz, das jede geschlechtliche Vermischung zwischen Deutschstämmigen und Fremdrassigen gesetzlich verhinderte. Nun kann man vielleicht sagen - und da komme ich auf die zweite Frage, die der Herr Reichsminister gestellt hat -, daß dieses Ziel auch durch Erziehung und Aufklärung ohne ein ausdrückliches Gesetz allmählich erreicht werden könne. Auch andere Völker, könnte man sagen, hätten ein solches Ziel im wesentlichen durch gesellschaftliche Absonderung erreicht. Dies ist aber doch nur bedingt richtig. Bei den anderen Völkern - ich denke in er­ ster Linie an Nordamerika, das ja sogar auch Gesetze in dieser Richtung hat - handelt es sich um ein anderes Problem, nämlich um das Problem der Fernhaltung der Angehörigen farbiger Rassen, ein Problem, das bei uns in Deutschland so gut wie keine Rolle spielt. Bei uns ist das Problem ganz scharf abgestellt auf den Juden und die dauernde Fernhaltung der Juden, die ganz zweifellos einen Fremdkörper im deutschen Volke darstellen. Nur auf dem Wege gesellschaftlicher Absonderung und Abtrennung wird es nach meiner Überzeugung so lange nicht gelingen, solange die Juden noch eine ganz außerordentliche wirtschaftliche Macht darstellen. Solange noch die Juden in unserem deutschen Vaterland wirtschaftlich in dieser Weise wie jetzt mitzusprechen haben, solange sie noch die schönsten Autos, die schönsten Motorboote haben, solange sie auf allen Vergnügungs- und Erholungsplätzen noch immer dort, wo es jedenfalls teuer ist, eine erhebliche Rolle spielen, so lange glaube ich nicht, daß man sie wirklich vom deutschen Volkskörper absondern kann, wenn nicht positive gesetzliche Maßnahmen getroffen werden, die jegliche geschlechtliche Vermi­ schung eines Juden mit einem Deutschen verhindern. [41] Solange Juden sogar noch nach Recht und Gesetz deutsche Frauen heiraten können, scheint mir eine solche Absonderung ohne gesetzliche Maßnahmen kaum möglich. Es besteht deshalb, wenn man das Parteiprogramm überhaupt erfüllen will, ein Bedürf­ nis, ein gesetzliches Ehehindernis zu schaffen und auf diesem aufbauend jegliche Art der geschlechtlichen Vermischung zwischen Juden und Deutschstämmigen unter Straf schütz zu stellen, weiterhin als letztes Endziel, entsprechend dem Parteiprogramm, die Juden aus­ zubürgern und unter ein Gastrecht zu stellen. Denn es kann kein Zweifel darüber beste­ hen, daß alle Maßnahmen zur Aufzucht der Rasse unnütz und erfolglos bleiben werden, solange es den Juden noch gestattet ist, unsere Rasseangehörigen zu verseuchen. Die Ju­ den stellen ja ein ganz ungeheures orientalisches Rassegemisch dar, das, wie die Geschich­ te lehrt, überall, wo es hinkommt, die Völker zu sich herunterzieht und die Rassen ver­ nichtet. Dieses Kernstück des Rassenschutzes, Ehehindernis, strafrechtliches Verbot der Ver­ mischung, Ausbürgerung, kann zur Zeit zweifellos nicht erreicht werden, und es erhebt sich nun die dritte Frage, die der Herr Reichsminister gestellt hat. Wenn man von dieser Kernfrage absieht, ist es zweckmäßig und besteht ein Bedürfnis dafür, nun noch, wenn ich so sagen darf, über Nebenpunkte einen strafrechtlichen Schutz in dieser Hinsicht zu ge­ währen. Die Preußische Denkschrift sieht ja, abgesehen von der geschlechtlichen Vermischung, drei Tatbestände vor, einmal auf Seite 48 die Verletzung der Rassenehre. Sie will denjeni­ gen bestraft haben, wer es als Deutscher unternimmt, unter gröblicher Verletzung des Volksempfindens und in schamloser Weise öffentlich Verkehr mit [42] Angehörigen far­ biger Rassen zu pflegen. Ich darf daran erinnern, daß gerade dieser Tatbestand zu außenpolitischen Schwierig­ keiten besonderer Art geführt hat. Man hat bewußt oder unbewußt übersehen, daß der Tatbestand dadurch sehr eingeschränkt ist, daß in schamloser Weise öffentlich mit Ange­ hörigen farbiger Rassen verkehrt werden muß. Trotzdem hat gerade dieser Tatbestand zu Vorstellungen von diplomatischen Vertretern farbiger Rassen geführt und hat rechtliche Schwierigkeiten schon in der Fassung der Denkschrift gemacht. Die beiden anderen Tatbestände, die die Denkschrift vorsieht, bestehen darin, daß eine Blankettvorschrift gefaßt werden soll, wonach strafbar ist, wer gegen die sonstigen zur

Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften verstößt, und eine weitere Blankettvorschrift, wer den zur Aufklärung des deutschen Volkes über Reinerhaltung und Veredelung seiner Blutsgemeinschaft erfolgten Maßnahmen des Reiches oder der Länder böswillig entgegenwirkt. Ich darf daran erin­ nern, daß diese letzten Tatbestände in etwa von unserem § 169 in der jetzigen Fassung er­ faßt werden, wonach wir jede öffentliche Aufforderung gegen Gesetze, Anordnungen der Regierung und auch ausgedehnt auf Empfehlungen der Regierung bestraft haben. Das würde auf dem Gebiete des Rassenschutzes gerade von besonderer Bedeutung sein. Wenn ein wirklicher Rasseschutz, angefangen vom Kernproblem bis zu diesen Nebenpunkten, in das Strafgesetz hineinkäme, dann würde ich allerdings nicht auf generelle Tatbestände verweisen, sondern den Rassenschutz hier ganz deutlich im einzelnen regeln. Ich würde, abgesehen von dem Verbot der geschlechtlichen Vermischung, vorschlagen, jede Sabota­ ge der Volksaufklärung über Rassenfragen, unter Strafe zu stellen, weiterhin [43] alle Ver­ stöße gegen Gesetze und Anordnungen, die zur Veredelung und Reinerhaltung der Rasse ergangen sind. Wenn man davon ausgeht, daß das Kernproblem zur Zeit strafrechtlich nicht gelöst werden kann, dann kann man natürlich zweifelhaft sein, ob irgendwelche Nebenpunkte unter strafrechtlichen Schutz gestellt werden sollen, ob es vielleicht praktisch ist, wenn man in diesem Falle im Strafgesetzbuch überhaupt nichts auf diesem Gebiete sagt. Diese Frage hängt, wie gesagt, eng mit der Politik zusammen und ist von hier aus kaum endgültig zu entscheiden. Ich persönlich neige dazu, und muß, so schmerzlich es mir selbst ist, vor­ schlagen, vorläufig gar nichts über Rassenschutz in das Strafgesetzbuch zu bringen, weil ich mir sage, daß das Wichtigste zur Reinerhaltung der Rasse nicht gebracht werden kann. [44] Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Nach dem Ergebnis, zu dem Herr Präsident Grau gekommen ist, kann ich mich kurz fassen; denn mein Ergebnis ist dasselbe. Ich sehe auch, wie der Herr Minister es programmatisch hingestellt hat, unsere Aufgabe hier nur in einer Abwägung der kriminalpolitischen Faktoren, die dafür oder dagegen sprechen, mit Mitteln des Strafrechts einzugreifen. Es fragt sich also, welchen Nutzen man sich von Strafbestim­ mungen verspricht, und welche Bedenken Strafbestimmungen entgegenstehen. Nun liegt der Nutzen auf der Hand. Eine solche Bestimmung würde bis zu einem gewissen Grade zweifellos generalpräventiv wirken und würde namentlich einen der wichtigsten Grund­ sätze des heutigen Staates in feierlichster, symbolischer Weise ausdrücken. Die Bedenken liegen meines Erachtens ebenso offen zutage. Es scheint mir zweckmä­ ßig zu sein, gewisse Nebenwirkungen ins Auge zu fassen, die ich allerdings hier nicht un­ terstützen würde. Ich glaube, daß Erpressungen, Denunziationen usw. nach auseinander­ gegangenen Verbindungen doch nicht nur eine große Zahl, sondern auch vielleicht ein ganz besonders unerfreuliches Gesicht annehmen würden. Wichtiger ist mir aber ein zweites Bedenken, nämlich daß gerade auf diejenigen, die den Grundsatz der Rassereinheit nicht schon als einen innerlich volksethisch verpflichten­ den anerkennen, mit Strafbestimmungen, fürchte ich, verhältnismäßig wenig Eindruck ge­ macht wird, daß diese sich durch Strafbestimmungen zu allerletzt zu ihm bekehren wür­ den, daß sie vielleicht sogar in einem gewissen erbitterten grundsätzlichen Auflehnen ge­ gen einen solchen Grundsatz bestärkt werden können. Da entsteht eben die [45] Frage, ob es wirklich erfreulich und erstrebenswert ist, Rechttun in diesem ausschließlichen Maße auf die Furcht vor der Strafe abzustellen, und das möchte ich eigentlich verneinen. Ich ha­ be den Eindruck, daß heute diejenigen - die, die diesen Grundsatz immer anerkannt ha­ ben, stehen nicht zur Diskussion -, die diesen Grundsatz in seiner Wirklichkeit in den letz­ ten Jahren gelernt haben, für Zeiten, mit denen wir zu rechnen haben, auch nicht mehr von ihm abgehen werden, und daß diejenigen, die ihm heute ablehnend gegenüberstehen, für ihre Person durch eine Strafandrohung nicht um einen Grad von ihrer grundsätzlichen Li­ nie abgebracht werden. Aus diesem Grunde glaube ich, daß hier Strafbestimmungen ir­ gendwelcher Art weder heute opportun wären noch überhaupt zu dem Gebiet, um das es sich hier handelt, passen. Hier muß man mit anderen Mitteln wirken. Ich habe mich hier

nicht über die Ehegesetzgebung und Ähnliches zu äußern, wieweit Bestimmungen hier durchsetzbar wären usw.. Es würde sich fragen, ob der § 169 hier schon genügt. Es mag sein. Ich würde beinahe dahin neigen, auch aus § 169 alles, was hier anklingt, herauszu­ nehmen. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß der Weg, den wir beschreiten müssen, der der allgemeinen Erziehung zu einem gesunden rassemäßigen Empfinden ist. Den Ein­ druck haben wir doch alle, daß diese Erziehung im letzten Jahre ungeheure Fortschritte ge­ macht hat, einmal dadurch, daß eine ganze Reihe von Menschen, die bisher über so etwas gar nicht nachgedacht haben, jetzt eine innerliche Pflicht empfinden, so zu denken und so zu handeln. Ich möchte glauben, daß wir demjenigen, der diese innere Pflicht nicht em­ pfindet, sie auch nicht einbläuen können. Zum anderen erinnere ich daran, [46] daß wir viel auf dem Gebiete der Beamtengesetzgebung und der Arbeitergesetzgebung getan haben. Das sind für uns auch die Mittel, um diese Pflicht zum vollen Bewußtsein zu bringen, und ich möchte glauben, daß das, was hier geschieht, viel eindrucksvoller gewirkt hat und wei­ ter wirken wird als eine Strafbestimmung. [47] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn wir vom juristischen Standpunkt aus bei ei­ ner Diskussion dieser Fragen gefragt würden, wie man sich denn eine gesetzliche Rege­ lung des Rassenschutzes denken könnte - ich habe vorhin schon skizziert, wie ich es mir etwa denken würde -, welche Vorstellungen würden Sie dann haben? [48] Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Wenn wir der Sache strafrechtlich nähertreten wür­ den, dann würde ich auch glauben, daß solch eine vorausgehende Änderung des Eherech­ tes strafgesetzestechnisch gar nicht recht weiter käme. Es würde sonst darauf hinaus lau­ fen, daß wir die uneheliche Geschlechtsverbindung unter Strafe stellen müssen, während wir die eheliche nicht unter Strafe stellen könnten. Das ist doch nicht nur eine unvollkom­ mene, sondern auch unerfreuliche und ganz unmögliche Lösung, sodaß wir hier dem Ehe­ gesetzgeber den Vortritt lassen müssen. [49] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Die Skizze würde auch nach Ihrer Meinung lau­ ten: Trennendes Ehehindernis, Strafbestimmung etwa nach dem Modell der Bigamie. Da­ zu kommt aber eine nach meiner Meinung sehr viel schwierigere Frage. Wie soll der au­ ßereheliche Geschlechtsverkehr behandelt werden? Hier schweigt der Zivilgesetzgeber. Das sind keine Rechtsverhältnisse, das sind Tatsachen, das kann nur der Strafgesetzgeber beantworten. [50] Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Ich sehe ein strafgesetztechnisches Hindernis da nicht mehr, den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Rassenverschiedenen auch unter Strafe zu stellen. [51-60] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Aber die Verbindung einer rechtsmöglichen Ehe mit dem Straftatbestand ist undenkbar. Ich bin den Herren Berichterstattern sehr dankbar, daß sie sich an diese Einteilung ge­ halten haben. Ich glaube auch, es ist das Richtigste, dabei zu verbleiben. Wenn ich selber ein paar Gedanken dazu äußern darf, so wären es diese. Bei der Rassengesetzgebung war es natürlich sehr verlockend, in der Welt herumzusehen, ob und wie dieses Problem etwa von anderen Völkern angefaßt worden ist. [61] Ich besitze hier eine überaus anschauliche synoptische Darstellung der nordameri­ kanischen Rassegesetzgebung2 und möchte gleich sagen, daß das ein ziemlich schwierig aufzufindendes Material ist. Falls jemand von den Herren ein persönliches Interesse daran hat, würde ich bereit sein, diese Aufstellung zur Verfügung zu stellen. Das Material gibt eine Antwort auf die Frage, wie in allen amerikanischen Bundesstaaten die Rassegesetzge­ bung aussieht. Das Bild ist buntfarbig wie die amerikanische Landkarte. Fast in allen ame­ rikanischen Bundesstaaten besteht eine Rassegesetzgebung. Die abzuwehrenden Rassen werden verschieden bezeichnet. Aus der verschiedenen Bezeichnung ergibt sich aber der Grundgedanke sehr leicht. Es werden da immer aufgeführt entweder die Nigros und die

2 Vgl. oben S. 227, Fn. 3

Mulatten oder die Chinesen oder die Mongolen und die Neger und die Mulatten in bunter Abwechslung. Manchmal istauch die Rede von den Deszendenten der As rikaner, um die Sache historisch darzustellen, womit die Neger gemeint sind, und in ein paar Paragraphen ist positiv die Rede von der kaukasischen Rasse. Das ist nicht uninteressant; denn auch über die Frage, ob die Juden zur kaukasischen Rasse gehören, ist eine Rechtsprechung da, glaube ich. [62] Staatsanwalt Dr. von Dohnanyi: Ja, in der Richtung, daß die kaukasische Rasse schlechthin das Gegenteil aller farbigen Rassen ist, also die weiße Rasse, und da die Juden zur weißen Rasse gehören, werden sie zur kaukasischen Rasse gerechnet. [63] Reichs justizminister Dr. Gürtner,: Das ist oberstrichterliche Rechtssprechung? (Staatsanwalt Dr. von Dohnanyi: Ja!) Man sieht hieraus und aus der Karte, wie richtig die Be­ merkung des Herrn Vizepräsidenten Dr. Grau war, daß diese Rassegesetzgebung sich nicht gegen die Juden richtet, sondern daß die Juden geschützt werden. Damit ist nichts anzufangen; denn es würden konträre W irkungen damit erzielt werden. Dann ist interessant, welche Rechtswirkungen an die Geschlechtsverbindung geknüpft werden. Auch das ist verschieden. Es kommen allerhand Ausdrücke vor: illegal und void, absolutely void, utterly null and void. Prohibited kommt manchmal auch vor. Es zeigt sich aus diesen wechselnden und juristisch nicht gerade sehr scharfen W orten, daß hier eine zi­ vilrechtliche Folge in allen Fällen angeknüpft ist, und eine strafrechtliche Folge in einer großen Anzahl von Fällen. Eine Frage, die auf Grund unserer Forschungen nicht beantwortet werden kann, ist die, wie der Strafrechtsschutz der Rasse praktisch gehandhabt wird. Da scheint mir das, was hier photographiert ist, in der Praxis nicht immer mit der Wirklichkeit übereinzustimmen. Eine Rassegesetzgebung mit der Front gegen die Juden haben wir in den geltenden Rechten der Staaten, die wir zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht haben, nicht finden können. Ich glaube, man müßte da zurückgehen auf die mittelalterlichen deutschen Stadtrechte, wo sich solche Gesetzgebungen finden. Wenigstens die zwei freien Reichs­ städte, deren [64] Gesetzgebung mir ein wenig bekannt ist, haben das, Nürnberg und Re­ gensburg. Ich bin aber überzeugt, daß das bei anderen auch der Fall ist. Ich habe schon am Anfang gesagt, daß es selbstverständlich ist und keiner Begründung bedarf, daß wir morgen z. B. ein Strafgesetz für Rasseschutz nicht proklamieren können. Das soll uns auch hier nicht aufhalten. Aber die Frage, wie man es machen müßte, wenn das der Fall wäre, sollten wir uns wenigstens ganz kurz überlegen. Die M einungen der bei­ den Herren Berichterstatter gehen übereinstimmend mit meiner eigenen dahin, daß, was die eheliche Verbindung anbelangt, ein trennendes Ehehindernis die unbedingte Voraus­ setzung jeder anderen strafrechtlichen Regelung wäre, und daß man dann nach dem M o­ dell der Bigamie verfahren könnte. Schwieriger scheint mir die Frage für den außerehelichen Verkehr zu sein. Es spricht sich leicht aus, daß man auch den außerehelichen Verkehr unter eine Strafe stellen müßte. Ich bitte, einmal folgendes zu erwägen. Der Vorschlag geht doch davon aus, daß beide Tei­ le hier strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden müßten. Ich stelle mir dann vor, daß dann, wenn ein Nichtarier ein arisches M ädchen außerhalb der Ehe geschwängert hat, von beiden Seiten das größte Interesse besteht, die Vaterschaft zu verschweigen. Man wird sich unter der Hand abfinden, wird womöglich sogar einen Alimentenvertrag schlie­ ßen, man wird aber vor dem Vormundschaftsgericht die Vaterschaft verschweigen aus beiderseitigem Interesse. Das ist ein solidarisches Interesse. Nun richte ich an die anwe­ senden Herren Rassesachverständigen die Frage: Wird nun damit eigentlich nicht erreicht, daß z. B. das uneheliche Kind dieser Verkäuferin [65] in dem großen Geschäft dann als Arierkind in der W elt gewertet wird? Oder haben Sie ein Mittel, um einigermaßen zuver­ lässig aus anderen objektiven Merkmalen festzustellen, daß das ein Mischling ist? Wäre ersteres der Fall, dann würden wir, glaube ich, durch eine Strafverfolgung der unehelichen Verbindung etwas erreichen, was nicht ganz in der Richtung unserer eigenen Absicht läge. Die Frage kurz zu streifen, habe ich mir vorgenommen, weil ich vorläufig eine Lösung nicht sehe. Es wäre mir sehr interessant, Ihre M einung darüber zu hören.

[66] Oberregierungsrat Dr. Lösener. Ein wirksames Mittel, aus einem vorhandenen Men­ schen nach dem Habitus oder nach seinem Blut oder dergleichen festzustellen, ob er jüdi­ schen Einschlag hat, gibt es nicht, ist wenigstens zur Zeit noch nicht gefunden. Unser Sachverständiger für Rasseforschungen, der öfter vor derartige Fragen gestellt wird, be­ findet sich da auch in einer sehr starken Verlegenheit. Unser Sachverständiger für Rasse­ forschung ist ja in Wirklichkeit ein Sachverständiger für Sippenforschung, d. h. wenn er den Auftrag bekommt, bei einer Person festzustellen, ob jüdisches Blut in ihr ist, geht er ihrem Stammbaum nach und stellt auf diese Weise, also durch Sippenforschung fest, ob jüdische Vorfahren vorhanden sind. Dieser Forschungsgang ist natürlich sicher. Bei einem unehelich Geborenen, dessen Erzeuger nicht bekannt ist oder nicht genannt wird, also je­ denfalls dem Sachverständigen für Rasseforschung nicht bekannt ist, fehlt ihm das Mittel, im Stammbaum beider Eltemteile der Frage nachzugehen, ob fremdes Blut dabei ist. Wenn Zweifel bestehen können, ob der Mann oder das Kind jüdisches Blut hat, wenn also bei ei­ ner Person ein Elternteil nicht bekannt ist, sieht er sich infolgedessen genötigt, ihm eine Bescheinigung zu erteilen, die zwar nicht wie die übliche Bescheinigung besagt, daß der Betreffende Arier im Sinne des § 3 des Berufsbeamtengesetzes ist, aber, daß er mangels anderweitiger Anhaltspunkte als Arier im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gilt. Das ist natürlich nur ein Ausweg, eine sehr schwankende Brücke; aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht, und diese vom Herrn Reichsminister angedeuteten [67] Folgen bei einem Ver­ bot des außerehelichen Geschlechtsverkehrs würden natürlich in verstärktem Maße ein­ treten. Denn bei einem kleinen Kind lassen sich am Habitus noch viel weniger Rassemerk­ male erkennen als bei einem Erwachsenen, wo sie dann gewöhnlich stärker hervortreten. Die Nachteile würden dann wohl in vollem Umfange eintreten. Wir würden einen großen Teil Neugeborener bekommen, bei denen weder der Sachverständige noch das Volk erken­ nen kann, daß es sich hier um einen Menschen mit fremdem Blutszusatz handelt. [68] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Das bestätigt also mein Bedenken. Das würde zur Folge haben, daß wir eine im Verhältnis zu jetzt oder zu früher größere Zahl von unehelich Geborenen als Arier oder, wie Sie sagen, als präsumtive Arier - aber die praesumptio zu widerlegen, gelingt Ihnen ja auch in der Regel nicht, wenn nicht der Vater deklariert wird in der deutschen Volksgemeinschaft haben, die wir eigentlich gerade nicht haben wollen. Wenn ich an die Literatur über die Verseuchung des deutschen Mädchens und der deut­ schen Frau durch Geschlechtsverbindung mit Juden denke - es gibt da eine große Roman­ literatur -, so hat man dieser Frage doch ein außerordentliches Gewicht beigelegt, vor al­ lem deswegen, weil man immer die Fälle vor Augen hatte, daß der wirtschaftlich überlege­ ne Mann und das wirtschaftlich unterlegene Mädchen gerade in diesem Fall sehr häufig in Verbindung kommen. Ich brauche mit Beispielen nicht auf zu warten: der Abteilungschef im Kaufhaus und seine ihm anvertraute Charge, unter der bekanntlich sehr wenig Juden­ mädchen sind. Das ist ein Bedenken, über das ich vorläufig keine Brücke sehe, wenn wir diesen Fall strafrechtlich benennen wollen. [69] Staatssekretär Dr. Freisler. Herr Reichsminister, ich kann es an sich nicht ertragen, daß in diesem Kreise die Aufnahme eines Rasseschutzes in das neue Strafrecht überhaupt keine Befürwortung findet. Ich würde meine ganze kämpferische Vergangenheit nur als Vergangenheit bezeichnen, wenn ich nicht zu dem Gegenteil raten würde. Mir ist aber klar, daß man zu dem Gegenteil nur kommen kann, wenn man zunächst über einige weni­ ge Begriffe sich klar ist. Mir scheint das nicht der Fall zu sein. Daß das nicht der Fall ist, entnehme ich daraus, daß mit dem angeblichen Zentrum des Schutzbedürfnisses, nämlich mit dem Geschlechtsverkehr zwischen Verschiedenrassigen, schon alle Bestimmungen fallen sollen; weil es nicht möglich ist, ohne eine vorherige Änderung der Ehegesetzge­ bung einen strafrechtlichen Rasseschutz gegenüber dem geschlechtlichen Verkehr Ver­ schiedenrassiger aufzubauen, deshalb soll alles andere, was in dieser Richtung getan wer­ den kann, auch nicht geschehen. Das zweite, was mir aufgefallen ist, ist die Beschränkung der Frage auf die Juden. Auch dagegen wehre ich mich. Ich bin nicht der Meinung, daß es eine Frage ist, die sich auch in

Deutschland praktisch auf die Juden beschränkte, sondern ich bin der Meinung, daß die Frage in viel weiterem Umfange lebendig ist und gelöst werden muß. Ich brauche da nur an die großen Hafenstädte zu erinnern. Es ist ja letzten Endes auch eine Frage der großen Hafenstädte aller Völker. Auch das muß man hervorheben, damit nicht der Eindruck ent­ steht, als ob aus einem gewissen Dünkel des Besserseins der eigenen Rasse heraus hier Be­ stimmungen erstrebt werden sollen, die gleichzeitig eine [70-79] Minderbewertung ande­ rer Rassen einschließen. Es ist ja bekannt, daß die Preußische Denkschrift mehrfach fälschlich in diesem Sinne aufgefaßt worden ist, während in Wirklichkeit unser Wunsch dahin gehen muß, daß genau denselben Rasseschutz, den wir bei uns aufbauen, andere Völker und andere Rassen bei sich auch gegen uns ebenso aufbauen. Damit ist zunächst einmal der Behandlung der Frage die breitere Grundlage gegeben und ihr zweitens auch ei­ ne verletzende Spitze genommen, worauf ich besonderen Wert lege, weil das meiner An­ sicht nach nicht nur eine Frage der Juden in Deutschland ist.

Nachdem ich das vorausgeschickt habe, möchte ich darauf hinweisen, daß der Verrat der Rasse, d. h. des Volkstums, wie es blutgebunden geworden ist, vorhanden ist und sich weiter entwickelt, keineswegs nur strafrechtlich getroffen werden kann und soll. Deshalb scheint mir die Argumentation von Herrn Geheimrat Kohlrausch gegen die Aufnahme von Rasseschutzbestimmungen im Strafrecht auch nicht durchschlagend zu sein. [81] Herr Geheimrat Kohlrausch fragte rhetorisch, ob es denn wirklich richtig sei, das Rechttun zu erzwingen nur durch die Furcht vor der Strafe. Diese rhetorische Frage könnte man mit dem gleichen Recht, nämlich mit ebenso wenig Recht bei der Behandlung jeder anderen Frage im Strafrecht stellen. Man kann genau so gut fragen: soll das Nichtstehlen und in diesem Sinne das Rechttun nur gestützt werden auf die Furcht vor der Strafe? Es hat sich in Deutschland vor zwei Jahren gezeigt, daß das unmöglich ist, wenn und so lange im Volke eine sehr große und starke Gruppe sich auf den Standpunkt stellt: Eigentum zu ha­ ben, ist unsittlich. Dann kann man natürlich nicht den Schutz des Eigentums auf die Dauer nur auf Strafbestimmungen stellen. Ich könnte also diese rhetorische Frage genau so an ir­ gend einem anderen Punkte unserer Besprechungen stellen, nur hätte ich dann ebenso we­ nig recht, wie es richtig ist, diese Frage hier zu stellen. Denn kein Mensch denkt daran, daß überhaupt die Furcht vor der Strafe geeignet ist, auf die Dauer eine bestimmte Haltung des Volkes zu sichern, sondern eine bestimmte Haltung des Volkes und seiner Glieder kann immer nur durch die bewußt gewordene einheitliche innere Einstellung und den Willen, dieser Einstellung entsprechend zu leben, also letzten Endes durch Erziehung erzielt wer­ den. Das hindert aber nicht daran, daß der Staat zusätzlich eben auch mit Strafen arbeitet. Und so handelt es sich hier nicht um die Frage, die Herr Geheimrat Kohlrausch aufgewor­ fen hat, ob nur durch strafgesetzliche Bestimmungen das Rechttun gesichert werden soll, sondern um die Frage, ob wir uns hier jenseits oder diesseits der Grenze befinden, bei der wir zusätzlich zu den anderen Maß- [82] nahmen auch strafrechtlich reagieren. Nun erlau­ be ich mir auf die Tatbestände hinzuweisen, die in den Leitsätzen der preußischen Denk­ schrift auf Seite 48 enthalten sind, und zwar auf die besonders schweren Fälle: Rasseverrat unter arglistiger Verschweigung der Zugehörigkeit zur fremden Rasse oder Blutsgemein­ schaft oder mittels einer Täuschung insbesondere in der Ehe oder bei Eingehung der Ehe. Das ist ein Tatbestand, der ganz zweifellos eine schwere Verfehlung an der deutschen Blutsgemeinschaft darstellt. Es ist ebenso zweifellos, daß auch diejenigen in Deutschland, die den Rassegedanken der nationalsozialistischen Bewegung heute noch für abwegig hal­ ten, zugeben müssen, daß es unerträglich ist, wenn jemand zu einem Geschlechtsverkehr, einerlei ob ehelich oder außerehelich, gebracht wird unter arglistiger Täuschung über die Rassezugehörigkeit des anderen.

Mein Minister pflegt immer zu sagen: man kann Gesetze nur schaffen, wenn der entsprechende Zustand in der Seele des Menschen bereits vorhanden ist. Hier ist dieser Zustand zweifellos vorhanden. Es wird niemand geben, der nicht zugibt: es ist eine Gemeinheit, den Partner arglistig über die Rassezugehörigkeit zu täu­ schen.

Warum habe ich nun, eingehend auf die einzelnen möglichen Tatbestände, damit be­ gonnen? Weil hier die Änderung der Ehegesetzgebung nicht Voraussetzung für ein straf­ rechtliches Eingreifen ist, weder beim ehelichen noch beim außerehelichen Verkehr. Es ist richtig, daß es eine Unmöglichkeit darstellen würde, [83] den Staat und seine Beamten zu zwingen, Ehen abzuschließen, und andererseits diejenigen, die die Ehe unter sich ge­ schlossen haben, zu bestrafen. Das geht nicht. Es ist ganz klar, daß der Staat es zunächst unmöglich machen müßte, daß unter seiner Mitwirkung eine Ehe unter Verschiedenrassi­ gen zustandekommt, bevor er dazu übergehen kann, eine solche doch zustandegekomme­ ne Ehe zu bestrafen. Ich gebe also grundsätzlich zu, daß man die Ehe zwischen Verschiedenrassigen nicht bestrafen kann, wenn man sie nicht vorher überhaupt eherechtlich unmöglich gemacht hat. Aber für diese besonders schweren Fälle der Preußischen Denkschrift paßt eben dieser Gesichtspunkt nicht; denn das ist völlig unabhängig von dem Abschluß der Ehe selbst. Ich bin der Meinung, daß es sich auch lohnt, insoweit einen Strafschutz einzuführen und Strafbestimmungen zu erlassen. Ich halte es für notwendig, und ich finde nicht, daß wir uns sagen müßten: ja, wir haben uns nun mit einem kümmerlichen Notbehelf begnügt. Es würde schon ein sehr erheblicher Schutz sein, wenn neben der arglistigen Verschwei­ gung auch die Täuschung allgemein, wie es ja die Preußische Denkschrift vorsieht, mit un­ ter Strafe gestellt wird. Es ist richtig, daß die Gefahr besteht, daß bei dem Auseinandergehen von ehelichen oder außerehelichen Verbindungen der eine Teil aus Rache Behauptungen dieser Art auf­ stellen wird, und es ist richtig, daß diese Gefahr erheblich ist. Ebenso ist es richtig, daß man dieser Gefahr begegnen muß. Das [84] Mittel, wie man ihr begegnet, muß gefunden werden. Ich würde als Richter dieses Mittel jetzt schon in der Hand haben; denn ich würde bei der Bewertung der Behauptungen der einen Seite der mir seelisch verständlichen Ver­ suchung, in der sich diese Seite befindet, eben Rechnung tragen. Mir würde wahrschein­ lich in sehr vielen Fällen die, wenn auch eidlich erhärtete Behauptung eines der beiden Partner zum Beweise der Richtigkeit der behaupteten Tatsache eben nicht genügen, und ich glaube, das würde nicht nur mir als Richter so gehen, sondern das würde allen Richtern so gehen. Damit ist die theoretisch vorhandene Gefahr praktisch schon erheblich einge­ schränkt. Man kann mir dann erwidern: ja, wenn nun im allgemeinen der Richter aus den von mir eben dargelegten Gründen der Behauptung eines der Partner keine volle Beweiskraft zumessen würde, dann ist die angestrebte Bestimmung praktisch bedeutungslos. Es mag sein, daß es praktisch in nicht sehr vielen Fällen dann zu einer Verurteilung käme. Aber ich glaube, die erzieherische Bedeutung dieser Bestimmung für das ganze Volk wäre sehr er­ heblich. Ich bin deshalb der Meinung, daß in einer noch näher auszuarbeitenden Weise eine Be­ stimmung dieser Art aufgenommen wird. Wir haben uns dann eben auf den Standpunkt gestellt, daß zwar die Sicherung der gesunden Weiterentwicklung der deutschen Blutsge­ meinschaft vom nationalsozialistischen Volk und seiner Führung, also auch von seinem Staat, mit den verschiedensten Mitteln erstrebt wird, und daß nicht überall und bis ins Letzte hinein das Mittel der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeit gewählt wurde, daß man aber in solchen schweren Fällen auch nicht davor zurück- [85] gescheut ist, die straf­ rechtliche Sanktionsmöglichkeit zu wählen. Es ist also dann nur eine Frage der Grenzziehung zwischen den verschiedenen Maß­ nahmen, die der Staat zur Verfügung hat. Es ist nicht eine Frage des Verrats an der eigenen Grundanschauung. Mir aber kommt es so vor, als ob wir in der Gefahr sind, unsere Grundanschauung zu verraten, wenn wir nicht einmal diese Bestimmung aufnehmen. Nun ist es mir natürlich klar, daß, wenn man sich grundsätzlich auf den Standpunkt stellen sollte, diese Bestimmung aufzunehmen, man in der weiteren Debatte noch sehr viele Einzelfragen auswerfen wird. Man wird sagen: wie ist es mit dem Verkehr von Deut­ schen und Fremdrassigen bei fremden Völkern draußen in der Welt? Man wird da mit Bei-

spielen kommen. Man wird sagen: was soll da werden, wo keine weiße Frau ist? Man wird weiter die Frage auswerfen: wie ist es bei der Frau und wie ist es beim Mann? Das und noch viele andere Fragen sind aber alles Fragen, über die man auch sprechen muß, die ich aber jetzt in diesem Stadium der Verhandlungen - Ihr Einverständnis, Herr Reichsmini­ ster, vorausgesetzt - nicht behandle, weil ich nur beim Grundsätzlichen bleiben möchte. Ich bitte nur, aus den Schwierigkeiten, die sich in der angedeuteten Richtung ergeben, nun nicht etwa Argumente gegen den Grundsatz herzuleiten. Ich komme also zu dem Ergebnis, unabhängig von einer Änderung der Ehegesetzge­ bung schon diese schweren Fälle des Rasseverrats unter Strafe zu stellen, und zwar in der Weise, die die Gegenseitigkeit des Unter-Strafe-Stellens mindestens für das deutsche Ge­ biet sicherstellt, sodaß damit dieser Regelung auch [86] jede Spitze gegenüber fremden Volks- und Blutsgemeinschaften abgebrochen wäre. Warum sollen wir nicht eine Rege­ lung wählen, die die fremden Blutsgemeinschaften bei uns in Deutschland auch schützt? Ich würde das empfehlen, einerlei ob diese anderen Blutsgemeinschaften das wollen oder nicht, weil es nämlich unserer inneren Einstellung entspricht. Es entspricht doch nicht un­ serer Einstellung, in einen Rassedünkel zu verfallen, sondern lediglich die Rassereinheit auch der anderen als das Naturentstandene und offenbar Naturgewollte zu achten. Ich habe das hervorgehoben, um den Einwand - der ja erfreulicherweise aus der Debat­ te ausgeschlossen werden soll, der aber doch in dem Gedanken eines jeden als eine Macht mitspricht - zu widerlegen: ob man nicht dadurch die Seele fremder Blutsgemeinschaften und Völker unnötig und untragbar verletzt. Man braucht das durch die Art der Regelung nicht zu tun. Was nun den Geschlechtsverkehr mit Fremdrassigen, einerlei ob ehelich oder außer­ ehelich betrifft, so bin ich allerdings der Ansicht, daß die Voraussetzung einer strafrechtli­ chen Regelung hier die Änderung der Ehegesetzgebung sein muß. Es muß ein absolutes Ehehindernis aufgestellt werden, wenn wir, von der Täuschung usw. abgesehen, die Ein­ gehung irgend einer ehelichen oder unehelichen Geschlechtsgemeinschaft mit Fremdrassi­ gen bestrafen wollen. Es ist nach meiner Ansicht ausschließlich eine Frage der politischen Entscheidung, ob das jetzt geschehen soll. Das ist von Ihnen, Herr Reichsminister, vorhin hervorgehoben worden, infolgedessen will ich darüber nicht sprechen. Sollte [87-100] die politische Entscheidung dahin gefällt werden, daß dieser Grundsatz des Nationalsozialis­ mus jetzt durchgeführt werden soll, dann würde natürlich der Weg der über die Änderung der Ehegesetzgebung sein. [101] Die Preußische Denkschrift hat einen weiteren Tatbestand des Rassenverrats vor­ geschlagen, nämlich die Rassengefährdung: Rassengefährdung begeht, wer es unternimmt, 1. gegen die sonstigen zur Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemein­ schaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, 2. den zur Aufklärung des deutschen Volkes über Reinerhaltung und Veredelung sei­ ner Blutsgemeinschaft erfolgten Maßnahmen des Reichs oder der Länder böswillig entge­ genzuwirken. Der zweite dieser beiden Tatbestände ist der schwerere, das Verschulden, das darin liegt, ist das größere, denn es handelt sich um das propagandistische Zuwiderhandeln ge­ gen Bestimmungen, gegen aufklärendes Einwirken, gegen Empfehlungen der Reichsregie­ rung. Soweit ich jetzt sehe, würde dieser Tatbestand, soweit er sich gegen die Empfehlun­ gen der Reichsregierung richtet, durch die in diesem Sinne bereits beschlossene Regelung mit erfaßt sein, so daß in diesem Zusammenhang nur die Frage entstehen könnte, ob man ihn hier besonders hervorheben sollte. Eine Regelung dieser Art scheint mir erforderlich zu sein, und dem ist auch bereits Rechnung getragen worden, wenn auch an anderer Stelle. Ob man das hier ausdrücklich sagen soll oder nicht, das ist wieder einmal eine Frage der politischen Entscheidung, und dann eine Frage, die auf anderen Gebieten oft schon vor uns aufgetaucht ist, nämlich die, ob man etwas, was man nicht zu sagen brauchte, weil das gewünschte Ergebnis sowieso erzielt ist, doch aus Gründen der Einwirkung auf den, an

den sich das Gesetz richtet, auf das Volk, zweckmäßigerweise doch sagt. Ich bin der [102] Meinung, daß es hier zweckmäßig ist, das besonders zu sagen, bin mir aber klar, daß der Grund, der dafür spricht, es besonders zu sagen, aufgehoben werden könnte durch politi­ sche Gründe, die etwa dagegen sprächen, worüber ich mich aber hier nicht äußern will. Unter der Voraussetzung, daß nicht überwiegende politische Gründe dagegen sprechen, wäre meine Meinung die, daß der zweite Tatbestand der Rassengefährdung der Preußi­ schen Denkschrift aufgenommen werden müßte. Der erste Tatbestand der Rassengefährdung bedeutet nichts anderes als eine Rahmen­ bestimmung für irgendwelche sonstigen gesetzlichen Bestimmungen. Es handelt sich also um das Zuwiderhandeln gegen gesetzliche Vorschriften auf diesem Gebiet, das immer un­ ter eine Strafe gestellt wird. Ich glaube, da befinden wir uns nicht mehr auf dem Gebiete des Grundsätzlichen, sondern auf dem Gebiete der Zweckmäßigkeit; denn es handelt sich darum, die Grenze zu ziehen zwischen strafrechtlicher Sanktion und sonstigen Erzie­ hungsmitteln des Staates. Die Preußische Denkschrift hat als weiteren Tatbestand die Verletzung der Rassenehre aufgestellt. Dieser Tatbestand ist ja vorhin von den Herren Berichterstattern auch erwähnt worden. Der Verletzung der Rassenehre macht sich schuldig, wer unter gröblicher Verlet­ zung des Volksempfindens und in schamloser Weise öffentlich Verkehr mit Angehörigen farbiger Rassen pflegt. Ich bin heute nicht mehr der Meinung, daß man diesen Tatbestand zweckmäßigerweise hier aufnimmt, sondern daß schamloser öffentlicher Verkehr der hier angedeuteten Art unter Umständen auch dann bestraft werden sollte, wenn er nicht mit Angehörigen fremder Rassen gepflegt wird. Eine Bestimmung dieser allgemeinen [103] Art müßte allerdings enger gefaßt werden, als es hier geschehen ist; denn wir wollen hier nicht einen calvinistischen Staat aufrichten, und sie müßte an anderer Stelle aufgenommen werden. Sie würde dann genügen, um die hier gemeinten Fälle innerhalb des Strafrahmens als besonders schwere Fälle zu behandeln. Dagegen meine ich, daß zwei andere Tatbestände der Preußischen Denkschrift in Wirk­ lichkeit hierher gehören. Auf S. 55 der Preußischen Denkschrift ist die Rede von der Grab­ schändung, insbesondere von der Schändung von Gräbern der Großen unseres Volkes. Ich bin mir klar, daß die Grabschändung an sich im wörtlichen, an das Materielle anknüp­ fenden Sinne nicht hierher gehört, wohl aber im ideellen Sinne. Wir dürfen, wenn wir von der Rasse sprechen, nicht den Fehler machen, den man so vielfach bei der Betrachtung des Volkes gemacht hat, indem man nämlich die lebende Generation als das Volk angesehen hat. Die Rasse ist nicht nur die in ihr zur Zeit lebende Blutsgemeinschaft, sondern zur Ras­ se, zur Blutsgemeinschaft gehören auch Vergangenheit und Zukunft. Insofern kann die Rasse ideell geschädigt, herabgesetzt, beschimpft werden in dem Werden der deutschen Blutsgemeinschaft und in den künftigen Möglichkeiten ihrer Entwicklung. Hier befinden wir uns nach meiner Überzeugung bei einer Wurzel des Übels und nicht bei einer Neben­ erscheinung. Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, daß wir in den letzten 50, viel­ leicht sogar 100 Jahren nicht so weit in der Verirrung gekommen wären, wenn man nicht in Deutschland an der Vergangenheit und an den in die Zukunft weisenden Tendenzen hätte rütteln dürfen, wenn es nicht möglich gewesen wäre, die vergangene Entwicklung unserer Blutsgemeinschaft verächtlich zu machen oder herabzusetzen; [104] denn dann hätte das Volk den Sinn für die Reinheit des eigenen Blutes bewahrt und wäre nicht in die Verirrun­ gen hineingeraten, in die es, wie immer, unter Führung der Plutokratie und des Feudalis­ mus tatsächlich geraten ist. Weil wir uns hier also bei einer Wurzel des Übels befinden, müssen wir auch hier eingreifen, und zwar strafrechtlich. An der vorhin genannten Stelle steht nun allerdings etwas von der Schändung von Gräbern der Nationalhelden. Dieser Tat­ bestand unterscheidet sich bezüglich des am Materiellen des Grabes Haftenden und auch bezüglich der Einschränkung auf Nationalhelden von dem Tatbestand, den wir hier als einen ideellen Rasseverrat aufnehmen müssen, der sich auf das Werden des Volkes überhaupt bezieht.

Ein weiterer Tatbestand der Preußischen Denkschrift ist folgender: „Wer es unter­ nimmt, öffentlich in Wort, Druck, Bild oder in sonstiger Weise den natürlichen Willen des deutschen Volkes zur Fruchtbarkeit zu lähmen oder zu zersetzen, macht sich strafbar." Da steht nun nichts von verschiedenen Rassen, und es könnte deshalb so scheinen, als ob es gar nicht unter Rassenschutz gehört. Ich bin anderer Meinung; und zwar deshalb, weil ich mir den Rassenschutz nicht nur im Verhältnis mehrerer Rassen gegeneinander denke, son­ dern unter dem Schutz der Rasse auch den Schutz der natürlichen Lebenskraft unserer Blutsgemeinschaft verstehe. Man kann die Lebenskraft der Blutsgemeinschaft auch von innen heraus aushöhlen. Deshalb gehört diese Bestimmung nicht in den Zusammenhang, in den sie die Preußische Denkschrift bringt, sondern in [105] den Zusammenhang, den wir hier behandeln. Ich möchte deshalb bitten, zu erwägen, ob nicht in ein Kapitel über Ras­ senschutz, das ich allerdings „Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft" zu nennen em­ pfehlen würde, auch diese Bestimmung gehört. Im Ergebnis meiner Ausführungen stelle ich anheim, in diesem Kapitel zu vereinigen: 1. die besonders schweren Fälle der Preußischen Denkschrift über den Rasseverrat; 2. wenn nicht die politische Entscheidung anders fällt, nach vorheriger Änderung der Ehegesetzgebung auch den Rasseverrat in dem engeren und, wie die Herren Bericht­ erstatter meinten, zentralen Sinne; 3. die Zersetzung der natürlichen Fruchtbarkeit der deutschen Blutsgemeinschaft; 4. den ideellen Rasseverrat; 5. den zweiten Tatbestand der Rassengefährdung der Preußischen Denkschrift. [106] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Das Thema ist durch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Freister total zur Diskussion gestellt worden. Ich glaube nicht, daß es die Absicht war - wenigstens ich hatte sie nicht - , das Thema mit dem ersten Teil, der sich, um zivilrechtlich zu sprechen, mit der Nichtigkeit und Strafbarkeit der Ehe be­ schäftigt hat, abzuschließen. Wenn ich den zivilrechtlichen Jargon beibehalte, dann betre­ ten wir, wenn wir den ersten Teil, den wir vorhin erörtert hatten, mit der Feststellung, daß eine strafbare Ehe nur eine solche sein kann, die nichtig ist, als erledigt betrachten dürfen, wobei die Unterfrage, ob man das machen will, hier ausscheidet, das Gebiet der Anfecht­ barkeit der Ehe. Hier liegen die Dinge anders als bei der Nichtigkeit. Es ist richtig, daß das Unterstrafestellen der arglistigen Täuschung über die Rassenzugehörigkeit keine Auswir­ kung auf das Zivilrecht hat. Daß, wenn heute ein Ehepartner den anderen arglistig über seine Rassenzugehörigkeit täuscht, das nach geltendem Recht ein Anfechtungsgrund wä­ re, scheint mir ohne allen Zweifel zu sein, wenngleich ich gewisse Auffassungen, wie sie auch Gerichte bis jetzt über Anfechtung von Ehen niedergelegt haben, für anfechtbar hal­ te; aber pro futuro scheint mir das mit dem geltenden Zivilrecht ohne weiteres zusammen­ zugehen, wenn man es so konstruiert, daß Nichtigkeit und Strafbarkeit der Ehe parallel ge­ hen müssen. Daneben kommt nun ein ganz anderes Kapitel, nämlich die arglistige Täuschung über die Rassenzugehörigkeit. Dann würde auch diese kritische Frage des außerehelichen Ge­ schlechtsverkehrs in ein ganz anderes Licht treten. Nach meiner Überzeu- [107-120] gung könnte man ohne weiteres denjenigen, der einen anderen durch arglistige Täuschung über seine Rassenzugehörigkeit zum außerehelichen Geschlechtsverkehr bringt, aus diesem Gesichtspunkt heraus unter Strafe stellen, ohne daß das Zivilrecht dadurch berührt wird. Ganz beseitigt werden ja die Bedenken nicht, die ich vorhin mit den Herren vom Reichsin­ nenministerium zur Sprache bringen wollte, denn das solidarische Interesse, hier keine strafbaren Tatbestände zu schaffen, bleibt ja bestehen. [121] Aber dieses Problem, das schon bei der Beamtengesetzgebung eine große Rolle gespielt hat, ist eben nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht absolut lösbar. Was die Heranziehung der übrigen Tatbestände anlangt, so wäre nach den Vorschlägen von Herrn Staatssekretär Dr. Freisler folgendes zu erwähnen - ich folge der Reihenfolge der Preußischen Denkschrift -: Was zunächst unter Verletzung der Rassenehre angegeben ist, sollte nach dieser letzten Darstellung ausgeweitet werden, und zwar nach meiner Mei-

nung mit Recht; denn wenn jemand mit einer Hamburger Hafendime, die eine weiße Haut hat, in schamloser Weise öffentlich und unter gröblicher Verletzung des Volksempfin­ dens verkehrt, so ist das auch ein Tatbestand, der strafrechtlich getroffen werden muß. Was die Rassengefährdung anlangt, so redet der Herr Staatssekretär Freisler der Zif­ fer 2 das Wort. Er hat über den Zusammenhang mit § 169 schon gesprochen. Ich bin der Meinung, daß wir in einem Abschnitt Rassenverrat- und Rassenschutzvorschriften zu­ sammenfassen, die hierher gehören, daß es naheläge, auch besondere Tatbestände hier zu erwähnen, während die Ziffer 1 mir überflüssig zu sein scheint; denn die gesetzlichen Vorschriften, die etwa zur Erhaltung und Veredlung der deutschen Blutsgemeinschaft er­ gehen, werden wahrscheinlich Straf Sanktionen enthalten, wie ja alle diese Vorschriften in den Spezialgesetzen über Sterilisation und dergleichen irgendwie mit Straf Sanktionen aus­ gestattet sind. Was nun aber die beiden anderen Tatbestände anlangt: die Grabschändung in dem en­ gen Umfange und der Angriff auf den Vermehrungswillen des deutschen Volkes, so ist das, glaube ich, [122] eine grundsätzlich methodologische Frage. Wenn das Bild erlaubt ist, so möchte ich das den Hochverrat an der Rasse nennen, während das andere, was in dem Rasseschutz in der Preußischen Denkschrift zum Ausdruck kommt, der Landesverrat der Rasse ist. Ich glaube, ich kann damit ausdrücken, was ich meine. Das eine will die Rasse von innen heraus zerstören, das andere die Rasse kaputt machen im Verhältnis zu anderen Rassen. Dann aber - darüber müssen wir uns klar werden - müssen wir der Überschrift dieses Abschnitts einen anderen Sinn geben. Wenn wir das Wort „Rasse" gebrauchen, so bedeutet das in der Tat die Vorstellung einer blutmäßigen Gemeinschaft im Verhältnis zu einer anderen Rasse. Wenigstens im Volke wird das, glaube ich, so aufgefaßt. Wenn man von Rassen spricht, dann denkt man immer mindestens an zwei, die einander gegenüber­ stehen und sich voneinander unterscheiden, und es ist leider mehr, als das aus praktisch politischen Gründen notwendig gewesen wäre, neben dieser Unterscheidungsidee auch die Wertungsidee hineingetragen worden. Nicht die Unterscheidungsidee hat uns Schwie­ rigkeiten in der Welt gemacht, sondern die Wertungsidee, die auch mit einer gewissen auch für das deutsche Volk peinlichen Überspitzung selbst innerhalb der deutschen Rasse immer wieder auftaucht, wo man immer hört: „Die nordische Rasse ist die edle" und sich bedrückt fühlt, wenn man weiß, daß neun Zehntel des deutschen Volkes dieser edlen Ras­ se gar nicht angehören. Auch hier halte ich den Wertungsgedanken innerhalb der eigenen Volksgemeinschaft für gar nicht unbedenklich, und ich habe viele Stimmen gehört, die im Scherz darauf hingewiesen haben, man möge sich doch die Köpfe aller führenden Persön­ lichkeiten einmal anschauen, ob die nordische Abzeichen haben. Darum meine ich, der Wertungsgedanke der Rasse dürfte im Strafrecht, wie [123] der Herr Staatssekretär Freisler sehr lebhaft betont hat, gar nicht zum Ausdruck kommen. Die Fragen, über die wir uns hier zu unterhalten haben, scheinen mir die zu sein: Nicht zur Diskussion möchte ich stellen das Problem der nichtigen und strafbaren Ehe, wohl aber die Frage der arglistigen Täuschung, und zwar in puncto Zivilrecht wenigstens in der Weise, daß die Herren ihre Meinung äußern möchten, ob das jetzt ein Anfechtungsgrund wäre, und zweitens, ob sie der Meinung sind, daß man das unter strafrechtlichen Schutz stellen soll, und zwar auch jetzt, wobei man den politischen Bedenken, die etwa geäußert würden, ganz anders entgegentreten könnte als in puncto der Nichtigkeit der Ehe. Hierbei haben wir es nicht bloß zu tun mit der politischen Betrachtung, mit dem Ausblick auf an­ dere Völker, sondern auch auf die Meinung der Kirche. Die Kirchen werden sich auf die­ sen Standpunkt gar nicht stellen können, daß eine Ehe zwischen Menschen verschiedener Rassen zerstört wird. Dagegen sehe ich nicht ein, wie der Angriff der Kirchen gegen einen Tatbestand der arglistigen Täuschung geführt werden sollte. Dieser Tatbestand ist so mit Unmoral gesättigt, daß mir vom Standpunkt der Kirchen ein erfolgreicher Angriff nicht möglich zu sein scheint. Das wäre die erste Frage. Die zweite Frage wäre: Wollen wir dem Wort „Rasse" hier einen anderen Inhalt geben, als er nach meinem Gefühl wenigstens volkstümlich ist? Dann kämen wir doch mehr in die

Nachbarschaft des Begriffs hin, der hier mit „Volkskraft" und „Volksbestand" auszudrükken versucht wird. Das ist aber kein Grundsatz, sondern eine Methodenfrage. Die Gedanken, die geäußert worden sind, eine Strafrecht- [124] liehe Sanktion gegen die Zerstörung des Fruchtbarkeitswillens des deutschen Volkes zu schaffen, knüpfen an einen vor mehreren Jahren gestellten Antrag des damaligen Abgeordneten Dr. Frick an, der lautet: „Wer es unternimmt, die natürliche Fruchtbarkeit des deutschen Volkes zum Scha­ den der Nation künstlich zu hemmen oder in Wort, Schrift, Druck, Bild oder auch ander­ weitig solche Bestrebungen fördert oder wer durch Vermischung mit Angehörigen der jü­ dischen Blutsgemeinschaft. .. usw." - das ist der andere Tatbestand - „wird so und so be­ straft". Wenn ich mich recht erinnere, ist der Antrag Frick in der Zeit entstanden, wo von der linken Seite eine Beschränkung der Kinderzahl propagiert wurde und im Zusammenhang damit in Österreich - wenn ich recht bin, war das in Graz - eine Art der Propaganda für die Sterilisation der jungen Männer betrieben wurde. Aus dieser Zeit stammt dieser Antrag. Das war die zeitliche Umgebung dieses Antrags. Das wären die Fragen, über die wir uns hier in allem Emst zu unterhalten haben. (Mini­ sterialrat Dr. Schäfer. Ein Gegenantrag zum Republik-Schutzgesetz! Wehrverrat, Hochver­ rat, Landesverrat und Rassenverrat waren als Tatbestände aufgenommen.) Aber die Er­ scheinung, die damals weite Kreise, nicht nur den Juristen beschäftigt hatte, war die gro­ teske Idee eines Grazer Professors, der den jungen Männern Sterilisation empfahl, um sie vor den Folgen des außerehelichen Geschlechtsverkehrs zu schützen. Das ist in aller Ö f­ fentlichkeit geschehen. [125] Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich meine auch, daß ein nationalsozialistisches Strafrecht irgendwelche Bestimmungen über die strafrechtliche Reaktion gegen Rassen­ vermischung im engeren Sinne enthalten muß. Ich möchte den Begriff der Rassengefähr­ dung auch im Sinne der Gefährdung gegenüber anderen Rassen verstehen und möchte von vornherein die Bestimmungen über Grabschändung und Unterhöhlung des Frucht­ barkeitswillens, die der Herr Staatssekretär Freister erwähnt hat, in diesem Zusammenhan­ ge ausscheiden. Im übrigen möchte ich entschieden dafür eintreten, daß die Täuschung über die Rasse­ zugehörigkeit bei Eheschließungen, auch vielleicht beim außerehelichen Geschlechtsver­ kehr unter Strafe gestellt wird, in erster Linie aber bei der Schließung der Ehe. Wir haben hier schon gehört, daß in großem Umfange die Gerichte die Anfechtbarkeit der Ehe aner­ kannt haben aus dem Gesichtspunkte der Täuschung, wenn der eine Teil über seine frem­ de Rassezugehörigkeit den anderen Teil getäuscht hat. Wir können auch schon an die bestehende Gesetzgebung anknüpfen, wenn wir den Gedanken der Täuschung über fremde Rassezugehörigkeit strafrechtlich verwerten und ausbauen wollen. Zunächst haben wir im Strafgesetzbuch eine Bestimmung im § 179 über Ehetäuschung. Da wird auch schon eine gewisse Täuschung unter Strafe gestellt: „Wer eine Frauensperson zur Gestattung des Beischlafs dadurch verleitet, daß er eine Trauung vor­ spiegelt oder einen anderen Irrtum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen [126] hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft." Auch hier wird also eine, wenn auch anders geartete Täuschung, die die Frau zum Geschlechtsverkehr veranlaßt hat, bestraft. Dann möchte ich auf das Geschlechtskranken-Gesetz hinweisen. § 5 bestraft denjeni­ gen, der bei einer Eheschließung dem anderen Teil arglistig eine ansteckende Geschlechts­ krankheit verschweigt. Es gibt keine Bedenken, auch kriminalpolitisch solche Täuschungs­ fälle unter Strafe zu stellen, und ich möchte, daß die Opportunitätsfrage hier gar nicht auf­ taucht. Was nun das Verbot der Ehe selber betrifft, auch ohne Täuschung, so setzt das selbst­ verständlich eine Änderung der Zivilgesetzgebung voraus. Sollte die aber in absehbarer Zeit kommen, dann würde ich auch für die Bestrafung des außerehelichen Geschlechtsver­ kehrs mit Angehörigen fremder Rassen eintreten.

Ich möchte allerdings gleich die Einschränkung machen, daß der Begriff der fremden Rassenzugehörigkeit irgendwie noch durch AusführungsVorschriften enger umgrenzt werden muß. Auch wenn wir eine Bestimmung annehmen, die denjenigen unter Strafe stellt, der durch Täuschung über die Rassezugehörigkeit einen anderen zum Geschlechts­ verkehr veranlaßt, so müssen doch Bestimmungen der Reichsregierung ergehen, was eine fremde Rasse im Sinne dieser Bestimmung ist; denn ich weiß nicht, ob die Rassenfrage be­ reits so geklärt ist, daß der Zweck der Reinerhaltung der Rasse nach allen Richtungen ver­ folgt werden kann. Das kann nur geschehen, wenn Klarheit darüber besteht, was fremde Rassenzugehörigkeit im Sinne dieser Bestimmungen bedeutet, und deswegen müßte in ei­ ne solche Strafbestimmung der Vorbehalt aufgenom- [127] men werden, daß Ausfüh­ rungsvorschriften der Reichsregierung darüber ergehen, was unter fremder Rassezugehö­ rigkeit zu verstehen ist. Dieser Vorbehalt würde bei einer Strafbestimmung - ich sehe selbstverständlich ganz von der derzeitigen Opportunität ab - gegen den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen zwei verschiedenen Rassen, der arischen und einer anderen Rasse, ins Auge zu fassen sein. Die Bedenken, die von einem der Herren Berichterstatter geäußert worden sind, ver­ mag ich nicht zu teilen. Es wird gewöhnlich, wenn eine neue Strafbestimmung entstan­ den ist, darauf hingewiesen, daß die Gefahr von Denunziationen und Erpressungen be­ steht, wenn sie eingeführt würde. Das kann man bei jeder Strafbestimmung sagen. Die Gefahr scheint mir doch nicht so erheblich zu sein. Auch wenn wir daran gingen, den Geschlechtsverkehr mit einer abhängigen Person unter Ausnutzung des Abhängigkeits­ verhältnisses unter Strafe zu stellen, könnten dieselben Einwendungen gemacht wer­ den, daß Denunziationen und Erpressungen stattfinden würden. Ich glaube nicht, daß wir uns durch derartige Gesichtspunkte von der grundsätzlichen Stellungnahme abbrin­ gen lassen könnten. Ein anderes Bedenken, das der Berichterstatter, Herr Professor Kohlrausch, in seinen schriftlichen Anträgen geäußert hat, ist, daß es schwer wäre, gegen den Naturtrieb anzu­ kämpfen, und daß überhaupt strafrechtliche Maßnahmen in ihren Erfolgen unsicher sind, wenn es sich um einen Kampf gegen Naturtriebe handelt. Dieses Bedenken schlägt schon deshalb nicht durch, weil man diesen Einwand gegen die Bekämpfung aller Sittlichkeitsde­ likte anführen könnte. Es handelt sich um die Frage, ob man dem Naturtrieb freie [128-140] Bahn lassen soll, oder welche Grenzen und Schranken man ihm auferlegen soll. Daß nur an die Furcht vor Strafe hier letzten Endes beim Verbot eines außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit fremdrassigen Angehörigen appelliert würde, kann ich auch nicht zugeben; denn ich glaube, die überwältigende Mehrheit des Volkes wird heute die Rassenethik aufgenommen haben und vertreten. Der relativ verschwindende Teil der Be­ völkerung, der auf abweichendem Standpunkt steht, muß es sich gefallen lassen, daß diese Ethik der Allgemeinheit hier strafrechtliche Gestaltung gewinnt. Deswegen kann dieser Einwand nicht durchschlagen, der übrigens, wie der Herr Staatssekretär Freister auch an­ geführt hat, auch bei anderen Delikten rein theoretisch in Frage kommen könnte, praktisch aber nicht wichtig ist. [141] Was im übrigen die Frage auf Seite 49 Ziffer 1 betrifft, die der Herr Reichsminister auch erwähnt hat, ob man eine Blankettbestimmung gegen diejenigen aufstellen soll, die gegen die zur Reinerhaltung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften verstoßen, so ist hier darauf hingewiesen worden, daß diese Vorschriften wahrscheinlich auch Straflosigkeit3 enthalten werden, und daß es deswegen nicht nötig sei, im Strafgesetzbuch etwas zu sagen. Ich würde es doch vorziehen, im allgemeinen Strafgesetzbuch eine solche Blankettbestimmung aufzustellen, denn der Eindruck würde ein viel deutlicherer und wuchtigerer sein, als wenn diese Strafbestimmungen von Fall zu Fall innerhalb der betreffenden Vorschriften erschienen.

3 Von Klee handschriftlich verbessert in: „Strafdrohungen".

Dann möchte ich noch auf einen Einwand eingehen, der gegen die Kriminalisierung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit fremden Rasseangehörigen gemacht worden ist. Es wurde gesagt, daß dann, wenn beide Teile bestraft würden - und das muß doch ge­ schehen, dieser Ansicht bin ich auch -, ein gemeinsames Interesse daran vorhanden wäre, es nicht in Erscheinung zu bringen, daß das Kind aus dieser Verbindung ein nichtarisches ist, und daß auf diese Weise gerade das Gegenteil erreicht würde, daß nämlich in das deut­ sche Volk eine ganze Reihe Nichtarier hineinkämen, was wir ja vermeiden wollen. Nun ist es sicher richtig, daß der eine oder andere Fall so verlaufen wird, daß ein Nichtarier sozu­ sagen einmal unterschlagen wird und als Arier auftaucht. Aber ich glaube, daß wir doch bedenken müssen, daß dann, wenn wir eine solche Bestimmung einführen würden, die Generalprävention sich dahin auswirken wird, daß eben eine viel kleinere Zahl von sol­ chen außer- [142] ehelichen Geschlechtsverbindungen eingegangen werden wird als dann, wenn wir eine solche Bestimmung nicht aufnehmen; und wenn diese große Zahl von Ge­ schlechtsverbindungen, die an sich möglich ist, nicht eingegangen wird, dann wird eben die Gefahr in viel weiterem Umfang vermieden, daß Nichtarier oder fremdblütige Men­ schen in unsere Volksgemeinschaft hineinkommen, und die Gefahr würde jedenfalls weit­ gehend wettgemacht werden, wenn wir die Bestimmung einführen, - die Gefahr, daß einer oder der andere nachher eben als Arier erscheint, der in Wahrheit Nichtarier ist. Ich kann also dieses Bedenken auch nicht für durchschlagend halten. Ich meine im Ge­ genteil, daß die generalpräventive Wirkung einer Strafvorschrift gegen außerehelichen Geschlechtsverkehr mit Rassefremden dahin führen würde, daß in viel geringerem Um­ fang als heute gemischtblütige Existenzen gezeugt würden. [143] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe nur zwei Fragen, die ich in der weiteren Aussprache zu berücksichtigen bitte. Herr Senatspräsident Klee, welcher Art sollen die Be­ stimmungen sein, die unter die Rassengefährdung, Ziffer 1, fallen? Woran denken Sie da? (Senatspräsident Professor Dr. Klee: An Seite 49 Ziffer 1 der Preußischen Denkschrift!) Das sind die „zur Reinerhaltung und Veredlung der deutschen Blutsgemeinschaft ergan­ genen gesetzlichen Vorschriften". Darunter würden doch nach unserem bisherigen Sprachgebrauch und auch nach Ihrem Rassebegriff die Sterilisationsbestimmungen nicht fallen? (Senatspräsident Professor Dr. Klee: Nein!) [144] Professor Dr. Dahm (Kiel): Das, was ich sagen wollte, ist eigentlich durch das, was Herr Staatssekretär Freisler ausführte und durch die Bemerkungen des Herrn Senatspräsi­ denten Klee im wesentlichen erledigt. Nur ein Wort in den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Freisler hat mir Anlaß gegeben, mich zu einer kurzen Bemerkung zum Wort zu melden. Ich möchte keinesfalls, daß der Eindruck entsteht, als ob gerade in der jungen Generation und an den Universitäten allgemein die Skrupel geteilt würden, die in den Ausführungen von Herrn Professor Kohlrausch zum Ausdruck kamen. Wir haben es doch im Strafrecht mit dem Schutz der völkischen Grundordnung zu tun, und einer dieser Grundwerte ist die Rasse, und in sehr weiten Kreisen der Studentenschaft, gerade in den aktivistischen, führenden Kreisen der Studentenschaft z. B., für die das neue Gesetz doch später einmal gelten soll, würde ein Gesetz als unzulänglich empfunden werden, das die Grundgedanken nicht deutlich zum Ausdruck bringt. Das wiegt sehr viel schwerer als die grundsätzlichen Bedenken, die Herr Professor Kohlrausch gegen die Aufnahme solcher Bestimmungen zum Ausdruck gebracht hat. Es ist ganz selbstverständlich, daß der Rasse­ gedanke von innen her wachsen muß und daß nicht alles durch strafrechtliche Bestim­ mungen geschehen darf. Aber mit dieser Begründung könnte man schließlich auch die Aufnahme von Bestimmungen über Sittlichkeitsverbrechen, Landesverrat usw. im Straf­ gesetzbuch als problematisch hinstellen. Andererseits haben gerade die Erfahrungen der letzten Monate gezeigt, daß die Gesetzgebung an dieser Erziehung einen ganz wesentli­ chen Anteil hat; denn wenn heute der Rassegedanke in weite Volkskreise und gerade in die gebildeten Volkskreise eingedrungen ist, so ist das nicht zum wenigsten eine Folge des Geset- [145] zes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, das über die technische Einzelwirkung hinaus eine ganz ungeheure erzieherische Wirkung im deutschen Volke

hervorgerufen hat. Darum scheint mir der Hinweis auf die Kreise, die heute der Betonung des Rassegedankens grundsätzliche Bedenken entgegenbringen, keineswegs ein berech­ tigter Einwand zu sein; denn es gibt auch andere Handlungen und Überzeugungen, auf die man im Strafgesetzbuch keine Rücksicht nimmt. Nun die Frage, ob der Hinweis auf den Rassegedanken im Einzelnen im Strafgesetz­ buch einen Ausdruck finden soll. Da scheint es mir zunächst selbstverständlich, daß der Vorspruch zum Gesetz einen deutlichen Hinweis auf den Rassegedanken enthalten muß, unabhängig davon, ob im Einzelnen auch nur eine einzige Bestimmung über den Rasse­ schutz in das Gesetz aufgenommen wird. Zweitens werden wir später in der zweiten Le­ sung den Allgemeinen Teil daraufhin überprüfen müssen, ob und inwieweit es möglich ist, dem Rassegedanken zum Siege zu verhelfen. Ich denke z. B., woran ich kurz erinnern darf, an die Ausführungen, die Herr Graf Gleispach damals machte, der jedenfalls die Fra­ ge auswarf, ob nicht das Personalprinzip auf Angehörige unserer Rasse zu beschränken sei - dem liegt allerdings ein anderer Rassegedanke zugrunde -, ob die Frage der Schwanger­ schaftsunterbrechung auf Grund der eugenischen Indikation geprüft werden soll usw.. Was aber nun den Abschnitt über den Schutz der Rasse im Besonderen Teil angeht, so möchte ich grundsätzlich dem, was Herr Staatssekretär Dr. Freisler ausgeführt hat, folgen. Ich bin zunächst auch der Meinung, daß die Täuschung über die Zugehörigkeit zur Rasse bestraft werden muß und daß die Bedenken, die heute einer Bestrafung des Geschlechts­ verkehrs zwischen Ariern und [146] Nichtariern noch entgegenstehen, hier nicht zutreffen. Ich glaube auch, daß die kirchlichen Bedenken entfallen und daß andererseits die Ver­ schweigung der Rassezugehörigkeit auch heute nach den positiven bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen eine Anfechtung der Ehe begründen würde. Ich bin ebenfalls für eine der­ artige Blankettbestimmung nach Art der Vorschläge der Preußischen Denkschrift auf Sei­ te 49. Das Bedenken, das man gegen eine solche Bestimmung vorbringen könnte, ist ja, daß wir vorläufig jedenfalls derartige gesetzliche Bestimmungen schon aus außenpoliti­ schen Gründen kaum haben können, und es scheint ja eine ziemlich leere Blankettbestim­ mung zu sein, die da aufgestellt wird. Für durchschlagend halte ich dieses Bedenken nicht, und ich glaube, daß das Strafrecht seine Erziehungsfunktion auch dann ausüben kann, wenn es vorläufig bei einem ziemlich leeren Blankett bleibt. Im übrigen glaube ich, dem, was von den beiden Herren Vorrednern gesagt worden ist, wenig hinzusetzen zu sollen. Es ist natürlich bei den einzelnen Bestimmungen sehr darauf zu achten - das wurde schon hervorgehoben - , welcher Rassegedanke zugrundegelegt wird. Denn bei dieser Rassezersetzung von innen her denken wir natürlich an einen ande­ ren Begriff von Rasse als bei der Bestimmung über die Täuschung über die Rassezugehö­ rigkeit. Ob und inwieweit es möglich ist, hier den Begriff der Rasse gesetzgeberisch klar zu umschreiben, kann ich im Augenblick nicht beurteilen. [147] Ministerialrat Dr. Möbius: Herr Reichsminister, darf ich meine Diskussionsbemer­ kung als Mediziner in eine Frage kleiden, die sich auf den Punkt der Rassegefährdung be­ zieht und die durch Ihre Ausführungen und durch die Ausführungen des Herrn Staatsse­ kretärs Dr. Freisler und auch durch die Frage des Herrn Senatspräsidenten Dr. Klee schon erheblich berührt worden ist? Wir Verwaltungsmediziner müssen an die Staatsregierung den Wunsch herantragen, daß diejenigen Gesetze, die sich mit Erb- und Rassepflege be­ schäftigen und diese Erb- und Rassepflege unseres Volks sichern wollen, gegen jedwede Sabotage geschützt werden. Es ist ja so, daß wir erstens einmal von Erbpflege, und zwei­ tens von Rassepflege reden müssen: die Erbpflege, die zum Ziel hat, das Erbgesunde in unserem Volke zu erhalten, zu sichern und weitmöglichst eine Vermehrung dieses gesun­ den Erbguts unseres Volks anzustreben, und zweitens die Rassepflege, die darauf ausgeht, unsere deutsche Rasse zu erhalten und, soweit wie möglich, zu bessern. Diese Gesetze sind zum Teil erlassen, und es werden und müssen weitere Gesetze auf diesem Gebiete kommen. Das Hauptgesetz, das wir in dieser Beziehung haben, ist das Gesetz zur Verhütung erb­ kranken Nachwuchses. Dieses Gesetz bringt, soweit ich es übersehe, keine Strafbestim-

mung gegen diejenigen, die Sabotage gegen dieses Gesetz ausüben. Daß Sabotage in ge­ wissem Sinne gegen dieses Gesetz getrieben wird, ist uns klar. Aber die Schwierigkeit, die­ ser Sabotage Herr zu werden, scheint erheblich groß zu sein. Ich möchte Ihnen in der Dis­ kussion nur die Frage stellen: Reicht das, was jetzt im Strafgesetzbuch steht oder was im Strafgesetzbuch beabsichtigt ist, dazu aus, die gesetzlichen Bestimmungen, die in Spezial­ gesetzen getroffen werden, um unsere deutsche Erb- und Rassepflege zu sichern und zu fördern, gegen Sabo- [148] tage zu schützen? Ich kann es als Verwaltungsmediziner nicht übersehen, muß aber diese Frage stellen und muß gleichzeitig daran die Bitte anschließen, weil wir es für unbedingt notwendig halten, daß in dieser Beziehung etwas geschieht, daß der Ausschuß oder eine andere Stelle Bestimmungen treffen, die die Sabotage dieser Ge­ setze unbedingt aufs schwerste bestrafen und unbedingt verhüten können. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß wir bei der Erb- und Rassepflege ja gar nicht nach jeder Richtung hin abgrenzen müssen, was nicht deutsch ist, sondern daß wir dabei erst einmal den Bestand unseres deutschen Volks, dessen, was man allgemein als deutsch versteht, pflegen und zur möglichsten Vollkommenheit bringen wollen. [149] Reichs justizminister Dr. Gürtner. Herr Dr. Möbius, wenn Sie die Begriffe „Erbund Rassepflege" nebeneinander aussprechen, so scheint mir das wieder auf das hinzu­ deuten, was ich vorhin „Hoch- und Landesverrat" genannt habe. Ich habe vorhin auf die Anregung des Herrn Staatssekretärs Dr. Freister hin, Grabschändung und Zerstörung des Fruchtbarkeitswillens hierher zu nehmen, wenn Sie sich zu erinnern belieben, den Gedan­ ken ausgedrückt, unter „Rasse" verstehe man im Volk doch immer eine Gemeinschaft im Verhältnis zu einer anderen; und wenn wir hier von Rasseschutz sprechen, so sei das Nächstliegende, daran zu denken, sich die Vermischung und Verschlechterung der deut­ schen Rasse durch fremdes Blut vorzustellen. Das ist doch wohl auch der Begriff, an den man zuerst denkt, wenn man das Wort „Rassepflege" hört. [150] Ministerialrat Dr. Möbius: Ja, nur daß der Begriff „Rassepflege" - ich improvisiere jetzt - eine positive Seite und eine negative Seite hat. Zunächst schützt er das, was da ist, was also deutsch ist; und zweitens will er das, was deutsch ist, gegen fremden Einfluß schützen. Ich verstehe darunter eine positive und eine negative Seite. [151] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Wenn Sie das Wort „Rassepflege" so auffassen, ist für „Erbpflege" eigentlich kein Raum mehr. (Ministerialrat Dr. Möbius: Deswegen ha­ ben wir den Begriff „Erb- und Rassepflege" nebeneinander!) - Ich habe schon den Eindruck, daß sich das mit meiner Aufspaltung ungefähr deckt: die Erbpflege ist die Verwaltung und Pflege des gesunden Erbgutes, das da ist, und die Rassepflege ist schon mehr eine Grenze nach außen, die Fernhaltung fremden Bluts usw .. [152] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich lege bei dieser Diskussionsfrage großen Wert dar­ auf, ob auch die Erbpflege, nicht bloß die Rassepflege irgendwie geschützt werden kann; denn auch die Erbpflege, die im Sterilisationsgesetz ausdrücklich noch im Vordergrund steht, muß auf der anderen Seite geschützt werden. Ich kann aber als Verwaltungsmedizi­ ner nicht übersehen, ob mit dem, was hier zur Diskussion gestellt wird, überhaupt der Be­ griff der Erbpflege schon mit gemeint ist. [153-160] Reichs justizminister Dr. Gürtner. Vielleicht kommen wir einen Schritt weiter, wenn einer der Herren die Liebenswürdigkeit hat, die Fassung des § 169 zur Kenntnis zu bringen, die Herrn Dr. Möbius sicher nicht gegenwärtig ist. [161] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Wer es unternimmt, gegen die sonstigen zur Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen?4 [162] Reichs justizminister Dr. Gürtner. Das ist der Vorschlag, und jetzt bitte ich § 169, der einen allgemeinen Inhalt hat, zur Kenntnis zu bringen.

4 Hierzu hat Gleispach später angemerkt: „Es ist unmöglich, derart isoliert wiedergegebene Sätze als richtig anzuerkennen oder richtigzustellen." Der Beitrag ist von Gleispach gestrichen worden.

[163] Staatsanwalt Dr. von Dohnanyi: Wer öffentlich zur Auflehnung gegen ein Gesetz, eine Verordnung oder eine behördliche Anordnung auffordert oder anreizt, oder wer öf­ fentlich dazu auffordert oder anreizt, eine Empfehlung der Reichsregierung zu mißachten, wird mit Gefängnis bestraft. [164] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Diese Bestimmung hat einen allgemeinen Inhalt: die Auflehnung gegen Gesetze, Verordnungen und Anordnungen, erweitert auch auf Empfehlungen, die von der Reichsregierung ausgehen. Selbst in dem Falle, wo die Reichs­ regierung die Form des Befehls nicht wählt, sondern aus gewissen wohlerwogenen Grün­ den die Empfehlung, ist die Aufreizung, dem entgegenzuhandeln, unter Strafe gestellt. Das ist vorher schon durchgeklungen, sowie § 169 überhaupt aufgetaucht ist. Die Frage ist nur die, ob man nicht in einem Abschnitt über Rassenschutz das mit Bezug auf die Rassen­ gesetzgebung noch einmal besonders sagen soll. [165] Ministerialrat Dr. Möbius: Diese Frage wollte ich stellen, ob man nicht wenigstens den für uns wichtigsten Begriff „Gesetze, Verordnungen, insbesondere auf dem Gebiete der Erb- und Rassenpflege" hineinbringen soll, damit diese beiden Begriffe im Strafge­ setzbuch an einer Stelle - wo, das kann ich nicht übersehen - aufgeführt werden. Aber mir leuchtet augenblicklich ein, daß der § 169 sehr wohl auf alles das, was wir beabsichtigen, angewendet werden kann, daß aber doch der Begriff der Erb- und Rassenpflege als Kern­ stück des ganzen Aufbaues besonders erwähnt werden könnte und daß das große Klarheit sowohl für das Volk als auch für den Juristen wie für den Mediziner schaffen würde. [166] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Das ist ein oft geäußerter Wunsch. Herr Staats­ sekretär Freisler hat ihn selbst schon geäußert. Es kann etwas juristisch überflüssig und trotzdem zur figürlichen Wirkung des Strafrechtes wünschenswert sein. Wenn man Erbund Rassenpflege in einem Atemzuge nennt, können wir es aber nicht in den Abschnitt über Rassenschutz hineinstellen, es sei denn, daß wir dem Wort von vornherein einen an­ deren Inhalt geben, wobei wir dann das Wort Rasse vermeiden müssen. Das sind aber Un­ terfragen, die wir hier nicht zu entscheiden brauchen. Ich bin der Meinung, daß gerade dieses Gebiet der Erb- und Rassenpflege unter den Begriff der Empfehlung sehr viel häu­ figer fällt als etwa andere Dinge. Wir haben damals an solche Sachen wie Winterhilfswerk oder eine Sammlung zu irgendeinem von der Reichsregierung gewünschten Zweck ge­ dacht. Aus wohlerwogenen Gründen wird das auch nicht in der Form des Gesetzes ge­ macht, sondern es wird aufgefordert, es wird als vaterländische Pflicht dargestellt, und die Sabotage dagegen sollte mit dieser Allonge unter Strafe gestellt werden. Ich habe so den Eindruck, daß auf diesem Gebiet diese Empfehlungen vielleicht eine besondere Rolle spie­ len könnten. [167] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Herr Reichsminister, ich habe Ihre Erklärung nach den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Freister dahin verstanden, daß über die Frage der strafrechtlichen Sanktion von Rassevorschriften im allgemeinen nicht mehr ge­ sprochen werden soll. [168] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: In Bezug auf das eine Thema, Ehenichtigkeit und Ehestrafbarkeit. Das scheint mir geklärt zu sein, daß es nur parallel sein kann, daß die Fra­ ge, ob man das überhaupt oder jetzt machen kann, nicht diskutiert werden soll. Nun kommt der zweite Punkt. Damit wird das Thema auf einen völlig anderen Boden gestellt. Das ist die Frage der arglistigen Täuschung beim Abschluß der Ehe, eventuell beim nicht­ ehelichen Geschlechtsverkehr, und dann die angehängten Fragen, die der Herr Staatsse­ kretär gleich zur Debatte gestellt hat. [169] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Aber die allgemeine Frage und der Tatbestand, der von den beiden Berichterstattern gewissermaßen als das Hauptstück angesehen wur­ de, stehen nicht zur Debatte. Das ist vielleicht nicht ganz verstanden worden, weil die Her­ ren Klee und Dahm doch über diesen Gegenstand gesprochen haben. Ich möchte darauf keineswegs eingehen, aber weil davon gesprochen wurde und weil vom Herrn Kollegen Dahm mit voller Berechtigung gesagt worden ist, daß namentlich die Kollegen der jünge­ ren Generation den Standpunkt einer Durchbildung der Rassegesetzgebung und nament-

lieh auch der strafrechtlichen Sanktion mit Nachdruck vertreten, darf ich vielleicht nur die kurze Erklärung abgeben, daß ich auf dem gleichen Standpunkt stehe. Ich sehe, von politi­ schen Erwägungen natürlich ganz abgesehen, einen weiteren Ausbau der Rassengesetzge­ bung des Deutschen Reiches außerhalb des Bereiches des Strafrechts, aber ganz besonders auf strafrechtlichem Gebiet als dringend wünschenswert an. Wenn ich dann auf die Punkte eingehen darf, die jetzt zur Besprechung stehen, im we­ sentlichen die vier Vorschläge, die Herr Staatssekretär Freisler gemacht hat, so würde ich es sehr unterstützen, die Erschleichung eines geschlechtlichen Verkehrs mit Verschwei­ gung der Rassenverschiedenheit unter Strafe zu stellen. Das wäre strafrechtlich nicht et­ was ganz Neues. Es ist, kann man sagen, die Anwendung eines Gedankens auf diesem be­ sonderen Gebiet, der sonst im deutschen Strafrecht auch schon vorhanden ist. Man könnte damit sicherlich den Einwendungen, die vielleicht mehr böswillig als sachlich begründet gegen einen solchen Vorschlag, gegen die ganze Rassengesetzgebung gemacht werden, viel leichter [170] begegnen. Ich würde mich auch nicht auf den Standpunkt stellen, nichts sei besser als wenig, sondern umgekehrt glauben, daß hier wenig doch besser ist, als wenn dieses ganze Problem vom neuen Strafgesetzbuch überhaupt unbeachtet gelassen würde. Ich glaube, von den Anregungen auf Seite 49 der Preußischen Denkschrift wäre Punkt 1 nicht aufzunehmen, also eine Strafdrohung für die Verletzung von Vorschriften, die überhaupt zur Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemeinschaft ergan­ gen sind. Ich glaube auch, daß nach den Ausführungen des Herrn Obermedizinalrates Möbius dieser Schluß gezogen werden kann. Es ist doch mißlich, hier eine Strafdrohung für eine vom Standpunkt des Strafgesetzbuches aus gar nicht übersehbare Fülle von Vor­ schriften aufzustellen, die in ihrer Wertigkeit sehr verschieden sein können. Soweit ich se­ hen kann, sind im Augenblick solche noch gar nicht vorhanden. Es könnte gerade das wie­ der einen Anlaß zu Angriffen gegen solche Bestimmungen geben, der zum mindesten vor­ läufig noch gar nicht vorhanden ist. Man würde hier eine Verdeckung vermuten. Irgendei­ nen erzieherischen Zweck kann man durch eine solche Bestimmung doch nicht erzielen, weil man aus ihr nicht sieht, was hier eigentlich geschützt werden soll. Hingegen würde ich es sehr unterstützen, den Punkt 2 aufzunehmen. Ich glaube über­ haupt, daß der Bestand unseres § 169 uns nicht daran hindern sollte, in einzelnen Ab­ schnitten diesen Tatbestand bezogen auf ein besonderes Gebiet zu wiederholen, so daß man hier den Versuch einer Sabotage namentlich der Empfehlungen zum Schutze und zur Reinerhaltung des deutschen Erbgutes unter Strafe stellen würde, wenn das auch durch § 169 schon gedeckt ist. Man kann immer einen speziellen Fall wiederholen. Das würde ich aus Gründen [171] der Plastik und des Eindrucks, den die Gesetzgebung macht, für sehr er­ wünscht halten. Herr Staatssekretär Freisler hat dann angeregt, den Schutz der Heldenehrung und des Willens des deutschen Volkes zur Fruchtbarkeit auch in diesen Abschnitt zu stellen. Es ist mir klar, daß diese beiden Tatbestände im künftigen Strafgesetzbuch erscheinen müssen. Es fragt sich nur, wo sie eingereiht werden sollen. Ich würde nun allerdings glauben, daß diese Zusammenziehung gewisse taktische Vorteile hat, auch den rein technischen, daß wir sonst nicht wissen, ob nicht das Kapitel des Rassenschutzes zu mager ausfällt. Wir hät­ ten hier schon einen Tatbestand, der als unangefochten bezeichnet werden kann. Nur glau­ be ich, daß dann der Gesichtspunkt des Schutzes gegenüber dem ursprünglichen Gedan­ ken des Schutzes der Rasse sich etwas verschiebt. Man könnte dann nicht mehr von einem Schutz der Rasse sprechen, sondern es würde sich um den Schutz, ich würde etwa sagen, des deutschen Volkstums handeln. Das ist dann der entscheidende Gesichtspunkt. Man könnte darunter noch die eine oder andere Vorschrift bringen. Nach der Kapitelordnung, an die wir uns vorläufig halten, würden wir ja eigentlich vor der Besprechung der Vor­ schriften zum Schutze des deutschen Volksbestandes stehen, und der Herr Berichterstatter Vizepräsident Grau hat vorgeschlagen, diesen Abschnitt, in dem dann auch Bestimmun­ gen zugunsten der Volksgesundheit eingestellt werden, Schutz des deutschen Volkstums zu nennen. Allerdings wäre, wenn man die Vorschläge, wie sie bis heute morgen vorlagen,

betrachtet, in den Abschnitt Schutz des Volkstums von dem, was ich unter deutschem Volkstum verstehe, überhaupt nicht die Rede gewesen; denn die [172] Brunnenvergiftung kann ich nicht als etwas ansehen, wogegen das deutsche Volkstum besonders geschützt wird, sondern das ist die Gesundheit des Volkes überhaupt. Ich meine, wir müssen sowohl einen Abschnitt Schutz des deutschen Volkstums haben als auch einen Inhalt, der dieser Überschrift entspricht. Da würde ich mir das, was voraussichtlich vom Rassenschutz übrig bleibt, Schutz der deutschen Helden, vielleicht auch eine spezifische Bestimmung zum Schutz deutscher Sitte, deutschen Brauchtums, also des deutschen Volkslebens in seiner Reinheit und schließlich auch den Schutz des Fruchtbarkeitswillens ganz gut vereinigt denken können. [173] Reichs]ustizminister Dr. Gürtner: Wie würden Sie am Schluß resultieren? Würden Sie in diesen eben skizzierten Abschnitt auch das hineinnehmen, was wir als spezifischen Rassenschutz ansprechen? (Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Ich glaube, man sollte das vereinigen!) [174] Professor Dr. Mezger (München): Im grundsätzlichen Ausgangspunkt - ich kann die Frage nicht ganz umgehen, ohne damit auf politische Fragen eingehen zu wollen - kann ich die Auffassung vom Herrn Kollegen Kohlrausch nicht teilen. Ich bin doch der Meinung, daß das Strafrecht im Rassenkampfe ein sehr wirksames Mittel sein könnte. Ich betone ausdrücklich: im Rassenkampfe; denn ich meine, es handelt sich hier um einen Kampf. Man schwächt den Gedanken unzulässig ab, wenn man nur davon redet, daß es sich um Erweckung eines stärkeren Gefühls für Rassereinheit handelt. Es handelt sich um einen Kampf der Rassen im deutschen Lebensraum, und ich muß persönlich gestehen, ich kann manche Härten und Ungerechtigkeiten des Kampfes viel eher ertragen, wenn ich mir den Gedanken klar mache, daß es sich hier um einen Kampf mit zwei einander gegenüberste­ henden Fronten handelt, in dem es eben hart auf hart geht. Da meine ich grundsätzlich, daß das Strafrecht in einem solchen Kampfe ein durchaus taugliches, wirkungsvolles, ja in manchem vernichtendes Mittel sein kann. Nun ist aber wohl die Lage im Augenblick so, daß es sich nicht um eine Gesamtauswirkung dieses Kampfes im Strafrecht handeln kann, sondern nur darum, den einen oder anderen Punkt, wie es dargelegt worden ist, heraus­ zugreifen. Da möchte ich nur einen Punkt berühren, nämlich die etwaige Strafbestimmung gegen arglistige Verschweigung der Zugehörigkeit zur fremden Rasse bei Eingehung einer Ehe. Es will mir schlechterdings unmöglich erscheinen, daß man eine solche Bestimmung ein­ fach nur auf die Ehe zuschneidet. Es handelt sich bei der ganzen Frage nicht um eine sol­ che, die allein in dem Institut [175-180] der Ehe aufgeht, sondern um eine Frage der Ras­ senvermischung als solcher, also auch um ein Problem des außerehelichen Geschlechts­ verkehrs. Ich meine, wenn man den einen Schritt tut und etwa die auf Seite 48 der Preußi­ schen Denkschrift angedeutete Bestimmung herausnimmt, dann muß man diese Bestim­ mung gleichmäßig gegen arglistige Täuschung bei Eingehung der Ehe und gegen den ausserehelichen Geschlechtsverkehr richten. [181] Ich kann mir auch nicht denken, daß die Bedenken, die in anderer Richtung gegen solche Bestimmungen über den außerehelichen Geschlechtsverkehr geltend gemacht wor­ den sind, hier nun gerade ein besonderes Gewicht hätten. Hier handelt es sich ja nur um die arglistige Täuschung, die von einer Seite ausgehen würde, und deren Unterstellung unter das Strafgesetz doch wohl nicht die Konsequenz hätte, daß nun tatsächlich die Mischlinge verschwiegen würden aus den Gründen, die in anderem Zusammenhang ge­ nannt worden sind. Auch das Denunziantenwesen, glaube ich, wäre hier nicht allzusehr zu befürchten. Es handelt sich ja, wenn dieses Mittel in die Wagschale geworfen wird, darum, auch mittelbar den Verkehr zwischen Verschiedenrassigen hier hintanzuhalten, zunächst nur in Beziehung auf die letzte Konsequenz des außerehelichen Verkehrs. Denunziationen würden sich ja eben nur richten können auf sonstige Folgen eines etwas weitgehenden und wenig zurückhaltenden Verkehrs. Das wären Denunziationen, die sich nicht einfach ohne jede tatsächliche Grundlage ermöglichen ließen. Diese Bestimmung soll ja auch mit-

telbar diesen Verkehr derart unterbinden. Ich kann mir also nicht denken, wie hier beson­ dere Nachteile aus einer solchen Bestimmung erwachsen könnten. Wenn schon solche Be­ stimmungen in das Strafgesetz kommen, dann glaube ich nicht, daß es angemessen ist, den ehelichen und außerehelichen Verkehr hier zu trennen. Es wäre im Gegenteil, glaube ich, die nicht ganz zu unterschätzende Gefahr vorhanden, daß, wenn Strafbestimmungen eingefügt würden, die sich auf den ehelichen Verkehr beziehen, dann eben mancher Ver­ kehr in außereheliche Beziehungen abgedrängt würde, und das ist doch ganz gewiß nicht das, was mit der Bestimmung erreicht [182] werden will. Zu den praktisch im gegenwärti­ gen Augenblick zur Erörterung stehenden Fragen möchte ich mir also nur diese eine Be­ merkung gestatten: Wenn eine solche Strafbestimmung über arglistiges Verschweigen hereinkommt, wäre ich dafür, daß diese Bestimmung nicht etwa nur auf den Abschluß der Ehe, sondern auch auf den außerehelichen Verkehr bezogen wird. [183] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte bloß anmerkungsweise daran erin­ nern, daß wir im alten Strafgesetzbuch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt, wo von Rasse nicht die Rede ist, eine Bestimmung haben, die folgendermaßen lautet: „Wer bei Eingehung einer Ehe den anderen Teil zur Eheschließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufech­ ten, wird, wenn aus einem dieser Gründe die Ehe aufgelöst worden ist, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt auf Antrag des getäuschten Teils ein."5 Also ein Teil der rechtspolitischen Gedanken ist auch in dem geltenden Recht schon angeführt, allerdings unter dem Gesichtspunkt der Verbrechen und Vergehen in Bezug auf den Personenstand. [184] Staatssekretär Dr. Freisler. Ich möchte zunächst Herrn Dr. Möbius darauf aufmerk­ sam machen, daß der § 169 nur die öffentliche Sabotage bedroht. Es ist mir zwar klar, daß man bei einer so allgemeinen Fassung, wie sie § 169 hat, die sich auf alle Gebiete der Volksführung praktisch ausdehnt, und zwar nicht nur der staatlichen, sondern - das wird die Analogie sehr bald machen - der Volksführung durch die Partei, die Einschränkung auf die öffentliche Sabotage wohl nötig hat. Es fragt sich aber, ob man für das Spezialge­ biet der Erb- und Rassenpflege auch die Öffentlichkeit als einschränkendes Moment für die Strafbestimmungen ertragen kann, oder ob nicht da von der Notwendigkeit der Öf­ fentlichkeit der Sabotage abgesehen werden muß. Dann habe ich vorhin einen rednerischen Fehler gemacht. Es war doch nicht richtig, daß ich an die Grabschändung angeknüpft habe, und zwar deshalb nicht, weil ich nicht klar zum Ausdruck gebracht habe, was ich damit meine. Ich habe damit nicht die Grabschän­ dung im wörtlichen Sinne gemeint. Ich habe während meiner Ausführungen erklärt, daß ich eine Bestimmung dieser Art mir weder in Anknüpfung an das Materielle des Grabes, noch auch an die Helden denke. Ich denke, um etwas ganz Krasses zu sagen, daran, daß es z. B. heißt, die deutschen Stämme der Völkerwanderung seien hergelaufene Räuberhorden gewesen, oder daß man davon spricht, die Vandalen hätten Europa vernichtet, daß man im Zusam m enhang damit etwa Meinungen kundtut, daß der Bund gewisser germanischer Stämme mit den Hunnen, der zeitweise ja vorhanden war, auch zu einer Blutvermischung geführt hätte, daß man etwa Gedanken ausführt, wie sie z. B. bei der russischen Blutsge­ meinschaft eine Selbstver- [185] ständlichkeit sind, daß der heutige Russe ein Russe und Tartare sei, und dabei derartige Gedankengänge propagiert, die sich auf das Werden der deutschen Blutsgemeinschaft in einer Weise beziehen, die geeignet ist, dem Bewußtsein, eine eigene Blutsgemeinschaft zu bilden, abträglich zu sein. Der Anknüpfungspunkt war also rednerisch schlecht gewählt. Ich meine nicht, daß man im buchstäblichen Sinne die Gräber der deutschen Helden und auch nicht im buchstäblichen Sinne die deutschen Volkshelden der Vergangenheit - wiederum von der Stelle aus, wo ihre körperlichen Reste ruhen - hier strafrechtlich schützen soll. Ich bin mir natürlich klar, daß man das anderswo

5 Vgl. § 170 StGB.

tun muß. Aber ich meine, hier müssen wir den Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft gegen ideelle Angriffe sicherstellen. Für mich bildete dieser Vorschlag der Preußischen Denkschrift nur einen Anknüpfungspunkt. Aber in dem Sinne, wie ich das eben noch ein­ mal ausgeführt habe, scheint mir die Aufstellung eines Schutzes richtig zu sein. In dem Sinne wollte ich mich auch vorhin ausdrücken, als ich sagte: Wir befinden uns hier an der Wurzel des Übels. Denn ich bin der Meinung, der ideelle Angriff ist auf die Dauer viel ge­ fährlicher als der Angriff durch einen Geschlechtsverkehr zwischen Angehörigen ver­ schiedener Rassen. Ich meine, daß der Widerstand und der Gegenwille gegen einen sol­ chen Geschlechtsverkehr dann untergraben wird, wenn man, wie es zeitweise doch schon gewesen ist, den Gedanken einer deutschen Blutsgemeinschaft lächerlich macht. Ich möchte also in diesen Abschnitt den Schutz gegen eine ideelle Gefährdung der deutschen Blutsgemeinschaft aufgenommen haben. [186] Es ist natürlich richtig, daß wir uns schlüssig werden müssen, was wir in diesen Abschnitt hineinbringen wollen. Es ist richtig, wenn man von Rasse spricht, kann man das zunächst so auffassen, faßt es vielleicht sogar in der Regel so auf, daß man den Schutz der Rasse nach außen dabei in den Kernpunkt der Betrachtungen rückt. Es scheint mir fraglich, ob es richtig ist, das zu tun, nicht nur aus dem taktischen Gesichtspunkt heraus, der vorhin erwähnt worden ist, und an den ich auch gedacht habe, sondern auch grundsätzlich. Ich meine tatsächlich, daß die deutsche Blutsgemeinschaft nicht nur dadurch gefährdet wird, daß sie von außen angegriffen wird, sondern ebenso dadurch, daß sie von innen angegrif­ fen wird. Ich bin deshalb der Meinung, daß man unter dem Schutz der Rasse das wohl mit­ verstehen kann. Hat man aber Bedenken, dann wähle man einen Begriff, der nicht nach dem Urteil des Volkes gleich das Auftauchen anderer Rassen bewirkt, dann wähle man ei­ nen Begriff, der nicht gleich an den Rassekampf denken läßt, der nach Ansicht von Herrn Professor Dr. Mezger doch das Kernstück dessen sei, woran wir bei dieser Debatte den­ ken. Meiner Ansicht nach ist das nicht der Fall. Es ist natürlich richtig, daß die Abwehr der Angriffe von außen auch hierher gehört, ebenso aber die Pflege des kräftigen Lebenswillens und der Lebensfähigkeit dieser, nen­ nen wir es Rasse oder nennen wir es Volksblutsgemeinschaft, oder nennen wir es unser Volkstum6 - das ist gleichgültig - von innen heraus. Deshalb scheint es mir gerade wün­ schenswert zu sein, beides in einem Kapitel zu vereinigen, das allerdings wiederum unter einem ganz großen leitenden Gesichtspunkt steht, der einen ganzen Abschnitt von mehre­ ren Kapiteln füllt. Dazu [187] gehört dann unter anderem auch die Volksgesundheit, und da wird auch die Brunnenvergiftung, die hier nicht herpaßt, eine Stelle finden. Letztere ist ja überhaupt ein bißchen merkwürdig, weil sie einen Spezialfall darstellt. Ich meine also, wenn wir uns dessen bewußt sind, daß der Schutz des Volkes, des Volkstums im Ganzen, wiederum in einen Schutz verschiedener Richtungen zerfällt, dann ist es auch methodolo­ gisch durchaus erträglich, ich finde sogar natürlich, daß wir diese beiden Dinge unter dem Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft zusammenfassen, nämlich Schutz gegen Angrif­ fe von außen und Schutz gegen eine Aushöhlung von innen. Man könnte mir vielmehr etwas anderes entgegenhalten. Man könnte sagen: Was da geschaffen werden soll, ist ja auch im ersten Teil nicht der Schutz der deutschen Blutsge­ meinschaft gegen Angriffe von außen. Denn aus meinem Vorschlage folgt ja, daß ich ge­ nau so z. B. denjenigen Deutschen bestrafen will, der - um bei dem angeblich im Vorder­ grund stehenden jüdischen Beispiel zu bleiben - ein jüdisches Mädchen zu einem Ge­ schlechtsverkehr bringt unter arglistiger Täuschung über die Rassezugehörigkeit, über die Rasseverschiedenheit. Das ergibt sich aus den anderen Ausführungen, Betrachtungen, die bisher auch keinen Widerspruch gefunden haben. Man baut zweckmäßigerweise die Re­ gelung so auf, daß keine Blutsgemeinschaft sagen kann, das ist der Ausdruck dieses ari­ schen Rassedünkels, der wiederum einmal wieder in diesem Gesetze seinen Niederschlag

6 Im Original heißt es: „unseres Volkstums".

gefunden hat. Man könnte mir also erwidern: In Wirklichkeit ist das, was hier vorgeschla­ gen wird, nicht der Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft gegen An- [188-200] griffe von außen. Aber ich glaube, mit diesem Einwand würde man sehr schnell fertig werden. Für uns steht in Wirklichkeit natürlich der Schutz unserer Blutsgemeinschaft im Kern­ punkt. Um derentw illen machen wir das Gesetz. Es sind andere Gründe, die es uns ratsam und richtig erscheinen lassen, diesen Schutz nicht einzig und allein hierauf abzustellen. Ich würde deshalb es trotzdem für richtig halten, die Bestimmungen über die arglistige Her­ beiführung des Geschlechtsverkehrs zwischen Angehörigen verschiedener Rassen unter einem Kapitel im Abschnitt, der vom Schutz des deutschen Volkstums spricht, aufzuneh­ men, selbst wenn man hier theoretisch sagen könnte, es sei ja nicht genau und nur das, was man hierunter rechnen könnte. [201] Man muß sich darüber klar werden: will man in diesem Kapitel unter dem Namen Rasse oder unter dem Namen deutsche Blutsgemeinschaft beides umfassen, sowohl den Hochverrat und den Landesverrat an dieser Blutsgemeinschaft wie den physischen Verrat, der letzten Endes durch diese Art der Herbeiführung des Geschlechtsverkehrs, und zwar des ehelichen wie des außerehelichen, begangen wird. Mit diesem ideellen Landesverrat hat es nur einen Haken. Denn wir können schließlich den Fremden nicht verbieten, über uns, über unsere Blutsgemeinschaft und deren Werden zu denken, wie sie wollen. Des­ halb würde praktisch dieser ideelle Landesverrat, soweit er von außen käme, nicht unter Strafe gestellt werden können, und deshalb würde der Vergleich wie alle Vergleiche in ge­ wisser Weise auch hier hinken. Ich meine, ein solches Kapitel über Rassenverrat erweckt auch keineswegs den Anschein, als ob es ein Verlegenheitsprodukt wäre. Es ist eine durch­ aus scharfe und durchaus geeignete Waffe, die sich sehr wohl sehen lassen kann. Man wird diesem Kapitel nicht nachsagen können: die Hauptsache habt ihr gar nicht behandelt. Wir können darauf erwidern: diese Hauptsache haben wir deshalb nicht behandeln wol­ len, weil wir ja noch andere Mittel zur Erziehung des Volkes haben, und weil wir der Mei­ nung sind: heute ist hier die Grenze erreicht, bis zu der der Staat mit seinen Straf Sanktio­ nen gehen soll, weiter soll er eben heute nicht gehen. [202] Ministerialdirektor Schäfer. Ein Teil dessen, was ich ausführen wollte, hat sich durch das erledigt, was Herr Staatssekretär Dr. Freister ausgeführt hat. Ich darf aber noch einmal kurz hinweisen auf die Frage des Verhältnisses dieser Bestimmungen zu sonstigen Bestimmungen, insbesondere zu den Betrugsbestimmungen, sei es in Bezug auf Vermö­ gensbetrug, sei es in Bezug auf den Ehebetrug, in dem Referentenentwurf im §311. Ich nehme an, daß es sich bei diesem Abschnitt und bei der Frage der Schaffung neuer speziel­ ler Vorschriften hier in erster Linie handelt, ich möchte sagen, um das Bekenntnishafte, um das Antlitz, und daß diese Spezialvorschriften sich nicht erübrigen durch die Fassung der Bestimmungen über den Betrug oder durch die Bestimmung über den Ehebetrug. Es soll also hier etwas Spezielles geschaffen werden. Nun kommen dann zwei Fälle in Betracht: die Frage des Rassenbetrugs bei der Ehe­ schließung und beim außerehelichen Geschlechtsverkehr. Was den Rassebetrug bei der Eheschließung betrifft, so wollte mein Vorschlag auch dahin gehen, hier die Grundlage zu verbreitern, und zwar in dem Sinne: nicht nur Schutz gegen Verschlechterung von außen, sondern auch von innen, also durch das, was der Herr Minister ausdrückte mit „Landes­ verrat" und „Hochverrat". Ich glaube, daß man da anknüpfen könnte an die Gedanken des Sterilisierungsgesetzes, was den Schutz nach innen betrifft, die Verschlechterung inner­ halb der Rasse, wenn nämlich solche Umstände verschwiegen werden, die im Sterilisie­ rungsgesetz als erbbiologisch eine Verschlechterung der Rasse notwendig zur Folge ha­ bend anerkannt werden. Das wäre also die [203] Verbreiterung. Wenn man so den ganzen Paragraphen gewissermaßen neutralisierte, würden auch allerhand von den politischen und kirchlichen Bedenken fallen können. Viel problematischer ist mir aber die Frage des Rassenbetrugs beim außerehelichen Ge­ schlechtsverkehr. Zunächst liegt da ein Punkt grundlegend anders. Während beim eheli­ chen Verkehr der Blickpunkt auf die Nachkommenschaft gerichtet ist, ist das ja beim au-

ßerehelichen Verkehr gerade umgekehrt; da ist ja gerade der Blickpunkt nicht auf die Nachkommenschaft gerichtet. Das verschiebt zunächst die ganze Sache. Dann möchte ich noch einige Fragen auswerfen, die wir klären müssen, ehe wir einen solchen Tatbestand schaffen. Zum Teil hat Herr Staatssekretär Dr. Freister diesen Punkt auch schon angeschnitten. Mir war bisher nicht klar, ob dabei nur gedacht war an das ari­ sche Mädchen oder auch an das nichtarische Mädchen. Wenn ich eben Herrn Staatssekre­ tär Dr. Freister recht verstanden habe, denkt er dabei auch an den Schutz des nichtarischen Mädchens. (Reichs]ustizminister Dr. Giirtner: Er nimmt es in Kauf, wollen wir sagen.) Also es kämen beide als Schutzobjekt in Betracht. Und nun muß man sich einmal diese beiden Fälle in der Wirklichkeit vorstellen. In wieweit kommt da nun im Sinne der Preußischen Denkschrift eine absichtliche Verschweigung der Zugehörigkeit zur fremden Rasse - und auch hier würde vielleicht der andere Gesichtspunkt zu erwägen sein: die arglistige Ver­ schweigung solcher erbbiologischen wichtigen Umstände - in Betracht? Dabei sehe ich nun auch Schwierigkeiten. Wir müssen doch bei diesem [204] außerehelichen Verkehr auch an die Fälle denken, wo die Initiative gerade von dem weiblichen Teil ausgeht. Ich kann die Augen nicht vor der Frage der Prostituierten dabei verschließen. Wenn da der Mann vielleicht den Verkehr gar nicht gesucht hat, sondern mehr angereizt wird von dem anderen Teil, so kann ich mir den Tatbestand nicht recht vorstellen, daß der da erst reden soll: ich gehöre aber der fremden Rasse an. Ich wollte nur die Aufmerksamkeit darauf len­ ken und bitte, daß auch da eine gewisse Klarheit geschaffen wird. Endlich war mir nicht ganz klar - es ist mir jetzt durch die letzten Ausführungen des Herrn Staatssekretärs etwas klarer geworden -, was eigentlich gesagt werden sollte mit dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit bei der Tatbestandsentwicklung. Sie denken also, Herr Staatssekretär, insbesondere daran, den Schutz, den man dem arischen Mädchen ge­ währt, auch dem nichtarischen Mädchen zu gewähren, also beispielsweise auch den Deut­ schen zu bestrafen, der dem Eheschließungspartner, der einer fremden Rasse angehört, nicht mitteilt, daß er nicht7 derselben Rasse angehört? Ich kann mir das nicht recht denken. Oder denken Sie an Taten, die im Ausland begangen werden? (Staatssekretär Dr. Freister. Ich denke an das erste; ich denke, daß man Unrecht nicht abwehren kann, wenn man nicht bereit ist, auch selbst kein Unrecht zu tun!) Ich wollte nur um Aufklärung bitten, an welche Fälle Sie bei der Ausgestaltung der Gegenseitigkeitstatbestände dachten. [205] Professor Dr. Nagler (Breslau): Es besteht im wesentlichen Übereinstimmung dahin, daß wir einen besonderen Abschnitt zum Schutz der deutschen Blutsgemeinschaft brau­ chen. Wenn wir einen solchen nicht brächten, so würde das in weitesten Kreisen des Vol­ kes und insbesondere auch in den Kreisen der Juristen so enttäuschend wirken, daß unser Gesetzgebungswerk dadurch wesentlich diskreditiert sein würde. Ich halte auch den Vor­ schlag, den uns Herr Staatssekretär Dr. Freister geboten hat, für durchaus richtig. Insbe­ sondere freut es mich, daß die einseitige Frontstellung gegen andere Rassen dadurch ver­ mieden worden ist, daß eben auch die Zersetzung des Fruchtbarkeitswillens und dgl. mit in diesem Kapitel zur Darstellung kommt. Ich möchte nur zu zwei Fragen Stellung nehmen. Einmal zu der Erschleichung der Ge­ schlechtsverbindung. Soweit die Kirche in Frage kommt, würde von Seiten der Kirche gar kein Bedenken sein. Ich habe die Denkschrift unseres Herrn Fürstbischofs zur Hand. Da heißt es: „Es müssen vielmehr über die Rassen Verschiedenheit hinaus noch andere Grün­ de vorliegen, damit im Einzelfall, sei es bezüglich zweier bestimmter Individuen, sei es be­ züglich zweier bestimmter Rassen, die sittliche Unerlaubtheit der Eheschließung behauptet werden kann." Damit ist ein Ventil geöffnet. Wenn eine solche Täuschung vorliegt, dann würde auch die Kirche nach meinem Dafürhalten durchaus einverstanden sein, wenn hier von Seiten des Staates eingegriffen wird. Die Kirche würde, glaube ich, dem keine Beden­ ken entgegensetzen.

7 Das Wort „nicht" fehlt im Original.

[zoö] Dann eine Bemerkung zu den Bedenken, die Herr Ministerialdirektor Schäfer eben wegen der Erschleichung der außerehelichen Verbindung entwickelte. Was da den Fall der Prostituierten anlangt, so würde doch nie Kausalität in Frage kommen; er muß doch bestimmt worden sein durch den Irrtum zu dem Geschlechtsverkehr. Ich würde die Frage der Prostituierten überhaupt aus diesem Zusammenhang herauslassen. Ich möchte aber auf etwas anderes hinweisen. Ich habe von jeher den Gedanken vertre­ ten, daß die Blankettbestimmung, die auf Seite 49 Ziffer 1 der Denkschrift enthalten ist, in unsere kommende Gesetzgebung hineinkommen muß. Unser Strafrecht ist ja sekundär und abhängig von der Rassengesetzgebung, die sich im Laufe der nächsten Zeit allmählich entwickeln wird, und ich glaube, die kommenden Bestimmungen über Rassenpflege und Erbpflege können schon in dieser Blankettbestimmung im Voraus eine gewisse Berück­ sichtigung finden. Sollte das Blankett nicht passen, so würde ja immer die kommende Ge­ setzgebung Sonderbestimmungen treffen können. Aber daß wir ein solches Blankett, eine solche Rahmenbestimmung aufnehmen, das scheint mir angesichts der kommenden Ent­ wicklung doch geboten zu sein. [207] Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz (Leipzig): Anknüpfend an die Ausführungen von Herrn Ministerialdirektor Schäfer möchte ich zunächst betonen, daß für die Durchfüh­ rung dieser Rassengesetzgebung mancherlei praktische Schwierigkeiten zu klären sein werden. Ich denke nur an die Fragen: Volljude, Halbjude, Vierteljude usw. Wie ist das ge­ dacht? Sodann ist heute schon mehrfach zur Sprache gekommen, daß manches, was an sich in dieses Kapitel gehört, aus außenpolitischen oder ähnlichen Gründen zur Zeit nicht hineinkommen kann. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Das ist nicht konstatiert worden, sondern das blieb die offene Frage!) Andererseits werden wir uns alle darüber klar sein, daß in einem nationalsozialistischen Strafgesetzbuch der immer vertretene Programm­ punkt der Rassenreinheit möglichst umfassend zum Ausdruck gebracht werden muß. Ich wollte mir da erlauben, den Vorschlag eines Tatbestandes zu machen, den man vielleicht mit Rasse-Erschleichung bezeichnen kann. Ich denke an Fälle, daß jemand durch gefälsch­ te Unterlagen oder Zeugnisse den Sachverständigen für Rassenschutz im Reichsministeri­ um des Innern bestimmt, ihm seine arische Abstammung zu bescheinigen, oder daß bei ei­ nem unehelich geborenen Kind, das bestimmt von einem jüdischen Schwängerer stammt, ein arischer Vater vorgeschoben wird, um auf diese Weise zu erreichen, daß das Kind als arisch gilt. Solche Fälle wären denkbar. Es werden solche Fälle zwar fast alle auch mit anderen Straftatbeständen erfaßbar sein, aber ich glaube, aus den Gesichtspunkten, die hier mehr­ fach betont wurden, würde wohl in diesem besonderen Fall ein derartiger [208] Sondertat­ bestand vielleicht doch aufgestellt werden können im Hinblick auf die Bedeutung des Ge­ dankens des Schutzes der Rasse, den wir immer vertreten. [209-220] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn wir uns von dem Gedanken leiten lassen, diesen Abschnitt möglichst zu chargieren, werden wir, abgesehen von der Urkun­ denfälschung, noch eine Reihe von Tatbeständen finden, wo man sagen kann: das ist straf­ bar, ist besonders strafbar, wenn es in das Rassenschutzgebiet hineinragt. Ich glaube, wir sollten auch der Versuchung widerstehen, diesen Abschnitt zu überchargieren. Mir ist die­ ser Gedanke an sich nicht sehr sympathisch. Ich habe ja selbst gesagt: die politische Erörterung wollen wir hier nicht pflegen, aber immerhin werden Sie verstehen, wenn ich auch bei der jetzigen Erörterung wenigstens in­ nerlich mich des Ausblicks nicht ganz verschließen kann, wie das wohl am besten politisch marschieren könnte. Und da sind natürlich die Vorschläge, die jetzt gemacht worden sind - die zuerst von Herrn Staatssekretär Dr. Freisler gekommen sind und die dann von ande­ ren Herren aufgenommen sind -, in diesen Rassenschutz auch hineinzunehmen die inner­ liche Unterhöhlung und Zerwühlung des deutschen Volkes, eine große politische Erleich­ terung. Das bitte ich, nicht aus dem Auge zu verlieren. Daß es eine Erleichterung wäre auch gegenüber gewissen Bedenken, die die Kirchen haben werden, ist vorhin in anderem Zusammenhang schon gesagt, und Herr Professor Nagler hat gerade die Stelle vorgelesen,

an die ich gedacht habe. Diese Unsittlichkeit die aus einem anderen Grunde noch da sein muß. Die Kirche muß aber die Frage der Sittlichkeit schon stellen, wenn es so formuliert wird. [221] Ich glaube, wir könnten das bisherige einmal so zusammenfassen: Zunächst die Frage der Nichtigkeit und Strafbarkeit der Ehe. Hier möchte ich der Unterkommission empfehlen, vorbehaltlich des weiteren Ergebnisses der Debatte, keine formulierten Para­ graphen zu schreiben. Ich habe bestimmte Gründe zu dieser Bitte: man weiß nicht, in wel­ che Hände solche Blätter kommen können, und ich sehe schon den erneuten Angriff vor­ aus, der aus dem fernen Osten kommen würde, und der dieses Mal nicht so zu dementie­ ren und zu widerlegen sein würde. Deshalb würde ich also davon abraten, den Tatbestand zu formulieren, bevor nicht der feste Wille besteht, ihn zu schaffen. Ich könnte mir den­ ken, daß die Unterkommission einfach folgendes zum Ausdruck bringt: Die Strafbarkeit der mischrassigen Ehe setzt ein gesetzliches Ehehindernis voraus. Im übrigen wäre nach dem Vorbild der Bigamie zu verfahren. Es wäre erwünscht, daß das irgendwie niederge­ legt ist, aber ich hätte den Wunsch, das nicht in einen Tatbestand zu schreiben; das wäre ja juristisch eine Kleinigkeit, würde aber, glaube ich, gewisse Bedenken in diesem Stadium gegen sich haben. Ob das in sechs Monaten oder in einem Jahr noch so ist, weiß keiner von uns. Aber wir müssen gerüstet sein für den Fall, daß die Politiker zu der Auffassung ge­ kommen sind, daß das gemacht werden muß, und uns fragen, wie es geschehen soll. Zweitens käme die Frage der Täuschung oder der arglistigen Verschweigung. Das scheint mir nach der Meinung der Kommission ein Tatbestand dieses Abschnitts sein zu sollen. Ich stimme dem vollständig zu und habe überhaupt keine Bedenken dagegen vorzu- [222] tragen. Ich sehe auch keinerlei politische Schwierigkeiten aus dieser Formulie­ rung. Wir werden uns nachher vielleicht noch über einen Begriff zu unterhalten haben, der hier verwendet ist: fremde Rasse und Blutsgemeinschaft. Drittens ist der Wunsch der Kommission, man sollte eine Blankettbestimmung aufneh­ men, und zwar sowohl im Bereich des § 169, wenn ich so sagen darf, wie auch im Bereich der gesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiete der Erb- und Rassenpflege. Gegen die Her­ einnahme des Wortes „Erbpflege" habe ich keine Bedenken mehr, wenn wir den Abschnitt auch auf das ausdehnen, was ich vorhin den Hochverrat genannt habe; denn dann ist na­ türlich die Addition dieser beiden Begriffe nicht nur unbedenklich, sondern sinnvoll. Die gröbliche Verletzung des öffentlichen Anstandes sollte hier - das war die Meinung der Kommission - nicht erscheinen, weil das keine spezifische Rassensache ist. Nun bliebe nur noch die Frage übrig: Was soll aus den Tatbeständen, die sonst noch zur Diskussion gestanden sind, hier herübergenommen werden? - Da scheint mir am unbe­ strittensten der Tatbestand zu sein, der ungefähr als Zerstörung des Fruchtbarkeitswillens bezeichnet worden ist. Praktisch wäre das etwa die Propaganda für das Zweikindersystem, die Propaganda für die kinderlose Ehe, die ja von den Kommunisten sehr lebhaft betrieben worden ist, und der man damals sehr richtig entgegengehalten hat, daß es nach diesem Sy­ stem in fünfzig Jahren keine Kommunisten mehr geben würde. Was nun diesen ideellen Angriff gegen den Volks- oder Rassebestand betrifft, so ist schon an den Beispielen, die gesucht worden sind, klar zu erkennen, daß dieser Tatbestand sich in unserer Vorstellung noch nicht scharf [223] genug konturiert. Eines ist zunächst ersichtlich: die Zerstörung oder Beeinträchtigung des Fruchtbarkeitswillens ist ein Blick auf die Zukunft, und das an­ dere sollte ein Blick auf die Vergangenheit sein. Diese Antithese leuchtet in die Augen. Der Blick auf die Vergangenheit soll aber nicht geschöpft werden aus einer Vorstellung der Verletzung der Volksehre. Es ist das Beispiel von der Lächerlichmachung oder Ver­ ächtlichmachung dessen angeführt worden, was man deutsche Blutsgemeinschaft über­ haupt nennt. Es ist vorläufig noch nicht ganz durchsichtig, wie man das fassen könnte. Sollte in dem, was ich bisher auszuscheiden versucht habe, Übereinstimmung beste­ hen, dann könnten wir ja in der weiteren Aussprache diese Punkte ausscheiden. Es sind zunächst die Ehenichtigkeit und Ehestrafbarkeit, die Anfechtung der Ehe und die arglistige Täuschung. Hier ist noch die Frage des nichtehelichen Geschlechtsverkehrs offen, ebenso

die Ausdehnung auf andere, ein Ausblick, der ja sehr viel Verlockendes hat, von dem ich aber bezweifle, ob wir ihn hier werden verwirklichen können; denn der Sinn des Gesetzes geht nicht dahin, und die Folgerungen sind noch nicht klar ersichtlich. Es handelt sich wei­ ter um die Hineinnahme einer Blankettbestimmung, einer Bestimmung, die gewisserma­ ßen eine Spezialisierung des § 169 darstellt, vielleicht auch eine Erweiterung, um die Hin­ einnahme der Zerstörung des Fruchtbarkeitswillens aus dem Antrag Frick und um die Hin­ einnahme jenes Tatbestandes, der sich noch nicht klar konturiert hat. [224] Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin): Ich möchte nur zur Ehetäuschung spre­ chen und davor warnen, den Ehetäuschungsparagraphen, den wir haben, so zu fassen, daß wir übermäßig neutral sind, daß wir also das nichtarische Mädchen, das über die Stammes­ zugehörigkeit ihres arischen Partners getäuscht wird, genau so behandeln, also ebenso schützen wie den Deutschen, der durch eine Nichtarierin getäuscht wird. Wenn wir das tun, geben wir den Rassekampfgedanken vollständig auf. Es wird in einer meines Erach­ tens übertrieben ängstlichen Weise immer darauf hingewiesen, daß unser Rassenkampf kein Kampf gegen minderwertige Kräfte ist. Ich halte das für falsch. Vom Standpunkt der Reinerhaltung unserer Rasse ist eben die fremde Rasse, die jüdische Rasse, eine minder­ wertige. Darum machen wir doch ein solches Gesetz, um unsere Rasse rein zu erhalten. Wenn wir das nun neutral fassen wollen, brauchen wir, was die Eheschließung betrifft, überhaupt kein neues Gesetz zu machen, denn der § 170 des geltenden Strafgesetzbuchs sagt ja bereits: „Wer bei Eingehung einer Ehe dem anderen Teile ein gesetzliches Ehehin­ dernis arglistig verschweigt, oder wer den anderen Teil zur Eheschließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten, wird ... bestraft." Von dem heute hier geäußerten neutralen Standpunk­ te aus würde dieser §170 schon ohne weiteres anwendbar sein, auch zugunsten eines nichtarischen Mädchens, das durch einen Arier über seine Abstammung getäuscht wird. Es ist mir allerdings sehr [225] zweifelhaft, ob ein Richter heute den Paragraphen in dieser Weise anwenden würde. Ich glaube nicht, daß heute ein nichtarisches Mädchen die An­ fechtung ihrer Ehe durchsetzen könnte, wenn sie sagt, der Mann habe sie darüber, daß er kein Jude ist, getäuscht. Wir haben nur von solchen Fällen gehört, in denen ein Angehöri­ ger der arischen Rasse durch den jüdischen Partner getäuscht worden ist. Wenn wir das künftig anders haben wollten, dann wäre das ja geradezu ein Rückschritt. Darum können wir meiner Meinung nach diesen neuen Ehetäuschungsparagraphen nicht darauf abstel­ len, daß jemand nur darüber getäuscht worden ist, daß der andere einer anderen Rasse an­ gehört, sondern wir können nur von dem Schutz unserer Blutsgemeinschaft, unserer Ras­ se, ausgehen und nur den bestrafen, der den anderen Ehepartner über seine Fremdstäm­ migkeit täuscht. Dann müßten allerdings Ausführungsvorschriften darüber gegeben wer­ den, was hier unter fremder Rasse zu verstehen ist. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, daß auch der Referentenentwurf im § 311 einen Ehebetrugsparagraphen enthält. Wir wollen doch auf keinen Fall dabei stehen bleiben, denn sonst würde unser Abschnitt völlig des Rassenkampfgedankens entkleidet werden. Wenn wir sämtliche Rassen in gleicher Weise schützen, dann können wir mit unserem ganzen Rassenkampfgedanken einpacken. Das würde auch zu ganz falschen Vorstellun­ gen in der Außenwelt, im Auslande führen. Man würde dann meinen: das ist ein Rückzug, wir fangen hier an, objektiv und neutral zu werden, und wollen die Rassereinheit der gan­ zen Welt schützen. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Reinheit unserer Rasse schützen. Das können wir aber nur machen, indem wir fremde Rassen und eigene Rasse nicht [226] gleich behandeln. Das geht meines Erachtens auf keinen Fall. Deswegen schlage ich vor, den neuen Paragraphen so zu fassen, wie die Preußische Denkschrift es schon vorgesehen hat, daß die Verschweigung der Zugehörigkeit zu einer fremden Rasse als das strafbare Moment herausgestellt wird. Das muß natürlich auch beim außerehelichen Geschlechtsverkehr geschehen. Ich trete der Auffassung des Herrn Kollegen Mezger bei, daß es taktisch vollständig verfehlt wäre, nur auf die Eheschließung abzustellen, weil wir dadurch die betreffende Person in den außerehelichen Geschlechts-

verkehr abdrängen würden, was sicher nicht unsere Absicht sein kann. Auch im außerehe­ lichen Geschlechtsverkehr kann nur die Täuschung des arischen Partners durch den nicht­ arischen oder fremdstämmigen Partner als strafbares Element in Frage kommen. Ich halte es für einen ganz ungeheuerlichen Gedanken, eine Jüdin, die mit einem Arier verkehrt hat, ohne gewußt zu haben, daß er Arier ist, strafrechtlich zu schützen, wenn sie sagt: Ich bin hier getäuscht worden, ich muß verlangen, daß der andere Teil bestraft wird. Das ist auch gar nicht unser Gedanke gewesen. Diese Neutralität, die jetzt hier, vielleicht aus außenpo­ litischen Gründen, gewünscht worden ist, würde uns zu ungeheuerlichen Ergebnissen führen, würde dem Gedanken des Rassenkampfes ins Gesicht schlagen. Im übrigen trete ich den zusammengefaßten Anregungen des Herrn Reichsministers in jeder Beziehung bei. [227] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich möchte die Aufmerksamkeit einen Augen­ blick auf die derzeitige Bestimmung über die Eheanfechtung wegen Täuschung lenken. Da heißt es: „Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der sich bei der Ehe­ schließung in der Person des anderen Ehegatten oder über solche persönlichen Eigen­ schaften geirrt hat, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden."8 Hier ist also die Anfechtung auf zwei Momente gestellt, ein objektives und ein subjektives. Der Gedan­ kengehalt einer Strafbestimmung, wie sie hier ins Auge gefaßt worden ist, würde sich von diesem Gedankengehalt dadurch unterscheiden, daß das subjektive Moment ausscheidet und daß als eine praesumptio juris et de jure aufgestellt wird: wenn die Täuschung über die Rassenzugehörigkeit stattgefunden hat, dann ist das genügend zur Bestrafung; es braucht nicht gefragt zu werden, ob ihm das zuzumuten war oder nicht. Aber eine andere Frage, die auftaucht, ist diese: Sind Sie der Meinung, daß wir neben der Rassentäuschung auf einen Ehebetrugsparagraphen überhaupt verzichten sollen? Das kann doch nicht die Auffassung sein. Der Ehebetrugsparagraph muß in irgendeiner der jetzigen ähnlichen Fassung bestehen bleiben, so daß wir es hier wie fast in allen anderen Bestimmungen mit einer Spezialisierung zu tun haben werden, hier auch mit einer Kon­ kretisierung, weil wir das subjektive Moment hier gar nicht [228-240] auftreten lassen. So habe ich doch die Ausführungen richtig verstanden? Die lex generalis muß natürlich als solche bestehen bleiben. [241] Professor Dr. Mezger (München): Nur ein Wort zu den Einwendungen und Beden­ ken des Herrn Ministerialdirektors Schäfer. Sie erledigen sich natürlich von meinem Standpunkt aus verhältnismäßig einfach; denn die Ausdehnung der Bestimmung auf den außerehelichen Verkehr ist von mir als eine ganz klare und rücksichtslose Abwehrmaß­ nahme in dem einseitig geführten Kampf gemeint. Ich bin natürlich durchaus für die Gedankengänge zugänglich, daß in den ganzen Ab­ schnitt, sei es aus politischen, sei es aus prinzipiellen Gründen, eine Bestimmung mehr neutralen Charakters hineinkommt; aber ich meine, diese Bestimmung deckt sich doch im wesentlichen mit dem, was Herr Senatspräsident Klee gesagt hat. Die Bestrafung arglisti­ ger Täuschung bei ehelichem und außerehelichem Geschlechtsverkehr ist eine glatte Ab­ wehrmaßnahme der deutschen Rasse gegenüber einer etwa hereindrängenden fremden Rasse, sodaß ich die Bedenken von meinem Standpunkt aus mit einem Wort zurückweisen kann. Diese Bestimmungen sind ein Mittel, um, wenn auch nur mittelbar, vielleicht die Vermischung der deutschen, der germanischen Rasse mit anderen Rassen zu verhindern. Ich denke beim außerehelichen Geschlechtsverkehr - der Punkt ist auch berührt worden natürlich in erster Linie an die mögliche Fortpflanzung durch solchen Verkehr. Es ist na­ türlich ein naheliegender Einwand, zu sagen: Ja, wenn nun das deutsche Mädchen eine Prostituierte ist, ist da nun noch ein Schutzbedürfnis gegeben? Vielleicht in concreto nicht. Aber das ist schließlich eine Ausdehnung, die ich in Kauf nehmen würde. Es kann natür-

8 § 1333 BGB. Hinter „Eigenschaften" heißt es noch: „des anderen Ehegatten".

lieh sein, daß in zahlreichen Fällen dieser Art die Abwehr in concreto nicht notwendig ist; aber es scheint mir bei einer solchen klaren Abwehrmaßnahme nicht an- [242] gezeigt, nun alle möglichen Einschränkungen zu machen. Auch für die Fälle, in denen in concreto ein schlimmer Erfolg nicht zu befürchten ist, muß die Regel ihrer allgemeinen Bedeutung we­ gen gelten. So würde sich die Sache von meinem Standpunkt aus darstellen, indem ich nochmals betonen darf: ich bin durchaus nicht im ganzen Abschnitt gegen die Hereinnahme neutraler und paritätischer Bestimmungen; aber diese Bestimmung scheint mir eine glatte Abwehr­ bestimmung zu sein. [243] Reichs justizminister Dr. Gärtner. Sie gehen doch auch davon aus wie die Mehrzahl der anderen Herren, daß, wenn wir den Tatbestand auf arglistige Täuschung und Ver­ schweigung abstellen, die Strafbarkeit nur in der Person des Täuschenden besteht (Zustim­ mung) - das wäre ein Bedenken, das ich vorhin bei der solidarischen Interessengemein­ schaft zum Ausdruck bringen wollte -, während wir beim Nichtigkeitshindemis beide Tei­ le strafbar machen müssen. [244] Oberregierungsrat Dr. Lösener. Politische Erörterungen sollen ja heute möglichst nicht in die Debatte geworfen werden. Aber ich möchte doch einige Gesichtspunkte hier berühren, weil sie doch bereits angeschnitten worden sind. Für politisch halte ich die Frage, ob man den Begriff der Verschiedenwertigkeit oder den der Verschiedenartigkeit der Ras­ se in den Vordergrund stellen und danach unsere Maßnahmen einrichten soll, und auf Grund der Erfahrungen des letzten Jahres, die ich in meinem Referat, das sich mit diesen Fragen sehr stark zu beschäftigen hat, gemacht habe, komme ich immer stärker dazu, den Begriff der Verschiedenartigkeit der Rasse in den Vordergrund zu stellen. Wir erschweren uns allen - das ist das politische Moment -, vor allen Dingen auch dem Richter außeror­ dentlich seine spätere Tätigkeit, wenn er auf der sella curulis sitzt und entscheiden soll, falls wir in dem Gesetz irgendetwas bringen, was einen Gefühlsantisemitismus zum Aus­ druck bringt. Wir können als Gesetzgeber immer nur den Rassenantisemitismus hinein­ bringen, und das ist auch der richtige Standpunkt, das ist vom Standpunkt der Rassenfor­ scher und auch vom Standpunkt des Nationalsozialisten der einzig für die Zukunft mögli­ che Standpunkt. Es liegt ja das Ergebnis für den einzelnen dann doch so, daß er sagt: Von der Verschiedenartigkeit der Rasse aus gesehen, erkenne ich die Schädlichkeit der Rassen­ vermischung, und was mir schädlich ist, lehne ich ab, dagegen wehre ich mich gefühlsmä­ ßig. Insofern wird beim einzelnen der Gefühlsantisemitismus daraus. Aber ich halte es für untragbar, das im Gesetz irgendwie zum Ausdruck zu bringen. Es genügt doch vollkom­ men zur Erziehung [245] des Volkes, wenn wir die Verschiedenartigkeit der Rassen und die daraus entspringende Schädlichkeit der Rassenvermischung betonen. Nur dann haben wir in unserer Abwehr falscher Angriffe von außen oder von innen her die nötigen Waf­ fen in der Hand. Wir müssen es auch aus einem anderen Grunde tun. Die Angriffe wür­ den nicht nur aus dem Auslande, aus Südamerika und aus dem Osten kommen; wir haben eine sehr schwere Aufgabe in Deutschland selbst, das ist die „Verdauung" der Judenstämmlinge, der Halb- und Viertelsjuden. Wie groß die Zahl dieser Menschen ist, hat sich noch nicht einmal schätzungsweise feststellen lassen. Die höchste Schätzung geht auf 4 Millionen, die ich für vollkommen verfehlt halte, die richtige Zahl bewegt sich wohl um 600 000 Menschen herum, die gemischtrassig sind, einschließlich derjenigen, die einen jü­ dischen Großeltern teil haben. Die Frage, wie alle diese Volksgenossen später in unserem Reich aufgehen sollen oder nicht aufgehen sollen, ist noch völlig ungelöst. Es werden aus diesen Kreisen fortwährend Fragen an uns herangetragen: „Was wollt Ihr aus uns ma­ chen? Wir fühlen uns als Deutsche!" Wir haben außerordentlich verdiente Leute darunter. Matrosen, die auf deutschen Schiffen untergegangen sind und gerettet worden sind, ha­ ben ein Mädchen geheiratet, deren einer Eltern teil jüdisch war; deren Kinder sind nun aus­ geschlossen. Wir können diesen Menschen ihr Schicksal nur dann klarmachen, wenn wir sagen: Wir stoßen Euch nicht zurück, weil wir Euch als minderwertig betrachten - die Leu­ te haben ja das Gegenteil bewiesen -, sondern wir können Euch und Euern Nachwuchs

deshalb nicht mehr gebrauchen, weil Euer Nachwuchs nun einmal „andersartig" ist. Nur mit diesem Argument können wir als Staatsmänner überhaupt operieren, und ich möchte aufs dringendste darum bitten, keinerlei [246] gefühlsmäßigen, auf Rassenhaß abzielen­ den Klang in die Gesetzgebung hineinzubringen. Auf zwei Schwierigkeiten, die in der Praxis entstehen werden bei der gegenwärtig noch vorhandenen Formulierung der Paragraphen, möchte ich kurz hinweisen. Der Herr Mini­ ster hat schon betont: der Begriff der fremden Rasse muß irgendwie erläutert werden. Er ist unmöglich, es der Praxis jedes einzelnen Amtsrichters zu überlassen, was er für eine Ansicht darüber hat, was fremde Rasse ist. Auf keinem Gebiet der nationalsozialistischen Weltanschauung gibt es derartig verschiedene Anschauungen darüber, was man unter Rasse zu verstehen hat, wie auf dem Gebiet der Rassenfrage. Auch in der Gesetzgebung ist das alles noch nicht klar zum Ausdruck gekommen. Der in der Gesetzgebung bisher allein gewählte Begriff der arischen Abstammung hat zu außerordentlichen Schwierigkeiten ge­ führt. Er ist damals auch nur gewählt worden, um einen Gegensatz zu dem jüdischen Menschen zu schaffen. Es sollte der nichtjüdische, in Deutschland oder in Europa lebende Mensch von dem jüdischen abgesetzt werden durch den Begriff des Ariers. Der Begriff wird sich auf die Dauer in dieser Form vermutlich nicht halten lassen. Es ist eine dringende Notwendigkeit, ehe das Gesetz in Wirksamkeit tritt, eine amtliche Auslegung des Begriffs der fremden Rasse zu geben, mit der der Jurist nachher an der juristischen Front operieren kann, und dann wird es auch dringend notwendig sein, bei der Frage, wer fremdrassiger Mensch ist, die Frage vorweg zu klären: Wie steht es hier mit den Mischlingen? Wieweit ist ein Mensch, der einen fremden Elternteil hat, noch als fremdrassig im Sinne der Straf­ bestimmung zu verstehen? Wieweit einer, der nur einen fremdrassigen Groß- [247] eitern­ teil hat? Eine Grenze muß da gezogen werden; sonst gibt es in der Praxis Schiffbruch, und ich möchte vorschlagen, diese Grenze nicht zu hoch im Stammbaum zu legen; denn dann gibt es für die Praxis eine ganz undurchführbare, unfruchtbare und daher im Effekt letzten Endes schädliche Rechtsprechung. [248] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Mit dieser Bemerkung ist ja die Diskussion auf diese letzte Frage ausgedehnt, von der ich vorhin gesagt habe, daß wir sie berühren müs­ sen. Ich fasse die Ausführungen des Herrn Oberregierungsrats Dr. Lösener als den Seuf­ zer einer bedrückten Seele auf, die mit der praktischen Durchführung der Dinge zu tun hat. Dabei möchte ich zur allgemeinen Kenntnis bringen, daß bei der amerikanischen Zu­ sammenstellung in manchen Gesetzgebungen folgende Begriffe vorhanden waren: Ein­ mal heißt es „Wer ein Drittel fremden Blutes besitzt", in einem anderen Falle „Wer ein Achtel oder mehr fremden Blutes besitzt". Das ist etwas weitergehend. (Zuruf: Urgroßel­ tern!) - Dann ist überall versucht worden, die Frage der Stämmlinge zu lösen. Hinsichtlich der Judenstämmlinge ist, glaube ich, die Grundfrage folgende: „Inwieweit will das deutsche Volk solche Menschen aufsaugen? Inwieweit will es sie in den folgenden Generationen zum Bestandteil seiner eigenen Volksgemeinschaft machen, oder inwieweit will es die folgenden Generationen solcher mit fremdem Blut begabten Menschen dauernd von der Volksgemeinschaft fernhalten?" Wenn wir bei dem Standpunkt der Judengesetz­ gebung bleiben, die wir im Beamtenrecht haben, so tritt ganz klar in die Erscheinung, daß gewisse Nachteile, die heute den Kindern irgendeines Ehepaares anhaften, in der nächsten Generation nicht mehr da wären, vorausgesetzt, daß glatte arische Ehen geschlossen wer­ den, vorausgesetzt, daß durch neue Ehen nicht neue Komplikationen entstehen. Also die­ ser Gedanke der Aufsaugung von solchen teilweise mit fremdem Blut begabten [249-260] Menschen liegt hier bereits natürlich als wesentliches und ganz großes Problem zugrunde. Was uns aber hier im Strafrecht interessiert, ist die Frage: Soll man das nun im Strafge­ setzbuch zum Ausdruck bringen, soll man im Strafgesetzbuch deutlich den Inhalt um­ schreiben, den wir dem Wort „fremde Rasse" geben, oder soll man, wie schon von anderer Seite vorgeschlagen worden ist, im Strafgesetzbuch diesen Begriff einfach gebrauchen und es einem anderen Gesetz überlassen, dem Begriff den Inhalt zu geben? Daß dieser Be­ griff - und da muß ich dem Herrn Vorredner begeistert zustimmen - objektiv eindeutig

und allgemeingültig, jedenfalls im Bereich des Strafrechts allgemeingültig gefunden wer­ den muß, halte ich für die notwendigste Voraussetzung. Das darf nicht dem Belieben des Gerichts unterliegen, nach dem Aussehen eines Menschen oder dergleichen entweder Ja oder Nein zu sagen, und das, was Herr Oberregierungsrat Dr. Lösener vorhin gemeint hat, das Strafrecht dürfe nicht eine Atmosphäre der Rassenwertung atmen, entspricht auch, glaube ich, der Meinung der Herren, die sich dazu geäußert haben. Ich will von Herrn Staatssekretär Freister absehen, der das ganz deutlich gesagt hat; aber auch Herr Professor Mezger und Herr Senatspräsident Klee sind nicht davon ausgegangen, mit dem Begriff der Rassenwertung im Gesetz zu arbeiten. Ob der innere Impuls der Gesetzgebung aus ei­ nem solchen Gefühl entspringt, ist eine andere Frage, aber daß wir als Gesetzgeber mit dem Begriff der Rassewertung nicht arbeiten können, halte ich für selbstverständlich. Das ist eine der wenigen Selbstverständlichkeiten: nicht en vue von Negern, aber en vue von solchen Völkern, wie die Inder sind. Ich habe solche Auseinandersetzungen mit dem indi­ schen Konsulat schriftlich gepflogen. [261] Da ist der Hauptangriffspunkt der - ich will es einmal recht primitiv ausdrücken diese Deutschen, diese Parvenüs mit ihrer kaum zweitausendjährigen Geschichte wol­ len uns, dem indischen Volk, einen Wertmaßstab über die Rasse anlegen! Das war haupt­ sächlich die Führung des Angriffs. Das dieser Angriff natürlich nicht aus Rassegedanken, sondern aus ganz anderen Erwägungen entsprungen ist, wissen wir ja: man wollte die Ex­ portartikel von Siemens & Halske boykottieren und die deutsche Schiffahrt nach Ceylon ein wenig lahmlegen, man wollte gegen den Kreuzer Köln demonstrieren, der damals auf einer Weltreise war; und alle diejenigen, die das wollten, waren letzten Endes gar keine hochbegabten Inder, sondern andere Leute. Aber der Angriff ist so geführt worden. [262] Staatssekretär Dr. Freister. Ich glaube, daß ich mich doch jetzt auf einiges berufen muß, weil mir eigentlich vorgeworfen worden ist: du, der du immer den Unterschied zwi­ schen dem früheren und dem jetzigen Sein ausgedrückt und gesagt hast: der frühere Staat ist ein neutraler Staat gewesen, und das Jetzige ist ein von einem neuen Weltbild erfülltes Volk und ein von einem Weltbild erfüllter Staat, du ziehst dich jetzt selbst auf einen neu­ tralen Standpunkt zurück. Das ist ja deutlich gesagt worden. Ich muß nun erklären, daß ich auch nach nochmaliger Überprüfung auf meinem Standpunkt bleibe. Dieser Standpunkt ist nämlich gar kein neutraler Standpunkt. Ich bin aber in der angenehmen Lage - und das ist für mich immer die Gewißheit, ob ich noch auf dem richtigen Wege bin - , mich auf Ausführungen berufen zu können, die der Führer gemacht hat, der, wenn er öffentlich zu der Frage der Blutsgemeinschaft Stellung genommen hat, mehrfach betont hat, daß das nicht eine Frage der Minderbewertung Fremder sei. Ich finde mich in Übereinstimmung mit der offiziösen Erklärung des Herrn Reichsministers des Innern, die vor einigen Mona­ ten in dieser Sache herausgegeben worden ist, und zwar zeitlich einige Zeit nach den Ceyloner und sonstigen Angriffen, mit einer Erklärung, die sich auf denselben Standpunkt ge­ stellt hat. Ich befinde mich ferner in Übereinstimmung mit der parteiamtlichen Veröffent­ lichung, die vor einigen Monaten herauskam und die Maßnahmen zur Überprüfung der Mitglieder der NSDAP daraufhin einleitete, ob sie alle deutschen Blutes sind. Ich weiß deshalb, daß die Art, wie ich übrigens stets auch in den Zeiten der Opposition den Aus­ schnitt der Judenfrage aus der Rassenfrage behandelt habe, die richtige war, nämlich mich genau auf denselben Standpunkt zu stellen, den der Herr Vertreter des Reichsministe­ riums des Innern ebenfalls hier vorgetragen hat. Der Kampf, der allerdings natürlich ein Abwehr- [263] kämpf von unserem Standpunkt aus ist, ist nicht bedingt durch Haß, ist nicht bedingt durch eigene Höherbewertung, sondern ist nur bedingt durch die klare Er­ kenntnis des Naturgesetzes, das unsere Vorfahren bereits erkannt hatten, als sie ihren Mythos der Weltwerdung schufen und davon sprachen, daß am Anfang nicht der Mensch, sondern an einer Stelle ein Mensch und an anderer Stelle auch andere menschli­ che Wesen geschaffen wurden, nämlich der Gedanke: es gibt verschiedene Blutsgemein­ schaften, und es ist ein Naturgesetz, daß jeder unter sich bleiben soll. Von dieser Basis aus betrachte ich die Frage, und ich bin der Meinung, daß es nicht richtig ist, daß wir dann,

wenn wir diese Basis zur Grundlage anderer Anschauungen und unserer Maßnahmen ma­ chen, mit unserem ganzen Bestreben, unser Blut reinzuhalten, einpacken können. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß wir viel stärker sind, wenn wir diese Basis wählen, und viel schwächer sind, wenn wir einen eigenen Höherbewertungsgedanken oder auch einen Haßgedanken entscheidend sein lassen. Nun habe ich vorhin erklärt, die Regelung, die ich vorgeschlagen habe, würde unter Umständen dazu führen, auch den oder die Angehörigen9 einer fremden Rasse gegen arg­ listige Täuschung, die dem Geschlechtsverkehr vorhergeht, zu schützen. Auch dabei blei­ be ich. Ich bin nicht der Meinung, daß man das ausdrücklich sagt, aber ich bin der Mei­ nung: das ist einfach die Konsequenz der eigenen Anschauung. Wenn es auch wegen der äußerlich erkennbaren Unterschiede praktisch schwer denkbar ist, so kann man doch theo­ retisch ruhig sagen: derjenige, der ein Mädchen der indischen Blutsgemeinschaft oder ei­ ner der fernöstlichen Blutsgemeinschaften täuscht und ihr nicht sagt, daß er einer ganz an­ deren Blutsgemeinschaft angehört, muß von mir genau so abfällig beurteilt werden [264] wie ein Fremder, der seine Zugehörigkeit zu einer fremden Blutsgemeinschaft einem deut­ schen Mädchen arglistig verschweigt oder arglistig darüber täuscht. Das ändert gar nichts an der Tatsache, daß solche Bestimmungen in Deutschland, in einem deutschen Strafge­ setzbuch enthalten, naturgemäß Abwehrmaßnahmen zugunsten der deutschen Blutsge­ meinschaft sind und als solche gedacht sind. Es fragt sich, ob sie als solche nicht dann am sichersten und besten wirken, wenn man sich darüber klar ist, daß sie auch Anwendungs­ fälle in der umgekehrten Richtung haben können. Ich bleibe also auf Grund all dessen, was ich jetzt noch einmal zusammenfassend aus­ geführt habe, insbesondere aber auf Grund der Prüfung, die ich eben vor mir selbst vorge­ nommen habe, indem ich mich gefragt habe, was denn der Führer dazu gesagt hat, bei mei­ nem bisherigen Standpunkt. Ich bin mir ja rein gesetzestechnisch äußerlich darüber klar, daß das in der Wortform, in der Wortfassung des Gesetzes überhaupt nicht zum Ausdruck kommen kann. (Zuruf: In der Denkschrift kommt es zum Ausdruck: Verschweigung der fremden Rassezugehö­ rigkeit!) - Nein, darin kommt es nicht zum Ausdruck, sondern in den Worten: „Wer es un­ ternimmt, durch Vermischung eines Deutschen mit einem Angehörigen fremder Blutsge­ meinschaften" usw., kommt mit den Worten „fremder Blutsgemeinschaften" diese Frage nicht zum Ausdruck; denn das ist auf den Partner bezogen, und wenn ich es auf den Deut­ schen beziehe, dann ist das nach der Preußischen Denkschrift in der Richtung klargestellt, daß die umgekehrte Anwendung, die sowieso höchst selten sein würde, auch theoretisch unmöglich ist. Dagegen wenn ich das Wort „Deutsche" weglasse, dann ist das nicht si­ chergestellt. Das ist die Konsequenz, - eine Konsequenz, von [265] der ich allerdings der Meinung bin - wir unterscheiden uns ja im Grundsätzlichen überhaupt nicht -, daß sie das taktisch bessere, weil tiefer fundierte Mittel der Abwehr wäre. Ich will mir nun erlauben, Herr Reichsminister, auf einige der konkreten Fragen einzu­ gehen, die Sie ausdrücklich als nunmehr zur Besprechung anstehend, hervorgehoben ha­ ben. Das ist einmal die Frage der Bestimmung des Begriffs der Fremdrassigkeit. Wir haben allmählich in der gesamten Rechtspolitik des nationalsozialistischen Staates den Begriff der Fremdrassigkeit auf eine bestimmte Linie zu beschränken verstanden, wenn ich nicht an die Bauemfähigkeit denke, bei der die Linie weiter gefaßt ist; es ist, grob gesagt, auf die Großeltern abgestellt. Der Zweck dieser Bestimmung liegt in dem möglicherweise aus dem Geschlechtsverkehr hervorgehenden Kind. Also muß ich meiner Ansicht nach den Begriff der Fremdrassigkeit in diesen Bestimmungen auf das möglicherweise aus dem Ge­ schlechtsverkehr entstehende Kind abstellen; denn ich will Rasseschutz treiben, will also in erster Linie erreichen, daß das Produkt des Geschlechtsverkehrs dann auch in unserer Rasse aufgenommen werden kann.

9 In der verbesserten Fassung heißt es lediglich: „auch die Angehörigen".

Wenn dieser Gedanke richtig erscheint - das zu entscheiden, ist aber keine juristische Frage, sondern diese Entscheidung müßte an sich an einer anderen Stelle getroffen werden - , würde das zu dem vielleicht wiederum ketzerisch erscheinenden Vorschlag führen, die Fremdrassigkeit allerdings hier festzulegen, und zwar in dem Sinne: Fremdrassigkeit liegt dann vor, wenn das Kind, das aus dem Geschlechtsverkehr hervorgeht, einen nicht der deutschen Blutsgemeinschaft angehörenden Großelternteil hat. Daraus würde sich eine Begriffsbestimmung ergeben, die dann freilich scheinbar von der bisher üblichen Be­ griffsbestimmung abweichen würde. Tatsäch- [266] lieh würde sie es nicht; denn der Sinn dieser Vorschrift liegt ja in der nächsten Generation, in der Nachkommenschaft. In der Wirklichkeit wäre es derselbe Begriff, und der Begriff hätte den Vorteil einer außerordent­ lichen Bestimmtheit und Klarheit. - Es ist mir vollkommen klar, daß man hier nicht damit kommen und sagen kann: dem Richter wird man schon vertrauen können, daß er das Rich­ tige trifft, sondern hier muß ein klarer Begriff vorhanden sein. Der Begriff wäre da. Und außerdem hat er den Vorteil, sich in derselben Linie zu bewegen, in der sich doch offenbar die Rassepolitik des nationalsozialistischen Staates bewegt, nämlich die Nachkommen­ schaft der bisher entstandenen Mischlinge von einem bestimmten Augenblick an aufzu­ saugen, aufzunehmen. Es ist ganz klar, daß das eine Tendenz der deutschen Rassepolitik ist. Ich glaube deshalb, daß man den Begriff der fremden Rasse sehr wohl definieren kann, daß man ihn auch im Strafgesetzbuch definieren kann, freilich natürlich in Übereinstim­ mung mit denjenigen anderen Stellen, die dafür in erster Linie zuständig sind. Es ist dann nur eine technische Frage, ob man die Bestimmung rein wortmäßig so vornehmen soll, daß vom Eltern teil oder von Großeltern teilen gesprochen worden ist. Von Eltern teilen müßte ich sprechen, wenn ich es auf die beiden abstelle, die den Geschlechtsverkehr miteinander haben, und von Großelternteilen, wenn ich es auf die Nachkommenschaft abstelle. Nicht nur deshalb, weil die Eigenschaft der Nachkommenschaft das ist, um deswillen wir die Be­ stimmung treffen, sondern auch aus anderen Gründen würde ich es für richtig halten, wenn wir die äußere Wortform so wählen, daß man vom Großeltern teil sprechen kann, al­ so die Abhängigkeit auf den etwa aus dem Geschlechtsverkehr entstehenden Nachkom­ men bezieht. [267-280] Ein zweiter Punkt, von dem Sie sagten, Herr Reichsminister, daß er nunmehr erörtert werden muß, ist die Frage des außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Der Gedanke, der der erstrebten Regelung zugrunde liegt, gebietet die Einbeziehung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs in diese strafrechtspolitische Maßnahme. Dem kann man meines Erachtens nicht mit durchschlagendem Erfolg entgegenhalten, daß der Wunsch der mit­ einander Verkehrenden beim außerehelichen Geschlechtsverkehr regelmäßig wäre, daß kein Kind entsteht, sondern man muß in diesem Falle die Möglichkeit, daß ein Kind ent­ steht, entscheidend sein lassen. Nun ist dort aber die Lage in mehrfacher Beziehung kom­ plizierter als beim ehelichen Geschlechtsverkehr, und zwar einmal wegen des Problems der käuflichen Liebe, das eben hier auftaucht, und ich muß schon sagen, daß es mir auch richtig erscheint, die käufliche Liebe auszuschalten; einmal deswegen, weil da doch in aller Regel die Kinder nicht entstehen, und zweitens deswegen, weil die käufliche Liebe, die nie verschwinden wird, die durch keinerlei Maßnahmen auszurotten sein wird, doch nicht recht in ein Kapitel einbezogen werden kann, in dem wir von Rassereinheit sprechen. Das paßt nicht zusammen. [281] Man könnte das etwa in der Weise erreichen, daß man den Ge­ sichtspunkt der Unbescholtenheit in irgendeiner Form natürlich auch mit Inhaltsbestim­ mung dieses Begriffs in die Regelung hineinnähme. Das würde ich für erträglich, viel­ leicht für wünschenswert halten; aber ich habe es nicht durchdacht, habe nur den Wunsch, die Aussprache über diesen konkreten Punkt irgendwie zu befruchten. Die eingehende Aussprache wird vielleicht ergeben, daß es kein gangbarer Weg ist. Die zweite Schwierigkeit, die ich da hauptsächlich sehe, betrifft die Vergehen Deut­ scher im Auslande. Nachdem wir im Allgemeinen Teil gesagt haben: „Die Strafgesetze des Reiches gelten für Taten, die ein Deutscher im Inlande oder im Auslande begeht", sind wir

genötigt, die Konsequenz dieses Satzes bei der hier vorgeschlagenen Regelung zu betrach­ ten. Nun haben wir den Absatz 2 des §5: „Ist eine Tat, die ein Deutscher im Auslande be­ geht, nach den Gesetzen des Tatorts nicht mit Strafe bedroht, so gelten die Strafgesetze des Reiches nur, wenn die Tat mit der gesunden Anschauung des deutschen Volkes über Recht oder Unrecht unvereinbar ist." Es wird sich fragen, ob dieser Absatz 2 des § 5 genü­ gend klar die Richtlinien für die Beurteilung der Fälle, daß ein Deutscher im Ausland argli­ stig eine Fremdrassige täuscht, gewährt, ob wir dem damit beikommen können. Es ist auch anders möglich. Der Begriff des Deutschen in § 5 ist ja ein Formalbegriff, während der Deutsche, an den wir hier in unserer Debatte denken, ein blutsmäßig bestimmter Begriff ist. Der Deutsche im Auslande, der dort eine Tat begeht, kann also blutsmäßig Deutscher sein, ohne formalrechtlich Deutscher zu sein, und auch umgekehrt kann jemand formal­ rechtlich Deut- [282] scher sein, blutsmäßig aber nicht. Es ist also der Fall möglich, daß ein fremdrassiger deutscher Staatsbürger ein in Brasilien ansässiges, die brasilianische Staats­ angehörigkeit besitzendes deutsches Kolonistenmädchen oder ein Wolgakolonistenmäd­ chen über seine fremdrassige Blutszugehörigkeit arglistig täuscht. Der Fall kann an sich sehr wohl praktisch werden. Es ist nur nötig, daß irgend jemand einem Juden, der hinaus­ gereist ist, nachweist, was er da draußen getan hat. Es fragt sich, ob dieser Fall durch den § 5 Absatz 2 in einer befriedigendes Weise reguliert werden würde. Das scheint mir von vornherein schwer möglich zu sein, weil der Begriff des Deutschen in §5 Absatz 2 ein ganz anderer ist als der Begriff des Deutschen, von dem wir jetzt sprechen. Das ist das zweite Problem, das jetzt ebenfalls auftaucht. Es scheint mir deshalb sehr kompliziert zu sein, weil es sich schlecht ausnimmt, beim Schutze der Blutsgemeinschaft plötzlich dieje­ nigen abzuschneiden, die staatsrechtlich nicht, wohl aber blutsmäßig zu uns gehören. Ich kann im Augenblick nicht übersehen, ob diese Schwierigkeit zu lösen ist. Ist sie nicht zu lösen, dann sollte deshalb die Gesamtregelung nicht fallen gelassen werden, sondern dann müßte man hier eben die Grenzen des Reiches auch als Grenzen dieser Bestimmung aner­ kennen, selbst wenn das zu einer unschönen Einschränkung führen würde. Der dritte Punkt, den Sie, Herr Reichsminister, als nunmehr der Besprechung unterlie­ gend bezeichnet haben, ist der Begriff der ideellen Gefährdung der Rasse. Es ist zweifellos richtig, daß dieser Begriff in der Debatte noch nicht klar herausgearbeitet ist, und daß es auch sehr schwierig ist, [283] ihn herauszuarbeiten. Der Wunsch, eine solche Bestimmung aufgenommen zu sehen, ist bei mir entstanden, weil ich auf dem Standpunkt stehe, daß die Zerstörung der geistigen, sittlichen und willensmäßigen Grundlagen immer die Wurzel des Übels, das entsteht, ist. Wir würden, wenn wir etwas Entsprechendes nicht aufnehmen würden, tatsächlich nur etwas Unvollkommenes schaffen. Ich selbst bin augenblicklich nicht in der Lage, eine Formulierung oder weitere Beispiele zu geben, die diesen Fall klarle­ gen könnten. Ich erinnere mich nur, daß es noch nicht lange her ist, wo man öffentlich ver­ lacht und verspottet wurde, wenn man überhaupt Rassegedanken, ja wenn man den Ge­ danken, daß die gewordene Blutsgemeinschaft des deutsches Volkes eine Einheit, ein Le­ bewesen darstellt, erörterte. Da wurde man mit einem Schlagwort lächerlich gemacht. Da­ gegen möchte ich einen Schutz geben. Ferner möchte ich - da ist allerdings die Parallele Zukunft und Vergangenheit - einen Schutz dagegen geben, daß man in pseudowissen­ schaftlicher, in Wirklichkeit demagogischer Art das Entstehen und Werden dieser jetzt vorhandenen Blutsgemeinschaft lächerlich macht. Es ist möglich, daß die Beispiele, die ich erwähnte, gar nicht einmal richtig waren. Es ist auch möglich, daß wir wirklich treffende Fälle uns nur schwer denken können, daß dieses Delikt sehr selten praktisch werden wird. Aber die Bestimmung scheint mir deshalb wesentlich zu sein, weil der Schutz gegen ideelle Angriffe, die auch aus Zeitströmungen heraus entstehen können, die wir uns heute noch nicht denken können, die aber einmal auftauchen können, dort, wo es sich um die Grund­ lagen des Lebens des Volkes handelt, wesentlich ist. Ich bedauere, daß ich zu diesem drit­ ten Punkte nähere Vorschläge auch nicht machen kann. [284] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Bei der Frage, was eine fremde Rasse ist, taucht nicht bloß das Problem der Abgrenzung auf, womit das große Problem der Aufsaugung

der Judenstämmlinge verbunden ist, sondern noch ein zweites. Was ist eine fremde Rasse? nicht wie weit reicht sie, sondern was ist sie? Das ist eine Frage, die heute schon akut ist; ich weiß nicht, wie sie praktisch-technisch gelöst ist. Haben Sie ein Verzeichnis der Völker, die als fremde Rasse gelten? [285] Oberregierungsrat Dr. Lösener (Reichsministerium des Innern): Nein, darüber be­ steht weder eine einheitliche Meinung, noch ist ein Verzeichnis vorhanden. Es gibt natür­ lich eine Unmenge Rassen, bei denen überhaupt kein Zweifel darüber besteht, daß sie fremde Rassen sind. Die große Schwierigkeit ist die, daß das alles naturgewachsen ist und ineinander überfließt. Es handelt sich gar nicht darum, herauszufinden, welches fremde Rassen sind und welches eigene Rasse ist, sondern es handelt sich nur darum, in dem Strom einmal eine Grenze zu ziehen, die man hier oder dort legen kann. Da das deutsche Volk sich allein auch schon aus fünf Hauptrassen zusammensetzt, die ihrerseits wieder mit anderen eine gewisse Ähnlichkeit oder Verwandtschaft haben, so handelt es sich um eine sehr schwer zu ziehende Grenze. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Das ist also kein ganz fester Boden, auf den wir da gestellt werden!) - Ich möchte ein Beispiel nennen. Die dinarische Rasse ist bei uns ein sehr gut angesehener Blutsbestandteil im deutschen Volke. Die dinarische Rasse grenzt aber in ihren Rassemerkmalen schon sehr stark an vorderasia­ tische Rassenmerkmale. Vorderasiatische Rassen sind uns sehr unerwünscht. Die dinari­ sche Rasse ist uns noch erwünscht. Nun tritt die dinarische Rasse zum Teil nicht mehr ganz rein auf. Unter Umständen ist ein vorderasiatisches Merkmal bei einem sonst dinarischen Menschen vorhanden. Die Frage, ob man diesen noch als wünschenswert oder nicht wün­ schenswert bezeichnet, ist noch vollkommen offen. [286] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Für uns liegt hier kriminalistisch die Frage etwas anders. Das ist eine rassenpolitische Frage, die man bei der Handhabung gewisser Dinge sehr gut manipulieren kann. Im Strafgesetzbuch muß ich aber wissen, ob, wenn die Ehe zwischen der Deutschen und dem Ungarn zustande kommt, das überhaupt da hineinge­ hört. Das muß eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden können und für verschiede­ ne andere, die Wenden, die Polen, die Letten, Finnen usw .. Sonst verlieren wir uns hier in ein Gebiet, in dem das Strafrecht zu wenig festen Boden hat. Bei wissenschaftlicher Ras­ senbetrachtung sind die Gedankenführungen, wie Sie sie geben, durchaus möglich. Sie sa­ gen: Die dinarische Rasse ist uns noch erwünscht. Das ist auch schon ein Abwertungsur­ teil. Aber das ist einwandfrei, das können Sie vom Standpunkt der Rassenbiologie auch ru­ hig werten. Es gibt ja sehr brauchbare und schöne volkstümliche Darstellungen über diese Rassenbetrachtungen, zum Beispiel in einem ausgezeichneten Kosmos-Bändchen mit sehr eindrucksvollen überraschenden Bildern. Wenn wir im Strafrecht technisch darauf ab­ kommen, zu sagen: wer einen anderen über seine Rassenzugehörigkeit täuscht, also den Begriff der Rasse verwenden, dann scheint mir das Problem der Abgrenzung durch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Freisler hinreichend beleuchtet zu sein. Das ist schlechthin überzeugend, vorausgesetzt, daß man, was ich bejahen möchte, nicht darauf abkommt, alles, was von fremder Rasse einmal beschattet war, aus dem deutschen Volke auszuscheiden, sondern umgekehrt die zum Teil wertvollen Menschen, die da [287] leben, aufzunehmen, aufzusaugen im Ausblick auf Generationen. Diese Frage bereitet mir keine Schwierigkeiten. Ich bin der Meinung, daß man das sogar etwa dem Begriff des Viertel oder Achtel, wie wir es in anderen Gesetzgebungen haben, parallel stellen kann. Diese Ab­ grenzung reicht aber nicht aus. Da bleibt noch offen: Was ist eine fremde Rasse überhaupt in diesem Sinne? und das muß irgendwie zu lösen versucht werden. Vielleicht könnte man mit aller Vorsicht sagen: fremder Rasse sind alle Andersfarbigen, und bei Andersfarbigen wird die Täuschung und alles das keine Rolle spielen, denn es kann ja nicht getäuscht wer­ den. Ich glaube nicht einmal, daß ein weißhäutiger Neger täuschen kann. Aber für den Strafrichter bleibt die Frage offen: Wann habe ich das Kapitel über den Rassenschutz auf­ zuschlagen? Nun soll der Zweck der Frage nicht der sein, daß Sie uns einen Katalog der Rassen vor­ tragen, sondern nur darauf hinweisen, daß das eine Voraussetzung für die Anwendung

des Strafgesetzes sein wird, wobei vermutlich eine gewisse, vielleicht gegenüber der Wis­ senschaft sogar starke Zurückhaltung in der Abgrenzung dessen, was fremde Rasse ist, notwendig ist. In der Wissenschaft mag das noch diskutiert werden. Für das Strafrecht werden Sie im Zweifel die Grenze anders legen müssen, kann ich mir jedenfalls vorstellen. Ich wollte nur die Frage überhaupt zur Debatte stellen. [288-300] Staatssekretär Dr. Freister: Es ist richtig, daß ich daran vorhin nicht gedacht ha­ be. Aber ich bin der Meinung, daß hier praktisch so große Schwierigkeiten nicht bestehen. Nun will ich ruhig auf die Gefahr hin sprechen, daß die Herren Sachkenner sagen, der re­ det etwas vollkommen Falsches. Das kann man nämlich tun, weil die Herren Sachkenner sich ja auch nicht einig sind. Ich spreche nun nicht vom wissenschaftlichen Standpunkt aus und bekenne mich nicht zu irgendwelchen wissenschaftlichen Theorien, weil diese mir für diese Zwecke auch völlig unbrauchbar erscheinen. Wer weiß im Volke, und wer wird im Laufe der nächsten zehn oder fünfzehn Jahre wissen, daß er vorzüglich ein dinarischer Mensch ist? Das weiß so gut wie niemand und wird es im Laufe der nächsten fünfzehn Jahre, selbst wenn die Wissenschaft dann den Begriff der dinarischen Rasse noch aufrecht erhalten sollte, auch nicht wissen. Genau so ist es mit allen anderen Versuchen der Wis­ senschaft, aus dem Völkergewirr Rassen herauszuarbeiten. Das ist für unser Strafrecht nicht geeignet, ist meiner Ansicht nach aber auch kaum nötig. [301] Denn ich denke mir, der Richter, der den Begriff der Rasse im Strafgesetzbuch findet und die Abgrenzungsmöglichkeit klargestellt hat, wird nur in wenigen Fällen in Zweifel kommen. Wenn ich z. B. Richter wäre, würde ich keinen Augenblick gezweifelt haben, daß alle Völker Europas bis zu den Russen mit den Ausnahmen, die ich nennen werde, nicht als fremdrassig zu bezeichnen wären, und zwar alle Völker, nicht nur die Völ­ ker, die nun geschichtlich geworden sind, und die wir uns gewöhnt haben, ihren Sprachen entsprechend zu bezeichnen, sondern auch diejenigen, die vielleicht abgedrängte Reste ei­ ner früheren Bevölkerung sein mögen. Ich würde keinen Zweifel haben, daß z. B. Reste der Bevölkerung, die die Deutschen vorfanden, als sie Ostpreußen kolonisierten, nicht als fremdrassig zu bezeichnen wären, selbst dann, wenn die Wissenschaft sie als völlig fremdrassig bezeichnen würde, und zwar einfach deshalb, weil die Geschichte, die folgen­ den Jahrhunderte gezeigt haben, daß diese Völker, von denen ich nicht glaube, daß sie restlos mit dem Schwerte vernichtet sind, aufgesogen worden sind und das deutsche Volk daraus geworden ist. Meiner Ansicht nach könnten für den Richter Schwierigkeiten nur entstehen - wieder­ um in unserem Kreise, in Europa -, wenn es sich um Zugehörige der finnisch-ugrischen Völkergruppe handeln würde, als die nach meiner vielleicht falschen Vorstellung die Un­ garn und die Finnen zu bezeichnen sind. Da wüßte ich als Richter nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich würde vor der Tatsache stehen, daß die sehr weitgehende Vermischung in Un­ garn zu einem sehr kräftigen Volk geführt hat, kann aber als Richter nicht sagen, wie das Problem vom deutschen [302] Standpunkt aus zu behandeln ist. Nach meiner Meinung wä­ re das der einzige Fall, der für einen deutschen Richter praktisch werden könnte. Denn im übrigen würde er einmal den Gesichtspunkt der Fremdhäutigkeit haben. Mir ist wiederum klar, man wird mir vielleicht von seiten der Rasseforschung sagen: Es ist gar nicht einmal gesagt, daß die rothäutigen Menschen uns so furchtbar fernstehen. Das mag wissen­ schaftlich richtig sein, das weiß ich nicht, das wäre mir als Richter aber gleichgültig. Ich würde die ganz zweifellos unter die Fremdrassigen rechnen. Ich würde andererseits sol­ che, die scheinbar gleichfarbig sind, nämlich die Juden, ganz sicher nicht unter die gleiche Rasse, sondern unter die Fremdrasse zählen. Ich glaube deshalb, praktisch würden Schwie­ rigkeiten in großem Umfange gar nicht entstehen. Deshalb entsteht die Frage, daß wir, wenn man dieses allgemeine Bild, das natürlich keine wissenschaftliche Fundierung hat, zugrunde legen würde, und wenn das für diejenigen, die nun für die Rassepolitik verant­ wortlich sind, erträglich wäre, dann eine besondere Definition des Begriffes der Fremdrassigkeit nicht nötig haben. Praktisch würde das darauf hinauslaufen, daß man Juden und Andersfarbige als fremdrassig ansehen würde, und daß man für einige wenige Gruppen

der in Europa wohnenden Völker im Zweifel sein könnte. (Reichs]ustizminister Dr. Gürt­ ner. Also z. B. die Obotriten in Mecklenburg würden Sie nicht als fremdrassig ansehen?) Die halte ich für Slaven, und ich bin der Meinung, daß das deutsche Volk östlich der Elbe zum Teil aus Slaven besteht. [303] (Reichs]ustizminister Dr. Gürtner. Auch die Polen?) - Ja, und genau so im Westen. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Im Westen gibt es Einsprengsel von Kelten in Bayern. Die würden Sie dazu nehmen?) — Ja, auch die Spanier und die Franzosen. Ich spreche nicht von dem formalen Begriff der Staatszugehörigkeit. Es kann ja ein spanischer Jude sein; den würde ich nicht rechnen. Aber sonst würde ich den Franzosen, Italiener, Spanier dazu rechnen. [304] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Bei denen scheint es mir nicht zweifelhaft zu sein. Da würde sich sogar der wissenschaftliche Begriff damit decken, aber bei den leben­ den Finnen, Ungarn sicherlich nicht, bei den Obotriten wahrscheinlich auch nicht. Aber wir wollen das nicht zu Ende diskutieren. Ich bin aber der Meinung, wenn wir im Gesetz den Begriff der Rasse verwenden, müssen wir diese beiden Dinge klären, wobei mir die Abgrenzung das leichtere zu sein scheint. Bei der schwierigen Frage, was überhaupt eine Rasse ist, sehe ich sicher voraus, daß die Aufspaltung der Menschheit in Rassen nach ras­ sebiologischen Gesichtspunkten hier nicht die Richtschnur sein kann. Hier muß ein gröbe­ rer Begriff verwendet werden. [305] Ministerialdirektor Schäfer. Ich möchte mit einem kurzen Wort sagen, daß dieses Problem für uns gar nicht schwierig erscheint, wenn man sich klar macht, daß man schei­ den muß zwischen einer wissenschaftlich exakten Lösung und einer praktischen Lösung. Die wissenschaftlich exakte Lösung mag sehr schwierig sein, dagegen die praktische Lö­ sung ist für uns ganz offenbar einfach, wenn man es im Strafgesetzbuch darauf abstellt, daß in einer Ausführungsverordnung gesagt sein muß, was als fremde Rasse hier gilt, und wenn man weiter bei der Aufstellung einer solchen Liste ganz primitiv vorgeht und die vielen Grenzfälle herausläßt. [306] Ministerialrat Dr. Möbius: Nur eine kurze wissenschaftliche und praktische Be­ merkung: Wenn ich etwa als Arzt gerichtlicher Sachverständiger bin und von dem Richter gefragt werde, ob jemand aus einer fremden Rasse oder aus unserer Rasse stammt, so liegt für mich - und das ist für die ganze Diskussion heute wesentlich - die Grundschwierigkeit darin, daß sich nicht die Rasse vererbt, sondern Rassemerkmale vererben. Nun kommt es eben darauf an, wie sich in dem einzelnen Fall unter Umständen ein fremdrassiges Merk­ mal bei einem, der sonst überwiegend schon in eine andere Rasse übergegangen ist, aus­ geprägt hat. Da müssen wir der ganzen Richtung der Diskussion ohne weiteres recht ge­ ben. Es ist immer wieder zu fürchten, daß in vielen Einzelfällen ein oder zwei hervorragen­ de Rassemerkmale, die sich nun zufällig bei dem Individuum, um das es sich handelt, her­ vorheben, die Beurteilung schwierig machen. Ich glaube nach dem heutigen Standpunkt, daß man immer auf die Vorfahren zurückkommen muß. Man muß also die Frage der Ras­ sezugehörigkeit doch zum großen Teil dadurch entscheiden, daß man fragt: Wo stammt er her, wer ist sein Vater, wer ist sein Großvater, seine Mutter und Großmutter? Dann kann eine reinliche Scheidung sehr wohl dadurch kommen, daß man eben sagt: ein Drittel, ein Viertel oder ein Achtel. Denn hinsichtlich des Durchtretens der Rasse und der Rassemerk­ male bei dem einzelnen Individuum und seiner Eingruppierung in die fremde Rasse als Rassebegriff werden wir wohl auch in der Zukunft sehr großen und schweren Problemen von seiten der Wissenschaft gegenüberstehen, und es ist sehr richtig, wie Herr Staatsse­ kretär Dr. Freisler gesagt hat, daß man mit der Wissenschaft allein nicht vorwärtskommen kann, [307] sondern praktische Gesichtspunkte braucht. Nicht die Rasse vererbt sich, son­ dern Rassemerkmale. Wie das geschieht, ob rezessiv oder dominant, ist schwierig zu sa­ gen, und die Rückschläge sind weit über Generationen verbreitet. Das weiß jeder prak­ tisch. [308] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Herr Dr. Möbius, diese Ausführungen sind nur ein Beleg dafür, daß wir bei der einen Unterfrage der Abgrenzung, in wieweit soll einer

noch überhaupt als fremdblütig betrachtet werden? auf eine andere als eine genealogische Lösung nicht abkommen werden. Aber die andere Frage, ob jemand bei vier Großeltern, von denen einer zugestandenermaßen Finne oder Ungar war, überhaupt unter dem Ge­ sichtspunkt der fremden Rasse angesprochen werden darf, ist damit nicht erledigt. (Mini­ sterialrat Dr. Möbius: Die kann ich auch nicht lösen von meinem Standpunkt aus!) Ich neh­ me Ihre Ausführungen als Bestätigung des Gedankens, daß man, wie die Dinge liegen, bei der Umschreibung des Begriffs anders als mit Genealogie nicht arbeiten kann. Das ist, von Ihrem Standpunkt aus gesehen, etwas grausam Primitives, weil Sie sagen, die Rassemerk­ male, die sich rezessiv und dominant fortvererben, überspringen Generationen. Darauf können wir uns hier nicht einlassen. Wir müssen grobe Zimmermannsarbeit haben, und das ist der Stammbaum. (Ministerialrat Dr. Möbius: Ich sehe noch keinen Weg, auf dem wir Mediziner dazu kommen, in verschiedenen Jahren zu sagen, ob jemand ein Fremdrassiger ist oder nicht!) [309] Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin): Ich glaube, daß für den Richter eindeu­ tig bestimmt werden muß, was fremde Rassezugehörigkeit ist. Das kann nur geschehen durch Vorschriften der dafür maßgebenden Stellen, die je nach dem Stande der rassischen Wissenschaft auch ihre Vorschriften abwandeln können und müssen, auch vom Stand­ punkt der Aufsaugungsmöglichkeit aus, der ganz gewiß das Wort zu reden ist. Ich meine aber, wenn wir eine Bestimmung über rassemäßige Ehetäuschung aufnehmen, muß eben­ so klar im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden, daß wir hier nur die deutsche Rasse schützen wollen, jedenfalls die Rasse, die wir für unsere Blutsgemeinschaft für die we­ sentliche und richtige halten, daß wir aber keine fremde Rasse schützen wollen, jedenfalls vor allen Dingen keinen individualistischen Schutz geben wollen mit dem Schutze dessen, der einer fremden Rasse zugehört. Wir haben keine Veranlassung, den Juden in seiner Freiheit der geschlechtlichen Selbstbestimmung nach dieser Richtung zu schützen. Der Standpunkt, daß es bei der Rassenfrage im Kern nur auf die Andersartigkeit, nicht auf die Verschiedenartigkeit der Rassen ankommt, ist ganz gewiß von einer höheren inter­ nationalen Warte aus richtig, und es ist ja auch ganz schön, daß man die Leute, die von den Härten unserer Rassegesetze betroffen werden, damit trösten kann, daß es sich hier gar nicht um eine Diffamierung handelt, sondern um eine Behandlung Andersgearteter. Aber ich glaube nicht, daß kriminalpolitisch mit diesem Standpunkt viel anzufangen ist. Populär ist jedenfalls der Standpunkt nicht. Auch die amerikanische Rassegesetzgebung stützt sich sicher nicht auf den Gedanken der Andersartigkeit, sondern, soweit sich diese Gesetzge­ bung gegen [310] Neger und andere richtet, ganz sicher auf den Gedanken der Minderwer­ tigkeit der anderen Rasse, vor der eben die amerikanische Rasse geschützt werden soll. Das spricht sich ja auch in dem gesellschaftlichen Boykott aus, der gegenüber Negern ganz allseitig in Amerika getrieben wird. Der Rassegedanke hat doch bei uns nur Wurzel ge­ schlagen auf Grund der im Volke allmählich immer mehr verbreiteten Erkenntnis der Schädlichkeit der jüdischen Rasse für unser ganzes Volkstum. Das ist doch ganz sicher. Ich weiß mich hier von Haßgedanken völlig frei. Es ist eine reine Feststellung, daß das Ju­ dentum unser Volkstum geistig außerordentlich geschädigt hat, und dieser Gedanke und diese Einsicht ist es doch gewesen, die überhaupt den ganzen Rassekampfgedanken popu­ lär gemacht hat. Diese Grundlage dürfen wir meines Erachtens nicht verlassen. Das Volk würde kein Verständnis dafür haben, daß ein Jude, der von einem Arier darüber getäuscht ist, daß der Arier kein Jude sei, geschützt werden soll in der Freiheit seiner Willensbestimmung in Be­ zug auf Eheschließung, in Bezug auf den Geschlechtsverkehr überhaupt. Es würde eine Verwässerung des Rassekampfes bedeuten, wenn wir in dieser neutralen Weise, wie das ursprünglich beabsichtigt war, die Frage regeln. Ich habe ja jetzt den Eindruck, daß wir uns alle darüber einig sind, daß hier eben nur die deutsche Rasse geschützt werden soll. Der Neutralitätsgedanke mag ja sicher international und vom hohen staatspolitischen Stand­ punkt aus der richtige sein, vielleicht auch vom rein rassehistorischen oder rassebiologi­ schen Standpunkt aus. Aber darin steckt doch nicht das treibende Moment, das wir als

Strafgesetzgeber [311-320] verwerten müssen. Das ist doch die Überzeugung des Volkes davon, daß allein unsere Rasse in ihrer Reinheit gegen Fremdstämmige geschützt werden muß. [321] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich möchte die Debatte über Wertigkeit und Ar­ tigkeit10 der Rasse nicht aufs Neue beleben, aber ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die amerikanische Rassengesetzgebung lenken. Es ist immerhin ganz interessant, wenn man sieht, wie andere das gleiche Problem zu lösen versuchen. Dabei ist aber vorauszunehmen, daß hier die Judenfrage und irgend so etwas wie Rassenreinheit keine Rolle gespielt hat, sondern daß es sich hier um den Kampf der Weißen gegen die Überfremdung und Über­ völkerung durch Andersfarbige gehandelt hat. Es sind in den amerikanischen Gesetzen genannt die Neger, manchmal die Mongolen, manchmal die Mulatten dazu, und an weni­ gen Stellen sind mit Namen die Chinesen und die Japaner genannt. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß z. B. der Staat Montana, der im Jahre 1921 ein Gesetz gemacht hat, worin unter Sonderbehandlung gestellt sind die Neger oder Personen mit Negerblut oder, wie es heißt, eine Chinese person und eine Japanese person -, heute den Rassenmin­ derwertigkeitsgedanken Japan gegenüber vertreten würde. Das halte ich für vollständig ausgeschlossen. Es sind auch nur wenige Staaten, bei denen die Chinesen und Japaner aus­ drücklich genannt sind. Aber ich glaube, wir sollten die Debatte nach der Richtung nicht vertiefen. Daß irgend etwas wie Wert oder höherer Wert der Rasse im Gesetz wörtlich zum Ausdruck kommen soll, können wir nicht wünschen und nicht fordern. Ich glaube, daß da noch eine andere Rücksicht eine Rolle spielt. Wir dürfen bei dem deutschen Strafgesetzbuch, dem wir doch eine Dauer von Menschenaltern zubilligen wollen, nicht etwas schaffen, das uns in einer näheren [322] oder ferneren Zukunft in gewisse Schwierigkeiten hinsichtlich der Kolonial­ frage bringt. Wir wollen doch nicht davon ausgehen, daß die Kolonialfrage so, wie sie jetzt ist, für alle Zeiten erledigt ist; wir müssen doch den Wunsch haben, Kolonialmandate oder Kolonialbesitz wiederzubekommen. Auch mit Ausblick auf diese Dinge sollten wir uns in der Rassengesetzgebung keine unnötigen Schwierigkeiten machen. Bevor ich das W ort weiter erteile, möchte ich noch eine Anmerkung aus dem Ehebetrug und aus der Strafbarkeit der Ehetäuschung bringen. Das geltende Recht, das den Ehebe­ trug unter Strafe stellt, knüpft dies an die Bedingung, daß aus einem dieser Gründe die Ehe aufgelöst, also für nichtig erklärt worden ist, und es stellt die Verfolgung unter den Antrag des getäuschten Ehegatten. Das ist eine Frage, an der wir nicht vorbeigehen kön­ nen, bevor wir an die Formulierung gehen, wenn wir den Tatbestand aufstellen: Wer den anderen absichtlich über seine Rassenzugehörigkeit bei der Eingehung der Ehe getäuscht hat, soll bestraft werden. Wir können nicht ganz vorbei an der Frage, wie das mit dem Be­ stände der Ehe zusammenhängen soll. Denn an sich ist das ja, nach alledem, was vorange­ gangen ist, kein Ehenichtigkeitsgrund, sondern ein Eheanfechtungsgrund. Das wird wohl irgendwie aufeinander abgestimmt werden müssen. [323] Oberstaatsanwalt Dr. Reimer (Berlin): Den vorhin gemachten Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Freisler zur Frage des Rassenverrats möchte ich in einem Punkte entgegentreten. Der Staatssekretär Dr. Freister hat den Vorschlag gemacht, daß Rassever­ rat dann nicht vorläge, wenn das Kind, das aus dem Geschlechtsverkehr hervorgeht, kei­ nen nichtarischen Großelternteil hat. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, daß dies durchaus im Sinne der Rassenpolitik unserer heutigen Beamtengesetzgebung läge. Ich kann mich aber dieser Auffassung nicht anschließen. Meines Erachtens ist hierbei übersehen worden, daß, wenn bei dem Beamtengesetz die Abstammung von arischen Großeltern zum Nachweise der arischen Abstammung für genügend gehalten wurde, dies doch nicht geschah, weil man sich sagte: es ist nun hier eine Aufsaugung erfolgt, sondern hauptsächlich aus dem Grunde, weil man immer die Schwierigkeit vor Augen hatte, bei

10 In der verbesserten Fassung steht statt „Artigkeit": „Unwertigkeit".

dem mangelnden Interesse des deutschen Volkes, wenigstens bei einem großen Teil des Volkes an der Sippenforschung, daß ein weiterer Nachweis über die Vorfahren nicht er­ bracht werden könnte. Bei dem Vorschlag von Herrn Staatssekretär Dr. Freisler würden wir jetzt zu folgendem Ergebnis kommen: Jemand, der heute als Nichtarier abgestempelt ist, weil er einen nicht­ arischen Großelternteil hat, würde durch einen Geschlechtsverkehr ein Kind zeugen, das nun automatisch und gesetzlich Arier würde. (Zuruf: Durch Geschlechtsverkehr mit einer arischen Person!) - Gewiß. Und aus diesem Grunde muß man meines Erachtens einen Schritt weiter gehen, indem man mindestens dieses Kind bis zum Urgroßelternteil in der Abstammung zurückverfolgt. [324] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Das scheint mir keine Grundsatzfrage zu sein; das ist wie jede Grenzfrage eine Maßfrage. Der Vorschlag von Herrn Dr. Freisler ist eine Parallele zum Beamtengesetz. Das, was Sie im Auge haben, nähert sich mehr dem Gedan­ ken des Erbhofrechts oder den Gedanken, die in der Adelsgenossenschaft diskutiert wer­ den. Grundsätzlich ist dabei nur dieses: sollen Menschen, die ein Viertel oder ein Achtel oder ein Sechzehntel fremdes Blut haben, und ihre ganzen Nachkommen trotz fortschrei­ tender arischer Ehen von der Volksgemeinschaft abgesondert bleiben? Diese Frage kann man meines Erachtens nicht mit Nein beantworten, sondern ich bin der Auffassung, we­ nigstens bis jetzt, daß das deutsche Volk ein Interesse daran hat, Nachkommen solcher Menschen an sich heranzubringen. Aber wo nun die Grenze gezogen werden soll, das ist keine Grundsatzfrage, das ist eine Maßfrage. Da werden ja die Herren von den anderen Ressorts vielleicht ein sehr maßgebliches Wort mitzusprechen haben. [325] Oberregierungsrat Dr. Lösener: Ich möchte zu den Ausführungen von Herrn Se­ natspräsidenten bloß noch bemerken, daß unser beider Weltanschauung doch wohl weiter übereinstimmt, als sich in der Debatte ausgewiesen hat. Wir sind beide darüber einig, daß die Rassenvermischung eminent schädlich ist. Auf der Basis der Schädlichkeit finden wir uns unter allen Umständen. Für den einzelnen entspringt daraus nun das Gefühl: was mir schädlich ist, das ist von meinem berechtigten Standpunkt aus gesehen minderwertig. Von der anderen Warte aus gesehen, die durchaus nicht nur international ist, sondern meines Erachtens die ist, die für den Gesetzgeber die richtige sein soll, sagt man eben: die Schäd­ lichkeit entspringt der Verschiedenartigkeit. Das wollte ich nur noch einmal sagen, um nicht in den Verdacht zu kommen, daß ich hier irgendwie unser Gedankengut verwässern wollte. Nun ist noch durch den Herrn Reichsminister die Frage der verschiedenen Rassen in die Debatte geworfen worden und die Frage der Schwierigkeiten, die das in der Anwen­ dung des Strafgesetzbuchs geben könnte, in die Debatte geworfen worden. So groß, wie es nach den kurzen Ausführungen scheinen kann, ist die Schwierigkeit bei der Anwendung des Strafgesetzes nicht. Ich muß da noch einmal auf etwas zurückgehen, was Herr Staats­ sekretär Dr. Freisler vorhin erwähnt hat. Er sagte: die Hauptabsicht bei unseren Gesetzen, die wir beraten, ist, den rasseschlechten Nachwuchs zu verhindern. Ich bin da doch der Auffassung, daß daneben ganz groß auch die andere Forderung steht: das Rassebewußt­ sein im einzelnen Menschen zu züchten und zu erziehen. Und da kommen [326] wir nicht mehr mit Bestimmungen aus, die den Nachwuchs, der unerwünscht ist, verhindern sollen, sondern wir wollen auch den Menschen dahin erziehen, daß er ausgesprochen Fremdrassi­ ge überhaupt nicht anfaßt zum Geschlechtsverkehr, ganz gleichgültig, welches die Folgen sein sollen. Also die Erziehung zum Rassestolz im einzelnen Volksgenossen selbst soll doch wohl auch mit eine Absicht dieser Bestimmungen sein. Und da wird für den Richter die Frage nicht allzu schwer sein. Man kann es einem Volksgenossen, einem Deutschen nicht zum Vorwurf machen, wenn er einmal ein Mädchen in irgend einer Form liebt, bei der die Merkmale der fremden Rasse so verborgen sind, daß sie für ihn überhaupt nicht erkenn­ bar geworden sind. Bei der Strafbarkeit wird es sich doch immer bloß um krasse Fälle han­ deln, um solche Fälle, bei denen das Fremdrassige handgreiflich vorhanden ist. Nur in sol-

chen Fällen kann man sagen: der Deutsche hat hier gegen den mit Recht von ihm zu erwar­ tenden Rassestolz gesündigt. Solche Fälle wird der Richter auch leicht feststellen können. Er wird gar nicht in die Frage hineinsteigen und hineinzusteigen brauchen: hat dieses, sa­ gen wir einmal, blonde, blauäugige Mädchen, wie der Denunziant angibt, einen Urgroßva­ ter aus der ugrisch-finnischen Sprachgemeinschaft. Diese Frage wird garnicht auftauchen; denn die hat mit dem Rasseempfinden nichts zu tun. Und wenn man dann noch, abgesehen davon, daß hier nur die handgreiflichsten Fälle zur wirklichen Bestrafung führen werden, darauf noch abkommt, daß in der Praxis in du­ bio pro reo gesprochen werden wird, so glaube ich, daß die Schwierigkeiten bei der An­ wendung des Strafgesetzes in soweit nicht allzu groß sein werden. [327] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Das fasse ich auf als einen Widerspruch gegen den Gedanken des Herrn Oberstaatsanwalts Dr. Reimer; denn Sie sagten im Gegenteil vorhin: wir dürfen bei der Abgrenzung der fremden Rassen nicht weiter zurückgehen, Sie warnten davor. Das ist ja konsequent nach Ihren vorherigen Ausführungen. [328] Ministerialdirektor Dr. Dürr. Ich möchte zu drei Fragen Stellung nehmen. Ich darf zunächst auf die Ausführungen des Herrn Vorredners erwidern. Die letzten Ausführun­ gen, die er für die Notwendigkeit machte, für das Strafrecht ganz klar abzugrenzen, was unter fremder Rasse zu verstehen ist, würden dann durchschlagend sein, wenn strafbar wäre jede geschlechtliche Vermischung zwischen Angehörigen verschiedener Rassen. Wenn wir uns aber vorläufig nur auf den Rassebetrug beschränken, so nützt der Gesichts­ punkt nichts, daß nur verwerflich ist, wenn ein Angehöriger einer Rasse sich mit einem Angehörigen einer anderen Rasse einläßt, bei dem die Fremdartigkeit besonders hervor­ tritt. Denn es kommt ja gerade auf den aktiven Teil an; es kommt darauf an, ob ein Ange­ höriger einer fremden Rasse täuscht. Der einzelne kann aber doch schwer beurteilen, ob bei ihm gerade die Fremdartigkeit besonders hervortritt. Sie wird nicht so stark hervortre­ ten, wenn ihm die Täuschung gelingt. Dann ein Wort zur Frage der neutralen Fassung des Ehebetrugs. Herr Senatspräsident Dr. Klee hält immer noch an dem Gedanken fest. Ich glaube, der Standpunkt ist grundsätz­ lich gar nicht richtig. Offenbar ist doch die überwiegende Meinung: konsequent wäre es, wenn jede geschlechtliche Vermischung zwischen Angehörigen verschiedener Rassen verboten, unter Strafe gestellt würde. Das kann nicht geschehen, solange nicht die Ehege­ setzgebung geändert ist. Deshalb will man sich zunächst auf den Ehebetrug beschränken. Aber der Gedanke ist doch wohl, möglichst geschlechtliche Verbindungen zwischen An­ gehörigen verschiedener Rasse zu verhindern. [329-340] Dann dienen wir dem Gedanken auch, wenn wir das fremdrassige Mädchen schützen gegen Täuschung durch den Arier. Denn auch dabei dienen wir dem Zweck, die geschlechtliche Vereinigung von Angehörigen verschiedener Rassen zu verhindern. Ich glaube, es ist ganz konsequent, wenn man den Ehebetrug neutral faßt. Dann darf ich vielleicht noch ein Wort sagen zu der Schwierigkeit der Ausdehnung des Gedankens des Rassebetrugs auf den außerehelichen Geschlechtsverkehr. Da bleibt die Schwierigkeit in dem Fall, wo der weibliche Teil aktiv ist. Es wurde ja die käufliche Liebe schon erwähnt. Nun scheint mir aber doch, daß man an der arglistigen Verschweigung und an der Täuschung festhalten will. In den Fällen der käuflichen Liebe wird doch weder eine arglistige Verschweigung noch eine Täuschung vorliegen. Ich glaube deshalb, daß es nicht notwendig ist, da ausdrücklich eine Ausnahme zu machen, was ich als unschön empfinden würde, sondern ich glaube, die Anwendung dieses Begriffsmerkmals wird dazu führen, daß in solchen Fällen überhaupt niemals eine Strafbarkeit in Frage kommt. [341] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Bevor ich Herrn Staatssekretär Dr. Freisler bitte, das Wort zu nehmen, möchte ich folgende Frage auswerfen: Wenn wir doch auf den Be­ griff der arglistigen Täuschung innerhalb und außerhalb der Ehe abkommen - ich möchte den letzten Ausführungen zustimmen -, ist denn dann nach unserem Strafgesetzbuch überhaupt der Fall getroffen, daß ein Weißer mit einer Negerin hier in Berlin fröhlich ei­ nen Mulatten nach dem andern zeugt?

[34-2] Staatssekretär Dr. Freister: Vielleicht gelingt es mir, in meinen Ausführungen auch noch Gedanken zu dieser Frage zu sammeln. Im Augenblick bin ich zu verblüfft. Ich möchte ganz kurz auf einiges von dem eingehen, was bisher gesagt worden ist. Es hieß, das deutsche Volk solle zum Rassestolz erzogen werden. Ob das aber Aufgabe dieser strafrechtlichen Bestimmung ist, erscheint mir zweifelhaft. Die Frage, wie es mit der Bestrafung einer solchen arglistigen Täuschung ist, die zur Ehe geführt hat, wenn die Ehe weiterbesteht, ist natürlich schwierig. Ich hatte eingangs be­ hauptet, daß diese Frage von der Ehegesetzgebung völlig unabhängig sei. Es hat sich je­ doch ergeben, daß das nicht der Fall ist. Richtig wäre es, das Weiterbestehen oder Nicht­ weiterbestehen der Ehe als gleichgültig zu erklären. Das ist aber nur theoretisch richtig, praktisch scheint es mir unnötig11 zu sein, und zwar aus demselben Gesichtspunkt heraus, aus dem wir den Abschluß einer Ehe mit einer Fremdrassigen heute nicht für strafbar er­ klären wollen. Die Gründe, die dort dafür sprechen, das heute nicht zu tun, zwingen hier meiner Ansicht nach dazu, eine Konzession zu machen und zu erklären, daß die Täu­ schung nur dann strafbar sein kann, wenn die Ehe aus diesem Grunde aufgelöst wird oder der Wunsch nach Auflösung der Ehe bei der einen Seite besteht. Man kann allerdings er­ widern, das sei ein Aufgeben des Prinzips. Es ist richtig, daß insofern das Prinzip durch­ brochen wird, aber ein anderer Weg scheint völlig unmöglich zu sein. Wenn ich die Ehe nicht verbiete, dann muß ich bei Aufrechterhaltung des [343] Bandes der Ehe durch die bei­ den Beteiligten diesem Wunsche der beiden Beteiligten nachkommen. Es ist eben so, daß man einzelne Strafbestimmungen nicht immer nur nach einem einzigen Wunschbilde hin, das man verfolgt, ausrichten kann. Eine Frage, die noch nicht erörtert, aber vom Herrn Reichsminister aufgeworfen wor­ den ist, ist die der Einwirkung des § 5 auf die von uns erstrebte Regelung. Ich würde vor­ schlagen, die Regelung auf Deutschland zu beschränken: „Wer in Deutschland . .. wird bestraft." Das ist natürlich auch grob. Man kann an den Fall denken, daß die Ehe außerhalb Deutschlands geschlossen wird, und daß das Ehepaar dann nach Deutschland zieht. Aber es wird immer Grenzfälle geben, die nicht richtig geregelt werden. Mein Vorschlag würde also insofern eine Ausnahme von § 5 Abs. 2 bedeuten. Was nun die Art der Umreißung des Rassenbegriffs betrifft, so ist es doch interessant, sich diese Liste der Vereinigten Staaten anzusehen. 30 der Unionsstaaten haben eine Ras­ sengesetzgebung, und zwar eine solche, die, wie mir klar zu sein scheint, unter dem Ge­ sichtspunkt des Rassenschutzes steht. (Ministerialdirektor Schäfer: Und politisch!) - Das vielleicht nur bezüglich der Japaner, aber sonst unter dem Gesichtspunkt der Rasse. Be­ weis: Nordkarolina hat Ehen zwischen Indianern und Negern auch verboten. Das ist doch ganz sicher aus dem Gesichtspunkt des Rassenschutzes geschehen. Übrigens ist das auch bezeichnend im Zusammenhange dessen, was ich vorhin ausführte. Ich glaube, daß mit Ausnahme des Wunsches, einen womöglich übermächtig werdenden fremden politischen Einfluß auszuschalten, den ich mir etwa bezüglich der [344] Japaner denken könnte, noch aus einem anderen Grunde, daß der Gesichtspunkt des Rassenschutzes ausschlaggebend war. Es ist nämlich so, daß nicht alle Staaten, die überhaupt mit der Möglichkeit einer japa­ nischen Einwanderung rechnen, von Japanern gesprochen haben, sondern einige haben von Mongolen gesprochen, obgleich doch ganz zweifellos die Japaner und die Chinesen nicht zu den Mongolen zählen, sondern zu einer ganz anderen Völkerblutsgruppe. War­ um haben diese Staaten das getan? Ich kann mir nicht denken, daß sie es nur getan haben, um den Begriff zu umschreiben, sondern glaube, daß sie es getan haben, weil sie damit ir­ gendein Rassebild verfolgt haben, nur irrigerweise auch die Japaner mit unter die Mongo­ len gerechnet haben. Die Zusammenstellung erweist das auch. Ein Staat spricht von Mon­ golen, Negern oder Mulatten. Das ergibt schon, daß man Rassegesichtspunkte in den Vor­ dergrund gestellt hat; denn bei den Mulatten braucht man doch überhaupt nicht zu fürch-

11 Handschriftlich später verbessert in: „unmöglich".

ten, daß sie jemals irgendwie politisch eine Rolle spielen könnten. Das Ergebnis ist also, daß die Amerikaner in Wirklichkeit in erster Linie eine Rassengesetzgebung treiben wol­ len, wenn sie es auch vielleicht heute nicht wahr haben wollen. Wie haben sie das nun gemacht? Sie haben verschiedene Mittel angewandt. Mehrere Staaten haben einfach geographische Begriffe genommen. Ein Staat spricht von afrikani­ scher Abstammung, ein anderer von Personen aus Afrika, Korea oder Malaien. Andere wieder haben das gemischt, haben die örtliche Herkunft vermengt mit ihrer Vorstellung von einem besonderen Blutkreis. Zum Beispiel steht in dem letzten von mir angeführten Beispiel hinterher noch: oder von mongolischer Rasse. Ein anderer Staat hat beides [345] nebeneinander erwähnt. Nevada spricht von Äthiopiern oder von schwarzer Rasse, Malai­ en oder von brauner Rasse, Mongolen oder von gelber Rasse. Das bedeutet eine merkwür­ dige Mischung des Systems des örtlichen Sitzes und der Vorstellung von der Blutszusam­ mengehörigkeit. Diese Staaten haben doch nun offenbar alle eine absolut eindeutige Rechtsprechung, und diese Rechtsprechung würde für uns vollkommen passen, mit einer einzigen Ausnah­ me. Dort werden nämlich, praktisch gesprochen, überall nur Farbige und Halbfarbige ge­ meint, worunter die Mestizen und die Mulatten erscheinen; lediglich sind die Juden, die außerdem uns interessieren, nicht unter die Farbigen gerechnet. Ich habe nicht gesehen, daß irgendein Staat von einer fremden Rasse spricht, sondern die Rassen sind in irgendei­ ner primitiven Weise benannt. Dafür haben wir ja bei uns auch Beispiele. Das Erbhofrecht spricht ja auch von farbiger oder jüdischer Rasse. Mir erscheint es heute geradezu zweifel­ haft, ob man die jüdische Rasse neben den Farbigen überhaupt erwähnen müßte. Ich glau­ be, jeder Richter würde die Juden, obgleich sie äußerlich weiß aussehen, genau so dazu rechnen wie die Tataren, die nicht gelb sind. Ich bin deshalb der Meinung, daß wir mit der­ selben Primitivität verfahren könnten, wie es diese amerikanischen Staaten tun. Ein Staat sagt sogar einfach: farbige Leute. Ein solches Verfahren würde zwar roh sein, aber genü­ gen. Wenn man allerdings Zweifel hat, daß irgendein Richter die Juden nicht dazurechnen würde, oder wenn man wegen der besonderen Bedeutung der Juden bei uns sie hervorhe­ ben will, dann könnte man es ja tun. Das wäre eine rohe Abgrenzung, die aber allen Be­ dürfnissen genügen würde. [346] Ich habe keinen Zweifel, daß der Richter einen Tataren dazurechnen würde; vielleicht würde er einen Magyaren nicht dazurechnen, aber das wäre nicht schlimm. Deshalb bin ich der Meinung, die Ministerialdirektor Schäfer vertreten hat, daß diese Frage praktisch nicht so schwierig ist wie theoretisch. Dieser Meinung muß man auch des­ halb sein, weil zu hoffen ist, daß medizinische Sachverständige dabei überhaupt keine Rol­ le spielen werden. Wenn ein medizinischer Sachverständiger eine solche Frage beantwor­ ten müßte, würde er allerdings die Aufgaben der Rassenforschung und die allerdings na­ türlich viel rohere Aufgabe der Strafgerichtsbarkeit miteinander verwechseln. Wenn ein medizinischer Sachverständiger gefragt wird, muß er natürlich eine Antwort geben, die dem neuesten Stande der Wissenschaft entspricht, eine Antwort, die auch seiner persönli­ chen Stellungnahme zu den verschiedenen Theorien, die es da wahrscheinlich auch gibt, Ausdruck gibt. Mit einem solchen Gutachten könnte aber der Richter gar nichts anfangen. Darüber müssen wir uns klar sein. Ich glaube aber, daß das Gesamtergebnis, das wir bei einer solchen rohen Lösung erhal­ ten würden, im großen und ganzen in dieselbe Richtung laufen würde wie die Rassenpoli­ tik, die natürlich auf anderen Gebieten als dem strafrechtlichen sehr viel feiner arbeiten kann. [347-3Ö0] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Also der Gedanke, aus diesen amerikani­ schen Vorbildern etwas zu gewinnen, ist deswegen praktisch nicht verwertbar, weil es sich da, wie Herr Staatssekretär Dr. Freisler schon sagte, nur um Varianten, um verschiedene Nuancen des Ausdrucks für den Begriff „Farbige" handelt, bald so, bald so, am deutlich­ sten vielleicht bei Virginia, wo es „coloured persons" heißt, worunter Mulatten, Mestizen usw. fallen.

Wenn wir den Rassenschutz im Strafrecht auf den Fall der arglistigen Täuschung ab­ stellen, fällt die ganze Frage der Farbigen ipso facto aus, denn eine arglistige Täuschung bei Farbigen kommt mir nicht sehr wahrscheinlich vor. Die Schwierigkeit ist deswegen für uns größer, weil das Problem etwas komplizierter ist, aber im Bereich der arglistigen Täu­ schung brauchen wir an die Farbigen gar nicht zu denken. Eines möchte ich kurz festlegen: Wegen Eheanstiftung und Ehebetrugs würde Herr Staatssekretär Dr. Freister empfehlen, die Kanteten des geltenden Rechts auch in das neue Strafrecht aufzunehmen. Ich glaube, das muß man tun, weil die Frage der Eheanfechtung zur Disposition des getäuschten Ehegatten steht. Er braucht ja nicht anzufechten; im Ge­ genteil, er verliert das Anfechtungsrecht sogar nach einer Präklusivfrist. Man kann sich nicht gut vorstellen, daß ernstlich eine Strafanzeige kommt, wenn der Ehegatte nicht die Ehe auflösen will. Wenn diese Meinung Zustimmung findet, würde ich das der Unterkommission zur Formulierung empfehlen. [361] Was die Abgrenzung des Begriffs der fremden Rasse anbelangt, so könnten wir uns jetzt damit begnügen, in dem Gesetz doch den Ausdruck „fremde Rasse" zu verwen­ den und im übrigen nicht in dem Strafgesetzbuch aufzuführen. Dann bräuchten wir dar­ über auch nicht zu debattieren. Wohl sehe ich aber noch einige Rätsel in der Frage der örtlichen Abgrenzung, in der zweiten Frage des ideellen Gefährdungsdelikts und endlich in der Frage der unehelichen Kinder. Hinsichtlich der örtlichen Abgrenzung ist der Vorschlag gemacht worden, den Gel­ tungsbereich auf Deutschland zu beschränken. Ich bitte dabei nicht zu übersehen den Aus­ länder, der in Deutschland getäuscht wird. Das würde auch in Betracht kommen. [3Ö2] Ministerialdirektor Schäfer: Gerade zu dem letzten Punkt und auch zu einem ande­ ren, den der Herr Staatssekretär berührt hat, möchte ich mich kurz äußern. Es ist das Pro­ blem der räumlichen Geltung nicht allein dadurch gelöst, daß wir § 5 ausschließen, son­ dern wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß bei uns in Deutschland auch viele Aus­ länder leben. Beispiel: Ein Franzose heiratet bei uns in Deutschland eine französische Jü­ din, die ja auch für ihn fremdrassig ist. Soll der Fall von dem Paragraphen, den wir schaf­ fen, mitgetroffen werden? Wenn wir daran dächten, hier noch eine weitere Einschränkung vom territorialen Prinzip zu machen, indem wir den Paragraphen nur auf deutsche Staats­ angehörige beschränken, die in Deutschland dagegen verstoßen, so wäre damit auch das Problem nicht gelöst. Man braucht nur an den Fall zu denken, daß der Franzose eine deut­ sche Jüdin heiratet. Sollen wir da auch die Strafbestimmungen Platz greifen lassen? Nun könnte man über alles hinwegsehen, indem man sich klarmacht, daß wir den Tatbestand eines Betrugs unter Strafe nehmen, und wir könnten ohne Rücksicht darauf, ob die auslän­ dische Rasse schutzwürdig erscheint, einfach sagen: Wir haben hier einen Spezialfall von Betrug, und auch wenn ein Franzose eine französische Jüdin täuscht, so ist es ein Betrugs­ fall, den wir immer strafen. Das wäre auch eine Lösung. Dabei klingt noch etwas Merkwürdiges an: Daß wir nämlich eigentlich erst den strafba­ ren Tatbestand schaffen, daß das gesetzgeberische Motiv für uns das Allgemeininteresse ist, das Interesse des Rasseschutzes, daß aber dieses gesetzgeberische Motiv beim Tatbe­ stand, den wir schaffen, völlig verlassen wird und das gesetzgeberische Motiv zu einem rein individuellen Motiv [363] wird, nämlich zur Täuschung einer ganz bestimmten Per­ son, und weil dies nur ein individuelles Motiv ist, müssen wir zu der Folgerung kommen, die der Herr Staatssekretär Freister und der Herr Minister schon gezogen haben: daß wir in den Ehebetrugstatbestand auch eine Straffreiheitsbestimmung ähnlich dem Absatz 3 des §111 des Referentenentwurfs einfügen müssen, wonach die Tat nur auf Verlangen des Verletzten und nur dann bestraft wird, wenn die Ehe wegen der verschwiegenen Tatsache oder wegen der Täuschung geschieden wird. Dem stimme ich vollständig zu. Aber die Fra­ ge erhebt sich: Welche Auswirkung hat dieser Gedanke für den außerehelichen Ge­ schlechtsverkehr? Wie nun, wenn die Beiden ruhig sagen: Ich bin zwar getäuscht worden,

aber wir verkehren weiter miteinander? Wie, wenn die Eheleute erklären: Die Täuschung ist für uns irrelevant! und wir deshalb nicht bestrafen? Dann führt dieser Gedanke auch, wie mir scheint, wenn man sich über das gesetzgeberische Motiv, das individuelle Motiv klargeworden ist, eigentlich auch dazu, auch beim außerehelichen Geschlechtsverkehr, wenn die Leute sagen „es ist für uns irrelevant", entsprechend dem ehelichen Verkehr zu sagen: Es kann nur auf Verlangen eingegriffen werden. Ich wollte nur auf diese Seite der Frage mit aufmerksam machen. [364] ProfessorDr. GrafGleispach(Ber\m): Herr Reichsminister, ich glaube, daß irgendwelche Beschränkungen, sei es der möglichen Subjekte des Täterkreises, sei es auch bezüglich des Ta­ tortes, nicht möglich12notwendig sind. Man muß ja doch ganz scharf festhalten, daß von der Strafbedrohung nur die Täuschung hier erfaßt wird. Deshalb glaube ich, daß, wenn man so­ wohl an j ene Fälle denkt, wie an das Verhältnis zu einer Ausländerin oder an Fälle, die im A us­ lande vorkommen können, sich die Bestrafung dessen, der über seine Rassezugehörigkeit bei Anknüpfung von sexuellen Beziehungen den Partner täuscht, gerechtfertigt sei. Ich bin auch nicht ganz der Auffassung des Herrn Ministerialdirektors, daß wir jetzt durch diesen Tat­ bestand das eigentliche Prinzip des Rasseschutzes preisgeben und den Schutz eines Indivi­ dualinteresses in den Vordergrund schieben. Ich würde die Sache so ansehen, daß der Grund­ satz auch unter dem neu zu schaffenden Tatbestand doch immer der ist, daß eine Rassever­ mischunghintangehalten werden soll. Ichsehe das Erfordernis,daßeineTäuschung vorliegen muß, so an, wie man sonst die objektive Bedingung der Strafbarkeit ar^ieht. Es bestehen ge­ wisse Gründe, daß wir mit der Strafdrohung nicht so weit gehen dürfen, wie wir eigentlich für richtig hielten. W ir schränken das ein auf den Fall, wo eine Täuschung vorgekommen ist, aber nicht primär, um den anderen gegen die Täuschung zu schützen, sondern eigentlich, weil wir die Rassevermischung für etwas Abträgliches halten. Darum glaube ich auch, daß der Aus­ schluß der Strafbarkeit, wenn die auf diese W eise zustande gekommene Ehe nicht gelöst wird, gewiß vorgesehen werden muß, daß man aber daraus auf die Behandlung [365] des außereheli­ chen Geschlechtsverkehrs keinen Schluß ziehenkann. Gerade auch, daß das V erhältnis fortbe­ steht, istkein Hindernis dafür, daß man straft; sondern das istdie Konsequenz daraus, wie frü­ hergesagt wurde : Es istdie Grenze erreicht,bis zu der wir im Augenblicknur mitdem Strafrecht gehen können, darum machen wir hier halt, aber daß die Leute weiter miteinander verkehren, ist für uns unerwünscht. W ir glauben, es nicht strafen zu sollen, aber für das Faktum der Täu­ schung besteht die Strafbarkeit weiter. Wie sich die Beiden zueinander stellen mögen, interessiert die staatliche Gesetzgebung nicht. [366] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ist daraus zu entnehmen, daß Sie auch beim nichtehelichen Geschlechtsverkehr etwa so etwas wie einen Antrag des Getäuschten oder ein Verlangen des Getäuschten fordern würden? (Professor Dr. Graf Gleispach: Nein, gerade nicht!) - Diese Bemerkung und vieles, was bisher gesagt worden ist, haben noch kein sehr klares Bild auf das Verhältnis geworfen, in dem die Täuschung für den Geschlechtsver­ kehr stehen muß. Jetzt wurde der Ausdruck „Bedingung der Strafbarkeit" gebraucht. Bei der Eheanfechtung ist das gänzlich anders! Nehmen wir nur den Fall an: Der eine hat den anderen über seine Rassezugehörigkeit dadurch arglistig getäuscht, daß er sie verschwie­ gen hat. Daraufhin wird die Ehe geschlossen. Gesetzt nun den Fall, der Getäuschte wird auf dem Standpunkt stehen: Diese Ehe hätte ich auch geschlossen, wenn ich es gewußt hätte. Was dann? (Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Dann tritt die Strafbarkeit nicht ein!) - Ja, dann geht die Sache! Und beim außerehelichen Verkehr? [367] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Da allerdings würde ich sagen: In dem Ver­ schweigen liegt doch darin, daß man annimmt, der Verkehr hätte nicht stattgefunden, wenn die Rassezugehörigkeit geoffenbart worden wäre. Man könnte das vielleicht da­ durch zum Ausdruck bringen, wenn man von arglistiger Täuschung spricht. Ich glaube, das ist notwendig. (Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Darauf wollte ich hinaus!)

12 Das Wort „möglich" ist später gestrichen worden.

[368] Professor Dr. Mezger (München): Ich würde die Konsequenz auch für die Ehe zie­ hen, daß dort von diesem Antrag auf Bestrafung nicht die Rede sein kann. Daß die Bestra­ fung nicht eintritt, wenn die Ehe fortbesteht, ist eine Konzession, die man machen muß. Aber auch dort halte ich dafür, daß in erster Linie ein Delikt vorliegt, das die Allgemeinheit berührt und nicht die Verletzung von Individualinteressen. Ich würde daher von einem Verlangen des Verletzten auf alle Fälle absehen. Das ganze Delikt ist nur durch die von au­ ßen herkommenden Schwierigkeiten begrenzt. So beantwortet sich auch die Frage, warum es nicht den Fall trifft, daß ein Deutscher mit einer Negerin ohne Täuschung straflos Kin­ der zu zeugen in der Lage ist. Das ist eben dasjenige Gebiet, das wir aus außenpolitischen Gründen nicht getroffen haben. [369] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe mir auch schon überlegt, meine Herren: Die Mulattenkinder, die halbdutzendweise von dem Deutschen mit der Negerin im Inlan­ de gezeugt werden, das wäre doch ein derartig ärgerniserregender Vorgang, daß darüber die Bevölkerung in weiten Kreisen sicherlich sehr viel schärfere Gedanken hätte, als wenn einer mit einem Mädchen eine Ehe eingeht, das in dritter Generation von Juden abstammt. Darüber wollen wir uns nicht täuschen! Ich habe in einem Allgäuer Sommerfrischeort ein Ehepaar gesehen: Ein dunkelbrauner Hindu und eine deutsche Frau, die mit ihren ganz hübschen Kindern spazierengegangen sind. Die konnten sich in dem Ort gar13 nicht hal­ ten. Damals gab es noch keine Rasseerkenntnis; aber die Allgäuer Bauern haben dagegen revoltiert, daß die im schönsten Hotel gewohnt und ihre kaffeebraunen Bambinos spazie­ rengeführt haben. Der Gedanke, die Vermischung der Rasse überhaupt unter Strafe zu stellen, würde viel geringeren Schwierigkeiten begegnen, wenn nicht gerade die Juden de facto an erster Stelle stehen würden. Ich glaube nicht, oder vorläufig wenigstens sehe ich gar kein unüberwindliches Hindernis, den Begriff der „coloured person" hier zu verwen­ den: aber - das ist der Einwand, den ich mir selber mache - würde durch eine solche Ab­ scheidung14 nicht der ganze Rassegedanke in Frage gestellt werden? Da sehe ich Schwie­ rigkeiten. [370] Ministerialdirektor Schäfer: Nur eine Frage zu meiner eigenen Aufklärung! Kann man von arglistigem Verschweigen überhaupt beim außerehelichen Geschlechtsverkehr dann sprechen, wenn der Rasseumstand für den anderen Teil nicht die Hauptsache war, gleichgültig war? Das ist mir zweifelhaft geworden. Ich habe vorhin selbst gesagt: Auf Kausalität kommt es nicht an. Aber es ist mir jetzt zweifelhaft. [371-380] Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Das Problem ist bei einem Spezialpunkt erörtert worden, nämlich bei der käuflichen Liebe, und bei bei der käuflichen Liebe ist von allen, die dazu gesprochen haben, sowohl von Herrn Professor Nagler wie von Herrn Pro­ fessor Dürr, wie auch von Herrn Staatssekretär Freister, wie auch vom Herrn Minister da­ von ausgegangen worden, daß der Rasseverrat, der durch die Vermischung einer Prostitu­ ierten mit einem Andersrassigen begangen wird, deshalb nicht unter die Strafbestimmun­ gen fallen soll, weil ja doch für die Vermischung mit dieser Prostituierten ihre Zugehörig­ keit zu einer bestimmten Rasse gar nicht von Bedeutung war, und dem hat doch wohl der Gedanke zugrunde gelegen, daß dieser Geschlechtsverkehr auch stattgefunden haben würde, wenn der Mann, der mit der Prostituierten verkehrt hat, gewußt hätte, daß das, sa­ gen wir mal, eine Jüdin ist. In dieser Stellungnahme kommt ganz deutlich zum Ausdruck, daß das Problem der Kausalität von einer prinzipiellen, grundlegenden Bedeutung ist, und ich hatte mir schon lange vorgenommen, zu dieser Frage ein kurzes Wort zu sagen. Es ist vieles erledigt durch das, was inzwischen gesprochen worden ist. Mir scheint, daß der von Herrn Ministerialdirektor Schäfer angeführte Gesichtspunkt, nämlich die merkwürdige Diskrepanz zwischen dem geschützten Rechtsgut, das die Rasse schlechthin ist, nicht nur die deutsche Rasse, sondern jede Rasse, und dem individuellen Motiv, das hier herein-

13 Handschriftlich später in „einfach" verändert. 14 Handschriftlich verbessert in „Bezeichnung".

kommt, dadurch deutlich wird, daß man die Täuschung als die strafwürdige Handlung be­ zeichnet und daß man infolge dieser Diskrepanz vom Standpunkt des Kausalitätsproblems vor ganz ungeheuren rechtlichen Schwierigkeiten steht. [381] Herr Staatssekretär Dr. Freisler hat einmal im Verlauf der Diskussion gesagt, dem Getäuschten könne ja nichts vorgeworfen werden. Das ist sicher richtig, daß ihm nichts vorgeworfen werden kann, wenn er nämlich getäuscht ist und wenn man auch sagen kann: hätte er von der Täuschung gewußt, so würde er den Geschlechtsverkehr nicht vorgenom­ men haben. Wenn man aber sagen kann: hätte der Getäuschte gewußt, daß er mit einer Jü­ din verkehrt, und hätte er gleichwohl den Geschlechtsverkehr vollzogen, dann kann man den Standpunkt nicht mehr vertreten, daß ihm nichts vorgeworfen werden kann. Vom Standpunkt der Verletzung der Rasse oder der Rasseschändung, wie man es nun nennen will, kann dem Getäuschten natürlich etwas vorgeworfen werden; es kann ihm vorgewor­ fen werden: du hast mit einer Jüdin verkehrt, du hast es zwar nicht gewußt, du wärst aber mit diesem Verkehr auch einverstanden gewesen, wenn du es gewußt hättest, und hast dich daher an der Rasse vergangen, ganz unabhängig von der Frage, ob dich dein Partner getäuscht hat oder nicht. Also vom Standpunkt des geschützten Rechtsguts qua Rasse ist dieser ebenso strafbar wie etwa die Täuschende. Von einem anderen Gesichtspunkt aus gesehen, nämlich von einem eher individuellen Motiv aus gesehen, von der Täuschung aus gesehen, ist natürlich die Täuschende strafbar. Aber wenn man die Sache von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, dann kommt man um die Frage der Kausalität einfach nicht herum. Dann muß man sich fragen: ist denn nun für den einen Teil, der getäuscht worden ist, diese Täuschung auch irgendwie kausal? - , und diese Kausalität wird sich in der Regel nicht feststellen lassen. Ich bin auch der Meinung, daß die Gedanken, die der Herr Graf Gleispach zu der Frage des außerehelichen Geschlechts- [382] Verkehrs in Verbindung zu dem Gedanken der Be­ dingung der Strafbarkeit, wie es vorhin genannt worden ist, der Auflösung der nichtigen Ehe vorgebracht hat, nicht ganz stichhaltig sind; denn wenn man schon sagen muß, wie der Herr Staatssekretär Dr. Freisler meines Erachtens mit Recht gesagt hat: der Wunsch der Beteiligten, zusammenzubleiben, muß hier doch ausschlaggebend sein, um wieviel mehr muß man das in einem Falle sagen, wo der außereheliche Geschlechtsverkehr in der Weise vollzogen wird, daß beide Teile sagen: es kam uns gar nicht darauf an, welcher Ras­ se wir angehörten, wir hätten auf alle Fälle geschlechtlich miteinander verkehrt. Ich glaube, daß da irgendeine Konsequenz gezogen werden muß. Ich bin also der Meinung, daß man um die Frage der Kausalität gar nicht herumkommt. Man muß sich dahin entscheiden, ob man hier einen reinen Betrugsparagraphen aufziehen will, der ein spezifisch individuelles Motiv hat; dann kommt man um die Kausalität nicht herum. Oder man muß eben sagen: wir schützen die Rasse schlechthin. Die Konsequenz ist dann aber auch die, daß der Ge­ täuschte, der, wenn er von der Täuschung gewußt hätte, den Geschlechtsverkehr gleich­ wohl vollzogen hätte, strafbar ist, und das ist der Gedanke, den der Herr Minister vorhin mit dem Beispiel des Weißen und der Negerin angedeutet hat, die miteinander verkehren; es ist nur eine Sublimierung dieses Gedankens. Ich glaube, darüber muß man sich klar werden. [383] Professor Dr. Nagler (Breslau): Was zunächst den Tatbestand als solchen anlangt, so scheint mir der Fall so zu liegen: der Grundtatbestand ist nicht strafbar, sondern ein quali­ fizierter Tatbestand. Es handelt sich also um einen Ausschnitt aus der Rassevermischung. Würden wir die Rassevermischung schlechthin bestrafen, so würden die Fälle, die wir jetzt erfassen wollen, als qualifiziert erscheinen. Ich würde nicht mit dem objektiven Strafbar­ keitsmerkmal arbeiten, sondern wie heute bei der Kuppelei damit arbeiten, daß nur der qualifizierte Fall für strafbar erklärt wird. Sodann die Frage des Kausalzusammenhanges. Was die Ehe anbelangt, so scheint mir der Kausalzusammenhang notwendig zu sein. Auf Seite 48 der Denkschrift heißt es ja: „mittels der Täuschung zur Eingehung der Ehe verleitet worden ist". Die Verleitung - dar­ über ist gar kein Zweifel - ist ein Kausalzusammenhang.

Nun ist die Frage, ob man bei außerehelicher Vermischung den Tatbestand parallel for­ men will. Bei der Ehe wird man an der Verleitung doch wohl festhalten müssen, weil ohne­ hin nicht die Auflösung der Ehe erreichbar wäre, denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es: wenn er durch die Täuschung bestimmt worden ist. Also hinsichtlich des Ehetat­ bestandes ist der Kausalzusammenhang nach meinem Dafürhalten ganz zweifellos, und die einzige Frage, die wir hier zu entscheiden haben, ist, ob wir bei außerehelicher Vermi­ schung weitergehen sollen, also schon die bloße Täuschung ausschlaggebend sein lassen, aber auf den Irrtum des Partners nicht eingehen. [384] Staatsssekretär Dr. Freister: Meine Herren, ich bin in dem letzten Punkt anderer Meinung. Es folgt daraus, daß die Ehe nur für nichtig erklärt werden kann, wenn der Ge­ täuschte durch die Täuschung zum Abschluß der Ehe bestimmt worden ist, keineswegs, daß wir uns strafrechtlich auf denselben Standpunkt stellen müssen. Ich nehme folgendes Beispiel: die Ehe wird nicht für nichtig erklärt, sondern sie wird geschieden, weil sich der betreibende Teil während des Ehescheidungsprozesses auf Ehebruch stützt; aus irgend­ welchen Gründen bringt er das andere nicht vor. Dann ist das Band der Ehe gelöst. Nach meiner Meinung soll dann die Tatsache, daß seinerzeit einer der beiden Ehegatten - gleich­ gültig, ob der, der die Scheidung betrieben hat, oder der andere - über die Rassezugehörig­ keit des anderen getäuscht worden ist, die Grundlage für die Bestrafung des Täuschenden bieten. Ich bin nicht der Meinung, daß die Tatsache, daß ich die Nichtigkeit der Ehe nur herbeiführen kann, wenn ich mich überhaupt auf diesen Grund stütze, daß ich ausführe: ich bin durch die Täuschung zur Eingehung der Ehe bestimmt worden, - ich bin nicht der Meinung, daß das bedingt, daß wir strafrechtlich ebenso verfahren. - Auch Ihre Gedan­ ken, Herr von Dohnanyi, kann ich nicht anerkennen. Meiner Meinung nach machen Sie den einen Fehler: Sie fragen nicht, ob der Getäuschte strafbar ist, sondern Sie fragen, ob er strafbar wäre. Noch niemand ist bestraft worden, weil er strafbar gewesen wäre. Sie gehen so vor, daß Sie sagen, ein Vorwurf ist unter Umständen auch dem anderen, dem Getäusch­ ten zu machen, nämlich dann, wenn er auf des Richters Frage: hättest du auch dann, wenn Du gewußt hättest, daß der andere ein Jude ist, Dich mit ihm eingelassen, antworten müß­ te: ja, ich hätte es auch getan. Für diesen Fall, sagen Sie, ist dem Getäuschten auch [385] ein Vorwurf zu machen. Das ist noch richtig. Aber was für Folgerungen hat denn das? Ich ha­ be noch nicht erlebt, daß jemand bestraft worden ist, weil jemand, als er an einem Hause vorbeiging, hätte sehen müssen, daß das Fenster offen ist und er leicht einsteigen konnte. - Nun ist er aber tatsächlich nicht eingestiegen! [386] Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Der Grund meiner Diskussionsbemerkung war der folgende. Wir müssen eben unterscheiden zwischen dem individuellen Rechtsgut der Rassenehre des Einzelnen und dem allgemeinen Rechtsgut der Rassenreinheit des Volks. Nun ist ja mehrfach in der Diskussion - z.B. von Herrn Senatspräsidenten Dr. Klee - gesagt worden - und das war ganz bezeichnend für die Unklarheit, möchte ich einmal sa­ gen, die in dieser Beziehung in der Kommission noch herrscht -, es solle der Andersrassi­ ge davor geschützt werden, daß er getäuscht wird. Das ist meiner Ansicht nach gar nicht richtig. Er soll gar nicht davor geschützt werden, daß er getäuscht wird, sondern die Rasse soll davor geschützt werden, daß aus der Vermischung irgendein Produkt entsteht, das der Rasse abträglich sein kann. Nun, Herr Staatssekretär, ist das, was Sie eben dazu bemerkt haben, nicht richtig, wenn ich so sagen darf. Man kann eben nicht mit Beispielen aus dem Strafrecht argumentieren, bei denen die Strafbestimmung im wesentlichen ein individuelles Rechtsgut schützt. Wenn natürlich jemand betrogen wird und ihn der Richter fragt: hättest du dieses Ge­ schäft auch abgeschlossen, wenn du gewußt hättest, daß du betrogen wurdest, und er Ja sagt, dann ist der Betrogene nicht strafbar; das ist richtig; aber deswegen, weil sein Eigen­ tum, sein individuelles Rechtsgut zur Diskussion stand. Hier aber steht ein anderes Rechtsgut zur Diskussion, nämlich das der allgemeinen Rassereinheit, und es handelt sich darum: erscheint der andere deswegen strafbar, weil er den außerehelichen Geschlechts­ verkehr auch dann vollzogen hätte, wenn er gewußt hätte, daß seine Partnerin eine Jüdin

ist. Diese Frage wird man vom Standpunkt der Rassereinheit unbedingt bejahen müssen. [387] Anders ist es, wenn wir die Strafbestimmung auf individuelle Motive abstellen. Des­ wegen kommt es darauf an. Da müssen wir uns entscheiden. Wir sagen entweder: es han­ delt sich um Rassereinheit des Volks. Dann kommen wir nicht darum herum zu fragen: ist denn nun der Getäuschte auch wirklich zu dem Geschlechtsverkehr nur deswegen ge­ bracht worden, weil er angenommen hat, es handelt sich hier um eine Gleichrassige? Hätte er nämlich sonst auch den Geschlechtsverkehr vollzogen, dann haben wir hier einen ganz fulminanten Bruch, und wir müssen dann sagen: warum bestrafen wir nur die Täuschende und nicht auch den Getäuschten? Dafür ist gar kein gesetzgeberisches Motiv zu sehen. [388] Staatssekretär Dr. Freister: Doch, das Motiv ist zu sehen! Die Sachlage ist doch so: wir sind uns alle darüber klar, daß wir hier nicht ein individuelles Rechtsgut schützen wol­ len, sondern wir wollen die Reinheit unserer Blutsgemeinschaft schützen. Diese Wahl muß meines Erachtens nicht erst von dem Ausschuß getroffen werden, sondern sie ist längst einmütig entschieden. Aber wenn diese Wahl entschieden ist, dann folgt daraus, daß die Täuschung für die Zustimmung des Getäuschten zum Geschlechtsverkehr nicht kausal zu sein braucht. Haben wir diese Wahl einmal getroffen, so folgt das eben ohne weiteres daraus. Ich hatte mich gegen Sie gewandt, weil Sie nämlich merkwürdigerweise aus Ihrer Deduktion den Schluß gezogen hatten, die Täuschung müsse doch für die Zu­ stimmung des anderen zum Verkehr kausal gewesen sein. Das ist aber nicht der Fall. Wenn wir uns über den Zweck dieser Bestimmung klar sind und bleiben, dann dürfen wir nicht in den Fehler verfallen, die Kausalität der Täuschung für die Zustimmung des Part­ ners zu verlangen, und zwar weder beim ehelichen noch beim außerehelichen Verkehr. Nun sagen Sie etwas anderes; jetzt sagen Sie: wenn wir diese Wahl treffen, dann folgt daraus wiederum konsequent, daß wir auch denjenigen bestrafen müssen, der ungetäuscht mit einem Fremdrassigen Geschlechtsverkehr treibt. (Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Weil es auf die Täuschung gar nicht mehr ankommt! Es ist ganz gleichgültig, ob er getäuscht wird!) - Das ist auch nicht richtig, weil wir hier doch einfach vor der Frage ste­ hen, wieweit wir auf Dinge, die uns unerwünscht sind, strafrechtlich reagieren wollen. Der geschlechtliche Verkehr eines [389-400] Fremdrassigen mit einem deutschen Mädchen ist uns unerwünscht. Der geschlechtliche Verkehr eines Fremdrassigen mit einem deutschen Mädchen, bei dem der Fremdrassige sich des Mittels einer arglistigen Täuschung bedient hat, ist uns noch viel unerwünschter. Nun ist das eine Frage, bei der die verschiedensten Gesichtspunkte mitsprechen, ob wir auch schon in dem ersten Falle strafrechtlich ant­ worten wollen oder erst in dem schwereren zweiten Falle. Ich habe die bisherige Ausspra­ che und auch die Beschränkung der Aussprache durch den Herrn Reichsminister dahin aufgefaßt, daß wir über die Frage des Geschlechtsverkehrs eines Fremdrassigen mit einer Deutschen, von allem Drum und Dran abgesehen, nicht diskutieren wollen, da es höchst­ wahrscheinlich nicht erwünscht ist, das unter Strafe zu stellen. [401] Ich bin also der Meinung, wir handeln gar nicht inkonsequent, sondern wir haben konsequent eine bestimmte Richtung verfolgt. Wir sind uns klar darüber, daß der Ge­ schlechtsverkehr eines Fremdrassigen mit einer Deutschen unerwünscht ist, und haben uns dann gefragt, in welchen Fällen wir diesen unerwünschten Verkehr auch unter Strafe stellen wollen. Da sind wir wiederum dem treu geblieben, was Sie eben ausgeführt haben, nämlich daß wir nicht ein individuelles Rechtsgut, sondern die Rasse in ihrer Reinheit schützen wollen. Wir sind deshalb nicht in den Fehler verfallen, zu verlangen, daß die Täu­ schung für die Zustimmung des anderen kausal gewesen ist. Diese Regelung hat nach meiner Ansicht durchaus nicht etwas sich selbst Widersprechendes in sich. [402] Professor Dr. Dahm (Kiel): Herr Staatsekretär, ich bin ganz derselben Meinung wie Sie und glaube, daß das, was Herr von Dohnanyi ausgeführt hat, nicht zutreffend ist. Wir sind uns doch darüber klar, daß das Ganze, was wir hier aufgerichtet haben, ein gewisser Notbau ist. Das Ideal ist die Bestrafung der geschlechtlichen Verbindung zwischen Ariern und Nichtariern schlechthin. Wir sind aber gezwungen, gewisse Einschränkungen vorzu­ nehmen, und haben das Merkmal der Täuschung vorgesehen. Es ist meiner Meinung nach

eine reine petitio principii, daß wir nun einen Täuschungstatbestand nach Art der Ehe­ erschleichung sich darum, aus dem großen Kreis der an sich strafwürdigen Personen, die die Reinheit unserer Rasse schädigen, eine bestimmte Gruppe herauszugreifen, die besonders strafwürdig handelt und eine besonders strafwürdige Gesinnung an den Tag legt. Es handelt sich gar nicht darum, daß die geschlechtliche Verbindung erschlichen wird, sondern darum, daß Personen durch geschlechtlichen Verkehr, gleichgültig, ob ehelich oder unehelich, die Rasse beeinträchtigen und dabei eine Täuschungshandlung begehen. Der Kausalitätsgesichtspunkt hat damit gar nichts zu tun. [403-420] Professor Dr. Nagler (Breslau): Der Kausalitätsgesichtspunkt ist durch die W endung „verleiten" hereingebracht worden. W enn wir uns darauf einigen, den Tatbe­ stand nicht auf „verleiten" zu formulieren, haben wir freie Hand. Nun fragt es sich, wie weit wir die Qualifizierung treiben wollen. Es wird ein Ausschnitt aus der Rasse­ vermischung unter Strafe gestellt, qualifiziert durch das Mittel. Nun fragt sich, wie weit das Mittel gewirkt haben muß. Lassen wir es bei der Täuschung bewenden, oder for­ dern wir auch Irrtum? Das ist eine rein kriminal-politische Frage. Man kann sich, wenn man nicht mehr den Zwang durch das „Verleiten" hat, natürlich im Sinne des Herrn Staatssekretärs Freister entscheiden. [421] M inisterialdirektor Dr. Dürr: Herr von Dohnanyi hat sich für seine Ansicht, daß ein Kausalzusammenhang bestehen müsse, auch auf mich berufen; ich hätte mich in dem glei­ chen Sinne geäußert. Das ist nicht richtig. Ich habe nur gesagt, bei der käuflichen Liebe wird ein arglistiges Verschweigen und eine Täuschung überhaupt nicht vorkommen. Aber ich ha­ be es ausdrücklich und absichtlich vermieden, hier den Kausalzusammenhang zu erwähnen. Ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß wir den Kausalzusammenhang nicht verlangen dürfen. Aber wir m üssen da einen Schritt weitergehen. Schon als der Herr M inister die Frage auswarf, ob Voraussetzung der Strafbarkeit bei der Herbeiführung der Eheschließung die A uflösungder Ehesei,hatteichm irgesagt:nein,siedarfnichtdie Voraussetzungsein. Ichhabe mich dann, als der Herr Staatssekretär sprach, seiner Ansicht im Innern angeschlossen und kom m enundoch wiederauf meinen ursprünglichen Standpunktzurück. W enn wirunssagen, wir wollen nur einen erschwerten Fall der geschlechtlichen Verbindung verschiedenartiger Rassen treffen, wir wollen nicht den Getäuschten schützen, dann dürfen wir auch nicht die A uflösung der Ehe zur Voraussetzung der Strafbarkeit machen. Allerdings wird ja praktisch ein Strafverfahren kaum je eingeleitet werden, solange die Ehe besteht. Aber es ist reinlicher, wenn wir die Auflösung der Ehe nicht zur V oraussetzung machen, sondern sagen: W enn die Ehe nicht aufgelöst wird, dann wird entweder keine Anzeige erstattet, oder der Ehegatte wird das Zeugnis verweigern; infolgedessen wird der Tatbestand nicht festge- [422] stellt werden. Ich meine also, wir sollten davon absehen, die Auflösung der Ehe zur Voraussetzung zu ma­ chen. Das wäre ein wichtiger Unterschied dieses Tatbestandes von dem Tatbestand der Eheer­ schleichung. Die Bestrafung erf olgthier nicht wegen Erschleichung der Ehe, sondern weil un­ ter Verwendung des verwerflichen und besonders gefährlichen Mittels der Täuschung eine geschlechtliche Verbindung zwischen Angehörigen verschiedener Rassen eingetreten ist. [423] M inisterialrat Dr. Schäfer. Das ist altes ganz schön, aber so lange der Staat die Ehe für gültig erklärt, kann man den Geschlechtsverkehr in der Ehe nicht unter Strafe stellen. [424] Reichs justizm inister Dr. Gärtner. Die letzte Auffassung des Herrn Ministerialdi­ rektor Dr. Dürr hat den unbestreitbaren Vorzug der Konsequenz. Ob es lebensmöglich ist, ist eine andere Frage. [425-440] M inisterialdirektor Dr. Dürr. In dem anderen Fall sagt man: Solange die Ehe fortbesteht, kann wegen einer Straftat, die zur Ehe geführt hat, nicht bestraft werden. Das Vergleichsobjekt wäre, daß ein Heiratsschwindel verübt worden ist und die Ehe fortbe­ steht; dann kann trotzdem wegen dieses Betrugs bestraft werden. (Ministerialrat Dr. Schä­ fer. Das ist ein ganz anderer Fall!)15

15 Neufassung des Redebeitrages von Dürr oben S. 262.

Darauf wird die Beratung auf den Nachmittag vertagt. (Pause von 2 Uhr 9 Minuten bis 4 Uhr 38 Minuten.) [441] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Wenn ich recht den letzten Eindruck mitgenom­ men habe, so war die Erörterung wieder eine solche über den Grundtatbestand, den Aus­ gangstatbestand. Das ist aber nicht überraschend; denn ich glaube, wir haben es uns trotz der langen Dauer der Erörterung etwas zu leicht gemacht. Ich darf von Folgendem ausgehen: Das Normale, Einfachste, dem Grundgedanken des Rasseschutzes am meisten Entsprechende wäre, den Verkehr Fremdrassiger untereinan­ der, sei es innerhalb, sei es außerhalb der Ehe, unter eine Strafe zu stellen. Erste These: das geschützte Rechtsgut wollen wir die Reinheit der Rasse stellen.16 Zweite These: für den Fall, daß das nicht geht, gibt es zwei Möglichkeiten. Erste Möglichkeit: entweder über­ haupt gar nichts in das Strafgesetzbuch darüber hineinzuschreiben. Diese Möglichkeit ist aus triftigen Gründen abgelehnt worden. Zweite Möglichkeit: hilfsweise etwas anderes hineinzuschreiben. Da sind wir nun jetzt, glaube ich, im lebhaftesten Meinungsaustausch darüber, ob dieser Ersatztatbestand sich dem Ehebetrug nähern soll, oder ob er sich dem nicht in die Erscheinung tretenden Grundtatbestand nähern soll. Das hat sich wohl deut­ lich herausgestellt: je mehr sich ein solcher Ersatztatbestand dem Ehebetrug nähert oder am Ende gar eine Spezialisierung des Ehebetrugs darstellt, umso weiter würden wir uns von der Idee des Rassenschutzes entfernen. Nun will ich mal annehmen: zwei Fremdrassige verkehren miteinander, eine Täu­ schung findet gar nicht statt. Das ist der Fall von den Mulattenbuben von Kempten. Dann fällt das gar nicht in den Strafbereich. Oder: zwei Fremdrassige verkehren miteinander, [442] und die Frauensperson erklärt: das weißt du doch, das ich ein Judenmädchen bin. Der andere verkehrt trotzdem damit. Dann fällt das wiederum nicht unter den Straftatbestand, oder: zwei Fremdrassige verkehren miteinander, und es wird über die Rasse gar nichts ge­ sprochen, niemand interessiert sich eigentlich dafür, und die Frage, ob der auch verkehrt hätte, wenn er es gewußt hätte, daß der andere fremdrassig ist, kann man vernünftigerwei­ se gar nicht stellen. Würde das dann - jetzt scheiden sich die Wege - nach diesem Entwurf strafbar sein? Ja. Also wer offen, frei und schamlos sich mit dem Fremdrassigen vermischt, fällt außerhalb des Strafrechts, wer dasselbe tut, ohne daß er vielleicht einen Grund hat, sich um die Rasse zu kümmern, sollte strafrechtlich verfolgt werden. Ich weiß nicht, ob das noch recht zusammengeht. So wäre doch das Dessin jetzt, wo wir das Täuschungsmoment ausgelassen haben. Die Frage, ob getäuscht worden ist oder nicht, soll gar keine Rolle spie­ len, sondern es wurde dabei die Zugehörigkeit zur fremden Rasse verschwiegen oder eine falsche Auskunft darüber gegeben. Das wollen wir aber weglassen, sondern nur: es wurde darüber überhaupt nicht gesprochen. Der soll strafbar sein. Und der offene, freie Verkehr mit dem Angehörigen der fremden Rase würde aus dem Rahmen herausfallen. Ich habe heute Vormittag schon angedeutet, warum ich da solche Schwierigkeiten sehe. Denn den offenen, freien und schamlosen Verkehr mit dem Neger oder mit den Anders­ farbigen könnte man nach diesen Vorbildern meiner Meinung nach, wenn man wollte, un­ ter eine Strafdrohung bringen. Die Schwierigkeiten im Politischen liegen auch nicht bei der Negermischung und nicht bei der [443-460] Farbigenmischung, sondern bei den anderen Mischungen. Da stelle ich nun noch einmal die Frage: kann man hier differenzieren und sonst von der fremden Rasse allgemein sprechen? Das scheint mir auch etwas zweifelhaft zu sein. Aber der Punkt, um den die Gedanken zu kreisen haben, ist dieser: geht das noch sinn­ voll zusammen: wenn offen und frei zwei Angehörige fremder Rassen miteinander ver­ kehren, Kinder erzeugen und die spazierenführen, was ein himmelschreiendes Ärgernis ist, so erreicht das das Strafrecht nicht; wenn dagegen zwei Fremdrassige miteinander ver-

16 In der verbesserten Fassung heißt es: Erste These: das geschützte Rechtsgut ist die Reinheit der Ras­ se.

kehren und dabei über die Rassezugehörigkeit keine Frage gestellt und überhaupt nicht ge­ sprochen wird, so soll das strafbar sein. Ich könnte mir kriminalpolitisch und erzieherisch vielleicht eines noch herausdestillie­ ren. Das wäre das: wenn die oder der Angehörige einer fremden Rasse die Absicht hat, mit irgend jemand zu verkehren, so muß er eigentlich innerlich sich sagen: du mußt dich aber vorher deklarieren, du mußt deinem Partner sagen, ich mache dich darauf aufmerksam, daß ich ein Jude oder ein Judenmädchen bin. Tust du das nicht, so ist die Sache gefährlich. Das wäre das einzige, was ich aus dieser Regelung überhaupt herausdestillieren könnte, was eine gewisse Wirkung hat. Aber strafrechtlich ist es, muß ich offen sagen, eine ver­ trackte Zeichnung. Ich bitte, die Geduld nicht zu verlieren, wenn wir jetzt wieder beim Grundtatbestand angelangt sind. Aber ich glaube doch, die ganze Debatte hat ergeben, daß auf den Grundtatbestand alles und jedes ankommt. [461] Die Sache wird in demselben Augenblick anders, wo wir den Tatbestand auf die Täuschung abstellen. Dann kommen wir allerdings dazu, nicht eine Rassenreinheits­ schutzbestimmung zu schaffen, sondern eine Individualschutzbestimmung, die sich aber in der Sphäre der Rassenvermischung bewegt. An sich ist das wieder eine logische Gliede­ rung, wenn ich von Ehebetrug und Verkehrstäuschung in bezug auf die Rassenzugehörig­ keit ausgehe. Ich würde mich über das theoretische Bedenken, daß das kein Rassenschutz ist, daß das angegriffene Rechtsgut eigentlich nicht die Rassenreinheit ist, leicht hinweg­ setzen. - Ich wäre dankbar, wenn sich die Herren dazu äußern wollten. Alle anderen Fragen ordnen sich dieser Frage verhältnismäßig leicht unter. Die Kausali­ tät dieser Täuschung ist nichts anderes als die juristisch-technische Wendung derselben Frage. Ich wäre dankbar, wenn wir uns hier zu einem vernünftigen und handgreiflich brauchbaren Ergebnis durchringen könnten. Ich sehe bei der letzten Wendung der Auffassungen die Schwierigkeit darin: Wenn wir das Verschweigen gar nicht als kausal ansehen wollen, sondern als eine objektive Bedin­ gung der Strafbarkeit, dann tritt der Zustand ein, von dem ich jetzt gerade ausgegangen bin. [462] Professor Dr. Kohlrausch (Berlin): Ich wollte wegen des letzten Beispiels eine Frage stellen. Wenn zwei Fremdrassige miteinander verkehren und die Frage der Rassenver­ schiedenheit gar nicht zur Sprache kommt, müssen wir doch verschiedene Möglichkeiten des subjektiven Tatbestandes unterscheiden. Erste Möglichkeit: sie halten sich für gleich­ rassig, dann fehlt selbstverständlich die Strafbarkeit. Zweite Möglichkeit: sie wissen beide, daß sie fremdrassig sind, es wird aber nicht darüber gesprochen; dann haben wir den Fall, von dem die ganze Diskussion ausgeht, und von dem wir heute vormittag meinten, daß ei­ ne Strafbarkeit zur Zeit politisch oder sonst untragbar sei. Es bleibt also der Fall übrig: sie sind beide fremdrassig, gesprochen wird darüber nicht, der eine weiß von der Fremdrassigkeit, der andere nicht. Nur dieser Fall kann es sein, der Schwierigkeiten macht. Ich wäre dankbar, wenn aufgeklärt würde, ob das der Unterfall ist, der übrigbleibt. (Ministerialdi­ rektor Schäfer: Einschließlich des Eventualdolus!) - Das wollen wir dahingestellt lassen. Je­ denfalls ist der Grundfall, wenn beide Bescheid wissen, der, den wir aus politischen Grün­ den straflos lassen wollen. Wenn beide von nichts wissen und nicht darüber gesprochen wird, könnte das natürlich der Grundfall mit Eventualdolus sein. Es kommt also wohl nur der Fall in Betracht, daß beide fremdrassig sind, der eine es weiß und der andere vollkom­ men gutgläubig ist. (Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ja, das ist der Fall, um den es sich handelt.) [463] Wenn ich mir diesen Fall überlege, habe ich das Gefühl, daß es unmöglich ist, eine positive Aufklärung zu erlangen, so daß wir nur irgendeine ausdrückliche oder konklu­ dente Täuschung strafen können. In dieser Täuschung sehe ich auch den Grund für das Eingreifen des Staates. Ich glaube, daß hier auch diejenigen, die den Grundfall grundsätz­ lich straflos lassen wollen, für Strafbarkeit sind, weil die Täuschung natürlich heutzutage eine Gemeinheit ist. Wenn man den Fall vom Standpunkt des Rassenschutzes aus ansieht, ist die Strafbarkeit natürlich auf der Seite dessen vorhanden, der Bescheid weiß. Man kann

ihn aber auch vom Standpunkt der gemeinen Täuschung ansehen; dann ist er auch straf­ bar, selbst wenn man an sich die Rasse nicht für ein geeignetes Objekt primären Straf­ schutzes hält, denn eine solche Täuschung ist heutzutage deshalb eine Gemeinheit, weil die Sache für den anderen unter Umständen unerträglich ist, ja, geradezu dazu führen kann, daß das Mädchen, das so getäuscht wird, ins Wasser geht. Wenn man den Fall rassenmäßig umdreht, wird es von unserem Standpunkte aus schwieriger, einen Straf gründ zu finden, wenn etwa dem Mädchen bekannt wird, daß sie mit einem Juden verkehrt hat. Ich gebe zu, daß eine gewisse Gerechtigkeit und Anständig­ keit gegenseitig verlangt werden muß, aber ich würde niemals strafen bei Nichtaufklä­ rung, sondern nur bei positiven Maßregeln zur Täuschung oder bei konkludenten Hand­ lungen, von denen der Betreffende weiß, daß sie täuschend wirken. [464-480] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Ich glaube, der springende Punkt ist genü­ gend klar herausgestellt. Sobald Sie diese Konstruktion wählen, auf die wir heute vormit­ tag vor den Angriffen von Herrn Dr. von Dohnanyi ziemlich abgekommen waren - das hat sich ja alles erst in der Debatte herauskristallisiert, und jetzt sehen wir, daß das ganz verschiedene Dinge werden -, ist die Folgerung, die sich daraus ergibt, ganz klar. [481] Wer darüber täuscht, begeht eigentlich eine ganz besondere Gemeinheit, tut auch dem anderen ein großes Übel an, auch vom Standpunkt der Rassereinheit aus. Es ist eben die Frage, ob wir diese Konstruktion wählen, die mir noch als die eingänglichste erscheint trotz der methodologischen Bedenken, die man dagegen äußern kann. Ich sehe eine andere Konstruktion vorläufig nicht, die uns nicht zu einem Luftergebnis führt, das, verglichen mit den Fällen, die ich angeführt habe, von keinem anderen Menschen verstanden wird, während der Begriff der Täuschung eingänglich und verständlich ist. Das versteht jeder. [482] Professor Dr. Mezger (München): Ich wollte nur noch einmal sagen, daß ich nach wie vor der Auffassung sein muß, daß das Erfordernis der Kausalität das ganze Delikt doch so wesentlich verschiebt, daß mir das Erfordernis nicht angängig erscheint. Es ist charakteristisch, daß sofort die Parallele zum Betrug aufgetaucht ist. Wenn man von dem Erfordernis der Kausalität absieht, dann sind die letzten beiden Möglichkeiten noch her­ auszustellen. Denn ich verstehe die positive Fassung von Herrn Professor Kohlrausch so, daß zwei Täuschungshandlungen vorliegen müssen, ohne daß aber im Einzelfall der Nach­ weis der Kausalität in der Täuschung gefordert wird. Das ist eine etwas mildere Form ge­ genüber derjenigen, die heute früh zur Diskussion stand im Sinne einer reinen Bestrafung der unterlassenen Nichtmitteilung. Ich gebe auch weiterhin zu, daß auch da die Bedenken, die der Herr Minister geäußert hat, noch vorhanden sind; aber das hängt mit dieser straf­ rechtlich-technischen immer verfehlten Form zusammen, daß man nur einen qualifizierten Strafbestand17 straft und den Grundstrafbestand nicht. Leider können wir nun einmal aus bestimmten Gründen den Grundstrafbestand nicht bestrafen und müssen deshalb gewisse Unstimmigkeiten, die sich daraus ergeben, mit in Kauf nehmen. Also ich würde der Auf­ fassung sein, daß den Gedanken, die geäußert worden sind, am meisten jene Konstruktion entspricht: der Grundstrafbestand ist ein nicht strafbares Delikt; strafbar wird es erst, wenn noch etwas hinzukommt - da möchte ich mich der milderen Form von Herrn Profes­ sor Kohlrausch anschließen -, nämlich eine positive, ausdrückliche oder konkludente Täu­ schung, deren Kausalzusammenhang mit dem Verkehr der Gegenseite nicht Tatbestands­ merkmal ist. [483] Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich glaube, es kommt weniger auf die Kausali­ tätsfrage an als auf den subjektiven Tatbestand, den wir beim Täter voraussetzen wollen. Wenn wir nämlich auch die Kausalität einführten, so würde doch nach unserem Unterneh­ mensbegriff es immer nötig sein, auch dann zu bestrafen, wenn die Täuschung keinen Er­ folg gehabt hat, d. h. also, wenn die Verbindung auch eingegangen worden wäre ohne die täuschende Handlung; denn wenn der Täter arglistig verschweigt, daß er einer anderen

17 Später verbessert in „Tatbestand" und im folgenden in „Grundtatbestand" (dreimal).

Rasse angehört, so braucht das noch nicht den Erfolg zu haben, daß die andere Person nun gerade dadurch bestimmt wird, die Ehe oder eine geschlechtliche Verbindung einzugehen. Es würde sozusagen das Unternehmen der Verleitung sein. Aber es würde nicht möglich sein, schon den zu bestrafen, der nur verschweigt, daß er einer anderen Rasse angehört als der Partner, sondern es muß hinzukommen, daß er sich sagt, daß der andere, wenn er es wüßte, mit ihm diese Verbindung nicht eingehen würde. Deswegen würde ich vorschla­ gen, doch hineinzuschreiben „arglistig verschweigt". Ich würde allerdings nicht für erfor­ derlich halten eine positive Täuschungshandlung, sondern auch schon eine Unterlassung würde m. E. genügen, vorausgesetzt, daß das Merkmal der Arglist eingefügt wird. Dann kommt es auf Kausalität nicht an. Die Auflösung der Ehe mag gefordert werden aus dem Gesichtspunkt, daß es nicht angeht, Leute, die in einer Eheverbindung bleiben wollen, in der Weise auseinander zu reißen, daß der eine von ihnen bestraft wird, aber aus rein prak­ tischen Gründen, wobei mir klar ist, daß nicht wie beim Ehebetrug vorausgesetzt ist, daß die Ehe aufgelöst wird gerade infolge der Täuschung. Das wollen wir nicht. Es sind [484] aber Fälle denkbar, daß sie aus anderen Gründen aufgelöst wird, und dann wäre die Bahn frei für die Bestrafung arglistiger Verschweigung. Daß wir einen Kompromiß machen, darüber sind wir uns alle klar. Ich will mich auch damit abfinden, daß man hier den Nichtarier auch schützt gegen den Arier, aber nur in dem Sinne, daß der Effekt für die Rasse derselbe ist, ob nun der eine oder der andere ge­ täuscht wird. Schön ist das nicht, und jeder wird sagen: Wenn ihr das Ziel verfolgt, die Rassen Vermi­ schung zu verhüten, dann müßt ihr konsequenterweise auf den Grundtatbestand abstellen und diesen unter Strafe stellen. Aber da das heute nicht erreichbar ist, so kann man sich kompromißweise mit diesem Hilfstatbestand sozusagen abfinden. Nur noch ein Wort, wie es mit Ausländern zu halten ist, die sich im Inlande in der Wei­ se vergehen, und wie es mit Deutschen ist, die im Auslande die Tat begehen. Nehmen wir den Fall: Ein Franzose, der nach Deutschland kommt, wird durch eine Jüdin getäuscht: Er hält sie für eine Deutsche, die französisch spricht; sie ist aber Jüdin. Sie hat ihm das argli­ stig verschwiegen. Arglist liegt vor, wenn der andere Teil anders reagieren würde, wenn er die Wahrheit wüßte. Nun, glaube ich, besteht gar kein Interesse bei uns, einen solchen Fall unter Strafe zu stellen. Wir schützen nicht die Rasse an sich, sondern die Rasse, so weit sie sich in der deutschen Volksgemeinschaft verkörpert. Diesen Standpunkt würde ich wenig­ stens für den richtigen halten. Wir haben keinen Anlaß, die französische Volksgemein­ schaft vor Verseuchung durch Vermischung mit anderen Rassen zu schützen, [485] und erst recht hätten wir kein Interesse daran, strafrechtlich einzugreifen, wenn etwa die Jüdin dadurch getäuscht worden wäre, daß der Franzose sich für einen Juden ausgegeben hätte. Deshalb würde ich vorschlagen, in den zu formulierenden Tatbestand eine Bedingung ein­ zufügen, daß nur dann die Täter bestraft werden, wenn die Handlung geeignet war, die deutsche Rassegemeinschaft zu gefährden. Das ist nicht der Fall, wenn ein Ausländer mit einer andersrassigen Person hier in Deutschland verkehrt. Die deutsche Volksgemein­ schaft wird davon gar nicht berührt, die Rassegemeinschaft im engeren Sinn. Würde man die Bestrafung dadurch ausschließen können, daß man als Erfordernis in den Tatbestand hineinschreibt, daß die deutsche Volksgemeinschaft gefährdet sein muß, dann würde auch mein Standpunkt, den ich in erster Linie vertreten habe, besser in die Erscheinung treten. Wie ist es nun mit Deutschen, die im Auslande dasselbe tun, was wir hier für uns in Deutschland auf alle Fälle unter Strafe stellen wollen, die also mit Fremdrassigen im Auslande verkehren unter Verschweigung des Umstandes, daß sie Deutsche sind? Beispiel: Wenn eine jüdische Person, die hier mit einem deutschen Mädchen Beziehungen ange­ knüpft hat, die noch nicht zum geschlechtlichen Verkehr geführt haben, mit dem Mädchen eine Reise in die Schweiz macht, um es dort zum Geschlechtsverkehr mit ihr kommen zu lassen, dann besteht ganz sicher ein Strafbedürfnis. Wir können es nicht zulassen, daß je­ mand einfach ins Ausland reist, da die Tat vollzieht und nachher sagt: Ich habe zwar eure Rasse gefährdet, ich bin aber nicht strafbar, weil ich nach dem Auslande gereist war. Eben-

so können wir nicht [486] Eheschließungen deshalb straffrei lassen, weil sie im Auslande vollzogen worden sind, und nachher kommt das verheiratete Paar nach Deutschland und setzt da seine Ehegemeinschaft fort. Freilich läßt sich das nicht in allen Konsequenzen durchführen. Deutsche, die sich nach dem Orient begeben oder nach Afrika und dort mit fremdrassigen Personen verkehren, sie im Unklaren über ihre Rasseeigenschaft lassen, können wir wohl nicht auf dieselbe Stufe stellen wie deutsche Staatsangehörige, die den Rasseverrat im Auslande in der Weise treiben, wie er mir in dem ersten Beispiele vor­ schwebte. Aber die Unmöglichkeit, die Strafbarkeit durchzuführen bei Deutschen, die im Auslande Rasseverrat treiben, führt nicht dazu, auf die Bestrafung der Auslandstat zu ver­ zichten. Es müßte Sache der Strafverfolgungsbehörde sein, hier in irgendeiner Form ein Ventil zu finden. Grundsätzlich würde ich also dafür eintreten, daß auch die Auslandstat eines Deutschen, soweit er sich gegen den Paragraphen vergeht, unter Strafe gestellt wird. Dagegen würde ich Ausländer, die hier im Inlande gegen dieses Rasseprinzip als solches verstoßen, nicht bestrafen, soweit sie nicht damit gleichzeitig die deutsche Volksgemein­ schaft gefährden. Das würde nur dann der Fall sein, wenn ein französischer Jude hier in Deutschland mit einem deutschen Mädchen verkehren würde. Dann würde ich ihn auch für strafbar halten. Diese Kautel würde ich vorschlagen aufzustellen. [487] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wären Sie in der Lage, Herr Senatspräsident, we­ nigstens im Rohen den Tatbestand in Worten auszudrücken, wie er Ihnen vorschwebt? [488] Senatspräsident Professor Dr. Klee: „Wer bei der Eheschließung oder beim außer­ ehelichen Geschlechtsverkehr arglistig verschweigt, daß er einer anderen Rasse als der Partner angehört, wird so und so bestraft". Dann als Strafbarkeitsbedingung: „Strafe tritt ein, wenn die Handlung geeignet war, die deutsche Rassegemeinschaft zu gefährden". [489-500] Staatsanwalt Dr. von Dohnanyi: Ich wollte noch einige Bemerkungen, zu de­ nen ich heute Vormittag nicht gekommen bin, zur Frage des Rassenverrats machen, und zwar lediglich Bemerkungen, die sich auf dogmatische Schwierigkeiten beziehen, die, glaube ich, außerhalb und neben der Schwierigkeit des Kausalzusammenhangs noch ent­ stehen, vor allem, wenn man sich die Unstimmigkeit, die der Herr Minister eingangs ange­ führt hat, vor Augen hält, die Unstimmigkeit, die darin besteht, daß derjenige strafbar sein soll, der mit einem anderen geschlechtlich verkehrt und dabei verschweigt, daß er einer an­ deren Rasse angehört, dagegen derjenige nicht, der das ganz offen tut. Die Schwierigkeit scheint mir auch in folgendem zu liegen: Man stelle sich den Fall vor, daß der Angeklagte behauptet, der Partner sei mit dem Akt einverstanden gewesen. So, wie wir die Dinge formuliert und vorgeschlagen haben, wäre es ganz klar, daß, wenn der Geschlechtsakt in der Weise vollzogen worden wäre, daß beide miteinander gesprochen hätten, dann eine strafbare Handlung nicht vorliegt. Daraus muß man die rechtliche Folge­ rung ziehen, daß das Einverständnis des Partners, der sagt: „Ich weiß zwar, daß du anderer Rasse bist, aber gleichwohl will ich geschlechtlich mit dir verkehren", die Strafbarkeit der Handlung ausschließt. Das ist eine eigentümliche Konsequenz, eine Rechtslage, die mit al­ ledem, was wir bisher in der Kommission bezüglich der Einwilligung beschlossen haben, in einem nicht zu vereinbarenden Gegensatz steht, und die den strafrechtlichen Schutz des Gemeingutes der Rassenreinheit - das ist, glaube ich, die notwendige rechtliche Konse­ quenz, die man daraus ziehen muß - zur Disposition der an dem Geschlechtsakt Beteilig­ ten stellt. [501] Wenn die Jüdin zu dem Arier sagt: ich bin zwar Jüdin, willst du mit mir verkehren, und der Arier einverstanden ist, dann ist die Strafbarkeit dieser Handlung beseitigt, also der strafrechtliche Schutz der Rassenreinheit steht damit zur Disposition des einen Part­ ners. Eine weitere Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, ist die: wie ist es dann, wenn in der Hauptverhandlung der Angeklagte behauptet, er habe sich über die Einwilligung des an­ deren geirrt? Nun könnte man sagen: dieser Irrtum ist kein straf befreiender Irrtum, so wie die Formulierung durch den Herrn Senatspräsident Klee jetzt vorliegt. Mir ist das sehr zweifelhaft, wenn der Angeklagte behaupten würde, er habe sich über einen Umstand ge-

irrt, bei dessen Vorliegen die Strafbarkeit der Handlung ausgeschlossen wäre; das wäre ein Irrtum über eine Tatsache. Also ich halte es für sehr unwahrscheinlich, ob man diese Konsequenzen, die sich doch aus dem Gesagten ergeben, so auf sich nehmen kann. Im übrigen aber eine weitere Frage. Wenn man selbst annehmen wollte, daß dieser Irr­ tum, den der Angeklagte behauptet, nicht straf befreiend ist, kann man sich dann eigentlich noch auf den Standpunkt stellen, daß diese Handlung strafwürdig erscheint? Wenn das Einverständnis wirklich vorgelegen hätte, sie hätten miteinander darüber gesprochen und hätten dann geschlechtlich verkehrt, dann würde eine strafbare Handlung nicht vorliegen. Wenn guter Grund dafür besteht, daß der eine der beiden Teile sich über das Einverständ­ nis irrt - und einen solchen guten Grund kann man sich sehr leicht vorstellen: sie können sehr lange miteinander bekannt sein, es handelt sich vielleicht um eine sehr große Liebe, die zwischen beiden besteht, bei der dieses Moment keine aus- [502] schlaggebende Rolle spielen würde -, wenn ein solcher Grund besteht, erscheint dann diese Handlung wirklich noch strafwürdig? Also die Frage der dogmatischen Behandlung der Einwilligung in die­ sem Zusammenhang mit dem Irrtum scheint mir doch einer Betrachtung wert zu sein. Schließlich darf ich noch auf eins hinweisen, was eben auch durch Herrn Senatspräsi­ denten Dr. Klee in die Debatte geworfen ist. Man wird sich auch überlegen müssen, ob man hier den § 32 a anwenden, also das Unternehmen mit Strafe bedrohen kann. Wir sind bisher davon ausgegangen, daß der Ehebruch niemals zu einem Unternehmensdelikt ge­ macht werden kann. Ich habe mir die Sache noch nicht genau überlegt, möchte aber zur Er­ wägung geben, ob man hier nicht aus ganz ähnlichen Erwägungen wie beim Ehebruch die Strafbarkeit des Unternehmens ausschließen müßte. [503] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Die letztere Frage taucht natürlich sehr drama­ tisch auf, weil ja hier ähnlich wie beim Ehebruch die Strafbarkeit von der Geschlechtsver­ bindung her abgeleitet wird. Ich wäre aber dankbar, wenn wir das jetzt nicht verfolgen würden; das könnten wir am Schluß anhängen. Ich muß gestehen, daß es ein wenig grau­ sam ist, wenn Herr von Dohnanyi immer wieder mit unerbittlicher Logik darauf hinweist, daß das, was wir jetzt als Rasseschutz machen können, doch nicht der richtige Rasseschutz ist, daß wir also zwischen der Scylla des Rasseschutzes und der Charybdis des Betrugs durchsteuern und stranden müssen. Ich glaube, das Gefühl haben wir alle; das ist ein Ge­ fühl der Insuffizienz, das alle beherrscht, die hier am Tische sitzen; ich würde wenigstens nicht überrascht sein, wenn es so wäre. Denn es ist natürlich, wenn wir es auf Täuschung abstellen, kein Rasseschutz in dem Sinne, wie er eigentlich logisch richtig gefordert wird. Diese Erkenntnis ist jetzt zutiefst in uns hineingesenkt worden. Wenn wir mit dem Wort „Täuschung" operieren, so ist das, glaube ich, keine Abwei­ chung von dem Vorschlag des Herrn Senatspräsidenten Dr. Klee, denn das arglistige Ver­ schweigen soll ja eine Form der Täuschung sein. (Zustimmung.) Aber es kann auch eine Täuschung sein, wenn jemand eine falsche Antwort gibt oder das Gegenteil sagt. Also der Oberbegriff wäre Täuschung. Daran knüpfen sich dann all die Fragen, die Herr von Doh­ nanyi eben aufgestellt hat, also die vorgestellte Einwilligung, die wirkliche Einwilligung, die vermutbare und die nichtvermutbare. Aber, meine Herren, sollte denn die Verwen­ dung des Begriffs „täuschen" wirklich strafrechtlich solche Schwierigkeiten ergeben? -, [504] eines Begriffs, den wir doch anderswo auch haben und seit Jahrhunderten gebraucht haben. Ich hätte eigentlich kein Bedenken, einen solchen Begriff zu verwenden. Das wäre zunächst meine Meinung. Aber das andere steht unwiderleglich fest und kann von niemandem bestritten werden, daß der Rasseschutz, der die Verhinderung der commixio sanguinis zum Gegenstand hat, eigentlich seinem Wesen nach etwas anderes will als das, worum wir hier ringen. Damit müssen wir uns aber abfinden. Das ist meine Meinung. [505] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich bin mir vollkommen darüber klar, daß Sie jetzt vor allen Dingen über den Begriff der Täuschung sprechen. Ich möchte aber doch bitten, ein­ mal außerhalb des Protokolls etwas sagen zu dürfen. Ich habe gestern abend von der Sit­ zung erfahren und habe nur noch Gelegenheit gehabt, mit Herrn Ministerialdirektor

Dr. Glitt, der ja zunächst aufgefordert war, über diese Fragen zu sprechen, und ich habe bei der Besprechung mit Herrn Ministerialdirektor Dr. Glitt das Empfinden gehabt, daß man aus Gründen, die ja hier schon sehr viel erwähnt worden sind, das gesetzliche Festle­ gen des Begriffs „rassefremd" überhaupt schon außerordentlich fürchtet. Ich habe vor kurzem - ich kann ja hier nur meine persönliche Meinung sagen - , die Erfahrung gemacht, daß bei einem Vortrag, den ich für den Internationalen Frauenkongreß zu rezensieren hat­ te, die zuständige Stelle im Reich auf dem Standpunkt stand, daß der Aufbau dieses Vor­ trags auf den Begriff des Rassegedankens nicht erwünscht sei. Das ging also so weit, daß sogar nicht gewünscht wurde, einen Vortrag in einem Internationalen Frauenkongreß, der in Berlin stattfindet, zu halten, der auf dem Begriff des Rassegedankens aufgebaut war. In­ folgedessen verfolge ich - ich muß einmal ganz offen sprechen - Ihre Verhandlungen mit einem gewissen Herzklopfen, weil ich immer noch glaube, daß wir leider noch gar nicht die Voraussetzung für das geschaffen haben, was die Grundidee ist. Der Herr Reichsmini­ ster hat eben so schön ausgeführt: es ist ein unvollkommener Rasseschutz, der getrieben wird, und umgekehrt wird selbst dieser unvollkommene Rassenschutz vielleicht wieder zu größeren Schwierigkeiten führen, die unserem zuständigen Amt nicht erwünscht sind. Deswegen habe ich immer noch den Gedanken, ob man [506] diese Spezialfragen eben nicht in eine allgemeinere Form bringen könnte, insofern, als man eben sagen würde: wer den Gesetzen usw. zuwiderhandelt, die zur Erb- und Rassepflege, - vielleicht auch: die zum Schutz, zur Förderung und zur Erhaltung des deutschen Erbgutes erlassen sind und erlassen werden, wird bestraft- denn vorläufig wissen soundsoviele überhaupt noch nicht, ob sie rassefremd sind oder ob sie zur Rasse gehören. Dagegen besteht doch die Auffas­ sung, diese Frage erstens in der Ehegesetzgebung zu regeln und zweitens diejenigen, die rassefremd sind, nicht in die Volksgemeinschaft aufzunehmen. In dem Moment, wo der Betreffende, obgleich er in Deutschland wohnt, nicht in die Volksgemeinschaft einge­ schlossen ist, weiß er, daß er rassefremd ist, und wenn er dann, wenn er eine Ehe eingehen oder Geschlechtsverkehr treiben will, verpflichtet ist, eine Erklärung abzugeben, dann würden ja die Voraussetzungen viel leichter sein. Der Herr Ministerialdirektor hat mich beauftragt zu sagen, daß ich, wenn dieser Begriff der Rassefremdheit in das Gesetz hinein­ kommt, betonen müßte, daß unbedingt das Auswärtige Amt darüber von uns noch zur Stellungnahme gebeten werden muß. Ich gebe das wiederum nur außerhalb des Protokolls zur Kenntnis. Sie sagten vorhin, daß Ihnen der Hilfeschrei einiger Referenten gewisse Be­ klemmungen verursacht. Das geht mir auch so: ich suche innerlich noch nach einem Aus­ weg, die Sache nicht zu sehr zu spezialisieren; und da muß ich noch an etwas denken, was uns letztens ein Amerikaner gesagt hat. Er erklärte: wir machen doch auch das, was ihr macht, aber warum schreibt ihr das alles so deutlich in eure Gesetze? (Staatssekretär Dr. Freister. Die Amerikaner schreiben es doch noch viel deutlicher hinein!) [507] - Damit ich nicht mißverstanden werde: ich wollte gerade sagen, daß ich damit nicht einverstanden bin. Aber umgekehrt ist es Tatsache, daß der Boykott im Ausland zum großen Teil dadurch gekommen ist, weil die Gesetze teilweise schon früher bekannt waren, ehe die eigentliche Wirkung überhaupt eingetreten und übersehen war, so daß die Wirkung zum Teil noch als größer gefürchtet wurde, als sie in Wirklichkeit beabsichtigt war und in Wirklichkeit her­ auskam. Ich möchte nur noch einmal sagen, daß ich mich heute insofern in einer schwierigen Si­ tuation befinde, als ich keine offizielle Erklärung über diese Sache abgeben kann und um­ gekehrt doch so in der ganzen Sache darinstehe, daß ich immer wieder sagen muß: die Voraussetzungen für die Spezialparagraphen sind nachher sehr schwierig festzustellen, ob nämlich der Mann überhaupt gewußt hat, daß er rassefremd war, und ob er es dann ver­ schwiegen hat. [508] Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Diese letzteren Befürchtungen sind unbegrün­ det; denn eine arglistige Täuschung und ein arglistiges Verschweigen kann man dann doch wohl nicht annehmen, wenn der Mann gar keine Ahnung gehabt hat, daß er fremd­ rassig ist. Gerade das würde durch einen solchen Tatbestand, wie ihn der Herr Staatssekre-

tär Dr. Freister nachher zu entwickeln die Liebenswürdigkeit haben wird, aus dem Wege geräumt. Ich fasse Ihre Ausführungen, Herr Ministerialrat Möbius, dahin auf, man möge in For­ mulierungen des Strafrechts nicht eine Schwierigkeit schaffen, die gleichermaßen die gan­ ze deutsche Politik angehen würde, aber auch die Sachverständigen für Rassefragen in ei­ ne schwierige Lage bringen würde. Das Wunschbild, das der Herr Ministerialrat am fer­ nen Horizont gezeigt hat, ist, daß man, um einmal diesen Ausdruck zu gebrauchen, die Staatsbürger und die Fremdrassigen in der Form scheiden würde, daß diese dem deutschen Staatsverband in einer minderen Art angehören. Das ist die alte Idee von vollwertigen Staatsbürgern und Staatsangehörigen. Wenn man sich dieses Wunschbild phantastisch fortgeführt denkt, daß etwa der fremdrassige Mann nicht wie früher ein Abzeichen auf seinem Ärmel, sondern vielleicht einen sichtbaren Stempel auf der Stirn zu tragen hat, dann wäre natürlich die strafrechtliche Regelung sehr einfach. Dann sähe man ja, wer in die Rasse hineingehört. Aber ein solches Wunschbild zu verwirklichen, halte ich für aus­ geschlossen. Können wir das aber nicht und müssen wir uns mit dem begnügen, was wir jetzt überhaupt machen können, so verdichtet sich in mir von Etappe zu Etappe der Debat­ te die Vorstellung, daß es noch das beste ist, wenn wir das auf der Brücke der „Täu­ schung" machen. [509-520] Staatssekretär Dr. Freister: Dieser Ansicht sind wir auch heute vormittag schon gewesen, und ich vermag tatsächlich einen wesentlichen Unterschied der Betrach­ tung von heute nachmittag gegenüber heute vormittag nicht zu erkennen. Ich habe mich nun einmal bemüht, das, was ich mir so als Regelung denke, in Worte zu fassen. Es soll nur eine Skizze sein. „Wer in Deutschland bei Eingehung einer Ehe oder einer eheähnli­ chen Verbindung den Ehegatten über seine Rassefremdheit, sei es auch nur durch Ver­ schweigen, täuscht, wird wegen Rasseverrats bestraft. Die Strafbarkeit setzt voraus, daß die Ehe anders als durch Tod eines der Ehegatten gelöst ist. Ebenso wird bestraft, wer sich zur Erzielung der Zustimmung zum außerehelichen Geschlechtsverkehr einer solchen Täuschung bedient." - Nun ist noch die Frage, ob man einen weiteren Absatz beifügen will oder ob man das nicht ins Strafgesetzbuch hineinschreiben will, sondern in irgendwelche Ausführungsverordnung; es gehört aber meines Erachtens in das Gesetz. „Fremdrassig im Sinne dieser Bestimmungen ist jeder, dessen Vater oder Mutter farbig oder jüdischen Blu­ tes ist". [521] Das ist jedenfalls die Regelung, wie ich sie mir denke, wobei ich beim letzten Ab­ satz noch erklärt habe, daß die Frage ist, wo man es sagt. Ich kann nicht anerkennen, daß diese Regelung zu tatsächlichen Unklarheiten führen würde. Sie ist absolut klar. Ob je­ mand farbig oder in diesem Sinne jüdischen Blutes ist, daß weiß jeder; denn er braucht nur auf seinen Vater und seine Mutter zu sehen. Weiß er es aber in diesem Falle wirklich nicht, dann kann er auch nicht bestraft werden, so daß die Bestimmung dann nicht zum Zuge kommt. Die Bestimmung ist schon soweit eingeschränkt, daß ich mir nicht denken kann, daß ir­ gend jemand dagegen durchschlagende Einwände erhebt. Erstens ist sie auf Deutschland beschränkt. Man kann sehr wohl sagen, daß das gar nicht einmal nötig wäre, daß es viel­ leicht unrichtig wäre. Es ist aber auf alle Fälle geschehen, es steht dort: Wer in Deutschland u sw .. Zweitens ist das Moment der Täuschung sehr deutlich hervorgehoben. Meines Erachtens ändert das allerdings an der Grundeinstellung nicht das Geringste. Persönlich bin ich der Meinung, daß es trotzdem eine echte Rassenschutzbestimmung ist und nicht eine Bestimmung, die um dessentwegen geschehen ist, weil wir jemanden vor einer Täu­ schung schützen wollen. Nur wenn man sich auf diesen Standpunkt nämlich stellt, kommt man zu der Konsequenz, die Herr von Dohnanyi dauernd an die Wand malt. Dann fügt man nämlich zur Täuschung das Bild des Betruges hinzu. Das ist aber gar nicht damit ver­ bunden, das hat mit Betrug gar nichts zu tun, wenn und solange wir zum Betrüge fordern, daß die Täuschung für irgendeine Handlung bestimmend gewesen ist. Das tun wir aber hier nicht. Weil wir das nicht tun, so ist auch diese Bestimmung nicht um deswillen [522]

erlassen, weil jemand vor einem Irrtum geschützt werden soll, sondern um deswillen, weil wir meinen, daß das Mittel der Täuschung erfahrungsgemäß eines der gefährlichsten Mit­ tel ist, um den Verkehr der Verschiedenrassigen untereinander zu erreichen. Deshalb ist diese Art der Regelung gewählt. Nebenbei ist es auch angenehm, daß durch diese Art der Regelung zugleich Bedenken von verschiedenster Seite, wie etwa von Seiten der Kirche, zurückgeschlagen werden kön­ nen; denn man kann immer sagen: Bitte sehr, was bestrafen wir? Wir bestrafen die Ge­ meinheit der Täuschung. Warum wir sie bestrafen, nämlich, weil das für unsere Rasse ge­ fährlich ist, das brauchen wir ja nicht zu sagen, ist aber trotzdem eine Tatsache. Ich bin auch der Meinung, daß man dem auch nicht entgegenhalten könnte: Das ist aber merk­ würdig, jetzt bestraft ihr die Täuschung, und ihr bestraft nicht das offene Mit-einanderverkehren. So kann man meines Erachtens nicht erwidern, weil das offene Mit-einanderverkehren von Verschiedenrassigen nicht so leicht vorkommen wird wie ein Verkehr eines deutschen Mädchens mit einem Juden, wenn das deutsche Mädchen nicht weiß, daß es ein Jude ist. Insofern vertraue ich nämlich der Wandlung, die im Volke überhaupt schon ein­ getreten ist und weiter durch außerhalb des Strafrechts vorgenommene erzieherische, auf­ klärende und sonstige Maßnahmen zum Erfolge führen wird. Da müssen nämlich zwei Personen, die innerhalb Deutschlands leben, einverstanden sein, in Kenntnis der Tatsache, daß sie verschiedenrassig sind, miteinander den Verkehr zu suchen und auszuführen. Daß zwei in Kenntnis dieser Tatsache mit ihrem Willen übereinkommen müssen, diesen Ge­ schlechtsverkehr auszuüben, wird mehr [523] Hemmungen begegnen, als wenn nur einer, und zwar regelmäßig derjenige, dem die Reinerhaltung der deutschen Rasse dabei voll­ kommen gleichgültig ist, das tut. Wir haben einen Fall in Schleswig-Holstein, wo ein Jude über 60 außereheliche Kinder gezeugt hat. Wenn in all diesen 60 Fällen - ich will nicht von damals sprechen, sondern jetzt - das Mädchen gewußt hätte, das ist ein Jude, dann würde die Zahl der Kinder und des Geschlechtsverkehrs, der da zustandegekommen wäre, nicht so groß, sondern bedeutend geringer geworden sein. Es ist also tatsächlich so, daß außer der Gewalt als Mittel, von der es sich fragt, ob man sie hier besonders hervorheben will, die Täuschung das Gefährlichste ist, dasjenige, wogegen die erzieherischen Maßnahmen, für die andere Stellen der Volksführung verantwortlich zeichnen, gar nicht wirken kön­ nen, wenigstens nicht in dem Regelfall, in dem derjenige, der täuscht, ein Fremdrassiger ist. Es ist deshalb voll begründet, daß wir diesen Fall unter Strafe stellen. Wir befinden uns damit auf dem Gebiete des echten Rasseschutzes. Es taucht dann die Frage auf, was man unter Täuschung verstehen will. Da kommt man sofort zu der Frage, ob eine positive Eröffnungspflicht besteht. Das wäre doch gar nichts Neues, daß wir diese positive Eröffnungspflicht deklarieren. Man muß es doch auch vor dem Geschlechtsverkehr eröffnen, wenn man geschlechtskrank ist. Jetzt soll man eröffnen müssen, daß man geschlechtskrank ist, soll aber nicht gezwungen sein, dem Partner zu er­ öffnen, daß man überhaupt fremdrassig ist. Ich finde, es ist das nicht ein härteres und schwereres Verlangen, es ist nur ein anderes Verlangen, das wir an den Betreffenden stel­ len. [524] Man muß sich daran gewöhnen, die Anschauung in sich aufzunehmen, daß die Eröffnung der Verschiedenrassigkeit etwas ist, was man ebenso erwarten muß wie die Er­ öffnung der Geschlechtskrankheit. Nach meiner Ansicht ist das gar nicht so absolut neu und so unbedingt Widerstand hervorrufend. Deshalb würde ich eine Bestimmung etwa derart für richtig halten: Wer in Deutschland bei Eingehung einer Ehe oder eheähnlichen Verbindung, wobei ich das gern in Klammern setzen will - Herr Ministerialdirektor Schä­ fer möchte das gern, es ist aber klar, im Sinne unserer Rassenpolitik liegt eine eheähnliche Verbindung, die nicht gerade staatlich als Ehe sanktioniert ist, genau so wie eine Ehe -, den Ehegatten über seine Rassefremdheit, sei es auch nur durch Verschweigen täuscht, wird wegen Rasseverrats bestraft. Der zweite Absatz, den ich gewählt habe, ist auch nur die Zusammenfassung dessen, was wir besprochen haben; denn er sagt, daß freilich die Ehe gelöst sein muß. Er sagt fer­ ner, daß sie nicht gerade um deswillen gelöst sein muß; nur habe ich hineingesetzt: Wenn

sie durch Tod gelöst ist, soll man nicht mehr darauf zurückkommen; denn dann besteht sie eben ideell fort. Herr von Dohnanyi spricht dauernd, allerdings mit unerbittlicher Logik, von der Frage der dogmatischen Behandlung der Einwilligung. Ich muß aber sagen, bei einem solchen Aufbau kommt man überhaupt nicht auf den Gedanken, daß hiermit die Einwilligung ir­ gend etwas zu tun hätte. Wir kommen überhaupt an keiner Stelle dazu, uns um die Einwil­ ligung oder Nichteinwilligung auch nur zu kümmern. Das ist gewiß eine Änderung gegen­ über der Preußischen Denkschrift; denn da steht etwas von der Verleitung [525] drin. Aber mir scheint es eine Besserung zu sein. Das sichert auch die klare Abgrenzung von dem im übrigen ja allgemeineren Tatbestand des Ehebetrugs, den wir sowieso haben werden, bei dem es dann allerdings auf die Kausalität der Täuschung für die Einwilligung wahrschein­ lich oder vielleicht ankommen wird. Ich muß deshalb leider bekennen, Herr Reichsminister, daß ich nicht zu denjenigen ge­ höre, die nach dem Gange der Debatte meinen, daß das, was wir hier tun, nur ein Notbe­ helf wäre, daß es in Wirklichkeit kein Rasseschutz sei, sondern Schutz des guten Glau­ bens, sondern ich bin der Überzeugung, daß es so, wie die Dinge heute stehen, und zwar von allem, was eben vorgetragen wurde, abgesehen, auch nach der Sache selbst die richti­ ge Art des strafrechtlichen Rasseschutzes ist, zu der allerdings ein Rasseschutz durch Mit­ tel der Aufklärung und Erziehung hinzukommen muß. [526] Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Die zitierten Bestimmungen aus dem Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten lauten folgendermaßen: Wer den Beischlaf aus­ übt, obwohl er an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrankheit leidet und dies weiß oder den Umständen nach annehmen muß, wird bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die zweite Bestimmung betrifft eine andere Sache: Wer weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß er an einer Krankheit leidet und trotzdem eine Ehe eingeht, ohne dem anderen Teil vor Eingehung der Ehe über seine Krankheit Mittei­ lung gemacht zu haben, wird mit Gefängnis bestraft. Also hier ist die Mitteilungspflicht ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben. Die beiden Tatbestände sind sehr verschieden konstruiert. Bei der Eingehung der Ehe hat er die Verpflichtung, dem anderen Teil davon Mitteilung zu machen. Bei der Ausübung des Beischlafs wird er strafbar, wenn er ge­ schlechtskrank war, auch wenn er mitteilt. Da hat die Mitteilungspflicht gar keine Bedeu­ tung. Verfolgung auf Antrag besteht im zweiten Fall auch. Diese Konstruktion wollte ich nur zur Kenntnis geben, weil sie zitiert worden ist. Dadurch, daß Sie bei dem Wort Ver­ schweigen auf ein Attribut verzichten, wie „arglistig verschweigen", wollen Sie absichtlich die Deklarationspflicht, wie sie hier bei der Eingehung der Ehe statuiert ist, hier überneh­ men. Das ist Sinn und Inhalt des Wortes „verschweigen". (Staatssekretär Dr. Freister. Ja!) [527] Ministerialdirektor Schäfer. Wir stehen immer noch bei der Frage, ob jede Täu­ schung berücksichtigt werden soll oder nur die kausale oder relevante Täuschung. Nun macht mich das sehr stutzig, was gerade die Hauptbefürworter der Berücksichtigung jeder Täuschung selbst formulieren. Ich gehe von dem Fall des unehelichen Geschlechtsver­ kehrs aus. Herr Senatspräsident Klee will da das arglistige Verschweigen berücksichtigen, und er selbst definiert: Arglist liegt vor, wenn man sich sagt, daß der andere anders reagie­ ren würde, wenn man ihn aufklärte. Mit anderen Worten, nur die Lüge, die man selbst für kausal hält! Nun darf ich die Definition von Herrn Staatssekretär Freister vorlesen: Ebenso wird bestraft, wer sich zur Erzielung der Zustimmung zur Ausübung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs einer solchen Täuschung bedient; also wiederum ganz klar, Herr Staatssekretär Freister kommt ganz von selbst zur Kausalität. (Staatssekretär Dr. Freister. Sie können doch nicht das Entgegenkommen, das Ihnen gegenüber gezeigt ist, als Argument für Ihre Ansicht anführen!) - Ich wollte nur sagen, daß die prominentesten Verfechter die­ ser Idee selbst darauf kommen. Nun möchte ich ein zweites Argument zur Beurteilung der Frage anführen. Man muß sich doch auch die Lebensnähe oder das Lebenswahre dieser Handlung vorstellen. Es ist doch nicht so, daß beim außerehelichen Geschlechtsverkehr es sofort mit diesem Verkehr

beginnt, sondern es gehen Zärtlichkeiten und gewisse Intimitäten voran, bei denen die Rassefrage gar keine Rolle spielt. [528-540] Dann geht es vielleicht plötzlich durch sponta­ nen Entschluß zu dem Geschlechtsverkehr über, und jetzt wollen wir hier bestimmen: Halt, stop, jetzt wird erst gesagt — (Staatssekretär Dr. Freister: Sie können es auch schon vorher sagen!) - Wir wollen doch lebenswahr bleiben. Ich kann mir nicht helfen, das ist nicht lebenswahr, das ist nicht geeignet, einen gesetzlichen Tatbestand zu bilden. [541] Man kann nicht für die Fälle des außerehelichen Geschlechtsverkehrs die Aufklärungs­ pflicht, die Offenbarungspflicht gesetzlich vorschreiben. Das steht mit den Vorgängen, wie sie sich im Leben abspielen, einfach nicht im Einklang. Anders könnte ich es mir bei der Frage der Eheschließung denken. Allerdings kann man, glaube ich, nach der heutigen Situation nicht davon ausgehen, daß derjenige, der sich zur Eheschließung entschließt, heute allen Grund hat und auch so verfährt, sich volle Klar­ heit über die Rassefremdheit des andern zu verschaffen. Da könnte ich mir wirklich die positive Offenbarungspflicht vorstellen. Aber da möchte ich wiederum glauben, da ver­ fährt jeder so, daß er hier Fragen stellt, und dann haben wir den Fall, den Herr Professor Kohlrausch auch berücksichtigen will, nämlich der wirklichen Lüge auf Befragen, also der Vorspiegelung unterschieden von dem bloßen Verschweigen. Deshalb erledigt sich dieser Fall wohl von selbst, und diese Fälle werden immer getroffen, wenn wir auch nur formu­ lieren: positiv falsche Vorspiegelung. Beim Abwägen der beiden Standpunkte möchte ich also doch immer wieder meinen, es sei richtiger, nur die kausale oder relevante Täu­ schung, wie man es nun nennen will, oder die positive Vorspiegelung hier im Gesetz zur Tatbestandsbildung zu verwerten, also den betrugsähnlichen Gesichtspunkt herauszukeh­ ren. Ich glaube, man darf auch nicht darauf verweisen, daß man im Gesetz über die Ge­ schlechtskrankheiten einen anderen Weg gegangen sei. Denn da lautet die Sache anders. Zunächst kann man da schlechtweg den Satz aussprechen: Sowohl für den Fall der Ehe­ schließung als den Fall des außerehelichen Geschlechtsver- [542] kehrs besteht nun wirk­ lich eine Vermutung dafür, daß die Vorspiegelung oder das Verschweigen oder mit ande­ ren Worten der Umstand der Geschlechtskrankheit für den anderen kausal ist. Ich habe den Wortlaut des Geschlechtskrankheitengesetzes nicht so genau im Kopf, aber es ist doch wohl so, daß da der Grundtatbestand strafbar ist, was hier fehlt. Beide Fälle sind also nicht ohne weiteres vergleichbar. [543] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, Rede und Gegenrede sind jetzt nicht ganz kongruent. Bei der Eingehung einer Ehe könnte ich mir vorstellen, daß jemand dar­ über den Partner unterrichten muß. Wenn im übrigen die Sippengesetzgebung ein paar Schritte weiter sein wird und bei der Eingehung der Ehe das Familienblatt usw. eine Rolle spielt, dann wird die Möglichkeit einer Täuschung praktisch sehr klein sein. Das ist ein Weg, der nach allem, worüber ich unterrichtet bin, zweifellos von Ihnen beschritten wer­ den wird. Man wird die Eingehung der Ehe mit gewissen Kautelen umkleiden, vielleicht auch auf gesundheitlichem Gebiet: Gesundheitszeugnis und Familienblatt. Dadurch wird sich arglistiges und sonstiges Verschweigen und die Täuschung an sich überhaupt prak­ tisch sehr verengen. Ich könnte mir aber vorstellen, daß man auch jetzt schon sagt: Bei der Eingehung der Ehe besteht eine Pflicht zur Offenbarung. Dagegen hätten Sie keine Erin­ nerung? (Ministerialdirektor Schäfer: Nein!) - Das ist der erste Absatz des Antrags Freister. Vielleicht können wir nun den zweiten Absatz hören. [544] Staatssekretär Dr. Freister: „Ebenso wird bestraft, wer sich zur Erzielung der Zu­ stimmung zum außerehelichen 18 Geschlechtsverkehr einer solchen Täuschung bedient." Das ist insofern etwas anderes, als auch hier die Täuschung nicht kausal gewesen zu sein braucht, nur subjektiv. Das ist ein Anklang an die Regelung der Fälle im Geschlechts­ krankheitengesetz. Ich habe dieses Entgegenkommen deshalb gewählt, weil ich mir gesagt

18 Vom Herausgeber verbessert. Im Original steht in beiden Protokollfassungen „außerordentlich".

habe: Dagegen, daß die Institution der Ehe hier ganz besonders geschützt werden muß, wird niemand etwas sagen. Daß dort die Offenbarungspflicht besteht, dagegen wird nie­ mand etwas einwenden können. Ich habe allerdings dann die eheähnliche Verbindung mit hineingesetzt, und zwar aus dem Gesichtspunkt, daß die eheähnliche Verbindung eben auch den Zweck hat, Kinder zu zeugen. Ich glaubte, es dann ertragen zu können, daß bei dem sonst gepflogenen außerehelichen Geschlechtsverkehr die strafrechtliche Reaktion nur einsetzt, wenn die Täuschung zur Erzielung der Zustimmung vorgenommen worden ist. [545] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Die beiden Formulierungen sind in ihrem Wesen sehr verschieden. Das eine ist eine härtere Sache, das bezieht sich auf die Ehe. Da ist das Vorbild hier ziemlich genau im §6. Dagegen hätte ich vorläufig gar kein Bedenken. Aber ich muß sagen, die zweite Fassung wird doch eigentlich im wesentlichen den Einwänden gerecht, die gemacht worden sind. Da wird ja keine Offenbarung schlechthin ausgespro­ chen. (Staatssekretär Dr. Freister: Wenn ich verschweige, um dadurch die Zustimmung zu erzielen, ist das auch eine Täuschung!) - Das ist gerade das, was Relevanz genannt wird: das Verschweigen ist nur dann wichtig, wenn es in der Vorstellung des Täters relevant ist. Das war der Gedankengang von Herrn Professor Klee. [546] Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin): Herr Reichsminister, ich habe auch versucht, einen Text aufzustellen, der ungefähr meinem Standpunkt entsprechen würde. Ich würde dabei ganz von dem Boden der Tatsachen ausgehen, die Herr Staatssekretär Freister schon ausführlich dargelegt hat. Ich würde das auch nicht als ein Kompromiß auffassen, sondern ich würde ungefähr sagen: Wir betrachten die Vermischung fremder Rassen als ein Un­ recht, aber wir glauben im allgemeinen, durch die Mittel der Aufklärung, der Erziehung dieses Unrecht hinreichend hintanhalten zu können. Wenn aber zu diesem schweren Un­ recht, das die Grenze der Strafwürdigkeit noch nicht voll erreicht hat, auch nur noch etwas Unrecht hinzukommt, ist eben die Grenze überschritten. Dieses Etwas würde ich nun als Verletzung einer Erklärungspflicht ansehen, die jeder hat, der mit einer Fremdrassigen, ob in der Form der Ehe oder ohne diese Form, sich in einen geschlechtlichen Verkehr einläßt. Darum würde der Tatbestand kurz lauten: Wer vor dem Eingehen einer Ehe oder dem au­ ßerehelichen Geschlechtsverkehr dem andern Teil verschweigt, daß er einer fremden Ras­ se angehört. Das würde meines Erachtens für den Tatbestand genügen, weil meine Auf­ fassung dahin geht, daß jedes Vortäuschen der Zugehörigkeit zur Rasse des andern Teils ein Plus gegenüber dem bloßen Verschweigen ist, so daß, wenn schon das Verschweigen mit Strafe bedroht ist, das Vortäuschen nicht noch besonders hervorgehoben werden müßte. Man könnte aber auch noch hinzufügen: wer verschweigt oder seine Zugehörig­ keit zur gleichen Rasse vortäuscht. Im Falle der Eheschließung tritt die Bestrafung erst ein, wenn die Ehe aufgelöst ist. Endlich müßten wir hier oder anderswo eine Erläuterung des Begriffs [547] der Rasse haben. Nun scheint es ja, als ob dieser Vorschlag, soweit die Ehe in Betracht kommt, einem we­ sentlichen Widerstand nicht mehr begegnet. Hingegen hat namentlich Herr Ministerialdi­ rektor Schäfer gegen eine solche Erklärungspflicht vor einem Geschlechtsverkehr außer­ halb der Ehe lebhafte Einwendungen erhoben. Ich würde fast glauben, man kommt dann in die Versuchung, das Muster des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten auch in dieser Beziehung auf unser Gebiet zu übertragen. Ein Teil der Gründe gegen die Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs zwischen Andersrassigen überhaupt würde ja dann sicher wegfallen, wenn man teilen würde: Tatbestand 1: wer vor dem Eingehen einer Ehe nicht erklärt, daß er einer fremden Rasse angehört; Tatbestand 2: wer außerhalb der Ehe mit einer Fremdrassigen verkehrt. Das wäre die völlige Parallele zur Bekämpfung der Ge­ schlechtskrankheiten, und wenn das eine radikal ist, meine ich, ist das andere auch radikal. [548] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Der Erfolg, daß die Diskussion sich verengt, ist jetzt wieder einmal eingetreten, und zwar wenigstens insofern, als offenbar keine Beden­ ken dagegen bestehen - und das billige und unterstütze ich -, daß jemand, der eine so ern­ ste Sache wie eine Eheschließung vornimmt, in einer Zeit, wo mischrassige Kinder sehr

großen Schwierigkeiten begegnen, die Pflicht hat, den andern nicht hineinfallen zu lassen, daß beide sehenden Auges diesen Weg wohl gehen können, daß aber nicht geduldet wer­ den kann, daß einer nichtsehenden Auges diesen Weg geht. Das ist der Grundgedanke. Dann könnten wir diesen Tatbestand verlassen. Nun käme das letzte, der außereheliche Verkehr zwischen Fremdrassigen. Ich glaube, wenn wir das in der Gleispachschen Form, die die radikalere ist, zum Gesetz machen, dann werden sich die Einwände, die vom rechten Flügel des Hauses kommen, aufs neue erhe­ ben und verstärken. Deswegen schien mir - ich muß das noch einmal wiederholen - diese Fassung, daß man die Relevanz der Täuschung irgendwie zum Ausdruck bringt, dieser ra­ dikaleren Fassung gegenüber - zur Erzielung der Zustimmung täuscht - den Vorzug zu verdienen. Wenn dazu das Wort nicht mehr gewünscht wird, würde ich der Unterkommis­ sion den Auftrag mitgeben, nach diesem Gesichtspunkt den Ausgangstatbestand zu for­ mulieren. Ich glaube, daß dann keine erheblichen Schwierigkeiten mehr auftauchen. Vor­ behalten bleibt natürlich die Nachprüfung des dann festgesetzten Textes im Innenministe­ rium unter Berücksichtigung all der praktisch-politischen Erwägungen, von denen wir heute hier nicht gesprochen haben. Auch das Auswärtige Amt müßte dabei beteiligt wer­ den. Bei der Ehe- [549] Schließung kann das hingenommen werden. Denn es kann niemand auftreten und sagen: ich wünsche, daß hier mit unklaren Karten gespielt wird. Was die eheähnliche Verbindung anbelangt, so ist das eine Frage, die uns noch öfter begegnen wird. Ich habe vorläufig ein wenig das Gefühl, daß in einer Zeit der protegierten Massen­ trauungen das Auftreten der eheähnlichen Verbindungen nicht ganz ins Dessin des Gan­ zen hineinpaßt. Ich fürchte, daß wir diesem Einwand sehr bald begegnen werden. Für un­ seren Fall hat das zunächst keine Bedeutung. Wir müssen zum Ende kommen. Das Aufflammen der Debatte am Nachmittag ist nicht dadurch entstanden, daß die Meinungen sich geändert haben, sondern dadurch, daß die Frage der Relevanz der Täuschung gestellt worden ist. Das ist heute vormittag ein wenig leicht behandelt worden. Wir würden also in den Inhalt dieses Teiles, abgesehen von den Tatbeständen, die wir jetzt herausgearbeitet haben, noch das aufzunehmen haben, was hier unter Rassegefährdung steht, und zwar, da das zunächst dem Wunsche entspricht, mit den beiden Nummern, die auf der Seite 49 stehen: die zur Reinerhaltung der Blutsgemein­ schaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften. Das wäre also eine Blankettbestimmung für etwas, was eigentlich zur Zeit noch nicht ausgefüllt wird. Hier erhebt sich eine sehr wichti­ ge praktisch-politische Frage. Ich habe in meiner hiesigen Amtszeit einmal folgenden Fall erlebt. Da wurde ein Minister, und zwar war es der Arbeitsminister, ermächtigt, alles zu tun, was zur Reform der Sozialgesetzgebung notwendig ist. Diese Ermächtigung war eine leere Schachtel; man hat ihr nichts angesehen. Diese leere Schachtel hat aber die Gemüter derartig aufgeregt und hat zu Angriffen gegen die Regierung [550-560] geführt, so daß an dieser Ermächtigung niemals ein Wort wahr geworden ist. Solche Vorgänge können sich auch auf anderen Gebieten wiederholen. Aber das ist keine juristische Frage. Uber Ab­ satz 2 haben wir uns schon ausgesprochen. Die Frage des Auslandes ist, glaube ich, im Freislerschen Vorschlage beantwortet durch die Worte „in Deutschland". [561] Staatssekretär Dr. Freister: Allerdings auch Ausländer in Deutschland, das halte ich für richtig, und ich bin der Meinung: der Fall, daß nun die zwei nach Basel oder London reisen, wäre genau so zu behandeln, wenn der Betreffende die andere, mit der er die Ehe eingehen will, täuschen will. [562] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, wir sollten diese Frage - Deutsche im Ausland, Ausländer in Deutschland - hier nicht spezialisieren. Ich bin mir sogar noch nicht ganz klar darüber, ob wir die Einschränkung „in Deutschland" brauchen. Das müßte noch genau überlegt werden. Dann hätten wir noch zwei Tatbestände, deren Aufnahme gewünscht wird, von denen der eine verhältnismäßig einfach ist, das ist die Idee des Frickschen Antrags, die in der Preußischen Denkschrift auf Seite 56 steht: „Wer es unternimmt, öffentlich in Wort, Druck, Bild oder in sonstiger Weise den natürlichen Willen des deutschen Volkes zur

Fruchtbarkeit zu lähmen oder zu zersetzen, macht sich strafbar/' (Staatssekretär Dr. Freister. Das muß dann noch etwas besser gefaßt werden!) - Das wäre also auch ein Tatbestand, der ungefähr in der Richtung der Sabotage von Empfehlungen der Reichsregierung liegt. Un­ gefähr! Es wäre nur hier spezialisiert. Praktisch ist hier doch wohl an Fälle gedacht wie der öffentlichen Propaganda für Kinderlosigkeit, der öffentlichen Propaganda für die Sterili­ sation, der öffentlichen Propaganda für die Beschränkung der Kinderzahl. Das ist gemeint, das soll unter Strafe gestellt werden. Wird zu diesem Gedanken das Wort gewünscht? - Zur Formulierung? - Das geschieht nicht. Wird zu der Frage das Wort gewünscht, ob das hierher gehören soll, woraus sich ergä­ be, daß damit der Rassebegriff in der Überschrift einen anderen Inhalt bekommen müßte? - Auch dazu [563] wird das Wort nicht gewünscht; damit wäre dieser Punkt ebenfalls erle­ digt. Nun käme noch das Letzte, was bisher wie ein Wolkengebilde am Horizont schwebte: die ideelle Gefährdung der Volkskraft, und zwar durch Handlungen, die sich auf die Ver­ gangenheit beziehen. Wenn ich mir die Beispiele noch einmal durch den Kopf gehen lasse - die Deutschen wären ein Volk von Räubern gewesen usw. -, so muß ich sagen: soweit es sich hier um historische Betrachtungen handelt, und soweit hier nicht ethnographische und sonstige Urteile abgegeben werden, kann man sich kaum einen Fall denken, den man nicht auch unter diesen Ehrenschutz des deutschen Volkes bringen kann. Vielleicht ge­ wönne die Aussprache an Kraft und Inhalt, wenn man uns an Beispielen zeigen könnte, was da angestrebt und gemeint ist. [5Ö4] Professor Dr. Dahm (Kiel): Mir ist nicht völlig klar geworden, was Herr Staatssekre­ tär Dr. Freisler damit im Auge hatte. Wenn ich die Beispiele nehme, daß jemand sich abfäl­ lig über Völkerwanderung oder über Vandalen äußert, so glaube ich, daß derartige Verun­ glimpfungen der deutschen Geschichte an sich unter den Tatbestand der Beschimpfung des deutschen Volkes fallen. Ich hatte es zunächst so aufgefaßt, als ob der Akzent hier nicht auf der Vergangenheit im Gegensatz zu der Zukunft läge, sondern auf einer Verun­ glimpfung der Rasse, und daß damit gemeint sei eine Art intellektueller Rasseverrat. Es ist zunächst ganz grob gesagt: Beschimpfung der Rasse oder dgl.. Nun glaube ich, daß wir ei­ nen derartigen Tatbestand nicht brauchen können, ich würde davon nichts sagen. Soweit hier ein Schutzbedürfnis besteht, genügt die Vorschrift über die Beschimpfung des deut­ schen Volkes. Denn es ist klar, daß das deutsche Volk zugleich eine biologische Einheit ist und von der rassischen Seite her nicht beschimpft werden darf. Dagegen möchte ich zu erwägen geben, ob nicht das Bedüfnis besteht nach einer Erwei­ terung des Vorschlags, der sich in der Denkschrift auf Seite 56 befindet, und ob es nicht notwendig ist, einen Begriff zu schaffen nach Art der Vorschrift über die Zersetzung des Wehrwillens, also eine entsprechende Bestimmung über die Zersetzung und Lähmung des Willens zur Erneuerung und Erhaltung der Rasse. Wenn z. B. jemand öffentlich und bös­ willig etwa die Ansicht propagiert, es sei in dem Rassenmischmasch, um einmal den Aus­ druck zu gebrauchen, der in Europa herrsche, doch völlig sinnlos, die Rassenfrage über­ haupt auszuwerfen, wer das [565] tue, sei ein Narr, so würde das keine Beschimpfung des deutschen Volkes enthalten, würde auch nicht unter die Bestimmung auf Seite 56 der Denkschrift fallen. Aber es ist doch jedenfalls die Frage auszuwerfen, ob wir nicht eine Be­ stimmung der Art brauchen, daß bestraft wird, wer öffentlich oder böswillig den Rassege­ danken verunglimpft oder lächerlich macht, oder wer in gleicher Weise den Willen zur rassischen Erneuerung des deutschen Volkes lähmt oder zersetzt. Sollte man eine derartige Bestimmung aufnehmen wollen, so müßte allerdings dafür gesorgt werden, daß eine ernsthafte, offene Diskussion über Rassefragen nicht etwa durch das Strafrecht verhindert wird. Ich meine, um ein Beispiel für ein nicht strafbares Verhal­ ten anzugeben, wir dürfen unter gar keinen Umständen denjenigen unter Strafe stellen, der sagt, die Hervorhebung des nordischen, blonden und blauäugigen Menschen sei eine Gefahr für die völkische Einheit des deutschen Volkes. Oder man darf nicht mit dem

Strafrecht kommen, wenn z. B. ein Streit darüber entsteht, ob man den Begriff der Rasse mehr von der rein biologischen oder mehr von der geistigen, kulturellen und historischen Seite zu sehen hat. Aber es würde mir doch richtig erscheinen, wenn man nach Analogie der Bestimmung über die Zersetzung des Wehrwillens auch eine derartige Bestimmung über die Zersetzung des Willens zur Erneuerung der Rasse aufnimmt, und wenn man die etwa vereinigt mit der Bestimmung, die wir heute auf Seite 56 der Preußischen Denkschrift finden. Der Unterschied wäre der, daß es sich hier um eine Zersetzung des Willens zur Er­ haltung der Reinheit der Rasse nach außen handelt, während es sich auf Seite 56 der Denk[566] schrift um eine Zersetzung des Willens zur inneren Reinhaltung der Rasse, zur Erhal­ tung des Erbgutes handelt. Beides würde zusammengehören, und ich würde eine Erweite­ rung des Tatbestandes nach dieser Richtung vorschlagen. Ich halte es aber nicht für notwendig, darüber hinaus Angriffe gegen die Vergangen­ heit des deutschen Volkes besonders unter Strafe zu stellen; denn dafür reicht die Vor­ schrift über eine Beschimpfung des deutschen Volkes völlig aus. [5Ö7] Reichs justizminister Dr. Gürtner. Der Vorschlag ginge also dahin, in der Skizze auf Seite 56 der Denkschrift, wo von der Zersetzung des Willens des deutschen Volkes zur Fruchtbarkeit die Rede ist, auch den Rassenveredelungswillen hervorzuheben. Bei dem an­ deren Gedanken, Herr Professor Dahm, unter Strafe zu stellen, wer den Rassengedanken irgendwie angreift oder verächtlich macht, wird mir ein wenig bänglich. Sie selbst haben das Beispiel vom nordischen Menschen gewählt, vielleicht sogar mit bezug auf mich, weil ich heute Vormittag gesagt habe, es wäre ein peinliches Gefühl, wenn man die nordische Rasse als die edle Rasse hinstellt und selber nun sieht, daß z. B. an diesem Tisch hier die Köpfe, die man als nordisch bezeichnen könnte, nach meinen sehr genauen Beobachtun­ gen die Zahl eins oder zwei nicht überschreiten. Ich möchte glauben, daß die Frage der Rassenwissenschaft heute noch nicht so ist, daß man von einer Auflehnung gegen anerkannte Dogmen sprechen kann, und ich hätte doch große Bedenken, auf dieses Gebiet mit dem Strafrecht zu treten. Dem möchte ich sehr wi­ derraten. Uber die andere Frage dagegen, ob man zum Fruchtbarkeitswillen, was Vermehrung der Rasse bedeutet, nicht etwa auch noch einen Begriff setzen könnte, der Veredelung der Rasse bedeutet, ließe sich meiner Meinung nach reden. Und der Blick in die Vergangenheit würde auch Sie nicht veranlassen, in diesem Zu­ sammenhang etwas zu sagen, weil Sie der Meinung sind, der ich mich zuneige, daß man das unter die Beschimpfung des deutschen Volkes bringen könnte. [568] Man braucht ja nur an den Fall zu denken, daß jetzt jemand von Karl dem Großen sagt oder schreibt: Karl der Sachsenbürger. Das ist doch auch eine Auffassung, die vorläufig noch nicht die abso­ lute Zustimmung aller Historiker haben wird. Solche Dinge können wir nicht in den Be­ reich des Strafrechts ziehen. [569] Ministerialdirektor Schäfer: Ich fürchte, daß wir durch eine solche Formulierung wie „wer den Veredelungswillen zerstört oder lähmt", auch Dinge unter Strafe stellen, bei denen wir Vorsicht üben müssen. Da vertritt z. B. bei der Erörterung der Frage, ob man bis auf den Großeltern teil oder bis auf den Urgroßeltern teil zurückgehen soll, jemand die An­ sicht, es genüge bis zum Großeltern teil und selbst ein nichtarischer Großeltemteil schade nicht. Das würde dann, wenn es öffentlich vertreten wird, vielleicht schon unter den Straf­ tatbestand fallen, weil es den Willen des deutschen Volkes zur Reinerhaltung der Rasse lähmt oder zersetzt. Oder wer z. B. in dieser Gesetzgebung zur Vorsicht und zur Zurück­ haltung mahnt, könnte auch schon unter diesen Tatbestand fallen. Das sind doch alles Fra­ gen, die noch vollkommen im Fluß sind, und die erörtert werden müssen. Also ich weiß nicht, wie wir diesen Tatbestand so abgrenzen können, daß er für die Praxis handlich ist. Er hat doch eben das gegen sich, daß er nicht eine scharfe Fassung enthält, und daß er in Din­ ge eingreift, die im Fluß sind. [570] Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Ich glaube, dieser Einwand ist nicht nur in Bezie­ hung auf den Veredelungswillen, sondern in gewissem Sinne auch in Bezug auf den Ver-

mehrungswillen zu erheben. Wir wollen einmal folgenden Sachverhalt auf uns wirken las­ sen. Der Gedanke, man müsse sehr viel Kinder haben, wird nach allen Richtungen hin pro­ pagiert. Er findet sogar, was bisher nicht geschehen ist, einen Ausdruck in der Steuerge­ setzgebung und in der Beamtengesetzgebung. Kein Staat hat bisher den Mut gehabt, die­ sen Gedanken praktisch durchzuführen. Es wird also die kinderreiche Familie so ähnlich wie in den Verfallszeiten des alten Rom als ein Ideal hingestellt, es entsteht die Figur der matrona, die auch erst entstanden ist, als es keine Kinder mehr in Rom gegeben hat. Es wird also nun in sehr sichtbarer und eindringlicher Weise der Vermehrungswille geför­ dert. In diesem Stadium ertönt nun ein Ruf, wie er zu Zeiten an unser Ohr dringt, der etwa folgendermaßen lautet: Wie könnt ihr von uns Müttern verlangen, daß wir immer mehr Kinder gebären; ich habe vier Kinder, von denen ich nicht weiß, wie ich sie unterbringen soll, mein Mann ist mit einem Einkommen bedacht, das eine Erziehung dieser Kinder nur in den knappsten Formen möglich macht; wohin ich mich wende, sind alle Stellen besetzt. Der ganze Druck der Zeit liegt also auf dieser Mutter, und sie wehrt sich nun innerlich ge­ gen die Zumutung, immer mehr Kinder zu gebären im Hinblick auf die Unsicherheit, was aus diesen Kindern werden soll. Ein solcher Notschrei einer vielleicht gerade augenblick­ lich sich in sehr schlechten Verhältnissen befindlichen Mutter könnte nach meiner Mei­ nung das Gebiet des Strafrechts nicht erreichen dürfen. [571-580] Deswegen ist der Einwand von Herrn Ministerialdirektor Schäfer, der sich scheinbar nur auf den Veredelungswillen bezogen hat, in gewissem Sinne auch auf den Vermehrungswillen zu beziehen, woraus sich ergäbe, daß man doch im subjektiven Tatbe­ stand vielleicht eine Schranke setzen muß. Denn diesen Notschrei der unglücklichen Mut­ ter mit vielen Kindern werden wir nicht aus der Welt schaffen. Das bitte ich bei der Formu­ lierung des Tatbestandes zu bedenken. [581] Staatssekretär Dr. Freister. Es besteht ja die Einschränkung, daß das öffentlich ge­ schehen muß. Aber dieser Notschrei kann auch einmal Öffentlich ergehen, und das kann man meines Erachtens nicht zulassen. Wir können uns nicht darauf einlassen, daß wir die öffentliche Propagierung der Beschränkung der natürlichen Fruchtbarkeit irgendwie für entschuldbar erklären. Wenn es schließlich einmal so werden sollte, daß auf Grund dieser Volks Vermehrung das Volk an Zahl so stark wird, daß der Raum nicht langt, wird die Ge­ schichte schon einen Ausweg finden. Ich habe Verständnis dafür, daß ein Einzelmensch die Not empfindet, die Kinder nicht großziehen zu können, aber das Volk als Ganzes kann die Propagierung eines solchen Gesichtspunktes nicht zulassen. Dagegen bin ich im übrigen der Meinung, daß der weitere Tatbestand der ideellen Ras­ seschädigung, wie ich ihn vorgeschlagen habe, hier nicht tragbar ist. Soweit er berechtigt ist, werden wir ihm bei den Angriffen auf die Volksehre Rechnung tragen können. Dar­ über hinaus gibt es, wie wir gesehen haben, nur gekünstelte Beispiele, die darunter fallen könnten. Ich ziehe deshalb meinen Vorschlag von heute vormittag, einen solchen Tatbe­ stand hier aufzustellen, zurück, wende mich aber auch gegen die Ausdehnung des Argu­ ments von Herrn Ministerialdirektor Schäfer auf den Fall der Propaganda für die Be­ schränkung der Fruchtbarkeit, weil ich der Meinung bin, daß man in diesem Falle eben hart sein muß. [582] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Vielleicht ist mit der Abgrenzung „öffentlich" diesem Gedanken Rechnung getragen, insbesondere wenn wir dazu nehmen: „in Wort, Druck, Bild". Das ist eben die Propaganda für das Zweikindersystem usw .. Der Schrei die­ ser leidenden Mutter ist schließlich keine Propaganda, und wenn so etwas zur Propaganda ausarten würde, dann würde allerdings die Grenze der Strafbarkeit überschritten werden. [583] Professor Dr. Mezger (München): Dem Bedenken ließe sich vielleicht dadurch noch Rechnung tragen, daß man statt „in sonstiger Weise" sagt: „in ähnlicher Weise". Ich glau­ be nicht, daß dadurch eine zu enge Beschränkung eintritt. [584] Reichsjustizminister Dr. Gürtner. Was wir wollen, ist uns, glaube ich, klar: der po­ sitive Fall der Propaganda für Kinderlosigkeit, wie er in zahlreichen kommunistischen Flugschriften und in den kommunistischen Frauenschaften betrieben worden ist, wie er in

zahlreichen Reichstags- und Landtagsverhandlungen bei der Behandlung des Themas des Rechts der Verfügung über den eigenen Körper im Bereich des §218 immer wieder auf­ tauchte. [585] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich wollte darauf aufmerksam machen, daß wir da sehr viele Beschwerden und Denunziationen kommen sehen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der ein großer Teil unseres Volkes in vielen Fragen der Stoßtrupp sein muß, stoßen muß, übertreiben muß; und ein kleiner Teil muß bremsen. Es muß natürlich bei solchen Fragen sehr beachtet werden, daß nicht etwa diejenigen, die bremsen müssen, nun in einen fal­ schen Verdacht und in Strafe kommen. Deswegen begrüße ich das, was der Herr Reichs­ minister zuletzt gesagt hat. Es muß sich wirklich um eine große Propaganda für die Un­ fruchtbarkeit handeln; denn sonst bekommen wir in wenigen Wochen lauter Denunziatio­ nen. Wo die Leute eng wohnen, wird es sehr häufig vorkommen, daß aus der Äußerung einer Nachbarin zur anderen sofort eine Denunziation entsteht. Es muß in dem Ausdruck irgendwie gebremst werden. Ich bitte Sie, nur einmal an die umstrittene Forderung einiger der größten Rassenforscher, die wir heute haben, über die Veredelung der Rasse zu den­ ken. Alle diese Forscher wollen den Tatsachen gerecht werden, aber ihre Forderungen sind zum Teil heute sehr umstritten. Die Freiheit einer gewissen Kritik muß also gewahrt blei­ ben. [586] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Sobald wir uns auf solche Gebiete begeben, tönt von allen Seiten immer das Wort „Denunziation" an unser Ohr; mit absolutem Recht; denn wir leben heute in einem Zustand, wo ein Teil des Volkes jede Gelegenheit benutzt, um dem anderen irgendwie zu schaden. Dieser Zustand ist trotz aller Befehle und Erlasse dagegen augenblicklich noch nicht überwunden. Nun wird aber wohl Einverständnis darüber herrschen, daß eine Propaganda für die Kinderlosigkeit in das Strafrecht einbezogen werden muß. Das ist, glaube ich, gar nicht zu vermeiden. [587] Ministerialrat Dr. Möbius: Meine Äußerung war ja schon halb überholt. Ich wollte nur noch einmal unterstreichen, daß nicht etwa diejenigen, die wirklich an all diesen Fra­ gen gern mitarbeiten, durch allzu scharfe Bestimmungen in die Gefahr kommen, unter das Strafrecht zu fallen, wenn sie ab und zu mal bremsen müssen. [588] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wir sind uns ja darüber einig, daß der im Leben tausendmal vorkommende Fall von Äußerungen des Unmuts gegenüber der Nachbarin, wenn eine Frau zum vierten oder fünften Mal schwanger wird und Schmalhans Küchen­ meister ist, nicht darunter fallen soll. [589] Professor Dr. Dahm (Kiel): Ich möchte der Meinung sein, daß die Propaganda gegen den Rassegedanken mit einbezogen werden sollte; denn daran ist doch kein Zweifel, daß das durch die Bestimmung, die jetzt in der Denkschrift vorgesehen ist, noch nicht gedeckt wird. Die Einwendung, die Herr Ministerialdirektor Schäfer dagegen vorgebracht hat, hal­ te ich nicht für durchschlagend, schon deshalb nicht, weil sich derselbe Einwand auch ge­ gen die Bestimmung auf S. 56 vorbringen läßt. Wenn im einzelnen gewisse Grenzen zu ziehen sind, kann die Äußerung einer ernsthaften Meinung selbstverständlich keine Läh­ mung oder Zersetzung sein. Wir haben ja außer der Kautele „öffentlich" noch die in dem Wertbegriff „Lähmung oder Zersetzung" liegende Kautele, und ich glaube, wir können zu dem Richter durchaus das Vertrauen haben, daß er im Einzelfalle die Grenze findet. Wenn er über die Verunglimpfung von Reich und Volk usw. zu entscheiden hat, wo die Grenzen ebenfalls flüssig sind, muß er sie ja auch finden. [590] Reichs justizminister Dr. Gürtner: Der Gefahrenbereich ist uns ja allen klar. Ich möchte noch eine Frage an Herrn Dr. Möbius stellen. Die Frage, ob die Bastardisie­ rung unter allen Umständen eine Verschlechterung ist, wird, wenigstens in der Tierzucht, verschieden beantwortet. Mir ist bekannt, daß wertvolle arabische Pferde in ein deutsches Gestüt gebracht worden sind, um ihm frisches Blut zuzuführen. Die Pferdezüchter haben behauptet, daß das zur Auffrischung des edelsten aller Ställe notwendig, wünschenswert und zweckmäßig ist. Andererseits wird gesagt, daß sich die Schwäche eines solchen Ver-

fahrens bezüglich der Lebenskraft einer solchen Bastardrasse zeigt. Wenn nun jemand über diese Frage eine wissenschaftliche Meinung äußert oder einen Streit darüber führt, so kann man doch wohl nicht von einer Lähmung des Veredelungswillens der deutschen Ras­ se sprechen. [591] Ministerialrat Dr. Möbius: Das, was der Herr Reichsminister eben angeführt hat, ist in der Tat ein Streitpunkt. Es gibt auch menschliche Erbforscher, die in dieser Beziehung zu einer etwas weniger positiven Meinung neigen als andere. Es ist doch Tatsache, daß von einer ganz großen Bewegung diese Herren als nicht mehr tragbar bezeichnet werden, und infolge dessen könnte es unter Umständen fraglich sein, ob die nicht schon unter die­ sen Paragraphen fallen würden. [592] Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn diese Gefahr besteht, dann dürfen wir den Weg allerdings nicht gehen, denn sonst kommen wir in einen Zustand hinein, der unge­ fähr dem des 16. Jahrhunderts in der katholischen Kirche entspricht, daß wir sagen: Wer über Dogmen streitet, muß verbrannt werden. [593] Ministerialrat Dr. Möbius: Ich meine, dieser Wille ist doch vor allen Din­ gen Erziehungssache. Es ist Aufgabe unserer Medizinalabteilung und anderer Ein­ richtungen, die Massen immer wieder über diese Fragen aufzuklären. Der Wunsch ist bei mir genau derselbe wie bei Ihnen, aber ob es jetzt schon möglich ist, das abzugrenzen, weiß ich nicht. [594] Staatssekretär Dr. Freister: Mir scheint es, als wenn aneinander vorbeigeredet wird. Die Frage, die Herr Professor Dahm hier aufgeworfen hat, ist die, ob auch die Propaganda gegen den Rassegedanken an sich bestraft werden soll. Da bin ich der Meinung, das soll nicht bestraft werden, und zwar deshalb nicht, weil der Rassegedanke an sich durch seine eigene innere Kraft sich aufrechterhalten muß, und weil die Erziehungs- und Aufklä­ rungsmaßnahmen der zuständigen Stellen im Volke die Überzeugung von der Richtigkeit des Rassegedankens wecken und erhalten müssen. Es wäre unmöglich oder doch völlig verfehlt, das durch gesetzliche Bestimmungen tun zu wollen. Ich habe schon einmal ge­ sagt, daß mich das an das Gesetz der Athener erinnert: Es ist verboten, zum Krieg gegen Ägina aufzufordern. Nachher tut es einer doch, es kommt zum Kriege, der Krieg wird ge­ wonnen, und dann ist er nicht strafbar. Die Frage jedoch, die Herr Dr. Möbius aufgeworfen hat, ist, wenn ich es recht verstehe, eine ganz andere Frage. (Ministerialrat Dr. Möbius: Ich bin zu meiner Bemerkung veranlaßt worden, weil hier in diesem Zusammenhang nicht von dem Rassegedanken an sich, son­ dern von der Rassenveredelung gesprochen worden ist.) - Da ist doch das Ergebnis der Aussprache wohl das gewesen, daß das auch nicht aufgenommen werden soll. (Reichsju­ stizminister Dr. Gürtner: Der Wunsch stammt von Herrn Professor Dahm.) [595] - Da ste­ hen wir doch vor der Schwierigkeit, daß wir die verschiedensten Meinungen über die Art, die Richtung und die Mittel der Rassenpolitik im einzelnen haben. Wenn man darüber ei­ ne Strafbestimmung machen wollte, würde man in die Gefahr kommen, auch den Kampf der ehrlich miteinander ringenden Meinungen zu unterbinden, indem man gewisserma­ ßen eine Meinung als die alleinseligmachende und allein wahre für jetzt und alle Zeiten aufstellen würde. Das halte ich nicht für richtig. [596] Ministerialrat Dr. Möbius: Wir haben es doch vor einem halben Jahr erlebt, als die ersten aufklärenden Vorträge in dieser Beziehung hinausgingen, und als der Begriff der nordischen Rasse noch nicht umgrenzt war, was das für Unheil angerichtet hat, zu welchen Angriffen das geführt hat. (Zuruf: Aber doch nicht durch Strafbestimmungen!) - Aber wenn man das hineinnähme, würde das doch unter Umständen wiederkommen. Es gibt doch Menschen, die den einen, und andere, die den anderen Typ für das Wesentliche er­ klären. Es gibt auch noch denkende Menschen, die sagen, daß unser Volk vielleicht nicht so groß geworden wäre, wenn nicht eine gute Mischung zwischen Nordisch und Fälisch eingetreten wäre. Das sind Dinge, die man nicht in der Öffentlichkeit erledigen kann, die aber unter Umständen einen Redner in einer Versammlung in große Schwierigkeiten füh­ ren können.

[597] Reichs justizminister Dr. Gürtner. Conclusum wäre, die Skizze auf S. 56 auf den Vermehrungswillen beschränkt zu lassen, oder, um es wieder primitiv zu sagen, die Propa­ ganda für die Kinderlosigkeit nicht zuzulassen. Nun, meine Herren, glauben Sie denn nicht, daß das, soweit ein Strafbedürfnis besteht, schon getroffen würde, wenn man etwa dem Gedanken folgt, daß derjenige bestraft wird, der den zur Aufklärung des Volkes über Reinerhaltung und Veredelung seiner Blutsge­ meinschaft erforderlichen Maßnahmen böswillig entgegentritt? Ich meine, das müßte dem strafrechtlichen Bedürfnis genügen. [598] Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin): Ich wollte auch ausführen, daß der Tat­ bestand von S.5Ö dem Bedürfnis genügt, so daß es nicht nötig ist, die Vorschrift auf die Propaganda gegen den Rassegedanken als solchen auszudehnen.

Anhang II: Vorschläge der Denkschrift des Preußischen Justiz­ ministers (S. 47-4.9): Angriffe auf die Rasse

Im geltenden Recht und in den Entwürfen ist keine Vorschrift zum Schutze der Rasse enthalten. Nach Punkt 4 des Parteiprogramms kann Volksgenosse und damit Staatsbürger nur sein, wer deutschen Blutes ist. Volksgemeinschaft ist also Blutsgemeinschaft. Die Ge­ schichte lehrt, daß Rassenzersetzung zum Untergange der Völker führt. Dagegen erlebten Völker, die sich fremdrassiger Volksteile, insbesondere der Juden, entledigten, hohe Blüte (z. B. Frankreich nach Vertreibung der Juden im Jahre 1394, England nach ihrer Vertrei­ bung im Jahre 1291). Auch ein Blick in das Tierleben lehrt, daß der Erbinstinkt des Tieres die Selbsterhaltung seiner Rasse sichert. Der Grundsatz der vergangenen Ichzeit, daß je­ der, der Menschenantlitz trägt, gleich sei, zerstört die Rasse und damit die Lebenskraft des Volkes. Aufgabe des nationalsozialistischen Staates ist es deshalb, der in Deutschland im Laufe der Jahrhunderte eingetretenen Rassenvermischung Einhalt zu gebieten und dahin zu streben, daß das nordische Blut, das noch heute im deutschen Volkstum auschlaggebend ist, unserem Leben wieder den Stempel seiner besonderen Prägung gibt. Erste Bedingung für diese sog. Aufnordung ist, daß fürderhin keine Juden, Neger oder sonstige Farbige in das deutsche Blut aufgenommen werden. Das strafrechtliche Verbot der Vermischung wird so zu fassen sein, daß die Vermischung verboten ist mit Angehörigen fremder Blutsgemeinschaften oder Rassen, deren Fernhaltung vom deutschen Blute durch Gesetz bestimmt worden ist. Daraus ergibt sich dann auch, daß die Vorschrift auf die zur Zeit bestehenden Mischehen keine Anwendung findet. Die künftige Schließung von Misch­ ehen wird durch Reichsgesetz zu verhindern sein. Die Begriffe Arier oder Nichtarier sind zu unbe­ stimmt, als daß sie in einem Gesetzestext verwendet werden könnten. Der Begriff „Ange­ hörige fremder Blutsgemeinschaften" ist zu wählen, weil die Juden keine Rasse, sondern ein großes Rassengemisch darstellen, das aber durch die jahrhundertlange Inzucht zur Blutsgemeinschaft geworden ist. Es muß auch von deutscher Blutsgemeinschaft gespro­ chen werden, weil auch die Deutschen zur Zeit ein Rassengemisch darstellen. Rasseverrat Als Rasseverrat ist unter Strafe zu stellen jede geschlechtliche Vermischung zwischen einem Deutschen und einem Fremdrassigen, und zwar strafbar an beiden Teilen. Der tat­ sächlichen geschlechtlichen Vermischung wird ein Beischlaf unter Anwendung von Mit­ teln, die die Empfängnis verhüten sollen, gleichzustellen sein. Besonders strafwürdig er­ scheint es, wenn der Rasseverrat unter arglistiger Verschweigung der fremden Rassezuge­ hörigkeit begangen wird, und zwar beim außerehelichen Beischlaf wie Eingehung der Ehe. Ebenso besonders strafwürdig ist es, wenn durch arglistige Täuschung hierüber der Bei­ schlaf oder die Eingehung der Ehe herbeigeführt wird. Zivilrechtlich muß das Eingehen ei­ ner Mischehe zum Ehenichtigkeitsgrund erklärt werden. Hiernach ergibt sich folgender Leitsatz: Wer es unternimmt, durch Vermischung eines Deutschen mit einem Angehörigen fremder Blutsgemeinschaften oder Rassen, deren Fernhaltung von der deutschen Blutsge­ meinschaft durch Gesetz angeordnet worden ist, zur rassischen Verschlechterung und Zersetzung des deutschen Volkes beizutragen, macht sich des Rasseverrats schuldig. Rasseverrat liegt auch dann vor, wenn die Vermischung unter Verwendung von die Empfängis verhütenden Mitteln begangen wird. Als besonders schwere Fälle sind auch anzusehen, wenn

1. der Rasseverrat unter arglistiger Verschweigung der Zugehörigkeit zur fremden Ras­ se oder Blutsgemeinschaft oder mittels einer Täuschung hierüber begangen ist, 2. der Rasseverrat in der Ehe begangen ist und der eine Eheteil unter arglistiger Ver­ schweigung der Zugehörigkeit des anderen Eheteils zur fremden Rasse oder Blutsgemein­ schaft oder mittels einer Täuschung hierüber zur Eingehung der Ehe verleitet worden ist. Als Nebenstrafe kann in besonders schweren Fällen auf Entziehung des Staatsbürger­ rechts erkannt werden. Verletzung der Rassenehre. Auch die Verletzung der Rassenehre muß unter Strafe gestellt werden. Es spricht dem Volksempfinden Hohn, wenn z. B. deutsche Frauen sich in schamloser Weise mit Negern abgeben. Die Vorschrift wird indes darauf zu beschränken sein, daß der Verkehr öffent­ lich stattfindet und daß er unter gröblicher Verletzung des Volksempfindens und in schamloser Weise geschieht (z. B. unanständiges Tanzen im öffentlichen Lokal mit einem Neger). Auch wird die Vorschrift auf Farbige zu beschränken sein. Ein derartiger Schutz der Rassenehre wird bereits von anderen Völkern tatsächlich geübt. So ist es bekannt, daß z. B. in den Südstaaten von Nordamerika im öffentlichen und persönlichen Verkehr auf strengste Scheidung zwischen der weißen Bevölkerung und den Farbigen gehalten wird. Wer es als Deutscher unternimmt, unter gröblicher Verletzung des Volksempfindens und in schamloser Weise öffentlich Verkehr mit Angehörigen farbiger Rassen zu pflegen, macht sich der Verletzung der Rassenehre schuldig. Rassengefährdung. Zur Verhütung einer weiteren Rasseverschlechterung des deutschen Volkes bedarf es einer Rahmenvorschrift, die den Verstoß gegen alle sonstigen zur Reinerhaltung und Ver­ edelung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen Gesetze unter Strafe stellt. Ein sol­ ches Gesetz würde z. B. ein in Ausführung des Punktes 8 des Parteiprogramms ergehendes Verbot der weiteren Einwanderung „Nichtdeutscher", d.h. Angehöriger fremder Rassen oder Blutsgemeinschaften, sein. Ähnliche Einwanderungsgesetze gibt es schon in Austra­ lien, und auch in Nordamerika haben rassenkundliche Werke wie die Grants and Stoddards die Einwanderungsgesetze erheblich beeinflußt. Es ist die Fassung zur Reinerhal­ tung und „Veredelung" der Blutsgemeinschaft zu wählen, weil es — wie schon gesagt — wichtige Aufgabe des nationalsozialistischen Staates sein wird, in der deutschen Blutsge­ meinschaft wieder dessen wertvollsten Teil, das nordische Blut, in erhöhtem Maße zur Geltung zu bringen. Ferner besteht ein Bedürfnis, ein böswilliges Entgegenwirken gegen die demnächst ein­ setzenden behördlichen Aufklärungsbestrebungen über Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemeinschaft unter Strafe zu stellen. Dies ist um so nötiger, als es noch heute Wissenschaftler gibt, die der Rassenvermischung das Wort reden und sich da­ bei sogar auf den angeblichen Aufstieg der europäischen Kultur nach der Völkerwande­ rung berufen. Rassengefährdung begeht, wer es unternimmt, 1. gegen die sonstigen zur Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemein­ schaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, 2. den zur Aufklärung des deutschen Volkes über Reinerhaltung und Veredelung sei­ ner Blutsgemeinschaft erfolgten Maßnahmen des Reichs oder der Länder böswillig entge­ genzuwirken.

Strafrechtskommifsion

38. Sitzung 6. Juni 1934

I nhal t Angriffe auf Bolksbestaud und Volksgesundheit (Schluß der Aussprache) G l i e d e r u n g der Ta t b e s t ä n d e Reichsjustizminister Dr. Gärtner 1. 10. 11. 12. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. Berichterstatter Staatssekretär Dr. Freister 1. 12. 22. 23. 24. Berichterstatter Dr. G raf Gleispach (Berlin) 8.

13. 25. 13. 25. 11. 22. Vizepräsident G rau......................................................... Professor Dr. Dahm (Kiel)......... 13. 14. 19. 22. Professor Dr. Mezger (München)............... 14. 18. Senatspräsident Professor Dr. Klee (Berlin) 16. 19. Professor Dr. Nagler (Breslau)................................... Professor Dr. Kohlrausch (Berlin)............................... Ministerialrat Dr. Schäfer................................. 19. Oberstaatsanwalt Dr. Reimer (Berlin)...................... Ministerialdirektor Schäfer..........................................

14 26 16 26 12 23. 13 23 26 24 19 19 20 20 25

Schädigung der Rechtspflege Reichsjustizminister Dr. Gärtner.................. 26. 31. Berichterstatter Professor Dr. Mezger (München). . . Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg) Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin)...................... Professor Dr. Nagler (Berlin)................................... Professor Dr. Kohlrausch (Berlin)............................. Senatspräsident Professor Dr. Klee (B erlin)........... Vizepräsident G rau .......................................................

32 26 28 30 31 31 31 32

(Aussprache abgebrochen)

Beginn der Sitzung 10 Uhr 20 Minuten. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren! Ich darf daran erinnern, daß wir gestern bei dem Beginn der Erörterung über den Abschnitt Angriffe auf Bollsgesundheit sozusagen auf Grund geraten, weil sich nämlich Jezeigt hat, daß in diesem Abschnitt nicht die Formulierung der einzelnen Tatbestände, sondern die Einordnung von Tatbeständen im Vordergrund steht. Dabei hat sich ergeben, daß eine Reihe von Tatbeständen zwei Seiten hat, daß sie das Volk und daß sie den einzelnen an­ gehen. Es wurde beiläufig die Bemerkung gemacht, Totschlag sei eigentlich ein Angriff auf den Volks­ bestand, weil dieser um eins weniger werde. S o müß­ ten wir uns jetzt einmal über den Aufbau des Beson­ deren Teiles allein unterhalten, und ich würde vor­ schlagen, in dem Zusammenhang vom Allgemeinen Teil nicht zu sprechen. D as Rohmaterial dazu ist sehr 38.

einfach: es ist die Einteilung des geltenden S tra f­ rechts, ferner die Skizze der Preußischen Denkschrift und schließlich die Einteilung des Entwurfs. — Ich darf Herrn Staatssekretär Freister bitten, mit seinem Referat zu beginnen. Berichterstatter Staatssekretär D r. Freisler: Ich werde mich im ganzen innerhalb des Themas, nämlich Behandlung der Gliederung des Besonderen Teiles, halten, dabei aber, wo es notwendig ist, auch einen Ausblick auf die Gesamtgliederung geben, was aber nur nebenbei geschehen wird. Wenn wir die Systematik der Gliederung der Ver­ brechenstatbestände in der Vergangenheit überblicken, so stellen wir sehr bald fest, daß die systematische Gliederung erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit für diejenigen, die sich richtend, lehrend oder rechtspolitisch tätig mit dem Strafrecht beschäftigt haben, interessant wurde. Die mittelalterlichen italienischen Kriminalisten haben einer systematischen Gliederung der Einzeltat­ bestände kein Interesse zugewandt, sie haben vielmehr die einzelnen Tatbestände im bunten Gemenge mit all­ gemeinen Strafrechtsnormen und strafprozessualen Lehren behandelt. Sie haben einen Zusammenhang der Fülle des einzelnen und der Verschiedenartigkeit des einzelnen nicht gesucht und sind infolgedessen zu einer Gliederung nicht gelangt. D as mag unter ande­ rem auch daran gelegen haben, daß die Einzeltat­ bestände entweder nicht fest genug umrissen oder zu kasuistisch gewesen sind. Die Carolina hatte an sich mit ihren fester gewordenen Tatbeständen die Mög­ lichkeit einer Entwicklung nach der systematischen Seite hin geschaffen. Aber diese Möglichkeit wurde nicht ausgenutzt. Soviel mir bekannt ist, hat man sich ernst­ haft mit der Zusammenfassung der einzelnen Ver­ brechen erst seit Karpzow befaßt und ist dann später in Verfolg des Allgemeinen Landrechts und durch die Tätigkeit von Feuerbach immer mehr aufmerksam ge­ worden auf die Vorteile, wenn vielleicht auch noch nicht auf die Notwendigkeit der Gliederung der Einzel­ tatbestände. Für Feuerbach war der Ausgangspunkt der Gliederung das verletzte Rechtsgut. Unter Aus­ scheidung der Amtsverbrechen wurden die gemeinen Verbrechen in öffentliche und private Verbrechen ge­ teilt mit dem Gedanken, daß die öffentlichen Verbrechen diejenigen umfassen sollten, die sich aegen den S ta a t richten, und die privaten diejenigen, die sich gegen die ursprünglichen Rechte der Bürger oder gegen die er­ worbenen Rechte der Bürger richten. Es war nicht möglich, auf Grund dieser Basis eine restlose Gliede­ rung der Einzeltatbestände durchzuführen. M an behielt vielmehr eine Verlegenheitsgruppe übrig, die in der Folgezeit bis in die Jetztzeit hinein dauernd Kopf­ zerbrechen gemacht hat, nämlich die sogenannten vagen Verbrechen, die Verbrechen, die nach ihrer Ausfüh­ rungsart oder nach dem Mittel der Ausführung oder nach der Unberechenbarkeit ihrer Wirkungsrichtung und ihres Wirkensumfanges zusammengefaßt wurden, in sich selbst also auch keine geschlossene Gruppe dar­ stellten. Später wurden unter diesen vagen Verbrechen vor allem die gemeingefährlichen Verbrechen, die durch Mißbrauch von Sprengstoff ausgeübten Verbrechen — das ist überhaupt der Ausgangspunkt gewesen — , die Warenfälschung, die Handlungen an Geld und an Urkunden zusammengefaßt. Ich glaube, daß die

Ursache fü r die dauernde B eibehaltung dieser V e r­ legenheitsgruppe in der Entschlußlosigkeit bezüglich einer Entscheidung zu suchen ist, die ihrerseits bedingt w a r durch eine Richtungslostgkeit in der G rundan schauuna. D enn es scheint tatsächlich nicht möglich zu sein, die einzelnen Verbrechenstatbestände in Gruppen zusammenzufassen und demnach die Gesamtheit dieser Verbrechenstatbestände zu gliedern, wenn m an letzten Endes von dem Gedanken ausgeht, daß ein T e il der Verbrechen sich gegen den S ta a t und ein T e il gegen einzelne B ü rg e r richte, wenn m an sich nicht K la rh e it über das V e rh ä ltn is von S ta a t und B ü rg e r schafft. K o m m t m an bei dem Versuch, sich hierüber K la rh e it zu verschaffen, zu der einen der beiden möglichen radikalen Entscheidungen, nämlich zu der, daß der S ta a t nichts w eiter a ls ein durch den freien W ille n des B ü rg e rs entstandenes und bestehendes Zweckgebilde sei, dann fä llt die M öglichkeit einer solchen Grenz­ ziehung weg, w e il dann letzten Endes alles Verbrechen gegen den einzelnen B ü rg e r sind. K om m t m an aber bei dem Versuch einer Entscheidung in dieser grund­ legenden Frage zu dem Ergebnis, daß der S ta a t oder irgendein anderes Gesamtgebilde das P rim ä r e sei, dasjenige sei, in dessen Leben die einzelnen erst ihre D asein serfü llu ng finden können, dann ha t die U n te r­ scheidung wiederum keinen S in n / denn dann sind das alles Verbrechen, Vergehen gegen diese Gesamtgebilde, mag es nun der S ta a t oder. ein anderes Gesamtwesen sein. W ä h lt m a n nicht, dann kann m a n in den Fällen, in denen sich die R ichtung und die A u sw irkun g und das A usm aß des Verbrechens nicht von vo rn ­ herein voraussehen läß t, zu einer Entscheidung nicht kommen. V ielleicht hat deshalb derjenige nicht Unrecht gehabt, der a u f den Versuch v on Helschner, einen Ausweg zu finden, erw iderte, dieser Ausweg sei n u r eine bequeme E tike ttie ru n g und bedeute keine Lösung vom damaligen S ta n d p u n k t aus, nämlich von einem S tand pun kt aus, der es ablehnte, zu der von uns hervorgehobenen wesentlichen F rage S te llu n g zu nehmen. Interessant ist aber der Versuch, der von Helschner gemacht wurde, doch, wenn er auch zu einem E rgebnis kam, das meines Erachtens fü r uns heute nicht in Frage kommt. E r ist gerade fü r uns interessant, w e il er doch das G ru n d ­ sätzliche der F rage erkannte, indem er — d a ra u f hin ­ weisend, daß eine Reihe von Verbrechen sich weder gegen den S ta a t noch gegen den einzelnen, sondern gegen die Gesellschaft richten — davon sprach, daß diese Gesellschaft ein selbständiger geschloffener O rg a n ism u s sei. D a m it ist vielleicht etwas hervorgehoben worden, w as f ü r unsere E rkenntnis von Bedeutung ist. N u r dürfen w i r na türlich nicht ohne weiteres die meiner Ansicht nach m erkwürdige Folgerung ziehen, die Helschner gezogen hat, nun einfach diese d ritte Gruppe der Vergehen gegen die Gesellschaft zu den Vergehen gegen den S ta a t und gegen den einzelnen hinzuzu­ nehmen, und w ir dürfen nicht den zweiten Fehler be­ gehen, daß w ir die Gesellschaft als das ansehen, als w as sie dam als angesehen wurde, nämlich als etwas, was nichts Organisches, sondern n u r ein E in b ild u n g s ­ gebilde sei. M a n kam aber später im m e r mehr — und zw ar in den Lehrbüchern fast überall — zu der E in te ilu n g in Verbrechen gegen den einzelnen, den S ta a t und die

Gesellschaft, wobei die Rechtslehrer angeblich aus didaktischen Gründen als A usgangspunkt die V e r­ brechen gegen den einzelnen w ählten. S o ist im großen und ganzen die geschichtliche E n t­ wicklung zur Frage der E in te ilu n g der Vergehen. W enn man darüber erstaunt ist, daß die Frage der E inteilun g überhaupt erst spät ein erheblicheres Interesse gewann, so d rä n g t sich die Frage au f, ob denn nicht tatsächlich dieses Interesse an der E inteilun g ein nicht lebensnotwendiges sei, ob denn nicht diese E inteilun g in W irklichkeit nichts anderes als die Beftied igung eines künstlerischen Bedürfnisses — wobei ich das O rdnunAsbeoürfnis des Menschen als künst­ lerisches B e d ü rfn is auffassen w ill — oder ein technisches M itte l zur leichteren Stoffbeherrschung ist und ob nicht darüber hinaus die E in te ilu n g überhaupt keine g ru n d ­ sätzliche Bedeutung hat. Ic h habe die Frage rhetorisch gestellt, aber nicht in der Absicht, d a m it die entsprechende A n tw o r t zu geben. Ich b in vielm ehr der M e in u n g , daß die E inteilun g eines Strafgesetzbuchs, und zw ar nicht n u r des A ll­ gemeinen, sondern v o r allem auch des Besonderen T e ils , eine Frage von außerordentlicher Bedeutung ist, deren Bedeutung m an allerdings n u r ermessen kann, wenn man sich vorher darüber kla r w ird , w as man von einem S tra fte c h t überhaupt ve rla n g t. M e in er Ansicht nach gehört das allgemeine S tra fre c h t eines Volkes zu den grundlegenden Gesetzen, die ein V olk sich und seinen G liedern zu geben verm ag. Solche grundlegende Gesetze müssen u n m itte lb a r aus der geistigen und seelischen H a ltu n a des Volkes schöpfen und müssen in ­ folgedessen auch den Q uell, aus dem sie ihren I n h a lt geschöpft haben, im I n h a lt und A u fb a u widerspiegeln. W a s muß also v o r allen D in g e n ein deutsches a ll­ gemeines S tra fre ch t des nationalsozialistischen deutschen Volkes im I n h a lt und in der E in te ilu n g bringen und widerspiegeln? — Erstens meines Erachtens den A n ­ spruch der T o ta litä t des deutschen W eltbildes und Lebenswillens — ich werde daraus eine meiner Ansicht nach außerordentlich wichtige Folgerung ziehen — und zweitens das Bekenntnis des nationalsozialistischen Volkes, daß der lebenswerte O rg a n ism u s das V o lk ist, daß ih m alles dient, einm al führend die V olksführung, also der S ta a t und die Bewegung, und zweitens m it­ arbeitend alle Glieder des Volkes. Ic h werde später ausführen, daß ich als solche G lieder die sozialistischen Gemeinschaften, die natürliche Gemeinschaft und das einzelne Volksglied, den Einzelmenschen, ansehe. D ritte n s muß meines Erachtens das S tra fre ch t er­ kennen lassen, daß das V olk selbst nicht in dem einzelnen, sondern in seinen höheren Einzelgliederungen lebt, daß also der einzelne in seiner S u m m ie ru n g nicht die Ge­ samtheit darstellt. D a s fü h rt zu demselben, was ich eben bereits ausführte, zu btt B etrachtung deß Volks­ ganzen, der O rganism en in diesem D olksorganism us und der Einzelorganism en. W enn das B ild von der Zusammensetzung der K örp er, das uns in der Schule gegeben wurde, auch heute noch herangezogen werden kann, unabhängig von den Fortschritten der Wissenschaft, so würde man unterscheiden müssen zwischen dem Gesam torganism us, den Molekülen, aus denen er besteht, und den Atomen, aus denen die Moleküle bestehen.

Als Moleküle in diesem S inn fasse ich einmal die natürliche Lebenszelle des Volkes, nämlich die Familie, auf und dann die sozialistischen Lebenszellen. Dabei bitte ich um Entschuldigung, wenn ich hier zwischen einer natürlichen und einer sozialistischen Zelle scheinbar einen Gegensatz aufdecke. Ich will das nicht tun, denn ich kann es nicht. Richtig verstanden ist nämlich die natür­ liche Gemeinschaft geradezu daS Vorbild der sozialistischeu Gemeinschaft und umgekehrt die sozialistische Ge­ meinschaft auch eine natürliche Gemeinschaft/ sonst könnte ich ja nicht von sozialistischen Organismen sprechen. Ich wende in meinen weiteren Ausführungen diesen Wortgedrauch in Ermangelung eines besseren für diese Unterscheidung an und würde mich freuen, wenn ein besserer Wortgebrauch für die Unterscheidung gefunden werden könnte. Zu den sozialistischen Gemeinschaften in diesem Sinne zähle ich die Stände, die Kommunen, die Werksgemein­ schaften oder die Betriebsgefolgschaften einschließlich des Betriebsführerö. D as sind mir die sozialistischen Gemeinschaften, in denen — wie zugleich in der natür­ lichen Gemeinschaft der Familie — oas Volk lebt. D as muß ein grundlegendes Gesetz des national­ sozialistischen Volkes meiner Ansicht nach zum Ausdruck bringen. Weiter muß ein solches Gesetz zum Ausdruck bringen, daß das Weltbild dieses Volkes ein idealistisches ist, daß es überall dem inneren Wert höhere Bedeu­ tung als äußeren Werten beimißt, daß infolgedessen — auf das Strafrecht übertragen — der Angriff auf innere Werte viel gefährlicher ist als der Angriff auf äußere materielle Güter, auf Beispiele angewandt, daß der Angriff auf die Wehrbereitschaft etwas viel Gefähr­ licheres ist als der Angriff auf ein der Wehr dienendes materielles Gut, auf eine Kanone oder irgendein I n ­ strument des Sich-zur-Wehr-Setzens des Volkes. Endlich muß ein solches grundsätzliches Gesetz meines Erachtens die Ansicht unseres Volkes widerspiegeln, daß die Verantwortlichkeit der Führung der einzig mögliche G arant für den Aufstieg des Volkes ist. Es könnte scheinen, als ob damit Dinge gesagt worden wären, die in keinem Zusammenhang mit dem Thema stehen. Dieser Schein wäre richtig, wenn daraus nun nicht grundlegende Folgerungen gezogen würden. Aus der ersten der von mir genannten Notwendig­ keiten, nämlich dem Erfordernis, daß der Anspruch der Totalität unseres Weltbildes und unseres Lebenswillens auch aus dem Strafgesetzbuch hervorgehm muh, ziehe ich eine meiner Ansicht nach außerordentlich wesentliche Fol­ gerung. Ich ziehe diese Folgerung insofern, als rch den Vorschlag mache, etwas als Extrakt aus dem Besonderen Teile herauszunehmen. Ich muß, um das näher darmlegen, dabei ganz kurz auf die Gliederung eingehm, Sie w ir bisher vorfinden. Ich lasse bei der kurzen verglei­ chenden und andeutungsweise kritisierenden Darstellung defien, was w ir bisher vorfinden, die — so möchte ich mich einmal ausdrücken — Syndizientwürfe der Parla­ mentarischen Zeit weg und behandle lediglich unser Strafgesetzbuch, die Entwürfe oer Vorkriegszeit, den jetzigen Entwurf, die Denkschrift des Preußischen Justizmunsters und zwei m ir nicht unwichtig erscheinende aus­ ländische Gesetze, nämlich das italienische und das russische Gesetz. Es ist interessant festzustellen, daß alle diese Gesetze oder Entwürfe verschworn verfahren sind. D as S tra f­

gesetzbuch hat keinen einheitlichen Gliederungsgesichts­ punkt. I n den 29 Abschnitten des Besonderen Teils gliedert es teilweise nach der Angriffsrichtung der Ver­ brechen, nämlich danach, ob diese sich unmittelbar gegen den S ta a t oder unmittelbar gegen den einzelnen richten. Aber es gliedert nicht ausschließlich danach. Teilweise gliedert es nach der N atur des Angriffs/ das sind die gemeingefährlichen Verbrechen. Teilwelse gliedert es nach der Höhe der ausgeworfenen S trafe/ das sind die Übertretungen. Teilweise gliedert es nach der Gattung der Menschen, die mit Strafe bedroht werden/ das sind im wesentlichen die Amtsdelikte. Nur scheinbar geht es, soweit es den ersten Gesichtspunkt der Gliederung, den der Angriffsrichtung der Verbrechen, maßgebend sein laßt, den Weg konsequent von dem unmittelbaren Angriff auf die Allgemeinheit zu dem unmittelbaren Angriff auf den einzelnen. D as kann man insbesondere bei oer Auf­ einanderfolge des 10. bis 16 Abschnitts verfolgen: Zu­ nächst die falsche Anschuldigung, die hier verständlich wird unter dem Gesichtspunkte des Angriffs auf die Rechtspflege, also mehr auf die Allgemeinheit, sooann Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen, die in ihrem tatsächlichen Aufbau aber nicht so gefaßt sind, daß sie sich aus die Allgemeinheit, sondern so, daß sie sich auf das religiöse Fühlen des einzelnen oder die Intereffen von Gemeinschaften innerhalb der Allgemein­ heit, nämlich von Kirchen, beziehen/ dann folgen Ver­ brechen und Vergehen in bezug auf den Personenstand, lviederum ein Abschnitt, der in erster Linie die Intereffen der Allgemeinheit als Richtschnur zu nehmen be­ hauptet/ danach folgt der Abschnitt Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit, der anders hätte aus­ gebaut werden können, so, wie er aber aufgebaut ist, dieselbe Kritik herausfordert/ anschließend ein tvpisches Vergehen gegen den einzelnen, nämlich die Beleidigung, endlich ein Vergehen, das nicht als Angriff gegen einen einzelnen aufgefaßt werden kann, der Zweikampf. W ir sehen also im geltenden Rechte keineswegs eine gerade Linie vom direkten Angriff auf die Allgemeinheit zum direktm Aügriff auf den einzelnen. Nicht verwundern kann es, daß dieses Strafgesetzbuch im wesentlichen von den natürlichen und den sozialistischen Gliederungen des Volkes nichts weiß, daß es im wesentlichen die seelische Haltung nicht vor der materiellen Haltung behandelt und wertet, daß dieses Strafgesetzbuch im wesentlichen auch einen Vorrang des Gesamtintereffes vor dem Einzelinteresse nicht kennt. Denn die im allgemeinen verfolgte örtliche Grup­ pierung, die, wie ich ja dargelegt habe, auch noch lücken­ haft ist, kann ich nicht als die Anerkennung oder Be­ stätigung der Einräumung eines solchen inneren Vor­ rangs würdigen. Nicht verwundern kann es, daß dieses Strafgesetzbuch auch keine innere Bindung des einzelnen an das Ganze kennt, sondern daß es im wesentlichen nur eine äußere Ordnung sichern will. D as kann nicht verwundern, weil es aus einer anderen Zeit stammt. Es ist damit aber auch klar gesagt, daß der Aufbau dieses Strafgesetz­ buchs für uns nicht richtunggebend sein kann, selbst wenn w ir im einzelnen auf Grund ganz anderer E r­ wägungen einmal zu einer ähnlichen Aufeinanderfolge kommen sollten, wie sie hier vorgesehen ist. Der Dorentwurf des Jahres 1909 teilt den Beson­ deren Teil ein in Vergehen gegen den S taa t, gegen die l*

Einrichtungen des S taates, gegen Personen und gegen das Vermögen und schließlich m Übertretungen. Daß die Übertretungen im Strafgesetzbuch enthalten sind, ist für uns ja abgetan/ das w ar seinerzeit eine Verlegen­ heitslösung. Hier sollte Ausgangspunkt die Allgemein­ heit sein, aber nur die Allgemeinheit gesehen im S ta a t, wie es der damaligen Einstellung eben entsprach, und zwar zunächst die Allgemeinheit im S ta a t, wie er als festgefügtes Gerippe dasteht, und dann im S ta a t, wie er funktioniert. Es kamen dann die'Einzelpersonen und zuletzt die Sachinteressen, das Vermögen. W ir haben daran Verschiedenes auszusetzen. Einm al das grobe Nebeneinanderstellen der Personen und des Ver­ mögens und im übrigen, was ja viel wesentlicher ist, das Nurerkennen der Allgemeinheit im S taate, was für uns und von uns überwunden ist. D er Gegenentwurf vom Jah re 1911 hat diese Ein­ teilung wieder aufgegeben und hat die Übertretungen teilweise unter die Verbrechen und Vergehen eingereiht, im übrigen sie in einem besonderen Buch untergebracht. E r verzichtet auf eine feste systematische Einteilung, wenigstens dann, wenn ich glaube berechtigt zu sein, diesen Verzicht auf eine feste systematische und innerlich begründete Einteilung auch dem geltenden deutschen Strafgesetzbuch vorwerfen zu können. I n demselben Maße verzichtet auch der Gegenentwurf hierauf. F ü r die Denkschrift des Preußischen Iustizministers w ar leitender Gedanke für die Einteilung das jeweils überwiegende Schutzintereffe. Die Denkschrift fragt sich, ob im Einzelfall das unmittelbare Schutzintereffe der Volksgemeinschaft oder das unmittelbare Interesse der Einzecherson überwiegt. D am it ist gesagt, daß der Denkschrift der Mangel der ursprünglichen Zwei­ teilung an sich auch anhaftet. Dieser M angel wird in der Denkschrift aber dadurch ausgeglichen, daß sie davon ausgeht, daß die Volksgemeinschaft, das Volksganze das P rim ä re ist, und daß sie deshalb in der Lage ist, alle bisherigen Zweifelsfälle, ohne der eigenen Anschauung Gewalt anzutun, unter dem Schutze der Dolksgemeinchaft, des Dolksaanzen, unterzubringen. D ie Denkchrift ist diesen Weg meiner Ansicht nach teilweise überpitzt gegangen, z. B . bei der Zweiteilung des Schutzes der Arbeitskraft in den Schutz der Arbeitskraft, soweit sie als Volksgut angesehen wird, und den Schutz der Arbeitskraft, soweit sie als Gut, als Bestandteil einer Einzelpersönlichkeit gilt. H err Professor G raf Gleispach hat mich noch gestern abend aus diesen Mangel besonders aufmerksam gemacht, und es wird sich fragen, was man aus diesem Mangel für Schlußfolgerungen fü r den Auf­ bau ziehen muß. I m einzelnen geht die Denkschrift nun so vor, daß sie bei der Volksgemeinschaft zunächst das Gerippe des Lebens des Volkes, und zwar nach der damaligen An­ schauung den S ta a t, hinstellt. D am als rang noch die Anschauung von der T o talität des S ta ate s und vom autoritären S t a a t in uns m it der Anschauung von der T o ta lität unseres Weltbildes. D aher erklärt sich das An-die-Spitze-Stellen dieses Gerippes des Volkslebens, wie es damals gesehen wurde. Die Denkschrift kommt dann, um an ein Beispiel, das mein verehrter Herr M inister gern bildet, zu erinnern, zu dem Nerven-, Sehnen- und Muskelsystem dieses O rganism us, nämlich der Raffe und dem Volkstum. D a rau f trä g t sie dem Gedanken Rechnung, von dem ich meinte, bah er in

einem nationalsozialistischen Strafrecht enthalten sein muß, dem Gedanken, daß das Volk in Zellen lebt, und bringt den Schuh der Familie. Allerdings erwähnt sie dabei die sozialistischen Zellen nicht besonders. D ann spricht sie von dem G ut des Volkes im ganzen, seinem Tatendrang und der Grundlage dieses Tatendranges, seiner Arbeitskraft, und behandelt schließlich die mehr sachgebundenen Güter des Volkes und ihre Betätigung. Bei dem Schutze der Einzelperson beachtet die Denk­ schrift des Preußischen Iustizministers, daß der innere W ert vorangeht, und stellt die Ehre und ihren Schutz an die Spitze, um dann die physische Daseinsgrundlage, Leib und Leben, zu sichern, danack die Bewegungsmög­ lichkeit, die Freiheit und dann die Emanationen der Persönlichkeit, also ihre geistigen, künstlerischen, seelischen Werke, um endlich, ich möchte fast sagen, eine Konzession zu machen, die auch w ir werden machen müssen, nämlich doch noch eine Privatsphäre der Einzel­ persönlichkeit strafrechtlich anzuerkennen, und zwar die Geheimnisse dieser Persönlichkeit. D arau f kommt dann der Schutz der wirtschaftlichen Arbeitskraft, dessen B ringen an dieser Stelle ich bereits m ir erlaubt habe, unter Kritik zu stellen, und endlich der Schutz der nun nicht im höheren, im geistigen Sinne, sondern in der Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse ihre G rund­ lage findenden Betätigung und Sehnsucht des Volkes, nämlich der wirtschaftlichen Tätigkeit. Es ist notwendig, auch diese Gliederung zu kritisieren. Ich bitte um Entschuldigung, wenn meine Kritik an dieser Stelle keine grundsätzliche ist. D a s liegt daran, daß ich daran mitgearbeitet habe, und daß eine grund­ sätzliche Kritik nach einem halben J a h r einem M it­ arbeiter außerordentlich schwer fällt. Die grundsätzliche Kritik mag aber dann von anderer Seite vertieft wer­ den. I m einzelnen kritisiere ich außer dem, w as ich bereits gesagt habe, die nicht klare Erkenntnis, daß der S ta a t nicht der Ausgangspunkt und nicht das allein Wesentliche ist, die Nichthervorhebung des Lebens des Volkes in sozialistischen Gemeinschaften, die Erweckung des Anscheins — und auch einen Anschein soll m an ver­ meiden — , als bleibe die frühere Zweiteilung m it ihren Mängeln bestehen, das grobe M ittel der äußeren Doranstellung als Ausdruck der Zentralbewertung des V oran­ gestellten. Ich bin der Meinung, daß die Ortsbestim­ mung einer Einzelvorschrift nur ein höchst grobes M ittel ist, um klarzumachen, daß m an m it dieser Ortsstellung gleichzeitig eine Zentralbewertung des Vorangestellten verbinden will. Ich bin m ir klar, daß beides, w as ich zuletzt genannt habe, lediglich das Technische betrifft. Ich halte es im übrigen für zweckmäßig, die Gliede­ rung des Besonderen Teils der Strafgesetzgebung zweier fremder «Staaten zu betrachten, die teils voll­ ständig, teils in erheblichem Umfange den Grundsatz der T o ta lität vertretm : Ita lie n und die Sowjet-Union. D er italienische Faschismus bringt die T o ta lität des S ta ate s klar zum Ausdruck/ der Kommunismus sucht diese T o talität des S ta ate s verschämt zu verkleiden und zu verbrämen/ er stellt die Fiktion auf, alle staat­ lichen Gesetze, auch das Strafgesetz, seien nur eine Über­ gangsregelung bis zur Erreichung oes kommunistischen Ziels: der Herrschaft deS P ro le ta riats. Doch auch diese Fiktion ist nichts weiter als eine verkleidete T otalität. D a s italienische Strafgesetzbuch ist im Aufbau des Besonderen Teils absolut konsequent. Richtpunkt ist immer das angegriffene Rechtsgut. Es will offenbar

einen bestimmten W eg wählen, und zw ar den Weg von den unm ittelbaren Vergehen gegen den S ta a t als A u s ­ gangspunkt bis zu den unm ittelbaren 93ergef)en gegen die einzelne Person und deren wirtschaftliche B e tä ti­ gung als Endpunkt. In s o fe rn h a t es eine gewisse V e r­ wandtschaft m it der Gliederung des E n tw u rfs nach der preußischen Denkschrift. E s .e rk e n n t, daß über der Einzelperson die Gemeinschaft, die F a m ilie steht. D a s russische Strafgesetzbuch zeichnet sich dadurch aus, daß es aus dem Besonderen T e il eine grundsätz­ liche Bestim m ung he rausnim m t und ihm voranstellt. D ie s geschieht in einer Weise, die meiner Ansicht nach an das an klin gt, w as auch w ir wünschen. D ie ersten acht Abschnitte gehen aus von dem Schutz des Staates in seiner A llgem einheit. D a finden w ir zunächst den unm ittelbaren A n g riff auf den Bestand des S ow jetS ta a ts . W i r finden dann den A n g r iff auf das Funk­ tionieren des S taates. H ierzu find auch die A m tsver­ brechen zu rechnen, die im d r it tm Abschnitt besonders behandelt werden. Es fo lg t sodann der Schutz der Maßnahmen des S taates, der materiellen B e tätig ung des S taates und schließlich der Schuh der Einzelper­ sönlichkeit, um dann merkwürdigerweise an der wich­ tigsten S telle einen S p ru n g zu machen: Nach dem Schutz der Einzelpersönlichkeit w ird die Volksgesund­ heit behandelt. Dieser plötzliche S p ru n g erscheint auch vom S tand pun kt des russischen S trafrechts aus v o ll­ kommen unverständlich. D e r M a ngel in der Gliede­ ru n g des Besonderen T e ils des russischen Strafgesetz­ buchs besteht meines Erachtens v o r allem d a rin , daß die Tatbestände nach re in verstandesmäßigen Zweck­ mäßigkeitsgesichtspunkten eingerichtet und gegliedert werden. In s o fe rn kann das russische Strafgesetzbuch fü r uns nicht vorbildlich sein. Ic h wies v o rh in schon auf eine Eigentümlichkeit des russischen Srafgesetzbuchs hin, die etwas versteckt ist, aber doch deutlich erkennbar w ir d : m an hat etwas aus dem Besonderen T e il herausgenommen und heraus­ gehoben. D adurch erhält der Besondere T e il eine ganz andere Bedeutung, als ihm im italienischen und deutschen Strafgesetzbuch zukommt. D ie Bedeutung des Besonderen T e ils ist im russischen Strafgesetzbuch stark herabgemindert. S ie h t man genauer zu, so haben w ir in unserem E n tw u rf etwas Ähnliches vorgesehen. Ic h denke da an den § 169, der zw ar im Besonderen T e il steht, im übrigen aber ebensogut außerhalb des Besonderen T e ils oder, wenn man so w ill, an der Spitze des Besonderen T e ils stehen könnte. § 169 um ­ faß t einen so w e itm Tatbestand, daß alle Einzel­ tatbestände des Besonderen T e ils n u r S onderfälle dieses allgemeinen Tatbestandes sind. I n derselben R ichtung lie g t die Zulassung der Analogie. Auch das bedeutet eine Herabsetzung der Bedeutung des Besonderen T e ils . D urch dieses tech­ nische H ilfs m itte l der Analogie werden auch strafbare Handlungen erfaßt, die im Besonderm T e il selbst nicht u n m itte lb a r durch eine S tra fn o rm gedeckt sind. W i r haben w eiter versucht, auch dm Führertreubruch einzu­ führen/ hiernach sollen bestimmte Personen, die U n ­ recht tun, stra fbar sein. W ir sind von diesem P la n wieder abgekommen, aber unsere Bemühungen be­ wegten sich in derselben Richtung. W i r hatten die Schaffung eines allgemeinen und lapidaren Satzes, der aus dem Besonderen T e il herauszunehmen w a r und ihn sozusagen krönte, eines Satzes, der besagte: 38.

»Unrecht tun ist strafbar«, auf eine bestimmte P e r ­ sonengruppe beschränkt. D a s russische Strafgesetzbuch schlägt durch das Zusam m enw irkm der §§ 6 und 16 dasselbe V erfahren ein, indem es bestimmt: A ls allge­ meingefährlich g ilt jede H andlung oder Unterlassung, die sich gegen das S ow jet-S ystem richtet oder die Rechtsordnung verläßt, die fü r die Übergangszeit fü r die Gesellschaft errichtet ist. § 16 bestimmt ausdrücklich: W enn die eine oder andere gemeingefährliche H andlung in dem, w as fo lg t, nicht u n m itte lb a r durch eine S t r a f ­ n o rm bedroht ist, so bestimmen sich G ru n d und U m ­ fang der V era ntw ortlich keit d a fü r nach den P a ra ­ graphen, die ih re r A r t nach am meisten ähnliche Verbrechen vorsehen. D a s bedeutet nicht n u r die Z u ­ lassung der Analogie, sondern hier sehen w ir in V erb in dun g m it § 6 die Aufstellung des lapidaren Grundsatzes: W e r Unrecht tu t, ist nach dem Ermessen des Richters strafbar. Eine solche allgemeine Bestim m ung grundsätzlicher A r t senkt natürlich das Gewicht des Besonderen T e ils außerordentlich. S ie macht aus dem Besonderen T e il nichts w eiter als typische Anweisungen fü r d m Richter zur B e u rte ilu n g typischer und nach der E rfa h ru n g des Lebens häufig vorkommender Fälle. Ic h glaube mich nicht außerhalb des Bezirks meines R eferats zu befinden, wenn ich vorschlage, auch aus unserem Besonderen T e il einen allgemeinen lapidaren Grundsatz herauszunehmen und dem Besonderen T e il voranzustellen. D ie s entspricht durchaus den'E rw ä g u n ­ gen, die w i r angestellt haben, als w ir den § 169, also b it Zulassung der A nalogie, zu schaffen uns bemühten. D a s gleiche g ilt bezüglich des gührertreubruchs. Nach m einet M e in ung sollte auch der Allgemeine T e il in einen grundsätzlichen und in einen technischen T e il gegliedert werden. Demgemäß w ürde ich vorschlagen, das S t r a f ­ gesetzbuch in fü n f Teilen aufzubauen: 1. Vorspruch, 2. Grundsätzlicher T e il, 3. D ie zentralen und grundlegenden S tra fb e stim ­ mungen, 4. D ie besonderen Anweisungen, 5. Technischer T e il. D a m it glaube ich beseitigt zu haben, w as in einer Beziehung an der Preußischen Denkschrift zu bemängeln w a r. Gleichzeitig ist d a m it die höhere oder schwerere B ew ertung einer H andlung angedeutet. Ich meine, man muß den zentralen Gesichtspunkten, die w ir gefunden haben, auch tatsächlich Ausdruck verleihm . D e r gesamte Besondere T e il w ürde also un ter einer zentralen S t r a f ­ bestimmung stehen: der Zulassung der A nalogie. W i r haben dann nicht mehr n ö tig , tnt Allgemeinen T e il noch besonders von A nalogie zu sprechen, sondern w i r ziehen tatsächlich etwas aus dem Allgemeinen T e il zu einem E xtra kt des Besonderen T e ils zusammen. W a s dann ü b rig bleibt, das sind die Anweisungen an den R ichter, die die einzelnen typischen Tatbestände ent­ halten, die der Gesetzgeber genorm t ha t u n d die den R ichter binden. D abei muß m an meiner Ansicht nach vom Stande der Heutigen E rkenntnis der S te llu n g des S taates im V o lk ausgehen und nicht vom S ta a te als dem angeblichen Gerippe des Volkslebens. D a s V olk, das Leben des Volkes ist die entscheidende Kategorie, von der auszugehen ist. Ic h w ürde deshalb vorschlagen, den Besonderm T e il zu beginnen m it einer H aupt-

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gruppe: Schutz des Volkes. V o lk s tu m und Raffe scheinen m ir engere B e g riffe zu sein, die beide alles das, w as ich m ir un ter dem Schutz des Volkes denke, nicht umfassen. D a s Wesentlichste bei einem O rganism us ist die W ille n s b ild u n g und die R ichtungsbildung. D as Wesentliche im Volksleben ist also die F ü hru ng. Ich würde deshalb als zweite H auptgruppe den Schutz der Organe der V o lksfüh rung bringen. Diese H auptgruppe w ürde ich in zwei U ntergruppen teilen: Schutz des S taates und Schutz der Bewegung. W i r haben erkannt, daß das V o lk ein O ra a n ism u s ist, dessen Zellen selbst wieder Lebewesen sino. D eshalb w ürde ich in den d ritte n A bschnitt den Schutz der Z e llm des Volkes aufnehm m , un d zw ar in zwei U nterabteilungen: der natürlichen Z e llm und der sozialistischen Zellen des Volkes in dem S in n e , w ie ich ihn v o rh in dargelegt habe. D a s V o lk ist gleichzeitig eine ungeheure K ra fta n b a llu n g , w ie jeder O rganism us an sich eine unmdliche K ra fta n b a llu n g darstellt, und diese muß geschützt werden. Diese K ra fta n b a llu n g w ürde ich etwa als das V o lksgut bezeichnen. D a s sind alle die M itte l, die das V olk ha t, entweder von N a tu r aus oder au f G ru n d seiner Leistungen, die es befähigen, nicht n u r zu vegetierm , sondern zu leben. Ic h würde deshalb eine vierte H auptgruppe bilden, die ich vo r­ lä u fig - Schutz des Volksgutes« nenne, wobei ich jedoch hervorhebe, daß das gefundene W o r t nicht die endgültige Lösung darstellen kann, w e il es nicht Plastisch gm ug ist. Ic h verstehe d a ru n te r den Schutz der Dolksaesundheit, den Schutz der A rb e its k ra ft des Volkes und den Schutz der sachgebundenen V olksgüter einschließlich der A n ­ g riffe a u f die Verkehrsunternehm m , die in der P re u ­ ßischen D enkschrift w o h l in einem besonderen Abschnitt stehm, in den meines Erachtens aber nicht die sach­ gebundenen V olksaüter gehören. D a n n würde ich in der B etrachtung des Volkes w eiter fortschreiten und w ürde m ir sagen: die Zellen des Volkes bestehen, aus den Einzelnen. Ic h komme deshalb nunm ehr zum ein­ zelnen V olksgenoffm , zum Schutz seiner persönlichen und seiner wirtschaftlichen B e tä tig u n g . Ic h glaube, H e rr Reichsm inister, eS kann w ohl nicht meine Aufgabe sein, nun etwa die F ü lle der einzelnen Tatbestände auch im einzelnen zu gliedern,' ich glaube aber doch, bis zu der nächsten U nterabschnittseinteilung, w ie ich sie m ir dmke, wenigstens noch beispielhaft weiterschreitm zu sollen. Danach w ürde die erste H aup t­ gruppe --Volk« keine Abschnitte haben, w ie die zweite und d ritte H auptbruppe solche natürlichen Abschnitte h a t, sondern gewissermaßen erst Unterabschnitte, die auch in der zweiten und d ritte n H auptgruppe erscheinen w ü rd m . Ic h stütze mich dabei a u f die A usführungen von Rosenberb im -»Mythos des Zwanzigsten J a h r­ hunderts«, S eite 564, wo es heißt: I m ganzm deutschen Gesetz g ib t es keine einzige Bestim m ung un ter tausenden, die eine Be­ schimpfung oer Volksehre u n te r S tra fe stellt. S o kann es denn geschehen, daß der Name und das Ansehm des deutschen Volkes ungestraft von allen, die es w o llm , besudelt w erd m da rf. B e r­ lin e r Juden nannten die G erm an ia , das S ym b o l des Deutschtums, eine H ure, das ganze V o lk den ewigen Boche, eine N a tio n von Amtskadavern, S tin k v ie h und M ö rd e rn ! K ein S ta a ts a n w a lt rü h rte v o r 1933 auch n u r d m kleinsten Finger,

um diese Leute ins Zuchthaus m bringen. D a ­ gegen w urden M ä n n e r, die diese Juden als Schufte hinstellten, rücksichtslos wegen B e leidi­ gung bestraft. D a s erw ähnt Rosenberg, dem der F ü h re r die V e ra n t­ w o rtu n g fü r die geistige H a ltu n g der Bewegung über­ tragen hat, als Beispiel eines unerträglichen Zustandes in dem K a p ite l, in dem er seinen Gedanken darüber Ausdruck g ib t, daß am B eginn der dmtschen Rechts­ ordnung die Ehre steht. W enn w ir also das V olk an den B eginn stellen, dann müssen w ir auch beginnen m it der Volksehre, dem Schutz der Volksehre gegm Besude­ lung, dem Schutz des Volksstolzes, des S tolzes a u f seine geschichtliche Vergangenheit, auf seine H eldm , a u f alles, was da m it zusammenhängt. — D a s w äre also der erste Unterabschnitt der ersten H auptgruppe, »Schuh der Volksehre«. A ls Zw eites denke ich m ir den Schutz der Rasse gegen V e rra t, das wäre also der Schutz der phvsischen G ru n d ­ lage des Bestehens des Volkes, wozu ich dann auch rechnen w ürde den Schutz des W ille n s zur Fruchtbarkeit und — was w ir vorgestern nicht m tt in diesen A b­ schnitt gebracht haben — den Schutz der Zeugungs­ fähigkeit gegen Physische Zerstörung. D ie preußische Denkschrift b rin g t das auch woanders, aber meiner Ansicht nach gehört das m it hierher. Nachdem som it die Ehre und die Physische Grundlage des Volksbestandes geschützt sind, w ürde ich vorschlagen, in einem d ritte n Unterabschnitt die E in h e it des Volkes zu schützen, und zw ar die E in h e it gegen Zerstörung. D azu würde zum B eispiel der § 169 paffen. D azu würde aber auch passen jede Klassenverhetzung, alles was die innere und die äußere E in h e it des Volkes zu gefährden und zu zerstören geeignet ist. D a m it habe ich die Physische G rundlage und die U n­ zerstörbarkeit des Volkes gesichert, und ich muß nun mei­ nes Erachtens sichern, daß dieses V olk ein germanisches V olk ist, das heißt ein V olk, das nach oben blickt, das eine bestimmte geistig und seelisch a u fw ä rts gerichtete H a ltu n g hat. Deswegen w ürde ich im vierten U n te r­ abschnitt die geistige und seelische H a ltu n g des Volkes gegen A n g riffe schützen. D a ru n te r würde ich den Schutz der deutschen S ittlich ke it, soweit der strafrechtliche Schuh gegeben sein soll, aufnehmen. Ic h w ürde ferner vorschlagen, die F älle der §§ 265 und 267 des ita lie n i­ schen Strafgesetzbuches hierunter zu nehmen, nämlich den politischen und den wirtschaftlichen D e fa itism u s, die beide in den angeführten A rtik e ln , allerdings n u r fü r Kriegszeiten, un ter S t r a f t gestellt sind, von denen aber eine Einzelbesprechung ergeben müßte, ob sie in Deutschland nicht überhaupt u n te r S tra fe gestellt w er­ den müßten, wobei man na türlich beileibe nicht jeden Miesmacher un ter diese B estim m ung fallen lassen dürfte. Danach w ürde ich als fünften und als sechsten A b ­ schnitt einzelne besonders gefährliche F älle des A n g riffs au f die geistige und seelische H a ltu n g des Volkes behan­ deln, nämlich im fünften Abschnitt den Schutz der W e h rkra ft gegen A n g riffe , und zw ar sowohl gegen A n ­ griffe auf die W ehrmacht wie gegen A n g riffe auf den W ehrw illen , un ter V oranstellung des W e h rw ille n s, und im sechsten Abschnitt den Schutz gegen A n g riffe auf die wirtschaftliche B e tä tig u n g skra ft des Volkes. H ie r­ unter würde ich alles das rechnen, w as a u f S eite 79 der

preußischen Denkschrift behandelt ist, also die G efähr­ dung des V ertraue ns in die S ta b ilitä t, in die S tärke und K r a ft der deutschen W irtscha ft, P ro p a g ie ru n g von D inge n, wie sie sich zum Beispiel neulich ein N o ta r ge­ leistet hat, der rie t, keine V erträge mehr au f Reichs­ m ark zu schließen, sondern n u r noch auf Roggenmark. D a s sind so typische Fälle, die darunter fallen würden. D a m it w äre die erste H auptgruppe umrissen, be­ stehend aus den U ntergruppen »Schutz der Volksehre, Schutz der Rasse gegen V e rra t, Schutz der Volkseinheit, Schutz der geistigen und seelischen H a ltu n g des Volkes, Schutz der W e h rk ra ft, Schutz der wirtschaftlichen B e ­ tätig u n g skra ft« . D e r zweite H auptabschnitt soll die Organe der D olksfüh run g gegen A n g riffe schützen. I m ersten U n te r­ abschnitt w ürde ich den S ta a t aufnehmen als eines der Organe der V olksfüh rung . H ie r stelle ich m ir die Reihenfolge etwa so v o r: 1. den Landesverrat, 2. den Hochverrat, 3. — w eil, wie unsere Aussprache ergeben hat, das beides in gewisser Weise m it e rg re ift oder m it be rührt — die A n g riffe gegen befteundete S taaten, 4. der Schutz der höchsten S taatsorgane, der V olksver­ tretung und der S ym bole des S taates, 5. der Schutz des ungestörten Funktionierend des S taatsapparates m it den K a p ite ln : Amtsdelikte, A n g riffe au f die S ta a ts ­ gewalt, A uflehnung gegen die S taatsgew alt, A n g riffe auf das Funktionieren der S ta a ts g e w a lt in S pezial­ zweigen, nämlich Schutz der B ild u n g der S taatsorgane, v o r allem W ahlen, Schutz des Funktionierend der Rechtspflege, Schutz des Funktionierend des M ü n z ­ wesens und was sonst noch etwa au f G ru n d besonderer Ressortwünsche da untergebracht werden müßte. D e r zweite Abschnitt dieser H auptgruppe w ürde den Schutz der Bewegung umfassen. Ic h sehe davon ab, hier einen Einzelvorschlag zu machen, w e il es zunächst notw endig ist, zu erfahren, ob die Bewegung hier über­ haupt geschützt werden w ill. W i ll sie geschützt werden, so müßte m an systematisch so vorgehen, daß m an den Schutz der Bewegung p a ra lle l dem Schutz des S taates aufbaute. D ie P a ra lle litä t des Schutzes besagt schon, daß es sich nicht um die Gleichheit der Schutzbestimmun­ gen im einzelnen handeln kann. D e r d ritte Abschnitt w ürde den Schutz der Zellen des Volkes, zunächst der natürlichen Zelle, der F a m ilie , umfassen. Ic h würde da vorschlagen, der E in te ilu n g der preußischen Denkschrift zu folgen m it der M a ß ­ gabe, daß die Zerstörunb der Zeugungskraft, die die preußische Denkschrift hier vorsieht, in den U n te r­ abschnitt 2 der ersten H auptgruppe zu übernehmen w äre und vielleicht, w as aber noch besprochen werden müßte, die Reihenfolge zu ändern wäre, indem m it dem Schutze des Kindes m beginnen wäre und danach der Schutz der Ehe und oer Schutz der F a m ilie kämen. M a n kann na türlich auch d a fü r, die Ehe v o r dem K inde zu schützen, Gesichtspunkte geltend machen. D ie sozialistischen Zellen des S taates sind gegen A ushöh­ lung zu schützen, genau so wie der B e g r iff der Ehe gegen Aushöhlung und H era bw ürdigun g zu schützen ist. I n w iew eit darüber hinaus das Funktionieren des Lebens der sozialistischen Zellen des Volkes zu schützen ist, kann erst eine Einzelaussprache ergeben. D a ß aber die bö sw illige Sabotage zum Beispiel des Funktionierens des Reichsnährstandes hier unter S tra fe gestellt werden muß, darüber bin ich m ir klar.

D e r vierte Hauptabschnitt, der Schutz des V olks­ gutes, w ürde beginnen m it dem Schutz der Volksgesund­ heit, die meines Erachtens restlos, auch soweit es Schutz­ bestimmungen scheinbar zum Schutze der Gesundheit des Einzelnen sind, hierher gehört. D a s folgt aus unserer G rundrich tung . D ie Dolksgesundheit ist die Voraussetzung fü r die Arbeitsm öglichkeit. Deßhalb muß auch der Volksgesundheit v o r dem Schutz der A rb e its­ k ra ft gedacht werden. D a ra u f käme der Schutz der A rb e itskra ft. Ic h sagte bereits, daß ich in diesen A bschnitt das eingliedern würde, w as die preußische Denkschrift u n te r »Schutz des Volksgutes« — vie rte r Abschnitt — und im sechsten Abschnitt K ap. 1 bis 4 enthält. D ie B egründung habe ich bereits an anderer S telle gegeben. D a s bedeutet praktisch das Zusammen­ ziehen des Schutzes der A rb e its k ra ft überhaupt. D r i t ­ tens käme der Schutz der sachgebundenen Güter, und zw ar a) — d a m it ändere ich die E in te ilu n g der preu­ ßischen Denkschrift — der Schutz der deutschen Scholle gegen Devastierunq, b) der Schutz der natürlichen E r ­ zeugnisse der deutschen Scholle, also Pflanzen und Tiere, w o ru n te r ich aber nicht die Tie rquä lere i verstehe, die meines Erachtens aus dem Strafgesetzbuch überhaupt ausscheiden sollte, w e il sie in einem Spezialgesetz eine mustergültige Regelung gefunden ha t. D a n n die Ge­ fährdung von V olksgut — B ra n d s tiftu n g und Ü ber­ schwemmung — , der A n g r iff auf die Verkehrsunter­ nehmungen des Volkes und der wirtschaftliche Landes­ v e rra t, wenn w ir diesen nicht unter der H auptgruppe a m it behandeln. D ie 5. H auptgruppe wäre dann der einzelne V o lks­ genosse. D a schließe ich mich im wesentlichen der E in ­ teilung und der Reihenfolge der preußischen Denkschrift an: 1. Schutz der P erson, 2. Schutz der wirtschaftlichen B e tä tig u n g der Person. Schöner w äre es, wenn m an ohne diese Z w e ite ilu n g auskäme/ aber ich weiß nicht, ob man sich d a m it einverstanden erklären w ir d / denn da­ durch würden die bisher tatsächlich im Z e ntru m des Strafgesetzbuches stehenden Bestimmungen — Diebstahl usw. — in einem Unterabschnitt erscheinen, und man könnte m ir vielleicht sagen, das entspreche nicht der ta t­ sächlichen Bedeutung dieser Delikte. A n sich wäre ich der M e in u n g , daß man so aufbauen sollte: Schutz der Ehre, Schutz des Leibes und Lebens, Schutz der Freiheit, Schutz der E m anation der Persönlichkeit, nämlich der Geisteswerke, dann Schutz der wirtschaftlichen B e ­ tätig ung und zum Schluß des P rivatgeheim niffes. W enn man das aber nicht w ill, kann m an die wirtschaftliche B e tä tig u n g herausnehmen und kann d o rt alle die W i r t ­ schaftsvergehen hineinzählen, die bisher den H aup tteil des Strafgesetzbuches bilden. Z u m Schluß d a rf ich m ir erlauben, den Vorschlag zu machen, die einzelnen H auptgruppen m it einer B e ­ gründung zu versehen, die Bestandteil des Gesetzes, und zw ar Bestandteil der einzelnen H a u p tr ip p e n ist. Ic h bin der M e in u n g , daß dies zweckmäßig sein w ird / ob es notw endig ist, w ird m an erst am Schluffe sehen, wenn das S tG B , vollständig vo rlie g t. Zweckmäßig w ird es deshalb sein, um , vom Juristischen abstrahiert, insbeson­ dere von der juristischen Ausdrucksweise abstrahiert, jedem klarzumachen: hier beginnt eine der H a u p t­ gruppen des Gesetzes! Ic h glaube, daß der Vorspruch v o r dem ganzen Gesetz diese Aufgabe nicht erfüllen kann, denn der soll ja nicht Rom anlänge haben, und er w ürde vielleicht Rom anlänge bekommen, toenn w ir die Be-

gründuna der Abschnitte der einzelnen Hauptgruppen mit in den Vorspruch aufnehmen wollten. Ich lege W ert darauf, meinen Antrag so verstanden zu wissen, daß diese Begründung Bestandteil der einzelnen Haupt­ gruppen ist, so daß oer Richter im Zweifelsfalle das Recht zu schöpfen hat, indem er auch auf diese Begrün­ dung zurückgeht. Dagegen würde ich es für falsch halten, jeden Unterabschnitt oder gar jede Einzel­ bestimmung in die aufgelöste Form der Vermischung der Normen mit einer Begründung zu bringen. D aß die Übertretungen herausbleiben sollen, ist be­ reits entschieden. Ich habe deshalb meinem Referat vorerst nichts weiter hinzuzufügen. Berichterstatter Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Vielleicht darf ich vorausschicken, daß mir der Auftrag, ein Korreferat über den Aufbau des zweiten oder Besonderen Teils zu erstatten, erst gestern abend zugekommen ist. D arum kann ich nur eine ganz kurze Skizze und nur ein paar Gedanken vortragen, die meiner Meinung nach zu beachten wären. Eine Ordnung des ganzen Stoffes, die im sogenannten zwei­ ten Teil des Gesetzes vorzubringen ist, ist schon deshalb notwendig, damit die einzelnen Bestimmungen leichter gefunden werden können. Aber es liegt darin auch ein M ittel der Erkenntnis für die leitenden Gedanken des Gesetzgebers, demnach auch ein wichtiges M ittel — ich darf gleich hinzufügen, daß ich mich hier ganz im Einklang mit dem Vortrage des Herrn Staatssekretärs Freister befinde —, um durch das Strafgesetzbuch erzieherisch zu wirken. Bei jedem ordnenden Gesichts­ punkte hängt die Einordnung des einzelnen Tatbestandes in eine der aufgestellten Gruppen von ihrer Gestaltung und dem In h alt des Tatbestandes ab. D as ist aber nur so lange richtig, als der Inhalt des Tatbestandes, also irgendwelche Verbrechensbegriffe a priori, als be­ reits gegeben angenommen werden. Wo und soweit das nun nicht gilt oder nicht gelten kann — und es ist eigentlich nirgends als notwendig vorauszusetzen —, hängt umgekehrt der In h a lt deß Tatbestandes davon ab, unter welchen leitenden Gesichtspunkten die Gruppe steht, in die er eingereiht werden soll. Is t das richtig, so folgt daraus eine weitere wichtige Funktion für tie Ordnung des Stoffes im zweiten Teil, eine Funktion, die die sonst vielleicht außerhalb der Wissenschaft nicht gerade beliebte Systematik zu einem Wert auch für die P rax is zu machen geeignet ist. Es handelt sich um ein wichtiges Erkenntnismittel für die Bedeutung und Tragweite des Tatbestandes/ überall dort, wo die Ab­ grenzung des strafbaren Unrechts und die staatliche Aufgabe im besonderen, die das einzelne Strafgesetz er­ füllen soll, durch die Wortfassung nicht volttommen klar geworden sind, haben meiner Meinung nach der Staatsanw alt und der Richter auf die Stellung im System zurückzugreifen, weil ihnen dadurch die Bedeu­ tung dessen, was der Gesetzgeber wollte, schließlich erst klar wird. Diese Bedeutung wird natürlich um so mehr steigen, wenn man dem heute zwischendurch von Herrn Staatssekretär Freister gemachten Vor­ schlag beitreten würde, kurz gesagt, an Stelle des formellen Verbrechensbegriffes den rein materiellen Verbrechensbegriff zu stellen. Aber auch wenn man nur mit der Analogie arbeitet, kommt doch dieser systematischen Einreihung der einzelnen Delikte eine große Bedeutung zu.

Wenn man heute an die Aufstellung eines S tra f­ gesetzentwurfes geht, so liegt in einer Richtung vielleicht fast zu viel M aterial vor für eine Ordnung, die man wählen will, nämlich an bereits geformten, historisch gewordenen, in der P raxis sehr vertrauten Tatbestän­ den, die mehr oder minder als feststehend gelten. Man eht also vielfach nicht unbefangen an die Aufgabe eran, so daß man zuerst das System bildet, mit an­ deren Worten, daß man sich fragt: was hat das Gesetz zu schützen, um seiner großen Aufgabe gerecht zu werden, die kurz mit dem Schlagwort »Schutz der Volksgemeinschaft« zu kennzeichnen ist? Richtig ist aber doch der Vorgang, daß man sich nicht durch die T at­ bestände bestimmen läßt, das System zu bauen, sondern daß man umgekehrt von der Frage ausgeht: wo liegen die Teilaufgaben und wie ist die große Aufgabe »Schutz der Volksgemeinschaft« in Teile zu zerlegen, damit schließlich die Aufgaben der Strafrechtsordnung gelöst werden? Wenn man von diesem Gesichtspunkt ausgeht, richtet sich die Gruppenbildung nach den einzelnen Gütern, deren Schutz zur Erfüllung der Gesamtausgabe notwendig ist, und wenn auch zugegeben werden muß, daß jedes System da und dort Lücken oder kleine Unstimmigkeiten zurücklassen wird, so würde ich es doch für richtig halten, die Gliederung des zweiten Teils nach einer Unterscheidung der zu schützenden Güter möglichst rein durchzuführen. Wenn das als richtig zugegeben wird und wenn man sich auch vor Augen hält, daß das neue Strafgesetzbuch möglichst volkstüm­ lich gehalten sein soll, dann glaube ich allerdings — Herr Staatssekretär Freisler hat das als eine etwas rohe Methode bezeichnet — , daß man das voranstellen soll, was einem als das Wichtigste erscheint, daß man aber überdies bei dem Aufbau oes ganzen Besonderen Teils trachten muß, die nationalsozialistische Grundlage der Volksgemeinschaft zum Ausdruck zu bringen. D a r­ aus folgt zweifellos der Vorrang der ideellen Güter vor oen materiellen, was vom ersten Herrn Bericht­ erstatter wiederholt unterstrichen wurde. Dieser Ge­ sichtspunkt muß für das Strafgesetzbuch der Zukunft zweifellos als leitend hingestellt toerben. Viel schwieriger als dieser Grundsatz und seine Durchführung — er kann, glaube ich, rem durchgeführt werden — ist die andere Frage der Zuordnung der als schutzbedürftig erkannten Güter zu einzelnen Subjekten. Als möglich bieten sich von selbst drei Gruppen dar, nämlich Volk, S ta a t und Einzelner, oder genauer: Volk, S taat, Verbände — oder, um die Sprache des ersten Referats zu sprechend die sozialistischen Zellen des Volkes — und der Einzelne. Hier steht man nun zu­ nächst vor der schwierigen Frage, ob eine Zuordnung der verschiedenen zu schützenden Güter zu allen diesen drei Subjekten möglich, richtig und praktikabel sei, ob diese Zuteilung als Grundlage der Unterteilung über­ haupt zu verwenden sei. Ich meine, es wäre zunächst möglich, von ihr grundsätzlich als einem ordnenden Ge­ sichtspunkt höherer A rt abzusehen. Ich will damit sagen: das System wäre nicht aufzubauen etwa nach dem Gesichtspunkt: ich schütze das Volk, den S taat, die Bewegung, den Einzelnen, sondern als grundlegende Einteilung wären die Verschiedenheit und eine gewisse Rang- uno Wertordnung der einzelnen Güter zu wählen und innerhalb der so gebildeten Gruppen nunmehr — gar nicht notwendigerweise scharf — zwischen den Subjekten zu unterscheiden, denen jeweils das Rechtsgut

zugeordnet ist. Vielleicht würbe das die ideale Lösung sein. U m das etwas deutlicher zu machen, führe ich einige Beispiele an. Ic h würde, wenn ich so vorgehen w ollte, m it dem Schutz der Ehre beginnen und würde dann die Ehre des Volkes, des S taates, der Verbände und schließlich die des Einzelnen schützen. Ic h würde also den ja bisher n u r als einen T e il eines Tatbestandes beschlossenen S achverhalt --Angriffe gegen die Ehre des S taates und Volkes« als ersten Tatbestand hier heraus­ stellen und ebenso etwa den ehrverletzenden A n g riff auf staatliche Organe, D ertretungskörper, O rgane der B e ­ wegung, u n m itte lb a r anreihen und dann diesen A b ­ schnitt m it dem Schutz der --Ehre des Einzelnen«, wie man das zu nennen Pflegt, abschließen. Ic h habe schon bei der Besprechung der B eleidigung Gelegenheit gehabt, auszuführen, daß meines Erachtens auch die Ehre des Einzelnen durchaus ein V o lksg u t ist und nicht ein sogenanntes höchstpersönliches oder re in individuelles G ut. D a s B eispiel der Ehre habe ich an die Spitze gestellt, w e il ja hier diese E in te ilu n g verhältnism äßig leicht durchzuführen wäre. S ie w ird schon schwieriger, wenn man etwa an das Rechtsgut des Lebens denkt. Z w e ifellos lebt auch der S ta a t, als O rg anism u s ge­ dacht. W i r sagen ja : er ist eine Lebensform der V olks­ gemeinschaft. Es lebt die Volksgemeinschaft als Ganzes. Es leben die einzelnen Zellen und schließlich lebt der einzelne Mensch. Aber wenn ich versuche, diesen Ge­ danken durchzuführen, so müßte ich offenbar zunächst Hochverrat und Landesverrat zerschlagen und einzelne Fälle dieser überkommenen D eliktbegriffe gewisser­ maßen als die T ö tu n g des S taates oder der V olks­ gemeinschaft überhaupt hinstellen. D a s ist eine durch­ aus mögliche Auffassung, die sich aber im m erhin von der gebräuchlichen Auffassung sehr stark unterscheidet. Ic h w ürde dann lebensgefährdende A n g riffe gegen die Bewegung hier anzureihen haben, gegen andere V e r­ bände, schließlich M o rd , Totschlag usw. als Vernichtung des Lebens des Einzelnen. Ic h führe das nicht w eiter aus, w e il ich nicht glaube, daß ein Vorschlag des Aufbaues dieser A r t hier viel Zustim m ung finden würde. Ic h habe deshalb einen Vorschlag dieser A r t auch nicht schriftlich ganz ausge­ arbeitet, aber hinreichend durchdacht, daß ich die Ü ber­ zeugung habe: er läßt sich durchführen. D ie A u s fü h ­ ru n g im einzelnen müßte allerdings vorbehalten bleiben. G ib t man diesen Gedanken auf, dann kann man als, oberste E in te ilu n g die Unterscheidung der Subjekte, der T rä g e r der zu schützenden G üter herausstellen und also folgende H auptgruppen bilden: A n g riffe gegen den S ta a t, das V olk, die Bewegung und endlich 6m Einzel­ menschen. N icht unvermeidlich ist die letzte Gruppe. D e r Einzelne als jemand, dem das zu schützende G u t zugeordnet ist, muß nicht als H a u p t einer Gruppe er­ scheinen/ ich sehe v o rlä u fig davon ab und komme später d a ra u f zurück. Es entsteht zunächst die wichtige Frage: soll m an dem V o lk oder soll m an dem S ta a t die P r io r it ä t zuerkennen, wobei ich allerdings von dem meines Erachtens doch stark verbreiteten Gedanken aus­ gehe, daß im m e rh in die Reihenfolge auch als ein W e rt­ maßstab angesehen w ird . I m nationalsozialistischen S ta a t dchört nun meiner Auffassung nach das V o lk an die Spitze und nicht der S ta a t. Ic h befinde mich hier im Gegensatz zur preußischen D enkschrift, und ich be­ finde mich auch durchaus im Gegensatz zu dem ita lie n i­ schen Strafgesetzbuch. Aber gerade das w ürde ich als 88.

einen großen V orzu g empfinden, w e il ich meine: w ir haben keinen G ru n d , die wesentlichen Unterschiede zwischen nationalsozialistischer und faschistischer A u f­ fassung zu verhüllen. D a s italienische Strafgesetzbuch b rin g t ja das, w as m an E ta tism u s nennt, scharf zum Ausdruck: der S ta a t ist der höchste W e rt, das Volk ist gewissermaßen M a te ria l fü r den S ta a t, t r i t t aber in c m H in te rg ru n d , w ährend w ir das V olk möglichst in dm V o rd e rg ru n d stellen sollten, w e il die deutsche V olks­ gemeinschaft fü r uns der höchste W e rt ist. Freilich einer E in te ilu n g , die das konsequent durchführt — der V o r ­ schlag des H e rrn Staatssekretärs tu t es ja — stehen gewisse Schwierigkeiten entgegen. M a n müßte meines Erachtens m it dem Schutz der Ehre beginnm — so tu t es auch H e rr Staatssekretär F reister — und u n m ittel­ ba r oder sonstwie den Schutz der Rasse anreihen. A u f diesem Gebiete können w i r strafrechtlich nicht sehr viel bieten. Ic h habe also die Besorgnis, die ja vielleicht nicht ausschlaggebend ist, daß gewissermaßen der G rund­ akkord, m it dem w i r anfangen, nicht vo ll genug tönt. D a s ist ein Bedenken, das mich veranlaßt h a t, schließ­ lich von einer ausgeprägten Voranstellung des Schutzes des Volkes abzusehen. Ic h habe aber versucht, die eben erwähnten E rw ägu n­ gen doch dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß ich zwischen Schutz des Volkes und Schutz des S taates nicht scharf unterscheide und sie möglich einander annähere. Ic h d a rf das zum Schluß noch deutlich machen durch eine A n fü h ru n g der H auptgruppen, wie ich sie m ir denke. Hingegen w ürde ich der M e in u n g sein, daß der Einzelne als S ubjekt zu schützender G üter ganz zu ver­ schwinden hätte. D ie Unterscheidung --Rechtsgüter des Volkes, des S taates, der Bewegung und schließlich des Einzelnen« verleitet zu einer Auffassung, die grundsätz­ lich verfehlt ist. D ie F ig u r des Rechtsgutes des E in ­ zelnen, des Verbrechens gegen das Rechtsgut des Einzel­ nen stammt ja zweifellos aus einer individualistisch ein­ gestellten Z e it. (Staatssekretär D r . F re iste r: S o g a r der Kom­ m u nism us h a t sie!) — B itte , das beweist nichts. Selbst der Kom m unism us ha t gewisse konservative Züge. Es kann ja auch v ie l­ leicht ein gewisses B eha rrun gsverm ög m hier zum A u s ­ druck gekommen sein. Jedenfalls meine ich: es ver­ leitet doch zu der Auffassung, daß w ir hier — bei dm Verbrechen gegen den Einzelnen — etwas grundsätzlich Anderes v o r uns haben, daß das Strafgesetzbuch zwei große Aufgaben habe: zunächst schützt es das Volk, die Gesamtheit, und dann verändert es gewissermaßen sein Gesicht und schützt wieder den Einzelnen u m des E in ­ zelnen w ille n . D a s letztere muß nach meiner Über­ zeugung bekämpft werden. D a s letztere w äre eine u n ­ richtige Einstellung. M e in e r Auffassung nach find die Verbrechen gegen Rechtsgüter des Einzelnen durchaus auch n u r Verbrechm gegen die Gesamtheit, n u r daß in dem einen Falle, bei der erstm H auptgruppe, die V olks­ gemeinschaft u n m itte lb a r angegriffen w ird etwa durch Verhetzung und dergleichen, w ährend in dem anderen Falle die Schädigung der Volksgemeinschaft auf dem Umwege über dm A n g r iff ge^m ein sichtbares, sinnlich wahrnehmbares E in ze lin d ivid iu m sich vollzieht, von uns aber doch n u r insow eit bestraft werden d a rf, als eben dieser A n g r iff auf d m Einzelnen eine wesentliche Schädi­ gung der Volksgemeinschaft bedeutet. W a ru m strafen

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w ir denn heute die Tötung? Nicht um den individuellen Lebenswillen zu schützen! Es w ird ja schließlich selbst der bestraft, der einen anderen m it seiner Einw illigung tötet. W ir schützen das Leben des Einzelnen — wie inan zu sagen pflegt — , weil w ir nicht ein M itglied der Gemeinschaft vernichten lasten wollen, also durch­ aus aus einem Gesichtspunkt der Volksgemeinschaft, aber nicht aus einem individualistischen Gedanken heraus. So ist es bei der Ehre, und so ist es bei der Freiheit, die man eben n u r so weit schützen darf, als sie ein Gut der Gesamtheit ist. So ist es offensichtlich bet der Sach­ beschädigung. W ir schützen ja zum T e il schon nach gel­ tendem Recht und, wie ich hoffe, in viel weiterem Um­ fange nach künftigem Recht auch die Vernichtung einer wertvollen Sache durch den Eigentümer, wenn der Eigentümer dadurch die Volksgemeinschaft schädigt. Selbst beim Diebstahl, wo scheinbar n u r eine Ver­ schiebung-der Verteilung der Güter unter den Einzelnen e in tritt, w ird doch die Eigentumsordnung angegriffen, die wiederum n u r besteht, weil sie als ein G ut der Volks­ gemeinschaft g ilt. Ich glaube, fü r die richtige Auffassung der Auf­ gaben, die das Strafgesetzbuch und die namentlich auch der S tra frich te r hier zu erflrllm hat, ist es wichtig, diese Einstellung möglichst deutlich im System zum Ausdruck zu bringen und alles zu vermeiden, was einer indivi­ dualistischen Auffassung dieser Verbrechensgruppen irgendwie Vorschub leisten würde. Es ist dann überdies vielleicht noch kurz hervorzu­ heben, daß eine strenge Unterscheidung zwischen den Rechtsgütern der Volksgemeinschaft und dm Rechts­ gütern des Einzelnen auf manchen Gebieten ja gav nicht durchführbar ist. Herr Staatssekretär Freister hat bereits vorgeschlagen, den Schutz der nationalen Arbeits­ kraft und der Arbeitskraft der Volksgemeinschaft zu vereinigen, den die Denkschrift trennt. Ich darf vielleicht noch auf die Sittlichkeitsdelikte hinweisen. Warum gelten die Sittlichkeitsdelikte als Delikte gegm die Ge­ samtheit? J a , wenn man die Haupttawestände, wie Notzucht usw., betrachtet, so liegt sinnfällig durchaus ein A n g riff gegm eine Einzelperson vor. Trotzdem fühlt man gewissermaßen, daß es sich hier um mehr handelt, als um den Schutz der Freiheit oder der körperlichen Unversehrtheit des Einzelnen, und man pflegt darum die Sittlichkeitsdelikte schon heute vielfach als Delikte gegm die Gesamtheit aufzufassen. M a n würde eine Gruppe zerreißen, wenn man diesen Gesichtspunkt der Zuordnung zum Einzelnen oder zu der Gemeinschaft scharf durchführen wollte. Ich darf jetzt vielleicht — auch m it Rücksicht auf die Z eit — dazu übergehen, ganz kurz den> Aufbau zu kenn­ zeichnen, wie ich ihn m ir vorstelle. D e r erste Haupt­ abschnitt wäre überschrieben »Angriffe gegen den Be­ stand des Staates und die Grundlagen der Volks­ gemeinschaft«. Ich würde beides aus dm angeführten Gründen vereinigen, würde also offenbar hierherzu­ stellen haben Hochverrat, Landesverrat, Angriffe auf die politische Führung, auf die W ehrkraft, auf die guten Beziehungen zu fremden Staaten, unm ittelbar an­ schließen dann Rasseschutz, Volkstumsschutz, Schutz der Ehre, der Religion, der S itte und Fam ilie. D er Ge­ danke ist wohl klar, die Grundlagen sowohl des staat­ lichen Lebens wie oes Volkslebens hier zu vereinigen. Zweitens käme nach denselben Grundgedanken geordnet

Schutz der staatlichen Ordnung, der Verbände — das würde ungefähr den Zellen im Vorschlag des Herrn Staatssekretärs entsprechen — und ihrer Organe. Hier würde ich dann einstellen: Widerstand gegen die S ta a ts­ gewalt, Störung des Volksfriedens, Angriffe gegen die Reinheit und die Unversehrtheit des Am ts, gegen Wahlen und Abstimmungen, dann käme der Schutz der wichtigsten staatlichen Funktionen: Schutz der Rechts­ pflege und der Verwaltung. Hier würde ich vereinigen: falsche Aussage, Meineid, falsche Anschuldigung und Förderung strafbarer Handlungen usw. — a llm falls in Unterabschnitten gegliedert. Dann käme der Schutz der Sicherheit des Geldverkehres und der Sicherheit des U r­ kundenverkehres. Endlich käme als dritte Hauptgruppe: Schutz der Volksgüter, und hier würde ich schützen: Freiheit, Leben und Gesundheit, dann die Arbeitskraft des Volkes. Das wären die Hauptgruppen, wobei also unter »Leben und Gesundheit« die Tötungsdelikte, die Lebensgefährdung, die Körperverletzung und die Gesund­ heitsgefährdung zu vereinigen w ärm , unter Doranstellung jeweils der Tatbestände, bei dm m es sich um den A n g riff auf eine unbestimmte Personmzahl handelt, während dann die auf einm Einzelnen abgestellten A n­ griffe sich anschließen würdm . (M inisterialdirektor Schäfer: D ie Angriffe auf das Vermögen w ärm auch darunter?) Ja , die letzte Gruppe ist dann: Schutz der Wirtschaft. (Staatssekretär D r . Freister: A ls vierte Gruppe?) — Nein, nein, nicht als Hauptgruppe! Ich meine: »Freiheit, Leben und Gesundheit, Arbeitskraft und schließlich Schutz der W irtschaft«, wobei ich z. B . die gemeingefährliche und dann die einfache Sachbeschädi­ gung hierherstellen würde, also zunächst Brandstiftung und Überschwemmung als schwere Fälle der Sachbeschädi­ gung. D ie einfache Sachbeschädigung würde sich an­ schließen. D ann kämen die Ausbeutungsdelikte, die Täuschungsdelikte, die eigentlichen Eigmtumsdelikte als Schluß. Zwei Gruppen würden aufgelöst werden, zwei Gruppen, die teils geltendes Recht, teils geplant sind. D as sind einmal die gemeingefährlichen Delikte, die in die aufgeführten Gruppen je nach dem angegriffenen Rechtsgut zerfallm, und dann der Geheimnisschutz. Ich glaube, daß es sich hier nicht um etwas Einheitliches handelt. Ich würde dm Schutz gewisser Geheimnisse des Einzelnen wie des Briefgeheimnisses m it dem Schutz der Freiheit, Schutz der Persönlichkeit vereinigen, während Verletzung des Amtsgeheimnisses und dergleichen nach dem ftmher Gesagten ja bereits seine Stelle hat. Dieser Vorschlag hat eine noch nicht ausgebaute Stelle. Ich habe den Schutz der Bewegung und der Organe der Bewegung, also vor allem der S A , nicht irgendwie ausgestaltet, und zwar habe ich das aus dem­ selben Grunde unterlassen wie H err Staatssekretär Freister. Es ist meines Erachtens eine offene Frage und eine Frage der politischen Führung, ob dieses Kapitel im Strafgesetzbuch erscheinen soll oder nicht. Reichsjustizminister D r . G ürtner: D ie Skizze, die jetzt gezeichnet worden ist, drei Gruppen m unter scheiden, erstens »Bestand des Staates und G rund­ lagen der Volksgemeinschaft«, zweitens »Schutz der staatlichen Ordnung, der Verbände und ihrer Organe«, drittens »Schutz der Volksgüter«, ist aber nicht die Verwirklichung des ursprünglich aufgeführten Ge-

dankend, das Srafgesetzbuch nach den Rechtsgütern zu ordnen? Professor D r. Gras Gleispach (Berlin): Nein, Herr Reichsminister, der zuletzt vorgetragene Vorschlag ist nicht die Durchführung des Gedankens, ohne Rücksicht auf die Zuordnung nur nach Rechtsgütern zu grup­ pieren. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as ist I h r erster Gedanke gewesen. D as haben Sie selbst aber abgelehnt. Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Ich habe mir gesagt, daß der Aufbau, n u r nach der Unterschei­ dung der Rechtsgüter vielleicht zu theoretisch, zu wenig plastisch, ein völliger Bruch mit dem Hergebrachten ist und meinem Empfinden nach keine Ausficht auf Ver­ wirklichung hat. D arum habe ich ihn nicht bis zuletzt durchgeführt. D as, was ich jetzt vorschlage, ist eine Verbindung der zwei Gedanken, nach den RechtSgütern und nach den Subjekten zu unterscheiden, denen wir die Güter zuordnen, wobei ich die Unterscheidung S ta a t und Volk möglichst abzuschwächen suche und wobei ich die Gruppe Rechtsgüter deß Einzelnen bewußt unterdrücke. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Der erste Gleispachsche Gedanke wäre dieser: man würde den Schutz der Freiheit irgendwo aufzunehmen haben. Eine Frei­ heit habe ich als Einzelperson. Eine Freiheit hat der Einberufer einer Versammlung/ sie darf nicht gesprengt werden. Eine Freiheit hat der Mann, der votieren soll oder seine Stimme abgeben soll/ er darf dabei nicht gestört werden. Eine Freiheit hat der Reichspräsident bei der Ausübung der verfassungsmäßigen Rechte/ da darf er nicht gestört werden. D as alles wäre unter dem Kapitel Schutz der Freiheit zusammenzufassen. Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Ich habe gerade versucht, bei der Freiheit das etwas herauszu­ arbeiten. Ich würde freilich umgekehrt beginnen und würde sagen: in unserem S ta a t besteht die Freiheit des Volkes in der Freiheit deß Führers. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D er Vorschlag Gleispach erinnert in fernen Grundgedanken sehr an den Vorschlag des Herrn Staatssekretärs mit den Abwandlungen, die er selber angegeben hat. Die wichtigste Abwandlung für mich ist vorläufig die, daß als Träger von schutzbedürftigen Rechtsgütern der Ein­ zelne überhaupt nicht auftritt, sondern daß der Einzelne nur als Teil des Ganzen betrachtet und in ihm irgend­ wie eine Funktion der Volksgemeinschaft erblickt wird. Wenn ich mir nach dem ersten Eindruck selber ein Urteil erlauben darf: sehr volkstümlich ist die Exstirpa­ tion des Einzelnen aus dem Strafrecht nicht, vom philo­ sophischen und vom weltanschaulichen Standpunkt ganz abgesehen. Sebr volkstümlich ist die Vorstellung nicht, daß ich nicht der Träger meines Lebens bin und als solcher Träger dieses armseligen individuellen Lebens einen straftrechtlichen Schutz genießen kann. Ich glaube, in der Bevölkerung würde das so ohne weiteres nicht aufgenommen, auch gar nicht verstanden werden. (Staatssekretär D r. Freister: Die Tötung des wertlosen Menschen!) — Ich meine prima vista, daß wir den Einzelnen als Träger schutzbedürftiger Rechtsgüter aus dem S tra f­

recht nicht herausreißen sollten, weil ich die Befürch­ tung habe, daß das nicht einaänglich ist. W as nun die Vorschläge des Herrn Staatssekretärs Freisler anlangt, so unterscheiden sie sich in der Gruppie­ rung sowohl von dem geltenden Strafrecht wie vom italienischen und der preußischen Denkschrift dadurch, daß sie nicht mit dem S ta a t beginnen, sondern mit dem Volk. Darüber müßten wir uns schlüssig werden. Wenn ich m ir den S ta a t in diesem Kreise vorzustellen versuche, so verknüpft sich bei mir mit dieser Vorstellung irgend etwas von Form. Der S ta a t ist die Form der Lebens­ möglichkeit eines Volkes oder die Formgebung des Lebens eines Volkes. S taa t ist ein formaler Begriff, S ta a t setzt Formen voraus. D as Volk dagegen ist kein formaler Begriff, sondern ein organischer Begriff. Wenn w ir nun mit großem Elan das Strafgesetzbuch mit den Bestimmungen zum Schutze des Volks eröffnen, wie wird dann die Wirkung sein? Alle Strafrechte, die ich zur Hand genommen habe, beginnen mit ganz kapi­ talen Verbrechen, Hochverrat, Landesverrat usw. Ob dieselbe Wirkung erzeugt wird, wenn wir mit dem Schutz des Volkes anfangen, erscheint mir zweiftlhaft. D as wäre aber am letzten Ende kein Grund, es nicht zu tun. D as, was in dem Freislerschen Punkt 2 angegeben ist, Schutz der Organe der Volksführung des Staates nähert sich schon ziemlich dem, was wir uns ungefähr zurechtgelegt haben. W ir würden dann mit dem Landesverrat beginnen in Abweichung vom gelten­ den Recht. Im italienischen Strafgesetzbiuh ist es ebenso. D a heißt es: Schutz des Staates als Glied der völkerrechtlichen Gemeinschaft, und das zweite wären die Verbrechen gegen das innere Staatswesen. Ich glaube, über diese Unterteilung würden wir sehr rasch handelseins werden/ denn darüber sind wir schon einig gewesen. D aß wir dann in diese Nachbarschaft die An­ griffe gegen, befreundete Staaten stellen müssen, begeg­ net wohl keinem Bedenken. (Ministerialrat D r. Schäfer: Die befreundeten Staaten würde ich ein wenig weiter hinten bringen.) — Diese Unterfrage ist nicht sehr wichtig. Wir sind uns darüber schlüssig geworden, daß die Amtsdelikte hierhergehören. Daß auch die Tätigkeit der Amts­ träger geschützt werden muß, steckt implicite in dieser Auffassung. Eine Debatte darüber, was wir unter der Ziffer 2, Schutz der Organe der Volksführung, aufnehmen müssen, erübrigt' sich/ denn darüber sind w ir uns im wesentlichen schon einig gewesen. Professor D r. G raf Gleispach (Berlin): Ich möchte nur fragen, Herr Reichsminister, ob wir in diesem zweiten Abschnitt nicht auch gegen Schluß ein Kapitel: Schutz der Verwaltung aufnehmen wollen, vielleicht im Anschluß an die Rechtspflege. D as würde die G rup­ pierung wesentlich erleichtern. (Staatssekretär D r. Freisler: D as habe ich vorhin zwar nicht gesagt, aber ich würde auch der Mei­ nung sein.) — D ann könnte man der Sicherheit des Geldverkehrs den Schutz des Urkundenverkehrs anschließen, gewisser­ maßen als letzte Ausstrahlung der staatlichen Betätigung. (Staatssekretär D r. Freisler: D er Meinung bin ich nicht.) 3*

Reichsjustizminister D r. Gürtner: Herr Graf Gleispach, bei den Urkunden würde man hier zunächst an die öffentlichen Urkunden denken. Aber wenn wir die Urkunden im weiteren Sinne nehmen, wie es jetzt gedacht ist, dann wird es doch ein bißchen gezwungen. Schwieriger scheint mir diese Ziffer 1 zu sein, auf die ich jetzt zu sprechen kommm möchte. Unter dem Schutz des Volkes sollten gruppiert werden: Ehre, zweitens die Raffe — darunter soll aber noch mehr verstanden sein, nämlich der Bestand des Volkes, die Reinhaltung des Volkes und die Vermehrung des Volkes — , endlich die Einheit. D a ist mir als T at­ bestand eigentlich nur die Volksverhetzung eingefallen. (Staatssekretär D r. Freisler: Und § 169 und was damit zusammenhängt, Auflehnung gegen Empfehlungen.) D ann war hier noch erwähnt die geistige und seelische Haltung des Volkes. Ist dabei auch an S itt­ lichkeitsdelikte gedacht? Staatssekretär D r. Freisler: Ich dachte an Angriffe gegen die seelische Haltung, auf die Religion, dann auf die Sittlichkeit, und zwar nicht nur Sittlichkeitsdelikte, sondern überhaupt Angriffe auf die Grundlage der deutschen Sittlichkeit. (Reichsjustizminister D r. Gürtner: D arin ist aber doch der Bereich der jetzigen Sittlichkeitsdelikte einbegriffen.) — J a . Dann käme der politische Defaitismus im Kriegsfall und der wirtschaftliche Defaitismus, wobei ich der Meinung bin, daß man sich nicht auf den Kriegsfall beschränken sollte, aber sonst Einschränkun­ gen hinnehmen sollte, um kein Übermaß von S tra f­ verfolgung zu erzielen. Ich hatte beispielsweise die §§ 265 und 267 des italienischen Strafgesetzbuchs an­ geführt. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D arf ich an­ knüpfend an die Sittlichkeitsverbrechen auf etwas auf­ merksam machen? M an kann nach dem System Gleispach oder nach dem System Freisler einteilen. Es bleibt immer ein Rest zu tragen peinlich. Die Rechnung geht nie ganz auf. Denn wenn wir hier die Sittlich­ keitsdelikte aufnehmen, müssen sie bei dem Schutz der natürlichen Zelle, der Familie, verschwinden. Z. B . der Ehebruch, um es an einem Beispiel klarzumachen. (Staatssekretär D r. Freisler: Den würde ich hier nicht bringen.) Notzucht? (Staatssekretär D r. Freister: Gehört hierher.) Unzüchtige Literatur? (Staatssekretär D r. Freisler: Gehört auch hierher.) Verführung? (Staatssekretär D r. Freisler: Verführung würde ich auch hierhernehmen.) Blutschande? (Staatssekretär D r. Freisler: Gehört hierher.) Ich wollte mir an diesen Beispielen selber klarmachen, daß wir am Schluß doch zu Unterscheidungen gezwun­ gen sein werden. Aber ich bin der Meinung, daß das bei keiner andern Einteilung anders sein wird. Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): D arf ich fragen, Herr Reichsminister: Würde unter den Ge­

sichtspunkt Schutz der Wehrkraft das Ganze fallen, was wir bisher unter dem Gesichtspunkt behandelt haben? Ich glaube, daß dem Gedanken nach zweifellos, sagen wir, die Zerstörung des Wehrwillens hineingehört. Aber ich frage mich, ob man in dem Hauptabschnitt Schutz des Volkes z. B. die ganzen Spionagebestimmun­ gen bringen soll. Staatssekretär D r. Freisler.- Ich bin mir auch klar, daß man dagegen einwenden kann, es gehöre nicht hierher. Ich würde es aber hier bringen, weil ich den Schutz der Wehrkraft in jeder Beziehung hier zusam­ menfassen möchte. (Zuruf: Die Spionage muß doch mit dem Landes­ verrat zusammenkommen!) — Die gehört in I 1 1. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich möchte drin­ gend widerraten, dm Landesverrat zu zerlegen. Bei der Wehrkraft käme ungefähr das, was wir gestern beraten und beschlossen haben. (Staatssekretär D r. Freisler: Wehrwille und Wehrkraft!) Hier ist der Abschnitt gewählt: Angriffe gegen die deutsche Wehrkraft. W ir habm Wehrkraft mit Absicht genommm, weil wir meinten, es wäre ein Oberbegriff zu Wehrbereitschaft, Wehrmacht, Wehrwille. W ir haben hier Aufwiegelung und Verleitung zur Fahnen­ flucht — das ist der persönliche Bestand —, die Wehr­ mittelschädigung — das ist der sachliche Bestand —, Anwerbung zum auswärtigen Heeresdienst, Angriffe gegen die Wehrmacht in Kriegszeiten, Zersetzung der Wehrmacht. D as ist der Hauptbestandteil. Würden Sie die Beschimpfung der Wehrmacht als besonderen T at­ bestand in dieser Gruppe belassen? (Staatssekretär D r. Freisler: Ja!) Nicht etwa bei der Ehre des Volkes und sonstwie be­ sonders aufführen? (Staatssekretär D r. Freisler: Ich meine, es ist praktischer, das zusammenzufassen!) — Ich meine es auch. Dann käme Zersetzung des völki­ schen Wehrwillens, Teilnahme an wehrfeindlichen Ver­ bindungen. Diesen Abschnitt müßte man zusammenfaffm und nicht alimentieren mit Bestimmungen aus der Spionage und nichts daraus abgeben. (Staatssekretär D r. Freisler: Spionage zum Landesverrat im Hauptabschnitt/ die Wehrkraft habe ich als besonderen Unterabschnitt!) Abschnitt I trüge die Überschrift: Schutz des Volkes, und die Untertitel: Ehre, Bestand oder Raffe, Einheit der geistigen und seelischen Haltung, Wehrkraft, und das letzte ist mir nicht ganz klar: Ist da der wirtschaft­ liche Verrat gemeint? (Staatssekretär D r. Freisler: D er ist auch ge­ meint!) — Aber nicht bloß? (Staatssekretär D r. Freisler: Nein! Es würde z. B. die Vernichtung des Glaubens an die Be­ ständigkeit dev Mark darunter fallen!) — Hier heißt es: Gefährdung des Vertrauens in die deutsche Wirtschaft. So könnte man es nennen. Ge­ meint ist sozusagen die Wirtschaftskraft des Volkes. (Staatssekretär D r. Freisler: Vorher die Wehr­ kraft, jetzt die Wirtschaftskraft!)

D e r d ritte Abschnitt würde benannt Schutz der Zellen des Volkes, der sich zerlegt in die natürlichen und sozialen Zellen. N atürliche Zellen: die F a m ilie , soziale Zellen: die S tände. (Staatssekretär D r . F reister: S tände, Kommunen und die Betriebsgefolgschaften!) D a s ist nun als systematische Skizze sehr verlockend und einleuchtend unbi auch, soweit die F a m ilie in Frage kommt, vorstellbar, wobei fre ilich eine Reihe von D e ­ likten aus dem Gebiet der S ittlic h k e it hier nicht erscheinen w ird . E s w äre zu überlegen, ob das ein schönes Schluß­ b ild gibt. D agegm wäre ich dankbar, wenn der B e g riff der sozialen Zellen des S taates und ih r strafrechtlicher Schutz an Beispielen klargemacht werden könnte. Staatssekretär D r . F r e is te r: M i r ist ganz klar, daß dieser Abschnitt dem U m fa ng nach klein sein w ird , wenn w ir nicht in Einzelregelungen v e rfa llm wollen, die sich vielfach auch in anderen Gesetzen finden werden. D e r Grundtatbestand dieses Abschnittes ist die bösliche Sabotage an der gesetzlichen Aufgabe, die Hefen Zellen zugewiesen ist. Ic h w ill ein B eispiel geben. U nter der Voraussetzung, oaß das preußische Gemeinderecht in ­ sofern nachher auch Reichsrecht sein würde, läge ein solcher F a ll v o r, wenn die Gemeinderäte böslich an­ fingen, die Möglichkeiten der Benutzung ihres Amtes zur Demagogie auszunutzen. Genau so w ürde sich das in den Betrieben auswirken. Z . B . würde ich Aussperrung und S tre ik h ierunte r rechnen. Ebenso würde ich aber auch den F a ll unter S tra fe stellen, daß der B etrie bs­ füh rer sich gegen seine B etriebsführerpflichten so ver­ gangen hat, daß er seiner Führerstellung entsetzt w ird , was gesetzlich doch möglich ist. A lle rd in g s würde ich zur Voraussetzung d a fü r machen, daß die zuständige s te lle die Entziehung dieser Führerstelle ausgesprochen habe. Ic h w ürde ferner da ru n te r jede bösliche Sabotage an dem Leben dieser Dellen und an den Aufgaben, die sie erfüllen sollen, bringen. I n abgeschwächter Weise würde sich der Schutz des S taates und seiner Organe hier wiederholen, denn ich kann den Schutz des Reichs­ präsidenten n a türlich nicht au f den Schutz des B etrie bs­ führers und der Betriebsgefolgschaft ausdehnen. D a s alles zusammen w äre etwa der I n h a lt . Es ist m ir klar, daß der Abschnitt nicht umfangreich sein würde. E r würde aber ideell eine w eit über seinen U m fa ng hinausgehende Bedeutung haben. Es ist sicher möglich, weitere Beispiele zu bilden. Vizepräsident Grau: V ielleicht könnte man dieses K a p ite l über den Schutz der Zellen des Volkes dadurch auffüllen und d a m it gleichzeitig einem Vorschlag von H e rrn Professor G ra f Gleispach entsprechen, daß man den gesamten Schutz der Einzelperson hier hin e in b rin g t. Eine Zelle des Volkes ist nicht n u r die sozialistische Zelle, wenn ich dieses W o r t gebrauchen d a rf, auch nicht n u r die F a m ilie , sondern ein Zellchen mindestens ist auch die Einzelperson. M a n könnte dann den Schutz der Einzel­ person hier hineinstellen und die wirtschaftliche B e tä ti­ gung in den Abschnitt I V , Schutz des V olksguts, nehmen/ denn schließlich ist das Einzelvermögen auch ein T e il des Volksgutes. D a n n käme m an zur V e rw irk ­ lichung des fü r mich bestrickenden Gedankens, ein K a p ite l über den Schutz des einzelnen Volksgenossen überhaupt nicht zu haben und auch in der Einzelgliede­ rung k la r zum Ausdruck zu bringen, daß w ir die Einzel88.

Person und das Eim elverm ögen n u r deshalb schützen, w e il es eben ein G lied der Gemeinschaft ist. Ic h würde gar kein Bedenken haben, zu sagen: D ie Einzelperson ist genau so eine Zelle des S taates wie die Fa m ilie, na türlich eine w eniger wichtige. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: Naturwissenschaft­ lich ha t H e rr Vizepräsident G ra u sogar mehr recht als diejenigen Menschen, die fortw ährend von B etriebs­ zellen reden/ denn die Zelle ist naturwissenschaftlich eine E inheit. Aber ich glaube, w er das W o r t Zelle in dem Zusammenhang ausspricht, stellt sich eigentlich im m e r eine M e h rh e it vo r, und zw ar eine kleine M e h r­ heit. W ir w iffen nicht n u r aus der kommunistischen T e rm ino logie, sondern aus der jetzigen, durchaus modernen, daß die Betriebszelle der kleinste Verband ist, von dem aus ein B e trie b aufgebaut w ird . S o läßt sich der Ausdruck Zelle gerade noch auf die F a m ilie an­ wenden. (Z u ru f: M a n braucht es nicht gerade Zelle des Volkes zu nennen!) — D a s W o rt ist noch lange nicht ad optiert/ sondern es ist bloß ein Versuch des Ausdrucks. W enn die Herren es m ir nicht nachtragen, muß ick sagen, ich verstehe eigentlich die Leidenschaft nicht, das In d iv id u u m zu töten. Müssen w ir das? S taatssekretär D r . F re iste r: Ic h verstehe diese Leidenschaft auch nicht, und zw ar deshalb nicht, weil das In d iv id u u m einm al da ist, und wenn w i r alle I n d i ­ viduen töten, sind alle Zellen und jede Gemeinschaft auch weg. W ir können das In d iv id u u m nicht wegdisku­ tieren. D ie Sachlage ist doch folgende: W i r haben eine Anschauung gewonnen, über die uns jeder Naturwissen­ schaftler auslachen kann, die w i r aber als Glauben haben, daß jeder einzelne ein Lebewesen ist, u n d daß das, w as w ir hier, Zelle des Volkes g m a n n t haben, auch ein Lebewesen ist. D a m it ist nicht bedingt, daß das Einzel­ wesen nicht da ist. Ic h b in sogar der M e in ung , w ir würden ein absolut volksfremdes Recht schaffen, wenn w ir dem V o lk klarmachen w o llte n : W enn du erschlagen w irs t, w ird der andere nicht bestraft, w e il du erschlagen bist, sondern w e il die Gesamtheit des Volkes um ein Sechzigmillionstel verm inde rt ist. D a s könnte man u n ­ möglich dem V olk klarmachen. Ic h b in auch der M e i­ nung, daß m an nicht richttg vorgeht, wenn man nicht die gunkttonsstellen des Einzelnen im Volke erkennt. H a t m an sie erkannt, muß m an sie auch achten. Ich finde deshalb die Aussicht, Hefen Abschnitt umgehen zu kön­ nen, durchaus nicht bestrickend, sondern b in der M e i­ nung, daß das N atürliche, w as vorhanden ist, auch n a türlich behandelt werden muß. Es scheint m ir deshalb nicht rich tig zu sein, den einzelnen Volksgenossen und seinen Schutz verschwinden zu lassen. Es ist n a tü r­ lich richttg, daß das V olk den Volksgenossen um des Volkes w illm schützt. W enn m an das sagen w ill, kann m an das in irgendeinem Satze der B egründung dieser H auptgruppe tun . Aber die H auptgruppe selbst müssen w ir meines Erachtens lassen, wenn w ir nicht lebens­ frem d werden w ollen. Professor D r . Dahm (K ie l): Ic h halte den von H e rrn Vizepräsident G ra u geäußerten Gedanken fü r ric h tig und glaube, man kann diesem Gedanken dadurch Rechnung tragen, daß m an den Abschnitt über den Schutz des Volksgutes — also Abschnitt I V in der E in-

teilung des Herrn Staatssekretärs D r. Freister — dem Abschnitt I II voranstellt und dafür I I I zu IV werden läßt. Dann würde sich — im Rahmen einer durchaus organischen Betrachtung — der Schutz des einzelnen Volksgenossen dem Schutze der Familie anschließen. D as setzt nun allerdings eine grundsätzliche Auseinander­ setzung mit den beiden ersten Hauptabschnitten voraus, und ich weiß nicht, ob darüber jetzt schon gesprochen werden soll. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich wollte zunächst eine A rt Interpretation haben und die vorgeschlagenen Pläne m ir und den Herren zum Bewußtsein bringen. Nachher wollen w ir es diskutieren. W as jetzt unter IV mit der Überschrift Schuh des Volksguts läuft, soll vier Punkte umfassen: Gesund­ heit, Arbeitskraft, sachgebundene Volksgüter, und da als erstes die Scholle und noch verschiedenes andere. (Senatspräsident Professor D r. Klee >Berlin!: Gesundheit oeS einzelnen, wurde gesagt! — S taats­ sekretär D r. Freister: Nein, die Gesundheit ist oben- IV würde bestehen aus Schutz der Volks­ gesundheit, der völkischen Arbeitskraft, der sachgebundenen Volksgüter!) Dabei wäre zu denken an die Scholle, Pflanzen und Tiere, Naturerzeugnisse und Kunsterzeugnisse, schließlich die Verkehrsunternehmungen. D ann taucht hier der wirtschaftliche Landesverrat auf. (Staatssekretär D r. Freister: Auch Gefährdung von Volksgut durch Brandlegung, Überschwem­ mung!) — D as nehme ich als Parallele zu den Pflanzen und Tieren. Die Pflanzen und Tiere sind die natur­ gewachsenen Sachen, und die Gebäude und das andere sind die künstlichen Produkte. Bei diesem Abschnitt IV hat ja bei der Arbeitskraft Herr Staatssekretär Freister schon den Prozeß voll­ zogen, den wir wahrscheinlich da und dort noch voll­ ziehen müssen, nämlich auf eine nach logischen Gesichts­ punkten eigentlich erwünschte Aufspaltung zu verzichten. D araus würde sich ergeben, daß hier bei oem Schutz der Arbeitskraft die Schutzbestimmungen für die Frauen und Kinder hineinkommen müßten. (Staatssekretär D r. Freister: Alles, was. in der preußischen Denkschrift unter V 1 1 bis 4 und unter IV steht!) Ganz ähnlich wird es uns gehen beim Schutz der Gesundheit. W ir haben uns schon gestern vergeblich bemüht, die Brunnenvergiftung systematisch zu erbohren. D as ist nicht recht gelungen. Beim Schutz der Gesundheit gibt es eine Reihe Bestimmungen, die den Einzelnen mehr in den Vordergrund stellen. Auch hier wird man, glaube ich, auf eine allzu große Auf­ spaltung verzichten müssen. Hier könnten wir das Individuum ein wenig in den Hintergrund treten lassen und als Teil des Ganzen ansehen. Professor D r. Mezger (München): Schon bisher hat die Rechtslehre immer mit Schärfe betont: bestraft wird nur etwas, an dessen Verhinderung die A l l g e ­ m e i n h e i t ein Interesse hat. Bisher schon sind daher die sogenannten Delikte gegen den einzelnen nicht als Verletzung abgesonderter Individualaüter, sondern auch und in erster Linie als Verletzung oer Interessen

der Allgemeinheit verstanden worden, die sich nur äußerlich gegen einen einzelnen richten. Vielleicht könnte dies irgendwie zum Ausdruck gebracht werden. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich bin überhaupt der Nkinung, daß es sich hier nur um eine Art der Be­ trachtungsweise handelt. Beim Totschlag, bei der Kör­ perverletzung, ist der Einzelne der Verletzte/ bei der Überschwemmung und Brandstiftung sind unbestimmt viele Personen und Sachen gefährdet.. M an samt sagen, die strafrechtliche Reaktion entsteht aus dem Ge­ sichtspunkt der Privatrache. S o war es in der ältesten Zeit. Dann nimmt der S ta a t die Vergeltung in An­ spruch und straft wegen des Bruchs der Rechtsordnung. Heute straft der S ta a t, weil die Allgemeinheit ein I n ­ teresse am Strafschutz hat. Jedenfalls möchte ich davor warnen, im Straftecht formell zum Ausdruck zu bringen, daß es einen Volks­ genossen als Träger geschützter Rechte nicht gebe. D a­ gegen wehre ich mich nicht nur aus juristischen, sondern auch aus anschaulichen Gründen. Der Abschnitt 5 nach der Zählung des Herrn S taa ts­ sekretärs D r. Freister dürfte da am wenigsten Schwierigkeiten bereiten. Denn dieser Abschnitt, der nunmehr den Schutz des einzelnen Volksgenossen betrifft, enthält eine Reihe von Delikten, deren systematische Stellung nicht zweiftlhaft ist. Allenfalls wäre zu fragen, wie es mit dem Schutz der Arbeitskraft steht. Eine solche Be­ stimmung darf im 5. Abschnitt nicht erscheinen, weil hier das Interesse der Allgemeinheit in einzelnen Be­ ziehungen stark hereinspielt. Dagegen ist mir nicht ganz klar, ob die Angriffe auf die Geisteswerke hier unterzubringen sind. D am it ist wohl die Verletzung von Urheberrechten, Patenten und sonstigen Rechten gemeint. Sind die Herren der Mei­ nung, daß wir Strafnormen bezüglich der Verletzung von Urheber- und Erfinderrechten, Patenten usw. in das Strafgesetzbuch aufnehmen sollen? D as ist eine Frage, die uns auch noch beim Nahrungsmittelgesetz und Weingesetz beschäftigen wird. Ober soll man sich mit der Form eines Blankettgesetzes begnügen, wie es uns neulich vorschwebte bei den Vorschriften zur Rein­ erhaltung der Rasse? D as Nebenstrafrecht werden wir in vollem Umfang nicht beseitigen können. Jedenfalls ergibt sich klar, daß das, was in diesem allerletzten Abschnitt des Strafgesetzbuchs steht, drei Viertel der Strafrecbtspflege ausmachen wird. Viel­ fach hat man geltend gemacht, die Platzordnung als Rangordnung anzusehen sei ein rohes M ittel. Aber in einem Buch kann mans eigentlich gar nicht anders machen/ da muß die Platzonmung als Rangordnung gelten. Ich finde dieses Mittel gar nicht so roh, sondern ich halte es eigentlich für das einzige M ittel, und des­ halb werden wir uns auch bei der Reihenfolge von dem Grundsatz leiten lassen, daß die Platzordnung wirklich .Rangordnung sein wird. Gewertet wird sie als solche. Sie ist auch im alten Strafgesetzbuch sicherlich so gedacht gewesen. Nunmehr darf ich die Herren bitten, zu dieser all­ gemeinen Aufstellung ihre Meinung zu sagen. Professor D r. Dahm (Kiel): Wenn ich zunächst grundsätzlich darüber entscheiden sollte, ob ich den Aus­ gangspunkt der ganzen Betrachtung nach den Vor­ schlägen des Herrn Grafen Gleispach oder wie Herr

Staatssekretär D r. Freister bestimmen möchte, so würde ich mich für Herrn Staatssekretär D r. Freister entscheiden. Wenn wir das Recht nicht als Abstraktion betrachten, sondern die natürlichen LedenSordnungen ins Auge fassen, dann kommen wir zu der Einsicht, daß die Freiheit, die Existenz, die Ehre s c h l e c h t h i n nicht geschützt werden kann. Die Ehre des Volkes ist etwas anderes als die Ebre des einzelnen Menschen. Der Landesverrat, der oen Bestand der Gemeinschaft ge­ fährdet, steht nicht auf gleicher Stufe mit der Aus­ löschung der Existenz des Einzelnen, mit Mord und Tot­ schlag. Wenn ich aber auch grundsätzlich geneigt wäre, die Vorschläge des Herrn Staatssekretärs D r. Freister zugrunde zu legen, so habe ich doch ein prinzipielles Bedenken. Herr Staatssekretär Freister unterscheidet den Schutz des Volkes, den ScAltz der Organe der Volksführung und den Schutz des Staates. M it dem Herrn Grafen Gleispach halte ich eine solche Entgegen­ setzung von S ta a t und Volk für verfehlt. Auf jä>en Fall aber scheint es mir unrichtig, den Landesverrat als Verbrechen gegen den S ta a t zu konstruieren und damit zurücktreten zu lassen. D as Strafgesetzbuch muß vielmehr mit dem Landesverrat beginnen. D as ist gerade dann gerechtfertigt, wenn man die Verbrechen gegen den Bestand der Volksgemeinschaft an den An­ fang stellt. Denn gerade der Landesverrat ist ein Ver­ brechen gegen das deutsche Volk. Wenn wir also den Landesverrat unter den Verbrechen gegen den S taa t erscheinen lassen, so machen wir einen Fehler. D as gilt aber auch für den Hochverrat. W ir haben den Hoch­ verrat als Angriff gegen die Grundordnung des deut­ schen Volkes gekennzeichnet. Der Hochverrat richtet sich also nicht gegen die äußere Form des Staates, sondern gegen die Grundlagen des völkischen Lebens. E r ist so­ mit nicht ein Verbrechen gegen den S taa t, sondern gegen das Volk. Anderseits stehen Hoch- und Landes­ verrat nicht auf gleicher Stufe mit den Delikten, die Staatssekretär D r. Freister in der zweiten Hauptgruppe unterbringen will, mit den Angriffen gegen die Staatsorgane. D araus ergibt-sich folgende Gliederung: An den An­ fand gehören Landesverrat und Hochverrat, sodann die übrigen in der ersten Gruppe aufgeführten Delikte. D as sind die S traftaten, die sich gegen den Bestand von Volk und S ta a t richten. Ich möchte hier nochmals gegen die Trennung von Volk und S ta a t Verwahrung einlegen. Eine solche Trennung halte ich für systema­ tisch bedenklich und für politisch gefährlich. Dahinter steht die überholte Auffassung, als sei der S ta a t ein reiner Machtapparat, eine Auffassung, die für den über­ wundenen S ta a t richtig war, heute aber nicht mehr zutrifft. Der neue S ta a t ist allerdings im Verhältnis zum Volk etwas sekundärer, aber er hat als die poli­ tische Lebensform des deutschen Volkes selbst teil am völkischen Leben. W ir haben in den letzten Jahren die verhängnisvollen Wirkungen einer Entgegensetzung von R e c h t und S ta a t erlebt. W ir sollten nicht zu­ lassen, daß die viel weiter gehende Trennung von V o l k und S taa t die Einheit unseres politischen Lebens und Denkens zerreißt. M an könnte noch prüfen, ob nicht, dem Vorschlage des Herrn Staatssekretärs D r. Freister entsprechend, der Schutz der Ehre des Volkes noch vor dem Landes­

verrat erscheinen soll. Es gibt hier eine historische Parallele: Die meisten mittelalterlichen Rechte beginnen die Aufzählung der einzelnen S traftaten m it der Got­ teslästerung, also mit der Verunglimpfung der höch­ sten sittlichen Werte. Ich hätte gegen eine Verwirk­ lichung dieser Anregung keine Bedenken. Der Vorschlag des Herrn Staatssekretärs D r. Freis­ ter für den zweiten Abschnitt enthält einen Wider­ spruch. Er spricht vom Schutz der Organe der Dolksführung, meint aber den Schuh der Volks­ führung selbst. Dann folgt als U n t e r a b s c h n i t t der Schutz gegen Angriffe auf den S taat. D as halte ich nicht für richtig. Die Überschrift dieses Abschnitts würde ich nennen: Schutz der Organe des V o l k e s , nicht der Dolksführung. Allerdings hat neuerdings Carl Schmitt in seiner Schrift »Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens« den S ta a t als ein Organ oer Volksführung bezeichnet. Aber auch das kann mich nicht von der Richtigkeit dieser Formulierung überzeugen. Es stünden also auf der einen Seite die Angriffe gegen den Bestand des Volkes und gegen die Organe des Volkes, auf der anderen Seite die Angriffe auf den S taatsapparat, gegen die äußere S ta a ts o r d n u n g . Dahin gehören etwa die Amtsdelikte, Verbrechen gegen Amtsträger usw. Es würde mir nunmehr gefallen, wenn jetzt als dritter Abschnitt der Abschnitt 4 nach den Vorschlägen des Herrn Staatssekretär Freister (»Schutz des Volks­ gutes«) eingefügt würde. Abschnitt 4 sollte umgekehrt der Abschnitt 3 in der Einteilung Freister werden, nämlich der Abschnitt über den Schutz der gellen des Volkes. Solche gellen sind in erster Linie die Familie und der Einzelne. Es scheint m ir doktrinär, daß man den Einzelnen nicht nennen will. Der Einzelne kommt dabei naürlich nicht als Individuum in Betracht, sondern eben als »gelle« des Volkes. Wenn man das auch sprachlich zum Ausdruck bringt, etwa vom Schutz des Volksgenossen spricht, dann scheinen m ir alle Be­ denken beseitigt. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich habe diesen Vorschlag, vor den Besonderen Teil einen solchen zentralen Tatbestand zu stellen, wie Herr S taa ts­ sekretär Freister sich ausgedrückt hat, etwa dahin auf­ gefaßt: den Lesern des Strafgesetzbuchs wirb gesagt: B rs jetzt habt ihr gelesen, was überhaupt eine Strafe und ein Verbrechen ist, und wann sich einer schuldig macht, das steht im grundsätzlichen Teil des Allge­ meinen Teils drin, und jetzt werdet ihr lesen, wann ihr euch strafbar macht. Aber bevor ihr dieses Buch m lesen anfangt, sage ich, Gesetzgeber, euch: Wenn etwa oas, was ihr tut, unrecht ist und nicht in einem der folgenden Paragraphen zu finden ist, so darf daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß ihr straflos seit; denn wenn der Rechtsgedanke, der der Unrechtsbewer­ tung zugrunde liegt und der mir das Recht gibt, zu sagen: ou hast Unrecht getan, in diesen aufgezählten Tatbeständen irgendwo drinsteht, verwandt per analogiam, dann wird dieses Gesetz auf dich ange­ wandt! S o habe ich diese Anregung aufgefaßt. (Ministerialdirektor Schäfer: D as ist eben die Analogie! — Staatssekretär D r. Freister: Nur sehr verstärkt! — Professor D r. Dahm M els: Es geht aber weiter!)

— J a , aber wenn etw a da hinter der Gedanke stehen sollte: Jetzt werdet ih r ein Buch zu lesen bekommen, in dem drinsteht, w as Recht und Unrecht ist/ w m n aber darüber hinaus eine H and lung hier ga r nicht erw ähnt w ird , von der ich das G efühl habe, daß ste unrecht ist, dann w irs t du auch bestraft/ nach welchem M aßstab, das sage ich d ir g a r nicht, das behalte ich m ir v o r — wenn das der ©eomtfe gewesen w äre, dann, glaube ich, werden w ir darüber spater noch einmal einigermaßen zu diskutieren haben. Dieser Gedanke schiene m ir ein bißchen zu weitgehend. (Professor D r . D a h m D a s ist der U nte r­ schied zwischen Deutschland und R uß la nd!)

D e r V o rte il scheint m ir der zu sein, daß daS S t r a f ­ esetzbuch m it etwas Eindrucksvollem beginnt, wobei as Eindrucksvollste freilich der Landesverrat wäre und nicht diese etwas schwierigen R affe paragra phm , m it denen die Aufmerksamkeit sehr stark erregt und wenig befriedigt w ird . Einen besonders großen V o rte il sehe ich bei dieser E in te ilu n g d a rin , daß w ir a u f die Antithese V olk und S ta a t verzichten würden. V o lk und S ta a t als A n ti­ these im Strafgesetzbuch w ill m ir auch nicht recht prak­ tikabel erscheinen. B e i I h r e r Z iffe r 2 »Schutz der staatlichen O rdnung« kommt das W o r t »Volk« über­ haupt nicht vo r, das ha t m it »Volk« nichts zu tun.

S taatssekretär D r . Freisler: M e in er A nficht nach v e rlie rt die E in te ilu n g des Besonderen T e ils völlig ihren S in n , wenn nicht, mindestens in dem S in n e einer verstärkten H ervorhebung der A nalogie, dieser Ge­ sichtspunkt, der dem russischen nicht ganz entspricht, aber zwischm unserer etwas schamhaft zugelassenen Analogie und dem russischen Gedanken steht, vorweg­ genommen w ird .

(Professor D r . D a h m IK ie lj: Umgekehrt kommt im ersten Abschnitt das W o r t » S ta a t« nicht v o r!)

Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h d a rf zu­ sammenfassen: I h r V orste llu ngsb ild , H e rr Professor D a h m , geht d a hin: D a s Strafgesetzbuch soll anheben m it der Beschimpfung des deutschen Volkes, also ge­ wissermaßen m it einem S y m b o l, dann sollen folgen Landesverrat, H ochverrat, A n g riffe au f die politische F ü hru ng, und dann kämen ohne äußerlich besonders sichtbare Zä sur die A n g riffe a u f das V olk, w ie sie H err Staatssekretär F re is le r in N r . 1 seiner Vorschläge fo rm u lie rt hat, beginnend m it Raffe, Fruchtbar­ keit usw. A ls Ü berschrift dieses H auptteiles würden S ie sich denken: »A n g riffe gegen V olk und S taat.« (Professor D r . D a h m s K ie lj: D a s kann man nicht einm al gleichstellen, m an müßte vielleicht sagen: gegen den Bestand des Volkes, die G ru n d ­ lagen des völkischen Lebens oder so ähnlich!) — G u t, und jetzt betrachten S ie das Form ale, den Schutz der staatlichen O rd n u n g . D a kämen hinein nicht bloß die A m tsdelikte, die Auflehnung gegen die S ta a ts g e w a lt usw., sondern auch der Schutz der Rechts­ pflege und die verwandten D in g e , wahrscheinlich auch der Schutz des Funktionierend des M ünzwesms, der Post usw. Also das h a t einen sehr stark form alen Charakter. (Professor D r . D a h m s K iey: J a !) D abe i ist von Beam ten, behördlichen Befehlen, Ge­ setzen usw. nicht die Rede. (Professor D r . D a h m [$ te l] : D a s ist das, was im faschistischen S ta a t im V ord ergrund steht, aber hier eine sekundäre Bedeutung h a t!) — J a w o h l, das ist ganz klar. A ls D rrtte s w ürden S ie dann das V olksgut be­ trachten in Umstellung des Abschnitts 4 des ersten Vorschlages von H e rrn S taatssekretär F re is le r, also die Zellen des Volkes, wobei ich jetzt langsam anfangen muß, gegen den Ausdruck »Zellen« anzukämpfen, da m it der nicht W urzel schlägt, denn dieser Ausdruck dürfte nach m einer M e in ung im Gesetz kaum verwendbar sein. S ie w o llte n hier dem W eg folgen, den H e rr Kollege G ra u gewiesen ha t, eben die Zellen in ih re r Größen­ ordnung b is zum In d iv id u u m herunter hier aufzu­ nehmen. (Professor D r . D a h m fK ie lj: J a !)

— J a w o h l, im ersten Abschnitt kom m t d a fü r das W o rt » S ta a t« nicht vor. — Also eine kleine V a r ia ­ tion gegenüber der bisherigen Auffassung vom Hochünd Landesverrat ist es ja, aber eine bewußte V a r ia ­ tio n / denn der Hoch- und Landesverrat ist nicht gegen das F o rm a le des S taates, sondern gegen die G ru n d ­ lage der völkischen O rdnung, w ie S ie sagen, gerichtet. Nicht w a h r, das wollen S ie bewußt hervorheben? S ie wollen sich von dem Gedanken abkehren, den Hoch- und Landesverrat etwa m it der A uflehnung gegen o b rig ­ keitliche Befehle auf gleiche S tu fe zu stellen. (Professor D r . D a h m s K ie lj:

J a w o h l!)

Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ic h mache auch keinen Unterschied zwischen S ta a t und V o lk und sehe im S ta a t das V olk als Rechtsgemeinschaft, während in denjenigen Fällen, die H e rr Staatssekretär F reisler in den V o rd ergrund gestellt hat, das V o lk als historische Schicksalsgemeinschaft, auch a ls ethnologische Rassen- und Blutsgemeinschaft zu schützen ist. Ic h meine, in einem Strafgesetzbuch muß der Schutz des Volkes als Rechtsgemeinschaft im V o rd e rg ru n d stehen. D ie von G ra f Gleispach abgelehnte Auffassung, daß der S ta a t ein A p p a ra t, das V olk n u r M a te ria l sei, ist auch m ir dabei ffem d. Ic h bin daher d a fü r, daß w ir die alte E inteilun g beibehalten und d m S ta a t, d. h. das V o lk als Rechts­ gemeinschaft, in erster Reihe gegen Hoch- und Landes­ v e rra t schützen. Nebenbei bemerkt auch aus dem Grunde, w eil ja , w ie auch der H e rr Reichsm inister schon hervor­ gehoben hat, hier die schwersten S tr a f m itte l angewendet werden, während w ir doch beim Rasseparagraphen, bei A n g riffm a u f die Volksehre usw. niem als das schwere Geschütz der Todesstrafe auffahren w ürden und in unseren bisherigen Vorschlägen auch nicht aufgefahren haben. Ic h w ürde also vorschlagen, Landesverrat und Hoch­ v e rra t nach w ie v o r voranzustellen, denn diese A n g riffe erschüttern doch den Bestand des Volkes am u n m itte l­ barsten. W a s nun die Frage anlangt, ob zuerst der Hochverrat oder der Landesverrat kommm soll, so gebe ich zw ar zu, daß vom S tand pun kt der moralischen V erw erflichkeit der Landesverrat das schwerere Verbrechen am Volke ist, und deswegen ist er z. B . von It a lie n in die erste Reihe der strafbaren Handlungen gestellt worden. Aber vom S tand pun kt des Schutzes der Substanz des Volkes muß meines Erachtens der Schutz seiner inneren O rdnung, seiner G ru ndo rdnu ng in den V o rd e rg ru n d gestellt wer-

bett. D as Unmittelbarste, sozusagen bas primäre I n ­ teresse bes Volkes besteht baran, daß btefe seine Grunborbnung nicht gestört wird. Deshalb bin ich nicht bafür, im neuen S tG B , in Ab­ weichung von betn geltenden Recht ben Landesverrat voranzustellen, sonbern schlage vor, nach wie vor ben Hochverrat an die Spitze zu stellen. Gegen ben Vorschlag des Herrn Professors Dahm, die Beschimpfung bes Volkes in den Vordergrund zu (teilen, habe ich Bebenken. Er benkt fich bie Reihen­ folge so: zuerst bie Beschimpfung bes Volkes, bann Hochunb Lanbesverrat, bann bie Angriffe auf Rasse, Ehre usw. Ich meine bentgegenubet, baß bas Prim äre nicht bie Ehre, sonbern bte Grunborbnung bes Volkes, bie es erst ermöglicht, alle Kräfte bes Volkes zu entfalten, ist und baß baher Hoch- unb Lanbesverrat an bie erste Stelle in bet Reihenfolge ber Delikte gehören. Ich würbe ben Schutz bet Volksehre erst in einem wetteren Ab­ schnitt nach betn Hoch- unb Lanbesverrat, unb zwar zusammen mit betn Schutz bet Raffe usw. behandeln, bamit bte Materie bes Raffenschutzes, bte einen nur spärlichen In h alt hat, nicht isoliert ist. Den Vor­ schlägen bes Herrn Professors Dahm liegt ein starker Idealismus zugrunbe, aber sie halten unter betn Ge­ sichtspunkte bet staatspolitischen Praktikabilität nicht stanb. Ich möchte bann kurz sprechen zu bet Frage bet Auf­ lösung bet Delikte gegen ben Einzelnen in ben Delikten gegen bte Allgemeinheit. Ansätze bazu haben wir schon im geltenden Recht. Die Notzucht ist z. B. ein Angriff auf die Freiheit der geschlechtlichen Selbstbestimmung/ Verführung von Halbwüchsigen, unzüchtige Handlungen mit Kindern richten sich ebenfalls gegen individuelle Rechtsgüter. Trotzdem hat man davon abzuschen, diese Delikte von ben bte Sittlichkeit als solche schützen­ den Tatbeständen abzutrennen und sie unter bie Delikte gegen ben Einzelnen zu stellen. Warum? Weil diese Dmge sich nicht ohne Gewalt voneinander trennen lassen. Ähnlich ist es bei den Religionsdelikten. Hier wird das allgemeine religiöse Gefühl, es wird aber auch bet Einzelne in seiner freien Religionsausübung ge­ schützt. Auch hier kann man nicht trennen: die Reltgion als solche in abstracto, das allgemeine religiöse Gefühl wird zusammen mit bet religiösen Freiheit des Ein­ zelnen geschützt. Unser Gesetz zeigt also schon Ansätze, ben Schutz des Einzelnen in betn Schutz bet Allgemein­ heit aufgehen m lassen. Aber dieser Gedanke läßt sich nicht überall durchführen. Ich kann mir z. B . nicht vorstellen, daß man den Schutz bet Ehre des Einzelnen nur im Rahmen des Schutzes der VolkSehre regeln könnte, daß mit anbeten Worten die Ehre des einzelnen Volksgenossen nichts anderes sein soll wie ein kleiner Bestandteil bet allgemeinen Ehre. Denn diese Ehre des Einzelnen, seine soziale Geltung, wirkt stch in aller Regel in einem ganz kleinen Kreise aus, bet von bet Allgemeinheit nicht berührt wird. Ich halte es daher für unmöglich, hier den individualistischen Gedanken auszuschalten. D as als solches anerkannte Institut des Privateigentums führt dazu, daß wir das Eigentum des Einzelnen auch als solches strafrechtlich schützen müssen. W ir können nicht etwa sagen: das Eigentum des Einzelnen ist nur ein Bestandteil des allgemeinen Volksgutes, und sein Schutz muß daher in betn Schutz dieses Volksgutes aufgehen. Ich will gar nicht davon sprechen, daß bet Begriff des Volksgutes in der Aus38.

Wirkung, wie sie ihm Graf Gleispach gegeben hat, nicht als Objekt des Straffchutzes geeignet zu sein scheint. Ich würde es auch nicht für richtig halten, wie Herr Vizepräsident G rau gemeint hat, wenn ich recht ver­ standen habe, ben Schutz des Einzelnen int Schutz der Familie aufgehen zu lassen/ denn bet Bestand bet Fa­ milie als solcher wird nicht dadurch berührt, daß je­ mand von einem andern eine Ohrfeige bekommt oder beleidigt wird, auch nicht einmal dadurch, daß er ge­ tötet wird, weil ja ber Familienverband als solcher bestehen bleibt. D er Schutz bet Familie betrifft eben ganz andere Güter, bie einen allgemeineren Charakter haben, bet mit bet Eigenschaft bet Familie als Zelle des S taa ts zusammenhängt. Ich bin also dagegen, daß w ir bie Delikte gegen ben Einzelnen aufgehen lassen in den entsprechenden Abschnitten über die Delikte gegen bie Gesamtheit. Sie müssen vielmehr als selbständige Teile des S tG B , er­ halten bleiben. D aß der Einzelne — was ja selbst­ verständlich ist und immer so war — nur um der Ge­ samtheit willen geschützt wird, können w ir termino­ logisch dadurch zum Ausdruck bringen — das hat übrigens schon bie preußische Denkschrift getan —, daß wir nicht von Delikten gegen bie Einzelnen, sondern gegen bie »Volksgenossen« sprechen. Die Frage, ob bet Allgemeine Teil vor den Beson­ deren Teil gestellt werden soll, bie heute auch ange­ schnitten wurde, will ich hier nicht deuten. Ich bin bet Meinung/ daß wir zu dieser Frage auch noch nicht Stellung nehmen sollten, zumal sich Herr Staatssekretär Freister noch nicht absolut dahin ausgesprochen hat, daß etwa bet Besondere Teil nun hinter dem Allge­ meinen Teil erscheinen müßte. (Staatssekretär D r. Freister: Diese Frage habe ich nicht behandelt! — Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as ist nur bie letzte Anregung gewesen!) — Es ist gesagt worden, daß das S tG B , mit all­ gemeinen Grundsätzen beginnen solle, daß dann bet Be­ sondere Teil zu folgen habe und zum Schluß bie mehr technischen Dinge des bisherigen Allgemeinen Teils er­ scheinen sollten. Es wird alles davon abhängen, wie sich das Verhältnis des Jtchalts bet allgemeinen Grundsätze zu betn letzten, gleichfalls Allgemeines ent­ haltenden Abschnitt gestalten wird. Reichsjustizminister D r. G ürtner: D as ist ein I r r ­ tum. Ick möchte anknüpfen an eine aus früherer Zeit stammende Bemerkung des Herrn Staatssekretärs Freister, man müßte den Allgemeinen Teil überhaupt auseinanderschneiden. Sie haben das sogar heute ge­ sagt, Herr Staatssekretär! (Staatssekretär D r. Freister: J a , das ist auch meine Meinung!) Und zwar auseinanderschneiden in einen grundsätzlichen und bekenntnismäßigen Teil — in betn also steht: was ist Schuld, was ist strafbare Handlung, wann wirst du bestraft, wann hast du gefehlt, was ist bie Strafe usw. — und in den Besonderen Teil/ ant Schluß käme bann ein technischer Teil, Verjährung, Konkurrenzen usw. Diese Vorstellung ist es, bie mich erfüllt. Ich möchte dann noch zu zwei Bemerkungen des Herrn Senatspräsidenten Klee ein paar Worte sagen, weil ich wünschte, daß auch andere Herren darauf ein­ gehen möchten. D as eine ist bie Gruppierung von 5

Hoch- und Landesverrat nach geltendem Recht oder nach V o l k s g e m e i n s c h a f t , indem man das eine Mal italienischem Recht. D a kann man für das eine oder weniger, das andere M al mehr an ihre Organisation andere Gründe angeben. Wenn wir uns auf den Stand­ im S taate denkt. Deshalb halte ich es für notwendig, punkt der alten Germanen stellen würden, wäre die die beiden ersten Hauptabschnitte in der Einteilung des Frage, glaube ich, sehr einfach. D a stand der Landes­ Herrn Staatssekretärs Freister nach dem Vorschlage verrat weitaus an der Spitze alles strafrechtlichen von Herrn Graf Gleispach in e i n e n Abschnitt zu­ Denkens überhaupt. sammenzufassen und dabei in der Überschrift vom Dann ein Zweites, der Gedanke des Herrn Professor S ta a t und von den Grundlagen der Volksgemeinschaft Dahm, die Dolksehre an die Spitze zu stellen, um ge­ zu sprechen. Nach meiner Empfindung gehört inner­ wissermaßen zu bekennen: etwas Höheres als die Ehre halb des Abschnitts der Landesverrat an die Spitze, gibt es nicht. W ir werden der gleichen Frage bei der dann folgt der Hochverrat, dann die anderen Delikte, Beleidigung und bei den Tötungsdelikten begegnen. Es die sich auf das geformte Volk, das ich »Staat« nenne, ist schon einmal so in margine bemerkt worden, daß und das ungeformte Volk, das ich »Volk« nenne, be­ die Beleidigungsdelikte den Tötungsdelikten voraus­ ziehen. Dabei würde ich es für zulässig und glücklich gehen müßten. Wenn ich mich nicht ganz täusche, tut halten, beim Hochverrat ausdrücklich vom S ta a t und von der staatlichen Ordnung zu sprechen. das die preußische Denkschrift auch. (Staatssekretär D r. Freister: Ja!) Gegen den Vorschlag des Herrn Kollegen Dahm, Ich bitte, bloß einmal darüber nachzudenken, ob wir da den dritten und vierten Hauptabschnitt der Einteilung nicht einer falschen Versuchuna zum Opfer fallen. Rich­ von Herrn Staatssekretär Freister umzutauschen, tig ist es und unbestreitbar, daß man den Standpunkt möchte ich doch Bedenken geltend machen. Der orga­ vertreten kann und als sittlich hochstehender Mensch nische Aufbau des Ganzen würde gestört. M ir scheint vertreten muß, daß die Ehre wichtiger ist als das Leben. folgender Aufbau der natürlichste zu sein: erstens zu­ Aber ich glaube nicht, daß das für das Strafrecht der erst S ta a t -und Dolksgesamtheit, dann zweitens die richtige Maßstab ist. Ich habe so das Gefühl, daß wir kleineren Gesamtheiten, wie Familie usw., dann drit­ ein wenig zu intellektualistisch dabei vorgehen — ich tens die Beziehungen Einzelner, die nicht nur indivi­ komme nicht darüber hinweg — , wobei ich allerdings duell bestimmter Art sind, und am Schluß, viertens, zugebe, daß für den sittlich hochstehenden Menschen die das, was hier zunächst mit den Worten »Schutz des Ehre das höchste irdische Rechtsgut überhaupt ist. Aber Einzelnen« zusammengefaßt wurde. Wenn man dabei hier handelt es sich nicht um diese Ehre. Hier handelt den Ausdruck: »Volksgenosse« und n ic h t mehr: »der es sich um etwas anderes. Ich spüre da ein wenig Einzelne« wählt, dann wäre noch deutlicher zum Aus­ Papierrauschen und fühle ein wenig Bücherstaub dabei. druck gebracht, daß die Handlung äußerlich gegen den Einzelnen geht und ihn verletzt, daß aber dieser Ein­ (Pause von 13 Uhr 13 Minuten bis zelne nicht als vereinzeltes Individuum, sondern als 16 Uhr 15 Minuten.) Bestandteil des ganzen Volkes angegriffen wird. Professor D r. Mezger (München): Meine Bemer­ Reichsjustizminister D r. Gürtner: Den Herren kung bezieht sich zunächst auf Nr. 1 und 2 der Ein­ teilung von Herrn Staatssekretär Freister, also auf schwebt vor, man müsse mit dem Kapitalverbrechen, dem die Fragen »Volk« und »Staat«. Es ist zunächst Landesverrat anfangen. Nun besteht eine gewisse Scheu, außerordentlich bestechend, diese Gegenüberstellung — mit dem Landesverrat zu beginnen, weil er im Geruch der lebensvollen Materie des V o l k e s und der des Verbrechens gegen den S ta a t steht. Diese Scheu starren Form des S t a a t e s — in den Vordergrund wird aber dadurch überwunden, daß man das einfach zu rücken. Aber hier ist doch ein Gedanke nicht ge­ verneint und sagt: das ist nicht der Fall, der Landes­ nügend beachtet, der auch bei der Einreihung der per­ verrat richtet sich gar nicht gegen den S taa t, er richtet sönlichen Güter — Ehre, Leib, Leben — zu würdigen sich gegen das Volk. Ich möchte glauben, daß man dieser ist. Es sind nicht nur die geschützten R e cht s g ü t e r Auffassung durchaus folgen kann, ohne dem W ort und als solche für die strafrechtliche Bewertung und damit ohne dem In h alt des Delikts Gewalt anzutun. Ebenso für die systematische Ordnung maßgebend, sondern es ist es beim Hochverrat. Es klingt nicht gut, wenn man ist der Unwertgehalt der strafrechtlichen H a n d ­ sagt: der Hochverrat ist ein Verbrechen gegen den l u n g , der entscheidet. S o mag beispielsweise die S taat. Auch hier eine gewisse Scheu, von etwas S ta a t­ Ehre an sich das höhere Gut gegenüber Leib und lichem zu sprechen, überwunden dadurch, daß man sagt: Leben sein, aber der strafrechtliche Unwert der Angriffe der Hochverrat richtet sich ja gar nicht gegen den gegen die Ehre, etwa bei der Beleidigung, ist ein S taa t — das ist schon weniger ungezwungen —, son­ wesentlich geringerer als der Unwert der Angriffe gegen dern er richtet sich gegen die Lebensgrundordnung des Leib und Leben. Diese letzteren müssen damit in der Volkes, gegen die völkische Grundordnung. D as scheint Systematik vorgehen. S o lassen sich meines Erachtens mir also mehr ein elegantes Spiel mit Worten zu sein. auch die strafrechtlichen Angriffe nicht einfach trennen Ich lasse mir beim Landesverrat dieses Bild ganz gut nach Volk und S ta a t, sondern die schwersten Angriffe, eingehen. D er Landesverrat richtet sich gegen das Volk. die wir kirnen, richten sich sowohl gegen das Volk Der Hochverrat richtet sich gegen die staatliche Ordnung, als nichtgeformte Lebenseinhert, wie gegen das Volk wie sie da ist, gegen die Verfassung, gegen das Gebiet als geformte Lebenseinheit. Deshalb halte ich es für und gegen das Staatsoberhaupt, gegen eines der drei richtig, was Herr G raf Gleispach in seinem ersten Dinge. D as würde mich persönlich aber nicht im min­ Hauptabschnitt hervorhebt, daß die Grundangriffe desten hindern, in der Ordnung »Landesverrat, Hoch­ gegen »Staat« u n d »Volk« in der Kategorie verrat« zu beginnen und dem Ganzen eine Überschrift »Landesverrat« und »Hochverrat« an die erste Stelle zu geben, in der der S ta a t nicht vorkommt. Ich würde gehören. Beide richten sich gegen den Kern der es durchaus für möglich halten, daß man Angriffe gegen

das Volk samt dem Landesverrat und Hochverrat auf­ marschieren läßt, ferner Beschimpfung des Volkes und was wir sonst noch darunter Bringen wollen, von der Rasse und Einheit bis zur W ehrkraft und bis zur w irt­ schaftlichen K raft. D ann aber wäre um so deutlicher in dem zweiten Abschnitt überhaupt n u r vom S ta a t die Rede, wie ich heute vorm ittag schon sagte, von den Beamtengesetzen bis zum Staatsbefehl, m s zur S ta a ts ­ ordnung usw., so daß m ir der Titel »Schutz der staat­ lichen Ordnung« hier geradezu koinzident m it der Vorstellung zu sein scheint, die ich davon habe. Würden w ir so verfahren, so könnten w ir meines Erachtens auf G rund dieser Aussprache ein Schema für die Einteilung des Besonderen Teiles ohne große Schwierigkeiten aufstellen. D ie Herren haben sich alle zu dem Begriff des Volksgutes geäußert. D a s Volks­ gut sollte nach der Auffassung Preußens darstellen die Gesundheit, die Arbeitskraft, den G rund und Boden sowie des Volkes Erzeugnisse, kurz gesagt. Nicht hierher würde gehören der Menschenbestand am Volke. D er Menschenbestand am Volke müßte in die Ziffer 1 »An­ griffe gegen das Volk« gehören, wo von der Rasse, von der Zerstörung des Fruchtbarkeitswillens usw. die Rede ist. D as ließe sich also auch verhältnismäßig gut über­ blicken. D ann kommt das Vierte, das in das System schön paßt und das sich hübsch einordnet: »Angriffe gegen die sozialen, die natürlichen Zellen« und schließlich »Angriffe gegen die Einzelzellen«, also die Volksgenossen, wenn nur bei diesen sozialen Zellen sich ein In h a lt fände. D a ra n leide ich vorläufig etwas. Bei den natürlichen Zellen kann ich m ir die Delikte in bezug auf die Familie sehr gut vorstellen und bei den Deliktm gegen die ein­ zelnen Genossen dm Katalog derer, die in Frage kommm. Aber bei den Angriffm gegen die sozialen Zellen des S ta ate s ist m ir vorläufig — das sage ich ganz offen — die Sache nicht klar/ dieser Abschnitt ist für mich noch eine Form ohne In h a lt. D a kann ich m ir einen strafrechtlichen Schutz, der irgend etwas Körper­ liches enthält und nicht bloß am Ende sagt: »Wer dm Bestimmungen zuwiderhandelt, die in der Ständeordmmg stehm, wird bestraft«, noch nicht vorstellen. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): D ann würde also der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs dam it beginnen, daß der Begriff des Staatsgeheim ­ nisses lehrbuchmäßig definiert wird, und die erste S tra f­ bestimmung würde lauten: »Wer es unternimmt, ein Staatsgeheim nis zu verraten, w i r d .............. bestraft«. F ü r die natürliche Betrachtung ist es aber doch nicht das wichtigste, daß nicht ein Staatsgeheim nis verraten wird, sondern das Natürliche ist zunächst der Gedanke an den Schutz des Volkes gegen Angriffe auf seine Grundordnung, auf seine Verfassung, auf seinen Raum und auf seine Führer. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Wenn w ir mit dem Hochverrat beginnen würden, w as steht dann an der Spitze? (Ministerialdirektor Schäftr: D a s ist die alte Fassung!) M inisterialrat D r. Schäfer: An der Spitze stände dann »Hochverrat gegen das Reichsgebiet«: W er es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung m it Gewalt das Reichsgebiet ganz oder

teilweise unter die Herrschaft einer ftemden Macht zu bringen, die Unabhängigkeit des Reichs zu schmälern ooer ein zum Reich gehöriges Gebiet vom Reiche loszureißen, wird m it dem Tode be­ straft. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Jetzt ist die Frage wieder aufgetaucht: soll der Hochverrat ooer soll der Landesverrat den Reigen eröffnen? Herr Senatspräsi­ dent Klee hat eben noch darauf hingewiesm, man könne doch das Strafgesetzbuch nicht beginnen mit den W orten: »Unter Staatsgeheim nis versteht m a n ___ «, vxoxif töctttt to it m it bcttt $od^t)cxtcit bcQ&tttictt/ m it bem sehr eindrucksvollen Tatbestand anfangen würde: »Wer es unternim mt, m it Gewalt Gebiete vom Deutschen Reich loszureißen ......... «. Professor D r. Ragler (Breslau): D er Vorschlag des H errn Kollegen Klee, m it § 86, dem Hochverrat gegen die Grundoronung der Volksgemeinschaft, zu beginnen, bringt nach meiner Anficht eine sehr wuchtige Ouvertüre für die Eröffnung des Besonderen Teils. Hinterher wäre dann § 85b beim Landesverrat einzureihen. I m übrigen bin ich m it der jetzt vorgeschlagenen Anordnung durchaus einverstanden. D er Aufriß scheint m ir sehr glücklich zu sein, weil er sich um den Begriff Volk als den Zentralbegriff gruppiert. D as Volk w ird erst als eine kompakte Masse, als eine organische Einheit m it einheitlichem Willen erfaßt, also in dem Sinne, wie das Volk seit der romantischen Rechtsschule gedacht w ird/ dann als Sum m e der einzelnen Verbände, also Volk im Sinne der Soziologie, und endlich Volk als Sum m e der Einzelnen, das heißt atomistisch im Sinne der Aufklärungszeit. Denn das Volk bietet sehr ver­ schiedene Aspekte. Ich glaube, der zentrale, der wich­ tigste, der heute führende Aspekt wird auch bei uns an die Spitze gestellt werden müssen/ die Rangordnung bis zu dem Atom fügt sich ganz organisch daran an. Ich bin also sehr einverstanden m it der vorgeschlagenen Anordnung. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Sie würden also auch in dem ersten Abschnitt von den Angriffen gegen das Volk sprechen und hätten kein Bedenken, den Hochund Landesverrat hineinzunehmen. (Professor D r. Nagler: Die Grundordnung der Volksgemeinschaft.) D ann Schutz der staatlichen Ordnung. (Professor D r. Nagler: Ja .) D ahin verdichten sich allmählich die Meinungen. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): An sich würde eigentlich der Landesverrat an die Spitze gehören. W ir haben aber den Landesverrat etwas stark zugespitzt auf Spionagefälle und fangen überdies m it einer Definition an. Schon das wäre ein ästhetischer Fehler. Ich glaube daher auch, daß w ir m it dem Hochverrat beginnen sollen. (Reichsjustizminister D r. G ürtner: D an n aber nicht m it dem Gebietshochverrat.) Nein, sondern m it dem Derfassungshochverrat. Professor D r. Dahm (Kiel): Ich bin anderer M ei­ nung. Ich glaube, der Einwand des Herrn Senats­ präsidenten Klee würde sich erledigen, wenn man die 5*

Grundabschnitte des Besonderen Teils mit einem Vor­ spruch beginnen ließe. Ich würde diese Lösung für glücklich halten, weil in dem allgemeinen Vorspruch nicht alles gesagt werden kann, was gesagt werden muß. Später wird man noch einmal überlegen müssen, ob es nicht möglich ist, zur Generalklausel für den Hochverrat ein Gegenstück für den Landesverrat, also auch hier eine Generalklausel zu finden. Ich finde es unbefriedigend, daß gerade dieser Tatbestand heute in Einzelheiten auf­ gelöst ist, die das Wesentliche nicht hinreichend zum Aus­ druck bringen. Ich halte die Frage, ob man den Hoch­ verrat oder den Landesverrat voranstellt, für keines­ wegs gleichgültig, sondern für sehr bedeutungsvoll. Wir müssen unbedingt mit dem Landesverrat beginnen und den Hochverrat an die zweite Stelle rücken. M inisterialrat D r. Schäfer: Ich bin der Meinung, daß die beiden Abschnitte Hochverrat und Landesverrat unbedingt an die Spitze des Besonderen Teils gestellt werden müssen. Ich würde es auch vorgehen, wenn mit dem Landesverrat begonnen wird. Die Schwierigkeit, daß dann der Besondere Teil mit einer Definition be­ gönne, ließe sich wohl dadurch vermeiden, daß man diese Definition der Staatsgeheimnisse an das Ende der Be­ stimmungen über den V errat von Staatsgeheimnissen stellt. D as Strafgesetzbuch würde dann mit der ein­ drucksvollen Vorschrift beginnen: Wer ein S taats­ geheimnis verrät, wird mit dem Tode bestraft. An den Abschnitt Landesverrat wäre dann der Abschnitt Hoch­ verrat anzuschließen. W ird das nicht beliebt, so wäre ein anderer Ausweg möglich, nämlich den Abschnitt Landesverrat in der Weise umzugruppieren, daß man mit der Begünstigung des Feindes (§ 95 b) beginnt, dann die Waffenhilfe (§ 95 a) folgen läßt und dann erst den Geheimnisverrat bringt. § 95 b ist die typische Vorstellung des Volkes vom Landesverrat. Er kommt zwar nur im Kriege vor. Aber beim Landesverrat denkt der Volksgenosse zunächst an den Kriegsfall. Diese beiden Möglichkeiten bestünden, wenn der Landesverrat vorangestellt werden soll. Reichsjustizminister D r. G ürtner: Die Stimmung scheint m ir doch dafür zu sein, den Landesverrat an die Spitze zu stellen. Oberstaatsanwalt D r. Reimer (Berlin): Bei der Formulierung der Bestimmungen über den Hochverrat war damals geplant, den Gebietshochverrat wegen seines doppelten Charakters — sowohl Hochverrat wie Landesverrat — aus den Bestimmungen über Hoch­ verrat herauszunehmen und an die Spitze der Bestim­ mungen über Landesverrat zu stellen. Geschieht dies, so hätten w ir bei dem Landesverrat eine sehr eindrucks­ volle und wirkungsvolle Strafbestimmung an den An­ fang gestellt. M inisterialrat D r. Schäfer: Dieser Vorschlag läßt sich meines Erachtens deshalb nicht durchführen, weil die Vorbereitungshandlungen, die sich auch auf diesen Fall des Hochverrats erstrecken müssen, im Landes­ verratsabschnitt nicht vorgesehen sind. W ir wollen gerade beim Hochverrat me Strafbarkeit bis in die äußersten Anfänge der Vorbereitung erstrecken, und zwar mit hohen Strafen. W ir müßten ganz besondere Vorbereitungstatbestände zu diesem einzelnen P a ra ­ graphen neu schaffen.

Staatssekretär D r. Freister: Ich w ar heute mittag in einer sehr bedrückten Stimmung, weil ich mir sagte, daß w ir an einem Kreuzweg standen. W ir konnten heute mittag ein faschistisches und w ir konnten ein nationalsozialistisches Strafrecht schaffen. Es bestand die Gefahr, daß kein nationalsozialistisches, sondern ein faschistisches Strafrecht herauskam. Diese Gefahr hätte dann bestanden, wenn wir bei dem Aufbau des Beson­ deren Teils des Strafrechts den Anregungen gefolgt wären, die Herr Senatspräsident Professor Klee ge­ geben hat. Herr Senatspräsident Professor Klee hat das auch sehr deutlich betont. Er hat erklärt: für mich ist der S ta a t das Volk als Rechtsgemeinschaft. D as ist der gerade Weg, das weit offene T or zur Errichtung eines faschistischen Strafrechts, das, konsequent weiter­ geführt, einen Aufbau des Strafrechts bedeutet, wie ihn das italienische Strafrecht darstellt. D as führt konse­ quent und mit Notwendigkeit dazu, daß das Staatliche als die Hauptsache, man möchte fast sagen, als das Ausschließliche betrachtet wird, demgegenüber alles andere zurückgedrängt wird. D as ergab sich auch aus dem Vorschlag, der für die llberschriftung dieses Ab­ schnittes gemacht wurde, der schließlich dort, wo es sich darum handelte, vom Volk zu sprechen, mindestens neben das Volk auch den S ta a t stellte. Ich bin der Meinung, daß wir uns damit tatsächlich auf den falschen Weg begeben würden. Ich will das nicht näber ausführen, aber ich bin davon fest über­ zeugt uno wäre auch in der Lage, das zu begründen. Ich bin der Meinung: unter allen Umständen muß der Besondere Teil, zumal wenn die Reihenfolge eine Rangordnung darstellen soll, mit dem Schutz des Volkes als des Wesens, das w ir schützen wollen, beginnen. Nun habe ich allerdings auch einen Fehler gemacht, und zwar einen doppelten Fehler, einmal den Fehler, daß ich als Überschrift für unsere zweite Hauptgruppe die Worte »Organe der Volksführung« empfahl. Ich müßte sagen: Instrumente der Volksführung. D as habe ich auch damit gemeint. Ich bin m ir natürlich darüber klar, daß man im Gesetz so nicht überschreiben wird. Ich habe einen zweiten Fehler gemacht. D a hat mich Herr Professor Dahm durch seine Ausführungen von heute vormittag überzeugt. Der Landesverrat und auch der Hochverrat gehören gar nicht unter den Schutz der Staatsführung, sondern zum Scbutz des Volkes. Ich bin deshalb nicht der Meinung, daß man, wenn man die Nrn. 1 und 2 im zweiten Hauptabschnitt her­ ausnimmt und sie in die erste Hauptgruppe einreiht, den gewollten In h alt dieser beiden Hauptgruppen irgendwie ändert, sondern man stellt nur etwas richtig, was der Richtigstellung bedurfte. D as kann meines Erachtens bezüglich des Landesverrates gar nicht be­ statten werden. Es könnte nur zweifelhaft sein bezüg­ lich des Hochverrates, weil man ja beim Hochverrat letzten Endes an die Aufrechterbaltung derjenigen staatlichen Grundordnung denkt, dre das Volk sich jeweils gegeben hat. Wenn wir nun aber mit dem Anspruch auftreten, daß diese Grundordnung, die w ir uns ge­ geben haben bzw. jetzt aufbauen, etwas ist, was sich unmittelbar aus dem Wesen des Volkes ableitet, was dem Wesen des Volkes restlos entspricht, dann gehört, richtig gesehen, auch der Hochverrat unter die Haupt­ gruppe: Schutz des Volkes. Ich bin jetzt also der Mei-

nung, daß mein Vorschlag von heute v o rm itta g dahin berichtigt werden muß, daß die Unterabschnitte Landes­ v e rra t und Hochverrat aus der H auptgruppe »Schutz der Instrum e nte der V olksfüh rung « herausgenommen und in -d ie Hauptgruppe »Schutz des Volkes« über­ nommen werden. Es w a r heute v o rm itta g dann die Frage akut ge­ worden, ob d a m it oder ob m it dem Schutze der Dolksehre begonnen werden soll. Ic h bin nicht der M e in u n g , daß das Strafgesetzbuch unbedingt m it einer Todes­ strafandrohung beginnen muß. Ic h bin auch nicht der M e in u n g , daß es unbedingt m it einem Fanfarenstoß anzufangen hat. Deshalb ist fü r mich nicht der Ge­ sichtspunkt ausschlaggebend, ob am A n fa n g D inge stehen, die m it höheren S tra fe n bedroht sind oder nicht. A ber ich bin tatsächlich der M e in u n g , daß m an dem Schutz der Ehre sehr w ohl auch dann noch einen sehr w ürdigen P latz einräum t, wenn m an ihn u n m itte lb a r h in te r dem Landesverrat und dem H ochverrat folgen läß t. Ic h würde deshalb d a fü r sein, die beiden A b ­ schnitte Landesverrat und Hochverrat an die Spitze der H auptgruppe »Schutz des Volkes« zu stellen, und ich bin auch fü r die Reihenfolge: Landesverrat — Hoch­ ve rra t. Ic h muß sagen, daß derjenige, der den Persern den Weg über die Therm opylen zeigte, meiner Ansicht nach das V olk u n m ittelba rer gefährdete als derjenige, der in diesem Augenblick etwa zu einer Änderung der Verfassung m it nicht legalen M itte ln aufgefordert oder sie erstrebt hätte. D ie unm ittelbare Gefährdung ist in W irklichkeit doch der Landesverrat, und es t r i f f t sich gut, daß er auch in der Anschauung des Volkes als das Gemeinere erscheint. Vielleicht ist das gerade ein A u s ­ druck fü r das instinktive Wissen davon, daß dieser Landesverrat tatsächlich, vielleicht auch gerade wegen seiner Gemeinheit, der u n m itte lb a r gefährlichere A n ­ g r iff au f das Leben des Volkes ist. Ic h bin deshalb der M e in u n g , daß man die Reihenfolge Landesverrat — H ochverrat wählen sollte. I m übrigen bin ich auch in einem anderen Punkte durch die A usführungen von H e rrn Professor D a h m überzeugt worden. Es scheint m ir tatsächlich richtiger zu sein, das V olksgut, also meine H auptgruppe I V , vor die Zellen des Volkslebens, also v o r die von m ir v o r­ geschlagene H auptgruppe I I I zu stellen. (Professor D r . D a h m s K ie lj: D a s habe ich zu­ rückgezogen!) — D a s ist bedauerlich/ die G ründe, w a ru m das zurück­ gezogen ist, kenne ich nicht. A ber ich w a r leider bei der Debatte nicht zugegen und weiß nicht, ob etwa bessere G ründe fü r die B eibehaltung sprechen. Dagegen bin ich nach nochmaligem Durchdenken zu der Überzeugung gekommen, daß es nicht ric h tig w äre, den Schutz der Zellen des Volkes etwa als d ritte n Abschnitt aufzuneh­ men, sondern ich w ürde es doch fü r richtiger halten, ih n gesondert in einer gleichgeordneten H auptgruppe unterzubringen. Ic h wende mich nun noch gegen die Auffassung, als ob durch die B ild u n g der beiden H auptgruppen I und I I eine Gegensätzlichkeit von V o lk und S ta a t festgestellt würde. D a s ist nicht der F a ll. D a s N ichtunterbringen des S taates in der H auptgruppe »Schutz des Volkes« kann ebensowenig als eine Gegensätzlichkeit aufgefaßt 38.

werden wie etwa das N ichtunterbringen des In h a lts der weiteren d rei H auptgruppen in der Hauptgruppe I . W enn man w ill, kann man nämlich letzten Endes alles in der H auptgruppe I unterbringen, w e il alles dem Schutze des Volkes dient. Ic h bin aber auch der M e i­ nung, daß die Herübernahme des Hochverrats in die Hauptgruppe »Schutz des Volkes« nebenbei den V o rte il hat, daß jeder Gedanke da ran unmöglich gemacht w ird , als ob nun die H auptgruppe H Abschnitt 1, Schutz des Staates, etwas dem Schutze des Volkes Entgegengesetz­ tes sei, w e il S ta a t und V olk gegensätzlich seien. D enn es bleibt na tü rlich bestehen, daß die Berechtigung, den Hochverrat in die H auptgruppe I aufzunehmen, n u r daraus abzuleiten ist, baß gerade jeder Gedanke an die Möglichkeit einer Gegensätzlichkeit zwischen S ta a t und V olk von vornherein hier abgelehnt w ird . Ic h bin der M e in ung , daß die Auftechterhaltung derH auptgru^Pen I und I I in der veränderten F o rm des Abschnitts A der H auptgruppe I I , wie sie sich daraus ergibt, daß der Landesverrat und Hochverrat herausgenommen werden, außerdem einen weiteren sehr großen V o rte il hat, der schon einm al bei einer früheren Gelegenheit anerkannt worden ist, nämlich der V o rte il des Schutzes der B e ­ wegung. Ic h denke jetzt nicht — w as m ir in der M i t ­ tagspause gesagt wurde — an den Führertreubruch, sondern ich denke, z. B . bei dem Schutz der Bewegung, an das, was aus den Kampfgesetzen des vorigen Jahres zweifellos Dauergesetz werden w ird , soweit'es sich auf die Bewegung und auf die S A bezogen ha t. Ich bin der M e in u n g , daß diese Regelung den V o rte il hat, daß w ir nicht die Bewegung und ihren Schutz als A n ­ hängsel des Schutzes des S taates jeweils bei den ein­ zelnen Bestimmungen aufnehmen müssen, bei denen w ir den S ta a t schützen. W ir w aren uns dam als darüber klar, daß das aus den verschiedensten Gründen unprak­ tisch, aber auch innerlich unberechtigt w äre. Ich er­ blicke gerade auch d a rin , daß in form eller Gleichord­ nung neben dem Schutz des S taates der Schutz der B e ­ wegung in dem U m fa ng, in dem die Bewegung das wünscht, aufgenommen w ird , eine G a ra n tie dafür, daß unser Strafgesetzbuch kein faschistisches, sondern ein nationalsozialistisches Strafgesetzbuch w ird . Ich er­ blicke in der Aufrechterhaltung eines besonderen A b ­ schnittes über den Schutz der Zellen des Volkes eben­ fa lls eine G a ra n tie d a fü r, daß dieses Strafgesetzbuch nicht ein faschistisches, d. h. ein den S ta a t über alles stellendes Strafgesetzbuch sein w ird . Reichsjustizminister D r . G ürtner: Ic h habe den E in ­ druck, daß eigentlich die W unschbilder sich sehr einander nähern. W enn w i r nicht d a ra u f abkommen, im einzel­ nen die Bausteine und Bausteinchen fü r die Abschnitte effektiv und endgültig zusammenzusuchen, so möchte ich glauben, daß der G ru n d p la n eigentlich im großen und ganzen den B e ifa ll der Kommission finden könnte, und zw ar der G ru n d p la n , der davon ausgeht, daß zuerst vom V olk, dann von der staatlichen O rdnung, dann — das ist noch offen — vom V olksgut, dann von den natürlichen und sozialen Zellen und endlich vom E in ­ zelnen m it dem T ite l Volksgenosse gesprochen w ird . D ie Frage, ob m an den Einzelnen an die Zelle anhängt und selber als Zelle ansieht oder ihn besonders a u ffü h rt, ist noch offen. A ber die Grundskizze scheint m ir im allgemeinen doch B illig u n g zu finden, und zwar gerade auch hinsichtlich der Abteilungen I und I I und ihres

inneren Unterschiedes. Es ist dabei eine Herübernahme von Landesverrat und Hochverrat auf das Gebiet des Schutzes des Volkes nach meiner Meinung zu machen. Beim Landesverrat liegt das auf der flachen Hand, und beim Hochverrat kann man sich auch damit ab­ finden. Staatssekretär D r. Freisler: Ich bin der Meinung, Herr Reichsminister, daß, soweit die Bewegung nun wirklich nichts anderes als das Volk selbst ist, durch dm Schutz gegen Hochverrat in der ersten Haupt­ gruppe auch ihrem Schutz insoweit Genüge geleistet ist. Ich bin ferner der Meinung, daß das S traf­ gesetzbuch nun nicht etwa anderseits den Anschein er­ wecken darf, als sei der S ta a t ein nebensächliches Instrument der Dolksführung. Denn so ist es doch natürlich nicht, sondern die heutige Einstellung ist, soweit ich das überschauen kann, die, daß eine Ab­ grenzung, ich möchte einmal sagen eine Bemessung des verschiedenen Wertes und der verschiedenen Bedeutung von S taa t und Bewegung, von keiner Seite heute ge­ wünscht und für notwendig gehalten wird, was mit Zuständigkeitsabgrenzungen ja nichts zu tun hat. Unser Strafrecht muß also dem Gedanken Rechnung tragen, daß das deutsche Volk in seiner heutigen seelischen Hal­ tung und Willenshaltung nur bestehen und weiterleben kann, wenn sowohl der 'S taat wie die Bewegung, ich möchte jetzt sagen, als gleiche Werte, nämlich als gleich notwendige Instrumente der Volksführung geachtet werden. Ich möchte nicht den Anschein erwecken, als ob der S ta a t etwas Nebensächliches ist. Dieser Anschein würde völlig unnötigerweise erweckt werden, wenn man nun aus der Hauptgruppe »Schutz der Instrumente der Dolksführung« die Bewegung herausnehmen und sie und ihren Schutz ganz in der Hauptgruppe I I mit erledigen würde. Ich müßte mich dageben m it densel­ ben Gründen wenden, mit denen ich mich dagegen ge­ wandt habe, daß der Schutz des S taates im wescntlichen da herausgenommen und schon in der Haupt­ gruppe I behandelt wird. Ich bin deshalb der Meinung, daß man in der Hauptgruppe I I tatsächlich diese beiden nebeneinanderstehenden Unterabteilungen, die vom Schutz des S taates und vom Schutz der Bewegung handeln, lassen sollte. (Reichsjustizminister D r. Gürtner: Nach der früheren Konzeption hieß es so: Landesverrat, Hochverrat fällt hier weg/ Angriff gegen befreundete Staaten würde dann wohl auch hier wegfallen?) — Ich könnte die Gruppe »Schutz des Staates« mit dem Schutz der höchsten Organe des S taates beginnen, anschließend den Schutz der Volksvertretung und der Symbole. Hinterher könnten die Angriffe gegen be­ freundete Staaten kommen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die befreundeten Staaten, glaube ich, müßten also Hierbleiben. Dann kämen Amtsdelikte, a) Angriffe gegen Staatsgewalt, Wahlen, Rechtspflege, Verwaltung, Münzvergehen. Zu b sind keine einzelnen Vorschläge gemacht. Ich möchte glauben, daß die Umstellung Volksgut und Schutz der staatlichen Ordnuny vor allem eins gegen sich hat: Dom Volksgut an beginnt eigentlich der Schutz materieller Güter, während in dem Schutz der staat­

lichen Ordnung das Materielle noch keine besondere Rolle spielt. (Professor D r. G raf Gleispach [©etlin]: Ich meine aber, diese Verschiebung träte auch schon dann ein, wenn man IV und I II in 'dem ursprünglichen Vorschlag des Herrn S taa ts­ sekretärs Freisler ihren Platz tauschen läßt!) Der Vorschlag des Herrn Professor Dahm will nun das Volksgut noch einmal um eine Stufe höher hinauf­ bringen. Professor D r. G raf Gleispach (Berlin): D as Vor rücken materieller Güter tritt schon ein, wenn man das Volksgut an die dritte Stelle stellt, weil dann auch die Sachgüter bereits geschützt sind, bevor noch die ideellen Güter der Familie usw. erwähnt sind. Mein Eindruck ist doch immer noch, daß der ursprüngliche Aufbau eigentlich der schönere ist, daß nach dem Schutz der staatlichen Ordnung — des Staates und der Be­ wegung — dann der Schutz der Güter der kleineren Kreise innerhalb der Volksgemeinschaft kommt und dann erst der Schutz des 93o[fgßute8 angereiht wird. D ann kommt man erst am Ende zu den materiellen Gütern. Zu der Einreihung der Angriffe gegen befreundete Staaten in die Gruppe II möchte ich nur das eine Bedenken geltend machen: D er Angriff gegen befreun­ dete Staaten ist Hochverrat und Landesverrat, proji­ ziert auf einen fremden S taat. Es ist zwar nicht Zwingend, aber mir scheinen doch die besseren Gründe dafür zu sprechen, daß w ir, wenn wir Hoch- und Landesverrat als Angriffe gegen das Volk ansehen, dann dieselben Angriffe, gerichtet gegen einen fremden S taat, nicht als Delikt gegen den S taa t auffassen können. Der tiefste Grund für die Bestrafung solcher Angriffe gegen befreundete Staaten ist ja schon die eigene Sicherheit. M an pflegt zu sagen, man straft des eigenen Staates wegen/ w ir sagen aber, des eigenen Volkes wegen, weil uns Hoch- und Landesverrat als Verbrechen gegen das Volk erscheinen. D araus ergibt sich aber zwangsläufig, daß auch Angriffe gegen be­ freundete Staaten eine primäre Gefahr für das deutsche Volk darstellen und daher in die Hauptgruppe gehören, in der Hochverrat und Landesverrat stehen. Professor D r. Dahm (Kiel): Ich bin bei meiner An­ regung davon ausgegangen, daß im Abschnitt 2 »Schutz der staatlichen Ordnung« nur Angriffe gegen den staat­ lichen Apparat behandelt werden. Natürlich ist der Angriff gegen die völkische Führung, insbesondere auf den Führer selbst, ein Angriff gegen das Volk und nicht gegen die äußere staatliche Ordnung. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as Tötungs­ delikt gegen den Kanzler würde, wenn es geschaffen würde, als Angriff auf den Kanzler in den ersten Ab­ schnitt kommen müssen, und zwar hinter dem Hoch­ verrat. (Professor D r. Dahm M ell: Auch der Angriff auf die Bewegung. Wo soll der eingefügt werden?) — J a , meine Herren, eine systematische Aufgabe kann man nicht lösen wie eine mathematische Gleichung die aufaeht. Ich wäre geneigt, nach alledem, was wir ge­ funden haben, folgenden P lqn vorzuschlagen: W ir schaffen fünf Hauptabschnitte: Schutz des Volkes/ dazu gehören Hoch- und Landesverrat sowie jene anderen

D elikte, die H e r r Staatssekretär D r . F re is te r heute v o rm itta g in den ersten Hauptabschnitt eingeordnet hat. D e r zweite Hauptabschnitt u m fa ß t den Schutz der staatlichen O rd n u n g o h n e die Tatbestände des Landes­ und Hochverrats, aber m i t allem übrigen, w as nach dem Vorschlag des H e r r n Staatssekretärs hineinkom­ men soll. N u n kommt aber der erste Z w e ife l: S o lle n w ir den Ausdruck »Volksaut« oder » F a m ilie « wählend D a s ist schwer zu entscheiden. Staatssekretär D r . F re is te r: Eine re in äußerliche F ra g e : S o lle n w i r saaen »Schutz der staatlichen O r d ­ nung« oder »Schutz der völkischen O rdn ung «? D e r S t a a t bedeutet in diesem Unterabschnitt die Bewegung, und d a ru m scheint es m ir nicht angebracht zu sein, von »Schutz der staatlichen O rdn ung « zu sprechen. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r : A ber O rd n u n g «, liegt das nicht etwas zu w e it ab?

»völkische

B erichterstatter S taatssekretär D r .F r e is le r : R ichtig. N u r meine ich, der Ausdruck »Schutz der staatlichen O rdn ung « tr ifft das Richtige nicht. Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r : S tic h w o rt und Richtpunkt fü r den Abschnitt 2 ist fü r uns der S ta a t, also grundsätzlich formgewordene D in g e . Ic h fahre fo r t. B e im Abschnitt 3 taucht der Z w e ife l auf: S o ll m an vom »Volksgut« oder von den »Zellen« ausgehen? Vielleicht kann m an das »Volksgut« zuerst nehmen und ihm den In h a l t geben, wie heute v o rm itta g vorgeschlagen w urde. U nd nun kommt der fü r mich im m er noch sehr schwierige Abschnitt 4 : die Zellen des Volkes. Ic h glaube, w i r sollten dieses W o r t nicht im m er wieder ge­ brauchen, denn w ir sind alle davon überzeugt, daß es nicht in d ie .Sprache des Strafgesetzes gehört. E s erhebt sich die F ra g e , ob der Strafschutz der sozialen Zellen des S ta a te s bloß durch eine reine Blankettbestimm ung sichergestellt werden soll. W i r müssen diesen D in g e n einen körperlichen I n h a l t geben. S o lle n w i r den S t r a f ­ schutz der sozialen Zellen, also des Dolksausbaues und -aufbaues nach S tä n d e n , B etrie b s - und W e rk ­ gemeinschaften, N ährstand usw. ordnen und klare, feste Bestimmungen schaffen? D a s ist ein P u n k t, über den so bequem hinwegzugehen m ir nicht erlaubt erscheint. M a n m uß sich hier schon etwas vorstellen können, wie der strafrechtliche Schutz ausschauen soll. B e im Strafschutz der natürlichen Zellen kann ich m ir gewiß auch etwas vorstellen. M a n kann hier an Zu w id erhandlungen gegen das Gesetz über die R e in ­ erhaltung des Volkes denken. O b sich das durchführen lä ß t, w ir d sich erst entscheiden, wenn w ir zu den S tra fd ro h u n g e n kommen. E s könnte sein, daß w i r zu S tra fd ro h u n g e n von 3 J M t Geldstrafe bis zu 6 M o n a te n G efängnis kommen. D a s w äre wirklich kein V e rh ä ltn is m ehr. Ic h w ä re dankbar, wenn einer der H e rre n dem »Schutz der sozialen Z e llen des Volkes« einen körperlichen In h a l t gäbe. W ie soll das aus­ schauen? Welche Tatbestände soll dieser Abschnitt ent­ halten? B erichterstatter S taatssekretär D r . F re is le r: D a s Wunschbild, v on dem ich m ir aber klar bin, daß es nicht zu erreichen ist, w ä re , daß der Schutz der sozialen oder sozialistischen Gemeinschaften innerhalb des Volkes voll

auf- und ausgebaut würde. D e r Wunsch anderer fü r die Ausgestaltung zuständiger S te lle n geht ja dahin, in den Spezialgesetzen, die noch geschaffen werden, alles zusammenzuhaben. E s gibt aber einige gegen den Bestand und die Funktionen dieser sozialistrschen Ge­ meinschaften gerichtete A n g riffe , von denen ich m ir denken könnte, daß sie hierher übernommen würden. Ic h sprach heute frü h von der V e rw irk u n g der F ü h rer­ aufgabe und des F ü h re ra m ts in solchen Gemeinschaften/ ich sprach von dem M iß b rau ch der Führeraufgabe, von dem M iß brau ch der Gefolgschaftsaufgabe, von der A r ­ beitsverw eigerung, der Aussperrung und dem S treik . Ic h könnte m ir auch eine Ergänzung ourch eine B lankett­ bestimmung denken. Ic h d a rf aber d a m it gleichzeitig eine B itte verbinden: E s ist unmöglich, in einer halben S tu n d e einen Vorschlag über die A usfüllung dieses Unterabschnitts zu entwickeln. E in solcher Versuch w ürde ausgehen von dem Wunschbild, eine Gesamt­ regelung zu schaffen/ anderseits besteht aber der be­ rechtigte Wunsch, in den einzelnen Spezialgesetzen auch die S trafbestim m ungen zu haben. Jedenfalls scheint es m ir sehr schwierig zu sein, jetzt so aus dem Handgelenk heraus einen P la n über den A ufbau hinzustellen. Aber in einigen Wochen w ürde m an einen solchen Vorschlag machen können. Ic h möchte deshalb zur E rw ä g u n g an­ heimgeben, der Unterkommisston einen solchen A u ftra g zu geben. W i r kommen dann rascher v o rw ä rts . Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: G u t, verfahren w i r so. Jedenfalls geht jetzt die M e in u n g dahin, von der Schaffung einer Blankettvorschrift, die alles um ­ fassen soll, abzusehen. W i r können heute schon sagen, daß w ir eine spezialisierte D arstellung des S tandes­ oder Gefolgschaftsrechts im allgemeinen S trafre c h t nicht geben sollen und auch nicht geben werden. E in e praktische Lösung der F ra g e des Schutzes der sozialen Zellen des S ta a te s w irb sich also d a ra u f beschränken müssen, ge­ wisse fü r die A llgem einheit besonders typische, S tr a f t a t bestände zu schaffen, die über d m S ta n d , über die Gewerkschaft, die Gefolgschaft des B etriebs usw. h in ­ aus fü r die A llgem einheit Bedeutung haben. Professor D r . G r a f - Gleispach (B e r lin ): H e rr S taatssekretär D r . F re is le r sprach davon, daß nach dem Gesetz zur O rd n u n g der nationalen A rb eit ein W irtschaftsfü hrer m it der Entziehung der F ü h re rq u a li­ tä t bestraft w e rd m könne. Ic h bin m ir nun nicht ganz klar darüber: I s t d a ra n gedacht, auch F ä lle , die n i ch t n o t w e n d i g krim inell sind, wegen ih re r großen B ed m tu n g fü r die A llgem einheit zur Vervollständigung dieser Zusam m m stellung hier in das Strafgesetzbuch aufzunehmen? O d er soll im Strafgesetzbuch n u r ein kriminelles V e rh a lte n eines W irtschaftsführers m it S tr a f e bedroht w erdm ? (Staatssekretär D r . F re is le r: N u r das letztere!) Reichsjustizminister D r . G ü rtn e r: S o hatte ich es auch aufgefaßt/ sonst sprengen w i r den R ahm en des S trafre c h ts , zum al in einer Z e it w ie der heutigm , wo sich im m er m ehr qualifizierte Standesrechte bilden. Professor D r . D a h m (K ie l): W i r stoßen hier auf eine grundsätzliche F ra g e . D ie Verletzung der ständi­ schen O rd n u n g berührt die O rd n u n g einer begrenzten und besonderen Lebensgemeinschaft. D a s G run dstraf­ recht aber u m fa ß t D e lik te , die die ganze Volksgemein-

schaft in Mitleidenschaft riehen. Schon aus diesem Grunde kann man ein ständisches Strafrecht nicht zum Bestandteil des allgemeinm Strafrechts machen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: I n der Richtung liegen alle Beschränkungen, die die Herren Graf Gleispach und Staatssekretär D r. Freister wie auch ich selbst betont haben. Nicht, wenn der Betriebsführer sich ehrenwidrig benommen hat, wohl aber, wenn durch sein Verhalten eine Gefahr für die Allgemeinheit ent­ standen ist, fällt er unter das Reichsstrafgesetzbuch. So kann man es wohl ausdrücken. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Isi die Frage schon geklärt, wo der Schutz des Volksguts eingegliedert werden soll? Reichsjustizminister D r. G ürtner: Ich hatte vor­ geschlagen, das Volksgut nach dem S ta a t zu nehmen und dann erst die sozialen und natürlichen Zellen. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Der Boden steht in naher Beziehung zum Blut. Hierher gehört auch die Arbeitskraft, oie Fruchtbarkeit, die Raffe im engeren S inn, ferner auch die Prosperität des Volkes in leiblicher Beziehung, die Volksgesundheit im weiteren Sinne. Boden und Volksgesundhert sind genau so wichtig wie die Fruchtbarkeit und die Raffe, sie gehören daher mit in den ersten Abschnitt. Alle diese bedeutsamen Volksgüter gehören strafrechtlich zu­ sammen. Staatssekretär D r. Freisler: D er Grund liegt meines Erachtens darin, daß die Hauptgruppe II nicht in der Hauptgruppe I erscheinen soll. Gewiß, man kann alles in die Hauptgruppe I aufnehmen/ ich bin aber der Meinung, man sollte nur die grundlegenden T at­ bestände in dieser Hauptgruppe zusammenfassen. 'Senatspräsident Professor D r . Klee (Berlin): Der staatliche Apparat gehört zweifellos in den Abschnitt 2. I m Abschnitt 1 befindet sich der Schutz der befreundeten Staaten, der Volksvertretung usw. Dann aber ge­ hören auch alle Symbole ustv. in den Abschnitt 1. I n den Abschnitt 2 soll nur der staatliche Apparat, die Verwaltung als solche, hineinkommen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich hätte nicht den mindesten Zweifel, baß der Schutz bei Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte in den Abschnitt 2 hin­ eingehört. Staatssekretär D r. Freisler: Die Symbole müssen auch in den Abschnitts. Ich könnte m ir sogar vor­ stellen, daß der Hauptabschnitt 2 eine feeibe Abschnitte umfassende Bestimmung hat, z. B . »Schutz der Sym­ bole«, damit auch das Hoheitszeichen der N S D A P darin enthalten ist. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Der Einwand von Herrn Senatspräsidenten Klee geht dahin, daß er sagt: W arum trennt ihr Raffe und Fruchtbarkeit von Volksgesundheit? (Senatspräsident Professor D r. Klee [Berlin]: Von Boden und Scholle!) — Ein überzeugender Grund für diese Trennung ist nicht zu finden. Abweisen kann man das natürlich nicht. M an kann aber sagen: I n diesem ersten Ab­ schnitt »Schutz des Volkes« soll eben bloß die Existenz des Volkes, und zwar nach jeder Richtung hin, also

nach der Richtung seines materiellen Bestandes, der Raffe, der Fruchtbarkeit, der Veredelung, nach der Richtung auch seiner seelisch-geistigen Einheit, seiner Wehrfähigkeit und seiner Wirtschaftsfäbigkeit umfaßt weroen. I n Abschnitt 4 dagegen sind die Dinge tat­ sächlich ein wenig kategorisiert. D as ist der Besitz des Volkes, die Scholle und das, was sie erzeugt und was die Arbeit der Hände erzeugt. Ich muß sagen, bei der Dolksgesundheit kann man schließlich zweifeln, ob man das nicht auch dorthin setzen könnte. (Senatspräsident Professor D r. Klee sBerlinj: Ich muß sagen, daß m ir gemeingefährliche Derbrechm auch nicht recht in dm Abschnitt 1 hinein­ zupassen scheinen!) — Nein, die sollen auch gerade in den 4. Abschnitt hinein. (Senatspräsident Professor D r. Klee sBerlinj: Aber auch die Scholle, die Spekulation und dergleichen scheinen m ir sehr wohl in den Abschnitt 1 hineingehören zu können!) — M an wird diese Einwände vielleicht dahin auf­ fassen können, daß das alles Angriffe gegen die Grenz­ ziehung sind, und das wird man im letzten wohl erst später entscheiden können. D aß eine Existenzmöglichkeit des Abschnitts »Volksgut« damit verneint werden soll, das wollen Sie aber selbst nicht? (Senatspräsident Professor D r. Klee [Berlin]: D as möchte ich nicht absolut sagen!) — S ie sagten ja selbst, die gemeingefährlichen Delikte, Brandstiftung und dergleichen, schienm Ihnen nicht recht in den Abschnitt 1 hineinzupassen. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Wenn man die gemeingefährlichen Verbrechen überhaupt unter den Gesichtspunkt des Angriffs gegen das Volksgut stellm will! Meines Erachtens werden diese. Delikte im 28. Abschnitt, wie gestern ja auch schon hervorgehoben worden ist, durch einen ganz anderen Gedanken zusam­ mengehalten, nämlich durch die Gefahr, die durch die Entfesselung von Naturkräften, die man nicht in der Hand hat, herbeigeführt wird. Sie haben die ver­ schiedensten Angrrffsrichtungen. Nur bei den S tra f­ vorschriften gegen Seuchenverbreitung läßt sich vom Schutz des Volksguts im eigentlichen Sinne redm. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D arauf wollte ich noch einmal zu sprechen kommm, weil m ir das Opfern der gemeingefährlichen Delikte vorläufig ein wenig bedenklich erscheint. Staatssekretär D r. Freisler: Herr Reichsminister! Ich gestatte mir, doch darauf hinzuweisen, daß sämt­ liche Delikte, die die vorgeschlagene Hauptgruppe I um­ fassen wird, die Möglichkeit in sich tragen, und zwar ausnahmslos, den Volksbestand unmittelbar zu ver­ nichten. Dagegen haben die Bestimmungen in dem Hauptabschnitt I I I — wenn wir ihn voranstellen, wird er ja die Nr. H I bekommen — diese Möglichkeit nicht. Selbst der terroristische Mordbrand vermag an sich noch nicht den Bestand des Volkes zu gefährden. Er vermag ein D orf zu vernichten, er vermag theoretisch eine S tad t zu vernichten, aber er vermag nicht das Volk im ganzen zu vernichten. Genau so ist es doch mit einer Bestimmung über den Schutz der Gesundheit und der völkischen Arbeitskraft. Deshalb scheint es m ir tat-

sächlich berechtigt zu sein, die Grenzziehung im großen und ganzen so vorzunehmen, wie sie vorgeschlagen ist, wobei im einzelnen natürlich eine Überprüfung statt­ finden müßte. (Senatspräsident Professor D r. Klee sBerlinj: Ich wollte das auch nur anregen! — Ministerial­ direktor Schäfer: Aber von den Sittlichkeits­ delikten und Religionsdelikten zum Beispiel, die Sie nach vorn bringen wollen, kann man doch nicht gut sagen, daß sie den Bestand de8 Volkes gefährden!) — Ich bin anderer Meinung. Ich fasse die Religions­ delikte ganz anders auf als bisher. Ich bin der Mei­ nung, daß das Volk allerdings in seinem Bestand ge­ fährdet wird, wenn ihm nicht sein Streben, über da8 rein Körperliche hinaus zu einer Betrachtung deS jen­ seits der Sinne Liegenden zu kommen, garantiert wird. Ein Volk, da8 systematisch dazu erzogen würde, immer nur im sinnlich Wahrnehmbaren m bleiben, würde meines Erachtens untergehen. I n diesem Sinne fasse ich den Schutz der Religion auf, die sich keineswegs unbedingt an den Schutz kirchlicher Einrichtungen heften soll. (Ministerialdirektor Schäfer: Aber wie ist es denn nun mit den Sittlichkeitsdelikten?) — Dafür gilt dasselbe. W ir waren doch tatsächlich an der Grenze angelangt, daß der mangelnde Schutz, ich möchte sagen, de8 WohlanständigkeusgefühlS unsere Jugend der Vernichtung preisgab. Man brauchte nur an irgendeinem KioSk vorbeizugehen und sich anzusehen, was dort ausgelegt war, und brauchte sich dann nur vorzustellen, daß das 15- bis 17jährige sahen, um zu erkennen, daß im Verlauf einer Generation oder höch­ stens zweier Generationen daraus die Vernichtung deS Volkes entstehen konnte. Reichsjustizminister D r. Gürtner: DaS läßt sich alles unterordnen unter den Begriff »Schutz des Volkes«. Insbesondere bei Sittlichkeitsdelikten läßt sich ja sagen, daß daß nicht nur ein Angriff gegen den Träger der geschlechtlichen Freiheit ist, sondern daß da8 auch noch andere Wirkungen hat. Ministerialdirektor Schäfer: Ich dachte an die Frage, ob das zu dem Abschnitt »Schutz des Volks­ gutes« gehört oder vor den 1. Abschnitt, und da scheinen mir DolkSgesundheit und Arbeitskraft auf einer Linie zu liegen mit der moralischen Widerstands­ kraft. Aber daS ist natürlich eine Tatfrage. Reichsjustizminister D r. Gürtner: W ir wollen die Diskussion darüber nicht vertiefen. Ich habe nur noch zwei Bemerkungen. Erstens möchte ich vorschlagen und dazu ermutigen, den Volksgenossen wirklich auftreten zu lassen und ihn nicht gleichsam zu bedecken, so daß er gar nicht mehr da ist. DaS geht auf die ursprüngliche Fünfteilung hinaus. Es ist ja doch schließlich nicht ganz von der Hand zu weisen, daß in diesen Vergehen gegen den Volksgenossen ungefähr 80°/0 der Krimi­ nalität stecken, vielleicht sogar etwas mehr, und daß alle übrigen Bestimmungen noch nicht 20°/0 ausmachen. Dann aber noch ein anderes, was mir im Augen­ blick etwas sehr Schmerzliches ist: das ist die Aufgabe 88.

der gemeingefährlichen Delikte. Die gemeingefährlichen Delikte verschwinden. I n einem Strafrecht, von dem wir früher so oft betont haben, daß es ein Gefähr­ dungsstrafrecht ist und dessen Grundgedanke die Ge­ fährdung des RechtSgutes darstellt, findet sich nun eine Rechtsfigur nicht mehr, die doch ausgeprägtestermaßen Gefährdungsdelikte unter Strafe stellte. Wie wollen wir un8 damit abfinden? Wenn ich die gemeingefähr­ lichen Delikte durchlaufe, Brandstiftung, llberschwemmung, Transportgefährdung, Seuchenverbrei­ tung usw., so sehe ich zunächst noch keine rechte Auf­ teilungsmöglichkeit. (Staatssekretär D r. Freister: Die kommen alle in die Hauptgruppe »Volksgut«!) — Die Seuchenverbreitung wird zur Gesundheit ge­ hören, die Brandstiftung und Überschwemmung ge­ hören zum Volksgut. (Senatspräsident Professor D r. Klee fBerlinj: Der Schutz der körperlichen Integrität geht ja schon daraus hervor, daß in den einzelnen Para­ graphen schwere Strafe angedroht ist!)' — Die Transportgefährdung kommt auch in den dritten Abschnitt hinein. Kommen da nun alle gemein­ gefährlichen Delikte hinein? Ich bin nämlich geneigt, zu glauben, daß wir alle darin unterbringen könnten. (Staatssekretär D r. Freister: Ja, die erscheinen alle da! — OberregierungSrat D r. von Dohnanyi: Man könnte doch an einen Unterabschnitt »Herbei­ führung gemeiner Gefahr« oder ähnliches denken!) — Wenn wir einmal das alte Strafgesetzbuch auf­ schlagen, um das Gedächtnis zu unterstützen, so hätten w ir also hier: Brandstiftung, Explosion und Über­ schwemmung, dann: Gefährdung der Eisenbahn- und Telegraphenanlagen, also der Verkehrsanlagen über­ haupt, Wasser- und Schutzbauten, Schleusen, Wehre, Deiche, Dämme, Notzeichen der Schiffahrt und Ge­ fährdung der Schiffahrt. Dann kommen die Ausfuhr­ verbote mit den Absperrmaßnahmen. Die Ausführung von Bauten paßt da allerdings gar nicht hinein. (Staatssekretär D r. Freister: Die Ausführung von Bauten?) — Ja, »Wer den anerkannten Regeln der Baukunst zuwider handelt........ !« (Staatssekretär D r. Freister: Das werden wir überhaupt besprechen müssen, wo wir das unter­ bringen müssen!) — Also das Gros der gemeingefährlichen Delikte, Brandstiftung, Überschwemmung, Transportgefähr­ dung, Seuchengefahr usw., alle diese Dinge müßten, glaube ich, doch zusammen Platz finden können in diesem Abschnitt »Schutz deS Volksgutes«. DaS würde nämlich meinen Schmerz über die Zerstörung des Ab­ schnitts der gemeingefährlichen Delikte wesentlich mildern, weil ich sogar damit umging, den Vorschlag zu machen, innerhalb dieses Abschnittes »Schutz des Volksgutes« irgendeinen Unterabschnitt zu bringen: Herbeiführung gemeiner Gefahr. DaS wäre jedenfalls sehr volkstümlich, Herr Staatssekretär. Staatssekretär D r. Freisler: D arf ich mir vielleicht den Vorschlag erlauben, daß man im Auge behält, diese 7

Zusammenfassung im großen und ganzen sogar an die Spitze dieser H auptgruppe zu setzend A n einer anderm S telle dieser H auvtgruppe kann ich m ir sie nicht recht vorstellen, w e il die andere Gruppe sich da­ durch kennzeichnet, daß die A u s w irk u n g der in ih r zu­ sammengefaßten D elikte letzten Endes im m e r n u r ein bestimmtes V olksgut, die Gesundheit, die A rb e its k ra ft, oder die sachgebundenen V olksgüter be rü h rt, während diese gemeingefährlichen D elikte in ih re r W irk u n g alle drei Einzelgüter des Volkes, die hier behandelt werden, treffen können. M a n könnte alle diese D in g e vielleicht sogar an die Spitze stellen. Professor D r . Mezger (München): M a n hat in der S ystem a tik.des Besonderen T e ils die g e m e i n g e ­ f ä h r l i c h e n D e l i k t e und die F ä l s c h u n g s ­ d e l i k t e häufig als etwas ganz besonderes herausge­ hoben, und zw ar als D eliktsgruppen, die durch -die A r t ih re r Begehung gekennzeichnet seien. Ic h halte diese Kennzeichnung grundsätzlich f ü r falsch und b in der M e i­ nung, daß es fich bei beiden Gruppen genau wie sonst u m ganz spezifische Rechtsgüter handelt, bei den gemein­ gefährlichen D elikten um ein Rechtsgut, das m an etwa a ls »öffentliche S icherheit«, bei den Fälschungsdelikten um ein Rechtsgut, das m an vielleicht als »T reu und Glauben im Verkehr« bezeichnen kann. Ic h . möchte mich also nachdrücklich dagegen ausspre­ chen, daß diese sogenannten »vagen« Verbrechen nach ganz anderen Gesichtspunkten behandelt werden als die G ruppe der übrigen D elikte. Ic h halte einen solchen Gedanken fü r falsch. W enn m an die öffentliche Sicher­ he it als ein Rechtsgut eigener A r t bezeichnet, dann besteht g a r kein Bedenken, u n te r dieses V olksgut auch die hier genannten D eliktsgruppen einzureihen. S taatssekretär D r . Freister: Ic h bin der M einung, daß die A n g riffe gegen T re u und Glauben im Verkehr genau so durch den B e tru g und durch die Urkunden­ fälschung dargestellt werden. B e tru g und Urkunden­ fälschung haben daher in W irklichkeit einen gemein­ samen Grundgedanken, und ich hatte m ir vorgenom­ men, fa lls w ir bis d a hin kommen w ürden, zu prüfen, ob man nicht überhaupt beides unter einen gemeinsamen O berbegriff bringen muß. Ic h würde es ccker trotzdem beim Schutz der wirtschaftlichen B e tä tig u n g des ein­ zelnen Volksgenossen lassen,' denn da sind die H aup t­ fälle, da w irk t sich die Masse der Fälle dieses A n g riffs a u f T re u und Glauben aus. Es ist na türlich theoretisch möglich, das in den Abschnitt »Schutz de8 Volksgutes« hinüberzunehmen, aber ich w ürde es fü r etwas ge­ künstelt halten. Rach meiner M e in u n g sollte m an das irgendw ie bei dem Schutz der wirtschaftlichen B e tä ti­ gung der Volksgenossen zusammenfassen.

weiß nicht, w ie a lt sie sind, aber sie sind sicher ä lte r als unser Strafgesetzbuch. (Professor D r . N a g le r: S ie stammen aus dem Ende des 18. Jah rhun derts. S ie sind seit 1750 in Österreich zuerst ausgebildet, und zw ar be­ ginnend m it der B ra n d s tiftu n g . U rsprünglich ha t m an gesagt, die B ra n d s tiftu n g sei eine qua­ lifizie rte Sachbeschädigung, in Österreich sagt m an dann, juristisch sei es eine Gemeingefähr­ lichkeit, und d a m it beginnen die gemeingefähr­ lichen D elikte.) W enn sie a u f diese Weise irgendw ie erhalten werden könnten, w ürde ich das fü r rich tig halten. Ic h glaube, w ir sollten die Aussprache über diese Systematik — ich w ill nicht sagen: beschließen — w i r werden später noch ö fte r darüber zu reden haben, aber sie fü r dieses M a l unterbrechen, w eil das Ergebnis ist, daß w ir einen G ru n d riß des Aufbaues jetzt konstruieren können. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h würde fü r zweckmäßig halten, wenn das Ergebnis dieser Aussprache von einer Unterkommission fü r unsere nächste Tagun g zu P a p ie r gebracht w ürde.) N a tü rlic h als F a h rp la n fü r alles, w as noch kommt. V ielleicht könnten das die H erren Gleispach und K reisler machen. D a s Unkörperlichste von allem ist bis jetzt der strafrechtliche Schutz der sozialen Zelle des S taates eblieben, und da wäre ich der Unterkommission danka r, wenn sie versuchen w ollte, diesem B e g riff m it ein paar S chlagw orten einen gesetzgeberischen I n h a lt zu geben und ebenso sich die Abgrenzung zwischen dem ständischen Recht und dem allgemeinen S tra fre ch t zu überlegen. Diese beiden P roblem e spielen hierbei eine Rolle. (S taatssekretär D r . F re iste r: D a r f ich fü r später noch um einen A u ftra g bitte n, und zwar um den A u ftra g , den Vorschlag der T e ilu ng des Allgemeinen T e ils zu begründen und außer­ dem den Versuch zu machen, einen solchen u m ­ fassenden Tatbestand aufzubauen, der Ih r e n Bedenken, H e rr Reichsmimster, Rechnung trä g t und der an die Spitze oder an den Schluß gestellt w ird ? ) D a s w äre mehr eine an die S ystem atik sich anschlie­ ßende Frage. V ielleicht kann die Unterkommission m it einem Vorschlage au fw arte n. D a s w ären also drei Aufgaben: 1. D ie inhaltliche A u s fü llu n g der F o rm »soziale Zellen«, 2. B ehandlung des Allgemeinen T e ils, 3. gesetzgeberische B ehandlung des Gedankens des § 2. W i r könnten dann diese Aussprache ablösen durch eine andere über die beiden Abschnitte 12 und 13, die w ir noch zu besprechen haben. Zunächst Abschnitt 12: Schädigung der Rechtspflege.

Reichsjustizminister D r . G ürtner: H e rr Professor Mezger, ich habe S ie doch ric h tig verstanden. S ie könn­ ten sich ein B ild vorstellen, w o im Abschnitt »Schutz des Volksgutes« so etwas w ie gemeingefährliche V e r­ brechen auftreten, und z w a r u n te r dem N enner »Schutz der öffentlichen Sicherheit«? (Professor D r . Mezger: J a .) Ic h glaube, daß w ir d a ra u f abkommm könnten. Ich habe nämlich das G efühl: die gemeingefährlichen De­ likte sind etwas so H andhaftes und Körperliches. Ich

B erichterstatter Professor D r . Mezger (München): Es handelt sich um den 12. u n d 13. A b s ch n i t t des R eferentenentwurfs §§ 1 9 2 ff., wozu die A nträge N r. 45, 48 und 49 vorliegen. Zunächst eine g e m e i n s a m e Bemerkung zu den beiden Abschnitten, deren endgültige systematische S te l­ lung in der allgemeinen A n ordnun g noch offen bleibt. Ic h möchte glauben, daß es zweckmäßig ist, die Delikte gegen die R e c h t s p f l e g e beisammen zu lassen und sie nicht m it den allgemeinen D e r w a l t u n g s -

delikten zusammenzuwerfen, w e il eS sich um typische geprägte Form en handelt, und möchte v o r­ schlagen, entgegen der Ü berschrift des Referentenent­ w u rfs »Schädigung der Rechtspflege« die Überschrift der Preußischen Denkschrift » A ng riffe auf die Rechts­ pflege« zu w ählen- denn es braucht im E inzelfall nicht notwendigerweise eine Schädigung eingetreten zu sein. D ie Preußische Denkschrift n im m t D elikte hinzu, wie M e in eid, Zw eikam pf usw. D a rü b e r w ird jetzt noch nicht das letzte W o rt gesprochen werden können. Es dürfte zweckmäßig sein, auch diese D elikte, die wieder ihre typische E igena rt tragen, getrennt zu lassen. Jeden­ fa lls soll im folgenden n u r der 12. Abschnitt behandelt werden. D e r 13. Abschnitt »Förderung strafbarer Handlungen« mag zunächst davon getrennt bleiben. D e r A u fb a u des 12. A b s c h n i t t e s , w ie er v o r­ liegt, ist kla r und folgerichtig, und auch die einzelnen Bestimm ungen scheinen m ir einem strafrechtlichen B e ­ d ü rfn is zu entsprechen. Es können aber w ohl auch noch andere Bestimmungen dazugezogen werden. V o r allem scheint m ir der ftü h e r besprochene § 168 » V e r­ botene M itte ilu n g e n über Gerichtsverhandlungen« h ie r­ her zu gehören. Ic h habe seinerzeit schon erw ähnt, daß ich gewisse Bedenken gegen die F o rm u lie ru n g des § 168 habe. Zunächst handelt es sich im 12. Abschnitt um die f a l s c h e A n s c h u l d i g u n g , die im Referenten­ e n tw u rf der Neufassung des § 164 des geltenden Rechts vom 26. M a i 1933 entspricht, allerdings m it gewissen Abweichungen im Abs. 4. I n einer m ir freundlichst zur V e rfü g u n g gestellten B earbeitun g dieses P a r a ­ graphen ist d a ra u f hingewiesen worden, daß das W o r t »falsche Anschuldigung« dem strafprozessualen S prach­ gebrauch nicht ganz entspricht, sondern daß die rich­ tigere Bezeichnung »falsche Beschuldigung« wäre. D a s dü rfte ric h tig sein. Abänderungsvorschläge in sachlicher Beziehung habe ich bezüglich des § 164 nicht zu machen. Es ist m ir nichts bekanntgeworden, daß etwa die Neufassung als nicht zutreffend erscheinen lassen würde. V o r allem w äre es zu begrüßen, wenn die H erren, die schon prak­ tische E rfah run gen m it § 164 haben sammeln können, hier etwa K r itik üben würden. I n den A usführungen des H e rrn M itberichterstatters ist eine solche K r itik nicht geübt worden. § 164 des Strafgesetzbuchs, zweitletzter Absatz, bestraft entsprechend dem R eferentenentw urf die falsche A n ­ schuldigung oder Beschuldigung auch dann, wenn sie nicht w id e r besseres Wissen, aber vorsätzlich oder leicht­ fe rtig begangen ist. Gegen »vorsätzlich« dü rfte kein Bedenken bestehen. D e r B e g riff »leichtfertig« w ir d in der L ite ra tu r auch heute schon als identisch m it »grob fahrlässig« ausgelegt, und so ist es w ohl auch hier ge­ m eint. Es dü rfte llch empfehlen, sich durchgängig s t r die eine oder andere T e rm ino logie zu entscheiden. »G rob fahrlässig« schließt sich mehr an den bisherigen juristischen Sprachgebrauch, namentlich a u f zivilrecht­ lichem Gebiet an, und ist daher weniger mißverständlich. »Leichtfertig« ist ein volkstümlicher Ausdruck, und ich w ürde geneigt sein, im S tra fre c h t, wie es auch im Gesetz schon geschehen ist, dieses W o r t vorzuziehen. Jedenfalls scheint es m ir unerläßlich zu sein, bei der falschen Anschuldigung die leichte Fahrlässigkeit aus­ zuscheiden/ denn wenn m an in der Bestrafung nach der Fahrlässigkeitsgrenze h in zu w e it geht, unterbindet

man auch die fü r die Allgem einheit nützliche Aufdeckung von S tra fta te n . Es könnte sich sogar ftagen, ob nicht schon die Bestrafung einer groben Fahrlässigkeit aus diesen Gründen zu w e it geht. W enn der Ausdruck »leichtfertig« im Gesetz gewählt w ird , würde ich a ller­ dings glauben, daß Anzeigen nicht u n nötig abgeschnit­ ten werden, an deren E rstattung der S ta a t ein w irk ­ liches Interesse hat. Gegen den § 164 des Strafgesetz­ buchs in seiner heutigen Fassung in § 192 des Referen­ tenentw urfs dü rfte auch' um deswillen nichts einzu­ wenden sein, w e il er durch den folgenden § 192 a des R eferentenentwurfs ergänzt w ird . D ie frühere K ritik am § 164 des geltenden Rechts ging ja gerade dahin, daß die falsche Anschuldigung im alten S inne den K re is insofern zu eng zieht, als F ä lle einer V o rtä u ­ schung einer strafbaren H andlung w id e r besseres Wissen ohne Verdächtigung eines anderen nicht bestraft w er­ den. D a s ist nun in § 192 a des Referentenentwurfs vorgesehen. D eshalb ergänzt der § 192 a den § 192 in sachgemäßer Weise und unterbindet auch die K r itik gegenüber dem § 192 des R eferentenentwurfs. Ic h halte den Vorschlag fü r gerechtfertigt. § 192 a w a r

ergeben. D o r t sind noch weitere Einschränkungen v o r­ gesehen, über die sich der H e rr M itb erichterstatter in dem Gegenreferat N r . 48 au f S eite 2 näher geäußert hat. Ic h d a rf ihm w ohl das Nähere in dieser Bezie­ hung überlassen. Eine A usdehnung. gegenüber dem Referentenentw urf scheint m ir hier nicht notwendig zu sein. D ie §§ 193 und 194 führen ebenfalls betn geltenden Recht nicht bekannte Delikte an, die sich aber schon in den ftüheren E n tw ü rfe n , so im E n tw u r f von 1927, finden und in der B egründung zum E n tw u r f 1927 eine überzeugende R echtfertigung erhalten. Es handelt sich da rum , daß unter S tra fe auch die Fälschung und die Unterdrückung von B ew eism itte ln gestellt werden soll, soweit andere S trafbestim m ungen nicht P latz greifen, also namentlich soweit eine Urkundenfälschung und eine Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen im engeren S in n e nicht vorliegen. D e r E n tw u r f fü g t hier aus­ drücklich die S ubsidiaritätsklausel an, indem er sagt: »abgesehen von den Fällen der Urkundenfälschung und der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen«. M i r scheint diese Einschränkung durch eine S u b s id ia ritä ts ­ klausel nicht angezeigt zu sein. W enn neben den Delikten der §§ 193 und 194 eine echte Urkundenfälschung v o r­ liegt, so müssen beide rechtlichen Gesichtspunkte eine R olle spielen. Es sind zwei verschiedenartige Rechts­ güter, die hier angegriffen werden, a u f der einen Seite 4 re u und Glauben im Verkehr im S in n e der Urkunden­ delikte und a u f der anderen S eite die Fälschung von B ew eism itte ln im S in n e des 12. Abschnitts der A n ­ g riffe gegen die Rechtspflege. S o w i l l eS m ir richtiger erscheinen, die W o rte »abgesehen von den Fällen oer Urkundenfälschung und der Fälschung öffentlicher Beglaubiaungszeichen« in den §§ 193 und 194 zu streichen, o. h. also Idealkonkurrenz in solchen Fällen des Zusammentreffens zuzulassen. D ie Ausschaltung der Bagatellsachen in Abs. 2 der §§ 193 und 194 ist im E n tw u rf von 1930 entstanden und scheint m ir sachgemäß zu sein. Es handelt sich, wie schon hervorgehoben, um n e u e D elikte, die hier

geschaffen werden, welche die Rechtspflege gegen V e r­ schiebungen und Verfälschungen noch w eiter schützen sollen. ^Deshalb ist es gut, Bedeutungsloses aus­ zuscheiden. Ic h w ürde mich also u n te r diesen E in ­ schränkungen m it den neuen D elikten einverstanden er­ klären. Ebenso habe ich auch zunächst keine Bedenken gegen den Abs. 3 des § 193, d. h. gegen die S tra ffre ih e lts ­ gründe. D e r H e rr M itberrchterstatter w ill jedoch unter N r . 48 a u f S eite 4 diesen Absatz streichen. Ic h könnte mich auch d a m it einverstanden erklären/ denn es läßt sich in der T a t sehr w o h l rechtfertigen, zu sagen: wenn einm al solche Fälschungen vorgekommen sind, dann besteht kein G ru n d , von der allgemeinen Regelung der S tra ffre ih e it abzuweichen und hier eine besondere Be­ stim m ung aufzunehmen. Also wenn die Begründung des H e rrn M itb erichte rstatters die Komm ission über­ zeugt, w ürde ich mich nicht gegen dessen Verlangen auf S treichung wenden. § 195 b e trifft den P a r t e i v e r r a t , der nun hierher un ter die Rechtspflegedelikte genommen ist. D ie systematische S te llu n g dieses P ara grap hen ist nicht ganz klar. H ie r ist meines Erachtens wieder ein deutliches B eispiel fü r das gegeben, was im m e r bei der systematischen E in re ih u n g eines P ara grap hen ein­ treten kann. D u rch P a rte iv e rra t werden verschiedenartige Rechtsgüter in M itleidenschaft gezogen, und da g ib t es fü r die System atik kein anderes M it t e l als den U n w e rt der verschiedenen Verletzungen, die m it dem D e lik t verbunden sind, abzuwägen und abzuschätzen, was natürlicherweise im V ordergründe steht. M e in e r Ansicht nad) ist die V e rb in dun g gerade m it den Rechtspflege­ delikten glücklich. V o n anderer S eite w ir d stärker der Gedanke der Untreue, also der Verletzung gegenüber den in d iv id u e ll getroffenen Personen hervorgehoben. Aber ich meine doch, die Rechtspflege als solche ist stark daran interessiert, daß der P a rte iv e rra t unterbleibt, und wenn ein solches öffentliches, allgemeines Interesse ein großes Gewicht in einem E in zelfall hat, dann dü rfte dieses Interesse vorgehen. S o erkläre ich mich einverstanden m it der systematischen E inreih ung , die das D e lik t in den Vorschlägen des Referentenentw urfs geftmden hat. Auch gegen oie sachlichen Bestimmungen dieses P a ra ­ graphen habe ich keine Einwendungen. Endlich kom mt § 195 a »Unlautere E in w irk u n g auf das Gericht«, ein Sem bisherigen Recht nicht bekannter P a ra g ra p h . D ie s ist eine S trafbestim m ung , die offen­ b a r aus den Bedürfnissen der P ra x is herausgewachsen ist und der ich grundsätzlich zustimmen möchte, wenn ich auch nicht verkenne, daß bei einer genauen Auslegung des P ara grap hen doch F ä lle denkbar sind, die nicht ganz unbedenklich in das Gebiet der S tra fb a rk e it gezogen werden. Ic h denke etwa daran, daß ein Verteidiger w ährend eines S tra fv e rfa h re n s eine Rechtsfrage, die sich auf die S chuldfrage bezieht, öffentlich erörte rt, und zw ar in der erkennbaren und kla r ausgesprochenen A b­ sicht, die Ansicht des Gerichts im S in n e eines Abgehens von der bis h e rig m Rechtsprechung zu beeinflussen. D as muß doch zulässig sein. M a n w ird vielleicht entgegen* halten: das ist g a r keine öffentliche E rö rte ru n g der »Schuldfrage«. D enn m an denkt zweifellos 6et der Schuldfrage zunächst an das Konkrete und an das T a t­ sächliche. Einen exakten Ausdruck ha t dieser Gedanke aber im R eferentenentw urf nicht gefunden. Auch eine E rö rte ru n g über Bew eisfragen w ird m an nicht ganz

abschneiden können, wenn sie in sachlicher F o rm ge­ schieht. Ic h möchte aber doch glauben: das sind Grenzbeispiele, bei denen m an dem gesunden S in n der P ra x is vertrauen d a rf, daß sie durch eine richtige A u s­ legung der W o rte : »öffentliche E rö rte ru n g der S chuld­ frage« im S in n e einer m ateriellen Gesetzesanwendung einen Ausweg findet. D ie künftige Rechtsprechung muß eben hier w ie sonst loskommen von der herkömmlichen lebensfremden und form alen Auslegungsweise. A lle rd in g s gegen eines habe ich erhebliche Bedenken. V o m H e rrn M itberichterstatter w ird vorgeschlagen, die Absicht zu streichen und a u f das objektive Geeignetsein abzustellen. D a s geht m ir zu w eit. D a könnte ich nicht mitmachen. Ic h w ill aber nicht der Näheren B e g rü n ­ dung des H e rrn M itberichterstatters vorgreifen. Ic h spreche mich deshalb unter H intanstellung der angedeuteten Bedenken zunächst fü r die B eibehaltung des im Referentenentw urf vorgelegten § 195 a aus. I m übrigen würde ich es, da es sich um sehr ver­ schiedenartige D inge handelt, fü r zweckmäßig halten, hier einen Einschnitt zu machen und den 13. A b ­ s c h n i t t getrennt zu behandeln. (Zustim m ung.) B erichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (N ü rn ­ berg): Es ist schon d a ra u f hingewiesen worden, daß es zweckmäßig ist, diesen Abschnitt als Sonderabschnitt er­ scheinen zu lassen und nicht m it dem Abschnitt über den Schutz der V e rw a ltu n g im allgemeinen zu verbinden. Ic h mache m ir die nähere B egründung, die H e rr P r o ­ fessor Mezger gegeben hat, zu eigen und schlage auch vor, hier einen besonderen Abschnitt zum Schutz der Rechts­ pflege einzuführen. Ob m an diesen Abschnitt » A ng riffe auf die Rechtspflege« oder »Gefährdung der Rechts­ pflege« nennt, w ird zu erwägen sein. Eine Schädigung w ürde ich d a rin sehen, daß diese Akte überhaupt v o r­ genommen werden. Ic h würde an die Spitze dieses Abschnitts einen T a t­ bestand setzen, von dem der H e rr Reichsjustizminister in dieser T a gun g schon gesprochen hat, einen Tatbestand, der die Verhöhnung der Rechtspflege behandelt. Es sind doch im m e r wieder D in g e vorgekommen, die eine krasse V erhöhnung der Rechtspflege darstellen und die man meines Erachtens strafrechtlich erfassen sollte. Ic h würde deshalb vorschlagen, etwa einen Tatbestand au f­ zunehmen, der besagt: »W er öffentlich durch W o rt, Druck, B ild oder in sonstiger Weise die Rechtspflege verhöhnt, w ird m it Gefängnis bestraft.« Ic h glaube, daß dieser Tatbestand an die Spitze dieses Abschnitts zu stellen wäre. D a ra n anschließend w ürde ich den § 195 a des R eferentenentwurfs bringen und dann die anderen T a t­ bestände, soweit sie Fälschung und Unterdrückung von B ew eism itte ln sowie P a rte iv e rra t enthalten, am Schluß die falsche Anschuldigung oder Beschuldigung sowie die Vortäuschung strafbarer Handlungen. D a ­ fü r, daß die in diesem Abschnitt geregelten Tatbestände w irklich auftreten müssen, ist zweifellos ein B e d ü rfn is anzuerkennen, wie w o h l von keiner S eite bestritten w irb . Es gehört schließlich auch hierher die aktive Richterbestechung. Aber nachdem m an sich in den letzten V erhandlungen schon entschlossen hat, die aktive B e ­ stechung d o rt stehenzulassen, wo die passive Bestechung behandelt w ird , sehe ich von einem gegenteiligen V o r ­ schlag ab.

W as die einzelnen Tatbestände anbelangt, so bin ich d a m it einverstanden, daß man die falsche Anschuldigung kün ftig die falsche »Beschuldigung« nennt. D ie N eu­ fassung des § 164 des geltenden Strafgesetzbuchs durch die Novelle vom 26. M a i 1933 ist in der P ra x is sehr begrüßt worden. Es haben sich auch, soweit mein Wissen reicht, keinerlei Anstände ergeben. M a n hat, soweit ich unterrichtet bin, d a m it ganz gute E rfa h ru n ­ gen gemacht. Ic h stimme dem Vorschlag des Referenten­ en tw urfs zu. Ic h glaube aber, m an könnte den letzten Absatz, nach dem dem Verletzten zu gestatten ist, die V e ru rte ilu n g a u f Kosten des V e ru rte ilte n öffentlich be­ kanntzumachen, streichen, da unser § 51 meines E r ­ achtens genügende Handhaben g ib t, die Interessen des Verletzten zu wahren. Es ist bei V orliegen eines öffent­ lichen Interesses P flic h t des Gerichts, die öffentliche B e­ kanntmachung anzuordnen, und es ist außerdem v o r­ gesehen, daß das Gericht die öffentliche Bekanntmachung zulassen kann. Deswegen glaube ich, daß die B estim ­ m ung, nach der dem Verletzten zu gestatten ist, die V e r­ u rte ilu n g öffentlich bekanntzumachen, gestrichen werden könnte. W as die Vortäuschung strafbarer Handlungen (§ 192 a) an la ngt, so kann ich dem Vorschlage zu­ stimmen. Eine Ausdehnung au f A m ts- oder D ienst­ pflichtverletzungen ist w ohl mcht veranlaß t. D ie in der preußischen Denkschrift S . 41 aufgeführte falsche Selbst­ bezichtigung w ird w ohl m it d a runter fallen. S ie w ird n u r dann nicht d a runter fallen, wenn sie eine Selbst­ anzeige zum Zwecke der Feststellung der Unschuld ist. D enn in diesem F a ll w ird nichts Falsches vorgetäuscht, sondern es w ird die W a h rh e it angegeben und n u r ein Gerichtsverfahren herbeigefiihrt, um diese W a h rh e it festzustellen/ eine besondere A usnahm evorschrift ist des­ halb nicht n ö tig . W as den § 193, Fälschung von B ew eism itte ln, be­ t r if f t , so kann ich mich wegen der N otw endigkeit einer solchen V o rs c h rift a u f das beziehen, w as ich m meinen schriftlichen Äußerungen niedergelegt habe. H e rr P r o ­ fessor Mezger hat auch schon d a ra u f hingewiesen. W as die Frage anlangt, ob m an hier die M ö glich­ keit der Idealkonkurrenz schaffen soll, so vertrete ich als P ra k tik e r den S tänd pun kt, daß es möglichst wenig Konkurrenzen geben soll. Ic h bin deshalb fü r S u b ­ s id ia ritä t der V orsch rift. S tr a fb a r soll sein das Fälschen und das Verfälschen, das heißt das fälschliche A nfertigen , w ie m an frü her sagte, und das Falsch­ machen eines schon vorhandenen B ew eism itte ls. Es muß aber klargestellt werden — das ist eine Frage, die frü h e r schon einm al bei dem Hochverrat oder bei dem Landesverrat eine R olle gespielt und die damals H e rr Senatspräsident Klee aufgeworfen ha t — , was man unter »falsch« versteht. 3 n der fünften Zeile heißt es hier »oder von einem falschen oder verfälschten B ew eis­ m itte l Gebrauch macht«. »Falsch« um faß t hier sicher das »fälschlich angefertigte« B e w e is m itte l/ aber auch das unterschobene B ew eism itte l ist »falsch«/ es ist ein B e­ w eism itte l, das zu diesem bestimmten B ew eis nicht ver­ wendet werden d a rf, das hier »falsch« ist. Z u m B eispiel es behauptet jemand, er sei durch einen falschen Geld­ schein betrogen worden, und legt nun einen falschen Geldschein v o r, der aber zu einer anderen Sache gehört. D a legt er zweifellos ein falsches B ew e ism itte l vor. S o ll dieser F a ll hier nicht getroffen werden, so muß das

ersichtlich sein/ ich halte ihn fü r gleich s tra fw ü rd ig , wenngleich unter Umständen auch un ter dem Gesichts­ punkt des B e tru g s faßbar. I m zweiten Absatz heißt es dann aber: b e trifft die »Fälschung« n u r einen Umstand usw. H ie r w ird unter der Fälschung sicher zu verstehen sein die falsche A n fe rti­ gung und die Verfälschung. S o ll auch das Gebrauch­ machen von einem im vorgenannten S in n e »falschen« B ew eism itte l hier fü r stra fbar e rklä rt werden, so muß die Fassung der V o rsch rift geändert werden. H ie r muß K la rh e it geschaffen werden. Ic h habe vorgeschlagen, den d ritte n Absatz zu streichen, w e il ich der M e in u n g bin, daß hier unsere allgemeinen V orschriften genügen. Nach § 3 2 b kann bei tä tig e r Reue S tra ffre ih e it gew ährt werden. I n der Regel w ird diese V o rsch rift n u r eine R olle spielen fü r den F a ll, daß von einem falschen B ew eism itte l Gebrauch gemacht worden ist. D e r F a ll der Fälschung allein zu dem Zwecke, Gebrauch zu machen, w ürde dagegen als eine A r t D orbereitungshandlung w ohl entsprechend 8 31 zu behandeln und unter Ausschluß des richterlichen Ermessens straflos zu lassen sein. Nach Abs. 3 sollen also zwei Fälle gleich behandelt werden, die nach unseren Grundsätzen im Allgemeinen T e il verschieden zu behan­ deln wären. D a s paßt zunächst nicht zusammen. Ic h sehe aber auch keinen G ru n d ein, w a ru m m an hier in einem besonderen, den Eidesdelikten nachgebildeten F a ll einen erhöhten Schutz fü r den R ü c k tritt gewähren soll. Ebenso müßte m an das, wenn man konsequent sein w ill, auch bei der Urkundenfälschung tun, und w eiter müßte m an bei der Urkundenbeseitigung und der B ew eism ittelbeseitiaung denjenigen straflos lassen, der die Urkunde oder das B e w e ism itte l wieder rechtzeitig beibrächte, wenn er es beseitigt hatte. I m übrigen sind die V o r ­ aussetzungen, die hier gegeben sein müssen, o ft n u r vom Z u fa ll abhängig. D e r T ä te r hat es ja doch nicht in der Hand, daß noch keine Anzeige gegen ih n erstattet oder die Untersuchung noch nicht eingeleitet ist. Auch diese Gründe sprechen d a fü r, den ganzen Abs. 3 zu streichen und es bei den allgemeinen Bestimmungen zu belassen. Z u m mindesten sollte m an n u r eine KannV o rsch rift schaffen/ denn es ist meines Erachtens nicht einzusehen, w a ru m derjenige ohne weiteres straflos sein soll, der alles getan hat, um dem Gericht ein falsches B ew eism itte l zu produzieren, während ein anderer, der bei anderer S tr a f ta t tätige Reue entwickelt, n u r nach dem Ermessen des Gerichts stra ffre i gelassen w er­ den kann. Z u § 194, Unterdrückung von B ew eism itte ln, habe ich keine Änderungsvorschläge. Ic h stimme diesem V o r ­ schlag des Referentenentw urfs zu.. Auch dem § 195 über den P a rte iv e rra t stimme ich bei. Ic h w ürde ihn h ie r stehen lassen, w eil er im m erhin als ein A n g r iff gegen die Rechtspflege zu werten ist. F ü r »verschieden« w ürde ich ein anoeres W o r t wählen, da »verschieden« auch im S in n e von »gestorben« ge­ braucht w ird . V ielleicht könnte man »mehreren P arteien« sagen/ da »p flich tw idrig« dabei steht, w ird m an ersehen, daß der Rechtsanwalt P arte ien gedient hat, die in ihren Interessen einander entgegenstehen. W as die E in w irku n g au f das Gericht, § 195 a, an­ lang t, so hat H e rr B erichterstatter Professor Mezger bereits d a ra u f hingewiesen, daß ich hierzu einen Abänderungsantraa gestellt habe, und zwar habe ich v o r­ geschlagen, auf die objektive E ignung abzustellen. Ic h

stehe a u f dem S tand pun kt: wenn m an au f die Absicht abstellt, dann w ir d ein F a ll dieser A r t v o r Gericht nie zur B estrafung führen. W as m an in dieser Richtung schon zu lesen und zu hören bekam, h a t im m e r gezeigt, daß m an dem V era ntw ortlich en nicht beikommm kann, wenn m a n nicht auf die E ignun g abstellt. D enn da heißt es im m e r, das geschehe bei weitem nicht, um das Gericht iraendw ie zu beeinflussen, sondern es geschehe n u r, um die Leser und Z u h ö re r aufzuklären und zu belehren. M a n weiß das im m e r geschickt zu umkleiden, und es ist außerordentlich schwierig, den Beweis fü r die Absicht zu führen. Ic h verkenne nicht, daß heute die Verhältnisse in der Presse anders geworden sind und daß m an jetzt andere M itte l h a t, um entgegentreten zu können. Aber im m e r­ h in kann das n a türlich erst hin te rh e r geschehen, und m an könnte doch auch durch eine solche S tra fv o rs c h rift abschreckend wirken. W e r einen A rtik e l schreibt, in dem er sich n u r wissenschaftlich m it einer in einem S tr a f fa ll auftretenden S tre itfra g e befaßt, w ird w ohl nie un ter diese B estim m ung gebracht werden, denn er w ird die S chulbftage kaum erörte rn, sondern eben bloß diese eine S tre itfra g e . I m übrigen stehe ich auf dem S ta n d p u n k t: so g u t w ie die Justizve rw altun g im m er wieder e rk lä rt, sie greife in ein schwebendes V erfahren nicht ein, sie lehne das ab, obw ohl sie doch am besten sich ein U rte il zu bilden in der Lage ist, ebenso soll auch jeder andere es unterlassen, solange ein S tra fv e rfa h re n anhänaig ist, sich m it der Schuldftage zu befassen und sie in der Öffentlichkeit so zu e rö rte rn , daß diejenigen, die dann die V e ra n tw o rtu n g zu tragen haben, be­ einflußt werden können. W e r D e ra rtig e s nicht in einer Weise kann, daß die E ignung, die Entscheidung des Ge­ richts zu beeinflussen, ausgeschlossen ist, der soll die F in a e r davon lassen. Ic h glaube, die ganze P ra x is w ird auf dem S ta n d p u n kt stehen: wenn m an Bier nicht a u f die objektive E ignun g abstellt, dann w ird die ganze B estim m ung n u r au f dem P a p ie r stehen. Eine ähnliche Frage ist neulich schon einm al aufge­ taucht bei der Bestim m ung über die bösw illige B e­ u n ru h ig u n g der Bevölkerung, § 173, nach den V o r­ schlägen der Unterkommission N r . 23. D a hat es sich da rum gehandelt, denjenigen zu bestrafen, der b ö s w illig falsche Gerüchte ausstreut, um in der Bevölkerung Angst oder Schrecken zu erregen. D ie preußische Denkschrift hatte d o rt auch a u f die E ig n u n g abgestellt. H interher sind dann doch wieder Z w e ifel aufgetaucht, ob es nicht ein Schlag ins Wasser wäre, wenn m an hier die A b­ sicht ve rla n g t. Ähnlich ist es auch bei dieser V orschrift. Ic h schlage deshalb v o r, w ie in meinen schriftlichen Vorschlägen, S eite 6 /7 , zu sagen: »W er w ährend eines schwebenden S tra fv e r­ fahrens oder D ienststrafverfahrens in einer Weise, die geeignet die Entscheidung des Gerichts zu beeinflussen, me Schuldfrage öffentlich erörte rt oder es un te rn im m t, M itg lie d e r des Gerichts, V e rtre te r der Anklagebehörde, Zeugen oder Sach­ verständige einzuschüchtern, w ir d m it Gefängnis bestraft.« P rofessor D r . G ra f Gleispach (B e r lin ): Ic h möchte zunächst zu § 192 der B esorgnis Ausdruck geben, daß eine gewisse V e rw irru n g eintreten könnte, wenn es bei dieser Fassung der S chuldform bleibt. M a n kann grundsätzlich zwei Standpunkte einnehmen. M a n gibt

im Allgemeinen T e il Begriffsbestim m ungen der Schuld­ form en und verwendet diese dann im Besonderen T e il oder m an verzichtet au f Begriffsbestim m ungen, sieht in den Ergebnissen der Wissenschaft und der Recht­ sprechung der abgelaufenen Z e it eine genügende G ru n d ­ lage fü r die Entscheidung des Richters und sieht in einer gewissen F re ih e it des Richters einen V orzug. D a n n kann m an m it den Ausdrücken vorsätzlich, ab­ sichtlich, fahrlässig und leichtfertig auskommen. Aber so, w ie es jetzt ist, daß w ir auf der einen S eite im Allgemeinen T e il die Schuldform en bestimmen und gerade beim Vorsatz gewisse V a ria n te n : »absichtlich«, »w ider besseres Wissen« noch genau hervorheben und hier w iederum im Bereich der Fahrlässigkeit zunächst m it einem neuen B e g riff »leichtfertig« kommen, scheint es m ir nicht empfehlenswert. M a n müßte entweder von grob-fahrlässig sprechen, oder m an müßte »leicht­ fe rtig « auch noch rm Allgemeinen T e il definieren oder man mühte au f Begriffsbestim m ungen der S chuldfor­ men im Allgemeinen T e il überhaupt verzichten. Es ist m ir auch nicht ganz klar, ob es rich tig ist, wenn hier folgender Gegensatz gebildet w ir d : einm al, die T a t w ird begangen w ider besseres Wissen in einer bestimmten Absicht, und dann: die T a t w ir d nicht w ider besseres Wissen, aber vorsätzlich begangen. Ic h w ill d a ra u f n u r aufmerksam machen und nicht näher d a ra u f eingehen, um die Verhandlungen nicht au f­ zuhalten. D a n n möchte ich die Frage auswerfen: wie verhält sich der E n tw u rf zu der sogenannten sachlichen V e r­ dächtigung oder falschen Anschuldigung? E in Beispiel ist, daß sich ein D iebstahl ereignet ha t und der D ieb nun die gestohlene Sache rasch einem anderen in die Tasche steckt- es fo lg t eine allgemeine Untersuchung, und der Unschuldige g ilt na türlich als D ie b , w e il man bei ih m die gestohlene Sache gefunden hat. D a s ist ein F a ll, wie er sich v o r Jah ren a u f dem Baseler B a h n h o f ereignet h a t und überhaupt vielleicht nicht so selten ist. D ieser F a ll ist meines Erachtens m inde­ stens so s tra fw ü rd ig wie eine falsche Anschuldigung, er w ürde aber weder durch § 192 noch durch § 192 a erfaßt. V ielleicht könnte dieser Tatbestand durch den Ausdruck im Abs. 2 eine »Behauptung sonstiger A r t aufstellt« erfaßt werden. Z u § 193 Abs. 2 und ebenso zu 194 frage ich mich, w a ru m hier eine Sonderbestimmung getroffen w ird , nachdem ich d a rin eigentlich nichts anderes zu sehen verm ag als einen Versuch m it untauglichen M itte ln . Uber diesen F a ll haben w ir ja im Allgemeinen T e il eine Regel: faku lta tive S traflo sigkeit. Ic h glaube, es würde genügen, diese Bestimm ung h ier anzuwenden. Abs. 3 des 8 193 w ürde ich namentlich in vollster Übereinstim mung m it dem zweiten H e rrn B ericht­ erstatter streichen und auch der M e in u n g sein, daß § 32 b hier angewendet werden soll. Schließlich noch eine kleine Bemerkung zum § 195 a, zumal hier der zweite H e rr B erichterstatter von den lächelnden Professoren gesprochen hat. Ic h habe zw ar nicht gelächelt, ich d a rf aber doch sagen, daß ich fü r die schärfere Fassung w äre und der M e in u n g bin, daß auch der M a n n der Wissenschaft nicht v o r Abschluß des S tra fv e rfa h re n s es nö tig hat, irgendeine Rechtsftage aus einem anhängigen S tra fv e rfa h re n auch n u r in einer Weise zu e rörte rn, die geeignet sein könnte, die Entscheidung zu beeinflussen.

Reichsjustizmiuister D r. Gürtner: I n früheren Er. örterungen ist die Frage aufgetaucht, ob man die An­ griffe auf die Rechtspflege gesondert stellen oder etwa zusammennehmen soll Angriffe auf Rechtspflege und Verwaltung. Die Herren Berichterstatter haben dazu nicht Stellung genommen. W ir bekommen noch Delikte, die sich in diese zweite Gruppe hineinordnen lassen. W ir können es auch jetzt dahingestellt sein lassen. Die Überschrift »Schädigung der Rechtspflege« würde ich nicht empfehlen, sondern »Angriffe auf die Rechts­ pflege«. D as wollen wir auch einheitlich durchführen. Nun ist der Wunsch ausgesprochen worden, einen Tatbestand »Verhöhnung der Rechtspflege« zu bilden. Der Gedanke geht auf verschiedene Bemerkungen von mir zurück und entspringt folgendem Sentiment: W ir sind heute so außerordentlich rasch bei der Hand, das Verächtlichmachen von irgend etwas unter Strafe zu stellen. Aber es ist noch keinem eingefallen, die Rechts­ pflege als Objekt eines besonderen strafrechtlichen Schutzes zu nehmen, und ich meine, wenn auch die Rechtspflege und die Justiz in Zeiten eines Umsturzes zunächst einmal einen geringen Kurswert besitzen — das ist selbstverständlich — , so wird doch über kurz oder lang nach jeder Umwälzung sich die Überzeugung durch­ ringen, daß ohne Rechtsordnung kein Regime bestehen kann. Aus diesem Sentiment der Abwertung ist in mir schon lange der Gedanke wach geworden, ob man sich nicht gesetzgeberisch dazu bekennen sollte: du darfst die Rechtspflege auch nicht verhöhnen. Wie würden sich die Herren zu diesem Gedanken stellen? Professor D r. Ragler (Breslau): Die Engländer haben einen besonderen Tatbestand: eontempt of court, und sie machen davon einen sehr ergiebigen Gebrauch, so daß sie in der T at eine Unmenge von Attentaten, die bei uns ohne Straffolgen gegen die Rechtspflege ge­ richtet werden können, von vornherein unmöglich machen. Ich muß gestehen, daß ich die Engländer immer um diesen eontempt of court beneidet habe, da ich ja selbst aus der richterlichen P raxis hervorgegangen bin und deren Schutzbedürfnis kennengelernt habe. Ich würde es infolgedessen außerordentlich begrüßen, wenn w ir jetzt auch in die Lage kämen, unsere Rechtsprechung gegen ungebührliche Angriffe, die ja früher sehr häufig gewesen sind, zu sichern und die Autorität, welche doch vor allem der Richterspruch und die richterliche T ätig­ keit auch äußerlich haben muß, nach innen und nach außen gleichmäßig zu wahren. Insbesondere mancherlei üble Vorgänge in den Gerichtssälen, die mit der Würde des Gerichts nicht zu vereinbaren sind, könnten auf diese Weise strafrechtlich einaefangen und damit für die Zukunft unterbunden weroen. Professor D r. Kohlrausch (Berlin): Ich stimme dem zu/ auch dem § 195a. Ich halte es für unrichtig, in ein schwebendes Verfahren in agitatorisch-kritischer Weise einzugreifen. Ein Zweifel bleibt mir, ob diese Bestimmung auch gelten soll nach Rechtskraft des Ur­ teils. D arf man in der Öffentlichkeit für eine Wieder­ aufnahme des Verfahrens Stimmung machen? Hier würde ein Verbot zu weit gehen. I n der Frage, ob wir Absicht oder Geeignetheit verlangen sollen, stelle ich mich auf den strengeren Standpunkt von Herrn Landgerichtsdirektor Leimer, weil ich glaube, daß wir das, was wir wollen, nur auf diese Weise treffen können.

Die Bedenken, die Herr G raf Gleispqch gegenüber dem vierten Absatz des § 192 ausgesprochen hat, teile ich. Entweder definieren wir die Schuldformen im Allgemeinen Teil, dann müssen wir uns im Besonderen Teil auf diesen Katalog beschränken. Oder wir sehen von Begriffsbestimmungen ab — ich neige dazu, dies für den besseren Weg zu halten —, dann haben wir im Besonderen Teil freie Hand und können uns auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückziehen. Ich teile auch das Bedenken, daß die Gegenüberstellung von »wider besseres Wissen« und »vorsätzlich« logisch nicht ganz sauber ist. Eigentlich sehen wir doch im Vor­ satz eine A rt Oberbegriff, der in drei engere Begriffe — Wissentlichkeit, Absicht und Vorsätzlichkeit — zerfällt, wobei für Vorsätzlichkeit noch direkter und eventueller Vorsah in Betracht kommt. Ich gebe zu, daß wir etwas schwierig daran sind, weil wir einen der Unterbegriffe so benennen wie den Oberbegriff: Vorsatz. Wer das unbefangen als Nichtjurist oder Nichtkriminalist liest, stolpert hier. Vielleicht findet die Unterkommission einen Weg, das etwas allgemeiner verständlich auszu­ drücken. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): Ich möchte auch anheimgeben, den § 192 anders aufzubauen, als es hier geschehen ist. Der jetzige Aufbau, der die falsche Anschuldigung »wider besseres Wissen« voran­ stellt und Vorsatz und Fahrlässigkeit nachfolgen läßt, ist historisch zu erklären. Ich glaube, es würde logisch richtiger sein, in dem ersten Absatz zu sagen: »wer vor­ sätzlich oder grobfahrlässig« falsch anschuldigt, unter Vorbehalt einer Definition der groben Fahrlässigkeit im allgemeinen Teil, und dann den qualifizierten Fall der Anschuldigung wider besseres Wissen folgen zu lassen. D ann würde übrigens auch die wenig schöne Kasuistik der Strafdrohung zu vermeiden sein. Ich würde den Grundtatbestand mit Gefängnis bestrafen und bei der Anschuldigung »wider besseres« ein Minimum von nicht unter einem M onat vorsehen. Der Fall des Abs. 3 brauchte nicht besonders hervorgehoben zu werden. Ich möchte weiter dem Vorschlag des Herrn Grafen Gleispach beitreten, in irgendeiner Form auch die still­ schweigende Verdächtigung eines anderen unter Strafe zu stellen. Es ist tatsächlich in der P raxis gar nicht so selten, daß jemand einen andern dadurch falsch anschul­ digt, daß er ein falsches Beweismittel benutzt, daß er ihm etwas zusteckt und den Verdacht dadurch von sich auf den andern ablenkt. Ich glaube auch nicht, daß das durch die jetzige Fassung bereits gedeckt wäre. Frei­ lich wollen w ir Analogie zulassen, und da würde der Richter diesen Fall wohl auch unter den Tatbestand der falschen Anschuldigung bringen. Vielleicht könnte auch § 193 hier helfen, das Gebrauchmachen von einem »falschen« Beweismittel im Sinne des Herrn Direktor Leimer. D as Beweismittel w ird 'an eine falsche Stelle gelegt und damit verfälscht. Wenn man aber hiergegen Bedenken hat, würde ich vorschlagen, die stillschweigende Verdächtigung durch konkludente Handlung besonders als strafbar zu erwähnen. Ferner glaube ich, daß die Überschrift des 192a »Vortäuschung einer strafbaren Handlung« nicht ganz richtig ist. Denn die Vortäuschung einer strafbaren Handlung ist der Oberbegriff sowohl für § 192 als für § 192 a. Ich täusche eine strafbare Handlung auch bann

vo r, wenn ich einen anderen w id e r besseres Wissen be­ zichtige. E in U n te rfa ll ist die wissentlich falsche A n­ schuldigung, ein w eiterer U n te rfa ll ist § 192 a. E r begreift einm al den F a ll in sich, daß m an sich selber falsch beschuldigt, und zweitens den F a ll, daß m an eine strafbare H andlung behauptet, ohne einen bestimmten D r itte n zu verdächtigen. M a n spiegelt z. B . einen Einbruch v o r. Es fra g t sich, ob nicht der sehr wichtige F a ll, daß jemand sich selbst falsch beschuldigt, ausdrück­ lich im § 192 a hervorzuheben w äre. Ic h w ürde das fürreinlicher und deutlicher halten. Ferner möchte ich eine A nregung des H e rrn D ire k to r Leim er unterstützen, nämlich die V erhöhnung der Rechtspflege alS strafbaren Tatbestand aufzunehmen, die ja systematisch ganz eng m it § 195 a zusammenhängt. D enn es ist auch eine Verhöhnung der Rechtspflege, wenn m an während eines schwebenden Gerichtsverfah­ rens die Schuldfrage e rö rte rt. D a s ist eine Anmaßung, die zurückgewiesen werden muß. D a ru m bin ich auch fü r die schärfere Fassung, die schon die E ignun g genü­ gen lä ß t. A lle rd in g s glaube ich nicht, daß, w ie H err D ire k to r Leimer meinte, die E rö rte ru n g einer S tre it­ frage durch einen Gelehrten keine E rö rte ru n g der Schuldfrage ist. Ic h erinnere mich an einen F a ll, der v o r etwa zwei Jahrzehnten in Schlesien gespielt hat. Angeklagt w aren zwei M ä n n e r wegen gemeinschaftlichen M o rd e s, davon der eine knapp über 18 J a h re a lt. Z u ­ gunsten des letzteren w urde in der Presse eine ju r i­ stische Kampagne darüber eröffnet, ob er nicht bloß wegen B e ih ilfe zum M o rd e strafbar sei. Diese Aus­ einandersetzungen, bei denen auch Rechtsgelehrte zu W o rte kamen, fand w ährend Schwebens des S tra fv e r­ fahrens statt. Ic h möchte es auch der Gelehrtenwelt verschränken, derartige Fragen w ährend eines schweben­ den V erfahrens zu erörte rn. Ic h möchte aber noch a u f eins hinweisen, wodurch der Respekt v o r der Rechtspflege außerordentlich unterraben werden kann und untergraben w ird . D a s ist ie B ild u n g von p riv a te n Gerichtshöfen oder U nter­ suchungsausschüssen, deren Verhandlungen einem ge­ richtlichen ordentlichen V erfa hre n p a ra lle l gehen. W ir haben ja im Falle Lubbe einen solchen Untersuchungs­ ausschuß in London erlebt. D a s scheint m ir eine ganz evidente Verhöhnung der Rechtspflege zu sein und vor allen D in g e n die G efahr m it sich zu bringen, daß die Rechtsbegriffe und das Rechtsbewußtsein des Volkes v e r w ir r t werden, und muß unterbunden werden. M a n kann die T a t nicht u n te r den B e g riff der A m ts­ anm aßung bringen. D enn die Leute maßen sich ja nicht an, h ie r ein G erichtsurteil in gewöhnlichem S in n e m it S tra s fo lg e n usw. zu fällen — das können sie auch gar nicht — , sondern sie w ollen n u r die öffentliche M einung beeinflussen und vielleicht auch in direkt die M einung der ordentlichen Gerichte in eine R ichtung bringen, die ihnen paßt, eine R ichtung, wie sie z. B . im Lubbeprozeß in dem verhängnisvollen B raunbuch vorgezeichnet war. Ic h glaube, es würde sich empfehlen, diesen Tatbestand bei der V erhöhnung der Rechtspflege, vielleicht auch im Anschluß an § 195 a als U n te rfa ll der E in w irk u n g auf das Gericht, vielleicht aber auch ganz unabhängig zu regeln. Z u § 193 möchte ich lediglich vorschlagen, den Abs. 3 zu streichen/ hie r genügen die allgemeinen Be­ stimmungen über den R ü c k tritt. Ob Abs. 2 bleiben soll? H ie r liegt in der T a t der F a ll des untauglichen

Versuchs v o r, fü r den w i r doch grundsätzlich keine S tra flo sig ke it wollen. W i r haben S tra flo sig ke it n u r fü r den F a ll des absolut untauglichen, m it den N a tu r­ gesetzen im W iderspruch stehenden Versuchs vorgesehen. Gerade w e il w ir die S tra flo sig ke it des gewöhnlichen untauglichen Versuchs, des Versuchs am untauglichen Objekt nicht vorgeschlagen haben, könnte man vielleicht den Abs. 2 aufrechterhalten. Ic h möchte ferner anregen, eine besondere B estim ­ mung gegen die Zeugen- und Sachverständigenbestechung zu schaffen, und zw ar aus folgendem G ru n d : D ie B e ­ eidigung der Zeugen und Sachverständigen ist seit dem V o rja h r erheblich eingeschränkt. M a n kann also heute nicht mehr sicher m it dem Unternehmen der V e rle i­ tung zum M eineid operieren/ w ohl aber besteht nach wie v o r das B e d ü rfn is des Schutzes der Rechtspflege, und aus diesem B e d ü rfn is heraus sollte man die B e ­ einflussung von Zeugen und Sachverständigen unter S tra fe stellen. Ic h schließe mich hier an den A rtik e l 377 des italienischen Strafgesetzbuchs an, der auf die E in ­ w irkun g au f Zeugen und Sachverständige abstellt. W e r einem Zeugen oder Sachverständigen oder Dolmetscher Geld anbietet oder verspricht, um ihn zu einer falschen Aussage zu bestimmen, w ir d bestraft. D a s ist ein P a r ­ a lle lfa ll zur Richterbestechung. Vizepräsident Grau: Ic h w ollte n u r noch zur E r ­ gänzung des § 192 a einiges bemerken. § 192 a enthält in der jetzigen Fassung die Fälle, daß jemand eine nicht­ begangene strafbare H and lung vortäuscht und ferner den F a ll der falschen Selbstbezichtigung. Diese Fälle sind jedem P ra k tik e r geläufig. W e it w ichtiger sind aber meines Erachtens Fälle w ie der folgende, oer vom Tatbestand des § 192 a bisher nicht erfaßt w ir d : Es bezichtigt sich jemand einer ta t­ sächlich von einem anderen begangenen strafbaren H and­ lung. Solche Fälle sind g a r nicht selten. D e r Zweck einer solchm H andlung lie g t auf der H and / sie geschieht, um dem w irklichen T ä te r die M öglichkeit zur Flucht zu geben oder um den Verdacht von einer vom T ä te r ta t­ sächlich begangenen anderen H andlung abzulenken. Nach § 192 a bezieht sich die Täuschung offenbar n u r auf die Begehung/ es w ir d eine strafbare H andlung v o r­ getäuscht, die nicht begangen worden ist. Es ist aber auch eie Vortäuschung der Täterschaft einer begangenen strafbaren H andlung in gleicher Weise s tra fw ü rd ig . M a n kann den Tatbestand vielleicht dahin einschränken, daß eine solche Selbstbezichtigung n u r dann stra fbar sein soll, wenn sie in der Absicht begangen ist, die V e r­ folgung einer eigenen anderern S t r a f t a t zu verhindern oder die V e rfo lg u n g des wirklichen T ä te rs zu er­ schweren. Reichsjustizminister D r . Gürtner: F ü r den F a ll, daß der D r itte die T a t begangen ha t, wäre w o h l B egünsti­ gung anzunehmen. Aber es g ib t zweifellos noch andere Fälle, die nicht unter die Begünstigung fallen. Vizepräsident Grau: Mindestens der F a ll müßte aber getroffen werden, in dem jemand eine nicht begangene strafbare H and lung vortäuscht, u m den Verdacht von einer anderen von ih m begangenen T a t abzulenken. Reichsjustizminister D r . Gürtner: Ic h schlage v o r, die B e ra tu n g nunm ehr abzubrechen. — (Schluß der S itzung 18 U h r 38 M in u te n .) Reichsdruckerei, Berlin.

Strafrechtskommifskon

— die nähere Formulierung könnte die Unterkommission vornehmen — lautet: Wer öffentlich böswillig die Rechtspflege verhöhnt, wird mit Gefängnis bestraft. Professor D r. Mezger (München): D a s W ort »öffentlich« wird notwendig sein. Aber brauchen wir dann auch noch das W ort »böswillig«? Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg): Ich hatte »öffentlich« vorgeschlagen/ ich denke, daß m an auf das W ort »böswillig« verzichten kann, wenn man von »ver­ höhnt« spricht.

39. Sitzung 7. Juni 1934 Inhalt Schädigung der Rechtspflege (Schluß der Aussprache) Ministerialdirektor Schäfer

Seit«

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

9.

11. 12 Professor D r. Mezger (München)

1. 2. 3. 5. 6. 7.

9.

11 . 12 Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg). . . . 1. 8. 9. 12 Professor D r. Graf Gleifpach ( B e r lin ) ..................3. 12 Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin) 3. 4. 6.

9

Professor D r. Nagler (B re sla u ).......................... 4. 8. 10 Vizepräsident Grau

................................................. 4. 5.

Professor D r. Dahm (K ie l)................................. Ministerialrat D r. S c h ä fe r ...........

7

6. 8.

9

7. 8. 9. 10. 11. 12

Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig).......................

10

Förderung strafbarer Handlungen Ministerialdirektor Schäfer 12. 13. 14. 16. 17. 18. 19. 20. 2 1 . 2 2 . 23 Berichterstatter Professor D r. Mezger (München) 12. 14. 18. 2 0 . 2 2 Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg) 12 Professor D r. D ahm ( K ie l) ............................

13. 18. 21

Professor D r. Graf Gleifpach (Berlin) 13. 17. 2 0 . 2 1 . 2 2 Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin) 14. 17. 18.

20 . 21 Vizepräsident G rau..............................................

14. 19. 2 2

Professor D r. Kohlrausch (B e r lin )................ 17. 19. 21 Professor D r. N agler ( B r e s l a u ) .......... 17. 18. 2 0 . 21 Ministerialrat D r. S c h ä fe r .................................................

19

Beginn der Sitzung: 9 Uhr 10 Minuten. Ministerialdirektor Schäfer: Meine Herren! D er Herr Reichsjustizminister ist leider durch eine P arallel­ sitzung verhindert, schon jetzt zu kommen. E r hofft aber, im Laufe des V orm ittags noch kommen zu können, und hat mich beauftragt, in seiner Vertretung den Vorsitz zu führen. W ir standen beim 12. Abschnitt: Schädigung der Rechtspflege. Der Abschnitt ist schon im allgemeinen durchgesprochen worden. Ich möchte Ihnen vorschlagen, daß w ir ihn uns jetzt P a ra g ra p h für P a ra g ra p h vornehmen. D a s erste wäre die Frage der Überschrift, der Anordnung und vielleicht des neuen Tatbestandes der Verhöhnung, Wenn ich recht verstanden habe, besteht bezüglich der Überschrift wohl schon Einmüttgkeit dahin, daß wir den Abschnitt überschreiben wollen: Angriffe auf die Rechtspflege. Weiter schien m ir schon Einverständnis darüber zu bestehen und es auch der Ansicht des Herrn M inisters zu entsprechen, daß an die Svitze ein all­ gemeiner Tatbestand gestellt werdm soll, oer ungefähr 89.

Ministerialdirektor Schäfer: D ann würde die Faffung also etwa lauten: W er öffentlich die Rechts­ pflege verhöhnt. Ich bitte die Unterkommission, nach­ zuprüfen, wieweit diese Vorschrift zu ähnlichen V or­ schriften paßt, die w ir an anderer Stelle haben. D ann käme die Frage der Anordnung und des Auf­ baues des ganzen Abschnitts. Herr Kollege Leimer, darf ich Sie bitten, uns Ih ren Vorschlag noch einmal mitzuteilen. Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg): Ich wollte diese Vorschrift über Verhöhnung der Rechtspflege vor­ anstellen, dann den § 195a bringen, dann die Ein­ wirkung, die Fälschungsdelikte, den P arteiverrat und am Schluß falsche Beschuldigung und falsche V or­ täuschung. Professor D r. Mezger (München): Ich habe keine Bedenken gegen diese Umstellung. Ministerialdirektor Schäfer: Gehört der P a rtei­ verrat nicht richtiger an den Schluß? (Professor D r. Mezger: Ja .) Denn schließlich läuft doch der In h a lt von § 192/193 auch auf eine Irreführung des Gerichts von privater Seite hinaus. Also § 195 an den Schluß! D am it wäre diese Vorfrage erledigt. Ich möchtt vorschlagen, jetzt § 192 und § 192a zusammenzufassen. D a scheinen m ir nach der gestrigen Diskussion folgende Fragen der Entscheidung zu bedürfen. Zunächst die Überschrift! Es ist vorgeschlagen wor­ den: Falsche Beschuldigung. Ich glaube, es ist von keiner Seite ein Widerspruch erfolgt. Die zweite Frage ist der Aufbau dieses P a ra g ra ­ phen, was wiederum zusammenhängt m it der Fraae der Worte »vorsätzlich oder leichtferttg«. D a s wurde ja als unschön empfunden in der Zusammenstellung m it: »nicht wider besseres Wissen«. Es w ar der V or­ schlag gemacht worden, eine andere Faffung dadurch zu finden, daß man den ganzen Paragraphen umbaut, in­ dem man vielleicht m it dem Fall des Absatz 4, mit der Schuldform »vorsätzlich oder leichtfertig« anfängt, was vielleicht auch dem Leben näherkommt, und dann den Fall des Handelns wider besseres Wissen qls einen Oualifikationsfall ausgestaltet und m it dem Absatz 3 — wenn ich es recht verstanden habe — vereinigt. D as w ar wohl die Anregung von Herrn Senatspräsidenten D r. Klee. (Ä natspräfldent D r. Klee: Den Absatz 3 würde ich vorschlagen, zu streichen!) — Zu streichen oder hier das Handeln wider besseres Wissen einzubauen. D a s ist eine Frage, die die Unter­ kommission erwägen könnte. F ü r uns wäre hier die Frage zu entscheiden: wollen wir an dem W ort »leichtfertig« festhalten, oder wollen w ir statt dessen das W ort »grob fahrlässig« wählen/ ferner: wollen

w ir , wenn w ir an dem W o rt »leichtfertig« festhalten, dann vo rn im Allgemeinen T e il bei den Schuldformen oder beim Sprachgebrauch etwas darüber sagen, daß w ir »leichtfertig« verstehen im S in n e von »grob fah r­ lässig«? Professor D r . Mezger (München): Ic h glaube, daß es im Augenblick zweckmäßiger ist, den Ausdruck »grob fahrlässig« zu wählen, w eil im Allgemeinen T e il das W o r t »fahrlässig« definiert rst und eine besondere D e fin itio n des Ausdrucks »grob fahrlässig« nicht nötig w äre. A ber es w ird nach E rledigung des Besonderen T e ils nochmals die Frage der allgemeinen Festlegung der Fahrlässigkeit zu prüfen sein. V ielleicht w ird eine D e fin itio n der Fahrlässigkeit im Allgemeinen T e il auf­ zunehmen sein, die das W o rt »leichtfertig« so definiert, daß d a m it die grobe Fahrlässigkeit getroffen ist. Ich mochte glauben, daß das W o rt »leichtfertig« volks­ tüm licher und plastischer ist als das doktrinäre W o rt »grob fahrlässig«. Ic h wäre überhaupt der Auffassung, daß nach der D urchberatung des Besonderen T e ils eine nochmalige P rü fu n g der Fahrlässigkeitsdelikte in extenso not­ wendig ist/ denn ich habe im m er mehr den Eindruck, daß der Fahrläsflgkeitsbegriff und der U m fa ng der Fahrlässigkeit im S tra fre c h t zu sehr von der zivilistischen Seite her o rie n tie rt ist. Es ist sehr w ohl denk­ b a r, daß die Fahrlässigkeitsfälle bei den einzelnen D eliktsgruppen sehr verschiedenartig liegen und daß dem zivilistischen Fahrlässigkeitsbegriff, der vielleicht auf T ö tu n g und Körperverletzung paßt, an anderer Stelle ganz andere strafrechtliche Einschränkungen anzufügen sind. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Z u r K larstellung darf ich fragen: W ir d von irgendeiner S eite auch die Berück­ sichtigung der leichten Fahrlässigkeit hier befürwortet? — D a s ist nicht der F a ll. D a n n sind w i r uns sachlich einig. H e rr Professor Mezger, wären S ie auch da m it ein­ verstanden, daß w ir das W o r t »leichtfertig« zunächst stehen lassen und in einer Anm erkung sagen: es bleibt vorbehalten, dieses W o r t entweder durch »grob fa h r­ lässig« zu ersetzen oder es zu definieren? (Zustim m ung.) — D a n n ist auch dieser P u n k t erledigt, und w ir können die sich da ran anknüpfenden Fragen des Aufbaues dieses P ara grap hen der Unterkommission überweisen. (Professor D r . Mezger: Ic h bin grundsätzlich m it dem Vorschlag der Umstellung einverstanden.) D a n n w ird diese Frage der Unterkomm ission überlassen bleiben können. Es bleiben uns jetzt zu § 192 und § 192 a noch zwei Fragen. D ie eine Frage wäre die des W egfa lls des Abs. 5 von § 192. Dagegen ist eigentlich le in W id e r­ spruch erfolgt. (Z u ru f: U nd Abs. 3 !) — D a s ist eine Frage der Q u a lifik a tio n , die die U nter­ kommission prüfen soll. N u n bleibt uns noch ein Komplex von Fragen, der die E rw eiterung des Tatbestandes auf andere Fälle b e trifft. Professor D r . Mezger (München): Ic h glaube, die Frage des W egfa lls des Abs. 3 ist eine sachliche Frage, die nicht von oer Unterkommission entschieden werden

kann. Ich würde der Auffassung sein, man sollte schon den S tra fra h m e n so gestalten, daß die qualifizierten Fälle sachgemäß behandelt werden können, und w äre im übrigen m it der S treichung des Abs. 3 sachlich ein­ verstanden. B e i Abs. 5 halte ich die S treichung fü r geboten, denn das ist kein besonderer F a ll gegenüber der allgemeinen Zulassung der öffentlichen Bekanntmachung. M e in Vorschlag ginge dahin, es möge beschlossen werden, die Abs. 3 und 5 zu streichen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Erhebt sich gegen diesen Vorschlag ein Widerspruch? — D a n n ist das ge billig t. N u n bleibt der Kom plex: E rw e ite ru n g des T a t­ bestandes der §§ 192 und 192 a. W enn ich die Debatte ric h tig verfolgt habe, w ir d eine E rw eiterung nach vie r verschiedenen Richtungen angeregt. Diese Anregungen betreffen alle mehr den § 192 a als den § 192. Bezüg­ lich des § 192 ist angeregt worden, die sachliche V e r­ dächtigung besonders aufzuführen, also den F a ll, wo jemand dem anderen die gestohlene U h r in die Tasche steckt und ihn dadurch in den Verdacht b rin g t, den Diebstahl begangen zu haben. D ie zweite E rw eiterung b e trifft mehr den § 192 a, nämlich die ausdrückliche Einbeziehung der Selbstbezich­ tigu ng oder, wie es H e rr Kollege G ra u genannt hat, der Vortäuschung der eigenen Täterschaft. D ie d ritte E rw eiterung wäre die, die H e rr S ena ts­ präsident Klee vorgeschlagen hat, die B ild u n g von Untersuchungsausschüssen. (Senatspräsident Professor D r . Klee: D a s sollte aber nicht hierher, sondern an eine spätere S telle.) Diese Anregung hat, glaube ich, gestern keinen A nklang gefunden. Auch der H e rr M in is te r hat sich w o h l dagegen ausgesprochen. Ic h d a rf sie vielleicht als erledigt be­ trachten. (Senatspräsident Professor D r . Klee: Ic h halte sie nicht fü r erledigt. Ic h kann auch nicht finden, daß der H e rr M in is te r das abgelehnt hätte. E r h a t uns n u r die Konsequenz eines besonderen Falles v o r Augen geführt.) — G u t. A ber da S ie das erst an einer späteren S telle haben wollen, können w ir es zunächst ausscheiden. D e r vierte Erweiterungstatbestand wäre der der Zeugen- und Sachverständigenbestechung. Ic h d a rf zu diesen vorgeschlagenen Erw eiterungen vielleicht ein paar W o rte sagen. Ganz allgemein möchte ich m ir die Bemerkung erlauben: ich habe den E in ­ druck, daß w ir geneigt sind, im m er neue strafrechtliche Tatbestände zu schaffen, und ich weiß nicht, ob das ein G ew inn fü r das Strafgesetzbuch ist. Es g ib t sicherlich hier und da im m er noch strafw ürdige Fälle, bezüglich deren vielleicht eine Lücke bestehen könnte. W ir sollten aber bedenken, daß w ir kün ftig die A nalogie haben, die doch gerade das Bestehen von Lücken in weniger wich­ tigen Fällen nicht mehr so bedenklich erscheinen läßt. M a n sollte, glaube ich, im allgemeinen bei der A u f­ stellung neuer Tatbestände etwas zurückhaltend sein, denn sonst t r i t t der Nachteil der K om p lizie rung ein: das Strafgesetzbuch w ir d im m e r weniger übersichtlich, weniger volkstüm lich und auch weniger handlich, und der B lick w ir d zu stark vom Wesentlichen abgelenkt. D a s ist im m er die Kehrseite der Schaffung neuer T a t­ bestände. Gerade bei diesem Abschnitt sino w ir bei dem, w as w ir schon gutgeheißen haben, zum großen T e il

neue M a e gegangen und haben neue Tatbestände ge­ schaffen, oie das geltende Recht und zum Teil auch die Entwürfe gar nicht gekannt haben. Deshalb sollten wir uns gerade bei diesen Anregungen besonders sorgfältig die Frage vorlegm, ob solche Ergänzungen wirklich nötig sind, ob die Fälle nicht schon unter andere Tatbestände fallen oder kraft Analogie darunter gebracht werden können. W ir sollten uns auch die Frage vorlegen, ob nicht aus der Schaffung solcher Tatbestände wieder Komplikationen und Schwierigkeiten im Hinblick auf andere Tatbestände entstehen. W as zunächst die sachliche Verdächtigung betrifft, also den Fall, den Herr Graf Gleispach gestern gebildet hatte, daß die gestohlene Uhr oder das gestohlene Arm­ band einem anderen in die Tasche gesteckt wird, so wäre doch die Frage die, ob nicht die Mehrzahl der Fälle schon von § 193 Abs. 1 Halbsatz 2 erfaßt wird. (Senatspräsident Professor D r. Klee: Es fallen alle diese Fälle darunter!) — Und wenn nicht, dann hilft sicher die Analogie. Der zweite Tatbestand, den insbesondere Herr Kollege Grau und auch die preußische Denkschrift erwähnt haben, ist die Selbstbezichtigung oder die Vortäuschung der eigenen Täterschaft. I n der preußischen Denkschrift ist noch hinzugefügt: »um dadurch Vorteile irgend­ welcher Art sich zu verschaffen oder um die Verfolgung einer eigenen S tra ftat oder die eines D ritten zu ver­ eiteln oder zu erschweren«. Die Frage ist, inwieweit dieser Tatbestand wenigstens zum großen Teil schon von § 192 a erfaßt wird. Bei den Verhandlungen des früherm Strafrechtsausschusses ist von dem Regierungs­ vertreter immer die Ansicht vertreten worden, die Selbst­ bezichtigung sei ein Fall der Vortäuschung der Begehung einer strafbarm Handlung. Ich gebe zu, daß das nicht unbedingt so ausgelegt zu werden braucht, aber es k a n n doch so ausgelegt werden. Immerhin erhebt sich die Frage, ob wir hinzufügen sollen: »oder sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigt«. (Vizepräsident G rau: »oder ihre eigene Täter­ schaft vortäuscht!«) Nur hat das natürlich auch Komplikationen zur Folge. Ich möchte einmal zwei Fälle unterscheiden. W ird die eigene Täterschaft vorgetäuscht, um damit den Verdacht von einem anderen abzulenken — das wird praktisch der Hauptfall sein —, dann liegt Begünstigung vor, und Begünstigung ist ein wesmtlich schwerer strafbares Delikt. Liegt aber der Fall vor, daß man damit eine eigene T at verdeckm will —, (Senatspräsident Professor D r. Klee: ein Alibi sich schaffen will!) dann weiß ich doch nicht, ob wir nicht zu weit gehen, wenn wir diese A rt der Verteidigung mit krimineller S trafe bedrohen. Denn schließlich ist das dann doch nur ein Fall der falschen, der lügnerischen Verteidigung, die wir doch nicht kriminell unter Strafe stellen wollen. Vielleicht beschränken w ir unS einmal auf diese Fälle, um uns nicht in der Debatte zu verlieren, und stellen die beiden anderen Fälle der Erweiterung des Tatbestandes, die Bildung von Untersuchungsausschüssen und die Zeugenbezichtigung, zurück. Vielleicht trennen wir auch noch zunächst den Fall der sachlichen Verdächtigung, das In-die-Tasche-Stecken der Uhr ab, und sprechen von dem anderen Fall.

Professor D r. Graf Gleispach (Berlin): Ich möchte vorausschicken, daß ich auf eine besondere Hervorhebung des von mir gestern vorgeführten Sachverhalts in dem Entwurf kein Gewicht lege. Ich meine auch, daß man mindestens durch die Anwendung des Ahnlichkeitsschlusses diesen Fall erfassen kann. Aber ich möchte nur ein paar Worte zu den mehr grundsätzlichen Ausfüh­ rungen sagen, die Herr Ministerialdirektor Schäfer ge­ rade vorgebracht hat, daß wir zu sehr auf bie Bahn geraten seien, immer neue Tatbestände zu schaffen. Man muß da zwei Gruppen von Fällen unterscheiden. Ich habe mir dieselbe Frage vorgelegt, als wir wiederum einmal einen neuen Tatbestand des Anreizens zum Widerstand geschaffen haben. Die Tatbestände, die hier in großer Zahl von uns aufgestellt worden sind, bilden eine eigene Gruppe. D a handelt es sich mehr um eine Demonstration, wenn ich so sagen darf. Es kommt uns darauf an, zu zeigen, daß wir dieses Rechtsgut beson­ ders schützen wollen. D ann hat die Spezialisierung wohl ihren guten Sinn, zumal in meinen Augen dieser Entwurf doch etwas stark Bekenntnismäßiges haben soll. D as liegt wohl in der Zeit. Anders ist es bei einer zweiten Gruppe von Fällen, zu denen ich auch § 192 und 192 a rechnen möchte. Der Weg, der jetzt als bedenklich bezeichnet wurde, ist hier vom Entwurf durch den ganzen Aufbau des § 192, durch die Hinzufügung des § 192 a beschritten worden. D as ist doch schon a n .sich eine ungeheure, eingehende Spezialisierung, und diese verleitet oder bestimmt dann dazu, immer noch einen Sonderfall hinzuzufügen, Ich glaube, daß man diesen ganzen § 192, der hier eine Seite füllt, eigentlich sehr kurz erledigen könnte. Es werden da auch verschiedene Schuldformen mit dem Effekt unterschieden, daß ein Unterschied von Gefängnis nicht unter einem M onat und Gefängnis ohne diese Untergrenze aufgestellt wird. Wenn ich bei mefem, so­ weit ich sehen kann, nach keiner Richtung besonders be­ deutsamen Tatbestand so viele Unterscheidungen vor­ finde, so frage ich mich, ob das wirklich notwendig ist, ob man das nicht ruhig dem Richter überlaffen könnte. Es ist ein vorläufiger Versuch, der nur als eine An­ regung an die Unterkommission gewertet werden soll, wenn ich sage: »Wer den falschen Anschein bei einet Behörde erzeugt, daß eine strafbare Handlung begangen wurde, oder daß. sie von jemandem begangen wurde, der sie tatsächlich nicht begangen hat.« Ich glaube, daß man § 192 und 192 a, zumal mit Rücksicht auf die Analogie, mit diesem einen Satz erledigen könnte. Ministerialdirektor Schäfer: Vielleicht dürftn wir diese Anregung an die Unterkommisston geben. Ich möchte meinen, daß noch einmal eine starke Verein­ fachung der beiden Paragraphen, womöglich Zu­ sammenfassung, erwogen werden sollte. Ich verstehe aber recht, Herr G raf Gleispach legt keinen W ert mehr auf die spezielle Heraushebung der sogenannten SachVerdächtigung. Professor D r. Mezger (München): Ich bin durchaus damit einverstanden, daß die sachliche Verdächtigung einbezoaen wird. Ich würde bitten, die Unterkommission anzuweisen, die Fassung entsprechend zu wählen. Senatspräsident Professor D r. Klee (Berlin): M ir ist es doch zweifelhaft geworden, ob der Fall der sach­ lichen falschen Verdächtigung unter § 193 fällt. Hier l*

ist von dem Gebrauchmachen eines falschen Bew eis­ m itte ls in einem Rechtsverfahren vor einer Behörde die Rede. D a s ist ein ordentliches V erfa hre n wie Z iv il- oder S trafprozeß. W enn das Gebrauchmachen der P o liz e i gegenüber im D o re rm ittlu n g s v e rfa h re n ge­ schieht, dann d ü rfte es von der Fassung des § 193 nicht getroffen sein. D a s ist gerade der H a u p tfa ll in der P r a x is , daß die P o liz e i von vornherein auf eine falsche S p u r gelenkt werden soll, wenn Sachen durch­ sucht werden usw. Ic h lege wenigstens »in einem Rechtsverfahren v o r einer Behörde« so aus, daß es ein durch eine P rozeßordnung geordnetes V erfahren v o r der Prozeßbehörde ist. D a n n aber würde ein B e d ü rfn is bestehen, den F a ll besonders hervorzuheben. Es bliebe allerdings noch die A nalogie. Aber ich möchte doch grundsätzlich zur A nalog ie sagen: W enn w ir imstande sind, einen Tatbestand zu form ulieren, ha t es auch seinen W e rt, das zu tu n / denn die S t r a f ­ verfolgungsbehörden und das P u b lik u m werden auf so gelagerte Fälle ausdrücklich aufmerksam gemacht, wenn sie als Tatbestand im Gesetz erscheinen. Es ist doch im m e rh in bei der analogen Anwendung mehr oder m inder dem Z u fa ll überlassen, ob die S t r a f ­ verfolgungsbehörde oder das Gericht auf die Idee kommt, h ie r den Gedanken eines anderen Strafgesetzes als e r fü llt anzusehen. D ie A nalog ie ist fü r mich eben n u r die A u s fü llu n g von solchen Lücken, an die w ir selber nicht gedacht haben und nicht denken konnten, fü r Fälle, die sich in einer Weise abspielen, daß sie fü r den Gesetzgeber unmöglich vorauszusehen waren. Wenn w ir aber typische Fälle haben, und hier handelt es sich meines Erachtens um einen typischen F a ll der V e r­ dächtigung, dann sollten w ir doch anstelle der V e r­ weisung au f A nalogie die ausdrückliche F o rm u lie run g eines Tatbestandes vorziehen. Ic h möchte also anregen, der Unterkommission den A u ftr a g zu geben, den F a ll der sachlichen Verdächtigung ausdrücklich m it aufzu­ führen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: I n Ih r e n A usfüh­ rungen, H e rr S enatspräsident, h a t eine große R olle die Frage gespielt, was unter einem Rechtsverfahren vo r einer Behörde zu verstehen ist. D a möchte ich allerdings glauben, daß das polizeiliche E rm ittlu n g s ­ verfahren von uns auch als Rechtsverfahren v o r einer Behörde anerkannt werden muß. W enn ich an die P ra x is denke, so ist es doch re in er Z u fa ll, w as der S ta a ts a n w a lt selbst erledigt und in w iew eit er das V erfa hre n v o r der P o liz e i sich abspielen läßt. W ir sind im m e r davon ausgegangen, daß das polizeiliche E rm itte lu n g sve rfa h re n auch ein Rechtsverfahren v o r einer Behörde ist. Sonst geben w i r dem P aragraphen ein v ie l zu kleines Anwendungsgebiet. S enatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Wenn die P o liz e i als negotiorum gestor der S ta a ts a n w a lt­ schaft a u f t r it t — (M in is te ria ld ire k to r Schäfer:

ist sie doch stets!)

— ja , oder als M a n d a ta r — , so könnte sie es von sich aus machen. Nehmen w ir folgenden F a ll: Einem E igentüm er ist eine Sache gestohlen, er w ill eine P e r­ son, etwa einen Angestellten, falsch verdächtigen, um ihn hinausw erfen zu können und steckt nun eine Sache in den K o ffe r des Betreffenden. D a n n telephoniert er an die P o liz e i, es w äre ih m etwas offenbar durch

D iebstahl weggekommen, sie möchte doch kommen und eine Durchsuchung vornehmen. I s t das schon ein Rechtsverfahren v o r einer Behörde, wenn die P olizei nun einen Kriminalschutzm ann schickt, der eine D urch­ suchung vo rn im m t? M in is te ria ld ire k to r Schäfer: J a w o h l! Es wäre m ir w e rtvo ll, und es wäre fü r die Auslegung w ichtig, wenn w ir feststellen, daß w ir davon ausgegangen sind, daß w ir unter Rechtsverfahren v o r einer Behörde auch das polizeiliche E rm itte lungsve rfah ren verstehen wollen. Professor D r . Nagler (B re s la u ): D a s einzige B e­ denken w äre n u r, daß vielleicht der B e g riff der »Be­ hörde« nicht gegeben ist. D e r Schupo allein, der ein­ zelne Polizeibeamte ist noch nicht Behörde. Aber wenn man sich an die P o lize i als solche gewendet hatte und von dieser ein B eam ter abgeschickt w ird , ist das V e r­ fahren bei der Behörde schon anhängig. Es w ird andererseits auch anhängig in dem Augenblick, wo der Polizeibeamte seiner vorgesetzten S telle dienstlich M i t ­ teilung über das Geschehene macht. Also entweder ist die Behörde als solche ersucht w orden und hat den Beamten abgeschickt, dann ist das V erfa hre n von A n ­ fang an v o r der Behörde anhängig, oder der P o lü e ibeamte w ird u n m itte lb a r in Anspruch genommen ooer von sich aus tä tig und gib t die Sache dann an seine vorgesetzte S telle w e ite r,'in diesem F a ll w ir d das V e r­ fahren nachträglich bei der Behörde anhängig. Ic h glaube, beide Fälle sind gedeckt. Ic h teile die Bedenken vom Kollegen Klee darum nicht. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Es herrscht w ohl E in ­ verständnis, daß das V erfahren vo r der P olizei auch ein Rechtsverfahren v o r einer Behörde ist. (Z ustim m ung.) D a n n können w ir diesen P u n k t verlassen. Es würde hier n u r der Wunsch bestehen, daß die Unterkommission eine Fassung erw ägt, die es ermöglicht, auch diese Fälle der sachlichen Verdächtigung einzubeziehen. D e r folgende P u n k t wäre die Frage der Selbstbezichtigung. Vizepräsident G rau : Ic h hatte schon gestern vorge­ schlagen, den Tatbestand des § 19 2a a u f die Fälle aus­ zudehnen, in denen die eigene Täterschaft an einer ta t­ sächlich begangenen strafbaren H andlung vorgetäuscht w ird . H e rr M in is te ria ld ire k to r, S ie meinten, dieser F a ll würde vielleicht schon un ter die jetzige Fassung fallen. D a s scheint m ir sprachlich doch w ohl kaum zu­ treffend zu sein. H ie r ist der F a ll un ter S tra fe gestellt, daß die Begehung einer strafbaren H andlung vorge­ täuscht w ird . D a s heißt doch, entweder w ird vorge­ täuscht, daß überhaupt eine strafbare H andlung be­ gangen worden ist, oder es w ir d vorgetäuscht, daß der Betreffende eine in W irklichkeit nicht erfolgte straf­ bare H andlung begangen hat. Es w ir d aber nicht der F a ll ergriffen, daß eine strafbare H and lung tatsächlich v o rlie g t und n u r die Täuschung a u f die Person des T ä te rs beschränkt ist, daß also jemand sagt: D ie T a t, die allen bekannt ist, habe ich begangen. D a s kann doch nicht in den W orte n »Vortäuschung der Begehung einer H andlung« liegen/ denn da w ird eben die Begehung vorgetäuscht und nicht die Täterschaft. Ic h möchte doch glauben, daß ein B e d ü rfn is besteht, auch diese Fälle unter S tra fe zu stellen.

Ic h sagte schon gestern, es sind zwei Anwendunasfäffe, die m ir zw ar nicht in meiner eigenen P ra x is be­ gegnet find, m ir aber von anderen erzählt worden sind. D e r erste F a ll im politischen V erfa hre n: Es w ir d eine Aufsehen erregende T a t begangen. D e r T ä te r w ir d nicht gefaßt. Nach zwei Tagen meldet sich jemand und behauptet: Ic h bin es gewesen. E r tu t es zweifellos au f B efehl, auf A nordnun g der Kommunistischen P a rte i, n u r um zu erreichen, daß der wirkliche T ä te r über die Grenze flieht. H ie r lie g t objektiv zweifellos ein typischer F a ll der Begünstigung vor, aber ein F a ll der Begünstigung, von dem ich behaupten möchte, daß er nie nachzuweisen ist. Es ist im m er so, daß zw ar festgestellt werden kann, daß der M a n n sich zu Unrecht emeldet und seine Täterschaft vorgetäuscht h a t/ aber ie da hinter steckenden Zusammenhänge sind eben nicht festzustellen. M a n ah nt sie w ohl, aber eine Feststellung in dieser R ichtung ist fast nie möglich. D eshalb w ürde ein B e d ü rfn is bestehen, den Tatbestand a u f diesen F a ll auszudehnen. N u n der zweite F a ll: D e r M a n n kommt und sagt, er habe die und die strafbare H andlung begangen. I n W irklichkeit h a t er sie z w a r nicht begangen/ aber er tu t es, um dadurch ein A lib i oder eine E ntlastung zu haben, w e il er eine andere T a t begangen hat. N u n sagten S ie , H e rr M in is te ria ld ire k to r, wenn m an dies bestrafen w olle, dann wäre das doch eine Einschrän­ kung der zulässigen V erte idigun g. D a bin ich doch anderer Ansicht. M a n möge den angeklagten T ä te rn zubilligen, daß sie lügen können. Aber so w e it d a rf es doch nicht gehen, daß sie das Recht haben sollen, durch ih re falschen Angaben Behörden zu zwingen, nun ganze V erfa hre n in falscher R ichtung einzuleiten. S o ­ w e it kann man die V e rte idigun g nicht ausdehnen. M a n muß n u r daran denken, welche Kosten dadurch umsonst entstehen können. O ft ist es so, daß die Leute nach einiger Z e it dann selbst gestehen, daß ihre Selbstbezich­ tigu ng un w a h r sei, aber nicht im m er. Es kann auch au f einen umfangreichen A libibew eis hinauslaufen. H ierdurch w ürde das zuverlässige M a ß der Rechtsver­ teidigung in einer Weise überschritten werden, daß ich das fü r strafbar halten möchte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Es würden d a ru n te r alle die Fälle gehören, die w ir in der P ra x is häufig erleben, z. B . es legt jemand ein Geständnis ab, dann w id e rru ft er es, und so wechselt das ständig ab, und wenn ih m nachher schließlich nichts nachzuweisen ist, H e rr Kollege G ra u , dann bleibt er stra fbar wegen eines falschen Ge­ ständnisses? Vizepräsident G rau : N ein, nein, das ist keiner der Fälle, die ich gemeint habe. D ie beiden Fälle sind, daß m an es entweder tu t, um einen anderen zu begünstigen oder um die Begehung einer eigenen T a t dadurch zu verdecken/ es handelt sich also nicht etwa um die ge­ wöhnlichen Fälle, in denen einer gesteht und dann wieder leugnet. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W enn w i r daS einfügen, müßten w ir weitere Einschränkungen machen, w ie es die preußische Denkschrift getan h a t/ sonst würde der Tatbestand zu w e it füh ren !) — M a n muß na tü rlic h Einschränkungen haben, wie sie auch die preußische Denkschrift vorsieht. Ic h w ollte d a ra u f gleich kommen. W enn man den Tatbestand 39.

einfach ausdehnt, wie ich es v o rh in in die Debatte ge­ w orfen hatte, daß man sagt, »die Begehung oder oie Täterschaft einer strafbaren H and lung «, dann würde diese Ausdehnung zu w e it gehen. Es bedarf tatsächlich einer Einschränkung/ diese Einschränkung sucht die preußische Denkschrift einm al d a rin , daß sie es darauf abstellt, ob die Selbstbezichtigung geschieht, um sich da­ durch einen V o rte il zu verschaffen. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W o ra n denken S ie da?) — U n te r dieser Einschränkung kann ich m ir allerdings nichts vorstellen. Ferner verla ngt die Denkschrift, daß die falsche Selbstbezichtigung e rfo lg t ist, um die V e r­ folgung einer eigenen S tr a f ta t zu vereiteln oder zu er­ schweren. Diese Einschränkung w ürde ich in den T a t­ bestand aufnehmen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h glaube schon, daß das öfter vorkom m t. A ber ich neige dazu, die Beweis­ schwierigkeiten nicht als so groß einzuschätzen. Wenn feststeht, jemand hat sich zu Unrecht selbst bezichtigt, ob­ w ohl ein anderer die T a t begangen hat, dann muß er m ir doch einen plausiblen G rü n d angeben, w aru m er sich selbst bezichtigt, hat. G ib t er m ir keinen plausiblen G ru n d an, so lie g t fü r mich als Richter der Schluß nahe: folglich h a t er es getan, um dem wirklichen T ä te r zu nützen. Ic h schätze also die Beweisschwierig­ keit anders ein. Vizepräsident G rau: D a s kann ich nicht zugeben. H in te r diese D irektive n der P a rte i zu kommen, ist außerordentlich schwierig. D e r T ä te r kann ja alle möglichen G ründe haben: er w ollte vielleicht n u r 14 Tage im Gefängnis b illig leben. Es ist tatsächlich schwer, w as w ir wollen im Gesetze kla r zum Ausdruck bringen. Ic h kann aber nicht zugeben, daß ein B e ­ d ü rfn is , fü r diesen F a ll nicht besteht. Ic h w ürde mich auch nicht d a m it zufrieden geben, daß m an auf die analoge Anwendung verweist. D enn die Fälle, die einem plastisch v o r Augen stehen, dü rfte m an als Ge­ setzgeber doch nicht a u f die Analogie verweisen. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W i r hätten jeden­ fa lls noch keine Lösung fü r den F a ll der Selbst­ bezichtigung im . eigenen Interesse, wenn w i r nicht noch irgendwelche Einschränkungen hinzunehmen!) — K la r w äre eigentlich n u r der F a ll, daß der T ä ter es zur Verdeckung einer eigenen S t r a f t a t tu t. D a s würde ohne weiteres aufgenommen werden können. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: F ü r den anderen F a ll haben w ir auch noch keine Lösung: Abgrenzung gegenüber der Begünstigung!) Professor D r . Mezger (M ünchen): Ic h bin bei meinem R efe ra t davon ausgegangen, daß diese Fälle der S e l b s t b e z i c h t i g u n g schon durch den jetzigen W o rtla u t bedeckt sind. Ic h babe die W o rte : »die Begehung einer strafbaren H and lung vortäuscht« ferner so verstanden, daß nicht n u r das »D aß «, sondern auch das »W ie« getroffen ist, daß also Veränderungen von M o d a litä te n ebenfalls hierher zu zählen sind, vor allem Veränderungen in der P erson des T ä te rs. Nachdem aber nunm ehr Z w e ifel aufgetaucht sind, ob die Selbst­ bezichtigung unter § 192 a in der jetzigen Fassung fallen w ürde, scheint es m ir richtig er zu sein, den F a ll aus­ drücklich zu regeln.

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Ic h bin also durchaus, w ie H e rr Vizepräsident G rau, d a fü r, daß m an die Selbstbezichtigung einbezieht. Ic h hätte kein Bedenken in der R ichtung, daß m an dam it die S elbstverteidigung allzusehr einschränkt. D e r a ll­ gemeine Satz, daß m an alles tu n d a rf, um sich selbst zu verteidigen, kann sicher nicht anerkannt werden. Es bleibt vielleicht n u r der eine bedenkliche F a ll, daß jemand auf D rän gen einer behördlichen S eite hin ein unrichtiges Geständnis ablegt. M a n w ird aber sagen müssen, daß dann überhaupt kein Vortäuschen einer Behörde gegenüber mehr v o rlie g t. D a m it dürfte sich das Bedenken erledigen. D a fü r , daß jemand a u f V o r­ h a lt eine T a t zugesteht und nachher das Geständnis w id e rru ft, soll er nicht bestraft werden. Eine ver­ n ü nftige Rechtsprechung w ir d dies auch nicht annehmen. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): D as Wesentliche bei der Sache ist doch w ohl, daß der staat­ liche A p p a ra t umsonst in Bewegung gesetzt w ir d und dadurch Kosten, W eiterungen usw. entstehen. Ic h meine, daß es deswegen w o h l angezeigt wäre, in der Fassung die falsche Selbstbezichtigung besonders zum Ausdruck zu bringen. W i r müßten vielleicht noch hinzufügen: soweit nicht Begünstigung v o rlie g t. I n der T a t sind die Fälle die häufigsten, daß jemand sich falsch be­ zichtigt, um die Schuld eines anderen auf sich zu nehmen. D a s passiert nicht n u r im politischen Leben, sondern auch sonst im Leben. Es kommt z. B . in einer F a b rik irgendein D iebstahl heraus, und ein junger Mensch n im m t die S chuld auf sich, um etwa einen alten, der schon vorbestraft ist, zu decken. M i t H errn Professor Mezger möchte ich auch die Fälle heraus­ lassen, in denen jemand ein falsches Geständnis ablegt und nachher w id e rru ft. Ic h setze voraus, daß ein selbständiges S tra fv e rfa h re n in die Wege geleitet w ird bzw. daß ein selbständiges V erfa hre n dadurch ver­ anlaßt w ird , daß jemand sich selbst falsch bezichtigt. A ls M o tiv ist ja nicht n u r denkbar, daß m an einen andern begünstigen w ill, sondern auch daß m an sich fü r eine andere S tr a f ta t entlasten, ein A lib i schaffen w ill. D ritte n s ist auch denkbar, daß m an eine S tr a f­ ta t, die man nicht begangen hat, zugibt und dadurch ein selbständiges V e rfa h re n veranlaßt, w e il m an aus wirtschaftlichen Gründen gern einm al eine Z e itlang umsonst vom S ta a t verpflegt sein und im Gefängnis unterkommen w ill. D a s ist in früheren Zeiten jeden­ fa lls nicht selten gewesen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Frage halte ich fü r genügend geklärt. W i r geben der Unterkommission die R ic h tlin ie : B e i der Fassung der §§ 192 und 192 a soll d a ra u f Rücksicht genommen werden, daß auch der F a ll der Selbstbezichtigung m it erfaßt w ird , m it der doppelten Einschränkung: auf der einen S eite darf nicht in den Tatbestand der Begünstigung eingegriffen werden, auf der anderen S eite müssen die Fälle des Geständnisses und seines W id e rru fs draußen bleiben. Professor D r . Mezger (M ünchen): Diese S ubstdiaritätsklauseln im Gesetz sind unschön. Ic h w ürde sie weg­ lassen und Idealkonkurrenz zulassen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer.- Ic h meine, m an darf nicht den Weg der preußischen Denkschrift gehen, gerade hineinzuschreiben, w as die Begünstigung ausmacht. G em eint w a r meine Ä ußerung in dem S in n e : Es muß

vermieden werden, daß der Tatbestand der B egünsti­ gung im m e r e rfü llt sein muß. (Professor D r . Mezger M ünchens: H e rr D ire k to r Leim er wies ja da ra u f h in , daß die P ra x is die S ubsidia ritätskla usel im allgemeinen liebt, um keine Konkurrenz zu haben! — Senatspräsident Professor D r . Klee s B e rlin j : D a die Selbstbezich­ tig u n g im m e r in den V o rd e rg ru n d gestellt w ird , w ürde ich vorschlagen, zu sagen: Falsche Selbst­ bezichtigung/ den anderen F a ll braucht man in der Ü berschrift nicht zu erwähnen, daß überhaupt eine strafbare H andlung vorgetäuscht w ird !) — D e r F a ll, der uns A n la ß dazu gegeben hat, w a r die Vortäuschung einer strafbaren H andlung. I n den letzten Ja h re n w aren die Fälle nicht mehr selten, in denen das Ü berfallkom m ando angerufen wurde und die S itu a tio n vo rfa n d , daß Leute gefesselt oder blu tü b e r­ ström t dalagen usw. D a s w ird niem and mehr als Selbstbezichtigung betrachten. (S enatspräsident Professor D r . Klee s B e rlin j: Schließlich ist auch die falsche Beschuldigung im § 192 das Vortäuschen einer strafbaren H and lung ! W e il das ein O berbegriff ist, w ollte ich das v o r­ schlagen!) Ich glaube, daß kann die Unterkommission überlegen, das hängt davon ab, wie m an den Tatbestand faßt. N u n blieben von den Vorschlägen noch zwei ü b rig , zunächst die B ild u n g von Untersuchungsausschüssen. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): Es wurde gestern von dem H e rrn Reichsminister erw ähnt, es sei kürzlich angeregt worden, als Gegengewicht gegen einen im Auslande gebildeten Untersuchungsausschuß in einem politischen S tr a f fa ll hier im In la n d e einen Untersuchungsausschuß zu bilden. D e r Ausgangs­ punkt dieser A nregung w a r doch der, daß der Ausschuß, gegen den m an ein Gegengewicht schaffen w ill, eben als Übel angesehen w ird , und ich habe schon gestern die Gründe darzulegen versucht, aus denen es erwünscht wäre, die B ild u n g solcher Untersuchungsausschüsse unter S tra fe zu stellen. M a n könnte da ran denken, diesen F a ll durch den Tatbestand der Verhöhnung der Rechts­ pflege mitzuerfassen. Aber das ist doch nicht unbedingt sicher. Deshalb möchte ich vorschlagen, den F a ll irgend­ wo, vielleicht im § 195 a, unter dem Tatbestand ^U n ­ lautere E in w irk u n g auf das Gericht« zu erwähnen, allerdings kann m an sagen, daß die Absicht, die E n t­ scheidung des Gerichts zu beeinflussen, bei einem U n te r­ suchungsausschuß nicht obwaltet, höchstens m itte lb a r, indem in erster Lin ie ein D ruck auf die öffentliche M e i­ nung auszuüben versucht w ird . Es w ird vielleicht m ög­ lich sein, dem § 195 a eine Fassung zu geben, die ohne weiteres die B ild u n g von solchen Untersuchungsaus­ schüssen auch schon um faßt. D a s könnte zur- E rö rte ru n g kommen, wenn w ir den § 1 9 5 a selbst erörtern. Professor D r .D a h m (K ie l): H e rr M in is te ria ld ire k ­ to r, ich glaube, gerade fü r die E in fü h ru n g solcher T a t­ bestände t r i f f t die E rw ägung zu, die S ie vo rh in in den V o rd e rg ru n d gestellt haben. D urch eine ausdrückliche Regelung d e ra rtig ausgefallener Sondertatbestände w ird das Strafgesetzbuch unübersichtlich. S o w e it hier w irklich ein B e d ü rfn is nach B estrafung besteht, reicht

einerseits die Bestimmung gegen die Verhöhnung der Rechtspflege, anderseits die Vorschrift des § 195 a über die unlautere Einwirkung auf Gerichte vollkommen aus. M inisterialdirektor Schäfer: Ich stimme dem ganz zu. Ich kann auch bestätigen, daß ein Bedürfnis hierfür bisher nicht hervorgetreten ist, und ich bin weiter der Meinung, daß durch den § 195a die Fälle erfaßt werden. (Professor D r . G raf Gleispach [B e rlin ]: M an könnte auch an staatsfeindliche Verbindungen denken!) — Eventuell auch! D a rf ich fragen, ob diese Anregung noch von anderer Seite unterstützt wird? — Dann möchte ich glauben, w ir können den Punkt als erledigt betrachten. Nun kommt noch die Zeugenbestechung. Hierzu möchte ich selbst einen Vorschlag machen. D ie Frage, wieweit man die Zeugenbestechung unter Strafe stellen soll, können w ir erst erörtern, wenn w ir klar sehen, was aus dem Meineid, aus der falschen uneidlichen Aussage w ird usw. Ich glaube, w ir stellen das besser zurück. S ind die Herren einverstanden? (Zustimmung.) Dann ist auch diese Frage erledigt. W ir können uns den §§ 193 und 194 zuwenden. Ich bitte beide zusammenzufassen. B is jetzt stehen folgende Punkte nach der gestrigen Debatte zur Entscheidung. Zunächst die A nregung'von Herrn Professor Mezger, in beiden Paragraphen die Worte »abgesehen von den Fällen der Urkundenfälschung« zu streichen. Dieser Vorschlag geht davon aus: Hier liegt nicht ein F all der Subsidiarität vor, sondern ein F all der Idealkonkurrenz. Zweitens kommen w ir zu der Anregung von Herrn Professor Mezger zu Abs. 3, der überhaupt umstritten ist. H err D irektor Keimet beantragt die Streichung. Professor D r . Mezger (München): Nach den Aus­ führungen des Herrn Mitberichterstatters neige ich jetzt mehr dazu, von vornherein die allgemeinen Bestimmun­ gen Anwendung finden zu lassen. M inisterialdirektor Schäfer: D ritte n s wäre der Abs. 2 zu erörtern. D a ist von Herrn Grafen Gleispach die völlige Streichung angeregt, von Herrn Direktor Keimet eine andere Fassung vorgeschlagen worden. Diese betrifft das W o rt »Fälschung«. D as sind die drei Fragen, die w ir zu § 193 erörtern müssen. Dieselben Fragen kehren wieder bei § 194: Einm al die Frage der Subsidiarität oder der Id e a l­ konkurrenz, weiter die Frage der Streichung des Abs. 2. Vielleicht erörtern w ir zunächst die Subsidiarität. Professor D r . Mezger (München): D ie Frage der Subsidiarität ist eine Geschmacksfrage. Wenn W ert darauf gelegt w ird , daß in dem U rte il die Erwähnung mehrerer Paragraphen möglichst unterbunden w ird — denn das ist der praktische Zweck der Subsidiaritäts­ klausel — , so kann dem Rechnung getragen werden. M ir schiene es allerdings gedanklich richtiger zu sein, in Fällen, in denen verschiedene Rechtsgüter verletzt werden, daß dies dann auch durch Zulassung von Id e a l­ konkurrenz zum Ausdruck gebracht w ird . Es streiten sich also sachliche Richtigkeit und Vereinfachungstendenz. M inisterialdirektor Schäfer: Ich würde persönlich glauben, daß die Subsidiaritätsklausel auch sachlich das richtigere sei. Aber wenn Sie selbst die Anregung nicht

weiterverfolgen wollen und auch von anderer Seite kein W ert darauf gelegt w ird , dann möchte ich keine Debatte darüber herbeiführen. (Professor D r . Nagler (Breslau!: Also die Subsidiarität soll bleiben?) — Jawohl! M in isteria lra t D r . Schäfer: Wenn die Subsidiari­ tätsklausel bleibt, dann würde im § 194 neben der »Urkundenunterdrückung« auch die »Unterdrückung öffentlicher Beglaubigungszeichen« hineingesetzt werden müssen, weil w ir nämlich den entsprechenden § 209 er­ gänzen müssen, wie w ir das bei den Amtsdelikten be­ schlossen haben. Das wollte ich fü r die Unterkommision bemerken. M inisterialdirektor Schäfer: Dann ist dieser Punkt erledigt. W ir kommen zu Abs. 2. Sie waren der Ansicht, Abs. 2 könnten w ir streichen? (Professor D r . G ra f Gleispach ( B e rlin !: M it Rücksicht auf den untauglichen Versuch!) Ich glaube eigentlich nicht, daß uns die Straflosigkeit des untauglichen Versuchs hier weiterhilft. Ich möchte vorausschicken: Dem Abs. 2 kommt große Bedeutung nicht zu,, und ob w ir ihn annehmen oder nicht, das könnten w ir davon abhängig machen, ob w ir beim Meineid oder bei der falschen Aussage so etwas auf­ nehmen oder nicht. D ie Preußische Denkschrift sagt jedenfalls bei der strafbaren uneidlichen Aussage, es sei volkstümlich, daß man Kleinigkeiten ausscheide, und wenn man dort an einer solchen Ausnahme festhält, dann gehört sie hier auch hin. Den Abs. 2 können w ir vielleicht vorläufig aufnehmen und nur m it einer Fußnote versehen, daß die Beibehaltung davon abhängt, wie man beim Meineid die entsprechende Frage erledigt. Vizepräsident Grau: Ich habe m ir überlegt, ob cs nicht zweckmäßig ist, hn § 9 auch eine Begriffs­ bestimmung des Wortes »Beweismittel« zu bringen und da schon hineinzuschreiben: »Ein Beweismittel ist ein Gegenstand, der fü r die Entscheidung einer Rechts­ sache ober eines Rechtsverfahrens von Bedeutung ist.« D ann käme man über die Schwierigkeit des Abs. 2 hinweg. M inisterialdirektor Schäfer : Diesen Gesichtspunkt er­ wähnen w ir auch in der Fußnote. Wenn Abs. 2 einst­ weilen bleibt, dann müßten w ir uns auch über die A n ­ regung von H errn D irektor Keimet unterhalten, ob das W o rt »Fälschung« richtig ist. Unter »Fälschung« ist hier meiner M einung nach dreierlei zu verstehen: Erstens die fälschliche Anfertigung, zweitens die V er­ fälschung und drittens auch der zweite Halbsatz des ersten Absatzes, das Gebrauchmachen davon. Also das W o rt »Fälschung« ist eigentlich im Sinne der Über­ schrift zu verstehen, und da hier im merhin Mißverständ­ nisse möglich sind, könnte die Unterkommission ein anderes W o rt an die Stelle setzen. Z. B .: »B etrifft die T a t . . . « oder dergleichen. Professor D r . Mezger (München): Anders habe ich das W o rt nicht aufgefaßt. »Fälschung« bedeutet nichts anderes als »Tat«. M inisterialdirektor Schäfer: S in d w ir einig? (Zustimmung.) D ann kommen w ir zum Abs. 3. H ier handelt es sich um eine Frage, die o ft wiederkehrt, um die Berücksich-

tigu ng der tätigen Reue. W enn ich recht verstanden habe, schlägt H e rr D ire k to r Leim er v o r — und auch H e rr Professor Mezaer schließt sich dem an — , den Absatz ganz zu streichen. W ir d zu dieser Frage das W o r t gewünscht? M in is te ria lra t D r . Schäfer: Nach m einer Ansicht ist dieser Absatz eine notwendige Konsequenz zu der ent­ sprechenden Regelung beim M eineid. W enn man den M e in e id w id e rru fe n kann, muß m an auch die Fälschung von B ew e ism itte ln w iderrufe n können, solange noch nichts passiert ist. Deshalb ist der Abs. 3 ganz logisch. D erjenige, der einen M e in eid begangen hat, hat sich doch schwerer vergangen als derjenige, der n u r ein B ew eism itte l gefälscht hat. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ic h neige auch dazu, den Absatz beizubehalten. Ic h gebe zu bedenken, daß schon nach geltendem Recht, dem der B e g riff der tätigen Reue unbekannt ist, gerade fü r den F a ll des M eineids die tätige Reue strafm ildernd w irk t, daß es n u r drei oder vie r Fälle g ib t, w o das geltende Strafgesetzbuch über­ haupt die tätige Reue berücksichtigt, uno zw ar ist der G ru n d h ie rfü r nicht n u r der gewöhnliche k rim in a lp o li­ tische Gesichtspunkt, einen Anreiz zu schaffen, die T a t rückgängig zu machen, sondern es lie g t auch stark im Interesse der Rechtspflege, w eil diese doch alles In t e r ­ esse daran hat, daß wenigstens noch im letzten Augen­ blick ein F e h lu rte il, das sonst d ro h t, vermieden w ird . Ich möchte also auch der Ansicht zuneigen, daß hier die tätige Reue bleiben soll. Professor D r . Ragler (B re s la u ): W ürd e die Bezug­ nahme a u f § 3 2 b nicht die gleichen E rfolg e herbei­ führen? (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s weiß ich nicht!) I m § 32 b heißt es nach der jetzigen F o rm u lie ru n g : »Wenn der T ä te r fr e iw illig und e w g ü ltig die weitere D urch führung seines verbrecherischen W ille n s aufgibt und den erstrebten E rfo lg v e r h in d e r t . . . « . D am a ls haben w i r gesagt: R ü c k tritt vom Versuch kommt gar nicht m ehr m Frage, sondern es g ib t n u r noch tätige Reue nach vollendeter T a t. (Widerspruch.) D a s w a r doch dam als zweifellos die Auffassung! M in is te ria lra t D r . Schäfer: I m 8 3 2 b steht: »wenn der T ä te r die weitere D u rch führung seines verbreche­ rischen W ille n s a u fgibt« . E r d a rf also m it dem, was er nach dem Tatbestand zu tun hat, noch nicht zu Ende sein/ das Unternehmen d a rf noch nicht vollendet sein in dem S in n e , daß es abgeschlossen ist, wenn es auch strafrechtlich schon wie eine vollendete T a t behandelt w ird . D ie S ond ervorschrift hier ist demnach nicht ent­ behrlich. (Professor D r . N a g le r sB re s la u j: W enn der § 3 2 b in dem S in n e verstanden w ird , so müssen w ir allerdings den Absatz beibehalten!) M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a n n w ollen w ir erst die Frage klären: w ollen w ir an sich tätige Reue bei der Fälschung von B ew eism itte ln berücksichtigt haben? D a ra u f b itte ich die Debatte zunächst zu beschränken. D ie andere Frage, wie der § 3 2 b auszulegen ist, soll grundsätzlich ge prüft werden.

Professor D r . D ah m (K ie l): D e r sachliche U n te r­ schied besteht d a rin , daß § 3 2 b n u r eine K ann vorschrift enthält, w ährend § 193 Abs. 3 die S tra flo s ig k e it zw in­ gend vorschreibt. Es w ürde meinem G efühl entspre­ chen, wenn m an es beim Meineide und bei der F ä l­ schung von B ew e ism itte ln bei der K ann vorschrift bewenden ließe, ich b in aber auch der M e in u n g , daß § 3 2 b diese Fälle nicht t r if f t . B e i der B e ra tu n g dieser Fragen bestand seinerzeit allerdings eine gewisse S tim m u n g d a fü r, auch den R ü c k tritt vom fo rm a l vollendeten D e lik t zu berücksichtigen. D a s halte ich auch fü r richtig , aber § 3 2 b b rin g t das nicht zum Ausdruck. Also vorbehaltlich einer E rw e ite ru n g des § 3 2 b in der zweiten Lesung möchte ich vorschlagen, daß man den § 193 Abs. 3 hier einstweilen stehen läß t, ihn aber dem § 3 2 b anpaßt, d. h. die obligatorische S tra flo sig ke it durch eine Kannbestimmung ersetzt. Landgerichtsdirektor Leimer (N ü rn b e rg ): Es kam m ir im wesentlichen d a ra u f an, die V o rsch rift dahin zu ändern, daß eine K ann vorschrift eingeführt w ird . Ic h sehe nicht ein, w a ru m der, der ein B ew e ism itte l gefälscht hat, besser behandelt werden soll als ein anderer F revler. I m übrigen sind doch zwei Fälle in der V o rsch rift enthalten. D e r eine ist konform m it der Verabredung zu behandeln. W e r ein B ew eism itte l zum Zweck des Gebrauchmachens fälscht, der begeht eine V orbereitungshandlung fü r das Gebrauchmachen. W enn w ir seinen R ü c k tritt konform m it den §§ 30 und 31 behandeln, muß er stra ffre i bleiben. Dagegen: w er Gebrauch gemacht hat, ist im S inne des § 32 b zu behandeln/ er kann stra ffre i bleiben. D ie beiden Fälle sind sonach verschieden, und ich sehe nicht ein, w a ru m man im zweiten F a ll den T ä te r besser behandeln soll, als im allgemeinen derjenige behandelt w ird , der nach § 3 2 b tätige Reue entwickelt. D a ru m hatte ich gesagt: entweder streicht m an den Abs. 3 und läß t es bei den allgemeinen Bestimmungen, oder man fü h rt n u r eine K annvorschrift ein, so daß nach jeder R ichtung n u r stra ffre i gelassen werden k a n n . M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie überwiegende S t im ­ mung geht also dahin, daß w ir den F a ll der tätigen Reue hier berücksichtigen sollen, und die M einungen gehen eigentlich n u r da rüber auseinander, ob man eine K annvorschrift oder eine M u ß vo rsch rift treffen soll. N un hängt das ja nicht unbedingt von der Regelung der gleichen Frage beim M eineid ab. Im m e rh in w ird die Regelung beim M e in eid eine gewisse R olle spielen. K o m m t m an bei der Meineidsregelung zu einer M u ß ­ vorschrift, so muß hier selbstverständlich auch eine M u ß ­ vorschrift geschaffen werden. K o m m t m an beim M e in ­ eid zu einer K ann vorschrift, so könnte m an im m e rh in sagen: hier handelt es sich um einen w eniger s tra fw ü r­ digen F a ll, hier wollen w ir doch bei der M u ß vo rsch rift bleiben. D a s Besondere unseres Falles sehe ich in dem großen Interesse der Rechtspflege an der V e r­ hütung eines F e h lu rte ils, das sie selbst diskre ditiert. Daneben kommt der allgemeine krim inalpolitische Ge­ sichtspunkt zum Zuge. Ic h selbst neige mehr dazu, es bei dem » w ird stra ffre i« zu lassen, um den A nreiz zu vergrößern/ denn der A nreiz ist größer, wenn die S t r a f ­ fre iheit sicher w in kt, als wenn sie n u r möglicherweise w inkt. Ic h möchte die Ansicht der Kom m ission fest­ stellen. D a r f ich einm al fragen, wer dazu neigt, doch n u r eine K a n n m ilderung einzuführen? — D a s ist die

M in d e rh e it. D a n n würden w ir uns doch w ohl zunächst fü r die Fassung entscheiden: » w ird s tra ffre i« . I n einer Fußnote kann etwas über den Zusammenhang m it der Regelung beim M eineid gesagt, werden. M in is te ria lra t D r . Schäfer: Diese Beschlußfassung wäre also eventuell nachzuprüfen, fa lls beim M e in eid — § 190 — eine andere S te llu n g eingenommen w ürde! Ic h hätte noch eine Frage. I m ersten Absatz des § 193 ist der erste Tatbestand der, daß der T ä te r das B e w e ism itte l in der Absicht, das davon in einem Rechts­ verfahren v o r einer Behörde Gebrauch gemacht werde, fälscht. Es w ird nicht verla ngt, daß es der Behörde auch schon vorgelebt ist. V ielleicht hat er es in seinem Kasten versperrt liegen. D a wäre doch der normalste R ü c k tritt und die normalste tätige Reue die, daß er, wenn es sich beispielsweise um ein Schriftstück oder um einen Gegenstand aus Holz handelt, diese Fälschung t>er< brennt oder sonst vernichtet. M a n sollte also eigent­ lich auch noch einen weiteren Tatbestand der tätigen Reue einarbeiten: wenn er das Fälschungsstück, bevor es der Behörde zur V erfü gun g gestellt ist, vernichtet. (M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a s fä llt noch nicht unter die jetzige Fassung!) Landgerichtsdirektor Leimer (N ürnbe rg): Es w ird w ohl niemanden geben, der, wenn er zu Hause in seinem stillen K äm m erlein ein B ew eism itte l zum Ge­ brauch gefälscht hat, ohne es zu gebrauchen, das B ew eis­ m itte l der Behörde bringen w ird , um sich S tra ffre ih e it zu schaffen. M in is te ria lra t D r . Schäfer: D a s Wohl nicht! Aber er w ird angezeigt, w e il es jemand weiß oder e rfä h rt/ und wenn er dann wahrheitsgemäß sagt: ich habe die Fälschung wieder vernichtet, dann muß er bestraft werden, obwohl er in einem viel stärkeren M aße zurück­ getreten ist. ('Landgerichtsdirektor Leim er (N ürnbe rg): Ic h bin ganz I h r e r M e in u n g : m an sollte das noch hin e in ­ nehmen!) M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D a n n ist der § 193 auch erledigt. Auch zu § 194 w ird das W o r t nicht gewünscht. (Professor D r . Mezger M ü nchen ): Ic h möchte anregen, in der Besprechung den § 195 a v o r dem § 195 zu nehmen, w eil dies viel enger d a m it zu­ sammenhängt!) — Z u 8 19 5a liegt die A nregung von H e rrn D ire k to r Leim er vor, die W o rte : »in der Absicht, die E n t­ scheidung des Gerichts zu beeinflussen« zu ersetzen durch die W o rte : »die geeignet sind, die Entscheidung des Gerichts zu beeinflussen«. D a s ist die einzige A n ­ regung, die bisher gegeben worden ist. Professor D r . Mezger (München): Ic h möchte es bei der »Absicht« belassen und außerdem das W o r t ein fügen: w er während eines v o r einem » d e u t s c h e n « Gericht schwebenden S tra fv e rfa h re n s usw. ES ist doch selbstverständlich, daß n u r das gemeint sein kann. (Z ustim m ung.) — D enn w ir haben in Fällen, in denen Volksgenossen im A usland ve rfo lg t werden, häufig das allerdringendste Interesse daran, a u f das d o rt schwebende S tra fv e r39.

fahren in betonter Absicht durch öffentliche E rö rte ­ rungen E in flu ß zu nehmen. Aber auch im Blick auf das In la n d bestehen B e ­ denken. Ic h kann m ir sehr w ohl denken — ich erinnere etwa an Feuerbach — , daß jemand die tiefste innere Verpflichtung fü h lt, in einer Frage, die in rechtlicher Beziehung zweifelhaft geworden ist, in Beziehung auf ein anhängiges V erfahren S te llu n g zu nehmen und diese S tellungnahm e zu veröffentlichen. F ü r schlechterdings unmöglich halte ich die Fassungs­ änderung des g 195a in . »geeignet«. D a n n würden ja E rörterungen, beispielsweise einer Rechtsfrage, die einen besonders wunden P u n kt eines anhängigen V e r­ fahrens betreffen, b e s o n d e r s schwer strafbar sein. D a s geht doch nicht an und w ird auch auf keiner S eite gewollt. Ic h erinnere beispielsweise an den einst viel besprochenen M oltke-Harden-Prozeß. Es lag damals eine Rechtsprechung des Reichsgerichts aus früherer Z e it vor, die dahin gin g : wenn die S taatsanw altschaft ein anhängiges P rivatklag everfahren übernim m t, dann soll das P rivatklag everfahren kostenpflichtig eingestellt werden und ein ganz neues V erfa hre n beginnen. I m M oltke-H arden-Prozeß, der zunächst als P riv a tk la g e ­ verfahren anhängig w a r, w aren dadurch ganz enorme Kosten fü r den P riv a tk lä g e r entstanden. Es wurde gerade durch den k o n k r e t e n F a ll evident, daß die bisherige Rechtsprechung irric j w a r. S o llte man es da jemanden verübeln können, dies deutlich und öffentlich zu sagen, bevor das neue U rte il ergeht? D e r F a ll läß t sich leicht auf eine »E rö rte ru n g der Schuldfrage« ent­ sprechend übertragen. Professor D r . D ahm (K ie l): Ic h bin grundsätzlich derselben M e in u n g wie H e rr Mezger. Ic h möchte so a r noch einen S c h ritt weitergehen. Es muß nicht n u r ie E rö rte ru n g von Rechtsfragen in der Absicht der B e ­ einflussung zugelassen werden, sondern auch die B e ­ sprechung' psychologischer und ähnlicher Fragen, zu denen ein S trafprozeß A nlaß g ibt. B e i bestimmten Vernehmungen kommen z. B . typische Fehler vor. N u n findet ein Prozeß statt, in dem diese Fragen praktisch werden. Ic h w ürde es nicht fü r s tra fw ü rd ig halten, wenn jemand, in der Absicht, dem Recht zu dienen und ein F e h lu rte il zu verhindern, diese Fragen erörtert. Demgegenüber kann m an na türlich au f den F a ll H a ls ­ m ann und die üble P rop agan da hinweisen, die da­ m als betrieben wurde. Selbstverständlich besteht ein B e d ü rfn is , das zu verhindern. Es müssen daher ge­ wisse Einschränkungen vorgenommen werden. Es fra g t sich, wie das geschehen könnte. Es würde meines Erachtens nicht den K e rn der Sache treffen, wenn man die W o rte »in der Absicht« durch das W o rt »geeignet« ersetzen w ollte. M a n müßte vielm ehr ein norm atives M e rkm a l einführen, es z. B . d a ra u f ankomm'en lassen, ob die Äußerungen geeignet w aren, das Gericht i n u n a n g e m e s s e n e ! W e i s e zu beeinflussen, oder so ähnlich. S ena tsprä fiden t Professor D r . Klee (B e rlin ): Ic h möchte mich zunächst dem Vorschlag des H e rrn P r o ­ fessor D r . Mezger anschließen, ju sagen: w er während eines v o r einem deutschen Gericht schwebenden S t r a f ­ verfahrens usw. Es ist in der T a t richtig , daß w i r leider Gottes nicht selten A nlaß haben, ausländische V erfa hre n m it scharfer K r itik zu beleuchten, auch schon während tzks Verfahrens.

Aber ich glaube andererseits, daß w ir auch unbe­ M inisterialrat D r. Schäfer: Ich w ar auch etwas dingt die Rechtspflege dagegen schützen müssen, daß erstaunt wie mein Vorredner, es anscheinend allgemein während eines schwebenden Verfahrens irgendwelche als feststehend betrachtet zu sehen, daß die Erörterung Erörterungen zur Schuldfrage gepflogen werden. einer Rechtsfrage in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, Solche Erörterungen scheinen m ir auch die zu sein, die wenn der Artikel durch einen schwebenden Prozeß ver­ etwa psychologisch den W ert oder Unwert von Zeugen­ anlaßt ist, eine unlautere Einwirkung auf das Gericht aussagen behandeln. D enn es hängt ja gerade von der in der Schuldfrage sein soll. Rach meiner Ansicht wäre Bew ertung dieser Aussagen auch die Stellung zur das in der Regel nicht der Fall. Es kann Fälle geben, Schuldfrage ab. Ich erinnere da an den Krantz-Pro- wo die Absicht, das Gericht unlauter zu beeinflussen, zeß, in dem es eine große Rolle gespielt hat, ob man es von einer richtigen Rechtsprechung durch diabolische einem halbwüchsigen Mädchen als Zeugin glauben Gründe abzudrängen, besteht. Ich kann mir den Fall konnte oder nicht. Hierzu wurde in der Presse sehr- denken, daß eine solche pseudowissenschaftliche E rörte­ lebhaft pro und contra Stellung genommen. D as hat rung darunter fällt. Aber in der Regel würde eine wohl jeder als außerordentlich destruktiv und ver­ ernsthafte wissenschaftliche Erörterung nicht darunter w irrend empfunden. D erartiges muß ausgeschlossen fallen können. D as ergibt schon die Überschrift: »un­ werden. lautere Einwirkung«, ohne daß man den Tatbestand W ir sprechen ja nur von der öffentlichen Erörte­ noch weiter einschränken müßte. Ich habe auch gewisse Hemmungen gegen die H er­ rung. W enn ein Rechtsgelehrter eine Rechtsansicht in bestem Glauben bei dem Gericht durchsetzen will, dann vorhebung der Eignung. Ich glaube, ein deutsches mag er sich persönlich an dieses Gericht in einem Gut­ Strafgesetzbuch kann von der Möglichkeit, daß sich achten oder Schreiben wenden. E r braucht das doch nicht ein deutsches Gericht durch öffentliche Erörtungen be­ in die Zeitung zu bringen. einflussen läßt, überhaupt nicht sprechen. Ein S tr a f ­ D ie Einfügung eines Zusatzes »in unangemessener gesetzbuch muß davon ausgehen: ein deutsches Gericht Weise« erscheint m ir nicht angebracht. D enn dann wird sich unter keinen Umständen durch Zeitungs­ w ird der T äter sich immer darauf berufen, daß er artikel beeinflussen lassen. W as bestraft werden muß, nun einmal den Betreffenden für unschuldig hält, daß ist der untaugliche Versuch einer solchen Einwirkung, die und die Indizien zu schwach sind. E r findet das einer Einschüchterung des Gerichts. Andererseits ist der Tatbestand vielleicht nach einer nicht unangemessen. D er Vorsatz müßte sich doch schließlich auch auf das »in unangemessener Weise« anderen Richtung zu eng. Ich weiß nicht, ob man beziehen. Ich würde darin eine bedenkliche Ab­ nicht die Absicht, bic öffentliche Meinung irrezuleiten, schwächung des Schutzes sehen, den w ir für das An­ noch dazusetzen sollte. Es ist ja dann etwas abweichend von dem Ausgangspunkt und von der Stellung im sehen der Rechtspflege erstreben. Abschnitt. Aber das haben w ir ja auch sonst, daß (M inisterialdirektor Schäfer: S ie würden sagen: Tatbestände etwas ausgeweitet werden nach anderen »geeignet«? Richtungen. Ich fürchte, daß die Absicht, Einfluß auf Ja. das Gericht, ^auf die Laienrichter usw. zu nehmen, vielfach nicht festgestellt werden kann. Aber die Absicht, Professor D r. Ragler (B reslau): Ich glaube, es die öffentliche Meinung irrezuleiten, läßt sich vielleicht herrscht hier in unserem Kreise Einverständnis dar­ eher feststellen. über, daß unter § 195a nicht die wirklich wissenschaft­ liche und ernsthafte E rörterung einer prinzipiellen Landgerichtsdirektor D r. Lorenz (Leipzig: Ich Frage fallen kann. Es steht ja auch über dem P a r a ­ möchte mich aus den Bedürfnissen der P rax is heraus graphen: u n l a u t e r e Einwirkungen auf das Ge­ den Vorschlägen von H errn Direktor Keimet hinsicht­ richt. Ich würde es nicht für möglich halten, daß man lich des § 195 a anschließen. Gerade bei dem L a i e n eine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion (wie in dem element in der Rechtspflege ist die Gefahr der Beein­ Beispiel von H errn Kollegen Mezger) dam it treffen flussung sehr groß. Ich denke an größere Prozesse, könnte. Wenn aber ein Zweifel darüber bestehen sollte, wo zwischen einzelnen Derhandlungßpausen Artikel in so könnte m an nach dem Vorschlag von H errn Kol­ der Presse erscheinen — w ir haben das ja alle m it­ legen D ahm einfügen: »unzulässig zu beeinflussen ge­ erlebt — , durch die die Schöffen und Geschworenen eignet ist«. vollkommen umgestimmt wurden, und zwar in einer D aß nur ein d e u t s c h e s Gerichtsverfahren hier Richtung, die mit dem Recht nicht vereinbar w ar, in Frage kommt, ist für mich selbstverständlich. D as wie es oft auch nach solchen Artikeln anscheinend be­ entspricht ja dem allgemeinen Grundsatz, an dem wir zweckt w ar. W ir haben andererseits auch Fälle erlebt, imm er festgehalten haben. W ir haben das Ausland wo bei Prozessen die Verteidiger im voraus P r o ­ bisher nur bei den Angriffen gegen die sogenannten paganda nach einer bestimmten Richtung machten befreundeten S taaten geschützt. — ich erinnere an Alsberg, Frey usw. — , die u ntrag­ Endlich bin ich auch m it dem H errn Kollegen bar w ar für die Rechtspflege. Ich möchte unbedingt dafür eintreten, daß auch Keimet otx M einuna, daß w ir nicht auf die Absicht abstellen sollten, sondern auf die Eignung — obschon »geeignet« hineinkommt und nicht die Absicht verlangt ich die salvatorische W endung, daß man nicht die Ab­ wird. D ie Bedenken, die H err Professor D r. Mezger sicht habe, das Gericht zu beeinflussen, als Richter- hier äußerte, werden meines Erachtens durch die llberauf ihren wahren W ert zurückführen, also diese schrift beseitigt, wo es heißt: u n l a u t e r e E inw ir­ Klausel nicht in dem S inne auffassen würde, daß da­ kungen. D am it ist schon gesagt, daß eine rein wissen­ m it unbedingt die Schuldlosigkeit des T äters herbei­ schaftliche Erörterung nicht in Frage kommen kann. geführt werden müßte. Es ist weiter zu bedenken, daß die wissenschaftlichen

Abhandlungen in wissenschaftlichen Zeitungen ja meistens, schon aus technischen Gründen, erst nach der V erh andlu ng erscheinen. D ie große G efahr besteht gerade bei Abhandlungen und A rtik e ln , die während einer längeren V erhandlung in der Tageszeitung er­ scheinen. W e ite r möchte ich d a fü r eintreten, daß auch der weitere Tatbestand m it dem Einschüchtern bleibt. Ic h kann auch hier aus der E rfa h ru n g sprechen. W ir haben es in Sachsen erlebt, daß ein V erte idiger am Schluß seines P lädoye rs sagte: » I m übrigen behalte ich m ir v o r, geeignete Vorstellungen in Dresden zu erheben«. D a s sollte heißen: beim M in is te riu m . S o etwas w irk t natürlich au f die Rechtspflege nicht fö rd e r­ lich ein. Ic h halte daher diesen Tatbestand im Interesse einer geordneten Rechtspflege fü r angebracht. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: B e i der F o rm u lie ru n g dieses Tatbestandes hat uns der Tatbestand des eng­ lischen contempt of Court vorgeschwebt, der allerdings im englischen Recht nirgends fo rm u lie rt ist, sondern sich n u r in der P ra x is ausgebildet hat. Dieses D e lik t um faßt sehr viele Tatbestände der verschiedensten A r t , kurz gesagt: die Beeinträchtigung der Rechtspflege. D e r wichtigste Tatbestand ist der F a ll der Stimmungsmache im P u b lik u m durch Z e itung sartikel, insbesondere durch V eröffentlichung von Prozeßberichten. Nach der N otiz, die m ir v o rlie g t, betont man in der englischen L ite ra tu r einm al, daß die H andlung geeignet sein müsse, eine B e ­ einflussung des Gerichts herbeizuführen, auf der anderen S eite w ird auch erw ähnt, es sei die Absicht erford er­ lich, die Endentscheidung zu beeinflussen, wobei dann im m er sofort bemerkt w ir d : Absicht im weitesten S inne, einschließlich des dolus eventualis. W enn man den dolus eventualis einbezieht, dann lä u ft es eigentlich w iederum a u f »geeignet« hinaus. N u n ha t uns diese Frage in den letzten Ja h re n o ft beschäftigt, auch in P arlam entsdebatten. Es besteht kein Z w e ifel, daß. bei uns in Deutschland gegen diesen Tatbestand täglich gesündigt w ird . D a s ist in der V e r­ gangenheit geschehen und geschieht auch heute noch. N a tü rlic h ist die G efahr sehr groß, einen Tatbestand zu schaffen, der durch das weite Anwendungsgebiet wiederum Bedenken auszulösen geeignet ist. W enn ich mich selbst entscheiden sollte, dann würde ich hier ru h ig unjuristisch — wenn ich es m a l so nennen soll — v o r­ gehen. W enn man einen solchen Tatbestand schafft, dann müßte m an sich, einerlei wie man ihn fo rm u lie rt, von vornherein darüber k lar sein, daß davon n u r ein sparsamer Gebrauch gemacht werden da rf. Ic h würde m ir denken, daß sofort R ic h tlin ie n an die S ta a ts a n w a lt­ schaft herausgehen sollten, eine Anklage auf G ru n d eines solchen ^Paragraphen n u r in seltenen Fällen zu erheben. A ber auf der anderen S eite möchte ich, daß, wenn davon Gebrauch gemacht w ird , auch ein positives Ergebnis dabei herauskommt, daß also dann auch w irklich v e ru rte ilt w ird und nicht die V e ru rte ilu n g etwa da ran scheitert, daß m an den subjektiven T a t­ bestand nicht nachweisen kann. Es ist eine etwas un­ juristische, mehr praktische E rw ägu ng, aber von dieser E rw ägu ng aus würde ich dazu kommen, den T a t­ bestand ru h ig w eit zu fo rm ulieren, also von unserer vorsichtigen Fassung: »in der Absicht, die Entscheidung des Gerichts zu beeinflussen« abzugehen und statt dessen die weitere Fassung zu wählen: »die geeignet ist, die

Entscheidung des Gerichts zu beeinflussen«, ohne jede ausdrückliche Einschränkung im Gesetz, also ohne einen Zusatz wie »in unangemessener Weise« oder »in un­ lauterer Weise«. D a s w äre etwas, was ich in das Ermessen der S taatsanw altsch aft stellen würde. Ich glaube, das w ürde dem englischen M uster am meisten ähnlich werden. I n E nglan d spielt der Tatbestand eine große Rolle. Ic h weiß nicht, ob den H erren der B ericht, der im Ja h re 1933 in der britischen D ierte ljahrssch rift er­ schienen ist, bekannt ist, der einen F a ll behandelt, der im englischen P a rla m e n t e rö rte rt wurde. D a s w a r ein ganz ähnlicher F a ll eines M o rdes und Versiche­ rungsbetrugs w ie unser F a ll Tetzner. Es w urde eines M o rgen s auf der Landstraße ein ausgebranntes A u to ­ m o bil m it einer verbrannten Leiche aufgefunden. D e r In h a b e r w urde wegen M ordes angeklagt. E r gab an, er habe einen Hanowerksburschen im A uto m itgenom­ men, dann sei ein Autounglück passiert. V o n der A n ­ klage w urde behauptet, er habe den M a n n u m die Ecke gebracht, um eine Versicherungssumme zu bekommen. Dieser F a ll ha t die englische Öffentlichkeit sehr be­ schäftigt, und die großen englischen Zeitungen haben entgegen ih re r sonst üblichen großen Zurückhaltung die S chuldftage und die Frage der G lau bw ürd igkeit des Geständnisses ausführlich e rörte rt. D e r M a n n ist ver­ u r te ilt und auch hingerichtet worden. I m englischen P a rla m e n t w urde damals die Frage an die Regierung gestellt, ob sie w eiter dulden wolle, daß die Öffentlichkeit zu einem schwebenden V erfahren S te llu n g nehme, wie es dam als geschehen sei. D a w urde die Frage des contempt of Court in einer Weise e rö rte rt, aus der w ir lernen könnten, wie streng das englische Volk über die P flic h t zur Zurückhaltung bei E rö rte ru n g schweben­ der S tra fv e rfa h re n denkt. I n E ngland w ird dieses ungeschriebene Gesetz m it Vorsicht gehandhabt, und ich möchte glauben, m an sollte bei einem solchen Tatbestand, der im Interesse der Rechtspflege geschaffen w ird , ru h ig auf eine vorsichtige und zurückhaltende Anwendung durch den S ta a ts a n w a lt vertrauen. D eshalb möchte ich den Vorschlag von H e rrn D ire k to r Leimer unterstützen. Professor D r . Mezger (München): D ie Bedenken von H e rrn G eheim rat Schäfer teile ich. »Geeignet« kann den Tatbestand in manchen Fällen auch ganz un ­ zweckmäßig einschränken. Ic h halte den Zusatz in jeder R ichtung fÜT bedenklich. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W i r sind uns w ohl darüber einig, daß das W o rt »geeignet« die abstrakte Geeignetheit bedeutet, nicht die konkrete Geeignetheit. Es herrscht doch w ohl kein Z w e ifel darüber, daß w ir n u r die abstrakte Geeignetheit meinen. (Professor D r . Mezger: D a s ist in solchen Fällen ziemlich zweifelhaft.) D a s hängt zusammen m it der Frage des G efährdungs­ delikts. (Professor D r . Mezger: M i t dem Unternehmens­ be griff kann m an natürlich noch etwas helfen, aber es ist hier sachlich verfehlt, auf das Objektive ab­ zustellen.) M in is te ria lra t D r . Schäfer: Auch die »abstrakte« Geeignetheit sollte man nt. E. bei einem deutschen Ge­ richt nicht unterstellen. 3*

Professor D r . Mezger (München): W ir kommen auf einen schiefen Weg, wenn w ir auf das vorgeschlagene objektive Merkm al abstellen. Professor D r . G raf Gleispach (B e rlin ): Ich frage mich, ob überhaupt eine Einschränkung notwendig ist. D ie Überschrift lautet: »Unlautere Einw irkung auf das Gericht«. Ich glaube, es würde genügen, zu sagen: »Wer während eines schwebenden Strafverfahrens die Schuldfrage öffentlich erörtert, . . . « . D a s braucht niemand zu tun, außer den Leuten, die amtlich dazu berufen sind. Wissenschaftliche Erörterungen abstrakter N a tu r, die etwa auch bei der Entscheidung eines kon­ kreten Falles in Betracht kommen können, scheiden meines Erachtens aus, weil sie nicht als unlautere Ein­ wirkungen in Zusammenhang m it dem Versuch der Einschüchterung gebracht werden können. Ich glaube, um solche Fälle auszuscheiden, genügt der Hinweis auf die Überschrift. Ich halte jedenfalls die Absicht oder Eignung nicht fü r erforderlich. D e r Gedanke ist doch der, daß, solange der Prozeß nicht rechtskräftig ab­ geschlossen ist, andere als die im Rahmen des Prozesses zugelassenen M itte l zur B ildung der Entscheidung über­ haupt nicht an das Gericht herangetragen werden sollen. M in is te ria lra t Schäfer: Sie würden also vorschla­ gen, die Worte »in der Absicht, die Entscheinung des Gerichts zu beeinflussen«, zu streichen? (W ird bejaht.) Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Der Vorschlag leuchtet m ir außerordentlich ein, und ich schließe mich ihm an. Es hat in der T a t etwas M iß ­ liches — da stimme ich Herrn Geheimrat Schäfer m — , davon auszugehen, daß etwas geeignet sein soll, die Entscheidung emes deutschen Gerichts zu beeinflussen. D as Z iel dieser ganzen Bestimmung ist doch, eine Beein­ flussung der öffentlichen Meinung, die Schaffung einer gewissen voreingenommenen Atmosphäre zu verhindern. Diesem Zwecke dienen w ir am besten, wenn w ir einfach die öffentliche Erörterung der Schuldfrage unterbinden. D a n n würden auch die Untersuchungsausschüsse dar­ unter fallen, die ich speziell bekämpfen wollte. Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg): Es fragt sich, wenn w ir diesen Zusatz streichen, ob man ihn nicht in irgendeiner Form fü r den zweiten F all braucht, denn die Einschüchterung von M itgliedern des Gerichts soll doch nicht allgemein unter S trafe gestellt werden, son­ dern höchstens die Einschüchterung in bezug auf irgend­ ein schwebendes Strafverfahren. Hier müßte also der Zusatz bleiben. M inisterialdirektor Schäfer: D ie Fassung wäre also: »Wer während eines schwebenden Strafverfahrens die Schuldfrage öffentlich erörtert oder es unternimmt, M itglieder des Gerichts, Vertreter der Anklagebehörde, Zeugen oder Sachverständige einzuschüchtern, . . . « W ird diese Fassung gebilligt? (Zustimmung.) I m übrigen vertrauen w ir auf vernünftige Hand­ habung durch die Staatsanwaltschaft. Nun käme die Frage, ob man die W orte »vor einem deutschen Gericht« hinzusetzen soll. Sachlich würde ich dem zustimmen, n ur warne ich davor, das an dieser Stelle hinzuzusetzen. D ie Redaktionskommission muß überlegen, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind.

Wenn man es hier hinzusetzt und an anderer Stelle nicht, dann könnten falsche Schlüffe daraus gezogen werden. Ich schlage hier nur eine Fußnote vor. — Dann wäre dieser Paragraph erledigt. (M inisterialrat D r. Schäfer: »Wer es unter­ nimmt« müssen w ir doch herausdestillieren!) — Sagen w ir: »einzuschüchtern sucht«. Z u § 195 liegt einmal die Anregung vor, Abs. 2 zu streichen. Das ist nur redaktionell. Dann ist von Herrn Direktor Leimer das W o rt »verschiedenen« be­ anstandet. Vielleicht versucht da die Unterkommission, einen Ausweg durch das W o rt »mehreren« zu finden. Professor D r . G raf Gleispach (B e rlin ): Ich möchte zu dem Abschnitt noch die Frage auswerfen, ob man nicht nach dem Muster einer Reihe von ausländischen Strafgesetzbüchern auch das Veröffentlichen von B ildern von Verbrechern, vielleicht auch vom T a to rt von V er­ brechen verbieten sollte, wobei vorbehalten bliebe, auch hier wieder einen Vorbehalt »zu wissenschaftlichen Zwekken« oder m it besonderer Erlaubnis zu machen. G rund­ sätzlich halte ich es fü r schädlich und würde es be­ grüßen, wenn es unterdrückt würde. M inisterialdirektor Schäfer: Müssen w ir dafür eine kriminelle S trafe haben? Können w ir nicht auf die Einwirkung des Propagandaministeriums, der K u ltu r­ kammer usw. vertrauen? (Professor D r. G ra f Gleispach: Allerdings geschieht es auch jetzt schon. M ir kommt es nur darauf an, daß es unterbleibt! — Professor D r . Nagler: Wenn schon, dann würde es in ein Pressegesetz gehören! — Senatspräsident P r o ­ fessor D r . Klee: Haben w ir nicht eine Bestimmung über Verherrlichung von Verbrechen?) — D a ist nur von Anreizen die Rede. D ann da rf ich den Abschnitt als erledigt betrachten. Es bliebe noch der 13. Abschnitt: Förderung strafbarer Handlungen. Ich schlage Ihnen vor, wenn die Referenten nicht be­ sonderen W ert darauf legen, hier eine Generaldebatte stattfinden zu lassen, sofort die Paragraphen einzeln zu erörtern. S ie liegen auch ganz verschieden. Ich bitte,, zunächst zu § 198 zu referieren. Berichterstatter Professor D r . Mezger (München): Die §§ 196 und 197 sind in den Allgemeinen T e il über­ gegangen. Es bleibt die Frage des § 198, das heißt die Frage, ob ein besonderer Tatbestand » B a n d e« hier in den B e s o n d e r e n T e i l eingefügt werden soll. Es w ird zu prüfen sein, ob nicht die ganze Bestimmung in den A l l g e m e i n e n T e i l hinübergenommen werden kann. Es ist aber bei anderer Gelegenheit schon zur Sprache gekommen, daß ein Bedürfnis besteht, auch Fälle zu treffen, in denen die D eliktsart auch noch nicht feststeht, so daß eine Täterstrafe deshalb nicht ausge­ worfen werden kann, weil man nicht weiß, nach welchem Paragraphen sich die Täterschaft bemessen soll. Daher w ird eine Bestimmung im Besonderen T e il nicht zu entbehren sein. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer (N ü rn ­ berg): Die Strafbestimmung ist schon gelegentlich der Besprechung des Tatbestandes »Auffordern und A n ­ reizen zur Begehung von Verbrechen gegen das Leben«

kurz gestreift worden. M a n ist dam als dazu gekom­ men, zu erwägen, ob nicht den Bedenken des H e rrn Professor Mezger dadurch Rechnung getragen werden könnte, daß man hier schwerere S tra fe fü r besonders schwere Fälle vorsieht. U nter diesem Gesichtspunkt hat man auch den P ara grap hen do rt gestrichen. Es ist dabei auch e rö rte rt worden, ob man nicht das W o r t »fortgesetzt« streichen könne, w e il sich aus dem T a t ­ bestand des § 198 ohnedies ergebe, daß hier mehrere Delikte in B etracht kommen müssen. Ic h glaube, man könnte das »fortgesetzt« weglassen und sollte besonders schwere Fälle schaffen. M a n muß sie w ohl schaffen, wenn man die V erbindung zu Tötungsbelikten hinein­ n im m t. Ic h w ürde aber vorschlagen, hier nicht einzelne S tra fta te n aufzuführen, sondern allgemein zu sagen: »W er sich m it einem anderen zur Begehung von S t r a f ­ taten verbindet, die im einzelnen noch nicht bestimmt sind, w ird m it G efängnis, in besonders schweren Fällen m it Zuchthaus bestraft«. Ic h vermag nicht einzusehen, w aru m n u r Diebstahl, B e tru g , Erpressung und in s ­ besondere das unberechtigte Jagen und Fischen die Fälle sind, die hier besonders in Betracht kommen. Es gibt auch andere D elikte, zu denen man sich verbinden kann, und es w ird die gleiche Gefahr dadurch herbeigeführt. Z u m zweiten Absatz möchte ich bemerken, daß hier, w eil es sich um eine V orbereitungshandlung handelt, entsprechend §§ 30 und 31 w ohl eine S tra ffre ih e it zuge­ sichert werden kann. Professor D r . D ahm (K ie l): D ie Bestim m ung des § 198 gehört meiner M e in ung nach nicht in den A llg e­ meinen T e il hinein, sondern in den Abschnitt über A n ­ griffe gegen den öffentlichen Frieden. Ic h bin m it H e rrn D ire k to r Leimer der M e in u n g , daß der T a t­ bestand lveiter ausgedehnt werden muß. Neben der V erbindung zu Diebstahl und B e tru g sollte auch die Bandenbildüng zur Begehung von Körperverletzunaen, Beleidigungen, S ittlichkeitsdelikten usw. erfaßt werden, auch dann, wenn diese T aten keine Verbrechen sind. Ic h w ürde ganz allgemein diejenigen unter S tra fe stellen, die sich zur Begehung von strafbaren H a nd lun­ gen zusammenschließen. D a s Wesentliche scheint m ir — d a rin weiche ich von H e rrn Professor Mezger ab — die B ild u n g der Bande zu sein, nicht die Gefährdung des konkreten Rechtsgutes. D a ra u f liegt der T o n. Deshalb sollten diese Bestimmungen nicht in den A b ­ schnitt über die Förderung strafbarer Handlungen und A n g riffe gegen die Rechtspflege aufgenommen 'werden, sondern ihren P latz im Abschnitt über die Gefährdung der öffentlichen O rdnung, des öffentlichen Friedens finden. D en Zusatz »fortgesetzte Begehung von strafbaren Handlungen« w ürde ich aus den von H e rrn D ire k to r Leimer angeführten Gründen streichen. Auch der Z u ­ sammenschluß zur Begehung eines bestimmten M ordes sollte hier m ite rfa ß t werden. Professor D r . G r a f Gleispach (B e rlin ): Ich glaube zunächst, daß der 13. Abschnitt nicht aufrecht erhalten werden kann. W ir haben bisher die Abschnitte im m er durch die R ichtung des A ngriffes, durch die Benennung des Rechtsgutes, gegen das sich diese Verbrechen richten, bezeichnet, und dieser Gesichtspunkt würde hier ver­ lassen werden. Ich b in bezüglich des D elik ts Bande der M e in ung , daß es überhaupt nicht in den Abschnitt gehört. Ic h würde mich an erster S telle dem V o r39.

schlag Mezger anschließen. Es ist n u r bei der T ä te r­ strafe die eine S chw ierigkeit, daß die D elikte, die began­ gen werden sollen, noch ganz unbestimmt sind. D as hat uns w ohl auch seinerzeit bestimmt, es dort zu streichen, wo es schon w a r. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: W enn man die Bande hier ganz streichen und entsprechend der A nregung von H e rrn Professor D a h m etwa in den Abschnitt: S tö ru n g der öffentlichen O rd nun g einstellen würde, dann taucht vielleicht die weitere M öglichkeit auf, diesen ganzen Abschnitt zu beseitigen und die Bestim­ mungen in den Abschnitt der Rechtspflege hinein­ zunehmen. Professor D r . G ra f Gleispach (B e rlin ): D a s geht jedenfalls bezüglich der S tra fv e rfo lg u n g , n u r m it der Begünstigung ist es kritisch. M a n kann es natürlich auch in der Rechtspflege machen. Ic h w a r immer d a fü r, daß w ir einen bann etwas vergrößerten A b ­ schnitt, vielleicht sogar m it ein pa ar Unterabschnitten bilden: A n g riffe gegen die Rechtspflege. B e i Abs. 2 w äre ich fü r S treichung. D urch das Sichzurückziehen von der Bande ist nicht gutgemacht, w as das einzelne B andenm itglied gerade unter dem Gesichtspunkt einer S tö ru n g oder Gefährdung des Volksfriedens schon getan hat. Ic h kann m ir sehr ty it vorstellen, daß die Bande n u r zustande kommt, w e il A . m ittu t. D a n n zieht sich A . zurück, aber inzwischen haben sich andere dazugefunden und die Bande bleibt aufrecht. D ie G efährdung, die d a rin liegt, daß m an die B ande bildet oder sich ih r an­ schließt, ist nicht dadurch beseitigt, daß man sich zurückzieht. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: K a n n ich die Anregung von H e rrn Professor Mezger, § 198 in den allgemeinen T e il einzuschieben, als zurückgezogen betrachten? (Zustim m ung.) D a r f ich w eiter als M e in u n g der Komm ission betrach­ ten, daß w ir 198 aus diesem Abschnitt entfernen und in den Abschnitt über h e S tö ru n g der öffentlichen O rdnung einfügen? (Zustim m ung.) U nd daß w ir dann glvich in Aussicht nehmen und es der Unterkommission zur A usarbeitun g überlassen, den ganzen Rest dieses Abschnittes, der n u r noch vier oder fü n f P ara grap hen um faßt, in den vorigen Abschnitt über die Rechtspflege einzufügen? D a s ist auch g e billig t. D a n n d a rf ich vielleicht auch gleich ohne Debatte als g e b illig t betrachten die Anregung von H e rrn D ire k to r Leim er, fü r besonders schwere Fälle Zuchthaus vorzusehen? Es besteht Einverständnis. Es bleiben jetzt noch zwei Fragen, einm al die Frage der E rw eiterung des K atalo gs bei den Vergehen und zweitens die Frage, ob w ir den Abs. 2 streichen sollen, entsprechend der A nregung von H e rrn G r a f Gleispach. W as die erste Frage b e trifft, die E rw eiterung des K atalogs, so haben sich, wie m ir scheint, die Herren, die sich bisher geäußert haben, fü r die E rw eiterung ausgesprochen. Ic h mochte im m e rh in eins zu bedenken geben. S o g la tt ist diese Losung auch nicht. W ollen S ie also beispielsweise als eine Bande auch rwei Land­ streicher betrachten, die gemeinsam au f die Walze ehen, oder zwei B e ttle r? D ie F ä lle des Bettelns und es Landstreichens werden w ir zu Vergehenstatbestän4

den gestalten. W ollen S ie beispielsweise einen K lub, der sich zu verbotenem Glücksspiel zusammentut, auch d a runter verstehen? D e r K lu b tu t sich zusammen m r Begehung von unbestimmten S tra fta te n . S ollen oas alles »Banden« sein? (Vizepräsident G ra u : D a s ist doch die V erab­ redung eines bestimmten D e lik ts , wenn zwei Land­ streicher losgehen! D a s fä llt nicht hierunte r!) D ie E n tw ü rfe haben geschwankt. U rsprünglich w a r der Tatbestand au f Verbrechen beschränkt, dann waren Verbrechen und Vergehen um faß t, dann ist man auf den K atalo g gekommen: alle Verbrechen und diejenigen Vergehen, bet denen der Zusammenschluß zu einer Bande Praktisch vorkom m t und gefährlich ist, nämlich bei Diebstahl, B e tru g , Erpressung, Jagen und Fischen. Ic h w ollte n u r auf diese A u s w e itu n g hinweisen/ ich lege selbst nicht entscheidendes Gewicht oa rauf. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e rlin ): Ic h w ürde vorschlagen, den Abs. 2 des § 198 des Referentenentwurss genau so zu gestalten, wie w ir § 175 über staatsfeindliche Verbindungen, letzten Absatz, in Aussicht genommen haben. E s ist eben schon darauf hingewiesen w orden, daß auch h ie r ein besonderes Interesse der Behörden d a ra n besteht, die M itg lie d e r der Bande kennenzulernen. Es ist sehr rich tig gesagt worden, daß, wenn jemand zu rü cktritt, d a m it eigent­ lich das friedenstörende M o m e n t nicht beseitigt ist/ denn die B ande besteht ja fo r t. A ber aus k rim in a l­ politischen G ründen sollte m an doch demjenigen eine P rä m ie geben, der von der B ande zurücktritt und gleichzeitig der Behörde M itte ilu n g vom Bestehen der Bande macht, so daß die Behörde die Bande bekämpfen und aufheben kann. Deswegen möchte ich vorschlagen, den Abs. 2 nicht etwa zu streichen, sondern ihn im Gegenteil der Fassung des letzten Absatzes des § 175 noch mehr anzupassen. Vizepräsident Grau: Ic h w ürde dem Gedanken von H e rrn Professor Klee beitreten, daß m an den R ücktritt erschweren und nicht einfach den, der von der V e r­ bindung zurücktritt, fü r s tra ffre i erklären sollte/ man muß über den R ü c k tritt hina us noch etwas mehr ver­ langen. N u n b in ich a llerdings grundsätzlich der A n ­ sicht, daß man nicht von Gesetzes wegen irgend jemand zumuten soll, seine früheren Kameraden zu verraten. Ic h w ürde deshalb so vorschlagen: Es w ird nicht bestraft, w er fr e iw illig von der V erb in dun g zurücktritt und das weitere Fortbestehen der Bande verhindert. W ie er das macht, ob durch Anzeige bei einer Behörde oder dadurch, daß er au f die Leute ein w irk t, ist im E rfo lg dasselbe. Ä hnlich haben w ir es schon bei der V erabredung eines Verbrechens in § 31 gemacht/ auch d o rt haben w ir es d a ra u f abgestellt, daß der erstrebte E rfo lg verhinde rt w ird . Z u Abs. 1 w ürde ich es fü r ric h tig halten, den Tatbestand auf alle S tra fta te n auszudehnen, die in das Strafgesetzbuch hineingehören. D enn ich glaube, daß Banden jeder A r t, gleichgültig, welche S tra fta te n sie begehen, eine außerordentliche G efahr fü r den öffent­ liche O rd nun g darstellen, und daß ein B e d ü rfn is besteht, ihre Teilnehm er im m er zu bestrafen. Professor D r . Mezger (M ünchen): W as die A us­ dehnung a u f andere D elikte ohne Rücksicht auf den C harakter als Verbrechen oder Vergehen anlangt, so

möchte ich auch dieser A nregung nachgeben. Es dürfte nicht gerechtfertigt sein, den K re is zu eng durch H e r­ vorhebung n u r ganz bestimmter D elikte zu ziehen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: D ie Schwierigkeiten liegen auch a u f dem Gebiete des Nebenstrafrechts. W enn sich zwei zusammentun, um ohne Wandergewerbeschein zu hausieren, ist das schon eine Bande? (Professor D r . Mezger M ünchens: Es bleibt 202, und ich w ürde denken: strafbare Handlungen des Strafgesetzbuchs/ man kann es nicht riskieren, hier jedes beliebige und künftig ergehende Nebengesetz m itzutreffen! — Z u r u f: Sprengstoffverbrechen!) V ielleicht folgen w ir dieser Anregung. W i r setzen die Vergehen allgemein herein und machen eine Fußnote: Es w ir d noch zu prüfen sein, ob bezüglich der Vergehen eine Einschränkung angezeigt ist. Bezüglich Abs. 2 können w ir vielleicht der Anregung von H e rrn Vizepräsident G ra u folgen. (Professor D r . Mezger fM ünchenj: Anpassung an 175!)

Also

— U nd an § 31 Abs. 2 . § 1 7 5 paßt nicht ganz. Wegen des W orte s »fortgesetzt« ist w o h l die S tim m u n g überwiegend dahin gegangen, das W o r t zu streichen. Berichterstatter Professor D r . Mezger (München): Es fo lg t die u n t e r l a s s e n e V e r b r e c h e n s ­ a n z e i g e d e s § 1 9 9. Es ergeben sich aus ihm keinerlei bedenkliche Konsequenzen fü r die Unterlassungs­ delikte überhaupt. I m Gegenteil, er dient zur K la r ­ stellung dahin, daß die unterlassene Derbrechensanzeige als solche n i c h t schon eine B e te ilig u n g an der S tr a f ta t ist. E r läß t, w ie schon die Begründungen zu den früheren E n tw ü rfe n hervorgehoben haben, durchaus offen, fa lls eine besondere P flic h t zur Derbrechensver­ hinderung besteht, daß eine B e teiligu ng durch U n te r­ lassung an dem Verbrechen selbst anzunehmen ist und demzufolge die T ä terstrafe P latz zu greifen hat. Eine E rw e ite ru n g ist in dem jetzigen Tatbestand egenüber dem geltenden Recht durch die W o rte : »oder er A u sfü h ru n g eines Verbrechens« eingetreten. D ie bisherige Rechtsprechung hat den W o rtla u t des § 139 S t G B auch schon in dieser Weise erw e itert, und es ist deshalb durchaus angezeigt, daß dies in das Gesetz selbst aufgenommen w ird . I n der preußischen Denkschrift ist auf S . 41 Abs. 1 Satz 2 eine E rw e ite ru n g in dem S in n e gewünscht, daß die Täterstrafe bet besonders schwerwiegenden D elikten ganz allgemein P latz greifen soll. Es ist d o rt gesagt: »richtet sich die geplante T a t in ih re r A u s ­ w irku n g gegen das W o h l der Volksgemeinschaft, gegen die S ta a tsg ru n d o rd n u n g oder gegen das Leben eines Volksgenossen, so ist dte Unterlassung w ie die T a t selbst zu strafen«. Es scheint m ir in keiner Weise angängig zu sein, daß man hier den sonstigen ganz klaren Grundsatz durchbricht und n u r wegen der Schwere der T a t eine Täterkonstruktion v o rn im m t, die man sonst ablehnt. I m übrigen trete ich der sonstigen Fassung des Referentenentwurfs bei. Namentlich scheint m ir die W endung glücklicher zu sein: der Behörde oder dem Bedrohten »rechtzeitig« Anzeige zu machen. D a s ent­ spricht auch dem geltenden Recht, wenn es auf ein »unverzügliches« Anzeigen abstellt, ist aber zutreffender ausgedrückt.

I n der preußischen Denkschrift ist der Vorschlag ge­ macht w orden, das D e lik t auch auf das bereits b e g a n g e n e D ord elikt auszudehnen. Schon im Refe­ rentenentw urf ist gesagt: »2Ber von dem Vorhaben oder der A usfüh run g eines Verbrechens zu einer Z e it, wo die A usfüh run g o d e r d e r E r f o l g noch abgelvendet werden k a n n . '. . « . W enn also der T ä te r m it dem Versuch begonnen hat, der E rfo lg aber noch nicht eingetreten ist, dann besteht auch nach dem Referenten­ e n tw u rf noch eine Anzeigepflicht. R u r in dem Falle, in dem das D e lik t auch nach der objektiven S eite hin vollendet ist, besteht eine solche Anzeigepflicht nicht. Ic h möchte mich hier m it Entschiedenheit fü r den S ta n d ­ punkt des E n tw u rfs aussprechen. Es geht, glaube ich, nicht an, eine allgemeine P flic h t zur Anzeige begangener S tra fta te n aufzustellen/ das würde das V e rh ä ltn is zwischen den Aufgaben der S trafverfolgungsbehörden und den Aufgaben des einzelnen ganz außerordentlich und in unheilvoller Weise verwischen. Es wäre dies zudem krim in alpolitisch höchst bedenklich und gefährlich, w eil m an d a m it dem Denunzianten D erteidigu ngsm ittel in die H and liefern würde, die ihm ganz gewiß nicht in die H and geliefert werden sollen. Gewisse Schwierigkeiten dieser M a te rie hängen m it der Einschränkung der S tra fb a rk e it in bezug auf ge­ wisse Vertrauensverhältnisse zusammen. B e im Geist­ lichen ist im Referentenentw urf ganz allgemein gesagt: "E in Geistlicher ist nicht verpflichtet, anzuzeigen, was ihm bei Ausübung seines Seelsorgeramtes a n v e rtra u t worden ist.« Ic h habe dazu nichts w eiter zu bemerken/ man w ird hier die generelle Einschränkung machen müssen. B e i anderen Personen, namentlich also beim Rechts­ a n w a lt, V erte idiger und A rz t, ist in dem nachfolgenden Absatz die S tra ffre ih e it nicht so allgemein fo rm u lie rt. Es sind hier vielm ehr dieselben Voraussetzungen wie bei den Angehörigen zur S tra ffre ih e it v e rla n g t: »toenn er sich ernstlich bemüht hat, ihn von der T a t abzuhalten oder den E rfo lg abzuwenden und es sich nicht um eine T ö tu n g handelt.« D e r H e rr M itberichterstatter wendet sich gegen diese Einschränkung. Ic h möchte ihm die näheren Ausführungen in dieser R ichtung über­ lassen. Ic h habe meinerseits keine durchschlagenden B e ­ denken. Roch zwei Einzelbemerkungen! M i t der preußischen Denkschrift halte ich zunächst die Beschränkung auf g r o b fahrlässiges Handeln fü r angezeigt. D a s zweite Bedenken bezieht sich auf das Fahrlässigkeitsdelikt des Abs. 3. D o r t muß im Interesse der K la rh e it ein­ gefügt werden: »W er die Anzeige t r o t z g l a u b h a f t e r K e n n t n i s fahrlässig unterläßt.« Es ist d a m it keine sachliche Veränderung gegenüber dem Referenten­ e n tw u rf vorgeschlagen, sondern n u r klargestellt, was d o rt gemeint ist. A lle früheren E n tw ü rfe , sofern sie Fahrlässigkeitsdelikte einführen, und m it ihnen der Re­ ferentenentw urf w ollen nicht etwa die fahrlässige U n te r­ lassung d o rt strafen, wo jemand fahrlässig keine K ennt­ n is von dem Verbrechen hat, sondern sie w ollen d o rt, w o eine glaubhafte K enn tnis vom Verbrechen vorhanden ist, das fahrlässige Unterlassen der Anzeige strafen. Auch die preußische Denkschrift, wie aus dem V o r ­ schlag a u f S eite 41 hervorgeht, ist durchaus der gleichen Ansicht. Also die Sache steht fest/ aber im Interesse der K la rh e it muß die W ortfassung verbessert werden.

Landgerichtsdirektor Leimer (N ü rn b e rg ): D ie a ll­ gemeine B estrafung der Nichtanzeige begangener V e r­ brechen halte auch ich fü r nicht geboten, ich spreche mich dagegen aus. M a n kann nicht jedem Menschen zumuten, daß er jede strafbare H and lung oder auch nur das Verbrechen, das er irgendw ie m a l bei einem S pazier­ gange beobachtet hat, bei V erm eidung der S tra fe zur Anzeige bringen muß. Es w ir d bei uns genügend an­ gezeigt, es w ird eher zu viel angezeigt, und darum ist ein B e d ü rfn is in dieser R ichtung sicherlich nicht ge­ geben. Es ist auch nicht die Aufgabe des P riv a te n , zu sorgen, daß die P olize i h in te r die Verbrechen kommt. D ie P o lize i ist schon durch die ih r zu Gebote stehenden M it t e l in der Lage, die V e rfo lg u n g der Verbrechen ein­ zuleiten. Ic h kann mich in dieser Beziehung m it dem, was H e rr Professor Mezger gesagt hat, einverstanden erklären. W a s die Unterlassung der Anzeige eines beabsichtig­ ten oder bereits ausgeführten, aber noch ohne E rfo lg gebliebenen Verbrechens anlangt, so stimme ich dem zu, was der R eferentenentw urf im Abs. 1 des § 199 v o r­ schlägt. Es ist, wie sich aus dem uns neu zur V e r­ fügung gestellten M a te ria l ergibt, von dem H e rrn Braunschweigischen Iu s tiz m in is te r angeregt worden, den Tatbestand auf bestimmte Verbrechen zu be­ schränken. Ic h halte das nicht fü r notwendig. H ie r allerdings zeigt sich, glaube ich, der M a ngel der bis­ herigen Feststellung der Begriffsbestim m ung »V er­ brechen«. M a n weiß eigentlich g a r nicht, was man un ter S tra fe stellt. D a s ist ein Fingerzeig dafür, daß w ir eine Verbrechensdefinition im Strafgesetzbuch brauchen. D a s können w ir nicht der S tra fve rfo lg u n g s­ behörde überlassen. Ic h w ürde es hie r beim »Vorhaben oder der A usfüh run g eines Verbrechens« lassen und keine Einschränkung bringen. W a s die fahrlässige Unterlassung anlangt, so ist es w o h l notwendig, sie besonders anzuführen. Z u den Abs. 3 und 4 habe ich nichts hinzuzufügen. Hinsichtlich der übrigen Ausnahmefälle bin ich m it der A r t einverstanden, wie der E n tw u rf die Anzeige­ pflicht der Angehörigen gestaltet. Jedoch würde ich hier nicht sagen: »und es sich nicht um eine T ö tu n g handelt«, sondern w ürde von »todeswürdigen V e r­ brechen« sprechen. Es g ib t in unseren Landesverrats­ und Hochverratsbestimmungen Verbrechen, wo es sich nicht um T ö tu n g handelt, w o aber auch fü r Angehörige die P flic h t besteht, eine Anzeige zu erstatten. Es w ird auch fü r den Laien nicht zu schwer sein, zu entscheiden, ob es sich um ein »todeswürdiges Verbrechen« handelt. D a s gleiche würde ich bei der fahrlässigen Unterlassung hinzusetzen, w e il m ir d o rt die Schuld nicht so schwer scheint, wenn es sich um einen Einbruchsdiebstahl oder etwas ähnliches handelt. W enn es sich dagegen um todeswürdige Verbrechen handelt, dann ist die P flic h t zur Aufmerksamkeit eine erhöhte, dann kann man auch nicht vielleicht die Anzeige einm al vergessen dürfen, sondern dann muß man alle Aufmerksamkeit a u f­ wenden, um der Behörde rechtzeitig M itte ilu n g zu machen. W as nun die weitere Ausnahme fü r die A nw älte, V e rte id ig e r und Ärzte a n la ngt, so ist dieser T e il der Ausnahme den V orschriften fü r Angehörige nach­ gebildet worden. Ic h halte das nicht fü r glücklich. Diese V ertrauensleute erhalten in der Regel n u r von

einem schon begangenen Verbrechen K enntnis. Ich glaube nicht, daß einer zum A n w a lt gehen und ihm erzählen w ird , daß und w ie er ein Verbrechen begehen w ill. Auch der A rz t w ird nicht K enntnis erhalten, daß eine A btre ibung vorgenommen werden w ill, sondern er w ird von der vorgenommenen A btre ibung Kenntnis erhalten. E in A bhalten von der T a t kommt deshalb w ohl nie in Frage, m an kann dem A rz t und Rechts­ a n w a lt aber auch nicht allgemein zumuten, den E rfo lg zu verhindern. E r w ir d sonach im m e r anzeigen müssen. Eine solche P flic h t festzustellen, geht nicht an. M a n muß hier doch berücksichtigen, daß es sich um Vertrauenspersonen handelt und daß dieses Dertrauensverhältnis gestärkt werden sollte. Schon die Tatsache, daß der § 325 die Schweigepflicht nun nicht mehr allgemein bestimmt, sondern insbesondere dort, w o ein öffentliches Interesse besteht, auch fü r den A rzt und fü r den A n w a lt vorsieht, daß er von dieser Schweigepflicht entbunden ist, w ird dazu führen, daß die hie r genannten Dertrauenspersonen pflichtgemäß handeln und da, wo es notw endig ist, Anzeige erstatten. A ber sie strafbar zu machen, wenn sie nicht anzeigen und nicht alles unternom m en haben, um den T ä ter, den sie vielleicht g a r nicht kennen, von der T a t zurück­ zuhalten oder den E rfo lg abzuwenden, das kann ich als gerechtfertigt nicht ansehen. Ic h w ürde deshalb vorschlagen, bei ihnen, auch m it der AuSnahmevorschrift, daß es sich um todeswürdige Verbrechen handelt, eine N ichtverpflichtung zur Anzeige einzu­ führen, wie in meinen schriftlichen Ausführungen dargelegt ist. W as den letzten Absah a n la n g t, so glaube ich, daß es auf den Z e itpun kt der K enntniserlangung nicht an­ zukommen hat/ denn w er K enn tnis von einem beabsich­ tigten Verbrechen erla ngt, es nicht anzeigt, aber dann den E rfo lg verhindert, sollte doch, wenn man über­ haupt jemand stra ffre i läß t, auch stra ffre i bleiben. Es kom m t da ra u f an, daß der E rfo lg verhindert w ird , und nicht da rauf, daß jeder P o liz e i spielt. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Es sind eine Reihe von Anregungen von den H erren Referenten gegeben w o r­ den. V ielleicht beschränken w i r die Debatte a u f die einzelnen Punkte und erledigen sie nacheinander. Einige P unkte sind da runter, die w i r kurz ohne Debatte er­ ledigen können. D azu möchte ich zunächst eine A n ­ regung von m ir aus geben, d a m it w ir uns nicht in der D ebatte verlieren. D ie ganze Fassung des § 199 m uß von der Unterkomm ission nach der R ichtung nach­ ge prüft werden, welche Konsequenzen sich aus oer Ge­ staltung des U nternehmensbegriffs in der von der Komm ission beschlossenen Fassung ergeben. W enn von »Vorhaben oder der A u s fü h ru n g « die Rede ist und w e ite r gesagt w ird »wenn das Verbrechen versucht oder vollendet w ird « , so müssen diese Wendungen von der Unterkommission durchgeprüft werden. Diese A us­ w irkungen können im kleinen Kreise besser nachgeprüft werden. D a n n scheinen m ir die Anregungen der H erren Refe­ renten über die Ausgestaltung des Abs. 3 keiner Debatte zu bedürfen. D ie zur K la rs ^ llu n g angeregte Fassung: » W e r trotz glaubhafter K e n n tn is . . . « begegnet wohl keinem W iderspruch. D ie andere Frage ist: W olle n w i r den F a ll des fahrlässigen Deliktes a u f das V orliegen grober F a h r­

lässigkeit beschränken? W ir d dazu das W o rt gewünscht, oder w ollen w ir d a rin kurzerhand den Referenten folgen? (Zustim m ung.) D a n n w ürde das auch erledigt sein, und w ir können diese beiden Punkte aus der Debatte ausscheiden. V ielleicht können w ir auch aus der Debatte aus­ schalten den von H e rrn D ire k to r Leim er angeschnittenen P u n k t: D a ß w ir im 6. Abschnitt die W endung »um eine T ö tu n g (§§ 245 und 246) handelt« ersetzen wollen durch »um ein todeswürdiges Verbrechen handelt« oder »um ein m it Todesstrafe bedrohtes Verbrechen han­ delt«. Ic h glaube, auch dieser A nregung hat sich H e rr Professor Mezger angeschlossen? (Professor D r . Mezger sMünchenj: Jedenfalls habe ich nichts dagegen!) Den P u n k t können w ir also in diesem S inne als er­ ledigt betrachten. Danach bleiben, soweit ich sehe, von den Anregungen der H erren Referenten drei ü b rig , die w i r in der D e ­ batte zweckmäßigerweise trennen. D ie erste A nregung geht dahin, im Falle des Abs. 1 die Täterstrafe dann vorzusehen, wenn die Anzeige in bezug auf schwere S tra fta te n unterlassen w a r. (Professor D r . Mezger M ünchens: Ic h habe das aber nicht angeregt, sondern abgelehnt!) — E s ist eine A nregung der preußischen Denkschrift. V on H e rrn P rofessor Mezger und H e rrn Landgerichts­ direktor Leim er w ir d dies nicht be fürw ortet. D a r f ich fragen, ob die A nregung der preußischen Denkschrift von anderer S eite aufgenommen w ird ? (W ir d verneint.) D a n n w ird dieser P u n k t als erledigt betrachtet, und zwar durch Abs. 2 : »in besonders schweren Fällen ist die S tra fe « soundso. (Vizepräsident G ra u : Zuchthaus nach oben beschränkt?) — D a s kann man u n e rö rte rt lassen. W i r legen augen­ blicklich auf den S tra fra h m e n bei dieser E rö rte ru n g kein Gewicht. D a n n bleiben noch zwei Fragen ü b rig . E in m a l die Frage der Ausdehnung der Anzeigepflicht, der S t r a f ­ barkeit und des Tatbestandes auch in bezug au f beganene S tra fta te n . D a s ist eine A nregung der preuischen Denkschrift, die n u r zur Debatte gestellt w o r­ den ist, aber von keinem der beiden H erren Referenten be fürw ortet w ird . D a r f ich fragen, ob diese A nregung aufgegriffen w ird ? (S enatspräsident Professor D r . Klee ^B erlins: J a , ich würde sie vertreten!) D a n n w ürden w ir diesen P u n k t e rörte rn müssen. D a n n bliebe von den Anregungen noch die Frage der Gestaltung der Ausnahmen im vorletzten Absatz üb rig. D a s ist die A nregung des H e rrn Kollegen Leimer, die Rechtsanwälte, V erte idiger und A rzte hier doch etwas anders zu behandeln als die Angehörigen, also ihnen eine Zwischenstellung zwischen den Geistlichen und den Angehörigen zu geben. (Senatspräsident Professor D r . Klee ^B erlins: Ic h bitte, in diesem Zusamm enhang auch den Abs. 5 zur D ebatte zu stellen, ob die Geistlichen hie r eine Sonderstellung bekommen sollen.)

— Schön! — Ich bitte, jetzt zunächst die Frage der Ausdehnung auf die Anzeige begangener S traftaten zu erörtern. Professor D r . G ra f Gleispach (B erlin ): Ich möchte zu einem P unkt sprechen, der bisher überhaupt noch nicht angeregt worden ist, aber den ganzen Tatbestand betrifft. D e r Ausgangspunkt ist: bestraft w ird, wer nicht anzeigt, sei es der Behörde, sei es dem Bedrohten/ wer es nicht tut, kann straflos werden, wenn er nachher das Verbrechen verhindert. M einer Meinung nach wäre es wohl das richtige, die Pflicht aufzustellen: du hast anzuzeigen oder in anderer Weise das Verbrechen zu ver­ hindern, und die Unterlassung, also die Verletzung einer grundsätzlich alternativen Verpflichtung unter S tra fe zu stellen/ denn wenn der F a ll so liegt: er kann anzeigen, er kann aber auch sehr leicht hindern, so hat er doch meines Erachtens die Pflicht zu hindern, denn die A n ­ zeige kann vielleicht doch noch zu spät kommen, und das Verbrechen kann gehindert werden, wenn er sofort eingreift. E r soll also zum mindesten hindern, wenn er das tun kann. Ministerialdirektor Schäfer: Eine Frage, H err G r a f Gleispach: das, was S ie eben anregen, soll keine sach­ liche Änderung sein? Ich frage in bezug auf folgen­ des: Wenn w ir hier sagen würden, es besteht eine Anzeigepflicht, dann droht die Gefahr, daß w ir aus diesem echten Unterlassungsdelikt zu dem unechten Unterlassungsdelikt hinüberkommen — das wollen S ie doch nicht? — , so daß man also auf die Täterstrafe kommen könnte: weil er nicht den M o rd verhindert hat, w ird er selbst als M örder bestraft. D a s wollen S ie doch nicht? (Professor D r . G ra f Gleispach [© erlitt]: Nein, ich w ill insofern durchaus in dem Rahmen bleiben!) W ir dürfen unsere Augen auch nicht ganz den A us­ wirkungen verschließen, die eventuell nach der Seite des bürgerlichen Rechts entstehen könnten, daß w ir hier gewissermaßen ein sogenanntes Schutzgesetz aufstellten und den § 823 Abs. 2 hier zur Anwendung kommen ließen. D a s würde meiner Meinung nach falsch sein. Aber auch das beabsichtigen S ie nicht, sondern S ie beabsichtigen eigentlich nur eine mehr redaktionelle Umgestaltung. (Professor D r . G ra f Gleispach [B erlin ]: Nein!) — Nicht nu r, aber doch im wesentlichen. am Wesen des Tatbestandes nicht rühren.

S ie wollen

Professor D r . G ra f Gleispach (B erlin ): Insofern nicht rühren, als es ein echtes Unterlaffunasdelikt sein soll. M a n konstruiert eine besondere Pflicht, das V e r­ brechen zu verhindern oder amuzeigen, und derjenige, der das nicht tut, w ird als Gehilfe oder erweiterter T ä te r bestraft. D a s ist selbstverständliche Doraussetzuna. Aber ich glaube doch, daß man den T a t ­ bestand erweitern sollte, der jetzt ausschließlich das Nichtanzeiaen erfaßt, während ich sage: unter U m ­ bänden soll er auch strafbar sein, wenn er nicht gehin-

Ministerialdirektor Schäfte: S ie wollen also erstens bestrafen — wie der Tatbestand hier sagt — das Unter89.

lassen der Anzeige und zweitens als de-lictum sui generis das Unterlassen der Hinderung des Erfolgs. (Professor D r . G ra f Gleispach [B e rlin ]: Ich würde das aber nicht trennen.) — Nicht trennen, aber das wollen S ie parallel schalten. (Zustimmung.) D e r E ntw urf geht davon aus: Zumuten kann ich im allgemeinen nicht die Hinderung des Erfolges, zumuten kann ich aber die Anzeige. Und' S ie wollen jetzt weitergehen: zumuten kann ich eins von beiden/ aber welches von beiden, das überlasse ich dem T ä ter. D a s würde doch im wesentlichen auf eine redaktionelle U m ­ gestaltung hinauslaufen. D e r letzte Absatz, der als Straffreiheitsgrund gefaßt ist, w ird hier in ein alter­ natives Tatbestandsmerkmal umgedeutet. — D ann wollen w ir uns im Augenblick auf diese Debatte beschränken/ sonst verlieren w ir uns. Professor D r . Kohlrausch (B erlin ): Ich habe Herrn Grafen Gleispach so verstanden: wenn die Möglichkeit besteht, entweder zu bindern oder anzuzeigen, dann muß man hindern, weil die Anzeige eventuell zu spät kom­ men könnte. D ie Pflicht zu hindern steht dann also vor der Anzeigepflicht. D a r in läge eine sachliche, nicht nur eine redaktionelle Änderung. (Professor D r . G r a f Gleispach [B erlin ]: W m n die Anzeige zu spät kommen würde, dann muß er hindern!) Ministerialdirektor Schäfer: W ir müssen überlegen, ob das in dem Sinne zumutbar ist, daß sonst kriminelle S tr a ft Platz greifen soll. Professor D r . Nagler (Breslau): Ich würde doch vorschlagen, es bei der bisherigen Fassung des Abs. 6 zu belassen: » S tra ffre i ist, wer« usw. Dieses Hindern ist in solutione, es ist nicht in obligatione. I m V o r­ schlag des H errn Kollegen Gleispach soll die Hinderung in obligatione sein, genau so wie die Anzeige. Aber ich werde den Verdacht nicht los, daß w ir uns da aus eine schiefe Ebene begeben, daß allmählich eine Pflicht, zu hindern, als Rechtspflicht konstruiert w ird . D ann sind w ir bei der negativen Beihilfe, mehr noch bei der extensiven Täterschaft, also dort, wohin w ir eben nicht kommen wollten, als w ir früher über das Kommissivdelikt durch Unterlassung gesprochen haben. D aru m würde ich es doch vorziehen, es beim Abs. 6 zu belassen. (Ministerialdirektor Schäfer: Ich neige auch dazu.) Senatspräsident Professor D r . Klee (B erlin ): D ie Frage, ob man verpflichtet ist, die Ausführung eines Verbrechens zu verhindern, hängt davon ab, welchen Umfang w ir der Rechtspflicht zum Handeln im Allgemeinen T e il bei der Unterlassung geben w ollm / diese Frage ist noch nicht geklärt. Jedenfalls, glaube ich, tun w ir gut daran, die Frage nicht m it dem Tatbestand der unterlassenen Derbrechensanzeige zu verquicken. Ministerialdirektor Schäfer: D a s ist die Richtlinie, die uns gegebm worden ist. Ich habe soeben in die Fußnote zu § 11a hineingesehen. D a heißt es: D ie Fälle, in denen die gesunde Volksanschauung, die S itte und das Rechtsgefühl über den § 11a hinaus eine Bestrafung verlangen, bleibm einer Regelung durch Sondertatbestanoe vorbehalten, die als echte Unterlaffungsdelikte auszugestalten sind. 5

Den Boden verlassen w ir etwas. W i r geben den m ilderen S tra fra h m e n in W a h rh e it zu Unrecht/ so kom mt es m ir v o r. — D a r f ich fragen, ob diese A n­ regung des H e rrn G rafen Gleispach auch von anderer S eite unterstützt w ird ? — D a s ist nicht der F a ll. D a n n w ürden w ir sie als erledigt gelten lassen können. N u n kommen w ir zu der E rö rte ru n g der Frage der Ausdehnung der Anzeigepflicht au f begangene S tr a f­ taten. Professor D r . D a h m (K ie l): Ic h halte das, was H e rr Professor Mezger sagt, in dieser Allgemeinheit nicht fü r richtig . D e r preußischen Denkschrift ist darin mzustimmen, daß die Nichtanzeige zum mindesten in der Vergangenheit liegender t o d e s w ü r d i g e r Verbrechen unter S tra fe gestellt werden sollte. Ich denke dabei n a türlich an den M o rd und ähnliches, aber auch an politische S tra fta te n . Gerade die P ra x is der kommunistischen M o rd e hat gezeigt, daß die Verfolgung dieser Verbrechen von einer gewissen M itw irk u n g der Bevölkerung abhängig ist. W e r von solchen Derbrecken weiß und keine Anzeige erstattet, ist meiner M einung nach s tra fw ü rd ig . D ie Rechtspflege ist kein hermetisch ab^schloffener Bereich, sondern ein T e il des öffentlichen Lebens, in dem die A llgem einheit aktiv m itw irk e n muß. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): Ich schließe mich diesen A usführungen in vollem Umfang an. Ic h habe nichts hinzuzusetzen. M in is te ria ld ire k to r Schäfer.- Ic h habe doch auch Be­ denken, so w eit zu gehen. Ic h erinnere an das — ich glaube, H e rr P rofessor Mezger hat es z itie rt — , was B in d in g einm al gesagt hat, als er davor w arnte, alle Volksgenossen zu polizeilichen Wächtern über alle an­ deren zu setzen. Denken sie einm al an S tra fta te n , die sich v o r aller Augen oder v o r den Augen vieler ab­ spielen. D a s können durchaus todeswürdige Verbrechen sein. Ic h brauche n u r daran zu denken, daß w ir bei Landfriedensbruch zurzeit fü r R äde lsführer die Todes­ strafe angedroht haben, auch fü r viele hochverräterische Handlungen, die in der Öffentlichkeit geschehen, z. B . in der Ze itung . S o ll eigentlich nun jeder, der davon e rfä h rt, Anzeige erstatten? D a bekommt m an doch eine F lu t von identischen Anzeigen. Oder nehmen S ie um­ gekehrt Sachen, die m an ganz vertraulich erfahren hat. S o ll da nun eigentlich im m er die Anzeigepflicht bestehen und diese P flichtenkollision herbeigeführt werden? D er § 199 hat doch einen ganz anderen Gedanken. E r w ill so w e it gehen, wenn noch die M öglichkeit besteht, eine T a t oder ihren E rfo lg zu verhindern. A ber ob man auch so wert gehen soll dann, wenn nichts mehr zu hindern ist, sondern n u r die strafrechtliche, die staatliche Reaktion fü r die begangene, nicht mehr zu hindernde T a t aus­ steht,.die durchaus zu bejahende S ta a ts b ü rg e rp flic h t zur Anzeige strafrechtlich zu unterm auern, bezweifle ich. Ich habe das G efühl: das überschreitet die Grenzen, die das Strafgesetzbuch sich setzen soll. Professor D r . D a h m (K ie l): Eben w urde m it Recht au f B in d in g hingewiesen. M i t Recht: denn gerade von dem allgemeinpolitiscken S tandpunkt aus, den B in d in g v e rtra t, w a r diese Ansicht konsequent. B in d in g ist näm lich der hervorragendste V e rtre te r einer liberala u toritä ren. Staatsauffassung, die den Bereich des S taates von. dem des In d iv id u u m s tre n n t. W i r sehen diese D in g e heute aber v ö llig anders.

Professor D r . Mezger (München): B i n d i n g hat durchaus recht: m an soll nicht u n nötig D enunziationen provozieren und m an soll nicht jeden Volksgenossen unter den Druck setzen, er müsse nun in allem die P olizei spielen. D e r an sich beachtenswerte Gedanke des H e rrn Kollegen D a h m gehört systematisch in einen anderen Zusammenhang, nämlich in den der Begünstigung, nicht in den der unterlassenen Verbrechensanzeige. M an kann d o rt sehr w o h l da ran denken, eine Anzeigepflicht zu fordern, wo der einzelne zur M itw irk u n g bei der E n t­ deckung eines Verbrechens behördlich aufgefordert ist. Professor D r .R a g le r (B re sla u ): D ie V erpflichtung, begangene Verbrechen anzuzeigen, w iderspricht doch eigentlich aller deutschen Rechtsgewohnheit der V e r­ gangenheit. Selbst im Gemeinen Recht, das zur Z e it des Polizeistaates g a lt, bestand eine solche P flic h t n u r fü r Münzverbrechen und Gotteslästerung, w e il die Gotteslästerung als schwerstes Verbrechen überhaupt galt. Aber im A nfan g des 19. Jah rhun derts h a t man allgemein diese speziellen Anzeigepstichten fallen gelassen, nicht etwa bloß in der liberalen Gesetzgebung, sondern auch in einer so reaktionären Gesetzgebung w ie der von Sachsen 1838. Aber d o rt ist ein F a ll, der doch zu denken gib t, nämlich die Anzeigepflicht dann, wenn es g ilt, einen unschuldig V erfolgten zu retten. (Professor D r . M ezger: D a s ist die Ergänzung, die ich noch nicht besprochen habe, aber die ich vorschlagen w ill!) Ic h b in im übrigen der M e in u n g , w ir stellen den Rechts­ genoffen v o r eine sehr schwere Frage. E r müßte sich klar werden: geht es um ein todeswürdiges Verbrechen? Und zudem auferlegen w ir ih m eine Menge von Gewissensprüsungen. Je länger je mehr w ird der Gedanke, daß der einzelne der Volksgemeinschaft bei der V e r­ folgung von Verbrechen helfen muß, sich von selbst durchsetzen. Es w ir d nicht mehr so sein, daß der ein­ zelne sich wie bisher gegen die S ta a ts g e w a lt stellt, sondern er w ir d sich kün ftig spontan auf die S eite der S ta a tsg e w a lt schlagen. Ic h glaube, diese innere E n t­ wicklung w ir d von selbst zu den Ergebnissen führen, die w ir brauchen. Aber von S traftechts wegen w ürde ich doch den einzelnen nicht in Gewissenskonflikte stürzen. Senatspräsident Professor D r . Klee (B e r lin ): Ic h möchte d a ra u f hinweisen, daß der F a ll der Nichtanzerge eines Vorhabens und der F a ll der Nichtanzeige eines begangenen D e lik ts ineinander übergehen. W ie ist es z. B ., wenn man weiß, daß eine Bande besteht, die sich verbunden h a t zur Begehung von Verbrechen. Dieser F a ll würde nicht ganz von § 199 »wer von dem V o r ­ haben eines Verbrechens K enn tnis hat« gedeckt sein. (M in is te ria ld ire k to r S chäfer: D a s fä llt u n m itte l­ ba r d a ru n te r!) H ie r lie g t doch der F a ll so, daß die strafbare H andlung schon begangen ist, indem eine B ande sich zusammen­ geschlossen hat. Andererseits stehen auch Verbrechen fü r die Z u k u n ft bevor. In s o w e it kommt § 199 im Zuge, der aber gleichzeitig ein schon in der DergangenhÄt liegendes D e litt, nämlich die B ild u n g der B ande, er­ fassen würde. N u n sind h ier Fälle vorgebracht worden, in denen die gesunde Volksanschauung, S itte und Rechtsgefühl die B estrafung der Nichtanzeige eines begangenen Der-

brechens verlangen, und zwar auch über den F a ll der Begünstigung eines anderen hinaus. W ir denken ja nicht da ran, den einzelnen als A ufpaffer über den andern zu bestellen, sondern gedacht ist bei den Vorschlägen doch an Fälle, in denen offenbar vom S ta n d p u n k t einer ver­ nü nftige n Auffassung der Rechtsgenvffenschaft aus eine P flic h t besteht, ein Berbrechen anzuzeigen. U nd wenn auch, wie H e rr Professor N agler sagte, diese Auffassung im m e r mehr aufkommen w ird , so kom m t sie doch in gewissen Kreisen nicht von selber auf,' sie bedarf daher der S tützung durch eine S tra fd ro h u n g . Ic h bin deswegen nach wie v o r fü r einen allerdings vorsichtig gefaßten neuen Tatbestand, der ausschließt, daß hier eine Denunziationösucht entsteht, der auch ausschließt, daß jemand in Gewissenskonflikte kommt, und der auch ausschließt, daß einer gewissermaßen zum Aufpasser über den anderen bestellt w ird . Aber der Grundgedanke ist doch gerade im heutigen S ta a t der, daß alle berufen sind, an der Aufdeckung von w irklich schweren, den Dolksbestand gefährdenden Verbrechen m itzuw irken. Und gerade bei diesen schweren politischen Anschlägen kann ich m ir sehr w ohl denken, daß es in absehbarer Z e it einm al möglich ist, daß m an eine solche Bestim m ung vermissen würde. Ic h möchte doch bitten, zu versuchen, einen solchen Tatbestand m it diesen E in ­ schränkungen zu form ulieren. Vizepräsident G ra u : D e r Gedanke, daß der einzelne Volksgenosse an der Aufdeckung besonders schwerer S tra fta te n m itw irk t, ist ja von jeher schon verfolgt w orden. V o n jeher hat die S taatsanw altsch aft bei unaufgeklärten schwersten Verbrechen die H ilfe der B e­ völkerung angerufen. W ir wissen ja alle, daß gerade au f diesem Wege, zum al wenn noch eine Belohnung ausgesetzt w a r, außerordentlich v iel erreicht worden ist. Ic h glaube deshalb, m an könnte diesen Gedanken doch fortsetzen und eine Anzeigepflicht über ein bereits began­ genes Verbrechen auf solche Fälle beschränken, in denen eine öffentliche Behörde — die S taatsanw altsch aft — zur M itw irk u n g des P u b liku m s aufgefordert hat. D a s w ird eben n u r bei den allerschwersten, die Öffentlichkeit aufrührenden Fällen vorkommen. Ic h glaube, daß man es m it dem Wesen der. Volksgemeinschaft nicht verein­ baren kann, daß Verbrechen, die das V o lk bis ins Innerste au fg e rü h rt haben, die an der S ta a ts g ru n d Ordnung ge rüttelt haben, nicht von jedem, der sich als G lied dieser Volksgemeinschaft fü h lt, angezeigt werden müssen, wenn er tatsächlich glaubhafte K enn tnis davon bekommen hat. Aber vielleicht ist es ein W eg, den Ge­ danken der Denkschrift dadurch etwas einzuschränken, daß eben eine öffentliche A uffo rderung von seiten der Behörde zur M itw irk u n g des P u b lik u m s bei aller­ schwersten Verbrechen Voraussetzung fü r die S tr a fb a r ­ keit ist. Professor D r . Kohlrausch (B e rlin ): D urch diesen Vorschlag von H e rrn Vizepräsidenten G ra u ha t sich das Thema etwas verschoben, und es scheint m ir der Grundgedanke dadurch akzeptabler geworden zu sein. A n sich widerstrebt meinem G efühl die Aufstellung einer allgemeinen Anzeigepflicht. Ic h kann es ebenso­ w enig begründen, wie H e rr Professor D a h m es fü r die Gegenauffaffung e rk lä rt hat. Aber alles, w as hier dagegen vorgebracht worden ist, w iegt doch schwer: A n ­ reizung zu allgemeinen Denunziationen, H erbeiführung von Gewissenskonflikten, dann auch, w o ra u f H e rr

M in is te ria ld ire k to r Schäfer hinw ies, der Gedanke an Fälle, in denen Unzählige irgend etwas wissen und sich nun vo r der unangenehmen Frage sehen, ob sie das m itte ile n müssen oder nicht, obwohl sie nicht gern sich hineinverwickeln lassen möchten. H ie r entsteht doch eine m erkwürdige, m ir nicht ganz eingehende P flich t. A ber der Gedanke von H e rrn Vizepräsidenten G ra u scheint m ir erwägenswert zu sein. D e r Tatbestand müßte freilich gesetzlich eingeschränkt werden auf ganz bestimmte Fälle, wahrscheinlich noch enger als der heutige § 139/ und er müßte außerdem m it einer K autel versehen werden, durch die Gewissenskonflikten vorge­ beugt w ird . Aber es w äre interessant, wenn die U n te r­ kommission einm al einen solchen Versuch machte. M in is te ria ld ire k to r Schäfer: Ich möchte auch g la u ­ ben, das Äußerste, was w ir der Unterkommission zur E rw ägu ng geben sollten, ist der Vorschlag des H e rrn Vizepräsidenten G ra u . W enn ich an meine E rfa h ru n ­ gen der letzten Ja h re denke und m ir die Frage v o r­ lege, ob jetzt allen gesetzlich zugemutet werden könnte, todeswürdige Verbrechen, von denen sie in der V ergan­ genheit K enntnis erhalten haben, zur Anzeige zu b rin gen, dann ist m ir ganz klar, daß das heute im Augen­ blick überhaupt nicht durchführbar wäre. N u n die andere Frage! M a n müßte sich doch auch einm al die technische S eite der Sache überlegen. W ie lange soll eine solche Anzeigepflicht bestehen? W ie lst es m it T aten, die in der Vergangenheit begangen sind, vielleicht v o r 5 Jah ren, v o r 8 Jahren? H ie r verfliegt uns sofort die Grenze, die bei dem anderen D e likt, das hier in § 199 vorgesehen ist, von selbst gegeben ist. (Z u ru f:

V e rjä h ru n g s fris t!)

— D ie V e rjä h ru n g s fris t haben w ir beseitigt, die haben w ir in das Ermessen der S taatsanw altschaft gestellt, und bei todeswürdigen Verbrechen haben w ir über­ haupt keine V e rjä h ru n g sfrist. — Also da tauchen w et­ tere Schwierigkeiten auf. M eine Bedenken verstärken sich, je mehr ich darüber nachdenke. Ic h glaube, es ließe sich praktisch n u r da­ von sprechen, ob m an etwa fü r die Fälle, in denen eine öffentliche A uffo rderung zur M itw irk u n g bei der A u fklärung eines Verbrechens ergangen ist, eine Anzeige­ pflicht bei Verm eidung einer nicht hoch zu bemeffenden S t r a f t aufstellen soll. D a s scheint m ir das einzige zu sein, was man ernstlich erwägen könnte. (Z u ru f: U nd eine Fristsetzung!) — M a n könnte sagen: die Anzeigepflicht besteht nicht m ehr, wenn jemand K enntnis, erhalten ha t, nachdem nach der A uffo rderung soundsoviel Z e it verflossen ist. M in is te ria lra t D r . S chäfer: Nehmen w i r einm al an, das Verbrechen ist begangen, und der P olizeipräsident schreibt am anderen Tage auS: W e r den T a te r kennt, m uh ih n melden. N u n r in g t der M a n n , der von dem Verbrechen weiß und den T ä te r kennt, m it sich, ob er ih n melden soll oder nicht. Es ist vielleicht ein B e ­ kannter von ihm , den er nicht verraten w ill. B is er seinen Gewissenskonflikt ausgekämpft h a t, vergehen vielleicht 3 Wochen. Inzwischen w ird er angezeigt: er habe eS gewußt, aber nicht sofort die M e ld ung gemacht. Oder wenn er die M e ld ung nach 3 Wochen macht, w ir d ih m gesagt: w ir haben gestern schon erfahren, daß du cs w eißt/ nun ist es zu spät. — Ic h meine, es mühte in der öffentlichen A u ffo rd e ru n g eine angemessene F ris t

aesetzt w erden, innerhalb der die Anzeige erstattet wer­ den m uß. P rofessor D r. Mezger (München): D arü b er besteht wohl jetzt Einigkeit, daß eine V erbindung des Gedan­ kens m it § 199 nicht stattfinden soll, sondern daß es sich höchstens d arum handeln kann, im S inn e des frü­ heren V orbehalts von § 1 1 a ein Unterlassungsdelikt — Nichtbefolgung dieser A ufforderung — zu form u­ lieren. Voraussetzung ist Todesw ürdigkeit des V er­ brechens und Kenntnis von der öffentlichen Aufforde­ rung. M inisterialdirektor Schäfer: W ürde das der Ansicht der Kommission entsprechen, oder w ird noch von irgend­ einer S e ite die weitergehende A nregung verfolgt? — D a n n ist das geklärt. N u n w ürde sich am besten der P u n k t anschließen, den w ir noch nicht erörtert haben, die Unterlassung der Hilfe. Professor D r . Mezger (München): D e r österreichische V o rentw u rf von 1909 h at zu § 192 eine Anregung gegeben, die in den österreichischen Nachfolgestaaten, in B u lg arie n , in P o len , in nordischen Ländern usw. teil­ weise gesetzlich verwirklicht ist und die beachtenswert erscheint. D o rt ist nämlich eine S trafbestim m ung für den umgekehrten Fall vorgesehen, in dem jem and T a t­ sachen oder Bew eism ittel, die geeignet sind, die Schuld­ losigkeit des Angeklabten oder V erurteilten darzutun, diesem oder dem Gericht nicht m itteilt. Ich w ürde es für erw ägensw ert halten, eine solche Strafbestim m ung aufzunehmen. P rofessor D r. Graf Gleispach (B erlin): Ich möchte das unterstützen. Es handelt sich auch hier — wenn m an int Anschluß an einen E inw urf von Ih n e n , Herr M inisterialdirektor, so sagen w ill — um eine Erw ei­ terung des Gedankens, der zu dem Liebesparagraphen geführt h at. D ie österreichische Bestim m ung ist namentlich unter dem Eindruck einiger Praktischer Fälle zustande gekommen, die m ir im einzelnen nicht mehr erinnerlich sind, die aber dam als zur B egründung aufgeführt worden sind, eben in V erfolg dieses allge­ meinen Gedankens der Pflicht des einzelnen Volks­ genossen, zugunsten eines anderen tätig zu werden, wenn er d as leicht tun kann. Ich d arf aber annehmen, daß ich nicht das, w as erlaubt ist, überschreite, wenn ich kurz d a ra u f hinweise, daß m ir die V erfolgung dieses Gedankens die Aufnahme des anderen fast notwendig zur Folge zu haben scheint. Ich habe überhaupt den Eindruck, daß so, wie es jetzt aussieht, m an hinsichtlich der Verletzung der doch m ehr form alen Anzeigepflicht ungeheuer weit geht, wenn m an sogar die fahrlässige Verletzung der Anzeigepflicht unter S tra fe stellen will, aber es nicht d arau f abstellt, wo es auf den Schutz der G üter ankommt. W enn A. dazukommt, wie B . den C. erm orden w ill, dann ist es für jede Anzeige zu spät. W enn A. sich dann m it gekreuzten A rm en hinstellt und zuschaut und sagt: Fam os, jetzt w ird der umgebracht!, dann lassen S ie ihn straflos. M inisterialdirektor Schäfer: Ich habe auch da Zweifel, ob w ir nicht wieder die Grenzen des S tr a f ­ rechts überschreiten. D a rü b e r ist ja g ar kein W o rt zu verlieren, daß das edelste Menschenpflicht und Christen­ pflicht ist, in solchem Falle zu helfen. E s w urde mir

eben jcl'i'n zugerufen: lex Lohengrin. Eine andere Frage in die, ob einer, wenn er diese Christenpflicht nicht cifüllt, dem Strafgesetz verfallen soll. Ich weiß nicht, ob m an einem Menschen ein solches Handeln zu­ muten kann, wenn er vielleicht große Nachteile für sich befürchtet. eä Absatz 2 auch gesetzlich festgelegt würde. Bisher wurde der Tatbestand des § 124 S tG B , als Heim­ suchung bezeichnet. Soweit darf man aber nicht gehen. Denn der Tatbestand des § 124 ist dem Landfriedens­ bruch weitgehend angenähert.

Senatspräsident Professor Dr. Klee: Auch ich bin der Meinung, daß w ir aus eine kasuistische Fassung des Tatbestandes nicht verzichten können. Ich denke an den Fall, daß jemand sich in einem Straßenbahnwagen ungebührlich benimmt und vom Schaffner hinausgewiesen wird. Diese T at konnte früher (bis zur Novelle von 1912) nicht als Hausfriedensbruch bestraft werden, weil der Straßen­ bahnwagen kein befriedetes Besitztum ist. Auch künftig wird dieser F all bei der Begriffsbestimmung des Hausfriedensbruchs zu berücksichtigen sein. Ich bin im übrigen dafür, in Abs. 2 auch den Hausfriedensbruch des Beamten aufzuführen. Denn wir waren darüber einig, daß die Verfolgung des Hausfriedensbruchs nach Abs. 1 von einem Antrag des Verletzten abhängig gemacht werden soll, und ich bin der Meinung, daß bei einem Hausfriedensbruch des Beamten dies Erfordernis nicht aufgestellt werden darf. Auch beim einfachen Hausfriedensbruch kann nt. E. das Unternehmen bestraft werden. M an denke an die mangels Strafbarkeit des Versuchs heute künst­ lich als vollendeter Hausfriedensbruch aufgefaßten Fälle, daß jemand den Fuß zwischen T ür und Schwelle klemmt oder den Arm zwischen T ür und Angel steckt, als Unternehmen zu bestrafen. D as Merkmal „Eindringen" nach dem Vorschlag von Herrn Professor Dahm durch ein anderes wie „Betreten" zu ersetzen, scheint mir unnötig. Dieses Merkmal hat der bisherigen Rechtsprechung keine Schwierigkeiten bereitet. Es hat sich auch im Volke eingebürgert. Professor D r. Gras Gteispach: Die Grenze zwischen Hausfriedensbruch einerseits und Heimsuchung sowie Landfriedensbruch anderer­ seits muß beachtet werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Nach der jetzigen Fassung besteht ein Widerspruch zum Landfriedensbruch nicht, denn beim Landsriedensbruch müssen Gewalttätigkeiten begangen werden. Vizepräsident Grau: Vielleicht kann man die Kasuistik des ResEntw. etwas einschränken. Ich schlage vor, von Wohnung, Geschäftsraum, Amtsraum und befriedetem beweg­ lichen oder unbeweglichen Besitztum zu sprechen. Damit würde klargestellt, daß unter Umständen auch Schiffe, Luftfahrzeuge und Kraftwagen ein befriedetes Besitztum im Sinne des Gesetzes sein können. Staatssekretär Dr. Freister: M. E. sind die gegen den Strafrahm en vor­ gebrachten Argumente nicht stichhaltig; denn wir werden keine Mindeststrafen von 1 Tag Gefängnis haben. Zweitens ist bei dem neuen Tatbestand der Heimsuchung die Absicht der Gewaltanwendung gar nicht mehr Tatbestandsmerkmal. Von der Notwendig­ keit einer kasuistischen Fassung bin ich nicht überzeugt. Die Fassung des § 280 zwingt dazu, die Kasuistik noch weiter auszudehnen und auch andere Räume zu schützen, die des Schutzes vielmehr bedürfen als z. B. Kraftfahrzeuge. Ich denke hier insbesondere an die

Wohnwagen. D as Volk denkt beim Hausfriedensbruch jedenfalls an einen umschlossenen Raum, in dem man wohnt oder arbeitet. Ich kann ein Paddelboot oder einen Lieferwagen nicht in den Tatbestand ein­ beziehen. M an kann überhaupt nur eine allgemeine Ausdrucksweise wählen. Warum soll sich die Recht­ sprechung nicht daran gewöhnen, nach richtigen Gesichtspunkten abzugrenzen? Wenn es gar nicht anders geht, soll man von beweglichem oder unbeweg­ lichem befriedeten Besitztum reden. Schön ist es nicht. I m übrigen sind wir darüber einig, daß Weinberge und Acker nicht durch § 280 geschützt werden sollen. Das braucht aber nicht gesetzlich besonders festgelegt zu werden. Die Gerichte werden auch ohne den § 409 zu dem richtigen Ergebnis kommen. Eigentlich halte ich nur einen Einwand für beachtenswert, das ist der Hinweis von Herrn Professor Klee aus die Verkehrs­ mittel. Als Geschäftsraum kann man einen Straßen­ bahnwagen sicher nicht bezeichnen; das wäre gepreßt. Vielleicht kann man im Tatbestand den Verkehrsraum hinzusetzen. Professor Dr. Dahm: Ich sehe die Gefahr einer Verwässerung des Haussriedensbruchs. Nach dem Volksempfinden ist Haus­ friedensbruch das Betreten einer fremden Wohnung, eines Geschäftsraums oder eines Wirtschaftsraums. Alles andere gehört nicht hinein und sollte in beson­ deren Bestimmungen Platz finden. Der Fall des blinden Passagiers liegt z. B. ganz anders als der Fall des Hausfriedensbruchs, ebenso der Fall, daß jemand unbefugt die Straßenbahn benutzt. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Eine Frage: Is t eine Heimsuchung denkbar, ohne daß der dolus eventualis vorliegt, Gewalttätigkeiten zu verüben? (Reichsjustizminister Dr. Gürtner und S ta a ts­ sekretär Dr. Freister bejahen.) Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wir bewegen uns jetzt sehr stark aus dem Gebiete der Formulierung. Deshalb wäre für die UK. folgendes festzustellen: Zwei Tatbestände, Hausfriedensbruch und Heimsuchung, letzteres abge­ stellt auf Gewalt, Drohung mit Gewalt, Menschen­ menge, hier der Versuch unter allen Umständen straf­ bar, der Strafrahm en ist zu prüfen gegenüber dem bisherigen Recht und gegenüber Abs. 1; hier keine Verfolgung auf Verlangen; Amtsmißbrauch paßt an sich in die Heimsuchung nicht hinein. Professor Dr. Mezger: E s könnte in Abs. 1 erwähnt werden, daß auf Antrag verfolgt wird, soweit die T at nicht unter Amtsmißbrauch begangen ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Damit wäre in Abs. 2 das Verlangen erledigt. I m Abs. 1 muß eine Fassung gesunden werden, die unsere Absichten zum Ausdruck bringt. Die UK. sollte nt! E. prüfen, ob man den Hausfriedensbruch aus all diesen Ausweitungen herausschält und das übrige als Annex anhängt, wenn man keine genügend abstrakte Fassung findet. Halten die Herren den Hausfrieden

für ein Rechtsgut, über das soll? Da sind die Meinungen an die Zeit, wo man den Gegenstand der Privatklage

der Berechtigte verfügen sehr geteilt. Ich erinnere Hausfriedensbruch zum gemacht hat.

Staatssekretär Dr. Freisler: M . E. ist es richtig, in solchen Fällen allgemein den Versolgungszwang einzuengen. W ir kommen aus dem ganzen Dilemma nur heraus, wenn wir die Entscheidung in die Hand des S taatsanw alts legen. Es entspricht auch der heutigen Auffassung mehr, wenn grundsätzlich von Amts wegen verfolgt wird. W ir können dann hier auf den Antrag verzichten. Ich kann mir aber auch denken, daß wir hier und an anderen geeigneten Stellen zunächst einmal ein An­ tragsdelikt schassen. Nach Abschluß der Beratungen über den Besonderen Teil können w ir dann vielleicht in Bausch und Bogen alle diese Fälle so regeln, daß der Versolgungszwang eingeengt wird. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dieses Problem bewegt uns jetzt häufig. Ich würde vorschlagen, nicht immer die Debatte auf das Grundsätzliche zu bringen und zunächst einmal zu sagen: aus Verlangen. Was aus diesem Delikte schließlich wird, können wir dann allgemein lösen. Es ist hier aber der Fall vergessen, daß der Verletzte ein dringendes Interesse daran hat, daß der S taats­ anwalt verfolgt. Uber die grundsätzliche Frage sind wir im letzten Ende noch nicht einig. Ministerialdirektor Schäfer: D as sind in Wahrheit Prozeßordnungsfragen. Es bleibt aber die weitere Möglichkeit, hier Äntragsdelikte zu schaffen und in der Prozeßordnung zu be­ stimmen, daß bei Antragsdelikten dann, wenn drin­ gende staatliche Interessen es verlangen, der S taats­ anwalt auch ohne Antrag eingreifen darf. Endlich ist es eine reine Prozeßordnungssrage, ob man eine Privatklage zulassen will. Bei der früheren Beratung hatten wir eigentlich in Aussicht genommen, die Privatklage zu beseitigen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Letzten Endes spitzt sich alles darauf zu: Gibt es überhaupt eine Verletzung von Rechtsgütern, über deren Verfolgung der Verletzte eine selbständige Be­ stimmung haben soll? Meine Herren, wir kommen nun zu den Delikten über Ehe und Familie. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Ich darf zunächst einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken. Die im ResEntw. vorgeschlagene Über­ schrift des Abschnitts ist zutreffend und kann beibe­ halten werden, vorausgesetzt, daß die Einteilung der strafbaren Handlungen in Verbrechen und Vergehen — eventuell mit entsprechenden anderen Bezeich­ nungen — übernommen wird. I n dem Abschnitt sind, wie auch bereits in früheren Entwürfen, eine Anzahl verwandter Delikte zusammengefaßt, die das geltende S tG B , nach anderen Gesichtspunkten in verschiedene Abschnitte verteilt behandelt. Der Bedeutung, die der Ehe im

neuen S ta a t ganz besonders zukommt, entspricht es, wenn die Vorschriften, die dem Schutz der Ehe dienen, in einem Abschnitt vereinigt werden. Eng damit zu­ sammen hängt der Schutz der Familie; die darauf bezüglichen Vorschriften gehören daher auch mit hier­ her. Ich muß zugeben, daß diese Scheidung von den Unzuchtdelikten insofern nicht restlos befriedigt, als z. B. Blutschande und Erschleichung des außerehe­ lichen Beischlafs ebensogut, vielleicht sogar mit noch mehr Recht, auch in den Abschnitt „Verbrechen und Vergehen gegen Ehe und Familie" hätten genommen werden können. Ich komme zum § 310 (Doppelehe). Die Doppel­ ehe ist ein Angriff auf den Personenstand und aus die staatliche Eheordnung, sie wird heute nicht als Ver­ brechen gegen die Sittlichkeit betrachtet. Inhaltlich entspricht § 310 dem § 171 des geltenden StG B ., er zeichnet sich aber durch eine vereinfachte Fassung aus. I m Abs. 2 ist das Wissen vom Verheiratetem des anderen nicht ausdrücklich verlangt. Es ist aber selbstverständlich, daß der Unverheiratete gewußt haben muß, der andere sei verheiratet. Ein solches Wissen muß ihm stets nachgewiesen werden. Das folgt auch aus § 16 des Entwurfs 1934. Der Abs. 3 über die Verjährung paßt nicht mehr im Hinblick aus § 79 genannten Entwurfes. Wenn eine entsprechende Bestimmung überhaupt noch nötig sein sollte, müßte sie etwa lauten: Die Bestimmungen der Strafprozeßordnung über den Strafverfolgungszwang finden erst An­ wendung, sobald eine der beiden Ehen ausgelöst oder für nichtig erklärt worden ist. Die Preuß. Denkschrift (S . 63) will der gleichen Strafdrohung den Geistlichen und den Beamten unterworfen haben, der wissentlich eine Doppelehe traut. E in Bedürfnis dafür kann kaum anerkannt werden. F ü r die wenigen Fälle, die praktisch vor­ kommen werden, genügt § 310 in Verbindung mit § 28 des Entwurfs von 1934. Aus ähnlichen Erwägungen wird wohl auch der Entwurf von 1927 davon abge­ sehen haben, eine dem § 338 S tG B , entsprechende Bestimmung zu übernehmen, dessen Wortlaut übri­ gens mit dem jetzt in Deutschland geltenden Rechts­ zustand nicht mehr im Einklang steht. Den Strafrahm en des § 310 halte ich für ange­ messen. Berichterstatter Professor Dr. Graf Gleispach: Ich möchte zunächst eine Änderung der Überschrift des Abschnitts vorschlagen. S ta tt Verbrechen und Vergehen kann kurz von Angriffen gesprochen werden, im übrigen muß in den Titel auch der Personenstand aufgenommen werden. Der Entwurf stellt klar, daß die Doppelehe ein Zustands- und kein Dauerdelikt ist. Die Verjährung im alten Sinne beginnt also mit dem Abschluß der Ehe. Ich halte dieses Ergebnis nicht für zweckmäßig, und deshalb muß der Abs. 3 beibehalten werden. Er wird auch nicht durch die Beschlüsse zu dem Thema Verjährung in erster Lesung überflüssig. Gerade bei dem Delikt der Doppelehe müssen wir mit einer Spekulation des Schuldigen aus den E intritt der Verjährung rechnen, und es ist deshalb durchaus

richtig, den Beginn der Verjährung hinauszuschieben. Allgemein möchte ich noch bemerken, daß M ittermaier eine mildere Bestrafung befürwortet, wenn die erste Ehe nichtig oder anfechtbar ist. Ich muß aber eine solche Regelung für verfehlt halten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich darf an die Vorschläge über die Verjährung erinnern: Die Strafbarkeit einer T at erlischt nicht durch Zeitablauf; nach welcher Zeit eine strafbare Handlung nicht mehr verfolgt wird, bestimmt die Strafprozeßordnung. Die Anmerkungen sagen hier: Die Beratungen der Kommission ergaben folgende Richtlinien: Zu unterscheiden sind der Versolgungszwang, die Verfolgungsmöglichkeit und das Berfolgungsverbot; todeswürdige Verbrechen sollen stets dem Verfolgungszwang unterliegen, Zuchthaus für eine gewisse Zeit (5 Jahre?), von da ab bis zu einem weiteren Zeitpunkt Verfolgungsmöglichkeit und in der Folge Verfolgungsverbot. Ich glaube nicht, daß diese Konstruktion davon entbindet, den Beginn der Fristen festzulegen. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich habe nur sagen wollen, daß die Fassung in § 310 Abs. 3 RefEntw. „die Verjährung ruht" nt. E. nicht beibehalten werden kann. Die von Herrn Graf Gleispach vorgeschlagene Abschnitts-Überschrift halte ich für besser, ich möchte mich diesem Vorschlag anschließen. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: Eine besondere Verjährungsvorschrift ist m. E. nicht nötig, weil die Doppelehe ein Verbrechen ist, also nach der vorgesehenen Regelung niemals das Stadium der Verfolgungsunmöglichkeit eintreten kann. Deshalb fragt es sich nur, ob es uns gleichgültig ist, wann das Stadium des Bersolgungszwangs aushört und das Stadium der Verfolgungsmöglichkeit beginnt. Is t uns das gleichgültig, dann ist eine besondere Be­ stimmung nach A rt des § 310 Abs. 3 RefEntw. nicht erforderlich. Staatssekretär Dr. Freister: Z ur Überschrift will ich hier nur kurz sprechen. Sie muß m. E. lauten: Angriffe auf Ehe, Mutterschaft und Familie. Der Abschnitt zerfällt in 1. den Schutz der Ehe als Einrichtung, 2. den Schutz der M utter­ schaft, 3. den Schutz der Familie, 4. vielleicht den Schutz des Verlöbnisses. Unter diese Gesichtspunkte lassen sich sämtliche Vorschläge des RefEntw. und der Preuß. Denkschrift einordnen. Einzelheiten will ich bei den einzelnen Tatbeständen erörtern. Ich spreche jetzt nur von der Doppelehe. Ich bin der Meinung, daß der RefEntw. in § 310 einen grundsätzlichen Fehler begeht. Denn es ist für mich ganz selbstverständlich, daß der S ta a t nicht n ur das Schließen einer Doppelehe, sondern vor allem das Leben in einer Doppelehe verwirft. D as muß auch im Tatbestand zum Ausdruck kommen. D araus folgt, daß die Doppelehe unter allen Umständen nicht als Zustands-, sondern als Dauerdelikt zu gestalten ist. Alsdann wird die Frage der Verjährung hinfällig. I m übrigen darf der Fall der Nichtehe nicht über­ sehen werden. E r ist nt. E. genau so strafwürdig.

Etw as anderes gilt bezüglich der nur kirchlichen Ehe. Hier müssen wir an dem Grundsatz festhalten: Die kirchliche Ehe ist keine Ehe. Deshalb kann, wer sich noch einmal kirchlich trauen läßt, auch nicht wegen Doppelehe bestraft werden. Eine andere Frage ist die, ob in einem solchen F all der Geistliche bestraft werden muß. D as ist m. E. unter allen Umständen zu bejahen und wird zweckmäßig auch im Gesetz besonders hervorgehoben. Dagegen braucht der Standesbeamte nicht besonders erwähnt werden, weil er als Mitwirkender ohne weiteres von der S tra f­ drohung ersaßt wird. Schließlich halte ich das in § 310 vorgesehene Höchstmaß von 5 Jahren Zuchthaus für zu niedrig. Ich verweise aus einen kürzlich bekanntgewordenen Fall. Ein angesehener Pfarrer, aus dessen gültiger Ehe 3 Kinder stammen, hat 7 Jahre lang in einer anderen Stadt des Reiches als Regierungsrat in Doppelehe gelebt. Hier erscheint mir eine S trafe von 5 Jahren Zuchthaus als zu geringe Sühne. Ich wäre also dafür, das Höchstmaß der Zuchthausstrafe in § 310 zu streichen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: I n letzterer Hinsicht bin ich einverstanden. Ande­ rerseits muß aber auch die Möglichkeit gegeben werden, aus Gefängnisstrafe zu erkennen. Ich denke hier vor allem an die Fälle des dolus eventualis, die sehr häufig sind und relativ milde liegen. Sehr oft wird die neue Ehe eingegangen, wenn der andere Ehegatte seit langen Jahren nichts mehr von sich hat hören lassen, der Täter aber trotzdem mit der Möglich­ keit rechnet, daß er noch lebt. Hier stets die Mindeststrase von 1 J a h r Zuchthaus zu verhängen, erscheint mir zu hart. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: E s ist mir in meiner Praxis als S taatsanw alt nur ein Fall der Doppelehe vorgekommen. Ein Deutscher war auf längere Zeit in Malorca zur E r­ holung gewesen und hat dort mit einem eingeborenen Mädchen ein Verhältnis angefangen. M it den Sitten des Landes nicht vertraut, wurde er zur Eheschließung in einer Form gebracht, die er überhaupt nicht für eine Eheschließung hielt; er kehrte nach Deutschland zurück, hörte nichts mehr von Malorca und schloß in Deutschland eine Ehe. Nach zwei Jahren haben die Schwiegereltern von Malorca eine Verbindung nach Deutschland gesunden. Ich bin der Meinung, daß in diesem Falle ein J a h r Zuchthaus vielleicht zu viel ist. Professor Dr. Graf Gleispach: Herr Staatssekretär Dr. Freister sieht die Doppelehe als Dauerdelikt an. Ich meine, man kann die Frage so oder so entscheiden. Wenn aber die Doppelehe als Dauerdelikt aufgefaßt werden soll, so muß das im Tatbestand zum Ausdruck kommen, denn die Frage ist in der Rechtslehre sehr kontrovers. I m übrigen entstehen nach der Auffassung von Herrn Staatssekretär Dr. Freister Schwierigkeiten in folgendem Fall: Jem and weiß zunächst nicht, daß er eine Doppelehe schließt, es stellt sich aber später her­ aus. Wozu soll der T äter jetzt verpflichtet sein? Es ist

ihm m. E. nicht zuzumuten, hier unter allen Um­ ständen die Doppelehe aufzugeben. Der Fall der Nichtehe braucht m. E. nicht be­ sonders im Gesetz erwähnt zu werden. Die S traf­ barkeit ergibt sich hier ohne weiteres aus dem Unter­ nehmensbegriff. E s ist sodann erörtert worden, ob für leichtere Fälle der Doppelehe Gefängnisstrafe zugelassen werden soll. Die leichteren Fälle könnten nur kasui­ stisch bezeichnet werden. Ich muß aber daraus hin­ weisen, daß bei Beratung des allgemeinen Teils mit allem Nachdruck darauf hingewiesen wurde, wir dürsten nicht in zu große Milde abgleiten. Es wäre inkonsequent, wenn wir hier wiederum mit Rücksicht aus gewisse seltene Möglichkeiten ausnahmsweise Gefängnisstrafen zulassen. Professor Dr. Mezger: Auch ich bin gegen die Zulassung der leichten Fälle. Die von Herrn Senatspräsidenten Dr. Klee angeführten Beispiele sind außergewöhnlich. Wenn ich mich bei Meineid für die Zulassung ausgesprochen habe, so deshalb, weil dort die Sachlage eine andere ist. Denn dort gibt es anerkanntermaßen ganze Gruppen von leichten Fällen. Deshalb ist die Aus­ nahme dort berechtigt, aber auch nur dort. I m übrigen sollten wir uns hüten, die leichten Fälle unverändert in die mildernden Umstände des bis­ herigen Rechts abgleiten zu lassen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Fall des m atrim onium non existens kann nur dann in den Bereich der Doppelehe kommen, wenn der Täter glaubt, es handele sich um eine Ehe. Is t er dann unter dem Begriff des Unternehmens strafbar? (Mehrfache Zustimmung.) Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: E s fehlt doch der objektive Tatbestand. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn wir schon über so einfache Fragen uneinig sind, dann ist der Versuchsbegriss fehlerhaft. Professor Dr. Dahm: Nach der zweiten Alternative der Versuchsbe­ stimmung ist es zweifellos Versuch. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Darüber ist nunmehr alles einig. — Wenn der T äter in einer gültigen Ehe verheiratet ist und eine zweite formlos eingeht, dann ist er sicher zu bestrafen. D as m atrim onium non ex isten s spielt aber für die Gesetzgebung m. E. keine Rolle. Ministerialdirektor Schäfer: W as die Strafrahmen des RefEntw. betrifft, so möchte ich an folgendes erinnern: Wenn der Entw. ein hohes Minimum vorsieht, so ist das ein Schein­ minimum, weil im RefEntw. im allgemeinen Teil all­ gemein mildernde Umstände vorgesehen sind. Da die Kommission solche allgemein mildernde Umstände nicht vorsehen will, müssen w ir immer im Auge be­ halten, wie hoch wir bei jedem Einzeldelikt das Minimum setzen wollen. Wenn wir das Minimum

im besonderen Teil ermäßigen, schwächen wir anderer­ seits die abschreckende Wirkung der Strafdrohung. M ir schwebt folgende Lösung vor: Wenn wir die Strafm inim a hochsetzen, dann werden Fälle vor­ kommen, in denen das Minimum zu hart ist, in denen wir uns aber doch sträuben, einen außergewöhnlich leichten Fall anzunehmen, weil es sich um Verbrechen handelt. Als Ausweg bliebe, daß man im allgemeinen Teil eine allgemeine Bestimmung vorsieht, die es unter gewissen Voraussetzungen dem Gericht gestattet, wo ein Minimum zu hart ist, es zu unterschreiten. Nur müßten gegen die zu weite Anwendung eines solchen Härteparagraphen geeignete Kautelen ge­ schaffen werden. Herr Staatssekretär Dr. Freister wollte s. Zt. Kautelen gegen eine zu weichliche S traf­ rechtspflege dadurch finden, daß er es dem S taats­ anwalt überlassen wollte, die Sache an diesen oder jenen Bann zu bringen. Eine ähnliche Kautel schwebt mir hier vor, indem man die Anwendung dieses Härteparagraphen entweder an die Zustimmung der Staatsanwaltschaft binden oder Einstimmigkeit des Gerichts verlangen könnte. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich würde vorschlagen, das als M aterial für die Aussprache über die Strafrahm en, die noch kommen muß, zu bewahren. Professor Dr. Mezger: Als dritte Möglichkeit kann die Zustimmung eines höheren Gerichts ins Auge gefaßt werden. Senatspräsident Professor Dr. Klee: E s ist nicht richtig, einen Gegensatz zwischen dem Meineidsparagraphen, der Gefängnis vorsieht, und dem Bigamieparagraphen, der Gefängnis vorsieht, auszustellen. Die Fälle, die ich als mildere Bigamiefälle im Auge habe, sind keineswegs besondere Ausnahmefälle. Entweder muß man das Gefängnis beim Meineid herauslassen, oder man muß es auch hier einfügen. Auch über den Vorschlag des Herrn Ministerialdirektors Schäfer läßt sich durchaus reden. Vizepräsident Grau: Ich möchte aus grundsätzlichen Erwägungen dafür sein, in § 310 nur Zuchthausstrafe anzudrohen. Der neue S ta a t kann aus diese S trafe für Doppelehen nicht verzichten, ganz gleichgültig, wie der Fall im einzelnen liegt. Auch ich bin der Ansicht, daß der Standesbeamte im Gesetz nicht besonders erwähnt zu werden braucht, da er als Mitwirkender von der Strafdrohung erfaßt wird. Wie aber ist der Geistliche zu ersassen? M. E. gehört dieser Fall nicht an diese Stelle, denn durch seine Trauung kommt ja keine Doppelehe zustande. Andererseits darf der Geistliche nicht straflos bleiben; denn seine Handlung ist ein schwerer Angriff auf die staatliche Institution der Ehe. E s könnte vorkommen, daß ein katholischer Geistlicher eine zweite Ehe kirch­ lich traut, weil die erste nicht kirchlich getraute Ehe nach katholischer Lehre ungültig ist. Ich würde eine solche Handlung unter dem Gesichtspunkt der P er­ sonenstandsverschleierung bestrafen.

Staatssekretär Dr. Freisler: Aber durchaus nicht milder; die kirchliche E in­ segnung ist mindestens soviel wie die staatliche Ehe. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Praktisch könnte der Fall nur werden, wenn der Geistliche weiß, daß der M ann verheiratet ist. Ich glaube nicht, daß wir hier hinter dem geltenden Recht zurückbleiben können. Professor Dr. Kohlrausch: Ich darf bezüglich der Strafbarkeit des Religions­ dieners aus die Ausführung bei Frank zu § 338 S tG B , verweisen. Frank sagt, daß diese Vorschrift nach Inkrafttreten des Personenstandsgesetzes von 1875 auf Religionsdiener nicht mehr zutreffe, die Bestimmung also nur noch für die Standesbeamten von Bedeutung sei. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich wollte zu etwas anderem sprechen, nämlich zu den Strafdrohungen. Die Frage kann hier nicht endgültig entschieden werden. M an kann die S tra f­ drohung des RefEntw. nicht schlechthin übernehmen, weil er mildernde Umstände kennt, die wir nicht zu­ lassen wollen. Die Sachlage ist die, daß wir bei vielen Verbrechen schwere Ehrenfolgen wünschen, aber nicht als Minimum 1 J a h r Freiheitsstrafe. Wenn das richtig ist, dann wäre zweckmäßig, Gefängnis nicht unter 6 Monaten zuzulassen, daneben aber schwere Ehrensolgen eintreten zu lassen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Eine Ehrenstrase können wir aber nicht obliga­ torisch vorsehen, denn die leichten Fälle der Bigamie reichen nicht da hinein. Professor Dr. Nagler: Ich halte es für unmöglich, allein Zuchthausstrafe anzudrohen. Während meiner P raxis in Sachsen sind mir viele Fälle von Bigamie bekanntgeworden. E s handelte sich meistens um österreichische S ta a ts­ angehörige, deren Ehe in Österreich von Tisch und Bett getrennt, aber nicht vom Bande geschieden worden war. Die Gerichte haben hier regelmäßig auf milde Gefängnisstrafen erkannt, die Grenze von 9 Monaten Gefängnis ist m. E. niemals überschritten worden. Derartigen Fällen muß auch das neue Recht Rechnung tragen. I m übrigen stimme ich Herrn Staatssekretär Dr. Freisler durchaus darin zu, daß die Doppelehe als Dauerverbrechen zu gestalten ist. Wenn der Ehegatte den Sachverhalt erst später erfährt, so muß er eben sofort daraus die Konsequenzen ziehen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: I n Österreich gibt es noch heute nur eine Tren­ nung von Tisch und Bett. Solche getrennten Ehe­ gatten sind zahlreich vorhanden. Die Eingehung einer neuen Ehe ist in manchen Landesteilen Österreichs nur mit Dispens möglich; das hat die Bedeutung, daß der S taatsanw alt aus die Nichtigkeitsklage verzichtet. Diese getrennten Ehepaare sind vielfach nach Bayern gekommen und haben hier sich aufbieten lassen wollen. W ir haben das stets abgelehnt. Ich bin im gesamten

Familien- und Eherecht noch nie solchen Angriffen ausgesetzt gewesen wie deswegen. D araus ersehen S ie eine Bestätigung dafür, daß die Bigamie aus einem Gebiet liegen kann, wo Ehrlosigkeit kaum in Frage kommt. Meine Herren, wir müssen zum Ende kommen. Ich bin der Meinung, wir sollten in der Überschrift sagen: Angriffe gegen Ehe, Familie und Personen­ stand. Ich glaube, die Kontroverse, -ob es sich um ein Dauer- oder ein Zustandsdelikt handelt, kann man dadurch lösen, daß man ein anderes Zeitwort als „Ehe schließen" nimmt.

Ministerialdirektor Schäfer: Ich setze den Fall, daß eine Ehefrau gutgläubig eine zweite Ehe nach Todeserklärung ihres ersten Ehemannes eingegangen ist; dann ist die neue Ehe nicht deshalb nichtig, weil der für tot Erklärte lebt. Kommt der fälschlich für tot erklärte erste Ehemann zurück und zieht die F rau zu ihm und lebt mit ihm zusantmen, soll sie dann wegen „Doppelehe" strafbar sein?

Staatssekretär Dr. Freister: Der Abs. 3 sagt, daß wir das Leben in Doppelehe als solches nicht bestrafen.

Ministerialdirektor Schäfer: Dann verstehe ich nicht, in welchem Fall sie in Doppelehe leben kann. Ich weiß nicht, was „in Ehe leben" heißen soll.

Senatspräsident Professor Dr. Klee: I m Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Möglichkeit gegeben, daß die zweite Ehe aufrechterhalten und die erste geschieden wird, wenn der für tot Erklärte zurückkommt. Da kann man doch nicht sagen, daß das in Doppelehe leben strafbar ist. Staatssekretär Dr. Freister: D as läßt sich hören, wir brauchen es nur hinein­ zuschreiben. Professor Dr. Graf Gteispach: Wenn man die Doppelehe als Dauerverbrechen gestalten will, so muß nt. E. den beiden ersten Absätzen des § 310 noch ein weiterer Tatbestand hinzugefügt werden, den ich etwa folgendermaßen formulieren möchte: „Wenn jemand schuldlos, d. h. ohne Wissen eine bigamische Ehe schließt und, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat, wissentlich in diesem Zustand weiterlebt, wird er bestraft." Es würde sich hier um ein echtes Unterlassungsdelikt handeln. Staatssekretär Dr. Freister: Diese Formulierung ist nt. E. falsch. Denn danach wäre die Doppelehe einmal Zustands-, einmal Dauer­ delikt. Ich würde folgende Fassung vorschlagen: „Wer eine Doppelehe schließt oder als Deutscher in einer Doppelehe lebt". Bezüglich der zweiten Alternative will ich den Täterkreis auf Deutsche beschränken, um jede Konfliktsmöglichkeit mit dem Ausland auszu­ schließen. Professor Dr. Kohtrausch: Ich möchte nur auf eine Konsequenz des Dauer­ delikts hinweisen: Nach geltendem Recht war die Beihilfe eines Dritten nur strafbar, wenn sie bei der Eheschließung selbst geleistet wird. Wird aber die Doppelehe als Dauerdelikt gestaltet, so wird jede Bei­ hilfe strafbar, die während des Zusammenlebens in Doppelehe geleistet wird. Unter Umständen müßte danach auch das Wohnunggewähren nach § 310 be­ straft werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn man sich aus diesen Standpunkt stellt, dann müßte auch der Vermieter, der den Sachverhalt kennt, bestraft werden.

Staatssekretär Dr. Freister: Dann lebt sie mit ihm im Konkubinat.

Staatssekretär Dr. Freister: Der Fall des § 1348 BGB. ist gar nicht derjenige, den ich treffen will. Denn dieser Fall setzt ja aus­ drücklich voraus, daß die zweite Ehe gültig ist. M ir geht es nicht ein, daß jemand nur wegen des formellen Abschlusses der Ehe bestraft wird, und daß der S ta a t sagt, das Weitere geht mich nichts an. Ein solcher Standpunkt ist für ein deutsches S tG B , unmöglich. W ir können in diesem Punkt die Augen nicht zu­ machen. Ministerialdirektor Schäfer: „ I n Ehe leben" kann zweierlei heißen, entweder eine Ehe schließen oder wie Ehegatten zusammenleben. Das bloße Zusammenbleiben der Ehegatten nach Erlangung der Erkenntnis, daß die früher gutgläubig geschloffene zweite Ehe eine Doppelehe ist, kann doch wohl nicht strafbar sein. Staatssekretär Dr. Freister: D as ist doch wohl nur ein Einwand der Formu­ lierung, kein sachlicher Einwand. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Debatte verwirrt sich, weil w ir die Ausgangs­ punkte verlieren, und weil wir uns die Folgerungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus der gutgläubig ge­ schloffenen Doppelehe nicht vor Augen halten. Profeffor Dr. Kohlrausch: Die praktische Konsequenz ist doch die Verjährungssrage, und die können w ir regeln. D as zweite ist: Muß derjenige, der gutgläubig die zweite Ehe eingegangen ist, nicht alles tun, um die erste aus­ zulösen? W ir können sagen: „Wer eine zweite Ehe schließt oder, nachdem er erfahren hat, daß eine andere Ehe noch besteht, die erste Ehe fortsetzt." W ir wollen doch nur, daß er bestraft wird, wenn er es unterläßt, den Zustand zu beseitigen, obwohl er es könnte. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir gehen davon aus, daß die F rau den M ann in Sibirien verloren glaubt und die zweite Ehe in dem festen Glauben an seinen Tod schließt. Wenn er zurückkommt, w as soll die F rau tun, um die Ehe zu beseitigen?

Staatssekretär Dr. Freister: Bei dem erwähnten Beispiel mit dem in Sibirien verschollenen Kriegsteilnehmer sind in Wirklichkeit zwei Fälle zu unterscheiden: Der erste Fall ist der, daß der verschollene Ehegatte fälschlich für tot erklärt worden ist und danach die neue Ehe eingegangen wird. D as ist der Fall des tz 1348 BGB. E rbietet keine Schwierigkeiten, weil die zweite Ehe gültig ist. Bei dem anderen Fall, wenn nämlich der verschollene Ehegatte nicht für tot erklärt ist, kommt es aus den Vorsatz an. Rechnet der T äter damit, daß der andere Ehegatte noch am Leben ist, so macht er sich der Doppelehe schuldig. I n diesem Falle Hilst auch § 1348 BGB. nicht. Ich kann mir vorstellen, daß es sich hierbei um ein ungeheuer tragisches Schicksal handeln kann. Dem kann man nicht von vornherein gesetzgeberisch gerecht werden. Keineswegs aber ist das Verlangen zu hart, daß der Ehegatte alles tun muß, um eine der beiden Ehen zu beseitigen. Denn das Nichtbestehen einer Doppelehe ist Grundlage der deutschen Kultur, an der nicht gerüttelt werden darf. W ir können vor dem Schicksal nicht kapitulieren. Zudem sind gerade die angeführten Beispiele geeignet, einen außergewöhnlich milden Fall anzunehmen. Mein Ergebnis ist also gar nicht unbefriedigend. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich würde sagen: „Wer eine Ehe schließt, obwohl er verheiratet ist, oder wer die Ehe fortsetzt, nachdem er erkannt hat, daß seine erste Ehe noch besteht". Ministerialdirektor Schäfer: Ich halte diese Lösung nicht für möglich. Im zweiten Falle ist die zweite Ehe nichtig. Nun nehmen Sie an, nach 30 Jahren kehrt der für tot gehaltene Gatte zurück, die F rau ist inzwischen eine neue Ehe eingegangen; -der Zurückkehrende hat vielleicht inzwischen im Auslande wieder geheiratet, und die F rau lebt in der zweiten Ehe weiter. Ich kann mir nicht denken, daß irgendeine Volksmeinung das Weiterleben für eine strafbare Doppelehe halten würde. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer: Praktisch würde es sich so abspielen: Die Frau erfährt, daß der M ann noch lebt. S ie müßte eine Nichtigkeitsklage erheben. Kehrt sie zu dem zweiten Manne zurück, nachdem die Klage Erfolg gehabt hat, so kommt eine Bestrafung nicht in Frage. Erhebt sie dagegen die Klage, die übrigens nach § 632 ZPO. auch der Staatsanw alt anstrengen könnte, nicht, dann wird sie bestraft. D as ganze Verfahren hätte doch nur den Zweck, die Sache bürgerlich-rechtlich ins Reine zu bringen. Dann ist schwer einzusehen, daß sie nur deshalb, weil sie die Nichtigkeitsklage nicht erhebt, strafbar sein soll. Staatssekretär D r. Freister: Noch weniger einzusehen ist, wenn Sie wegen eines solchen Falles, der alle Jahrhunderte einmal vorkommt, etwas tun wollen, das unserer Kultur zu­ wider ist. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: Ich möchte zum Strafrahm en auf die Statistik hinweisen: 1930 ein Fall Zuchthaus, 95 Fälle Ge­

fängnis, darunter 92 unter einem Jahre. Ich habe bei meiner über 10jährigen Behandlung von Straslöschungsgesuchen noch nie einen schweren Fall der Doppelehe gehabt; es waren immer Schicksalssälle, Irrtu m oder Krieg. Landgerichtsdirektor Leimer: Soll die F rau gleich strafbar sein, wenn sie erkennt, daß sie in einer Doppelehe lebt? M an müßte ihr doch eine gewisse Frist geben, in der sie sich überlegen kann, was sie tun muß. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe immer mehr den Eindruck, daß es praktisch keine große Bedeutung hat, weil der S ta a ts­ anwalt die Nichtigkeitsklage erheben muß und es alsbald tun wird. Ich muß zugeben, das Fortleben hat einen gewissen Eindruck; ich bitte, sich aber die Folgen zu überlegen. Professor Dr. Graf Gleispach: M ir scheint es auch richtig, das Strafwürdige nicht nur in dem formalen Akt der Eheschließung, sondern auch in dem Leben in der Doppelehe zu sehen. Wenn das aber richtig ist, so handelt es sich nicht darum, an ausgefallenen Fällen zu exemplifi­ zieren, sondern nur darum, diesen Gedanken beim Grundtatbestand im Gesetz zum Ausdruck zu bringen. Professor Dr. Nagler: Die Volksmeinung gibt Herrn Staatssekretär Dr. Freister sicher Recht. Unserer Kulturauffassung widerspricht in erster Linie das polygamische Zusam­ menleben. M an denke an den Fall, daß ein Deutscher, der in Deutschland eine Ehe geschlossen hatte, dem­ nächst in Abessinien eine dort gültige zweite Ehe schließt. S oll er, wenn er später nach Deutschland zurückkehrt und die zweite Ehe hier fortsetzt, nicht wegen Bigamie bestraft werden können? Ministerialdirektor Schäfer: E s sind zwei Fälle zu unterscheiden. 1. Fall: Jem and hat dolos eine zweite Ehe geschlossen und setzt sie fort. Is t dies ein Dauerdelikt und wann ist es rechtlich beendet? 2. Fall: Jemand, der gutgläubig eine zweite Ehe geschloffen hat und nachträglich von dem Bestehen der ersten Ehe erfährt, lebt mit dem zweiten Ehegatten weiter zusammen. Ich halte es für unmöglich, das letztere zu bestrafen. Wenn der Ehegatte nach der Rückkehr des ersten ein Konku­ binat mit einem beliebigen Dritten hat, so ist das nicht strafbar. Wo ist der Unterschied, wenn er mit dem zweiten Gatten weiter — gewissermaßen in wilder Ehe — zusammenlebt? Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte mich den Argumenten von Herrn Ministerialdirektor Schäfer anschließen. W ir schützen sonst unter Umständen auch die völlig nichtige erste Ehe. Denn die erste Ehe kann blutschänderisch oder selbst eine Doppelehe sein. Deshalb scheint m ir das Entscheidende die Eheschließung selbst zu sein. Eine Erweiterung des RefEntw. möchte ich also nicht be­ fürworten.

Ministerialdirektor Dr. Dürr: Wenn man die Doppelehe als Dauerdelikt aus­ faßt, so kann man m. E. eine ganz einfache Form u­ lierung finden. Ich würde vorschlagen zu sagen: „Wer in Doppelehe lebt." Damit würde strafrecht­ lich auch die Eheschließung unter dem Gesichtspunkt des Unternehmens ersaßt. Staatssekretär Dr. Freister: Alle in der Debatte vorgebrachten Argumente gegen meine Auffassung sind erstens aus ganz abseits liegenden Beispielen genommen, und zum zweiten entspringen diese Argumente aus dem Mitleid für die Tragik dieser Fälle. Ich stelle dem gegenüber die Achtung vor der Institution der Einehe und muß diesem Argument unter allen Umständen den Vorzug einräumen. Es ist ausgeschlossen, daß sich aus meiner Auffassung Schwierigkeiten ergeben; denn juristisch kann jede Konstruktion durchgeführt werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Argumente von Herrn Professor Klee über den Wert der beiden Ehen müssen wir außer Acht lassen, aus diesen Wertungen können wir einen M aß­ stab für die Regelung nicht entnehmen. M an kann es nur daraus abstellen, ob die zweite Ehe als Doppel­ ehe eingegangen wird. M an müßte etwa sagen: „Wer in einer Ehe lebt, obwohl er weiß, daß es eine Doppelehe ist." Die Bigamie wird also — zum Teil wenigstens — zum Unterlassungsdelikt. M an kann sagen, wer die Nichtigkeitsklage nicht erhebt, obwohl er weiß, daß er in Doppelehe lebt, wird wegen Bigamie bestraft. D as ist ein Ergebnis, das ich nicht für gut halte, weil die Ehegatten sagen können, wir erheben die Nichtigkeitsklage, wollen aber weiter zu­ sammenleben. Staatssekretär Dr. Freister: Als Richter würde ich das nicht anerkennen, denn das ist Zusammenleben in der Ehe. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Nein, die Nichtigkeitsklage ist rechtskräftig er­ ledigt, und die Ehegatten leben nun weiter mit ihren Kindern zusammen. Ich halte es für unmöglich, das als Bigamie zu strafen. Staatssekretär Dr. Freister: Ich glaube, daß man einen Ausweg finden kann, der allen Einzelfällen gerecht wird. M an könnte den § 310 folgenderweise gestalten: Nach Abs. 1 wird be­ straft, wer eine Doppelehe schließt oder als Deutscher fortsetzt. — D aran könnte sich als Abs. 2 folgender Tatbestand anschließen: Ebenso wird der Ehegatte bestraft, der von der Doppelehe erst später Kenntnis erlangt und nicht die Schritte einleitet, die erforder­ lich sind, um die Nichtigkeitserklärung der Ehe herbei­ zuführen. F ü r diesen zweiten Tatbestand könnte man dann einen milderen Strafrahmen wählen, insbe­ sondere Gefängnis androhen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: M an kann den einzelnen nicht unter Strafe stellen, weil er einen Akt unterläßt, den der S ta a ts­ anwalt vornehmen müßte.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as würde mich nicht stören, denn der S ta a ts­ anwalt erfährt davon nichts. Ministerialdirektor Schäfer: W ir setzen dann in Wahrheit eine Zuchthausstrasdrohung dafür, daß der Ehegatte etwas unterläßt, was gerade so gut der Staatsanw alt von Amts wegen tun kann, oder wir bestrafen eine wilde Ehe, die in Wahrheit sittlich gar nicht verwerflich zu sein braucht, vielleicht sogar sittliche Pflicht sein kann, weil Kinder da sind, und die Ehe vielleicht zwanzig Jahre bestanden hat, während wir die verwerfliche wilde Ehe mit einem beliebigen Dritten nicht bestrafen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn die Nichtigkeitsklage durchgeführt ist, und der M ann kehrt zu seiner F rau aus der nichtig er­ klärten Ehe zurück, dann spielt sich das außerhalb der Bigamie ab. M an kann sagen: Wenn ich er­ kenne, daß meine Ehe eine Doppelehe ist, dann muß ich alles tun, um das zu beseitigen. Verwandeln die Gatten ihr Verhältnis dann in eine wilde Ehe, dann sind sie außerhalb der Bigamie. Bedenklich stimmt mich der Umstand, daß vier Personen die Nichtigkeits­ klage erheben können, der Staatsanw alt, der frühere Ehegatte und die beiden Gatten der zweiten Ehe, während nur die beiden neuen Ehegatten bestraft werden können. Ministerialdirektor Schäfer: Wenn z. B. der erste Gatte aus Amerika schreibt, er sei wieder verheiratet und denke gar nicht daran zurückzukehren, dann kann man nicht verlangen, daß die Ehegatten hier die Nichtigkeitsklage durchführen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Fall würde so enden, daß die in Deutsch­ land bestehende Ehe für nichtig erklärt wird, und die Ehegatten die Familiengemeinschaft fortsetzen. Damit müssen wir uns abfinden. Staatssekretär D r. Freister: D as ist ein Mangel der Zivilgesetzgebung. Es gibt aber praktisch einen Ausweg. Wenn der Ehe­ gatte, wie es seine Pflicht ist, die Nichtigkeitserklärung der zweiten Ehe herbeigeführt hat, besteht die Mög­ lichkeit, die erste Ehe scheiden zu lassen; denn regel­ mäßig wird ein Ehescheidungsgrund gegeben sein. Nach der Ehescheidung steht es ja den Ehegatten, die die Doppelehe geschlossen haben, frei, nunmehr eine gültige Ehe abzuschließen. Dieser Ausweg ist zwar umständlich, aber nicht vermeidbar. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin der Meinung, wenn w ir den Weg be­ treten, daß wir auch das Fortleben, nachdem die Ehe­ gatten bösgläubig geworden sind, strafbar machen, dann gibt es Fälle, deren Bestrafung ohne allen Zweifel gegen das Empfinden des Volkes verstoßen würde. Staatssekretär Dr. Freister: Ich will noch ein Zugeständnis machen. Für Len von mir vorgeschlagenen zweiten Absatz kann der

Berfolgungszwang ausgeschlossen werden. würde mein Prinzip noch nicht verletzt.

Damit

Professor Dr. Dahm: D as ist kein Ausweg. Entweder muß der Ver­ folgungszwang durchgeführt werden, oder man läßt die T at überhaupt straffrei. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Es ist der Kamps zwischen der Confessio und dem Leben. W ir kämpfen um ein gesetzgeberisches Bekenntnis, und die Fülle des Lebens läßt sich darin nicht einfangen. Wenn der erste Gatte nach 25 Jahren wie ein Blitz aus heiterem Himmel auf­ taucht, dann würde ich es für eine Unmöglichkeit halten, die zweite Ehe zu zerschlagen. Auf der anderen Seite halte ich ein dramatisches Bekenntnis zur Einehe im Strafgesetzbuch für notwendig. Senatspräsident Professor D r. Klee: Ich kann mich mit der von Herrn Staatssekretär Dr. Freister vorgeschlagenen Regelung nicht ein­ verstanden erklären. Danach würde nämlich über die Strafbarkeit des dolus superveniens der Zufall entscheiden, nämlich die Tatsache, ob der erste Ehe­ gatte vor der zweiten bona fide eingegangenen Ehe­ schließung für tot erklärt war oder nicht. W ar er für tot erklärt, so bleibt die erste Ehe auch dann aus­ gelöst, wenn er zurückkehrt und dolus superveniens des zweiten Ehegatten ändert an der Sache nichts. War der erste Gatte nicht für tot erklärt, dann kann den von Anfang an Gutgläubigen doch nicht nur deshalb der dolus superveniens strafbar machen. Professor D r. Nagler: Die bisherige Debatte legt die Frage nahe, ob nicht der Fehler in unserem mangelhaften Eherecht liegt. Ich glaube annehmen zu können, daß das bürgerliche Recht noch keine zufriedenstellende Rege­ lung getroffen hat, verkenne aber nicht, daß wir einstweilen noch dem neuen Strafrecht das geltende bürgerliche Eherecht zu Grunde legen müssen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es geht aber nicht, Schwierigkeiten, auf die wir hier stoßen, aus andere Rechtsgebiete abzuschieben. Der letzte Vorschlag war: Bestraft wird der Abschluß der Ehe und ferner mit einem geringeren S traf­ rahmen derjenige, der gutgläubig die zweite Ehe ge­ schlossen hat und dann erkennt, daß er in einer Doppelehe lebt, aber das Erforderliche unterläßt, um die Verhältnisse zu klären. Ich möchte es bei diesem Vorschlage belassen und die Unterkommission mit dem Auftrag ausstatten, eine Fassung auszuarbeiten. Dann haben wir als Nebenpunkt den Standes­ beamten, über den wir nichts zu sagen brauchen; das bezieht sich nur aus den Abschluß der Ehe. Dann der Geistliche, der traut, obwohl er weiß, daß eine gültige staatliche Ehe besteht; das ist eine Beihilfe zur Bigamie. (Zurufe: Nein.) E r schließt nicht die Ehe, man könnte daran denken, den Grundgedanken des Personenstands­ gesetzes, du hast dich nach der staatlichen Rechtsord­ nung zu richten, hier auszuweiten. I m Rahmen der

Bigamie darf das aber nicht erscheinen. Ich glaube, es kommt nicht vor, .daß ein Geistlicher traut, obwohl er genau weiß, daß eine andere bürgerliche Ehe besteht. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: § 311 (Ehebetrug) entspricht inhaltlich dem § 170 S tG B ., der in dem Abschnitt „Verbrechen und Ver­ gehen in bezug auf den Personenstand" enthalten ist. Es handelt sich um einen Tatbestand, der sich erst in neuerer Zeit zu einem selbständigen Sonderdelikt aus­ gebildet hat und der -ben Personenstand und die Ein­ richtung der Ehe schützen soll. I m W ortlaut ist Abs. 2 des § 311 dem § 1334 BGB. angepaßt, insofern an die Stelle des „Verleitens" der Ausdruck „Be­ stimmen" getreten ist. M an könnte noch erwägen, ob nicht auch in Abs. 2 das Merkmal der „Arglist" ein­ zufügen ist. Ich halte das für nötig, weil sonst der Tatbestand zu sehr ausgeweitet würde. Der straf­ rechtliche Schutz, den die Preuß. Denkschrift (S . 63) int Interesse des Erbguts für die Fälle fordert, in denen die Familie und das künftige Familien­ erbgut durch Einbringung von Erbleiden oder erblichen Rauschgiftschäden gefährdet wird, ist bereits durch die Fassung des Entwurfs in Verbindung mit § 1334 BGB. gegeben, soweit nämlich diese Gefahr für das Erbgut dem anderen Ehegatten arglistig ver­ schwiegen wird. Ohne eine solche arglistige Täuschung ist die T at u. U. auch strafbar, aber nach anderen Gesichtspunkten. E s könnte noch erwogen werden, ob nicht das Antragserfordernis in Abs. 3 zu streichen sei. Die Ehe ist eine so wichtige Einrichtung, daß die Verfolgung des Ehebetrugs nicht von dem Willen des anderen Ehegatten abhängig gemacht werden darf, sobald er einmal durch die Erhebung der Anfechtungs­ klage zu erkennen gegeben hat, daß er die Täuschung nicht in Kauf nehmen will; dann mag unbedenklich die Verfolgung von Amts wegen eintreten. Berichterstatter Professor Dr. Gras Gleispach: Ich schließe mich den Ausführungen von Herrn Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz an. Staatssekretär D r. Freister: Ich bin der Ansicht, daß das Antragserfordernis in Abs. 3 stehen bleiben sollte. Es handelt sich hier um einen typischen Fall, in dem auf den Willen des ver­ letzten Ehegatten Rücksicht genommen werden sollte. I m übrigen fehlt an dieser Stelle ein zweiter T at­ bestand, der hinter § 311 einzufügen wäre. Es handelt sich um den Fall, daß beide Ehegatten in beiderseitigem Einverständnis den Standesbeamten über ein Ehehindernis täuschen. E s handelt sich zwar hier nur um die Fälle der Ehenichtigkeit, nicht der Anfechtbarkeit; es muß aber einer solchen T at gegen­ über dieselbe Wertung wie beim Ehebetrug Platz greifen. Einen besonderen Paragraphen halte ich auch schon deshalb für erforderlich, weil bei einer solchen Täuschung des Standesbeamten ein Antragserforder­ nis nicht aufgestellt werden darf. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Nach meiner Meinung läge nichts daran, mehreres auszuzählen, es darf aber nicht verwischt werden, daß die Ehe anfechtbar sein muß. Der § 6 des Geschlechts-

krankheitengesetzes hat mit der Anfechtung nichts zu tun. Ich habe die betrübliche Mitteilung zu machen, daß der verwandte Paragraph über den Raffeschutz noch nicht formuliert ist. W ir müssen die Frage offen lassen, ob es nicht dorthin gehört, wenn bei der Ehe­ schließung ein Ehegatte den anderen über die Raffe­ zugehörigkeit täuscht. Oberlandesgerichtsrat Dr. -Schäfer: Ich weiß nicht, ob es nicht bedenklich ist, hier einzelne Ansechtungsgründe einzufügen. Ich sehe noch nicht recht, wie das zweifelsfrei formuliert werden soll. E s liegt aus der Hand, daß nicht jede Geschlechts­ krankheit Eheanfechtungsgrund ist. Professor Dr. Dahm: Die Täuschung über die Rassezugehörigkeit gehört m. E. nicht hierher. Sie muß durch einen besonderen Tatbestand ersaßt werden, weil hier ein anderes Rechtsgut geschützt wird und die Bestrafung unab­ hängig davon eintreten soll, ob der verletzte Ehegatte einen Antrag stellt und ob die Ehe für nichtig erklärt wird. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Einer der Herren Referenten sagte, man brauche das Verlangen des Verletzten nicht. Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Ich möchte es streichen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn wir überhaupt eine Disposition des Ver­ letzten über die Strafverfolgung anerkennen wollen, dann ist dies ein Fall. Professor Dr. Mezger: Ich möchte das Antragserfordernis gestrichen haben. Der verletzte Ehegatte hat durch die Erhebung der Anfechtungsklage genügend zum Ausdruck ge­ bracht, daß er in der Ehe nicht weiter leben will und sich durch das Verhalten des anderen Ehegatten ver­ letzt fühlt. Alsdann besteht kein Grund mehr, die Strafverfolgung noch von einer weiteren Willens­ erklärung des verletzten Ehegatten abhängig zu machen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Hier soll ja eine Strafverfolgung nur eintreten, wenn die Ehe wegen der verschwiegenen Tatsachen oder der Täuschung für nichtig erklärt worden ist. M an kann sagen, in dieser Anfechtung liegt ein konkludenter Strafantrag.

schlossen wird, z. B. Beschaffung falscher Papiere oder Verschweigung von Verwandtschaften. Es würde auch eine Täuschung durch einen der Ehegatten genügen. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich hatte noch den Vorschlag gemacht, daß im Abs. 2 „arglistig" eingefügt wird. Der Tatbestand wird sonst zu weit, besonders auch gegenüber dem in Abs. 1. Vizepräsident Grau: E s ist vorhin erwogen worden, ob man das Merkmal der Arglist ohne sachliche Änderung in Abs. 2 weglassen könnte, da nach bürgerlichem Recht die Ehe nur wegen arglistiger Täuschung angefochten werden könne. Ich würde das nicht für richtig halten. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts hat das Merkmal der Arglist in § 1334 BGB. eine andere Bedeutung als in § 170 des geltenden S tG B . D a­ nach ist es möglich, daß Arglist im Sinne des bürger­ lichen Rechts gegeben ist, im Sinne des Strafrechts aber nicht. Die Weglassung in § 311 würde also sehr wohl eine sachliche Änderung bedeuten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir können der UK. den Auftrag geben, den T at­ bestand der Täuschung des Standesbeamten in Worte einzufangen. D as Verlangen des Verletzten soll also hinein, darüber besteht Klarheit. Meine Herren, wir kämen dann zum Ehebruch. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Der Ehebruch war nach römischem und nach germanischem Recht nur bei der F rau strafbar. Erst seit dem 9. Jahrhundert sind bei uns M ann und F ra u gleichgestellt. Der Tatbestand des § 312 Abs. 1 und 2 (Ehebruch) entspricht dem § 172 S tG B . Die einfachere Ausdrucksweise des ResEntw.: „Wer die Ehe bricht", ist völlig ausreichend. S ie umfaßt sowohl den Verheirateten, der seine eigene Ehe und eventuell auch eine fremde bricht, als auch den Unverheirateten, der eine fremde Ehe bricht. Welcher Beschaffenheit die zu brechende Ehe sein muß (formell gültig oder auch materiell gültig), das mag wie bisher durch die Rechtsprechung entschieden werden. Den Ehebruch straflos zu lassen, wie dies früher von verschiedenen Seiten angestrebt worden war, kann bei der Ein­ stellung des neuen S taates nicht in Frage kommen. Andererseits dürfte es aber als zu weitgehend abzu­ lehnen sein, wie das auch die Denkschrift (S . 64 oben) vorschlägt, den Ehebruch auch trotz Versöhnung der Ehegatten von Amts wegen zu verfolgen.

Professor Dr. Dahm: Ich hielte es jedenfalls nicht für richtig, wenn nur der Verletzte über die Strafverfolgung zu entscheiden hätte. Die Staatsanwaltschaft muß in besonderen Fällen auch gegen den Willen des verletzten Ehe­ gatten einschreiten können.

Die Behandlung des Ehebruchs ist in den einzelnen Strafrechten eine ganz verschiedene: Einige Länder bestrafen ihn überhaupt nicht, einige strafen, wie wir, alle Beteiligte — das ist auch beizubehalten — , wieder andere stellen für den M ann einen engeren Tatbestand auf als für die F rau, und ebenso ist die Behandlung dritter Personen ganz verschieden ge­ regelt.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, nun käme nur noch ein Punkt: die Täuschung des Standesbeamten durch beide Ehe­ gatten mit dem Erfolge, daß eine nichtige Ehe ge­

Nach dem neuen italienischen Strafgesetzbuch (Art. 559, 560) wird die ehebrecherische Ehefrau grundsätzlich bestraft, und grundsätzlich nicht der Ehebruch des Ehemannes mit einer F rau, bei der

eine Ehe nicht gebrochen wird. Scheidung der Ehe wegen dieses Ehebruchs ist nach italienischem S traf­ recht nicht Voraussetzung für die Bestrafung. Eine solche verschiedene Behandlung von M ann und Frau ist für uns abzulehnen. Abs. 3 in § 312 des RefEntw. ist neu gegenüber dem geltenden Recht — in früheren Entwürfen kam er bereits vor — . I n Frage kommen die Fälle der §§ 1353 Abs. 2 und 1575 BGB. und 627 ZPO. Maßgebend ist die Erwägung, daß die Zerrüttung der Ehe bereits soweit vorgeschritten sein kann, daß eine Bestrafung des Ehebruchs nicht mehr angebracht er­ scheint. Die Ausnahme dieses Abs. 3 wird vorge­ schlagen, da § 74 des Entwurfes 1934 ein Absehen von Strafe nicht gestattet. Ein dem Familienerbgut zugefügter Dauerschaden (Ansteckung des Ehegatten oder der Kinder mit einem Erbleiden, Denkschrift S . 64 oben) ist anderweit zu ahnden: Geschlechtskrankheitengesetz, dessen S traf­ drohungen teilweise vielleicht noch zu erhöhen wären. Den Ehebruchstatbestand noch zu erweitern durch Aufnahme des Ehetreubruchs (Denkschrift S . 64), erscheint an sich bedenklich, wenigstens in dem ange­ regten weiten Umfange, weil dann die Grenzen zu fließend sein würden. I n erster Linie möchte ich mich gegen jede Erweiterung aussprechen. Wenn aber eine Erweiterung gewünscht wird, dann schlage ich als weiteren Absatz in § 312 etwa folgende Fassung vor: „Dem Ehebruch stehen gleichgeschlechtliche Be­ tätigungen eines Ehegatten und geschlechtlicher Umgang eines Ehegatten mit Tieren gleich." Letzteres würde weitergehen, als die nach § 295 ResEntw. mit Strafe bedrohte Unzucht mit Tieren. Und beides verkörpert vielleicht — neben betn eigent­ lichen Ehebruch — die verwerflichsten Störungen des ehelichen Treueverhältnisses in geschlechtlicher Be­ ziehung. Überdies handelt es sich bei diesem Vorschlag um klar umrissene Tatbestände. Berichterstatter Professor Dr. Graf Gleispach: Ich kann mich zunächst nicht mit der einfachen Fassung des ResEntw. „Wer die Ehe bricht" einver­ standen erklären. M. E. muß im Tatbestand deutlich ausgesprochen werden, daß sich auch der Unver­ heiratete, der in eine fremde Ehe eindringt, des Ehe­ bruchs schuldig macht. Ich begrüße es, daß die Schei­ dung der Ehe wegen des Ehebruchs nunmehr als Prozeßvoraussetzung klargestellt ist. Auch beim Ehe­ bruch sollte man Verfolgung von Amts wegen vor­ sehen, aber dem verletzten Ehegatten ein Vetorecht gegen die Strafverfolgung gewähren. Abs. 3 des ResEntw. enthält einen Vorschlag, der ähnlichen ausländischen Vorschriften nachgebildet ist. Danach soll das Gericht von Strafe absehen können, wenn zur Zeit der T at die häusliche Gemeinschaft aufgehoben war. I n dieser weiten Fassung halte ich die Bestimmung nicht für gerechtfertigt. Die Fest­ stellung, wann die häusliche Gemeinschaft aufgehoben ist, wird nicht immer leicht sein. Zudem besteht des­ halb kein praktisches Bedürfnis für eine solche Be­ stimmung, weil nach Aufhebung der häuslichen Ge­ meinschaft jederzeit die Scheidung der Ehe verlangt werden kann. Stärkste Bedenken gegen die Bestim­

mung ergeben sich aus der Erwägung, daß es dann der Ehegatte in der Hand hätte, den Ehebruch dadurch straflos zu machen, daß er zuvor die häusliche Ge­ meinschaft aufhebt. Vielleicht könnte man nur den Ehegatten straffrei stellen, der von dem anderen bös­ willig verlassen ist. Die Ausdehnung des Tatbestandes auf andere Verfehlungen eines Ehegatten als gerade außerehe­ lichen Beischlaf, wie es die Preuß. Denkschrift S . 64 vorschlägt, ist erwägenswert. Dabei halte ich es nicht für richtig, nur die widernatürliche Unzucht zu nennen. Der Verstoß gegen die Eheordnung kann genau so schwerwiegend sein, wenn andere ehewidrige Handlungen begangen werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: E s würde sich die Frage erheben, ob die lapidare Fassung des Tatbestandes im Vordersatz „Wer die Ehe bricht" Anlaß zu Zweifeln gibt. Kann man von einem Ledigen sagen, daß er die Ehe bricht? Staatssekretär Dr. Freisler: F ü r die Fassung würde ich vorschlagen: „Der Ehebrecher wird mit Gefängnis bestraft." D as ist lapidar und verständlich und würde natürlich auch die Ehefrau treffen. (Zuruf: Unter Ehebrecher wird nur der M ann verstanden!) Reichsjustizminister D r. Gürtner: M. E. muß im § 312 ausdrücklich gesagt werden, daß § 32a keine Anwendung findet. Ich bin auch der Ansicht, daß der Wille des verletzten Ehegatten hier honoriert werden muß. Staatssekretär Dr. Freisler: § 312 Abs. 3 scheint mir zu weit zu gehen. Wenn z. B. die Trennung von Tisch und Bett rechtskräftig ausgesprochen ist, so bin ich der Ansicht, daß erst ein nach gewisser Zeit begangener Ehebruch nicht mehr bestraft werden darf. Ich würde deshalb vielleicht den Abs. 3 dahin einschränken, daß die häusliche Gemein­ schaft schon längere Zeit aufgehoben ist. Reichsjustizminister D r. Gürtner: W ir haben es auf die Tatsache abgestellt; man könnte sie allenfalls durch eine gewisse Zeitdauer veredeln. Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: D a es sich in § 312 Abs. 3 RefEntw. nur um eine Kannvorschrift handelt, ist m. E. eine Änderung nicht erforderlich. M an muß die Handhabung der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht über­ lassen und davon ausgehen, daß je nach Lage des Falles eine befriedigende Entschließung gefaßt wird. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Nach meiner Meinung muß man es auf eine äußere Tatsache abstellen, und die kann nur heißen „häusliche Gemeinschaft aufgehoben", und man kann noch eine Zeitdauer hinzunehmen. D as wird die UK. festlegen können. Meine Herren, nun bleibt beim Ehebruch noch eine sehr wichtige Frage: S oll dem Ehebruch auch ein anderes Verhalten gleichgestellt werden; wo entstünde ein Bedürfnis, das in den Ehebruch hineinzunehmen?

Bei der Päderastie m. E. nicht, auch nicht bei der Sodomie und den Sittlichkeitsverbrechen. D as würde bei dem ehewidrigen Verhalten landen. Wollen wir das dem Ehebruch anschließen? Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich wollte in erster Linie nur den eigentlichen Ehebruch bestraft wissen. Wenn man aber auf eine Erweiterung zukommen sollte, so würde sich durch meinen Vorschlag gegenüber § 175 S tG B , eine er­ weiterte Strafbarkeit ergeben, weil durch § 175 nicht alle Fälle des homosexuellen Verkehrs ersaßt werden. Professor Dr. Gras Gleispach: Die Ausdehnung der Strafbarkeit hat nicht nur in den Fällen der lesbischen Liebe und des perversen Verkehrs praktische Bedeutung. Wenn im Tatbestand mir der normale geschlechtliche Verkehr genannt wird, so führt das zu unerquicklichen Erörterungen vor Gericht, weil in jedem Einzelsall geprüft werden muß, ob es zu dem bestimmten Akt gekommen ist. Ich halte deshalb den Vorschlag der Preuß. Denk­ schrift für besser, weil sie allgemein von einem be­ sonders ehewidrigen Verhalten sprechen will. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich muß zugeben, daß die Investigation der einzelnen Ehebruchshandlungen mitunter peinlich ist, aber bei den Ersatzhandlungen ist es eigentlich noch peinlicher. Professor Dr. Dahm: Eine „gesunde Volksanschauung", die auch nur halbwegs bestimmbar wäre, gibt es nicht aus diesem Gebiet. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as macht mich auch so bedenklich. Der Ehebruch ist ein Begriff, der so alt ist, wie die deutsche Geschichte. Eine große Reihe von Geschlechtsdelikten können hier nicht genannt werden, weil sie an anderer Stelle ge­ regelt sind. Vizepräsident Grau: Ich möchte darauf Hinweisen, daß der Vorschlag der Preuß. Denkschrift vor allem auch die Fälle ersassen will, in denen der eine Ehegatte den anderen besonders schmachvoll und ehrlos behandelt. Es ist nt. E. durchaus volksnah, auch solche Handlungen zu ersassen und dem Ehebruch gleichzustellen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as Empfinden ist ganz richtig, daß schwere Miß­ handlungen des Ehegatten auch dem Strafrecht zu­ gänglich sein müssen. M an muß aber etwas vorsichtig sein und darf als Gesetzgeber nicht zu weit in Schlaszimmergeheimniffe eindringen. Hier handelt es sich allerdings um etwas anderes; aber das ist kein Ehe­ bruch. Vizepräsident Grau: Die Fälle müßten auch zur Scheidung geführt haben. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn sich nicht eine sehr starke Meinung dafür bildet, daß wir an den Ehebruch im technischen Sinne überhaupt etwas anschließen sollen, dann würde ich

es am liebsten sehen, wenn wir nichts hinzunehmen. D as ist die überwiegende Meinung. Staatssekretär Dr. Freister: Ich muß noch auf einen Punkt hinweisen, der im Verlauf der bisherigen Debatte nicht erwähnt ist. Soll der Ehebruch auch dann bestraft werden, wenn er mit Einwilligung des anderen Ehegatten erfolgt war? Die Entscheidung hängt davon ab, ob man den Ehebruch als Angriff auf die Institution oder als Ehetreubruch ausfaßt. M. E. muß die Einwilligung bedeutungslos sein. F ü r meine Auffassung spricht auch die Überschrift des Abschnitts, wonach eben der Ehebruch kein Sittlichkeitsdelikt ist. Jedenfalls müssen wir über die Frage Klarheit gewinnen, da derartige Fälle in der P raxis nicht selten sind. Sehr oft wird im Zivilprozeß die Einwilligung verschwiegen, um die Ehescheidung zu erreichen. Es wird dann nach der Rechtskraft des Urteils Strafantrag gestellt, und jetzt macht der andere Ehegatte geltend, daß der Ehebruch mit Einwilligung erfolgt sei. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir kommen insofern in eine schiefe Lage, als nach bürgerlichem Recht die Einwilligung erheblich ist. Staatssekretär D r. Freister: Dem bürgerlichen Richter wird aber die Einwilli­ gung verschwiegen, und es wird geschieden; dann kommt es eben vor das Strafgericht. Professor Dr. Kohlrausch: Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Frage in der Rechtslehre außerordentlich kontrovers ist. Die Meinungen halten sich etwa die Waage, das Reichs­ gericht hält jedoch die Einwilligung für bedeutungslos. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: M an kann schon sagen, das Scheidungsrecht kann aus einem anderen Standpunkt stehen, denn es ist ein Recht in te r p artes. Dagegen steht das Strafrecht auf einem anderen Standpunkt. Professor D r. Nagler: Ich bin durchaus der Meinung, daß die Entschei­ dung in Zukunft ganz anders fallen muß, weil wir ein anderes Angriffsobjekt haben werden. I n der individualistischen Zeit war das Angrisfsobjekt aus­ schließlich das Treurecht des Ehegatten. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: § 313 (Entziehung eines Minderjährigen aus der elterlichen Gewalt) umsaßt das, was die Preuß. Denkschrift (S . 67/68) mit Bruch der Muntschaft bezeichnet. Inhaltlich deckt sich § 313 wenigstens teil­ weise mit den §§ 235— 238 S tG B ., soweit nicht § 276 RefEntw. (Frauenraub) gewisse Tatbestände erfaßt. Der Entwurf bringt schärfer als das geltende Recht zum Ausdruck, was geschützt werden soll, nämlich das Recht des Erziehungsberechtigten, und was strafbar sein soll. Die M ittel der Entziehung aufzuzählen, unterläßt er. Außer den M itteln des geltenden Rechtes kann daher z. B. auch die Überredung des Minder­ jährigen in Frage kommen. Daß die Durchführung der Strafverfolgung in allen Fällen von der Zustimmung des Verletzten, d. h.

des zur Sorge für die Person des Minderjährigen Berechtigten, abhängig gemacht werden soll, also auch in den besonders schweren Fällen des Abs. 2, erscheint bedenklich aus Gründen, wie ich sie bereits gestern bei Beratung des § 276 ResEntw. zum Ausdruck gebracht habe. Die Antragsvoraussetzung in dieser Allgemein­ heit ist an sich überhaupt neu. Da die Entziehung zu Unzuchtzwecken und dgl. in der Regel als besonders schwerer Fall zu werten sein wird, so bedarf es nt. E. nicht der besonderen Anführung dieses Qualifikations­ momentes. Heirat des entführten Minderjährigen mit dem Entführer oder einem Teilnehmer der Entfüh­ rung ist ein Strafverfolgungshindernis genau wie in § 276 ResEntw. Neu ist dabei — entsprechend einem früheren österreichischen Vorschlage — , daß die Ehe­ schließung mit einem Teilnehmer der Eheschließung mit dem Täter gleichgestellt wird. Zu prüfen wäre auch, ob nicht § 76 des Reichs­ jugendwohlfahrtsgesetzes, der bisher subsidiär galt, in den § 313 organisch einzuarbeiten ist. Berichterstatter Professor Dr. Gras Gleispach: Ich möchte ergänzend zu den Ausführungen von Herrn Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz nur noch auf folgendes aufmerksam machen: § 313 bringt eine wesentliche Verschärfung des geltenden Rechts, indem jetzt jedes M ittel genügt, um den Minderjährigen der elterlichen Gewalt zu entziehen. Ich möchte nicht gerade einen Antrag stellen, insoweit eine Einschrän­ kung des ResEntw. vorzunehmen. Im m erhin scheint m ir die Ausdehnung nicht ganz unbedenklich. Nach dem Tatbestand kann die strafbare Handlung, auch durch Unterlassung begangen werden. D as mag grundsätzlich richtig sein, es gibt aber Fälle, in denen nt. E. die Bestrafung unbillig ist. M an denke an den Minderjährigen, der sich schon jahrelang in der Obhut des Herausgabepflichtigen befindet. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as richtet sich doch gegen den Abs. 1 des § 313. Professor D r. Gras Gleispach: Jaw ohl. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: I m geltenden Recht ist sogar Geldstrafe zulässig. Professor D r. Nagler: M. E. enhält der ResEntw. keine Verschärsung des geltenden Rechts. Ich kann mir gar keine anderen M ittel der Entziehung denken als List, Drohung oder Gewalt. Ich bin auch der Ansicht, daß Entziehen nicht gleichbedeutend ist mit Vorenthalten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es kommt daraus an, ob man „entzieht" auch in dem S inne von „vorenthält" auslegt. Staatssekretär Dr. Freisler: Die Fälle der Borenthaltung sind außerordent­ lich häufig. M. E. kann man aber das einfache Vor­ enthalten nicht bestrafen. Der Tatbestand des § 313 wird falsch ausgelegt, wenn man „Entziehen" dem „Vorenthalten" gleichsetzt. Vielleicht ist es doch zweck­ mäßig, die Mittel, nämlich Gewalt, List und Drohung, im Gesetz zu nennen; dann würde ich es für berechtigt halten, auch das Vorenthalten unter Anwendung dieser Mittel zu bestrafen.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Aufgabe ist, eine erträgliche Verengerung dieses Tatbestandes zu finden. Die Vorgänge des Kinderanlockens sind nicht so praktisch, das führt meistens in andere Delikte hinein. Dann haben wir hier „in besonders schweren Fällen" illustrationslos hineingesetzt; irgendeinen Fall sollte man nennen. Dann wurde gesagt, die T at wird nur mit Zu­ stimmung des Verletzten verfolgt. Bedenken haben sich für den Fall erhoben, daß es sich um eine be­ sonders schwere T at handelt, und die Zustimmung des Verletzten nicht zu erlangen ist. Ministerialdirektor Schäfer: Die Fälle werden sich meist zwischen Ehegatten oder im Familienverhältnis abspielen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dann kann man es nicht verfolgen, es muß auf den Berechtigten in irgendeiner Form Rücksicht ge­ nommen werden. Dann kommen wir zu der Frage, daß die Ent­ führte geheiratet worden ist. Hier soll die T at nur verfolgt werden, wenn die Ehe für nichtig erklärt worden ist. Dazu möchte ich vorschlagen, Entführung, Frauenraub, Mädchenhandel und Muntbruch gegen­ einander abzustimmen. D as ist gar nicht so einfach. Ich möchte so verfahren, daß die Kommission, die diese Delikte zu formulieren hat, in einer vor­ bereitenden Arbeit diese Zusammenstellung und Ab­ stimmung vornimmt. I n § 313 spielt auch die Unsittlichkeit eine Rolle. Staatssekretär D r. Freisler: Ich möchte noch die Überschrift in Muntbruch ändern. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir kämen dann zur Verletzung der Unterhalts­ pflicht. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: § 314 ResEntw. (Verletzung der Unterhalts­ pflicht) ersetzt den § 361 Abs. 1 Zisf.10 S tG B ., der im Tatbestand und besonders im Strafrahm en zu eng gefaßt ist. Die praktische Erfahrung hat gezeigt, daß zahlreiche Fälle, die nach „gesundem Volksempsinden" strafwürdig sind, strafrechtlich nicht zu erfassen waren, wenn auch die Rechtsprechung der letzten Jahre in mancher Beziehung da abgeholfen hat. Zu begrüßen ist, daß der ResEntw. ausdrücklich von gesetzlicher Unterhaltspflicht spricht, und damit verschiedene Un­ klarheiten des geltenden Rechts beseitigt. Nach der Preuß. Denkschrift (S . 68) ist die Ver­ letzung der Unterhaltspflicht die Art des Familien­ treubruchs, die allein z. Zt. strafrechtlich geregelt werden kann. E s ist sehr zu billigen, daß der Entwurf diesen Tatbestand als Vergehen und nicht nur als Übertretung strafen will. D as Gleiche gilt von dem Vorschlag, daß das formalistische Erfordernis der Auf­ forderung durch die zuständige Behörde, der Unter­ haltspflicht nachzukommen, wegfallen soll und auch die

Voraussetzung, daß durch Vermittlung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch genommen werden muß. Diese Tatbestandselemente haben bisher bei der Strafverfolgung die größten Schwierigkeiten bereitet und auch dem säumigen Unterhaltsschuldner die Mög­ lichkeit gegeben, sich lange seinen Verpflichtungen zu entziehen. Jetzt soll die Tatsache genügen, daß der notwendige Lebensbedars des Unterhaltsberechtigten ohne öffentliche Hilfe oder ohne Hilfe anderer gefährdet wäre. Es können nunmehr auch die Fälle ersaßt werden, wo der vernachlässigte Unterhalts­ berechtigte z. B. aus Scham fremde Hilfe nicht in Anspruch nimmt. Eine dem § 361 Abs. 1 Nr. 5 S tG B , entsprechende Vorschrift — der Täter macht sich durch Spiel, Trunk oder Müßiggang unfähig, seiner Unter­ haltspflicht nachzukommen — hat der RefEntw. nicht übernommen. Die Fälle, für die ein Strafbedürsnis besieht, werden durch § 314 des Entwurfes mit erfaß­ bar sein. Der Entwurf von 1930 hatte an Stelle des Merkmals „böswillig", das wie jetzt auch in früheren Entwürfen enthalten war, das Merkmal „wissentlich und gewissenlos" gesetzt. „Böswillig" trifft aber wohl bester alle die Fälle, die gestraft werden möchten, wenn auch immerhin Fälle denkbar bleiben, die nicht zu fassen sein werden. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß Art. 570 des neuen italienischen Strafgesetzbuch einen viel allgemeiner gehaltenen Tatbestand als Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber der Familie mit Strafe bedroht. Daß in Abs. 2 des § 314 auch der Tod des Unter­ haltsberechtigten oder des Kindes als Strafschärfung im Gegensatz zu früheren Entwürfen ausdrücklich aus­ genommen ist, erscheint mir richtig, wenn auch in den meisten Fällen eine höhere Bestrafung dadurch möglich sein wird, daß ein Delikt der fahrlässigen Tötung konkurriert. Berichterstatter Proseffor Dr. Gras Gleispach: Ich bin mit den Vorschlägen von Herrn Land­ gerichtsdirektor Dr. Lorenz grundsätzlich einver­ standen. § 314 ist ein praktisch sehr wichtiger T a t­ bestand, dessen Erweiterungen gegenüber dem gelten­ den Recht sehr zu begrüßen sind. Das Merkmal „bös­ willig" auf der subjektiven Seite halte ich für falsch. M an kann nicht einwenden, daß nicht der wegen Verletzung der Unterhaltspflicht bestraft werden dürfe, der ihr ohne eigene Schuld nicht nachkommen könne. Schon nach dem objektiven Tatbestand ist es nt. E. erforderlich, daß der Täter seiner Unterhaltspflicht nachkommen kann. Jedenfalls halte ich aber das Merkmal „gewissenlos" für besser, weil es eine geringere Einschränkung der Strafbarkeit bedeutet. § 314 Abs. 2 kann nt. E. gestrichen werden, zumal ich mich mit seiner Kasuistik nicht befreunden kann. Staatssekretär Dr. Freisler: D as Unternehmen muß im Falle des § 314 straf­ los bleiben. Ich frage mich, ob überhaupt Fälle des Unternehmens hier denkbar sind. Das scheint möglich zu sein, wenn z. B. der Ehemann, der seiner F rau aus erster Ehe unterhaltspflichtig ist, mit seiner zweiten F rau vereinbart, er wolle in deren Geschäft ohne Entgelt tätig sein. Trotzdem muß das Unter­

nehmen straflos bleiben, weil sonst jede stockende Zahlung der Unterhaltsrente zu unberechtigten S tra f­ anzeigen führen wird. Auf subjektivem Gebiet muß der einfache Vorsatz genügen, zumal es sehr zweifelhaft ist, welches der beiden Merkmale „gewissenlos" oder „böswillig" den subjektiven Tatbestand mehr einengt. Professor Dr. Kohlrausch: M it dem § 314 haben sich die beiden großen Jugendverbände, die Deutsche Zentrale für freie Jugendwohlsahrt und die Vereinigung für Jugend­ gerichte und Jugendgerichtshilse beschäftigt. Bon ihnen wird vorgeschlagen, „böswillig oder aus grobem Eigennutz" zu sagen. Nach der Begründung liegt Böswilligkeit nur vor, wenn die T at aus Haß, Rache, Schikane oder ähnliche Beweggründe zurückzuführen ist. D as ist zu eng. Gegen Abs. 2 erhebt sich das Bedenken, daß hier in ganz neuartiger Weise die Motivsetzung bei anderen Personen Strafschärfungsgrund sein soll; Abs. 2 kann ohne Schaden fortbleiben. Ministerialdirektor Schäfer: Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß bös­ willig vielleicht zu eng ist, und bin mit dem Vorschlag der Fürsorgeverbände einverstanden, „böswillig oder aus grobem Eigennutz" zu sagen. Würden wir die Worte streichen, dann würde auch der dolus even* tu a lis einbezogen sein. D as geht zu weit, w ir würden dann sogar die Fälle treffen, wo der Unterhalt in guter Absicht eingeschränkt wird, z. B. wenn der Vater gegenüber dem Sohne, der nicht gut tut, den M onats­ wechsel zurückhält. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Ich war bisher immer der Meinung, „böswillig" bedeute eine Zielsetzung. Deshalb hat dieses subjektive Merkmal eine sehr starke Einschränkung der S tra f­ barkeit zur Folge. Wenn aber die Fürsorgeverbände vorschlagen, aus dieses Merkmal abzustellen, so könnten wir uns dem nt. E. anschließen. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bin nach unseren allgemeinen Grundsätzen für die Streichung des Abs. 2. Vielleicht kann man aber den Strafrahm en allgemein etwas erhöhen und Gefängnis bis zu 2 Jahren androhen. Professor Dr. Graf Gleispach: Es ist mir zweifelhaft, ob die Strafbarkeit des Unternehmens ausgeschlossen werden soll. Ein prak­ tisch sehr häufiger Fall ist der, daß ein Arbeitsfähiger nicht arbeitet, um seine Unterhaltspflicht zu verletzen. Ich würde hier den vollendeten Tatbestand an­ nehmen; jedenfalls aber sollte es strafbar sein. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Dann würden wir groben Eigennutz noch hinzu­ fügen, den Versuch fortlassen und Abs.2 beibehalten. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Durch § 315 RefEntw. (Verlassen eines Kindes) sollen die erfaßt werden, die nicht Aussetzung im Sinne von § 257 RefEntw. sind, weil das

Bewußtsein der Lebensgesährdung fehlt, bei denen aber doch ein Strafbedürfnis besteht. Hier ist ein erheblich milderer Strafrahmen vorgesehen aus der Erwägung, daß oft wirtschaftliche Not das Motiv ist oder gar der Wunsch, dem Kinde eine bessere Zukunft verschaffen zu können, als der Täter selbst glaubt sie bieten zu können, wie die Begründung zum Entwurf 1927 das ausführt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich weiß nicht, welche Fälle man bei § 315 RefEntw. im Auge hat. Darf ich bitten, mal ein Bei­ spiel zu geben. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Eine F rau legt an einer bestimmten Stelle ihr Kind nieder, damit es von anderen Leuten gefunden wird, die sich seiner annehmen sollen; sie wartet aber in der Nähe, bis es ausgenommen wird. I n einem solchen F all liegt der Tatbestand der Kindesaus­ setzung nach § 257 RefEntw. nicht vor, es fehlt das Bewußtsein der Lebensgefährdung. Proseffor Dr. Graf Gleispach: Ein solcher Fall ist in Wien vorgekommen. Eine außereheliche M utter hat, um ihr uneheliches Kind loszuwerden, dieses in einem Korb versteckt im Wartesaal eines Wiener Bahnhofs niedergelegt. Staatssekretär Dr. Freister: Ich bin für die Streichung dieses Tatbestandes, weil er zum Kindesmord führen kann. Wenn die Kindesmutter weiß, daß sie für die eben beschriebene Handlung bestraft wird, so wird sie vielleicht zu einem anderen Ausweg greifen, um ihr Kind loszuwerden. M . E. sollten wir hier um des Kindes willen trotz der Strafwürdigkeit der T at von einer Bestrafung absehen. Ministerialdirektor Schäfer: I n der Begründung zu § 257 vorletzter Absatz des Entw. von 1927 heißt es: Fehlt dem Täter das Bewußtsein der Lebens­ gesährdung, so kann er nicht wegen Aussetzung bestraft werden. I n der Regel wird in diesen Fällen auch kein besonderes Strafbedürfnis bestehen, da die Bestim­ mungen über fahrlässige Körperverletzung oder Tötung ergänzend eingreifen. Anders liegt es dann, wenn dem Täter kraft Familienrechts oder aus anderen Gründen die besondere Pflicht obliegt, für die Person eines Kindes zu sorgen, und er sich dieser Pflicht entledigen will. Hier fordert es die Rücksicht auf einen wirksamen Schutz der Kinder, daß der T äter auch durch eine Strafdrohung zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß Handlungen dieser Art häufig aus wirtschaftlicher Not und aus dem Wunsche heraus geschehen, dem Kinde eine bessere Zukunft zu ver­ schaffen, als der Täter sie ihm glaubt gewähren zu können. Aus diesen Gründen hat der Entwurf einen besonderen, erheblich milder als die Aussetzung be­ drohten Tatbestand des Berlassens eines Kindes aufgestellt und ihn als § 315 in den 23. Abschnitt (Verbrechen und Vergehen gegen Ehe und Familie) eingestellt. E r lehnt sich damit an einen österreichischen

Vorschlag an, der bereits in der österreichischen Re­ gierungsvorlage des Strafgesetzbuchs von 1912 gesetz­ geberischen Ausdruck gesunden hatte. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: M an kann sehr verschiedener Meinung sein, ob das ein Nutzen oder ein Schaden für das Kind ist. Es fragt sich, ob der Tatbestand dem Leben ent­ nommen ist, oder ob es sich nur um ganz wenige Fälle handelt. Ich wäre der Meinung, daß man vielleicht § 315 doch entbehren könnte, unter dem Vorbehalt, daß alles, was aus Lebensgefährdung oder gar vor­ sätzliche oder fahrlässige Tötung hinausläuft, sich in einem besonderen Rahmen abspielt. M ir ist ein F all bekannt, daß eine Reihe von Winzersrauen mit ihren Kindern auf das Finanzamt gekommen sind und dort die Kinder niedergelegt und verlassen haben. Die Mehrzahl der Meinungen scheint mir dahin zu gehen, auf den Paragraphen zu verzichten (Landgerichts­ direktor Lorenz stimmt zu). Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: § 316 RefEntw. (Personenstandsfälschung) ent­ spricht mit geringen Faflungsänderungen inhaltlich dem § 169 S tG B . Der Personenstand besteht nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts in dem durch Geburt, Legitimation, Annahme an Kindes S ta tt und Ehe begründeten, durch Tod und Scheidung aufgehobenen, einen dauernden Rechtszustand schassenden familienrechtlichen Ver­ hältnis einer lebenden Person zu anderen Personen. S ta tt von der „Veränderung" des Personen­ standes ist von dessen „Fälschung" die Rede. Die „vorsätzliche Verwechselung" eines Kindes (§ 169 S tG B .) ist im Entwurf als besonderer Tatbestand weggefallen; sie fällt ohne weiteres mit unter die Fälschung oder Unterdrückung des Personenstandes. Abs. 2 des Entwurfs ist zu streichen (vgl. § 32a Abs. 1 UK. Nr. 16.). Der hier unter Strafe gestellte Tatbestand hat ganz besondere Bedeutung im nationalsozialistischen S taat, der aus die Klarstellung des Personenstandes aus grundsätzlichen Erwägungen heraus mehr Wert legen muß als das je bisher der F all war (arische Abstammung! Raffereinheit!). Aus diesem Grunde werden auch Verfehlungen in dieser Hinsicht häufiger zu erwarten sein, als solche vielleicht die bisherige Statistik aufweist. Steht doch für den einzelnen unter Umständen seine bzw. seiner ganzen Familie Existenz auf dem Spiel; ein Einsatz, der zu strafbarem Tun wohl locken kann! Andererseits muß der national­ sozialistische S ta a t aber gerade in dieser Richtung rigoros vorgehen und strafrechtlich ausreichende Sicherungen haben. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb die Strafdrohung des Entwurfs für beson­ ders schwere Fälle niedriger sein soll, als die des geltenden S tG B . Es wird deshalb Zuchthaus bis zu 10 Jahren anzudrohen sein. I n diesem Zusammenhang mag daraus hinge­ wiesen werden, daß das italienische Strafgesetzbuch in seinen Artikeln 566 und 567 die Personenstands­ fälschung grundsätzlich mit der Mindeststrafe von 3 Jahren Gefängnis bedroht, und das, obwohl dem

Faschismus im Gegensatz zum Nationalsozialismus jede Betonung des Rassegedankens und der Grundsatz des Antisemitismus fremd ist. Inhaltlich gehört hierher auch eine dem § 67 Personenstandsgesetzes entsprechende Strasvorschrift. Es erscheint aber vielleicht richtiger, sie nicht aus diesem Spezialgesetz herauszunehmen, wo man sie vermissen würde. Eine andere Frage ist die, ob diese Strafdrohung nicht erhöht werden möchte (bisher Gefängnis bis zu 3 Monaten). Statistisches M aterial über die Anwendung dieses Paragraphen, ob er über­ haupt eine große praktische Bedeutung hat, liegt mir allerdings nicht vor. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich habe zu diesem Tatbestand nichts zu erwähnen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die erste Frage ist: Soll das überhaupt in das Strafgesetzbuch hinein? W ir werden nachher die Grenze zum Personenstandsgesetz zu ziehen haben. M ir würde folgende Fassung besser gefallen: „Wer ein Kind unterschiebt oder vorsätzlich ver­ wechselt, oder wer aus anderem Wege den Personen­ stand vorsätzlich verändert oder unterdrückt, wird mit Gefängnis bis zu 3 Jahren bestraft; wird die Hand­ lung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, mit Zucht­ haus bis zu 10 Jahren." Der Ausdruck „besonders schwere Fälle" gibt kein plastisches Bild. Ferner glaube ich, auf Verwechslung kann man auch nicht gut verzichten, Unterschieben allein genügt nicht.

Professor Dr. Graf Gleispach: E s sind Fälle vorgekommen, wo jemand seinen eigenen Selbstmord vorgetäuscht hat. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: M an kann auch seinen eigenen Personenstand fälschen und statt ledig verheiratet hineinschreiben. Staatssekretär Dr. Dr. Schlegelberger: Ich habe den Eindruck, daß die Personenstands­ fälschung als solche mit Urkundenfälschung nichts zu tun hat. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Bei gewinnsüchtiger Absicht müssen wir nach meiner Meinung Zuchthaus androhen. Zu dem Entwurf kommen noch folgende Anre­ gungen: Schutz des Familienbanngutes, also kurz gesagt, Schutz des Hausrats gegen Verschleuderung und Verstreuung. Staatssekretär Dr. Freisler: Schutz der Mutterschaft, Schmähung von Verlöb­ nis und Ehe, Heiratsschwindel, Verlassen einer Schwangeren. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die UK. für die Personenstandsdelikte bilden die Herren Freisler, Mezger, OLGR. D r. Schäfer und D ürr, die UK. für die Ehedelikte die Herren Gras Gleispach, Lorenz, Karl Schäfer und Rietzsch. Ich würde die UK. bitten, mit der Formulierung des zu verhandelnden Stoffes nicht zu warten, bis auch die Ergänzungstatbestände besprochen sind.

(Schluß der Sitzung 14 Uhr 12 Minuten.)

gegen eine öffentliche Schmähung geschützt werden müssen. Wenn darauf hingewiesen wird, daß eine solche Strafdrohung gewisse satirische Romane und Lustspiele unmöglich mache, so wird mein Vorschlag falsch aufgefaßt; denn in solchen Satiren handelt es sich immer nur um die Karikatur eines der Ehegatten, nicht um eine Verhöhnung der Ehe als Einrichtung. Diese Einrichtung aber muß unabhängig davon ge­ schützt werden, ob die einzelne Ehe zur Karikatur Anlaß gibt. Ich meine auch, daß mit den Mitteln der Propaganda ein genügender Schutz nicht gewähr­ leistet werden kann. Hier ist unter allen Umständen eine strafrechtliche Reaktion notwendig. Ob man in diesen Schutz auch das Verlöbnis einbeziehen soll, erscheint fraglich; ich halte diese Einbeziehung nicht für erforderlich. Der hier notwendige Schutz wird schon durch den Schutz der Ehe gewährleistet.

Strafrechtskommission

44. Sitzung 17. September 1934 (Oberhos) Inhalt Angriffe aus Ehe, Familie und Personenstand (Fortsetzung) Reichsjustizminister Dr. G ürtner........................ 1. 2. 3. 4. Staatssekretär Dr. F r e iste r ................................ 1. 2. 3. 4. Professor Dr. Graf Gleispach ................................ 1. 2. 3. Senatspräsident Professor Dr. Klee ................................. 2. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz ..................................... 2. Ministerialdirektor Schäfer ......................................... 3. 4. Professor Dr. Mezger .............................................................. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack............................ 3. Staatssekretär Dr. Dr. Schlegelberger .................................

5 5 4 4 3 5 3 4 5

Sittlichkeitsdelikte Reichsjustizminster Dr. Gürtner 5. 6. 7. 8. 9. 11. 12. 13. 16. 18. 19. Berichterstatter Professor Dr. Graf Gleispach 5. 6. 9. 10. 13. 14. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz 5. 6. 10. 13. 15. Senatspräsident Professor Dr. K le e ........... 6. 8. 13. 18. Professor Dr. Dahm ................................................. 7. 11. Staatssekretär Dr. Freister ... 7. 9. 11. 13. 18. 19. 20. Professor Dr. M e z g e r ........................ 7. 8. 9. 11. 19. 20. Professor Dr. Kohlrausch..................................... 8. 12. 16. Professor Dr. N a g le r .......................................................... 8. Vizepräsident G r a u ...................................................... 8. 12. Ministerialdirektor Schäfer ................................. 8. 9. 13. Oberstaatsanwalt Dr. Reimer ................................. 9. 11. Geheimer Regierungsrat Ministerialrat Dr. S ch ä fer....... Sächsischer Justizminister Dr. Thierack................ 11. 13.

14. 21 12. 21 12. 19 20 18 21 21 20 19 17 19 20 9 16

Der Reichsjustizminister Dr. Gürtner eröffnete die Sitzung um 9 10 Uhr. Anwesend sind die gleichen Herren wie in der 40. Sitzung. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren! Bei den Ehedelikten sind noch andere Tatbestände vorgeschlagen worden, zu denen die Herren Berichterstatter keine Stellung genommen haben, vor allem Verlaffung einer Schwangeren, Schmähung der Ehe, Schutz des Familienbanngutes. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich stelle den Antrag, den Schutz der Ehe und Mutterschaft gegen öffentliche Schmähung an die Spitze dieses Abschnitts zu stellen. Diesen Einrich­ tungen des S taates kommt nach nationalsozialistischer Auffassung eine solche Bedeutung zu, daß sie als solche

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Vorschlag geht dahin: „Wer die Ehe oder die Mutterschaft als Einrichtung öffentlich schmäht oder verhöhnt, wird bestraft", ein Gedanke, der, wie ich mich zu entsinnen glaube, schon zu Anfang der römischen Kaiserzeit eine gewisse Rolle gespielt hat. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich begrüße die von Herrn Staatssekretär Freisler vorgeschlagene Strafbestimmung sehr. Denn ich meine, wir würden uns mit einem solchen Tatbestand ganz auf der Linie bewegen, die w ir schon bisher eingehalten haben. Solche Einrichtungen wie Ehe und Mutterschaft, die die Grundlagen des Volkslebens überhaupt sind, bedürfen eines in jeder Hinsicht wirk­ samen Schutzes. Die Bedenken, daß hierdurch etwa die schriftstellerische Produktion eingeschränkt werde, teile ich in keiner Weise. Außerdem scheint mir eine solche Einschränkung nach gewissen Richtungen hin auch durchaus kein Schade zu sein. Um klar erkennen zu lasten, daß es sich bei der vorgeschlagenen S traf­ drohung um den Schutz der Lebensgrundlagen des Volkes handelt, wäre es vielleicht zweckmäßig, in den Tatbestand das Wort „Einrichtung" ausdrücklich auf­ zunehmen. Staatssekretär Dr. Freisler: Herr Graf Gleispach spricht in dem von ihm vor­ geschlagenen Tatbestand auch von einer Schmähung der Familienbande. Ich habe dieses Merkmal ab­ sichtlich nicht aufgenommen, weil dann keine Grenze mehr gegenüber den nicht strafwürdigen Fällen sicht­ bar wäre. Ich bin sogar zu einer noch weiteren E in­ schränkung bereit. M an könnte einen Mißbrauch der Bestimmung dadurch verhindern, daß man auf subjektivem Gebiet die Böswilligkeit des Täters verlangt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir kämen zur Verlastung einer Schwangeren. Staatssekretär Dr. Freisler: An der Fassung des von Herrn Graf Gleispach vorgetragenen Tatbestandes muß ich zunächst aus­ setzen, daß die Abtreibung oder Tötung des Kindes in keinerlei inneren Zusammenhang zum Verlaffen der Schwangeren gestellt ist. W ir gehen doch selbst­ verständlich davon aus, daß diese T at der Schwan-

geren die psychologische Folge der Handlung des Täters ist. Jedenfalls muß also der Tatbestand anders gefaßt werden, und zwar dahin, daß diesem ursächlichen Zusammenhang Rechnung getragen wird. I n anderer Richtung geht der von der Unter­ kommission anläßlich der Beratung über die Tötungs­ delikte formulierte Tatbestand zu weit. Wenn dort vorgeschlagen wird, den T äter dann zu bestrafen, wenn durch das Verlassen der Schwangeren eine seelische Not für sie herbeigeführt wird oder verursacht wird, daß sie eines Beistandes bedarf, so muß ich dem entgegenhalten, daß dies stets die Folgen des Verlassens sind. M. E. ist die Bestrafung nur dann am Platz, wenn neben den sich aus der Schwängerung ergebenden Pflichten noch eine besondere Verpflich­ tung bestand, für die Geschwängerte zu sorgen. Das ist insbesondere bei einem Verlöbnis oder einem ähnlichen Sachverhalt der Fall. Zwar geht es nicht an, nach dem Vorbild der mittelamerikanischen Staaten schlechthin den Verlöbnisbruch unter Strafe zu stellen. Ich meine aber, daß das Verlassen der Schwangeren dann strafwürdig ist, wenn der Täter die Schwangere trotz des Verlöbnisies oder eines ähnlichen Sachverhaltes verläßt und dadurch außer­ dem einen Zustand herbeiführt, der eine schwere Ge­ fahr für M utter und Kind bedeutet. Damit auf subjektivem Gebiet die notwendige Einschränkung erreicht wird, wäre das Merkmal „gewissenlos" auf­ zunehmen. Reichsjustizminister Dr. G ürtner: Die Vorfrage ist: Können wir das Verlassen einer unehelichen Schwangeren in die Ehedelikte auf­ nehmen? Professor Dr. Graf Gleispach: Ich hatte ursprünglich vorgeschlagen, den hier erörterten Tatbestand an die Kindestötung anzu­ schließen. Nach dem Verlauf der Debatte erscheint mir das jetzt noch richtiger. Denn wir wollen ja die Verletzung der natürlichen Pflichten nur deshalb mit Strafe bedrohen, weil wir das Leben des Kindes schützen wollen. I m übrigen besteht ja Einigkeit darüber, daß der Schwängerer schlechthin eine Sorgepflicht für die M utter hat. Deshalb halte ich es für bedenklich, hier von einer besonderen Pflicht zu sprechen. Viel­ mehr erscheint es mir richtig, ein Gesährdungsdelikt in dem Sinne zu konstruieren, daß das Verlassen der Schwangeren eine ernste Gefahr für die Schwangere oder das Kind herbeiführen muß. Dann ergibt sich auch eine zweckmäßige Einschränkung auf subjektivem Gebiet, weil sich der Täter dieser Gefahr bewußt sein muß. Senatspräsident Professor D r. Klee: Die Konstruktion eines Gefährdungstatbestandes halte ich für sehr richtig, weil wir sonst wieder auf ein reines Ersolgsdelikt hinauskommen. I m Gegen­ satz zu Herrn Grafen Gleispach bin ich aber für Ein­ stellung des Tatbestandes an dieser Stelle. Denn es handelt sich um einen qualifizierten Fall der Ver­ letzung der Unterhaltspflicht. Der Tatbestand könnte sich also zweifellos an § 314 anschließen, vielleicht

wäre auch nur ein weiterer Absatz in diesem P a ra ­ graphen notwendig. I m Tatbestand von einer besonderen moralischen Pflicht des Täters zu sprechen, halte ich für unrichtig. Denn jeder Schwängerer hat nt. E. die moralische Verpflichtung, der M utter Beistand zu leisten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Nicht jeder Schwängerer hat diese Pflichten; ich bitte zu überlegen, daß mehrere vorhanden sein können, oder daß eine Frauensperson sich zahlreiche Väter verschafft. Es muß jedenfalls zum Ausdruck kommen, daß das Verlassen gegen die guten Sitten verstoßen muß. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich habe auch Bedenken gegen beide vor­ geschlagenen Fassungen eines solchen Tatbestandes. Es sind einmal Fälle denkbar, in denen das Ver­ lassen der Schwangeren aus durchaus beachtlichen, sogar berechtigten Gründen erfolgt, z. B. wenn sie sich inzwischen mit anderen Männern eingelassen hat. Dann möchte aber auch ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verlassen, Ohnebeistandlassen usw. und der betreffenden Handlung der Schwangeren be­ stehen, was nicht immer der Fall zu sein braucht und was andererseits oft schwer nachweisbar sein wird. Staatssekretär D r. Freisler: Der Tatbestand muß auf solche Fälle beschränkt werden, in denen verlöbnisähnliche Bande bestehen. Ich denke jetzt in erster Linie gar nicht an die Abtreibungsfälle. Ich denke an die Fälle, in denen der geschlechtliche Verkehr nicht ohne Folgen ge­ blieben ist, der Täter aber das Mädchen trotzdem nicht heiratet, obwohl es von der Volkssitte verlangt wird. Diesen F all möchte ich in erster Linie treffen. Ein derartiges Verhalten ist nach der Volksmeinung eine Gemeinheit, und diese Volksmeinung liefert uns auch die Einschränkungsmerkmale für den Tatbestand. Die Bestrafung von einer ernsten Gefährdung des Kindes abhängig zu machen, erscheint mir zwar rich­ tig; da aber durch die Strafdrohung auch die M utter geschützt werden soll, ist der Tatbestand an dieser Stelle einzufügen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Tatbestand wäre das Verlassen einer Geschwän­ gerten ohne Unterschied, ob der Täter mit ihr ver­ heiratet ist oder nicht, die subjektive Abgrenzung wäre etwa in der „Gewissenlosigkeit" zu finden, die objek­ tive in dem Herbeiführen einer schweren Gefahr für M utter oder Kind. (Mehrfache Zustimmung.) Dann kommen wir zum Heiratsschwindel. W as soll darunter verstanden sein? Staatssekretär D r. Freisler: Nach dem Vorschlag der Preuß. Denkschrift auf Seite 62 soll in das neue Recht eine besondere Strafdrohung gegen den Heiratsschwindel aufge­ nommen werden, und zwar nicht gegen den Heirats­ schwindel im vermögensrechtlichen Sinne. Es soll bestraft werden, wer eine unbescholtene F rau zum

Geschlechtsverkehr verleitet, indem er sie darüber täuscht, daß er sie heiraten wolle. Ich bin mir klar darüber, daß eine so weit gefaßte Bestimmung nicht ausgenommen werden kann. Andererseits ist es nicht möglich, solche Fälle unter, dem Gesichtspunkt des Betruges zu bestrafen; denn in sehr vielen Fällen wird die Täuschung nur verübt, um das geschlechtliche Bedürfnis zu befriedigen. Die notwendige E in­ schränkung gegenüber der Preuß. Denkschrift er­ gibt sich aus dem Merkmal der Gewohnheitsmäßig­ keit, was ich hier vorschlagen möchte. Der gewohn­ heitsmäßige Heiratsschwindel rührt derart an die Grundlagen der sittlichen Ordnung, daß er nicht straffrei bleiben kann, auch wenn der Gesichtspunkt -es Betruges nicht zutrifft. Auch das Merkmal der Unbescholtenheit halte ich für erforderlich. E s ist zwar niemals gut, den Angeklagten sich mit der Be­ hauptung verteidigen zu lasten, die betrogene F rau sei nicht unbescholten gewesen. Diese Frage bedarf deshalb m. E. noch der Erörterung. Ich möchte deshalb auch insoweit einen positiven Antrag nicht stellen. Ministerialdirektor Schäfer: Der praktisch wichtige Fall ist der des gewerbs­ mäßigen Heiratsschwindels. E r ist ein typischer Fall des gewerbsmäßigen Betrugs. Daneben gibt es auch einen gewohnheitsmäßigen Schwindel ohne gewinn­ süchtige Absicht, aber dieser Fall ist nicht sehr praktisch. E s wird z. B. selten nachweisbar sein, daß jemand die Gewohnheit hat, durch Vorspiegelung ernstlicher Heiratsabsichten zum Beischlaf zu verführen. Professor Dr. Mezger: M. E. muß die Frage des Betrugs (Heirats­ schwindels) und der Gedanke des Versührens grund­ sätzlich getrennt werden. Ich würde im letzteren Punkte eine weitergehende Annäherung an den englisch-amerikanischen Standpunkt, also einen ge­ wissen strafrechtlichen Schutz des Verlöbnisses, be­ grüßen. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Meiner Ansicht nach soll das unbefleckte Weib geschützt werden. I n dieser Beziehung haben wir schon den Schutz der Minderjährigen. Jetzt ist die Frage, ob auch die Volljährige in dieser Richtung zu schützen ist. Dazu bin ich der Meinung, daß man der Volljährigen eine gewisse Verfügung über ihren Körper lassen muß. Wohl aber glaube ich, daß man die Gewohnheitsmäßigkeit strafen kann. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich glaube, ein praktisches Bedürfnis besteht nicht; die Fälle, wie sie hier vorgesehen sind, werden sehr selten sein. Die betreffende F rau wird meist auch kein Interesse an einer gerichtlichen Aufrollung des Falles haben. Ministerialdirektor Schäfer: Ich befürchte auch praktische Schwierigkeiten; „gewohnheitsmäßig" würde bedeuten ein Handeln „aus einem Hang heraus". D as ist doch kaum nach­ weisbar.

Professor D r. Graf Gleispach: Ich habe versucht zu formulieren: „Wer eine unbescholtene F rau durch Mißbrauch eines Ehever­ sprechens zur Hingabe verleitet". Dieser Vorschlag lehnt sich an die Preuß. Denkschrift an, zugleich aber auch an eine Bestimmung des geltenden öster­ reichischen Rechts. I n Österreich hat man mit einem ähnlichen Tatbestand nicht sehr gute Erfahrungen gemacht. I n der Praxis hat der Richter den Ange­ klagten oft gefragt, ob er die Absicht habe, die Ver­ führte zu heiraten. Es ist oft die Verhandlung aus­ gesetzt worden, um abzuwarten, ob es zur Ehe kommt. M an kann sehr leicht zu einer Bestrafung des Verlöbnisbruches kommen. Reichsjustizminister Dr. G ärtner: Wenn es schon nicht gelingt, daß im Heiratsschwindelprozeß die F rau die Schädigung zugibt, um soviel weniger wird es möglich sein, sie zu bewegen, einzuräumen, sie habe sich hingegeben, weil sie an die Ehe geglaubt habe. Ich würde vorschlagen, diesen Tatbestand fallen zu lassen, wenn wir nicht irgend­ welche überzeugenden Gründe aus der Praxis noch finden. Wir kämen nunmehr zu einem sehr weitreichenden Punkt, dem Schutz des Familienbanngutes. Staatssekretär Dr. Freister: Die Fälle, die durch die Strafdrohung gegen Verschleuderung des Familienbanngutes getroffen werden sollen, sind in der P raxis ganz außerordent­ lich häufig. Sie kommen immer wieder vor, wenn eine Ehe brüchig geworden ist, die Frau die Schei­ dungsklage einreichen will oder der Scheidungs­ prozeß bereits begonnen hat. E s kommt immer wieder vor, daß die Frau, wenn sie vom Gericht oder ihrem Anwalt zurückkommt, oder wenn sie mit ihren Eltern an einem anderen O rt über die einzuschla­ genden Schritte beraten hat, das Haus völlig leer findet. E s gibt drei Arten der Reaktion auf die Scheidungsabsicht: Entweder wirft der M ann die Frau aus dem Hause, und sie ist dann genötigt, im Wege der einstweiligen Verfügung sich das Lebens­ notwendigste zu verschaffen. Der seltenere Fall ist der, daß sich beide Ehegatten einigen und sich so lange nicht stören, bis die Entscheidung gefallen ist. Am häufigsten aber veräußert der M ann kurzer Hand das Familienbanngut. Ich habe das in 100 Fällen in meiner 10jährigen Anwaltspraxis erlebt. I n der Großstadt sind derartige Fälle an der Tagesordnung. Gegen sie muß mit aller Energie vorgegangen werden. Die F rau befindet sich nach einem solchen Verhalten des M annes meist in einer ungeheuren Gefahr. E s gibt in solchen Fällen regelmäßig nur einen Ausweg, um sich wirtschaftlich über Wasser zu halten. E s besteht also ein ganz dringendes materielles und ideelles Bedürfnis, hier die erforderliche Strassanktion eintreten zu lassen. Jede Ehe muß zum mindesten in anständiger Form zu Ende geführt werden; es geht nicht an, daß der eine Ehegatte jede Lebensmöglich­ keit des anderen straflos böswillig zerstört. Es muß deshalb ein besonderes Familienbanngut geschaffen und dann strafrechtlich geschützt werden. Dabei sind die bürgerlich-rechtlichen Verhältnisse bezüglich dieses Banngutes völlig gleichgültig. E s kommt gar nicht

daraus an, wem das einzelne Vermögensstück gehört. Ic h schlage deshalb nicht vor, das B G B . zu ändern. D ie Veräußerung des Lebensnotwendigsten muß im m er bestraft werden. Deshalb ist es auch eine Schwäche der Preuß. Denkschrift, wenn sie den Tatbestand auf die Eigentumsverhältnisse abstellt. M it der Frage der S tra fw ü rd ig k e it. haben diese Eigentumsverhältnisse überhaupt nichts zu tun. Es ist auch nicht richtig, wenn eingewandt w ird , daß m an nicht strafrechtlich verbieten könne, was z iv il­ rechtlich möglich sei. Ic h verweise aus den Tatbestand der Untreue, bei dem die Sachlage ganz ähnlich ist. Daß durch meinen Vorschlag ein unerträglicher Gegensatz zwischen bürgerlichem Recht und Strafrecht herbeigeführt werde, vermag ich ebenfalls nicht ein­ zusehen. Es kommt auf diesen Gegensatz überhaupt nicht an. Bestrafen w ill ich also die Veräußerung der für den Lebensunterhalt notwendigsten Gegenstände. Kein Ehegatte soll sie ungestraft ohne B illig u n g des anderen Ehegatten veräußern dürfen. M a n könnte einwenden, daß dadurch nicht der notwendige Schutz fü r die Kinder gewährleistet werde; denn in der T a t bleiben nach meinem Vorschlag die E lte rn , die das Fam ilienbanngut in gegenseitigem Einverständnis veräußern, straflos. Ic h sehe aber keine Möglichkeit, die notwendigen Feststellungen zu treffen, wenn beide Ehegatten in gegenseitigem Einverständnis handeln. Denn solche F älle sind durchaus nicht immer straf­ w ürdig. Diese Einschränkung muß also in Kauf genommen werden. Ich bin m ir klar darüber, daß durch die vorge­ schlagene S trafdrohung nicht jede Veräußerung des Fam ilienbannguts verhindert w ird . W ir müssen aber m it dieser S trafdrohung der Auffassung des Volkes entgegenkommen; denn die F ra u betrachtet eine solche Handlungsweise des M annes als eine ganz große Gemeinheit. M a n könnte sagen, daß alle diese F älle als Ver­ letzung der Unterhaltspflicht erfaßt werden könnten. Sicherlich könnte man diese F älle hinter diesem T a t­ bestand verstecken. Aber das Volk betrachtet sie eben nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Unterhaltspflicht, sondern sieht sie als eine T a t eigener A r t an. M a n sollte deshalb einen besonderen Tatbestand schaffen; er ist auch aus erzieherischen Gründen empfehlenswert. Gegenüber der Preuß. Denkschrift schlage ich also eine veränderte F o rm des Tatbestandes vor: E s muß sich um die Veräußerung von Banngut handeln, das fü r den anderen Ehegatten lebens­ notwendig ist. Bestrafung soll nur eintreten, wenn die Veräußerung ohne E in w illig u n g des anderen Ehegatten erfolgt. Schließlich kann ich m ir auch F älle denken, in denen die T a t nicht strafwürdig ist, obwohl der andere Ehegatte der Veräußerung wider­ sprochen hat. Ic h denke daran, daß der M a n n das Fam ilienbanngut veräußert, um in einem anderen O rt eine neue Existenzgrundlage fü r seine F am ilie zu schaffen. Deshalb wäre es richtig, den T a t­ bestand auf subjektivem Gebiet durch das M erkm al „gewissenlos" einzuschränken.

Reichsjustizminister T r . Gürtner: M eine Herren, diese Ausführungen haben den großen Vorzug der Gebietsabgrenzung. Es ist nicht der Gedanke, das ganze F am iliengut dem Verkehr zu entziehen. D ie Idee ist aus einer Beobachtung der P ra x is geschöpft und scheint sich strafrechtlich verwirklichen zu lassen. S o ll nun aber aus dem Strafrecht herausfallen, wenn beide Ehegatten über­ einstimmend handeln, auch wenn es gewissenlos ist? Zweite Frage: W ie soll der B e g riff lebensnotwendige Habe abgegrenzt werden? D ritte n s : S o ll der Form alakt genügen, oder soll man eine Gefährdung der F ortfü h ru n g des Haushalts verlangen? Professor D r. G raf Gleispach: Ic h habe nach den von Herrn Staatssekretär D r. F re iste r vorgetragenen Gesichtspunkten eine Form ulierung des Tatbestandes versucht. S ie lä u ft auf ein Gefährdungsdelikt hinaus, und ich glaube, daß alles, was gefaßt werden soll, schon ohnehin als Verletzung der Unterhaltspflicht strafbar ist. M . E. ist daher ein besonderer Tatbestand nicht erforderlich. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich bin der M einung, wenn man unter U nterhalt auch die Kleidung und die Wohnmöglichkeit versieht, mündet dieser Tatbestand in die Verletzung der Unterhaltspflicht ein. Trotzdem kann man sagen, da das Volk unter U nterhalt im großen und ganzen Essen und Trinken versteht, wäre es nicht unzweck­ mäßig, das als besonderen Tatbestand zu form ulieren. Senatspräsident Professor D r. Klee: D as würde auf den M a n n zutreffen, aber nicht auf die F ra u , denn sie hat n ur unter bestimmten V o r­ aussetzungen eine Unterhaltspflicht, deswegen ist ein besonderer Paragraph erforderlich. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ic h glaube, man könnte den Tatbestand unter die Ehedelikte nehmen. Es wäre nur eine Frage der Reihenfolge. M eine Herren, ich glaube, über die r a t io le g is besteht eine einheitliche Auffassung; das Z e itw o rt würde sein: Veräußern oder Beiseiteschaffen, das Objekt müßte sein Gegenstände oder Familienhabe, die lebensnotwendig — fü r die F a m ilie einschließ­ lich der Kinder — sind, und subjektiv würde man meiner Überzeugung nach einen Akzent brauchen, „gewissenlos" oder „b ö s w illig ". D ann letztlich die Frage, ob w ir die Zustimmung ausdrücklich erwähnen sollen. Sächsischer Justizminister D r. Thierack: W ir finden nicht selten Fälle, wo der uneheliche V ater m it der unehelichen M u tte r zusammenlebt. Staatssekretär D r. Freisler: Aus die Ehe würde ich es nicht abstellen, sondern aus die F a m ilie und dann in solchen Fällen den unehelichen Kindern den gleichen Schutz geben. M in isterialdirektor Schäfer: Ich glaube, diese Schwierigkeiten werden um­ gangen, wenn man sagt „und dadurch den U nterhalt gefährdet".

Staatssekretär D r. Freister: M . E. ist dieser Zusatz abzulehnen; die T a t an sich muß bestraft werden, wenn sie gewissenlos ist. M in isteria ld ire kto r Schäfer: W ir wollen den Unterhalt fü r die F a m ilie schützen, und das Fam iliengut ist eine Unterlage dafür. Wenn z. B . die Ehegatten das letzte B e tt verkaufen und m öbliert wohnen wollen, dann t r if ft der Tatbestand objektiv nicht zu, wenn der Unterhalt nicht gefährdet ist. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Run kommt eine grundsätzliche Frage: Kann man auf eine objektive Abgrenzung verzichten, nämlich Gefährdung der Lebensführung, w eil das alles durch gewisienlos umfaßt ist? Staatssekretär D r. D r. Schlegelberger: Ich glaube, die uneheliche M u tte r, die die lebens­ notwendige Grundlage fü r das Kind entzieht, muß man genau so bestrafen, wie die eheliche, man müßte also Ehegatten oder E lte rn sagen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Frage ist n u r, ob das praktisch ein großes Anwendungsgebiet hat; gewöhnlich handelt es sich um das gegenseitige Schikanieren von Ehegatten. Es besteht w ohl Einigkeit, daß w ir den B e g riff F a m ilie verwenden. W ir kommen nun zu den Sittlichkeitsdelikten. Berichterstatter Profesior D r. G raf Gleispach: D er 21. Abschnitt des ResEntw. enthält nicht ganz gleichartige Delikte. Wenn Kuppelei und Z u ­ hälterei zu einer besonderen Gruppe zusammengefaßt und hier ausgeschieden werden, dann ist die Über­ schrift des Abschnitts sachlich zutreffend. Ich würde jedoch der Bezeichnung „Unzucht" die Überschrift „A n g riffe gegen die S ittlich ke it" vorziehen. Zielpunkt ist hier ein starker Schutz der geschlecht­ lichen S ittlichkeit und der Gesundung des geschlecht­ lichen Verkehrs, sowohl durch die Gestaltung der T a t­ bestände als auch durch nachdrückliche Strafdrohung. Schon das germanische Recht bestrafte die Delikte dieses Abschnitts sehr streng. I n der Folgezeit ist eine Abschwächung dieses Standpunktes vor allem durch den E in flu ß der katholischen Kirche verhindert worden. Liberalism us und M arxism u s haben den Abbau des Strafrechts gerade auf diesem Gebiet energisch verlangt. D ie Bestrebungen hatten jedoch wenigstens in der Gesetzgebung keine Erfolge, wenn sich auch in der richterlichen P ra x is ein gewisies Nach­ lassen bemerkbar gemacht hat. D ie Statistik zeigt, daß die Jahre unm ittelbar vor dem W eltkrieg eine starke Zunahme der Sittlichkeitsdelikte gebracht haben. Während des Weltkrieges tra t insoweit ein S tillstand ein, die Nachkriegsstatistik zeigt aber wieder die alte Tendenz. Ic h bin nun nicht der Ansicht, daß die Abnahme oder Zunahme der Sittlichkeitsdelikte notwendig ein Maßstab fü r die moralische Haltung eines Volkes ist. Es kann sogar im Gegenteil eine Abnahme der Sittlichkeitsdelikte parallel gehen m it einer Schwächung der M o ra l. (H inw eis auf Exner,

Krieg und K rim in a litä t.) Ic h glaube sicher, daß die sittliche Gesundung unseres Volkes seit der national­ sozialistischen R evolution sich auch auf unserem Gebiet sehr gut auswirken w ird . Diese Hoffnungen fü r die Zukunft rechtfertigen es aber nicht, an ein Nachlassen des Strafschutzes zu denken. Ich möchte zunächst noch kurz einiges zum Aufbau des Abschnitts bemerken: E s ist ein vierfacher Schutz zu gewähren, und zwar erstens der Schutz der ge­ schlechtlichen F re ih e it; bei dieser Grrchpe kann man unterscheiden den Schutz v o r gefährlichen Angriffen (D rohung und Zw ang) und den Schutz derjenigen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Zweitens der Schutz der Kinder und Jugendlichen; drittens der Schutz gegen die schwersten widernatürlichen A b irru n ­ gen des Geschlechtstriebes, wozu ich auch die B lu t­ schande rechne, und endlich viertens der Schutz der öffentlichen Sittlichkeit. M eine Vorschläge ordnen den S to ff nach dieser Unterscheidung. D ie Denkschrift behandelt die Blutschande als Delikt gegen die F am ilie, w o fü r manches spricht, die öffentliche Unsittlichkeit als Zersetzung der moralischen Volkskraft, die E r ­ schleichung des Beischlafs als Ehedelikt. I n letzterer Hinsicht scheint m ir aber der betrügerische A n g riff auf die Freiheit der Entschließung im Vordergrund zu stehen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Ic h schließe mich den Ausführungen des Herrn G ra f Gleispach im wesentlichen an. Ich würde auch „A n g riffe gegen die S ittlich ke it" dem Ausdruck „U n ­ zucht" als Überschrift vorziehen. Denn wie nicht jede Unzucht hier als strafbar erfaßt ist (z. B . nicht die lesbische Liebe), so ist auch nicht alles Unzucht, was in diesem Abschnit geregelt ist. (V g l. z. B . § 300 Abs. 2 Satz 1 F a ll 2 ResEntw.) Ic h möchte noch anregen zu prüfen, ob nicht Ab­ schnitt 36 ResEntw. aufzuteilen und die §§ 373 und 374 hierher zu nehmen wären in den letzten Unter­ abschnitt „Verletzungen der öffentlichen S ittlichkeit". Den Ausführungen ü b e r' die Tendenz der S tra f­ drohungen möchte ich ebenfalls beipflichten. Unser Volk und ganz besonders unsere heranwachsende Jugend muß einen ausreichenden Schutz gegen sitt­ liche Gefährdung finden. K ra ft und Gesundheit des Volkslebens müssen gegen sittliche Dekadenz geschützt werden, wie sie Größen eines vergangenen Regimes propagiert haben, voran der Jude M agnus Hirschfeld. Hinsichtlich der Strafrahm en müßte vielleicht manches geändert werden; dazu w ird man bei den einzelnen Tatbeständen S tellung zu nehmen haben. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ic h halte die Gleispachsche Gruppierung für sehr zweckmäßig. Gruppe 3 und 4 sind zweifellos Delikte, die sich nach dem geschützten Rechtsgut scharf ab­ grenzen lassen. D ie Gruppen 1 und 2 lassen sich be­ grifflich nicht ganz so scharf trennen; Gruppe 1 geht von den Personen aus, denen die Verfügung über ihre geschlechtliche Bestimmung durck den T äte r be­ schränkt w ird. V o n dort fü h rt ein Übergang zu den Jugendlichen. Trotzdem möchte ich die Trennung bei­ behalten.

e Berichterstatter Professor D r. Graf Gleispach: I n der Gestaltung der einzelnen Tatbestände scheint zunächst der ResEntw. weitgehenden Verein­ fachungen zugänglich. Ich darf darauf Hinweisen, daß das polnische Strafgesetzbuch in Art. 204 nur eine allgemeine Strafdrohung für die Tatbestände enthält, die den §§ 282— 285 entsprechen. S o scheint es, daß auch die §§ 282 und 283, ferner 284 und 285 ver­ einigt werden könnten. Denn Unterscheidungen im Strafrahm en sind jedenfalls unnötig. Aber jeweils im ersten Tatbestand soll das Angrisfsobjekt jeder­ mann sein können, um auch die gleichgeschlechtliche Unzucht zu ersassen, jeweils im zweiten F all ist es nur eine Frau. I n den Tatbeständen der §§ 282 und 284 ist also, wenn die dort angegebenen M ittel an­ gewendet werden, auch die Nötigung eines Mannes durch eine F rau und der gleichgeschlechtliche Verkehr strafbar, und zwar sowohl die Homosexualität im Sinne des § 175 S tG B , wie auch die lesbische Liebe. Ich halte das durchaus für berechtigt, weiß aber nicht, ob der RefEntw. diese Konsequenzen ziehen wollte. Die erwähnte Vereinfachung ist danach nur möglich, wenn man grundsätzlich M ann und F rau auch bei der eigentlichen Notzucht gleichstellen will. Ich möchte das nicht befürworten. I n den Fällen, in denen eine F rau einen M ann zum Beischlaf nötigt, genügt der allgemeine Nötigungstatbestand. I m übrigen halte ich eine Umstellung der §§ 282 und 263 einerseits und der §§ 284 und 285 anderer­ seits für zweckmäßig. Vor allem entspricht es mehr der Volksanschauung, den Abschnitt mit dem schwersten Delikt der Notzucht zu beginnen. Zu § 284 (Schändung) möchte ich noch folgendes bemerken: Bei dem schwierigen Problem des Ver­ kehrs mit Geistesschwachen kommt es m. E. nicht auf die Fähigkeit oder Unfähigkeit an, Widerstand zu leisten, sondern auf den Grad des krankhaften Zu­ stands. Ich halte es deshalb für richtig, die Geistes­ schwäche und die Unfähigkeit zum Widerstand gleich­ geordnet nebeneinanderzustellen. Der Tatbestand der §§ 282 und 283 scheint mir durch die Art der Drohung zu sehr eingeschränkt zu sein. E s soll nur eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben genügen. D as hat zur Folge, daß der Täter nur wegen Nötigung bestraft werden kann, wenn er in anderer Art und Weise droht. M ir scheint das eine zu milde Bestrafung zur Folge zu haben, und ich beantrage deshalb die Ausdehnung des Tatbestandes auf jede gefährliche Drohung. Auch Norwegen (§ 191), Ita lie n (Art. 519) und Polen (Art. 204) kennen die Einschränkung des ResEntw. nicht. F ü r eine solche Ausdehnung des RefEntw. spricht vor allem auch die Erwägung, daß die geschlechtliche Freiheit nicht geringeren Schutz genießen darf als das Vermögen. Nach dem ResEntw. aber sind die Drohungsmittel bei der Erpressung viel weiter gestaltet als hier bei den Unzuchtsdelikten. D as ist nt. E. nicht tragbar. Die Erweiterung der §§ 282 und 283 muß also in der Weise erfolgen, daß der Umfang der geeigneten Drohungsmittel ntindestens so groß ist wie bei der Erpressung. I m übrigen halte ich es für richtig, in § 287 ResEntw. die schweren Folgen besonders hervorzu­

heben. Vielleicht wäre aber zweckmäßig, die ab­ schließende Aufzählung zu vermeiden und gewisse Folgen nur beispielsweise zu nennen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Z ur Klarstellung möchte ich folgendes festhalten: Nach Ih re r Meinung sollten die Drohmittel der Erpressung in Parallele gestellt werden zur Notzucht. D as halte ich für selbstverständlich. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich habe den Ausführungen des Herrn Grasen Gleispach nur weniges hinzuzufügen: Zu begrüßen ist, daß in § 282 nicht nur die weibliche Person, sondern jede Person schlechthin geschützt werden soll. Denn es ist durchaus denkbar und auch praktisch vor­ gekommen, daß eine (jugendliche) männliche Person von einer männlichen oder weiblichen Person zur Unzucht genötigt wird. Auch die durch diese Fassung erfolgte Einbeziehung des gleichgeschlechtlichen Ver­ kehrs, sowohl zwischen M ännern wie zwischen Frauen, halte ich für durchaus angebracht. Eine Zusammenfassung der §§ 282 und 283 wäre denkbar; sie war bereits vom Gegenentwurf 1911 vorgeschlagen worden. E s hieß da in § 236 Abs. 2: „Ist die unzüchtige Handlung der außereheliche Bei­ schlaf, so ist die S tr a fe .........". Der Volksanschauung dürste es aber mehr entsprechen, den Notzuchtsbegriff im bisherigen Sinne beizubehalten. Den Drohungs­ tatbestand auszuweiten, halte ich aus dem gleichen Grunde nicht für zweckmäßig. E s entstehen auch keine Schwierigkeiten, da die Strafdrohung gegen die Nö­ tigung besonders schwere Fälle vorsieht und dadurch ausreichende Bestrafungsmöglichkeit gegeben ist. Die §§ 284 und 285 RefEntw. enthalten die sog. Schändung und schwere Schändung. Der Tatbestand des § 284 ist in dieser Fassung neu. Seinem Abs. 1 wird zugestimmt, Abs. 2 ist zu streichen im Hinblick auf § 32a Entwurf 1934 und Entwurf der UK. Nr. 16. Der § 285 erfaßt den Tatbestand des § 176 Abs. 1 Nr. 2 und den des Falles 2 von § 177 S tG B .: Miß­ brauch einer bewußtlosen F rau zum außerehelichen Beischlaf. Die Fassung trifft beide Fälle, den, wo der Täter den schon vorhandenen fraglichen Zustand ausnutzt, und den, wo der Täter die F rau erst zur Erreichung seines Zweckes in diesen Zustand versetzt hat. Da letzterer Fall hier mit getroffen wird, möchte die Begrenzung der Strafdrohung — Zuchthaus bis zu 10 Jahren — gestrichen werden. Der Entwurf 1927 hatte auch Zuchthausstrafe allgemein angedroht. D as würde übrigens der Strafdrohung des § 177 geltenden Rechtes entsprechen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Die Überschrift des Abschnitts halte ich nicht für sehr glücklich. Der Ausdruck Unzucht sollte vermieden werden, da die Unzucht als solche nicht bestraft wird. Die Überschrift des geltenden Rechts ist besser. Auch nach meiner Ansicht gehört der Tatbestand der Notzucht an die Spitze des Abschnitts. M an sollte aber dann die Subsidiarität zum Ausdruck bringen und in § 282, der dann § 283 werden würde, etwa sagen: „Wer sonst eine Person mit Gewalt oder durch Drohung usw. nötigt."

Ich halte es nicht für richtig, wenn eine Erweite­ rung der Drohungsmittel bei der Notzucht parallel mit dem Erpressungstatbestand befürwortet wird. In ab stracto lassen sich die Ausführungen des Herrn Grafen Gleispach hören, nicht aber dann, wenn man die Eigenart der Erpressung, die nach einer Aus­ dehnung des Kreises der Drohungsarten drängt, ins Auge faßt. Für die Notzucht möchte ich eine Erweite­ rung der Drohungsmittel schon deshalb nicht befür­ worten, weil der Notzuchtsbegriff sich historisch in den Grenzen des § 283 entwickelt hat. D as Volk versteht unter Notzucht den Mißbrauch zum außerehelichen Beischlaf nur dann, wenn er mit Gewalt oder einer Drohung für Leib oder Leben verbunden ist. Auch ich bin der Ansicht, daß in anderen Fällen der Nötigungstatbeftand ausreichende Bestrafung gewährleistet. § 287 RefEntw. ist mir unsympathisch. Die in ihm ausgeführten Folgen find nicht typisch. Außer­ dem scheint mir die Bestimmung in Widerspruch zu stehen mit § 20 unserer Beschlüsse in erster Lesung. Danach muß nämlich der Täter die schweren Folgen mindestens fahrlässig verursacht haben. E r muß also bei den hier in Frage stehenden Tatbeständen wissen, daß z. B. die Gefahr des Selbstmords besteht. Dann aber erscheint mir ausreichende Bestrafung unter dem Gesichtspunkt gewährleistet, daß die fahrlässige Tötung mit der Notzucht in Jdealkonkurrenz treten würde, so daß nach unsern Beschlüssen in erster Lesung die Strafe um die Hälfte überschritten werden kann. Am wesentlichsten aber erscheint mir, daß § 287 in Wider­ spruch zum Willensstrafrecht steht. Allenfalls könnte man bei der Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit ein erhöhtes Strafbedürfnis annehmen. Ich bin aber aus grundsätzlichen Erwägungen für die Streichung des § 287. Professor Dr. Dahm: D as Verhältnis der §§ 282 und 283 zueinander bietet m. E. keine Schwierigkeit. Die „Nötigung zur Unzucht" ist der subsidiäre Tatbestand gegenüber der „Notzucht". M an sollte das durch eine Subsidiari­ tätsklausel zum Ausdruck bringen und die Notzuchts­ bestimmung voranstellen. I m übrigen möchte ich mich gegen eine Erweite­ rung der Drohungsmittel im § 283 aussprechen. Der Vergleich mit der Erpressung scheint mir zu hinken. Denn hier kommt es viel mehr auf die Art der an­ gewandten Mittel an als bei der Erpressung. Unter Notzucht versteht man allgemein doch nur die Erzwin­ gung des außerehelichen Beischlafs durch Gewalt oder durch schwere Drohungen. Sonst entsteht auch eine Kollision mit § 289. Denn dort ist von der Nötigung zum außerehelichen Beischlaf schlechthin die Rede, ohne daß bestimmte Nötigungsmittel genannt wären. Wenn die Drohungsmittel auch im Notzuchtstatbe­ stand gestrichen werden, so wird das Verhältnis zwischen den §§ 283 und 289 unklar. I n § 287 sollte man den Hinweis auf den Tod der verletzten Person nicht fallen lassen. Gerade bei der Notzucht wird die Strafwürdigkeit durch den — nach § 20 verschuldeten — Todeserfolg erhöht. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Wenn wir davon ausgehen, daß der Tod als Folge der Notzucht nur dann angerechnet wird, wenn

er fahrlässig verschuldet ist, dann konkurriert dieser F all mit der fahrlässigen Tötung, und wir haben des­ halb die Erhöhung der Höchststrafe zur Hand. Bei Geisteskrankheit und Bewußtlosigkeit wird in den §§ 284, 285 die Frage der Widerstandsfähigkeit überhaupt nicht gestellt, wohl aber bei Geistesschwäche. Sie kann je nach ihrer Intensität oder A rt die Ver­ antwortung ausschließen. Darum meine ich, man sollte mit dem Begriff der Geistesschwäche überhaupt nicht arbeiten. Staatssekretär Dr. Freister: Ich bin der Meinung, daß man den Begriff der Notzucht nicht ändern, sondern diesen volkstümlichen Begriff übernehmen sollte. Der Tatbestand der Not­ zucht ist auch an die Spitze zu stellen. Dagegen ist der Begriff der Nötigung zur Unzucht kein volkstümlicher. Hier bestehen deshalb keine Be­ denken, die Drohungsmittel zu erweitern, insbesondere sollte die Drohung mit einer Kündigung unter § 282 fallen. Herr Professor Dahm hat mit Recht gegen den Strafrahmen des § 289 protestiert. D as beweist aber, daß die Drohungsmittel in § 282 erweitert werden sollten. Noch ein Wort zu den schweren Folgen des § 287. E r steht in der T at im Widerspruch zu unseren.Grund­ gedanken. W ir sind doch darüber einig, daß gerade die Fälle des Besonderen Teils ein Prüfstein für die Richtigkeit dieser Grundgedanken fein sollen. M. E. werden aber diese Grundgedanken hier in keiner Weise erschüttert; denn ich sehe für § 287 nicht das geringste Bedürfnis. W ir können dem Richter vertrauen, daß er in solch schweren Fällen die Strafe richtig bemißt. Ein S traf Minimum ist also nicht nötig. Fraglich könnte nur die Erhöhung des Strafrahm ens nach oben fein. D a die §§ 282 und 283 schon an sich das zeitliche Höchstmaß vorsehen, so wäre nur zu prüfen, ob in solch schweren Fällen lebenslängliches Zuchthaus notwendig ist. Bei Beratung des Allge­ meinen Teils sind aber schwere Bedenken gegen eine Strafdrohung, die lebenslängliches Zuchthaus vor­ sieht, vorgetragen worden. Lebenslängliches Zucht­ haus sollte nur bei Umwandlung der Todesstrafe in Betracht kommen. I m übrigen ist das dauernde Her­ vorheben schwerer Fälle ein dauerndes M ißtrauens­ votum gegenüber dem Richter. M it derselben Be­ rechtigung müßten dann auch immer wieder die leichten Fälle hervorgehoben werden, und das haben wir doch grundsätzlich abgelehnt. Professor Dr. Mezger: Auch ich halte die Voranstellung des § 283 (Not­ zucht) für richtig und möchte bei dieser Bestimmung auch keine Ausweitung des Drohungsbegriffs befür­ worten. Ich würde das Merkmal „gefährliche Drohung" hier für zu weit halten. Bei § 284 bin ich für Streichung des Hinweises auf die Geistesschwäche. Durch dieses Merkmal würde eine Divergenz zum Allgemeinen Teil entstehen. Ich erinnere an die Erörterungen über die Schuld- und Zurechnungsfähigkeitsfrage. Eine solche Divergenz könnte für die Auslegung des Gesetzes gefährlich werden. Allerdings könnte die Streichung insofern praktische Folgen haben, als dann Personen, die nur

unter erhöhter sexueller Reizbarkeit leiden, aber nicht im eigentlichen Sinne geisteskrank sind, durch § 284 nicht geschützt werden. .Denn von einer Unfähigkeit zum Widerstand kann bei ihnen nicht gesprochen werden. M. E. besteht aber hier kein Grund zu be­ sonderem Schutz. Bei wirklich schwerwiegenden Fällen wird Geisteskrankheit oder Unfähigkeit zum Wider­ stand vorliegen. I m übrigen halte ich es für richtig, die schweren Folgen in § 287 ausdrücklich hervorzuheben. M in­ destens sollten sie beispielsweise genannt werden. Eine solche Hervorhebung bedeutet kein Mißtrauensvotum gegenüber dem Richter, sie dient aber der Anschaulich­ keit des Gesetzes. Professor Dr. Kohlrausch: Voranstellung der Notzucht erscheint mir richtig. Vielleicht empfiehlt sich aber eine Subsidiaritäts­ klausel zu § 282, wie sie Professor Dahm vorsah. Einen Ausdruck halte ich für sprachlich unschön: „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben." Ich kann einem Menschen nur mit Herbei­ führung einer Gefahr drohen^ und ich kann nicht mit gegenwärtiger Gefahr drohen. Wir können sagen: „Durch Gewalt oder durch Bedrohung von Leib oder Leben". Ich halte § 287 nicht für unnötig wegen der Regelung der Jdealkonkurrenz, weil er ein erhöhtes Mindestmaß vorschreibt. Eine Erweiterung zu lebens­ langem Zuchthaus scheint mir überflüssig zu sein; sie wäre eine Geste, der die T at nicht folgen würde. Wie ist es aber mit dem Fall, daß die notgezüchtete Frau in der Entbindung stirbt, und der Täter sich das hätte sagen müssen? Professor Dr. Nagler: Ich bin für die Beibehaltung des § 287 und zwar in der Form des RefEntw. Gerade auf diesem Ge­ biete können die Fälle so schwer liegen, daß mit einer bloßen Erhöhung des Strafrahm ens infolge Jdeal­ konkurrenz mit anderen Delikten nicht auszukommen ist. Ich denke an die Fälle, die nahe an Lustmord grenzen. Wichtig ist aber, daß in den Fällen der Jdealkonkurrenz die Mindeststrafe nicht geändert wird, und das scheint mir das Wesentliche. Diese Mindeststrafe ist unerträglich. Es geht nicht an, auch in gravierlichen Fällen eine Mindeststrafe von nur 6 Monaten Gefängnis anzudrohen. Hier wird sich § 287 sehr heilsam auswirken. I m übrigen möchte ich sowohl in § 282 als auch in § 283 eine Erweiterung der Drohungsmittel be­ fürworten. Die Geschlechtsehre ist unter allen Um­ ständen höher zu bewerten als das Vermögen. Schließlich muß ich darauf hinweisen, daß § 282 nicht die subsidiäre Strafdrohung gegenüber § 283 ist, vielmehr letztere Bestimmung sich als lex specialis darstellt. Vizepräsident Grau: Es ist von verschiedenen Seiten angeregt worden, es beim Tatbestand der Notzucht bei den Drohungs­ mitteln des RefEntw. zu belassen, dagegen in § 282 (Nötigung zur Unzucht) allgemein von gefährlicher

oder schwerer Drohung zu sprechen. Wenn das geschieht, so müssen nt. E. für beide Bestimmungen auch verschiedene Strafrahmen gewählt werden. Denn dann bestehen zwischen beiden Tatbeständen erheb­ liche Unterschiede im kriminellen Gehalt. Es ergibt sich also die Schlußfolgerung: Entweder gleiche Drohungsmittel oder bei verschiedenen Drohungs­ mitteln auch verschieden gestaltete Strafrahmen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: N ur noch ein kurzes Wort zu den schweren Folgen: Ich denke mir den Fall, daß der Täter die labile Gemütsverfassung der F rau und damit etwa die Selbstmordgefahr kennt. E s passiert aber nichts. Is t dann ein solcher M ann etwa geringer schuldig? W ir verneinen die Frage, und deshalb ist kein Raum für § 287. Der Hinweis auf die Fälle, die an Lustmord grenzen, scheint mir nicht stichhaltig. Läßt sich hier dolus eventualis feststellen, greift schwere Tötung Platz. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich möchte dazu ein Beispiel geben. Ich knüpfe an einen Fall an, der vom Berliner Schwurgericht mit 10 Jah ren Zuchthaus bestraft worden ist. Ein M äd­ chen wird in Schutzhaft genommen und in einen Keller verbracht; dabei erwachen sehr bald die sexuellen Instinkte der Mannschaft. Nun findet eine grausame Mißhandlung dieses Mädchens statt, sie wird ausgezogen, geprügelt, mit Ertränken und E r­ schießen bedroht, und es werden Notzuchtsversuche gemacht. Nun bitte ich einmal zu variieren, zu einer Notzucht kommt es nicht. Oder nehmen Sie die Novelle von Balzac, die Bauerndirne kommt in die S tad t und fällt den Stadtsoldaten in die Hände, dort wandert sie von einem zum anderen, und bei dem zehnten oder zwölften würde sie drausgehen. Dem Volksempsinden werden wir ohne Zweifel nicht gerecht, wenn wir einen Notzuchtsfall, der mit dem Tode ausgeht, nicht irgendwie strafrechtlich qualifizieren. Ministerialdirektor Schäfer: Ich bin mit dem Faffungsvorschlag des Herrn Professor Kohlrausch einverstanden. Es bedeutet eine Erweiterung, wenn das Wort gegenwärtig fortfällt, aber ich würde das gern in Kauf nehmen. Also z. B .: Ein M ann sagt, wenn du heute Nacht nicht die Zimmertür offenläßt, erschieße ich dich morgen. Dann ist keine gegenwärtige Gefahr gegeben, weil das Übel erst morgen eintreten soll. Professor Dr. Mezger: Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es Fälle gibt, die sehr nahe an Lustmord grenzen. Es sind das die Fälle auf sadistischer Grundlage. Regelmäßig dürfte hier Fahrlässigkeit in bezug auf den Todesersolg anzunehmen sein. Professor Dr. Kohlrausch: Über die Drohung noch zwei Worte: Sachlich würde ich nichts dagegen haben, wenn wir einen solchen Fall als Notzucht strafen. Sollten wir soweit nicht gehen, so müssen w ir sagen: Durch unmittelbare Bedrohung von Leib oder Leben.

Reichsjustizminister D r. Gürtner: Notzucht im Sinne des Volkes ist die Gewalt gegen den Körper. Ich würde unmittelbare Drohung sagen. Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Ich möchte nur zu dem Strafrahm en des Ref.Entw. bei den Sittlichkeitsverbrechen sprechen. Diese sind m. E. viel zu hoch, nachdem die Bestimmung des § 74 ResEntw., wonach mildernde Umstände ganz generell zugelaffen werden sollten, gestrichen ist. Ich halte es für ausgeschlossen, daß die Notzucht grund­ sätzlich mit wenigstens 1 J a h r Zuchthaus bestraft werden soll. M an darf doch nicht vergessen, daß die Grenzen zwischen dem ernstlich gemeinten Widerstand und dem üblichen, wenn auch nur scheinbaren Sträuben außerordentlich flüssig sind, und der Täter in der weitaus meisten Zahl der Fälle gar nicht den Borsatz gehabt hat, einen ernstlichen Widerstand zu brechen. I n mindestens 90% der wegen Notzucht zur Anzeige gebrachten Fälle ist der Grund für die Erstattung der Anzeige dann auch garnicht in einer wirklich vor­ gekommenen Vergewaltigung zu suchen. Diese wird vielmehr nachträglich konstruiert, sei es, weil der Täter sein Eheversprechen nicht gehalten hat oder weil der Verkehr Folgen hatte, und das Mädchen ihren Eltern gegenüber die Freiwilligkeit Ih re r Hin­ gabe nicht einzugestehen wagte. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bin allerdings der Meinung, daß der Versuch der Notzucht mit mindestens 1 J a h r Zuchthaus bestraft werden muß. Da Notzucht nur die Anwen­ dung der Gewalt ist, die wirklich in vollem Ernst un­ erwünscht war, so ist m. E. diese Strafe nicht zu hoch. Es besteht also nicht die geringste Veranlassung, hier Argumente gegen das Willensstrafrecht vorzutragen. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich stimme dem durchaus zu. D as Prinzip fällt, wenn wir auch nur eine Ausnahme zulassen. Aller­ dings ist das Strafminimum zu hoch, wenn in den §§ 282 und 283 die Drohungsmittel erweitert werden. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Den Notzuchtsversuch schlechthin mit einem J a h r Zuchthaus zu bestrafen, halte ich nicht für möglich; das müßten wir aber nach unserer Konstruktion. Ministerialdirektor Schäfer: Wenn wir an die Strasminima denken, dürfen wir bei ihrer Festsetzung die Entwicklung der S tra f­ rechtspflege im letzten Jahre nicht außer Acht lasten. W ir haben keine verweichlichte Justiz mehr, es ist eher die Tendenz vorhanden, in den Strafen zu hoch zu gehen. W ir brauchen nicht besorgt zu sein, das M ini­ mum zu niedrig zu setzen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn man die M ittel erweitert, dann muß man den Strafrahmen dem anpasten. Wenn jemand einem Mädchen die Arme festhält, um einen unzüchtigen Griff zu tun, dann ist für mich ein J a h r Zuchthaus unvorstellbar.

Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: Nach der Statistik sind die Notzuchtszahlen aus § 177 S tG B , für 1931: 63 Fälle Zuchthaus, 478 Gefängnis, für 1930: 90 Zuchthaus, 591 Gefängnis, für 1913: 147 Zuchthaus, 447 Gefängnis. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich würde vorschlagen, bei der Notzucht die S traf­ drohung zu lasten wie sie ist. Die Überschrift soll nach dem überwiegenden Vor­ schlag „Angriffe gegen die Sittlichkeit" lauten. Profeffor Dr. Mezger: Ich empfinde es nicht als angemessen, hier das allgemeine Wort „Sittlichkeit" zu verwenden. Denn die Sittlichkeit ist nicht beschränkt aus das sexuelle Gebiet, um das es sich hier allein handelt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich fasse zusammen. Die Fassung des Begriffs der Drohung würde ich der UK. überlassen. D as M ittel der Drohung muß in § 282 etwas weiter gefaßt werden als bei der Notzucht. Neben Zuchthaus muß Gefängnis angedroht werden. Bei der Schändung des § 284 war eine Fassung vorgeschlagen worden, die von der Erwähnung der Geistesschwäche absah. Bei § 287 treffen wir immer wieder auf dieselben Mei­ nungsgegensätze. Nach meiner Auffassung sollte dieser Fall im Gesetz irgendwie erscheinen. Professor Dr. Graf Gleispach: § 284 des R esEntw . sieht nur Gefängnis vor; hier kann auch der Tod oder die Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit vorkommen; dann würde Zucht­ haus überhaupt nicht angewendet werden können. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich habe schon öfter darauf hingewiesen, daß die bisher vorgesehene Regelung der besonders schweren Fälle im Allgemeinen Teil den Mangel hat, daß im Besonderen Teil stets darauf hingewiesen werden muß, wenn ein besonders schwerer Fall in Frage kommt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Aus rechtlichen Gründen brauchen w ir § 287 nicht, die Frage ist nur, ob wir ihn wegen seiner generalprävenierenden Wirkung behalten wollen. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: D as Anwendungsgebiet ist nicht sehr groß; in den Jahren 1931 und 1930 waren es zwei und fünf Fälle. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich würde den Vorschlag machen, diesen Fall fort­ zulassen in der Hoffnung, daß der Richter bei der Ansteckung von selbst die Folgerungen zieht. Staatssekretär Dr. Freisler: M an muß prüfen, ob die Schändung nicht zucht­ hauswürdig ist. Ich denke an den Fall, daß der Zahn­ arzt seine Patientin betäubt und sich dann an ihr vergeht. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: Die Statistik weist aus: Nach § 176 Nr. 1 1931: 16 Fälle Zuchthaus, 230 Gefängnis, nach § 176

Nr. 2: 4 Zuchthaus, 52 Gefängnis. Ähnlich 1930. I m Jahre 1913 waren es § 176 Nr. 1: 26 Fälle, § 176 Nr. 2: 13 Fälle Zuchthaus und 165 bzw. 61 Fälle Gefängnis. Berichterstatter Dr. Graf Gleispach: Zur nächsten Gruppe der Unzuchtsdelikte gehören diejenigen, die unter Ausnutzung eines irgendwie gearteten Abhängigkeitsverhältnisses begangen wer­ den. Hiervon ist der schwerste F all die Unzucht unter Mißbrauch der Amtsstellung. Hier ist das Hauptpro­ blem, die Ungehörigkeiten, die disziplinär zu ahnden sind, vom kriminellen Unrecht abzugrenzen. Die Fassung „unter Verletzung oder Mißbrauch" ist sach­ lich und sprachlich nt. E. unbefriedigend, denn ent­ scheidend ist doch die Beeinflussung des fremden Willens. Ich halte die Fassung „ein Amtsträger, der seine Stellung, Befugnisse oder Pflichten ausnützt, um zur Unzucht zu mißbrauchen" für besser. Sie hat zwar das Bedenken gegen sich, daß der Zeitpunkt der Vollendung verschoben wird. D as ist aber gleichgül­ tig, weil im neuen Recht Vollendung und Unter­ nehmen gleichgestellt werden. I m übrigen ist es zu begrüßen, daß auch der gleichgeschlechtliche Verkehr durch § 293 ersaßt wird, und daß auch eine F rauT äterin des Delikts sein kann. § 294 ResEntw. entspricht dem § 174 Zisf. 3 S tG B . E r unterscheidet sich jedoch gegenüber dem geltenden Recht wesentlich dadurch, daß der Tatbe­ stand auf private Krankenanstalten ausgedehnt ist. M. E. besteht jedoch für eine solche Ausdehnung kein Bedürfnis. Irgendein Zwang zum Aufenthalt in diesen Anstalten besteht nicht. Auch gegen Krankheit versicherte Personen können die Anstalt wechseln. Zu­ dem werden private Krankenhäuser regelmäßig von vermögenden Kranken aufgesucht. Vor allem aber möchte ich deshalb vor dieser Ausdehnung warnen, weil erfahrungsgemäß der Anstoß zum geschlechtlichen Verkehr häufig von dem Kranken selbst ausgeht. Des­ halb werden auch in solchen Krankenhäusern die Arzte regelmäßig höher bezahlt, weil sie sich diesen Unan­ nehmlichkeiten aussetzen müssen. I n anderer Hinsicht bringt dagegen der ResEntw. eine Einschränkung insofern, als durch § 294 nur Frauen und Jugendliche geschützt werden. Dieser Ein­ schränkung möchte ich zustimmen. Schließlich halte ich es nicht für richtig, aus den Mißbrauch der Amtsstellung abzustellen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß grundsätzlich jede Unzucht in Krankenanstalten bestraft werden muß, daß also auch jeder Angestellte durch die Strafdrohung zu ersassen ist. Das praktische Bedürfnis für den Tatbestand des § 289 braucht nicht weiter begründet zu werden. Auch die neueren ausländischen Strafgesetzbücher, wie I t a ­ lien und Polen, haben einen solchen Tatbestand der Nötigung Abhängiger zur Unzucht aufgenommen. Der ResEntw. schränkt aber die Strafbarkeit auf den Miß­ brauch Jugendlicher ein, wenn es sich nicht um Bei­ schlaf handelt. Danach wäre die Nötigung einer 19jährigen Verkäuferin zu einem perversen Verkehr nicht nach § 289 strafbar. D as halte ich für verfehlt. Grundsätzlich sollte jeder Mißbrauch einer wirtschaft­

lich abhängigen Person zu einer Unzuchtshandlung bestraft werden. Ich weise zum Schluß noch auf eine Lücke hin, die § 289 läßt. Praktisch sind die Fälle außerordentlich häufig, daß die Vermittlung eines Arbeitsvertrages an die Hingabe zur Unzucht geknüpft wird. Vor allem Theateragenten pflegen eine derartige Bedingung zu stellen. Ich sehe aber keine Möglichkeit, diese Lücke zu schließen. Es scheint mir zu weit zu gehen, wenn das Gesetz allgemein von wirtschaftlicher Abhängigkeit sprechen würde, ohne daß ein Dienst- oder Arbeits­ verhältnis bestünde. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: I n § 293 ResEntw. wird der Mißbrauch der Amtsstellung und die Ausnützung eines dienstlichen Abhängigkeitsverhältnisses bei Vornahme unzüchtiger Handlungen unter Strafe gestellt. Der Entwurf lehnt sich an § 174 Abs. 1 Nr. 2 und 3 S tG B . an. Der Täterkreis wird aber gegenüber dem geltenden Recht erheblich erweitert. Anderseits bedeutet die Fassung „zur Unzucht mißbrauchen unter Verletzung der Ob­ hutspflicht oder unter sonstigem Mißbrauch der Amts­ stellung" gegenüber dem bloßen „unzüchtige Hand­ lungen vornehmen" eine Einengung des Tatbestandes. Auch das erscheint begründet, es sind doch immerhin nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 und 3 S tG B . Fälle denkbar, bei denen eine disziplinelle Ahndung ausreicht, zum mindesten aber keinesfalls die schwere Strafdrohung dieses Paragraphen angebracht erscheint, und diese Fälle würden nicht von § 293 ResEntw. ersaßt werden. Eine zu weit gehende Einengung des T at­ bestandes scheint mir der Vorschlag des Herrn Graf Gleispach zu bringen, wenn er die Fassung vorschlägt „. . . nötigt, sich zur Unzucht mißbrauchen zu lassen". W as dann der strafrechtlichen Behandlung entzogen würde, wäre zum Teil weit mehr als nur „disziplinär zu ahndende Ungehörigkeit". Zu Abs. 2 des § 293 ResEntw. hätte ich noch folgendes vorzubringen: Wenn man allerdings den Standpunkt vertritt — und das wäre auch zu ver­ stehen — daß in Gefangenen- und ähnlichen Anstalten zwischen den Aufsichts- usw. Personen und den Ver­ wahrten keinerlei Unzucht vorkommen darf, unter keinen sonstwie gearteten Umständen, dann wäre zu streichen „unter Verletzung seiner Obhutspslicht oder unter sonstigem Mißbrauch seiner Stellung". Sprachlich möchte hier wie in § 289 und § 294 ResEntw. für „unter sonstigem Mißbrauch . . . zur Unzucht mißbrauchen" ein anderer Ausdruck gefunden werden. Vielleicht könnte man sagen „unter Ver­ letzung seiner Obhutspslicht oder der sonstigen ihm durch seine Stellung auferlegten Pflichten". Der ordentliche Strafrahmen ist gegenüber dem geltenden Recht erhöht. D as ist nicht zu beanstanden. Vielleicht wäre aber neben Zuchthaus auch Gefängnis zuzulassen. Zu § 294, Unzucht in Krankenanstalten, vertrete ich im großen und ganzen die Ansicht des Herrn Graf Gleispach. Den Jugendlichen dagegen möchte ich auch in privaten Anstalten einen gesetzlichen Schutz geben, da möchten die privaten Anstalten den öffentlichen gleichgestellt werden, das gilt ganz besonders für

private Erziehungs- und Besserungsanstalten. I n sprachlicher Hinsicht gilt das zu § 293 Gesagte. Zu § 289 stimme ich Herrn Gras Gleispach bei. Es kommt nicht nur der Arbeitgeber in Frage, sondern auch andere mit einer gewissen Autorität ausgestattete Personen, z. B. Personalchefs, Abteilungsleiter in Kaufhäusern usw. M an sollte auch hier Beischlaf und sonstige Unzucht zusammenfassen. Ich habe in meinen Leitsätzen vorgeschlagen: „Wer eine Person, abgesehen von dem Fall des § 297 Abs. 1 Nr. 1 unter Mißbrauch — wäre noch sprachlich zu ändern — ihrer durch ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis begründeten Abhän­ gigkeit nötigt, sich zur Unzucht mißbrauchen zu lassen, wird mit Gefängnis bestraft". Erwachsene und jugendliche Angestellte wären hier gleichgestellt, denn nicht das Moment der Jugend, sondern das der Ab­ hängigkeit verdient hier den Schutz. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich darf bitten, sich an gewisse typische Lebens­ tatbestände bei der weiteren Betrachtung zu erinnern. Es würde der Versuch des Personalchefs eines Waren­ hauses, eine 25jährige Angestellte gegen ihren Willen zu küssen, im Bereich des Strafrechts liegen. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ein anderer Fall: Ein Verteidiger hat mit einer Frau, die er verteidigte, in der Zelle Geschlechtsver­ kehr gehabt. D as würde nicht gedeckt werden. Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Die beiden Herren Berichterstatter haben die Aus­ fassung vertreten, daß § 289 Ziss. 1 ResEntw. einem dringenden Bedürfnis entspräche. Ich bin durchaus anderer Ansicht und schlage die Streichung dieser Be­ stimmung vor, da' sie mehr Unheil als Nutzen stiftet und nur eine Quelle für Erpressungen sein würde. Außerdem ist schon daraus hingewiesen worden, daß sie keineswegs alle strafwürdigen Fälle trifft. Ich denke vor allem an die Nötigung vor Eingehung des Arbeitsverhältnisses, an die Theateragenten, die der Schauspielerin die Anstellung nur vermitteln, wenn sie gewisse Zugeständnisse macht, oder an die „Bedin­ gungen", die bei der Anstellung einer sogenannten Probierdame in einem Modesalon gestellt zu werden pflegen. Nicht getroffen von § 289 Abs. 1 wird ferner der begüterte Bankdirektor, der, um die Klippe des § 289 zu umschiffen, seiner Privatsekretärin zunächst das Arbeitsverhältnis kündigt und ihr dann unter der fraglichen Bedingung eine eigene Wohnung ein­ richtet. Ich möchte auch behaupten, daß in 99 Prozent der Fälle die Hingabe der Angestellten eine durchaus freiwillige ist und von einem Mißbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers keine Rede sein kann. Professor Dr. Mezger: Bezüglich des § 294 RefEntw. bin ich für die Regelung des ResEntw. Auch die privaten Kranken­ anstalten sollten in die Strafdrohung einbezogen werden. Die Beispiele des Herrn Graf Gleispach scheinen mir nicht in allem durchschlagend. M. E. macht in den von ihm genannten Fällen gerade die psychische Verfassung der Kranken den Schutz not­ wendig. Der geschlechtliche Verkehr mit solchen

Patientinnen ist strafwürdig und muß daher ver­ hindert werden. Ich meine, das Herabsinken des ärztlichen Niveaus in den vergangenen Jahrzehnten läßt es angezeigt erscheinen, daß der Gesetzgeber eine klare Stellung einnimmt und üble Elemente aus dem Arztestand ausmerzt. Daher sollen die „privaten Krankenanstalten" stehen bleiben. Professor Dr. Dahm: Ich würde eine Streichung des § 289 für völlig verfehlt halten. Die Argumente des Herrn Ober­ staatsanwalts Dr. Reimer zu § 289 beweisen zu viel. Denn die Gesahr der Erpressung besteht hier ganz allgemein, und man könnte unter Berufung auf die Erpressungsgesahr auch die Abschaffung des § 175 verlangen. W ir würden uns mit einer Streichung des § 289 auch mit der sozialistischen Tendenz unseres Rechts in Widerspruch setzen. Denn es handelt sich doch um eine Bestimmung zum Schutze der Ange­ stellten. E s kann auch nicht daraus ankommen, ob das Dienstverhältnis zur Zeit der T at bestand. Auch nach formeller Auflösung des Dienstverhältnisses kann § 289 noch zur Anwendung kommen, solange das Abhängigkeitsverhältnis besteht. Schwierigkeiten bereiten aber dieFälle der Nötigung vor Eingehung des Arbeits­ verhältnisses. Auch diese Fälle müssen erfaßt werden. D as Strasrecht darf einfach nicht kapitulieren, wenn dieZulassung zu gewiffenBerufen von Zugeständnissen aus diesem Gebiet abhängig gemacht wird. Hier wird sich auch eine Formulierung finden. M an könnte etwa von der Nötigung zur Unzucht unter Ausnutzung einer wirtschaftlichen Monopolstellung oder Machtstellung sprechen. Was die Strafrahmen angeht, so besteht ein unerträgliches Mißverhältnis zwischen § 289 einer­ seits und den §§ 282 und 283 andererseits. Es muß unter allen Umständen beseitigt werden. Ich hielte es auch für verfehlt, wenn die Strafverfolgung hier von dem Verlangen des Verletzten abhängig gemacht würde. Gerade hier muß die In itiative von der Be­ hörde ausgehen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte ein Bild ausschließen. Wenn der Rechtsanwalt die Angestellte entläßt und ihr eine 4Zimmer-Wohnung einrichtet, dann habe ich den Eindruck, daß das Mädel längst die Stärkere ist. Wohl aber scheint mir der Eintrittszoll, der von der jungen Schauspielerin verlangt wird, ernster Be­ trachtung wert zu sein. Staatssekretär D r. Freisler: Die Unterscheidung des § 289 halte ich für ganz glücklich. Im ersten Fall, wo es sich nicht um einen Jugendlichen handelt, kommt es aus die Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses an, im zweiten Fall, bei Jugendlichen, auf die Veranlassung zu unzüchtigen Handlungen. M an wird der Gesahr der Erpressung und der Denunziation nie entgehen können. Ich möchte aber vorschlagen, dem Beischlaf beischlassähnliche Handlungen hinzuzufügen und das Wort nötigen etwas abzuschwächen. I m übrigen möchte ich die Fälle des Herrn Professor Dahm einbegreifen. Die weiteren Mißbrauchssälle, etwa aus einer Amts­ stellung heraus oder im Verhältnis des Kranken zum

Pfleger ober Arzt, möchte ich zusammenfassen und dabei keinen Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Krankenanstalten machen. W ir müssen be­ kämpfen, daß in den nichtöffentlichen Anstalten sich die Assistenzärzte mit den reichen Leuten einlassen müssen; deren krankhafte Veranlagung darf nicht liebevoll gepflegt werden. Die Benutzung der Ge­ legenheit zur Unzucht durch einen Amtsträger in den Amtsräumen oder unter Ausnützung seiner Amts­ stellung werden wir immer bestrafen müssen; wir müssen für die Sauberkeit des Amtes unter allen Umständen sorgen. Vizepräsident Grau: Es ist eine alte Forderung der Arbeitsrechtler, einen dem § 289 RefEntw. entsprechenden Tatbestand in das S tG B , einzustellen. W ir können froh sein, daß wir diese Forderung jetzt erfüllen können. Wegen der Wichtigkeit der Vorschrift scheint es mir allerdings nicht möglich zu sein, die Bestrafung von dem Ver­ langen des Verletzten abhängig zu machen. Denn § 289 soll nicht so sehr die Einzelperson, als vielmehr die nationale Arbeitskraft schützen, auf der auch die Arbeitskraft der hier geschützten Personen beruht. Im übrigen bin ich sehr dafür, die Strafdrohung des § 294 RefEntw. auch aus private Krankenan­ stalten auszudehnen. Erst kürzlich ist der F all vorge­ kommen, daß sich ein jüdischer Arzt, Chef eines privaten Krankenhauses, ständig an Patienten homo­ sexuell vergangen hat. Zumindest müssen die jugend­ lichen Patienten auch in privaten Krankenanstalten geschützt werden. I n § 293 Abs. 2 daraus abzustellen, ob die T at unter Verletzung einer Obhutspslicht begangen ist, scheint mir nicht richtig zu sein. Denn gegenüber den in ihrer Bewegungsfreiheit behinderten Personen ist ohne weiteres ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis gegeben, das auch ohne Verletzung der besonderen Ob­ hutspslicht nicht zu Zwecken der Unzucht ausgenutzt werden darf. Professor D r. Kohlrausch: I n ihrer Eingabe haben sich die beiden großen Jugendschutzverbände auch zu § 289 geäußert, und zwar in dem Sinne, den Graf Gleispach vertreten hat. S ie sind also für Ausdehnung des Schutzes gegen jede A rt der Unzucht, weil in diesen Fällen praktisch gerade die Unzucht, die nicht zum Beischlaf gekommen ist, bei weitem die größte Rolle spielt. Es ist weiter darauf hingewiesen worden, daß es gänzlich verkehrt sei, die Zustimmung des Verletzten zu verlangen. Die Ver­ bände wollen aus die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abstellen; ich persönlich bin der gleichen Ansicht. Eine gewisse Mittelmeinung wäre, daß man grundsätzlich nur die Nötigung zum Beischlaf bestraft, im Abs. 2 aber das Wort jugendliche Personen durch minderjährige Personen ersetzt, denn es ist wohl reichlich früh, den Schutz mit der Vollendung des 18. Lebensjahres aufhören zu lassen. I m § 294 des RefEntw. wird eine ungeheuer große Gefahr für den Arzt heraufbeschworen; man braucht nur an etwas erlebnishungrige Personen zu denken. Allerdings ist mir die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Anstalten nicht sehr sympathisch. Eine Mittel­

lösung wäre, daß man diesen farblosen Ausdruck „zur Unzucht mißbraucht" in dem Sinne ändert, wie es Graf Gleispach vorgeschlagen hat, „nötigen, sich zur Unzucht mißbrauchen lassen", im übrigen aber den Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Kran­ kenanstalten aufhebt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Frage nach dem Verlangen des Verletzten scheint mir hier besonders wichtig zu sein. M ir steht deutlich das Bild vor Augen, daß Mädchen gleichen Alters unter einer männlichen Leitung beschäftigt sind. D a spielt die Eifersucht eine große Rolle; häufig wird die Strafanzeige von einer Kollegin ausgehen. Es scheint mir zweifelhaft, ob der S taatsanw alt aus eine solche Strafanzeige hin — vielleicht auch gegen den Willen der Verletzten — einschreiten soll. Professor Dr. Graf Gleispach: Noch ein Wort zur Ausdehnung des § 294 auf private Krankenanstalten. Ich verstehe es sehr gut, daß die Unterscheidung unsympathisch ist. Wenn aber der Schutz des Patienten im Vordergrund steht, so müßte folgerichtig die Strafdrohung auch bei ambu­ latorischer Behandlung Platz greifen. Ich sehe hier keinen Unterschied in der Strafwürdigkeit. Wenn in § 294 nicht alle Personen geschützt werden sollen, so würde ich immerhin vorschlagen, den Schutz von den Jugendlichen aus die Minderjährigen auszudehnen. Wenn in § 293 der Geschlechtsverkehr der Be­ amten schlechthin strafbar sein soll, dann ist mir zweifelhaft, ob noch von einem Mißbrauch der Amts­ stellung gesprochen werden darf. Denn das Wort „Mißbrauch" scheint mir eine gewisse Aktivität vor­ auszusetzen. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich möchte § 289 nicht nur auf die Jugendlichen beschränken, sondern dem Vorschlag in meinen Leit­ sätzen entsprechend die wirtschaftlich Abhängigen ohne Rücksicht auf ihr Alter schützen. S ta tt „nötigen" „bestimmen" zu setzen, wie. es vorgeschlagen worden ist, erscheint mir auch sehr beachtenswert. Um auch die von Herrn Graf Gleispach und Herrn Professor Dahm gemeinten Fälle (Mißbrauch zur Unzucht vor Abschluß eines Anstellungsvertrages usw.) erfassen zu können, würde ich folgende Ergänzung vorschlagen: „. . . oder unter gewissenloser Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung . . .". I n § 293 Abs. 2 sollte nach meinem Vorschlag bei Gesangenenanstalten usw. die Verletzung der Obhuts­ pflicht oder dergleichen nicht mit Voraussetzung sein, weil dort überhaupt keine Unzucht zwischen Ver­ wahrten und Verwahrern vorkommen darf. Aber ich denke andererseits an das kleine Gerichtsgefängnis in der Provinz z. B., bei dem nur ein Wachtmeister tätig ist. Wenn nun zufällig dessen Geliebte einge­ liefert wird und sich ihm im Gefängnis hingibt, dann kann dieser Beamte unmöglich mit Zuchthaus bestraft werden. Auf eine Zwischenfrage des Reichsjustizministers Dr. Gürtner: M it dem Ausdruck „unter Ausnutzung seiner Amtsstellung" wäre ich einverstanden.

Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich bin dafür, in § 294 die privaten Kranken­ anstalten einzubeziehen. E s besteht doch ein wesent­ licher Unterschied gegenüber der ambulatorischen Be­ handlung. M. E. sollten auch alle Kranken geschützt werden, auch der Mißbrauch des' erwachsenen Kranken zum homosexuellen Verkehr scheint mir unter diesen Umständen hier erwähnungsbedürstig. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ein Bedürfnis dafür scheint mir nicht zu bestehen. Jugendliche haben einen Spezialschutz, und bei E r­ wachsenen ist eine Sonderbestimmung wohl nicht erforderlich. Ich bin geneigt, die privaten Anstalten einzubeziehen. Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte anregen, daß der Begriff „zur Unzucht mißbrauchen" noch einmal von der UK. nachgeprüft wird. Die Begründung sagt nur, die Begriffe „un­ züchtige Handlungen vornehmen" und „zur Duldung unzüchtiger Handlungen nötigen" werden in dem österreichischen Entwurf in den Begriff „zur Unzucht mißbrauchen" zusammengefaßt. Der Begriff würde also jede Vornahme unzüchtiger Handlungen umsaffen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Unzucht ist jede außerhalb der Ehe liegende ge­ schlechtliche Betätigung. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: M an kann die ambulante Behandlung einbe­ greifen oder auch nicht; z. B .: Ein junges Mädel hat ein Ekzem am Arm und bedarf einer 4wöchigen Be­ handlung; während dieser Zeit kommt es zum Ge­ schlechtsverkehr mit dem Arzt. M an könnte sagen, sie brauchte ja nicht zu diesem Arzt zu gehen. Auf der anderen Seite kann man zur privaten Anstalt keinen scharfen Unterschied machen. Dennoch erscheint es mir nicht angängig, die Ambulanz einzubegreisen, weil sonst der Kreis der vom Strafrecht erfaßten Fälle viel zu groß wird. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Differenzierung des § 289 soll also erhalten bleiben; das Verlangen des Verletzten soll gestrichen werden, auch bei den Jugendlichen. Die Frage der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters mag die UK. prüfen. Die Gefängnis- und Verwahrungsanstalten zu erwähnen, erscheint nicht notwendig. Bei den Krankenanstalten ist die übereinstimmende Meinung, die Bestimmung nicht auf öffentliche Anstalten zu beschränken; ambulante Behandlung soll nicht da­ runter fallen. I m übrigen sollen Frauen und Jugend­ liche Angrisssobjekte bleiben. Bei § 289 sollte auch die Arbeitsvermittlung hineinkommen. (Pause von 13 Uhr 50 Minuten bis 17 Uhr 10 Minuten.) Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir kommen jetzt zu der zweiten Gruppe, dem Schutz der Kinder. Berichterstatter Professor Dr. Gras Gleispach: Ich möchte vorschlagen, zunächst die Erschleichung des Beischlafs einzuschieben. E s handelt sich auch dabei um einen Angriff auf die Freiheit der Ent­

schließung. Der § 285 a ResEntw. weicht von dem geltenden Recht kaum ab. W ir finden diesen Tatbe­ stand auch in Italien , Polen und im tschechoslowa­ kischen Entwurf. Tatsächlich wird der Tatbestand nur sehr selten verwirklicht; wir finden heute die Vor­ spiegelung einer Eheschließung fast nur noch in Romanen. Wohl aber sind Verleitungen zum B ei­ schlaf durch sonstige Täuschungen möglich; diese Fälle müssen daher hier tatbestandlich erfaßt werden. Eine Frage ist aber, ob man den Tatbestand allgemein auch aus Unzucht ausdehnen soll, und ob auch eine F rau als Täterin in Betracht käme. Ich möchte aber doch eine solche Ausweitung nicht vorschlagen. Ich schlage aber vor, neben Zuchthaus auch Gefängnis anzu­ drohen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Herr Referent macht also den Vorschlag, neben Zuchthaus Gefängnis anzudrohen. I n mate­ rieller Hinsicht sind keine Änderungen vorgeschlagen. Mitberichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Die Bestimmung des § 285 a ResEntw., die im Entwurf 1927 nicht enthalten war, entspricht dem § 179 S tG B . Ich schlage auch Übernahme dieses T a t­ bestandes vor, für den sich auch die Preuß. Denkschrift ausspricht (S . 62). Wenn überhaupt im künftigen Strafrecht die Verfolgung auf das Verlangen privater Personen in einzelnen Fällen noch abgestellt werden soll, dann erscheint mir es hier richtig, die Verfolgung von der Zustimmung der Verletzten abhängig zu machen, damit deren etwaiges Interesse an einer Nichtaufrollung des Falles (zwecks Vermeidung der Bloßstellung) ausreichend gewahrt werde. Dem Ref.Entw. pflichte ich auch insofern bei, als er den S tra f­ schutz nicht nur der unbescholtenen F rau zuteil werden lassen will (so auch die Preuß. Denkschrift, S. 62). Ich bin auch für den Vorschlag des Herrn Grafen Gleispach, neben Zuchthaus noch Gefängnis mit anzudrohen. Professor Dr. Gras Gleispach: Systematisch würde ich diese Bestimmung des § 285 a nach dem Mißbrauch des Autoritätsverhält­ nisses einschalten. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bin der Meinung, daß das mehr zum Ehe­ betrug paßt und systematisch auch dort hinzustellen ist. Ich bin ferner der Ansicht, daß man die Verfolgung nicht von der Zustimmung des Verletzten abhängig machen sollte. Die Erschleichung des Beischlafs wird nicht sehr häufig vorkommen; wenn dieser Tatbestand aber verwirklicht wird, so sind es sehr schwere Fälle. W ir sollten nicht ohne Not von unserem Grundsatz abweichen, daß es allein vom S ta a t abhängt,' ob be­ straft werden soll. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Da es sich im § 285 a ResEntw. um eine Ehefrau handeln muß, kann die Verfolgung ex officio eine Ehe zerstören. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich denke mir den Tatbestand des § 285 a als Offizialdelikt mit der Maßgabe, daß der Staatsan-

walt es beachten muß, wenn die F rau die Verfolgung nicht will. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Vielleicht findet sich für diesen Wunsch spater ein­ mal eine Formel. F ü r die UK. ist es wichtig, auch hier eine gewisse Mitwirkung des Verletzten vorzu­ merken. Berichterstatter Professor Gras Gleispach: Ich komme zu der Gruppe zwei: Schutz der Kinder. Dahin gehören nach dem RefEntw. die §§ 286, 299, 288, 291, 300 Abs . 2. Was zunächst den § 286 anlangt, so gehört dahin nach der Erklärung im ersten Teil des Gesetzes jede Person, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. § 286 umfaßt jeden geschlechtlichen Verkehr, er umfaßt aktives und passives Verhalten des Kindes, namentlich auch sadistische Akte an dem Kinde — was nicht unwichtig ist —, um dadurch einen Sexualreiz bei D ritten hervorzurufen. Es werden z. B. vor E r­ wachsenen Kinder gezüchtigt, um dadurch Sadisten zu befriedigen. Schon auf Grund des geltenden Rechts ging die Rechtsprechung dahin, daß das Kind den Akt nicht als einen geschlechtsbetonten zu erfassen braucht. Alles, was auf diesem Gebiete als schwer strafbar zu bezeichnen ist, ist durch die Fassung des Tatbestandes eingeschlossen. Vielfach ist im Schrifttum — auch in der Eingabe der Deutschen Evangelischen Kirche und in der Eingabe des Caritas-Verbandes — die Aus­ dehnung des Schutzes auf das Alter von 16 Jahren angeregt worden. Bei der Betrachtung dieser Frage ist freilich zu erwägen, daß w ir darüber hinaus den Tatbestand der Verführung haben. Vorläufig glaube ich, eine Ausdehnung des § 286 über das 14. Lebens­ jahr hinaus nicht vorschlagen zu sollen. Von der Tatsachenseite aus gesehen sind die Fälle des § 286 sehr verschiedenartig; sie beginnen mit leichten Unsittlichkeiten mit Kindern und steigen bis zu Schädigungen, die für das ganze Leben verderblich sein können. Von der Täterseite aus gesehen kann es sich z. B. um Perversitäten handeln; es handelt sich aber auch zum Teil um Ausschreitungen einer ver­ derbten Sinnlichkeit. Vielfach handelt es sich aber auch um Verbrechen, die in den breiten Volksschichten unter dem Einfluß der Wohnungsverhältnisse be­ gangen werden. Sie hängen auch mit dem frühen Verblühen der schwer arbeitenden F rau und der Einförmigkeit und Freudlosigkeit des Lebens vieler Menschen zusammen. Wenn dadurch vom indivi­ duellen Standpunkt aus der T äter weniger strafwürdig erscheint, so ist doch vom Standpunkt des Volkes aus eine strenge Strafe erforderlich. Es ist zu erwägen, ob man neben Zuchthaus Gefängnis zulassen will. Diese Frage hängt auch damit zusammen, ob wir den Begriff der Unzucht irgendwie einzuschränken ver­ suchen oder nicht. Sicher ist, daß augenblicklich viele Fälle dieser Art mit Gefängnis erledigt werden. Ich würde mich nur schwer entschließen, Gefängnis zuzu­ lassen. Wenn man das tun will, muß man 6 Monate Gefängnis als Mindeststrase vorsehen. § 293 meiner Vorschläge (gleich § 299 RefEntw.) ist hier anzuschließen. D as geltende Recht kennt diesen Tatbestand nicht; in den ausländischen Rechten finden w ir ihn verschiedentlich. Dieser Tatbestand ist

namentlich von den Vereinigungen für Jugend- und Kinderschutz allgemein gefordert worden. Die Vor­ nahme einer unzüchtigen Handlung vor einem Kinde kann auf das ganze Leben des Kindes verheerend wirken. Gegen einen solchen Tatbestand ist geltend gemacht worden, daß davon auch Fälle erfaßt werden könnten, in denen die Wohnungsverhältniffe die Eltern veranlassen, den Geschlechtsverkehr in einem Zimmer vorzunehmen, in dem sich auch Kinder be­ finden. Diese Gefahr soll durch das W ort „absichtlich" im Tatbestand ausgeschaltet werden. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob der T a t­ bestand umfassend genug sei, wenn von der Vornahme einer unzüchtigen Handlung gesprochen wird. M an könnte daran denken, in den Tatbestand auch die Fälle aufzunehmen, daß die Kinder absichtlich zum Zeugen des Geschlechtsverkehrs von Haustieren gemacht werden, oder in Veranstaltungen mitgenommen werden, die für Erwachsene nicht unzulässig sind, aber für die Entwicklung eines Kindes verderblich sein können. M an könnte daran denken, dem Tatbestand folgende Worte anzufügen: „oder das Kind in an­ derer Weise zum Zuschauer unzüchtiger Handlungen macht." Die Androhung von Gefängnis ist hier selbstverständlich. Wenn ich in den Tatbeständen zum Schutze der Jugend fortfahre, so kommt zunächst der § 294 meiner Vorschläge (gleich §288 RefEntw.). D as geltende Recht schützt nur unbescholtene Mädchen. Dieses Merkmal der Unbescholtenheit hat zu einer Reihe von S tre it­ fragen im Schrifttum und in der Rechtsprechung Anlaß gegeben. Es besteht Einstimmigkeit darüber, daß mit Unbescholtenheit nicht Virginität im physio­ logischen Sinne gemeint ist. Dieses Merkmal führt aber doch zu vielen unerfreulichen Erörterungen in der Hauptverhandlung, wo die Verteidigung das Leben der Verletzten durchleuchtet und sie zur Ange­ klagten zu machen sucht. Darum möchte ich dem Vorschlag des RefEntw. folgen, das Erfordernis der Unbescholtenheit wegzulassen; Italien , die Schweiz, Norwegen, das englische Recht gehen auch diesen Weg. M an hat behauptet, der Fortfall des Erfordernisses der Unbescholtenheit enthalte nur scheinbar eine E r­ weiterung; dasselbe wie bisher in dem Merkmal der Unbescholtenheit läge künftig in dem Merkmal der Verführung. Ich glaube nicht, daß das zutreffend ist. Auch ein Mädchen, das schon wiederholt geschlechtlich verkehrt hat, kann noch verführt werden. Weiter ist daraus aufmerksam zu machen, daß der RefEntw., dem ich auch hier beitrete, nicht mehr die Beschränkung auf das weibliche Geschlecht enthält. Die Denkschrift wollte den Schutz auf das männliche Geschlecht einschränken, wohl davon ausgehend, daß die Reife beim weiblichen Geschlecht früher eintrete. Ich glaube aber, daß es das Richtige ist, in gleicher Weise beide Geschlechter zu schützen. D as Schutzalter von 16 Jahren scheint mir die richtige Grenze zu sein. Es sind aber Bestrebungen vorhanden, als Alters­ grenze die von 18 Jahren einzuführen. Eine Be­ schränkung des Täteralters liegt in dem Vorschlag, daß nur 18jährige oder ältere strafbar sein sollen. Die dafür maßgebenden Erwägungen brauchen nicht weiter dargelegt zu werden; ich möchte keine Änderung beantragen.

Bon großer Bedeutung ist hier die Schuldseite. E s ist schwer nachzuweisen, daß der Täter das Alter gekannt habe. Die regelmäßige Verteidigung geht in diesen Fällen dahin, daß der Täter dieses Alter nicht gekannt habe. Einige neuere Strasgesetze haben diese Schwierigkeit in einer — wie mir scheint — etwas rohen Weise überwunden; nach ihnen wird der Täter mit der Einrede, er habe das Alter nicht gekannt, nicht gehört. Som it ist das Alter nicht Tatbestands­ merkmal, sondern objektive Bedingung der Strasbarkeit. Eine solche Regelung finden wir, außer im amerikanischen Recht, noch in Italien. Ich würde vorschlagen, an die Seite der Strafdrohung für die vorsätzliche T at eine solche für die fahrlässige T at zu stellen: Wenn der Täter das Alter nicht gekannt hat, aber kennen mußte. Dasselbe muß für das Verbrechen „Unzucht mit Kindern" gelten. Schließlich komme ich zu der Unzucht mit minder­ jährigen Pflegebefohlenen (ResEntw. § 292, § 295 meiner Vorschläge). D as ist ein Tatbestand, der im wesentlichen bereits dem geltenden Recht angehört. E s ist nur daraus hinzuweisen, daß der ResEntw. eine kleine Ausweitung des Tatbestandes in bezug auf den Kreis der Täter vorgenommen hat. Der Entwurf will auch die Stiefeltern aufnehmen, die bisher nicht im Gesetz genannt waren. Neu aufge­ nommen sind ferner die Schutzhelfer. Diese Aus­ weitungen sind ohne weiteres zu empfehlen. E s ist die Frage, ob auch die Personen, die im Rahmen neuer Organisationen eine Autoritätsstellung ein­ nehmen, einbezogen werden müssen oder nicht; vor allem wäre an die H I. zu denken, auch an SA ., S S . (Reichsjustizminister D r. Gürtner: F ü r die H I. ist dies von der Rechtsprechung schon bejahend geschehen.) Ich würde glauben, daß nach dem Grundgedanken des Gesetzes entweder hier oder bei den Tatbeständen, über die heute vormittag am Schluß gesprochen worden sind, diese Autoritätsträger auch unter die möglichen Deliktssubjekte aufgenommen werden müssen. An letzter Stelle wäre der Tatbestände zu ge­ denken, die eine Verderbnis der Jugend aus dem Gebiete des Schmutzschrifttums hintanhalten sollen. Der ResEntw. hat diese Tatbestände in die Tatbe­ stände zur Abwehr des Schmutzschrifttums über­ haupt eingeordnet. Ich habe vorgeschlagen, sie soweit herauszunehmen, soweit es sich um den spezifischen Kinder- und Jugendschutz handelt. Es geht hier nicht nur um den Schutz der Sittlichkeit, sondern um den spezifischen Schutz der Jugend. E s kann Darstellungen geben, die zwar einen Erwachsenen nicht nachteilig beeinflussen, die wohl aber für eine gesunde E nt­ wicklung der Jugend auf dem Sexualgebiet verderblich sind. Der ResEntw. hat hier zwei Tatbestände ge­ sondert. Was zunächst das entgeltliche Überlassen von Schriften angeht, so wünsche ich, auch hier das Schutzalter aus 18 Jah re herauszusetzen. Eine Be­ schränkung der Tätersubjekte ist nicht vorgesehen, weil es sich um ein entgeltliches Überlassen handelt. I m zweiten Tatbestand handelt es sich auch wieder um den Schutz dieser besonderen Sphäre der Jugend. Da aber unentgeltliche Handlungen erfaßt werden sollen,

ist der Tatbestand hier eingeschränkt; nur eine Person über 18 Jah re soll strafbar sein. Auch hier ist die Frage aufgeworfen worden, ob diese Altersgrenze richtig und zutressend sei. Ich halte den Vorschlag des ResEntw., der den Täterkreis aus Volljährige einschränken will, nicht für richtig. Ich schlage vor, daß als Täter alle Personen über 18 Jah re in Be­ tracht kommen können. Köhler hat als Beispiel ange­ führt, daß ein noch nicht volljähriger Student einem Jungen obszöne Bilder zeigt; er tut es unentgeltlich. Köhler wirst die Frage auf, ob dieser Student, weil er noch nicht 21 Jah re alt ist, nicht gestraft werden solle. Ich glaube, daß hier in der Tat eine straf­ würdige Handlung vorliegt. Selbst bei unentgelt­ lichem Handeln können die Personen unter 21 Jahren nicht ausgeschlossen werden. Mitberichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Ich will zunächst den § 286 behandeln. Die Fassung des ResEntw. „Wer ein Kind zur Unzucht mißbraucht oder verleitet" ist präziser als die des geltenden Rechts, und ich möchte für diese Fassung eintreten. Gegen die allgemeine Erhöhung des Schutzalters auf 16 Jahre habe ich erhebliche Be­ denken; nt. E. sollte es bei der Grenze von 14 Jahren bleiben, die sich aus tz 9 Nr. 1 ResEntw. ergibt. Der Strafschutz der Jugendlichen wird ja übrigens in gewisser Hinsicht durch andere Bestimmungen ergänzt werden, ich denke z. B. an die §§ 288, 291, 292, 294 und 297 ResEntw. Eins möchte ich noch anregen. Objekt des Angriffs ist ein Kind, d. h. eine noch nicht 14 Jahre alte Person. Bisher bestand die Schwierig­ keit darin, dem Täter nachzuweisen, daß er das Alter des Kindes gekannt habe. Ich würde vorschlagen, die Beweislast im Interesse der zu schützenden Jugend sozusagen umzukehren. Der Angeklagte müßte nach weisen, daß er das Alter nicht gekannt habe. Hierzu kann auf Art. 539 des neuen italienischen Strafgesetz­ buches verwiesen werden, der bestimmt, daß sich der Täter bei Verbrechen gegen- die öffentliche M oral und die gute S itte zum Nachteil eines Minderjährigen unter 14 Jahren zu seiner Verteidigung nicht auf Unkenntnis des Alters des Verletzten berufen kann. Wenn hier eine Art Gefahrenzone geschaffen wird, in der der Täter hängen bleiben kann, wenn er sich hinein begibt, so wäre das sehr zu begrüßen. Hinsichtlich des Strafrahm ens möchte ich auch anregen, neben Zucht­ haus Gefängnisstrafe nicht unter 6 Monaten ein­ zufügen. Bezüglich des § 299 schließe ich mich dem an, was Herr Professor Graf Gleispach ausgeführt hat. Ich möchte anheimgeben, ob nicht der Strafrahmen zu erhöhen ist. Ich würde als Strafe Gefängnis ohne eine bestimmte Grenze vorschlagen im Hinblick auf die schweren moralischen Schädigungen, die Kinder hierbei davontragen können. Als unzüchtige Hand­ lung im S inne dieser Bestimmung dürfte dann auch der eheliche Geschlechtsverkehr aufzufassen sein, den der Ehemann absichtlich in Gegenwart und zu An­ gesicht seiner Kinder (unter 14 Jahren) vornimmt — Fälle, die ich in der P rax is erlebt habe. Der Tatbestand des § 288 ResEntw. enthält gegenüber dem geltenden Recht (§ 182 StG B .) eine Erweiterung; das ist zu begrüßen. Von einer Seite

ist der Ausdruck „jugendlich" hier beanstandet worden. Ich glaube, daran braucht man sich nicht zu stoßen; was erfaßt werden soll, wird ersaßt werden. F ü r sehr begrüßenswert halte ich es, daß das Merk­ mal der Unbescholtenheit gestrichen worden ist; da­ durch wird den Mädchen die oft qualvolle seelische Durchleuchtung vor Gericht erspart. Eine gewisse Handhabe für die richtige Anwendung dieser Be­ stimmung gibt das Tatbestandsmerkmal „verführen". Die Altersgrenze von 16 Jahren erscheint mir aus­ reichend; ich möchte nicht für eine Erhöhung ein­ treten. E s ist vorgeschlagen worden, den Tatbestand dadurch zu erweitern, daß schlechthin die Verführung zur Unzucht genügen soll. Ich möchte mich gegen diese Ausbreitung wenden. Bezüglich des § 292 habe ich den Ausführungen des Herrn Professor Graf Gleispach nichts hinzuzu­ fügen. Falls man nicht der Ansicht ist, daß die Führer der H I., SA ., S S . usw. nicht schon mit unter den bisherigen Tatbestand des § 292 fallen, möchte ich für die ausdrückliche Ausnahme dieser Personen­ gruppen in den Tatbestand eintreten. Auch hier wird man den Strafrahm en etwas nach unten erweitern müssen. M an wird auch hier Gefängnis von einer gewissen Mindesthöhe anzudrohen haben. Bei dem § 300 Abs. 2 möchte ich vorschlagen, als Täterhandlung noch einzufügen: „oder sonst zugäng­ lich macht", weil nur so alle die Fälle ersaßt werden können, die erfaßt werden möchten. M ir scheint es auch sehr erwägenswert, das Täteralter in Abs. 2 Satz 2 aus 18 Jah re herabzusetzen entgegen dem ResEntw. Sonst habe ich den Ausführungen des Herrn Professors Graf Gleispach nichts hinzuzufügen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Referenten sind verhältnismäßig gering. Die erste Frage, die entschieden werden muß, ist die, ob der Begriff „Kind" im § 286 anders als eine „Person unter 14 Jahren" bestimmt werden muß. Bei dem § 292 RefEntw. müßte ein Weg ge­ funden werden, die Kasuistik zu vermeiden. Die Ent­ scheidung des Reichsgerichts über die Führer der H I. hat gezeigt, daß die strafwürdigen Fälle auch ohne Kasuistik ersaßt werden. Bezüglich des § 300 ist eine systematische Frage zu entscheiden. Wenn man den Schutz der Jugend besonders betonen will, so wird man nach dem Vor­ schlag des Herrn Grasen Gleispach einen Teil der Fälle aus dem § 300 herausnehmen müssen. M ir läge es, diese Fälle besonders hervorzuheben. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ich bedaure, daß ich etwas zur Sprache bringen muß, was nach den Ausführungen des Herrn Reichs­ ministers schon festzustehen scheint. I n § 299 RefEntw. wird von absichtlichem Handeln gesprochen. Absichtlich ist eine besondere Form des Dolus. Ich glaube nicht, daß hier diese besonders schwere Form des Dolus erforderlich ist. E s genügt vielmehr vor­ sätzliches Handeln. Der Schaden, der in dem Ge­ müt des Kindes angerichtet wird, ist auch bei vorsätz­ lichem Handeln genau der gleiche.

Ich bin damit einverstanden, daß im § 286 als Strafdrohung auch Gefängnis aufgenommen wird. Zu § 288 RefEntw. möchte ich bemerken, daß der Begriff „unbescholten" in der Rechtsprechung völlig geklärt ist. Professor Gras Gleispach sagte, das Merkmal des Versührens setze voraus, daß ein Wider­ stand überwunden werde. Wer in der Großstadt Staatsanw alt gewesen ist, weiß, daß es Mädchen gibt, die von Grund auf verdorben sind, bei denen aber doch bisweilen auch ein Widerstand überwunden werden muß. Diese Mädchen verdienen aber in keiner Weise den Schutz des § 288. Ich möchte glauben, daß der Begriff der Unbescholtenheit beibehalten werden kann. M an darf dabei nicht zu sehr an die körperliche Visitation denken. Zunächst untersucht der Staatsanw alt, wie die Veranlagung des M äd­ chens und sein Lebensmilieu waren. Wenn bereits aus dieser Erörterung erkannt wird, daß das M äd­ chen verdorben war, dann entfällt die körperliche Untersuchung. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, daß die Frage, ob man das Merkmal der Unbescholtenheit hineinnehmen soll oder nicht, zu einer grundsätzlichen gemacht werden kann. Die Stellungnahme zu dieser Frage hängt davon ab, ob es hier auf den Schutz des Individuum s ankommt oder ob man eine Strafsanktion einfach deswegen schaffen will, weil ein Mädchen unter 16 Jahren eben überhaupt nicht in die Gefahr des geschlechtlichen Mißbrauchs gebracht werden darf. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Herr Professor Graf Gleispach sagte, daß unter den unzüchtigen Verkehr auch der Geschlechtsverkehr der Eltern zu bringen sei, dem das Kind zusieht. M an kann aber den Geschlechtsverkehr der Eltern nicht als unzüchtig bezeichnen. M an müßte also formulieren: „unzüchtige Handlungen oder Geschlechtsverkehr.". Professor Dr. Kohlrausch: Ich habe eine Reihe von Anregungen vorzu­ bringen, die aus dem reichen M aterial der von mir schon genannten „Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen" herausgewachsen sind. W ir sind uns bei unseren Vorschlägen zweier Gefahren bewußt gewesen, die aus einer Über­ spannung des Strafrechtes hier entstehen können: der Gefahr, in Prüderie zu verfallen, und der Gefahr, Denunziationen Vorschub zu leisten. W as zunächst den § 288 angeht, so glaube ich auch, daß eine Heraufsetzung des Schutzalters auf 18 Jah re nicht richtig wäre. Eine andere Frage ist es aber, ob w ir den Schutz der noch nicht Sechzehn­ jährigen auf die Verführung zum außerehelichen Bei­ schlaf beschränken sollen, oder ob nicht hier ein allge­ meiner Schutz gegen Unzucht gewährt werden soll. Gerade Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren müssen nicht nur gegen Verführung zum Beischlaf, sondern gegen jede Unzucht geschützt werden. D as Ziel des Täters ist hier viel häufiger die Vornahme unzüch­ tiger Handlungen als die Vornahme des Beischlafs. Durch die Vornahme unzüchtiger Handlungen wird in moralischer und sozialer Beziehung oft kein ge­ ringerer Schaden angerichtet, als durch den Beischlaf.

Die Heilung des Schadens, die bei dem Beischlaf durch die Heirat möglich ist, kommt in solchen Fällen kaum in Betracht. Meine erste Anregung geht also dahin, den Schutz auf die Vornahme unzüchtiger Handlungen schlechthin auszudehnen. Weiterhin sollten nicht nur die Fälle getroffen werden, in denen der Verführer selber mit der noch nicht Sechzehnjährigen Unzucht treibt, sondern es müßten auch die Fälle ersaßt werden, in denen der Täter zur Unzucht mit anderen und zur Selbst­ befriedigung verführt. Durch eine solche Erweiterung des Tatbestandes können auch die Fälle betroffen werden, die uns in zwar kleiner Anzahl, aber doch in erschütternder Art unterbreitet worden sind, in denen Frauen junge Mädchen systematisch zur lesbischen Liebe verführt haben. Damit soll nicht zur S tra f­ barkeit der lesbischen Liebe Stellung genommen werden; man kann davon ausgehen, daß sie straflos sein soll. Ich glaube nicht, daß dann juristische Schwierigkeiten wegen des Verhältnisses des § 288 zu § 286 entstehen können. E s würde dann eventuell ein Fall der Tateinheit vorliegen, der nach unserem neuen § 66 keine Schwierigkeiten bereiten würde. Daß die T at im § 288 nur auf Verlangen des Verletzten verfolgt werden soll, scheint mir gerade hier gänzlich sachwidrig. Der Verletzte ist am wenig­ sten geeignet, eine Entscheidung zu treffen. Er wird schon -wegen seiner Unreife garnicht in der Lage sein, das Richtige abzuwägen; er wird vielleicht eine dem eigenen Interesse zuwiderlaufende Entscheidung treffen. D as geltende Recht ist daher auf dem rich­ tigen Wege, die Strafverfolgung von dem Antrag der Eltern oder des Vormundes abhängig zu machen. Da die Frage des Verlangens oder der Zustimmung bisher noch nicht grundsätzlich entschieden ist, steht auch noch nicht fest, ob ein solches Verlangen zurück­ genommen werden kann. F ü r diesen Tatbestand ist es jedenfalls richtig, die Zustimmung von nachträg­ lichen unlauteren, insbesondere pekuniären Einflüssen unabhängig zu machen. Der Vorschlag, den ich im Namen der genannten Vereinigung zu § 288 zu machen habe, und der auch dem Vorschlage der „Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge" entspricht, würde lauten: „Eine Person, welche einen Jugendlichen unter 16 Jahren verführt, Unzucht zu treiben, wird mit Gefängnis bestraft. Die T at wird nur mit Zustimmung des gesetz­ lichen Vertreters des Verletzten verfolgt. Die Zustimmung kann nicht zurückgenommen werden. Hat der Verführer die Person geheiratet, so wird er nur verfolgt, wenn die Ehe für nichtig erklärt worden ist". Zu § 292 hat der Herr Reichsminister schon mit Recht daraus hingewiesen, wie wenig glücklich und erschöpfend die Kasuistik in diesem Tatbestand ist. W ir sollten uns hier nicht auf die Analogie verlassen; die Analogie sollte ein Aushilssmittel für später auf­ tretende Bedürfnisse bleiben. Ich schlage für den § 292 folgende Fassung vor: „Wer mit einem seiner Erziehung oder Obhut unterstehenden oder seiner

Führung oder Ausbildung anvertrauten Minder­ jährigen Unzucht tr e ib t...........". Schließlich noch einige Bemerkungen zu § 300: Der § 300 hat in Abs. 2 Satz 2 schon ganz richtig auch den Fall ausgenommen, wo eine solche unzüch­ tige Schrift nicht gegen Entgelt angeboten, überlassen oder vorgeführt wird, sondern nur deshalb, um das Geschlechtsgesühl des Kindes zu überreizen oder irre­ zuleiten. Zwischen den beiden Fällen des § 300 Abs. 2 ist dadurch allerdings eine kleine Verschieden­ heit in der Umgrenzung des Täterkreises eingetreten, daß nach Abs. 2 Satz 1 jeder bestraft wird, nach Satz 2 nur der Volljährige. Ich schlage vor, in § 300 Abs. 2 den Satz 2 zu streichen und statt dessen hinter die Worte: gegen Entgelt zu setzen „oder in unzüchtiger Absicht". Vizepräsident Grau: Bei der Beurteilung des § 288 gehe ich davon aus, daß ein Junge vor dem 16. Jahre nicht ge­ schlechtsreis ist. Die Mädchen sind es vielleicht; sie sind aber entsprechend mehr gefährdet. E s besteht also eine Schutznotwendigkeit für das Lebensalter von 14 bis 16 Jahren. Der Schutz des geltenden Rechts reicht dazu keineswegs aus. D as Merkmal der Unbescholtenheit ist ein Erfordernis, das geradezu unmögliche Ergebnisse gebracht hat. D as verletzte Kind war in der Hauptverhandlung oft unerhörten seelischen Mißhandlungen ausgesetzt. Aber auch die Vorschläge des ResEntw. sind in doppelter Hinsicht unzureichend. E s wird darin verlangt, daß die jugendliche Person verführt wird. Verführung ist etwas anderes als Verleiten. I n der Debatte ist gesagt worden, es müsse verlangt werden, daß das Kind in seiner Willensbildung umgebogen wird. Dies bedeutet aber Verführen nicht. Verführen heißt vielmehr: vom rechten Wege abführen. — Ich sehe voraus, daß über die Auslegung des Wortes „Ver­ führen" sofort S treit entstehen wird und daß das Moment der Unbescholtenheit in dieses W ort wieder hineingetragen wird. Ein weiterer Mangel des ResEntw. besteht darin, daß der T äter über 18 Jahre alt sein muß. Ich vermag nicht einzusehen, warum der 17jährige, der ein 15jähriges Mädchen verführt, nicht bestraft werden soll. D as absolute Schutzalter ist nt. E. aus 16 Jahre zu erhöhen. Ferner muß der Tatbestand die Verleitung als Ersatz für das Merk­ mal der Verführung enthalten. Der Strafrahmen muß dann natürlich anders gefaßt werden. Es muß Gefängnisstrafe neben der Zuchthausstrafe angedroht werden. Daß der Schutz der Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren nicht vom Verlangen des Ver­ letzten abhängig sein soll, scheint mir notwendig zu sein, wenngleich nicht zu verkennen ist, daß'es Fälle gibt, in denen das Interesse des Verletzten zur Ver­ meidung eines Strafverfahrens überwiegend ist. D ann wird der Staatsanw alt durch Absehen von der Strafverfolgung helfen müssen. I m Verfolg meines Gedankens würde ich auch das Schutzalter des § 299 aus 16 Jah re ausdehnen. F ü r notwendig halte ich es, das Wort „absichtlich" in § 299 beizubehalten. Bei den heute noch be­ stehenden Wohnungsverhältnissen kommt man nicht durch, wenn man schon bei Vorsatz bestrafen würde.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Debatte über das Verlangen des Verletzten sollte nicht zu weit fortgeführt werden. Wenn vom Verlangen des Verletzten die Rede ist, so ist bei P er­ sonen zwischen 14 und 16 Jahren, soweit diese als Verletzte in Betracht kommen, nach der Konstruktion des Einführungsgesetzes der gesetzliche Vertreter für die Stellung des Antrags zuständig. Dem 18jährigen ist allerdings neben dem gesetzlichen Vertreter ein selbständiges Antragsrecht zu geben. Staatssekretär Dr. Freisler: Über das Antragsrecht möchte ich bei diesen T at­ beständen nicht sprechen; denn ich hoffe, daß diese Frage auf eine andere Art erledigt werden wird. I m übrigen bin ich der Meinung, daß man die §§ 286 und 288 zusammenziehen sollte und auch zusammenziehen kann. Es besteht ein dringendes Bedürfnis, das Schutzalter im § 286 auf 16 Jahre zu erhöhen. Wenn wir das Schutzalter in dieser Weise erhöhen, so mag zwar leichter bei dem Täter ein Irrtu m vorkommen. Es mag auch richtig sein, daß bei einer Erhöhung des Schutzalters die Gefahr, daß der Angeklagte sich aus einen Irrtu m über das Alter beruft, größer ist. D as ändert aber nichts daran, daß w ir die Schutzgrenze, — entsprechend dem vorhan­ denen Bedürfnis — aus 16 Jah re erhöhen müssen. Wenn w ir uns fragen, ob und wie wir der Gefahr, daß der Angeklagte sich auf eine Nichtkenntnis des Alters des Jugendlichen beruft, begegnen können, so müssen w ir nach dem Grunde für diese Schutzvorschrist fragen. Schützen wir die Jugendlichen, die ein bestimmtes Alter und dazu eine bestimmte innere Festigkeit, die ihnen einen Widerstand ermöglicht, noch nicht erreicht haben, oder wollen wir diesen Schutz nur halb durchführen und dabei auch auf den­ jenigen sehen, der sich mit solchen Jugendlichen ab­ gibt? Diese Frage kann nur im ersten Sinne ent­ schieden werden. Wenn wir sie im ersten Sinne ent­ scheiden, dann ist der Schutz, den wir gewähren wollen, kein Schutz, wenn der Täter in der Haupt­ verhandlung verlangen kann, daß ihm seine Kenntnis des Alters bewiesen werden muß. Ich bin deshalb der Meinung, daß die italienische Regelung geradezu mustergültig ist, und möchte beantragen, dieser italienischen Regelung zu folgen und das Schutzalter zu einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit zu machen. Was die Unbescholtenheit- angeht, so glaube ich, daß das der einzige Gesichtspunkt ist, der eine ver­ schiedene Behandlung der §§ 286 und 288 recht­ fertigen kann. Bei den Verhältnissen, wie wir sie leider in allen Großstädten haben, müssen wir bei den Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren die Unbe­ scholtenheit verlangen. W ir dürfen vor dieser be­ dauerlichen Tatsache nicht die Augen verschließen. W ir müssen abwarten, bis andere Stellen im Staate einen Wandel auch in dieser Beziehung herbeiführen. Unter Unbescholtenheit verstehe ich aber durchaus nicht die Unberührtheit; ich verstehe daher auch nicht, wie es zu einer körperlichen Untersuchung in dieser Richtung kommen kann. Was den § 299 anlangt, so bin ich mit Herrn Minister Thierack der Meinung, daß man es nicht

auf die Absicht abstellen sollte, sondern daß man den Vorsatz genügen lassen sollte. Sonst würde es in den allerwenigsten Fällen zu einer Verurteilung kommen können. Ich bin ferner der Meinung, daß man den Verkehr zwischen Ehegatten in der Wohnung ausnehmen muß. Diesen Verkehr können wir nicht als unzüchtigen Verkehr bezeichnen. Solange wir nicht andere Wohnverhältnisse geschaffen haben, können wir nicht etwas verlangen,'was große Teile der Großstadtbevölkerung mit einem Unmöglich be­ antworten werden. Ganz abwegig scheint'mir zu sein, unter Umständen auch den Geschlechtsverkehr von Haustieren den Kindern zu verbergen; was dann aus unserer Landwirtschaft werden soll, ist mir schlechterdings unfaßbar. Ich glaube auch nicht, daß dadurch den Kindern geschadet wird. M. E. heißt hier möglichst viel verbergen das Gegenteil von dem erreichen, was man will. Professor Dr. Dahm: Ich möchte mich zu dem Fall äußern, daß der Täter, der mit einem Kind unter 14 Jah ren Unzucht getrieben hat, sich damit verteidigt, er habe das Alter des Kindes nicht gekannt. Zwei Vorstellungen sind hier zu unterscheiden. Nach der Auffassung von Herrn Staatssekretär Dr. Freisler soll die Vermutung da­ für sprechen, daß der Täter das Alter des Kindes gekannt habe. Dem steht eine andere Auffassung gegenüber, der die von Herrn Professor Dr. Graf Gleispach vorgeschlagene Fassung des § 286 Rech­ nung trägt. Hier handelt es sich um eine Bestrafung der Fahrlässigkeit. Ich würde mich für die erste Ansicht, also die Auffassung des Herrn Staatssekretär Dr. Freister entscheiden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: M ir ist eines noch nicht ganz klar geworden: Wenn ich Herrn Staatssekretär Dr. Freisler richtig verstanden habe, faßt er das Schutzalter als objektive Voraussetzung der Strafbarkeit aus. Professor D r. Dahm: M an kann sogar drei Möglichkeiten unterscheiden: 1. das Schutzalter ist objektive Voraussetzung der Strafbarkeit; 2. es spricht eine Vermutung dafür, daß der Täter das Alter des Kindes, mit dem er Un­ zucht treibt, gekannt hat; das bedeutet eine Umkehrung der Beweislast; 3. der Täter, der das Alter des Kindes nicht ge­ kannt hat, wird, wenn er es hätte kennen können, wegen fahrlässiger Begehung milder bestraft. Ich bin für die erste, dem italienischen Recht ent­ sprechende Lösung. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Auch ich wäre für eine Erhöhung des Schutzalters im § 286 RefEntw. Ich stimme ferner dem § 288 RefEntw. über Verführung zu, mit der Maßgabe, daß entsprechend der Auffassung des italienischen Strafgesetzbuches das Schutzalter objektive Bedingung der Strafbarkeit wird. Herr Staatssekretär Dr. Freisler möchte den ehe­ lichen Beischlaf in der Wohnung der Ehegatten vom

Tatbestand des § 299 ausnehmen. D as ist sicher richtig bei den Wohnungsverhältnissen, die zu den gekennzeichneten Zuständen führen. Es gibt aber auch Ehepaare, die in glücklicheren Wohnungs­ verhältnissen leben. Und es kann auch vorkommen, daß Ehegatten den Beischlaf nicht vor den eigenen, sondern vor fremden Kindern ausüben. Deshalb habe ich Bedenken dagegen, den ehelichen Beischlaf in der Wohnung bei § 299 auszunehmen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich habe Bedenken gegen die Heraussetzung des Schutzalters von 14 aus 16 Jahre in § 288. Ich denke dabei an die 15jährige Prostituierte. Soll es strafbar sein, wenn ein M ann eine 15jährige Prosti­ tuierte, die vielleicht nur im Augenblick zum Ge­ schlechtsakt nicht geneigt ist, durch Zureden dazu bringt, den Beischlaf mit ihm auszuüben? Staatssekretär Dr. Freisler: Diesem Bedenken wäre dadurch abzuhelfen, daß für die Strafbarkeit der Verführung einer F rau im Alter zwischen 14 und 16 Jahren als weiteres E r­ fordernis die Unbescholtenheit eingeführt würde. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Auch nach meiner Ansicht ist der eheliche Verkehr als solcher an sich keine unzüchtige Handlung. Ich hatte vorhin einen ganz besonders gelagerten F all im Auge, wie ich das auch ausgeführt habe. Von Herrn Minister D r. Thierack bin ich insofern mißverstanden worden, als ich nicht von einer körper­ lichen Durchsuchung der Verführten gesprochen habe, sondern von einer „qualvollen seelischen Durchleuch­ tung". Aus der Skala „unbescholten — bescholten" gibt es zahllose Abstufungen. M an kann ein Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren, die einmal geschlechtlich gebraucht worden ist, deswegen nicht stets ohne weiteres als bescholten betrachten. Es kommt auf die näheren Umstände des einzelnen Falles an. Es würden sich meist sehr eingehende Erörterungen nötig machen zur Prüfung der Frage der Bescholtenheit oder Unbescholtenheit. Deshalb möchte ich aus den bereits angeführten Gründen nochmals dafür ein­ treten, daß Unbescholtenheit nicht als Tatbestands­ merkmal aufgenommen wird. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, es sträubt sich in mir noch alles, den Kindesbegriff bis zu einem Alter von 16 Jahren auszudehnen, auch wenn man für den Schutz der 14bis 16jährigen F rau das Erfordernis der Unbeschol­ tenheit einführt. Ich möchte nur daraus hinweisen, daß die 16jährige F rau bei uns bereits heiratsfähig ist. W ir kämen auf diese Weise zu drei Altersstufen: B is zu 14 Jahren das Kind, das absolut geschützt ist, von 14 bis 16 Jahren Kinderschutz nur der Unbe­ scholtenen, über 16 Jah re die nicht mehr geschützte Erwachsene. Ich weiß nicht, ob das praktisch wäre. Profeffor Dr. Mezger: M ir würde der Vorschlag des Herrn Vizepräsi­ denten Grau am nächsten liegen, das Schutzalter im § 286 allgemein aus 16 Jahre zu erhöhen und § 288

wegfallen zu lassen. Anderseits verkenne ich nicht die vom jperrrt Reichsminister erhobenen Bedenken. Ich würde mich deshalb auch mit den Vorschlägen des Herrn Professor Dr. Gras Gleispach einverstanden erklären können, allerdings mit der Ausnahme, daß mir eine Gefängnisstrafe für ganz leichte Fälle in § 286 unvermeidlich erscheint. Auf alle Fälle wäre ich dafür, daß das Wort „unbescholten" in § 288 wegbleibt. Ich habe es als einen großen Fortschritt betrachtet, daß der Begriff der Unbescholtenheit in § 288 des RefEntw. gestrichen worden ist. Weiter möchte ich für eine ganz besonders glück­ liche Lösung der Frage nach der Kenntnis des Alters des mißbrauchten Kindes die Einschiebung des Fahr­ lässigkeitdeliktes im § 286 Abs. 2 Gleispachscher Fassung und entsprechend im § 288 Abs. 2 halten. Zu einer Schuldpräsumtion oder gar zu einer objek­ tiven Bedingung der Strafbarkeit dürfen wir nicht kommen. Namentlich vom Standpunkt des Willensstrasrechts aus scheint mir eine Durchlöcherung des Schuldprinzips untragbar zu sein. Deshalb trete ich mit ganz besonderer Wärme für den Gleispachschen Vorschlag ein. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: E s darf hier nicht übersehen werden, daß ge­ gebenenfalls natürlich auch der dolus eventualis in Betracht kommt. I m übrigen sehe auch ich nicht, wie man das Schutzalter als objektive Bedingung der Strafbarkeit in ein System des Willensstrasrechts einordnen soll. Profeffor Dr. Nagler: Ich meine, wir sollten gerade bei den Sittlich­ keitsverbrechen das Schuldprinzip unbedingt auf­ rechterhalten. Alle Doluspräsumtionen haben ihre Schwierigkeiten. Gerecht und richtig ist die Fassung, die Herr Kollege Gleispach vorgeschlagen hat. E s wird abzustellen sein aus das „wissen müssen". Auch die karitativen Verbände haben dieses Merkmal immer wieder gefordert. Bei der Frage des Schutzalters bin ich unbedingt für eine Heraufsetzung auf 16 Jahre. D er Jugend­ schutz muß möglichst weit ausgedehnt werden, die Jugend muß in der Entwicklungszeit vor allen Über­ griffen bewahrt bleiben. Allerdings bin ich mit Herrn Staatssekretär Dr. Freisler der Ansicht, daß bei Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren eine ge­ wisse Garantie dafür eingearbeitet werden muß, daß nur absolut unverdorbene Jugendliche den Schutz genießen, den die gesunde Jugend braucht. Bei § 299 würde ich mit Herrn Minister Dr. Thierack den Tatbestand auf Vorsatz beschränken; aber ich glaube, wir werden den ehelichen Verkehr dabei ausschalten müssen. I m übrigen gehe ich hinsichtlich der §§ 299 und 300 mit den Vorschlägen von Herrn Professor D r. Kohlrausch überein. Ministerialdirektor Schäfer: Ich bin gegen eine Heraussetzung des Schutz­ alters im § 286 von 14 aus 16 Jahre. Wir haben hier viel zu sehr die Fälle im Auge, in denen E r­ wachsene sich an Kindern vergreifen. Die Delikte, um die es sich hier handelt, dürften aber im prak-

tischen Leben häufiger zwischen Jugendlichen unter­ einander vorkommen und entwickeln sich aus dem natürlichen, ungezwungenen Zusammenleben der Jugend untereinander, so z. B. in den Jugend­ verbänden, aus dem Lande und in der Enge der Ein­ zimmerwohnung in der Großstadt. Ich halte die Erweiterung des so schweren Tatbestandes für be­ denklich und glaube, daß sie in der Praxis zwangs­ läufig zu häufigen Korrekturen durch die Gnaden­ instanz führen würde. Ebenso halte ich eine Heraufsetzung des Schutz­ alters in § 300 Abs. 2 für bedenklich. ‘ Zur Beweislastfrage möchte ich bemerken: Es geht meiner Ansicht nach zu weit, hier eine Fiktion Platz greifen zu lassen. Hier scheint mir der Vor­ schlag des Herrn Graf Gleispach richtig zu sein. Der Tatbestand des § 299 ist neu. E r ist im RefEntw. bewußt in dieser engen Fassung mit der Beschränkung auf das „absichtliche" Handeln ge­ schaffen worden. D aran bitte ich festzuhalten. Fälle wie die, in denen in der Einzimmerwohnung Er­ wachsene unzüchtige Handlungen in und trotz der An­ wesenheit von Kindern vornehmen, aber nicht um der Anwesenheit der Kinder willen, sollen und dürfen hier nicht erfaßt werden. Der S in n des § 299 ist der, die Fälle zu erfassen, in denen die unzüchtige Handlung „absichtlich" vorgenommen wird, zu dem Zweck, ein Kind zu ihrem Zeugen zu machen und sich dadurch geschlechtlich zu erregen. Ich glaube, man sollte den Paragraphen unverändert lassen. Senatspräsident Professor D r. Klee: Herr Ministerialdirektor Schäfer hat an Fälle gedacht, in denen Kinder als T äter in Frage kommen. Es ist schon de lege la ta die Frage, ob strafrechtlich Kinder von 14 oder 16 Jahren hier überhaupt als Täter in Frage kommen können. Jedenfalls schließt die Fassung von Herrn Graf Gleispach gerade aus, daß Kinder als Täter in Betracht kommen. Zu den Erörterungen über das Willensstrasrecht möchte ich bemerken: Hier ist die Frage, ob die Kenntnis des Täters sich erstrecken muß aus das Alter des Objekts. Hier meine ich, daß durchaus praktische Gründe dazu führen können, daß das Schuldprinzip unterbrochen wird. Ich bin der An­ sicht, daß man mit der Bestrafung der Fahrlässigkeit hier nicht auskommt, auch nicht mit dem „wissen müssen". Um einen wirksamen Schutz herbeizuführen, müssen wir uns auf den Standpunkt stellen, daß hin­ sichtlich des Alters eine praesum tio Juris et de ju re geschaffen werden muß. D as bedeutet, der Täter, der sich mit Mädchen dieser Altersschicht ab­ gibt, hat unter allen Umständen das Risiko zu tragen, daß das Objekt seiner Handlung das Schutzalter noch nicht überschritten hat. E r darf sich nicht darauf berufen können, daß er das Mädchen nach dessen körperlicher Entwicklung oder aus Grund einer dies­ bezüglichen Angabe des Mädchens für außerhalb des Schutzalters stehend gehalten habe. Staatssekretär Dr. Freister: Mein Vorschlag widerspricht nicht dem Willens­ strafrecht. Denn auch das Willensstrasrecht muß be­

herrscht sein von dem Zweckgedanken, und der Zweck ist nicht der, mit Hilfe des Willensstrasrechts dem Verbrecher eine Handhabe gegen den S ta a t in die Hand zu geben. Wenn wir zulassen, daß der ver­ brecherische Wille für seine Verteidigung eine be­ sonders günstige Basis bekommt, machen w ir das Instrument des Strafrechts stumpf. I m übrigen erscheint mir der Vorschlag des Herrn Professors Gras Gleispach gegenüber den anderen Vorschlägen am besten. Zu dem von Herrn Ministerialdirektor Schäfer vorgebrachten Einwand möchte ich bemerken: Ich würde doch vorschlagen, daß wir die Grenze von 18 Jahren für den Täter aufrechterhalten. Zu der Erhöhung des Schutzalters von 14 auf 16 Jahre sind wir gekommen, weil 14 Jahre unter allen Um­ ständen zu gering erschienen. Ich kann mir aber andererseits auch denken, daß für Mädchen die Alters­ grenze von 16 Jahren zu hoch gegriffen ist. Eventuell wäre eine Erhöhung des Schutzalters aus 15 Jahre zu erwägen; auch das würde schon einen Fortschritt bedeuten. Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Ich halte ebenfalls eine Erhöhung des Schutz­ alters auf 15 Jahre für richtig und hatte daher bereits die Absicht, den gleichen Vorschlag wie Herr Staatssekretär Dr. Freister zu machen. Wenn wir die Caesur bei 15 bzw. 17 Jahren vornehmen, so würden wir damit rein physiologisch gesehen zu dem gleichen Ergebnis kommen wie das italienische S tra f­ gesetzbuch, da infolge der anderen klimatischen Ver­ hältnisse in Ita lie n die sexuelle Reise etwa ein J a h r früher als bei uns eintritt. Professor Dr. Kohlrausch: Ich bin in der Frage der Bestrafung der F ah r­ lässigkeit für den Vorschlag von Herrn Professor Graf Gleispach, den ich für eine ganz besonders glückliche Lösung halte. D as Schutzalter schlechthin auf 16 Jahre herauf­ zusetzen, scheint mir zu streng zu sein. Ich würde es deshalb für richtig halten, zwei Tatbestände vonein­ ander getrennt zu halten: den des § 286, der unver­ ändert bleiben kann, daneben den des § 288, der auszuarbeiten sein wird, aber in einer anderen Rich­ tung als bisher: es darf nur die Gefängnisstrafe vorgesehen werden und der Täter darf nur ein Erwachsener sein. Sodann entsteht schließlich die Frage: „Sollten wir nicht auch denjenigen Erwachsenen bestrafen, der einen Jugendlichen verführt, Unzucht schlechthin zu treiben, das heißt nicht nur mit ihm, dem Täter? Professor Dr. Mezger: Ich habe schwerwiegende Bedenken gegen den Vorschlag, das Täteralter auf 18 Jah re heraufzu­ setzen. Die Folge wäre, daß Kinder unter 14 Jahren Burschen von 16 bis 18 Jahren schutzlos preisgegeben würden; ich glaube, das müßte zu ganz verhängnis­ vollen Folgen führen. Es erscheint mir selbstver­ ständlich, daß das Täteralter nicht unter dem Schutz-

alter liegen darf, aber bis zum Schutzalter wird man beim Täteralter unbedingt herabgehen müssen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich meine auch, wir dürfen hier das praktische Leben nicht aus den Augen lassen. Wenn w ir ein Täteralter von 18 Jahren festsetzen, sind Kinder jeden Alters in vielen Fällen schutzlos unzüchtigen Hand­ lungen ausgesetzt, z. B. einem Kindermädchen, das sehr oft unter 18 Jahren zu sein pflegt. Professor Dr. Graf Gleispach: Zu dem Vorschlag, das Schutzalter zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit zu machen, will ich jetzt nicht sprechen. Ich habe Bedenken dagegen. Aber zu zwei Punkten möchte ich kurz Stellung nehmen. Zur Vornahme unzüchtiger Handlungen vor Kindern: Hier ist es vielleicht der beste Ausweg, die Vorschrift dem § 300 Abs. 2 anzunähern durch eine Fassung wie etwa: „Wenn man Kinder zum Zeugen von unzüch­ tigen Handlungen oder solchen Handlungen macht, die geeignet sind, das Geschlechtsgefühl der Jugend zu überreizen oder irrezuleiten . . . " Und schließlich zu § 300 Abs. 2 Satz 2: Hier glaube ich daß man an einer Person über 18 Jahre als Täter festhalten sollte. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bin inzwischen zu der Meinung gelangt, daß mein Vorschlag, die §§ 286 und 288 zusammen­ zufassen, nicht möglich ist. W ir müssen dabei zu Ver­ schiedenartiges miteinander vereinigen, was nicht möglich ist. Ich bin vielmehr der Meinung, daß auch § 286 in mehrere Bestimmungen zerlegt werden muß; es ist nur die Frage, wo man dabei anknüpfen muß. Auszugehen ist von der außerordentlichen Verschie­ denheit der Fälle der unzüchtigen Handlungen. So sollte man zunächst den Beischlaf und ähnliche schwere oder besonders widerliche unzüchtige Handlungen aus § 286 herausnehmen. F ü r solche Handlungen wäre ein Schutzalter von 15 Jahren dringend erwünscht. I n diesen Fällen darf allerdings auch kein höheres Täteralter verlangt werden. Anders ist es bei den übrigen unzüchtigen Handlungen. Auch bei ihnen wird das Schutzalter auf 15 Jahre herausgesetzt werden müssen; aber der Täter muß älter sein. Bei den leichteren Fällen der unzüchtigen Handlungen wird der Täter, der selber noch dem schutzwürdigen Alter nahesteht, das Unrecht meist erst später einsehen. Hier kommt es also mehr auf den Altersunterschied an. Ich schlage deshalb vor, festzulegen, daß hier der T äter ein gewisses Alter haben muß, etwa 18 Jahre. Das wäre allerdings bei einem Mädchen schon ein recht hohes Alter. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Eine dritte Möglichkeit, aus den Schwierigkeiten herauszukommen, ist die Erweiterung des S tra f­ rahmens nach unten durch Zulassung der Gefängnis­ strafe.

Staatssekretär Dr. Freisler: D as entspricht auch meinem Gedanken, nur daß ich das Problem von einer anderen Seite angefaßt habe. Mißbraucht ein Erwachsener ein Kind unter 14 Jahren bzw. 15 Jahren, so ist das ein schwerer Fall. Die Zuchthausstrafe wäre im allgemeinen an­ gebracht. Anders wenn Jugendliche untereinander die gleiche unzüchtige Handlung vornehmen. Hier wäre die Zuchthausstrafe im allgemeinen zu hart. E s er­ scheint mir erwägenswert, auch nach dieser Richtung hin nach einer Lösung des Problems zu streben. Es ist nicht nur abzustellen auf die besonders schwere Art des Mißbrauchs, sondern es wird auch auf das höhere Lebensalter des Täters Rücksicht zu nehmen sein. Professor Dr. Mezger: Ich möchte darauf hinweisen, daß bei Fällen un­ züchtiger Handlungen unter Jugendlichen in § 3 JG G . eine weitgehende Ausweichungsmöglichkeit ge­ geben ist. Ebenso kommen §§ 6, 9 JG G . dem jugend­ lichen Täter zugute. Ich halte es ferner für sehr erwägenswert, für die leichteren Fälle, also für Fälle, wo es sich nicht um Beischlaf oder ähnliche schwere oder besonders widerliche Handlungen handelt, eine Fassung vorzusehen, die für schwere Fälle Zuchthaus, für leichtere Gefängnis nicht unter 6 Monaten vorsieht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wenn ich zusammenfassen darf: Nach meinem Gefühl ist eine Aufspaltung des Unzuchtsbegrifss in diesem § 286 hoffnungslos. Die Teilung zwischen außerehelichem Beischlaf und Un­ zucht sollte beibehalten werden. Die Zuchthausdrohung kann so nicht bestehen bleiben; ich halte das unter allen Umständen für aus­ geschlossen. Ich persönlich wäre der Meinung, daß man in § 286 ein Mindesttäteralter einführen könnte, und zwar 16 Jahre. Bezüglich des Schutzalters bestehen zwei Möglichkeiten der Heraufsetzung, entweder aus 15 Jahre oder auf 16 Jahre. Absolut überzeugende Gründe lassen sich für keine dieser Möglichkeiten geltend machen. Die Gleispachsche Formulierung scheint mir die Billigung der Mehrheit gefunden zu haben. Bei der Vornahme unzüchtiger Handlungen vor Kindern ist das Wort „absichtlich" sehr umstritten. Ich würde mehr geneigt sein, das Wort aufzunehmen, um die Beziehung zwischen der unzüchtigen Handlung und dem Kinde sicherzustellen. Bei der Verführung ist das Merkmal der Unbe­ scholtenheit streitig. Ich wäre mehr geneigt, aus das Merkmal der Unbescholtenheit zu verzichten. Was die Verderbnis der Jugend anlangt, so be­ steht allgemein die Neigung, den § 300 zu teilen. Vorgemerkt soll werden, daß das Merkmal des Zugänglichmachens als Ergänzung zu dem „Uberlassen" eingeführt werden soll. (Schluß der Sitzung 19 Uhr 15 Minuten.)

Strafrechtskommission

45. Sitzung 18. September 1934 (Oberhos) Inhalt Widernatürliche Unzucht; Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit; Kuppelei; ZuhLlterei. Retchsjustizminister Dr. Gürtner

1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 10. 11. 12 13. 14 Berichterstatter Professor Dr. Graf Gleispach (Berlin) 1. 3. 6. 6. 7. 8. 10. 11. 12. 13 Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz (Leipzig) 2. 6. 8. S. 13 Professor Dr. Nagler (Breslau) ................................. 3. 4. 5 Professor Dr. Mezger (München) ............ 3. 4. 7. 8. 10. 13 Professor Dr. Dahm (Kiel) ................................. 3. 4. 11. 12 Ministerialdirektor Schäfer ................ 3. 4. 5. 6. 8. 10. 11 Sächsischer Justizminister Dr. Thierack ............ 3. 5. 10. 12 Landgerichtsdirektor Leimer (Nürnberg) ............................ 4 Senat-Präsident Professor Dr. Klee (Berlin) 4. 10. 11. 12. 13. 14 Oberlandesgerichtsrat Dr. S ch ä fer......................................... 6 Vizepräsident G r a u ...................................................... 6. 11. 14 Ministerialdirektor Dr. Dürr .................................................. 8 Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi ................................. 8 Professor Dr. Kohlrausch (Berlin) ................ 10. 11. 13. 14 Staatsanwaltschastsrat Dr. E b e rt......................................... 12 Oberstaatsanwalt Dr. Reimer (B e rlin )................................. 12

Beginn der Sitzung: 9 Uhr 10 Minuten. Anwesend sind dieselben Herren wie in der 40. Sitzung. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir kämen zu den Tatbeständen, die als wider­ natürliche Unzucht bezeichnet werden. Nach dem Vor­ schlage des Herrn Grafen Gleispach soll auch die Blutschande in diesen Abschnitt aufgenommen werden. Berichterstatter Professor Dr. Graf Gleispach: Die Blutschande wird aus zwei Gründen als strafbar angesehen. Einmal werden die Rücksichten aus die Bewahrung des Erbgutes als Grund für die Bestrafung angeführt; die Verbindung nächster Ver­ wandter wird als nachteilig für das Erbgut angesehen. Es ist dies ein Satz, der heute nicht unbestritten ist und nicht allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann. Weiter kommt als Grund für die Strafbarkeit die Aufrechterhaltung der Reinheit der Familie hinzu. Gegenüber dem geltenden Recht unterscheidet sich der Vorschlag des ResEntw., dem ich mich anschließe, nach zwei Richtungen. Einmal wird der Geschlechtsverkehr zwischen Verschwägerten nicht mehr einbezogen, während dies nach dem geltenden Recht der F all ist. Ferner ist der letzte Absatz des § 290 ResEntw. etwas weiter als die entsprechende Bestimmung des geltenden Rechts. Denn das geltende Recht erfaßt hier nur den

F all eines Verkehrs zwischen Verwandten auf­ steigender und absteigender Linie, während der letzte Absatz des ResEntw. auch den Verkehr zwischen den Geschwistern einbezieht. Der Tatbestand der B lut­ schande umfaßt nur den normalen Geschlechtsverkehr zwischen Verwandten eines bestimmten Grades in der Form des Beischlafs; der Entwurf schlägt daneben im § 291 noch vor, auch andere Unzuchtsformen zwischen Verwandten unter Strafe zu stellen, nämlich dann, wenn der T äter ein Erwachsener ist und einen Verwandten absteigender Linie zur Unzucht miß­ braucht. Bei der Verbreitung, die die Formen des geschlechtlichen Verkehrs außerhalb des Beischlafs haben, halte ich das für richtig. E s entspricht dies auch dem Verlangen, das von dem Caritas-Verband und von der Deutschen Evangelischen Kirche erhoben worden ist. Aus der anderen Seite ist diese Erweite­ rung deswegen angefochten worden, weil hier die eugenischen Rücksichten für die Bestrafung der B lut­ schande fortfallen. Aber der Gesichtspunkt der Rein­ haltung der Familie rechtfertigt diese Strafdrohung. Wenn ich zu dem weiteren In h a lt dieses Unter­ abschnitts übergehen soll, so handelt es sich um den gleichgeschlechtlichen Verkehr und den Verkehr mit Tieren. Ich glaube, daß ich bezüglich des § 295 ResEntw. keine weiteren Ausführungen zur Begrün­ dung der Strafbarkeit zu machen brauche. Es ist bekannt, daß man hier die Frage nach dem zu schützenden Rechtsgut aufgeworfen hat. E s ist aber die Auffassung abzulehnen, daß eine Strafbarkeit nur dann gerechtfertigt ist, wenn ein konkretes oder ein Rechtsgut mit einem sinnlich wahrnehmbaren Träger vorhanden ist. — Der Tatbestand umfaßt nur die beischlafsähnlichen Handlungen; das ist hier — wie ich glaube — richtig. M an könnte lediglich die Frage auswerfen, ob nicht auch die — praktisch zwar seltenen, aber doch vorkommenden — Fälle des Gebrauchs einer frischen Tierleiche einbezogen werden sollten. D as würde ich bejahen. Ich bezweifle, daß die Aus­ legung das schon in die jetzige Fassung des § 295 mit einbeziehen würde. Schließlich ist noch die gleichgeschlechtliche Unzucht zu besprechen (§§ 296, 297 ResEntw.). Die strafrecht­ liche Behandlung der Homosexualität war das Lieblingsthema einiger Sexualpathologen hauptsäch­ lich nicht arischer Abstammung. Auf dieses Schrift­ tum glaube ich nicht eingehen zu sollen. Von einer Begründung der Strafbarkeit der Homosexualität glaube ich absehen zu dürfen. Die Frage ist wohl nur, ob man mit dem geltenden Recht die Einschränkung auf das männliche Geschlecht vornehmen soll, oder ob auch die lesbische Liebe in den Tatbestand einbezogen werden soll, wie es z.B. einige ausländische Rechte tun. Ich stelle nicht den Antrag, eine solche Ausdehnung vorzunehmen, obwohl man nicht verkennen kann, daß dieses Laster auch unter Frauen stark zunimmt. Durch die Duldung der männlichen Homosexualität würde sich eine Verfälschung der Auffassungen und der Grundlage ergeben, auf der unser ganzes gesellschaft­ liches Leben ruht. Ein homosexueller M ann kann z.B. in seiner Betätigung im Amt durch Motive beherrscht werden, die nicht vorausgesehen werden können. E r ist sozusagen eine F ra u im männlichen Gewand. D araus entsteht das, was ich als Verfälschung des

öffentlichen Lebens bezeichnen möchte. N u n kann man zwar nicht diese Erscheinung, aber doch ihre Aus­ breitung und Verstärkung strafrechtlich bekämpfen. Dieser Gesichtspunkt spielt aber bei dem gleich­ geschlechtlichen Verkehr zwischen Frauen keine Rolle. D ie zweite Hauptfrage ist hier die, ob die S tra f­ barkeit auf beischlafsähnliche Handlungen beschränkt werden soll oder nicht. Das geltende Recht tu t es nicht ausdrücklich; die Rechtsprechung des R G . geht aber dahin, daß n u r beischlassähnliche Handlungen den Tatbestand erfüllen; der E n tw u rf würde also keine Änderung des bestehenden Rechtszustandes herbei­ führen. Ich bin der Auffassung, daß man dann, wenn m an den strafrechtlichen Kampf gegen die Homo­ sexualität nachdrücklich führen w ill, den Tatbestand nicht aus beischlafsähnliche Handlungen beschränken sollte. Z um großen T e il spielt sich der Geschlechts­ verkehr zwischen Homosexuellen nicht durch beischlafs­ ähnliche Handlungen ab. Ich möchte da auf das S chrifttum und auf andere Quellen der Erkundung hinweisen. Ic h habe auch m it Personen gesprochen, die beruflich einen Einblick in das Treiben in B e rlin haben. Auch von dieser Seite ist m ir gesagt worden, daß wahrscheinlich n u r 10 Prozent, vielleicht auch 20 Prozent der Homosexuellen einen Verkehr pflegen, den man unter die beischlafsähnlichen Handlungen bringen könnte. Ferner ist auch der Nachweis der beischlafsähnlichen Handlungen sehr schwierig. B e i den qualifizierten F ällen brauche ich nichts Besonderes hervorzuheben. Vielleicht könnte man noch etwas deutlicher machen, daß die S trafbarkeit in diesen F ällen auch dann e in tritt, wenn keine beischlafsähnlichen Handlungen vorliegen. M itberichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Hinsichtlich der Blutschande unterscheidet sich der ResEntw. vom geltenden Recht dadurch, daß er nur den Beischlaf zwischen Verwandten auf- und ab­ steigender L in ie und zwischen v o ll- und halbbürtigen Geschwistern als Blutschande bestraft wissen w ill, nicht aber den zwischen Verschwägerten auf- und ab­ steigender Lin ie . Ic h möchte den Vorschlag machen, auch den Geschlechtsverkehr zwischen Verschwägerten auf- und absteigender L in ie m it S tra fe zu bedrohen. Wenn man den Zweck der an die Blutschande ge­ knüpften Strafsolgen lediglich oder hauptsächlich in der Abwehr von Erbgesahren aus Inzucht sieht, dann wäre das berechtigt. Nach den Ergebnissen der modernen Vererbungslehre ist aber die Inzucht als solche nicht ohne weiteres eine Gefahr fü r die E rh a l­ tung der Raffe. N u r soweit weniger gute Erbmassen vorhanden sind, bedeutet sie eine größere Wahrschein­ lichkeit fü r erbkranken Nachwuchs. Dagegen ist bei beiderseitigen guten Erbmassen die Wahrscheinlichkeit der Rasseverbesserung, zum mindesten -Erhaltung gegeben. D ie „G e fa h r" der Inzucht kann also nur m it Einschränkung als G rund fü r die Strafdrohung angeführt werden. Dagegen ist im Interesse der Reinhaltung der Familienbeziehungen und der F a m ilie n m o ra l Geschlechtsverkehr zwischen gewissen nahen Verwandten zu verhindern. D as g ilt aber ebenso auch fü r den Geschlechtsverkehr zwischen Schwiegereltern und -kindern. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß durch den Geschlechtsverkehr zwischen

Verschwägerten auch merkwürdige, meist unerfreuliche Verschiebungen in der Generationenfolge eintreten können. Aus diesen Erwägungen möchte ich vo r­ schlagen, den Beischlaf zwischen Verschwägerten ausund absteigender L in ie auch m it S tra fe zu bedrohen. Es wäre höchstens zu erwägen, ob man eine solche Strafvorschrist nicht in einen besonderen Paragraphen aufnehmen sollte, da hier nicht Blutschande im technischen Sinne vorliegt. D ie ausländischen Rechte haben diese Tatbestände verschieden geregelt. I n manchen Strafrechten findet sich die Ausdehnung der S trafbarkeit auch auf den Verkehr zwischen V e r­ schwägerten, in manchen auch eine Ausdehnung auf unzüchtige Handlungen schlechthin. Daß die S tr a f­ drohung fü r die Verwandten aufsteigender L in ie erhöht werden soll, erscheint richtig. Bezeichnend ist übrigens, daß das neue italienische Strafrecht (A rtike l 564), das die Blutschande als ein Verbrechen gegen die Fam iliensitte betrachtet und nur dann fü r strafbar erklärt, wenn aus der A r t der Begehung ein öffent­ liches Ärgernis entsteht, auch die zwischen V e r­ schwägerten in gerader L in ie bestraft. — Eventuell mag fü r die S trafbarkeit des Beischlafes zwischen V e r­ schwägerten in gerader L in ie Voraussetzung sein, daß die sie begründende Ehe zur Z eit der T a t noch besteht. Ich möchte vorschlagen, den § 290 in der Richtung zu erweitern, daß er dem geltenden Recht entspricht. I m § 291 wäre zweckmäßig einzufügen: „W e r abgesehen von den F ällen des § 290 und des § 286 . . .". Dieser Paragraph fü llt eine sehr fühlbare Lücke des geltenden Rechts aus. Ich hatte in meinen Leitsätzen angeregt, in § 291 das Tatbestandsmerkmal der M inderjährigkeit zu streichen und jede Unzucht zwischen Verwandten auf- und absteigender L in ie bei ersteren m it S tra fe zu bedrohen. Ic h gebe anheim, das zu erwägen. Z u § 295 habe ich den Vorschlägen des Herrn G raf Gleispach nichts hinzuzusetzen. F ü r die Aufhebung der Strafvorschrift des § 175 S tG B , ist seit langem schon aus juristischen und medizinischen Kreisen gekämpft worden m it Begrün­ dungen, die zum T e il auch beachtlich sind. F ü r den heutigen S ta a t ist aber die Frage, ob die Unzucht zwischen M ännern bestraft werden soll oder nicht, indiskutabel. D ie widernatürliche Unzucht, insbe­ sondere die zwischen M ännern, ist eine Gefahr fü r den S ta a t, da sie geeignet ist, die M ä n n e r in ihrem Charakter und in ihrer bürgerlichen Existenz auf das schwerste zu schädigen, das gesunde Fam ilienleben zu zerrütten und die männliche Jugend zu verderben. Ich bin andererseits dafür, daß die lesbische Liebe aus den von H errn Gras Gleispach angeführten Gründen nicht unter S tra fe gestellt werden soll. Ich bin dagegen auch fü r eine Erw eiterung des T a t­ bestandes des § 296 ResEntw. dahin, daß überhaupt alle Unzuchtshandlungen zwischen M ännern m it S tra fe belegt werden, schon w eil es sehr schwer ist nachzuweisen, daß beischlafsähnliche Handlungen vo r­ genommen worden sind. M i r erscheint es also sehr erstrebenswert, jede Unzucht zwischen M ännern m it S tra fe zu belegen. D a m it würde auch die äußerst umfangreiche kasuistische Rechtsprechung des Reichs-

gerichtes dazu, was als beischlassähnliche Handlung zu betrachten sei, überflüssig werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Frage ist zunächst, ob wir den § 291 des ResEntw. in diesen systematischen Zusammenhang hineinnehmen sollen. M an könnte der Meinung sein, daß dieser Paragraph in den Jugendschutz hinein gehört. Professor Dr. Nagler: § 291 enthält die Fortsetzung des Gedankens von § 290. I n § 290 ist nur der Beischlaf herausgehoben; der Rest der unzüchtigen Handlungen wird durch § 291 erfaßt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as ist richtig; die Frage ist nur, wo man den § 291 einordnen soll. Wenn man auch den § 290 in die Gruppe der widernatürlichen Unzucht stellt, so ist es doch nicht ganz überzeugend, deswegen auch den § 291 in diesen Zusammenhang zu stellen. Professor Dr. Mezger: M ir würde es natürlicher erscheinen, wenn diese Bestimmung in das Kapitel Jugendschutz kommt. Es sind doch Fälle, die der Verführung von Jugendlichen sehr nahe stehen. Professor Dr. Dahm: Wenn wir den Gedanken der sexuellen Perversität in den Vordergrund stellen, dann erscheint mir die Einordnung des § 291 in diesen Zusammenhang als Überspannung. Ministerialdirektor Schäfer: Ich habe wiederholt in der Gnadenpraxis Fälle erlebt, die sehr tragisch waren. Diese Fälle haben uns veranlaßt, die Verschwägerten aus dem T at­ bestand der Blutschande herauszulassen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte auch mehr geneigt sein, diese Be­ stimmung nicht auf die Verschwägerten auszudehnen. Ich bin der Meinung, daß man die Geschwister in bezug auf das Alter nicht anders behandeln kann als die Verwandten. Widerspruch dagegen hat sich nicht erhoben. Bei der Unzucht mit Tieren kommt es im wesent­ lichen darauf an, ob wir entsprechend der Fassung des ResEntw. die beischlafsähnlichen Handlungen be­ tonen. Ein Wunsch auf Änderung dieser Fassung besteht nicht. Uber die Frage der Bestrafung der Homosexuali­ tät an sich ist nicht zu sprechen. Der ResEntw. hat zwei Gedankenkreise vereinigt. I m § 296 ist die Forderung nach der Bestrafung schlechthin verwirk­ licht worden. I m § 297 finden w ir den Niederschlag eines Gedankens, der dem französischen Recht ent­ stammt. D ort ist die Päderastie an sich nicht strafbar; strafbar ist sie nur unter den Voraussetzungen des § 297. D as ist im wesentlichen der Grundgedanke des Code Napoleon. Wenn man diese Gedanken vereinigt, scheint es mir richtig zu sein, bei der Päderastie auf dem Boden der bisherigen Recht­

sprechung zu bleiben. Aus meiner Erfahrung weiß ich zwar, daß der Nachweis der beischlafsähnlichen Handlungen eine probatio diabolica ist. M ir scheint aber die Bestrafung der Päderastie unter dem Ge­ sichtspunkt des französischen Rechts im Vordergrund des kriminalpolitischen Interesses zu stehen. D es­ wegen würde ich es begrüßen, wenn die Herren sich damit einverstanden erklärten, in diesen Fällen über­ haupt nicht von beischlafsähnlichen Handlungen zu sprechen. Die Frage ist hier, ob sich dadurch nicht Überschneidungen mit anderen Paragraphen ergeben, z. B. mit der Bestimmung über die Unzucht unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses. Professor Dr. Dahm: Hier entsteht dieselbe Lücke wie in § 289. Ich denke an den Fall, daß ein M ann sich um eine An­ stellung bemüht und gezwungen wird, in dieser Rich­ tung Zugeständnisse zu machen. Hier besteht aber noch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis, so daß § 297 nicht anwendbar wäre. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Diese Forderung scheint mir logisch zu sein. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: F ü r § 297 scheint es mir erwägenswert zu sein, neben der Gewerbsmäßigkeit die Gewohnheitsmäßig­ keit zu nennen. Der gewohnheitsmäßige Homosexuelle ist mindestens ebenso gefährlich wie der gewerbs­ mäßige. Der letzte Absatz des § 297 muß gestrichen werden, nachdem es gestern für § 286 abgelehnt worden ist, die besonders schweren Fälle zu erwähnen. Professor Dr. Mezger: M ir scheint es nicht angezeigt zu sein, in den § 297 Ziff. 2 das Merkmal „Verführen" aufzu­ nehmen. Denn dann muß der Nachweis erbracht werden, daß der Volljährige den Minderjährigen verführt hat. Ferner scheint mir in den besonders schweren Fällen die Zuchthausstrafe unentbehrlich zu sein. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es steht wohl außerhalb der Diskussion, daß wir für die besonders schweren Fälle Zuchthaus brauchen. Professor Dr. Mezger: I m vorliegenden Falle wäre ich der Ausfassung, daß man die Strafen ohne besonderen Zusatz neben­ einander stellen sollte. Bezüglich des Merkmals „Verführen" verweise ich auf die bereits hervorgehobenen Bedenken. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich würde sehr empfehlen, Gefängnis und Zucht­ haus wahlweise anzudrohen. Zu der Frage, ob § 297 Ziss. 2 zu erweitern wäre, ist auch § 292 zum Vergleich heranzuziehen. Diese Vorschrift geht dem § 297 Ziff. 2 vor. E s bleiben nur die Fälle übrig, in denen eine besondere Beziehung zwischen dem Jüngeren und dem Alteren nicht besteht. Der Fall, der eigentlich durch § 297 Ziff. 2 getroffen werden soll, ist der, daß jemand mit

einem Jugendlichen, den er nicht kennt, Beziehungen anknüpft und ihn zum gleichgeschlechtlichen Verkehr zu bestimmen sucht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as unterscheidende Merkmal zwischen § 292 und § 297 Zisf. 2 ist, daß § 297 Zisf. 2 den Erwachsenen trifft, der eine aktive Tätigkeit entfaltet; dadurch erklärt sich die hohe Strafdrohung. Professor Dr. Nagler: Ich glaube, wir sind darüber einig, daß wir in § 297 Zisf. 1 statt „nötigt" setzen: „bestimmt" oder „verleitet", und daß in Zisf. 3 das Merkmal der Gewohnheitsmäßigkeit eingefügt werden muß. Landgerichtsdirektor Leimer: Ich wollte zu einer anderen Frage sprechen. Wir haben gestern beschlossen, daß in § 286 ein bestimmtes Alter des Täters erforderlich ist. Die gleiche Rege­ lung müssen wir dann auch in § 296 treffen. Für eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden Fälle ist kein Grund einzusehen. Ministerialdirektor Schäfer: Die Verhältnisse liegen hier doch etwas anders als in § 286. I n § 286 handelt es sich um den natürlichen Verkehr, hier dagegen um den perversen Verkehr, bei dem man weitergehen kann. Ich möchte daher glauben, wir brauchten hier bezüglich des Alters keine Einschränkungen zu machen. Wenn man die allgemeine Vorschrift in § 296 auf beischlafsähn­ liche Handlungen beschränkt, braucht man die Frage des Alters nicht besonders zu regeln. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich wollte nur zu der Frage der Strafbarkeit des gleichgeschlechtlichen Verkehrs unter Frauen sprechen. Ich möchte ernstlich zur Erwägung stellen, ob man nicht die Strafbarkeit ausdehnen soll. Herr Professor Gras Gleispach hat die Verfälschung des öffentlichen Lebens als Grund für die Strafbarkeit der Homo­ sexualität angeführt. Aber das kann nt. E. nicht ent­ scheidend dafür sein, die Frauen straflos zu lassen. Denn durch den homosexuellen Verkehr der Frauen wird auch ein vergiftender Einfluß aus die öffentliche Sexualmoral ausgeübt. Die ra tio legis der Bestra­ fung des homosexuellen Verkehrs ist die, daß der Mensch seinem normalen Fortpflanzungs- und Ge­ schlechtstriebe nicht entzogen werden soll, daß er seine Kräfte nicht in anderer Richtung ausschütten und vergeuden soll. Der Grund ist also der, daß der normale Geschlechtsverkehr, an dem der S ta a t ein großes Interesse hat, im Vordergründe steht und nicht durch andere Perversitäten beeinträchtigt werden soll. Ich meine, daß man, wie es auch in Österreich der Fall ist, die Strafbarkeit auf die Frauen ausdehnen sollte. Ich glaube nicht, daß man in dieser S traf­ bestimmung nur von beischlafsähnlichen Handlungen sprechen sollte. Professor Dr. Dahm: Ich würde die gewohnheitsmäßige Begehung der T at nicht in den § 297 Zifs. 3 einbeziehen. Denn sonst bliebe für § 296 nicht allzu viel übrig. Wer nicht gewerbsmäßig handelt, wird in der Regel unter

dem Einfluß einer unnatürlichen Veranlagung, also gewohnheitsmäßig handeln. E s besteht auch in der Strafwürdigkeit ein großer Unterschied zwischen dem, der solche Handlungen gewohnheitsmäßig begeht und dem, der gewerbsmäßig handelt. Professor Dr. Mezger: Ich weife besonders auf die gewohnheitsmäßige Begehung hin, weil die Gefahren gerade in der F o rt­ setzung dieser Handlungen liegen. I n der Frage der Bestrafung der lesbischen Liebe möchte ich mich den Vorschlägen des Herrn Grafen Gleispach anschließen, also eine Strafdrohung ab­ lehnen. D as logisch Richtige ist es zwar, wenn man den M ann bestraft, auch entsprechend die F rau zu bestrafen. M ir scheint die zu lösende Frage aber keine logische Frage, sondern eine Frage der Ab­ wägung zwischen verschiedenen Übeln zu sein. D as größere Übel scheint mir dabei eine Strafdrohung zu sein. Zwei Gründe scheinen mir gegen die S tra f­ barkeit der lesbischen Liebe zu sprechen. Einmal ist ja bekannt, daß die lesbische Liebe allgemein in Dirnenkreisen verbreitet ist. Kommen aus diesen Kreisen Fälle zur gerichtlichen Aburteilung, so folgt eine F lut von Anzeigen. Es ist doch zu beachten, daß solche Dinge, die die Öffentlichkeit nicht weiter be­ helligen, nicht ohne Not mit ihrem ganzen Schmutz an die Öffentlichkeit gezogen werden. Wenn man z. B. an die Wirkungen des Eulenburg-Prozesses denkt, so zeigt das, wie gerade solche gerichtlichen Verfahren oft die Quelle allerschlimmster sexueller Abirrungen werden können. E s besteht kein Bedürf­ nis, dieses ganze Kapitel vor das Forum zu ziehen, da die sozialen Schäden dabei größer als der Nutzen wären. Auf der anderen Seite steht noch eine andere Gruppe der hier in Betracht kommenden Personen, was schon gegenüber dem Vorentwurf von 1909 betont worden ist. Gegen den Vorentwurf ist mit Recht geltend gemacht worden, daß der Verkehr zwischen Frauen überhaupt ein ganz anderer ist, als der unter M ännern. Damals wurde die Befürchtung ausgesprochen, daß enge Freundschaftsverhältnisse vor das Forum der Öffentlichkeit gezogen werden würden, die vielleicht gar keinen Anlaß dazu geben. Zärtlichkeiten unter Männern sind an sich etwas Ver­ dächtiges. Wenn derartiges vorkommt, müssen die Betreffenden es auf sich nehmen, daß sich daraus ein gerichtliches Verfahren entwickelt. Dasselbe aber auf Frauen zu übertragen, würde die Gefahr ungerecht­ fertigter Behelligung gänzlich Unschuldiger entstehen lassen und unerfreuliche Perspektiven eröffnen. Es ist deshalb m. E. keineswegs wünschenswert, in diesen Dingen die Gerichte in Bewegung zu setzen. Es ent­ spricht m. E. den Lebensbedürfnissen mehr, wenn man es bei den Vorschlägen des Herrn Grafen Gleispach, also bei der Nichterwähnung dieser Fälle im Gesetz beläßt. Ministerialdirektor Schäfer: Zur Bestrafung der lesbischen Liebe darf ich erwähnen, daß w ir seinerzeit die Spezialdezernenten des Berliner Polizeipräsidiums zu einer Besprechung gebeten haben. Sie haben uns gesagt, daß sie eine Strafbestimmung in dieser Richtung nicht für nötig hielten. Die Fälle feien viel weniger häufig; die

vorkommenden Fälle entzögen sich ferner auch viel mehr der Beobachtung. Die Bestrafung der lesbischen Liebe würde auch Rückwirkungen aus § 296 zur Folge haben. Ich möchte ferner abraten, das Merkmal der Gewohnheitsmäßigkeit in den § 297 Zifs. 3 auf­ zunehmen. Die Gewohnheitsmäßigkeit paßt schon deswegen schlecht als Qualifikationsmoment, weil wir es bei den Perversen in aller Regel mit einer Anlage, mit einem Hang zu tun haben. W ir würden ferner bei Ausnahme dieses Merkmales auch zur Bestrafung der sog. Kadettensachen bei Jugendlichen kommen. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Zur lesbischen Liebe brauche ich nicht viel zu sagen, weil schon Herr Ministerialdirektor Schäfer die Gründe dargelegt hat, die gegen eine Bestrafung sprechen. Der Zweck des § 296 ist doch nur der Schutz der Zeugungssähigkeit. Die Frau ist — anders als der M ann — stets geschlechtsbereit. Ich möchte noch einmal für die Aufnahme des Merkmals der Gewohnheitsmäßigkeit in den § 297 Zifs. 3 sprechen. Es gibt drei große Kreise von Homosexuellen: Die Jugendlichen untereinander, die sogenannten gewerbsmäßigen Strichjungen und dann eine Klaffe, die ganz besonders gefährlich ist: die Abkömmlinge hochgestellter degenerierter Familien oder ältere Männer, denen der richtige Verkehr nicht mehr behagt. .Gerade diese letztere Gruppe verführt erst die Jungen — meist gewohnheitsmäßig — zu diesem Treiben. W ir müffen daher die Gewohnheits­ mäßigkeit hier hineinbringen. Es handelt durchaus nicht jeder Homosexuelle gewohnheitsmäßig. Wer aber — gerade in der oben beschriebenen Weise — Gewohnheitstäter ist, muß härter bestraft werden können. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Fall des Lebegreises, der aus Übersättigung den normalen Geschlechtsverkehr nicht mehr will, würde schon unter § 297 Zifs. 2 fallen. Wenn wir außer der Gewerbsmäßigkeit noch die Gewohnheits­ mäßigkeit in den § 297 hineinnehmen, so bliebe für § 296 fast überhauvt kein Anwendungsgebiet mehr. Ich halte es nicht für zweckmäßig, auch die gewohn­ heitsmäßige Begehung in den § 297 hineinzunehmen. Professor Dr. Nagler: Ich möchte mich nur kurz zu der Frage der Aus­ nahme des Merkmals der Gewohnheitsmäßigkeit in den Tatbestand des § 297 äußern. Ich habe in der Schweiz als Gutachter in großen HomosexuellenProzeffen umfangreiche Beobachtungen hinsichtlich des in Betracht kommenden kleinen, aber sehr gefährlichen Personenkreises machen können. Ein paar reiche Homosexuelle, die z. B. die Casinos oder Bälle finan­ zierten, lockten andere, z. B. Kaufleute zwischen 30 und 40 Jahren, an. Allerdings dürfte die Gewohnheitsmäßigkeit sich nur auf Volljährige erstrecken. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Wenn die Herren meinen, daß für die Bestrafung dieser Fälle ein starkes Bedürfnis besteht, könnte man

sie nicht anders als durch die Aufnahme des Merk­ mals der Gewerbsmäßigkeit ersassen. Ministerialdirektor Schäfer: Auch diese Frage ist mit den Spezialdezementen des Berliner Polizeipräsidiums erörtert worden. Sie haben die Regelung des Entwurfs für genügend ge­ halten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir können dem Unterausschuß den Auftrag geben, das Merkmal der Gewohnheitsmäßigkeit in den § 297 mit hineinzunehmen. Dann sind aller­ dings auch die Fälle eingeschlossen, die in Knaben­ seminaren und Erziehungsanstalten spielen. W ir müssen dann aber das Schutzalter wieder anders be­ stimmen; das scheint mir die Sache unnötig zu kom­ plizieren. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Die besonders gefährlichen Kreise müssen wir aber treffen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Da bin ich der Meinung, daß diese Kreise durch die Kuppeleibestimmungen getroffen werden müssen. Professor Dr. Gras Gleispach: Ich möchte den Vorschlag des Herrn Ministers Thierack unterstützen. E r entspricht meinem primären Vorschlag, daß überhaupt nicht nur die Vornahme beischlassähnlicher Handlungen unter Strafe gestellt werden sollte. Wenn man einwendet, daß diese Fälle durch die Kuppelei ergriffen würden, so glaube ich das nicht. Diese Leute sind nicht Kuppler, sondern sie betätigen sich vor allem selbst in dieser Weise. Wenn man sagt, daß dadurch die Vorgänge in Kadettenhäusern erfaßt würden, so läßt sich dies durch die Formulierung vermeiden: „Ein Mann, der ge­ werbsmäßig, oder ein Volljähriger, der gewohnheits­ mäßig Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as wäre nach meiner Meinung die Folge, die zu ziehen wäre; ein Widerspruch dagegen erhebt sich nicht. W ir kämen nunmehr zum 4. Abschnitt, der eigent­ lich etwas sehr anderes betrifft, nämlich zu den Ver­ letzungen der öffentlichen. Sittlichkeit. Berichterstatter Professor Dr. Gras Gleispach: E s handelt sich hier um den § 298 ResEntw., weiter um die Vorschläge in den §§ 3 0 0 1, 301, 302, 303 RefEntw. Der Gesichtspunkt ist hier' der des Schutzes der öffentlichen Sittlichkeit, über den sich sehr viel sagen ließe, namentlich über die viel erörterte Frage, wie man einen kräftigen Schutz der Öffentlichkeit schaffen kann, ohne die Freiheit der künstlerischen Betätigung unangemessen einzu­ schränken. Ich kann mich aber kurz fassen, weil es der nationalsozialistischen Regierung gelungen ist, unser öffentliches Leben von derartiger Literatur fast restlos zu säubern, und dies der Beweis dafür ist, daß weitgehende Änderungen des geltenden Rechts nicht notwendig sind.

§ 298 ist mit § 183 des geltenden Rechts zu ver­ gleichen. Hier ergeben sich Änderungen insofern, als das geltende Recht verlangt, daß ein Ärgernis ge­ geben wird. Die von dem Entwurf vorgesehene Regelung erscheint mir demgegenüber sehr glücklich. Ich schließe mich seinem Vorschlage an, daß eine Handlung gesetzt werden muß, die geeignet ist, Ärger­ nis zu erregen. D as Erfordernis, daß die Hand­ lung öffentlich vorgenommen werden muß, bedeutet nicht die öffentliche Wahrnehmung, sondern die öffentliche Wahrnehmbarkeit. Subjektiv ist nach der neuen Gestaltung nur der Gefährdungsvorsatz er­ forderlich; der T äter muß wißen, daß ein Ärgernis entstehen kann, und zwar — wie ich den § 298 auf­ säße — sowohl durch die Q ualität der Handlung als durch die Umstände, unter denen er sie vornimmt. Ich glaube, daß der § 298 Zustimmung verdient. § 300 behandelt die eigentliche Pornographie. E r unterscheidet sich von dem geltenden Recht eigent­ lich nur in der Beziehung, daß auch das Sichverschasfen in die Strafdrohung eingezogen wird. Ich glaube, daß diese Ausdehnung gebilligt werden kann. Ich glaube nicht, daß es erforderlich ist, hier viel zu sagen, weil die administrativen Befugnisse so weit gehen, daß die Unterdrückung dieser Literatur durch­ geführt werden kann. M an kann die Frage auswerfen, wie sich der Ent­ wurf zu dem Schund- und Schmutzgesetz verhält. M . E. wäre das Gesetz unverändert aufrecht­ zuerhalten. Es ist nicht zu empfehlen, das Gesetz in den Entwurf zu übernehmen. Die Vorschrift über die Sachen zu unzüchtigem Gebrauch (§ 301) entspricht im wesentlichen dem geltenden Recht. Ich glaube, daß diese Vorschrift unverändert zu übernehmen ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ick habe die Empfindung, daß der § 302 voraus­ sichtlich im S tG B , überhaupt nicht enthalten sein wird. Daher wird zweckmäßig so verfahren, daß Sie, Herr Gras Gleispach, noch zu § 303 Ih re Meinung sagen. Berichterstatter Professor Dr. Graf Gleispach: § 303 ist auch dem geltenden Recht nachgebildet. M an kann sagen, daß das Merkmal „bestimmt sein muß" die Anwendung sehr erschwert. Ich glaube aber, daß es weniger auf die Strafbestimmung als auf Einwirkungsmöglichkeiten aus die Zeitungs­ leitungen ankommt. Ich kann keine andere Fassung dieses Paragraphen vorschlagen. Ich kann vielleicht anführen, daß mir in Hamburger Zeitungen vor einigen Wochen solche Inserate aufgefallen sind. Mit M itteln des Strafrechts ist aber m. E. nicht mehr zu erreichen, als der § 303 ermöglicht. MitberichterstatterLandgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich finde die Änderung in § 298 gegenüber dem geltenden Recht für sehr glücklich. E s soll nunmehr genügen, daß das fragliche Verhalten unter den ge­ gebenen Umständen geeignet ist, Ärgernis zu erregen, während nach geltendem Recht tatsächlich jemand Ärgernis genommen haben muß, was z. B. schwer oder gar nicht feststellbar war, wenn nur Kinder die Handlung wahrgenommen hatten.

Hinsichtlich des § 300 Abs. 1 schließe ich mich den Ausführungen des Herrn Professor Gleispach an. Ich möchte nur anheimgeben, ob nicht eine Erweiterung der einzelnen Täterhandlungen nötig ist. E s sind vielfach Mittelsleute beim Vertrieb unzüchtiger Schriften eingeschaltet, denen man strafrechtlich nur schwer beikommen kann. Ich würde vorschlagen, zum Verbreiten noch hinzuzufügen: „Oder die Verbreitung vermittelt". — Weiter mache ich denselben Vorschlag wie schon zu Abs. 2 dieses Paragraphen, daß auch das bloße Zugänglichmachen unter Strafe gestellt werde. Zu § 301 habe ich nichts hinzuzufügen. Hinsichtlich des § 303 ist schon betont worden, daß die Beweissrage sehr schwer sein wird. Dem kann ich auch nur beistimmen. Vielleicht kann man formu­ lieren: Unzüchtigen Verkehr „zu begünstigen" statt „herbeizuführen". D as gibt vielleicht eine größere Anwendungsmöglichkeit und erleichtert die Beweisfrage. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte den Kollegen Schäfer bitten, über den In h a lt der Kabinettsvorlage zu referieren. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer berichtet kurz über den betn Kabinett vorliegenden Entwurf eines Gesetzes gegen Mißbräuche im Gesundheitswesen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn wir aus die einzelnen Punkte eingehen wollen, so handelt es sich zunächst um den § 298. Dieser Paragraph hat die Billigung der beiden Be­ richterstatter gesunden; da andere Meinungen nicht geäußert worden sind, können wir diesen Paragraphen in der Fassung des Entwurfs übernehmen. Hinsichtlich des § 3 0 0 1 ResEntw. ist nachzuprüfen, ob w ir diese Bestimmung nicht sprachlich etwas ver­ einfachen können. Ministerialdirektor Schäfer: Hier liegen internationale Abmachungen vor, die zu beachten sind. Es handelt sich um eine Abmachung vom 12. 9. 1923, die von uns im Jah re 1925 ratifi­ ziert worden ist. Vizepräsident Grau: M an könnte vielleicht daran denken, die §§ 3 0 0 1 und 301 zusammenzufassen. Ministerialdirektor Schäfer: I n § 301 werden aber andere Sachen getroffen als in § 300. Reichsjustizminister D r. Gürtner: § 302 ist hier nicht weiter zu erörtern. I n § 303 wäre eine Anmerkung zu dem Wort „bestimmt" zu machen. E s gibt sicher viele Inserate, deren Zweck die Zeitung nicht erkennt; das kann man im S tG B , nicht zum Ausdruck bringen. Bei Verwendung des Ausdrucks „begünstigen" käme eine Reihe von gesell­ schaftlichen Veranstaltungen in den Bereich der S tra f­ barkeit. Ich glaube „herbeiführen" ist richtiger. W ir haben dann noch die Schlußbestimmung des § 303a. Diese Bestimmung befindet sich nur deswegen im Gesetz, um der Volljährigkeitserklärung einer Wirkung auf dieses Gebiet des Strafrechtes zu be­ rauben.

Professor Dr. Graf Gleispach: Ich habe noch einige kleine Punkte zu erwähnen. Wie steht es mit den Anschaffungen für wiffenschastliche Zwecke? E s ist die Frage, ob wir einen Einschub machen sollen „außer zu wissenschaftlichen Zwecken". Vielleicht könnte man aber auch sagen, daß in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit fehlt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Diese Ansicht ist nt. E. zutreffend, denn sonst käme ein großer Teil der Juristen und Theologen mit dem Strafgesetz in Konflikt. Professor Dr. Gras Gleispach: Ich halte es weiter für richtig, daß der ResEntw. die spezifischen Prostituiertendelikte nicht in diesen Abschnitt aufgenommen hat; sie bleiben besser in der Sphäre der Übertretungen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Auf keinen Fall würde ich das hier hineinnehmen. Professor Dr. Graf Gleispach: Dann möchte ich noch darauf aufmerksam machen, daß nach neuen Nachrichten zwei Formen des An­ griffs aus die Sittlichkeit vorkommen sollen, das Briefeschreiben und der Mißbrauch des Telephons. E s ist aber kaum möglich, diese Fälle tatbestandlich zu fassen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich meine, daß dies keiner tatbestandlichen Rege­ lung bedarf. Wir kämen nunmehr zu dem Abschnitt, der schon ein wenig in das Gebiet der Kuppelei und Zuhälterei hineinspielt. Der UK. war der Auftrag erteilt worden, Entführung, Frauenhandel und Bruch der Muntschast aufeinander abzustimmen. Professor Dr. Graf Gleispach: Es ist die Aufgabe der UK. gewesen, die Tatbe­ stände der Entführung (§ 276), Bruch der Muntschaft (§ 313) und Mädchenhandel (§ 308) gegenseitig auf­ einander abzustimmen. D as einmütige Ergebnis unserer Beratungen ist, daß der § 313 unverändert bestehen bleibt. Eine Konkurrenz sei hier durchaus richtig, weil bei der Entführung und beim Frauen­ handel andere Gesichtspunkte entscheidend sind. Als besonders schwerer F all wäre beispielsweise nur der eigennützige Zweck hervorzuheben. W as den § 276 im Verhältnis zum Mädchen­ handel angeht, so scheidet § 2 7 6 1 für diese Frage aus mit) bleibt unverändert; er tritt mit Kuppelei und Mädchenhandel überhaupt nicht in Konkurrenz. Es bleibt zu erörtern die Entführung zum Zwecke der Unzucht einerseits und schwere Fälle des Mädchen­ handels andererseits. Hier bin ich der Meinung, daß eine gewisse Überschneidung dadurch eintritt, daß wir den zweiten F all der Entführung in den letzten Be­ ratungen dahin gefaßt haben, daß eine Entführung auch dann vorliegt, wenn der Entführer die entführte F rau irgend jemandem, der an der Entführung gar nicht beteiligt ist, zur Unzucht überliefern will. D as allerdings nicht ganz einstimmige Ergebnis geht da­ hin, diesen zweiten F all der Entführung dahin einzu­

schränken, daß jemand eine F rau entführt, um mit ihr Unzucht zu treiben, und daß alle anderen Fälle der Kuppelei oder dem Mädchenhandel zu überlassen sind. D as ergibt für den Mädchenhandel den Tatbestand, wie er in meinen Vorschlägen niedergelegt ist. Die Frage, wie der Frauenhandel zu gestalten sei, ist noch offen. Der ResEntw. befriedigt hier nicht recht. E r sieht im Frauenhandel das gewerbsmäßige Unter­ nehmen, eine F rau der Unzucht mit unbestimmten Personen zuzuführen. W ir waren der Meinung, daß „unbestimmte Personen" nicht das Charakteristische sei, sondern daß es aus die Charakterisierung der Tätigkeit ankommt: das Anwerben und Verschleppen. Dazu kommt das Entführen, um die F ra u der Un­ zucht zuzuführen. Entführer im technischen Sinne ist nur der, der zu eigenen Gunsten tätig wird; jeder andere, der entführt, um die F rau der Unzucht zuzu­ führen, kann nur Kuppler oder Frauenhändler sein. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Nach den Vorschlägen der UK. bleibt also der Bruch der Muntschaft unverändert. Bei der Ent­ führung ist das Wesentliche die Hervorhebung des Gesichtspunkts, daß die Entführung nur zu eigenen Zwecken begangen werden kann. F ü r die Entführung sind bestimmte M ittel vorgesehen und akzeptiert worden. Der Zweck soll sein: Ehe mit irgend jemand, Unzucht mit dem Entführer. Beim Frauenhandel werden .die Zeitwörter be­ anstandet. Professor Dr. Graf Gleispach: Der wesentliche Unterschied zwischen § 307 meiner Vorschläge und § 308 ResEntw. besteht darin, daß der ResEntw. den Frauenhandel ohne Rücksicht aus das Objekt dann annimmt, wenn der T äter gewerbsmäßig handelt. Der Nachweis der Gewerbsmäßigkeit ist oft sehr schwer. Darum schlage ich vor, daß das An­ werben, Verschleppen oder Verführen einer Person unter 18 Jahren, um sie der Unzucht zuzuführen, allein die Strafbarkeit begründen soll. Wenn es sich um Frauen über 18 Jahre handelt, sollte Gewerbsmäßigkeit erforderlich sein. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Der Vorschlag des Herrn Professor G raf Gleis­ pach würde den Frauenhandel in zwei Gruppen teilen. Die erste könnte man als Kinderhandel bezeichnen; sie umfaßt Knaben und Mädchen. Der Tatbestand wird allein durch die Tätigkeit des Anwerbens, Verschleppens oder Entführens, um jemand der Unzucht zuzuführen, erfüllt. Den Rest könnte man dann Frauenhandel nennen. Dafür kämen nur Personen weiblichen Geschlechts über 18 Jah re in Betracht. Professor Dr. Mezger: Wenn ich den gegnerischen Standpunkt in der UK. kurz erwähnen darf, so ging dieser dahin: Daß bei dem Begriff des Frauenhandels das „Gewerbs­ mäßige" nicht entbehrt werden kann. D araus ergäbe sich freilich nur die Konsequenz, die Fälle des Abs. 2 des § 307 des Gleispachschen Vorschlages in einem gesonderten Paragraphen hervorzuheben.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es handelt sich also lediglich um die Frage des Ausbaues; über den Umsang der Strafbarkeit unb über die Höhe der Strafe besteht Einigkeit. Ministerialdirektor Dr. Dürr: Nach dem Standpunkt des Herrn Professor Mezger müßte man nicht nur den Abs. 1 heraus­ nehmen, sondern auch den Abs. 2 zerreißen; es bliebe nur die erste Alternative des Abs. 2 übrig. Professor D r. Mezger: Frauenhandel § 308 RefEntw. und § 276 Abs. 2 ResEntw. wären zu trennen, aber beide kämen auch nach meiner Auffassung in den 22. Abschnitt. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich schließe mich den Ausführungen des Herrn Professor Graf Gleispach an. Ich möchte mir nur den Hinweis erlauben, daß durch die Vorschläge des Herrn Grasen Gleispach der § 48 des Auswande­ rungsgesetzes von 1897 hinfällig wird. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dann darf ich folgendes feststellen: Die Formulierung des Muntbruchs bleibt unver­ ändert. Bei der Formulierung der Entführung sollen die M ittel angegeben werden. Der Zweck ist entweder Ehe oder Unzucht; Ehe mit dem Entführer oder einem anderen, Unzucht nur mit dem Entführer. Bei Frauenhandel scheinen mir die Meinungen sachlich wenig auseinanderzugehen. Die Vorschläge würden darauf hinausgehen, den Tatbestand in zwei Paragraphen aufzulösen. Herr Professor Mezger wehrt sich dagegen, neben die Gewerbsmäßigkeit zu setzen „mittels gefährlicher Drohung oder Hinterlist". Ich halte diese Bedenken nicht für gerechtfertigt. Die Formulierung „ins ferne Ausland" könnte falsche Vorstellungen erwecken. Ich würde sagen: „ins Ausland". Ministerialdirektor Schäfer: Ich hätte noch eine Frage zu dem Frauenraub. Der Tatbestand des Abs. 2 ist auf den Fall einge­ schränkt, daß der Entführer selbst das Mädchen miß­ brauchen lassen will. Wie steht es in bezug auf M ittäter und Gehilfen? Ministerialdirektor Dr. Dürr: Wenn Unzucht mit einem Mitwirkenden beabsich­ tigt ist, so ist dieser M ittäter. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wie ist der Fall zu entscheiden, wenn der Zweck nicht die eigene Eheschließung ist? Professor D r. Mezger: Es würde dann nicht § 276 vorliegen, sondern § 307 der Gleispachschen Vorschläge. Doch widerstrebt es mir, den Chauffeur einen „MLdchenhändler" zu nennen. Der Chauffeur ist einer, der fremde Unzucht begünstigt und gehört in einen dem § 307 folgenden § 308; ich möchte ihn nicht als „Mädchenhändler" bezeichnen.

Ministerialdirektor Dr. Dürr: Wenn jemand mit Hilfe eines Chauffeurs ein Mädchen zu dem Zweck entführt, es zur Unzucht zu mißbrauchen, und der Chauffeur keine Kenntnis von dem Zweck hat, so ist der Chauffeur nicht strafbar. Hat er Kenntnis, so fördert er nicht fremde Unzucht, sondern er ist Gehilfe zu § 2 7 6 II. Will der Ent­ führer das Mädchen dazu bringen, daß es mit dem Chauffeur Unzucht treibt, so beabsichtigt der Ent­ führer die Förderung fremder Unzucht; das ist ein Fall des § 307. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Ich möchte Herrn Professor Mezger zustimmen. Es handelt sich doch um folgenden F all: Jem and ent­ führt mit Hilfe eines Chauffeurs ein Mädchen, um es zu eigener Unzucht zu gebrauchen. M an könnte sagen, es handele sich um eine Mitwirkung zu § 276 H . D as ist aber wohl deswegen ausgeschlossen, weil § 307 Gleispachscher Formulierung die Mitwirkung zu § 2 7 6 II zu einem Sondertatbestand gestaltet. Der Mitwirkende zu § 2 7 6 II ist immer T äter des § 307; eine Mitwirkung zu § 2 7 6 II gibt es danach nicht. Ministerialdirektor Dr. Dürr: D as ist meine Auffassung nicht; ich würde M it­ wirkung in der Eigenschaft als Gehilfe zu § 276 H annehmen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Entscheidung dieser Frage können wir der Praxis überlassen; der Mitwirkende wird in irgend­ einer Weise strafrechtlich erfaßt. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Die Konstruktion einer Mitwirkung zu § 2 7 6 II ist schließlich denkbar. D as Bedenken Professor Mezgers geht nur dahin, jemanden, der zu einer nach § 276 II strafbaren T at mitwirkt, als „Frauenhändler" zu bezeichnen. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich glaube, die Verschiedenheit der Auffassung entsteht dadurch, daß wir uns über die Konsequenzen, die aus dem extensiven Täterbegrisf zu ziehen sind, noch nicht einig sind. Ich würde den § 307 so auf­ fassen, daß er insoweit subsidiär ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Uber die Fassungen, die wir für die drei T at­ bestände haben wollen, besteht Einigkeit. (Pause von 13 Uhr 30 Minuten bis 17 Uhr 10 Minuten.) Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wir kommen jetzt zur Kuppelei; ich bitte den Berichterstatter, Herrn Professor Graf Gleispach, das W ort zu ergreifen. Berichterstatter Professor Dr. G raf Gleispach: Der Tatbestand der Kuppelei ist enthalten in den §§ 304 ff. des RefEntw., 180, 181 des geltenden Rechts, und zwar entspricht die Fassung des ResEntw. fast der des geltenden Rechts. Der einzige Unter­ schied ist der, daß das geltende Recht auch das Moment

der Gewohnheitsmäßigkeit der Handlung aufge­ nommen hat. D as Problem besteht hier in der Frage, ob schlechthin jede kupplerische Tätigkeit strafrechtlich er­ saßt werden soll. Die Frage wird wohl allgemein verneint, so daß ich mir weitere Ausführungen dazu versagen kann. E s ist die Frage, welche Kriterien in den Kuppeleiparagraphen aufzunehmen find. M an kann kurz sagen: Die gefährliche, d. h. die die Sittlichkeit gefährdende Kuppelei soll getroffen werden, und das ist die, die aus Eigennutz begangen wird. Die Fassung „Wer aus Eigennutz Kuppelei be­ geht", ist weiter als die Fassung ,M er gewohnheits­ mäßig Kuppelei begeht". I m einzelnen hätte ich zu den Vorschlägen des ResEntw. zu sagen: Zu § 305: Abs. 2 ist m. E. als überflüssig zu streichen. Bordell halten ist Kuppelei, also nach den §§ 304 und 305 Abs.1 ohnehin strafbar. Überdies ergeben sich Schwierigkeiten, wenn einmal Bordelle polizeilich zugelassen werden sollten. Die Einschränkung der Strafvorschrift durch Abs. 3 muß meiner Ansicht nach auch für stunden­ weises Vermieten von Zimmern gelten, deshalb wird neben dem Begriff „Wohnung" auch der Begriff „Unterkunft" ausgenommen werden müssen. § 306 des ResEntw. behandelt die besonders schweren Fälle der Kuppelei. Zu den Ziffern 1— 4 des § 306 hätte ich nichts zu bemerken. Eine allge­ meinere Fassung könnte hier an die Stelle der langen Aufzählungen treten, etwa „Abkömmling", dem Ab­ kömmling gleichgestellte Personen, oder eine Person, die dem T ater zur Erziehung oder Betreuung in reli­ giöser oder sittlicher Beziehung anvertraut ist. Eine zusammenfassende Formulierung, wie wir sie in der Aussprache zu § 292 gefunden haben, wäre auch hier am Platze. I n Ziffer 5 sind neben der List auch Gewalt und Drohung anzuführen. Zu erwägen ist, ob nicht auch Kuppelei mit Ausnützung eines Abhängigkeitsverhält­ nisses durch einen Amtsträger usw. aufzunehmen wären. Ersteres ist naheliegend. Ich schlage vor, den Ziffern 1— 5 folgende Ziffer 6 hinzuzufügen: „Wer eine Person der gewerbsmäßigen Unzucht zuführt oder sie bei der gewerbsmäßigen Unzucht zurückhält". Das ist ein besonders gefährlicher und schädlicher Fall, der sich nicht mit Frauenhandel deckt. Eigennutz wird meist gegeben sein, ist aber nicht immer nachweisbar. Die im letzten Absatz des § 306 gemachte Aus­ nahme für die Kuppelei an Verlobten will der R efEntw. nur für den F all des Beischlafs gelten lassen; das würde bedeuten, daß die Duldung des m inus strafbar wäre. Ferner ist hier die Frage, ob nicht eine Ausdehnung auf Personen, die mit den Verlobten nicht in einem Verhältnis der im Abs. 1 Ziff. 2 be­ zeichneten Art stehen, erforderlich ist. MitberichterstatterLandgerichtsdirektorDr.Lorenz: D er Abschnitt 22 des ResEntw. saßt drei Tatbe­ stände zusammen, denen gemeinsam ist, daß sie die Förderung fremder Unzucht unter Strafe stellen. Bei­ behaltung dieser Einteilung wird vorgeschlagen. E s

handelt sich auch hier um Delikte, die bei der E in ­ stellung des jetzigen S taates besonders scharfes V or­ gehen und schwere Ahndung erfordern. Straflosigkeit, wie früher von marxistischer Seite teilweise propagiert wurde, kann nicht in Frage kommen. Dem ResEntw. wird im allgemeinen zugestimmt. I m einzelnen ist zu seinen Vorschlägen folgendes zu sagen: § 304 enthält eine Bestimmung des Begriffs Kup­ pelei, die die knappere Fassung der folgenden P a ra ­ graphen ermöglicht. Diese Begriffsbestimmung deckt sich mit der im § 180 S tG B . Z ur besseren Klar­ stellung ist noch gesagt, daß es sich um Unzucht „zwischen anderen" handeln muß. Zu § 305: Nach geltendem Recht ist grundsätzlich nur die Kuppelei strafbar, die gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz begangen wird. Der ResEntw. will nur die aus Eigennutz begangene Kuppelei strafen. Gemäß der Denkschrift (S . 59) wird ebenfalls vorge­ schlagen, auch die nur gewohnheitsmäßige Kuppelei unter Strafe zu stellen. Es sind durchaus Fälle von nur gewohnheitsmäßiger Kuppelei denkbar, oder zum mindesten Fälle, in denen sich nur die Gewohnheits­ mäßigkeit feststellen läßt. Entsprechend den V or­ schlägen des Herrn Graf Gleispach und unter An­ schluß an die von ihm gegebene Begründung möchte ich mich auch dafür aussprechen, daß Abs. 2 des § 305 gestrichen wird, und daß in dem bisherigen Abs. 3 dem Gewähren von Wohnung auch das Gewähren von Unterkunft gleichgestellt wird, schon weil die Grenze zwischen Wohnung und bloßem Absteigen (Unterkunft) oft sehr flüssig sein kann. Abs. 2 würde wegzufallen haben, sobald behördlicherseits wieder Bordelle zugelassen werden sollten, wie das die Denk­ schrift als bald eintretend vermutet. Es darf aber bei dieser Gelegenheit aus die schwerwiegenden Bedenken verschiedener Art hingewiesen werden, die gegen eine staatliche Konzesstonierung von Bordellen bestehen. Weiter möchte ich noch vorschlagen, diese Aus­ nahmebestimmung des Abs. 3 nur für Personen über 21 Jahre gelten zu lassen. Hier sei z. B. darauf hin­ gewiesen, daß weibliche Personen unter 21 Jahren in Sachsen und wohl auch sonst im Reich in Gaststätten und Schankwirtschaften im allgemeinen nicht mit Be­ dienen von Gästen beschäftigt werden dürfen. Die Gründe, die für diese Regelung maßgebend waren, dürften hier noch viel mehr zutreffen. I n Abweichung von meinen schriftlichen Vorschlägen stelle ich jedoch nicht den Antrag, auch im § 306 Abs. 1 Nr. 1 das Schutzalter aus 21 Jahre zu erhöhen. Ich bin viel­ mehr der Ansicht, daß es bei dem im ResEntw. vor­ gesehenen Schutzalter von 18 Jahren bleiben kann. Zu § 306 (schwere Kuppelei): Hier sind einige besonders schwere Fälle genannt, in denen die Kup­ pelei als solche, also auch die nicht aus Eigennutz — und evtl, die nicht gewohnheitsmäßig — begangene mit Strafe bedroht wird, und zwar mit Zuchthaus­ strafe. Die Bestimmung entspricht dem § 181 S tG B ., nur ist der Kreis der Personen, die als T äter in B e­ tracht kommen, erweitert worden, und die oben er­ wähnte Nr. 1 ist neu. Den Eltern sind ausdrücklich die Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern gleichgesetzt worden, was bisher schon die Rechtsprechung tat.

Dagegen waren nach geltendem Recht Großeltern, die sich hinsichtlich eines Enkelkindes der Kuppelei schuldig machten, nicht nach der schwereren Strafdrohung zu belangen. Der Entw. nennt sie nunmehr auch beson­ ders mit. Pfleger und Schutzhelser sind auch neu aus­ genommen entsprechend dem § 292 des ResEntw. Die Einschränkung, die Abs. 2 hinsichtlich der Duldung des Beischlafs zwischen Verlobten vor­ schlägt, ist sehr umstritten. Die Fassung des ResEntw. würde wohl zunächst schon zu dem eigenartigen Ergebnis führen, daß die Duldung von Unzucht zwischen Verlobten — außer Beischlaf — unter den sonstigen Voraussetzungen des § 306 mit Zuchthaus strafbar wäre, während die Duldung des Beischlafs überhaupt nicht strafbar sein soll. Wenn Kuppelei hinsichtlich Verlobter strafbar bleibt — und das möchte geschehen im Hinblick aus die sittlichen Pflichten der Eltern usw. und auch mit Rücksicht auf deren Autorität — , dann sind die schweren Strafsolgen des § 306 ResEntw. allerdings nicht am Platze. Ich möchte vorschlagen als Abs. 2: „Die Strafe ist Gefängnis, wenn es sich um die Duldung der Unzucht zwischen Verlobten über 16 Jahren durch eine Person handelt, die zu einem der Verlobten in einem Verhältnis der im Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Art steht". Dabei darf aber die Schwierigkeit nicht verkannt werden — das gilt auch für die vom ResEntw. vor­ gesehene Fasiung — , die darin liegt, daß dem Be­ schuldigten evtl, das Nichtvorliegen eines Verlöb­ nisses bewiesen werden müßte, w as bei gewissen Be­ völkerungskreisen nicht einfach sein dürfte. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wegen der Definition der Kuppelei sind demnach keine Einwendungen erhoben worden. Professor Dr. Mezger: Der Begriff der Unzucht sollte hier gegenüber den allgemeinen Unzuchtsdelikten eingeschränkt werden. Professor Dr. Graf Gleispach: Hier ist daran gedacht worden, etwa zu sagen: „Als Unzucht gilt eine Handlung nicht, die nur den Anstand in geschlechtlicher Hinsicht leicht ver­ letzt". Ich würde glauben, daß hier der Vernunft der Recht­ sprechung mehr Vertrauen geschenkt werden sollte, daß sie im einzelnen Fall das Richtige trifft. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe eine große Scheu davor, hier am Begriff der Unzucht herumzuschnitzeln. D as ist ein so heißes Eisen, ich glaube, es kommt nichts Gescheites dabei heraus. Auch mit der Fassung, die Herr Professor Dr. G raf Gleispach erwähnt hat, ist hier nichts ge­ wonnen. Ich habe die Meinung, daß die untere Ab­ grenzung in der Praxis nur im einzelnen F all ge­ wonnen werden kann. Diese Frage kann nur der Richter lösen, nicht der Gesetzgeber. Ministerialdirektor Schäfer: D as Merkmal der Gewohnheitsmäßigkeit ist aus dem geltenden Recht bewußt nicht in den ResEntw. übernommen worden. Die Gewohnheitsmäßigkeit ist

in der Regel schwer nachweisbar. D as Bedürfnis, auch die gewohnheitsmäßige Kuppelei strafbar zu machen, ist sehr gering. Reichsjustizminister D r. Gürtner: W as den Abs. 2 des § 305 anlangt, so halte ich ebenfalls eine derartige Bestimmung für unnötig. Wenn die Unterhaltung eines Bordells oder eines bordellähnlichen Betriebs an sich schon Kuppelei ist, ist sie schon nach den allgemeinen Bestimmungen straf­ bar. Ob man das Bordell im Strafgesetzbuch er­ wähnen soll, hängt mit der Frage zusammen, ob man nicht in Schwierigkeiten gerät, wenn von seiten anderer Instanzen, etwa der Polizei, einmal die Konzessionierung eines derartigen Betriebes erwogen wird. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: I n Sachsen sind die Bordelle nie konzessioniert gewesen; bisweilen sind sie sogar verboten worden. Die Folge war, daß sich die Prostituierten der Straße zuwandten und ihr Gewerbe dort unkontrolliert aus­ übten, was wiederum eine erhebliche Zunahme der Geschlechtskrankheiten im Gefolge hatte. Ich halte es durchaus für möglich, daß in späterer Zeit erwogen wird, Bordelle polizeilich zu konzessionieren und habe Bedenken, wenn sie jetzt im Gesetz ausdrücklich ge­ nannt und unter Strafe gestellt würden. Denn der Bordellbetrieb ist auch ohne besondere Hervorhebung nach § 305 Abs. 1 Ref Entw. strafbar. Ministerialdirektor Schäser: Ich möchte darauf hinweisen, daß im geltenden Recht, und zwar im § 180 Abs. 2 S tG B , die Bordelle ausdrücklich für strafbar erklärt worden sind. Es ist wegen des Eindrucks in der Öffentlichkeit nicht un­ bedenklich, eine solche Bestimmung des geltenden Rechts zu streichen; das ermöglicht die Auslegung, daß Bordelle künftig erlaubt seien. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Wenn die Bestimmung beibehalten werden soll, dann würde ich sie aber nicht als selbständige S tra f­ norm fasten, sondern etwa wie im geltenden Recht sagen: Als Kuppelei gilt insbesondere die Unterhal­ tung eines Bordells oder eines bordellartigen B e­ triebes. Senatspräsident Professor Dr. Klee: W ir wissen nicht, in welchem Umfang Bordelle später einmal geduldet sein werden. Dann wäre es mißlich, wenn die Bestimmung wieder gestrichen werden müßte. Ich bin deshalb gegen Aufnahme einer Bestimmung über die Bordelle, die vom S tan d ­ punkt des ins Äuge gefaßten Rechtszustands selbst­ verständlich ist. Professor Dr. Kohlrausch: Ich verweise auf die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung. S ie wurde in das Gesetz ausgenommen im Jah re 1926, weil damals ein S treit darüber aus­ gebrochen war, ob die polizeiliche Konzessionierung der Bordelle die Rechtswidrigkeit eines solchen Be­ triebes ausschloß. Frank hält es für die zwar in der Literatur überwiegende, aber immerhin bestrittene Ansicht, daß durch die Aufnahme der Strafvorschrift

die Strafbarkeit der Bordelle erweitert worden ist. Ich habe deshalb Bedenken gegen ihre Streichung. Professor Dr. Gras Gleispach: Es ist die Frage: Soll man heute an dem S tan d ­ punkt festhalten, daß die Bordelle strafbar seien? Was wird wenn nun einmal eine Polizeibehörde ein Bordell konzessionieren will? Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich würde vorschlagen, jetzt einmal diesen Satz beizubehalten und es den anderen Ressorts zu über­ lasten, einen gegenteiligen Standpunkt zu vertreten. D as wird Sache der Polizei oder des Innenministe­ riums sein. W ir kämen dann zu Abs. 4 des § 305. Hier meine ich, es sei ein Fehler gemacht worden durch die Einschaltung des Wortes „Unterkunft". Ich würde das Wort „Wohnung" nicht ausweiten. Das eigent­ liche „Absteigequartier" einer Dirne ist meiner An­ sicht nach schon unter dem Gesichtspunkt der Kuppelei strafbar. Senatspräsident Profeffor Dr. Klee: Ich meine, es kann hier nicht scharf geschieden werden zwischen „Wohnung" und dem Absteigequar­ tier, das häufig, z. B. wenn es für längere Zeit gemietet ist, der Wohnung gleichkommt. Die Polizei nimmt in den Fällen der Vermietung eines Absteige­ quartiers meist stillschweigend keine strasbareKuppelei an, wenn sich der M ietspreis in angemessenen Gren­ zen hält. Ich glaube, daß man hier den großstädtischen Verhältnissen Rechnung tragen muß. Ich stimme also dem Vorschlag zu, auch die „Unterkunft" einzubeziehen. Professor D r. Graf Gleispach: Ich glaube, man kann doch nicht aus den Ge­ danken kommen, daß schon das Vermieten einer Wohnung an eine Person, von der man weiß, sie treibt Unzucht, eine Kuppelei ist. Deshalb muß hier auch die Unterkunft erwähnt werden, um die Prostituierte zu erfassen, die die Unzucht außerhalb ihrer Wohnung ausübt. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte dem entgegenhalten, daß es sogar wünschenswert erscheint, daß die Prostituierte die Ausübung ihres Gewerbes von ihrer Wohngegend weg, in ein anderes Viertel mit Hilfe eines dort benutzten Absteigequartiers verlegt. Einmal erleich­ tert das der Polizei die Ausübung der Kontrolle, ferner wird die Gegend, in der die Dirne wohnt, durch ihr Gewerbe nicht berührt. Ich sehe keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Gewährung solcher Absteigequartiere und der Gewährung einer Wohnung, in der die Dirne Unzucht treibt. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich sehe noch nicht klar: D as Gewähren einer Wohnung, von der ich weiß, daß dort Unzucht getrieben wird, ist doch etwas anderes als das Ge­ währen eines Raumes, in dem Unzucht getrieben wird. Vizepräsident Grau: Ich glaube, es sind zwei Fälle des Absteigequar­ tiers scharf zu scheiden: 1.: Ein Mädchen mietet

ein Zimmer, um den ganzen M onat dort abzusteigen. Ich wäre damit einverstanden, daß diese A rt straflos bliebe. 2. gibt es aber Absteigequartiere, etwa in einer Pension, die stundenweise und dauernd von anderen Dirnen benutzt werden. Diese zweite Art kann meiner Ansicht nach nicht straflos gestellt werden; denn das wäre eine ganz unmögliche F ö r­ derung der Unzucht. Professor Dr. Dahm: Gerade der Umstand, daß die Absteigequartiere sich auch heute noch halten, spricht für die S traf­ losigkeit. Solange es eine Prostitution gibt, gibt es auch Absteigequartiere. Das Strafrecht scheitert hier einfach am Leben. Professor Dr. Kohlrausch: Ich bin gegenteiliger Meinung. Die Prostitutionssrage ist gar nicht lösbar, ohne daß das Recht mit den Tatsachen in Widerspruch kommt. Hier gibt es nur die Lösung: entweder Sanktionierung der Bordelle, dann auch Duldung der Absteigequartiere; oder aber Beibehaltung der Strafbarkeit der Bordelle, dann müssen auch die Absteigequartiere in das Gesetz aufgenommen werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, ich würde der UK. den Auftrag geben, das Wort „Unterkunft" nicht aufzunehmen. Zu § 306 sind sachliche Änderungen nicht vor­ geschlagen worden, dagegen eine Ergänzung dahin: als Ziss. 6 soll eingefügt werden: Wer eine Person der gewerbsmäßigen Unzucht zuführt oder sie zur gewerbsmäßigen Unzucht anhält. I n § 306 kommt das Wort „Kind" vor, z. B. „an ihrem Kind . . . . Stiefkind . . . . Pflege­ kind". Ich möchte darauf hinweisen: D as ist hier nicht im Alterssinne gemeint, sondern im Verwandt­ schaftssinn. E s ist hier ferner eine Altersbegrenzung angeregt worden. E s wäre das zu übertragen auf alle Pflege­ befohlenen. Die Anregung scheint mir nicht unbeacht­ lich zu sein. Ministerialdirektor Schäfer: Die Schwierigkeit ist nicht einfach zu lösen. Die P raxis hat es gelegentlich auf das Hausrecht ab­ gestellt, nicht auf die Verwandtschaft. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Auch das muß hier festgestellt werden, daß die Volljährigkeitserklärung bei den Sexualdelikten selbst­ verständlich keine Bedeutung haben kann. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich habe noch vorgeschlagen, die Ziss. 5 des § 306 dahin zu erweitern, daß das Moment der Gewalt oder der gefährlichen Drohung neben den hinter­ listigen Kunstgriffen angeführt wird. D as Delikt braucht dann noch keine Notzucht zu sein. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich hätte materiell gar nichts zu erwidern, habe nur immer das Gefühl, wir sagen hier etwas zu viel. Ich glaube, die Kuppelei mittels Gewalt oder gefähr­ licher Drohung ist bereits durch andere Bestim-

mutigen erfaßt. Anders ist es mit den hinterlistigen Kunstgriffen. Dann zu Zisf. 6: „Wer eine Person der gewerbs­ mäßigen Unzucht zuführt oder sie zur gewerbsmäßigen Unzucht anhält" — ist da an den Fall gedacht, daß die betreffende Person aus dem Bordell nicht mehr her­ auskommt, weil sie z. B. zu sehr in Schulden steckt? Professor D r. Graf Gleispach: Ja. Reichsjustizminister Dr. (Büttner: Ich darf wohl feststellen, daß gegen die Aufnahme dieser Tatbestandsmerkmale keine Bedenken bestehen. Bei der Kuppelei an einem Verlobten muß ich noch einmal daraus aufmerksam machen, daß von dem RefEntw. nur der Beischlaf ersaßt wird. Sächsischer Justizminister Dr. Thietack: Hier handelt es sich meiner Ansicht nach nicht um eine Rechtsfrage. Es ist eine Frage der inneren Ein­ stellung der Persönlichkeit und der inneren Ein­ stellung der Bolksgemeinschast. I n Sachsen gab es z. B. eine ministerielle Verfügung, wonach die Staatsanw älte nicht einschreiten sollten, wenn der Vorfall in Kreisen spielte, in denen in der Geschlechts­ verbindung der Verlobten nichts Böses gesehen wird. I n der Begründung dazu war gesagt, daß der Bei­ schlaf zwischen Verlobten in großen Bevölkerungs­ kreisen üblich ist und nicht als Unzucht aufgefaßt wird. Ich möchte die Angelegenheit vom ethischen Stand­ punkt aus betrachten. Wenn wir so etwas in das Gesetz hineinschreiben, kann es Wirkungen haben, die wir nicht möchten. Ich empfehle, die Bestimmung zu streichen und die Entscheidung der Gnadeninstanz zu überlassen, wenn der Fall einmal praktisch wird. Staatsanwaltschaftsrat Ebert: Es ist bekannt, daß in Kreisen der Landbevölke­ rung vielfach Kuppelei zum Zwecke der Erhaltung der Familie stattfindet. Dies kann jedoch nicht allgemein zur Straflosigkeit der Kuppelei unter Verlobten führen. Denn der Begrisf der Verlobung ist zu ver­ schwommen. Die Worte „$8mut" und „Bräutigam" dienen häufig nur zur Verschleierung eines mehr oder weniger festen Verhältnisses. Außerdem wäre es auch vom ethischen Stand­ punkt aus nicht glücklich, im Strafgesetzbuch von Amts wegen zu erklären, daß die Kuppelei an Ver­ lobten straflos ist. M an würde das gerade in den Kreisen nicht verstehen, die das Verlöbnis als Vor­ stadium der Eheschließung ernst nehmen. Da es aber nicht angeht, im Namen des Volkes zu strafen, was nur der Erhaltung des Volkes dient, schlage ich vor, die Kuppelei ausdrücklich für den Einzelsall für straflos zu erklären, in dem die T at begangen wird, um den Erben zu sichern. Dies kann durch die Lage des Falles wohl stets nachgewiesen werden. I m übrigen muß für Kuppelei bei Ver­ lobten Strafmilderung zugelassen werden. Senatspräftdent Prosesior Dr. Klee: „Unzucht" ist ein relativer Begriff; ich bin da­ gegen, eine Bestimmung darüber in das Gesetz auf­ zunehmen. W ir müssen unterscheiden: Fälle, wo die

Volkssitte ein derartiges Gewähren der Gelegenheit zum Beischlaf sanktioniert, und die Fälle des groß­ städtischen Milieus. W ir haben es nicht nötig, die ersteren Fälle ausdrücklich im Gesetz zu erfassen, weil schon objektiv mit Rücksicht auf die Volksanschauung keine „Unzucht" vorliegt. Daß die anderen durch die gesunde Volkssitte nicht anerkannten Fälle vom Kuppeleitatbestand erfaßt werden, halte ich dagegen für geboten. Ich würde es nicht für richtig halten, hier mit dem Mangel des Unrechtsbewußtseins zu Helsen, den wir doch sicher im großstädtischen Milieu nicht respek­ tieren würden. Ich stelle den Antrag, den Abs. 2 des § 306 ResEntw. zu streichen. Professor Dr. Dahm: Ich möchte mich den Herren anschließen, die Be­ denken gegen die Ausnahme des § 306 Abs. 2 haben. Es kommt hier alles auf die Auslegung des Begriffes „Unzucht" an. I n gewissen Fällen wird gar keine „Unzucht" vorliegen. Zur Strafdrohung: Ich habe Bedenken dagegen, daß alle Fälle des § 306 Zisf. 2 mit Zuchthaus be­ droht werden. Ich denke gerade an die Kuppelei, die durch Unterlassung begangen wird, und an die Rechtsprechung, die sich dazu entwickelt hat. Ich halte diese Rechtsprechung — im Ergebnis, nicht in der Be­ gründung — für richtig. Wenn das aber der Fall ist, dann fallen auch Vorgänge unter diesen Tatbestand, die verhältnismäßig harmlos liegen und keinesfalls immer mit Zuchthaus bestraft werden dürfen. Reichsjustizminister Dr. (Büttner: E s liegen also zwei Vorschläge vor: 1. Auf der einen Seite: M an sollte eine Bestimmung zugunsten der Verlobten aufnehmen. 2. Auf der anderen Seite werden Bedenken dagegen erhoben. Ich glaube, daß dies die überwiegende Meinung ist. Ein Ausweg wäre vielleicht der, daß man sagte: I n den Fällen der Zisf. 2 kann die S trafe gemildert werden, wenn es sich um die Kuppelei an Verlobten handelt. Oberstaatsanwalt D r. Reimet: Ich bin ebenfalls gegen die Ausnahme einer Be­ stimmung, wie sie § 306 Abs. 2 vorsieht, da deren In h a lt meiner Auffassung nach der Volksanschauung widerspricht. I m Übrigen bereitet die Frage, ob es sich um ein bloßes Verhältnis handelt, oder ob ein Verlöbnis im Rechtssinne vorliegt, häufig Schwierig­ keiten, da die Auffassung hierüber gerade bei den ein­ facheren Schichten der Bevölkerung meist keine klare Grenzziehung ermöglicht. Eine ähnliche ministerielle Anweisung an die Staatsanwaltschaften, wie sie nach den Ausführungen des Herrn Ministers Thierack in Sachsen ergangen ist, existiert auch in Preußen, sodaß de facto wegen der in Frage kommenden Fälle schon heute ausnahmslos von einem Einschreiten seitens der Staatsanwaltschaft Abstand genommen wird. Was den Strafrahm en des § 306 anbelangt, so muß dieser eine Erweiterung nach unten erfahren. Es erscheint mir vollkommen unmöglich, für derartige Delikte eine Mindeststrase von einem Jahre Zucht­ haus festzusetzen.

Professor D r. Mezger: Ich möchte in diesem Zusammenhang vor einem zu weitgehenden Optimismus warnen, die Recht­ sprechung werde schon den richtigen Weg gehen; ich glaube nicht, daß sich das Revisionsgericht auf eine bestimmte einschränkende Auslegung festlegen wird. Die bisherige Rechtsprechung ist bei der Umgrenzung der schweren Kuppelei vielfach sehr formalistisch ver­ fahren und hat wenig Verständnis für wahre und volksnahe Bewertung gezeigt. Ich möchte deshalb vor­ schlagen, doch an irgendeiner Stelle einen Hinweis vorzusehen, dahingehend, daß in allen Fällen die Auf­ fassung der beteiligten Volkskreise, wo ihr ein gesunder Gedanke zugrunde liegt, mit zu berücksichtigen ist. Es muß eine weitgehende Ausweichmöglichkeit geschaffen werden, damit hier wirklich der Gesichtspunkt mate­ rieller Gerechtigkeit durchdringt. Gegen Beibehaltung des Abs. 2 in der gegenwärtigen Form mögen viel­ leicht Bedenken bestehen; aber die bisherige rein formale Praxis (E. 8. 172, Gleichstellung der Unter­ lassungsdelikte u. ähnl.) darf nicht sanktioniert werden. Auch ich wäre für eine Erweiterung des S tra f­ rahmens nach unten. Professor Dr. Kohlrausch: Auch ich bin gegen die besondere Hervorhebung der Kuppelei an Verlobten und möchte noch auf einen Grund hinweisen: I n ländlichen Kreisen wird der Geschlechtsverkehr zwischen Verlobten häufig deshalb geduldet, um zu sehen, ob die Beteiligten Kinder be­ kommen. Also ist bis zu dem Moment, wo das fest­ steht, das, was das Recht unter einem Verlöbnis versteht, nämlich ein ernstliches Eheversprechen, noch gar nicht gegeben. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich darf abschließend feststellen: § 306 des Ref.Entw. bleibt vorbehaltlich einer Faffungsbeflerung mit der Maßgabe unverändert, daß er eine Ziffer 6 nach dem Vorschlag von Herrn Profeffor Dr. Graf Gleispach bekommt. W ir sollten davon abkommen, die Verlobten be­ sonders zu nennen. M an könnte eine leichtere Be­ strafung für diese Fälle dadurch ermöglichen, daß in den Ziffern 1 und 2 des Abs. 1 für leichtere Fälle die Gefängnisstrafe vorgesehen wird. Damit hätten wir dieses Kapitel erledigt und kämen nunmehr zu der Zuhälterei.

ist jede Annahme eines Bermögensvorteils, aus den man keinen Anspruch hat. D as geht etwas zu weit. I m F all 2 ist neu, daß der Entw. alternativ Fälle — „Eigennutz" neben „Gewohnheit" — vorsieht. Bei der Strafdrohung ist das geltende Recht schlechthin übernommen. Es wäre die Frage, ob in jedem Fall die Zuchthausstrafe angebracht ist. Ich möchte das für richtig halten. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Die Zuhälterei (§ 309 ResEntw.) ist ein Delikt, bei dem jede Milde unangebracht ist, bei dem vielmehr durch schwere Strafen und Strafdrohungen abge­ schreckt werden muß. Dem trägt das geltende Recht seit 1. 1. 1934 auch Rechnung: Ordentliche S traf­ drohung Zuchthausstrafe bis zu 5 Jahren. Tatbe­ standsmäßig weicht der ResEntw. nur wenig vom geltenden Recht ab. E r verlangt nur, daß die aus­ gebeutete F rau dem Zuhälter „persönlich verbunden" ist. Es soll damit wohl zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Verhältnis von gewisser Dauer bestehen muß und daß gewisse einzelne oder ganz gelegentliche Zuwendungen den Zuhältereitatbestand bei Vorliegen der sonstigen Erfordernisse nicht erfüllen sollen. D as ist zu billigen, besonders im Hinblick darauf, daß nach dem Entw. nur Zuchthausstrafe angedroht ist. Sehr wichtig ist auch, daß gleicher Strafdrohung der Tatbestand des gewohnheitsmäßi­ gen (oder aus Eigennutz betriebenen) Schützens oder Förderns bei Ausübung der Unzucht unterstellt wird. Denn erfahrungsgemäß ist es oft sehr schwer, die Ausbeutung festzustellen, wenn nicht gerade die Dirne ihren Zuhälter hat „verschütt gehen lassen". Wohl aber läßt sich mitunter durch unbeteiligte Zeugen wenigstens ein gewohnheitsmäßiges Schützen oder Fördern feststellen. Ein Bedürfnis der Ausdehnung der Zuhältereibestimmungen aus weibliche Zuhälter und aus die Zuhälter männlicher Prostituierter, was auch schon angeregt worden ist, kann man bisher für die P raxis nicht anerkennen, ebensowenig für eine Bestrafung der Dirne, die ihren Zuhälter erhält.

Zur Zuhälterei führt Profeffor Dr. Gras Gleispach als Berichterstatter aus:

Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich bin dafür, eine mildere Strafe vorzusehen, vielleicht Gefängnis nicht unter sechs Monaten für leichtere Fälle. Es kommen Fälle vor, in denen etwa ein wegen Krankheit nicht arbeitsfähiger Mann die Unterstützung einer Dirne, die er vielleicht früher selbst ausgehalten hat, in Anspruch nimmt. Hier wäre Zuchthaus kaum am Platze.

Der Tatbestand ist enthalten in § 309 des Ref.Entw., der sich sehr an das geltende Recht anschließt. E s sind zu unterscheiden zwei Formen der Zuhälterei, die ausbeuterische und die kupplerische. Neu hinzu­ gefügt hat der ResEntw., daß die F rau , die ausge­ beutet wird, mit dem Zuhälter in persönlicher Be­ ziehung stehen muß; das ist ein Merkmal, das schon die Rechtsprechung des RG. ausgeprägt hat. E s ist die Frage, ob darin nicht eine Erschwerung liegt, vor allem wegen der Schwierigkeit des Nachweises. Ob dieses Tatbestandsmerkmal notwendig ist, ist zweifel­ haft. D as Wesentliche ist hier meiner Ansicht nach die Ausbeutung. D as RG. hat dazu erklärt: Ausbeutung

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube auch, daß u. U. das Leben stärker sein wird als unsere Theorie. E s kann Fälle geben, in denen ein J a h r Zuchthaus zu hart ist. Zum „persön­ lichen Verhältnis" zwischen Dirne und Zuhälter möchte ich bemerken: E s besteht doch wohl immer ein gewisses Verhältnis zwischen den beiden. Ich glaube, man hat dadurch Fälle ausschließen wollen, wie den, daß die Dirne den Vater unterstützt oder etwa dem kranken Bruder die Arztkosten bezahlt. Übrigens würden diese Fälle auch schon durch den Begriff „aus­ beuten" ausgeschieden.

Senatspräsident Professor Dr. Klee: Vielleicht empfiehlt es sich, statt des Ausdrucks „ihm persönlich verbundene F rau" den Ausdruck zu wählen „ihm geschlechtlich verbundene F rau". Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin der Meinung, daß der Begriff „Zuhälter" schlechthin genügt, um den Tatbestand zu kennzeichnen, denn er ist namentlich in der Großstadt ein nicht miß­ verständlicher Begriff. Professor Dr. Kohlrausch: Auf einer Sitzung des B ureau in tern atio n al pour Punification du d ro it penal wurde vor einem Jah re der Versuch unternommen, den Begriff der Zuhälterei übereinstimmend zu definieren. Damals hat gerade die deutsche Fassung allgemein Anklang gefunden. Ich glaube, daß der Zusatz „ihm persönlich ver­ bunden" wegbleiben kann. Auch meiner Meinung nach sagt der Begriff „Zuhälter" an sich und im Verein mit dem Begriff „Ausbeuten" schon genug. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, was ein Zuhälter ist, weiß jeder Großstädter. Wenn wir hier anfangen zu definieren,

bringen wir nur neue Schwierigkeiten in die Materie. Im übrigen glaube ich, wir können die Feinheiten der Formulierung der UK. unterlassen. Zu Abs. 2 des § 309 ist kein Vorschlag gemacht worden. Vizepräsident Grau: Zu dem Abs. 2 des § 309 würde ich noch vor­ schlagen, statt „schützt oder fördert" zu sagen: „schützt oder sonst fördert", weil das Schutzgewähren schon eine Art der Förderung darstellt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, das Wort „Zuhälter" hat einen viel übleren Klang als eine Reihe anderer Bezeich­ nungen, die wir bisher behandelt haben. Ich glaube, daß wir hier mit der Einführung einer Strasmilde-rung für ausnahmsweise leichte Fälle durchkommen können. Ich kann damit die Sitzung schließen. Morgen kämen wir zu der Gruppe der gemeingefährlichen Delikte. (Schluß der Sitzung 19 Uhr 15 Minuten.)

Strafrechkskommisston

46. Sitzung 19. September 1934 (Oberhos) Inhalt Gemeingefährliche Handlungen Reichsjustizminister Dr. Gürtner

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16 Senatsprösident Professor Dr. Klee 1. 4. 7. 8. 9. 10. 11. 13. 14. 15. 16 Vizepräsident Grau ....... 2. 4. 8. 9. 10. 12. 13. 14. 15. 16 Ministerialdirektor Schäfer ................ 3. 6. 8. 9. 10. 13. 16 Professor Dr. Dahm ........................ 3. 4. 5. 7. 8. 9. 10. 11 Staatssekretär Dr. Freister 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16 tßrofeffor Dr. Kohlrausch ............................. 6. 10. 14. 15. 16 Sächsischer Iustizminister Dr. Thierack ... 6. 7. 8. 9. 10. 14 Profestor Dr. Nagler .......................................................... 7. 8 Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer ................................. 9. 10 Professor Dr. Graf Gleispach ................................ 10. 11. 16 Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz ......................................... 12 Professor Dr. Mezger ...................................................... 15. 16

Der Reichsjustizminister Dr. Gürtner eröffnet die Sitzung um 905 Uhr. Anwesend sind die gleichen Herren wie in der 40. Sitzung. Berichterstatter Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich habe mich mit meinem Mitberichterstatter, Herrn Vizepräsidenten Grau, dahin geeinigt, daß ich bei diesem Abschnitt „Gemeingefährliche Handlungen und Störung des öffentlichen Verkehrs" das Haupt­ referat übernehme. Ich werde bei meinen Aus­ führungen jeweils daraus hinweisen, in welchen Punkten ich mit Herrn Vizepräsidenten G rau überein­ stimme. Ich werde folgende Punkte erörtern: 1. die Frage, ob dieser Abschnitt überhaupt bestehen bleiben soll; 2. wie der Abschnitt gegen andere abzugrenzen ist, insbesondere welche Tatbestände etwa heraus­ zunehmen und welche neu einzustellen sind; 3. den Gefährdungsgedanken, insbesondere seine Auswirkung auf die Strafrahmen und die aus­ drückliche Hervorhebung schwerer Folgen; 4. die einzelnen Tatbestände. 1. Den Gedanken einer Auflösung des Abschnitts weise ich von vornherein ab. M an könnte daran denken, die einzelnen Tatbestände jeweils bei den Delikten gegen das Leben oder das Vermögen einzu­ stellen. D as ist aber nicht ratsam. Alle Tatbestände

dieses Abschnitts werden durch ein gemeinsames Band zusammengehalten. Sie sind charakterisiert durch die Entfesselung von Naturkrästen, die eine Gemeingefahr herbeiführen, das ist eine Gefahr, deren Umfang und Ausdehnung sich nicht übersehen und abgrenzen läßt, und zwar handelt es sich um die Gefahr besonders schwerer Schädigungen von Leib, Leben und Sach­ gütern. Der RefEntw. umschreibt die Gemeingefahr als Gefahr für Leib oder Leben (wobei an die Ge­ fährdung eines unbestimmten Kreises von Personen gedacht ist) oder in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum. Dieses gemeinsame Band rechtfertigt die Zusammenfassung der Delikte in einem besonderen Abschnitt. Der Abschnitt enthält ferner die Störungen des öffentlichen Verkehrs. Auch diese Delikte gehören hierher, weil auch hier der Begriff der Gemeingesahr im Mittelpunkt steht. Die Gefährdung wird hier nicht durch Entfesselung einer Naturkraft, wie bei den oben aufgeführten gemeingefährlichen Verbrechen im enge­ ren Sinne erzeugt, sondern durch störende Eingriffe in das g e o r d n e t e Walten von Naturkräften. Dieser Unterschied ist indessen nicht so wesentlich, daß nicht auch die Behandlung der Verkehrsdelikte in dem­ selben Abschnitt als gemeingefährliche Delikte im weiteren Sinne gerechtfertigt wäre. 2. Ich komme zum zweiten Punkt: Gehören alle im RefEntw. aufgeführten Tatbestände in diesen Abschnitt? Die Verhinderung des Betriebes eines Verkehrsunternehmens oder eines anderen lebens­ wichtigen Betriebes durch Sabotage (§ 238 RefEntw.) kann an dieser Stelle stehenbleiben, weil er sich zwang­ los den Verkehrsdelikten anschließt. Dagegen fällt die Störung der Betriebssicherheit in gewerblichen Betrieben (§ 233) aus dem Rahmen der gemein­ gefährlichen Handlungen heraus und findet bester ihren Platz in einem Sonderabschnitt, betr. den Schutz der nationalen Arbeitskraft. § 244 (Nichterfüllung von Lieferungsverträgen) ist inhaltlich zum Teil schon in den Abschnitt Landesverrat übernommen. Es bleibt aber übrig die Nichteinhaltung von NotstandsVerträgen, die an dieser Stelle mit Strafe zu bedrohen ist. § 242 (Verletzung von Schutzmaßregeln gegen Seuchen) könnte endlich, soweit es sich um Krankheiten von Menschen handelt, einem besonderen Abschnitt „Schutz der Volksgesundheit", und zwar zusammen mit § 5 des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechts­ krankheiten eingereiht werden. Die Frage, ob sich das empfiehlt, werde ich später erörtern. I m übrigen könnte § 242, soweit es sich um Tierseuchen und Pflanzenkrankheiten handelt, einem besonderen Ab­ schnitt „Schutz des Volksguts" überwiesen werden. Auch das Verbrechen der Brunnenvergistung gehört hierher und paßt nicht in einen etwaigen Abschnitt „Schutz der Volksgesundheit", weil hier auch andere Güter geschützt werden. Nicht unbedingt geeignet zur Einarbeitung in das S tG B , wollen mir wegen ihres Zusammenhangs mit Vorschriften polizeilicher Art, die in dem allgemeinen Strafgesetz keinen Platz haben, die Sprengstofsverbrechen erscheinen, ferner die Lebensmittelvergehen, wobei offen bleibt, ob dem Vorschlag von Herrn Vizepräsident Grau ent­ sprechend die Vergiftung von Bedarfsgegenständen aus dem Lebensmittelgesetz heraus- und in diesen Ab-

schnitt hineinzunehmen wäre. Grundsätzlich habe ich gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden. Die Ver­ gehen aus dem Gebiete des Kraftfahrverkehrs hier hereinzunehmen, erscheint nicht angezeigt, weil die Materie zu kompliziert ist und es sich im wesentlichen um Polizeidelikte handelt. Höchstens wäre ent­ sprechend dem Vorschlag der Preuß. Denkschrift der Tatbestand der Führerflucht unter Verallgemeinerung des § 22 Krastsahrzeuggesetz in das allgemeine StG B , einzustellen. Den Tatbestand der allgemeinen Lebensgefähr­ dung (§ 243) halte ich für erforderlich, da die Mittel der Gemeingefährdung nicht erschöpfend ausgezählt werden können, auch die Entwicklung der Herrschaft über die Naturkräfte nicht voraussehbar ist. Das Erfordernis der „Gewissenlosigkeit" beugt einer zu weiten Anwendung vor; dagegen dürfte es im Hin­ blick auf die häufigen Fälle des in dolus eventualis übergehenden Mutwillens angezeigt sein, das Erforder­ nis der Wissentlichkeit zu streichen. Neben der gemein­ gefährlichen Lebensgesährdung bleibt für die Gefähr­ dung des Lebens eines einzelnen (§ 257 Unterkomm.Entw.) Raum. Beide Tatbestände zusammenzuziehen empfiehlt sich nicht, weil die Gemeingefährdung und die Einzelgesährdung wesentlich verschieden sind. Die typischen Gemeingefährdungen der §§ 225 ff. Ref.Entw. in dem allgemeinen Lebensgefährdungsdelikt aufgehen zu lasten, ist unter dem Gesichtspunkt mög­ lichster Volksnähe des Strafgesetzbuchs nicht ratsam. Es käme aber zur Vermeidung der ständigen Wieder­ holung derselben Wendung eine Zusammenfassung der §§ 225, 226, 227, 229 ResEntw. in Frage, wobei auch die Vergiftung der Luft einzubeziehen wäre. Die Vorschrift hätte demnach etwa zu lauten: „Wer es unternimmt, durch Brandlegung, Explosion, Überschwemmung, Vergiftung oder Verunreinigung von Waffer in Quellen, B run­ nen, Leitungen oder Behältern oder durch Ver­ giftung der Luft eine Gefahr für Leib oder Leben oder in bedeutendem Umfang für Tiere oder Sachen herbeizuführen, wird mit Zuchthaus bestraft." Bester noch wäre auf „Herbeiführung einer Gemeingesahr" abzustellen und diese, wie es noch die Reichs­ ratsvorlage 1925 getan hat („Gefahr für Menschen­ leben oder in bedeutendem Umfange für fremdes Eigentum") im Allgemeinen Teil zu definieren. 3. Ich spreche weiter zu dem Strafrahmen, und zwar unter dem Gesichtspunkt des Gesährdungsgedankens. Dieser hatte zwar schon im bisherigen Recht eine gewisse Geltung, aber nicht in reiner Form. Denn das geltende Recht kennt erhöhte Strafrahmen, wenn die Herbeiführung der Gemeingesahr zu schweren Folgen führt. Außerdem tritt im geltenden Recht bei gemeingefährlichen fahrlässigen Delikten Bestrafung erst dann ein, wenn ein Schade entsteht. Der RefEntw. bringt im allgemeinen den reinen Gesährdungsgedanken schärfer zum Ausdruck. Im m er­ hin muß vom Standpunkt des reinen Willensstraf­ rechts aus § 235 (Todesfolge) gestrichen werden. Da­ gegen ist gegen § 234 nichts einzuwenden, da er nur allgemein von besonders schweren Fällen spricht. Gegenüber dem geltenden Recht brachte bereits das

Gesetz zur Abwehr politischer Gewalttaten vom 4. 4. 1933 eine Wendung zum reinen Gefährdungs­ gedanken, indem es bei bestimmten gemeingefährlichen Delikten die Todesstrafe fakultativ vorsieht, und zwar unabhängig von dem E intritt schwerer Folgen. W ir können m. E. diese Entwicklung nicht rückgängig machen. E s wird bei den schwersten Verbrechen dieses Abschnitts überall für besonders schwere Fälle (nicht Folgen) die Todesstrafe fakultativ anzudrohen sein. Am reinsten kommt der Gesährdungsgedanke in § 330 des geltenden Strafgesetzbuchs (Baugesährdung) zum Ausdruck; denn von irgend einem Erfolge ist in diesem Tatbestand nicht die Rede. Herr Vize­ präsident Grau und Herr Professor Dahm wollen den § 241 RefEntw., der im wesentlichen das geltende Recht übernimmt, an dieser Stelle ausscheiden und einstellen in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft", weil durch diese Bestimmung angeblich nur die Bauarbeiter geschützt seien. Ich halte eine solche Auslegung des Tatbestandes für zu eng. Die Motive zum geltenden Recht sagen klar und deutlich, daß durch § 330 S tG B , das Publikum als solches geschützt werden solle. Daß dazu gleichzeitig auch die Bauarbeiter gehören, hindert nicht, § 241 an dieser Stelle stehen zu lasten. Die Form des Unternehmens ist wohl für alle Delikte dieses Abschnitts die richtige Tatform. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die drei Gesichtspunkte waren: Gemeingefährliche Delikte überhaupt, die Abgrenzungssrage und die Frage der Folgenhaftung. Durch alle Tatbestände hindurch wird uns die Frage der Abgrenzung nach zwei Richtungen hin verfolgen: Einmal die Abgren­ zung der vorsätzlichen von der fahrlässigen Handlung; zum andern die Abgrenzung der Normen des allge­ meinen Strafrechts von den Spezialgesetzen. Berichterstatter Vizepräsident Grau: Nach den Ausführungen von Herrn Senatspräsi­ denten Professor Klee kann ich mich hinsichtlich der allgemeinen Fragen kurz fassen. Die erste Frage ist die, ob der selbständige Abschnitt der gemeingefährlichen Handlungen erhalten bleiben soll. Der allen T a t­ beständen dieses Abschnitts gemeinsame Grundgedanke des Schutzes vor verbrecherischer Herbeiführung einer Gemeingefahr ist m. E. so wichtig, daß ernstliche Gründe gegen eine Auslösung des Abschnitts nicht vorgebracht werden können. Die zweite Frage ist die der Untergliederung des Abschnitts. M an kann die einzelnen Tatbestände unter dem Gesichtspunkt gliedern, durch welche M ittel die Gemeingefahr herbeigeführt wird. Ich habe versucht, eine solche Untergliederung zu geben und komme dabei zu folgendem Ergebnis: 1. Herbeiführung einer Gemeingefahr durch Naturkräfte, Gift und Seuchen; 2. Herbeiführung einer Gemeingesahr durch Ver­ kehrsstörung und Beschädigung lebenswichtiger Anlagen; 3. gemeingefährliche Verhinderung besonders wich­ tiger Betriebe. Dabei ist noch zu erwägen, ob nicht in den ersten Abschnitt einzugliedern sind die Verbreitung von

Geschlechtskrankheiten und die Vergiftung von Be­ darfsgegenständen, Tatbestände, die der ResEntw. nicht erwähnt, die aber m. E. wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Volksgesundheit in das S tG B , gehören. Ergänzend müssen ferner folgende Tatbestände aufgeführt werden: 1. Ein Fahrlässigkeitstatbestand, § 236 RefEntw. 2. Ein allgemeiner Tatbestand der Lebensgefährdung, § 243 RefEntw. 3. Die Begünstigung einer Gemeingefahr, ein T at­ bestand, der im RefEntw. nicht enthalten, aber z. B. dem italienischen Recht bekannt ist. 4. Die Verletzung der Hilfeleistungspflicht bei Ge­ meingefahr, ein Tatbestand, der ebenfalls im RefEntw. nicht enthalten ist. Herr Senatspräsident Klee hat bereits daraus hingewiesen, daß folgende im 16. Abschnitt des Res.Entw. enthaltenen Tatbestände als keinesfalls hierhin gehörig auszuscheiden sind: Zunächst § 233, die Be­ schädigung von Schutzvorrichtungen. Dieser T at­ bestand ist ein Delikt gegen die wirtschaftliche Betäti­ gung und gehört deshalb in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft". Sodann hat § 240, die Schiffsgefährdung durch Bannware, auszuscheiden. Allch wenn man diesen Tatbestand entsprechend dem Vorschlage der Preuß. Denkschrift auf alle Verkehrs­ mittel ausdehnen sollte, so stellt er doch keine gemein­ gefährliche Handlung dar; er ist eher ein WirtschaftsVergehen. Zweifelhaft ist es, ob § 241 (Verletzung von Regeln der Baukunst) hierher gehört. Die Ein­ ordnung hängt davon ab, wer in erster Linie durch diese Strafdrohung geschützt werden soll. Der Kern der Bestimmung ist wohl der, die Bauarbeiter zu schützen. Wenn man aber annimmt, daß darüber hinaus auch das Publikum allgemein geschützt werden soll, dann müßte der Tatbestand in diesem Abschnitt stehen bleiben. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, mir scheint außer Diskussion zu stehen, ob wir überhaupt einen Abschnitt gemein­ gefährliche Handlungen bilden wollen. Wegen der Abgrenzung in den beiden Richtungen, die ich vorhin angegeben habe, möchte ich empfehlen, eine allgemeine Debatte nicht zu führen, sondern diese Frage bei den einzelnen Tatbeständen zu erörtern. Auch die Strasfolgen werden am besten bei den einzelnen Delikten behandelt werden. Ministerialdirektor Schäfer: Ich glaube, daß man sich über einen Begriff vorweg verständigen muß, nämlich den Begriff der „Gemeingefahr". Ich darf ausgehen von der An­ regung des Herrn Senatspräsidenten Klee, der den Begriff der Gemeingefahr in die einzelnen Tatbe­ stände einsetzen und im Allgemeinen Teil beim Sprachgebrauch definieren will, so wie ihn früher die Reichsratsvorlage auch schon definiert hatte. Gemein­ gefahr ist danach „die Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfange für fremdes Eigentum". Diese Definition wollte Herr Professor Klee auf­ nehmen. Von dieser Regelung ist man im Laufe der Beratungen der Entwürfe abgegangen und hat statt?

dessen den umständlicheren Weg gewählt, in den einzelnen Paragraphen nicht von „Gemeingesahr", sondern von „Gefahr für Leib und Leben und in bedeutendem Umfange für fremdes Eigentum" zu sprechen. Ich darf hierzu aus der Begründung den Absatz vorlesen, der davon handelt. Es heißt dort: „Die Reichsratsvorlage hatte im Anschluß an den Entw. von 1919 für diejenige Gesahrgruppe, die sie in diesem Abschnitt am häufigsten verwendete, die einheitliche Bezeichnung „Gemeingefahr" eingeführt und erläuterte diesen Begriff als „Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfange für fremdes Eigentum". Abgesehen davon, daß es miß­ lich war, aus diese Weise neben dem Eigentum nur das Leben der Menschen, nicht aber auch ihre Gesund­ heit zu schützen, sprach gegen diese Bezeichnung ins­ besondere auch die Erwägung, daß von einer „Ge­ meingesahr" nur bei Gefährdung individuell nicht bestimmter Personen oder Sachen gesprochen werden kann, dagegen nicht bei einer Gefahr, die einer oder mehreren individuell bestimmten Personen oder Sachen droht. S o liegt eine Gemeingesahr z. B. nicht vor, wenn durch eine Explosion nach Lage der Sache nur ein ganz bestimmtes Gebäude oder eine ganz bestimmte Person gefährdet wird, wenn ein Brunnen vergiftet wird, der nur von einer bestimmten Person benutzt werden kann, wenn ein Steg zerstört wird, den nur eine bestimmte Person betritt. Da es aber erforderlich ist, auch derartige Fälle unter den erhöhten Strafschutz der in diesem Abschnitt behan­ delten Tatbestände zu stellen, erweist sich die Ver­ wendung des Begriffes „Gemeingesahr" als undurch­ führbar." Ich darf bitten, einmal probeweise die von Herrn Professor Klee vorgeschlagene Definition in die einzelnen Tatbestände einzusetzen. Wenn ein Haus, das ganz vereinzelt steht, in Brand gesteckt wird, entsteht eine Gefahr nur für dieses bestimmte Gebäude; liegt dann Brandstiftung vor? Nach der Definition von 1925 nicht. Oder nehmen Sie den F all der Strandung; da handelt es sich um ein be­ stimmtes Schiss, auf dem vielleicht ein Kapitän und drei M ann Besatzung sind. M an muß sich über­ legen, ob Gemeingefahr nur bedeuten soll eine Ge­ fahr für nicht individuell bestimmte Personen und nicht individuell bestimmte Sachen. Ich möchte meinen, daß man den Begriff der Gemeingesahr aus­ dehnen muß, und daß man von der Begrenzung aus individuell nicht bestimmte Personen oder Sachen abgehen muß, sonst scheitert man. Reichsjustizminister D r. Gürtner: E s wäre die Frage: S oll der Abschnitt» mit einer Legaldesinition der gemeinen Gefahr beginnen oder soll man das in den Allgemeinen Teil schreiben? Das wäre die technische Frage. Dann die materiell­ rechtliche Frage: Wie soll die Gemeingesahr definiert werden? Da ist der Hinweis des Herrn Ministerial­ direktors Schäfer nt. E. durchschlagend. Professor Dr. Dahm: E s scheint mir zweifelhaft, ob w ir eine allgemeine Begriffsbestimmung der Gemeingefahr für sämtliche Tatbestände dieses Abschnitts aufstellen können. Biel-

mehr sind diese Fragen bei jedem einzelnen Tat­ bestand gesondert zu erörtern, so daß sich eine allge­ meine Bestimmung erübrigt. Ich möchte aber vor allem aus folgendes hin­ weisen: Nach geltendem Recht war z. B. die Brand­ stiftung in gewissen Grenzen ein abstraktes Gesahrdungsdelikt. Der RefEntw. hat demgegenüber den Gedanken der konkreten Gefährdung in den Vorder­ grund gestellt und folgerichtig durchgeführt. Damit wird die Verteidigungslinie offenbar zurückverlegt. Denn es muß jetzt in jedem Einzelfalle das Vor­ liegen einer konkreten Gefahr und der hierauf ge­ richtete Vorsatz des Täters nachgewiesen werden. M ir scheint eine solche Wendung zum konkreten Gefähr­ dungsdelikt nur dann erträglich, wenn w ir den Begriff der Gemeingefahr ausweiten, namentlich die Gefährdung des einzelnen einbeziehen. Dann ist aber wiederum diese Gefahr keine Gemeingesahr mehr. E s wäre aber meiner Meinung nach bester, wenn man jedenfalls bei der Brandstiftung in dieser Beziehung am geltenden Recht festhielte. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Darüber sind wir doch alle einig, daß eine Brand­ stiftung auch dann gegeben sein soll, wenn jemand ein Haus anzündet, von dem aus keine Gefahr für andere Häuser gegeben ist und in dem nur ein Mensch wohnt? Profestor D r. Dahm: Natürlich bewirkt der Übergang vom abstrakten zum konkreten Gesährdungsdelikt eine Einschränkung der Strafbarkeit. Wenn z. B. jemand sein Haus anzündet, das zum Wohnen von Menschen dient, das aber so einsam liegt, daß durch den Brand eine kon­ krete Gefahr für fremdes Eigentum nicht entstehen kann, so würde er, wenn auch keine Menschenleben gefährdet werden, nach § 225 RefEntw. straflos bleiben, während er nach § 306 Ziff. 2 S tG B , mit Zuchthaus zu bestrafen ist. M an muß sich überlegen, ob eine solche Einschränkung der Strafbarkeit erträg­ lich ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Auch nach dem RefEntw. braucht doch niemand in dem Gebäude zu sein. Profestor D r. Dahm: Wenn jemand ein Haus anzündet, in dem sich niemand befindet, so fehlt es an einer konkreten Gefahr. Senatspräsident Professor D r. Klee: Ich komme nun zu den einzelnen Tatbeständen. § 225 RefEntw. (Brandstiftung) will die S traf­ barkeit allgemein ausdehnen aus alle beweglichen Sachen. Dagegen habe ich grundsätzlich nichts ein­ zuwenden. Damit taucht aber die Frage aus, ob auch schon die Inbrandsetzung des Brennmaterials strafbar ist. Dagegen sträube ich mich. Es wäre vielleicht richtiger, von einer Brandlegung an der Sache selbst zu sprechen. Dadurch wären meine Be­ denken ausgeschloffen. Ich gebe zu, daß die Frage keine große praktische Bedeutung hat, weil wir die Strafbarkeit des Unternehmens in Betracht ziehen

müssen und auf diese Weise unter Umständen auch die Inbrandsetzung des Brennmaterials strafbar wird. § 225 RefEntw. verlangt weiter, daß durch die Handlung eine Gefahr in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeigeführt wird. E s ist aber nun fraglich, ob wir die Strafbarkeit überhaupt auf die Gefährdung fremden Eigentums beschränken sollen. Es wäre das eine erhebliche Einschränkung des geltenden Rechts. Ich stehe auf dem S tand­ punkt, daß der ganze Abschnitt auch unter dem Ge­ sichtspunkt der Gefährdung des Volksvermögens zu betrachten ist und daß deshalb das Merkmal fremd in § 225 und den folgenden Tatbeständen zu streichen wäre. Daß die Todesstrafe wenigstens fakultativ in besonders schweren Fällen angedroht wird, halte ich für sehr richtig. E s gibt Brandstiftungen, die diese Strafe unbedenklich verdienen. D aß der RefEntw. grundsätzlich den Gedanken der konkreten Gefähr­ dung durchführt, scheint mir kein Mangel zu sein, sondern vom Standpunkt eines konsequenten Willensstrasrechts ein wesentlicher Fortschritt. Herr Ministerialdirektor Schäfer hat mit Recht darauf hingewiesen, daß in vielen praktischen Fällen durch die Handlung kein unbestimmter Kreis von Personen gefährdet wird und man infolgedessen von der Herbeiführung einer Gemeingefahr nicht sprechen kann. D as wird zwar regelmäßig der Fall sein, aber es muß doch wohl Vorsorge dafür getroffen werden, daß auch in solchen Fällen die Bestrafung eintreten kann. D as geltende Recht sieht eine Strafschärfung dann vor, wenn der Brandstifter, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu erschweren, Lösch­ gerätschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. D as hat mich zu dem Vorschlag veranlaßt, in diesen Abschnitt überhaupt eine Strasvorschrist gegen Brandbegünstigung einzustellen und etwa zu sagen: „Gleich einem Brandstifter wird bestraft, wer das Löschen eines Brandes erschwert oder ver­ hindert oder auf andere Weise die Ausbreitung eines Brandes, insbesondere als Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigter durch pflichtwidrige Unterlassung, begünstigt". Einen solchen Tatbestand kennt auch das schwedische Recht. Artikel 436 des italienischen S tG B , bestraft ganz allgemein die Entfernung von Hilfs- und Rettungsgerätschasten bei Brand, Über­ schwemmung, Schissbruch oder anderem Unglück. F ür eine solche Ausdehnung aber scheint mir kein Bedürf­ nis zu bestehen. E s ist zwar typisch, Löschgeräte weg­ zuschaffen, aber nicht z. B. Rettungsgerätschasten bei Überschwemmung. Vizepräsident Grau: Auch ich halte es für eine wesentliche Verbesserung des geltenden Rechts, daß der RefEntw. in § 225 einen konkreten Gesährdungstatbestand ausstellt. D as hat allerdings zur Folge, daß der Eigentümer, der sein alleinstehendes, menschenleeres Haus anzündet, nicht unter die Strafdrohung des § 225 RefEntw. fällt; denn in einem solchen Fall kann von einer Gemein­ gefahr nicht die Rede sein. Vielleicht wäre es aber

möglich, dem Gedanken, daß volkswirtschaftlich erheb­ liche Werte auch vom Eigentümer nicht vernichtet werden dürfen, in anderer Weise Rechnung zu tragen. Herr Senatspräsident Klee hat sodann an einen sprachlichen Schönheitsfehler des ResEntw. ange­ knüpft. Wenn der Brandstifter z. B. als Zeitzünder eine Kerze ansteckt, so spricht das Volk noch nicht von Inbrandsetzung einer Sache. E s wäre deshalb viel­ leicht besser, nach englischem Vorbild zu sagen: „Wer an einer Sache Feuer anlegt". I m praktischen E r­ gebnis besteht kein großer Unterschied, da ja schon das Unternehmen in gleicher Weise bestraft wird. D ann ein Wort zur Begünstigung der Brand­ stiftung: D as geltende Recht kennt nur den von Herrn Senatspräsidenten Klee bereits erwähnten qualifi­ zierten Tatbestand. Der ihm zugrunde liegende Gedanke ist sehr richtig, aber viel zu eng. zum Aus­ druck gebracht. W ir müssen auch den Fall ersassen, daß ein anderer die Löschgerätschaften beiseiteschafft, der mit dem Brandstifter in keinerlei Verbindung steht und deshalb nicht unter dem Gesichtspunkte der Mitwirkung ersaßt werden kann. Ich möchte aber noch in dieser Hinsicht weitergehen als Herr SenatsPräsident Klee und allgemein die Sabotage eines Rettungswerks bei gemeiner Gefahr unter Strafe stellen. D as italienische Strafgesetzbuch enthält einen ähnlichen Tatbestand, den ich für sehr gut halte. Der Tatbestand der Begünstigung einer Gemeingefahr könnte etwa lauten: „Wer bei einer Gefahr für Leib oder Leben oder in bedeutendem Umfange für fremdes Eigen­ tum Gerätschaften oder andere für das Schutz-, Rettungs- oder Hilsswerk bestimmte M ittel bei­ seiteschafft, verborgen hält oder unbrauchbar macht oder in anderer Weise hindert, daß das Schutz- oder Beistandswerk geleistet wird, wird mit Zuchthaus bestraft". Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Fragen zur Brandstiftung wären: Einmal die Ausdehnung auf bewegliche Sachen; zweitens der Sprachgebrauch und endlich die Frage des fremden Eigentums. Staatssekretär Dr. Freister: M ir fällt beim Lesen des § 225 auf, daß nur der­ jenige bestraft werden soll, der eine Sache in Brand setzt und dadurch eine Gefahr in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeiführt. Ich glaube, daß das unhaltbar ist. Zunächst vermag ich nicht einzu­ sehen, daß nur eine Gefahr für fremdes Eigentum genügen soll. I m Volke wird derjenige genau so als Brandstifter bezeichnet, der sein eigenes Haus an­ zündet. Ich kann nicht einsehen, daß eine solche Hand­ lung nur unter dem Gesichtspunkt des Versicherungs­ betrugs bestraft werden soll. Der ResEntw. sagt mit anderen Worten: Ich darf mein eigenes Haus anünden, wenn ich dafür sorge, daß durch den Brand eine Gemeingefahr entsteht. Dann werde ich nur bestraft, wenn das Haus versichert war. M. E. darf hier der Gesichtspunkt, daß durch die Brandlegung Werte des Gemeineigentums zerstört werden, nicht außer Acht bleiben. Unter diesem Ge­ sichtspunkt muß jede Brandstiftung bestraft werden.

D as widerspricht auch nicht dem Begriff der Gemein­ gefahr. M an muß sich entscheiden, daß auch die Ge­ fährdung individuell bestimmter Güter erfaßt werden soll. Wenn vorhin gesagt wurde, daß man eine solche Gefährdung überhaupt nicht Herbeiführung einer Gemeingesahr nennen könne, daß deshalb die Überschrift des Abschnitts dann geändert werden müsse, so muß ich dem widersprechen. Auch die Anzündung des eigenen Hauses führt eine gemeine Gefahr herbei, weil jede Brandstiftung die Ordnung des Volkes als Ganzes stört. Der Abschnitt kann also sehr wohl wie im ResEntw. bezeichnet werden, auch wenn man die Gefährdung individuell bestimmter Güter einbezieht. Nach allem erscheint mir das Kriterium „fremd" in § 225 ResEntw. nur verständlich, wenn man von einer grundsätzlich falschen Auffassung ausgeht und nicht in den Vordergrund stellt, daß es sich in diesem Abschnitt um die Erhaltung bedeutender Sachwerte überhaupt handelt. Ebenso muß m. E. das Merkmal „Eigentum" in § 225 gestrichen werden, weil die Sache nicht deshalb geschützt werden soll, weil sie in fremdem Eigentum steht, sondern weil bedeutende Sachwerte erhalten bleiben sollen. Die ganze M aterie hat mit zivilrecht­ lichen Erwägungen gar nichts zu tun. Ich schlage deshalb vor, die Worte „in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum" zu streichen und dafür zu setzen: „bedeutende Sachwerte." Auch ich stimme der Anregung zu, eine Zusam­ menfassung der §§ 225 ff. zu versuchen. Zunächst können die §§ 225 und 226 vereinigt werden; denn die Explosion ist gar nichts anderes als eine Brand­ stiftung. Es handelt sich nur um eine verschiedene Art des Feueranlegens. Vielleicht kann man auch § 227 (Herbeiführung einer Überschwemmung) einbeziehen. D ann würde aber das Wort Brandstifter verschwin­ den, und das möchte ich unter allen Umständen er­ halten. I n § 227 müßten aber neben der Über­ schwemmung noch weitere allgemeine Gefahren er­ wähnt werden. Ich denke vor allem an die Herbei­ führung einer Lawinengefahr. Zweckmäßig wäre es, Beispiele zu nennen und eine Generalklausel anzu­ fügen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Zusammenfassung von Brandstiftung und Explosion liegt bei der Vorstellung sehr nahe, daß die Explosion einen Brand herbeiführt. Die Gefahr der Explosion ist aber zunächst doch bloß eine Zerstörungsefahr. Aber das würde eine Zusammenfassung nicht indern. Professor D r. Dahm: Meiner Meinung nach ist § 225 ResEntw. zu eng. Der abstrakte Gesährdungstatbestand des § 306 Ziff. 2 S tG B , ist viel volkstümlicher. B or allem führt § 225 ResEntw. zu bedenklichen Freisprüchen, wenn der Täter unwiderlegt vorbringt, er habe von der konkreten Gefahr nichts gewußt. Dann könnte allenfalls wegen fahrlässiger Brandstiftung bestraft werden. M it Recht hat insbesondere die Denkschrift der schleswig-holsteinischen Landesbrandkaffe an dieser Einschränkung der Strafbarkeit Kritik geübt. Viel­ mehr bedarf es hier einer Erweiterung des Tatbe­ standes, wie sie etwa Herr Staatssekretär D r. Freister anregt. M an stößt hier auf eine grundsätzliche Frage

von größter Bedeutung, nämlich aus das Problem, tote weit man über eigenes Vermögen verfügen darf. Denn es unterliegt ja keinem Zweifel, daß der indivi­ dualistische Eigentumsgedanke des liberalen Zeitalters überwunden ist, und daß die Verfügungsmacht des Eigentümers heute weitgehend beschränkt werden muß. Allerdings ist das ein allgemeiner Rechts­ gedanke. Denn was für die Brandstiftung gilt, trifft auch für andere Formen der Zerstörung zu. D as führt auf das allgemeine Problem der Beschädigung eigenen Vermögens. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as scheint mir der entscheidende Punkt zu sein. Wenn die Brandstiftung als Gefährdungsdelikt auf­ gefaßt wird, dann fällt dieser Gesichtspunkt nicht darunter, denn hierunter gehört auch die mutwillige Zerstörung eines mir gehörenden Kunstwerkes. Das kann man in die Brandstiftung nicht hineinnehmen. Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte Herrn Professor Dahm darin widerprechen, daß der RefEntw. eine Änderung des zeltenden Rechts insofern bringe, als die Brandtiftung nicht mehr abstraktes, sondern konkretes Geährdungsdelikt sei. Diese Änderung ist nur eine cheinbare. Denn auch schon nach geltendem Recht kann derjenige, der sein eigenes Haus anzündet, nach­ dem er es als Wohnhaus ausgegeben und geräumt hat, nicht nach § 306 Zifs. 3 S tG B , bestraft werden. D ann ist es eben kein Wohnhaus mehr. § 308 bleibt aber außer Anwendung, wenn es sich um das eigene Haus handelt und durch die Brandlegung keine Gemeingesahr herbeigeführt wird. F ü r eine allein­ stehende Scheune gilt § 306 überhaupt nicht. W as den Vorschlag des Herrn Staatssekretärs D r. Freisler betrifft, das Merkmal „fremd" in § 225 RefEntw. zu streichen, so meine ich, daß es sich hier nicht um die Frage der Brandstiftung, sondern darum handelt, in welcher Weise das Volksvermögen als solches zu schützen ist. D as ist ein völlig anderer Gesichtspunkt. S o einfach scheint mir auch die Sache nicht zu sein. Niemand denkt daran, denjenigen zu bestrafen, der sein Haus einreißt, um auf demselben Grundstück ein wertvolleres Haus zu errichten. Ich sehe aber nicht ein, daß dieser M ann bestraft «werden soll, wenn er, statt sein Haus einzureihen, es ab­ brennen läßt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich darf an ein Beispiel erinnern, das dem wirk­ lichen Leben angehört. Eine Sektion des Alpen­ vereins hatte im Gebirge eine primitive Unterkunsts­ hütte aus Holz gebaut, und es sollte jetzt ein richtiges Unterkunftshaus hingestellt werden. Diese Hütte ab­ zubrechen, hätte sehr viel Geld gekostet, daraufhin ist ein findiger Kopf auf den Gedanken gekommen, die Hütte als Johannisfeuer abzubrennen; das ist auch geschehen. Das kann doch nicht strafbar sein. Professor Dr. Kohlrausch: M ir sind bei der Gestaltung des Tatbestandes zwei Fragen wesentlich: 1. Wieweit wird der Tatbestand durch den Ref­ Entw. gegenüber dem geltenden Recht eingeschränkt oder ausgedehnt?

2. Wollen wir diese Einschränkung oder Ausdeh­ nung? Ausgedehnt ist der Tatbestand insoweit, als jetzt auch die Inbrandsetzung beweglicher Sachen ganz allgemein unter Strafe gestellt wird. Dagegen habe ich keine grundsätzlichen Bedenken. I m übrigen aber stimme ich mit Herrn Professor Dahm darin überein, daß der Tatbestand insoweit eingeschränkt ist, als der RefEntw. den Gedanken der konkreten Gefähr­ dung konsequent durchführt. Herr Ministerialdirektor Schäfer hat ausgeführt, daß wir den § 306 S tG B , falsch auslegten. Ich erinnere an den Fall Strecker, der verurteilt wurde, nachdem er seine eigene Villa geräumt und dann in Brand gesteckt hatte. Ich will von der Frage des Versicherungsbetrugs hier absehen. Jedenfalls erscheint es mir in einem solchen Falle nicht am Platz wegen Brandstiftung zu bestrafen. Ich halte deshalb die Einschränkung des RefEntw. für richtig, gebe aber zu, daß ich den § 306 bisher weiter ausgelegt habe als das Reichsgericht. Nun zu der Frage, ob auch die Inbrandsetzung der eigenen Sache grundsätzlich bestraft werden soll. Ich bin der Ansicht, daß wir diese Frage nicht bei Gelegenheit der B rand­ stiftung erörtern können. Es handelt sich hier um einen ganz allgemeinen Gesichtspunkt, über den hier zu entscheiden mir nicht angebracht erscheint. W ir müssen uns grundsätzlich darüber klar werden, in welchem Umfang die Verfügung des Eigentümers über sein Vermögen einzuschränken ist. Das geltende Recht hat bekanntlich bisher in § 304 nur sehr un­ vollkommen diesen Gedanken zum Ausdruck gebracht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte hier ein Wort zur Verteidigung des geltenden Strafrechtes sprechen. E s ist nicht so, daß dem geltenden Recht diese Gedanken völlig fremd sind. I n der Sachbeschädigung finden Sie die Be­ stimmung: „Wer vorsätzlich und rechtswidrig Gegen­ stände der Verehrung usw. beschädigt, wird bestraft." Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Es handelt sich hier aber um den allgemeinen Ge­ danken, daß nicht jeder Volksgenosse nach Belieben mit seinem Vermögen verfahren kann, mag es Geld oder ein Haus sein. Staatssekretär Dr. Freisler: Wie wenig das geltende Recht den Gedanken des staatlichen Obereigentums durchgeführt hat, zeigt § 305 S tG B . Danach darf ich ein Gebäude, ein Schiff, eine Brücke, einen Damm usw., wenn sie mein Eigentum sind, ungestraft zerstören. § 304 mag zwar einen kleinen Ansatz dieses Gedankens bedeuten. Bei den viel wichtigeren Vermögenswerten des § 305 ist aber von diesem Ansatz schon nichts mehr zu spüren. Ich bin nun nicht der Meinung, daß wir in diesem Punkte Herrn Ministerialdirektor Schäfer folgen sollen und diese grundsätzliche Frage an anderer Stelle allgemein erörtern. Dabei wird nichts heraus­ kommen. Die verschiedensten Einwände werden ge­ macht werden, und wir werden zu gar keinem E r­ gebnis kommen. Wohl aber gibt es einzelne Fälle der Zerstörung eigener Sachwerte, die jedem so ein­ gehen, daß er gar keinen Widerspruch gegen die Be­ strafung erhebt. D as Volksbewußtsein knüpft nämlich

gerade an das Jnbrandsetzen an. Ich erinnere an den F all der Billa Hentschel in Kassel. I n der Öffentlich­ keit wurde bekannt, daß der Eigentümer seine Billa abreißen wollte, weil er angeblich die Steuern nicht mehr zahlen konnte. Wochenlang wurde in allen Zeitungen diese Absicht aufs schärfste verurteilt, und der Eigentümer war unter dem Druck des Volkes ge­ zwungen, seine Villa überall zum Kauf anzubieten. Erst nachdem diese Versuche vergeblich waren, konnte er immer noch unter dem M urren des Volkes seine Villa abreißen. Ich frage, was geschehen wäre, wenn er die Villa angezündet hätte. E r wäre wahrscheinlich ausgehängt worden. Die Empörung des Volkes hätte hier sicher gerade an die Brandstiftung angeknüpft. Die Arbeiter hätten gesagt, wir sitzen in Höhlen, und der M ann steckt einfach seine Villa an. Selbstverständlich gibt es Fälle, in denen von einer Empörung des Volkes keine Rede sein kann. D as ist z. B. der vom Herrn Reichsminister erwähnte Fall der Alpenhütte. D as liegt aber daran, weil hier der Zweck der Inbrandsetzung sogar gebilligt wird. Dem kann dadurch Rechnung getragen werden, daß man in den Tatbestand das Merkmal „sittenwidrig" einfügt. Dagegen könnte man vielleicht einwenden, daß die Inbrandsetzung fremder Sachen immer sittenwidrig sei, weil hier das M ittel der Zerstörung niemals zweckmäßig ist. Ich erinnere aber an die Abriegelung bei großen Bränden durch Explosion. Es gibt also Fälle, in denen auch die Zerstörung fremder Sachen nicht sittenwidrig ist. M an könnte also die Definition der Gemeingesahr etwa folgendermaßen fasten: „Ge­ meingefährlich handelt, wer Menschen oder bedeutende Sachwerte sittenwidrig gefährdet, wenn auch im Einzelfall die Gefahr nur in bestimmbaren Grenzen entsteht." D as hätte auch den Vorteil, daß man den T a t­ bestand der Brandstiftung selbst sehr einfach und ein­ dringlich gestalten könnte. „Wer als Brandstifter gemeingefährlich handelt, wird mit Zuchthaus bestraft." Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as würde zur Folge haben, die Brandstiftung wie auszudrücken? Staatssekretär Dr. Freister: „Wer durch Brandstiftung gemeingefährlich hanbest ", oder „wer. als Brandstifter gemeingefährlich handelt". Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: „Wer in gemeingefährlicher Weise einen Brand legt". (Staatssekretär Dr. Freister stimmt zu). Professor Dr. Nagler: Der Übergang vom abstrakten zum konkreten Gefährdungsverbrechen ist, glaube ich, ein bedeuten­ der Fortschritt. Bisher war die Brandstiftung nach § 306 S tG B , eine Übergangserscheinung, eine Zwischenbildung zwischen qualifizierter Sachbeschä­ digung und einem echten gemeingefährlichen Ver­ brechen. Noch nach Erlaß des Strafgesetzbuches wollte man daher die Brandstiftung nur als eine qualifi­ zierte Sachbeschädigung gelten lassen. Jetzt wird weiter auch die unangenehme Kasuistik in § 306

S tG B , beseitigt. Nach meinem Dafürhalten ist die Fassung des § 225 des Entwurfs sehr zu begrüßen. Nun die Frage: Soll nur die Gefahr für fremdes Eigentum zum In h a lt des § 225 gemacht werden? Wir sollten zunächst einmal versuchen, den Grund­ gedanken, daß wertvolles Volksgut nicht straflos ver­ nichtet werden darf, bei der Sachbeschädigung her­ auszustellen. D as hätte den Vorteil, daß nicht bloß auf das M ittel der Begehung abgestellt würde. E s ist sicher, daß ein reicher Pyromane gegen die In te r­ essen der Volksgemeinschaft handelt, wenn er wert­ volle eigene Güter vernichtet. Ich glaube aber auch, es ist zu hart, daß wir denjenigen, der Volksgüter verschleudert, mit dem gleichstellen, der fremdes Leben gefährdet. Erst wenn uns diese Formulierung nicht gelingt, möchte ich den Weg des Herrn S taats­ sekretärs Freister und des Herrn Ministers Thierack gehen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: M an kann natürlich die Sache auch umgekehrt anfassen und den allgemeinen Tatbestand subsidiär gestalten. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte auf den Abschnitt über die sachgebundenen Volksgüter verweisen. Ich schlage vor, die Frage zurückzustellen und sie bei der Sachbeschädigung und den sachgebundenen Volksgütern zu behandeln. Die Definition des Herrn Staatssekretärs Freister vermischt gemeingefährlich und sozialgesährlich. Ich möchte im Interesse der Reinheit des Gemeingefähr­ dungsgedankens vorschlagen, die Brandstiftung so zu lassen, wie sie im RefEntw. steht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es handelt sich darum, den Begriff der gemeinen Gefahr weiter als bisher zu fassen, weil er auf allge­ meine Volksgüter ausgedehnt wird. D as sind Fragen, die mehr in die Systematik gehören. M an könnte nun freilich auch gegenüber Professor Klee sagen, wenn schon die Verfügung über das eigene Vermögen be­ schränkt werden soll, dann soll die qualifizierte Be­ schädigung durch Brandstiftung auch noch herausge­ hoben werden. Dabei steht zweifellos der Gedanke im Hintergrund, daß die Brandstiftung aus dieser allgemeinen Versügungsbeschränkung deswegen her­ ausgehoben wird, weil sie gefährlicher ist. Professor Dr. Dahm: D araus ergibt sich, daß wir auch hier um diese Frage nicht herumkommen. Die Beschränkung auf die Gefährdung fremden Eigentums ist viel zu eng. Viel­ mehr müssen wir eine Fassung suchen, die cylch die Vernichtung eigenen Vermögens trifft. Nun ist es aber unmöglich, eine scharfe Grenze zu ziehen. Zweifellos gibt es Fälle, in denen das Jnbrandsetzen eigener Sachen nicht strafwürdig ist. Es gibt hier meiner Meinung nach zwei Wege. Entweder man verzichtet auf eine Begriffsbestimmung und sagt ein­ fach: „Die Brandstiftung wird . . . b estraft, oder man entscheidet sich für eine weiche Formel und nimmt auf die gesunde Bolksanschauung oder auf das Gemeinwohl Bezug.

Vizepräsident Grau: Ich möchte nur noch zu zwei Gefichtspunkten sprechen: E s wurde vorgeschlagen, in dem Abschnitt eine allgemeine Definition der Gemeingefahr vorauszu­ schicken und dann in allen Tatbeständen nur noch von Gemeingefahr zu sprechen. D as ist m. E. nicht ganz unbedenklich. Venn der allgemeine Begriff der Ge­ meingefahr paßt nicht in alle Tatbestände. D as zeigt sich z. B. bei § 229 RefEntw., weil dort der Umfang der Gemeingefahr für Sachen auf Tiere beschränkt ist; ferner ist in § 243 die Gemeingesahr auf Menschenleben beschränkt. W as die Fassung des Tatbestands der Brand­ stiftung betrifft, so ist doch der maßgebende Gesichts­ punkt der, daß die T at immer dann bestraft werden soll, wenn es sich um bedeutende Vermögenswerte handelt, die in fremdem Eigentum stehen; ferner aber auch dann, wenn die Vermögenswerte zwar dem T äter selbst gehören, ihre Erhaltung aber für die Volkswirtschaft erforderlich ist. M an könnte deshalb den Tatbestand etwa folgendermaßen fassen: „Wer Feuer an einer Sache anlegt und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben oder für bedeutende Sachwerte herbeiführt, die entweder fremdes Eigen­ tum sind oder deren Erhaltung volkswirtschaftlich geboten ist, wird mit Zuchthaus bestraft." Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as ist eine Umschreibung des W ortes sitten­ widrig. Darüber besteht kein S treit, daß Leib oder Leben darin stehen müssen, und daß nicht jedes fremde Eigentum darunter fällt. Professor Dr. Nagler: Weck definiert: Jede außerhalb der Grenzen ord­ nungsmäßiger Wirtschaft vorgenommene Entfesselung des Feuers. D as ist die weiteste Definition, die ich kenne. Ministerialdirektor Schäfer: Gelöst ist mit dem Vorschlage des Herrn Vize­ präsidenten G rau das Problem nicht; es wird uns bei der Sachbeschädigung wieder beschäftigen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich hätte gegen die Fassung des Herrn Vizepräsi­ denten G rau keine Erinnerung. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich halte es nicht für richtig, denjenigen, der eigene bewegliche Sachen anzündet, unter dieselbe S trafe zu stellen wie den, der ein fremdes Haus an­ steckt. Vielleicht wäre eine Aufspaltung im S traf­ rahmen angebracht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir würden also daraus abkommen, die Brand­ stiftung nach dem Vorschlage des Herrn Vizepräsi­ denten G rau zu bestimmen: „Wer an eine Sache Feuer legt und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben oder für bedeutende Sachwerte, die fremdes Eigentum sind oder deren Erhaltung volkswirtschaft­ lich geboten ist, herbeiführt." „Volkswirtschaftlich" er­ scheint m ir als bedenklich; wie.ist es mit dem wert­ vollen Gemälde?

Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte vorschlagen: „Dem fremden Eigentum stehen eigene Sachwerte gleich, wenn dieses Zerstören nach gesunder Volksanschauung verboten ist." Staatssekretär Dr. Freister: D as bedeutet eine Halbheit; denn im Grunde heißt es, nur fremde Sachen werden geschützt. Der wichtige Gedanke, daß auch wertvolle eigene Sachen, an deren Erhaltung das Volk ein Interesse hat, nicht vom Eigentümer zerstört werden dürfen, kann nicht als Anhängsel gebracht werden. Professor Dr. Dahm: Ich glaube, „Gemeinwohl" würde das treffen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, der Gedanke ist klar, wir wollen nicht beschränken auf das wirtschaftliche Haben. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: W ir wollen zweierlei, einmal den ethischen Wert schützen und zum anderen ein Volksgut von bedeu­ tendem Werte. Staatssekretär Dr. Freister: Ich meine, daß das erreicht würde, wenn man für das Wort sittenwidrig einen besseren Ausdruck setzt. Aber es scheint mir etwas anderes zu sein, wenn man in fremde und nicht fremde Sachen teilt. Warum eine Gemeingesahr nur eine Gefahr für fremdes Eigentum ist, vermag ich nicht einzusehen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as erwähnte Beispiel von dem Umlegen der Brandmauer paßt hier nicht, denn hier handelt es sich überhaupt nicht um eine rechtswidrige Handlung. Wir könnten im übrigen Brandstiftung, Explosion und Überschwemmung zusammenfassen, diese drei T at­ bestände unterscheiden sich bloß durch die Hauptworte. Senatspräsident Professor Dr. Klee: W ir können doch auch die Brunnenvergistung hin­ einnehmen, denn es kann sein, daß durch Brunnen­ vergistung eigenes Eigentum, nämlich eigene Tiere, gefährdet wird. Staatssekretär Dr. Freister: D as italienische Strafgesetzbuch führt auch die Lawinengefahr an; das gleiche gilt für die Herbei­ führung des Steinschlages. Neben dem Hauptwort Überschwemmung könnte beides angefügt werden. Lawinengefahr und Steinschlag kann man auch herbei­ führen, ohne daß man Schutzeinrichtungen beseitigt wie bei der Überschwemmung. Professor Dr. Dahm: E s gehören zusammen: Aus der einen Seite Brandstiftung und Explosion, auf der anderen Über­ schwemmung und die Verursachung anderer N atur­ katastrophen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: W ir können auch nur Brandstiftung und Explo­ sion zusammenfassen. W ir kämen nunmehr zur Strandung, die sich von allen anderen dadurch unterscheidet, daß der Kreis der

betroffenen Personen von vornherein bestimmt ist. Die Strandung wurde vom Herrn Senatspräsidenten Klee mehr zu den Verkehrsdelikten gerechnet. Staatssekretär Dr. Freister: Ein Zusatzantrag: Ein Luftfahrzeug zum Absturz bringen. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer: An sich haben wir § 230, der auch die Störung der Luftfahrt umfaßt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin der Ansicht, man könnte das Luftfahrzeug erwähnen. Vizepräsident Grau: Ich möchte glauben, daß für die Strandung eines Schiffes die konkrete Gemeingefahr nicht paßt. Ich würde ganz klar sagen, daß eine Gefahr für die I n ­ sassen des Schiffes, das Schiff selbst oder die Ladung herbeigeführt sein muß. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer: Beim Herabstürzen eines Luftschiffs kann doch auch eine Gemeingefahr herbeigeführt werden. Ministerialdirektor Schäfer: M ir schwebt als Fassung vor: „Die Annahme einer Gemeingesahr wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß nur bestimmte Personen oder Güter gefährdet werden". Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn wir das so formulieren, können wir die Strandung in dieser Form stehen lassen; wir würden also hier das Luftfahrzeug herausnehmen. Dann wäre hier noch die Frage der Begünstigung. E s ist der Vorschlag gemacht worden, die Bestimmung nicht nur auf die Begünstigung zu beschränken, son­ dern auch zu strafen, wenn jemand die M ittel zur Ab­ wendung der Gefahr beschädigt. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Wenn wir für den Fall, daß jemand die Lösch­ geräte wegbringt, die Strafbarkeit erhöhen wollen, dann müßte das gleiche gelten, wenn jemand Brenn­ stoffe aufstapelt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, das könnten wir im Strafrahm en zum Ausdruck bringen. Professor Dr. Dahm: Wie ist es. wenn jemand verpflichtet ist, die Aus­ breitung des Feuers zu verhindern, und es unterläßt die Feuerwehr zu holen? Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Generalklausel „oder in anderer Weise" um­ faßt auch die Unterlassung. W ir kämen nun zur Brunnenvergiftung. Senatspräsident Professor D r. Klee: M an könnte daran denken, auch die Luftver­ giftung anzuschließen. Es müßten auch hier die Ge­ genstände, die im Interesse des allgemeinen Wohls zu schützen sind, einbezogen werden.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W oran denken S ie da, Herr Professor, an Gase, die durch Feuerungsanlagen hervorgerufen werden? Senatspräsident Professor Dr. Klee: J a . Ich dachte auch an den Fall, der sich vor einigen Jahren in Hamburg-Altona zugetragen hat. Es müßte sich um ein vorsätzliches oder auch fahr­ lässiges Verpesten handeln. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe gegen die Ausnahme der Luftvergiftung keine Erinnerung. E s fragt sich nur, ob ein Anwen­ dungsgebiet vorhanden ist. Vizepräsident Grau: Ich glaube doch, daß die Luftvergistung praktisch ist. Ich erinnere nur an den Fall, daß die Schädlings­ bekämpfung aus der Lust unvorsichtig vorgenommen wird. Aber nt. E. muß der Tatbestand auch bezüglich der Wasservergistung erweitert werden. Ich denke daran, daß ein Wasserlauf, ein großes Fischterrain oder ein Waldsee vergiftet wird, und dadurch die Fische oder das Wild eingehen. Ich möchte glauben, daß ein Bedürfnis besteht, es auf die Vergiftung jedes Wassers abzustellen, wenn dadurch eine Gemeingefahr herbeigeführt wird. M an kann die Gemeingefahr auch nicht auf Haustiere beschränken, sondern muß als Schutzobjekt alle Tiere, die dem T äter nicht gehören, nehmen. Der Preußische Wirtschastsminister hat darauf hingewiesen, daß unter keinen Umständen genehmigte industrielle Anlagen unter diesen Tatbestand fallen dürsten. M an könnte deshalb vielleicht ausdrücklich sagen, daß gewerbepolizeilich genehmigte Anlagen ausgenommen sind. Insgesamt würde ich den T at­ bestand etwa wie folgt fassen: „Wer Wasser oder die Lust vergiftet oder verunreinigt und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben oder in bedeutendem Um­ fange für Tiere, die dem Täter nicht gehören, herbei­ führt." D as Delikt würde ich „gemeingefährliche Ver­ giftung" nennen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Hier ist wieder die Frage der Abgrenzung wichtig. Von einer Seite ist vorgeschlagen worden, die Ver­ giftung nicht nur aus die Wasservergistung zu be­ schränken, sondern auch aus die Lebensmittelver­ giftung auszudehnen. Ich glaube, das muß im Le­ bensmittelgesetz bleiben. Ich meine, die innere Be­ gründung des Tatbestandes ist die, Wasser und Lust sind die zwei wichtigsten Lebenselemente. Dabei hat man nicht an die Lötung von Konserven oder an die Herstellung bleihaltiger Farben gedacht. „Wer Wasser vergiftet" kann man nt. E. nicht sagen, denn sonst fällt unter die Bestimmung auch der M ann, der auf seinem Waschtisch in einem Glase eine Sublimatpastille auf­ löst. Gemeint ist hier die aqua profluens. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: W ir haben in Sachsen den Fall gehabt, daß plötz­ lich die Fische sämtlich eingingen, weil eine Färberei ein neues Färbemittel ausprobierte.

Vizepräsident Grau: Das würde nicht darunter fallen, weil die Anlage genehmigt ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtnrr: Kann man sich denken, daß dabei Sachwerte, ab­ gesehen von Tieren, gefährdet werden? Dann würde ich schon lieber vorschlagen: „und dadurch eine gemeine Gefahr für Mensch oder Tier herbeiführt". D as ist aber wieder sehr mißlich, weil der ColoradoKäfer auch ein Tier ist. Professor D r. Kohlrausch: Bei Bestrafung der Luftvergiftung könnten wir sehr weit kommen. E s besteht zweifellos auch eine Gesundheitsgefahr, wenn die Menschen schlechte Kohlen verbrennen und keine Schutzapparate be­ nutzen. Z. B. verbrennen die Dampfer auf den Ber­ liner Gewässern schlechte Kohlen, und man atmet minutenlang Ruß und schädliche Gase ein. Ministerialdirektor Schäfer: Vielleicht sollte man sich in § 229 doch auf das eigentliche Trinkwaffer beschränken; daneben haben w ir noch den § 243. Reichsjustizminister Dr. Gürtnrr: Wenn wir jeden Einzeltatbestand in der vorgeschla­ genen Weise ausweiten, dann würden wir den § 243 schließlich überhaupt nicht brauchen. Beim Waffer bin ich der Meinung, daß die Fassung „Wasser und Lust vergiften" sehr weit geht, überhaupt ist die Vergiftung der Luft das tägliche Geschäft jeder Fabriksladt. Professor D r. Gras Gleispach: Angesichts des § 242 entsteht die Frage, ob man überhaupt solche Spezialbestimmungen geben soll. Ich glaube, daß man an den geschichtlich überkommenen Tatbeständen Brandstiftung und Überschwemmung festhalten soll, das halte ich auch für volkstümlich. Staatssekretär Dr. Freister: Das italienische Gesetz sagt: „Wer Trinkwaffer — darin liegt schon eine Einschränkung — oder für die Ernährung bestimmte Stoffe vergiftet, bevor sie geschöpft oder für den Verbrauch verteilt sind". — Durch den letzten Nebensatz wird ausgeschloffen, daß jemand darunter fällt, der im Glase Gift anrührt. Ich glaube, daß man auch die Vergiftung von Tieren einschließlich der jagdbaren Tiere und der Fische unter den Tatbestand bringen muß. Reichsjustizminister Dr. Gürtnrr: Halten die Herren es für notwendig, die kon­ zessionierten Anlagen hier besonders zu erwähnen? M. E. ist das selbstverständlich (Zustimmung). Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: M ir wird ein Fall aus Sachsen berichtet. Der S ta a t stellt in Halsbrücke in großem Maße Arsen her; durch die Rauchgifte wird das Wachstum in der Umgegend beeinträchtigt. Jedes J a h r muß der S taat erhebliche Summen Schadensersatz zahlen. Deshalb wäre die Hervorhebung vielleicht angebracht.

Reichsjustizminister Dr. Gürtnrr: E s ist aber selbstverständlich. Die Luftvergiftung soll also nicht aufgenommen werden. Die Gefahr soll begrifflich beschränkt werden auf die Gefährdung von Menschen und Tieren; es wird wohl nur Trinkwaffer in Betracht kommen. Vizepräsident Grau: W ir würden dann weit hinter dem geltenden Recht zurückstehen, das auch die Gesundheitsgefähr­ dung vorsieht. Wenn man sich auf Trinkwaffer be­ schränkt, so müßte man m. E. die Gesundheitsgefährdung hineinbringen. Professor Dr. Dahm: D as glaube ich nicht; denn wenn der Stoff geeignet ist, die Gesundheit zu zerstören, wird immer eine Gefahr für das Leben vorhanden sein. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer: Unter Trinkwaffer verstehen wir doch nicht das gewöhnliche Flußwasser. Dadurch könnten aber Tiere gefährdet werden; z. B., der Fuhrmann holt Waffer aus der Spree heraus und die Pferde saufen es. Reichsjustizminister Dr. Gürtnrr: Wenn jemand eine Quelle mit Gefahr für Menschen vergiften würde, dann sähe ich das als ein gemeingefährliches Verbrechen an. Staatssekretär Dr. Freister: Ich würde trinkbares Waffer sagen. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer: Bei dieser Ausweitung gibt es überhaupt kein anderes mehr. Reichsjustizminister Dr. Gürtnrr: D as glaube ich nicht, denn manche Salzquellen sind weder für Menschen noch für Tiere trinkbar. Meine Herren, wir kämen nunmehr zu den Ver­ kehrsdelikten, wobei die Frage, wo man die S tra n ­ dung hinsetzt, entschieden zu sein scheint, nämlich zwischen die gemeingefährlichen Delikte im engeren Sinne und die Verkehrsdelikte. Senatspräsident Professor Dr. Klee: F ü r § 230 und § 231 wäre vielleicht zu versuchen, eine Zusammenfassung zu finden; schon rein sprachlich ist das erwünscht. § 232 würde ich in dieser Form be­ lassen. § 233 wollen wir herauslassen. Diese Bestim­ mung wird besser unter die Störung der Arbeitskraft zu bringen sein. Zu § 234 und 235 würde ich die besonders schweren Fälle lassen und dort die Todes­ strafe beibehalten. Wenn die Todesstrafe in § 234 vorgesehen wird, ist § 235 nicht nötig. § 236 kann wohl so bleiben, Gefängnis oder Haft würde man wohl besser statt Geldstrafe sagen. Die Vorschrift über tätige Reue ist zu billigen; die entsprechende Vorschrift des Allgemeinen Teils paßt nicht hierher, da an der von uns jetzt erörterten Stelle die Voll­ endung des Delikts vorausgesetzt ist. Vizepräsident Grau: I n erster Linie möchte ich auch vorschlagen, die §§ 230 und 231 zusammenzufassen. Sollte dies nicht

gewünscht werden, so möchte ich die Störung des Straßenverkehrs an die erste Stelle rücken und die Störung des Eisenbahn-, Schisss- und Luftverkehrs daran anschließen. Bezüglich der Angrifsshandlungen ist im ResEntw. eine ganz erstaunliche Kasuistik ge­ trieben; es sind vier oder jedenfalls drei Gruppen aufgeführt: D as Zerstören, das Bereiten von Hinder­ nissen, die falsche Zeichengebung und dann die Ge­ neralklausel der ähnlichen Eingriffe in den Betrieb oder den Verkehr. Diese Kasuistik ist ausgenommen worden, weil es schwierig ist, aus andere Weise eine richtige Abgrenzung zu finden; denn es sollen nur wirklich gefährliche Eingriffe unter diese schwere Strafe gestellt werden. Ich glaube aber, wir könnten vielleicht diese Kasuistik dadurch überflüssig machen, daß wir sagen: „Wer die Sicherheit des Betriebes durch gefährliche Eingriffe in den Betrieb stört". D a­ bei könnte man vielleicht noch die eine oder andere Art des Eingriffs als Beispiel erwähnen. Zum Tatbestand des § 232 habe ich nichts zu er­ innern; ob die Mindeststrase von zwei Monaten richtig ist, ist mir zweifelhaft. § 233 muß m. E. aus diesem Zusammenhange ausscheiden; denn er ist eines der wichtigsten Delikte gegen die nationale Arbeitskraft. Bei § 234 wird die Möglichkeit der Todesstrafe vor­ zusehen sein. § 235 kann gestrichen werden. Die fahr­ lässige Begehung nach § 236 ist bei der Brandstiftung in letzter Zeit besonders wichtig geworden; ich er­ innere nur an die vielen Waldbrände. Wenn durch Fahrlässigkeit eine Gemeingefahr herbeigeführt wird, möchte ich Gefängnis ohne Beschränkung, daneben auch Haft, androhen. -Uber § 237 kann man ver­ schieden denken; ich möchte ihn streichen; denn wenn schon eine Gemeingefahr herbeigeführt ist, dann geht es m. E. nicht an, noch Straffreiheit eintreten zu lassen. Wenn man ihn beibehalten will, so ist der Gesichtspunkt maßgebend, dem Täter einen möglichst großen Anreiz für die Beseitigung der Gemeingesahr zu geben. Reichsjustizminister Dr. Gürtnrr: W ir kämen zu den einzelnen Fällen. Der Wunsch geht dahin, § 230 und § 231 zusammenzufassen. Die zweite Beanstandung ist die Kasuistik. Ich glaube, wir würden dem § 230 das Lebenslicht ausblasen, wenn wir die Tatbestände des Bereitens von Hinder­ nissen und des falschen Signals beseitigten. M an muß nur prüfen, ob man die Kasuistik nicht etwas vereinfachen kann. Die Frage, ob in § 231 die Sicherheit des Schiffs- und Luftverkehrs einbezogen werden kann, bedarf noch näherer Prüfung. Zu § 232 hätte ich nur eine Anmerkung zu machen. Ich bin darauf hingewiesen worden, daß es Schutzvorrichtun­ gen gibt, die die N atur geschaffen hat, z. B. den bei uns sehr bekannten Schutzwald; nt. E. kann man hier das Wort „Schutzanlage" gebrauchen. Die Meinung, daß § 233 nicht unter die gemeingefährlichen Delikte gehört, scheint mir allgemein zu sein. Hier wäre diese Bestimmung auszuscheiden mit der Anmerkung, daß sie zum Abschnitt Soziale Arbeitskraft gehört. Die Strafe müßte wohl lauten: „ I n besonders schweren Fällen Zuchthaus bis zu 10 Jahren oder Todesstrafe." Bei den besonders schweren Fällen kann man wohl nicht anführen „oder wenn der Tod eingetreten ist".

E s könnte dazu aber gesagt werden: „Insbesondere wenn die Herbeiführung von Furcht oder Schrecken bezweckt ist". Daß die fahrlässige Begehung strafbar sein soll, wird wohl keine Erinnerung hervorrufen; die Strafdrohung wäre Gefängnis oder Haft, damit wäre implizite die Geldstrafe angedroht. Die tätige Reue ist hier nicht tätige Reue im Sinne des Allge­ meinen Teils, sondern rep a ra tio damni. Nun hat Herr Vizepräsident Grau vorgeschlagen, den P a ra ­ graphen überhaupt zu streichen; dem würde ich drin­ gend widerraten. Der M ann, der die Brandstiftung begangen hat, hat sie doch schon vollendet, wenn das Objekt Feuer gefangen hat; ihm eine Prämie dafür auszusetzen, daß er es nun noch schützt, halte ich nicht für entbehrlich. D as ist wohl die überwiegende Meinung. Würden Ih re Bedenken, Herr Kollege Grau, nicht dadurch gemindert werden, daß die M il­ derung nicht obligatorisch ist? (Zustimmung des Herrn Vizepräsidenten Grau.) Staatssekretär Dr. Freisler: Ich darf nur zu dieser Gruppe vormerken: Die Vergiftung von Gegenständen des täglichen Bedarfs und die beiden Grundtatbestände des Geschlechts­ krankheitengesetzes. Professor Dr. Dahm: Zur Frage des Fahrlässigkeitsdelikts möchte ich bemerken, daß die Brandkassen Wert auf eine Um­ kehrung der Beweislast für den Fall legen, daß der Täter feuerpolizeiliche Bestimmungen übertritt. Der Nachweis dieser Übertretung ist häufig leicht, der Nachweis des Kausalzusammenhanges sehr häufig schwierig. M an könnte erwägen, ob man den Kausal­ zusammenhang beim Nachweis solcher Nachlässigkeiten nicht ohne weiteres vermuten soll. Ich würde mich aber nicht dafür entscheiden. Denn darin läge eine Durchbrechung prozessualer Grundsätze, zu der hier doch kein hinreichender Anlaß besteht. Man muß eben darauf vertrauen, daß die Gerichte von Fall zu F all das Richtige treffen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Dem liegt folgende Vorstellung zu Grunde: Bei der Verlegung der Kraftstromleitungen in Scheunen werden oft die Vorschriften nicht beachtet; meist handelt es sich um Leichtsinnigkeiten, die über alles M aß des Verständlichen hinausgehen. Die Brandversicherungsanstalten wollen dagegen einen starken Druck ausüben; aber so weit kann man nt. E. nicht gehen. Professor D r. Graf Gleispach: M an könnte die hochgradig fahrlässige Gefährdung an sich mit der objektiven Bedingung, daß der Brand ausgebrochen ist, unter Strafe stellen; mir würde das aber nicht sehr sympathisch sein. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Bei der Sabotage eines lebenswichtigen Betriebes könnte die Frage auftauchen, ob man von der Auf­ zählung dieser Betriebe absehen und etwa sagen könnte: „Versorgung mit Wasser, Licht oder Kraft", wobei dann noch eine Generalklausel anzuschließen wäre; vielleicht könnte man auch sagen „für daS allge­ meine Wohl besonders wichtige Betriebe". M an kann nicht voraussehen, welche Betriebe in Zukunft noch

hinzukommen. E s ist ferner abgestellt auf öffentliche Einrichtungen oder staatliche Anstalten, die der Landesverteidigung dienen. E s ist der Wunsch ge­ äußert worden, die Adjektiva zu streichen, denn es gibt auch private Einrichtungen, die von großer Be­ deutung für die Landesverteidigung sein können. Endlich ist zu prüfen, ob es richtig ist) die einzelnen Sabotagehandlungen aufzuzählen. E s ist auch denk­ bar, daß der Täter die Angestellten des Betriebes von der Erfüllung ihrer Pflichten abhält. D as würde aber vielleicht besser in den Abschnitt über den Schutz der Arbeitskraft ausgenommen werden, wo die Ver­ anlassung von Streiks als Spezialdelikt zu bestrafen sein wird. I n besonders schweren Fällen ist selbst­ verständlich Zuchthaus angebracht, man könnte auch erwägen, fakultativ die Todesstrafe zur Verfügung zu stellen. Zu § 239 hätte ich nichts zu erinnern. Vizepräsident Grau: Um zu § 238 und zu § 239 die richtige Stellung­ nahme zu finden, muß man sich klar werden, ob die Verhinderung eines wirtschaftlichen Betriebes, der nicht lebenswichtig ist, auch ohne Sabotagehandlungen strafbar gestellt werden soll. M an muß also ausgehen von der allgemeinen Stellungnahme zu Streik und Aussperrung. Ich möchte grundsätzlich jede Ver­ hinderung eines Betriebes durch Streik oder Aus­ sperrung verbieten und mit Gefängnis bestrafen. Geht man davon aus, dann ist es klar, daß § 238 und § 239 in zweifacher Hinsicht besonders schwere Fälle dieses Grundtatbestandes darstellen, einmal wegen des Angrisfsobjekts, das hier lebenswichtige Betriebe sind, und zum andern wegen der Angriffs­ handlungen, die hier Sabotageakte sind. Ich würde deshalb im ordentlichen Strafm aß eine Mindeststrafe von 6 Monaten Gefängnis für angebracht halten. I m Tatbestand des § 238 RefEntw. fehlt hinsichtlich der aufgeführten Betriebe eine Generalklausel. Ich würde ohne weitere Kasuistik Betriebe oder Anstalten, die für das gemeine Wohl besonders wichtig sind, sagen. Bei den Angriffshandlungen ist die Auf­ zählung vielleicht zu eng; man könnte neben der Sachsabotage auch die Personensabotage in den Tatbestand aufnehmen. Ich würde deshalb vorschlagen: „Wer für das gemeine Wohl besonders wichtige Betriebe oder Anstalten dadurch verhindert oder stört, daß er Bestandteile oder Zubehör beschädigt usw. oder bös­ willig außer Tätigkeit setzt, oder daß er Betriebs­ angehörige mit Gewalt oder Drohung von ihrer Tätigkeit abhält . . Bezüglich der Verhinderung einer Fernmeldeanlage kann man daran denken, diesen Fall in § 238 einzubauen. D as ist aber nicht möglich, weil hier ein Fahrlässigkeitstatbestand ge­ bracht werden muß. Gegen die Fassung habe ich keine Bedenken. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Trennung beider ist deswegen praktisch, weil in einem Gesetz von 1927 die Fernmeldeanlagen be­ sonders behandelt sind. Ich glaube, bevor wir aus § 238 und § 239 im einzelnen eingehen, müssen wir uns folgende Frage vorlegen: Wollen wir Sachsabotage und Personen­

sabotage zusammennehmen? Hier ist nur die Sach­ sabotage gemeint. Wenn wir beide strafen wollen, würde der Streik und die Abhaltung Arbeitswilliger durch Gewalt unter die Personensabotage fallen. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich möchte auch gewisse Erscheinungsformen der sogenannten passiven Resistenz hier einbeziehen. Ich denke z. B. an den Betrieb der Eisenbahn. Bei Eisenbahnunfällen entschuldigen sich die dafür belangten Beamten oft damit, daß sie die Vorschriften, deren Verletzung ihnen zum Vorwurf gemacht wird, gar nicht hätten befolgen können. Die Vorschriften seien so, daß sie bei deren genauer Einhaltung, den Betrieb nur zum Stillstand bringen oder gar gefährden würden. Eisen­ bahnsachverständige bestätigen das auch. Es ist also durchaus möglich, durch bewußt überpeinliche Befol­ gung der Dienstvorschriften den Betrieb der Eisen­ bahn lahmzulegen. Solche Fälle müßten nt. E. straf­ rechtlich zu ahnden sein. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as ist sicher Personensabotage und würde dann nicht hierher gehören. Nachdem wir uns über die systematischen Grund­ fragen geeinigt haben, drängt sich der Wunsch aus, ob man nicht die Fassung etwas anders wählen könnte, insbesondere weil späterhin Betriebe lebens­ wichtig sein können, die es heute nicht sind. Die Ge­ schichte hat folgendes gezeigt: W ir haben 1919 in Bayern eine Antiterrorgesetzgebung gemacht und die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsbetriebe aufgenommen. Sehr bald hat sich gezeigt, daß das nicht reicht, und dann haben wir lebenswichtige Betriebe gesagt. Es wurde nichts katalogmäßig aufgezählt, damit man noch andere Betriebe darunter fassen konnte. Staatssekretär Dr. Freister: Lebenswichtig ist ein Begriff, dessen Umgrenzung wechseln kann, weil zu verschiedenen Zeiten Verschie­ denes lebenswichtig sein kann. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: F ü r den Aufbau der Formulierung können wir auf den Begriff „lebenswichtiger Betrieb" nicht ver­ zichten. S oll nun dieses Merkmal nur für die öffentlichen Betriebe zutreffen? Staatssekretär Dr. Freister: D as bedeutet eine Einschränkung des Begriffes lebenswichtig, das halte ich nicht für angebracht. Ich bin der Meinung, es kommt auf den Zweck und auf die Lebenswichtigkeit an. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Gemeint ist es schon so, daß der Betrieb nicht gerade in der Hand des S taates zu sein braucht. Dann käme die Handlung; da heißt es: „Verhindert oder zerstört oder böswillig außer Tätigkeit setzt". Staatssekretär Dr. Freister: Ich halte eine solche kasuistische Umgrenzung für gefährlich und möchte eine Generalklausel nehmen.

Reichsjustizminister Dr. Gärtner: E s ist der Fall vorgekommen, daß in einem großen Kraftwerke Bayerns ein Generator in die Luft ge­ flogen ist, wodurch ungeheurer Schaden angerichtet wurde. M an hat behauptet, die Explosion sei dadurch entstanden, daß ein Arbeiter einen Nagel in den Anker eingeschlagen habe. Fällt das darunter? Staatssekretär Dr. Freister: Wenn ich in ein Räderwerk etwas hineinklemme, dann ist das Beschädigen. Aber: Beseitigen, Beschä­ digen und Außertätigkeitsetzen sind alles drei neutrale Handlungen; dann kann nicht allein bei dem Außer­ tätigkeitsetzen böswillig stehen. Ministerialdirektor Schäfer: Meiner Erinnerung nach hat folgender Fall An­ laß gegeben, das Wort „böswillig" einzusetzen: Bei einem Streik verläßt die Belegschaft den Betrieb; wenn sie dabei nicht gewisse Maschinen außer T ätig­ keit setzt, würde das größte Unglück entstehen. D as „Außertätigkeitsetzen" erfolgt hier also in guter Ab­ sicht und darf dann nicht strafbar sein. D arf ich vor­ schlagen, daß die Unterkommission die Frage nachprüft? Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Außertätigkeitsetzen kann nur dann hierher ge­ hören, wenn es zu dem Zweck erfolgt, eine Störung herbeizuführen. Es hat keinen Widerspruch gefunden, Fernmelde­ anlagen besonders zu erwähnen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Zu § 240 hat die Preuß. Denkschrift vorgeschlagen, das Delikt auf alle Verkehrsmittel zu erweitern. Ich glaube, im Vordergrund steht der Gesichtspunkt, daß der Verkehr des Schiffes gefährdet wird. D as ließe sich auch auf andere Verkehrsmittel ausdehnen. Unter dem Gesichtspunkte der Gefährdung des Verkehrs gehört die Bestimmung hierher. Vizepräsident Grau: Die Bestimmung gehört m. E. nicht hierher; denn der Erfolg der Handlung ist nur, daß das Schiff oder die Ladung beschlagnahmt wird. Das gehört aber nicht zu den gemeingefährlichen Delikten; es ist viel eher als Wirtschastsvergehen anzusehen. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Wenn S ie sich vorstellen, daß das Schiff im Kriege angehalten wird, weil es Bannware führt, und daß es ausgebracht wird, dann wird immerhin der Verkehr gestört. Vizepräsident Grau: Bei den anderen Verkehrsstörungen war immer das Wesentliche, daß dadurch Gemeingefahr entstand. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Eine sehr wichtige Frage ist das nicht. Ich würde es vorläufig hier stehen lassen. Den Tatbestand selbst haben die Herren nicht beanstandet. Senatspräsident Professor Dr. Klee: I n § 241 RefEntw. ist in erster Linie nicht an Bauhandwerker gedacht, sondern an das Publikum, das dort wohnt oder in die Nähe des Bauwerkes kommt. Die Beschränkung auf die Bauhandwerker halte ich für willkürlich. Es ist von Herrn Vize­

präsidenten Grau darauf hingewiesen worden, daß § 367 Nr. 15 S tG B , den Zweck hätte, das Publikum zu schützen. Es handelt sich da um eine Übertretung, es ist also zweifelhaft, ob sie in das Strafgesetzbuch hineingehört. Derartige Bestimmungen finden sich auch in den Bauordnungen. M an kann nicht sagen, daß nur § 367 S tG B , im Gegensatz zu § 330 StG B , den Publikumsschutz im Auge hat. Bei § 330 (241 RefEntw.) handelt es sich um eine Gemeingefahr, und ich würde deshalb den Paragraphen hier lassen. E s kommt sogar eine Erweiterung des Tatbestandes in Frage. Der schwedische Entwurf will die Bestimmung auf Lieferung minderwertigen Baumaterials aus­ dehnen; das scheint mir sehr erwägenswert zu sein. Der Fall ist gar nicht selten. M. E. müßte auch die Gefährdung durch fehlerhafte Anlage einer Maschine oder eines Kessels, ebenso die Konstruktion aus minderwertigem M aterial einbezogen werden. Es ist, wenn der Einsturz oder die Explosion nach Jah r und Tag erfolgt, schwer, wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen, weil die Voraussehbarkeit nicht nachgewiesen werden kann. Es kann auch sein, daß die Arbeiter zufällig nicht in die Nähe des explodierten Kessels gekommen sind und nichts passiert ist; dann kommt Tötung nicht in Frage. Die Hauptsache ist, auch zu be­ strafen, wenn es nur bei der Gefährdung geblieben ist. Vizepräsident Grau: Ich hatte vorgeschlagen, diesen Paragraphen in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft" zu setzen. Ich habe nicht übersehen, daß auch das Publi­ kum darin geschützt werden soll. Ich habe aber ganz allgemein das Bestreben, diesen neuen besonders wichtigen Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeits­ kraft"' auszufüllen. Gegen die vorgeschlagene E r­ weiterung. habe ich keine Bedenken. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Nach meiner Beobachtung ist die Verfehlung gegen einen Paragraphen wie diesen in aller Regel fahr­ lässig; ich bitte, das zu beachten. W as mir hier vor­ schwebt, ist der Gerüsteinsturz oder der Einsturz von Bauteilen. M an braucht sich das nicht als typisches Arbeiterdelikt vorzustellen. Die beantragte Erweite­ rung betrifft die Lieferung von schlechtem Material, z. B. Kunststein ist im Winter geliefert und eingebaut worden, im Sommer ist der Bau wegen Lockerung des Gefüges eingestürzt. Weiter kommen Maschinen und Kessel hinzu. Ich gebe zur Erwägung, ob man hier die allgemeine Gefahr nicht zu weit ausdehnt; dann bleibt für § 243 nicht viel übrig. Allerdings wird in den Fällen des § 241 nicht die Herbeiführung einer gemeinen Gefahr verlangt, und deshalb brauchen diese Fälle nicht unter § 243 zu fallen. Staatssekretär D r. Freisler: Ich bin der Meinung, daß ein Kessel auch ein Bauwerk ist; im Leuna-Werk ist Maschine und B au­ werk nicht zu trennen. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Nur dürfen wir dann den Ausdruck Baukunst nicht verwenden. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Die Lieferung schlechten M aterials fällt nicht unter die Regeln der Baukunst.

Reichsjustizminister D r. Gärtner: W ir sollten diesem beschränkenden Wort Baukunst etwas anfügen, daß sich keine Zweifel ergeben; sagen w ir Baukunst oder Technik. D as M aterial, glaube ich, brauchten wir dann nicht besonders zu erwähnen. Senatspräsident Professor Dr. Kl.ee: Bei § 242 ist zu prüfen, ob man Schutzmaßregeln gegen Menschenseuchen und gegen Tierseuchen trennen soll. Da wir den Begriff der Gemeingefahr auch auf Tiere ausgedehnt haben, kann man Tierseuchen ohne Zwang auch hierher bringen. Ich möchte ferner § 5 des Geschlechtskrankheitengesetzes hier einbeziehen; denn auch dort steht der Gedanke der Gemeingesährdung im Vordergründe. Die große Frage ist, was mit der Spezialgesetzgebung Viehseuchengesetz, Rinderpest­ gesetz usw. werden soll. Es ist unmöglich, dies alles einzuarbeiten, die Dinge sind ständig im Fluß, und es handelt sich häufig um Blankettbestimmungen für lokale Seuchengesahren. Es müßte aber im S traf­ gesetzbuch der subsidiäre Charakter der Bestimmung gegenüber den Vorschriften der Nebengesetze zum Aus­ druck gebracht werden, vielleicht in der Form : „soweit nicht in anderen Gesetzen höhere Strafen angedroht sind". Unbedingt nötig ist es aber, vorbehaltlich näherer Prüfung, nicht, denn die anderen Bestim­ mungen gehen als Spezialgesetze vor; Jdealkonkurrenz wird hier kaum in Betracht kommen. Vizepräsident Grau: Gegen den In h a lt des § 242 habe ich keine Erin­ nerung. Ich halte es aber für bedenklich, hier nicht die Subsidiarität zum Ausdruck zu bringen. Ich würde ferner vorschlagen, die Grundbestimmungen des Geschlechtskrankheitengesetzes in das Strafgesetzbuch zu bringen, aber nicht als Anhang zu § 242, sondern wegen ihrer Wichtigkeit in einem besonderen Tat­ bestand. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Die Bestimmung, wie sie hier steht, ist tatbe­ standslos; daß wir hier Tatbestände formulieren können, halte ich für ausgeschlossen. Meiner Ansicht nach müßten wir auch die Pslanzenseuche hinzu­ nehmen. Menschen- und Tierseuchen sollte man nicht trennen, weil überall Übergänge bestehen. Die Grund­ frage ist: Halten die Herren einen Blankettatbestand für die Abwehr von Seuchengefahr überhaupt für notwendig? Die Schwierigkeit ist das Verhältnis zum Nebenstrafrecht. Z. B. lautet § 5 des Geschlechts­ krankheitengesetzes: „Wer den Beischlaf ausübt, ob­ wohl er an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrankheit leidet und dies weiß oder an­ nehmen muß, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft, sofern nicht nach den Vorschriften des S traf­ gesetzbuchs eine härtere S trafe verwirkt ist". Damit ist die Körperverletzung gemeint. Wenn w ir diese Bestimmung beibehalten, und das müssen wir, wenn w ir dem Geschlechtskrankheitengesetz nicht den In h alt nehmen wollen, dann müßte hier ein Blankettatbe­ stand bleiben, dann müßte diese Strafdrohung mit allen anderen, die wir haben, verglichen werden. Es ergibt sich damit aber ein merkwürdiges Verhältnis zum Geschlechtskrankheitengesetz.

Staatssekretär D r. Freisler: Ich halte es für dringend erwünscht, alle wichtigen Bestimmungen aus dem Nebenstrafrecht hierher zu holen; ich halte das auch für möglich. D as Verhalten des Volkes wird an den allgemeinen Strafgesetzen gemessen. Unser bisheriges Strafgesetzbuch gab aber keinen Spiegel des Strafrechts, weil es wichtigste Bestimmungen nicht enthielt. Grundsätzlich möchte ich deshalb die wichtigsten Bestimmungen aus den Nebengesetzen in das S tG B , einbeziehen. M an kann das aus dreierlei Weise tun, daß man Blankettatbestände schafft, daß man Bestimmungen materiell herüberholt, oder daß man neue beinhaltete Bestim­ mungen trifft. F ür die letzte Möglichkeit ist Beweis das italienische Strafgesetzbuch; dort heißt es: „Wer eine Seuche durch Verbreitung krankheitserzeugender Keime hervorruft, wird mit Zuchthaus bestraft." D as ist ein Musterbeispiel von ungeheurer Wirkung. M an könnte allerdings diesen Paragraphen durch den Hin­ weis, daß jemand den Schnupfen überträgt, geradezu lächerlich machen. F ü r den gesunden Menschenver­ stand ist eine solche Bestimmung aber nicht mißzuverstehen. Ich möchte empfehlen, einen ähnlichen Tatbestand hier aufzustellen. M an sollte damit noch etwas kombinieren und neben einem solchen Tatbe­ stand noch Einzelbestimmungen hinzunehmen, so z. B. § 5 des Geschlechtskrankheitengesetzes. Diese Debatte wird man aber nur führen können, wenn ein Über­ blick über alle in Betracht kommenden Bestimmungen vorliegt. Professor Dr. Kohlrausch: Ich möchte auf eine beiläufige Bemerkung von Professor Klee, daß, wenn wir § 5 des Geschlechts­ krankheitengesetzes übernehmen, was ich empfehlen möchte, das Antragserfordernis fallen müßte, er­ widern, daß mir das nicht richtig scheint; man muß hier den Willen des Verletzten respektieren, daß der Fall nicht vor Gericht erörtert werden sollte. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Ich könnte mir vorstellen, daß jemand eher Selbst­ mord begeht, als daß seine Infektion zur Kognition eines Gerichtes kommt. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Der Vorschlag der Einarbeitung von nebengesetz­ lichen Bestimmungen ist keine Rechtsfrage, sondern eine technische. I m allgemeinen dienen wir dem Strafgesetz, wenn wir alles und nur das hinein­ nehmen, was das Volk bewegt. Deshalb müßten die Vorschriften über die Geschlechtskrankheiten im S tG B , erscheinen. D as geht aber nicht in der Form, wie sie z. Z. bestehen. Sicher ist auch, daß wir nicht alle nebengesetzlichen Bestimmungen einbeziehen können. Ich halte die italienische Lösung auch nicht für richtig, sie ist unübersichtlich und steht in zahllosen Kompli­ kationen mit den speziellen Vorschriften. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: E s handelt sich um die Frage: Brauchen wir über­ haupt ein Nebenstrafrecht, oder können wir alles zu­ sammen in das Strafgesetzbuch nehmen? D as scheint mir aussichtslos zu sein. Zweitens: Wenn wir Neben­ strafgesetze haben, dann würde das Geschlechtskrank­ heitengesetz ganz seine Wirkung verlieren, wenn ge-

rade die beiden wichtigsten Tatbestände, § 5 und § 6, nicht drin stehen. D ann die dritte Frage: Soll das allgemeine Strafgesetzbuch diese kapitalen Tatbestände des Nebenstrasgesetzes übernehmen? Ich glaube, man kann es tun, allerdings nur mit weisester Beschrän­ kung. Endlich viertens der Gedanke, einen solchen Programmsatz wie im italienischen Strafgesetzbuch in das Gesetz hineinzuschreiben mit einer Strafe, die nach meinem Gefühl völlig unmöglich ist, geht nicht. Ich könnte mir vorstellen, daß die §§ 5 und 6 des Geschlechtskrankheitengesetzes ausgenommen werden; dann hätten wir von den Menschenseuchen das Wesent­ lichste weggenommen. Bei den Tierseuchen geht es, wenn überhaupt, nur mit einem Blankettsatz. Staatssekretär Dr. Freisler: Den italienischen Tatbestand möchte ich im S tra f­ gesetzbuch nicht vermiffen; ich denke daran, daß jemand Cholerabazillen verbreitet. Reichsjustizminister Dr. Gürtnex: D as würde unter § 243 fallen. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bitte zu bedenken, welche Wirkung die italie­ nische Bestimmung und welche § 243 hat; für den Leser ist das ein grundlegender Unterschied. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich könnte mir allenfalls noch diesen Gedanken als Illustration zu Abs. 2 des § 243 vorstellen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte doch, abweichend von meiner früheren Stellungnahme, mit Rücksicht aus die große Bedeutung der Materie dafür eintreten, daß die Hauptbestim­ mungen des Sprengstoffgesetzes in das Strafgesetzbuch übernommen werden. Profeffor Dr. Kohlrausch: Historisch war es so, daß bei der Schaffung des Strafgesetzbuchs Dynamit noch nicht bekannt war; deshalb hat man ein besonderes Gesetz gemacht. Ich halte es für richtig, eine Bestimmung über Sprengstoff im Strafgesetzbüch zu bringen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Unsere Ausgabe ist, eine allgemeine Einstellung zu der Behandlung des Nebenstrafrechts zu gewinnen, und da scheint mir die Meinung zu sein, daß man monumentale Tatbestände des Nebenstrafrechts in das Strafgesetzbuch hineinnehmen sollte. Senatspräsident Profeffor Dr. Klee: § 243: Die gemeingefährliche Lebensgesährdung ist etwas ganz anderes als die Einzelgefährdung. Trotz der verschiedenen Einzelgefährdungstatbestände ist dieser Paragraph notwendig. M an kann nicht wiffen, welche Arten der Gefährdung bei weiterer Entwicklung der Technik noch hinzukommen. Zweifel­ haft ist mir, ob „wissentlich" hierher gehört; „ge­ wissenlos" allein ist vielleicht besser, um -auch die Fälle der groben Fahrlässigkeit treffen zu können. Vizepräsident Grau: E s besteht ein Bedürfnis für diesen allgemeinen Lebensgefährdungstatbestand, weil manche Fälle nicht von den Sonderbestimmungen erfaßt werden. Dieser Paragraph ist eine alte Forderung der Arbeitsrechtler. Ich sehe auch kein Bedürfnis dafür, wiffentlich und

gewissenlos zu sagen; das letztere allein würde wohl genügen. Ich möchte als weiteren Tatbestand die Hilfeleistungspflicht bei Gemeingefahr vorschlagen. I m Allgemeinen Teil haben wir bezüglich der Untere lassungsdelikte eine Pflicht zum Handeln nur dann normiert, wenn eine rechtliche Verpflichtung dazu besieht. Es gibt aber eine Reihe von Fällen, in denen das Volk eine Bestrafung auch dann verlangt, wenn eine sittliche Pflicht zum Handeln bestand. Wir haben diese sittliche Pflicht zum Handeln bereits bei den Tötungsdelikten anerkannt. Ich meine, wenn wir bei der Lebensgefahr einer einzelnen Person eine B ei­ standspflicht normieren, dann ist folgerichtig diese Hilfeleistungspslicht auch bei Gemeingefahr anzu­ erkennen. Auch hier kann man es aus die Zumut­ barkeit nach der gesunden Volksanschauung abstellen. Dann braucht man die Fälle, in denen der Täter selbst die Gefahr herbeigeführt hat, nicht besonders zu erwähnen; denn da ist die Hilfeleistungspslicht selbst­ verständlich. M an könnte etwa formulieren: „Wer bei gemeiner Gefahr oder Not seine sittliche Pflicht zur Menschenhilfe dadurch verletzt, daß er seinen in Lebensgefahr befindlichen Volksgenossen nicht bei­ springt, obwohl die gesunde Bolksanfchauung die Rettung erwartet, wird bestraft". Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die gewissenlose Gefährdung der Gesundheit der Arbeiter in einer Mühle, wo keine Entstaubungs­ anlage vorhanden ist, kann man nicht hierunter nehmen. E s fragt sich, ob man auf das Merkmal „wiffent­ lich" verzichten soll; ich möchte es nicht, denn es ist doch ein grober Tatbestand. Weiter, soll die Gefahr auf die Gefährdung von Menschenleben beschränkt bleiben? Wohl ja. I m geltenden Recht macht sich strafbar, wer bei Unglückssällen oder Gemeingefahr oder Not von der Polizeibehörde zur Hilfe aufge­ fordert, keine Hilfe leistet, obgleich er der Aufforderung ohne erhebliche eigene Gefahr genügen konnte. Die Aufforderung der Polizeibehörde müßte auf alle Fälle fortfallen. Jetzt bitte ich,' den Tatbestand des § 248 b Abs. 2, in der Fassung der Vorschläge der U.-Komm. Nr. 16, der parallel liegt, zu vergleichen. Danach wird bestraft, wer seine sittliche Pflicht zur Menschenhilfe dadurch verletzt, daß er einem Hilflosen, der sich in einer sein Leben gefährdenden Lage befindet, nicht beispringt, obwohl die gesunde Bolksanschauung ihm zumutet, den Hilflosen aus der Lebensgefahr zu retten. Ich möchte vorschlagen, denselben Maßstab auch hier zu übernehmen. Denken wir an einen uns sehr ge­ läufigen Tatbestand: E in Waldbrand ist in der Nähe eines vom Fremdenverkehr stark belebten Ortes ent­ standen, alles wird aufgeboten, um einen Feuergraben zu ziehen. Da haben wir nach geltendem Recht die Bestimmung, die den strafbar macht, der das nicht tut, wenn die Polizeibehörde die Sommerfrischler auf­ geboten hat. D as wollen wir erhalten, und das fällt nicht unter diese Bestimmung, denn von Gefahr für Menschenleben ist hier gar keine Rede. Die Bestim­ mung müßte in der Nachbarschaft des § 243 stehen. Professor Dr. Mezger: Bei der gemeinen Lebensgefahr halte ich ein Ver­ langen der Polizeibehörde nicht für notwendig; wohl aber dürfte es im übrigen beibehalten werden.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Polizei ist vielleicht nicht da, es bietet ein Privatm ann ein Hilfskorps auf, bis die Polizei oder die Feuerwehr kommt. Ministerialdirektor Schäfer: Wenn -wir die Unterlassung der Hilfeleistung auch bei gemeiner Gefahr für Sachen unter Strafe stellen, so muß m. E. auch § 243 RefEntw. eine Ausdehnung erfahren. Andernfalls bliebe die Herbeiführung der Gefahr für Sachen straflos, obwohl sie sicher straf­ würdiger ist, als die unterlassene Hilfeleistung. Staatssekretär Dr. Freister: Den allgemeinen Gefährdungstatbestand muß man m. E. aus die Sachen ausdehnen; allerdings muß der Täter absichtlich und gewissenlos handeln. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich glaube, die Gemeingefahr ist nicht in Betracht zu ziehen ohne Berücksichtigung der Einzelgesährdung. Wenn man auch Sachen, selbst in subjektiver Ein­ schränkung, einbeziehen will, muß man auch die Ge­ fährdung der Gesundheit einzelner aufnehmen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, wir sollten § 243 auf Menschenleben beschränken, wir kommen sonst ins Uferlose; die Hilfe­ leistung sollten wir auf die unmittelbare Lebensgefahr beschränken. Staatssekretär Dr. Freister: Ich sehe nicht ein, warum bei einem Waldbrand nicht jeder helfen muß; bei gemeiner Not müssen wir die Hilfeleistung verlangen. Professor D r. Kohlrausch: Wem soll Hilfe geleistet werden, jedem, der eine Aufforderung erläßt? Oder ist das Unterlasten eines selbsttätigen Eingreifens strafbar? Staatssekretär Dr. Freister: D as letztere muß bestraft werden. Professor D r. Mezger: Diese Dinge sind so sehr von der Lage des Einzel­ falls abhängig, daß es bedenklich ist, mit einer allge­ meinen Strafbestimmung einzugreifen; wenn dagegen auf gemeine Lebensgefahr abgestellt wird, bin ich für die Hilseleistungspslicht und eine entsprechende S traf­ drohung. Professor Dr. Kohlrausch: Würde das nicht schließlich zu einer allgemeinen Berbrechensverhütungspflicht führen? Staatssekretär Dr. Freister: Nein, denn da wird ein höherer Grad von Be­ tätigung, ein Brachialkampf, verlangt. Professor D r. Mezger: Die Frage rollt das ganze Problem des Unter­ lassungsdeliktes wieder auf. D as ist ein so weites Gebiet, daß es mir bedenklich erscheint, die Frage jetzt unter dem Druck der Zeit in wenig Augenblicken zu erledigen. Ich wäre für Zurückstellung und noch­ malige reifliche Überlegung.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: § 11 a lautet: „Wer es unterlassen hat, einen Erfolg abzuwenden, ist nur strafbar, wenn er rechtlich verpflichtet war, den E intritt des Erfolges zu ver­ hindern". Die Erweiterungen sind nach der Anmer­ kung bei den Sondertatbeständen zu regeln. Senatspräsident Professor Dr. Klee: § 92 a des geltenden Strafgesetzbuchs hat unter Landesverrat sowohl den Fall der Kriegs lieferungsverträge als den der Notstandsverträge gebracht. Nach unserer Einstellung müßten wir bei den gemeingefähr­ lichen Delikten nur die Notstandsverträge bringen und die Kriegslieferungsverträge beim Landesverrat lasten. Wollen wir das tun, dann wäre vorzuschlagen, nicht nur auf Verträge, die mit einer Behörde abge­ schlossen sind, abzustellen. Ferner würde ich vor­ schlagen, an Stelle von Lieferungs- und Besörderungsverträgen von Verträgen schlechthin zu sprechen. Es kann eine Notstandslieserung auch dadurch sabo­ tiert werden, daß man die Arbeitsverträge nicht einhält. Vizepräsident Grau: Ich halte es für einen Schönheitsfehler, daß die Landesverratsnovelle auch die Notstandsverträge auf­ genommen hat. Die Kommission hat sich der Auf­ fassung bereits angeschlossen, daß die Notstandslieseranten hierher gehören. Auch ich möchte nicht den Tatbestand auf Verträge mit Behörden be­ schränken; dabei denke ich z. B. an die Rohstossgesellschaften im Kriege. Ferner würde ich alle Werk- und Arbeitsverträge einbeziehen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, die Frage über die Einordnung der Kriegsverträge halte ich für entschieden. Die Be­ schränkung auf Behörden ist wohl nicht gefährlich, Ünterverträge würden auch dahin gehören'; dagegen müßte die Einengung „Lieferungs- und BeförderungsVerträge" fallen. Welche anderen Tatbestände, die noch nicht be­ sprochen sind, sollen noch im Rahmen dieses Kapitels behandelt werden? Staatssekretär Dr. Freister: Ich wollte auch das Inverkehrbringen von ver­ gifteten Lebensmitteln vorschlagen. Ich bin aber der Meinung, daß dieser Tatbestand vorläufig zurück­ bleiben kann, bis man konkrete Vorschläge über die Frage der Nebengesetze hat. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Der Verband der Feuerversicherungsanstalten in Deutschland hat eine Ehrenstrase als Nebenstrafe für landwirtschaftliche Brandstifter vorgeschlagen, den Verlust der Bauernfähigkeit. Ich mache mir den Vor­ schlag nicht zu eigen, wollte ihn nur der Vollständigkeit halber erwähnen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, damit sind wir am Ende. Die Unterkommission bilden die Herren Senatspräsident Professor D r. Klee, Vizepräsident G rau, Oberlandestzerichtsrat Dr. Schäfer, Ministerialdirektor Dr. D ürr, Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer. (Schluß der Sitzung um 14 Uhr 20 Minuten.)

Strafrechtskommisston

47. Sitzung 20. September 1934 (Oberhos) Inhalt Gemeinschädliches Verhalten Reichsjustizmmisier Dr. G ürtner......................................... 1. 2 Berichterstatter Senatspräsident Professor Dr. Klee ....... 1 Berichterstatter Vizepräsident Grau ................................. 1. 2 Sächsischer Iustizminister Dr. Thierack................................... 2 Professor Dr. Nagler ................................................................. 2 Staatssekretär Dr. F r e iste r ........................................................ 2 Professor Dr. Gras Gleispach .................................................... 2 Professor Dr. Mezger ................................................................. 2

Mißbrauch von Rauschgiften Reichsjustizminister Dr. Gürtner ............................ 3. 5. 6. Berichterstatter Vizepräsident Grau ................................. 3. Berichterstatter Senatspräsident Professor Dr. Klee ....... Professor Dr. Kohlrausch ............................................................ Staatssekretär Dr. Freister ............................................. 6. Professor Dr. Nagler ................................................................. Professor Dr. Graf G leispach.................................................... Sächsischer Iustizminister Dr. Thierack............................ 6. Professor Dr. Mezger ................................................................. Ministerialdirektor Schäfer ........................................................ Landgerichtsdirektor Dr. L o ren z................................................

7 7 4 5 7 6 6 7 7 7 7

Angriff auf fachgebundene Volksgüter Reichsjusttzminister Dr. G ürtn er................ 7. 10. 12. 13. Berichterstatter Vizepräsident G r a u ................................ 7. Berichterstatter Senatspräsident Professor Dr. Klee 9. Sächsischer Iustizminister Dr. Thierack ............................... Staatssekretär Dr. F r e iste r ..................................... 11. 13. Professor Dr. Graf Gleispach ................................................ Ministerialdirektor Schäfer........................................................ Professor Dr. Dahm .................................................................

14 14 12 11 14 13 13 14

Diebstahl, Unterschlagung, Untreue Reichsjusttzminister Dr. G ü rtn er.................... 14. 18. 20. 21 Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer .................. 14 Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch.................... 16. 18 Berichterstatter Professor Dr. D a h m ............................ 18. 21 Berichterstatter LandgerichtsdirektorLeimer ......................... 20

Beginn der Sitzung 9 Uhr. Anwesend sind dieselben Herren wie in der 40. Sitzung. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wir kämen heute zu Ziff. 8 der Tagesordnung: Gemeinschädliches Verhalten.

Ich bitte Herrn Professor Klee, das Wort zu seinem Vortrag zu nehmen.

Senatspräsident Professor Dr. Klee: D as gemeinschädliche Verhalten ist behandelt in Abschnitt 36 des RefEntw., §§ 370 bis 374. Es um­ saßt die Tatbestände: Bettelei, Landstreicherei, ge­ werbsmäßige Unzucht und als Nebentatbestände das Ausschicken von Kindern zum Betteln und die Auf­ forderung zur Unzucht. E s ist die Frage, ob der Abschnitt beibehalten oder aufgelöst werden soll. I m Falle der Auslösung wären die Tatbestände der Bettelei und der Land­ streicherei etwa in den Abschnitt „Schutz der natio­ nalen Arbeitskraft" zu verweisen, die gewerbsmäßige Unzucht in den Abschnitt „Angriffe auf die Sittlich­ keit". Fest steht jedenfalls: Würde man die Bettelei und Landstreicherei in einen anderen Zusammenhang verweisen, dann könnte auch die Gewerbsunzucht nicht isoliert hier stehen bleiben, sondern müßte zwangs­ läufig in den Abschnitt „Angriffe auf die Sittlichkeit" verwiesen werden. Ich möchte für die Aufrechterhaltung des Ab­ schnitts eintreten. Die Preuß. Denkschrift stellt beim Betteln und beim Landstreichen die Schädigung der nationalen Arbeitskraft voran und will diese T a t­ bestände daher in den darauf bezüglichen Abschnitt einstellen. Ich möchte der Auffassung des RefEntw., daß ein besonderer Abschnitt zu bilden sei, den Vorzug geben, und zwar unter dem sowohl aus Bettler und Landstreicher als auf Dirnen zutreffenden leitenden Gesichtspunkt der Notwendigkeit, die auf dem Nähr­ boden des Treibens dieser „gemeinschädlichen Leute" reichlich fließenden Quellen der Kriminalität zu unter­ binden. Von jeher hat man diese Personengruppe in der Gesetzgebung zusammen behandelt. I m einzelnen habe ich zu den Tatbeständen im allgemeinen nichts zu bemerken. Die Tatbestände sind im Zusammenhang mit den Vorschriften des Allge­ meinen Teils über die Maßregeln der Sicherung und Besserung zu betrachten. Es könnte fraglich sein, ob hier die Freiheitsstrafe allein genügen würde. Aber im Hintergrund steht das Arbeitshaus. Die Frage, ob etwa unter dem Gesichtspunkt der Einspurigkeit der staatlichen Reaktion nur das Arbeitshaus als Strafe angebracht wäre, will ich in diesem Zusammen­ hang nicht anschneiden. Nur ein Wort zu Nr. 4 des § 373: Die Vorschrift ist neu. D a eine gesundheitliche Überwachung der ge­ werbsmäßigen Unzucht nicht entbehrt werden kann, ist die Bestimmung gerechtfertigt. Es dürfte aber ange­ zeigt sein, ausdrücklich aus eben diese gesundheitliche Überwachung abzustellen. Ich möchte diesen Antrag aber nur vorbehaltlich der Stellungnahme der inneren Verwaltung stellen. Es muß eine Revision des T a t­ bestands vorbehalten werden für den Fall, daß die innere Verwaltung zu einer anderen Behandlung des ganzen Komplexes der Gewerbsunzucht kommt. I m übrigen geben die Vorschriften der §§ 370 bis 374 RefEntw. zu Bedenken keinen Anlaß. Mitberichterstatter Vizepräsident Grau: E s wird vorgeschlagen, den Abschnitt auszulösen und die §§ 370 bis 372 RefEntw. in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft", die §§ 373, 374 RefEntw. in den Abschnitt „Angriffe aus die Sittlichkeit" einzureihen.

Es ist von jedem Deutschen zu fordern, daß er seine Arbeitskraft entsprechend seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten für die Volksgemeinschaft einsetzt. Wer von Betteln und Landstreichen lebt, und somit seine Arbeitskraft der Gemeinschaft entzieht, begeht keine leichte Übertretung, sondern eine volks­ schädigende Straftat. Die nationale Arbeitskraft stellt die Summe der Arbeitskräfte der einzelnen Volks­ genoffen dar; jede Art der Entziehung der eigenen Arbeitskraft schädigt also die nationale Arbeitskraft. Die Tatbestände des Bettelns und Landstreichens gehören deshalb m. E. besser in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft", zumal nachdem man erkannt hat, daß das eigentlich Strafwürdige beim Betteln und Landstreichen der Beweggrund der Ar­ beitsscheu ist. Auch das Ausschicken zum Betteln ge­ hört in diesen Abschnitt, weil dadurch die Kinder und Jugendlichen der Arbeit entwöhnt werden. Die Tatbestände der gewerbsmäßigen Unzucht und die Aufforderung zur Unzucht möchte ich ent­ sprechend dem Vorschlage der Preuß. Denkschrift in den Abschnitt „Angriffe auf die Sittlichkeit" einreihen. Inhaltlich wird den §§ 370 bis 374 des ResEntw. zugestimmt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es war zu erwarten, daß die Frage der Syste­ matik den Hauptteil der Vorträge der Herren Bericht­ erstatter ausmachen würde. Ich würde aber vor­ schlagen, sie für die Aussprache einstweilen zurückzu­ stellen und zunächst die einzelnen Tatbestände zu behandeln. Ich möchte zunächst auf eins hinweisen: I m § 373 ist ein Schreibfehler enthalten. Das W ort „lückenlos" ist in Zeile 2 zu streichen. Der einzige Wunsch, der in materieller Hinsicht geäußert worden ist, wäre der: I n Ziffer 4 des § 373 nicht aus die Überwachung schlechthin, sondern auf die gesundheitliche Überwachung abzustellen. Alles übrige bezieht sich auf die Systematik. Sie ist nach meiner Meinung jedoch keine weltbewegende Frage. Ich meine übrigens, man kann nicht allgemein sagen: „Wer bettelt, entzieht seine Arbeitskraft dem deutschen Volk". W ir müssen uns hier die vielen Arbeitslosen vor Augen halten, die aus Not betteln. S ie entziehen ihre Arbeitskraft nicht dem deutschen Volke. Nun heißt der Tatbestand aber auch nicht so, daß dieser Fall erfaßt wird, sondern es heißt: „Wer aus Arbeitsscheu oder Liederlichkeit bettelt, wird be­ straft". E s ist die Frage: Läßt sich dieser Paragraph so auffassen, daß der T äter seine Arbeitskraft dem deutschen Volk entzieht? D as würde sich bejahen lassen. Trotzdem scheint es mir aber nicht ratsam, die Bettelei und Landstreicherei in jenen Zusammenhang zu verweisen. Mein persönlicher Eindruck ist folgender: Ich hatte immer die Vorstellung, daß Bettelei, Land­ streicherei und Prostitution eine gemeinsame Betrach­ tungsweise zulassen: S ie sind der Nährboden der Kriminalität. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Eine kurze Bemerkung: Wenn wir den Abschnitt schon auslösen, dann müssen wir auch dafür sorgen,

daß alle herausgenommenen Tatbestände auch in den jeweils einschlägigen Abschnitt ausgenommen werden. Nun ist aber sehr zweifelhaft, wohin z. B. § 371, das Ausschicken von Kindern zum Betteln, gehört. E r paßt jedenfalls nicht in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft". Vizepräsident Grau: Wer Kinder zum Betteln ausschickt, verletzt seine Pflicht, selbst zu arbeiten und seine Kinder zur Arbeit anzuhalten. Deshalb glaube ich, daß die Bestimmung des § 371 besser in den Abschnitt über den Schutz der nationalen Arbeitskraft gehört. Professor Dr. Nagler: E s gibt unter den Leuten, die Bettelei, Land­ streicherei und Gewerbsunzucht begehen, gewiß auch eine große Anzahl ganz harmloser Personen. Sie sind aber alle gleich asozial. D as würde dafür sprechen, die in den §§ 370 bis 374 enthaltenen T a t­ bestände hier zusammengefaßt zu belassen. Staatssekretär Dr. Freister: W ir haben die Absicht gehabt, einen besonderen Abschnitt zu schassen „Schutz der Familie". Dorthin würde im Fall der Auslösung des Abschnitts 36 § 371, das Ausschicken von Kindern zum Betteln, zwanglos passen. Ich meine, daß § 371 zwanglos nicht dahin paßt, wo er im ResEntw. jetzt steht. E r paßt weder hierhin, noch aber dahin, wo Herr Vize­ präsident G rau ihn hin haben möchte, in den Abschnitt über den Schutz der nationalen Arbeitskraft. Aber ich meine, daß diese systematische Frage einer späteren Gesamtlesung vorbehalten werden kann. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich habe auch das Gefühl, „Schutz der Arbeits­ kraft" bringt doch einen ethischen, hochstehenden Ge­ danken zum Ausdruck. W ir werden es dort im allge­ meinen nicht mit Personen zu tun haben, wie sie den Täterkreis der §§ 370 bis 374 ausmachen. Professor Dr. Mezger: Ich sehe es als einen Vorteil an, wenn das S tra f­ gesetzbuch den Richter auch aus soziologische und psychologische Gesichtspunkte hinweist. Dieser Hinweis ist hier darin enthalten, daß die Delikte Bettelei, Landstreicherei, Gewerbsunzucht in dem Abschnitt „gemeingefährliches Verhalten" zusammengefaßt sind. Ich möchte es aus diesem Grunde bei dieser Zu­ sammenfassung lassen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, ich möchte vorschlagen, die U& sollte den Abschnitt zunächst zusammen lassen. Würde es sich später herausstellen, daß es erwünscht ist, die eine oder andere Vorschrift in einen anderen Zu­ sammenhang zu verweisen, dann ist immer noch Zeit dazu. Bei den einzelnen Tatbeständen war nichts zu verändern. Nur bei der Überwachung in Ziffer 4 bes § 373 ist der Wunsch geäußert worden, es auf die gesund­ heitliche Überwachung abzustellen. Ich würde vor­ schlagen, das nicht zu tun, weil uns das unter Um-

ständen den Widerstand der inneren Verwaltung einbringt. Was den § 374 anlangt, so ist gesagt worden, er gehöre auf alle Fälle in den Abschnitt „Sittlichkeits­ delikte". Frage: Is t das richtig? Ich meine, hier ist mehr die äußere Ordnung des Verkehrs zu schützen; die UK. könnte prüfen, ob die beiden Tatbestände der §§ 373 und 374 auseinander zu ziehen sind. Wir kämen nunmehr zu dem nächsten Abschnitt „Mißbrauch von Rauschgiften". Berichterstatter Vizepräsident Grau: Bevor ich näher aus die Materie eingehe, möchte ich kurz sagen, vor welchen Rauschgiften das Volk in diesem Abschnitt geschützt werden soll. Das für deutsche Verhältnisse wichtigste Rauschgift ist der Alkohol. An betäubenden M itteln kämen ferner vor allem in Betracht: Opium, Morphium, Heroin, Kokain. D er Alkohol ist für deutsche Verhältniße deshalb am wichtigsten, weil er im Verhältnis zu den anderen Rauschgiften am weitesten verbreitet ist und weil er deshalb aus die Volksgesundheit einen be­ sonders nachteiligen Einfluß hat. Es gab in Deutsch­ land im Jah re 1926 300 000 Trinker. Ungeheure Summen staatlicher Gelder werden alljährlich für die Bekämpfung des Alkoholismus verwandt. Die be­ sondere Bedeutung der Bekämpfung des Rauschgift­ genusses für die Volksgesundheit läßt es erwünscht erscheinen, die hierher gehörenden Tatbestände in einem besonderen Abschnitt zu vereinen. Geschieht dies, dann wird ein Abschnitt „Angriffe gegen Volks­ bestand und Bolksgesundheit" entbehrlich, da die weiteren, für diesen Abschnitt vorgesehenen Tatbe­ stände zu den „gemeingefährlichen Handlungen" ge­ nommen werden können. § 367 RefEntw. (Volltrunkenheit) ist durch § 1 5 b Abs. 2 des Allgemeinen Teils überflüssig geworden. Folgende Tatbestände werden für diesen Abschnitt vorgeschlagen: 1. Abgabe von Rauschmitteln an Insassen einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt. § 368 RefEntw. beschränkt diesen begrüßenswerten Tatbestand aus die in einer solchen Anstalt unterge­ brachten Personen. E s ist indes bekannt, daß sich nicht selten Trunk- und Rauschgiftsüchtige freiwillig einer solchen Kur in einer Anstalt unterziehen. Auch diese müssen vor Versuchung geschützt werden. Ferner ist es eine alte Klage der Leiter solcher Anstalten, daß vorübergehend beurlaubte Insassen während dieses Urlaubs von verantwortungslosen Freunden zum erneuten Genuß berauschender M ittel verführt werden. Auch insoweit bedarf der Tatbestand einer Aus­ dehnung. Schließlich besteht ein dringendes Bedürfnis, die nach Verlauf einer erfolgreichen Kur oder nach erfolgter vorläufigen Aussetzung einer Kur entlassenen Personen vor Verführung zu schützen. Große Summen werden jährlich vergeblich aufgewandt, weil die mit dem besten Willen zur Enthaltsamkeit ent­ lassenen Kranken nur zu häufig von dritten Personen zum erneuten Genuß von Rauschmitteln verleitet werden.

Folgende erweiterte Fassung des § 368 RefEntw. wird deshalb vorgeschlagen: Wer wissentlich einer Person, die sich zu Heil­ zwecken in einer Trinkerheilanstalt oder E nt­ ziehungsanstalt aufhält, ohne Erlaubnis des Anstaltsleiters geistige Getränke oder andere berauschende M ittel verschafft oder sie zum Ge­ nüße solcher Getränke oder M ittel verleitet, wird mit Gefängnis oder Haft bestraft. Dieselbe Strafe trifft, wer eine aus einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt ent­ lassene Person zum erneuten Genuß solcher Ge­ tränke oder M ittel verleitet. 2. Verabreichung geistiger Getränke an Jugend­ liche. Die Aufbaujahre eines jeden jungen Deutschen müssen im Interesse der Volksgesundheit nach Mög­ lichkeit von allen lähmenden Betäubungsmitteln frei­ gehalten werden. Die diesen Schutz gewährenden Strafbestimmungen sind von so großer Wichtigkeit für die Gesamtheit, daß sie nicht in einem wenig be­ kannten Nebengesetze niedergelegt werden dürfen. Ich schlage deshalb vor, § 16 Nr. 1 und 2 des Gaststätten­ gesetzes, vielleicht mit gewisser Ausdehnung des T at­ bestandes, in das Strasgesetzbuch zu übernehmen. § 368 des RefEntw. war zwar mit Rücksicht auf das Inkrafttreten des Gaststättengesetzes gestrichen worden; ich bin aber der Ansicht, daß er in das S tG B , ein­ gefügt werden sollte. Durch § 16 Nr. 1 des Gast­ stättengesetzes, in dem das Schutzalter auf 18 Jahre festgesetzt ist, wird die Verabreichung von Branntwein und branntweinhaltigen Getränken im Betriebe einer Gastwirtschaft erfaßt. Durch § 16 Nr. 2 ist das Schutzalter auf 16 Jahre festgesetzt; erfaßt ist darin die Verabreichung der übrigen geistigen Getränke in Abwesenheit des Erziehungsberechtigten im Betriebe einer Gastwirtschaft. Ich bin der Meinung, daß zu­ mindest zu überlegen ist, ob nicht das Schutzalter für jedes geistige Getränk auf 18 Jahre herausgesetzt werden soll und ob auch in Gegenwart des E r­ ziehungsberechtigten eine Ausnahme nicht gemacht werden soll. Dabei verkenne ich nicht die Schwierig­ keiten, die sich einer solchen Ausweitung entgegen­ stellen würden. 3. Verabreichung von Tabakwaren an Jugend­ liche. Wenn auch Nikotin von der Wissenschaft nicht als Rauschgift angesehen wird, so ist es doch zum Schutze der Volksgesundheit dringend erwünscht, das Tabak­ rauchen der Jugend nach Möglichkeit einzuschränken. Auch dieser wichtige Schutz für die Jugend gehört m. E. in das Strafgesetzbuch, tz 16 Nr. 2 des Gaststättengesetzes setzt auch insoweit das Schutzalter auf 16 Jah re fest und beschränkt das Verbot entsprechend dem Verbote der Abgabe von Alkohol an Jugendliche. Zu erwähnen wäre auch hier, ob die Vorschrift nicht auszudehnen ist. Ich könnte m ir schon denken, daß der Gesetzgeber im Interesse der Volksgesundheit Kindern unter 16 Jahren überhaupt das Rauchen verbietet und alle Personen bestraft, die entgegen diesem Gedanken Tabakwaren an Kinder verabreichen. Ich bin mir aber wohl bewußt, daß eine solche Vor­ schrift häufig übertreten werden wird und deshalb von nur zweifelhaftem Werte sein würde.

4. Verabreichung geistiger Getränke an Be­ trunkene. Es wird vorgeschlagen, auch den § 16 Nr. 3 des Gaststättengesetzes hierher zu übernehmen. Der nicht selten geübte Unsug, an bereits Angeheiterte Alkohol in großen Mengen zu verabreichen, stellt einen schweren Angriff aus die Gesundheit des Betreffenden dar und führt oft auch zu schweren wirtschaftlichen Schädigungen der Familie des Betreffenden. Auch dieser Tatbestand erscheint so wichtig, daß er nicht in ein Nebengesetz gehört. Anstatt von „Betrunkenen" zu sprechen, ist es vielleicht bester, „offensichtlich Ange­ heiterte" zu sagen, damit den Gastwirten die übliche Ausrede abgeschnitten wird, eine Betrunkenheit sei nicht ersichtlich gewesen. Ich verkenne indes nicht, daß gegen eine solche Ausweitung des Tatbestands leicht Bedenken erhoben werden können. Dagegen besteht ein Bedürfnis, den Tatbestand auf die Ver­ leitung schon Betrunkener zu weiterem Alkoholgenuß auszudehnen. Folgende Fassung wird vorgeschlagen: M it Gefängnis oder Hast wird bestraft, wer im Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft oder im Kleinhandel geistige Getränke an einen Betrunkenen (offensichtlich Angeheiterten) verab­ reicht oder eine solche Person zum weiteren Ge­ nuß geistiger Getränke verleitet. 5. Verabreichung berauschender Gifte. I n Übereinstimmung mit § 341 des Entwurfs von 1925 möchte ich folgenden weiteren Tatbestand in diesen Abschnitt aufnehmen, der inhaltlich dem § 8 des Gesetzes zur Ausführung des internationalen Opiumabkommens in der Fassung des Gesetzes vom 21. 3. 1924 entspricht: Wer unbefugt einem anderen Opium, M or­ phium, Kokain oder ähnlich berauschende oder betäubende Gifte überläßt, wird mit Gefängnis oder Haft bestraft. Nicht in diesen Abschnitt gehört § 361 Nr. 5 StG B . Denn in diesem Tatbestand ist der Grund der Bestrafung nicht die Trunkenheit, sondern die Herbei­ führung eines unterstützungsbedürftigen Zustandes durch die Vernichtung der eigenen Arbeitskraft. Der Tatbestand ist deshalb besser in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft" einzufügen. Mitberichterstatter Senatspräsident Professor D r. Klee: § 367 RefEntw. ist durch § 15 b des UKEntw. überholt. E r ist in Zusammenhang mit der Schuld­ lehre gebracht worden, dort gehört die Materie auch hin. Abs. 2 des § 15 b entspricht im wesentlichen dem § 367. D er Abs. 1 des § 15b (actio libera in causa) ist ihm gegenüber neu. Es ist schon zweifelhaft, ob nach dem Ausscheiden des § 367 noch genügend Stoss für den Sonderabschnitt vorhanden ist. D as wird im übrigen davon abhängen, ob man den Vorschlägen des Herrn Vizepräsidenten Grau auf Übernahme der einschlägigen Tatbestände des Gaststättengesetzes wird zustimmen können. § 368 RefEntw. (Abgabe von Rauschgiften an Anstaltsinsassen) entspricht dem § 330 b S tG B . Ich habe an sich nichts einzuwenden gegen eine Aus­ weitung des Tatbestandes in dem von Herrn Vize­

präsidenten Grau vorgeschlagenen Sinne, daß der Strasschutz auch denjenigen gewährt wird, die sich freiwillig in eine Trinkerheilanstalt begeben haben. Die Frage ist nur, wohin § 368 inhaltlich gehört. Ich könnte mir denken, daß man ihn anschließt an § 58 des Allgemeinen Teils als eine Vorschrift, die den Erfolg und die Wirkung der Sicherungsmaßregeln — hier Unterbringung in einer Trinkerheil­ anstalt oder Entziehungsanstalt — sicherstellt. D as bedeutet also, daß man wegen § 368 einen besonderen Abschnitt nicht brauchen würde. § 369 ist im RefEntw. im Hinblick auf das Gast­ stättengesetz wieder gestrichen worden. Wenn wir uns auf denselben Standpunkt stellen, würde der ganze Abschnitt in sich zusammenfallen. Es ließe sich von vornherein auch rechtfertigen, den Tatbestand in das S tG B , aufzunehmen. E s fragt sich aber, ob man von der mehr polizeilichen Behandlung der Materie, wie sie im Gaststättengesetz unter dem Gesichtspunkt korrekter der Allgemeinheit nicht abträglichen Führung des Gewerbebetriebes erfolgt ist, abgehen soll, eine Frage, deren Beantwortung im wesentlichen von der praktischen Wirksamkeit strafrechtlicher Bekämpfung des Alkoholismus abhängt. Ich glaube, daß das Gaststättengesetz die richtige Grenze einhält: Unter Strafe gestellt ist das Verab­ reichen von Branntwein und branntweinhaltigen Ge­ tränken an Personen unter 18 Jahren, sowie das Verabreichen von sonstigen geistigen Getränken an Personen unter 16 Jahren in Abwesenheit des E r­ ziehungsberechtigten, beides jedoch nur in Gaststätten. Ferner ist verboten das Verabreichen von Tabak­ waren an Personen unter 16 Jahren, ebenfalls nur in Gaststätten und in Abwesenheit des Erziehungs­ berechtigten. Es liegt eine gewisse Vernunft in dieser Bestimmung, die die Verantwortung dem Erziehungs­ berechtigten auferlegt, wenn sich der Jugendliche in seiner Begleitung befindet. Ich vermag eine Aus­ weitung dieser Bestimmungen auf jede Abgabe von Tabak an Personen unter 16 Jahren und auf die Abgabe von Alkohol in Gaststätten an Jugendliche unter 18 Jahren nicht zu befürworten. Handelt es sich aber demnach nur um die Aufrechterhaltung im wesentlichen gewerbepolizeilicher Vorschriften, so be­ steht m. E. kein Anlaß, diese Vorschriften in das allgemeine Strafgesetzbuch aufzunehmen. Dasselbe gilt, soweit es sich um die Verabreichung von alkoholischen Getränken an Betrunkene in Gast­ stätten handelt. Ich halte eine Ausdehnung auf die Verabreichung an bloß Angeheiterte für einfach untragbar. Die Beweisschwierigkeiten, die der Begriff der „Trunkenheit" bereitet hat, sind kein ausreichender Grund für diese Ausdehnung, abgesehen davon, daß der Begriff des Angeheitertseins ebensowenig scharf abgrenzbar ist. Noch ein Wort zur Verabreichung von Opium usw.: Bei der großen Bedeutung dieser Dinge für die Volksgesundheit halte ich es für erwünscht, daß eine Bestimmung darüber in das S tG B , hinein­ kommt, die am besten im Abschnitt über die Körper­ verletzung unterzubringen wäre. Endlich wird dem Vorschlag der Denkschrift ent­ sprechend die Vorschrift des § 361 Ziff. 5 S tG B .

(Verletzung der Unterhaltspflicht des Trunkenbolds) inhaltlich, aber unter Schärfung der Strafe, in das neue StG B , zu übernehmen sein. Herr Vizepräsident G rau will die Vorschrift in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft" verweisen. M. E. wäre eher an einen Abschnitt über die Verletzung der Unterhalts­ pflicht zu denken. Jedenfalls darf künftig jemand, der sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hingibt, daß er sich einer Verletzung der Unterhalts­ pflicht schuldig macht, nicht nur mit Haft bestraft werden. Eine Einarbeitung des besonderen Verhältniffen angepaßten § 17 Abs. 2 der Krastsahrverkehrsordnung (Verbot, ein Kraftfahrzeug zu führen, wenn man unter der Wirkung von geistigen Getränken oder Rauschgiften steht und infolgedessen zur sicheren Führung nicht imstande ist) in § 367 empfiehlt sich nicht. Ein praktisches Bedürfnis, die Sonderbestim­ mung zu verallgemeinern, dürfte andererseits nicht bestehen. Die von der Preuß. Denkschrift vorge­ schlagene Vorschrift wird bereits durch den Tatbestand der Lebensgefährdung in § 257 des UKEntw. gedeckt. Ich fasse also meine Vorschläge dahin zusammen: § 367 wird im Allgemeinen Teil belasten. § 368 wird den Vorschriften des Allgemeinen Teils über Maßregeln der Sicherung und Beste­ rung angegliedert. I m übrigen sind die Bestimmungen, die wir im Gaststättengesetz haben, dort zu belasten. Den Paragraphen des Opiumgesetzes möchte ich in die Vorschriften über die Gesundheitsgesährdung einstellen. Schließlich würde ich vorschlagen, den § 361 Nr. 5 in einen Abschnitt über die Verletzung der Unterhalts­ pflicht zu verweisen, und zwar als Vergehen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren, ich möchte versuchen, die Aus­ sprache ein wenig zu gruppieren. Und zwar möchte ich die Frage, ob hier ein besonderer Abschnitt nötig ist oder nicht, an den Schluß der Aussprache stellen. F ü r die Aussprache selbst wäre folgendes festzustellen: M an könnte vielleicht aus der Diskussion aus­ scheiden den § 367. Ich glaube, die allgemeine Meinung ist dafür, ihn in die Schuldlehre zu ver­ weisen. ' Der zweite Punkt bezieht sich aus die beiden großen Gesetze, die neben dem Strafgesetzbuch von dem Mißbrauch von Rauschgiften handeln, das Gast­ stättengesetz und das Opiumgesetz. Bei der Frage, soll man aus dem Opiumgesetz und dem Gaststättengesetz irgend etwas hierher über­ nehmen, möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß das Opiumgesetz nicht nur den Tatbestand des „llberlassens" unter Strafe stellt, sondern daß es einen kasuistisch sehr aufgespalteten Tatbestand aufweist. Der Haupttatbestand beruht hier auf einer inter­ nationalen Verpflichtung. (Der Herr Reichsjustizminister gibt an Hand des Opiumgesetzes die einzelnen Tatbestände bekannt.) Ich habe die Meinung, daß, wenn hier schon etwas aus dem Opiumgesetz übernommen wird, es bedenklich

wäre, nur einen Teil aufzunehmen. • D as würde ich für gefährlich halten. Ein zweites Bedenken, das vielleicht nicht so durch­ schlagend ist, betrifft die Übernahme der Bestim­ mungen aus dem Gaststättengesetz. § 16 Abs. 1 des Gaststättengesehes enthält in 6 Nummern einen ganzen Katalog von Tatbeständen, von denen uns hier wohl nur die drei ersten interessieren, nämlich: 1. die Abgabe von Branntwein oder überwiegend branntweinhaltigen Getränken an Personen unter 18 Jahren; 2. die Abgabe von anderen geistigen Getränken und von Tabak an Personen unter 16 Jahren in Abwesenheit des Erziehungsberechtigten; 3. die Abgabe von geistigen Getränken an Be­ trunkene. Alle sechs Tatbestände sind grundsätzlich Über­ tretungen. Nur die beiden ersten sind ausnahmsweise Vergehen, nämlich wenn sie im Rückfall begangen sind. Wenn man die drei Tatbestände in das S tra f­ gesetzbuch und in diesen Abschnitt übernehmen wollte, müßte man evtl, alle drei und insbesondere auch die beiden ersten unter Verzicht auf das Erfordernis des Rückfalls zu Vergehen erheben. D as wären die Punkte, auf die ich bitte, die D is­ kussion zu beschränken, und vorläufig insbesondere auszulasten die Verletzung der Unterhaltspflicht und die Frage der Systematik. Professor Dr. Kohlrausch: Zum § 367 des RefEntw. muß ich ein Wort zur systematischen Stellung vorausschicken: § 367 ist, so wie jetzt § 15 b lautet, überflüssig. Ich bin aber der Ansicht, daß die Bestimmung des § 1 5 b nicht dorthin gehört. Insbesondere ist es mir zweifelhaft, ob der Abs. 2. des § 15 b gleich dem jetzigen § 367 dorthin gehört. Dieser Tatbestand ist ein delictum sui generis. Bestraft wird das schuldhafte Sichbetrinken. D as gehört meiner Ansicht nach in den Besonderen Teil. Nun zum In h a lt: § 367 macht eine Ausnahme von der Schuldhastung. Denn er bestraft nicht das Sichbetrinken schlechthin, sondern bestraft es nur dann, wenn der Täter eine strafbare Handlung begeht. Ich glaube, daß wir uns so weit nicht vom Schuld­ prinzip entfernen können. Ich schlage deshalb folgenden Zusatz vor: wenn er weiß, daß er in diesem Zustand zu straf­ baren Handlungen neigt. Dadurch wird der Fall ausgeschlossen, daß ein sonst nüchterner Mensch, der sich einmal einen Rausch geholt hat, und nun erstmalig und vielleicht das ein­ zige M al sich in diesem Rauschzustand zu einer unüberlegten Handlung hinreißen läßt, wegen des Sichbetrinkens bestraft wird. Ich schlage also vor, den § 367 hier zu lassen, wo er im RefEntw. steht; einen Zusatz zu machen, wie ich ihn eben formuliert habe. W as die Frage des Ausschanks geistiger Getränke an Kinder und Jugendliche betrifft, scheint mir die materielle Regelung des Gaststättengesetzes richtig und ausreichend zu sein. Ich halte den Vorschlag von

Herrn Vizepräsident Grau hinsichtlich der Ausdehnung dieser Vorschriften für unmöglich. Wir werden einfach zu Gesetzesverletzungen anreizen, wenn wir dem 17jährigen verbieten, ein Glas Bier zu trinken. M . E. ist der Standpunkt des Gaststättengesetzes richtig und auch vom volkstümlichen Gesichtspunkt aus zutreffend. Staatssekretär Dr. Freister: Ich möchte einleitend bemerken, daß ich ganz der Ansicht von Herrn Professor Kohlrausch zustimme. Wenn man in das S tG B , als Sonderdelikt den Voll­ rausch aufnehmen will, so gehört das meiner Meinung nach in den Besonderen Teil. Bei der Frage, ob die Bestimmungen aus dem Opium- und dem Gaststättengesetz in das S tG B , aus­ genommen werden sollen, kann man von zwei Ge­ sichtspunkten ausgehen: Der eine Gesichtspunkt ist der der Zweckmäßigkeit. D er andere Gesichtspunkt erscheint mir aber ausschlaggebender, nämlich der des Schutzobjektes. Es handelt sich hier um den Schutz der Volksgesundheit. (Der Redner verliest einen Teil einer im Völk. Beobachter abgedruckten Rede des Führers, in der zu diesem Problem Stellung genommen ist, und legt an Hand eines reichhaltigen sta­ tistischen M aterials die Bedeutung und die Wirkungen des Mißbrauchs von Rauschgiften auf die Volksgesundheit eingehend dar.) Ich verweise darauf, daß auch Ita lie n einen besonderen Abschnitt über die Verhütung des Alkohol­ mißbrauchs und die infolge dieses Mißbrauchs began­ genen Verbrechen im Gesetz aufgenommen hat. Dort aber handelt es sich um Polizeidelikte; allerdings ist für sie Haftstrase von mindestens 3 M onaten und sonstige Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r angedroht, so daß es keine Übertretungen nach unseren Begriffen sind. Wegen der Bedeutung des Mißbrauchs der Rausch­ mittel für die Volksgesundheit müssen entsprechende Straftatbestände in das Strafgesetzbuch ausgenommen werden; es genügt nicht die Strafbarkeit nach einem Nebengesetz. Ob es etwa schwer durchführbar ist, die entsprechenden Bestimmungen aus dem Gast­ stättengesetz und dem Opiumgesetz zu übernehmen, ohne beide Gesetze selbst blutleer zu machen, vermag ich zwar nicht klar zu überschauen; ich glaube aber, daß eine solche Übernahme möglich sein sollte. Eine andere Frage ist es, ob man diese Bestim­ mungen in den Abschnitt „Rauschgifte" oder in den Abschnitt „Volksgesundheit" aufnehmen soll. Das mag natürlich noch offenbleiben. Auch ich bin der Meinung, daß w ir uns hüten müssen zu glauben, wir und das S tG B , seien die einzigen, die zur Bekämpfung des Rauschgiftsmißbrauchs berufen sind. Ich bin deshalb ebenfalls gegen eine Ausdehnung der Tatbestände des Gaststätten­ gesetzes. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich darf bloß darauf hinweisen, daß zur Be­ kämpfung des schweren Alkoholismus das Strafgesetz auch meiner Meinung nach nur ein sehr beschränktes M ittel ist. Ich darf aber auch darauf hinweisen, daß

heute wegen schweren Alkoholismus sterilisiert werden kann. W ir dürfen die Bedeutung des Strafgesetzbuchs hier nicht überschätzen. Nach der Ansicht des Herrn Staatssekretärs Freisler sind aus dem Opiumgesetz und dem Gaststättengesetz die Tatbestände aufzunehmen, die es nach ihrer Be­ deutung rechtfertigen, in das allgemeine Strafgesetz­ buch übernommen zu werden. Bon dem Grundtat­ bestand kann man nichts ausscheiden. Ich habe die Vorstellung, daß wir aus den beiden Gesetzen etwas übernehmen müssen; wir müssen uns aber aus die Tatbestände mit starkem Akzent beschränken. Professor Dr. Nagler: W as den § 367 anlangt, so stimme ich mit Herrn Professor Kohlrausch darin überein, daß er in den Besonderen Teil gehört. W ir können nicht schon im Allgemeinen Teil einen besonderen Tatbestand formu­ lieren. Dagegen würde ich nicht befürworten, den Tatbestand in dem von Herrn Professor Kohlrausch vorgeschlagenen Sinne zu erweitern. Daß w ir die Vorschriften des Opiumgesetzes aus­ einanderreißen, würde ich nicht für richtig halten. Hinsichtlich des Gaststättengesetzes wäre ich da­ gegen dafür, daß wir die Strafbestimmungen in das S tG B , übernehmen. Nach Hinweisen kirchlicher Kreise sind die Vorschriften des Gaststättengesetzes für die Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs bisher abso­ lut wirkungslos geblieben. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: E s ist neuerdings zur Diskussion gestellt worden, wohin § 1 5 b Abs. 2 gestellt werden soll. M an will ihn wieder aus dem Allgemeinen Teil herausnehmen und in einen Tatbestand des Besonderen Teils über­ tragen. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich weiß, daß schon bei der Erörterung der Schuldlehre mit Nachdruck verlangt worden ist, daß dort die Strafbarkeit des Tatbestandes des § 367 hervorgehoben wird. Vielleicht wäre es ein M ittel­ weg, wenn man dort, bei der Schuldlehre, erklärte, daß der Vollrausch kein Schuldausschließungsgrund, ist, und wenn man die Strafdrohung an einer anderen Stelle im Besonderen Teil bringen würde. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Meiner Meinung nach sollte es nicht zweifelhaft sein, daß bei den Schuldausschließungsgründen nur die Tatbestände erscheinen dürften, die die Schuld ausschließen. Alles andere gehört in den Besonderen Teil. Ich bin weiter der Ansicht, daß w ir mindestens die Grundtatbestände des Opiumgesetzes wie die desGaststättengesetzes in das neue S tG B , übernehmen sollten. Aus dem Gaststättengesetz müßte insbesondere auch die Zifs. 3 des § 16 aufgenommen werden, jedoch brauchten wir dort einen neuen Strafrahmen. Ich glaube, wir müssen die Tatbestände dieser Gesetze zu Bergehenstatbeständen erheben. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich hätte gegen Herrn Staatsm inister Thierack folgendes zu sagen: M ir scheint es nicht ganz unlogisch zu sein, wenn man schon im Allgemeinen Teil sagt, daß der Bollrausch kein Schuldausschließungsgrund ist.

Professor Dr. Mezger: Die §§ 49 a und 49 b sind immer schon ein be­ sonderer Schönheitsfehler des geltenden Strafgesetz­ buchs gewesen. W ir sollten, wenn es geht, keine Strafdrohungen in den Allgemeinen Teil aufnehmen.

wenn sie sich an das Rauschgift gewöhnt, haben, nicht wieder davon los und versuchen immer wieder, es sich selbst zu beschaffen. Hier muß nt. E. ein möglichst starker Schutz geschaffen werden.

Staatssekretär Dr. Freister: Ich finde es nicht unlogisch, wenn man hier beim Aufbau des StG B ., den man auch sonst nicht ganz nach logischen Gesichtspunkten vollzieht, keine logische Austeilung, sondern eine Aufteilung nach den Lebens­ bedürfnissen und den Lebensverhältnissen wählt. I m übrigen scheint mir das eine Frage der zweiten Lesung zu sein; das ist doch gerade der S in n der zweiten Lesung. Ich schlage vor, die Aussprache hierüber auszusetzen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich würde auch vorschlagen, es bei dem der­ zeitigen Zustand zu belassen; § 367 würde also hier nicht auftreten.

Ich glaube, daß w ir diesen F a ll nicht besonders zu erfassen brauchen. E r ist gedeckt durch das Opium­ gesetz. F ü r die UK. wäre jedenfalls das Wichtigste, sich genauestens m it dem Studium der beiden Neben­ gesetze zu besassen. D ie UK. möge prüfen, was aus dem Opiumgesetz hier a ls Tatbestand erscheinen soll.

Ministerialdirektor Schäfer: W ir dürfen folgendes nicht aus den Augen ver­ lieren: Wenn wir einzelne Bestimmungen aus dem Gaststättengesetz in das S tG B , übernehmen, besteht die Gefahr, daß der Anschein entsteht, daß nur das strafbar wäre, was im S tG B , steht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es wäre denkbar, daß man die Tatbestände in beiden Gesetzen erwähnt, sowohl, soweit sie über­ nommen werden, im S tG B , wie in den Neben­ gesetzen. Es bleibt nunmehr noch folgende Frage übrig: Bei den Trinkerheilstätten ist der Wunsch geäußert worden, nicht nur die darin „Untergebrachten", sondern auch diejenigen zu erfassen, die sich freiwillig einer Entziehungskur unterziehen. Diese Ausdehnung erscheint mir zweckmäßig. Weiter ist vorgeschlagen worden, den Tatbestand des § 368 dahin zu erweitern, daß auch betroffen werden soll, wer einem aus der Anstalt Entlassenen geistige Getränke verabreicht. Ich glaube, das geht etwas zu weit; vielleicht be­ schränkt man sich auf die vorläufig Entlassenen. Vizepräsident Grau: Mein Erweiterungsvorschlag zu § 368 ging nicht dahin, auch das Verabreichen geistiger Getränke an Anstaltsentlassene zum strafbaren Tatbestand zu erheben, sondern nur ihre Verführung zu erneutem Alkoholgenuß. Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Wenn § 368 in dieser Richtung ausgedehnt würde, wäre ich ebenfalls für eine zeitliche Beschränkung, da es unvorstellbar ist, eine solche Verführung dauernd für strafbar zu erklären. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ich denke hier weniger an den Trinker als viel­ mehr an die Leute, die Gliedmaßen verloren haben oder schwere Verletzungen aus dem Kriege mitgebracht haben. I n diesen Fällen wird oft in der ersten Zeit der Heilung Opium oder ein ähnliches Schmerz­ linderungsmittel verabreicht. Jene Menschen kommen,

Reichsjustizminister Dr. Gürtner:

Die UK. möge prüfen, was aus dem Gaststätten­ gesetz übernommen werden soll. E s handelt sich im wesentlichen um die drei ersten Tatbestände des § 16. Sonst wüßte ich aus dem Gaststättengesetz keinen T a t­ bestand, der hierher übernommen werden könnte. § 367 würde, wie gesagt, hier nicht erscheinen. Bei dem § 368 schlage ich vor, statt „unter­ gebracht" zu sagen „sich aufhält" und zu ve^uchen, die auf Probe Entlassenen, bei denen noch ein Ver­ hältnis zur Anstalt besteht, einzubeziehen und bei der Verleitung das Merkmal der Böswilligkeit auszu­ nehmen. Wir kämen nunmehr zum nächsten Abschnitt: Schutz der sachgebundenen Volksgüter. Berichterstatter Vizepräsident Grau: Es handelt sich um einen Abschnitt, den das geltende Recht nicht kennt und den auch der ResEntw. nicht enthält. Die Preuß. Denkschrift ist zuerst auf den Gedanken gekommen, einen solchen Abschnitt zum Schutze des Volksgutes zu schaffen. Ich glaube, wir müssen dieser Anregung folgen; gerade dieser Ab­ schnitt ist für das Antlitz eines neuen S tG B , wichtig. Aus allen hierher gehörigen Tatbeständen geht der Gedanke des staatlichen Obereigentums hervor, ein Gedanke, den wir schon bei der Brandstiftung er­ örtert haben, und der deswegen so bedeutsam für das neue Strafgesetzbuch ist, weil er der Weltanschauung des neuen S taates in besonderem Maße entspricht. Um diesen Abschnitt zu gestalten, werden wir nicht davor zurückschrecken dürfen, auch erhebliche Eingriffe in Nebengesetze zu machen. Der ResEntw. enthält über dieses ganze Fragengebiet nur einen P a ra ­ graphen, den § 407. Diese Bestimmung ist als subsidiärer Tatbestand auch durchaus geeignet; sie genügt aber nicht dem, was man in diesem Abschnitt verlangen muß. Eine Reihe von Tatbeständen, die die Preuß. Denkschrift in diesen Abschnitt aufnehmen wollte, ist allerdings auszuscheiden. Es scheiden aus die Brand­ stiftung und die Überschwemmung, die in den Abschnitt „Gemeingefährliche Handlungen" gehören.' Ebenso ist der Tatbestand der Verletzung des Bannschutzes durch die Ausweitung des § 232 ResEntw. erledigt. Auf die „gewissenlose Gefährdung des Volksgutes" (Preuß. Denkschrift S . 75) muß nt. E. wegen der zu weiten Fassung ebenfalls verzichtet werden. Ebenso gehören der wirtschaftliche Landesverrat und die Seuchenverbreitung, die von der Preuß. Denkschrift in diesen Abschnitt aufgenommen sind, in anderen Zusammenhang.

Wenn ich mich zu den Vorschlägen der Preuß. Denkschrift wende, die m. E. zu übernehmen sind, so würde ich diesen Abschnitt unter folgenden Gesichts­ punkten ausstellen. Es sollen hier wichtigste Volks­ güter geschützt werden, die, obwohl sie vielleicht im Eigentum einer Person stehen, a u s . dem Volks­ vermögen nicht aus eigennützigen Interessen ver­ schwinden dürfen. E s ist einmal zu denken an die Bodenschätze, nämlich die Mineralien und die heil­ kräftigen Quellen, ferner den deutschen Wald und den deutschen Wildbestand, sodann an Denkmale, die die Natur oder Menschenhand geschaffen haben, und endlich an Ausgrabungssunde. Darüber hinaus käme ein subsidiärer Tatbestand in Frage, den man als Heimatschutz bezeichnen könnte. Schließlich wäre ein Tatbestand zu überlegen, über den hier schon in anderem Zusammenhange gesprochen worden ist, nämlich die Gefährdung der deutschen Bodenwirtschaft. Wenn ich zunächst auf die B o d e n s ch ä tz e eingehe, so darf ich daran erinnern, daß wir Mineralien ver­ schiedener A rt unterscheiden. W ir unterscheiden aus der einen Seite nichtregale Mineralien, aus der anderen Seite bergfreie oder regale Mineralien und ferner vorbehaltene Mineralien. Die nichtregalen Mineralien gehören vor und nach ihrer Trennung von Grund und Boden dem Grundeigentümer. Die bergsreien oder regalen Mineralien sind vom Eigen­ tum des Grundeigentümers gesetzlich ausgeschlossen und werden dadurch herrenlos; für sie besteht aber nicht das allgemeine, sondern ein besonders geregeltes Aneignungsrecht, wonach nur der mit dem Berg­ werkseigentum Beliehene Eigentum erwerben kann. Die vorbehaltenen Mineralien sind ebenfalls durch den gesetzlichen Ausschluß des Eigentums des Grund­ eigentümers herrenlos; bei ihnen ist aber allein dem S ta a t das Aneignungsrecht vorbehalten. Solange dieser Zustand der Herrenlosigkeit herrscht, besteht ein Schutzbedürfnis. Diesem Schutzbedürfnis ist bisher nur durch die Landesgesetzgebung entsprochen worden. I n Preußen kommen das Mineraliengesetz vom Jahre 1856 und das Bernsteingesetz vom Jahre 1867 in Betracht. Auch in den anderen Ländern sind fast gleiche gesetzliche Regelungen getroffen worden. Als Grundstraftatbestand ist allen Gesetzen gemeinsam die unbefugte vorsätzliche Zueignung regaler oder vor­ behaltener Mineralien. Diesen möchte ich in das S tG B , übernehmen. Den daneben bestehenden Fahr­ lässigkeitstatbestand könnte man dagegen in den Spezialgesetzen belasten. Ich würde für die unbefugte Mineralgewinnung etwa folgenden Tatbestand vorschlagen: „Wer sich unbefugt M ineralien zueignet, deren Gewinnung nur mit staatlicher Erlaubnis erfolgen darf oder dem S taate vorbehalten ist, wird mit Gefängnis oder Haft bestraft". Dabei darf ich darauf hinweisen, daß der Vor­ schlag der Preuß. Denkschrift hierüber zu eng ist; denn diese will nur die vorbehaltenen Mineralien schützen. Ich bin ferner darauf aufmerksam gemacht worden, daß darüber hinaus vielleicht auch ein T at­ bestand an dieser Stelle Platz finden könnte, der die

Fälle trifft, daß jemand z. B. einen Stollen aus reinen Profitgründen außer Betrieb setzt, nachdem er ihn oberflächlich ausgebeutet und damit den Haupt­ gewinn herausgezogen hat. D as ist etwas Ähnliches wie die Nichtbestellung von Feldern aus rein speku­ lativen Gründen. M an könnte vielleicht auch für solche Fälle einen Strastatbestand schassen. D as zweite ist der Schutz der h e i l k r ä f t i g e n Q u e l l e n . Eine Quelle kann als Heilquelle erklärt werden, und es wird dann für sie ein bestimmter Schutzbezirk festgestellt. Innerhalb dieses Schutz­ bezirkes dürfen die Heilquelle beeinflussende Arbeiten nur mit behördlicher Genehmigung oder nur nach vorheriger Anzeige vorgenommen werden. D as ist ein Tatbestand, der sich bisher nur in den Landes­ gesetzen befindet, der aber wegen des hohen volks­ wirtschaftlichen Wertes der Heilquellen in das neue Strafgesetzbuch gehört. M an könnte etwa in Form eines Rahmentatbestandes sagen, daß derjenige be­ straft wird, der die behördlichen Anordnungen zum Schutze heilkräftiger Quellen verletzt. Auch eine Bestrafung fahrlässigen Handelns ist zu erwägen. Wenn man die Bodenschätze und die Quellen schützt, kommt man ohne weiteres dazu, auch den d e u t s c h e n W a l d besonders zu schützen. Nach dem Reichsgesetz gegen Waldverwüstung aus dem Jahre 1934 ist in allen nichtstaatlichen Wäldern die Ab­ holzung hiebunreifer Nadelholzbestände sowie die Abholzung über einen bestimmten Prozentsatz des Bestandes hinaus verboten. I n den Landesgesetzen wird zumeist die Zulässigkeit der Abholzung von Waldungen, die unter staatlicher Aufsicht stehen, von einer staatlichen Genehmigung abhängig gemacht. Dieser Grundtatbestand wird ebenfalls in das S tra f­ gesetzbuch aufzunehmen sein. Dabei ist etwa an folgende Fassung zu denken: „Wer den zur Erhaltung des deutschen Waldes ergangenen staatlichen Anord­ nungen zuwider oder ohne die vorgeschriebene behörd­ liche Genehmigung nichtstaatliche Waldbestände ab­ holzt, wird . . . . bestraft". Auch die Ausnahme eines Fahrlässigkeitstatbestandes wäre denkbar. Als Neben­ strafe käme die Einziehung des unzulässig geschla­ genen Holzes und der Werkzeuge in Frage, und zwar ohne Rücksicht daraus, wem sie gehören. Zweifelhafter ist der Schutz des W i l d e s . D as Reichsjagdgesetz enthält bereits eine vorbildliche ab­ schließende Regelung der hier in Betracht kommenden Tatbestände, so daß ich schon aus diesem Grunde vom Schutze des Wildbestandes im Strafgesetzbuch nichts Weiteres sagen würde, als in dem Abschnitt „unbe­ rechtigtes Jagen" ohnehin gesagt wird. Der Schutz der Tier- und Pflanzenarten ist m. E. nicht so wich­ tig, als daß er in das Strafgesetzbuch als Sonder­ tatbestand hineingenommen werden müßte. E r wird aber in dem subsidiären Tatbestand des Heimatschutzes zu erwähnen sein. Anders ist es mit den D e n k m a l e n . Es gibt Natur- und Kunstdenkmale. Um sie zu wirklichen Denkmalen werden zu lassen, müssen sie einen be­ stimmten Kunstwert haben. W ir haben eine Reichs­ verordnung von 1919 über die Ausfuhr von Kunst­ werken, nach der die Ausfuhr solcher Kunstwerke, die unter Denkmalsschutz stehen, nur mit staatlicher Ge­ nehmigung zulässig ist. Außerdem wird landesrecht-

lich jede Veränderung und Veräußerung solcher ge­ schützten Denkmale verboten. Ferner haben wir im geltenden Recht die Bestimmung des § 304, nach dem öffentliche Denkmale ohne Rücksicht auf das Eigentum gegen Zerstörung und Beschädigung geschützt sind. Ich möchte vorschlagen, daß man die Gedanken, die in diesen Strafbestimmungen zum Ausdruck gekommen sind, in einen Grundtatbestand zusammenfaßt zum Schutz der natürlichen und von Menschenhand ge­ schaffenen Denkmale gegen Ausfuhr, Veränderung und vor allem auch Beschädigung. Ferner ist an einen A u s g r a b u n g s s c h u t z zu denken. Diese Materie ist bisher nur landesrechtlich ge­ regelt. I n Preußen gilt das Ausgrabungsgesetz von 1914. I n sämtlichen Landesgesetzen wird bestimmt, daß beabsichtigte Ausgrabungen und gemachte Aus­ grabungsfunde anzuzeigen sind, daß behördlichen An­ ordnungen über die Ausgrabungen nachzukommen ist, und daß staatlichen Stellen die Besichtigung der Funde zu gestatten ist. Weiterhin hat Preußen noch eine Sondervorschrift, die eine Ablieferungspflicht gegen Entschädigung festsetzt. Auch diese Bestim­ mungen können zusammengefaßt in einen Tatbestand des Strafgesetzbuchs gebracht werden, in dem man von Gegenständen spricht, die von natur- und kunst­ geschichtlichem Werte sind und bei einer Ausgrabung oder sonst entdeckt worden sind; diese müssen gegen Zerstörung, Beschädigung oder Beiseiteschaffung ge­ schützt werden. Der ResEntw. schlägt, wie schon gesagt, im § 407 einen weiteren Tatbestand vor, den er H e i m a t s ch u tz nennt. M an kann daran denken, neben den Sonder­ tatbeständen, die ich mir erlaubt habe vorzuschlagen, einen derartigen allgemein gefaßten Tatbestand in das Gesetz aufzunehmen. Schließlich bleibt nach meiner Ansicht noch ein Tatbestand übrig, der die d e u t s ch e B o d e n w i r t sc h a st schützen soll. Ich darf daran erinnern, daß während des Weltkrieges wiederholt schwerwiegende Verstöße gegen die mit dem Grundeigentum verbun­ denen Pflichten vorgekommen sind, wobei die Bewirt­ schaftung von Bodenslächen aus Profitgründen über­ haupt ausgegeben oder verschlechtert wurde. Diese Fälle müssen erfaßt und unter Strafe gestellt werden, mindestens dann, wenn jemand in Zeiten wirtschaft­ licher Not oder aus Eigennutz in dieser Weise handelt. Ich möchte zum Schluß noch betonen, daß von diesen Vorschlägen selbstverständlich der eine oder der andere auch entbehrt werden kann; ich habe mich aber bemüht, einmal die Tatbestände zusammenzustellen, an die man überhaupt in diesem Zusammenhange denken kann, um diesen für das neue Strafgesetzbuch bedeutungsvollen Abschnitt auszugestalten. Mitberichterstatter Senatspräsident Professor D r. Klee: Die Frage, ob wir einen Abschnitt „Angriffe auf sachgebundene Volksgüter" in das allgemeine S traf­ gesetzbuch aufnehmen sollen, hängt davon ab, welche Vorschriften der Reichsneben- oder Landesgesetze für eine solche Übernahme geeignet wären. Sollten wir einen derartigen Abschnitt schaffen, würde mir die Überschrift: „Angriffe aus sachgebundene Volks­ güter" nicht gefallen. Jedem, der etwas von Volks­

gütern hört, ist es klar, daß es sich hier um Sachen handelt; ich würde daher die Sachgebundenheit der Volksgüter in der Überschrift nicht hervorheben, sondern allgemein von Angriffen auf das Volksgut sprechen. Was die Vorschläge des Herrn Referenten im einzelnen betrifft, so trete ich ihm insoweit bei, als er negativ Stellung nimmt, als er gewisse T a t­ bestände von vornherein ausscheiden will. Die Über­ nahme der Vorschriften über Brandstiftung und Über­ schwemmung hierher verbietet sich z. B. von selbst; diese Vorschriften gehören in den bereits behandelten Abschnitt über die gemeingefährlichen Verbrechen. Eine so allgemeine Vorschrift wie die gewissen­ lose Gefährdung des Volksgutes aufzunehmen, ver­ bietet sich schon wegen der Allgemeinheit und Ver­ schwommenheit dieses Tatbestandes. Etw a auf­ tretende Bedürfnisse könnte man durch analoge An­ wendung zu befriedigen versuchen, wenn dies auch nicht ganz ungefährlich ist. Was die Tatbestände anlangt, die Herr Vize­ präsident Grau in das Strafgesetzbuch aufnehmen will, so bezeichnet der Herr Berichterstatter für die Schaffung dieser Tatbestände als maßgebend den Gedanken des Obereigentums einerseits und anderer­ seits den des besonderen Wertes dieser Güter für die Volksgemeinschaft. Diesem Gedanken ist sicher Rech­ nung zu tragen und auch bisher schon in der Gesetz­ gebung Rechnung getragen. F ü r die Frage, ob und in welchem Umfang die schon bestehenden Vorschriften in das allgemeine Strafgesetzbuch aufzunehmen sind, eventuell unter Erweiterung der Tatbestände, sind verschiedene Gesichtspunkte maßgebend. W ir waren uns darüber einig, und diese Einigkeit hat schon prak­ tische Gestalt in Beschlüssen angenommen, daß nur ganz besonders hervorragende Tatbestände der Nebengesetze, die im Volksbewußtsein ohne weiteres Widerhall finden würden, in das Strafgesetzbuch ge­ hören. E s ist weiter möglichst davon abzusehen, solche Tatbestände aufzunehmen, die nur auf ganz bestimmte Personengruppen Anwendung finden, z. B. nur aus Gewerbetreibende, wie z. B. die Lebens­ mittelgesetze, die wir trotz des Interesses der Bevölke­ rung an dieser Materie aus dem Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte herausgelassen haben, weil hier als Täter nur Erzeuger und Händler in Betracht kommen. Endlich verbietet sich m. E. grundsätzlich die Ausnahme solcher Vorschriften in das allgemeine Strafgesetzbuch trotz aller Wichtigkeit des geschützten Gutes, bei denen die verwaltungsmäßige Regelung im Vordergründe steht. Ich halte es für nichts­ sagend und farblos, hier etwa Blankettvorschristen in das Strafgesetzbuch einzustellen. M ir ist in dieser Beziehung schon der Tatbestand über die Verletzung von Seuchenvorschristen, den wir bei den gemein­ gefährlichen Delikten aufgenommen haben, nicht sehr sympathisch. W ir haben dies mehr aus tradi­ tionellen Gründen getan. Der Gesichtspunkt, daß nur ganz besonders her­ vorragende und ohne weiteres im Volksbewußtsein Widerhall findende Tatbestände aufzunehmen flnb, hat seinen Niederschlag darin gesunden, daß w ir einige Tatbestände aus dem Opium- und Gaststätten­ gesetz aufnehmen wollen; er hat gestern auch schon

zur Aufnähme von Tatbeständen aus dem Geschlechtskrankheitengesetz geführt. E s wird zu prüfen sein, ob sich solche für das allgemeine Strafgesetzbuch geeignete Tatbestände auch in den Vorschriften der Reichsneben- und der Landesgesetze über Angriffe aus wert­ volle Volksgüter bereits finden oder von uns neu gebildet werden können. W as zunächst den Mineralienschutz betrifft, so hatte ich prinzipiell nichts gegen den hier vorgeschlagenen Tatbestand der unbefugten Aneignung von Mineralien als Tatbestand des künftigen allgemeinen Strafgesetz­ buches einzuwenden. Ich hätte höchstens Bedenken insoweit, als die Gewinnung von M ineralien bald nur mit staatlicher Genehmigung, bald auch ohne solche erfolgen darf; hier wäre also eine Bezugnahme aus verschiedenartige landesgesetzliche Vorschriften nötig, die bester zu vermeiden ist. E s gibt aber auch Mineralien, deren Gewinnung von allen Ländern an die staatliche Genehmigung gebunden ist; deren Schutz könnte in ein Reichsgesetz aufgenommen werden. W as die heilkräftigen Quellen betrifft, so bin ich nicht dafür, die sie schützenden Vorschriften in das Strafgesetzbuch zu übernehmen; denn sie sind sehr vielgestaltig und stehen im Fluß verwaltungsmäßiger Regelung. W as die Waldverwüstung betrifft, so ist ganz zweifellos der deutsche Wald ein Wert, dessen Schutz an sich sehr wohl in das allgemeine Strafgesetzbuch gehört. Aber auch hier muß dem Gesichtspunkt Rech­ nung getragen werden, daß der strafbare Tatbestand der Waldverwüstung (unbefugten Abholzung) von dem Wirtschaftsplane abhängt, der von der Verwal­ tung periodisch aufgestellt wird. Ich weiß nicht, ob wir hier einen Tatbestand herausheben können, der ein für allemal strafbar ist, oder ob wir nicht auch hier auf eine Blankettvorschrift angewiesen sind, die zu vermeiden ist. D as geltende Recht, insbesondere das Reichsjagd­ gesetz, hat den Schutz des Wildbestandes geregelt; diese weitverzweigten Bestimmungen können wir unmöglich in das Strafgesetzbuch aufnehmen. W ir müssen uns, glaube ich, mit den Strafbestimmungen des Wilderns, die wir ja noch zu erörtern haben werden, begnügen. Dasselbe gilt für die Aufnahme des Tier- und Pflanzenschutzes; das sind gleichgestellte Dinge, die einen verwaltungsmäßigen Hintergrund haben. Dem Vorschlage, den Pflanzenschutz den Sondergesetzen zu überlassen, kann ich daher nur beitreten. Bei der Bestrafung der Ausfuhr von Denkmalen steht der Gesichtspunkt im Vordergrund, daß die zu schützenden Werke jeweils von der Verwaltung be­ zeichnet sein müssen. Dieser verwaltungsmäßige Ein­ schlag dürste eine Einarbeitung in das allgemeine Gesetz verbieten. Höchstens könnte hier der Tatbestand des § 304 S tG B , ausgebaut werden. Dasselbe gilt erst recht von der Zerstörung von Ausgrabungs­ funden. Die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden will auch Herr Vizepräsident G rau nicht einem in das Strafgesetzbuch aufzunehmenden Schutz unterstellen. Blankettvorschriften haben auch hier keinen in das Bolksbewußtsein eingehenden Inhalt.

Was ich vorhin von dem Wald gesagt habe, trifft in erhöhtem Maße aus die deutsche Bodenwirtschast zu. E s ist ganz zweifellos, daß der Boden einen be­ sonderen Schutz verlangt. Es ist aber zu fragen, ob dieser Schutz nicht schon ausreichend durch die Steuer­ gesetze gewährt wird, durch die Wertzuwachssteuer­ gesetze, Siedlungsgesetze und durch das Gesetz über die Ausschließung von Wohnsiedlungsgebieten. Auf­ genommen in das Strafgesetzbuch könnte vielleicht eine Bestimmung werden, wonach die absichtliche Ver­ schlechterung oder böswillige Nichtbewirtschastung des eigenen Grund und Bodens (etwa Raubbau), wenn sie eigennützig geschieht, unter Strafe gestellt werden. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Problematik dieses Abschnitts liegt weniger im Ziel als in der Technik. Ich glaube, wir kommen der Sache nur dann nahe, wenn w ir uns fragen, was wir unter Schutz stellen wollen. Aus dem Aus­ druck „sachgebunden" ergibt sich die Abscheidung von allem, was immateriell ist. Alle Dinge, die mit Volksbrauch und dergleichen zusammenhängen, werden dadurch ausgeschieden. E s muß sich um Dinge der sichtbaren Welt handeln. Hinsichtlich des Begriffes des Volksguts besteht darüber Einigkeit, daß die Eigentumsfrage hier so wenig eine Rolle spielen kann wie in § 304 des geltenden Rechts. Auch die Wertsrage kann hierbei nicht gestellt werden. D as Kriegerdenkmal kann als Wertgegenstand sehr geringwertig sein und würde trotzdem als hier einbezogen gedacht sein. D as Volks­ gut ist unter der Beziehung zu betrachten, die die Gesamtheit dazu haben kann. Diese Beziehung kann materieller N atur sein (Bergbau), sie kann auch ideeller N atur sein (Heimatschutz). Die zweite Frage ist, was man von den Dingen der sichtbaren Welt unter den Begriff Volksgut subsumieren kann. Die Vorschläge von Herrn Vize­ präsidenten G rau kann man vielleicht in drei Gruppen zusammenfassen. Zu schützen ist einmal alles, was im Schoße der Erde an flüssigen und festen Bestandteilen liegt, soweit sie für die Volkswirtschaft einen besonderen Wert haben. Zur zweiten Gruppe gehört alles das, was aus der Erde sichtbar ist, also der Wald und sein In h a lt, Tiere und Pflanzen. Zur dritten Gruppe gehört das, was man unter den Begriff des Denkmals bringen kann, Natur- und Kunstmäler der Gegenwart und Vergangenheit. Die Beziehungen der Gesamtheit zu den einzelnen Gruppen sind verschieden. Einmal ist die Beziehung wirtschaftlicher Art, das andere M al ideeller Art. Die weitere Grundfrage ist die, gegen welche Handlungen das Volksgut geschützt werden soll. E in­ mal wird ein Schutz gegen Beseitigung verlangt. M an kann darunter die örtliche Beseitigung (Aus­ fuhr, Zerstörung) verstehen. Eine andere Frage ist die, ob man in diesen Abschnitt auch die Unter­ lassungen hineinnehmen soll, insbesondere die Unter­ lassung der Pflicht zur Benutzung des Bodens und des Waldes. D as kann man im weitesten Sinne auch darunter fassen. Wenn ich den Tatbestand her­ ausgreife, daß der Landwirt den ihm gehörenden Boden nicht ordnungsmäßig bewirtschaftet, so habe ich die Meinung, daß hier eine Strafdrohung gar-

nicht int Verhältnis zu dem steht, was hier geschieht. Wenn aber der Bauer sagt, ich arbeite nur für meine eigene Wirtschaft, so tut er das unter Verpfandung seiner Existenz. Demgegenüber erscheint mir eine Gefängnisstrafdrohung lächerlich gering. D as geltende Recht hat den hier vertretenen Ge­ danken gegenüber nicht fremd gestanden. D as geltende Strafgesetzbuch zeigt allerdings nur schwache Ansätze in dieser Richtung. Die deutsche Volks­ gesetzgebung hat aber viele genaue und scharfe S tra f­ vorschriften. Das große Problem, das hier zu lösen ist, ist das, die Materie in eine eindrucksvolle Form zu bringen und den leitenden Grundgedanken straf­ rechtlich zu ersassen. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ich brauche nicht weiter auszuführen, daß es sich hier um eine Idee des Nationalsozialismus handelt. Aus dieser Idee heraus muß man sich den vom Herrn Vizepräsidenten Grau erwähnten Begriff des Ober­ eigentums klarmachen. Danach bedeutet Obereigen­ tum eine Beschränkung des Eigentums, gesehen von den Belangen der Gesamtheit des Volkes aus. Eine Frage ist, ob Volksgut solcher Art auch das­ jenige Volksvermögen sein soll, z. B. ein Bergwerk, das einem Ausländer gehört. Herr Vizepräsident Grau hat mehrere Volksgüter genannt, deren Schutz ihm notwendig erscheint. Ich meine, es geht nicht an, diese einzelnen Volksgüter auszuzählen. Richtig erscheint mir vielmehr, daß wir eine Blankettbestimmung schaffen, die diese Idee des Schutzes des Volksgutes ausführt, aber die zu schützenden Volksgüter der Bestimmung der Reichs­ regierung überläßt. Ich kann mich Nicht daran stoßen, daß durch Blankettgesetze Polizeirecht geschaffen wird. Der Gedanke des § 304 S tG B , ist jedenfalls zu er­ weitern. Die Überschrift dieses Abschnitts „Sachgebundene Volksgüter" halte ich nicht für richtig. Besser würde man schreiben: „Schutz des Volksvermögens" oder „Schutz des Volksgutes". W as die Fassung der Blankettstrafgesetze angeht, so werden dabei die Zeitwörter eine hervorragende Rolle spielen. Daß wir das Beschädigen unter Strafe stellen, ist selbstverständlich. Sehr schwierig wird die Frage aber bei dem Unterlasten. Die Unterlassung der Bearbeitung des Bodens kann man erfaffen, wenn sie böswillig geschieht, um die Volksgesamtheit zu schädigen. M an wird aber bei den Unterlastungstatbeständen sehr vorsichtig vorgehen müssen. Staatssekretär Dr. Freister: E s ist außerordentlich schwierig, dem Standpunkte von Herrn Senatspräsidenten Professor Klee ent­ gegenzutreten, und zwar deshalb schwierig, weil das, was Herr Senatspräsident Klee ausgeführt hat, die Folge einer bestimmten Betrachtungsweise ist, und weil man nur bei gleicher Betrachtungsweise auch zu gleichen Ergebnissen gelangen kann. M. E. hat Herr Senatspräsident Klee das Problem ganz unter dem Gesichtspunkte der sormaljuristischen Notwendigkeit eines solchen Abschnitts betrachtet. Bon diesem Ge­ sichtspunkt aus kann man natürlich sagen, daß die Aufnahme eines derartigen Abschnitts unnötig ist;

denn irgendwo, z. B. im Bergrecht, finden sich ja diese Bestimmungen. D as ist ein Gesichtspunkt, der schwer zu schlagen ist, weil er folgerichtig ist. E r hat aber nur für den Berechtigung, der dieses Problem unter dem Gesichtspunkt der sormaljuristischen Notwendigkeit be­ trachtet. E s gibt aber auch eine andere Betrachtungs­ weise. D as ist das Gefühl, daß es zweierlei ist, ob irgendwo am Rande, in abgelegenen Gebieten unseres Rechts, eine kleine Einschränkung der Freiheit des Eigentums des einzelnen sich befindet, oder ob man sich aus den Standpunkt stellt, daß das Eigentum überhaupt nur auf der Grundlage einer Verpflichtung besteht. E s ist schon so, daß man revolutionären Be­ wegungen manchmal nachsagen kann, daß alles das, was diese Bewegungen aus ihre Fahne geschrieben haben, schon dagewesen ist. Aber es hat wie ein Veilchen im Verborgenen geblüht, während die revolu­ tionäre Bewegung das alles in das Sonnenlicht ge­ stellt hat. Diese veränderte Anschauung, die das bis­ her Abseitsstehende in den Mittelpunkt stellt, muß man in den grundlegenden Gesetzen, insbesondere im Strafgesetzbuch, zum Ausdruck bringen. Wenn man hiervon ausgeht, so muß man die Güter des Volkes ganz unabhängig davon schützen, in wessen Eigentum sie stehen. Ich bin auch der Meinung, daß man Liesen Abschnitt unter allen Um­ ständen in das Strafgesetzbuch aufnehmen sollte. Unabhängig davon, daß ich mir den grundsätz­ lichen Gesichtspunkt von Herrn Senatspräsident Klee nicht zu eigen machen kann, muß ich mich auch mit seinen praktischen Bedenken auseinandersetzen. E r meint, daß man keine Bestimmungen aufnehmen sollte, die nur für bestimmte Personengruppen in Be­ tracht kommen. Dieser Gesichtspunkt ist unrichtig; denn diese Bestimmungen interessieren das ganze Volk. D as zweite Argument war, daß man in das Strafgesetzbuch keine Bestimmungen aufnehmen sollte, bei denen das Verwaltungsmäßige überwiegt. Als Argument dafür, daß es sich hier um derartige Be­ stimmungen handelt, wurde angeführt, daß der S traf­ gesetzgeber sich aus Blankettvorschriften beschränken muß. Auch ich bin der Meinung, daß Blankettvorschristen unerwünscht sind, und daß w ir prüfen müssen, ob wir nicht an Stelle dieser Blankettvor­ schriften Vorschriften mit eigenem materiellen In h a lt schassen können. Ich gestatte mir, auf das Beispiel aus dem italienischen Gesetz zurückzukommen, nämlich auf die fundamentale Bestimmung über die Seuchen­ gesetzgebung. Ich erwähne dies als Beispiel nur des­ halb, weil man in einer ganzen Reihe von Fällen auch Blankettvorschriften mit eigenem In h a lt wird schaffen können. Es werden natürlich oft verdeckte Blankettvorschriften bleiben; aber eine verdeckte Blankettvorschrist ist schon besser als eine reine Blankettvorschrist. Herr Senatspräsident Klee hat diesen Einwand auch in dem Zusammenhang gebracht, daß es sich hier um wandelbares Recht handele. Ich muß nun sagen, daß keine Bestimmung geeigneter ist, allen Wandlungen des Bedürfnisses der Verwaltung Rech­ nung zu tragen, als die Blankettvorschrist. Daher hat auch das Argument keine Durchschlagskraft, daß w ir uns damit in Polizeirecht hineinmischen. D as führt wieder zu der Frage, ob es sich überhaupt um Polizei-

recht handelt. Ich fasse Polizeirecht so auf, wie es das Volk unterscheidet; Polizeirecht ist das weniger Wich­ tige, Strafrecht das Wichtige. D as nationalsoziali­ stische Volk sucht aber Bestimmungen darüber, daß z. B. die Bergschätze nicht von einzelnen beliebig ausgebeutet werden dürfen, nicht in irgendwelchen Sondergesetzen, sondern in dem Strafgesetzbuch. D as sind die Gründe, die mich veranlassen zu bitten, einen besonderen Abschnitt über die Verletzung des Volksguts aufzunehmen. Der Ausdruck „sachgebundenes Volksgut" ist nicht schön. Vielleicht ist die Lösung am besten, daß man „sachgebundenes" fort­ läßt. M an spricht aber besser von Volksgut als von Volksvermögen; Vermögen erinnert zu sehr an das Geldliche. W as die einzelnen Tatbestände anlangt, so scheint mir die Einteilung, die Sie, Herr Reichsminister, gegeben haben, außerordentlich einleuchtend zu sein. D as Verbot der Aneignung von Bergschätzen ist so tief in unserem Volk verwurzelt, daß w ir dieses Verbot in das Strafgesetzbuch aufnehmen müssen. Herr Vizepräsident Grau hat außerdem gebeten, den Raubbau an Bergschätzen unter Strafe zu stellen. Es ist dies aber eigentlich kein Raubbau, sondern ein unberechtigter Abbau. Es ist dies nicht anderes wie eine Bestrafung der unberechtigten Aneignung von Bergschätzen. Diesem Vorschlag ist m. E. nicht zu folgen; Herr Vizepräsident Grau hat ihn auch selbst nicht sehr stark vertreten. Aber die Frage ist, ob man eine Strafe für das vorsehen soll, was das Volk unter Raubbau versteht. D as Volk spricht dann von Raub­ bau, wenn jemand nur das Allerlohnendste herausholt und das andere liegen läßt. Es ist also die Frage, ob man eine Pflicht zur ordnungsmäßigen Ausnutzung des Volksguts aufstellen soll; diese Frage ist aber später zu behandeln. E s würde dann der Schutz des Waldes und der Quellen kommen. Ich würde hier einen strafrecht­ lichen Schutz in dem von Herrn Vizepräsidenten Grau vorgeschlagenen Umfang empfehlen. D ann kommen die Denkmäler. W ir müssen N atur- und Kunstdenkmäler unterscheiden. Zu den Kunstdenkmälern gehören nt. E. nicht z. B. das Kyffhäuserdenkmal und die Kriegerdenkmäler. Diese Denk­ mäler sind nt. E. in dem Abschnitt über den Schutz der Bolksehre zu erfassen. Hierher gehören nur Denkmäler menschlichen Handelns und Lebens, zu denen wir eine persönliche Beziehung nicht mehr haben. D as ist der Unterschied zwischen der Be­ ziehung zu einem Toten in einem Hünengrab und zu einem toten deutschen Kaiser. Deshalb würde ich empfehlen, dem Vorschlage von Herrn Vizepräsidenten G rau mit dieser Einschränkung Rechnung zu tragen. Als letztes bleibt die Pflicht zur Bearbeitung von Volksgut. Ganz allgemein kann man dies erst regeln, wenn die nationalsozialistische Wirtschaft vollständig ausgebaut ist, zumal wir uns hier aus einem Gebiet befinden, aus dem wir nicht federführend sind. Der Versuch, eine derartige Bestimmung aufzunehmen, nach der z. B. der Raubbau an Bergschätzen bestraft wird, wie ich sie vorhin skizziert habe, würde außer­ ordentlichen Widerspruch finden. Deshalb bin ich der Meinung, daß wir das nicht in das Strafgesetzbuch

aufnehmen sollten. D araus würde logischerweise folgen, daß wir ebensowenig die Nichtbenutzung des Volksgutes, soweit es sich um landwirtschaftlich nutz­ bare Flächen handelt, aufnehmen sollten. Hier bin ich aber auch der Meinung, daß schon durch das Erbhof­ gesetz die M ittel geschaffen sind, um die richtige Aus­ nutzung des deutschen Bodens zu sichern. E s bleibt noch die Frage der Bekämpfung der Spekulation. Hier schlägt Herr Vizepräsident Grau selbst vor, keine Bestimmung in das Strafgesetzbuch aufzunehmen; diesem Vorschlage ist zu folgen. M it diesen einschränkenden Ausnahmen, mit Aus­ nahme der Spekulationsbekämpfung im Siedelungs­ wesen, mit Ausnahme der Ausnahme der Vorschriften in diesen Abschnitt, die eine Pflicht zur positiven Be­ arbeitung aufstellen, und unter Verweisung derjenigen Kunstdenkmäler, bei denen es uns mehr auf die Ver­ ehrung ankommt, in einen anderen Abschnitt, mit diesen Einschränkungen bin ich für die Vorschläge des Herrn Vizepräsidenten Grau. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe mir die Frage der Unterlassung der Bearbeitung des Bodens überlegt. Wenn wir ein Strafgesetzbuch machen würden, das die Nichtbearbei­ tung unter Strafe stellt, so würde dies der Reichs­ nährstand als eine Herausforderung empfinden. D as ließe sich aus politischen Gründen kaum darstellen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich glaube, daß ich die Frage, ob das Volksgut im allgemeinen Strafgesetzbuch zu schützen ist, nicht unter dem formalen Gesichtspunkt der Notwendigkeit des Schutzes überhaupt behandelt habe; ich habe diese Frage vielmehr lediglich unter dem Gesichtspunkt der Eignung der bereits bestehenden Sondervorschriften zur Aufnahme in das allgemeine Strafgesetzbuch ge­ prüft. D as ergibt sich ohne weiteres daraus, daß ich zwei Tatbestände bezeichnet habe, die in diesen Ab­ schnitt aufgenommen werden könnten, und zwar den der Mineralzueignung und den der böswilligen Nichtbewirtschastung des eigenen Grund und Bodens. Ich habe mich nur dagegen gewandt, daß wir in das allgemeine Strafgesetzbuch blasse Blankettvorschristen aufnehmen. Ich bezweifle die Möglichkeit, derartige Tatbestände in größerer Zahl zu finden, weil diese Tatbestände zu sehr von der verwaltungsmäßigen Behandlung der Materien abhängig sind. Die Blankettvorschriften sind farblos und hätten einen rein polizeilichen Charakter. D as möchte ich gerade deshalb vermeiden, weil ich mir bewußt bin, daß die ganze Materie nicht unter dem Gesichtspunkt des Polizeistrafrechts behandelt werden kann. Es kommt alles darauf an, ob es uns gelingt, aus der weitverzweigten Masse der vorhandenen Tatbestände, solche herauszufinden, die für die Aufnahme in das allgemeine Strafgesetzbuch geeignet sind. Ich sagte, wir sollten in erster Linie nur solche Tatbestände in das Strafgesetzbuch hineinnehmen, bei denen als Täter der Volksgenosse als solcher in Frage kommt. E s ist richtig, daß z. B. an der Lebens­ mittelgesetzgebung das ganze Volk interessiert ist. Die Frage ist nur, ob wir diese Bestimmungen in das Strafgesetzbuch hineinnehmen können. M. E. können

wir das nicht, weil sich diese Vorschriften in erster Linie an ganz bestimmte Berufsgruppen wenden. Eine Reihe von Vorschriften kommen allerdings in Be­ tracht, die jeden berühren können. Ich bezweifle aber die Möglichkeit, daß wir derartige Vorschriften von erheblicherer Bedeutung auffinden, die sich dazu eignen, in das Strafgesetzbuch übernommen zu werden. Professor Dr. Graf Gleispach: Die Stellungnahme zu der Frage der Ausnahme eines Abschnitts über strafbare Handlungen gegen Volksgüter ist von ganz grundsätzlicher Bedeutung. Ein nationalsozialistisches Strafgesetzbuch muß die Idee des Strasschutzes für diese Güter bejahen. Aber auch für die Methode der Gesetzgebung, der Tatbestands­ gestaltung, ist diese Frage wichtig. Der Abschnitt „Strafbare Handlungen gegen das Volksgut" ist der stärkste Ausdruck des Bestrebens, Tatbestände zu ge­ stalten, durch die das Recht dem Leben möglichst nahe gebracht wird. Ich würde es für eine Herabsetzung der Jurisprudenz halten, zu sagen, juristische Be­ denken sprechen dagegen. Aufgabe der Jurisprudenz ist es, die Lebensnähe wieder zu gewinnen. Es ist unleugbar, daß man, gebunden an die Überliefe­ rung, sofort die Kollision mit dem Hauptstück über die Sachbeschädigung und den gemeingefährlichen Hand­ lungen empfindet. Aber diese Bedenken treten dagegen zurück, daß das Strafgesetzbuch ein großes Bekenntnisund Erziehungsmittel sein soll. Zu der Frage des Blankettstrafgesetzes kann ich mich kurz fassen. Es gibt zwei Gruppen von Blankettgesetzen, und für uns kommt nur das verdeckte Blankettgesetz in Betracht. I m geltenden Recht haben wir eine Fülle von solchen verdeckten Blankettvorschriften, z. B. die Freiheitsberaubung. Auch hier macht sich aber das geltend, was ich als Traditionsgebundenheit bezeichnet habe. Grundsätz­ lich habe ich keine Bedenken gegen diese verdeckten Blankettgesetze. Die dritte Frage ist die, wie in diesem Abschnitt die Ausländer zu behandeln sind. F ü r die Besitzer unbeweglichen Gutes, um die es sich hier im wesent­ lichen handelt, würde ich denken, daß sie den I n ­ ländern gleichzustellen sind. Wer deutschen Boden erworben hat, für den muß der Grundsatz, daß die Pflicht dem Recht vorgeht, auch gelten. Hinsichtlich beweglicher Sachen könnte man Zweifel haben; eine Unterscheidung würde ich aber nicht für richtig halten. Die letzte Frage ist die, was man unter sachgebundenen Volksgütern zu verstehen hat. Ich frage mich, ob nicht auch die Erzeugnisse gewisser Zweige der Kunst hier hineinzubeziehen wären. Ich denke an große Werke der Kunst, die nicht gerade unter den Be­ griff des Denkmals fallen, z. B. an hervorragende Werke der Malerei. Is t es nicht richtiger, den Ge­ danken, den w ir hier ausgestalten wollen, auch auf die materialisierten Erzeugnisse der Kunst auszudehnen? Ich würde das befürworten. I n Betracht kommen Werke der Malerei, in gewissem Sinne auch Erfin­ dungen, wissenschaftliche Arbeiten, die noch nicht ver­ öffentlicht sind. Hierbei würde auch die Frage auf­ tauchen, ob ein Unterschied zwischen I n - und Aus­ ländern gemacht werden muß. Ich möchte zur E r­

wägung geben, ob nicht die großen Erzeugnisse der Kunst, die in einer Sache verkörpert sind, hier hinein­ gehören. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich hatte das Wort „Denkmal" in einem sehr weiten Sinne gemeint. Ich möchte auf einen Fall hinweisen, der mir sehr viel Kummer bereitet hat. I n Nürnberg befand sich ein Globus, der von Beheim geschaffen war. Dieser Globus stand auf der Liste der Gegenstände, die nicht ausgeführt werden dürfen. Wenn z. B. die Nachkommen der Familie Beheim diesen Globus zerstören würden, so würde ich diesen Fall hier einbezogen wissen wollen. Ministerialdirektor Schäfer: Ich gehe davon aus, daß mit Rücksicht auf das Antlitz, das das Strafgesetzbuch tragen soll, ein be­ sonderer Abschnitt geschaffen wird. E s kann hier nicht unsere Ausgabe sein, diese Tatbestände zu formulieren. Aber ich möchte glauben, daß nach einer Seite noch eine Ergänzung in Betracht kommt, die hier schon besprochen werden kann. Das sind die Fälle, die im § 327 RefEntw. enthalten sind. Wenn der ganze Titel „Angriffe aus Volksgüter" heißt, so wird man darin auch das suchen, was in § 327 steht. Bei dieser Bestimmung haben wir vollständig von den Eigen­ tumsverhältnissen abgesehen. Aus diesem P a ra ­ graphen würden wir für den Abschnitt „Angriffe auf Volksgüter" feste Tatbestände gewinnen können. W ir könnten dann den Abschnitt „Sachbeschädigung" von dieser Bestimmung entlasten und die Sachbeschädigung auf die Beschädigung fremder Sachen beschränken. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es ist klar, daß der § 327 hierher gehört. Bei der Sachbeschädigung sind wir dagegen darauf an­ gewiesen, von dem Begriff der fremden Sache aus­ zugehen. Ich möchte versuchen, folgendes zusammenzufassen: Ein besonderer Abschnitt soll ausgenommen werden. Die Überschrift soll lauten: „Angriffe auf das Volksgut". Der Singular ist vorzuziehen. Unter dem Begriff Volksgut sollen die Boden­ schätze und die Mineralquellen fallen, -über den Schutz des Waldes und des Wildes, der dann kommen würde, ist wenig gesprochen worden. Staatssekretär Dr. Freisler: W ir schützen das Wild gegen Aneignung. Es ist also im Strafgesetzbuch schon mehr geschützt als das, w as wir hier als Volksgut schützen wollen. E s könnte nur die Frage auftauchen, ob man das Wildern in diesen Abschnitt mit hineinbezieht; das würde ich aber nicht tun. Gerade weil wir den Schutz des Wildes gegen Aneignung haben, können w ir darauf verzichten, das Wild auch hier zu erwähnen. Anders scheint es mir beim Wald zu sein. Praktisch kann es sich nur um die nichtstaatlichen Wälder handeln; für diese wäre die reichsgesetzliche Regelung über den Schutz gegen Waldverwüstung inhaltlich hierher zu übernehmen.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Bei der Waldverwüstung kommt es darauf an, den Bestand des Waldes zu sichern. Beim Wild muß man die unbefugte Aneignung ausscheiden. Wohl aber könnte man die unterlassene Fütterung des Wildes hierher rechnen. D as ist aber im einzelnen im Jagdgesetz geregelt. I m übrigen muß ich sagen, daß der Schutz des Wildes als Volks­ gut nicht so wichtig ist wie der Schutz des deutschen Waldes. Zu der M aterie Denkmalschutz ist eine Spezial­ frage zu klaren. Wenn wir eine allgemeine Strasvorschrift ausstellen, so fragt es sich, ob w ir auf eine Bannschutzvoraussetzung verzichten können. Vizepräsident Grau: M an wird unterscheiden müssen. D as Ausfuhr­ verbot kann sich nur auf solche Denkmale richten, die in einer Liste stehen. Bei der Sachbeschädigung und Zerstörung muß man weiter gehen. Alle Denkmale, die das Volk als völkisch wertvoll ansieht, muffen geschützt werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich meine, daß es ein sehr unsicheres Merkmal ist, sich hier auf die Meinung des Volkes zu stützen. Staatssekretär Dr. Freister: Ich bin der Meinung, daß wir die lebenden Künstler ausscheiden müssen. Sonst beginnt das Rennen der lebenden Künstler um die Anerkennung ihrer Werke. F ü r Kunstwerke der Vorzeit wäre es wünschenswert, daß wir eine Tabelle bekämen; so­ lange wir sie nicht haben, müssen wir mehr schützen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Frage geht nur dahin: Kann man bei dem Denkmalschutz auf irgendeine äußere Kennzeichnung der Schutzwürdigkeit verzichten? D as halte ich nicht für möglich. Professor D r. Dahm: Es sollen doch wohl auch Kunstwerke geschützt werden, die nicht von Deutschen geschaffen sind? Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich meine, daß auch ausländische Kunstwerke zum deutschen „Volksgut" gehören können. Die Herren wären also überwiegend der Meinung, daß man bei dem Denkmalsschutz auf eine Kennzeich­ nung als „Volksgut" nicht verzichten kann. Die gesamte Materie des § 304 S tG B , muß hier aufgenommen werden. Es bleibt noch das Ausgrabungsrecht übrig. Diese Materie ist auch in Deutschland ganz verschieden ge­ regelt. I m preußischen Gesetz ist der Ausgangspunkt eine Anzeige- und Ablieserungspslicht; die Verletzung dieser Pflicht steht unter Strafe. W oran soll hier der Strastatbestand anknüpfen? Vizepräsident Grau: M an könnte es darauf abstellen, daß Aus­ grabungsfunde nicht abgeliefert werden. I n dem preußischen Gesetz ist als schwerster Tatbestand die Vereitelung der Ablieferung durch Beiseiteschaffen, Zerstören usw. vorgesehen.

Reichsjustizminister D r. Gürtner: Der S ta a t will sicherstellen, daß die Dokumente der Vergangenheit dem Volke zugänglich gemacht werden; deshalb hat er eine Anzeige- und Abliefe­ rungspflicht aufgestellt. M an wird auf nichts anderes als aus die preußische Regelung hinauskommen können. Der Heimatschutz als solcher ist als etwas außer­ ordentlich Wichtiges empfunden worden. W ir hatten im § 407 einen allgemeinen Tatbestand vorgesehen. M an sollte m. E. das Bekenntnis zum Heimatschutz im Strafgesetzbuch lassen. Der Schutz der Pflanzen und Tiere sollte irgendwo erscheinen; ebenso ist hier auch der Schutz des Landschastsbildes aufzunehmen. Die UK. ist die gleiche wie gestern. S ie besteht aus den Herren Senatspräsident Professor Dr. Klee, Vizepräsident Grau, Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer und Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer. (Pause von 13.35 Uhr bis 17.10 Uhr.) Reichsjustizminister D r. Gürtner: W ir kommen zum Abschnitt Diebstahl und Unterschlagung. Ich schlage vor, die Grundtatbestände des Diebstahls, der Unterschlagung und der Untreue zum Gegenstand der Referate zu machen. Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: I m Gegensatz zu dem geltenden Recht, das bev den Aneignungsdelikten, also Diebstahl, Raub und Unterschlagung keinen Unterschied macht, ob der Täter bei der Aneignung die Absicht gehabt hat, sich zu be­ reichern oder nicht, hat bereits der Entw. von 1927 und ihm folgend der Reserentenentwurf von 1933 die jetzigen Aneignungstatbestände erheblich eingeengt, indem überall als Tatbestandsmerkmal die „Bereiche­ rungsabsicht" erfordert wird. I n der überwiegenden Zahl der Fälle wird aller­ dings die Absicht der rechtswidrigen Zueignung auch eine Bereicherungsabsicht in sich schließen. Dies ist jedoch nicht notwendig der Fall. S o handelt nicht in Bereicherungsabsicht, wer ihn selbst kompromittierende Briefe oder Akten aus dem Gewahrsam eines anderen fortnimmt, wer vertretbare oder nichtvertretbare Sachen entwendet und dafür den Gegenwert zurück­ läßt und dergleichen. Der ResEntw. will alle diese Fälle, bei denen gerade das für die natürliche Vorstellung Typische beim Diebstahl fehle, aus der Strafvorschrist gegen den Diebstahl ausschließen und die Einschränkung des Strasschutzes, die hierdurch entsteht, aus das Aus­ weichegleis des § 334 des ResEntw. verschieben, welcher die unrechtmäßige Aneignung zum Gegen­ stände hat. F ü r die Beantwortung der Frage, wie die Be­ stimmungen über Diebstahl, Raub und Unterschlagung im neuen Strafgesetz zu gestalten sind, ist die E nt­ scheidung, ob man die Bereicherungsabsicht einführen will oder nicht, absolut grundlegend. Denn das Fehlen der Bereicherungsabsicht bei den Aneignungs­ delikten kann der T at ein ganz anderes psychologisches Aussehen und eine ganz andere soziale und wirtschaft­ liche Tragweite verleihen, und diese Verschiedenheit

kann unter Umständen eine andere Bezeichnung und eine andere Behandlung rechtfertigen. Wohl über keine Frage sind sich die Gelehrten so uneinig gewesen, wie gerade hierüber, und es ist bezeichnend, daß so­ wohl die Anhänger wie die Gegner der Einführung des Tatbestandsmerkmals der Bereicherungsabsicht sich als Beweis für die Richtigkeit ihrer Anschauung auf die gesunde Bolksanschauung berufen. D as gleiche ist seit 1909 in der Begründung der verschiedenen Strafgesetzentwürse geschehen, die sich eingehend mit dem F ür und Wider auseinandergesetzt haben. Gegen die Einführung des Tatbestandsmerkmals der Bereicherungsabsicht sprechen insbesondere folgende Gründe: Wenn man an den Fall denkt, daß — even­ tuell sogar mittels Einbruches — ein wichtiges Schriftstück entwendet wird, um dasselbe zu veröffent­ lichen und dadurch den Eigentümer auf das Ärgste zu kompromittieren, so wird das der Volksanschauung nach stets ein Diebstahl sein, obwohl hier die Bereiche­ rungsabsicht fehlt. D as gleiche gilt für den — tatsäch­ lich vorgekommenen — Fall, wo ein amerikanischer M illionär ein wertvolles Bild entwenden ließ und hierfür das Mehrfache des Wertes des Bildes als Ersatz leistete. Ebenso gilt der im Volke als Dieb, der aus Rachsucht einem anderen des Nachts einen Hund fortnimmt und ihn dann auf seinem Hofe erschießt. I n allen diesen Fällen kann von einer Bereiche­ rungsabsicht keine Rede sein, und doch haftet der T at stets das Entehrende des Diebstahls an. F ü r die Beantwortung der Frage, ob Bereiche­ rungsabsicht oder nicht, kann daher bei der Vielgestal­ tigkeit der denkbaren Fälle die Volksanschauung nicht als Gradmeffer genommen werden. Entscheidend kommt m. E. einzig und allein in Betracht, daß das durch die Diebstahlsbestimmungen geschützte Rechtsgut das Eigentum ist, und daß das wesentliche des Diebstahls in der Enteignung, in dem Ausschluß des bisherigen Eigentümers liegt. Geht man aber hiervon aus, so ist, wenn das Rechtsgut verletzt wird, es gleichgültig, welche Motive den Täter geleitet haben, d. h. ob er mit Bereicherungsabsicht gehandelt hat oder nicht. Es besteht danach m. E. kein Anlaß, das T at­ bestandsmerkmal der Bereicherungsabsicht in die gesetzliche Begriffsbestimmung der Aneignungsdelikte aufzunehmen. Streicht man aber in den §§ 328 und 333 die Bereicherungsabsicht, so entfällt damit ohne weiteres das nur bei der Ausstellung dieses T at­ bestandsmerkmals notwendige Ausweichegleis des § 334. Nach dieser negativen Einstellung zu dem Refe­ rentenentwurf möchte ich gleich aus die von der Preuß. Denkschrift in Vorschlag gebrachte Zusammenfaffung von Diebstahl und Unterschlagung unter dem gemein­ samen Oberbegriff des Diebstahls eingehen, dem ich ebenfalls ablehnend gegenüberstehe. Als Argument für die Aufgabe der Trennung zwischen Diebstahl und Unterschlagung führt die Denk­ schrift an, daß bei beiden der Grund der Bestrafung der gleiche sei, nämlich der Schutz des Eigentums vor rechtswidriger Aneignung, und daß es hierbei ohne wesentliche Bedeutung sei, ob durch die rechtswidrige

Aneignung ein fremder Gewahrsam verletzt werde oder nicht. Ich halte diese Auffaffung für verfehlt, da sie nur abstrakt das verletzte Rechtsgut betrachtet, ohne an die Handlung und den entsprechenden Willen anzu­ knüpfen. Eine derartige Anknüpfung muß aber er­ folgen, wenn man gegenüber der Grundtendenz des neuen Strafgesetzes, das den gefährlichen Willen in den Mittelpunkt der strafrechtlichen Betrachtung stellt, konsequent bleiben will. Der strafrechtliche Gehalt der Willensbetätigung ist nun bei dem Einbruch in fremden Gewahrsam wesentlich verschieden von dem, der aus bloßes Auf­ rechterhalten des bestehenden Zustandes gerichtet ist, wie es bei der Unterschlagung der Fall ist. Wer etwas widerrechtlich behält, ist noch lange nicht fähig, etwas widerrechtlich zu nehmen, da hierzu eine viel inten­ sivere verbrecherische Betätigung gehört. Die Trennung von Diebstahl und Unterschlagung entspricht auch durchaus der Bolksanschauung, die den Diebstahl gerade wegen der ihm innewohnenden be­ sonderen Art der Zueignung durch Bruch fremden Gewahrsams als Gewaltdelikt empfindet, während die Unterschlagung als Untreuehandlung betrachtet wird. Wenn die Preuß. Denkschrift als Argument für die Vereinigung von Diebstahl und Unterschlagung weiterhin anführt, daß in Fällen des Bruches des Mitgewahrsams die Grenze zwischen Diebstahl und Unterschlagung flüssig sei, und hier die Unterscheidung nur aus Zufälligkeiten beruhe, so ist das allerdings richtig. Derartige gelegentliche Verwischungen können aber m. E. kein Anlaß sein, die grundsätzliche E in­ stellung zu dem verschiedenen Charakter beider De­ likte zu beeinflussen. Was den Aufbau der Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung anbetrifft, so könnte man ent­ sprechend dem Vorschlage der Preuß. Denkschrift daran denken, aus beiden Tatbeständen das Gemein­ same herauszuschälen und zunächst einen Grundtat­ bestand aufzustellen, wonach die rechtswidrige An­ eignung fremder beweglicher Sachen unter Strafe gestellt wird. Aus diesem Grunddelikt der einfachen Unter­ schlagung könnte man durch Hinzutritt des Tatbestan­ des der „Wegnahme" den Diebstahl aufbauen, der durch die weitere Qualifizierung des M ittels der „Nötigung" den Charakter des Raubes erhält. W ill man in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht vorgehen, das die Veruntreuung anvertrauter Sachen von der einfachen Unterschlagung trennt, so könnte das Grunddelikt durch das qualifizierende Moment des „Anvertrautseins" der Sache zu einem besonderen Delikte ausgestaltet werden. Nach dieser Regelung wäre also Grunddolikt die einfache Unterschlagung, während Diebstahl, RauK und Veruntreuung sich als qualifizierte Begehungs­ formen darstellten, eine Auffassung, die auch von dem Ebermayerschen Kommentar vertreten wird. Dieser Weg ist jedoch m. E. aus mehrfachen Gründen nicht zu empfehlen. Zunächst stehe ich in Übereinstimmung mit den Ausführungen Sauers in seiner Kriminalsoziologie auf dem Standpunkt, daß

der dem Diebstahl eigentümliche Gewahrsamsbruch nach natürlicher Auffassung keine Steigerung gegen­ über der Unterschlagung darstellt, sondern das Grund­ delikt selbst ist. Sodann erscheint mir ein derartiger Ausbau wenig plastisch. Schließlich müßten bei einem derartigen Aufbau auf einem gemeinsamen Grund­ delikt die qualifizierenden Momente sich naturgemäß auch in einem erhöhten Strafrahm en auswirken. D as würde letzten Endes dann dazu führen, daß ein verhältnismäßig harmloser Diebstahl unter eine schwerere Strafandrohung gestellt wäre, als eine viel­ leicht viel schwerer wiegende Unterschlagung. Aus allen diesen Gründen bin ich dafür, die Tren­ nung von Diebstahl unb Unterschlagung beizubehalten und entsprechend der Systematik des Entwurfes zu­ nächst den Diebstahl und sodann die Unterschlagung zu regeln. Was die Gestaltung der Tatbestände im einzelnen anbetrifft, so würde, wenn man meinem Vorschlag folgt, die Bereicherungsabsicht zu streichen, § 328 folgende Fassung erhalten: „Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich oder einem D ritten rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Diebstahls mit Gefängnis bestraft." Hierzu soll der Zusatz „oder einem Dritten" ledig­ lich der Klarstellung dienen. Denn auch unter Zu­ grundelegung des geltenden Rechts, welches diesen Zusatz nicht kennt, liegt nach ständiger Rechtsprechung die Absicht vor, zunächst die Sache sich anzueignen, wenn der Täter die Sache aus fremdem Gewahrsam in den eigenen gebracht hat, um sie aus diesem heraus durch eine weitere Handlung einem Dritten — sei es entgeltlich oder unentgeltlich, sei es nach vorheriger Verabredung oder ohne solche — zuzuwenden. Berichterstatter Professor D r. Kohlrausch: W ir betreten jetzt zum ersten M al das Gebiet der Bermögensdelikte. Es ist nützlich, sich von Anfang an über ein gewisses System, das im großen zu befolgen ist, klar zu werden. Vorläufig neige ich dazu, eine Zweiteilung vorzunehmen. E s sind die Delikte an Sachen und die, die sich gegen das Vermögen als einen nur wirtschaftlich bestimmbaren Begriff wenden, zu trennen. Zu der ersten Gruppe gehören in der Hauptsache Diebstahl, Unterschlagung, Raub und Sachbeschädigung, zu der zweiten Betrug, Erpressung und Untreue. Vorläufig scheint mir dies die sauberste Zweiteilung der Vermögensdelikte zu sein. Die Sachdelikte haben auch für das Volk einen ganz bestimmten einheitlichen Charakter. Es handelt sich bei ihnen um Wegnahme oder Zerstörung der Sache, während der Strafgrund bei der anderen Gruppe in einer anderen Richtung gesucht werden muß. Ich sage dies deshalb, weil vor einigen Jahren von sehr namhafter Seite der Vorschlag gemacht worden ist, diese Trennung aukugeben. Wach hat folgende Bestimmung zur D is­ kussion gestellt: „Wer in der Absicht, sich (oder einem D ritten?) einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen durch Aneignung diesem gehöriger beweglicher Sachen oder durch Täuschung oder Zwang beschädigt, wird . . . . ! " Ich halte diese Lösung für unmöglich, wollte aber

immerhin über sie berichten. Ich glaube, daß wir bei der Zweiteilung der Vermögensdelikte bleiben müssen. Bei den Sachdelikten bin ich weiter der Ansicht, daß man Diebstahl und Unterschlagung trennen soll. Ich stimme darin vollständig meinem Herrn Vor­ redner zu. Ich würde es für unvolkstümlich halten, beides zusammenzufassen. D as Wesen des Diebstahls liegt für das Volk darin, daß nicht nur fremdes Eigentum verletzt wird, sondern daß auch in fremden Besitz eingegriffen wird. Der Eingriff in das Eigen­ tum war überhaupt ein sehr viel späterer Gedanke. Ich bin also der Ansicht, daß man an dem heutigen Grundgedanken des Diebstahls festhalten soll, den ich in dem Angriff auf das Eigentum und aus den Besitz sehe. Der Anschluß an das Eigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts sollte dabei bestehen bleiben. Aus diesem Grunde — das sei hier schon erwähnt — empfehle ich nicht, etwas wie den Elektrizitäts­ diebstahl oder dergl. in den Diebstahlsbegrisf aufzu­ nehmen. Nach bürgerlichem Recht besteht keine Mög­ lichkeit, an elektrischer Energie Eigentum zu erwerben. Diese Ausführungen über die Verknüpfung mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum gelten vorläufig nur für den Diebstahl. Weiter bin ich mit Herrn Oberstaatsanwalt Dr. Reimer der Meinung, daß es sich nicht empfiehlt, die Zueignungsabsicht des heutigen Rechts durch die B e­ reicherungsabsicht zu ersetzen. D as ist in der T at eine Streitfrage — weniger vielleicht unter den Gelehrten, wie mein Herr Vorredner meint — als unter den Gesetzgebern der letzten Zeit. E s ist eine alte deutsche Auffassung gewesen, daß Besitz und Eigentum geschützt werden soll. Erst die Rezeptionszeit, die auf den „anim us lucri faciendi" des römischen Rechts auf­ merksam machte, veränderte die Grundauffassung etwas. E s ist sehr zu bezweifeln, ob mit dem anim us lucri faciendi das gemeint war, was wir heute unter Bereicherungsabsicht verstehen müssen, wenn wir uns dem Vermögensbegrisf des Reichsgerichts anschließen sollten. Die Berufung aus das römische Recht ist wohl ein Mißverständnis gewesen und hat nur Schaden angerichtet. I n der M itte des 18. Jahrhunderts ge­ wann die Anschauung, daß zum Diebstahl Bereiche­ rungsabsicht erforderlich sei, stärkeren Einfluß. Aber auch damals verstand man darunter nicht die Absicht, sich einen in Geld meßbaren Vermögensvorteil zu verschaffen. Binding hat gesagt, daß zum Diebstahl die Bereicherungsabsicht erforderlich ist. Binding ver­ steht darunter aber nur die Absicht, sich um das Recht an der Sache zu bereichern, aber nicht die Absicht, sich um einen in Geld meßbaren Vorteil zu bereichern. Die Berufung aus die Geschichte ist falsch, weil man die Bereicherungsabsicht nicht in dem S inne gefaßt hat, wie wir sie heute fassen würden. Wenn man Bereicherungsabsicht verlangt, so hat man dies deswegen getan, weil man den Diebstahl gegen die Wegnahme einer Sache in der Absicht der Zerstörung abgrenzen wollte. Erst in den Vorarbeiten zum Preußischen Strafgesetz­ buch von 1851 wurde der Zweifel erörtert, ob man nicht eine gewinnsüchtige Absicht in einem engeren Sinne, als es diese Zueignungsabsicht sei, fordern müsse. Vorübergehend (in den Entwürfen 1833 und 1836) wurde die Frage bejaht; dann blieb man aber doch wieder bei der Zueignungsabsicht.

Ganz neuerdings ist die Bereicherungsabsicht in einigen Entwürfen und Gesetzen des Auslandes auf­ getaucht, namentlich in Österreich. Die Entwürfe zum österreichischen Strafgesetzbuch haben geschwankt. Wer die Schicksale unserer Entwürfe bei den deutsch-öster­ reichischen Strasrechtskonserenzen verfolgt, kann sehen, daß die Einführung der Bereicherungsabstcht im wesentlichen erfolgt ist, um den österreichischen Wünschen Rechnung zu tragen. Ich glaube also, daß sich aus der Geschichte nichts dafür entnehmen laßt, daß es erforderlich sei, die Bereicherungsabsicht aufzunehmen. Ebensowenig läßt sich aus dem Sprachgebrauch etwas entnehmen. Aus ihn Pflegt sich gerade hier im In lan d wie im Ausland jeder für seine Ansicht berufen. F ü r die Aufnahme der Bereicherungsabsicht würde nur die leichtere Abgrenzung gegenüber der Sachbebeschädigung sprechen. Diese Abgrenzung macht aber heute keine ernstlichen Schwierigkeiten mehr, da der RefEntw. das Delikt der dauernden Entziehung vorsieht. Gegen die Aufnahme der Bereicherungsabstcht spricht die Natur des Diebstahls als eines Eingriffs in fremde Besitzverhältniffe. Es kommt hinzu, daß die Bereicherungsabsicht ein für die Praxis schwer beweisbares Tatbestandsmerkmal wäre. Außerdem wäre ein neuer Tatbestand für Wegnahme ohne Be­ reicherungsabsicht zu schassen. I m übrigen hat die Frage wohl weniger praktische als grundsätzliche Be­ deutung, da Zueignungsabsicht ohne Bereicherungs­ absicht selten ist, da ferner oft wirkliche oder vermutete Einwilligung des Eigentümers angenommen wird, und da endlich bei geringwertigen oder wertlosen Sachen von einer Anklage abgesehen werden kann. Ich bin also der Meinung, daß wir es bei der Zueignungsabsicht belasten sollten. W ir können hier nicht darüber sprechen, wie die Zueignungsabsicht auszulegen ist. Die Rechtsprechung muß hier ihren Weg weiter gehen. Wenn der RefEntw. weiter voraussetzt, daß der Dieb sich oder einen Dritten habe bereichern wollen (oder die Sache sich oder einem Dritten habe zueignen wollen), so mag es zweckmäßig sein, daß man ihm hier folgt, weil die Rechtsprechung nicht die Absicht genügen läßt, die Sache auch einem andern anzueignen. Diese Auslegung entspricht nicht dem Willen des Gesetz­ gebers. D as Preuß. Strafgesetzbuch hat diese Absicht nachweislich nur deshalb nicht aufgenommen, weil man es für selbstverständlich hielt, daß, wer eine in frem­ dem Besitz befindliche Sache wegnehme, um sie einem Dritten anzueignen, sie zunächst sich selber zueigne. Ich komme zu dem Grundtatbestand der Unter­ schlagung. Ich halte es für richtig, daß der RefEntw. ihn vom Diebstahl trennt. Es kommen nicht nur die Fälle des dieblichen Behaltens in Betracht, die man früher einfach einen Diebstahl genannt hat, Fälle, die auch weite Gebiete des Auslandsrechts einfach als Diebstahl bezeichnen, sondern es kommt bei der Unterschlagung etwas qualitativ anderes hinzu, näm­ lich der Bertrauensbruch. Es gibt Fälle des dieblichen Behaltens von Sachen, die man gesunden hat, die ein anderer hat liegen lasten, die man vielleicht als

Unterart des Diebstahls ansehen könnte. Auf der an­ deren Seite gibt es Fälle, in denen der Strafgrund darin besteht, daß ein fremdes Vertrauen gebrochen wird. Was bei dem Diebstahl das Wegnehmen ist, ist hier der Vertrauensbruch. Dieser Gedanke sollte scharf in den Vordergrund gestellt werden. Daher sollte man die Unterschlagung in zwei Tatbestände zerlegen. An die Spitze ist die Veruntreuung zu stellen, d. h. das Behalten anvertrauter Sachen. Dieser Tatbestand ist sehr viel häufiger als der Grundtatbestand. Die selbständige Stellung der Veruntreuung gegenüber dem bloßen dieblichen Behalten scheint mir auch gerade heutiger Ausfastung angemessen zu sein. Dieser Vertrauensbruch ist es, den wir heute als besonders strafwürdig empfinden. Eine geschichtliche Reminiszenz ist von Interesse. Das deutsche M ittelalter hat den Satz Hand wahre Hand („wo einer seinen Glauben gelaffen hat, da soll er ihn wieder holen") soweit getrieben, daß es in diesen Fällen überhaupt nicht gestraft hat. I n der Carolina taucht die Veruntreuung aus. Wo sie herkommt, habe ich nicht feststellen können. Sie ist uns aber doch so sehr in Fleisch und B lut übergegangen, daß die Fälle der einfachen Unterschlagung in neuerer Zeit teilweise überhaupt nicht bestraft wurden. D as Preuß. ALR. strafte außer dem Diebstahl in einem anderen Ab­ schnitt (strafbarer Eigennutz und Betrug) nur be­ stimmte Fälle der Unterschlagung, nämlich durch vollmächtigte, Dienstboten, Depositarien und Pfand­ inhaber. I m Lause der Vorarbeiten zum Preuß. S traf­ gesetzbuch tauchte die Strafe für das diebliche Behalten wieder aus. Der erste Entwurf zum Strafgesetzbuch enthielt diese Vorschrift nicht; erst im dritten Entwurf findet sich die Unterschlagung. Der Tatbestand des § 246 des geltenden Rechts ist deswegen etwas un­ volkstümlich, weil er die Hauptsache als Nebensache behandelt. Ich bin also dafür, daß man die Verun­ treuung anvertrauter Sachen an die Spitze ftetit I m Ausland ist diese Abtrennung der Verun­ treuung am radikalsten in Frankreich durchgeführt, dessen Recht hier nicht unintereffant ist. I m Code Penal finden wir als einziges Eigentumsverbrechen den „vol". Jede Veruntreuung, auch die von Sachen, wird unter dem Gesichtspunkt des abus de confianpe bestraft. Ähnlich wie das französische ist auch das englische Recht. Eine ähnliche Regelung finden wir auch sonst anderwärts, insbesondere in Österreich. Ich würde also der Meinung sein, daß w ir einen zweiten Tatbestand brauchen, den wir Veruntreuung nennen. Es bleibt die Frage, was aus dem bloßen dieblichen Behalten werden soll. Dieser Tatbestand ist dann nur ein Ausfangbecken für das, was übrig bleibt. E s sind dies verhältnismäßig harmlose Fälle, für die eine geringe Strafe anzudrohen wäre. Was die Formulierung dieser drei Tatbestände betrisst, so würde ich glauben, daß wir nicht — was theoretisch möglich wäre — die rechtswidrige Zueig­ nung an die Spitze stellen sollen. D as wäre theoretisch das Feinste und entspricht dem Vorschlag von Binding. Plastischer ist es aber, wenn wir mit dem Diebstahl beginnen und jeden folgenden Tatbestand so formu-

lieren, daß er eng an den vorhergehenden anschließt. Heute besteht zwischen den Tatbeständen eine Lücke, die besonders bei der Fundunterschlagung fühlbar wird. W ir könnten den Diebstahl und die Verun­ treuung positiv formulieren und dann dieses Sammel­ becken der rechtswidrigen Zueignung in der Weise anschließen: „Wer abgesehen von den Fallen des Diebstahls oder der Veruntreuung . . . ." Auch der RefEntw. hat diese Lücke schließen wollen. E r hat die Lücke aber nur teilweise geschlossen. Es gibt Fälle, die unlösbar bleiben. Wenn z. B. der A dem B eine Sache geliehen hat (oder der B eine Sache gesunden hat), und der B die Sache zunächst ohne deliktische Absicht dem gutgläubigen C weiterverleiht, sie dann aber ihm verkauft und durch tra d itio brevi m anu übereignet, so wird dieser Fall weder vom geltenden Recht noch vom ResEntw. unter dem richtigen Ge­ sichtspunkt erfaßt. D as ist streng genommen keine Unterschlagung, Betrug nur mit einer sehr unsauberen Konstruktion; Untreue mag vorliegen, wenn es sich um eine verliehene Sache handelt, wenn die Sache gesunden ist, kommt man damit nicht durch. Sollte man sich nicht bei der Veruntreuung und dann auch bei der Unterschlagung überlegen, ob die Fälle des anvertrauten und unterschlagenen Geldes besonders behandelt werden müssen? E s ist eine T at­ sache, daß das BGB. das Geld als Sache behandelt. Dies hat immer Schwierigkeiten bereitet. Wenn man Geld anvertraut bekommen hat, hat man das Recht, dieses Geld durch andere Geldwerte zu ersetzen. D as macht heute strafrechtlich bekanntlich die größten Schwierigkeiten. Wer eine fremde Kaffe verwaltet, begeht eine Unterschlagung, wenn er fremdes Geld nimmt und eigenes hineinlegt. M an hat hier insbesondere mit dem Gedanken der Ein­ willigung, auch der mutmaßlichen Einwilligung oder mit irrtümlich angenommener, gearbeitet. Ich bin der Meinung, daß man das Geld hier in dem Sinne privilegieren muß, daß man bei der Veruntreuung von anvertrautem Geld Bereicherungsabsicht ver­ langen soll. D as ist der S in n der Nr. 1 meines § 4. M ein Tatbestand der Veruntreuung will also das Geld herausnehmen und hier Bereicherungsabsicht verlangen; eine Veruntreuung soll dann nicht vor­ liegen, wenn jemand lediglich Geld gewechselt hat. Strenger als das heutige Recht würde ich in den Fällen sein, in denen eine andere Sache anvertraut war, sei es von dem Anvertrauenden mit der Ver­ pflichtung, etwas bestimmtes damit zu tun, oder sei es, daß gegenüber dem Übergebenden keinerlei Treueverhältnis besteht. Nach meinem § 4 9fr. 2 soll hier auch dann bestraft werden, wenn jemand Eigentum an einer Sache erworben hat, er diese Sache aber weitergeben sollte. D as ist die zweite Auflockerung der zivilistischen Eigentumsgrundlage, die ich in dieser kompliziert erscheinenden Nr. 2 vorgeschlagen habe. Diese Lösung entspricht vielen ausländischen Rechten; wir haben sie z. B. in Österreich, Holland und Dänemark. Die Frage ist, ob man dadurch in Komplikationen mit der Untreue kommt. Eine derartige Fassung des Beruntreuungstatbestandes würde uns nötigen, den Untreuetatbestand des heutigen § 266 daraufhin zu überprüfen, ob er nicht eingeengt werden muß. Ich

würde das glauben; ich würde namentlich glauben, daß die zweite Hälfte des heutigen Untreuetatbestandes dann gestrichen werden müßte und im wesentlichen aus den Bollmachtsmißbrauch beschränkt werden müßte, wobei man, um keine Lücken entstehen zu lassen, bestimmen könnte, daß keine rechtsgültige B e­ vollmächtigung vorzuliegen braucht. W ir hätten also zunächst den Diebstahl, dann die Veruntreuung und als Auffangtatbestand die Unter­ schlagung. M an kann zweifeln, ob man ihn als Unter­ schlagung bezeichnen soll oder ob man ihn überhaupt nicht näher bezeichnen soll. Dieser Tatbestand (§ 5 meiner Vorschläge) würde dann dahin zu formulieren sein: Wer abgesehen von den Fällen des Diebstahls oder der Veruntreuung 1. fremdes Geld sich oder einem Dritten zueignet in der Absicht, sich oder einen Dritten rechts­ widrig zu bereichern; 2. eine fremde bewegliche Sache anderer A rt sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Unter welchen Tatbestand würde nach Ih re r An­ sicht, Herr Professor Kohlrausch, die Unterschlagung von Geldern aus einer Kasse fallen, bei der die Be­ reicherungsabsicht fehlt? Professor Dr. Kohlrausch: Wenn der Betreffende heute das Geld nicht hat und weiß, daß er es morgen bekommt, so würde ich darin keine strafbare Veruntreuung sehen. Bei Be­ amten würde es auf die Amtsinstruktionen ankommen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Bei Beamten verbieten die Kaffenordnungen derartiges. Professor Dr. Kohlrausch: Wenn jemand für 100 Mark Geldstücke bei sich trägt und dafür einen Hundertmarkschein nimmt, so halte ich es für unsittlich, ihn wegen Amtsunter­ schlagung kriminell zu bestrafen, auch dann, wenn die Kassenordnung derartiges verbietet. I n dem von Ihnen, Herr Reichsminister, gege­ benen F all würde ich keine Veruntreuung sehen, auch nicht das Unternehmen der Veruntreuung. Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Zunächst kann zweifelhaft sein, ob die Untreue überhaupt als selbständiger Tatbestand in das Gesetz aufgenommen werden soll oder nicht. Einigen äußerdeutschen Rechten, so den romanischen Rechten, dem englischen und amerikanischen Recht ist der Tatbestand fremd. Die Stelle der Untreue vertritt dort die Ver­ untreuung, der abus de confiance usw. E s wird jedoch im folgenden zu zeigen sein, daß w ir einen besonderen Tatbestand der Untreue nötig haben, und daß gerade dieser Tatbestand mit einem besonderen Akzent zu versehen ist. D arin liegt bereits die Ab­ lehnung der Vorschläge, die Herr Professor Kohlrausch vorgetragen hat. Herr Professor Kohlrausch wünscht auf der einen Seite einen weitausgedehnten Begriff der „Veruntreuung", auf der anderen Seite einen stark eingeengten Tatbestand der Untreue, eingeengt im Sinne der Mißbrauchstheorie.

Ich halte diesen Weg — Einschränkung der Un­ schlägen von Herrn Professor Kohlrausch nicht ge­ treue zugunsten der Unterschlagung und Verun­ schlossen werden können. D as läßt sich an fünf treuung — nicht für gangbar. Gerade der Untreue­ Gruppen von Fällen zeigen: tatbestand ist geeignet, das Antlitz des neuen deutschen 1. Die Verfügung über Vermögensgegenstände, die Strafrechts sichtbar zu machen, und zwar deshalb, formell im Eigentum des Täters stehen, wirtschaft­ weil er auf dem Gedanken der Treue und des Treu­ lich aber zum Vermögen eines anderen gehören, bruchs beruht. Ich sehe das Verhältnis dieser T at­ kann nicht als Mißbrauch rechtlicher Vertretungs­ bestände so: Wir müssen zwei Grundgedanken in den macht angesprochen werden. Vordergrund stellen, die beide durch und durch volks­ 2. Die dem Täter durch Rechtsgeschäft eingeräumte tümlich sind. D as ist einmal der alte Begriss des Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder Diebstahls, zweitens der jüngere Gedanke des Treu­ einen anderen zu verpflichten, muß aus einem bruchs und der Untreue. Daneben brauchen wir gültigen Rechtsverhältnis beruhen. Der Täter drittens die Unterschlagung als Reservetatbestand und muß im Rahmen seines rechtlichen Könnens Dritten gewissermaßen als Aufsan'gapparat für die Fälle, die gegenüber rechtswirksam handeln können. (Un­ weder unter den Diebstahls- noch unter den Untreue­ treue ist Überschreitung des rechtlichen Dürsens im tatbestand fallen. Gegenüber diesen beiden GrundRahmen rechtlichen Könnens.) Is t die Erteilung tatbeständen hat die Unterschlagung nur subsidiäre der Vollmacht nach bürgerlichem Recht nichtig, so Bedeutung. kann von einer „Befugnis", für einen Dritten zu Der Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 348 handeln, nicht die Rede sein. Trotzdem wird in des RefEntw., der inhaltlich mit dem heute geltenden der Regel zwischen dem Täter und dem Beschädig­ § 266 übereinstimmt. Der RefEntw. versucht — wie ten ein Vertrauensverhältnis bestehen, dessen Ver­ § 266 — die drei Untreuetheorien miteinander zu letzung dann nicht strafrechtlich zu erfassen ist, wenn vereinigen. E r legalisiert nämlich einmal die M iß­ es sich nicht um Sachen handelt. Beispiel: Ein brauchstheorie, und zwar durch die erste Alternative Minderjähriger, dem die Fürsorge für fremdes Ver­ der Bestimmung: „Wer die ihm durch Gesetz, behörd­ mögen ohne Einwilligung seines Vertreters über­ lichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Be­ tragen ist, schädigt dieses Vermögen, ohne daß eine fugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder Zueignung von Geld oder Sachen stattfindet. einen anderen zu verpflichten, mißbraucht . . . " Eine andere Auffassung sieht bekanntlich in der Untreue 3. Wie ist der Fall zu entscheiden, daß der Täter den Rahmen des rechtlichen Könnens überschritten hat, die Verletzung einer Verpflichtung aus dem Jnnenoder daß die Befugnis inzwischen erloschen ist? verhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber. Hier Hier kann von einem Mißbrauch der Vertretungs­ sind zwei Fälle zu unterscheiden: Einmal der, daß macht nur dann die Rede sein, wenn die Beschrän­ jemand „die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags kung der Vertretungsmacht Dritten gegenüber un­ oder Rechtsgeschäfts obliegende Pflicht, fremde Ver­ wirksam ist oder die erloschene Vertretungsmacht mögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch als fortbestehend gilt und die Handlung aus diesem dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Grunde rechtswirksam ist. Sonst ist ein Mißbrauch Nachteil zufügt". Zweitens die Verletzung der reinen der Machtbefugnis undenkbar. Alle anderen Fälle Treuepflicht. § 348 stellt denjenigen unter Strafe, der sind nur mit dem Treubruchstatbestand zu erfassen. „die ihm kraft eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, 4. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß die Mißbrauchsuntreue ein rechtsgeschäftliches verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen Handeln erfordert. Denn nur in einem rechtsgeer zu betreuen hat, Nachteil zufügt". schästlichen Handeln kann eine Verletzung der Ver­ Die Novelle zu § 266 und der RefEntw. haben fügungsmacht. zum Ausdruck kommen. Das be­ nun versucht, den S treit der Meinungen dadurch zu deutet, daß ein rein tatsächliches Verhalten selbst schlichten, daß sie die drei Alternativen miteinander dann nicht bestraft werden kann, wenn keine Unter­ verbanden und alle drei Tatbestände aufeinander schlagung vorliegt. Die Unterschlagung setzt die türmten. Die Folge war, daß das Gesetz völlig un­ Zueignung fremder Sachen voraus. Gegenstand übersichtlich und unlesbar geworden ist. der Untreue aber können auch Forderungen und Ich möchte nun im folgenden Rechte sein, die nicht nur durch rechtsgeschästliche 1. die Mißbrauchsuntreue erörtern und feststellen, Handlungen, sondern auch durch ein rein tatsäch­ welche Lücken bleiben, wenn man nur diesen T a t­ liches Verhalten des Bevollmächtigten verletzt bestand zugrunde legt, werden können. M an denke an die Falschbuchung von Forderungen usw. Auch die Einbeziehung der 2. die Treubruchsuntreue besprechen und Unterlassung begegnet gewissen Schwierigkeiten, da 3. untersuchen, ob es nötig ist, die Mißbrauchs­ das Unterlassen an sich kein Rechtsgeschäft ist, untreue noch neben der Treubruchsuntreue als sondern etwas „rein tatsächliches" bedeutet. selbständigen Teiltatbestand zu erhalten. Die Mißbrauchsuntreue setzt die Verletzung einer 5. Nicht unter den Tatbestand der Mißbrauchsuntreue fällt endlich das Verhalten von Kontrollpersonen rechtlichen Versügungsmacht und damit ein rechts­ wie Aufsichtsratsmitgliedern, Gegenvormündern geschäftliches Handeln voraus. Untreue und Unter­ und dergleichen. Denn Kontrollpersonen dieser Art schlagung werden auf diese Weise scharf gegeneinander sind nicht mit Verfügungsmacht ausgestattet. abgegrenzt. Der Nachteil dieser Regelung liegt aber darin, daß empfindliche Lücken bleiben, die auch durch Diese Betrachtung zeigt, daß die Mißbrauchsuneine Erweiterung der Veruntreuuung nach den Vor­ treue nicht ausreicht. E s fragt sich daher, ob man den

Treubruchstatbestand zugrunde legen soll. Auch da­ gegen könnte man Bedenken vorbringen. S o könnte man geltend machen, der Treubruchstatbestand sei zu verschwommen. Ich halte diesen Einwand nicht sür durchschlagend. W ir dürfen dem Richter auch hier Vertrauen schenken, umso mehr, als sich, wie wir sehen werden, Einschränkungen ergeben, die dem Tatbestand einen gewissen Halt geben. Zweitens könnte man das Bedenken äußern, daß der Tatbestand zu sehr ausge­ weitet würde. Während der Mißbrauchstatbestand Lücken läßt, also zu eng ist, wird der Tatbestand jetzt, so könnte man sagen, zu weit, so daß eine Über­ schneidung von Untreue und Unterschlagung entsteht. Diesem Einwand könnte man dadurch begegnen, daß man die Unterschlagung zu einem subsidiären Tatbe­ stand macht. Aber bewirkt nicht der Treubruchstatbestand eine Kriminalisierung des gesamten Schuldrechts? Das ist nicht der Fall. Denn es ergeben sich Einschränkungen nach zwei Richtungen hin: Einm al setzt die Untreue voraus, zwar nicht, daß die Handlung rechtsgeschäftlich ist, aber doch ein Handeln in der rechtsgeschästlichen Sphäre. D as Dienstmädchen, das seine Pflichten vernachlässigt, würde also nicht unter den Tatbestand fallen. Zweitens ist ein Treueverhältnis erforderlich, d. h. ein besonderes Vertrauensverhältnis von einer gewissen Dauer und Intensität. Der Verkäufer, der die Ware noch nicht geliefert hat und über sie zum Nachteil des Käufers verfügt, würde sich keiner Un­ treue schuldig machen. Ebensowenig der Mieter, der Sachen des Vermieters beschädigt. Andererseits würde der Verwahrer sich wegen Treubruchs strafbar machen, wenn er sich an der verwahrten Sache vergreist. Die Verletzung einer Rechtspslicht fällt also nur dann unter den Tatbestand, wenn diese Rechtspslicht in einem besonderen Treueverhältnis dieser Art be­ gründet war. Auf der anderen Seite genügt eine Treuepflicht, die keine Rechtspflicht umschließt. Wie etwa die Pflicht, die in einem zivilrechtlich ungültigen Verhältnis begründet ist. Diese Ausführungen enthalten bereits die Ant­ wort auf die dritte Frage, ob es noch erforderlich ist, daß die Mißbrauchsuntreue neben der Treubruchs­ untreue noch besonders erwähnt wird. Diese Frage ist meiner Meinung nach zu verneinen. Denn die Verletzung der Verfügungsmacht soll ja eben nur dann einbezogen werden, wenn ein Treubruch vorliegt. I n der Regel wird der Mißbrauch einer solchen Ver­ fügungsgewalt zugleich einen Treubruch in sich schließen. F ü r die meisten Fälle bedarf er also keiner besonderen Hervorhebung. Im m erhin sind Fälle denkbar, in denen eine Versügungsmacht mißbraucht wird, von einem Treubruch aber keine Rede sein kann. Hier wäre z. B. an den Pfandgläubiger, den Finder, den Besitzer zu denken, der die fremde Sache versteigert und den Erlös veruntreut. I n diesen Fällen mißbraucht der T äter zwar eine Verfügungs­ macht, aber er handelt nicht im Rahmen eines Treueverhältnisses. I n der Regel, nämlich dann, wenn es sich um Sachen handelt, wird Unterschlagung anzu­ nehmen sein. Wo das aber nicht der F all ist, könnte nur im Wege der Analogie bestraft werden, oder man

müßte auf Bestrafung ü b e rh a st verzichten. D as letztere wird in der Regel auch erträglich sein. Daher sollte man sich auf den Treubruchstat­ bestand beschränken und bei der Fassung dieses T at­ bestandes den Grundgedanken klar und eindeutig zum Ausdruck bringen. Der § 266 S tG B , stellt die Ver­ letzung eines Treueverhältnisses neben die Verletzung der gesetzlichen Pflicht, der Pflicht kraft behördlichen Auftrags und der Vertragspflicht. Meiner Meinung nach müßte der Treubruch als der übergeordnete Ge­ danke vorangestellt werden. D as schließt nicht aus, daß die Verletzung eigentlicher Rechtspflichten noch besonders genannt wird. Mitberichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: E s kann kaum zweifelhaft sein, daß der Tatbe­ stand der Untreue im Strafgesetzbuch erscheinen muß. Ich kann mich hier nur den Ausführungen des Herrn Professor Dahin, die meiner Ansicht nach überzeugend gewesen sind, anschließen. Die Novelle zu § 266 des geltenden Strafgesetzbuchs ist in der P raxis sehr be­ grüßt worden. Die neue Fassung des Untreuepara­ graphen hat den Tatbestand so gestaltet, daß alle strafwürdigen Fälle vom Strafrichter erfaßt werden können. Ich habe bisher nicht gehört, daß bei der Anwendung des neuen § 266 in der Praxis irgend­ welche Schwierigkeiten aufgetreten seien. W as die Frage anlangt, wie weit der Untreue­ tatbestand ausgedehnt werden soll, ob etwa mit Rück­ sicht auf die Einführung einer besonderen „Verun­ treuung" bei der Unterschlagung lediglich der M iß­ brauch der Verfügungsmacht als „Untreue" mit S trafe bedroht oder ob daneben auch der Treubruch anderer A rt erscheinen soll, so meine ich, daß es bei der Gestaltung der Vorschrift durch die Novelle bleiben soll. Auch den Treubruchstatbestand allein sollte man nicht als „Untreue" bringen, denn gerade die Falle des Mißbrauchstatbestandes sind typische Falle der Untreue. E s ist zwar klar, daß das, was unter den Mißbrauch fallt, auch Treubruch ist. Der Mißbrauchs­ tatbestand wäre also an sich wohl entbehrlich. Aber wie wir auch an anderen Stellen zunächst den gene­ rellen Tatbestand herausgestellt und dann irgend­ einen Spezialtatbestand daneben besonders hervor­ gehoben haben, so sollte man auch hier die Vorschrift durch Aufnahme der beiden Tatbestände plastischer gestalten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, es ist der Wunsch ausgesprochen, die Debatte heute nicht mehr zu eröffnen. Aus der heutigen Nachmittagssitzung darf ich folgendes feststellen: Die Formulierung des Diebstahls bereitet keine Schwierigkeiten. Nur flüchtig erörtert ist der Begriff der Sache. Bei der Unterschlagung scheint es mir richtig zu sein, das Schwergewicht auf den Abs. 2 des geltenden Rechts zu legen, während dem Tatbestand des Abs. 1 nur die Bedeutung eines Nebentatbestandes zukommt.

Wichtig wäre, daß wir eine Linie gewinnen für den Begriff der Untreue. Hier hätte ich eine Frage an Herrn Professor Dahm: Habe ich S ie richtig ver­ standen, daß Sie ganz allgemein sagen wollen: „Wer eine Treuepflicht verletzt und dadurch demjenigen Schaden zufügt, dem er die Treue hätte wahren müssen, soll bestraft werden."? Dabei macht es keinen Unterschied, worauf die Treuepflicht beruht? (Die Frage wird von Herrn Professor Dr. Dahm bejaht.) Und I h r Standpunkt, Herr Landgerichtsdirektor Leimer, wäre folgender: S ie möchten den Mißbrauchstatbestand beibehalten wissen, aber als Neben­ tatbestand. S ie sagen, S ie können sich keinen F all denken, wo der Mißbrauch nicht zugleich die Ver­ letzung einer Treuepflicht ist.

An Herrn Professor Dahm hätte ich nur noch die Frage: Was ist gemeint mit der „ihm sonst obliegen­ den Treuepslicht"? Professor Dr. Dahm: Damit sind die Fälle gemeint, die ich vorhin in der Gruppe 3 angeführt habe, wie etwa der Fall des Erlöschens einer Vollmacht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich wollte bloß klarstellen: Es ist auch die Idee von Professor Dahm, daß eine Treuepflicht überhaupt niemals einseitig begründet werden kann. M an könnte ja auch sagen, wenn ich ohne Wissen eines anderen irgendein Geschäft für ihn übernehme, so begebe ich mich von selbst in ein Treueverhältnis zu ihm. D as soll aber nicht der F all sein. Damit kann ich die heutige Sitzung schließen.

(Schluß der Sitzung 19 Uhr 50 Minuten.)

Strafrechtskommission

4S. Sitzung 21. September 1934 (Oberhof) Inhalt Diebstahl, Unterschlagung, Untreue und Raub (Fortsetzung) Reichsjustizminister Dr. Gürtner 1. 2. 4. 6. 7. 8. 9. 10. 12. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22 Senatspräsident Professor Dr. Klee 1. 8. 9. 16. 16. 18. 19. 21 Professor Dr. N a g le r ............................................. 2. 4. 10. 20 Professor Dr. Kohlrausch ... 8. 9. 13. 16. 17. 18. 19. 20. 21 Ministerialdirektor S ch ä fer.................... 4. 7. 17. 18. 20. 21 Professor Dr. Mezger ................................. 4. 15. 16. 17. 18 Staatssekretär Dr. Freister 6. 6. 9. 10. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 22 Sächsischer Iustizminister Dr. Thierack................................. 6 Professor Dr. Dahm ........................ 7. 8. 9. 16. 17. 18. 20 Professor Dr. Gras G leispach................................. 10. 15. 17 Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz ......................................... 10 Oberstaatsanwalt Dr. Reimer ........................ 11. 18. 19. 21 Ministerialdirektor Dr. Dürr .................................................. 17

Anwesend sind die gleichen Herren wie in der 40. Sitzung. Der Reichsjustizminister D r. Gürtner eröffnete die Sitzung um 9 Uhr 15 Minuten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wir kämen zur Fortsetzung der Beratung über Diebstahl, Unterschlagung und Un­ treue. Es ist gestern von den Herren Berichterstattern als Grundaufsastung das Wegnahmedelikt als Ge­ wahrsamsbruch vorgeschlagen worden. Übereinstim­ mung besteht nicht über die Systematik der Untreue und ihre Abgrenzung gegenüber der Unterschlagung, insbesondere dem Regelfall der Unterschlagung einer anvertrauten Sache. Darüber war gestern keine Meinungsverschiedenheit, daß die Unterschlagung der nicht anvertrauten Sache ein seltener Fall ist. Nun wäre es erwünscht zu erörtern, ob der Diebstahl ein Delikt des Bruchs der Gewere ist, was der Meinung der Kommission entspricht, und im Anschluß daran zu klären, ob zwischen Unterschlagung und Untreue ein besonderes Delikt der Veruntreuung von Sachen eingeschoben werden soll. Senatspräsident Professor D r. Klee: E s scheint, daß die Mehrheit der Kommission die Bereicherungsabsicht im Diebstahlstatbestand streichen will. Zum Beweise werden seltene Fälle angeführt, bei denen man Diebstahl annehmen müsse, obwohl

die Bereicherungsabsicht fehle. M. E. aber muffen w ir bei der Gestaltung des Tatbestandes von den typischen Erscheinungen des Lebens ausgehen. Typisch sind aber nur die Bereicherungsfälle. B on diesem Standpunkt aus ist der ResEntw. m. E. zu billigen. Sachlich tritt auch dadurch keine große Änderung ein, denn im Falle des Fehlens der Bereicherungsabsicht würde der Aushilsstatbestand des § 334 ResEntw. Platz greifen. Ich bin nun allerdings nicht der Auf­ fassung, daß man den Aushilfstatbestand lediglich aus diesem Grunde ausrecht erhalten sollte. Wenn er nur dazu dienen soll, die Aneignungssälle bei fehlender Bereicherungsabsicht zu erfassen, so könnte ich mich damit einverstanden erklären, die Bereicherungsabsicht im Diebstahlstatbestand zu streichen und dadurch den Aushilfstatbestand überflüssig zu machen. Wenn dieser aber noch eine andere Rolle spielt und noch aus anderen Gründen aufrecht erhalten werden muß, dann könnte er doch gleichzeitig dazu dienen, die nicht typischen Diebstahlsfälle, bei denen die Bereicherungs­ absicht fehlt, zu erfassen. Sodann wurde von Herrn Professor Kohlrausch das Verhältnis der „Veruntreuung" zur Untreue erörtert. Auch in diesem Punkte sollte der Gesetzgeber von den Erscheinungen des täglichen Lebens ausgehen. Wenn ich an § 246 S tG B , anknüpfe, so erscheint es doch zweifelsfrei, daß der Fall des Abs. 2 der bei weitem häufigere, geradezu der typische F all ist. Ich würde daher diesen Fall als den Normalfall in den Vordergrund rücken, aber diese Unterschlagung nicht Untreue nennen, da mir diese Bezeichnung wenig populär zu sein scheint. § 246 Abs. 1 trifft im wesent­ lichen nur bei der Fundunterschlagung zu. Diese könnte dann in § 234 ResEntw. aufgehen. Sodann ist erörtert worden, ob man die Verun­ treuung (§ 246 Abs. 2) im Untreuebegriff ausgehen lasten soll. D as wäre natürlich möglich. Aber der Tatbestand des § 246 Abs. 2 ist so greifbar und volks­ tümlich, eben weil sich der Täter an einer bestimmten Sache vergreift, daß man ihn als selbständigen T at­ bestand stehen lasten sollte. Diese Sache muß natürlich grundsätzlich eine fremde sein. Wie aber, wenn sie nicht juristisch, sondern nur wirtschaftlich eine fremde Sache ist? D as Volk begreift nicht, warum die Juristen hier einen Unterschied machen. Darum ist der Vorschlag von Herrn Profestor Kohlrausch, der dieser Gleichwertung Rechnung trägt, zu begrüßen. Nach diesem Vorschlag würde § 246 S tG B , auch dann Platz greisen, wenn' der Täter sich nicht an einer konkreten juristisch fremden Sache vergreist. Gestern wurden nun zu § 266 S tG B , verschiedene Ausfastungen vertreten. Herr Profestor Kohlrausch wollte ihn auf die Fälle des Mißbrauchs beschränken, da der Treubruch schon durch § 246 erfaßt werde, während Herr Profestor Dahm den Gesichtspunkt des Treubruchs in den Vordergrund stellen und den M iß­ brauch nur dann bestrafen wollte, wenn er gleichzeitig Treubruch ist. Ich meine, wir sollten an § 266 in der Fassung der Novelle festhalten. E r entspricht dem praktischen Bedürfnis und verwirklicht im Grunde nur die Grundsätze, die die Rechtsprechung des Reichs­ gerichts bereits auf Grund der alten Fassung heraus­ gearbeitet hatte. Ein Bedenken ist aufgetaucht, ob nicht vielleicht nach der Fassung der Novelle zu viel

gestraft wird. D as ist sicher der Fall, wenn die Neu­ fassung als eine Pönalisierung des gesamten Schuld­ rechts aufgefaßt würde. Ich kann aber solche Be­ fürchtungen nicht teilen. I n der Praxis des Reichs­ gerichts ist so etwas nicht vorgekommen. Ein Be­ dürfnis zu irgendwelcher Einschränkung kann ich also nicht erkennen. Nun hat Herr Profeffor Dahm Fälle angeführt, in denen der Täter zwar eine Machtstellung mißbraucht, ohne aber gleichzeitig eine Treupslicht zu verletzen. Vor allem wurde der Fall des Pfand­ gläubigers angeführt. E s sei kein Treubruch, wenn er nach der Versteigerung der Psandsache den ganzen Erlös behalte. D as ist sicher richtig. Ich meine aber, daß dieser Psandgläubiger schon wegen Veruntreuung (Unterschlagung) gestraft werden kann, weil der Erlös nicht in sein ,Eigentum, sondern kraft des Surroga­ tionsprinzips'in das Eigentum seines Schuldners über­ geht. F ür diesen Fall haben wir also § 266 StG B , gar nicht nötig. Dasselbe gilt für den Finder. Soll man nun im § 246 Abs. 2 zwischen Geld und Sachen unterscheiden, wie es Herr Profeffor Kohlrausch vorgeschlagen hat? Ich bin nicht dafür. Eine solche Unterscheidung wäre nicht populär. Es ist nicht selten, daß ein Beamter, der zwei verschiedene Kassen verwaltet und eine Revision der Kasse A er­ wartet, aus der Kasse B in die nicht stimmende Kaffe A Geld herübernimmt, um bei der Revision Beanstandungen zu vermeiden. D as Reichsgericht hat hier auf Grund einer formalen Zueignungs­ theorie Unterschlagung angenommen. Auch wenn z. B. ein Dienstbote Geld bekommt und es zu seiner Bequemlichkeit umwechselt, liegt keine Unterschlagung vor, mindestens deshalb, weil es am subjektiven T at­ bestand fehlt. M ir ist in der P raxis noch kein Fall vorgekommen, bei dem es nötig gewesen wäre, einen Unterschied zwischen Geld und Sachen zu machen. Herr Professor Kohlrausch hat sodann aus Fälle hingewiesen, die weder unter § 333 noch unter § 334 ResEntw. fallen. An § 333 ResEntw. habe ich vor­ weg auszusetzen, daß er sich allzu sehr in juristische Konstruktionen verliert. Es ist doch nicht der Normal­ sall, daß sich die unterschlagene Sache nicht bloß nicht im Gewahrsam eines anderen befindet, vielmehr ist sie regelmäßig gerade im Gewahrsam des Täters. Es erscheint mir befremdlich, daß § 333 gerade auf den Ausnahmefall abstellt. D as ist bekanntlich nur geschehen, um die Lücke im geltenden Recht zu schließen, insbesondere den F all der Fundunter­ schlagung bei sofortiger Zueignungsabsicht des Täters zu treffen. Ich bin aber der Meinung, daß Ausnahmesälle nicht die Tatbestandssaffung beeinflussen dürfen. Daher möchte ich für den Unterschlagungs­ tatbestand die Fassung des geltenden Rechts vor­ schlagen; die Lücken können dann durch den Aus­ hilfstatbestand des § 334 geschlossen werden. Die von Herrn Profeffor Kohlrausch erwähnten Fälle sind m. E. sehr konstruiert. Herr Profeffor Kohl­ rausch nannte den Fall, daß der A eine Sache findet, sie dem gutgläubigen B leiht und erst später an diesen verkauft. I n diesem Falle eignet sich A eine Sache an, die sich nicht in seinem eigenen Gewahrsam be­ findet, aber doch im Gewahrsam eines anderen. § 333 kann also auf diesen F all nicht angewandt werden, auch hier müssen wir zu dem Aushilfstat­

bestand des § 334 greifen. Nach alledem ist § 334 notwendig und existenzberechtigt. W ir können ihm, wie gesagt, noch eine weitere Existenzberechtigung geben, indem wir für den Grundtatbestand des Dieb­ stahls die Bereicherungsabsicht verlangen und die Fälle der fehlenden Bereicherungsabsicht diesem Aus­ hilfstatbestand unterwerfen. D as ist im wesentlichen die österreichische Regelung, die ich insoweit für durchaus populär halte. Dann würde auch der F all mit dem Amerikaner, der das Gemälde „stiehlt", aber den vollen Wert ersetzt, unter § 334 fallen. Zusammenfassend hätte demnach § 334 folgende drei Funktionen: zu erfassen die Fälle a) der fehlenden Bereicherungsabsicht, b) des Gewahrsams eines anderen, c) der Fundunterschlagung. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Dann darf ich zusammenfaffen: Diebstahl mit Bereicherungsabsicht als Grundtatbestand; Unter­ schlagung als wirtschaftliche Zueignung; Unterschei­ dung von Geld und Sachen wird nicht für erforder­ lich gehalten. Dann die Abgrenzung von Untreue und Unterschlagung; Unterschlagung gebunden an körperliche Sachen, während die Untreue alle Ver­ mögensgegenstände umfaßt. Profeffor Dr. Nagler: Ich bin ganz anderer Meinung. Herr Kollege Klee hat von wirtschaftlichem Eigentum gesprochen. Ein solches halte ich für eine üble und gefährliche Konstruktion. W ir können nicht zwischen strafrecht­ lichem (wirtschaftlichem) und bürgerlichem Eigentum unterscheiden. Gewiß hat das früher das Preuß. Obertribunal schon einmal getan, aber es hielt diese Unterscheidung nur mangels eines zureichenden Untreuetatbestandes, also nur durch die Not für ge­ boten. Diese Notlage und folglich ein Anlaß zu Not­ konstruktionen besteht für uns nicht mehr. Wir dürfen uns nicht von den Grundsätzen des materiellen Rechts lösen, weil das Strafrecht sekundär ist und eine bestimmte Vermögensordnung, die es schützen soll, voraussetzt. Nun könnte man den Vor­ schlag von Herrn Kollegen Kohlrausch auch in dem Sinne verstehen, daß sein § 4 Zifs. 1 der Unter­ schlagung nicht ein besonderes strafrechtliches Eigen­ tum unterstellt, sondern von der „Aneignung" eigenen (fiduziarisch, durch Kommission oder sonstwie überkommenen) Geldes spricht. Aber dann ist in diesem § 4 (der Veruntreuung) zweierlei enthalten. Wir haben einmal den Angriff gegen das fremde Eigentum im eigentlichen Sinne vor uns und dann einen zweiten Bestandteil, der einen Angriff gegen fremdes Vermögen, nicht aber gegen fremdes Eigen­ tum enthält. Dieser § 4 weist also keine einheitliche Struktur aus. Der zweite Teil wird aus der Untreue­ substanz ausgebaut. W ir müßten deshalb diese zweite Hälfte loslösen und der Untreue zuführen. Gegen diese Veruntreuung im Sinne des Herrn Kollegen Kohlrausch spricht noch das weitere Be­ denken, das der Herr Kollege Dahm gestern schon anführte, daß sie sich nämlich nur auf Geld und körperliche Sachen bezieht, daß also Forderungen und unbewegliche Sachen ganz ausfallen. (Professor Dr. Kohlrausch: Unbewegliche Sachen nehmen wir auch nicht unter den Diebstahl.)

Wir können doch nicht einen Teil der Untreue (nämlich hinsichtlich des Geldes) in den § 4 packen und die ganz parallel liegenden Vorgänge des Grund­ stücks- und Forderungsrechts in den eigentlichen Untreuetatbestand verweisen. Damit würde Gleich­ artiges auseinandergerissen, und zwar ohne jede innere Berechtigung. D as zweite, vor dem wir uns hüten muffen, sind die Überschneidungen, die zu Idealkonkurrenzen führen. Früher waren sie harmlos, weil wir nach § 73 S tG B , nur eine Strafe aus­ warfen; inzwischen haben wir uns aber für eine erhöhte Einheitsstrafe ausgesprochen. Infolgedessen würde eine Doppelbewertung desselben Vorganges stattfinden. Dieser Doppelbewertung kann man da­ durch entgehen, daß man die Subsidiarität der Untreue im Sinne der bisherigen geschichtlichen Ent­ wicklung anerkennt. Dies kann man dadurch erreichen, daß man die Formulierung (wie der Kohlrauschsche Vorschlag) so wählt, daß keine Konkurrenzen ein­ treten können, oder man ordnet ausdrücklich die Subsidiarität an. Ich komme nun zu der Frage, wie man die Untreue ausziehen soll. Dogmatisch ist zweifellos die Mißbrauchstheorie Bindings die feinste und elegan­ teste Lösung, für sie hat sich Herr Kollege Kohlrausch eingesetzt. Darnach schädigt der Täter durch bewußt Pflichtwidrige Anwendung seiner Vertretungsmacht (Außenverh'ältnis!): der Bock ist zum Gärtner ge­ macht und treibt mit seiner Befugnis, zu verfügen, vorsätzlich Mißbrauch. Auch die Abgrenzung gegen die Aneignungsverbrechen liegt ganz klar zu Tage. N ur schade, diese Lösung ist nicht ausreichend und genügt nicht allen praktischen Bedürfnissen. Sie versagt bei der fiducia, bei der mittelbaren Stell­ vertretung, bei der Geschäftsbesorgung und für das bloße Kontrollorgan (z. B. den Aufsichtsrat). Des­ halb müssen wir uns leider nach einer anderen Lösung umsehen. E s erscheint mir richtig, daß wir aus das Jnnenverhältnis und die dadurch begründete Treuepslicht abheben. Diese Treuepslicht kann m. E. aber nur eine spezifisch rechtliche sein. Ich möchte deshalb die Lösung bei der sogenannten zivilrechtlich gebundenen Treubruchstheorie suchen, allerdings mit der Beschränkung, daß wir nur solche Falle erfassen, wo die Treupflicht eine primäre und typische Ver­ pflichtung darstellt, sonst kommen wir über die §§ 242 und 157 BGB. dazu, alle schuldrechtlichen Verpflich­ tungen hierunter einzubeziehen. Diese Theorie führt zwanglos dazu, daß die Fälle, die bei der M iß­ brauchstheorie ausfielen, ohne weiteres erfaßt werden. M an kann sich überlegen, ob man noch eine weitere Einschränkung dahin treffen sollte, nur rechtsgeschäft­ liches Handeln genügen zu lasten. D as Reichsgericht hat immer auch das tatsächliche Handeln als Treu­ bruch angesehen, und ich bin der Meinung, daß ins­ besondere auch die Unterlassungen einbezogen werden müssen. W ir können den Tatbestand also nicht auf das rechtsgeschästliche Handeln beschränken; z. B. der Vormund läßt eine Forderung des Mündels pflicht­ widrig verjähren, oder er zieht sie sonst nicht recht­ zeitig ein, oder er versichert dieMündelsache absichtlich nicht gegen Feuersgesahr. Nun die Frage: Wenn wir entgegen den Vorschlägen des Herrn Kollegen Dahm und des RefEntw. und auch entgegen dem jetzigen

§ 266 S tG B , das sogenannte tatsächliche Treu­ verhältnis herauslaffen, ergeben sich da unerträgliche Lücken? Ich glaube nicht. Ich kann mir eine Treue­ pflicht, deren Verletzung das Gesetz mit Strafe be­ droht, nicht ohne eine wirkliche rechtliche Grundlage vorstellen, nicht reicht eine bloß wirtschaftliche Basis dafür aus. Die Fälle, die durch die strafrechtliche Treu­ bruchstheorie erweiternd gefaßt werden sollen (nach Schwinge u. a.), sind doch nur die, wo das Jnnen­ verhältnis fortgefallen ist, z. B. durch Beendigung oder Nichtigkeit (z. B. der Vertrag verstößt gegen die guten Sitten). W ir haben aber natürlich keine Veranlassung, die Gauner gegen einander zu schützen; z. B. ein Dieb gibt die Beute einem Beauftragten, damit er sie beim Hehler absetzt, und dieser handelt „treulos". Der strafrechtliche Schutz des Diebes steht selbstverständlich außer jeder Diskussion. Ich wende mich denjenigen Fällen zu, wo das Treu­ verhältnis beendet ist. Meine Herren, dann ist die Treupslicht bis zur letzten Abwicklung noch eine recht­ liche Pflicht; erst wenn das letzte herausgegeben ist, ist das Treuverhältnis wirklich zu Ende geführt. Ich würde also vorschlagen, die zivilrechtlich gebundene Treubruchstheorie zugrunde zu legen. Und nun, wie verhalten w ir uns zur Mißbrauchstheorie? Ich bin der Ansicht, daß die beschränkte Treub'ruchstheorie die Mißbrauchstheorie ganz in sich aufnimmt. Im m er steht hinter der äußeren Machtstellung (durch Voll­ macht usw.) irgendein Jnnenverhältnis, das die Richt­ linien gibt, wie von dieser Rechtsmacht Gebrauch gemacht werden soll. Weiter die Frage, wie bauen wir die Aneignungs­ verbrechen als solche auf? Ich möchte einmal vom Diebstahl ausgehen. Hier ist mir die vom RefEntw. geforderte Bereicherungsabsicht gewiß sehr sympa­ thisch, weil aus diese Weise eine ganze Reihe von Tatbeständen aus dem Diebstahl ohne weiteres her­ auskommt, welche das Volk nicht als solchen bewertet. Diese Fälle sind freilich verhältnismäßig selten; bis­ her haben wir sie alle mit unseren sonstigen juristischen Begriffen mühelos decken können. I h r Umfang ist so gering,' daß wir mit dem bisherigen Diebstahls­ begriff auch weiterhin auskommen können. D as Merkmal der Bereicherung ist eine clausula a u stria c a gewesen; heute aber brauchen w ir ja auf die Wünsche der Österreicher nicht mehr Rücksicht zu nehmen. Allerdings würde ich für den Diebstahl eine andere Formulierung wünschen; etwa so: „Wer eine fremde bewegliche Sache sich durch Wegnahme zueignet". Damit wäre dem Mißverständnis, als ob die Aneignung der Wegnahme erst nachfolge („Ver­ brechen mit überschießender Jnnentendenz" und der­ gleichen) endgültig vorgebeugt. Dann die Unterschlagung. Sie ist der primäre Grundtatbestand, die unqualifizierte Aneignung, An­ griff auf das fremde Eigentum, ohne daß irgendein besonderes Moment (wie Wegnahme, d. h. Angriff auf den fremden Besitz) hinzukommt. Ich würde sagen: „Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem anderen zueignet", also die überflüssigen, höchstens mißverständlichen Worte „die sich nicht im Gewahr­ sam eines anderen befindet" ganz streichen.

§ 334 würde dann gegenstandslos und unnötig sein und das umsomehr, als er nicht einmal eine Differenz in der Strafbestimmung bringt. Ministerialdirektor Schäfer: Dann habe ich also recht verstanden: Herr Professor Nagler wünscht den Tatbestand des Dieb­ stahls als Wegnahme einer fremden Sache, die Unter­ schlagung als Aneignung ohne Wegnahme und den Tatbestand der Untreue nach § 266 S tG B , gestaltet. Professor Dr. Nagler: I n der zweiten Form , aber subsidiär. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Vorhin kam zum Ausdruck, daß die Unter­ schlagung der anvertrauten Sache zur Untreue gehöre. Bei Ih re r Betrachtung tritt das Moment des Treu­ bruchs in den Hintergrund. S ie sagen: Die Unter­ schlagung anvertrauter Sachen ist ein Aneignungs­ delikt, gehört deshalb zum Diebstahl, von dem es sich nur dadurch unterscheidet, daß hier kein Bruch des Gewahrsams vorliegt. Professor Dr. Mezger: Es stehen zwei Fragen zur Debatte. W as zu­ nächst die Bereicherungsabsicht angeht, so gestehe ich, daß der Gedanke einer Einschränkung des Diebstahlslatbestandes in dieser Hinsicht auf den ersten Blick bestechend ist. Auch ich hielt diese Einschränkung lange für einen Fortschritt. Ich möchte aber eine solche Einschränkung heute nicht mehr empfehlen. Historische Gesichtspunkte können nicht entscheidend sein. Ich halte es auch nicht für richtig, die Frage so zu stellen: „Gehört nach der Volksauffassung zum Tatbestand des Diebstahls die Bereicherungsabsicht?" M an wird aus diese Frage doch immer wieder eine verschiedene Antwort erhalten. W ir müssen viel­ mehr fragen: Wollen wir das Entehrende einer Bestrafung wegen Diebstahls auch bei den leichteren Fällen der fehlenden Bereicherungsabsicht zulassen? Ich meine aber, daß Herr Oberstaatsanwalt Dr. Reimer an verschiedenen Fällen überzeugend dargetan hat, daß sehr oft dieser erschwerte Rechts­ schutz auch dann Platz greisen muß, wenn die Bereicherungsabsicht fehlt. ' Sodann ist erörtert worden, ob man aus dem Untreuegebiet die Fälle herausnehmen soll, in denen sich der T äter an einer realen Sache vergreift. Das sollte man nt. E. nicht tun. Der Grundgedanke des § 266 S tG B , hat heute einen mächtigen Auftrieb erfahren. Während § 266 S tG B , früher ein wenig beachtetes Anhängsel der Vermögensdelikte war, be­ ansprucht sein Grundgedanke heute in unserer Vor­ stellung ein sehr viel weiteres Anwendungsgebiet. Symptomatisch hierfür ist zunächst die Novelle vom 26. M ai 1933, die ergangen ist, obwohl nach der Ent­ wickelung der Rechtsprechung in den letzten Jahren schon der alte § 266 S tG B , weitgehend anwendbar war. M an wollte eben den Grundgedanken klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen. Sympto­ matisch ist auch der Vorschlag von Herrn Professor Kohlrausch, den Spezialfall des § 246 Abs. 2 StG B , als Normalfall der Unterschlagung in den Vordergrund zu stellen. Symptomatisch schließlich

scheint mir auch die Tendenz zu sein, das Geld einer Sonderregelung zu unterstellen; denn auch damit wird der Gedanke des Sachdelikts durchbrochen. Ich meine, wenn sich eine so deutliche Entwicklungs­ linie zeigt, sollten wir ganze Arbeit machen und auch die Fälle der Veruntreuung in den § 266 S tG B , einbeziehen. M it der Sachschranke wissen wir nicht mehr viel anzufangen, also sollten auch die Sachdelikte des § 246 in die Untreue hineingenommen werden, soweit sie sich auf Veruntreuungen beziehen. Demgemäß ergeben sich zwei große Grundtatbestände, einerseits das Wegnahmedelikt, andererseits die Untreue. Nun zur Frage der Fassung des Untreuetatbe­ standes. D as Grundlegende ergibt sich schon aus dem zuvor Ausgeführten. I m Prinzip bin ich für den Vorschlag von Herrn Professor Dahm. Ich hätte aber noch gern einige Punkte klargestellt, von deren Bereinigung ich meine völlige Übereinstimmung ab­ hängig machen muß. Es handelt sich um vier Punkte: Zunächst sollten die sogenannten Mißbrauchssällck im Tatbestand nicht gestrichen werden. Die reine Logik spricht zwar für Herrn Professor Dahm. W ir haben aber auch an anderen Stellen sehr oft die exemplisikatorische Methode befolgt, um den T at­ bestand eindrucksvoller zu gestalten. Der Untreue­ tatbestand wird an Anschaulichkeit nur gewinnen, wenn wir auch die Mißbrauchssälle ausdrücklich nennen, abgesehen davon, daß ich sie auch aus Über­ lieferungsgründen beibehalten möchte. Sodann muß das Treueverhältnis noch mehr Substanz bekommen. W ir müssen es inhaltlich noch näher kennzeichnen. Tun wir das nicht, so besteht die Gefahr einer Pönalisierung des gesamten zivilrechtlichen Schuldrechts. Ich bin nämlich der An­ sicht, daß das gesamte Schuldrecht ein Komplex von Treueverhältnissen ist, und daß wir dieseTatsache nicht negieren dürfen. E s bleibt also nichts anderes übrig, als das Treueverhältnis, das wir hier meinen, näher zu umschreiben. Es muß gesetzlich zum Ausdruck kommen, daß die Rechtsbeziehung auf ein Treue­ verhältnis gerichtet sein, daß das Moment der Treue für die Beziehungen typisch sein muß. Damit scheiden andere schuldrechtliche Beziehungen aus. Zweifelhaft ist mir ferner noch, wie die Fälle einer rein tatsächlichen Verletzung der Treupslicht behandelt werden sollen. Wenn der Vormund das Haus seines Mündels verfallen läßt, so will Herr Professor Nagler damit Helsen, daß er eine Rechts­ pflicht zum Handeln als verletzt ansieht. Es wider­ strebt mir aber, den einfach nachlässigen Vormund wegen Untreue zu bestrafen. M an könnte hier viel­ leicht eine Einschränkung aus subjektivem Gebiet suchen und das Unterlassen nur dann bestrafen, wenn der Täter böswillig handelt. Schließlich habe ich noch Bedenken wegen des Strafrahmens. E s ist aber wohl zweckmäßiger, dar­ über erst zu sprechen, wenn der Tatbestand eine feste Fassung erhalten hat. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich möchte drei kleine Anmerkungen machen: E s ist wie so oft an die Volksmeinung appelliert und gesagt worden, die Absicht der Bereicherung lebe

in der Vorstellung des Volkes vom Diebstahl. I n Würzburg gab es einmal einen Bildhauer und Schnitzer namens Riemenschneider; er ist sehr spät nach seinem Tode entdeckt worden. Seine Werke waren in den fränkischen Kirchen, aus Feldkreuzen und Denkmälern im Freien verstreut. M an ist auf die Suche nach seinen Bildwerken gegangen. I n dieser Zeit kam es vor, daß jemand in der Meinung, es handle sich um einen Riemenschneider, ein Holzfigürchen aus einer Kirche entwendete und der Kirche den Gegenwert hierfür überwies. D as Volk hat das a ls schweren Diebstahl auch dann aufgefaßt, wenn es sich um gar keinen Riemenschneider handelte. Zweitens: Herr Professor Mezger hat das an einem Beispiel sehr deutlich gezeigt, und ich glaube, w ir müssen daran festhalten, daß Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB. etwas ganz anderes ist als ein Treueverhältnis. D rittens: Wenn wir hier von Treueverhältniffen sprechen, dann ist es eine Verkehrung des Begriffs, die Frage zu stellen, ob der Hehler zum Dieb im Treuverhältnis stehen kann. Es kristallisiert sich immer mehr die Abscheidung von Diebstahl, Unterschlagung und Untreue heraus, und zwar nach Professor Mezger in dem S in n , daß er den Diebstahl als Gewahrsamsbruch und als An­ eignungsdelikt betrachtet wissen will, und daß er unter die Untreue auch die Aneignung anvertrauter Sachen nehmen will, wobei der Orientierungspunkt hier nicht die Aneignung, sondern der Vertrauensbruch ist. Ich bitte die Herren sich weiter an diese Disposition zu halten. D as Bild des Herrn Professor Mezger würde so aussehen: Erste Gruppe Aneignungsdelikte, dahinein Diebstahl, zweite Gruppe Untreuedelikte, Orientierungspunkt der Treubruch, drittens ein E r­ gänzungstatbestand, der rein subsidiär gefaßt werden müßte. Staatssekretär Dr. Freister: Ich vermag , bei der Betrachtung dieser Materie nicht von den bisherigen, veralteten Begriffen aus­ zugehen, sondern ich kann nur davon ausgehen, was die Allgemeinheit für strafwürdig hält. S ie hält zweierlei für strafwürdig: 1. die Wegnahme fremder Sachen und 2. die Schädigung fremden Vermögens durch eine sittlich verwerfliche Handlung. Diese zweite Handlung kann entweder eine Täuschung oder der Bruch eines besonderen Ver­ trauens sein. Dabei scheint es mir, daß die Betrach­ tung der Strafwürdigkeit nicht an zivilrechtlichen Folgen orientiert sein darf; entscheidend ist immer nur die tatsächliche Vermögensschädigung. Hierbei macht das öffentliche Gewissen auch keinen Be­ wertungsunterschied je nachdem, ob es sich um eine Schädigung durch Wegnahme oder durch Bertrauensbruch handelt. Deshalb kann man auch an den Dieb­ stahl nicht mit der Auffassung herangehen, daß die Wegnahme das Diffamierendere sei. Daß beide Fälle gleichbewertet werden, zeigt die ungeheure Erregung des Volkes bei Aufdeckung der Korruptionsdelikte. Erst nachdem man aus Grund dieser Orientierung das Strafwürdige gefunden hat, setzt die juristische

Aufgabe ein. Diese Aufgabe ist die sichere Abgrenzung der beiden Grunddelikte. W ir müssen also eine Zwei­ teilung vornehmen, und gleichwertig das Wegnahme­ delikt und das Treulosigkeitsdelikt nebeneinander­ stellen. Freilich gibt es Fälle einer Unterschleifung, die nicht gleichwertig sind und als Anhängsel er­ scheinen; sie verdienen auch deshalb eine Minder­ bewertung. Die Fälle des Wegnahmedelikts sind der Dieb­ stahl und der Raub. Diese Begriffe rufen beim Volk ein Bild hervor, und dieses Bild sich anzusehen, ist für die Erkenntnis der Volksauffassung wesentlich. Der Dieb wird dargestellt schleichend in der Nacht oder sich scheu umsehend, der Räuber, wie er sein Opfer niederschlägt oder ihm die Pistole auf die Brust setzt. Der Gegensatz besieht also darin, daß einerseits die Heimlichkeit, andererseits die Gewalt das wesent­ liche Merkmal ist. Lassen wir aber nicht etwas S tra f­ würdiges aus, wenn wir die beiden Tatbestände aus diese Gegensätze abstellen? Wie ist es mit der offenen gewaltlosen Wegnahme? Ich meine, daß sie nicht strafbar sein kann, weil hier das Verhalten des Ver­ letzten als Einverständnis gedeutet werden muß. E s bleiben danach keine Lücken. Beide Wegnahmedelikte haben miteinander gemein, daß eine Bereicherungs­ absicht nicht vorzuliegen braucht. Wunschgemäß berühre ich nicht die Frage, ob das Wegnahmedelikt für eine Gesetzgebung des 20. J a h r­ hunderts noch auf körperliche Sachen beschränkt werden kann. Aus dem Vorausgeschickten ergibt sich aber, daß die Wegnahme keine Aneignung zu sein braucht; entscheidend ist nur, daß die Sache aus der fremden Gewere in die eigene Gewere gebracht wird. Diebstahl liegt also auch dann vor, wenn der Täter die Absicht hatte, die weggenommene Sache zu ver­ nichten. Ich bin durchaus der Ansicht, daß solche Fälle in den Diebstahlstatbestand einbezogen werden müssen. Dagegen erscheint mir nach der Volksauf­ fassung das Bewußtsein einer materiellen Schädigung für den Diebstahlsbegrifs wesentlich zu sein. Was den zweiten Grundtatbestand betrifft, so können wir ihn Untreue nennen. Vielleicht ist aber die Bezeichnung „Treubruch" noch besser, weil darin das Verletzende noch mehr zum Ausdruck kommt. D as ist aber keine grundsätzliche Frage. Wesentlich er­ scheint mir, daß kein grundsätzlicher Unterschied ge­ macht werden darf zwischen sachgebundenem und nicht sachgebundenem Treubruch. Nur ist erforderlich, daß der nicht sachgebundene Treubruch von den Fallen der bloßen Vernachlässigung geschieden werden muß. Sonst erliegen wir der Gefahr einer Überspitzung. Ich würde die Vernachlässigung jedenfalls nicht generell unter Strafe stellen, vielleicht ist die vor­ geschlagene Einschränkung im subjektiven Tatbestand empfehlenswert. Da das Wesentliche für die Bestrafung der Treu­ bruch ist, muß es gleichgültig sein, ob das Treue­ verhältnis durch Gesetz, Rechtsgeschäft oder quasi Rechtsgeschäft entstanden ist. Ich vermag nicht ein­ zusehen, warum ein Treueverhältnis nur bei gegen­ seitigem Einverständnis angenommen werden soll, so daß der Geschäftsführer ohne Auftrag nicht unter die Strafdrohung fiele. Dieser vereinigt doch beide

Willen in seiner Brust. W arum soll er nicht auch bestraft werden? E s ist also gleichgültig, auf welchem Wege das Treueverhältnis begründet worden ist, entscheidend ist nur, daß es tatsächlich besteht. D as bedeutet durchaus keine Pönalisierung des gesamten Schuldrechts. Der Begriff von Treu und Glauben im § 242 BG B. ist etwas ganz anderes als die Treuepslicht im Strafrecht. Bei den Schuldverhältnissen des B G B . ist die Stipulierung einer sittlichen Treue­ pflicht durchaus die Ausnahme. Bei der Miete, beim Kauf, beim Arbeitsvertrag kommt sie nicht in Be­ tracht. Dagegen liegt ein Treueverhältnis beim Ab­ zahlungsgeschäft m. E. schon vor; es wird dadurch begründet, daß die Sache in fremde Gewere gegeben wird. Daß die fiduziarischen Rechtsverhältnisse unter den Treubruchstatbestand fallen, ist wohl selbst­ verständlich. Die Untreue setzt ebensowenig wie der Diebstahl eine Bereicherungsabsicht voraus. Nur die Schädi­ gungsabsicht ist erforderlich. Durch diesen Aufbau des Treubruchstatbestandes ist klargestellt, daß diesem nunmehr der würdige Platz im Rahmen der Bermögensdelikte gegeben werden muß, und daß er aus dem Verborgenen heraus­ zuheben ist. E r gehört m. E. noch vor den Diebstahl. Wenn man schon eine ungleiche Bewertung beider Delikte vornimmt, so wiegt m. E. der Treubruch schwerer als die Wegnahme. Daneben gibt es dann nur noch die Fälle der Unterschleifung, die sittlich weniger verwerflich sind. Diese Fälle soll der Aus­ hilfstatbestand ersaßen, den w ir nt. E. Unterschlagung nennen können. Zwar denkt das Volk bei der Unter­ schlagung gemeinhin an einen Vertrauensbruch. Ich bin aber nicht der Meinung, daß wir deshalb den Treubruch jetzt Unterschlagung nennen sollten. Der Begriff Treubruch wird sich sehr bald einbürgern, so daß wir den Hilfstatbestand unbedenklich Unter­ schlagung nennen können. E s ist sodann noch die Frage erörtert worden, ob wir für Geld eine besondere Modifikation der Tatbestände schaffen müssen. E s ist richtig, daß dem Geld eine besondere Bedeutung zukommt; es ist stoff­ lich völlig wertlos, aber anerkanntes Wertsymbol. Trotzdem erscheint es mir nicht zweckmäßig, deshalb den ganzen Ausbau der Tatbestände zu ändern. Es ist nämlich auch eine umgekehrte Betrachtung möglich. Denn häufig werden Sachen nicht um ihres Wertes willen weggenommen, sondern aus irgend welchen anderen Gründen, etwa um sie als Beweisstück be­ nutzen zu können. E s besteht also die Möglichkeit, wertvolle Sachen vom Werte unabhängig zu betrach­ ten; das ist dann das umgekehrte Verhältnis wie beim Geld. Ich sehe deshalb nicht ein, warum dem Geld eine besondere Behandlung zuteil werden soll. Reichsjustizminister Dr. G ürtner: Eine Bemerkung: Die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Freister zum Unterschied von Dieb­ stahl und Raub habe ich als historische Betrachtung aufgefaßt und nicht als die Forderung, etwa die Heimlichkeit als Tatbestandsmerkmal beim Diebstahl aufzunehmen.

Staatssekretär Dr. Freister: Ich bedauere zwar, daß beim Diebstahl die Heim­ lichkeit nicht Taäestandsmerkmal ist; ich sehe aber ein, daß dies nicht möglich ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, daß qualifizierte Heimlichkeiten, etwa zur Nachtzeit, beim Diebstahl eine Erschwerung bilden sollen. Dann eine Ausführung, die durch einen Zuruf des Herrn Ministerialdirektors Schäfer in ihrer Bedeutung erkennbar geworden ist. E s wurde dar­ gestellt, daß die Vertragsverhältniffe des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwar alle unter dem Verhältnis von Treu und Glauben stehen, aber kein Treueverhältnis be­ gründen. Ich bin der Auffassung, daß die Begren­ zung, was ein Treueverhältnis in diesem Sinne ist, int Strafrecht nicht mit Worten getroffen werden kann. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Die bisherigen Ausführungen waren vorwiegend theoretischer Natur. Ich möchte nun einmal von der Seite des Praktikers Stellung nehmen. M ir scheint der Aufbau dieser Deliktsgruppe schon festzustehen. W ir werden haben: den Diebstahl ohne Bereicherungsabsicht, die Unterschlagung und die Untreue, zu der auch der Alternativtatbestand des Anvertrautseins einer Sache des jetzigen § 246 S tG B , genommen werden muß. I n dieser Richtung hat sich das Untreuestrafrecht bisher ja auch entwickelt. D er frühere § 266 S tG B , zählte die T äter sämtlich aus. Die Novelle vom 26. M ai 1933 hat die Entwicklung durch Aufnahme des Treueverhältniffes gewisser­ maßen gekrönt. Seitdem kann jedermann Täter sein. Deshalb muß der Alternativtatbestand des Anver­ trautseins zwangsweise zur Untreue genommen werden. Ich halte es nicht für möglich, das Treue­ verhältnis im Strafrecht zu bestimmen. Hier sehe ich auch den Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Professors Dahm. E r verlangt für den Täter nur Verletzung irgendeiner ihm obliegenden Treuepflicht. So genügen wir aber dem langsam entwickelten Be­ griff des Treueverhältnisses nicht, so kommen wir zu weit. Es erheben sich jetzt schon Stimmen, die das Treueverhältnis als zu weitgehend ablehnen. D as mag z. T. daran liegen, daß das Treueverhältnis heute noch nicht richtig erkannt worden ist. W ir müssen den Begriff aber beibehalten und die Entwicklung abwarten. W ir können nicht normieren, „wer irgend­ ein Treueverhältnis verletzt"; deshalb ist es recht gut, daß der § 266 S tG B , einige Beispiele gibt. D er Richter kann da wenigstens Schlüsse aus den Willen des Gesetzgebers ziehen. Nicht für richtig hielte ich es andererseits, wenn man den Begriff „Treue­ verhältnis" nur auf rechtsgeschästliche Verhältnisse bezöge. E s gibt auch Treueverhältnisse, die auf ta t­ sächlichen Verhältnissen beruhen. Ich möchte folgendes Beispiel bilden: Ein junger Kaufmann ist verlobt, seine B raut besitzt einen Kraftwagen und überläßt ihm den Schlüssel zur Garage. Der Bräutigam be­ nutzt den Wagen zu Geschäftssahrten und fährt 30 000 Kilometer, ergänzt allerdings Ol und Betriebsstoff. Hier halte ich die Benutzung des Wagens für straf-

Vorschläge, der im Grunde den sachgebundenen Un­ treuetatbestand darstellt. M an hat mir mit Recht den Vorwurf gemacht, daß mein Vorschlag nicht alle Fälle erfaßt, so insbesondere nicht den des Kommissionärs. Es besteht jedoch durchaus die Möglichkeit, diesem Gesichtspunkt durch eine Ausweitung meines § 4 Abs. 2 Rechnung zu tragen, indem man allgemein von anvertrautem fremden Gut spricht. Gut ist jeder w irt­ schaftliche Wert. Dieser Vorschlag ist nicht neu, eine Reichsjustizminister Dr. G ürtner: Eine Frage: Bei dem Vorstellungsbild, daß man ähnliche Formulierung hatte bereits § 300 Abs. 2 der den Treubruch als Generaltatbestand formuliert, Reichsratsvorlage. Ich würde mich auch nicht darauf wenn man dann den Mißbrauch der Vertretungs­ versteifen, in § 266 der Mißbrauchstheorie zur gesetz­ macht und die Unterschlagung der anvertrauten Sache lichen Anerkennung zu verhelfen. Jedenfalls aber als Anwendungsfälle auftreten läßt, dann wäre es müssen die Worte „oder eines Treueverhältnisses" vom Standpunkt des Urteils aus nicht sehr wichtig, gestrichen werden, weil dieser Fall durch meinen § 4 ob ein Zweifel entsteht, ob der Fall unter 1 oder 2 Abs. 2 gedeckt ist. Gleichzeitig wäre durch diesen gehört; da sehe ich keine Schwierigkeiten. Den Punkt, meinen Vorschlag die untere Grenze der Strafbarkeit wieweit eine Treuepslicht durch Unterlassung verletzt gefunden. Zum Schluß will ich noch bemerken, daß meine werden kann, kann man nt. E. nicht übergehen, darin sehe ich eine etwas gefährliche Ausweitung. Die Vorschläge, das Geld einer Sonderregelung zu unter­ Frage, ob das Treueverhältnis rechtlich begründet werfen, nichts anderes bezwecken als bei der Unter­ sein soll, oder ob es nur ein sittliches sein muß, spielte schlagung von Geld die Bereicherungsabsicht zu ver­ s. Zt. bei der Novelle eine große Rolle, gerade etwa langen. Dann wäre auch der Fall gelöst, in dem der das Beispiel, daß jemand nicht verfügungsberechtigt Kassierer, ohne sich etwas anzueignen, lediglich das war, und zwischen ihm und dem Verfügungsberech­ Geld zweier Kassen vertauscht oder persönliches Geld tigten auch kein rechtsgeschäftliches Treueverhältnis mit Kassengeld wechselt. bestand, z. B. der Rechtsberater. Ich darf an einen Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Fall erinnern, den Abschluß des Behala-Bertrages Eines muß ich Herrn Professor Kohlrausch zu­ in Berlin, durch den Berlin seine sämtlichen Hafen­ anlagen für einen lächerlich niedrigen Zins an eine geben, die Unterschlagung einer anvertrauten Sache Gesellschaft verpachtet hatte. Der S tadtrat, der den kann man nicht ganz ohne leichten Zwang in die Vertrag für die S tadt abgeschlossen hat, ist später Verletzung eines Treueverhältnisses aufnehmen. Der Direktor der Behala geworden, und zwar hatte er Vorschlag, den Herr Professor Dr. Kohlrausch jetzt den Anstellungsvertrag schon in der Tasche, als er gemacht hat, sucht nach einer anderen Seite aus­ den Pachtvertrag abschloß. D a kommt man mit dem zuweichen, er gibt den Sachbegriff auf. M ir persönlich rechtlich begründeten Verhältnis nicht ganz durch. kommt es nicht so sehr gewaltsam vor, wenn man die Unterschlagung der anvertrauten Sache, wobei ich den Akzent auf „anvertraut" lege, aus diesem Grunde Professor Dr. Kohlrausch: Ich bin mir bewußt, keine Patentlösung geben zu unter die Rubrik Treubruch setzt. Will man es können. Nach dem Verlauf der Debatte habe ich den aber anders setzen, so müssen S ie den Sachbegriff Eindruck, daß praktisch nur noch eine Frage ungelöst ausgeben. Wenn wir das Beispiel etwas modifizieren: ist, nämlich die, wie man die untere Grenze der S tra f­ Der Verkäufer verkauft, der Käufer zahlt und ersucht barkeit ziehen soll. Es sollen zwei Grundtatbestände den Verkäufer, die Sache acht Tage zu verwahren; gebildet werden: Diebstahl und Untreue. W ir wissen dann wäre der Käufer Eigentümer, und dann würden aber nicht, wie die Mitte gestaltet werden soll. Die auch S ie das in den Treubruch hineinnehmen. Zweifel sind teils sachlicher, teils systematischer Art. Professor Dr. Kohlrausch: Bor allem die systematische Gestaltung ist nicht ohne Wo aber Eigentum noch nicht übergegangen ist, Interesse. W ir müssen uns fragen: Soll für die liegt es anders, da besteht keine Treuepflicht. Die Mittelfälle der oberste Gedanke die Anknüpfung an Regelung des Zivilrechts, daß Eigentum besonders die „Sache" oder an den Gedanken des Treubruchs übertragen werden muß, ist sicher unpopulär, aber sie sein? Ich habe allerdings auch hier Las Gefühl, daß besteht nun einmal. zunächst noch einmal von der Sache auszugehen ist. Professor Dr. Dahm: Denn vorläufig bin ich noch nicht überzeugt davon, Ich hätte keine Bedenken dagegen, daß hier ein daß es falsch ist, einen besonderen Tatbestand der Veruntreuung zu bilden. Durch den Mitteltatbestand kleiner Rest von anvertrauten Sachen, der nicht von geht zweifellos eine Naht. Ich finde es für die Rechts- dem Treueverhältnis ersaßt wird, zur Unterschlagung aussassung etwas anderes, ob der T äter über eine an­ gerechnet würde. Wenn ich mir eine Aufspaltung des vertraute Sache oder über eine fremde Forderung Treubruchs denken könnte, dann allenfalls so, daß man die Veruntreuung von Sachen heraushebt. Aber verfügt. die Herausnahme der Veruntreuung von „Gut" halte Ich bin grundsätzlich der Auffassung, daß wir die ich für unberechtigt und nicht für volkstümlich. Greifbarkeit des Tatbestandes nicht aufheben sollten. Senatspräsident Professor Dr. Klee: W ir sollten in den Mitteltatbestand soviel Fälle als Auf Grund der klärenden Debatte habe ich mich möglich aus dem jetzigen § 266 S tG B , hineinziehen. D as habe ich versucht durch den § 4 Abs. 2 meiner dazu durchgerungen, den besonderen Tatbestand der W ir hätten dann ein ähnliches Verhältnis, wie zwischen Diebstahl und Unterschlagung. Die Unterlassung muß hier in der T at besonders geregelt werden. Insoweit besteht ein praktisches Be­ dürfnis nach einer Einschränkung. Ich würde sie auf subjektivem Gebiet suchen und das vorgeschlagene Merkmal „böswillig" verwenden.

würdige Untreue. Ich darf mich dahin zusammen­ fassen, daß ich § 266 in der heutigen Form bei­ behalten und den Begriff des Treueverhältnisses der Entwicklung der Rechtsprechung überlaßen wißen möchte; die Unterschlagung der anvertrauten Sache brauchen w ir künftig nicht mehr als Tatbestand der Unterschlagung, sie gehört zur Untreue. Ministerialdirektor Schäfer: Es entspricht ganz meiner Auffassung, in den Diebstahlsbegrisf die Bereicherungsabsicht nicht auf­ zunehmen. Ich würde mehr geneigt sein, den Dieb­ stahl und den Raub voranzustellen, weil das die wichtigsten Delikte des Abschnitts sind. Die zweite Gruppe sind die Treubruchsdelikte; ich bin durch das Referat von Herrn Professor Kohlrausch dazu ge­ kommen, diesen Vorschlag zu machen. Wenn man erkannt hat, daß praktisch die meisten Fälle der Unter­ schlagung des heutigen § 246 die Fälle des Abs. 2 sind, in denen die Verletzung der Treuepflicht das Entscheidende ist, so fragt man sich, ob man den Treu­ bruch an Sachen und an anderen Gütern zerreißen soll. Damit kommt man ganz von selbst dazu, ein einheitliches Treubruchsdelikt zu bilden, das an den umfassenderen Tatbestand des § 266 S tG B , an­ knüpfen muß. M an muß sich entschließen, von dem Erfordernis des Eingriffs in fremdes Eigentum ab­ zusehen und als Kriterium den Treubruch zu nehmen. E s fragt sich dann weiter, wie man den § 266 ge­ stalten soll, nach der Mißbrauchstheorie oder der Treu­ bruchstheorie. E s ist nt. E. überzeugend dargetan, daß man mit der Mißbrauchstheorie nicht auskommen kann. Ich möchte nur noch einige Beispiele hinzu­ fügen, die s. Zt. für uns bestimmend gewesen sind, den § 266 so zu fassen. A ls wir damals den kühnen Griff taten, die Mißbrauchstheorie mit der Treu­ bruchstheorie zu verkoppeln, da standen wir unter dem Eindruck der Korruptionssälle. Uns schwebten als Beispiele die Fälle vor, daß ein Berater, der keine rechtsgeschäftliche Vollmacht hat, bei der Anlage von Vermögen zum Ankauf von Aktien eines verkrachten Unternehmens, an dem er selbst beteiligt ist, rät, oder daß er rät, die S traße in einer bestimmten Rich­ tung anzulegen unter Verschweigung des Umstandes, daß er vorher das ganze Terrain ausgekauft hat. Das sind Fälle, in denen eine rechtsgeschästliche Verfügung nicht vorliegt; sie lassen sich nur mit der Treubruchs­ theorie erfassen. E s kommen Fälle hinzu, in denen keine Verfügungsmacht besteht, z. B. bei dem Beistand des bürgerlichen Rechts, dem Aufsichtsrat, oder wenn eine unwiderrufliche Generalvollmacht zum Grundstücksverkaus formlos erteilt worden und darum nichtig ist, endlich Fälle, die, wenn man der Miß­ brauchstheorie folgt, hinausfallen würden, und die im Leben häufig sind, wie der Fall der Untreue des Berkausskommisstonärs, der den Erlös unbar, etwa durch Überweisung auf sein Bankkonto, erhalten hat. Alle diese Fälle werden von der Treubruchstheorie erfaßt. Nun könnte man nur fragen, ob man sich nicht mit der Treubruchstheorie begnügen soll und die M ß brauchstheorie aus dem Tatbestand beseitigen soll. Juristisch halte ich das für möglich, ich halte es aber mit Herrn MinisterThierack nicht für empfehlenswert. Praktisch gehören die meisten Fälle unter beides. Ich bin der Meinung, daß man § 266 weiter so gestalten

sollte,daß man die Fälle, die HerrProfefforKohlrausch mit der Veruntreuung treffen wollte, und die heute in Abs. 2 des § 246 aufgeführt find, exemplifikatorisch in § 266 auszählt, wie es Herr Professor Mezger vorgeschlagen hat. Dabei sollte man sich allerdings überlegen, ob nicht die Treubruchstheorie etwas zu weit geht. M ir schwebt vor, daß man vielleicht zu dem Ausdruck Treueverhältnis noch irgendwelche einschränkende Zusätze machen sollte, etwa „ein eine besondere Treuepslicht erheischendes Rechtsverhältnis" verlangen soll; vielleicht könnte man auch den Treu­ bruch durch Unterlassung auf böswillige Unter­ lassungen beschränken. Aber etwa ganz allgemein bei § 266 den Borsatz auf die Wissentlichkeit oder das absichtliche Handeln zu beschränken, möchte ich wider­ raten. Ich erinnere daran, daß die Rechtsprechung dahin gekommen ist, im § 266 das Wort „Absicht" int Sinne des einfachen Vorsatzes auszulegen. Reichsjustizminister D r. Gärtner: M an könnte daran denken, Begriffe wie sittlich zu verwenden, wenn man schon die Besorgnis hat — was von den Herren Praktikern nicht geteilt wird —, daß das Wort „Treueverhältnis" zu uferlosen Aus­ weitungen führt. Professor Dr. Dahm: W ir kommen zu folgender Einteilung: 1. Diebstahl, 2. Treubruch, 3. Hilfstatbestand, Unterschlagung. Die Veruntreuung geht im Treubruch auf. Herr Professor Nagler hat noch einmal deutlich gezeigt, daß der Vorschlag eines besonderen Beruntreuungstatbestandes eine Halbheit bedeutet. Ich möchte mich noch einmal mit den Vorschlägen auseinandersetzen, die aus eine Einschränkung des Treubruchstatbestandes hinzielen. Die wichtigsteFrage ist die, ob man den Tatbestand aus die zivilrechtlich gebundene Treubruchstheorie beschränken soll. Die Frage ist von großer Bedeutung, und ich bin hier grundsätzlich anderer Auffassung als Herr Professor Nagler. W ir dürfen unsere strafrechtlichen Begriffe nicht nach dem Zivilrecht ausrichten, um so weniger, als das alte Zivilrecht heute im Zerfall begriffen ist. Die von Herrn Professor Nagler angeführten Bei­ spiele paffen auch teilweise gar nicht hierher. Wenn der bestehende Vertrag gegen die guten Sitten ver­ stößt, so besteht eben kein Treueverhältnis zwischen den Beteiligten, und der Treubruch entfällt schon aus diesem Grunde. Die wichtigsten Fälle hat Herr Professor Nagler nicht erwähnt. D as sind die Fälle, daß der Treugeber etwa minderjährig ist, oder die durch das Bürgerliche Gesetzbuch vorgeschriebene Form nicht gewahrt ist, und daher eine zivilrechtlich gültige Verpflichtung nicht entsteht. Ich wende mich aber auch dagegen, daß der Grundgedanke des Treubruchs verdunkelt wird. D as geschieht dadurch, daß man den Mißbrauch der Versügungsmacht und die Veruntreuung auch nur bei­ spielsweise im Tatbestand ausführt. Allenfalls könnte man dem allgemeinen Treubruchstatbestand noch einen subsidiären Mißbrauchstatbestand anschließen, der die Fälle ersaßt, in denen kein Treubruch vorliegt.

Veruntreuung auszugeben. Der Gesichtspunkt des Treubruchs war ja schon in §246 Abs. 2 S tG B , latent enthalten. M an sollte also nicht die sachgebundene Untreue in den Vordergrund stellen. I m Interesse einer größeren Anschaulichkeit des Gesetzes erscheint es mir aber ratsam, den sachgebundenen Treubruch wenigstens beispielsweise in § 266 hervorzuheben. Komplikationen können dadurch nicht entstehen. Ich würde auch als weitere Beispiele der Untreue die Fälle des Mißbrauchs einer Verfügungsmacht aus­ drücklich nennen. D as Gesetz kann dadurch nur plastischer werden. Die Gefahr einer Pönalisierung des gesamten Schuldrechts scheint mir nur eine theoretische zu sein. Eine vernünftige Praxis wird dieser Gefahr zu begegnen wissen. Wenn man aber trotzdem Befürch­ tungen hegen sollte, dann könnte man vielleicht im Gesetz ausdrücklich ein persönliches Treueverhältnis verlangen. Eine solche Formulierung hätte auch eine ewisse historische Berechtigung, denn der Treuebegrisf at stets an das persönliche Band angeknüpft. Ich will mich aber nicht auf diese Formulierung versteifen, vielleicht ist sie etwas zu eng. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir haben also Treu und Glauben einerseits und Treuepflicht andererseits. Muß man diesenUnterschied sprachlich markieren und wenn ja, wie? Halten die Herren Praktiker ein Bedürfnis dafür für gegeben? Senatspräsident Professor D r. Klee: Was die Reihenfolge der Tatbestände betrifft, so möchte ich nicht empfehlen, den Treubruch voran­ zustellen, obwohl ich nicht verkenne, daß er vom ethischen Standpunkt strafwürdiger erscheint. M. E. gehört der Diebstahl deshalb an die Spitze, weil er das bei weitem häufigste Delikt überhaupt ist. Der Typ des gewerbsmäßigen Verbrechers ist der Dieb. GewerbsmäßigeUntreue wird kaum vorkommen. M an sollte den die Form des typischen Maffenverbrechens bildenden Tatbestand des Diebstahls also voranstellen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte nur das bestätigen, was Sie eben gesagt haben. Nach der Statistik gibt es zwei Katego­ rien, aus denen das Berufsverbrechertum sich im wesentlichen rekrutiert, das sind Diebstahl und Betrug. Demgegenüber verschwindet sogar das Sittlichkeits­ verbrechen. Nehmen wir die sittliche Wertung, dann kann man vielleicht den Treubruch voranstellen, nehmen wir aber die soziologische Wertung, dann müssen wir unbedingt den Diebstahl voransetzen.

Massenverbrechen sei. Ich halte diese Begründung nicht für stichhaltig. Wenn bisher wegen Treubruchs weniger bestraft worden ist, so wird das daran liegen, daß die kasuistische Fassung des alten § 266 zu eng w ar und infolgedessen zu viele Verbrecher durch die Maschen des Gesetzes geschlüpft sind. D es­ halb bin ich der Ansicht, daß in diesem Fall die Kriminalstatistik nicht das soziologisch richtige Bild aufzeigen kann. W as nun die Ausführungen von Herrn Professor Kohlrausch angeht, so w ar vor allem ein Punkt inter­ essant: Herr Professor Kohlrausch ging zwar von dem sachgebundenen Delikt aus, kam aber im Ergebnis dazu, den Sachbegriff aufzulösen. D araus ergibt sich nt. E. eindeutig, daß dieser Ausgangspunkt nicht der richtige ist. I m übrigen bin auch ich der Ansicht, daß das Treueverhältnis ein persönliches Band voraus­ setzt; das liegt schon im Begriff. Ein ausdrücklicher Hinweis im Gesetz erscheint m ir aber nicht angebracht, weil er u. U. zu Mißverständnissen führen könnte. E s ist aber richtig, daß das Treueverhältnis irgendwie abgegrenzt werden muß. Die im Laufe der Debatte hierzu gemachten Vorschläge muß ich indes ab­ lehnen. Insbesondere sollte auf die Zweiseitigkeit abgestellt werden. D as bedeutet lediglich die Heraus­ nahme der Geschäftsführung ohne Auftrag; eine andere Bedeutung kann ich dieser Einschränkung nicht beimessen. F ü r diese Herausnahme aber besteht nicht der mindeste innere Grund. Denn der Geschäfts­ führer vermutet stets diese Zweiseitigkeit und geht auch bei seinem Handeln von dieser Zweiseitigkeit aus. überhaupt hat der In h a lt der übernommenen Pflicht mit dem Weg, auf dem das Treueverhältnis zustande­ kommt, gar nichts zu tun. Die Bestrafung ist orientiert an dem In h a lt der Pflicht und nicht an dem Weg, auf dem diese zustande kommt. Deshalb wäre es auch richtiger, statt von Treueverhältnis von Treuepslicht zu sprechen. Denn nur eine Pflicht kann verletzt werden. Wie schon erwähnt, muß diese Pflicht irgend­ wie umrissen werden, und.ich möchte sie kennzeichnen als sittliche Treuepflicht. Durch dieses Merkmal wird vermieden, daß wir irgendwie in eine Uferlosigkeit geraten. M an kann auch daran denken, eine Einschränkung dadurch zu erreichen, daß man die A rt der Verletzung festlegt. Ob es richtig ist, auf eine rechtsgeschästliche Verfügung abzustellen, will ich nicht ohne weiteres entscheiden. Ich glaube aber, daß man jedenfalls ein rechtsgeschäftsähnliches Verhalten genügen lassen muß.

Professor D r. Kohlrausch: Ich meine, wenn wir eine Aufteilung in drei Grundtatbestände vornehmen (Diebstahl, Untreue und Ausfangtatbestand), dann sollten wir mit der Untreue beginnen, nicht nur weil sie sittlich verwerf­ licher ist, sondern vor allem aus dem Grunde, weil sonst der Auffangtatbestand etwas nachhinkt.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe die Auffassung, das wir hinter das geltende Recht zurückgehen, wenn wir das Mittel, mit dem Treubruch begangen werden kann, mit Rechtsgeschäft oder rechtsgeschäftsähnlicher Verfügung ausdrücken. Ich habe noch die Anmerkung zu machen, ob man die Unterlassung akzentuieren soll; sonst würde ich es dabei lassen.

Staatssekretär D r. Freisler: Herr Senatspräsident Professor Klee will den Diebstahl deshalb voranstellen, weil er typisches

Professor Dr. Dahm: Ich habe gegen die Vorschläge des Herrn S ta a ts­ sekretärs Freisler Bedenken. Die Verpflichtung aus

Grund eines formungültigen Vertrages ist nicht „rechtlich festgelegt". Weiterhin hätte die vorgeschla­ gene Beschränkung bei tatsächlichen Eingriffen eine bedenkliche Einengung zur Folge. M an kann eine Forderung z.B . auch durch tatsächliches Verhalten, z. B. durch falsche Buchungen oder Verdunkelungs­ manöver beeinträchtigen.

Eine Einschränkung des Treubruchstatbestandes in der Weise, daß man die Art der Begehung festlegt, etwa nur rechtsgeschästliches und rechtsgeschästsähnliches Handeln genügen läßt, halte ich — wie ich wiederhole — nicht für richtig. Dann könnte nämlich Treubruch nicht durch Unterlassung begangen werden, was ich für ganz verkehrt halten müßte.

Profeffor D r. Graf Gleispach: Ein kleiner Beitrag: Bei der Abgrenzung dessen, was als Treubruch erfaßt werden soll, gegenüber dem, was man Verletzung rein obligatorischer Verpflich­ tungen genannt hat, handelt es sich darum, die Grenze gegen den Schuldner,der nicht zahlt, zu finden. I n dem Bestand unserer Konkursdelikte haben wir auch einen Beitrag dazu. Der Unterschied liegt wesentlich darin, daß, wenn wir von Treubruch sprechen, es sich ent­ weder um die Verfügung über anvertrautes Gut handelt oder um die Verletzung einer ganz spezifischen Pflicht, fremde Vermögensinteressen in einer bestimmten Richtung wahrzunehmen. M.E. ist die richtige Auffassung, daß in einem gewissen Sinne jeder Schuldner Treuhänder seines Gläubigers ist. Aber dieses Verhältnis betrifft seine gesamte Wirt­ schaftsführung und die Gebarung mit dem eigenen Vermögen. Der wesentliche Unterschied gegenüber dem Treubruch liegt darin, daß dieser immer nur in einer ganz bestimmten Richtung gegeben sein kann. Ich hätte auch Bedenken, die Handlungen, durch die § 266 begangen werden kann, näher zu umschreiben; Beim Delikt der Krida sind die strafbaren Tätigkeiten aufgezählt; daraus ergibt sich eine Grenze gegen die Untreue. Ich glaube, man muß weiter den Treubruch durch Unterlassen nach der Schuldseite hin einschränken.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D arin besteht Einigkeit, Herr Professor, daß bei der Einordnung der Unterschlagung der anvertrauten Sache es sich in der T a t um eine Akzentverschiebung handelt. F ü r die Reihenfolge wäre vielleicht auch der Gesichtspunkt zu berücksichtigen, der Treubruch kann nicht von allen Menschen begangen werden, sondern nur von denen, die über fremde Vermögensinteressen verfügen können, der Diebstahl kann von allen be­ gangen werden.

Profeffor D r. Nagler: Ich bin mit Herrn Staatssekretär D r. Freister durchaus darin einig, daß sich der Treubruchstatbestand an der Treuepslicht orientieren muß. Ich meine aber, daß diese Pflicht irgendwie rechtlich begründet und rechtsgültig sein muß. Herr Professor Dahm löst sich m. E. etwas allzu optimistisch vom Zivilrecht. An einen völligen „Zusammenbruch" des Zivilrechts kann ich einstweilen noch nicht entfernt glauben. E s gibt nichts Zäheres als das Zivilrecht. Außerdem schadet eine zivilrechtliche Bindung des Treubruchstatbestandes schon deshalb nicht, weil er sich bei einer Änderung automatisch anpassen wird. I m übrigen bin auch ich der Ansicht, daß die Untreue allerdings an die Spitze des Abschnitts gehört, wenn die Veruntreuung in diesem neuen Tat­ bestand mit aufgehen sollte. Ich kann allerdings nicht darüber hinwegkommen, daß das Volk beim Unter­ schlagungsbegriff an das Eigentum der Sache an­ knüpft, und daß die Zuschlagung der veruntreuenden Unterschlagung zur Untreue die Struktur dieses Tat­ bestands zwiespältig werden läßt. E s wiederholt sich — aber umgekehrt — der dogmatische Fehler, den ich bei § 4 der Vorschläge Kohlrauschs aufwies. Man sollte nicht das von uns befolgte Einteilungsprinzip des geschützten Rechtsguts (Eigentum — sonstiges Vermögen) hier zugunsten des M ittels ausgeben.

Staatssekretär Dr. Freister: E s erscheint mir auch richtig, daß die Art des Verhaltens nicht als einschränkendes Merkmal ge­ nannt wird. Die Einschränkung muß also in anderer Weise gesucht werden. Ich möchte darauf abstellen, daß die Treuepflicht irgendwie festgelegt wird. Damit meine ich, daß eine Treuepflicht auch dann ange­ nommen werden muß, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach BGB. gleichsam krank ist, d. h. nichtig oder anfechtbar. M it solchen Fällen müssen wir selbstverständlich rechnen, und auch sie müssen dem Tatbestand unterfallen. Dies zeigt deutlich, daß eine zivilrechtliche Bindung des Treubruchstatbe­ standes nicht möglich ist. M an könnte das vielleicht auch so ausdrücken, daß die Festlegung abstrakt erfolgt sein muß, so daß konkrete zivilrechtliche Unzulänglich­ keiten den kriminellen Gehalt der Handlung nicht beeinflussen können. S o etwa denke ich mir die Sache, wenn mir auch noch der sachgemäße Ausdruck fehlt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe das Gefühl, daß diese Ziselierarbeit an dem Begriff Treueverhältnis sich der gesetzgeberischen Festlegung entzieht; ich zweifle, ob w ir das in einer feineren Weise als das bisherige Recht zum Ausdruck bringen können. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich glaube, man kann es der P raxis überlassen, sie wird es aus der Überschrift „Untreue", aus der Fassung des Paragraphen und aus dem Tatbegriff „Mißbrauchen" finden, daß hier etwas von einer persönlichen Bindung zwischen Täter und Geschädig­ tem und auch ein gewisse sittliche Treuepslicht hinzu­ kommen muß. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich denke an ein Detail: Wenn man nichts über rechtsgültige und nicht rechtsgültige Vollmacht sagt, dann wird sich das, glaube ich, beantworten lassen. Meine Herren, wenn man die Frage, ob die Unter­ schlagung anvertrauter Sachen überhaupt heraus­ genommen werden kann, so betrachtet wie Herr Staatssekretär Freister, dann wird es zur Q uanti­ tätsfrage. Wenn ich sage, bei der anvertrauten Sache besteht auch ein Treueverhältnis, dann mündet der

S treit in einen Quantenstreit. D as ist auch eine Betrachtungssorm, die es erleichtert zu sagen, das wäre auch eine Art Treueverhältnis. Ich glaube aber, darin liegt eine leichte Biegung des Wortes Treueverhältnis. Ich würde jetzt folgendes feststellen:.Für den Aus­ bau dieser Bermögensdelikte besteht eine Einigung darüber, daß der Diebstahl mit seinen Anhängen als besonderes Delikt betrachtet wird; er ist ein Weg­ nahmedelikt. Der Treubruch dagegen soll die Ver­ letzung einer auf dem Treueverhältnis beruhenden Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, umfassen. Also keine Einschränkungen dazu; Abgren­ zung der Unterschlagung und, wenn das in diesem T a t­ bestand aufgeführt werden soll, als Anwendungsform der „Mißbrauch"; weiter die Verfügungsgewalt und die Aneignung anvertrauter Sachen; über den S tra f­ rahmen sprechen wir nicht. Schließlich brauchen wir einen Ausfangs- oder Ergänzungstatbestand, über dessen Formel noch nicht gesprochen worden ist, der aber nach der Meinung aller ein subsidiärer Tatbe­ stand sein, also alle sonst einschränkenden Tatbestands­ merkmale nicht enthalten soll. Nun würde ich vorschlagen, den Diebstahl mit seinen Anhängen, als da sind Raub und räuberischer Diebstahl, Hausdiebstahl, Ehediebstahl, jetzt vorzu­ nehmen, und darf die Herren Referenten bitten, nun­ mehr im einzelnen zum Diebstahl zu berichten. Dabei wäre es dringend erwünscht, die Bereicherungsabsicht nicht mehr zu erörtern; zunächst wäre in Betracht zu ziehen die Sache und zwei Nebengesetze, das Auto­ mobilgesetz und das Elektrizitätsgesetz.

BVG. begangen ist, schwerer geahndet werden als ein Taschendiebstahl in einem einer Privatverkehrsgesell­ schaft gehörigen Omnibus? I s t der Diebstahl eines Spucknapses aus den Korridoren des Kriminal­ gerichts, also einer Sache, die zweifellos zum öffent­ lichen Nutzen dient, wirklich schwerer zu ahnden als ein Taschendiebstahl, der im Gedränge dadurch be­ gangen ist, daß mit einer Rasiermesserklinge der Anzug aufgeschnitten wird, um an die Brieftasche in der inneren Rocktasche zu gelangen? Aus allen diesen Gründen wäre ich geneigt, auf jede Kasuistik ganz zu verzichten. Dies gilt auch für die beiden einzigen Fälle, die die Preuß. Denkschrift noch in das neue Strafgesetz aufnehmen will, nämlich den Einbruchsdiebstahl und den Diebstahl mit Waffen, wobei vornehmlich Gründe der geschichtlichen Über­ lieferung maßgebend sind. Durch die Ausgestaltung des § 72 a in der Fassung der Kommissionsbeschlüsse, der als Richtschnur für das Vorliegen eines besonders schweren Falles das Merkmal ausstellt, daß sich ein besonders verwerflicher, verbrecherischer Wille des Täters in der Art der Begehung der T at gezeigt hat, ist dem Richter ein genügender Hinweis gegeben, unter welchen Voraussetzungen eine Diebstahlsart vorliegt, die schwerer als die einfache rechtswidrige Zueignung zu ahnden ist. Wenn ich in meinen Leitsätzen dafür eingetreten bin, die Bestimmung des § 331 über den gewerbs­ mäßigen Diebstahl zu streichen, so kann ich das heute nicht mehr ausrecht erhalten. M an muß auch im Gesetz zwischen gewerbsmäßigen und Gelegenheits­ dieben unterscheiden.

Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Was die §§ 329 bis 330 des RefEntw. anbetrifft, die den schweren Diebstahl, den Einbruchsdiebstahl und den Diebstahl mit Waffen behandeln, so bin ich für eine radikale Vereinfachung. Daß die Kasuistik des geltenden § 243 zu den unerfreulichsten Erschei­ nungen des Strafgesetzbuches gehört und zu einer Fülle von Streitfragen Anlaß gegeben hat, ist allge­ mein anerkannt. Auch der Hauptgrund, der für die Beibehaltung der Kasuistik geltend gemacht worden ist, nämlich durch möglichst vollständige Aufzählung der vom Gesetzgeber für besonders strafwürdig erach­ teten Fälle aus eine einigermaßen gleichmäßige P raxis im Strafm aß hinzuwirken, hört sich am grünen Tisch sehr überzeugend an. I n der P raxis hört dagegen die durch die Kasuistik erwünschte Gleichmäßigkeit des Strafmaßes meist schon mit der Grenze eines Land­ gerichtsbezirkes auf. S o habe ich in meiner sechs­ jährigen Tätigkeit am Kammergericht, während deren Strafakten aus neun verschiedenen Landgerichtsbe­ zirken durch meine Hände gegangen sind, in zahlreichen Fällen festgestellt, daß die S trafe für einen — unter vollkommen gleichen Bedingungen ausgeführten — Einbruchsdiebstahl in Berlin durchschnittlich auf die Hälfte, wenn nicht gar auf ein Drittel von dem be­ messen wurde, was im gleichen Fall von den Gerichten in Frankfurt a. O. oder Guben erkannt worden war. I m übrigen ist auch die Kasuistik im § 329 des RefEntw. nicht erschöpfend und nur eine Quelle von Streitfragen. Ist z. B. ein verschnürtes Paket eine gegen Wegnahme besonders geschützte Sache? Weshalb soll ein Taschendiebstahl, der in einem Omnibus der

W as den räuberischen Diebstahl anbetrifft, so halte ich es im Gegensatz zu dem Ref.Entw. für zweckmäßig, diesen aus dem Diebstahls­ abschnitt herauszunehmen und ihn mit dem Raub und der räuberischen Erpressung im § 338 in einem Tatbestand zusammen zu fassen. Der gleiche Vorschlag war bereits in den Entwürfen von 1909, 1919 und 1925 gemacht worden. Die Trennung des räuberischen Diebstahls vom Raub entspricht nicht der Volks­ anschauung. Zwischen dem Diebstahlsakt und dem Betreffen des Diebes auf „frischer T at" besteht — auch wenn die Wegnahme der Sache juristisch bereits vollendet sein mag — ein solcher Zusammenhang, daß beides noch als einheitlicher Vorgang erscheint, und der Dieb zum Räuber wird, wenn er die Zwangs­ mittel des Raubes anwendet, um sich in dem Besitz des soeben weggenommenen, aber noch nicht in Sicherheit gebrachten Gutes zu erhalten. An die Strafbestimmung über den Diebstahl wäre § 245 a des geltenden Strafgesetzbuches (§ 332 a des RefEntw.) anzuschließen, der den Besitz von Diebes­ werkzeug unter Strafe stellt. Erforderlich sind hier nur geringfügige redaktionelle Änderungen hinsichtlich der Vorbestrafung des Täters, je nachdem in welcher Weise die einzelnen qualifizierenden Momente des Diebstahls, also schwerer Diebstahl, Einbruchsdieb­ stahl und Diebstahl mit Waffen vereinheitlicht werden. W as den Haus- und Familiendiebstahl anbelangt, der nach § 335 des Entw. nur auf Ver­ langen des Verletzten verfolgt werden soll, so will

hier die Preuß. Denkschrift eine Sonderregelung über­ haupt nicht zulassen mit der Begründung, daß in Einzelfällen das staatliche Interesse an der Ver­ brechensbekämpfung die Interessen an der Erhaltung des Familienfriedens überwiegen könne. S o sei es z. B. höchst mißlich, wenn die Verurteilung eines vielfach vorbestraften Einbrechers daran scheitern solle, daß der verletzte Angehörige keinen Strafantrag stelle oder einen solchen zurücknehme. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Bei Bermögensdelikten innerhalb der Fam ilie ist zu berücksichtigen, daß es sich um den Sippenbesitz handelt, und daß weder nach der Bolksanschauung noch nach der Überzeugung des Täters eine Entwen­ dung innerhalb der Familie auch nur einigermaßen den gleichen Charakter trägt, wie eine Entwendung gegenüber einem Fremden. Eine besondere Behand­ lung des Familiendiebstahls entspricht im übrigen auch alter deutscher Auffassung. Bedenken trage ich dagegen gegen die Bestimmung des Abs. 2 des § 335, wonach der Diebstahl unter Eheleuten, falls sie in häuslicher Gemeinschaft leben, ausnahmslos straffrei bleiben soll. I n der Praxis ist der Fall gar nicht so selten, daß ein arbeitsscheuer Ehemann — vielleicht sogar unter Mißhandlungen seiner Ehefrau — diese um die von ihr mühselig ver­ dienten Groschen bestiehlt, um sie zu vertrinken. Soll ier dem Ehemann durch das Strafgesetz von vorn­ erein Straflosigkeit verbrieft werden, lediglich, weil trotz vollkommen zerrütteter Ehe eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen nicht erfolgen konnte? Ich würde es danach für empfehlenswert halten, hier nur eine Vorschrift des In h altes aufzunehmen, daß in diesen Fällen von Strafe abgesehen werden kann. Beachtenswert in diesem Zusammenhange ist der Vorschlag der Denkschrift des Caritas-Verbandes, die Zulässigkeit der Verfolgung des Haus- und Familien­ diebstahls auf kurze Zeit zu befristen, damit nicht plötzlich nach Jahren aus Anlaß irgendwelcher Familienstreitigkeiten noch alte Vorfälle in der Familie wieder ans Tageslicht gezerrt werden können. D as wäre aber wohl prozessual zu regeln. Was die im § 336 geregelte Entwendung betrifft, die den Notdiebstahl, die Notunterschlagung und den Mundraub umfaßt, so halte ich in Überein­ stimmung mit der Preuß. Denkschrift eine Sonder­ regelung des Notdiebstahls und der Notunterschlagung nicht für erforderlich, da hier stets — soweit nicht der Diebstahl durch Einbruch oder mittels Waffen be­ gangen ist — die in § 74 vorgesehene Strafmilderung für außergewöhnlich leichte Fälle Platz greifen wird, sofern nicht überhaupt nach dem Grundsätze des § 153 S tP O , von einer Strafverfolgung gänzlich abgesehen werden kann. Beizubehalten sind dagegen die Bestimmungen des § 336 Abs. 2 und 3, die den Mundraub behandeln. E s handelt sich hier um einen Tatbestand, der zu sehr in das Volksbewußtsein übergegangen ist, als daß er in einem volksnahen Strafgesetz fortgelassen werden könnte. Als Strafe dürfte neben der Gefängnisstrafe

bis zu 3 Monaten Haftstrafe bis zu gleicher Dauer festzusetzen sein, da häufig in diesen Fällen die Tat des entehrenden Charakters, der dem eigentlichen Diebstahl anhaftet, entkleidet sein wird. Die Bestimmung des § 337, der die dauernde Entziehung fremder Sachen unter der Voraussetzung der Benachteiligungsabstcht unter Strafe stellt, füllt eine Lücke des geltenden Strafgesetzes aus, deren Bestehen mit dem allgemeinen Rechtsgefühl nicht im Einklang stand. Denn zweifellos ist der strafwürdig, der in der Absicht, einen anderen zu schädigen, eine fremde Sache ins Meer versenkt oder eine Hürde öffnet, damit die darin enthaltenen Tiere entweichen. Die Preuß. Denkschrift will sowohl die Fälle der dauernden Entziehung von Sachen als auch die Fälle des § 326 Abs. 2 des RefEntw. in einer Sondervor­ schrift als „Gebrauchsanmaßung" zusammenfassen. Ich halte das für verfehlt, da in beiden Fällen der Wille des Täters gar nicht dahin geht, die T at zum Zwecke der eigenen Ingebrauchnahme zu begehen. Zu erwägen wäre vielleicht, ob man die Vorschrift des § 337 des RefEntw. mit § 326 Abs. 2 vereinigt, da die dauernde Entziehung fremder Sachen eben­ soviel Verwandtschaft mit dem Diebstahl wie mit der Sachbeschädigung hat. Ich möchte diesen Weg jedoch nicht gehen, da § 337 des RefEntw. ein delictu m sui g eneris darstellt und der Bolksanschauung nach mehr als eine Unterart des Diebstahls wie als Unterart der Sachbeschädigung betrachtet wird. Die Einreihung der Bestimmung des § 337 des RefEntw. am Schluß des 26. Abschnitts des RefEntw. halte ich daher für das Gegebene. Ich komme nun zu zwei weiteren Vorschlägen der Preuß. Denkschrift, nämlich die Entziehung elektrischer Kraft und die unbefugte Benutzung fremder Kraftfahrzeuge und Fahrräder in das neue Strafgesetz mit aufzu­ nehmen. Hinsichtlich des letzten Deliktes, das durch die Ver­ ordnung vom 20. Oktober 1932 (RGBl. I S . 496) neu geschaffen ist, empfiehlt sich m. E. dessen Aufnahme in das Strafgesetzbuch. E s handelt sich hierbei um ein derart häufig vorkommendes Delikt, daß seine Behandlung in einem Sondergesetz nicht angezeigt erscheint. D as Gegenteil ist dagegen m. E. der Fall beim sogenannten Elektrizitätsdiebstahl. Abgesehen von dem Vorentwurf von 1909, der die Ausnahme einer derartigen Bestimmung im allgemeinen Strafgesetz vorsah, haben alle späteren Entwürfe dies abgelehnt. Zur Begründung hierfür ist zutreffend darauf hinge­ wiesen, daß die Möglichkeit der Verwendung elek­ trischer Arbeit ständigen Änderungen unterworfen sei, und daß das auf die Dauer berechnete Strafgesetzbuch durch eine solche Einarbeitung mit Vorschriften be­ lastet würde, die mit den technischen Fortschritten fortlaufend in Einklang gebracht werden müßten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Darf ich, Herr Kollege Reimer, fragen, wie soll nach Ih re r Meinung der Diebstahl lauten?

Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: „Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich oder einem D ritten rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Dieb­ stahls mit Gefängnis bestraft." Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch: Es erhebt sich zunächst die Frage, ob dem allge­ meinen Diebstahlstatbestand irgendwelche qualifizierte Fälle angeschlossen werden sollen. Daß die Kasuistik des § 243 S tG B , übertrieben und veraltet ist, wird heute allgemein anerkannt. Denselben Vorwurf muß ich aber auch gegenüber § 329 ResEntw. erheben. Dessen Aufzählungen sind umso überflüssiger, als jetzt der Allgemeine Teil eine allgemeine Bestimmung über die besonders schweren Fälle enthält. Ich finde auch z. B., daß der Diebstahl eines Fahrrads nicht gemeiner ist, wenn das Fahrrad angekettet war, als wenn es der Eigentümer im Vertrauen auf die Ehr­ lichkeit der anderen so hat stehen lassen. Ich mache daher den Vorschlag, den § 329 ResEntw. völlig zu streichen. Dagegen möchte ich den Einbruchsdiebstahl und den Diebstahl mit Waffen besonders hervorheben und demgemäß § 330 ResEntw. beibehalten, weil hier in der T at immer Zuchthausstrafe am Platze ist. Beim Diebstahl mit Waffen schlage ich eine kleine Erweiterung vor: S ta tt der Worte „um einen per­ sönlichen Widerstand zu überwinden" möchte ich sagen „mit dem ein persönlicher Widerstand gewaltsam ver­ hindert oder gebrochen werden sollte". Als dritter Qualifizierungsgrund kommt die Gewerbsmäßigkeit in Betracht. Sie besonders hervorzuheben, ist unbe­ dingt erforderlich. Der gewerbsmäßige Diebstahl könnte mit den anderen Fällen des schweren Dieb­ stahls zusammengefaßt und etwa gesagt werden: Die Strafe des Diebstahls ist Zuchthaus, wenn der Täter gewerbsmäßig stiehlt. Den räuberischen Diebstahl will Herr Oberstaatsanwalt Dr. Reimer als Spezial­ fall des Raubes regeln. M an kann es tun; aber richtiger steht er doch wohl beim Diebstahl. I n den vier Fällen des schweren Diebstahls, die sich so ergeben (Einbruchs- und bewaffneter Diebstahl, räuberischer und gewerbsmäßiger Diebstahl), würde ich ohne zeitliche Begrenzung Zuchthaus androhen, in den ersten drei Fällen freilich auch die Möglichkeit von Gefängnis eröffnen. I m übrigen stimme ich größtenteils mit Herrn Oberstaatsanwalt Dr. Reimer überein. Insbesondere halte auch ich § 336 Abs. 1 (Notdiebstahl) für über­ flüssig, da hier die allgemeine Vorschrift des § 74 nach den Beschlüssen der UK. Platz greift. Dagegen müssen die Abs. 2 und 3 des § 336 ausrecht erhalten bleiben, da hier die Strafmilderung gemäß § 74 nicht genügt. Denn im Falle etwa einer Entwendung von einigen Nahrungsmitteln durch Einsteigen ist eine Mindest­ strafe von 6 Monaten Gefängnis zu hoch. Die dauernde Entziehung von Sachen (§ 337 ResEntw.) gehört nicht hierher. S ie ist ein typischer Fall der Sachbeschädigung. Es erhebt sich sodann die Frage nach der Ein­ arbeitung von Nebengesetzen. Die Benutzung fremder Kraftfahrzeuge im allge­ meinen Strafgesetzbuch zu behandeln, kann ich nicht

empfehlen. Ich würde eine solche Einarbeitung für keine Verschönerung halten; sie vermindert die M o­ numentalität des Grundgesetzes. Außerdem liegt nach der Rechtsprechung dann Diebstahl vor, wenn das Kraftfahrzeug dem Eigentümer durch die Gebrauchs­ anmaßung so weit entzogen wird, daß er es nur schwer zurückerhalten kann. Schließlich muß entschieden werden, ob die unbe­ rechtigte Ausnutzung von Naturkrästen zum Schaden eines anderen an dieser Stelle zu regeln ist. Der VorEntw. 1909 wollte int § 12 Ziss. 5 die Energie der Sache gleichsetzen, unter Beschränkung aus „die in einer elektrischen Anlage oder Einrichtung enthaltene Energie", aber unter Verzicht aus das Erfordernis, daß die Entziehung auf dem Wege der Stromleitung erfolgt sein müsse. Die späteren E nt­ würfe haben den Gedanken wieder aufgegeben, da es sich nur um Gebrauchsdiebstahl handle, dessen straf­ würdige Fälle besonders zu regeln seien (Denkschrift zum Entw. 1919, S . 301). Dagegen nimmt die Denkschrift des Preuß. Justizministers, S . 106, den Gedanken in erweitertem Umfang wieder auf. Sie schlägt eine gemeinsame Bestimmung über Diebstahl und Unterschlagung vor und will in ihr auch den unter Strafe stellen, der „sich die einem anderen zustehende elektrische oder sonstige Naturkraft rechtswidrig nutz­ bar zu machen unternimmt". I m Ausland haben die Kassationshöse von P a ris und Rom ohne ein besonderes Gesetz elektrische Ener­ gie als Sache im Sinne des Strafrechts behandelt. — Unter den neuen Gesetzen und Entwürfen des Aus­ lands sind zwei Gruppen zu unterscheiden: Solche, die die Energie der Sache gleichstellen, und solche, die hier Sondertatbestände bilden. Zu der ersten Gruppe ge­ hören: Norwegen, Strafgesetzbuch 1902, § 6; Öster­ reich, Entwurf 1912, § 105; Tschechoslowakei, E nt­ wurf 1926, § 13 V; Italien , Strafgesetzbuch 1930, Art. 624; Österreich, Elektrizitätsgesetz v. 2. 7. 1929, § 59 I. Die Gleichsetzung betrifft bald nur die Dieb­ stahlsbestimmung, bald das Strafrecht überhaupt. Z ur zweiten Gruppe gehören insbesondere der Schweizer Entwurf 1918, § 127; und das russische Strafgesetzbuch 1926, § 163. Außer diesen beiden Wegen wäre ein dritter denkbar, nämlich auf „analoge" Anwendung des Sachbegrifss zu vertrauen. Aber mit analoger Aus­ legung sollen nur nachträglich auftretende Bedürfnisse befriedigt werden; hier sind sie schon jetzt bekannt. Die Frage muß also jetzt geregelt werden. Von den beiden möglichen Wegen halte ich nur den der Sonderbestimmung für diskutabel. Eine all­ gemeine Gleichstellung der Energie mit der Sache führt dagegen in Wahrheit zur Bestrafung des Gebrauchsdiebstahls in allen, aber auch nur in den Fällen, in denen der Gebrauch zufällig mit Energie­ entziehung verbunden ist (z. B. Lesen bei fremdem Licht, heimliches Fahren aus fremdem Wagen usw.), als „Diebstahl"! D a diese Abgrenzung Willkür wäre, ergäbe sich entweder die Notwendigkeit, schon im Ge­ setz die Grenzen weiter zu ziehen, d. h. den Gebrauchs­ diebstahl schlechthin als Diebstahl zu strafen, oder umgekehrt aus einengende Auslegung zu vertrauen. D as erste würde zu weit führen, das zweite wäre daS Eingeständnis des Unvermögens des Gesetzgebers.

Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Zur Eröffnung der Aussprache ist die Zeit zu weit vorgeschritten. Ich möchte nur über die Ein­ teilung der Debatte sagen: 116er den Diebstahlsgrund­ tatbestand scheinen große Meinungsverschiedenheiten nicht zu bestehen; die Debatte wird nicht an die Be­ griffe „fremd" und „beweglich" anzuknüpfen haben, wohl aber an den Begriff der Sache; in diesem Zu­ sammenhange spielt das Elektrizitätsgesetz eine Rolle. Uber die Frage, was eine Sache ist, kann man sehr verschiedener Meinung sein. W ir werden uns darüber zu unterhalten haben, ob man die elektrische Energie der Sache einfach an die Seite stellt; die elektrische Energie ist die Ausnutzung eines Stromgesälles. Weiter: Unter den Begriff des Diebstahls fallen Dinge, deren Strafwürdigkeit überhaupt verneint wird, wie Mundraub, ferner Dinge, die an der äußersten Grenze der schweren Freiheitsstrafen liegen. Die Preuß. Denkschrift hat hier den konsequentesten Standpunkt eingenommen und einen Strafrahmen von der kleinsten bis zur höchstmöglichen Strafe voresehen. E s ist die Frage, ob man diese zahlreichen eterogenen Fälle unter einen Tatbestand stellen will, oder ob man nicht qualifizieren muß. Darüber werden w ir uns in der Hauptkommission unterhalten müßen; die Herren Berichterstatter sind verschiedener Mei­ nung. D ann möchte ich gleich die gesetzlichen Bestim­ mungen über den Diebstahl von unedlen und von edlen Metallen erledigen; ich habe die Meinung, daß w ir uns um diese beiden Spezialtatbestände hier nicht zu kümmern brauchen, es handelt sich mehr um ein Zeitgesetz. (Pause von 13 Uhr 25 Minuten bis 17 Uhr 10 Minuten.) Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, zur Diskussion steht: 1. die Formulierung des Diebstahlstatbestandes, 2. die Frage der elektrischen Kraft und des Auto­ mobils, 3. die Qualifizierungen und die Privilegierungen, ersteres nach der T at, letzteres nach der Person. Staatssekretär Dr. Freisler: Was die Formulierung des Diebstahlstatbestandes anlangt, so bin ich der Meinung, daß er wegen der Häufigkeit des Delikts sprachlich in jeder Hinsicht gemeinverständlich gefaßt werden muß. Daß diese Fassung auch den juristischen Anforderungen zu ge­ nügen hat, ist selbstverständlich. Zunächst bin ich der Ansicht, daß das Merkmal „beweglich" weggelaffen werden kann. Vielfach wird doch die Sache erst durch die Wegnahme beweglich. Ebenso kann das Merkmal „fremd" gestrichen werden, da man seine eigene Sache nicht stehlen kann. Aus dem gleichen Grunde ist das Merkmal „einem anderen" überflüssig. Daß der Tatbestand allein von einer Sache spricht, ist wenig zweckmäßig, weil da­ durch eine Beschränkung auf körperliche Gegenstände eintritt. Ich schlage vor zu sagen: Sache oder Kraft. Der ResEntw. verwendet sodann das W ort „Zueig­ nung". D as ist ein Papierwort, aber kein Sprachwort. B ei Nichtjuristen ruft dieses Wort keineswegs den Gedanken an fremdes Eigentum wach. Ich hatte

gedacht etwa zu sagen: Wer eine Sache oder Kraft wegnimmt, um sie für sich zu behalten oder sonst zu verwenden, als ob er der Eigentümer wäre. Damit sind auch die Fälle erfaßt, daß der T äter die Sache wegnimmt, um sie zu vernichten oder zu verschenken. Daß ein Gesetzbuch des 20. Jahrhunderts nicht an den typischen Erscheinungen des technischen Lebens vorbeigehen kann, erscheint mir selbstverständlich. Deshalb muß die Kraft der Sache gleichgestellt werden. Ih re Entziehung in einem Nebengesetz zu behandeln, ist unangebracht. Dabei ist es gleichgültig, welche physikalische Theorie über das Wesen der Kraft Recht behält und ebenso gleichgültig ist es, welche Bezeichnung wir wählen. Nach dem Sprachgebrauch, und darauf kommt es allein an, ist Kraft keineswegs eine falsche Übersetzung für Energie. D as Gesetz darf auch nicht auf die Elektrizität beschränkt werden; auch Wärme kann gestohlen werden. E s ist auch nicht angängig, auf die Art des Leiters abzustellen, mit deffen Hilfe gestohlen wird. D as Gesetz muß ganz allgemein gefaßt werden, damit es auch den künftigen Errungenschaften der Technik gerecht wird. Schon heute ist es ja möglich, elektrische Energie ohne Leiter zu übertragen. M an kann also die Entwendung der Kraft gleichberechtigt neben der Entwendung der Sache nennen. Will man das nicht tun, so muß jeden­ falls ein besonderer Tatbestand in das allgemeine Strafgesetzbuch aufgenomen werden. W as den unbefugten Gebrauch von Kraftfahr­ zeugen betrifft, so würde es mich keineswegs stören, daß hier juristisch gesehen ein Fremdkörper in den Abschnitt eingestellt wird. I m Leben der Straße ist der Gebrauch fremder Kraftfahrzeuge kein Fremd­ körper. Was die Fälle der Privilegierung und Qualifi­ zierung angeht, so kann in der T at der Preuß. Denk­ schrift nicht zugestimmt werden. Denn die Fälle des Diebstahls sind zu verschiedenartig. Ich halte den Aufbau, wie ihn Herr Professor Kohlrausch vorschlägt, für sehr gut; er ist eine treffende Zusammenfassung der wesentlichen Gesichtspunkte. Auch der räuberische Diebstahl kann hier eingestellt werden. Jedoch wäre ich aus den schon oft erwähnten Gründen für die Hinzusügung einer Generalklausel. Privilegierte Tatbestände müssen gebildet werden. Beim Mundraub sträube ich mich aber gegen die Nachbarschaft zum Diebstahl, obwohl er natürlich eine Abart desselben ist. Diese diffamierende Nach­ barschaft wäre besser zu vermeiden. Dasselbe gilt vom Haus- und Familiendiebstahl. Zum Antragserfordernis will ich nicht sprechen, die Erörterungen hierüber sollen ja der Schlußdebatte vorbehalten bleiben. Ich möchte aber noch darauf hinweisen, daß m. E. § 335 Abs. 2 RefEntw. abge­ stimmt werden muß aus den neu gebildeten Tatbestand der Verschleuderung von Familienbanngut. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Von der Fassung des Diebstahlstatbestandes ist so ziemlich alles zusammengestrichen bis auf das Weg­ nehmen. Es bleibt die Gleichstellung von Sache und Kraft und die Zueignung. W ir suchen einen sprachlich adäquaten Ausdruck für den Gedanken, den der Dieb

hat, Herr der Sache zu werden. Weiter halte ich es für wünschenswert, daß der Autodiebstahl im allgemeinen Strafgesetzbuch erscheint. Profeffor D r. Mezger: Ich will mich auf eine Erörterung der qualifi­ zierten Fälle beschränken. Notwendig erscheint mir die besondere Hervorhebung des gewerbsmäßigen Dieb­ stahls, schon mit Rücksicht auf etwaige SicherungsMaßregeln und die kriminologische Besonderheit dieses Falles. I m übrigen bin ich sehr skeptisch. E s erscheint mir völlig ausgeschloffen, daß der Einbruchsdiebstahl stets mit Zuchthaus bestraft wird. Andererseits fehlt in dem Vorschlag von Herrn Profeffor Kohlrausch der Kirchendiebstahl. Ich bin der Überzeugung, daß sich jeder Versuch einer kasuistisch umschriebenen Q ua­ lifizierung notwendig dem Borwurf des Mißlingens aussetzt. Ich bin deshalb für die Wendung, daß in schweren Fällen auf Zuchthaus erkannt werden kann. D ann können die von Herrn Profeffor Kohlrausch gebildeten Tatbestände als Beispiele genannt werden. Staatssekretär Dr. Freister: Den Kirchendiebstahl haben wir an anderer Stelle. Profeffor Dr. Mezger: I m ResEntw. ist der Kirchendiebstahl in § 329 Ziff. 5 enthalten, in den Vorschlägen fehlt er. E s gibt Fälle, z. B. eines erstmalig Bestraften, die unmöglich mit Zuchthaus belegt werden können. Ich wäre für die Wendung: „ I n schweren Fällen kann mit Zucht­ haus bestraft werden". Beispiele hervorzuheben, ist möglich; aber für eine begriffliche Abgrenzung der schweren Fälle kann ich mich nicht erwärmen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wollen Sie dann diese Verschiedenartigkeit der Diebstahlstatbestände wirklich in einem Strafrahm en unterbringen? Profeffor Dr. Mezger: J a , mit dieser Klausel: E s kann in schweren Fällen auf Zuchthaus erkannt werden. Dazu würde ich Beispiele nennen, die aber nicht zwingend sind. Ich glaube, man wird kaum Diebstähle herausstellen können, die unter allen Umständen zuchthauswürdig sind. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D ann kämen als Beispiele die vier Fälle Ein­ bruchsdiebstahl, Diebstahl mit Waffen, räuberischer Diebstahl und gewerbsmäßiger Diebstahl. Profeffor Dr. Mezger: Den gewerbsmäßigen Diebstahl wollte ich auch äußerlich wegen seiner besonderen kriminologischen Bedeutung abtrennen und besonders behandeln. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Aber S ie würden diese typischen Tatbestände auch als solche im Gesetz erscheinen lassen? Profeffor Dr. Graf Gleispach: Ich halte zunächst mit Herrn Staatssekretär Dr. Freister das Merkmal „beweglich" für entbehrlich. Ich möchte auch von dem Merkmal der Zueignungs­

absicht loskommen. E s macht sicher die Faffung des Gesetzes wenig volkstümlich. Vielleicht sollte man jedes Bemühen nach einer Begriffsbestimmung auf­ geben und einfach sagen, der Dieb wird mit Gefängnis bestraft. I m übrigen bin ich mit Herrn Profeffor Mezger der Ansicht, daß die Fälle des schweren Diebstahls nur einer Kann-Borschrist unterworfen werden dürfen. Denn zweifellos wird man zum Einbruchsdiebstahl wieder Fälle finden können, die keineswegs Zuchthaus verdienen. D as gesunde richterliche Gefühl wird hier schon die richtige Entscheidung finden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Heißen S ie das einen Diebstahl, wenn jemand in eine Villa, die verlassen ist, zieht und dort wie ein Eigentümer wohnt? Ich möchte auch von dem Ausdruck zueignen los­ kommen, aber man findet nichts recht Paffendes. Kann man die vier Worte gebrauchen: „Wer einen anderen bestiehlt"? Ich meine, daß Zuchthaus für besonders schwere Fälle vorzusehen ist, aber nicht zwingend; man wird auch wieder Fälle finden, wo die Strafschärfung nicht gerechtfertigt ist. Senatspräsident Profeffor Dr. Klee: Biele verstehen unter fremd eine Sache, die nicht dem Täter gehört; wir Juristen verstehen darunter eine Sache, die einem anderen gehört. Wenn ein Hase gewildert ist, und ein anderer eignet sich ihn an, dann hat er nach der allgemeinen populären V or­ stellung, nicht aber juristisch eine fremde Sache weg­ genommen. Vielleicht könnte man zur Klarstellung „eine einem anderen gehörende Sache" sagen. Weiter ist auch das W ort „beweglich" nicht schön. Ich glaube kaum, daß Irrtüm er entstehen, wenn wir bloß Sache sagen, ein Haus kann man nicht stehlen. Ich glaube auch, daß „einem anderen" fallen kann. S tatt „für sich behalten usw." könnte man vielleicht sagen, „um darüber zu verfügen". „Absicht rechtswidriger Zueig­ nung" ist ein unschöner Ausdruck, ich könnte mir denken, einfach „in diebischer Absicht" zu sagen. Ferner ist es mir sehr sympathisch, die Kraft hier hin­ einzubringen. Das wäre nicht nur die elektrische, sondern die Wärme und manches andere. Es besteht nur das Bedenken, daß auch Krastentziehungen be­ troffen werden, die wir wohl nicht strafen wollen. „Sich oder einem Dritten zueignen" klingt nicht sehr schön, und es ist wohl auch richtig, daß man einem Dritten nicht zueignen kann; man hat diese Faffung wohl gewählt, um die Konstruktion des dolosen Werk­ zeugs unnötig zu machen. W ir haben jetzt aber den Mitwirkungsbegriss, und ich glaube, deshalb brauchen wir den Begriff des dolosen Werkzeugs nicht mehr. Allerdings ist auch an die Fälle zu denken, in denen 3E von vornherein für D — ohne dessen Wissen — stiehlt. Beim Autodiebstahl legt das Reichsgericht keinen Wert darauf, daß das Auto in das wirtschaft­ liche Vermögen des Täters überführt werden soll. Wenn jemand ein Auto wegsährt und dann im Walde stehen läßt, dann ist das nach dem Reichsgericht Dieb­ stahl. Ich möchte die Verordnung über den Gebrauchs­ diebstahl gleichwohl in das Strafgesetzbuch über-

nehmen; es fragt sich aber, ob das im Anschluß an den Diebstahlsparagraphen geschehen soll, weil doch nur ein iu rtu m usus vorliegt. Dann fragt sich, welche besonderen Diebstahlsarten hervorgehoben werden sollen. Ich bin der Ansicht, daß man solche typischen Fälle wie Einbruchsdiebstahl unbedingt hervorheben muß, wenn auch nur als besonders schwere Fälle. Gegen die Hervorhebung des Wassendiebstahls hätte ich auch nichts einzuwenden. Den gewerbsmäßigen Diebstahl würde ich unter allen Umständen mit Zucht­ haus bestrafen, dagegen nicht den schweren Diebstahl. E in Ausweg wäre die von Herrn Professor Mezger vorgeschlagene Kannvorschrift. Den Notdiebstahl auf­ zunehmen, ist nicht angeregt worden; man kann ihn aber wohl nicht auslasten. Staatssekretär D r. Freister: Es ist richtig, daß der Einbruchsdiebstahl nicht immer mit Zuchthaus bestraft werden kann. Man sollte das aber im Gesetz nicht ohne weiteres zu er­ kennen geben. M an sollte, um dem Richter den richtigen Maßstab an die Hand zu geben, sagen: „ In schweren Fällen ist aus Zuchthaus zu erkennen". Das wird in der Regel beim Einbruchsdiebstahl usw. der F all sein, und damit ist zum Ausdruck gebracht, daß der Einbruchsdiebstahl grundsätzlich zum Zuchthaus hinneigt. W as den Diebstahl mit Waffen betrifft, so habe ich gegen die Fassung von Herrn Profestor Kohlrausch Bedenken. Es wird fast nie nachzuweisen sein, daß die Waffe zu einem Widerstand gebraucht werden sollte. Deshalb wäre statt „sollte" bester zu sagen „konnte". Herr Gras Gleispach hat angeregt, auf jede Defi­ nition des Diebstahlsbegriffs zu verzichten. D as ist die Methode des finnischen und japanischen S traf­ gesetzbuchs. Grundsätzliche Bedenken hätte ich gegen diese Methode nicht geltend zu machen. Professor Dr. Kohlrausch: Bei meiner Formulierung bin ich davon ausge­ gangen, daß es nicht zweckmäßig ist, ohne Not am geltenden Recht etwas zu ändern. Wenn ich überhaupt hätte definieren wollen, hätte ich gesagt: „Wer fremdes Gut in der Absicht wegnimmt, es sich rechts­ widrig zuzueignen"; oder aber: „Der Diebstahl wird mit Gefängnis bestraft", in der Meinung, daß das Volk ebenso genau weiß, was ein Dieb ist, wie es weiß, was ein Zuhälter ist. W as den „Dritten, dem" zugeeignet werden soll, anbetrifft, so finde ich diese Gesetzesergänzung auch unschön. Wenn es ginge, wäre es mir lieber, es nur in der Begründung zu sagen. M an wollte namentlich die Fälle treffen, daß jemand stiehlt, um eine Sache zu verschenken. Zu diesem Fall hat das Reichsgericht im 67. Bande gesagt: „An sich ist es kein Diebstahl, wenn jemand die Sache einem Dritten zueignen will". Nun hat dort ein Geschäftsführer für seine G. m. b. H. ge­ stohlen; da sagt das Reichsgericht, wenn es eine reine Verwandten-G. m. b. H. ist, hat er die Sache sich zu­ eignen wollen, andernfalls ist es kein Diebstahl. Diese Entscheidung ist doch derart formalistisch, daß es in der T at wohl nötig ist, ausdrücklich zu sagen: „sich oder einem anderen". Hinsichtlich des schweren Dieb­ stahls schließe ich mich den Bedenken des Herrn

Staatssekretärs Freister an. M an kann nicht schlecht­ hin Zuchthaus androhen. Aber dann dürfen wir m. E. hier nicht mehr den räuberischen und den gewerbsmäßigen Diebstahl nennen, denn die liegen so schwer, daß Zuchthaus an der ersten Stelle stehen muß. Reichsjustizminister D r. Gürtuer: Ich würde es für richtig halten, das Autogesetz im Strafgesetzbuch erscheinen zu lasten, und zwar vor der Hand in dieser Nachbarschaft mit dem Vorbehalt anderer Einstellung. Ferner besteht allgemein die Meinung, daß qualifizierte Fälle erscheinen sollten; ferner sollen auch privilegierte Fälle ungefähr so wie im RefEntw. aufgenommen werden. Dagegen sind die zwei anderen Punkte, wie heißt der Diebstahls­ tatbestand, und wie werden wir mit der elektrischen Kraft fertig noch sehr im unklaren. Zum letzteren möchte ich daran erinnern, daß man früher schon einmal versucht hat, dieses Delikt in das Strafgesetz­ buch aufzunehmen. Das sollte ungefähr so lauten: „Wer fremde elektrische Arbeit unbefugt in der Absicht benutzt, dadurch zum Nachteile eines anderen sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern". Diese Regelung unterscheidet sich grundsätzlich von der des Elektrizitätsgesetzes, das, kurz gesagt, das Ankratzen der Leitung betrifft. Elektrische Arbeit ist kein guter Ausdruck, man könnte eher sagen: elektrischer Strom . Diesen Gedanken auf andere Energien auszudehnen, ließe sich mit der Bereicherung machen. Ich habe hier aber eine ähnliche Auffassung wie beim Autogesetz; es ist damals mit den interessierten Stellen so ein­ gehend beraten worden, daß ich gar nicht den M ut hatte, es zu ändern, ohne mit diesen Verbanden wieder in Fühlung zu treten. Ich glaube, wir könnten daraus abkommen, für die UK. folgendes festzustellen: Der Diebstahl muß ein Wegnahmetatbestand sein, das ist so ziemlich das einzige, was feststeht. Meiner M ei­ nung nach sollten wir von der Sache nicht abgehen, das Greifbare gehört zum Wegnehmen. D h man beweglich hinzusetzt, halte ich nicht für so wichtig. Profeffor Dr. Dahm: Ich glaube, man muß das hinzusetzen; es ist denk­ bar, daß auch ein Grundstück weggenommen wird. Wenn man überhaupt definiert, muß man genau definieren. Professor Dr. Mezger: Ich bin für die Beibehaltung des „beweglich"; dadurch gewinnt das Merkmal des „Wegnehmens" seine richtige Gestalt. Senatsprasident Profeffor Dr. Klee: M . E. braucht man es gerade nicht zu sagen, weil im Wegnehmen der Begriff beweglich schon ent­ halten ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D ann soll man fremd hinzusetzen. Dagegen ist die Ausdruckssorm „die einem anderen gehört" bean­ standet worden; aber das hat in der Praxis niemals zu Schwierigkeiten geführt. Staatssekretär Dr. Freister: Ich möchte meinen, daß „einem anderen" ent­ behrlich ist.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Also „sremd" würde bleiben. Is t es notwendig, „einem anderen" hinzuzusetzen, kann man sich selbst etwas wegnehmen? Eigentlich nicht.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, es handelt sich mehr um ein sprach­ liches, als um ein rechtliches Problem, weil eine gewisse Scheu vor dem Wort „zueignen" besteht.

Prosesior Dr. Kohlrausch: M an kann etwas wegnehmen, was in niemandes Gewahrsam ist. D as könnte das Volk unter Um­ ständen so aussafsen. Wenn wir etwas andern, kann man dahinter eine schwarze Absicht vermuten.

Ministerialdirektor Dr. Dürr: Zueignen kann das Volk besser verstehen als verfügen.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: E s ist ja nicht behauptet worden, daß es falsch ist, es fragt sich nur, ob es überflüssig ist. Nun kommt die Schwierigkeit: I n welcher Absicht? D a wurde behauptet, „einem anderen zueignen" brauchen w ir nicht, weil der extensive Täterbegriff ohnehin die Fälle umfaßt. Es kommt daraus an, von wem die Initiative ausgeht. Professor Dr. Kohlrausch: M an kann den Dritten entbehren, wenn man es in die Begründung schreibt. Ministerialdirektor Schäfer: D as hat schon einmal in der Begründung ge­ standen, und die Praxis hat es nicht beachtet. Professor Dr. Kohlrausch: Ich glaube aber, daß es sprachlich gezwungen ist, einem anderen etwas zueignen zu wollen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D a muß ich widersprechen. M ir ist „zueignen" bisher nur in Büchern vorgekommen, da heißt es immer: „Dem Herrn Reichsminister der Justiz er­ gebenst zugeeignet". Professor Dr. Graf Gleispach: D as kann nur jemand tun, der die Sache zu­ nächst hat. Staatssekretär Dr. Freister: D as gerade zeigt, wie sehr das Wort zueignen mit dem Eigentum in Verbindung gebracht wird. Deshalb sagen w ir doch besser: „Um darüber nach Belieben zu verfügen". Professor Dr. Kohlrausch: D arunter fällt der Gebrauchsdiebstahl. Staatssekretär Dr. Freister: Nein, diese Wendung bedeutet wohl mehr als bloß gebrauchen. Professor Dr. Dahm: Zweifellos fällt dann die Gebrauchsentwendung darunter. Ich empfinde die Wendung „einem D ritten zueignen" nicht als sprachlich unmöglich. Professor Dr. Kohlrausch: D as für Diebstahl Wesentliche ist, daß der Ver­ letzte dauernd ausgeschlossen sein soll; während es nicht wesentlich ist, ob der Dieb dauernd behalten will.

Professor D r. Kohlrausch: Ich möchte zur Diskussion stellen: „Um sie unter dauerndem Ausschluß des Eigentümers für sich zu verwenden". Professor D r. Mezger: Ich möchte glauben, daß in diesem F all doch der praktisch-juristische Gesichtspunkt wichtiger ist als der rein sprachliche. Die neuere Rechtsprechung zum Diebstahlstatbestand ist im ganzen durchaus gesund, und die von ihr entwickelten Grundsätze würden hin­ fällig, wenn wir den Tatbestand gänzlich neu fassen. Ich bin deshalb dafür, die alten Worte zu lassen und damit die bisherige Rechtsprechung zu sanktionieren. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dann halte ich es aber für wünschenswert, „einem anderen" beizubehalten. Staatssekretär D r. Freister: Ich bin der Meinung, daß wir das Gesetz nicht für die bisherige Rechtsprechung machen. W ir brauchen den ganzen Ballast nicht mitzuschleppen. Wenn ich statt der Zueignungsabsicht sagen will „um darüber nach Belieben bestimmen zu können", so ist das unmißverständlich und bringt zum Aus­ druck, daß das Delikt sich nicht gegen das Eigentum, sondern gegen die Gewere richtet. „Nach Belieben bestimmen zu können" heißt auch, in seiner Be­ stimmungsmöglichkeit nicht beschränkt zu sein. Ministerialdirektor Schäfer: Wenn wir sagen, „um darüber nach Belieben bestimmen zu können", so wird m. E. am geltenden Rechtszustand nichts geändert. Die P raxis könnte, wenn der Täter sich die Sache nicht selbst, sondern einem anderen zueignen will, nach der vorgeschlagenen Fassung genau so entscheiden wie bisher. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich nehme die Sache nicht so ganz leicht, weil es sich um einen Tatbestand handelt, der eine große Rolle spielt. Durch eine Formel, die den Anschein erweckt, als wollten wir den Diebstahlstatbestand ändern, schaffen wir nichts Gutes. W ir können nur fragen, hat die Rechtsprechung über den Diebstahl das Richtige getroffen, und das ist zu bejahen. Wenn wir etwas anderes formulieren, dann muß es in einer so klaren Fassung geschehen, daß gar kein Zweifel entsteht. Ich bin auch der Meinung, eine Formel wie „um darüber nach Belieben bestimmen zu können" hat abgesehen davon, daß sie gewiß nicht volkstümlich ist, auch den Nachteil, daß sie etwas unterschiebt. Ich kehre immer wieder zu meiner Grundaufsassung zurück: „um Herr der Sache zu sein oder einen anderen zum Herren zu machen".

Professor Dr. Kohlrausch: Ich halte diesen Gedanken auch für richtig. Professor Dr. Dahm: Wenn man von „Herr der Sache" spricht, muß man entweder die Worte „für immer" hinzusetzen oder die Gebrauchsentwendung besonders aus­ schließen. Damit aber wird die Ausdrucksweise schlecht und schwerfällig. Es soll hier doch beim geltenden Recht bleiben. Ich sehe daher nicht ein, warum man im Ausdruck wechseln soll.

können, wenn sie nicht tatsächlich gebraucht worden ist. Ich stehe aber auf dem Standpunkt, daß ein solcher Nachweis nicht notwendig ist, weil schon das Mitführen der Waffe besonders strafwürdig erscheint. Denn das Bewußtsein, die Waffe mitzusühren, birgt für den T äter immer die große Versuchung in sich, von ihr auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Der Dieb muß eben wissen, daß er viel mehr riskiert, wenn er eine Waffe mitführt. W ir bestrafen ja auch den Besitz von Diebeswerkzeug; dem liegt derselbe Gesichtspunkt, zugrunde.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich wollte das nicht als Formulierung vor­ schlagen, sondern damit nur den Grundgedanken der Diebesabsicht darstellen. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich finde diese Formulierung sehr gut.

Professor Dr. Kohlrausch: Dann kehren w ir zum geltenden Recht zurück. Dann wird wieder der bestraft wegen Diebstahls mit Waffen, der ein feststehendes Messer bloß mit sich führt. D as scheint mir nicht tragbar zu sein.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Den Einwand der zeitlichen Begrenzung der Herrschaft halte ich nicht für sehr durchschlagend. Sie können auch bei der Zueignung sagen: „Ich will nur drei Wochen zueignen". Ich kann zwischen beiden Fassungen keinen Unterschied erkennen. Profeffor D r. Kohlrausch: W ir sind uns wahrscheinlich darüber einig, daß die Fortnähme des Sparkassenbuchs, um Geld abzu­ heben, Diebstähl ist. M an kann auch sagen, daß der Wegnehmende es sich aneignen wollte. Aber kann man auch sagen, er habe sich zum Herrn des S p ar­ kassenbuchs machen wollen, wo er es doch wieder zurücklegen wollte? Professor Dr. Mezger: Wenn der Täter von vornherein beabsichtigt, mir einen Teil abzuheben, dann kann man nicht sagen, er habe sich „zum Herrn machen wollen". Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir können genau so gut sagen, er habe sich nicht zueignen wollen. Staatssekretär D r. Freisler: Wenn kein Unterschied besteht, dann fordert die zweite Fassung aber nicht zu dem Mißverständnis heraus, daß es sich um das Eigentum handelt. Das ist bei zueignen aber der Fall. Der routinierte Dieb will sich nicht Eigentum verschaffen, er weiß, daß das nicht geht.

Staatssekretär D r. Freister: E s besteht doch ein Unterschied zwischen einer Pistole und einem Frühstücksmesser. Ich warne dringend vor dem Wort „sollte". Es ist die Chance für den Verteidiger. Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: E s muß der Nachweis erbracht werden, daß der Dieb zum Zwecke der Begehung des Diebstahls be­ wußt die Waffe bei sich geführt hat. Die Kohlrauschsche Fassung erscheint mir ohne weiteres an­ nehmbar. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich wäre auch mehr für die präzisere Fassung des Herrn Profeffor Kohlrausch. Die einzige praktische Schwierigkeit ist das feststehende Messer; diesen Dieb­ stahl immer als schweren Diebstahl zu bestrafen, wäre allerdings, z. B . in Bayern, unmöglich. Ministerialdirektor Schäfer: Ich habe es dahin verstanden, daß der Qualisikationstatbestand so aufgezogen wird: I n besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus erkannt werden, insbesondere wenn . . . ., nun folgen Ziffer 1 und 2, nicht Ziffer 4, der gewerbsmäßige Diebstahl, weil da Zuchthaus schlechthin angedroht werden sollte. S oll auch Ziffer 3, räuberischer Diebstahl, zu Ziffer 4 kommen? Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Frage, ob der räuberische Diebstahl hier oder beim Raub aufgeführt wird, möchte ich im ersten Sinne entscheiden, denn es ist ein Diebstahl.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dann wollen w ir schon diesen Ausdruck nehmen. Beim Waffendiebstahl heißt es hier in einer sehr viel besseren Fassung als im geltenden Recht — dort lautet die Bestimmung: „Wenn der Dieb oder ein Teilnehmer am Diebstahl eine Waffe bei sich geführt hat" — „mit dem ein persönlicher Widerstand ge­ waltsam verhindert oder gebrochen werden sollte". Dazu ist vorgeschlagen „gebrochen werden konnte". D as ist etwas anderes.

Senatspräsident Profeffor Dr. Klee: Zum umschlossenen Raum ein W ort: D as Reichs­ gericht unterscheidet Gebäude und umschlossenen Raum und nimmt einen umschlossenen Raum an, wenn ein Teil der Erdoberfläche umschlossen ist; z. B. ist ein Zimmer nach dem Reichsgericht kein umschlossener Raum. Herr Professor Kohlrausch hat offenbar bei seinem „umschlossenen Raum" einen weiteren Begriff im Auge.

Staatssekretär D r. Freisler: Daß beim Diebstahl mit Waffen die Waffe ge­ braucht werden sollte, wird man niemals beweisen

Professor Dr. Dahm: Ich würde den Kirchendiebstahl unter den schweren Fällen des Diebstahls ausdrücklich nennen.

Überhaupt sollte man den deutschrechtlichen Gesichts­ punkt Les Diebstahls an befriedeten Orten wieder aufnehmen und alle Fälle dieser Art besonders her­ vorheben. Ich denke da auch z. B. an Diebstähle in Ehrenmalen und an ähnlichen Stätten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es wäre sicher volkstümlich, den Diebstahl aus dem befriedeten und gebannten Ort besonders zu qualifizieren. Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch: Der Vereinigung von Raub und Erpressung zu einem Abschnitt (so auch S tG B , und alle deut­ schen Entwürfe außer KE. 1913) ist zuzustimmen. Denn obwohl der Raub als gewaltsamer Diebstahl Angriff auf das Eigentum ist, die Erpressung aber Angriff aus das Vermögen in weiterem Sinne, ist beiden gemeinsam und für beide kriminalpsychologisch wesentlich die Beeinträchtigung der persönlichen F rei­ heit als M ittel der Sachentziehung bezw. Vermögens­ schädigung. Ebenso ist der inneren Grenzverschiebung zuzu­ stimmen, die darin liegt, daß das „abnötigen" von der Erpressung zum Raub gekommen ist. S o auch alle deutschen Entwürfe. Dadurch ist der unklare Mittelbegrifs der „räuberischen Erpressung" über­ flüssig geworden. Die an sich zu billigende, aber immerhin weit­ tragende Aufnahme des „abnötigens" fordert scharfe Abgrenzung der Nötigungsmittel, damit eine Grenze gegen die Erpressung bleibt. Raub ist Vergewalti­ gung des Gewahrsamsinhabers; sei es körperliche, sei es durch unmittelbare Bedrohung seiner Person. Nicht genügen Gewalt gegen Sachen oder Androhung eines Übels, das Dritte treffen soll. Wenn der Ge­ wahrsamsinhaber eine Sache deshalb hergibt, weil ihm gedroht wird, daß sonst, sofort oder später, sein Kind mißhandelt werde, so ist das Erpressung, nicht Raub. Ob auch nach RefEntw., ist mir zweifelhaft. E s würde wohl eine „Streitfrage" entstehen. Sprachlich halte ich die uns leider geläufig ge­ wordene Wendung: „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" (so schon P r.S tG B . von 1851) übrigens für unmöglich. „Eine Gefahr droht"; aber der Mensch kann nach meinem Sprach­ gefühl nur mit einem eigenen Verhalten drohen; allenfalls mit einer Gefährdung, aber nicht „mit einer Gefahr". Wenn man, wie vorgeschlagen, die Vergewaltigung nur aus den Gewahrsamsinhaber beziehen will, ist der Fehler leicht zu beseitigen. Die Kasuistik der §§ 250, 251 S tG B , durch RefEntw. § 338 Abs. 2 und 3 zu ersetzen, halte ich für gut. I n Abs. 3 sollte dabei klargestellt werden, daß als „Verletzter" nur der Vergewaltigte in Betracht kommt, und daß der Tod mit der Gewaltanwendung im Zusammenhang stehen muß; Herzschlag infolge der Drohung genügt nicht. S o auch S tG B . § 251: „durch die gegen ihn verübte Gewalt". Ich möchte noch daraus hinweisen, daß Abs. 3 keineswegs eine Erfolgshaftung im alten Sinne ent­ hält; denn diese Fälle sind ja durch § 20 in der

Fassung der Vorschläge der UK. in das Willensstraf­ recht überführt. Nach allem würde ich folgende Fassung vor­ schlagen: „Wer einem anderen eine fremde bewegliche Sache in der Absicht, sich oder einen Dritten zum Herrn dieser Sache zu machen, dadurch wegnimmt oder abnötigt, daß er gegen ihn Gewalt anwendet oder ihn an Leib oder Leben bedroht, wird wegen Raubes mit Zuchthaus bestraft. I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Zucht­ haus nicht unter drei Jahren. S tirb t der Vergewaltigte an den Folgen der Gewaltanwendung, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder lebenslanges Zuchthaus". Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Wie sich bereits aus meinen Leitsätzen ergibt, stimme ich mit meinem Herrn Mitberichterstatter in den wesentlichsten Punkten überein. Insbesondere halte ich Abs. 1 des von ihm soeben vorgetragenen Vorschlages für empfehlenswerter, als die Fassung des RefEntw., da hierdurch klargestellt wird, daß die Gewalt oder das angedrohte Übel sich gegen den Ge­ wahrsamsinhaber selbst richten muß. Anderer Auffassung als Herr Professor Kohlrausch bin ich dagegen hinsichtlich des Abs. 3 des RefEntw. Eine besondere Bestrafung der Todesfolge ist m. E. im Gesetz nicht zum Ausdruck zu bringen, eine Auf­ fassung, die die Kommission bereits bei der Notzucht mit Todessolge vertreten hat. — D as ist bei der Be­ strafung der besonders schweren Fälle zu regeln, für die ich lebenslanges Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter fünf Jahren vorschlage. Staatssekretär Dr. Freister: Es wäre das erstemal, daß wir lebenslanges Zuchthaus androhen. M. E. genügt das zeitliche Höchstmaß. I m übrigen greift die Sicherungsverwah­ rung Platz. Der Raub ist ein Tatbestand, der noch eindeutiger ist als die Zuhälterei. Dagegen spricht auch nicht, daß außer dem Wegnehmen auch das Abnötigen der Sache genügt. Kein M ann im Volke überlegt, wenn man ihn fragt, ob auch der ein Räuber sei, der seinem Opfer eine Pistole auf die Brust setzt und die Heraus­ gabe der Sache verlangt. Ebensowenig bedarf es der gesetzlichen Festlegung, daß mit einer unmittelbaren Gefahr gedroht werden muß. Deshalb kann der T at­ bestand einfach lauten: „Der Räuber wird mit Zuchthaus bestraft." Damit würde der Tatbestand an Wirkung unendlich gewinnen. Abs. 2 des § 338 kann gestrichen werden; er besagt gar nichts. Ebenso wird Abs. 3 überflüssig, wenn man nicht lebenslanges Zuchthaus androht. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Auch ich bin der Ansicht, daß die letzten beiden Absätze gestrichen werden sollten. I m übrigen kann ich mir vorstellen, daß der Räuber die Todesstrafe verdient. Denn ob das Opfer stirbt oder am Leben bleibt, hängt oft vom Zufall ab. Ich würde daher schlechthin wahlweise Todesstrafe androhen.

Der Vorschlag von Herrn Staatssekretär Dr. Freister erscheint mir annehmbar. Gerade in diesem Fall könnten wir vielleicht auf eine Definition ver­ zichten. Ich erinnere daran, daß w ir ja auch die Ehrenkränkung nicht definiert haben. Ministerialdirektor Schäfer: D as gibt keine Auskunft darüber, welche Drohung genügen soll. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Der Wunsch, eindrucksvolle Tatbestände zu schaffen, darf nicht zur Formulierung von T at­ beständen führen, die praktisch nicht verwendbar sind. M an muß doch wohl im Gesetz klarstellen, daß Ge­ walt gegen Sachen und eine andere Bedrohung als die von Leib und Leben ausscheiden. Eine andere Frage ist, ob wir die Diebstahlsdefinition in den T at­ bestand aufnehmen müssen. Professor Dr. Kohlrausch: Ich kann mich mit einer solchen Vereinfachung des Tatbestandes nicht anfreunden. Die Auffassung, was Raub sei, hat doch sehr geschwankt. Ich erinnere nur daran, daß jemand seine eigene Sache mit Ge­ walt wegnimmt. D as galt lange Zeit hindurch als Raub. Ich würde schon lieber aus eine Begriffs­ bestimmung des Diebstahls verzichten. Beim Raub halte ich diesen Verzicht nicht für angängig. Professor Dr. Dahm: Ich bin derselben Auffassung. Eine Definition ist notwendig, weil wir auch Fälle einbeziehen wollen, die nach der Volksanschauung nicht ohne weiteres unter den Begriff des Raubes fallen. I n der Strafdrohung möchte ich bis zu einem gewissen Grade ältere deutsche Rechtsgedanken wieder­ aufnehmen. Ursprünglich wurde der Diebstahl strenger bestraft als der Raub, weil er das heimlich begangene Verbrechen war. D as können wir heute nicht wiedereinführen, aber wir sollten darauf Rück­ sicht nehmen, daß es Fälle des Raubes gibt, in denen die Zuchthausstrafe dem Volksempfinden widerspricht. W ir brauchen hier Gefängnisstrafe für leichtere Fälle. Staatssekretär Dr. Freister: Auch wenn man definiert, braucht man auf die Wirkung nicht zu verzichten. M an muß nicht immer mit „wer" anfangen, man kann sagen: „Der Räuber wird mit Zuchthaus bestraft. Raub begeht, wer . . .". M an kommt dann zu einem anderen Schaubild und Sprachbild des Gesetzes und zu einer anderen Wir­ kung. Ich möchte vorschlagen, davon abzusehen, zu sagen: „Wer Diebstahl durch Gewalt usw. begeht"; denn zum Diebstahl gehört die Heimlichkeit, und der Räuber muß gesehen werden. Heute ist der Raub entschieden schwerer als der Diebstahl; er ist eines der schwersten Verbrechen, und ich will deshalb nicht unter Zuchthaus heruntergehen. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Herr Professor Kohlrausch hat angeregt, klarzu­ stellen, daß die Gewaltanwendung und die Drohung nur gegen den zu Vergewaltigenden begangen werden soll.

Professor D r. Nagler: Ich glaube, daß nach dem Vorschlag des Herrn Professors Kohlrausch der Tatbestand des Raubes viel zu sehr dadurch eingeschränkt wird, daß die Gewalt­ anwendung gerade gegen den Besitzer der Sache ver­ langt wird. Ich denke an den Fall, daß der Täter einem Krüppel die Sache wegnehmen will. Wenn nun andere Personen dem Krüppel zu Hilfe kommen und der Täter nur gegen diese Gewalt anwendet, soll er nicht wegen Raubes bestraft werden? Professor Dr. Kohlrausch: D er Fall des Mitverteidigers der Gewere ist viel diskutiert worden. Ich glaube aber, daß eine ver­ nünftige P raxis die richtige Entscheidung eben in diesem Gedanken des Mitverteidigers finden wird. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Die Gewaltanwendung gegen andere Personen ist doch kein Raub. Professor Dr. Nagler: Die Person des Genötigten ist allerdings ganz gleichgültig. Wenn ein Krüppel beraubt werden soll, Passanten kommen ihm zu Hilfe und werden über­ wältigt, dann ist dieser Vorgang nach meinem Dafür­ halten glatter Raub, obwohl die Gewalt gegenüber den Helfern des Verletzten geübt wurde. Professor D r. Kohlrausch: Dieser Fall ist viel besprochen worden. Binding hat es so gefaßt, daß sie wenigstens in einem Sympathieverhältnis stehen müßten. M an könnte ja sagen: „gegen ihn oder gegen einen Mitverteidiger des Ge­ wahrsams". D as wäre richtig, ist aber zu schwer­ fällig, versteht sich auch bei vernünftiger Auslegung von selber. Ich möchte aber die Fälle ausschließen, wo etwa das Kind verprügelt oder mit Prügel bedroht wird, bis der Vater die Sache herausgibt. Dies ist Erpressung, nicht Raub. Professor Dr. Nagler: E s ist mir unsympathisch, daß beim Raub grund­ sätzlich nur auf Zuchthaus erkannt werden muß. Es gibt doch relativ leichte Fälle des Raubes, bei denen Zuchthausstrafe ungerecht erscheint (z. B. den Handtäschchenraub). Den Abs. 3 möchte ich unter allen Umständen wegen des Strasminimums beibehalten wissen, zu­ mal ja Abs. 2 gestrichen werden soll. Reichsjustizminister D r. Gärtner: Nach dem bisherigen Stande der Debatte ist die Frage strittig geworden, ob die Gewaltanwendung und die gefährliche Drohung sich gegen den zu B e­ raubenden richten sollen. Das, glaube ich, ist der Grundtatbestand des Raubes. Beim Diener hätte ich keine Besorgnis, daß er mindestens Besitzdiener ist. Den anderen Fall, daß sich zufällig Verteidiger finden, sollte man m. E. nicht besonders strafrechtlich ersassen. Die Fassung: „Der Räuber wird bestraft", halte ich bei den typisch volkstümlichen Delikten für eindrucksvoll; das enthebt uns aber nicht der Not­ wendigkeit, dann zu sagen, was Raub ist. Nicht für

jedes Vergehen läßt sich ein Hauptwort bilden. M an kann sagen: Räuber, Erpresser, Einbrecher; das ist eine volkstümliche Marke. M an kann aber nicht Treubrecher sagen, das ist mehr literarisch. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Wenn A dem B einen Apfel wegnimmt, um ihn gleich zu verzehren, so ist das Mundraub; wird dabei Gewalt von ihm angewendet, so ist es Raub. Wenn das Raub bleiben soll, dann ist Zuchthaus hier zu schwer. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: E s ist von verschiedenen Seiten darauf hin­ gewiesen worden, daß eine obligatorische Mindest­ strafe von einem J a h r Zuchthaus dem Leben nicht gerecht wird. Ich kann mir derartige Fälle vor­ stellen. Die gewaltsame Wegnahme des Apfels kann man nicht mit Zuchthaus bestrafen. Bisher war es sehr leicht, weil wir mildernde Umstände hatten. Aus diesen schwierigen Punkt treffen wir immer wieder, und wir werden uns vielleicht in der Schlußdiskuffion darüber unterhalten müssen, ob und in welcher Form unsere besonders leichten Fälle beibehalten werden sollen. Meine Herren, ich glaube, wir dürfen für den Raub folgendes feststellen: Die Tatbestandsfassung soll den Zweifel ausschließen, daß die Gewaltanwen­ dung auch gegen eine andere Person erfolgt. Un­ mittelbare Bedrohung wird für überflüssig gehalten, sie soll nur Leib oder Leben gelten. Besonders schwere Fälle sollen hier nicht erwähnt werden. Es fragt sich nur: Soll irgendwie in Erscheinung treten, daß der Vergewaltigte stirbt? Die Voraussicht des schweren Erfolges wird immer verlangt. Ich habe den E in­ druck, der Raub mit Todessolge ist eine Figur, die man aus dem Strafrecht nicht herausreißen sollte. Aber dann müssen w ir die Todesstrafe beim Raub der Todesfolge bei der Notzucht gleichstellen; die S tra f­ drohung wäre Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder Todesstrafe. Ministerialdirektor Schäfer: E s gibt auch etwas, was man heimlichen Raub nennen könnte; z. B. wenn im Eisenbahnabteil der Räuber ein Betäubungsmittel verwendet. Reichsjustizminister D r. Gürtner: M an kann auch darüber verschiedener Meinung sein, ob der Räuber dem Verletzten offen gegenüber* tritt; er kann auch eine Maske verwenden, um gerade dadurch unerkannt zu bleiben. Meine Herren, wir hätten jetzt nur noch die E r­ pressung und den Besitz von Diebeswerkzeug. Ich möchte grundsätzlich sagen, wir dürfen uns weder aus den Standpunkt stellen, daß ein Gesetz alt ist und des­ halb unter allen Umständen geändert werden muß, noch daß ein Gesetz jung ist und deshalb nicht geändert werden kann.

Ist Zur Formulierung des Treubruchstatbestandes eine Aussprache hier noch erforderlich?

Es wäre wohl angebracht, den Besitz des Diebes­ handwerkzeuges heute noch zu erledigen. Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch: § 332a ResEntw. enthält vier Tatbestände. Die drei ersten sind Dauerdelikte, der vierte ist ein Be­ gehungsdelikt. Daß „Diebeswerkzeug" nicht definiert ist, wäre nur dann unbedenklich, wenn es sicher wäre, daß dar­ unter nur Sachen fallen, die zur Verwendung bei den betr. strafbaren Handlungen nicht nur geeignet, sondern auch bestimmt sind. Ich verweise auf die m. E. zu weitgehende Auslegung bei Schäfer, Wagner und Schafheutle, Anm. 5, wo sogar Übungswerkzeug des Taschendiebs hierher gerechnet wird. Die Beweisregel hinsichtlich des äußeren Tatbe­ standes (Abs. 1) geht zu weit. Der Richter hat das Recht freier Beweiswürdigung. Kommt er aber nicht zu der Überzeugung, daß die Sache „zur Verwendung . . . . bestimmt ist", so muß er freisprechen. Für un­ richtig halte ich es überdies, wenn Schäfer usw. (Anm. 28) das „Bestimmtsein" in Abs. 1 nicht für einen Tatumstand halten, der vom Vorsatz umfaßt sein muß. Selbst bei einem „Vorbestraften" muß vor­ ausgesetzt werden, daß er dies „Bestimmtsein" zum mindesten bewußt in Kauf genommen hat. — Zu weit gehen auch die Worte „bei strafbaren Handlungen". E s kann nicht genügen, daß die Sache etwa nur zu einer Körperverletzung oder zu einem Hausfriedens­ bruch bestimmt war. Die Vorsatzregel des Abs. 2 geht zu weit. Die Rechtsprechung zu § 259 S tG B , zeigt, wie leicht man hier zu nicht gewollten Fahrlässigkeitsstrafen kommt. Wenn feststeht, daß der Täter die Zweckbestimmung nicht gekannt hat, so ist auch dann freizusprechen, wenn er dies den Umständen nach hätte annehmen müssen: S o RG. zu § 259 in ständigem Kamps mit den Jnstanzgerichten. Mindestens mißverständlich ist m. E. die Anm. 41 Abs. 2 bei Schäfer usw. M an sollte jene bei Hehlerei als verfehlt anerkannte Vor­ satzvermutung nicht hier wieder zum Leben erwecken! Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: I m Gegensatz zu Herrn Professor Kohlrausch halte ich es nicht für empfehlenswert, eine Definition des „Diebeswerkzeugs" zu geben, weil letzten Endes auch die an sich harmlosesten Sachen dem Dieb als Werk­ zeug dienen können. Ich denke da beispielsweise an Leim, Papier und Diamant, die in ihrer vereinigten Verwendung dem Diebe das geräuschlose Heraus­ nehmen einer Fensterscheibe ermöglichen können. Was die Präsumtion in Abs. 2 anbelangt, so möchte ich diese aus den von meinem Herrn Mitberichterstatter bereits vorgetragenen Gründen gleichfalls gestrichen wissen. Reichsjustizminister Dr. G ürtner: Ich möchte eine historische Erinnerung wachrufen. Dieser Tatbestand ist in keinem Justizministerium erfunden worden. Die Polizei hat Gelegenheit ge­ nommen, zu zeigen, wie ungleich ihre Waffen im Kampf gegen das Großstadtverbrechertum sind. M an wollte der Großstadtpolizei eine schärfere Waffe geben. Vielleicht brauchen wir uns heute nicht mehr

in jenem Punkt auf den Standpunkt stellen, den dieser Paragraph eingenommen hat. W ir dürfen aber aus der anderen Seite nicht vergessen, daß eine für die Polizei praktikable Bestimmung geschaffen werden soll. über die Einzelheiten würde ich bitten, morgen zu sprechen. Weiter würden wir morgen Erpressung, Betrug und Hehlerei beraten.

Staatssekretär Dr. Freisler: N ur noch ein Vorschlag: Ich möchte diesen P aragraphen zu dem gemeinschädlichen Verhalten nehmen; e3 handelt sich doch um schädliche Leute. ..................... Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D ann darf ich die Beratung für heute schließen.

(Schluß der Sitzung 19 Uhr 45 Minuten.)

StrafrechtstommWon

Profeffor D r. Mezger: Ich würde vorschlagen, in dem Entwurf Kohl­ rausch den Abs. 5 fortzulassen, im übrigen aber die beanstandeten Sätze, wie es in dem Kohlrauschschen Vorschlag vorgesehen ist, zu streichen. Ich glaube, man kann es der Beurteilung im Einzelsall überlaffen, ob etwas „Diebeswerkzeug" ist. E s kann nicht all­ gemein festgelegt werden, ob etwas dazu geeignet oder bestimmt ist. Mein Vorschlag wäre also der, den Be­ griff des Diebeswerkzeugs gar nicht zu definieren, den Besitz von Diebeswerkzeug beim Vorbestraften schlecht­ hin zu bestrafen, beim Nichtvorbestraften nur, wenn nachgewiesen wird, daß er weiß, daß das Werkzeug zum genannten Zweck bestimmt ist.

49. Sitzung 22, September 1934 (Oberhoy Besitz von Diebeswerkzeugen (Fortsetzung) Reichsjusttzminister Dr. Gürtner .................................. 1. Professor Dr. Mezger ..................................................... 1. Professor Dr. Kohlrausch................................................. 1. Ministerialdirektor Schäfer ................................................. Senatsprasident Professor Dr. Klee .................................. Professor Dr. N a g le r............................................................. Professor Dr. D a h m .............................................................

2 2 2 1 2 2 2

Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums Reichsjustizmintster Dr. G ü rtn e r.......................... 2. 3. 4. Oberstaatsanwalt Dr. R e im er............................................. Professor Dr. Kohlrausch................................................. 3. Senatspräsident Professor Dr. Klee .................................. Staatssekretär Dr. Freister ......................................... 4. Vizepräsident Grau ............................................................. Professor Dr. D a h m .............................................................

5 3 5 3 6 5 5

Erpressung Reichsjusttzminister Dr. G ü rtn e r...................... 5. 8. 10. 11 Professor Dr. Kohlraufch ............................................. 5. 11 Oberstaatsanwalt Dr. R e im er............................................. 7 Senatspräsident Professor Dr. Klee .................................. 8 Professor Dr. Dahm ......................................................... 10 Ministerialdirektor S ch äfer........................................... 10.11 Professor Dr. Nagler ......................................................... 11 Staatssekretär Dr. Freister ............................................. 11 Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz ..................................... 11

Hehlerei Reichsjustizminister Dr. Gürtner ................................ 11.17 Professor Dr. Kohlraufch ................................................. 11 Oberstaatsanwalt Dr. Reimer ......................................... 15

Beginn der Sitzung 9 Uhr. Anwesend sind dieselben Herren wie in der 40. Sitzung, mit Ausnahme des Herrn Sächsischen Justizministers Dr. Thierack. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren, wir hätten noch die Diskussion über den Besitz von Diebeswerkzeugen zu Ende zu bringen. E s find drei Punkte, die Herrn Professor Kohl­ rausch Anlaß zur Beanstandung gegeben haben: Der Mangel der Definition des Diebeswerkzeims, die Be­ weisregel hinsichtlich des äußeren Tatbestandes im Abs. 1 und die Borsatzregel im Abs. 2.

Profeffor Dr. Kohlrausch: Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir dann, wenn wir die beiden Präsumtionen streichen, was ich will, auch die gesetzliche Definition des Diebeswerkzeugs streichen. D as Gesetz hat zwischen den Zeilen gesagt, daß Diebeswerkzeug nur das ist, was dazu bestimmt ist. Ich habe es für richtig ge­ halten, eine Definition vorzuschlagen, weil ich die bisher im Gesetz enthaltene Definition streichen will. Ministerialdirektor Schäfer: Herr Professor Kohlrausch hat schon ausgeführt, daß man durch die Streichung der von ihm vorge­ schlagenen Begriffsbestimmung für die Tragweite der beiden ersten Absätze das Gegenteil von dem erreichen würde, was er erstrebe. Ich möchte glauben, daß die subjektive Seite im § 245a gut abgewogen ist. I n § 245a wird zunächst von dem Begriff des Diebeswerkzeugs in dem weiteren Sinne ausgegangen, daß Diebeswerkzeug alles ist, was für die Verwendung bei Diebstählen geeignet ist. D as geht natürlich sehr weit. Nun bringt der Abs. 1 die Einschränkung, daß nicht das objektive Geeignetsein allein genügt, sondern daß sich aus den Umständen er­ geben muß, daß es zur Verwendung bei strafbaren Handlungen bestimmt ist, aber unter Umkehrung der Beweislast. Diese Umkehrung der Beweislast oder richtiger diese Gestaltung als negatives Tatbestands­ merkmal rechtfertigt sich dadurch, daß es sich im Abs. 1 um höchst gefährliche Personengruppen handelt. I m Abs. 2 fehlt diese Verdächtigkeit der Person; darum muß in diesem Falle als positives Tatbestandsmerk­ mal feststehen, daß der Vorsatz des Täters darauf ge­ richtet ist, dieses objektiv geeignete Diebeswerkzeug auch wirklich zum Diebstahl zu verwenden. Dabei geht der Gesetzgeber in Abs. 2 noch einen kleinen Schritt weiter, indem er in Anlehnung an die Hehlerei eine Art Doluspräsumtion aufstellt, hie nicht identisch ist mit der vollen Umkehrung der Beweis­ last. Ich glaube, daß das im ganzen richtig abgewogen ist. Ich habe nicht gehört, daß man mit dieser Rege­ lung bisher schlechte Erfahrungen gemacht hätte. Wenn man bei der Hehlerei dazu kommen sollte, die Doluspräsumtion zu streichen, dann wird man im Abs. 2 vielleicht die Doluspräsumtion streichen können. An dem Abs. 1 sollte man nichts ändern. Ich würde nicht dafür eintreten, den Begriff des Diebeswerkzeugs nach den Vorschlägen des Herrn

Professor Kohlrausch int Gesetz festzulegen, den Abs. 1 vielmehr unverändert lasten, im Abs. 2 vielleicht die Doluspräsurntion streichen. Profestor Dr. Mezger: I n Abs. 2 deckt sich der von m ir gemachte Vor­ schlag durchaus mit den Ausführungen von Herrn Ministerialdirektor Schäfer. I n Abs. 1 wollte ich den letzten Satz gestrichen haben. Es genügt vollkommen, daß das Wort „Diebeswerkzeug" im Gesetz steht. Reichsjustizrninister Dr. Gürtner: Bei Schaffung des Gesetzes ist um die Definition des Diebeswerkzeugs sehr gerungen worden. Ein Werkzeug, das zum Diebstahl überhaupt nicht geeignet ist, ist kein Diebeswerkzeug. Die Frage, was zum Diebstahl geeignet ist, läßt sich überhaupt nicht allge­ mein beantworten. Darüber, daß hier nicht auch Leute erfaßt werden, die Gegenstände nur für ihr Gewerbe gebrauchen wollen, hat uns die Polizei sehr be­ ruhigende Zusicherungen gegeben. Ich kann nur wiederholen, daß der Wunsch der Polizei dahin ging, ihr nicht die Hände zu binden. Ich möchte den hier ausgesprochenen Wunsch unterstreichen, den Begriff des Diebeswerkzeugs nicht zu definieren. Die Frage, ob man auf die Doluspräsurntion im Abs. 2 verzichten könnte, möchte ich nicht unbedingt verneinen. Hinsichtlich des Abs. 1 bin ich noch nicht ganz schlüssig. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Zweifellos ist hier eine Ausnahmebehandlung gegenüber gewissen Personengruppen geschaffen worden. Es entspricht der Realität des Lebens, daß die Beweislast hier umgekehrt wird. Ich würde auch Bedenken tragen, die Präsumtion in Abs. 2 zu be­ seitigen; denn auch dabei handelt es sich nicht um durchaus harmlose Leute; bei den in Betracht kom­ menden Personengruppen kann der Dolus aus der anzen Sachlage gefolgert werden. Mindestens müßte ier auch die Fahrlässigkeit unter S trafe gestellt werden. Ich bin also dafür, die Abs. 1 und 2 un­ verändert aufrechtzuerhalten. Eine Definition des Diebeswerkzeugs würde ich ablehnen. Professor Dr. Nagler: Grundsätzlich bin ich für Beibehaltung des § 245a S tG B . Ich habe lange gezweifelt, ob man in Abs. 2 das „annehmen muß" wirklich brauche. Ich habe mich schließlich doch davon überzeugt, daß es in der Tat an dem ist. Ost werden nur die Umstände erkennbar machen, daß das Werkzeug zu strafbaren Handlungen bestimmt ist. Es handelt sich um einen Hinweis auf den Indizienbeweis, nicht um eine Dolusvermutung. S o verstanden ist Abs. 2 unanfechtbar. Reichsjustizminister D r. Gürtner: M an könnte auch daran denken, statt „den Um­ ständen nach annehmen muß", zu sagen: „damit rechnen muß". Professor Dr. Dahm: I m Gegensatz zu Herrn Professor Mezger würde ich die Streichung der Worte „sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, daß . . . . " in § 245a Abs. 1

für bedenklich halten. Es handelt sich hier doch um verdächtige Personen, die unter ein strengeres Recht zu stellen sind. Dagegen würde ich die Doluspräsurntion in Abs. 2 fallen lassen und hier an den allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen festhalten. Eine Definition des Diebeswerkzeugs hielte ich nicht für richtig. Professor Dr. Kohlrausch: Ich bin mir der kriminalpolitischen Bedeutung und des Zwecks der Vorschrift bewußt. Ich bin mir auch bewußt, daß sie kaum angewendet werden wird, weil sich die in Frage kommenden Leute in Siche­ rungsverwahrung befinden. Aber ich gehe davon aus, daß wir trotz aller Schärfe der Waffe nicht in den Fehler verfallen dürfen, Leuten, die ehrlich werden wollen, die Möglichkeit dazu zu verlegen. Ich bin. der Meinung, daß die Polizei nicht soweit gehen darf, einen Menschen, den sie fassen will, deswegen zu fassen, weil er einen Haken hat, mit dem man Schlösser ausmachen kann. Aus diesem Grunde gehört das Bestimmtsein zum Begriff des Diebeswerkzeugs. D as will das Gesetz auch. Ich will nur verhüten, daß durch die Streichung des Schlußsatzes im Abs. 1 das Bestimmtsein unter den Tisch fällt. Deswegen möchte ich eine Begriffsbestimmung in Abs. 5 aufnehmen. Dazu kommt folgendes: Der Kommentar von Schäser-Wagner-Schasheutle zieht Folgerungen, die ich auch vom kriminalpolitischen Standpunkt aus nicht für richtig halten kann. Zum inneren Tatbestand des Abs. 1 ist Vorsatz erforderlich; es genügt auch Eventualvorsatz. Wenn ein Gewahrsamsinhaber nicht weiß, daß die Sache Diebeswerkzeug ist, d. h. zu Dieb­ stählen nicht nur geeignet, sondern auch bestimmt ist, so nimmt der erwähnte Kommentar an: aus der Beweisregel des Abs. 1 folge, daß er das auch nicht zu wissen brauche. Diese Ansicht ist unrichtig; denn die Beweisregel bezieht sich nur aus den äußeren T a t­ bestand. Diese Auslegung zeigt aber die Gefahr, daß man zur Auflösung aller Strafvoraussetzungen kommt, wenn man eine solche Verdachtsstrafe schafft. Ich ziehe aber für jetzt meine Anregungen zurück und schlage vor, sie in einer kleineren Kommission zu besprechen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin damit einverstarrden und möchte bitten, daß die UK. nicht die Grenze überschreitet, die dieses Gesetz für die Großstadtpolizei wirkungslos macht. Die Polizei muß in der Lage sein, wenn sie bei einem bekannten Einbrecher, gegen den zur Zeit kein S tra f­ verfahren läuft, Diebeswerkzeug findet, das als Grund der strafbaren Handlung gelten zu lassen. Wenn man dem Paragraphen dieses Rückgrat bricht, dann hat er für die Polizei keinen Wert mehr. Ich glaube, daß wir uns jetzt beim Diebstahl nur noch mit dem Diebstahl von geistigen Gütern zu beschäftigen brauchen. I n der Preuß. Denkschrift ist vorgeschlagen worden, dies in das Gesetz zu über­ nehmen, und zwar aus dem Gedanken heraus, daß dem Sachgut das immaterielle Gut gleichgestellt werden muß.

Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Den Vorschlag auf Seite 90 der Preuß. Denk­ schrift, in das Strafgesetzbuch eine grundlegende Be­ stimmung über den Schutz des geistigen und gewerb­ lichen Eigentums aufzunehmen, halte ich nicht für empfehlenswert. Kaum ein Gebiet des gesamten Strafrechts lehnt sich in seinem juristischen Aufbau so eng an Sonder­ bestimmungen außerstrafrechtlicher Art an wie die Strafbestimmungen zum Schutze des geistigen und gewerblichen Eigentums. S o ist beim Patentvergehen der äußere wie der innere Tatbestand in allen seinen Erscheinungsformen von Entstehung, Rechtswirksamkeit oder Umfang des Patents abhängig, so daß er juristische Gestalt erst erhält in Verbindung mit den patentrechtlichen S o n ­ derbestimmungen. Die Denkschrift will im Rahmen des Blankettatbestandes denjenigen unter Strafe stellen, der „unbefugt eine E rfin d u n g ................... in Benutzung nimmt". Diese Norm lehnt sich an § 36 Pat.Äes. an, wo es im Abs. 1 heißt: „Wer wiffentlich den Bestimmungen der §§ 4 und 5 zuwider eine Erfindung in Benutzung nimmt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft". Diese Gegenüberstellung zeigt, daß eine Bestimmung, wie sie die Denkschrift vorschlägt, unzweckmäßig wäre, weil sie ihre Anwendung und Auslegung nur in Ver­ bindung mit den §§ 4, 5 Pat.Ges. erfahren könnte. D as Tatbestandsmerkmal „unbefugt" in der Denkschrift würde sich daher nicht nach allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen und Erwägungen um­ grenzen lassen, sondern nur aus Grund der im Patent­ gesetz getroffenen Sonderregelung. D as gleiche gilt nicht nur für das Patentrecht, sondern für den gesamten von dem Vorschlage der Denkschrift umfaßten strafrechtlichen Schutz geistigen und gewerblichen Eigentums. I n allen Fällen ist die maßgebliche Strafvorschrist nur unter Bezugnahme aus andere Vorschriften der in Frage kommenden Ge­ setze zu verstehen. Gegen die Aufnahme der von der Denkschrift vor­ geschlagenen Bestimmung spricht schließlich auch noch der Umstand, daß Strafverfolgungen wegen der in diesen Spezialgesetzen geregelten Materien in der Praxis sehr selten vorkommen und ihre Regelung im allgemeinen Strafgesetzbuch daher eine unnötige Be­ lastung bedeuten würde. Berichterstatter Professor D r Kohlrausch: Ich finde den Gedanken, den die Preuß. Denk­ schrift auf S . 90 äußert, sehr schön. Der Grund­ gedanke ist, daß das geistige Eigentum mindestens denselben Schutz genießen sollte wie die Sachgüter. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß es möglich ist, es in gleicher Weise im Gesetz unter Schutz zu stellen. Die Voraussetzungen für die Unbefugtheit des Tuns sind auf den einzelnen hier in Betracht kommenden Rechtsgebieten sehr verschieden, so daß wir verweisen müßten. D as Wort „unbefugt" wäre nur ein Weg­ weiser. Wenn eine Formulierung möglich wäre, so würde ich das für eine sehr schöne Geste halten. Ob eine Einheitsstrafe möglich wäre, kann ich nicht be­ urteilen.

Ich habe auf S . 19 meiner Leitsätze die in Be­ tracht kommenden Gesetze zusammengestellt; aus S . 20 meiner Leitsätze sind die in Frage kommenden Rechts­ güter aufgezählt. Diesen verschiedenen Rechtsgütern entsprechen ganz verschiedene Strafdrohungen, ganz verschiedene Bestimmungen über Verjährung usw. D as Reichsjustizministerium hat versucht, wenigstens die zwei Urheberrechtsgesetze zu vereinigen. Nicht ein­ mal dieser Entwurf ist bisher Gesetz geworden; man ist sich insbesondere über die Frage der Werknutzung und des Plagiats nicht einig geworden. Ich finde, wir dürfen in diese Dinge nicht mit zu rauher Hand eingreifen. Ich meine also, daß wir auf diesem Ge­ biete nichts tun sollten, ohne Spezialisten gutachtlich zu hören. Auch anderwärts ist ganz vereinzelt der Versuch gemacht worden, eine Strafdrohung in das allgemeine Strafgesetz zu übernehmen. Ich habe in meinen schrift­ lichen Leitsätzen darauf hingewiesen, daß Italien in sechs Paragraphen diese Materie in einer geradezu verwirrenden Kasuistik geregelt hat. Ich glaube, das ist ein abschreckendes Beispiel. Außerdem habe ich in meinen Leitsätzen auf den deutschen Gegenentwurf hingewiesen. Die Berfaffer des Gegenentwurfs hatten für diesen Teil Kriegsmann herangezogen, desien Lieblingsgedanke diese Einarbeitung der Nebengesetze war. Herausgekommen ist nicht nur eine Halbheit, sondern etwas aus sich heraus gar nicht Verständ­ liches. Wenn wir etwas tun wollten, so könnten wir nur auf eine möglichst schöne und eindrucksvolle, aber inhaltlose Blankettvorschrift herauskommen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as Urheberrecht, Patentrecht und die damit zu­ sammenhängenden Gebiete werden z. Zt. sehr lebhaft behandelt, und zwar in dem Sinne, daß hier nicht nur starke ideologische Gegensätze miteinander ringen, sondern sich auch starke wirtschaftliche Interessen gegenüberstehen. Ich persönlich habe folgenden Eindruck bekommen: Die geringste Bedeutung des Urheberrechts liegt aus strafrechtlichem Gebiet. D as Interesse an S traf­ bestimmungen ist in allen Kreisen gleich null. Die Staatsanwaltschaften werden mit Strafverfahren wegen Verletzung des Urheberrechts nicht stark be­ helligt. Aus der anderen Seite ist der Gedanke der, daß wir nicht allein den Schutz der Sachgüter ins Auge fassen sollen. Eines ist mir klar geworden: Den italienischen Weg können w ir nicht gehen; das wäre eine Vergröberung unseres Urheberrechts. Der zweite Weg, von dem gesprochen ist, ist der, einen kapitalen Tatbestand aufzustellen; das wäre mir an sich der denkbarste Weg. Nur bezweifle ich, ob wir den Weg hier gehen können. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich halte hier einigermaßen für präjudizierlich, was wir aus dem Gebiete des Angriffs gegen das Volksgut getan haben. Es ist uns dort gelungen, einige Tatbestände, die sich zur Aufnahme in das allgemeine Strafgesetzbuch eignen, zu ersassen. Wenn man auf dem Standpunkt steht, daß das Recht aus die

geistige Schöpfung nicht unter dem Gesichtspunkt zu betrachten ist, daß hier der einzelne geschützt werden soll, sondern daß das geistige Erzeugnis in einem weiteren Sinne auch ein Volksgut ist, so kommt man dazu zu versuchen, denselben Weg auch hier zu gehen. E s hindert nichts, als Haupttatbestand herauszu­ stellen, daß die geistige Schöpfung als solche vor Ein­ griffen in das Urheberrecht geschützt wird. Ich würde auch hier nicht empfehlen, eine Blankettvorschrist auszustellen. Ich kann mir aber einen ähnlichen Tatbestand vorstellen, wie ihn die Preuß. Denkschrift vorgeschlagen hat. D as in diesem preußischen Vorschlag erwähnte Gebrauchsmuster hat allerdings weniger den Charakter einer geistigen Schöpfung. Ich würde nur die Erfindung, die litera­ rische Schöpfung, die Tonkunst und die bildenden Künste herausgreifen. M an könnte auch hier formu­ lieren: „Wer unbefugt. . . ." Damit wäre die Not­ wendigkeit eröffnet, die hier in Frage kommenden Gesetze heranzuziehen. D as Merkmal „unbefugt" kann nicht schrecken, nachdem wir diesen Weg schon einmal beschritten haben. Ein solcher Tatbestand kann jeden­ falls unter dem Gesichtspunkt, daß wir dem S traf­ gesetzbuch ein bestimmtes Antlitz geben müssen, nicht fehlen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W as die Schutzfristen anbelangt, so wäre es nahe­ liegend zu fordern, daß die Schutzfristen verkürzt werden. Wenn wir aber die 30jährige Schutzfrist schassen, die um uns liegenden Länder die 50jährige Frist haben, so würden die Werke in diese Länder abwandern. Ich meine, wenn wir zu diesem Kapitel des E r­ finder- und Urheberrechts etwas im Zusammenhang mit den materiellen Sachgütern sagen, daß dann ein Teil der Rechtsmiter, die in der Auszählung von Herrn Professor Kohlrausch enthalten sind, von vorn­ herein ausscheiden würden. M an müßte den Tatbe­ stand darauf beschränken, daß jemand die Rechte ver­ letzt, die dem Erfinder, dem Urheber usw. nach anderen Gesetzen zustehen. Andere Rechtsgüter, um die hier gekämpft wird, könnte man nicht erwähnen. Das Gebrauchs- und Geschmacksmuster gehört nicht hier­ her, denn das sind keine geistigen Schöpfungen, sondern nur Unterscheidungsmerkmale. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bin der Meinung, daß w ir uns auf dem Ge­ biete des Schutzes der Geisteswerke nicht mit der Kritik des geltenden Gesetzeszustandes zu besassen haben, auch wenn wir ihn für verfehlt halten. Es kann sich nur darum handeln, ob wir die gesetzliche Regelung, wie sie z. Zt. getroffen ist, in das S traf­ gesetzbuch übernehmen wollen. D as muß geschehen, und zwar aus denselben Gründen, die w ir an anderer Stelle schon mehrfach erörtert haben. M an wird indes alles ausscheiden, was nicht Geisteswerk ist. Ich bin deshalb der Meinung, daß unlauterer Wettbewerb und Musterschutz nicht hierhin gehören. Wir werden uns ferner überlegen müssen, ob dieser Schutz vielleicht besser zum strafbaren Eigennutz zu stellen ist. Wenn es auch nicht empfehlenswert ist, dem italie­ nischen Vorbild zu folgen, so muß man sich aber das

Vorbild des Kahlschen Gegenentwurfs ansehen. Dieser Entwurf hat in den §§ 292 und 293 drei Fälle unterschieden: 1. die Verletzung ideeller Güter, 2. die Verletzung materieller Interessen, 3. das Plagiat. Die Begriffsbestimmung des P lagiats im Gegen­ entwurf halte ich nicht für richtig. Der typische T at­ bestand des P lagiats ist doch der, daß jemand den ganzen Gedanken und In h a lt eines anderen Werks unverändert oder kaum verändert als sein eigenes Werk ausgibt, ohne zu erkennen zu geben, daß es nicht sein geistiges Eigentum ist. Diesen Begriff des Plagiats bitte ich aufzunehmen. Ich bin mir zwar darüber klar, daß man für die endgültige Form u­ lierung dieses Tatbestandes Spezialisten nötig hat; denn er muß auf die Strafbestimmungen der Einzel­ gesetze genau abgestimmt werden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß diese Spezialisten einen straf­ baren Plagiattatbestand im allgemeinen Strafrecht nicht gern sehen würden. Die Verletzung der ideellen Interessen und die Verletzung materieller Interessen würde ich ausein­ anderziehen. Auch das muß in Einzelarbeit vorbe­ reitet werden, und zwar ist ein nach diesem Gesichts­ punkt geordneter Auszug aus den Einzelgesetzen not­ wendig. Sollte indes das Auseinanderziehen der Verletzung der materiellen Interessen und der ideellen Interessen nicht möglich sein, dann könnte ich mir einen ähnlichen Tatbestand denken, wie er auf Seite 90 der Preuß. Denkschrift vorgeschlagen ist; fortzu­ lassen wäre dort aber der Schutz der Gebrauchsmuster und Modelle. Die einzige Schwierigkeit eines solchen Tatbe­ stands wäre das Strafmaß. Wenn sich herausstellen sollte, daß die Strafmaße in den einzelnen Gesetzen sehr verschieden sind, so müßte man sich auf einen weiten Strafrahm en einigen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Frage des Strafrahm ens würde keine Schwierigkeiten machen. Auszuscheiden wären bei dem vorzusehenden Schutz die Gebrauchs- und Ge­ schmacksmuster. Ich möchte noch eine Frage stellen. I n den Urhebergesetzen spielt neuerdings die Vertretung der Interessen der Vervielsältigungsindustrie eine große Rolle. Ich glaube, diese Sachen könnten nicht in diesen Bereich hineingezogen werden; es handelt sich dabei um die Wahrung wirtschaftlicher Interessen. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich würde hierhin nur die Frage rechnen, ob eine Filmgesellschaft ein Buch verfilmen darf. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir kämen also darauf hinaus, die Rechte zu schützen, die dem Erfinder, dem geistigen und künst­ lerischen Urheber aus seinem Werk zustehen. Staatssekretär Dr. Freisler: D as würde bedeuten: Wenn der Erfinder usw. das Werk von seiner Persönlichkeit getrennt hat, dann interessiert es hier nicht mehr.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as würde im Patentrecht bedeuten: Die Ver­ letzung des Lizenzrechts gehört nicht hierher.

Staatssekretär Dr. Freister: Ich vermag nicht einzusehen, warum das nicht Diebstahl ist.

Vizepräsident Grau: Ich möchte mich auch dafür aussprechen, daß die Verletzung des geistigen Eigentums in das S tra f­ gesetzbuch hineingenommen wird. Die Schwierigkeit, die zu überwinden ist, ist die Formulierung des T a t­ bestandes. Wenn man einmal vom Standpunkt des Volkes die Sache betrachtet, so wäre als Grundtat­ bestand vorzusehen: Der Täter verwertet das Patent oder das Urheberrecht in einer Weise, wie sie nur dem Patentinhaber oder dem Urheber nach dem Gesetz zu­ stehen soll. Wenn w ir den Tatbestand daraus be­ schränken, so fallen für das Strafgesetzbuch alle Neben­ sachen weg. D as ist auch der Gedanke der Preuß. Denkschrift, die allerdings die Fälle etwas kasuistisch aufzählt.

Professor Dr. Kohlrausch: D as ist deswegen kein Diebstahl, weil die Leute sich nicht zum Herrn der Sache machen.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bitte dabei zu beachten, daß zwischen dem künstlerischen und literarischen Schutz und dem Schutz des Patentrechts ein gewisser Unterschied besteht. D as Erfinderrecht erhält durch die Erteilung des Patents eine gewisse Abstempelung. Staatssekretär Dr. Freister: Ich halte es nicht für richtig, vom Schutz der Geisteswerke zu sprechen. W ir müssen vielmehr vom Schutz der schöpferischen Persönlichkeit sprechen. D aran anknüpfend ist auch die Grenze leichter zu ziehen. Der Schutz soll ferner nicht mehr eintreten, wenn das Werk ein Teil des Wirtschaftslebens geworden ist. Bei dem Aufbau des Tatbestandes müßte man dies berücksichtigen. Professor Dr. Dahm: Ich würde diese Delikte nicht im Zusammenhang mit dem Diebstahl regeln, sondern diese Vorschriften an die Freiheitsdelikte oder an die Ehrverletzung an­ schließen; denn betroffen ist ein persönliches Rechtsgut. Staatssekretär Dr. Freister: Herrn Professor Dahm ist zuzustimmen, daß wir diesen Tatbestand nicht in die Nachbarschaft des Schutzes der Sachen stellen können. Dieser Tatbe­ stand könnte eher in die Nähe des Schutzes der Arbeitskraft kommen. Abschließend ist das aber erst bei der Erörterung des Ausbaues des Besonderen Teils zu behandeln. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin auch der Meinung, daß dieser Tatbestand nicht in die Nähe des Diebstahls gehört. I n s Auge zu fassen wäre also ein Schutz: 1. der Erfindung, 2. der geistigen Schöpfung, 3. der künstlerischen Schöpfung. Aus diesem Fragengebiet bleibt nun noch der § 327 übrig. Professor D r. Kohlrausch: Ich wollte über diese Bestimmung bei der Sach­ beschädigung berichten.

Reichsjustizminister D r. Gürtner: Dann wäre noch eine Frage, von der ich nicht sicher bin, ob sie klar entschieden ist. Wo soll der Raub eingeordnet werden? Ministerialdirektor Schäfer: Nach den gestrigen Erörterungen soll der Raub mit der Erpressung in einem besonderen Abschnitt ge­ lassen werden und hinter den Diebstahl und die Unterschlagung gestellt werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wir kämen jetzt zur Erpressung. Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch: Der ResEntw. behandelt die Erpressung im § 339. Ferner ist heranzuziehen die Definition im § 9 darüber, was eine gefährliche Drohung sein soll. Nach tz 9 Nr. 7 ist unter gefährlicher Drohung zu verstehen eine Drohung mit Gewalt, mit einem Verbrechen oder Vergehen oder mit einem anderen empfindlichen Übel, wenn es gegen die guten Sitten verstößt, dieses Übel zu diesem Zweck anzudrohen oder zuzufügen. 8 9 Nr. 7 hat durch die Beschlüsse der UK. Nr. 24 keinen wesentlich anderen In h a lt bekommen. Der Begriff der Drohung ist bei der Besprechung der Nötigung etwas geändert worden. Ob dies mit der Tendenz geschehen ist, diesen Begriff allgemein anders zu fassen oder nur für die Nötigung, mag dahingestellt bleiben. Gegenüber unserer ursprüng­ lichen Fassung ist bei der Nötigung die Bedrohung mit Verbrechen und Vergehen und die Zufügung eines Übels weggefallen. Die Schwierigkeiten bei der Erpressung zeigen sich im geltenden Recht darin, daß keines der einzelnen Tatbestandsmerkmale an sich einen Unwertsakzent hat; erst ihre Beziehung aufeinander macht die T at straf­ würdig. An sich ist es unverboten, reicher zu werden, selbst auf Kosten anderer, aber nicht durch Nötigung anderer. Und an sich ist es unverboten, etwas anzu­ drohen, selbst wenn die Drohung den Bedrohten zu einem ihm selber nachteiligen Verhalten veranlaßt; aber nicht, um dadurch aus seine Kosten reicher zu werden. Diese wechselseitige Abhängigkeit der T at­ bestandsmerkmale macht den Paragraphen« zu einer Gleichung mit zwei Unbekannten. Die Aufgabe für den Gesetzgeber besteht darin: 1. entweder mindestens eines dieser Merkmale so zu bestimmen, daß es an sich mißbilligenswert erscheint; 2. oder die Beziehung dieser Einzelumstände auf< einander für das Mißbilligenswerte zu erklären. Der Fehler des § 253 liegt darin, daß er uns — abgesehen von den Fällen der Gewalt — keines dieser Hilfsmittel in die Hand gibt. Die Fälle der Gewalt

werden nach Ausscheidung der Sachabnötigung keine große Rolle mehr spielen. Wenn ich frage, ob man mit dem subjektiven Tat­ bestand abhelfen kann, so glaube ich das nicht. Es wird bei der Absicht des rechtswidrigen Vermögens­ vorteils bleiben müssen. Aber das bedeutet nur negativ die Ausscheidung der Fälle, in denen der T äter einen Bermögensvorteil erstrebte, auf den er einen Anspruch hatte. Es sind verschiedentlich Ver­ suche gemacht worden, im subjektiven Tatbestand eine Lösung zu finden. Besonders charakteristisch ist die Ausdrucksweise von Frank, der gesagt hat, daß rechts­ widrig der Vermögensvorteil nicht schon dann sei, wenn er nicht secundum ju s , sondern nur, wenn er co n tra ju s erlangt sei; Herr Professor Klee stimmt dem weitgehend zu. D as führt aber aus einen typischen Kreisschluß. Denn wenn ich frage, wann ein solcher Vorteil auf dem Zivilrechtswege zurückverlangt werden kann, so wird aus § 123 verwiesen. D amit kommt man also nicht weiter. Ich glaube nicht, daß wir mit dem subjektiven Tatbestand zu einer Lösung kommen. Der ResEntw. will den subjektiven Tatbestand etwas anders formulieren als das geltende Recht. Ich halte die Formulierung des ResEntw. für besser als die des geltenden Rechts. Denn einen rechts­ widrigen Vermögensvorteil gibt es nicht; es gibt nur einen, deffen Erlangung rechtswidrig war. Die For­ mulierung: „Absicht, sich oder einen anderen unrecht­ mäßig zu bereichern" ist bester, da sie der Recht­ sprechung den hier nötigen Spielraum läßt. Wenn ich nun zum äußeren Tatbestand komme, so handelt es sich um zwei Fragengruppen: Wann soll das Verbrechen beendet sein, und mit welchen Mitteln muß dieser Erfolg erstrebt sein? D as heutige Recht begnügt sich damit, daß der Bedrohte irgend eine Handlung vorgenommen hat; es fehlt jeder Unwertsakzent. E r sagt nicht, daß die Handlung nachteilig sein muß. D as hat erst die Judikatur hineingelesen, um dem Gesetz einen Inhalt zu geben. Das Reichsgericht hat mit Recht gesagt, daß das Wesen der Erpreffung in einem Angriff auf fremdes Vermögen bestehe. Dem Gedanken nach scheint mir das richtig zu sein. Die Fälle, in denen die Bereicherung aus dem Vermögen eines Dritten kommt, gehören nicht hierher. Frank hat folgenden F all gebildet: Ein Examenskandidat soll von dem Professor A. geprüft werden. E r sagt zu seinem Freund, Du bekommst 20 Mark, wenn es D ir gelingt, den A. von der Prüfung fernzuhalten. Hier ist der Tatbestand des § 253 scheinbar gegeben, wenn der Freund daraus eingeht. Und doch wäre es nicht richtig, hier von Erpreffung zu sprechen. E s liegt nur eine strafbare Nötigung vor. Ich glaube, daß das, was der T äter erlangen will, aus dem Vermögen des Erpreßten kommen muß. D as Auspreffen ist das Wesen der Erpreffung; und deswegen halte ich es auch weiter für richtig, daß der ResEntw. sagt: Handlung, Duldung oder Unterlassung, die für das Vermögen des Genötigten nachteilig ist. Die Schwierigkeiten beginnen bei den Nötigungs­ mitteln.

Die Gewalt bedarf keiner Erörterung. Sie wird auch nach Ausscheidung der Sacherpreffung keine große Rolle mehr spielen. Aber, wie gelegentlich vor­ geschlagen wurde, sie hier zu streichen und alle Fälle der gewaltsamen Abnötigung von Bermögensbestandteilen dem Raub zuzuzählen, wäre verfehlt. D as Wesen des Raubes ist gewaltsamer Diebstahl, also Sachentziehung. Ich komme jetzt zu dem Zentrum der Schwierig­ keiten, nämlich zu den Drohungsmitteln. Hier ist im In lan d und im Ausland und im Stadium aller strafrechtlichen Reformen unendlich viel herumgedok­ tert worden. Von zwei Seiten versuche ich gewisse Dinge auszuscheiden. Aus der einen Seite ist sicher, daß die Drohung mit einem Verbrechen oder Ver­ gehen Erpreffung darstellt. Die Frage entsteht, ob man nicht auch die Übertretung genügen lassen soll; das stelle ich anheim. Auf der anderen Seite ist sicher, daß es keine Erpressung ist, wenn die sogenannte Drohung nur ein verkehrsüblicher Faktor der aus An­ gebot und Nachfrage sich ergebenden Preisbildung ist. E s bleiben in der M itte zwei Fragen übrig: 1. -was ist hier verkehrsüblich? 2. wie steht es mit der Androhung von ehren­ kränkenden oder rufgesährdenden Mitteilungen oder Veröffentlichungen? D as ist der eigentliche kriminalsoziologische Gehalt der einen Hälfte der Erpreffung: die Chantage. Ich sehe für den Gesetzgeber drei Wege: 1. jede Drohung genügen zu laffen; 2. die Drohungen zu bestimmen; 3. eine Relation zwischen Drohung, abgenötigtem Verhalten und Bereicherungsabsicht herzustellen. Entweder spricht das Gesetz schlechthin von Drohung und vertraut aus eine vernünftige Aus­ legung. Diese vernünftige Auslegung würde dahin gehen müssen, daß etwas Verkehrsübliches nicht rechts­ widrig sein kann. Aber die Erfahrung spricht wohl dafür, daß das Gesetz deutlicher werden muß. Den Weg, nur von der Drohung zu sprechen, gingen der deutsche Vorentwurf und der Gegenentwurf; ihn gehen das italienische Strafgesetzbuch und die früheren schweizerischen Entwürfe. Der zweite Weg ist der, daß wir die Drohungen spezialisieren. Gerade weil diese Frage so unendlich oft überlegt worden ist, darf ich darlegen, was man in dieser Richtung versucht hat. Am weitesten spezia­ lisierte das Preuß. Strafgesetzbuch von 1851, das lediglich die Bedrohung mit der Verübung eines Ver­ brechens oder Vergehens genügen ließ. Hier ist inter­ essant, daß das Strafgesetzbuch den Umschwung von einem Extrem in das andere bedeutet. Es gibt andere Rechte, die die Drohung speziali­ sieren, aber immerhin doch bestimmte Grenzen ziehen. Dahin rechne ich der zeitlichen Reihenfolge nach den österreichischen Entwurf von 1912, welcher bestraft: „Bedrohung mit einem rechtswidrigen Nachteil an Körper, Freiheit oder Vermögen, mit einem Angriff auf die Ehre, einer strafgerichtlichen Anzeige oder mit der Offenbarung eines Geheimnisses, deffen Bekannt­ werden geeignet ist, die bürgerliche Stellung des Be­ drohten zu untergraben".

Insbesondere rechne ich hierher die letzten drei deutschen Entwürfe von 1919, 1925 und 1927. Die richtige Lösung scheint mir der Entwurf von 1919 zu bringen. Die Entwürfe 1925 und 1927 fangen an, auf die allgemeine Definition im § 9 zu verweisen. I m nordischen Recht ist ein interessanter Versuch gemacht worden, und zwar zunächst im norwegischen Strafgesetzbuch; diese Regelung ist dann von dem dänischen Gesetzbuch übernommen worden. Norwegen unterscheidet, und zwar auch der Strafdrohung nach: „durch rechtswidriges Verhalten oder durch Drohung mit einem solchen" (Abs. 1); Abs. 2: „dadurch, daß er mit Anklage oder Anzeige einer strafbaren Hand­ lung oder mit dem Vorbringen ehrenkränkender Be­ schuldigungen droht". Eine ähnliche Zweiteilung ent­ hält auch das dänische Strafgesetzbuch von 1930. Zu den die Drohungen einzeln auszählenden Rechten gehören auch diejenigen, die zwischen E r­ pressung und Chantage unterscheiden. Hierhin gehört insbesondere Frankreich. Dem französischen Vorbild folgt auch der schweizerische Entwurf 1918. Ich glaube, daß dieser Gedankengang nicht weiter verfolgt zu werden braucht. Die dritte Möglichkeit für den Gesetzgeber besteht darin, daß eine Relation zwischen dem Nötigungs­ mittel und dem Nötigungszweck hergestellt wird. Dieser Gedanke ist schon von Binding und von Frank ausgesprochen worden. Dieser Weg ist sodann von dem KommEntw. 1913 beschritten worden, was kein Zufall war, da Frank dieser Kommission angehörte. Der KommEntw. von 1913 formulierte im § 365: „durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder mit einem anderen rechtswidrigen Verhalten oder durch eine Drohung, die den Gewohnheiten des red­ lichen Verkehrs widerspricht". Ich finde diesen Weg im Gedanken sehr hübsch; ich glaube aber nicht, daß er gesetzgeberisch glücklich ist. Der Entwurf 1919 hat diesen Weg verlassen, weil der Begriff „redlicher Verkehr" allzu flüssig sei. Dieser Weg der Relation tritt auch deutlich hervor in der Formulierung der Beschlüße unserer UK. X X: „Drohung mit Gewalt, mit einem Verbrechen oder Vergehen oder mit einem anderen empfindlichen Übel, wenn es gegen die guten Sitten verstößt, dieses Übel zu dem verfolgten Zweck anzudrohen oder zuzufügen". Es gibt noch einen anderen Weg, der eine Rela­ tion herstellt, den ich im tschechoslowakischen Entwurf gefunden habe. Die Relation in diesem Entwurf ist aber nicht wirtschaftlich, ethisch, sondern psychologisch gedacht. I n diesem Entwurf wird formuliert: „Wenn diese Drohung mit Rücksicht auf die Umstände geeignet ist, den Bedrohten in eine Zwangslage zu versetzen". Ich glaube, daß das an sich schon zum Begriff der Drohung gehört. Ich glaube, diesen Weg nicht empfehlen zu sollen, nicht, weil er falsch ist, sondern weil damit etwas überflüssiges gesagt wird. Wenn wir uns zwischen diesen drei Wegen zu entscheiden haben — der RefEntw. wählt den dritten — so halte ich den dritten für theoretisch richtig, aber für praktisch nicht unbedenklich. F ü r die Erpreffung muß die Frage jetzt entschieden werden, einerlei, was schließlich aus der Definition im § 9 Nr. 7 wird

Ich glaube, daß der Weg, den bet RefEntw. geht, teils zu viel, teils zu wenig unter den Tatbestand der Erpreffung faßt. Zuviel insofern, als es im Wirtschaftsleben eine Zone normaler Reibungen und Druckmittel gibt, die zwar das bürgerliche Recht mit Wertsormeln, wie z. B. gute Sitten, zu regulieren versuchen kann, in die aber das Strafrecht nur mit größter Vorsicht ein­ greifen sollte. § 9 Zifs. 7 würde aber noch weiter gehen als das bürgerliche Recht. Denn da der Kreis der „gegen die guten Sitten" verstoßenden Hand­ lungen vielfach weiter sein wird als der der „rechts­ widrigen", so würde, wer einen anderen zu einer bestimmten Willenserklärung nötigt, unter Umständen wegen Erpreffung strafbar sein, ohne daß nach § 123 BG B. der andere seine Willenserklärung anfechten könnte. Die §§ 134, 138 BGB. würden den Wider­ spruch nicht ausgleichen, da sie den In h a lt eines Rechtsgeschäftes betreffen, nicht die Form seines Zustandekommens. Der Weg müßte zivilistisch sehr überlegt werden. Zu bedenken ist auch die Gefahr, daß nicht selten der Strafrichter angerufen werden würde, um ein Präjudiz für den Zivilrichter zu schaffen. F ü r noch bedenklicher halte ich unseren § 9 Nr. 7 deswegen, weil er nicht die Gewähr bietet, daß alle strafwürdigen Fälle erfaßt werden, besonders nicht die Fälle der Chantage. Wenn ein anderer moralisch bloßgestellt wird, verstößt es immer gegen die guten Sitten. Ob jeder Strafrichter so entscheiden würde, wenn ein anderer politisch bloßgestellt werden soll, überlaffe ich der Phantasie der Hörer. Ich schlage deshalb, weil w ir einmal zu viel strafen, auf der anderen Seite aber nicht die Gewähr haben, daß wir alle strafwürdigen Fälle erfaßen, vor, die Drohungs­ mittel so abzugrenzen, wie es die Entwürfe 1919, 1925 und 1927 getan haben, und wie es der Regelung der neueren Auslandsgesetze entspricht. Ich komme deshalb zu folgendem Gesetzesvorschlag: „Wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrecht­ mäßig zu bereichern, jemand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder mit einem Berbrechen oder Vergehen — Übertretungen stelle ich anheim — oder durch Drohung mit einer Strafanzeige oder mit anderen Nachteilen für Ehre oder guten Ruf zu einer Handlung, Duldung oder Unterlaffung nötigt, die für das Vermögen des Genötigten oder eines anderen nachteilig ist, wird . . .". Was die Strafdrohung betrifft, so stimme ich zu. Die Zweiteilung je nach der schon gegebenen Rechts­ widrigkeit oder nach der durch die Relation gegebenen Rechtswidrigkeit halte ich nicht für nötig. F ü r wünschenswert halte ich die ausdrückliche Erwähnung der gewerbsmäßigen Erpreffung, die ich mit Zucht­ haus von 2 bis 15 Jah ren bedrohen würde, während ich für die ungenannten schweren Fälle ein Höchstmaß von 5 Jahren Zuchthaus genügen laßen würde. Mitberichterstatter Oberstaatsanwalt D r. Reimer: Kaum eine Bestimmung des Strafgesetzbuchs bietet hinsichtlich der Formulierung eine derartige Fülle von Schwierigkeiten wie die Erpreffung. Dies zeigen die Bemühungen, die in der Literatur und der reichs­ gerichtlichen Rechtsprechung gemacht worden sind,

gerade hier eine klare Grenze zwischen dem straf­ würdigen und dem nicht strafwürdigen Verhalten aufzufinden. D aß alle diese Bemühungen einen nega­ tiven Erfolg hatten, und daß es überhaupt unmöglich ist, eine restlos befriedigende Lösung zu finden, ist in der Begründung zum Entw. von 1927 unumwunden zugegeben. Wie bei keiner anderen Bestimmung des Strafgesetzbuchs ist denn auch bisher bei der Grenz­ ziehung zwischen dem strafwürdigen und nicht straf­ würdigen Verhalten die gesunde Volksanschauung der Gradmesser dafür gewesen, ob ein bestimmtes Ver­ halten unter den Tatbestand des bisherigen § 253 zu subsumieren ist. Und so wird es auch im künftigen Strafgesetzbuch sein, ganz gleichgültig, wie nun der Tatbestand formuliert werden wird. I n der P raxis der unteren Instanzen hat jeden­ falls die Formulierung des § 253 — sowohl nach der objektiven wie nach der subjektiven Seite hin — keine besonderen Schwierigkeiten geboten. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes stimme ich mit Herrn Professor Kohlrausch dahin überein, daß hier eine wesentliche Abhilfe nicht möglich ist. Es fragt sich nur, ob man die gesetzestechnisch verfehlte Fassung der „Absicht, sich einen rechtswidrigen Ver­ mögensvorteil zu schaffen", durch „die Absicht, sich unrechtmäßig zu bereichern" umschreiben soll, wie es der ResEntw. tut, und wie es mein Herr Mitbericht­ erstatter in Vorschlag bringt. Ich möchte statt dessen die bereits im Entw. von 1919 enthaltene Fassung vorschlagen: „Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den kein Rechtsanspruch besteht", weil diese Fassung der Auslegung entspricht, die das Reichsgericht dem Begriff der Absicht der Erlangung eines rechtswidrigen Bermögensvorteils gegeben har und sich in der P raxis eingebürgert hat. Dadurch ist m. E. klar zum Ausdruck gebracht, daß der erstrebte Bermögensvorteil nur ein im Recht nicht begründeter zu sein braucht und an eine Beschränkung aus einen dem Recht zuwiderlaufenden nicht gedacht ist. W as den objektiven Tatbestand anbelangt, so hat der RefEntw. die Erpressung durch das Tatbestands­ merkmal eingeengt, daß das Verhalten des Erpressers für das Vermögen des Genötigten oder eines Dritten nachteilig sein müsse. D a das Erfordernis der Vermögensbenachteili­ gung nach der Begründung zum Entw. von 1927 identisch sein soll mit dem Tatbestandsmerkmal der Vermögensschädigung im § 263, so sehe ich nicht recht ein, weshalb man es nicht bei der Vermögensschädi­ gung belassen soll, ein Begriff, der durch die Recht­ sprechung eine scharfe Abgrenzung erfahren hat. Doch das ist letzten Endes nur eine Geschmacksache. Die Hauptschwierigkeit liegt — wie Herr P ro­ fessor Kohlrausch bereits angeführt hat — in der Drohung. Nach den Erfahrungen, die man mit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung bei der Anwendung des Erpressungsbegriffs auf dem Gebiet der wirtschaft­ lichen Kämpfe gemacht hat, stimme ich mit Herrn Professor Kohlrausch dahin überein, daß man eine „Drohung" schlechthin, wie dies im geltenden Recht der Fall ist, nicht genügend sein lassen kann, sondern daß der Begriff der Drohung eine Einengung er­ fahren muß, daß diese Einengung aber nicht nach dem

Muster des RefEntw. und dem Vorschlage der UK. XX erfolgen darf. Bei der Legaldesinition der Drohung im § 9 Ziff. 7, die mit dem äußerst flüssigen Begriff der guten Sitten operiert, besteht die Gefahr, daß der Erpreffungsbegriff auf der einen Seite zu weit und aus der anderen Seite zu eng gefaßt wird. Den Aus­ führungen meines Herrn Mitberichterstatters zu diesem Punkte kann ich mich nur anschließen. F ü r zweckmäßiger halte ich die Formulierung in dem von Herrn Professor Kohlrausch gegebenen Ge­ setzesvorschlag „Drohung mit einer Strafanzeige oder mit anderen Nachteilen für Ehre und guten Rus"^ Diese schon im Entw. von 1919 enthaltene Formu­ lierung ist die gleiche, nur kürzer wie die Fassung im Entw. 1927, die als Erpressungsmittel bezeichnet „die Drohung mit einer Strafanzeige oder mit der Offenbarung einer Tatsache, die geeignet ist, den Ruf zu gefährden, gleichviel ob das angedrohte Übel den Bedrohten selbst oder einen andern treffen soll". Auch darin stimme ich mit meinem Herrn M it­ berichterstatter überein, daß man gerade hier bei der Erpressung die A rt der Drohung in das Gesetz hinein­ schreiben und sich nicht mit der Verweisung auf eine Legaldefinition der Drohung begnügen soll. E s soll schließlich doch ein Gesetz zustande kommen, das auch dem einfachen M ann aus dem Volke verständlich ist, und der beim Studium des Erpressungsparagraphen nicht ahnen kann, daß an einer anderen Stelle des Gesetzes der Begriff der Drohung kommentiert ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, ich habe die Empfindung, daß die Problematik bei der Erpressung in der Abgrenzung der strafwürdigen Fälle liegt. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir die Nach­ barschaft zu der Streikdrohung ins Auge fassen müssen. Das ist deswegen so schwierig, weil wir über diese Frage noch bei einem anderen Kapitel (Arbeitsschutz) werden reden müssen, und weil die Grundfrage die ist, ob Streik eine strafbare Handlung sein soll. Bei der Abgrenzung der Strafwürdigkeit scheint mir das Wesentlichste das M ittel zu sein. D a die Drohung mit Gewalt kaum diskutiert werden wird, handelt es sich um die Drohungsmittel. Wenn hier unsere Definition der „Drohung" nicht paßt, hat sie ihren Lebenszweck verfehlt. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich bin der Ansicht, daß § 339 RefEntw. das Richtige trifft, und zwar in Verbindung mit dem Be­ griff der Drohung, wie wir ihn bei der Nötigung umgrenzt haben. Der Schwerpunkt dieser Definition liegt darin, daß die Drohung mit diesem empfind­ lichen Übel strafbar ist, wenn es in casu gegen die guten Sitten verstößt, dieses Übel zu dem verfolgten Zweck anzudrohen. Dadurch ist die Beziehung zwischen dem erstrebten Vermögensvorteil und dem angedrohten Übel in glücklicher Weise hergestellt. Herr Professor Kohlrausch ist im Laufe seiner Aus­ führungen, die zu Ansang gleichfalls den Relations­ gedanken betonten, zu einer Isolierung gelangt, indem er die im Verkehr üblichen Drohungen schlecht­ hin ausgeschieden hat, z. B. die Drohung mit einer

Kündigung. Wenn man aber dieses angedrohte Übel der Kündigung zu dem erstrebten Vermögensvorteil in Beziehung setzt, kann sich unter Umständen — bei Vorhandensein einer Zwangslage — herausstellen, daß es sich um eine erpresserische Drohung handelt, weil es gegen die guten Sitten verstößt, in diesem Fall mit der Kündigung zu drohen. E s droht z. B. eine Köchin zu der Zeit, zu der die Hausfrau schwer krank ist, mit Kündigung, falls ihr nicht eine unver­ hältnismäßige Lohnerhöhung bewilligt wird. E s ist unanständig, unter Ausnutzung der durch die schwere Krankheit gegebenen Zwangslage ein solches Übel anzudrohen. Ich würde also diesen Fall unter den Tatbestand der Erpressung bringen, und zwar des­ halb, weil es unter den gegebenen Umständen gegen die guten Sitten verstößt, diese Drohung auszu­ sprechen. Nach der Formel des Herrn Professor Kohlrausch wären solche Fälle straffrei. Ich darf im selben Zusammenhang auf das Urteil des Reichsgerichts im 21. Band über die Streik­ drohung hinweisen. Eine Arbeiterdeputation erklärte dem Arbeitgeber, die Arbeiter würden die Arbeit nicht wieder aufnehmen, wenn sie nicht eine Lohnerhöhung in dem gewünschten Ausmaß erreichen würden. D as Reichsgericht stellt hier bei Prüfung der Frage, ob Erpressung vorliegt, lediglich auf die Form ab, in der die Drohung vorgebracht wird. Wenn die Arbeiter das in ruhiger Form tun, üben sie nach Ansicht des Reichsgerichts keinen Druck aus, sondern machen hier einen legalen Vertragsantrag. Wenn aber in heraus­ fordernder Form gedroht wird, so handelt es sich nach Ansicht des Reichsgerichts um keine Vertragspropo­ sition, sondern um die Ausübung eines unzulässigen erpresserischen Drucks. Dieses Abstellen auf die Form bedeutet eine Verkennung der tatsächlichen Verhält­ nisse; denn gerade die gefährlichsten Erpresser pflegen sich ihren Opfern in der freundlichsten Form zu nähern, ihnen eine Offerte zu machen. S o tritt z. B. ein übler Detektiv in einem Scheidungsprozeß an den Gegner seines Auftragsgebers mit dem Angebot her­ an, diesem das gegen ihn ermittelte M aterial zu ver­ kaufen. Wenn sich das Opfer darauf einläßt, so ist damit ein gegen die guten Sitten verstoßender Ver­ trag zustande gekommen, und gleichzeitig liegt E r­ pressung vor, weil die Offerte nichts anderes ist als eine verschleierte Drohung. M an darf also nicht auf die mehr oder weniger brüske Form der Drohung abstellen, sondern muß die innere Beziehung zwischen Drohung und erstrebtem Vorteil entscheidend sein lassen. Das ist der Kern der Vertragstheorie. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß, wenn ein rechtswirk­ samer, d. h. nicht gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßender Vertrag zwischen „Drohendem" und „Bedrohtem" zustande kommt, niemals von E r­ pressung die Rede sein kann. Auch die Frage, wann eine die Anfechtung nach § 123 BG B. begründende Widerrechtlichkeit der Drohung gegeben ist, kann nur daran orientiert werden, ob das durch die Drohung herbeigeführte Rechtsgeschäft im Widerspruch mit dem Gesetz (§ 134 BGB.) oder den guten S itten (§ 138 B G B .) steht oder nicht. E s ist also kein Zirkel, wenn die Vertragstheorie aus den zivilrechtlichen Begriff der guten Sitten abstellt. Die Formulierung des RefEntw. ist, praktisch gesehen, die Anerkennung der

Vertragstheorie. Ich gebe daher dem RefEntw. vor der Spezialisierung und Isolierung der DrohungSarten in der Kohlrauschschen Formel den Vorzug. Nach den Ausführungen von Herrn Professor Kohlrausch soll nun der RefEntw. einmal zu viel und einmal zu wenig strafen. Zuviel soll er deswegen strafen, weil in Fällen wegen Erpressung gestraft werden müßte, in denen zivilrechtlich die Anfechtbar­ keit ausgeschlossen wäre. Ich habe aber kein Beispiel aus dem Munde des Herrn Professor Kohlrausch ge­ hört, in dem kein Einklang zwischen zivil- und straf­ rechtlicher Wirkung vorhanden wäre. Ich glaube also nicht, daß der Einwand durchdringt, daß in einzelnen Fällen wegen Erpressung gestraft wird, in denen zivilrechtlich nicht angefochten werden kann; das kann auch gar nicht zutreffen, weil, wie gesagt, § 123 in enger Verbindung mit § 138 BG B . steht. D er andere Einwand von Herrn Professor Kohl­ rausch greift auch nicht durch. Herr Professor Kohl­ rausch hat den F all einer Drohung mit politischer Bloßstellung angeführt. E s sei zweifelhaft, ob diese gegen die guten Sitten verstoße; dieser F all müsse aber gestraft werden. E s ist klar, daß es ein F all der Chantage ist, wie er im Buche steht, wenn jemand mit politischer Bloßstellung bedroht wird. Dieser F all wird also auch von dem RefEntw. erfaßt. Ich möchte nun noch einige Fälle anführen, die mir als Erpressungsfälle erscheinen, die aber nach dem RefEntw. nicht als solche bestraft werden könnten. Ein Prokurist ist von seinem Chef entlassen worden. E r sagt, wenn er nicht zu denselben Bedingungen wieder eingestellt wird, dann werde er Geschäfts­ geheimnisse verraten oder eine üble Manipulation des Chefs ans Licht bringen. Der Chef stellt ihn aus Furcht vor der Drohung wieder an. Nach der Be­ stimmung im § 339 wäre das mangels einer Bermögensbeschädigung keine Erpressung, mindestens deshalb nicht, weil der Prokurist jedenfalls subjektiv der Ansicht ist, daß seine Arbeitskraft soviel wert ist, wie viel der Chef ihm an Gehalt zahlt, eine Schädigungsabsicht auf seiten des Prokuristen also nicht vorliegt. E s handelt sich aber auch hier um einen Eingriff in die Freiheit der vermögensrechtlichen Selbstbestimmung, die mir das Wesen der Erpressung auszumachen scheint. Oder: Eine Angestellte steht vor der Entlassung. Sie sagt zu dem Arbeitgeber: Wenn Du mich entläßt, dann werde ich mitteilen, daß D u Waren verschoben hast. Der Chef behält die Angestellte im Dienst. D as wurde von dem Laien, der mir diesen Fall erzählt hat, als Erpressung an­ gesehen. Von der Absicht einer Vermögensbeschädi­ gung ist hier nicht die Rede. D as RG. ist erst in letzter Zeit dazu gekommen, bei der Erpressung eine Vermögensbeschädigung zu fordern; früher hat das RG. diesen Standpunkt nicht vertreten, vielmehr die Bereicherungsabsicht genügen lassen, eine Ansicht, für die jedenfalls der W ortlaut des § 253 S tG B , spricht. Die von mir erwähnten Fälle könnten nach dem RefEntw. nur als Nötigungen bestraft werden. Volks­ tümlich betrachtet sind sie aber m. E. Erpressungsfälle. Aber das ist Gefühlssache; ich möchte meine Zustimmung zum § 339 RefEntw. nicht daran

scheitern lassen, daß an dem Merkmal der Ver­ mögensbeschädigung festgehalten wird. M an könnte den Erpressungstatbestand noch nach einer anderen Richtung hin untersuchen: Soll man die Gewalt herauslassen und zum Raub nehmen? W ir haben auch schon die Abnötigung zum Raub genommen. W ir haben die Gewalt als Drohung mit unmittelbarer Gefahr umgrenzt. E s läßt sich auch Drohung mit Gewalt gegen Sachen denken. Die Fälle sind aber sehr selten. M an kann ferner auch mit Gewalt gegen eine der bedrohten Person nahe­ stehende Person drohen. Wenn das zu einer unmittel­ baren Gefahr für Leib oder Leben führt, so ist gestern schon bezweifelt worden, ob man das unter den T at­ bestand des Raubes bringen soll. Ich würde kein Bedenken tragen, das anzunehmen. Es mag aber Zugegeben werden, daß für den Erpressungstatbestand Formen der Gewalt übrig bleiben, die nicht unter den Raubbegrisf fallen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe Sie, Herr Professor Klee, dahin richtig verstanden, daß S ie die Reziprozität absolut konkret auffassen: Dieses Übel zu diesem Zweck. Erpressen heißt einen Druck ausüben, und zwar mit Erfolg etwas durch Druck erlangen. Das ist der Wortsinn. Darum meine ich, daß man das E r­ fordernis des Vermögensvorteils aus der Erpressung nicht wird hinausnehmen können. Die Grenzsälle, die Sie, Herr Professor Klee, erwähnen, würden unter die Nötigung fallen. Professor Dr. Dahm: Ich stimme grundsätzlich mit den Ausführungen des Herrn Senatsprästdenten Professor Dr. Klee überein, würde also dem RefEntw. den Vorzug geben. Gegen die Vorschläge des Herrn Professors Kohlrausch habe ich zwei Bedenken: Aus der einen Seite saßt Herr Professor Kohl­ rausch den Tatbestand der Erpressung m. E. zu weit. Auf der anderen Seite engt er den § 339 so sehr ein, daß nicht alle strafwürdigen Fälle erfaßt werden. Weniger wichtig ist das erste Bedenken. M it § 339 RefEntw. kommt man für den Fall in Schwierigkeiten, daß der Täter einen Vermögens­ vorteil erstrebt, auf den er keinen Anspruch hat. Herr Professor Kohlrausch würde z. B. Erpressung an­ nehmen, wenn der Täter durch Drohungen eine schon verjährte Forderung beizutreiben versucht. D as wäre aber nicht volkstümlich. Ich denke weiter an folgenden Fall: Jem and, der einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung hat, droht dem Schuldner mit Strafanzeige für den Fall, daß er nicht eine bestimmte Summe an irgendeine Wohlsahrtsorganisation be­ zahlt. Die hier erstrebte Bereicherung ist ungerecht­ fertigt, weil die Wohlfahrtsorganisation keinen An­ spruch hat. Dennoch kann hier von Erpressung keine Rede sein. Schwerer wiegt das zweite Bedenken, daß Fälle unbestraft bleiben, die nach der Volksanschauung Erpressung sind. Ich denke da z. B. an die An­ drohung des Boykotts. Damit braucht keine Gefähr­ dung des Rufes oder der Ehre verbunden zu sein.

Oder an Drohungen mit einer an sich zulässigen Kündigung. Ein Dienstmädchen kündigt, um einen höheren Lohn zu bekommen, in dem Augenblick, in dem die Hausfrau schwer krank darniederliegt und nicht in der Lage ist, selbst den Haushalt zu ver­ sorgen. Die Bemühungen um eine Einschränkung des Begriffes entspringen dem Bestreben, einen festen, eindeutigen Tatbestand aufzustellen. I c h glaube aber, daß dieses Bemühen gerade auf diesem Gebiet am Leben scheitern muß. Deshalb bin ich für die weichere Fassung des RefEntw. I c h bin auch mit Herrn Professor Klee der Meinung, daß kein Fall der Erpressung denkbar ist, der nicht zugleich von § 123 BGB. erfaßt würde. Auch insoweit halte ich die Bedenken von Herrn Professor Kohlrausch nicht für überzeugend. Ich möchte also dem RefEntw. folgen und halte eine Bezugnahme aus die S itten ­ widrigkeit für glücklicher als das Merkmal der Ver­ kehrswidrigkeit, weil damit das normative Moment besser hervorgehoben wird. Verfehlt ist aber nt. E. die Strafdrohung des RefEntw. Es besteht ein auffälliges Mißverhältnis zwischen den Strafdrohungen für Erpressung und Raub. Die Erpressung müßte grundsätzlich mit Zucht­ haus bestraft werden, während der Raub milder bestraft werden sollte, als im RefEntw. vorgesehen ist. Auf jeden Fall ist eine Angleichung der beiden Strafrahmen nötig. Der Regelung der gewerbsmäßigen Erpressung stimme ich zu. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, vielleicht wäre eine Abgrenzung der Aussprache möglich, wenn wir uns dahin einigten, daß das Tatbestandsmerkmal der Gewalt und der Drohung mit Gewalt hier stehen bleibt. Ich glaube, die Hauptfrage ist die Abgrenzung der strafwürdigen von den nicht strafwürdigen Fällen. Ich bin der Ansicht, daß wir keine Formel finden können, die schlechthin angewandt werden kann auf alle Fälle des Lebens. Es ist hier aber die Frage: beweglicher Maßstab oder bestimmt abgegrenzte Merkmale. Ich möchte sagen, wenn wir schon auf den beweglichen Maßstab abkommen, dann wäre mir die „gute Sitte" sympathischer als die „Ver­ kehrssitte". Ministerialdirektor Schäfer: Die Ausführungen des Herrn Professor Kohl­ rausch haben die Schwierigkeiten des Problems aus­ führlich gezeigt. Ich muß sagen, gerade nachdem ich diese Ausführungen gehört habe, möchte ich glauben, daß der RefEntw. die beste Lösung des Problems gibt. Bei der Chantage verbürgt die bisherige Fassung genügend, daß alle strafwürdigen Fälle er­ saßt werden. Der Polemik des Herrn Professor Dahnt kann ich in diesem Punkt nicht zustimmen, da die Absicht, „sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen", nicht gleichbedeutend ist mit der Ab­ sicht „sich unrechtmäßig zu bereichern". Ic h glaube, daß hier gerade ein Fortschritt in der Lösung des RefEntw. liegt.

M it Herrn Professor Dahm stimme ich überein in der Frage des Verhältnisses der Erpressung zum BGB. Meiner Ansicht nach ist es sehr fraglich, ob die Regelung des BGB. die richtige Lösung enthält. Übrigens glaube ich, daß es- wenn wir im S tra f­ gesetzbuch festlegen, wann eine Drohung eine straf­ bare Erpressung darstellt, dies auf das BGB. Rück­ wirkungen äußert. Es ist die Frage, ob unsere Lösung ideal ist. Ich bin der Meinung, daß selbstverständlich Zweifelsfälle übrig bleiben werden, da die Ansichten darüber, was sittenwidrig ist, immer geteilt sein werden. Aber im ganzen scheint mir die vom RefEntw. gewiesene Lösung die beste zu sein und den praktischen Bedürf­ nissen gerecht zu werden. Professor Dr. Nagler: Auch ich trete für die Fassung des RefEntw. ein. Die mit ihr erzielten Resultate sind durchaus be­ grüßenswert. Es bleibt wohl keine berechtigte Forde­ rung unerfüllt. Zugleich ist die Anpassungsfähigkeit des Drohungsbegriffs gewährleistet. Staatssekretär Dr. Freisler: Die Debatte kann nur als Probe aus die Richtig­ keit unserer Debatte über die Nötigung ausgefaßt werden. Ich glaube, daß heute kein Fall genannt worden ist, bei dem wir mit unserem Drohungsbegrisf nicht zum richtigen Ergebnis kommen. Es ist nur die Frage, ob dieser Fall der Nötigung als E r­ pressung besonders erwähnt werden soll. Ich bin der Meinung, daß die gefundene Lösung geradezu ideal ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, nur noch ein Wort zum S tra f­ rahmen. Herr Professor Dahm schlägt vor: An­ gleichung an den Raub; er schlägt vor, dort eine E r­ weiterung nach unten, hier Zuchthaus als Hauptstrafe. Professor Dr. Kohlrausch: Zur Frage des Strafrahm ens möchte ich nur bemerken: Sollte es nicht, wenn wir so weit gehen, daß wir Zuchthausstrafe als Primärstrafe androhen und Gefängnis als Nebenstrafe, nötig sein, dann die Fälle zu differenzieren? Dazu bestünden zwei Mög­ lichkeiten: entweder die Fälle der Chantage heraus­ zuheben, oder der Lösung des dänischen Rechts zu folgen: nämlich zu überlegen, ob das, was angedroht wird, von vornherein rechtswidrig ist, oder ob es erst durch die Androhung zu diesem Zweck rechtswidrig wird. Richtiger erscheint mir jedoch, die Frage der Entscheidung dem Richter zu überlassen und im Gesetz selbst keine Differenzierung vorzunehmen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Erpreßte erstattet in aller Regel keine An­ zeige, weil er die Unannehmlichkeiten scheut, die dar­ aus entstehen, daß im Laufe des Verfahrens gewisse Dinge zur Sprache kommen, die ihn kompromittieren. Es entspricht der Auffassung des Herrn Reichskanz­ lers, wie ich aus persönlichen Unterredungen mit ihm weiß, daß man die Anzeigelust durch gewisse Sicherungsmaßnahmen für den Erpreßten anregen sollte. Ich möchte diesem Gedanken Raum geben.

Vielleicht könnte man den Versolgungszwang hinsicht­ lich des Erpreßten modifizieren. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Wie die Erfahrung der Praxis bestätigt, trifft es zu, daß Erpressungssälle weniger durch eine Anzeige des Erpreßten als durch die anderer zur Kenntnis der Behörde kommen. Soweit ich die Praxis kenne, ist im allgemeinen immer eine schonende Behandlung des Erpreßten geübt worden. S o wird z. B. bei homosexuellen Erpressungsfällen oft gar nicht er­ örtert, welcher Art der homosexuelle Verkehr war, ob nach § 175 S tG B , oder in nicht strafbarer Form. Staatssekretär Dr. Freisler: Es ist hier die Frage, was bei der Verschiedenheit der Interessen den Ausschlag geben soll, welches Interesse verfolgt werden soll. E s stehen sich hier gegenüber auf der einen Seite das Interesse des E r­ preßten, vor einer Kompromittierung und ihren Folgen bewahrt zu bleiben, auf der anderen Seite das staatliche Interesse an der Verfolgung der E r­ pressung. Ich meine, wenn wir verlangen, daß die Erpressung bestraft wird, haben wir von vornherein entschieden: das Interesse an der Verfolgung der Erpressung ist das höhere. Ich bin jedoch der Mei­ nung, daß es sowohl Fälle geben kann, in denen die Verfolgung der S traftat das Wichtigere ist, wie aber auch Fälle, in denen einmal das Interesse des E r­ preßten wichtiger ist. Es muß eine Möglichkeit vor­ behalten werden, dem Widerstreit der Interessen im einzelnen Falle Rechnung zu tragen. D as heißt aber: Die Lösung dieser Frage muß durch die Prozeßordnung erfolgen, und zwar durch eine ent­ sprechende Regelung des Legalitätsprinzips. Ministerialdirektor Schäfer: Diese Möglichkeit ist bereits erwogen bei der Beratung des Prozeßrechts. Professor D r. Nagler: Einen gewissen Ausweg bietet hier vielleicht auch die Ausschließung der Öffentlichkeit in Erpressungs­ prozessen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, was uns hier interessiert, wäre auf die Formel zu bringen: „Abwägung zwischen den Interessen an der Strafverfolgung und den In te r­ essen des Erpreßten". Ich möchte dann diesen Punkt verlassen; wir kämen jetzt noch zu der Hehlerei. Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch: Ich muß zunächst bitten, in meinen Anträgen Nr. 102 einen Schreibfehler zu berichtigen. Auf S . 15, letzte Zeile, muß es heißen: „Wer eine Sache, die ein anderer veruntreut oder unterschlägt oder sonst durch eine strafbare Handlung erlangt hat, ankaust usw.". Meinen schriftlichen Leitsätzen habe ich unter I eine Betrachtung über das Rechtsgut und den S traf­ grund bei der Hehlerei vorangestellt; ich glaube, daß w ir hier um diese theoretische Betrachtung nicht herumkommen. Das durch den Hehler verletzte Rechtsgut ist nach heutiger Auffassung das gleiche wie das der Bortat;

Strafgrund ist die Aufrechterhaltung und Sicherung der durch eine Sachentwendung geschaffenen Ver­ mögenslage. Hinzu kommt aber die kriminalpolitische Er­ wägung, daß viele und gerade schwerste Diebstähle unterbleiben würden, wenn der Dieb nicht von vorn­ herein der Absatz- und Versteckungsmöglichkeiten sicher wäre. Namentlich gewerbsmäßiger Diebstahl ist ohne Hehler kaum denkbar. E s ist ein altes Sprichwort: „Ohne Hehler kein Stehler". Der zweiten Erwägung entstammt die Neigung, den Tatbestand über fest umschriebene Rechtsver­ letzungen hinaus auszudehnen und nicht so sehr eine bestimmte T at strafen zu wollen als einen bestimmten Berbrechertyp, die Zugehörigkeit zu einer Menschen­ klasse, die den eigentlichen Nährboden für die schweren Eigentumsverbrechen bildet. I n dieser Hinsicht ähnelt der Tatbestand der Hehlerei dem der Zuhälterei. Der Zuhälter steht zu den Unzuchtsdelikten in einem ähnlichen Verhältnis wie der Hehler zu den Eigentumsverbrechen. Es wird gelegentlich Anlaß sein, aus diesen Strafgrund zurückzugreifen. Ich weise nun zunächst aus die Neuerungen hin, die der RefEntw. gebracht hat. Es sind die folgenden: 1. Die Vortat muß sich gegen fremdes Vermögen richten. 2. Auch Unterschlagung soll eine geeignete Vor­ tat sein. 3. Der Vortäter braucht in seiner Person nicht strafbar zu sein. 4. Auch Ersatzsachen können gehehlt werden. 5. Zu den Hehlerhandlungen kommt das Absetzen. 6. E s genügt, daß der Hehler fremden Vorteils wegen handelte. 7. Die Beweisregel für Vorsatz ist aufgegeben. 8. Unter Umständen ist auch fahrlässige Hehlerei strafbar. 9. Zuchthaus ist schon bei erstmaliger Hehlerei möglich. Nun zunächst zur Vortat, Fragen 1— 3. 1. Daß die Vortat gegen fremdes Vermögen ge­ richtet sein muß, entspricht'schon der Auslegung des § 259; Erwerb durch Bettel, Schleichhandel, Gewerbsunzucht usw. genügen nicht. Es ist die Frage, wie steht es mit dem Erwerb durch Meineid und Urkundenfälschung? Nach derzeitiger Anschauung genügt ein solcher Erwerb. Nach dem RefEntw. ent­ steht jedoch Zweifel. S o scheidet z. B. Gutjahr bei Olshausen den Meineid hier aus. Da das geltende Recht meines Wissens zu übermäßiger Ausdehnung nicht geführt hat, schlage ich vor, es bei ihm zu belasten. 2. Die Worte „oder sich angeeignet hat" hat der Entw. 1927 aufgenommen, um „gegenüber einer Streitfrage des geltenden Rechts ausdrücklich klar­ zustellen, daß auch unterschlagene Sachen Gegenstand der Hehlerei sein können". Die Streitfrage besteht; aber sie wird dadurch nicht klargestellt. Denn sie ist nicht aus dem Gegensatz zwischen „erlangen" und „aneignen" entstanden, sondern daraus, daß Hehlerei eine abgeschlossene Vortat voraussetzt, an der es dann

fehlt, wenn die Unterschlagung erst durch das Ver­ kaufen oder Verschenken begangen wird. Beim An­ kauf unterschlagener Sachen ist das praktisch nicht sehr bedeutsam, denn das RG. geht in der Annahme eines vorausgehenden Zueignungsakts sehr weit und sieht ihn schon in dem Anbieten zum Kauf. Nicht ersaßt würden nur die Fälle des Schenkens. Aber daran würde die Fassung „sich angeeignet hat" nichts ändern. Überdies würde man in Widerspruch ge­ raten zu der neuen Fassung der Unterschlagung: „sich oder einem Dritten zueignet", in der gerade zum Ausdruck kommt, daß man durch Verschenken einer Sache sie nicht „sich" zueignet. Gerade diese Fassung zeigt auch, daß der Geschenknehmer typisch nicht Hehler ist, sondern M ittäter bei der Unter­ schlagung. D araus folgt: Entweder muß es bei der Fassung des § 259 bleiben, oder man müßte für Unter­ schlagung die Gegenwartsform wählen und sagen: „Die ein anderer durch eine strafbare Handlung erlangt hat oder die er veruntreut oder unterschlägt". Oder endlich die Fälle des Verschenkens müßten aus­ drücklich genannt werden, was freilich ein Abgleiten in Kasuistik bedeuten, stilistisch auch nicht leicht sein würde. Ich neige zur ersten Lösung. Die zweite ist doktrinär und die dritte kaum durchführbar. 3. Die strafbare Vortat braucht keinen strafbaren Bortäter zu haben. S o § 353 i. V. m. § 350. Diese Konstruktion von straflosen strafbaren Handlungen ist zwar für den Nichtjuristen verwunderlich, aber sie ist beim Juristen bekannt, und sie ist sachlich unter Umständen förderlich, wenn keine Zweifel bestehen, wie es gemeint ist. Aber hier bestehen Zweifel. Einen Hinweis, wie fie zu lösen seien, gibt der RefEntw. nicht, auch nicht, wo es möglich wäre, im Abschnitt: „Strafbare Handlung". Sicher ist wohl zweierlei: Einerseits, daß die B ortat tatbestandsmäßig sein muß; andererseits, daß echte „persönliche Strafausschließungsgründe" beim Vortäter — z. B. Verwandtenverhältnis beim Dieb­ stahl, sogenannte Exterritorialität — die S trafb ar­ keit des Hehlers nicht berühren. Beides ist selbst­ verständlich, schon bei § 259; § 353 muß also mehr meinen. D as Neue muß auf dem Mittelgebiet der Rechtsertigungs- und Schuldausschließungsgründe liegen. Nach der Entstehung des § 353 ist anzunehmen, daß Rechtsertigungsgründe auch dem Hehler zugute kommen, Schuldausschließungsgründe aber nicht. S o die Begründung zum Entw. 1927 unter ausdrücklicher Bezugnahme auch auf die Hehlerei: ein Rechtferti­ gungsgrund nehme der T at als ganzer die Eigen­ schaft einer strafbaren Handlung; anders das Fehlen der Zurechnungsfähigkeit, des Vorsatzes, der F ah r­ lässigkeit, ferner Rechtsirrtum und der Notstand des § 25 Abs. 2, Halbs. 2. E s ist mir nicht sicher, ob das im § 353 genügend zum Ausdruck kommt — in der Theorie ist hier alles streitig —, noch weniger, ob es hier zu richtigen Ergebnissen führt. Ich stimme zu für Zurechnungsunfähigkeit auf der einen, für echte Rechtfertigungsgründe auf der anderen Seite, z. B. Selbsthilfe, Einwilligung. Bei Vorsatz und Rechtsirrtum habe ich Zweifel. Beispiele:

A hat dem N dessen Uhr weggenommen, die er irrtümlich, sei es aus Tatirrtum , sei es aus Zivil­ rechtsirrtum, sür die seinige hielt; er verkauft oder verschenkt sie dem über die Wegnahme und über die Eigentumsverhältnisse unterrichteten H. Nach § 353 wäre H Hehler. Oder: B siegt mit einer Herausgabe­ klage, da er gutgläubig, aber objektiv unrichtig sein Eigentum beschwört. Der richtig unterrichtete H kaust darauf die Sache dem B ab. Nach § 353 wäre auch er Hehler. M. E. können beide nur wegen Unter­ schlagung bestraft werden. Zu unmöglichen, ganz ge­ fährlichen Ergebnissen führt der § 353, wenn die Vor­ tat den objektiven Tatbestand der Hehlerei erfüllt, der Vortäter aber nicht wußte, daß die Sache, die er er­ warb, gestohlen war! Zum mindesten bedarf die Frage der Nachprüfung; dann auch für § 200. Ich halte die Entwürfe 1913 und 1919 hier für richtiger, die die Akzessorietät der Hehlerei nur für Zurechnungsunfähigkeit und Taubstummheit be­ seitigten; für Jugendliche gilt jetzt § 4 JG G . Ich komme nun zur Frage 4, zum Gegenstand der Hehlerei. Daß der § 259 S tG B , angeblich nur eine Hehlerei an der strafbar erworbenen Sache selber, nicht auch am Erlös und an der Ersatzsache, kenne, wird viel mißbilligt. Aber alle Resormversuche sind bisher auf Bedenken gestoßen. Abschließend kann die Frage nur in Verbindung mit dem inneren Tatbestand beurteilt werden. Der Verlauf der bisherigen Erörterungen dieser Frage lehrt, daß es sich empfiehlt, sich vorweg über drei Fragen klarzuwerden: 1. welche scheinbar hierher gehörigen Fälle schon nach § 259 und ebenso nach Abs. 1 des § 350 ResEntw. strafbare Hehlerei darstellen; 2. über das M aß von Abhängigkeit, in der hier das Strafrecht vom Zivilrecht steht; 3. über den Strafgrund der Hehlerei. Zu 1: Hehlerei bilden schon jetzt folgende Fälle, in denen die vom Hehler an sich gebrachte Sache nur scheinbar eine Ersatzsache ist, in Wahrheit aber „durch eine strafbare Handlung erlangt war". Zweifellos ist es bei Sacherwerb durch eine straf­ bare Nachtat. Beispiel: Der D hat ein Fahrrad ge­ stohlen; er verkauft oder vertauscht es an den gut­ gläubigen N und schenkt Len Erlös oder die einge­ tauschte Sache dem bösgläubigen H. Hier ist H Hehler, denn D hatte Geld oder Sache durch straf­ baren Diebstahl erlangt. Zweifellos ist es auch, wenn die Vortat Unter­ schlagung war, soweit diese überhaupt eine Vortat darstellt. Tut sie dies nicht, so ist der Erwerber als Teilnehmer an der Unterschlagung strafbar. Zweifellos ist es auch in den Fällen der Ketten­ hehlerei, denn als strafbare Vortat kommt auch Hehlerei in Betracht. Hier fragt es sich freilich: wie steht es mit § 353, falls der Vortäter gutgläubig war?! Schwierigkeiten boten die Fälle, wo die Sache durch eine sogenannte straflose Nachtat erworben war. Aber auch sie bestehen nicht ernstlich. Haupt­ sall: Unterschlagung nach Diebstahl; die Vortat kann

aber auch Betrug, Erpressung, Meineid, die Nachtat kann auch Betrug sein. Beispiele: Der D hat einen Hundertmarkschein entwendet; er wechselt beim gut­ gläubigen N den Schein in zwei Fünfzigmarkscheine; oder: er hat eine Inhaberaktie oder ein Sparkassen­ buch entwendet, verkauft dem N die Aktie oder hebt Geld aus das Sparkassenbuch ab und gibt einen Schein aus dem Erlös bezw. dem abgehobenen Geld dem bösgläubigen H. Der H ist Hehler, denn die zweiten Handlungen des D sind tatbestandsmäßig Unterschlagungen; beim Sparkassenbuch ist allerdings streitig, ob Unterschlagung oder Betrug vorliegt; nur strafbar ist D wegen dieser zweiten Handlung nicht nochmals. D as ist auch die Ansicht des RG. in der aus­ gezeichnet begründeten Entscheidung in Bd. 67 S . 76 der Sammlung. Übrigens würde diese Entscheidung auch aus § 353 des ResEntw. folgen. Die genannten Fälle bedürfen aber keiner Sonderregelung. Eine solche wäre sogar bedenklich, da sie die Richtigkeit der Entscheidungen in Frage stellen und damit neue Zweifel heraufbeschwören würde. Zu 2: Es wird behauptet, daß der Erwerb einer Sache nicht strafbar sein könne, wenn das Zivilrecht den Besitz der so erworbenen Sache schütze, ja geradezu Eigentum an ihr entstehen lasse. Das ist die vom RG. mehrfach ausgesprochene Meinung, die Bindings und Franks und wohl überhaupt die herrschende. Ich halte sie nicht für richtig. Strafgrund und Eigentumsschutz liegen auf verschiedenen Ebenen. Der Strasgrund hört mit dem Eigentumserwerb nicht auf. I m Gegenteil: Die Strafwürdigkeit kann geradezu darin liegen, daß der Täter die formalen Eigentumserwerbsvorschristen rechtswidrig für sich ausgenutzt hat. S o ist z. B. ein typischer Fall der Unterschlagung die rechtswidrige Vermischung von fremdem mit eigenem Geld, obwohl der Unter­ schlagende Miteigentum erwirbt. Ähnliche Fälle, wenn der Besitzer einer fremden Sache unberechtigt durch Verarbeitung, Verbindung, Vermischung Eigen­ tum erwirbt. F ü r Hehlerei kann nichts anderes gelten als für Unterschlagung. Ich sehe also keine Notwendigkeit zu einer B in ­ dung an das Zivilrecht. Die Folge einer solchen Bindung wäre auch unpraktisch. Hehlerei an unter­ schlagenen Sachen müßte dann anders beurteilt werden als an gestohlenen; an Geld und Inhaberpapieren anders als an anderen Sachen. Es wäre absurd, wenn folgende Fälle strafrechtlich verschieden liegen sollten: D hat einen Teppich — eine Inhaber­ aktie — gestohlen; wie er mit H vorher ausgemacht, verkauft er sie an den gutgläubigen N, von dem sie dann H erwirbt. Falls man hier der nt. E. richtigen Ansicht sein sollte, daß H — mittelbar — von D erworben hat, könnte man trotzdem den H nur im Falle des Teppichs strafen; denn an der Aktie hat N Eigentum auf Grund seines guten Glaubens er­ worben, und H, weil er vom Eigentümer erworben hat! Wenn man bei erbetteltem Geld, bei Singvögeln, die einem Strafgesetz zuwider gefangen wurden, usw. die Möglichkeit von Hehlerei abgelehnt hat, weil der Erwerber hier unanfechtbares Eigentum erworben

habe, so war die Entscheidung richtig — da Vortat kein Vermögensdelikt — , die Begründung unrichtig. Eigentumsfragen also brauchen beim Problem „Hehlerei an Ersatzsachen" keine Bedenken zu ver­ machen. Zu 3: Gerade bei dem Erwerb von Ersatzsachen wird es sich fragen müssen, wieso hier ein Strasbedürfnis besteht. Ich kann hier auf meine Aus­ führungen über den Strasgrund Bezug nehmen. Hiernach nehme ich zum RefEntw. § 350 Abs. 2 dahin Stellung: Der juristische Strafgrund: Weiterschiebung des Diebesguts, Aufrechterhaltung und Sicherung des durch die Vortat geschaffenen Zustandes usw., fehlt hier. Die entwendete Sache ist verschoben, bevor der Empfänger des Erlöses oder einer Ersatzsache in die Erscheinung zu treten braucht, mit jener hat er nichts zu tun. Beispiel: E in Briefmarkenhändler sucht eine seltene und sehr teure Briefmarke, nach der der reiche Sammler S bei ihm gefragt hat. E r er­ mittelt, daß sie bei X zu haben ist, hat aber kein Geld. E r verkauft deshalb eine auf Abzahlung unter Eigen­ tumsvorbehalt angeschaffte Schreibmaschine, erwirbt mit dem Erlös die Briefmarke und verkauft sie mit dem üblichen Händlergewinn an S. Dieser hat zu­ fällig von der Schreibmaschinenunterschlagung gehört, sagt sich: „von dem Geld wird er wohl die Marke gekauft haben", trägt aber kein Bedenken, sie ihm abzukaufen, da er das Gefühl hat, daß ihn die Schreibmaschinensache nichts angeht. Ich habe das gleiche Gefühl und sehe hier keinen Strasgrund. Anders wohl in folgendem Fall, obwohl er „juristisch" gleich liegt: Der D stiehlt auf der Straße ein Fahrrad, verkauft es und kauft für den Erlös einen Ring, den er seiner über die Herkunft des Geldes nicht zweifelnden B raut schenkt. M. E. rührt das Gefühl, daß das Mädchen bestraft werden muß, — ein Gefühl, das sich noch verstärkt, wenn man annimmt, daß beide vorbestraft sind — , aus der kriminalpsychologischen Zusammengehörigkeit dieser beiden Personen her, die in dem Briefmarkensall völlig fehlt. Strafgrund ist dann aber nicht das „hehlerische" Weiterschieben, auch keine der „Begünstigung" ähn­ liche Handlung, sondern die bewußte und von dem Dieb in Rechnung gestellte Teilnahme an der Diebes­ beute. Die B raut gehört, kriminalpolizeilich gesehen, mit D in die gleiche Diebes- und Hehlerklasse, die grundsätzlich fremdes Eigentum mißachtet. Ich bin deshalb für eine Bestrafung der Ersatz­ hehlerei nur, wenn es gelingt, diesen Strafgrund irgendwie gesetzlich auszudrücken. Zu überlegen wären: Vorbestrastsein des Ersatzhehlers wegen eines Eigentumsdelikts oder gewerbsmäßiger Begehung der Hehlerei einschließlich der Ersatzhehlerei oder aber: Beschränkung auf die erste Ersatzsache und besondere Ausgestaltung des inneren Tatbestands — minde­ stens: Absicht unrechtmäßiger Bereicherung und Ausschluß des Eventualvorsatzes. Die Bestrafung auch bei der zweiten Ersatzsache und schon um Vorteils willen, wie sie Abs. 2 § 350 vorschlägt, geht aber m. E. zu weit. Der Arzt, der den Dieb behandelt, der Rechtsanwalt, der ihn ver­ teidigt, der Kaufmann, bei dem er oder seine Frau

ihre täglichen Einkäufe machen, und viele andere wissen oft — oder nehmen bewußt in Kauf — , daß das Geld, das sie — „ihres Vorteils wegen"! — er­ halten, mindestens teilweise aus dem Erlös von Diebesgut stammen wird. Die gestohlene Sache selbst dürfen sie natürlich nicht bewußt in Zahlung nehmen; hier greift der primäre Strasgrund durch: Weiterschiebung. Wenn man aber auch die Annahme des Erlöses verbieten will, wird man nicht umhin können, nach einem Strafgrund zu suchen. E nt­ sprechendes gilt für die mit gestohlenem oder unter­ schlagenem Geld angeschafften Sachen. Sonach schlage ich bis aus weiteres vor — indem ich nochmals darauf aufmerksam mache, daß ein Teil der oft hier erörterten Fälle schon nach Abs. 1 strafbar ist — : den Abs. 2 des § 350 zu streichen, eventuell: eine Fassung zu suchen, die es gestattet, die B e­ strafung auf einen bestimmten kriminalpsychologisch zu charakterisierenden Täterkreis zu begrenzen. Ich habe folgende eventuale Fassung vorgeschlagen: „Wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern, wissentlich den Erlös einer solchen Sache oder eine für sie angeschaffte oder eingetauschte Sache an sich bringt, wird mit Gefängnis bestraft". Ehe ich zur Frage 5, den Hehlerhandlungen über­ gehe, möchte ich einen kurzen Blick aus die Vorgeschichte und die Rechtsvergleichung werfen: Die deutschen Entw. 1909, 1913, 1919 stellen den strafbar erworbenen Sachen gleich: „ihren Erlös sowie die Sachen, die für sie angeschafft sind." Die für den Erlös angeschafften Sachen kamen erst durch die Entw. 1925 und 1927 und durch den RefEntw. hinein. Einen Grund für diese weitere Ausdehnung gibt die „Begründung" ebensowenig wie dafür, daß der Entwurf hier halt gemacht und nicht auch den Erlös an der Ersatzsache usw. einbezogen hat. I m Reichstagsausschuß wurde die Fassung des Entw. 1927 lebhaft bekämpft, und zwar von allen Seiten. Es wurde „nahezu einstimmig" eine Fassung angenommen, die nicht nur die Wendung von 1919 zu 1925 wieder rückgängig machte, sondern noch hinter die ersten Entwürfe zurückging, indem außer der strafbar erlangten Sache selber nur noch deren Erlös oder für sie eingetauschtes — also gewechseltes — Geld angesehen wurde. Der Vertreter der Reichs­ regierung — Herr Ministerialdirektor Schäfer — stimmte damals zu. Erst bei den deutschen und öster­ reichischen Konferenzen wurde nach langer Debatte die Fassung 1927 wieder hergestellt. Dabei darf nicht übersehen werden, daß bei der Ersatzhehlerei subjektiv die Absicht gefordert wurde, sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern, während bei der Normal­ hehlerei die Absichtsregelung mehrfach gewechselt hat, zeitweise auf eine besondere „Absicht" überhaupt ver­ zichtet wurde. I m Ausland finden sich ausdrückliche Strafbestim­ mungen: I m österreichischen Entw. 1912 — aber ein­ geschränkt aus den Erlös und die für gestohlenes Geld angeschaffte Sache — ; im niederländischen S tra f­ gesetzbuch 1881 Art. 416 Abs. 2, wo ganz offen und ehrlich gesagt ist: Wer vorsätzlich aus dem Ertrag einer durch Verbrechen erworbenen Sache Vorteil

zieht; ähnlich Dänemark 1930 § 284; im tschecho­ slowakischen Entw. 1925 § 329 — ähnlich beschränkt, wie im österreichischen Entwurf. Überwiegend aber fehlen Bestimmungen. Nur in Frankreich wird das Gesetz analog dahin ausgelegt. Ich komme nun zu der Frage 5, den Hehlerhand­ lungen. Hier habe ich nichts zu bemerken. Daß das „ab­ setzen" genannt wird, halte ich für richtig. Nicht nötig finde ich es zu sagen, von wem der Hehler erworben haben müsse. Der im Reichstag be­ schlossene Zusatz „von diesem oder einem Hehler" ist teils selbstverständlich, teils irreführend. Selbstver­ ständlich, da die Vortat natürlich auch eine Hehlerei sein kann. Selbstverständlich auch insofern, als es natürlich keine Hehlerei ist, wenn man eine Sache von einem andern erwirbt, der sie seinerseits nicht durch eine strafbare Handlung erlangt hat. D as ist meines Wissens schon jetzt unbestritten. Wohl aber ist es Hehlerei, wenn Dieb und nachmaliger Hehler einverständlich die Sache zunächst einem gutgläubigen E r­ werber in die Hände spielen, um dann gedeckt zu sein. I n einem solchen Falle hat der Hehler „vom" Dieb erworben — eine Auslegung, der der Zusatz „von diesem" im Wege stehen könnte. Darüber, daß es in solchem Falle einerlei ist, ob der dazwischen geschobene Gutgläubige Eigentum erwirbt, verweise ich auf meine Ausführungen zur Frage der Abhängigkeit zwischen Strafrecht und Zivilrecht. Nun zum inneren Tatbestand, Fragengruppe 6 bis 8. Grundsätzlich verlangt der Entwurf Vorsatz. Ich halte das für richtig, um so mehr, als in Abs. 1 Eventualvorsatz genügt. Bei Abs. 2 würde ich Wiffentlichkeit fordern. Daß die Beweisregel für Vorsatz aufgegeben wird, halte ich für gut. S ie paßt in das Strafrecht nicht. Zudem zeigt der Kampf des RG. mit den Instanzgerichten, daß sie oft falsch verstanden wurde. Ob ein Bedürfnis besteht, bei Handel- und Ge­ werbetreibenden Fahrlässigkeit zu bestrafen, ist mir zweifelhaft. Die entsprechenden Bestimmungen der Metallverkehrsgesetze sind ausweislich der Kriminal­ statistik nur selten angewendet worden: 1931 erfolgten 22 Anklagen, davon 20 Verurteilungen; 1932 er­ folgten 41 Anklagen, davon 29 Verurteilungen. D as sind etwa 0 ,2 % aller Hehlerverurteilungen. Die Ziffern würden wohl etwas steigen, da die Vorsatz­ vermutung fortfallen soll, mancher Fall also, in dem jetzt freigesprochen werden mußte, künftig als fahr­ lässige Hehlerei strafbar sein würde. Sollte § 352 ResEntw. bleiben, dann ist freilich nicht einzusehen, warum er nicht „fahrlässige Hehlerei" genannt wird. Die Verwandlung in eine Art Ord­ nungsdelikt ist beinahe ein Eingeständnis, daß hier ein kriminelles Strafbedürfnis nicht mehr vorliegt. Ob man eine bestimmte „Absicht" fordern soll, ist hier wichtig. S ie würde die T at psychologisch charakterisieren. Ich halte es beim Grunddelikt, also in Abs. 1, für unrichtig. D as Misten darum, daß man eine gestohlene usw. Sache verschiebt, macht den Hehler

aus. Ob er für sich oder einen anderen einen Vorteil erstrebt hat, ist m. E. belanglos. Bei § 259 sind hier auch überflüssige Streitfragen entstanden, z. B. bei der Psandnahme. Falsch wäre natürlich „Bereiche­ rungsabsicht", falls sie — was ich beantrage — beim Diebstahl gestrichen wird. Anders bei § 352 Abs. 2. Hier muß, wenn er überhaupt bleibt, mindestens die Absicht, sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern, gefordert werden. Was schließlich die Strafe — Frage 9 — anlangt, so stimme ich den Strafdrohungen des § 350 zu, so­ weit sie sich auf Abs. 1 beziehen. F ür Abs. 2 sollte Zuchthaus unter keinen Umständen in Betracht kommen, außer für Gewerbsmäßigkeit. Dem § 351 stimme ich aus den zum gewerbs­ mäßigen Diebstahl ausgeführten Gründen zu. I n der Zusammenfastung komme ich demnach zu folgenden Gesetzesvorschlägen: § 350. Wer eine Sache, die ein anderer veruntreut oder unterschlägt, oder die er durch eine strafbare Handlung erlangt hat, ankäuft, zum Pfande nimmt oder sonst an sich bringt, oder wer eine solche Sache verheimlicht, oder wer sie absetzt oder zu ihrem Absatz mitwirkt, wird mit Gefängnis, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern, wiffentlich den Erlös einer solchen Sache oder eine für sie angeschaffte oder eingetauschte Sache an sich bringt, wird mit Gefängnis bestraft. §351. Wer eine Hehlerei (§ 350 Abs. 1 oder 2) ge­ werbsmäßig . . . . (wie ResEntw.). § 352. Wie ResEntw. — falls überhaupt beizube­ halten. § 353. Der Hehler ist auch dann strafbar, wenn der, der die Sache veruntreut oder unterschlägt oder der sie durch eine strafbare Handlung erworben hat, wegen Zurechnungsunsähigkeit nicht bestraft werden kann. Dazu bemerke ich erläuternd noch einmal folgendes: I n § 350 Abs. 1 beantrage ich in erster Linie, die Worte „veruntreut oder unterschlägt oder die er" ganz fortzulasten. Weiter beantrage ich in erster Linie, § 350 Abs. 2 vollständig fortzulassen; meine Formulierung ist also als Eventualvorschlag aufzufassen. I n § 350 Abs. 1 soll die zweimalige Wiederholung des Wortes „wer" nicht nur dem Leser dieses langen Satzes eine Atempause ermöglichen, sondern auch die Dreigliederung der Hehlerhand­ lungen deutlicher machen. Mitberichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Zu meinem Bedauern kann ich mich gerade hin­ sichtlich der wesentlichsten Punkte den Ausführungen meines Herrn Mitberichterstatters nicht anschließen. Was zunächst das „Handeln des eigenen oder fremden Vorteils wegen" anbelangt, so halte ich im

Gegensatz zu der Preuß. Denkschrift, die sich insoweit an den Entw. von 1927 anlehnt, die Aufnahme dieses Tatbestandsmerkmals für erforderlich. Wenn auch die Strafbestimmung gegen die Hehlerei den Zweck ver­ folgt, die Fortsetzung der V ortat zu bestrafen, und es von diesem Gesichtspunkt aus unerheblich ist, ob die Fortsetzung der Vortat des Vorteils wegen erfolgt, so ist hier doch maßgebend die Volksanschauung, die gerade mit dem Begriff des Hehlers untrennbar das eigennützige Handeln verknüpft. Ohne besondere praktische Bedeutung ist es nt. E., ob man in dem Gesetz zum Ausdruck bringen soll, daß die Vortat sich gegen fremdes Vermögen gerichtet hat, oder aber ob man es nach dem Vorschlage meines Herrn Mitberichterstatters bei der jetzt geltenden Fassung: „mittels einer strafbaren Handlung erlangt" beläßt. Denn daß die B ortat sich gegen fremdes Ver­ mögen richten muß, war nach ständiger Rechtsprechung für die Bestrafung der Hehlerei ein notwendiges Erfordernis. Wenn Generalstaatsanwalt Dr. Gutjahr in dem Olshausenschen Kommentar darauf hingewiesen hat, daß nach dem geltenden Recht als Bortat auch Mein­ eid, Betrug und Urkundenfälschung in Frage kämen, während dies hinsichtlich des Meineids nach der Fassung des ResEntw. zweifelhaft sein könnte, so halte ich diese Bedenken nicht für begründet: Wenn Mein­ eid seiner Natur nach auch kein Delikt ist, welches sich gegen fremdes Vermögen richtet, so ist dieses doch in dem konkreten Fall gegeben, wenn durch den Meineid eine fremde Sache erlangt ist. Ich würde es daher ruhig bei dem Erfordernis, daß die Vortat sich gegen fremdes Vermögen richten muß, belassen. Dem Vorschlage des Herrn Professor Kohlrausch, die Worte „oder sich angeeignet hat" zu streichen, trete ich bei. Is t die Unterschlagung bereits vollendet, so kann sich an diese Vortat schon nach geltendem Recht Hehlerei anschließen (RG. 55, 146). Wird die Unter­ schlagung aber erst im Augenblicke der Weitergabe an den Dritten vollendet (beispielsweise beim Ver­ schenken), so fehlt es an einer abgeschloffenen Vortat und ist daher für eine Hehlerei kein Raum, und es bleibt bei der Beihilfe zur Haupttat. W as die im § 350 Abs. 2 geregelte Surrogat­ hehlerei anbetrifft, so halte ich ein praktisches Be­ dürfnis für deren Bestrafung unbedingt für vor­ liegend. E s ist allerdings zuzugeben, daß in den Fällen des § 350 Abs. 2 dem Strafrechtsschutz viel­ fach kein zivilrechtlich geschütztes Rechtsgut mehr ent­ spricht. Denn wenn der Dieb das gestohlene Fahrrad veräußert, so hat der Bestohlene gegen den Dieb nur einen Bereicherungsanspruch auf den Erlös. Schafft der Dieb sich für den Erlös einen Ring an, so wird dieses zweite Surrogat nicht mehr von dem Bereiche­ rungsanspruch umfaßt. Erst recht nicht, wenn das zweite Surrogat in die Hände des Hehlers gelangt ist. Diese zivilrechtlichen Folgen müssen jedoch für das Strafrecht ohne Bedeutung sein. Strafgrund bei der Surrogathehlerei ist die bewußte Teilnahme an den Vorteilen der Vortat. Wenn Herr Professor Kohlrausch die Ausfaffung vertritt, man müßte den Strafgrund im Gesetz aus­

drücken und als Beispiel Vorbestraftsein des Ersatz­ hehlers wegen Eigentumsvergehens anführt, so möchte ich ihm demgegenüber das in seinen Leitsätzen er­ wähnte Beispiel entgegenhalten: Der Dieb stiehlt auf der S traße ein Fahrrad und kauft für dessen Erlös seiner B raut, die die Zusammenhänge kennt, einen Ring. Die Strafbarkeit der B raut ist hier un­ bedingt zu fordern, ganz gleichgültig, ob sie vorbestraft ist oder nicht. Auch die von Herrn Professor Kohlrausch befür­ wortete Einschränkung des inneren Tatbestandes durch das Erfordernis „der Absicht, sich unrechtmäßig zu bereichern", kann ich nicht empfehlen. Als Beispiel der Anwaltsfall: M it dem Erlös des gestohlenen Autos honoriert der Dieb den Anwalt, der die Zu­ sammenhänge kennt, für die Verteidigung in einer Meineidssache. Der Anwalt weiß genau, daß der Dieb ohne den Autodiebstahl ihm sein — an sich an­ gemessenes Honorar — nicht hätte bezahlen können. Er nimmt hier bewußt teil an den Vorteilen der Vortat. Hier nur eine Bestrafung des Anwalts ein­ treten zu lassen, wenn er ein übermäßiges Honorar beansprucht hat, also gehandelt hat, „um sich unrecht­ mäßig zu bereichern", entspricht m. E. nicht dem Volksempfinden, das hier gerade die unanständige Gesinnung treffen will. Wie würde heute beispielsweise ein Arzt oder An­ walt von seinem Standesgericht beurteilt werden, der für die Beratung des Diebes nur das normale Honorar berechnet und genau weiß, daß das Honorar von dem Erlös der Diebesbeute herrührt? Vor dem Ehrengericht würde ich als Staatsanw alt gegen einen solchen Anwalt jedenfalls die Ausschließung aus seinem Stande beantragen. Bon Herrn Ministerialdirektor Schäfer ist nun bei den Beratungen des 21. Reichstagsausschusses an­ geregt worden, daß jeder gutgläubige Erwerber die Hehlerkette unterbrechen sollte. D as würde zur Folge haben, daß nur der Erwerb aus der Hand des Bortäters oder des Hehlers unter S trafe gestellt wird. M. E. braucht das im Gesetz nicht ausdrücklich hervor­ gehoben zu werden, und zwar aus folgenden Gründen: Da der T äter oder Hehler einen möglichst hohen P reis herausschlagen will, so wird schon der gutgläubige Erwerber einen P reis zahlen müssen, der dem un­ gefähren Werte der Sache entspricht. Wenn nun in der Person eines Dritten, dem die Herkunft der Sache bekannt war, jemand an den gutgläubigen Erwerber herantritt und ihm die gestohlene Sache abkaust, so wird er dafür einen P reis zahlen müssen, der mindestens so hoch oder noch höher ist als der P reis, den der gutgläubige Erwerber gezahlt hat. D ann aber entfällt der Strafgrund für die Surrogathehlerei, nämlich daß er an den Vorteilen der Haupttat teil­ nimmt. Nach alledem stimme ich für die Beibehaltung der Fassung des ResEntw. Wenn damit im Gegensatz zu dem Entw. von 1927 Abs. 1 und 2 des § 350 das gleiche Tatbestands­ merkmal „des eigenen oder fremden Vorteils wegen" enthalten, so kann Abs. 2 in der von mir in meinen Leitsätzen vorgeschlagenen Fassung vereinfacht werden.

Hinsichtlich der Aufnahme einer Sonderbestimmung über die Bestrafung der gewerbsmäßigen Hehlerei ist dies bereits beim Diebstahl entschieden. § 351 des ResEntw. ist danach beizubehalten. Gegen § 352 habe ich, abgesehen von der Über­ schrift, keine Einwendungen zu erheben. Aus welchen Gründen der ResEntw. im Gegensatz zu dem Entw. von 1927 mit dem unvorstellbaren Begriff der „ver­ dächtigen Sache" operiert, ist nicht recht verständlich. Man kann es nt. E. ruhig bei dem Begriff der „fahr­ lässigen Hehlerei" belassen. Die im Reichstagsausschuß gegen die Einführung der Strafbestimmung des § 352 erhobenen Bedenken, daß hierdurch der Bogen zu weit gespannt würde, kann ich nicht teilen. Gegen eine Überspannung der Sorgfaltspflicht ist im § 19 des Entw. von 1934 ein genügender Riegel vorgeschoben.

Was schließlich die von meinem Herrn Mitbericht­ erstatter beanstandete gänzliche Aufhebung der Akzes­ sorietät der Hehlerei von der B ortat im § 353 an­ betrifft, so kann ich diese Bedenken nicht teilen. Ich verweise in dieser Hinsicht auf §§ 28 Abs. 3, 195 Abs. 4, 196 Abs. 2 des KommEntw., die Täterschaft und Mitwirkung, unterlassene Berbrechensanzeige und Begünstigung behandeln, und bei denen die Kom­ mission sich überall auf den Standpunkt gestellt hat, das Erfordernis der Akzessorietät von Nachtat zu Vortat fallen zu lassen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, in die Debatte werden w ir morgen eintreten. (Schluß der Sitzung 13 Uhr 35 Minuten.)

StrafrechtskommWon

50. Sitzung 24. September 1934 (Obrrhof) Inhalt Hehlerei (F ortsetzung) Reichsjustizmtnister Dr. Gürtner 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13 Senatsprästdent Professor Dr. Klee ... 1. 2. 3. 7. 9. 11. 12 Professor Dr. Kohlrausch ............ 1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 11 Professor Dr. Nagler ......................................... 1. 4. 7. 9. 11 Staatssekretär Dr. Freister 2. 3. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13 Professor Dr. Dahm ............................................. 2. 4. 6. 7. 8 Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi 2. 5. 6. 7. 8. 10. 11 Professor Dr. Graf Gleispach ................ 3. 4. 5. 6. 7. 9. 12 Ministerialdirektor Schäfer ....... 3. 4. 5. 6. 7. 8. 10. 11. 12 Professor Dr. Mezger ............................................. 3. 5. 6. 12 Oberstaatsanwalt Dr. R e im e r .................................................. 4 Vizepräsident Grau ...................................................... 4. 6. 12 Geheimer Regierungsrat Ministerialrat Dr. Schäfer 6. 11 Ministerialdirektor Dr. Dürr ............................................. 6. 8 Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz ................................ 11. 12

Sachbeschädigung Reichsjustizminister Dr. G ürtn er............................ 13. 14. 15 Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausch.................... 13. 14 Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer .................. 13 Professor Dr. Graf Gleispach ................................................ 14 Staatssekretär Dr. Freister .................................................... 15 Oberregierungsrat Dr. von D o h n a n y i................................... 15

Betrug Reichsjustizminister Dr. Gürtner

15. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24 Berichterstatter Professor Dr.Dahm 15. 17. 18. 19. 21. 23. 24 Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer 16. 19. 20. 21. 22. 23 Senatspräsident Professor Dr. Klee ............ 17. 18. 19. 21 Ministerialdirektor Schäfer .................... 17. 19. 20. 21. 23 Professor Dr. Graf G leispach......................................... 17. 23 Professor Dr. Mezger ............................................. 18. 19. 23 Professor Dr. Kohlrausch................................................. 18. 24 Professor Dr. Nagler ...................................................... 18. 23 Staatssekretär Dr. Freister ............................ 19. 21. 23. 24 Geheimer Regierungsrat Ministerialrat Dr. Schäfer 21. 23 Dtzepräsident G r a u ................................................................... 23

Anwesend sind die gleichen Herren wie in der 40. Sitzung mit Ausnahme des Herrn Sächsischen Justizministers Dr. Thierack. Der Herr Reichsjustizminister eröffnet die Sitzung um 9.15 Uhr.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wir werden uns bei der Hehlerei zu unterhalten haben über die Vortat und den Vor­ täter, über den Gegenstand der Hehlerei, wobei auch an Ersatzhehlerei zu denken sein wird, und über den inneren Tatbestand, insbesondere die Schuldformen. Vielleicht wäre es zweckmäßig, wenn wir uns zunächst aus die Strafbarkeit des Vortäters beschränken. Herr Professor Kohlrausch nimmt als Vortat n u r eine solche an, die Vermögensdelikt ist, ebenfalls der Herr Kor­ referent. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte mich auch für eine möglichst weite Aus­ dehnung des Kreises der als Vortaten für die Hehlerei tauglichen Straftaten aussprechen. Schon jetzt ist an­ erkannt, daß man auch durch Meineid die Vortat be­ gehen kann. Ich möchte also jedenfalls nicht darauf abstellen, daß die Vortat ein Vermögensdelikt ist. Mindestens kommen als Vordelikte der Hehlerei die­ jenigen Delikte in Frage, die unmittelbar oder mittel­ bar in das Vermögen eingegriffen haben. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es stehen sich zwei Meinungen gegenüber; letzten Endes ist es eine Entscheidungsfrage. Gibt es auch eine Hehlerei an der erbettelten Sache? Senatsprästdent Professor Dr. Klee: D as möchte ich annehmen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: überall kommen wir mit der zivilrechtlichen Ent­ scheidung bei der Hehlerei durch; das gilt insbesondere von der Ersatzhehlerei und bei Geld und vertretbaren Sachen. Professor Dr. Kohlrausch: Ich bin der Ansicht, daß wir doch schon hier auf die Frage der Maßgeblichkeit des Zivilrechts eingehen müssen. Ich erinnere daran, daß z. B. das Reichs­ gericht beim Ansichbringen des Bettlerlohnes deshalb keine Hehlerei annimmt, weil der Bettler unanfecht­ bares Eigentum erwerbe. D as Ergebnis mag richtig sein; über die Begründung wird sich streiten lassen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Soll die Vortat Diebstahl, Untreue, Unterschla­ gung, Betrug, Erpressung sein, und was in diesem Umkreis liegt, oder soll es jede S traftat sein? Professor Dr. Nagler: Entscheidend ist doch nt. E. der Gesichtspunkt, daß durch die Vortat ein rechtswidriger Vermögenszustand herbeigeführt worden sein muß. Ich würde keines­ wegs so weit gehen, daß auch der Huren- und Bettler­ lohn tauglicher Gegenstand der Hehlerei sein könne. Hier erwirbt ja die Dirne oder der Bettler von vorn­ herein unanfechtbares Eigentum: eine rechtswidrige Vermögensverschiebung fehlt, damit aber auch ein rechtswidriger Vermögenszustand. Welches Rechtsgut würde angegriffen? Anders scheint mir die Sachlage bei Meineid und Urkundenfälschung zu sein, weil diese Delikte regelmäßig auch mit einem Angriff auf das

Vermögen verbunden sind. Wenn aber die Gefahr einer Ausdehnung aus alle möglichen Delikte, ins­ besondere bloße Ordnungswidrigkeiten, besteht, so möchte ich im Gesetz ausdrücklich hervorgehoben wissen, daß taugliche Vortat nur ein Vermögensdelikt sein kann.

nimmt in Kenntnis dieser Sachlage den Erlös aus dem Verkauf des Ringes an. E r muß m. E. unter allen Umständen als Hehler bestraft werden können. Es bestehen nt. E. auch gar keine Bedenken gegen die Bestrafung, obwohl die Angehörigen selbst durch den Notstand gerechtfertigt waren.

Staatssekretär Dr. Freister: Ich bin zunächst der Meinung, daß für die Ab­ grenzung der tauglichen Vortaten zivilrechtliche Be­ griffe keinen geeigneten Maßstab abgeben. D as liegt daran, daß das BGB. die Täuschung des Vertrauens noch belohnt. Den Grund dieser eigenartigen Rege­ lung brauchen wir hier nicht zu erörtern. Aber diese Tatsache führt jedenfalls dazu, daß wir das Zivilrecht nicht für die Abgrenzung heranziehen können. Wir müssen vielmehr davon ausgehen, welche Vorstellungen das Volk über die Hehlerei hat. D as Volk sieht als taugliche Vortat nur ein Vermögensdelikt an und ist ferner der Auffassung, daß Gegenstand der Hehlerei nur eine Sache sein kann. Ich halte es nicht für praktisch, daß man Urkundenfälschung und Meineid gleichsam unter dem Gesichtspunkt eines mittel­ baren Vermögensdelikts zu tauglichen Vortaten er­ klären will. Herr Professor Nagler hat ja auch darauf hingewiesen, daß mit diesen Delikten eben regelmäßig echte Vermögensdelikte verbunden sind. E s besteht also kein Bedürfnis, Meineid und Urkundenfälschung unter die tauglichen Vortaten aufzunehmen. Auch das Betteln ist kein Vermögensdelikt. Ich komme also zu dem Ergebnis, daß als taugliche Vortaten in Betracht kommen: Diebstahl, Raub, Treubruch, Erpressung, Betrug, Unterschlagung und Hehlerei selbst. E s erhebt sich nunmehr die Frage, ob man im Tatbestand all­ gemein von Vermögensdelikt sprechen soll. Ich würde das tun, jedenfalls aber als Beispiel den Diebstahl nennen, weil die Volksanschauung gerade an dieses Delikt anknüpft.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Qualifikation der Vortat ist bis jetzt in der Form vorgeschlagen worden, daß man Diebstahl, Untreue und Unterschlagung nennen und im übrigen aus Vermögensdelikt abstellen soll. Die Fassung Kohl­ rausch käme darauf hinaus: „Wer eine Sache an sich bringt usw., die ein anderer gestohlen, veruntreut, unterschlagen oder sonst durch eine strafbare Handlung erlangt hat, die fremdes Vermögen verletzt . . . .".

E s ist sodann von den Herren Berichterstattern die Frage erörtert worden, ob Hehlerei auch dann noch anzunehmen ist, wenn zwar der objektive T at­ bestand der Vortat erfüllt ist, es aber an der Schuld des Vortäters fehlt. Ich habe zunächst nicht recht begriffen, warum die Unterscheidung zwischen Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen keinen geeigneten Maßstab abgeben soll. Ich meine, daß alle Schuldausschließungsgründe den Gesichtspunkt der Hehlerei nicht beseitigen, dagegen alle Rechtfertigungs­ gründe. I n letzterer Hinsicht möchte ich jedoch eine Ausnahme machen. W ir haben bei der Beratung des Allgemeinen Teils den Notstand teils als Rechtferti­ gungsgrund, teils als Schuldausschließungsgrund gestaltet. Ich bin aber der Ansicht, daß der Notstand des Vortäters grundsätzlich Hehlerei nicht ausschließt, also auch dann nicht, wenn der Vortäter durch Not­ stand gerechtfertigt war. Ich denke dabei an folgenden F all: Ein Heilkundiger wird zu einem Schwerkranken gerufen und erklärt, daß ein sofortiger Eingriff not­ wendig sei. Die Angehörigen des Schwerkranken er­ klären, daß sie die ärztliche Behandlung des Schwer­ kranken nicht bezahlen können. Der Heilkundige aber erklärt, er könne erst nach Bezahlung tätig werden. Die Angehörigen sehen sich daher gezwungen, einen Ring zu veräußern, der ihnen nicht gehört. Der Heilkundige

Professor Dr. Dahm: Ich würde die Frage der Akzessorietät hier ebenso regeln wie bei der Mitwirkung. Dann haben wir eine glatte und befriedigende Lösung. Die Vortat muß selbstverständlich ein Vermögensdelikt sein. Daß der Bettlerlohn Gegenstand der Hehlerei sein könnte, scheint mir ganz unmöglich. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Dann entscheiden Sie beim Notstand doch nicht wie Herr Staatssekretär Dr. Freister? Professor Dr. Dahm: I n diesem Falle würde ich wie der Herr S ta a ts­ sekretär entscheiden. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Der Wucher würde wohl auch als V ortat darunter fallen; die Zuhälterei würde nicht darunter fallen. Soll es aber nicht auch strafwürdig fein, wenn jemand von dem Unzuchtserwerb der Dirne mitlebt, ohne sie kraft eines persönlichen Verhältnisses auszu­ beuten? Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich fürchte, das entfernt sich sehr weit von der Grundaussassung der Hehlerei; dieser Fall könnte unter gewissen Vorbehalten in den Zuhälter­ paragraphen kommen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich vermag nicht einzusehen, warum nicht auch der Zuhälter tauglicher Vortäter des Hehlers sein soll. Ich nehme den F all an, daß derjenige, an den der Zuhälter den Hurenlohn weitergibt, weiß, woher das Geld stammt, wenn er auch selbst mit der Dirne nichts zu tun hat. Hier besteht ein Bedürfnis nach Bestra­ fung, denn der Nachtäter zieht Früchte aus einer strafbaren Handlung. Dasselbe trifft aus denjenigen zu , welcher von einem Beamten, der sich von einem Dritten hat bestechen lassen, die Bestechungsgelder seines Vorteils wegen bezieht. Ich erinnere mich aus früherer Zeit eines Verteidigers in Moabit, der Spezialist für die Zuhälterei und Kuppelei war und seine Honorare in der Hauptsache von Leuten, die sich in dieser Weise strafbar gemacht hatten, bezog. S oll ein derartiger Zustand vom Strafrecht geduldet werden?

Staatssekretär Dr. Freister: D as ist keine Hehlerei. M an muß sich überlegen, ob man einen besonderen Tatbestand bei der Zu­ hälterei und der Bestechung schafft. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Schwieriger scheint mir die andere Frage zu sein; bei der Mitwirkung haben wir im § 28 gesagt: „Die Strafbarkeit jedes Mitwirkenden ist unabhängig von der Strafbarkeit der anderen Mitwirkenden". Können wir diese Formel hier brauchen? Professor Dr. Kohlrausch: Ich glaube das deshalb nicht, weil der Mitwirkende eine Bedingung setzt, der Hehler aber nicht. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ich glaube auch nicht, daß wir die bei der M it­ wirkung geschaffene Regelung schlechthin übernehmen können.

Vortäter schließen die Hehlerei aus; das ist auch das Richtige. Z. B .: Ich habe versehentlich eine fremde Uhr eingesteckt und verkaufe sie gutgläubig an den X., der von dem Versehen weiß. Kann X. wegen Hehlerei bestraft werden? Ich glaube nicht. Es ist nur die Frage, ob die Praxis bei der Fassung Kohlrausch auf den Gedanken kommen könnte, auch das Fehlen des Vorsatzes sei ein persönlicher Schuldausschließungs­ grund, was nt. E. falsch wäre. Ich möchte danach doch an der allgemeinen Fassung des § 353 RefEntw. festhalten. Was die Fälle betrifft, in denen der B or­ täter im Notstand gehandelt hat, so würde die allge­ meine Fassung des § 353 dahin führen, daß der Hehler straflos wäre, soweit der Notstand des Vor­ täters Rechtsertigungsgrund war, im übrigen bestraft würde. Ich könnte mich damit abfinden, den Hehler in allen Fällen des Notstandes des Vortäters zu bestrafen, und den kleinen Schönheitsfehler in Kauf nehmen, weil diese Fälle nicht sehr praktisch sind.

Professor Dr. Graf Gleispach: Es spricht doch sehr viel dafür, die Abgrenzung in beiden Fällen gleichmäßig zu ziehen. Es scheint mir durchaus dasselbe Problem zu sein.

Professor Dr. Mezger: Ich würde versuchen, die Frage radikal und einfach zu lösen. Wenn die Vortat entschuldigt ist, liegt Hehlerei vor; wenn die Vortat gerechtfertigt ist, nicht. Ich würde daher auch in dem Fall, in welchem dem Täter der Vorsatz fehlt, Hehlerei annehmen. Damit würde sich die Lösung vollkommen decken mit der Regelung in § 28 Abs. 3 der Beschlüsse erster Lesung. Diese Bestimmung ergibt, daß eine Mitwirkung un­ möglich ist, wenn einem der Mitwirkenden ein Recht­ sertigungsgrund zur Seite steht.

Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meinen S ie das so, Herr Graf, daß Hehlerei aus­ geschlossen sein soll, wenn die Vortat gerechtfertigt ist, dagegen vorliegt, wenn sie nur entschuldigt ist?

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Unterschied ist der: Den M ann, der die Uhr erwirbt, die der andere versehentlich genommen hat, würden S ie bestrafen.

Professor Dr. Kohlrausch: Ich bin der Meinung, daß es sich hier um krimi­ nalpolitisch zwei verschiedene Gedanken handelt. Es ist etwas anderes, ob jemand bei einer strafbaren Handlung mitwirkt, oder ob er den durch sie geschaffenen rechtswidrigen Zustand ausnutzt.

Professor Dr. Graf Gleispach: Jawohl. Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte glauben, daß die Fassung Kohlrausch „Der Täter ist auch dann strafbar, wenn der, der die Sache stiehlt usw., wegen Zurechnungsunfähigkeit nicht bestraft werden kann", nicht unbedenklich ist. W ir sind uns doch wohl darüber einig, daß die Vortat objektiv und subjektiv (Vorsatz, bzw. Fahrlässigkeit) den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllen muß, daß also Hehlerei nicht vorliegt, wenn ein (objektives oder subjektives) Tatbestandsmerkmal fehlt oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, abge­ sehen von dem Notstand, der ein Spezialfall ist. Weiter sind wir uns darüber einig, — und das kommt in der Fassung Kohlrausch nicht zum Aus­ druck —, daß persönliche Schuldausschließungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe die dem Vortäter zur Seite stehen, die Strafbarkeit des Hehlers unberührt lassen. Die Heraushebung des einen Schuldausschließungsgrundes „Zurechnungsun­ fähigkeit" verleitet zu dem Mißverständnis, daß andere Schuldausschließungsgründe, die dem B or­ täter zur Seite stehen, auf die Strafbarkeit des Hehlers von Einfluß sind. Herr Professor Kohlrausch will anscheinend sagen, das Fehlen des Vorsatzes oder das Vorliegen eines Rechtsertigungsgrundes beim

Professor Dr. Kohlrausch: Wir sind im Grunde darüber einig, daß die gerechtfertigte Vortat Hehlerei ausschließen soll, die entschuldigte nicht. Nun soll, darüber hinaus, Hehlerei auch bei einigen persönlichen Schuldausschließungs­ gründen des Vortäters ausgeschlossen sein; auch dann soll nur Unterschlagung angenommen werden. Ich sehe aber im Irrtu m keinen persönlichen Strafaus­ schließungsgrund, sondern eine Verneinung des Vor­ satzes. Deshalb muß irgendwie gesagt werden, welche beim Vortäter vorliegenden Schuldausschlie­ ßungsgründe die Strafbarkeit des Hehlers unberührt lassen, und welche nicht. Zweifellos ist ersteres bei der Zurechnungsunfähigkeit des V ortäters; diese habe ich deshalb in meinem Formulierungsvorschlag aus­ drücklich genannt. Wollten wir auch einen den Vorsatz und damit die Schuld des Vortäters ausschließenden Irrtu m oder die schuldausschließende Notlage des­ selben hierher ziehen, so müßten wir es zum Ausdruck bringen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich bin der Meinung, daß unmöglich Hehlerei angenommen werden kann, wenn der Vortäter die Sache, die er sich angeeignet hat, selbst nicht als fremde erkannt hat. Denn hier fehlt es an dem für den Begriff der Hehlerei m. E. notwendigen einver­ ständlichen Zusammenhandeln zwischen Vor- und

Nachtäter. Den F all des Notstandes, den Herr Staatssekretär Dr. Freister angeführt hat, halte ich nicht für praktisch. Denn meistens befindet sich der Annehmende selbst im Notstand. Ich würde es auch für kein Unglück halten, wenn der Heilkundige frei ausginge. Dagegen soll Hehlerei angenommen werden, wenn der Vortäter unzurechnungsfähig ist oder wenn ihm ein persönlicher Strafausschließungs­ grund zur Seite steht. Diese beiden Fälle würde ich im Gesetz ausdrücklich nennen, alle anderen uner­ wähnt lassen. Professor D r. Kohlrausch: Die Begründung zum Entw. von 1927 auf Seite 13 halte ich theoretisch für absolut richtig. Sie entspricht auch durchaus den Anschauungen der Wissen­ schaft. S ie führt aber zu anderen Resultaten, als Herr Ministerialdirektor Schäfer will, und als wir alle wollen. S ie unterscheidet zwischen Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen und rechnet zu den letzteren fehlende Zurechnungsfähigkeit, Mangel des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit, ent­ schuldbaren Rechtsirrtum und den zweiten nur schuld­ ausschließenden Tatbestand des Notstands. Dann fährt sie fort: „D er Unterschied von Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgründen ist nicht nur für die Teilnahme von Bedeutung, auch bei der Hehlerei spielt er eine Rolle". D arm zeigt sich, daß die Fassung des RefEntw. von der durchaus herr­ schenden Meinung aus zu Entscheidungen führt, die, wie mir scheint, nicht gebilligt werden können. Wenn dem Vortäter der Vorsatz fehlte oder wenn er sich in einem schuldausschließenden Irrtu m oder Notstand befand, so müßte Hehlerei angenommen werden. Ich nehme dagegen, entsprechend dem heutigen Recht, hier entweder nur Unterschlagung oder Straflosigkeit des Nachtäters an. Herr Staatssekretär Freisler will bei fehlendem Vorsatz des Vortäters keine Hehlerei an­ nehmen, wohl aber bei Irrtu m . D as ist eine dritte Ansicht. Ich teile sie nicht; jedenfalls müßte sie, wenn sie gebilligt wird, ausdrücklich im Gesetz gesagt werden. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Jemand verkauft seine Bibliothek, in der ein Buch steht, das ihm nicht gehört und als solches gekenn­ zeichnet ist. D as weiß er nicht, wohl aber der Er­ werber. Weswegen soll der Erwerber bestraft werden, wegen Hehlerei oder wegen Unterschlagung?

hierfür sind einmal der von Herrn Staatssekretär Dr. Freisler angeführte Fall, aber auch der F all der Spezifikation. I n beiden Fällen muß Hehlerei ange­ nommen werden. Daß Vortäter und Hehler im Ein­ verständnis handeln müssen, scheint mir nicht richtig. Ein Einverständnis ist hier ebensowenig erforderlich wie bei der Mitwirkung. Reichsjustizminister D r. Gürtner: D as scheint mir eine Fassungsfrage zu sein; das ist Aufgabe der UK. D as fremde Buch liegt auf meinem Tisch; ich habe nie die Absicht gehabt, es mir anzueignen; erst als jemand kommt und es erwerben will, verkaufe ich es. Dieser Fall scheint der Praxis gewisse Schwie­ rigkeiten gemacht zu haben; darum weiß ich nicht, ob wir hier einfach auf die Auslegung durch die Gerichte vertrauen können. Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: Ich würde es begrüßen, wenn in der gesetzlichen Fassung ausdrücklich das Imperfekt und Präsens ge­ braucht wird. Durch diese Klarstellung würden ver­ mutlich die von dem Herrn Reichsminister erwähnten Schwierigkeiten behoben werden. Professor Dr. Gras Gleispach: Ich glaube, es besteht über den eigentlichen Grund der Strafbarkeit der Hehlerei keine Klarheit. Es sind zwei Auffassungen möglich, Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes und Teilnahme an einem moralisch verwerflichen Erwerb. Ich glaube, daß die Kommission sich aus den ersten Standpunkt stellen wird; das ist für diese schwierige Frage m. E. entscheidend. Wenn Zweifel aufgetaucht sind, wegen Hehlerei zu bestrafen, weil der Vortat der Vorsatz fehlt, so ist hier die verschiedene Grundeinstellung von Einfluß. Vielleicht kann man noch hinzufügen, daß der Vortäter tatbestandsmäßig und rechtswidrig ge­ handelt haben muß. Es bleibt dann nur das Beispiel des Herrn Staatssekretärs Freisler, das Schwierig­ keiten macht. Der Grund liegt aber darin, daß der Arzt dazu beigetragen hat, diesen Notstand zu schassen. Deshalb empfinden wir die Straflosigkeit des Arztes als unbillig; es ist eine halbe Erpressung.

Ich kann mir eine Vortat ohne subjektiven Tat­ bestand nicht vorstellen, vor allem nicht vom Stand­ punkte des Willensstrasrechtes aus. Aus praktischen Gründen müssen wir indessen die Zurechnungsunfähig­ keit und die persönlichen Schuldausschließungsgründe ausnehmen. D as muß aber besonders zum Ausdruck gebracht werden.

Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte auf den von Herrn Professor Dahm er­ wähnten F all der Spezifikation zurückkommen. Wenn derjenige, der sich fremdes Holz rechtswidrig aneignet, aus diesem Holz eine Holzplastik fertigt, so wird er Eigentümer dieser Plastik, und der Erwerber kann doch nicht als Hehler bestraft werden. Die Bestrafung würde mir völlig lebensfremd erscheinen. Ähnliches gilt von dem Fall, daß jemand eine ganze Bibliothek verkauft, ohne zu wissen, daß in ihr auch fremde Bücher enthalten sind. Wenn der Erwerber der Biblio­ thek weiß, daß sich in ihr auch fremde Bücher be­ finden, so wird er im Volke sicher nicht als Hehler angesehen; er macht sich m. E. der Unterschlagung schuldig.

Professor Dr. Dahm: Ich bin anderer Ansicht. Die Vorschläge des Herrn Professor Kohlrausch lassen Lücken. Beispiele

Vizepräsident Grau: Ich würde es für einen außerordentlichen F o rt­ schritt halten, wenn auch bei der Gestaltung des

Professor Dr. Nagler: Ich würde Unterschlagung annehmen. (Die Professoren Klee und Dahm und Vize­ präsident G rau widersprechen.)

Hehlereitatbestandes von der Mitwirkungslehre aus­ gegangen würde. Ich sehe gar nicht ein, warum beide Fälle unterschiedlich behandelt werden sollen. F ü r die Strafwürdigkeit ist es völlig gleich, ob jemand bei der T at selbst mitwirkt oder sich ihre Vorteile sichert. D as Wesentliche bei der Hehlerei ist auch nach der Volksanschauung das Vorteilziehen aus der Vortat, nicht das einverständliche Zusammenwirken mit dem Vortäter. Eine solcke Regelung würde auch für die Praxis eine große Erleichterung bedeuten. Danach wäre bei der Hehlerei nur zu fordern, daß die Vortat objektiv rechtswidrig ist. Ich würde auch nicht, wie es Herr Staatssekretär Freister vorgeschlagen hat, die Differenzierung des Notstands bei der Hehlerei wieder aufgeben; dies würde m. E. nur eine nicht notwendige Komplizierung bringen.

täter in Notstand gehandelt hat oder aus einem sonstigen Grunde entschuldigt ist". Ministerialdirektor Schäfer: Diese Fassung regelt nur den Entschuldigungs­ grund; es ist behauptet worden, die Wissenschaft be­ trachte auch den Irrtu m und das dadurch bewirkte Fehlen des Vorsatzes als Entschuldigungsgrund; ich halte dies nicht für richtig und möchte anregen, diesen Punkt klarzustellen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Behauptung, daß jemand zurechnungsfähig war, ist eine Art Klagegrund, und die Behauptung, daß er im Irrtu m gehandelt hat, ist eine exceptio; ich möchte beim Fehlen des Vorsatzes auch nicht von Entschuldigungsgrund reden.

Staatssekretär Dr. Freisler: Die verschiedenen Versuche der Abgrenzung schei­ tern m. E. daran, daß der Begriff der Hehlerei falsch gesehen wird. Auch ich muß entschieden bestreiten, daß begrifflich zur Hehlerei ein einverständliches Zu­ sammenwirken gehöre. Ich brauche nur an die Fälle zu erinnern, in denen der Dieb glaubt, der Hehler wisse nichts von dem Diebstahl, während er in Wirk­ lichkeit die Sachlage sehr wohl kennt. Diese Fälle sind äußerst zahlreich, und niemand denkt daran, den Erwerber nicht als Hehler anzusehen. Ebensowenig kann man sagen, daß es ein Widerspruch zum Willensstrafrecht sei, wenn kein vorsätzliches Handeln des Vortäters verlangt werde. Denn das Willensstrasrecht hat mit dem Willen eines anderen selbst­ verständlich gar nichts zu tun. Es ist richtig, daß das von mir gebildete Beispiel des Heilkundigen selten sein wird. Äber das Beispiel ist ein Stein, der immer noch im Wege liegt. Ich befürchte durch die Einbeziehung keine Komplizierung; man braucht nur den F all des Notstands im Tatbe­ stand ausdrücklich zu nennen.

Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Was wir jetzt tun, hat auch für die allgemeinen Lehren, insbesondere für das Problem der Akzessorie­ tät eine gewisse Bedeutung. Es handelt sich um die Frage, ob die Akzessorietät bei der Hehlerei und bei der Mitwirkung parallel geschaltet werden soll. I n § 28 Abs. 3 sind wir davon ausgegangen, daß der Begriff der Strafbarkeit jedenfalls die Schuldaus­ schließungsgründe und die persönlichen S trafau s­ schließungsgründe umfaßt; aber auch der Mangel des Vorsatzes fällt m. E. unter den Begriff der S tra f­ barkeit in § 28 Abs. 3 E s entsteht nur die Frage, ob diese Gestaltung der Akzessorietät auf die Hehlerei übertragen werden kann, oder ob nicht vielmehr hier bei Mangel des Vorsatzes des V ortäters Hehlerei ausgeschlossen sein soll. Professor Dr. Mezger: Ich w ar und bin der Auffassung, daß § 28 Abs. 3 auch dann Platz greift, wenn es einem der M it­ wirkenden am Vorsatz fehlt. Professor Dr. Kohlrausch: W ir müssen auf § 28 zurückgreifen, wenn wir, wie Herr von Dohnanyi es anscheinend will, die Hehlerei als nachträgliche Teilnahme ansehen.

Professor Dr. Mezger: Ich möchte die von Herrn Staatssekretär Freisler erwähnte Schwierigkeit aus dem Wege räumen. Der in seinem Beispiel erwähnte Naturheilkundige hat den Notstand selbst herbeigeführt; er hat von Anfang an gewußt, es werde zur Unterschlagung kommen, wenn er aus seiner Forderung besteht. Dieser Fall liegt also parallel dem der vorsätzlich herbeigeführten Not­ wehrlage. Der Naturheilkundige ist wegen M it­ wirkung bei der Unterschlagung strafbar. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich möchte das Beispiel von Herrn Staatssekretär Freisler verengen. Ich denke mir weg, daß der Naturheilkundige von der Sachlage Kenntnis hat, daß aber der Erwerber des Ringes die Sachlage kennt. E s scheint mir einfach unmöglich, diesen Erwerber als Hehler zu bestrafen. Sonst wäre es praktisch über­ haupt nicht möglich, die Notlage zu beseitigen. Das ganze Beispiel kann also keinen Anspruch auf Beein­ flussung der generellen Regelung erheben. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Fassung lautet: „Der Hehler ist unabhängig davon strafbar, ob der Dieb oder der sonstige Bor­

Ministerialdirektor Schäfer: Ich meine, wir können nicht alle möglichen Fälle von vornherein ins Auge fassen und klarstellen. W ir könnten uns vielleicht damit begnügen, die Fälle der Zurechnungsunsähigkeit und des Notstandes des Vor­ täters ausdrücklich zu regeln, und alles andere der Rechtsprechung überlassen. S ie wird schon im Falle des mangelnden Vorsatzes des Vortäters die richtige Entscheidung finden. Professor Dr. Gras Gleispach: Ich vermag in keiner Weise einzusehen, warum der rechtfertigende Notstand einbezogen werden soll. Wenn das Beispiel von Herrn Staatssekretär D r. Freisler heute nicht genannt worden wäre, so hätte niemand an den F all des Notstandes auch nur gedacht. Durch die Einbeziehung wird der Grundsatz durch­ brochen, daß die Vortat prim är gegen das Recht ver­ stoßen muß. Eine Bestrafung des Naturheilkundigen würde auch einen Weg versperren, den w ir für recht­ mäßig erklärt haben. Ein solcher Widerspruch ist nicht tragbar.

Geheimer Regierungsrat D r. Schäfer: Der, der die Sache abkauft, ist vielleicht Nothelser. Professor Dr. Graf Gleispach: Sie versperren ihm aber den Weg, den S ie für rechtmäßig erklären. Ministerialdirektor Schäfer: Vielleicht ist die Sache beim Notstand doch etwas anders. Mein Rechtsgesühl spricht stark für die Ent­ scheidung des Herrn Staatssekretärs Dr. Freister. Ich möchte den Notstand für rechtmäßig erklären, aber mich dagegen wehren, einen anderen zum Nutz­ nießer dieser Lage zu machen. Professor Dr. Gras Gleispach: Bei dem Beispiel haben wir drei Beteiligte, die F rau, den Käufer des Ringes und den Arzt, der das Geld bekommt. Wollen S ie den Käufer des Ringes auch strafen? Ministerialdirektor Schäfer: Vielleicht kommt man dadurch zur Straslosigkeit des Abkäufers, daß er im Notstände zugunsten der F rau handelt. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: über die Unstimmigkeit kommen wir nicht so leicht hinweg. Wer rechtmäßig gehandelt hat, kann nicht eine Hehlerei hinter sich herziehen. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: E s erscheint mir unmöglich, die Bestrafung des Naturheilkundigen davon abhängig zu machen, ob er den Ring selbst oder den Erlös aus seinem Verkauf annimmt. Staatssekretär Dr. Freister: W ir haben bei der Notstandsregelung einen per­ sönlichen Rechtfertigungsgrund geschaffen, der uns jetzt Schwierigkeiten bereitet. Geheimer Regierungsrat D r. Schäfer: Der persönliche Rechtfertigungsgrund ist eine contradictio in adjecto. Vizepräsident Grau: Eine so umständliche Regelung wird in der Praxis nur Verwirrung anstiften. Dagegen wäre die völlige Gleichbehandlung mit der Mitwirkungslehre eine glatte und einfache Lösung, mit der die P raxis fertig werden kann. Professor Dr. Dahm: Ich bin derselben Meinung. Es ist unnatürlich, hier zwischen Zurechnungsunfähigkeit, Putativnot­ wehr, Notstand und Ähnlichem zu unterscheiden. Die Folge dieser Unterscheidungen wäre eine große Konfusion. Die Mitwirkungsbestimmungen lege ich genau so aus wie Herr Profeffor Mezger. § 28 Abs. 3 findet also auch dann Anwendung, wenn bei einem der M it­ wirkenden der Vorsatz fehlt. Staatssekretär Dr. Freisler: Der erwähnte Bibliotheksfall würde also als Hehlerei bestraft.

Professor Dr. Dahm: D as schadet ja nichts. Ministerialdirektor Schäfer: Die Fälle der Mitwirkung und der Hehlerei liegen verschieden. Der T at des Hehlers wollen Sie auch einen anderen Namen als der Vortat geben, während beim Mitwirkenden immer ein und dasselbe Delikt in Frage steht. Mein Rechtsgefühl wehrt sich dagegen, in dem Büchereisall den Erwerber als Hehler zu bestrafen, obwohl gar keine Vortat vorhanden ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Frage ist: Was setzt die Hehlerei voraus, welche Elemente der Vortat müssen vorhanden sein? Zweifelsfrei der objektive Tatbestand; auch der subjek­ tive? Muß Vorsatz vorhanden sein? D as Beispiel mit dem Buch halte ich für schlechthin überzeugend: Den Erwerber wird keiner als Hehler bezeichnen. Die Kohlrauschsche Fassung lautet: „Der Hehler ist auch dann strafbar, wenn der Bortater wegen Arrechnungs­ unfähigkeit nicht bestraft wird". Staatssekretär Dr. Freisler: Ich würde sagen: „Der Hehler ist unabhängig davon strafbar, ob der Dieb oder sonstige Bortäter in Notstand gehandelt hat, ob er zurechnungsunfähig oder aus einem sonstigen Grunde entschuldigt ist". Der Vorsatz muß vorhanden sein, ehe man überhaupt von einer Entschuldigung sprechen kann. Professor Dr. Kohlrausch: Wenn jemand wegen Irrtu m s freigesprochen wird, geschieht das wegen von vornherein fehlender Schuld und nicht wegen besonderer Entschuldigung. Andernfalls kommen wir zu einer entschuldbaren Schuld. Staatssekretär Dr. Freisler: Hier ist abstrakt die Schuld durch den Vorsatz gegeben. Wenn die T at feststeht, fragt der Richter doch: Was hast du zu deiner Entschuldigung zu sagen? Der eine sagt Unzurechnungsfähigkeit, der andere Irrtu m . Ministerialdirektor Dr. Dürr: Ich halte die Parallele zu § 28 Abs. 3 für sehr wertvoll. Deshalb dürste sich empfehlen, den § 353 parallel zu tz 28 Abs. 3 zu formulieren, aber aus­ drücklich den Mangel des Vorsatzes beim Vortäter auszunehmen. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Ich möchte diesen Vorschlag unterstützen. E r bringt zum Ausdruck, was wir wollen, und stellt vor allem klar, daß § 28 Abs. 3 auch dann Anwendung findet, wenn der eine Mitwirkende nicht vorsätzlich handelt. Staatssekretär Dr. Freisler: Eine solche Formulierung versteht aber niemand. Professor Dr. Mezger: E s darf nicht „schuldhast", sondern es muß „vor­ sätzlich" heißen. I m übrigen ist der Vorschlag von Herrn Ministerialdirektor D ürr sehr gut und klar,

wenn ich auch sachlich anderer Ansicht bin und die Ausnahme überhaupt nicht zulasten würde. Den persönlichen Rechtfertigungsgrund halte ich für eine contradictio in adjecto. Wenn es über­ haupt notwendig wäre, dem Beispiel von Herrn Staatssekretär Freister durch ausdrückliche Erwäh­ nung des Notstandes im Gesetz gerecht zu werden, dann müßte der Notstand umgestaltet und der rechtsertigende Notstand gestrichen werden. D as allein wäre eine folgerichtige Lösung. Aber in jenem Bei­ spiel ist nt. E. auch ohnedies Strafbarkeit gegeben. Professor Dr. Gras Gleispach: M an muß die Formulierungsfrage von den E nt­ scheidungsfragen trennen. I m tz 28 soll die Akzessorie­ tät völlig eingeschränkt werden, lediglich mit Aus­ nahme der Tatbestandsmäßigkeit und der Rechts­ widrigkeit. Dagegen besteht die Meinung, daß in § 353 weiter zu gehen sei und das Erfordernis des schuldhaften Verhaltens noch für den Haupttäter auf­ zustellen sei. Dann ist eine Frage für sich nur noch der Notstand; er würde als Entschuldigungsgrund nicht die Strafbarkeit des Hehlers ausschließen, wohl aber als Rechtsertigungsgrund. Professor Dr. Nagler: Ich würde die Parallele zu § 28 Abs. 3 nicht herstellen, weil es so aussähe, als ob die Hehlerei eine Mitwirkung bei der Vortat sei. Sachlich bin ich durchaus mit Herrn Ministerial­ direktor D ürr einverstanden. Ich würde aber, um dem Beispiel von Herrn Staatssekretär Freister ge­ recht zu werden, auch den Fall des Notstands aus­ drücklich regeln.. Professor Dr. Dahm: Dann muß man auch den Putativnotstand nennen. Ich würde die Technik des Herrn Ministerialdirektors D ürr vorziehen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die einzige Entscheidungsfrage ist, ob der recht­ fertigende Notstand die Hehlerei ausschließt. An sich macht der Satz: „Wenn jemand ein Recht, etwas zu tun, gehabt hat, dann kann daran keine Hehlerei an­ knüpfen", auf mich großen Eindruck. M an kann aber auch sagen: „Es soll jemand aus einem fremden Not­ stände keinen Vorteil ziehen". Staatssekretär Dr. Freister: Ich sehe nicht ein, warum das Unterschlagung sein soll. Professor Dr. Kohlrausch: Es ist echte Erpressung. Staatssekretär Dr. Freister: Dann lassen Sie fort, daß die Leute ihm von betn Ring etwas erzählen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: M an könnte es noch etwas besser formulieren: „Die Strafbarkeit des Hehlers ist unabhängig von der Strafbarkeit des Vortäters. Kann der Vortäter des­ wegen nicht bestraft werden, weil er so und so ge­ handelt hat, so kann sich der Hehler nicht darauf berufen".

Professor Dr. Dahm: Dann hätten wir den Notstand damals anders regeln müssen. Nachdem wir ihn zum Rechtfertigungs­ grund gemacht haben, können wir hier nicht wieder anders verfahren. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Schärfer als in § 25 kann man Rechtfertigungs­ und Entschuldigungsgrund gesetzgeberisch überhaupt nicht auseinanderhalten; in mir sträubt sich etwas, an einer anderen Gesetzesstelle nunmehr diese drama­ tische Entscheidung auszugeben. Senatspräsident Professor D r. Klee: Sachlich halte ich den Vorschlag von Herrn Ministerialdirektor D ürr für die beste Lösung. I m übrigen lege ich § 28 Abs. 3 dahin aus, daß er auch dann Anwendung findet, wenn die Tat eines Mitwirkenden aus irgendwelchen Gründen gerecht­ fertigt ist. Deshalb braucht man den Fall des Not­ standes im Tatbestand der Hehlerei überhaupt nicht zu erwähnen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Wenn wir die Dürrsche Fassung nehmen, dann kommt dem Hehler nicht zugute, daß der Vortäter deswegen nicht bestraft wird, weil er nicht vorsätzlich gehandelt hat oder unzurechnungsfähig ist. Staatssekretär Dr. Freister: M. E. ist die Rechtsordnung nicht genötigt, sich nach dogmatischen Konstruktionen zu richten. W ir haben in § 25 der Beschlüsse erster Lesung einen per­ sönlichen Rechtsertigungsgrund geschaffen. D as müssen wir bei der Hehlerei berücksichtigen. Ich halte es für nötig, den Notstand im Gesetz ausdrücklich zu erwähnen, da die Hehlerei im allgemeinen eine rechts­ widrige Vortat voraussetzt. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Wenn wir den Rechtsertigungsgrund als persön­ lichen ausgestalten wollen, dann brauchen wir ihn gar nicht; dann genügt der Schuldausschließungs­ grund. Staatssekretär Dr. Freister: Es wird praktische Folgen kaum haben, aber man hat es nötig, um ein Urteil über das Verhalten des Täters auszusprechen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn der Hehler sich nicht darauf berufen kann, daß der Vortäter wegen Unzurechnungsfähigkeit oder fehlenden Vorsatzes nicht bestraft wird, dann brauchen wir vom Notstand nichts zu sagen. Ministerialdirektor Schäfer: Die Fassung des Herrn Ministerialdirektors D ürr müßte richtig so lauten: „Sofern nicht die Strafbar­ keit des Diebes usw. dadurch ausgeschlossen ist, daß er nicht rechtswidrig oder ohne den erforderlichen Vorsatz oder fahrlässig gehandelt hat". Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: M an kann ganz allgemein sagen, der Rechtferti­ gungsgrund schließt auch die Qualifizierung als

Hehlerei aus, es gibt nur eine einzige Ausnahme, den persönlichen Rechtsertigungsgrund des Notstandes. Professor D r. Dahm: Der rechtfertigende Notstand würde also bei der Hehlerei anders behandelt werden als bei der M it­ wirkung. Staatssekretär Dr. Freister: D as hat auch seinen psychologischen Grund. Die Mitwirkenden wollen dem in Notstand handelnden Täter helfen. Der Hehler aber betrachtet die Sach­ lage nicht von diesem Gesichtspunkt aus, sondern unter dem Gesichtspunkt seines eigenen Vorteils. Oberregierungsrat Dr. von Dohmmyi: D ann müßte man aber ganz allgemein sagen: Trotz Vorliegens von Rechtsertigungsgründen wird der Hehler bestraft. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir kämen dann daraus ab, zu sagen, daß bei der B ortat Vorsatz gegeben sein muß. Kann der Vortäter nicht verfolgt werden, weil er unzurechnungsfähig war, ein Recht zum Handeln gehabt oder in schuld­ ausschließendem Irrtu m gehandelt hat, so soll sich der Hehler nicht daraus berufen können. Professor Dr. Kohlrausch: W ir sind doch der Auffassung, daß die Rechtmäßigkeit der Vortat dem Hehler grundsätzlich nützt. E s sind das ja auch die Regelfälle, ich denke hier vor allem an die Einwilligung des Verletzten. Deshalb müßten wir die Ausnahme (Notstand) ausdrücklich hervorheben. Ich bin auch der Ansicht, daß es kein innerer Widerspruch ist, wenn wir den Notstand anders behandeln als die sonstigen Rechtfertigungs­ gründe. Der Gesetzgeber kann das machen, wie er es für richtig hält. Aber mir ist zweifelhaft, ob es richtig ist. Professor Dr. Dahm: Ich verstehe nicht, warum man wegen eines einzigen Falles das ganze Rechtssystem umwerfen will. Staatssekretär Dr. Freister: Der Einwand, daß der von mir erwähnte Fall alle zehn Jahre nur einmal vorkommt, ist m. E. kein Einwand. Der Gesetzgeber muß in erster Linie dafür Vorsorge tragen, daß alle strafwürdigen Fälle auch tatsächlich erfaßt werden können. An diesem Fall wird erprobt, ob wir die Hehlerei bestrafen, weil sie der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes dient oder weil sie die moralisch verwerfliche Quelle der Vermögensdelikte ist. Ich bin auch nicht der Meinung, daß durch die Ausnahme in diesem spe­ ziellen Fall das ganze Rechtssystem umgeworfen wird. E s handelt sich eben um eine Ausnahme. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Könnte man das vielleicht so zusammenfassen: Keine Berufung des Hehlers aus Unzurechnungsfähig­ keit, Notstand und andere Entschuldigungsgründe?

Staatssekretär Dr. Freisler: Der Notstand darf nicht mit den Entschuldigungs­ gründen zusammen genannt werden, er muß an den Schluß kommen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ein anderer Gedanke: Der Vortäter muß vor­ sätzlich und rechtswidrig gehandelt haben. Professor Dr. Kohlrausch: D ann kommen w ir wieder zu dem Problem, ob der Irrtu m Entschuldigungsgrund ist. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: E r soll sich aber auf den Mangel des Vorsatzes und auf Irrtu m berufen können. Staatssekretär Dr. Freisler: E r soll sich aus den Irrtu m nicht berufen können, weil das ein Schuldausschließungsgrund ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Vortäter muß vorsätzlich gehandelt haben; erledigt sich die Jrrtum sfrage nicht einfach in dieser Kategorie? Ich meine, Irrtu m brauchen wir gar nicht auszusprechen, weil das nur ein Vorzeichen zum Vorsatz ist. Ministerialdirektor Schäfer: E s müßte heißen: „Wohl aber darf sich der Hehler darauf berufen, daß der Vortäter nicht vorsätzlich gehandelt hat, oder daß ihm ein Rechtfertigungsgrund mit Ausnahme des Notstandes zur Seite steht". Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Der Irrtu m spielt bloß bei der Frage eine Rolle, ob Vorsatz besteht oder nicht. Oberregierungsrat Dr. von Dohmmyi: Wenn man sagt: „Der Strasgrund für die Hehle­ rei soll sein, daß jemand bewußt aus einer rechts­ widrigen T at Nutzen zieht", dann gilt das auch für den Irrtu m . Professor Dr. Kohlrausch: Is t es dann nicht viel einfacher, wenn man von meiner Formulierung ausgeht und den Notstand zur Zurechnungsunsähigkeit hinzusetzt? Ministerialdirektor Dr. Dürr: Ich habe selbstverständlich auch an die Recht­ fertigungsgründe gedacht und bin davon ausgegangen, daß sie in § 28 Abs. 3 eine strafbare Mitwirkung aus­ schließen. Ich bin auch der Ansicht, daß ein Rechtsertigungsgrund Hehlerei ausschließt. Vielleicht wäre es zweckmäßig, wenn die UK. sich gleichzeitig noch einmal mit § 28 Abs. 3 beschäftigte, um in dieser Vorschrift das Gesagte zum Ausdruck zu bringen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bitte, die Ausgabe der UK. darauf zu be­ schränken, in Worten festzulegen, woraus sich der Hehler berufen kann, und was bei der Vortat subjek­ tiv vorhanden sein muß. D as zweite ist der Gegenstand der Hehlerei; das Gesetz muß hier den Mißstand beim gewechselten

Hundertmarkschein beseitigen. I m Zusammenhang damit steht auch die Kettenhehlerei. Meine Meinung ist ganz unverbindlich folgende: D as Mißliche am Gelde im Bereiche der Hehlerei ist, daß es als Sache betrachtet wird. Wäre es nicht zweckmäßig, als gesetz­ liche Erweiterung zum Wort Sache auszusprechen, daß beim Gelde die Anwendung der Vorschrift nicht ausgeschlossen ist, wenn arP Stelle des erlangten Geldes anderes Geld getreten ist. Kann man das aus Geld allein beschränken, oder muß man es auf ver­ tretbare Sachen überhaupt ausdehnen? Die Ersatzhehlerei würde sich zu besassen haben mit dem Geld, das für die gestohlene Sache erlöst wird, mit der Sache, die für den Erlös angeschafft wird, und mit der realiter umgetauschten Sache. Bei der Kettenhehlerei ist in erster Linie die Frage zu entscheiden, ob wir gesetzlich festlegen wollen, daß ein gutgläubiger Erwerb die weitere Hehlerei ausschließt. Proseffor Dr. Graf Gleispach: D as erste Problem, die Behandlung des umge­ wechselten Geldes, besteht nur, wenn wir keinen T at­ bestand der Ersatzhehlerei schaffen. Bezüglich des zweiten Problems bin ich grundsätzlich für die Aus­ dehnung des Angriffsobjekts auf die Surrogate. Auch hier spielt wieder die Frage herein, ob wir die Hehle­ rei bestrafen, weil sie einen rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält, oder weil sie die amoralische Quelle des Diebstahls ist. Da wir heute das letztere für richtig halten, muß auch die Surrogathehlerei bestraft werden. D as führt zunächst zur Uferlosigkeit. Irgend­ wie ist eine Begrenzung notwendig. Sie wird zweck­ mäßig auf subjektivem Gebiet gefunden, ich würde auf die Gewerbsmäßigkeit abstellen; man kann aber auch mit Herrn Professor Kohlrausch Vorbestraftheit des Hehlers verlangen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, Sie fühlen selbst die Notwendigkeit einer Grenze. Ich würde es für richtig halten, die Begrenzung im subjektiven Tatbestand zu suchen. Vielleicht ist das Merkmal der Bereicherungsabsicht das zweckmäßigste. Professor Dr. Kohlrausch: Ich würde es auch für möglich halten, auf die Vorbestraftheit abzustellen. Staatssekretär Dr. Freisler: D as gewechselte Geld ist nt. E. noch kein Surrogat; dieser Fall muß daher der gewöhnlichen Hehlerei unterstellt werden. Proseffor Dr. Nagler: W ir wollen doch im neuen Recht zur Werthehlerei übergehen, das heißt wir wollen auch die Ersatz­ hehlerei bestrafen. Allerdings nicht unbegrenzt. F ü r den Tatbestand der Ersatzhehlerei brauchen wir hin­ sichtlich des Geldes keine Schranke, weil das Geld der typische Wertmesser ist. I m übrigen aber sind Grenzen notwendig, und zwar sowohl auf objektivem wie aus subjektivem Gebiet. Objektiv muß die Grenze so gezogen werden, daß nach zwei Surrogationen die Reihe wegen beginnender Undurchsichtigkeit abge­ schloffen ist, das dritte Surrogat also nicht mehr

Gegenstand der Hehlerei sein kann. I n Ansehung des subjektiven Tatbestandes würde ich die Begrenzung durch die Merkmale der Wissentlichkeit und der Be­ reicherungsabsicht für notwendig halten; jede Ver­ folgung Nichtstrafwürdiger wird dadurch unmöglich. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, man muß die Interessen der Lebensmittelhändler am Alexanderplatz berücksichtigen, wir müssen die subjektive Seite begrenzen. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich halte Ih re Lösung, Herr Minister, für die richtige. D as gewechselte Geld ist Repräsentant, aber kein Surrogat. Es handelt sich also auch noch nicht um eine Hehlerei an der Ersatzsache. Fraglich wird aber nunmehr, ob nur dem Geld eine Sonderstellung eingeräumt werden soll oder auch anderen vertret­ baren Sachen. Bezüglich der Jnhaberpapiere erscheint die Gleichstellung als selbstverständlich. Ich meine aber, daß auch z. B. Getreide gleichgestellt werden müßte. Denn auch hier ist eine Auswechselung mög­ lich. Ich denke an den Fall, daß der Vortäter unge­ reinigten Weizen gestohlen hat, der Hehler zu ihm kommt und auf dem Speicher auch noch anderen, gereinigten Weizen sieht, der aber rechtmäßig er­ worben ist. Wenn er sich nunmehr statt des gestohlenen Weizens diesen Weizen geben läßt, so muß er auch wegen Hehlerei bestraft werden. Denn für die Schuld ist es völlig gleichgültig, welchen Weizen er an sich bringt. Ich würde also unter die normale Hehlerei alle vertretbaren Sachen einbeziehen. Der Fall des Lebensmittelhändlers am Alexander­ platz wird erst bei der Ersatzhehlerei akut. Hier trifft der Vorschlag von Herrn Professor Kohlrausch das Richtige. Hier muß irgendwie eine Einschränkung gefunden werden. D as kann auf zweifache Weise erfolgen. M an kann die Einschränkung einmal finden durch Abstellung des strafrechtlichen Tatbestandes auf das Zivilrecht. Diesen Weg aber halte ich für un­ tauglich wegen der merkwürdigen Halbheiten des Zivilrechts in den §§ 932 und 935 BGB. Richtig ist es, die Einschränkung auf subjektivem Gebiet zu suchen. Auch ich halte die Merkmale der Wissentlichkeit und der Bereicherungsabsicht für sehr zweckmäßig. Diese Merkmale aber müssen zur Vortat irgendwie in Beziehung gesetzt werden. Denn der Lebensmittel­ händler am Alexanderplatz soll nur dann bestraft werden, wenn er den Dieben einen anderen P reis berechnet wie dem übrigen Publikum. Strafrechtlich nach einer bestimmten Zahl von Surrogationen halt zu machen, halte ich nicht für richtig. Auch wenn der gestohlene Edelstein bereits durch hundert Hände gegangen ist, muß der Juwelier bestraft werden, wenn er ihn in Kenntnis dieses Sach­ verhalts ankauft. D as braucht nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt zu werden; es geht nt. E. aus der Fassung des RefEntw. schon einwandfrei hervor. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Was die Gleichstellung von Aktien und Inhaberpapieren mit Geld betrifft, so stimme ich Herrn Staatssekretär Dr. Freisler zu. Der F all mit dem Weizen ist mir allerdings nicht ganz klar geworden. Ich bin der Ansicht, daß es doch keine Hehlerei sein

kann, wenn sich der „Hehler" rechtmäßig erworbenen Strafrechtlich nach einer gewißen Zahl von Surrogationen halt zu machen, halte ich ebenfalls nicht für richtig. Ich halte im übrigen die Frage nicht für sehr praktisch, da nach mehreren S u rro ­ gationen die Bestrafung regelmäßig an der Nicht­ beweisbarkeit scheitert. Die Einschränkung muß auf subjektivem Gebiet gesucht werden. Ich darf aber zunächst sagen, daß ich irgendeine Einschränkung in dieser Hinsicht, also z. B. das Merkmal „eines Vor­ teils wegen" bei der Grundhehlerei nicht für richtig halte. Ich möchte auch andererseits die Grundhehlerei noch etwas ausdehnen. Wenn der Dieb Geld ge­ stohlen hat, für das Geld einen M antel kauft und den seiner B raut schenkt, so muß diese m. E. nach Abs. 1 bestraft werden. Denn das ist Grundhehlerei, sollte es jedenfalls sein. Ich halte es nach allem grundsätz­ lich nicht für richtig, schon bei dem ersten Surrogat irgendeine Einschränkung vorzunehmen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as kann man in folgendem zusammenfassen: Übereinstimmung besteht darüber, daß Abs. 1 und 2 in bezug aus den subjektiven Tatbestand differenziert werden müßen. Die Differenzierung geht dahin, in Abs. 1 überhaupt nichts vom Vorteil zu sagen und im Abs. 2 eigenen oder fremden Vorteil genügen zu laßen. D as zweite ist, ob wir zum Tatbestand der Grundhehlerei auch noch den ersten Umtausch rechnen. Ferner bestehen einige Zweifel wegen der vertretbaren Sache. Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte auch zwischen Grundhehlerei und Surrogathehlerei unterscheiden und dabei unter die erstere neben dem gewechselten Geld auch z. B. ge­ wechselte Jnhaberpapiere einbeziehen. Weiter kann man den Kreis der Grundhehlerei nicht ziehen. Was darüber hinausgeht, ist Surrogathehlerei. Ich bin der Ansicht, daß w ir an der Regelung des BG B. doch nicht ganz vorbeigehen können. Ich denke an folgenden Fall: Der A hat eine Brief­ markensammlung unterschlagen und veräußert sie an den gutgläubigen B. Dieser ist nach § 932 BGB. Volleigentümer geworden. Wenn später B den Sach­ verhalt erfährt, so bleibt B Eigentümer und ist nicht verpflichtet, dem ursprünglichen Eigentümer die Briefmarkensammlung herauszugeben. Soll es nun, wenn B die Briesmarkensammlung weiter verkauft, — wozu er berechtigt ist — einen Unterschied machen, ob der Käufer € den Sachverhalt kennt oder nicht? S oll C als Hehler bestraft werden können, obwohl er trotz seiner Kenntnis Eigentum erwirbt? M. E. geht das unter keinen Umständen. Ich bin aber der An­ sicht, daß C auch dann nicht als Hehler bestraft werden kann, wenn die Briefmarkensammlung von A ge­ stohlen und an den gutgläubigen B veräußert worden war. Einen Unterschied in der Strafwürdigkeit ver­ mag ich nicht zu sehen. M. E. sollte der zweite Käufer (C) nur dann als Hehler bestraft werden, wenn er und der Dieb mit Absicht den ersten Käufer zwischengeschaltet haben. Ich würde das aber nicht im Gesetzt ausdrücklich sagen, sondern nur in der

Form, wie es der RefEntw. und der Vorschlag von Herrn Profeffor Kohlrausch tun, nämlich einen ge­ wiffen inneren und zeitlichen Zusammenhang mit der Vortat verlangen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Zwei Fragen: Glauben Sie, Herr Ministerial­ direktor, daß diese AbGrenzung durch den Vorschlag des RefEntw. wirklich getroffen ist? Muß man sich danach aus den ersten Tausch beschränken? Ministerialdirektor Schäfer: Jedenfalls haben wir nichts anderes gewollt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Eine zweite Frage: Wenn ein individuell be­ stimmter B rillant gestohlen wird, zunächst in der Unterwelt verschwindet und nach langer Zeit wieder auftaucht und von einem Juwelier in Kenntnis des Diebstahls gekauft wird, ist das nach heutigem Recht Hehlerei? Ministerialdirektor Schäfer: Hehlerei oder Unterschlagung, je nach den Um­ ständen des Falles. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Damit kommt die kritische Frage: Muß das Strafrecht zwischen Diebstahl und Unterschlagung unterscheiden? Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Ich möchte zu der Herausnahme des Geldes aus der Ersatzhehlerei sprechen. Es ist schon daraus hin­ gewiesen worden, daß der Unterschied zwischen Abs. 1 und 2 im subjektiven Tatbestand liegt. I m Abs. 1 soll auch dolus eventualis genügen; fraglich ist, ob man dort auch Vorteil oder Bereicherungsabsicht ver­ langen soll. I m Abs. 2 ist der dolus eventualis ausgeschlossen und Bereicherungsabsicht verlangt. Herr Senatspräsident Klee hat den F all des Ver­ teidigers erwähnt; ich möchte in diesem Zusammen­ hang nochmals zur Erwägung geben, ob es wirklich richtig ist, das Geld allgemein aus der Ersatzhehlerei herauszunehmen. Soll der Verteidiger denn immer strafbar sein? W ir müßen doch annehmen, daß er stets mit dolus eventualis handelt. Staatssekretär Dr. Freister: S o liegt die Sache gar nicht. Vielmehr kommt der Verbrecher mit der Anklageschrift zum Anwalt und verlangt verteidigt zu werden. Der Anwalt verlangt Vorschuß, den der Verbrecher nicht zahlen kann. Schließlich erklärt er, er werde am Abend vor dem Termin kommen und das Geld bringen. Wenn dann der Verbrecher kommt, so weiß natürlich der Verteidiger, daß die Sache nicht mit rechten Dingen zugeht. E r weiß aber nicht, ob der Verbrecher das Geld direkt gestohlen hat, oder ob es der Erlös aus gestohlenem Gut ist. Dann aber kommt nur S u rro ­ gathehlerei in Betracht, wobei ein dolus eventualis zur Bestrafung des Anwalts nicht genügt. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: E r kann auch das Geld gestohlen haben, und damit muß der Verteidiger rechnen; dann handelt er

mit dolus eventualis. I n bestimmten Gegenden S t. P aulis etwa lebt kein Mensch vom rechtmäßigen Erwerbe. Der Bäcker müßte dort einfach seinen Laden zumachen, wenn er nicht zum Hehler werden will. Professor Dr. Kohlrausch:' Der M andant bringt am Vorabend den Vorschuß, der Verteidiger fragt: Was haben S ie gestohlen, Geld oder silberne Lössel? Wenn der M andant an t­ wortet: silberne Löffel, sagt derVerteidiger: Na, dann ist es gut; dann darf ich Geld von Ihnen nehmen! Ministerialdirektor Schäfer: Wie nun, Herr von Dohnanyi, wenn der Hundert­ markschein, mit dem er zahlt, der Originalhundert­ markschein ist? Dann würde es auch bei der Original­ sache zu weit gehen. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: D as ist richtig. Aus dieser Schwierigkeit käme man nur durch Einfügung der Bereicherungsabsicht in Abs. 1 heraus. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Frage, ob der Vorteil oder die Bereicherungs­ absicht in Abs. 1 hineingehört, ist noch nicht ent­ schieden. Ministerialdirektor Schäfer: W ir müssen uns auch den krassen Fall vor Augen halten, daß der Anwalt erfährt, dieser Hundertmark­ schein ist der gestohlene, und ihn annimmt. Hält dann irgend jemand den Anwalt nicht für straf­ würdig?' Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es handelt sich jetzt darum, ob wir im Abs. 1 aus diesen eigenen oder fremden Vorteil überhaupt verzichten sollen. Professor Dr. Kohlrausch: Ich möchte aus den dänischen Vorschlag, der sehr elastisch gefaßt ist, hinweisen: „Wegen Hehlerei wird bestraft, wer erstens Anteil an einem durch ein Ver­ mögensdelikt erworbenen Gewinn nimmt oder sich verschafft; zweitens wer durch Verbergen, Hilfe bei Veräußerung oder auf ähnliche Weise dazu tätig ist, einem anderen den Ertrag eines solchen Verbrechens zu sichern". Professor Dr. Nagler: Ich bin auch dafür, daß in Abs. 1 das Merkmal „seines Vorteils wegen" aufgenommen wird. W ir kommen sonst ins Uferlose. Ich möchte noch ein kurzes Wort sagen über das Verhältnis des BGB. zum Strafrecht. Die Emanzipation von den zivil­ rechtlichen Bindungen der Eigentumsordnung wird in dem Augenblick notwendig, wo wir von der Sach- zur Werthehlerei übergehen. D as geschieht dort, wo wir die Ersatzhehlerei anerkennen. Ich würde es auch in Kauf nehmen, daß der Erwerber einer Sache wegen Hehlerei bestraft wird, obwohl sein Vormann nach dem BGB. unanfechtbares Eigen­ tum erlangt hatte. F ü r die Sachhehlerei muß es bei der Unanfechtbarkeit des Erwerbs nach Zivilrechts­ grundsätzen unverbrüchlich sein Bewenden haben.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Sie würden es in Kauf nehmen, daß ein Eigen­ tumserwerb nach bürgerlichem Recht möglich ist und trotzdem bestraft wird. Dann aber die umgekehrte Idee: Kann in diesem Fall Eigentum erworben werden? Staatssekretär Dr. Freisler: Ich möchte nur zu erwägen geben, ob das Ver­ halten des Anwalts nicht ganz anders aufzufassen ist, als das des Bäckers in S t. Pauli, obwohl beide rein tatbestandlich gesehen das gleiche tun. Daß der Anwalt bestraft werden muß, erscheint mir zweifels­ frei. Der Bäcker aber kann m. E. nicht bestraft werden. Es fragt sich nur, ob wir diese Merk­ würdigkeiten gesetzgeberisch erfassen und festhalten können. Vielleicht ist beides falsch, das Merkmal „seines Vorteils wegen" sowohl aufzunehmen wie wegzulassen. Ich stelle zur Erwägung, ob man nicht das Merkmal „verwerflich" in den Tatbestand auf­ nehmen soll. Dann kann der Richter solchen Merk­ würdigkeiten im Einzelfall gerecht werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as wäre ein Rezept, das wir oft benutzt haben, wenn wir mit dem Differenzieren nicht weiter kamen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: W ir setzen doch bei dem Bäcker in S t. Pauli vor­ aus, daß er die ganze Sachlage genau kennt. Dann vermag ich aber einen verschiedenen Grad moralischer Verwerflichkeit zwischen dem Bäcker und dem Anwalt, der seine Existenz haichtsächlich daraus ausbaut, daß er Zuhälter verteidigt und von diesen Leuten Honorare für die Verteidigung bezieht, nicht ein­ zusehen. Auch der Bäcker handelt verwerflich. D as Gegenteil darf nt. E. auch nicht indirekt anerkannt werden. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Was die Herkunft des Verteidigerhonorars an­ langt, so habe ich mir nach und nach gewisse praktische Erfahrungen gesammelt. Ich habe früher als S ta a ts­ anwalt in zahlreichen Fällen, in denen ich mir über die Herkunst der M ittel zur Bezahlung des Ver­ teidigers — namentlich bei solchen, die als teuer be­ kannt waren — Gedanken machte, Erörterungen an­ gestellt und bin säst stets zu dem Ergebnis gekommen, daß irgendwelche Angehörige, oft auch Bräute, die angeblichen Geldgeber waren. Dabei habe ich mich aber sehr oft des Gedankens nicht erwehren können, daß der geistige Urheber solcher Angaben der Ver­ teidiger war, der auf diese Weise vermeiden wollte, in den Verdacht zu kommen, daß er sich mit producta sceleris oder dem Erlös aus solchen bezahlen ließe. Ich bin überzeugt, daß mancher Verteidiger insoweit kaum als gutgläubig zu bezeichnen war. Ich möchte dann noch eine Frage stellen: I n § 350 ResEntw. ist davon die Rede, daß der Täter „eigenen oder fremden Vorteils wegen" eine Sache an sich bringt. Is t unter fremdem Vorteil auch der Vorteil des Vortäters gemeint? Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: I m Grundtatbestand wird man den eigenen oder fremden Vorteil wohl kaum erwähnen können; sonst

wäre der straffrei, der wissentlich gestohlene Ziga­ retten vom Dieb zu Markenpreisen kaust; er hat keinen Vorteil, trotzdem muß er wegen Hehlerei bestraft werden. Staatssekretär Dr. Freister: Gerade diese Beispiele zeigen, daß wir auf das Merkmal „verwerflich" abstellen müssen. Herr Senatspräsident Klee lehnt dieses Merkmal nur des­ halb ab, weil insoweit alle Menschen gleich beurteilt werden müßten. Das ist aber nicht richtig. Die Ver­ werflichkeit wird nicht nur objektiv, sondern auch am Menschen gemessen, wobei auf die mehr oder minder große Verantwortlichkeit abgestellt werden muß. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Wir haben krasse Fälle in Moabit gehabt, z. B. ein Rechtsanwalt verteidigte nur Zuhälter und Kupp­ lerinnen und bezog seine Honorare aus einer Kasse, die die Zuhälter unterhielten. (Pause von 1335 Uhr bis 1630 Uhr.) Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, ich möchte über die Fassung des Grundtatbestandes der Hehlerei in Abs. 1 folgenden Vorschlag machen: „Wer eine Sache, die ein anderer veruntreut, unterschlägt, gestohlen oder sonst durch ein Vermögensdelikt erlangt hat, erwirbt, an sich bringt usw.". Hinsichtlich der Ersatzhehlerei liegen noch zwei Wünsche vor, man sollte sie in der Geschlechterfolge nicht unbeschränkt lassen, sondern aus die drei Mög­ lichkeiten Erlös, Umtausch und Neuanschaffung aus dem Erlös einengen, und man solle die unrechtmäßige Bereicherung in eine Beziehung zur Vortat setzen. Ich glaube, beide Anregungen ließen sich wie folgt zu­ sammenfassen: „Ebenso wird bestraft, wer in der Absicht, sich unrechtmäßig zu bereichern, wissentlich aus einer Vortat des Abs. 1 Vorteil zieht". Damit wäre zweierlei erreicht, die Geschlechterfolge wäre an sich unbeschränkt, aber die Uferlosigkeit fände ihre natürliche Begrenzung darin, daß eine Beziehung zur Vortat bestehen muß. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich würde diese Lösung sehr begrüßen, weil sie sich auf derselben Linie bewegt wie unsere Erörte­ rungen beim Treubruch. E s handelt sich um die Beseitigung aller Formaldelikte. Professor D r. Mezger: Ich bin ganz derselben Meinung. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Wir kämen dann zu folgendem Ergebnis: Wenn ein Brillant unterschlagen ist und zunächst durch gut­ gläubige Hände geht,' so wird ein späterer bös­ gläubiger Erwerber des ursprünglich unterschlagenen Brillanten als Hehler bestraft, wenn er den B rillant ungewöhnlich billig kauft, obwohl der gut­ gläubige Zwischenerwerber zivilrechtlich Eigentümer geworden ist. I n der Tat kann es doch für das Strafrecht keinen wesentlichen Unterschied begründen, ob der Brillant ursprünglich gestohlen oder unterschlagen war. War er gestohlen, würde ja auch nach dem bürgerlichen

Recht gutgläubiger Erwerb des Eigentums durch einen Zwischentäter ausgeschlossen sein. Ministerialdirektor Schäfer: Die notwendige Einschränkung kann durch andere Merkmale gesunden werden. I n dem von Herrn Senatspräsidenten Klee erwähnten F all kann der spätere Erwerber des Brillanten, der weiß, daß er ursprünglich einmal unterschlagen ist, nicht unter allen Umständen als Hehler bestraft werden. E r muß irgendwie die Absicht haben, noch Vorteile aus dieser Unterschlagung zu ziehen. Staatssekretär Dr. Freister: Herr Ministerialdirektor Schäfer spricht von einer notwendigen Einschränkung. Ich verstehe nicht, in­ wiefern hier eine Einschränkung notwendig ist. Der Erwerber muß doch bestraft werden, wenn er in Bereicherungsabsicht handelt. Ministerialdirektor Schäfer: D as ist doch eine Einschränkung, und gerade diese hatte ich im Auge. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Die Gerichte pflegen oder pflegten sehr häufig die gewerbsmäßige Hehlerei contra legem zu ver­ neinen, um nicht auf Zuchthaus erkennen zu müssen. Ich halte es schon aus diesem Grund nicht für zweck­ mäßig, bei der gewerbsmäßigen Hehlerei die Zucht­ hausstrafe obligatorisch vorzuschlagen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as ist sehr richtig. Die Praxis hat sich der entsprechenden Strafdrohung des geltenden Rechts niemals gebeugt. Ministerialdirektor Schäfer: Vielleicht sagt man zweckmäßig: „ I n schweren Fällen, insbesondere bei gewerbsmäßiger Hehlerei kann aus Zuchthaus erkannt werden". Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Damit wäre der Gesichtspunkt, daß die Gerichte das geltende Recht ignoriert haben, ausgeschaltet. Vizepräsident Grau: I n § 352 RefEntw. ist nicht gesagt, wer Täter des Delikts sein kann. Ich weise darauf hin, daß beim Betriebe eines Handelsgewerbes die Sache auch von einem Angestellten oder von der Ehefrau für den Geschäftsherrn erworben werden kann, ohne daß dieser etwas davon weiß. Solche Fälle sind nicht selten. Ich würde deshalb im Gesetz klarstellen, daß auch Angestellte und die Ehefrau Täter des Delikts sein können. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich stimme dem Vorschlag von Herrn Vize­ präsidenten Grau zu. I n der Praxis ist stets betont worden, daß das Ansichbringen gleichbedeutend ist mit dem Bringen in eigene Verfügungsgewalt. Der Angestellte und die Ehefrau würden also durch § 352 ResEntw. nicht ersaßt. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as wäre eine Fassungssrage; was gemeint ist, wäre klar.

ResEntw. § 337 über „dauernde Entziehung" ist hier zu übernehmen. M ir scheint eine gemeinschaft­ liche Behandlung beider Fälle richtig zu sein, da auch die Entziehung ein „Nichtgebrauchenkönnen" zur Folge hat. Dabei wäre zu prüfen, ob die hier etwas äußerlich und materialistisch anmutende „Absicht, Nachteil zuzufügen" gefordert werden soll, und ob die Entziehung eine „dauernde" sein muß. Letzteres würde ich schon deshalb verneinen, weil Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Das kann man beim strafbaren Eigennutz nehmen. zwar die Absicht des Täters aus „Dauerenteignung" E s ist daran gedacht, daß jemand das strafbare gerichtet sein kann, ihre tatsächliche Verwirklichung Handeln eines anderen zur ständigen Erwerbsquelle sich aber im Augenblick des Urteils nicht immer fest­ macht. Ich darf aber daran erinnern, daß der Fiskus stellen lassen wird. Beim Diebstahl liegt es anders, da die einen Bestandteil der Zueignung bildende E n t­ vom Schieber Steuern einzieht. eignung dort nur „beabsichtigt" zu sein braucht. Wir kämen jetzt zur Wichtiger als die Zeitdauer der Entziehung ist hier Sachbeschädigung. eine gewisse Erheblichkeit des „Nachteils". Gegen die alleinige Hervorhebung der „Absicht, Berichterstatter Professor Dr. Kohlrausth: Nachteil zuzufügen" spricht, daß es Fälle gibt, in Bei der Sachbeschädigung ist der Strafgrund die Eigentumsschädigung ohne Aneignungs- oder Be­ denen die Entziehung aus niederträchtigsten Motiven, reicherungsabsicht. Es fragt sich, ob dieser Gedanke aber doch ohne Habsucht oder Gewinnsucht und ohne die Absicht erfolgt, einen in Geld meßbaren Schaden erweitert werden soll zuzufügen, vielmehr aus reinem Haß, aus Rachsucht, 1. über eine „Sache" im Sinne eines körper­ Eifersucht usw. eine Sache etwa von bloßem Affek­ lichen Gegenstandes hinaus, tionswert (z. B. ein Bild, ein Andenken) weg­ 2. über die Fälle fremden Eigentums hinaus, genommen wird; oder auch von Geldwert (die Lieb­ lingskatze usw.), aber ohne materielle Motive. Nach­ 3. über „beschädigen" und „zerstören" hinaus. Eine Erweiterung über den Sachbegrifs hinaus barliche Streitigkeiten, z. B. in Mietskasernen, auch würde ich ablehnen. S ie läuft aus das allgemeine ehemalige Freundschaften, enden doch nicht selten in Delikt der „Vermögensschädigung" hinaus. Hier kriminellen Beschimpfungen oder auch in derartigen hinausgehen über die beiden Typen — Eigentums­ kriminell z. T. nicht faßbaren Racheakten. Wenn man verletzung auf der einen Seite, bestimmte Verletzungs­ den an sich schon weitgehenden Tatbestand der Sach­ handlungen: Täuschung, Nötigung, Ausbeutung und entziehung bilden will, sollte man ihn auf solche Fälle Treubruch auf der anderen Seite — , hieße jede ausdehnen, die seinem Grundgedanken durchaus ent­ Grenze des kriminellen gegen das zivile Unrecht ein­ sprechen. Den Strafen des RefEntw. § 326 stimme ich zu. reihen und würde ein lästiges und schädliches Hinein­ regieren in die Privatwirtschaft bedeuten. Bestrafung Den § 327 halte ich für überflüssig, da ein Sonder­ schutz hier unter anderen Gesichtspunkten gewährt des Vertragsbruchs usw. wäre die Folge. I n einer anderen Richtung liegt der Gedanke, werden muß (s. oben). Ob die Geldstrafe auch hier auch hier Naturkräste, an denen ein persönliches durch Friedensbuße zu ersetzen ist, muß wohl einer Nutzungsrecht besteht, den „Sachen" gleich zu schützen. zweiten Lesung der „Strafen" vorbehalten werden. Ich komme also zu folgendem Vorschlag: Ein socher Fall ist in § 2 des Gesetzes über Entziehung „Wer vorsätzlich eine fremde Sache beschädigt elektrischer Arbeit geregelt. F ü r und gegen eine Ver­ allgemeinerung sprechen die gleichen Gründe, wie bei oder zerstört oder sonst für eine erhebliche Zeit unbrauchbar macht, ingleichen wer eine fremde § 1. Vgl. also: „Diebstahl." Sache einem andern boshaft oder in der Absicht An irgendeiner Stelle wird auch die Frage der entzieht, ihm einen schwer zu ersetzenden Nachteil Sektion geprüft werden müssen. Aber nicht hier; zuzufügen, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren eher bei „Störung der Totenruhe". oder mit Geldstrafe bestraft." Ohne Rücksicht aus fremdes Eigentum werden heute nach S tG B . § 304 besonders befriedete Sachen Berichterstatter Oberstaatsanwalt Dr. Reimer: geschützt. Der ResEntw. will den Gedanken aufgeben. Den Ausführungen meines Herrn Mitbericht­ Ich brauche an dieser Stelle aus die Frage nicht mehr erstatters kann ich mich im wesentlichen anschließen. einzugehen; sie ist teils schon erledigt, teils an anderer Auch ich halte aus den bereits vorgetragenen Stelle zu erörtern. Gründen eine Erweiterung des Tatbestandes der Eine Erweiterung kommt in Betracht in der Sachbeschädigung über eine Sache im Sinne eines Richtung der Unbrauchbarmachung und der dauernden körperlichen Gegenstandes sowie über die Falle Entziehung. Ich würde sie befürworten. fremden Eigentums hinaus nicht für empfehlenswert. D as Unbrauchbarmachen straft RefEntw. § 326 I n letzterer Hinsicht wären überhaupt nur die im Abs. 2. Den Zusatz: „daß sie. . . . brauchbar machen § 327 unter Ziffer 1—5 geregelten Fälle der quali­ kann" halte ich für entbehrlich. Eine mit ein paar Hand­ fizierten Sachbeschädigung in Frage gekommen. Bon griffen zu beseitigende Störung nennt man wohl nicht diesen sind jedoch die Ziffern 1— 4 bereits nach den „Unbrauchbarmachung". Aber der Zusatz ist nur über­ Beschlüssen der Kommission in anderen Abschnitten flüssig, umständlich, nicht schädlich. des Strafgesetzbuchs untergebracht, während hinsicht-

Staatssekretär Dr. Freister: Ich wollte noch eine Vormerkung für den straf­ baren Eigennutz machen: I n diesem Beispiel, daß der Anwalt sein ganzes Leben aus einer sittenwidrigen Teilnahme an strafbaren Handlungen aufbaut, nehme ich nicht Hehlerei an; aber die T at liegt so schwer, daß sie zuchthauswürdig ist.

lich der Ziffer 5 des § 327 nt. E. kein praktisches Be­ dürfnis besteht, hier gegebenenfalls auch die Beschädi­ gung der eigenen Sache unter S trafe zu stellen. W as den Abs. 2 des § 326 anbetrifft, so handelt es sich hier eigentlich garnicht um eine Erweiterung des Tatbestandes der Sachbeschädigung, sondern lediglich um die eindeutige Klärung der Streitfrage, ob nur die Verletzung der Sachsubstanz oder auch die Beeinträchtigung des Gebrauchs als Sachbeschädi­ gung zu bestrafen ist. (Beispiele: Zerlegen einer Maschine, Auseinandernehmen eines Musikinstru­ mentes, Vermischung von Sachen u. dergl.) W as nun die Art des Unbrauchbarmachens der Sache anbelangt, so bin ich im Gegensatz zu Herrn Professor Kohlrausch nicht der Ansicht, daß der Satz: „daß sie der Verletzte nur mit erheblichem Aufwand an Arbeit, Kosten oder Zeit wieder brauchbar machen kann" umständlich und überflüssig sei. Wenn Herr Proseffor Kohlrausch das Unbrauchbarmachen nur darauf abstellt, daß dies auf erhebliche Zeit geschieht, so werden damit die Fälle nicht getroffen, wo zwar der Wille des T äters vielleicht nach dieser Richtung ging, wo aber die Wiederherstellung — wenn auch mit Kosten verknüpft — in kürzester Frist möglich war. Beispiel: Ein Kraftwagenbesitzer parkt seinen Wagen in einer Großstadtstraße. Jemand, der den Kraftwagenführer am Weiterfahren verhindern will, schraubt einige Zündkerzen heraus und versteckt sie unter den Sitzpolstern. Durch den Kauf neuer Zünd­ kerzen in einem in der Nähe befindlichen Ersatzteil­ lager, deren Einsetzen nur wenige Minuten dauert, ist der Kraftwagen wieder brauchbar gemacht. Die Worte „Aufwand an Arbeit und Kosten" müssen daher m. E. in das Gesetz aufgenommen werden. Fraglich erscheint es mir überhaupt, ob das Wort „erheblich" beibehalten werden soll. Ich denke da an das in der Begründung zum Entw. 1927 gebildete Beispiel: Einem Künstler, der zu einer bestimmten Zeit auftreten soll, wird das Auftreten dadurch unmöglich gemacht, daß seine Geige in die einzelnen Teile zerlegt wird. Zur Wiederherstellung sind viel­ leicht nur wenige Minuten erforderlich, die der Künstler aber nicht mehr zur Verfügung hat. Wird die Rechtsprechung diese wenigen Minuten als einen „erheblichen" Zeitaufwand auffassen? Ob § 337 RefEntw., der die dauernde Entziehung von Sachen behandelt, hier bei der Sachbeschädigung eingegliedert werden soll, ist bei den Beratungen der Kommiffion über die Diebstahlsbestimmungen offen gelaffen. Ich habe damals die Aufsaffung vertreten, daß das, was § 337 unter Strafe stellen will, bei­ spielsweise das Fortnehmen eines Ringes, um ihn ins Meer zu werfen, der Volksanschauung nach mehr als eine Unterart des Diebstahls wie als Sach­ beschädigung empfunden wird und § 337 daher an seiner jetzigen Stelle zu belassen ist. W as den In h a lt des § 337 anbelangt, so möchte ich es im Gegensatze zu meinem Herrn Mitbericht­ erstatter dabei belassen, daß die Absicht des Täters auf Dauerenteignung gerichtet sein muß, wie es der RefEntw. vorsieht. Wenn jemand, um sich einen boshaften Scherz zu erlauben, ein Tier, das den anim us revertendi hat, von der Kette losläßt, so daß

es für kurze Zeit entläuft, so ist das nt. E. nicht straf­ würdig. Auch auf die Erheblichkeit des Nachteils es abzu­ stellen, wie Herr Professor Kohlrausch vorgeschlagen hat, ist m. E. nicht zu empfehlen. Zur Bestrafung genügt die bewußte Zufügung eines Schadens durch Dauerentziehung der Sache. ' Hinsichtlich des bei der Sachbeschädigung anzu­ drohenden Strafmaßes stehe ich aus dem Standpunkt, daß dieses in gleicher Weise zu regeln ist wie bei der leichten Körperverletzung. Insbesondere sollte es auch hier in leichten Fällen bei einer Friedensbuße bewenden können. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Beide Herren Referenten denken daran, § 326 und § 337 zusammenzunehmen; Herr Professor Kohl­ rausch will sie sogar in einem Paragraphen zu­ sammenfassen; dieser Vorschlag scheint mir sehr an­ nehmbar zu sein. Der Begriff „fremde Sache" ist von niemandem beanstandet, der Begriff der „Sache" soll nach der Auffassung beider Herren nicht ausgeweitet werden; die Handlung besteht unbestrittenermaßen in Beschä­ digen, Zerstören, Unbrauchbarmachen. Wegen der Um­ schreibung des „Unbrauchbarmachens" sollten wir uns nicht viel Kopfschmerzen machen; ich würde einfach „Unbrauchbarmachen" sagen und alles andere dem Leben überlassen. Eine gewisse Schwierigkeit besteht zu § 337, der dauernden Entziehung einer fremden Sache. Der Vorschlag Kohlrausch ist: „boshaft oder in der Ab­ sicht, einen schwer zu ersetzenden Nachteil zuzufügen". Warum die Einschränkung „schwer zu ersetzen"? Kann man nicht sagen, „in der Absicht, ihn zu schädigen"? Professor Dr. Graf Gleispach: Ich bin zwar nicht gegen eine Erweiterung des Tatbestandes der Sachbeschädigung im Sinne einer Gebrauchsentziehung, aber wenn die T at gar keinen Vermögensnachteil zur Folge hat, so frage ich mich, ob noch von einem Vermögensdelikt die Rede sein kann. Die Strafdrohung hat dann nichts mehr mit Vermögensschutz zu tun, wir nähern uns durch eine solche Erweiterung dem Personendelikt. Vielleicht ist es doch richtiger, aus diesem Grunde zwei selbständige Tatbestände zu bilden. Professor Dr. Kohlrausch: Der Einwand von Herrn Gras Gleispach hat eine gewisse Berechtigung. Mein Vorschlag führt zu einer Änderung der Überschrift des Abschnitts; sie müßte lauten: Beschädigung und Entziehung von Sachen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dann sollten aber auch zwei selbständige T at­ bestände gebildet werden. Was den Antrag anlangt, so gelten auch hier unsere allgemeinen Erwägungen. Bei der Abwägung neigt sich die Waagschale zugunsten des Geschädigten. Der S ta a t hat an den wenigsten Sachbeschädigungen ein Interesse.

Staatssekretär Dr. Freister: Ich frage mich, ob das Verstecken einer Sache, um ihren Gebrauch zu verhindern, überhaupt strafwürdig ist. M. E. ist -das nur eine Lausbüberei. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bitte doch an den Künstler zu denken, dem kurz vor dem Austreten die Geige versteckt wird. D as ist m. E. mehr als eine Lausbüberei. E s bliebe noch zu prüfen, was von § 327 R efEntw. nach den bisherigen Erörterungen übrig ge­ blieben ist. Es ist nur noch die Ziff. 5. 9R. E. ist eine besondere Erwähnung nicht erforderlich, sie kann im allgemeinen Strafrahmen aufgehen. Oberregierungsrat Dr. von Dohnanyi: Es muß im Tatbestand noch ausdrücklich erwähnt werden, daß § 32a keine Anwendung findet. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as ist richtig, die Strafbarkeit des Unternehmens muß ausgeschlossen sein. Damit wäre die Sach­ beschädigung erledigt; wir kämen zum

Betrug. Berichterstatter Professor D r. Dahm: Der Betrug ist nahe verwandt der Erpressung. Beide Delikte richten sich gegen das Vermögen. Vor allem aber: Beide Verbrechen sind typische Gesin­ nungsdelikte. I n ihnen kommt eine besonders ver­ werfliche verbrecherische Gesinnung zum Ausdruck, die gerade vom Standpunkt des Willensstrafrechts aus ersaßt werden muß. Wenn das aber richtig ist, dann taucht die Frage auf, ob der Betrug im geltenden Recht und im Res.Entw. zutreffend aufgefaßt wird, ob es richtig ist, daß der Betrug als Vermögensdelikt ausgestaltet ist. Der Betrug ist ja erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit Vermögensdelikt. I m römischen und im gemeinen Recht siel der Betrug unter den Tatbestand des falsum und wurde nicht scharf von Münzfälschung und Urkundenfälschung getrennt. Späterhin sah man den Betrug als stellionatus an und verstand dar­ unter jedes betrügerische Verhalten, unabhängig da­ von, ob das Vermögen betroffen wurde oder nicht. Diese Vorstellungen wirkten bis ins 19. Jahrhundert hinein. I n manchen Partikularrechten jener Zeit war der Betrug kein Vermögensdelikt. Noch heute ist Be­ trug im österreichischen Recht jede arglistige Täuschung eines anderen in der Absicht, ihn in seinen Rechten zu schädigen. Urkundenfälschung, Eheerschleichung, Eidesverbrechen, Fundunterschlagung und Betrug im engeren Sinne sind in diesem Tatbestand miteinander vereinigt. I n Österreich hat sich diese Regelung aber nicht bewährt. Die österreichische Wissenschaft weist darauf hin, daß der Betrugstatbestand viel zu weit gefaßt sei und seinem Wesen nach ganz verschiedene Straftaten in sich vereinige. Die österreichischen E nt­ würfe wollen daher nach dem Muster des deutschen Rechts und der modernen Gesetzgebung überhaupt den Betrug wieder zum Vermögensdelikt machen. Es wäre demnach ein Rückschritt, wollte man zur öster­ reichischen und gemeinrechtlichen Regelung zurück­ kehren und dem Betrug den Charakter des Vermögensund Bereicherungsdelikts wieder nehmen. Eidesver­

brechen, Urkundenfälschung und Betrug sind eben ihrem Wesen nach verschiedene Straftaten, die allen­ falls unter ganz abstrakten Gesichtspunkten zusammen­ gefaßt werden könnten. Innerlich gehören diese T a t­ bestände aber nicht zusammen. Grundsätzlich ist dem ResEntw. also zuzustimmen, wenn er den Betrug nach dem Vorbilde des § 263 S tG B , als Vermögens- und Bereicherungsdelikt ge­ staltet hat. I m folgenden sind nun die einzelnen Merkmale des Betrugsbegriffs zu erörtern: 1. Der Tatbestand des Betruges erfordert zunächst eine arglistige Täuschung. Es gibt zwei Methoden, um dieses Merkmal zum Ausdruck zu bringen. M an kann entweder den Betrugstatbestand auf bestimmte Täuschungshandlungen beschränken. So verlangt das französische Recht besondere Veranstaltungen, Kunst­ griffe und Listen, wie den Gebrauch eines falschen Namens oder betrügerische Machenschaften, die ge­ eignet sind, den Anschein einer nicht vorhandenen Kreditwürdigkeit zu erwecken usw. Auch das englische Recht bezieht nur bestimmte Täuschungshandlungen, nämlich nur solche ein, die geeignet sind, vorsichtige Menschen zu täuschen. D as deutsche Recht ist einen anderen Weg gegangen: Es genügt jede arglistige Täuschung schlechthin. Dieser Methode ist der Vorzug zu geben. Denn die Erfahrungen der französischen und englischen Praxis haben gezeigt, daß jede Spezia­ lisierung empfindliche Lücken läßt. D as heute geltende Strafgesetzbuch verlangt nun eine Vorspiegelung falscher, oder eine Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Diese Fasiung hat zu gewissen Schwierigkeiten Anlaß gegeben, die der ResEntw. zu überwinden sucht. Zunächst hat man darauf hingewiesen, daß es schon sprachlich unsauber sei, von einer „Unterdrückung wahrer Tatsachen" zu sprechen. Denn wahr könnten keine Tatsachen sein, sondern nur Behauptungen. Vor allem aber läßt das Wort „Unterdrückung" Zweifel darüber entstehen, ob und wieweit das Verschweigen von Tatsachen als Be­ trug angesprochen werden kann. S o nimmt das RG. an, daß eine Rechtspflicht zum Reden bestehen müsse, während eine bloß sittliche Pflicht nicht genügen solle. D as hat namentlich in der Beurteilung des Kredit­ betruges zu Schwierigkeiten geführt, die später er­ örtert werden sollen. Die Entwürfe suchen diese Bedenken durch eine allgemeine Wendung auszuräumen. Sie schwanken zwischen den Worten „arglistige Täuschung", „arg­ listige Täuschung über Tatsachen" und „Täuschung über Tatsachen". Der ResEntw. entscheidet sich für die letztere Lösung und versucht damit, die bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage zu legalisieren. Die herrschende Ausfassung unterscheidet bekanntlich zwischen Tatsachen und Werturteilen, und versteht unter Tatsachen nur Vorgänge, die der Gegenwart oder der Vergangenheit angehören, während in der Zukunft liegende Vorgänge nicht als Tatsachen an­ gesehen werden. So hat das RG. einen Bürovorsteher freigesprochen, der dem Mandanten seines Anwalts erklärte, er könne ebenso gut verteidigen wie ein An­ walt. D as Gericht sah darin die Äußerung eines Werturteils, aber nicht die Behauptung einer T a t­ sache. Nach dieser Auffassung ist die unlautere Reklame und die Ausgabe eines schwindelhaften Gründungs-

Prospekts so lange kein Betrug, als keine Tatsachen behauptet werden. Von diesem Standpunkt aus könnte der Priester nicht bestraft werden, der einem abergläubischen Kranken vorspiegelt, er komme in die Hölle, wenn er sein Vermögen nicht der Kirche ver­ mache. Diese Auffassung ist aber meiner Meinung nach falsch und muß überwunden werden. Es ist über­ haupt nicht möglich, Tatsachen und Werturteile von­ einander zu trennen. Unter Umständen ist das Wert­ urteil einer angesehenen Persönlichkeit sehr viel be­ deutsamer, als die Behauptung bestimmter Tatsachen. Insbesondere ist es wünschenswert, daß auch die un­ lautere Reklame in weiterem Umfange erfaßt wird, unabhängig davon, ob bestimmte Tatsachen behauptet werden oder nicht. Darum ist die Fassung „Täuschung über Tatsachen" abzulehnen, und die auch dem § 123 B G B . entsprechende Wendung „arglistige Täuschung" vorzuziehen. S ie bezeichnet besser als der Vorschlag des RefEntw. das Wesen des Betruges, nämlich die Gesinnung, die im Betrüge zum Ausdruck kommt. 2. Die arglistige Täuschung muß einen Irrtu m hervorgerufen haben. Dieses Merkmal kommt im Entwurf hinreichend zum Ausdruck. 3. Ferner muß der Getäuschte eine VermögensVerfügung getroffen haben, ein Erfordernis, das im § 263 S tG B , keinen Ausdruck gefunden hat. E s ist zu begrüßen, daß der RefEntw. dieses Merkmal be­ zeichnet, und zwar durch eine ganz allgemeine Wen­ dung, die jede zivilrechtliche Deutung der Vermögens­ disposition ausschließt. 4. Die Vermögensversügung muß zu einer Be­ nachteiligung des Vermögens geführt haben, und der T äter muß in der Absicht gehandelt haben, sich oder einen anderen zu bereichern. An dem Merkmal der Bereicherungsabsicht ist festzuhalten. Abzulehnen wäre das Erfordernis einer objektiven Bereicherung. Gerade der Hinweis aus die Absicht bringt die Be­ deutung der Gesinnung und des kriminellen Willens zum Ausdruck. D as Verlangen der objektiven Be­ reicherung würde eine Einschränkung der Strafbarkeit zur Folge haben, die der Grundrichtung des kom­ menden Strafrechts widerspräche. Allerdings ist mir zweifelhaft, ob die Bereiche­ rungsabsicht dasselbe bedeutet wie die Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (§ 263 StG B .). S o möchte ich annehmen, daß der sog. Selbsthilsebetrug zwar unter § 263 S tG B ., nicht aber unter die Betrugsbestimmung des RefEntw. fällt. Denn wer die Absicht hat, eine ihm wirklich zu­ stehende Forderung einzutreiben, hat zum mindesten nicht die Absicht der unrechtmäßigen Bereicherung. Der Gesetzgeber muß meiner Meinung nach zur Frage der „Stoffgleichheit" Stellung nehmen. Be­ trug liegt nur dann vor, wenn der erstrebte Vorteil aus dem Vermögen des Geschädigten stammt, d. h. in irgendeiner Form bereits darin enthalten war. Die abweichende Rechtsprechung wird dem Wesen des Betruges nicht gerecht, und es bedarf sowohl bei der Erpressung wie beim Betrüge einer ausdrücklichen Bestimmung, die den Tatbestand nach dieser Richtung hin einschränkt. Dabei gehe ich allerdings davon aus, daß die arglistige Täuschung, die nicht in Bereiche­ rungsabsicht erfolgt, besonders unter Strafe gestellt

wird. Ich darf schon hier auf den von mir vorge­ schlagenen § 346a Hinweisen. E s fragt sich weiterhin, wann ein Vermögens­ vorteil unrechtmäßig ist. M an versteht den RefEntw. nur, wenn man sich die im geltenden Recht auf­ tauchenden Schwierigkeiten vor Augen führt. Einig­ keit besteht heute darüber, daß ein Vermögensvorteil dann nicht rechtswidrig ist, wenn ein Anspruch darauf besteht. Umstritten ist aber die Frage, ob auch das Umgekehrte gilt, d. h. ob ein Vermögensvorteil schon dann rechtswidrig ist, wenn kein Anspruch besteht. D as ist die Meinung des Reichsgerichts, während die herrschende Lehre eine den Grundsätzen des bürger­ lichen Rechts widersprechende Verfügung verlangt, d. h. Betrug nur dann annimmt, wenn das Geleistete nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden kann. Deshalb wäre zwar nach dem Reichs­ gericht, nicht aber nach der herrschenden Auffassung Betrug anzunehmen, wenn A den X durch arglistige Täuschung veranlaßt, dem gutgläubigen B eine Forde­ rung zu stunden, ein Darlehen zu gewähren oder einen vorteilhaften Kaufvertrag mit ihm abzuschließen (§ 123 BG B ). Nach dem RefEntw. wäre in diesem Falle Betrug anzunehmen. Ebenso gibt der RefEntw. eine klare Antwort aus die Frage, ob Betrug dann anzunehmen ist, wenn jemand einer schwangeren F rau ein harmloses M ittel verkauft unter der Vorspiege­ lung, daß es sich um ein Abtreibungsmittel handle. Denn der erstrebte Vorteil ist zweifellos unrechtmäßig. Auf der anderen Seite ist der Vorteil keineswegs immer unrechtmäßig, wenn kein Anspruch besteht. S o könnte man sich Fälle denken, in denen eine Leistung nach den Regeln der S itte und des Anstandes zu erfolgen hätte, aber doch kein zivilrechtlicher Anspruch besteht. Wer solche Vorteile erschleicht, erstrebt keinen unrechtmäßigen Vorteil. Ich halte die Fassung des RefEntw. für sehr glücklich, weil sie den materiellen Rechtsgedanken zum Ausdruck bringt und die Abkehr von der formalen zivilrechtlichen Betrachtung ver­ deutlicht. ' Der gewerbsmäßige Betrug (§ 345 RefEntw.) ist meiner Meinung nach von den besonders schweren F ä l­ len zu trennen und immer mit Zuchthaus zu bestrafen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: D as Wesen des Betrugs besteht darin, daß jemand durch Täuschung dazu gebracht wird, sein eigenes oder fremdes Vermögen durch Zuwendung an den Täter oder einen Dritten zu verringern. Vollendet ist der Betrug mit der Herbeiführung des Vermögensnach­ teils; nicht zu fordern ist, daß ein entsprechender Vor­ teil an den Täter oder den Dritten übergegangen ist, denn der Täter, der getäuscht und so die schädigende Verfügung herbeigeführt hat, ist strafwürdig, auch wenn die Bereicherung ausgeblieben ist. I n dieser Richtung ist daher nur das Vorliegen der subjektiven Seite, das Bestehen der Bereicherungsabsicht zu ver­ langen (vgl. Entw. 1909 S . 760). Absicht bedeutet hier das Ziel des Handelns (vgl. auch § 18 Abs. 2 Entw. 1934); bedingter Vorsatz der Bereicherung genügt deshalb nicht. Die Absicht muß dahin gehen, durch die Vermögensverfügung des Getäuschten die Bereicherung auf Kosten des Beschädigten herbeizu­ führen; das ergibt sich aus dem Wesen des Betrugs (vgl. Entw. 1909 S . 760; R G S t. Bd. 64 S . 435;

Schrnid, Der Betrug nach dem geltenden. Deutschen Strafrecht und nach den Entwürfen zu einem allge­ meinen Deutschen Strafgesetzbuch, S . 80; italienisches S tG B . Art. 640). Um auch die Fälle der fehlenden Bereicherungsabsicht erfassen zu können, erscheint es mir jedoch richtig, einen Ergänzungstatbestand aufzu­ stellen, der von diesem Merkmal absieht. Ich hatte in meinen Leitsätzen gesagt, daß nur die Täuschung über Tatsachen, d. h. über gegenwärtige Verhältnisse oder der Vergangenheit ungehörige Ge­ schehnisse und Begebenheiten strafbar mache. Die Aus­ führungen des Herrn Professor Dahm haben mich aber überzeugt, daß eine scharfe Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil nicht möglich ist. Ich würde deshalb ebenfalls vorschlagen, daß man einfach von arglistiger Täuschung spricht. Um das Erfordernis der Stoffgleichheit gesetzlich festzulegen, würde ich statt „um sich oder einen andern unrechtmäßig zu bereichern", sagen „um daraus sich oder einen andern unrechtmäßig zu bereichern". § 343 Abs. 2 RefEntw. fällt mit Rücksicht aus § 32a des Entw. von 1934 weg. Zu Abs. 3 schlage ich vor, als Strafe zeitiges Zuchthaus ohne Ober­ grenze zu bestimmen, und den gewerbsmäßigen Be­ trug hier als einen der besonders schweren Fälle auf­ zuführen. Die Strafdrohung ist ohnehin die gleiche. Ich stimme aber mit Herrn Professor Dahm dahin überein, daß die Zuchthausstrafe nur fakultativ an­ gedroht werden sollte. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn die Meinung der Kommission mit den Hauptpunkten der Referate übereinstimmen sollte, könnten wir eine nähere Aussprache entbehren. Die Hauptpunkte sind erstens: Soll der Betrug ein Ver­ mögensdelikt und ein Täuschungsdelikt sein? D as scheint mir die allgemeine Meinung zu sein. Zweitens: Wie soll das M ittel des Betrugs bezeichnet werden, durch eine Täuschung über eine Tatsache oder durch eine arglistige Täuschung ohne Angabe von T a t­ sachen? Dann ist von beiden Herren Referenten vor­ geschlagen worden, die Kausalität im Zeitwort zum Ausdruck zu bringen. Eine Frage wäre noch offen: die Stoffgleichheit. Entspricht der Vorschlag Leimer, daß man zum Schluß sagt, „um sich daraus zu be­ reichern", Ih ren Wünschen, Herr Professor Dahm? (Professor Dr. Dahm bejaht.) Stossgleichheit kann man tatsächlich aus diese patente Weise erreichen, daß man sagt, „um sich daraus zu bereichern". Dann ist von beiden Herren vorgeschlagen, die Bereicherung im subjektiven und den Vermögensnachteil im objektiven Tatbestand zum Ausdruck zu bringen. Bezüglich des Strafrahm ens ist eine Bemerkung nicht erforderlich. Ich halte es für selbstverständlich, daß man beim Betrug bis aus die kleinste Strafe heruntergehen muß. Wie würde die volkstümliche Marke am Eingang des Tatbe­ standes lauten? „Der Betrüger" kann es wohl nicht heißen. Senatspräsident Profeffor Dr. Klee: Der Selbsthilfebetrug würde straflos werden, wenn die Absicht der ungerechtfertigten Bereicherung ausgenommen wird. D as Reichsgericht bestraft jetzt

wegen Betruges im folgenden Fall: A hat gegen den Kolonialwarenhändler B eine Darlehnssorderung, B zahlt nicht zurück. A geht in den Laden des B hinein, die Angestellte weiß von dem Darlehn nichts und verkauft dem A Waren; A geht damit ohne bar zu zahlen fort und rechnet dann auf. Die Benach­ teiligung des B liegt darin, daß er seine Waren ver­ liert, ohne sofort ein Äquivalent zu bekommen. Künftig wollen wir eine solche Handlungsweise also straflos lassen. Ministerialdirektor Schäfer: I n aller Regel scheitert hier die Bestrafung am subjektiven Tatbestand. Professor Dr. Dahm: Gewöhnlich fehlt es an der Absicht unrechtmäßiger Bereicherung. Professor Dr. Gras Gleispach: Ich frage mich, ob es notwendig ist, im Tatbestand die Bereicherungsabsicht zu verlangen. Wir haben doch dieses Merkmal bei allen anderen Vermögens­ delikten schlechthin abgelehnt. Die Herren Bericht­ erstatter sind sich darin einig, daß die T a t auch in den Fällen fehlender Bereicherungsabsicht strafwürdig ist. Wenn man noch erwägt, daß der Strafrahmen bis aus Geldstrafe herabgeht, so erscheint es nicht recht verständlich, warum der Tatbestand aufgespalten werden soll. Ähnliche Erwägungen waren ja auch bei Erörterung des Diebstahlstatbestandes maßgebend, man könnte also auch hier aus das Merkmal der Be­ reicherungsabsicht verzichten. Noch eine weitere Frage: Herr Professor Dahm hat es für strafwürdig erklärt, wenn ein Kaufmann einer Schwangeren ein untaugliches Abtreibungs­ mittel verkauft. E r hat den gegenteiligen Standpunkt bei der Untreue eingenommen. Ich verstehe deshalb nicht, warum hier der verbrecherische Wille zur Ab­ treibung gegen Betrug geschützt werden soll. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Bei der Erpressung und der Ersatzhehlerei haben wir die Bereicherungsabsicht, beim Diebstahl nicht. Vielleicht könnten Sie, Herr Profeffor Dahm, einmal typische Tatbestände zeigen, die unter den von Ihnen angeregten Ergänzungstatbestand fallen. Profeffor Dr. Dahm: Ich kann den Ausführungen des Herrn Graf Gleispach nicht in allem zustimmen. M. E. liegen die Dinge beim Diebstahl doch anders als beim Betrüge. Denn beim Diebstahl ist das Wesentliche der Zugriff auf die körperliche Sache, der Bruch fremder Gewere, das Wesen der Erpressung und des Betruges ist da­ gegen die Bekundung gemeiner Gesinnung. Darum wäre es beim Betrüge, im Gegensatz zum Diebstahl, nicht richtig, wenn man für den Regeltatbestand auf das Merkmal der Bereicherungsabsicht verzichten wollte. Dafür steht hier der Ergänzungstatbestand zur Verfügung, der folgende Fälle umfaßt: 1. den Fall, daß die Bereicherungsabsicht fehlt, 2. den Fall, daß der Täter nicht die Absicht hat, sich unrechtmäßig zu bereichern (Selbsthilfe­ betrug), 3. die Fälle, in denen keine „Stofsgleichheit" von Vermögensvorteil und Schaden vorhanden ist.

Herr Graf Gleispach wirft endlich die Frage auf, ob ich mich nicht in Widerspruch zu meinen Ausführungen über den Treubruch gesetzt hätte. Denn ein Betrug ist auch dann möglich, wenn der Betrogene unsittlich handelt, nicht aber ein Treubruch, wenn das Ver­ halten des Treugebers gegen die guten Sitten ver­ stößt. Indessen liegt darin kein Widerspruch. Viel­ mehr ist der Unterschied im Wesen der beiden Delikte begründet. Denn unmöglich kann zwischen Schiebern ein Treueverhältnis entstehen, während es sehr wohl möglich ist, die gemeine Gesinnung auch dann zu be­ strafen, wenn die getäuschte F rau etwa einen Ab­ treibungsversuch plant. M an darf nicht einwenden, daß damit doch der unsittlich Handelnde geschützt werde. D as ist ein ganz Verfehlter, individualistischer Ausgangspunkt. Die Strafe schützt nicht einzelne Personen, sondern die völkische Ordnung, und diese Ordnung kann auch dadurch gestört werden, daß moralisch minderwertige Menschen geschädigt werden. Professor D r. Mezger: Ich möchte für die Beibehaltung der imrecht­ mäßigen Bereicherung eintreten. Sie gibt erst dem Betrug den eigentlichen Gehalt. Beim Diebstahl da­ gegen ist die Wegnahme das Rückgrat des Tat­ bestandes. Die Stofsgleichheit halte ich für einen Fortschritt. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Der Fall des Verkaufs eines untauglichen Ab­ treibungsmittels ist erst sehr spät vom Reichsgericht als Betrug anerkannt worden. Die frühere Recht­ sprechung lehnte die Bestrafung wegen Betruges „am rechtlich nicht geschützten Vermögen" ab. Es erscheint mir zweifelhaft, ob man hier den Täter immer be­ strafen kann. Denn es ist immerhin denkbar, daß er ein untaugliches M ittel verkauft nur um eine Ab­ treibung zu verhüten. Ähnlich liegt der Fall, wenn ein Waffenhändler absichtlich Platzpatronen verkauft, weil er weiß, daß der Käufer mit der von ihm ver­ langten M unition Selbstmord begehen will. I m übrigen bin ich dagegen, daß ein allgemeiner Betrugstatbestand gebildet wird, der auf die Bereiche­ rungsabsicht verzichtet. Ebenso muß auch die Stvssgleichheit verlangt werden; es ist nicht als Betrug am Fiskus anzusehen, wenn jemand eine Gefängnis­ strafe für einen anderen gegen Bezahlung absitzt. Professor D r. Kohlrausch: Ich glaube, wir müssen unter allen Umständen dafür sorgen, daß die Plenarentscheidung über den Betrug bei unsittlichen Rechtsgeschäften Gesetz wird. Professor D r. Nagler: Der RefEntw. spricht davon, daß der Getäuschte zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung be­ stimmt werden muß. Ist das weitergehend als der bisherige Begriff der Verfügungshandlung? Professor D r. Dahm: Diese Regelung entspricht dem, was das Reichs­ gericht als Vermögensdisposition bezeichnet. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Darf ich eine Frage stellen: Jemand wird durch einen Schwindel dazu veranlaßt, ein Rechtsmittel nicht einzulegen.

Professor Dr. Dahm: D as ist eine Verfügung, begangen durch Unterlassung. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dann, glaube ich, deckt sich die Fassung mit dem Begriff Verfügung. Meine Herren, wir kämen dann zu den ange­ hängten Untersragen. Darf ich um die Überschriften bitten? Professor Dr. Dahm: Kreditbetrug, Prozeßbetrug, Notbetrug, Versiche­ rungsbetrug. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Dazu gehört nach einer Zuschrift des Preußischen Innenministeriums noch der Behördenbetrug. Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Der Ausschuß hat zu prüfen, ob ein besonderer Tatbestand des Kreditbetruges oder der Kredit­ erschleichung zu schaffen ist, wie er in manchen aus­ ländischen Rechten, so im italienischen und norwe­ gischen Recht enthalten ist. Bekanntlich haben die Kreditgeberorganisationen, insbesondere die Banken, in den letzten Jahren die Einführung einer solchen Bestimmung mit Nachdruck gefordert. S o sind die wirtschaftlichen Spitzenverbände im Ja h re 1929 an den Reichstagsausschuß herangetreten und haben entsprechende Forderungen gestellt. E s fragt sich, ob wirklich ein Anlaß besteht, neben der normalen Betrugsbestimmung eine Sonderbestimmung dieser Art einzuführen, die ein Sonderrecht für die Banken enthielte und von vornherein dem Einwand einer einseitigen Begünstigung bestimmter Wirtschaftskreise ausgesetzt wäre. Den Anlaß zur Aufstellung solcher Forderungen hat die ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts gegeben. D as RG. sah das Verschweigen nur dann als Unterdrückung wahrer Tatsachen im Sinne des § 263 S tG B , an, wenn eine Rechtspflicht zur Offen­ barung der Vermögensverhältnisse bestand. Noch 1932 hat das RG. Betrug verneint, obwohl jemand Wechsel zur Diskontierung hingegeben und dabei verschwiegen hatte, daß es sich um 'wertlose Gefällig­ keitsakzepte handelte. Der Schuldner, der zwischen dem Abschluß des Vertrages und dem Empfang der Ware notleidend geworden ist, soll keinen Betrug begehen, wenn er dem Verkäufer seine Vermögenslage verschweigt. Denn es bestehe hier keine Rechtspflicht, sondern nur eine sittliche Pflicht zum Reden. Erst in jüngster Zeit hat das RG. diese Rechtsprechung aufgegeben und die sittliche Pflicht bis zu einem gewissen Grade der Rechtspflicht gleichgestellt. Die ältere Rechtsprechung stützte sich im wesentlichen auf den W ortlaut d e s ' § 263, insbesondere aus die Wendung „Unterdrückung". Da der Entw. dieses Merkmal preisgegeben hat, so ist anzunehmen, daß das RG. sich völlig von den alten Grundsätzen ab­ kehren wird. Auch sonst besteht aber kein Bedürfnis nach besonderer Hervorhebung des Kreditbetruges. Es kann keine Rede davon sein, daß der Kreditbetrug besonders strafwürdig wäre. Ich würde also auf eine Bestimmung dieser Art verzichten.

Berichterstatter Landgerichtsdirektor £etmer: Nach dem Referat von Herrn Professor D r. Dahin kann ich mich kurz fassen. Ich habe bereits in meinen Leitsätzen hervorgehoben, daß der Kreditbetrug nach den allgemeinen Bestimmungen geahndet werden kann. Ich stimme deshalb dem Vorschlag von Herrn Professor Dahm zu. Senatsprästdent Professor Dr. Klee: E s ist richtig, daß das Reichsgericht seine E in­ stellung geändert hat und nicht mehr aus die Rechts­ pflicht zum Reden abhebt, sondern auf Treu und Glauben. W ir haben damals in § 11a lediglich daraus abgestellt, ob der Tater rechtlich verpflichtet war zu handeln, und haben in einer Anmerkung gesagt, daß Erweiterungen in den speziellen Tatbeständen geregelt werden müssen. E s fragt sich, ob wir das hier tun müssen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die arglistige Täuschung kann auch dadurch begangen werden, daß geschwiegen wird, wo man hätte reden sollen; so fasse ich das auf. Staatssekretär Dr. Freister: Ich bin auch der Meinung, daß kein Bedürfnis für eine besondere Strafdrohung gegen den Kredit­ betrug besteht. Die Sache hat zwei Seiten. Die Banken fühlen sich getäuscht, weil der Kreditnehmer bei den Verhandlungen nicht alles sagt. Die Kredit­ nehmer fühlen sich ebensalls getäuscht, weil sie gerade im entscheidenden Zeitpunkt der Sanierung von den Banken im Stich gelassen werden. Beide Fälle sind m. E. gedeckt durch den allgemeinen Tatbestand. Ich habe allerdings das Bedenken, ob wir nicht doch eine Sicherung gegen die alte Rechtsprechung in den T a t­ bestand einbauen müssen, weil diese einen Betrug dann verneint hat, wenn nur eine sittliche Offen­ barungspflicht bestehe. Es ist mir zweifelhaft, ob wir sicher mit einer Gesundung der Rechtsprechung in diesem Punkte rechnen können. Professor Dr. Dahm: Hier taucht ein allgemeines Problem aus, nämlich die Frage, ob wir nicht die Strafbarkeit der Unter­ lassung bei der Beratung des Allgemeinen Teils zu sehr eingeschränkt haben. Wenn wir hier beim Betrüge die sittliche Ofsenbarungspslicht ausdrücklich erwähnen, so besteht die Gefahr, daß die Begriffe rechtlich und sittlich bei der Unterlassung im allgemeinen gegen­ einander ausgespielt werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte glauben, daß wir eine Zurückentwick­ lung der Rechtsprechung in diesem Punkt nicht zu befürchten haben, und daß wir es deshalb insoweit bei der Regelung des ResEntw. belassen könnten. Professor Dr. Mezger: D as Reichsgericht hat bisher bei der Unterlassung im allgemeinen eine Rechtspflicht zum Handeln ver­ langt. Beim Betrug bestand aber schon immer eine sehr starke Neigung zur Anerkennung auch der sitt­ lichen Offenbarungspflicht. Heute ist diese Neigung noch gewachsen. Ich halte es für ausgeschlossen, daß hier eine Umkehr erfolgt.

Ministerialdirektor Schäfer: Ich glaube, es liegt auch nicht in einer Ebene. Die Bestimmung über die Unterlassung im Allge­ meinen Teil gilt für Delikte wie den Mord; die Unterlassung in diesem Zusammenhange ist etwas ganz anderes. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: F ür den Kreditbetrug erwärmt sich also niemand, er soll kein Spezialdelikt sein. Professor Dr. Dahm: Man könnte vielleicht in § 343 als Schlußsatz einfügen: „Als arglistige Täuschung gilt auch das sittenwidrige Verschweigen." Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich würde es nicht tun, weil wir den Begriff damit seines In h a lts beraubten. Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Eine besondere Betrachtung verdient der Prozeßbetrug. Die herrschende Auffassung und die Recht­ sprechung geht bekanntlich dahin, daß der Getäuschte und der Geschädigte nicht identisch sein müssen und infolgedessen Betrug auch durch Täuschung des Richters begangen werden kann. Ich halte die E in­ beziehung dieser Fälle in den Tatbestand des Betruges für bedenklich. Das Wesentliche und eigentlich S tra f­ würdige ist hier nicht die Schädigung eines anderen, sondern die Täuschung der Behörde, der Mißbrauch des Richters. Ein „Betrug", der auf diesem Wege begangen wird, hat im Grunde mit einer normalen Krebiterschleichung oder einem Heiratsschwindel nichts zu tun. Aber abgesehen von grundsätzlichen Bedenken dieser Art führt die herrschende Lehre zu praktisch unbefriedigenden Ergebnissen. Da der Betrug vor­ aussetzt, daß jemand an seinem Vermögen geschädigt wird, so kann auf diesem Wege nur die Täuschung des Zivilrichters, nicht aber die des Strafrichters erfaßt werben. Auch Begünstigung und Freiheits­ beraubung liegen keineswegs immer vor, wenn der Zeuge im Strafverfahren die Unwahrheit sagt. Der Zeuge im Zivilprozeß könnte dagegen wegen Betruges bestraft werden. Ich halte diese Unterschei­ dung für ungerecht, da das eigentlich Strafwürdige in beiden Fällen die Täuschung des Richters ist und somit kein Anlaß besteht, zwischen beiden Versahrensarten zu unterscheiden. Aber auch im Zivilprozeß führt die herrschende Auffassung zu unerträglichen Ergebnissen. So ver­ langt die Rechtsprechung bekanntlich ein Hinausgehen über die reine Parteibehauptung. Wenn der Richter auf Grund einseitigen Parteivorbringens verurteilt, so soll angeblich kein Betrug vorliegen, weil der Kausalzusammenhang durch die Fahrläsigkeit des Richters unterbrochen werde. M an hat mit Recht darauf hingewiesen, daß das RG. sich mit diesen Entscheidungen zu den sonst anerkannten Kausalitäts­ vorstellungen in Widerspruch setze. Man muß aber damit rechnen, daß die Rechtsprechung an ihrem Standpunkt festhält und auch in Zukunft das einseitige Parteivorbringen, auch das Vorbringen im Rahmen der Parteivernehmung nicht bestrafen wird. Auch das

ist unbefriedigend und legt die Frage nahe, ob es hier nicht einer Regelung im Gesetz bedarf. Es kommt hinzu, daß der allgemeine Vorsatzbegrifs für diese Fälle nicht paßt. Wer unrichtige Behauptungen aus­ stellt und dabei die Möglichkeit „in Kauf nimmt", daß seine Behauptung unrichtig ist, darf nicht wegen Betruges bestraft werden. Denn der Kläger ist nach der ganzen Struktur unseres Zivilprozesses keines­ wegs verpflichtet, von sich aus auf Zweifel und Un­ sicherheiten hinzuweisen, die seinen Standpunkt schwächen könnten. Alle diese Überlegungen legen die Frage nahe, ob man nicht diese ganze Materie aus dem Betrüge herausnehmen und eine Sonderregelung treffen sollte. Ich bitte also, noch einmal zu prüsen, ob nicht die falsche uneidliche Aussage vor Gericht unter Strafe zu stellen ist. Damit würde der unmögliche Begriff des Prozeßbetruges überflüssig. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Professor Dahm nur anschließen. Ich darf daraus Hinweisen, daß bei Beratung der Eidesdelikte die Praktiker dringend verlangt haben, daß auch die unbeeidigte falsche Aussage grundsätzlich bestraft wird. Daß die unbeeidigte falsche Behauptung im Prozeß schon heute unter dem Gesichtspunkt des Prozeßbetrugs strafrechtlich ersaßt werden kann, hat erst kürzlich Herr M inisterialrat Rietzsch in der Deutschen Justiz treffend nachgewiesen. Eine besondere Bestimmung ist hier nicht erforderlich. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Ausführungen von Herrn Professor Dahm reichen weit über den Zivilprozeß hinaus. Das Preußische Innenministerium greift noch weiter und spricht vom Behördenbetrug. Der Grundgedanke wäre der: M an darf eine Behörde nicht anlügen! Ministerialdirektor Schäfer: Der Prozeßbetrug ist hier nur ein Teil des Be­ hördenbetruges. D as Preuß. Innenministerium weist auf drei Gruppen von Fällen hin, in denen nach seiner Auffassung die Regelung des Betrugs im S traf­ gesetzbuch Lücken hat. Es heißt in dem Schreiben: „Geschützt ist nach dem geltenden Betrugsrecht in erster Linie der Privatm ann, der durch Er­ regung eines Irrtu m s zu ungünstigen Vermö­ gensdispositionen veranlaßt wird. Ich bin der Auffassung, daß im Sinne eines weitergehenden Schutzes der Gemeinschastsinteressen auch der Be­ hördenbetrug unter Strafe gestellt werden muß. Ein derartiger Behördenbetrug ist beispielsweise gegeben, wenn jemand, um eine rechtlich vorge­ sehene Erlaubnis zu erhalten, unrichtige Angaben macht, desgleichen, wenn er in dieser Weise ver­ fährt, um sich einem behördlichen Zugriff zu ent­ ziehen. Fälle der ersteren Art haben teilweise schon jetzt eine gesetzliche Regelung gefunden. Ich verweise beispielsweise auf § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Riff. 2 des Gaststättengesetzes vom 28. April 1930 (RGBl. I S . 146), wonach die Schankerlaubnis zurückgenommen werden muß, wenn sie der Be­ triebsinhaber vorsätzlich durch unrichtige Angaben erwirkt hat, und wonach die Erlaubnis zurückge­

nommen werden kann, wenn sie der Betriebs­ inhaber durch Angaben erwirkt hat, deren Unrich­ tigkeit er bei Anwendung der erforderlichen S org­ falt hätte kennen müssen. Gewerbepolizeiliche Auswirkungen sind in diesem Falle somit vor­ gesehen. Es fehlen aber strafrechtliche Folgen. M . E. sind auch diese einzuführen, zum mindesten dann, wenn vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht sind, um eine Erlaubnis zu erwirken. D er be­ trügerische Wille ist in derartigen Fällen genau so vorhanden wie im Falle des § 263 S tG B . Die Störung der Rechtssicherheit geht noch weiter. Denn eine behördliche Erlaubnis ist nur dann vorgesehen, wenn öffentliche Interessen eine E in­ schränkung oder Überwachung bestimmter Vor­ gänge notwendig machen. Abgesehen von diesen Fällen, in denen durch vorsätzliche oder etwa auch durch fahrlässige An­ gabe unrichtiger Tatsachen eine rechtlich vorge­ sehene Erlaubnis erwirkt ist, wird eine Strafe auch in den Fällen einzuführen sein, in denen vorsätzlich durch die Erregung eines Irrtu m s eine rechtlich vorgesehene behördliche Bescheinigung erwirkt ist. I n diesen Fällen wird das Strafm aß allerdings geringer sein können als in den an erster Stelle angeführten Fällen. Daneben bitte ich zu erwägen, ob nicht eine S trafe auch für diejenigen Fälle vorgesehen werden kann, in denen jemand bewußt durch E r­ regung eines Irrtu m s sich einem behördlichen Zugriff, der an sich gerechtfertigt ist, entzieht. Es sind beispielsweise Fälle vorgekommen, daß die Aussteller von Glücksspielapparaten ein frei­ sprechendes Erkenntnis des Reichsgerichts in einer privat angefertigten Abschrift dahin geändert haben, daß sie an Stelle des Namens, den der Apparat, auf den sich das freisprechende Erkennt­ n is bezog, führte, den Namen eines anderen Apparats einsetzten, und nun diesen Apparat ur Aufstellung brachten, wobei sie die kontrolierenden Polizeibeamten durch Vorzeigen der geänderten Urteilsabschrist von einem Einschreiten abhielten. Auch in diesen Fällen tritt ein der­ artiger Grad eines verbrecherischen Willens in Erscheinung, daß ich eine Strafandrohung für angebracht halte. Ich bin mir dabei bewußt, daß die Abgrenzung des unter Strafe zu stellenden Tatbestandes nicht ganz leicht ist." Die erste Gruppe ist der erweiterte Anwendungs­ fall des Prozeßbetruges, sie hat als Merkmal, daß eine falsche Entscheidung gefällt wird. Die zweite Gruppe betrifft das Herbeiführen einer Bescheinigung, und die dritte Gruppe hat zum Gegenstand, daß durch Täuschung Behörden vom Eingreifen abgehalten werden. D as in einem Tatbestand zusammenzufassen, ist sehr schwierig. Wir haben einmal versucht, einen Tatbestand zu formulieren, der uns aber keineswegs befriedigt hat; er lautet: „Wer, abgesehen von den Fällen des Betruges, aus Eigennutz — oder, so können wir vielleicht sagen, in der Absicht, sich ungerechtfertigt zu bereichern — einen Amtsträger oder eine Behörde durch Täuschung über Tatsachen zu einer amtlichen Handlung, Duldung oder Unter­ lassung bestimmt, wird bestraft". Der Tatbestand ist

sehr weit. Es könnte z. B. auch darunter fallen, daß ein Beamter durch unrichtige Angaben einen Urlaub von seiner Behörde erschleicht. Professor D r. Dahm: Ich wäre damit einverstanden, nur möchte ich die Worte „abgesehen von den Fällen des Betruges" streichen. Denn sonst bleibt der Prozeßbetrug erhalten. Geheimer Regierungsrat D r. Schäfer: Auch wenn S ie die Worte streichen, besteht trotz­ dem Gesetzeskonkurrenz. Senatspräsident Profeffor Dr. Klee: Ich würde es nicht für richtig halten, die Frage des Behördenbetruges mit der des Prozeßbetruges irgendwie zu verkoppeln. Wenn wir vom Prozeßbetrug nichts sagen, dann fällt er unter § 343. Bei der Ab­ lehnung der Bestrafung uneidlicher Aussagen haben wir darauf hingewiesen, daß die Lücke durch den Prozeßbetrug ausgefüllt wird. Ich kann die Schwie­ rigkeiten und Unebenheiten, die Herr Profeffor Dahm angeführt hat, nicht für genügend ansehen, um darauf zu verzichten. Die Lage beim Prozeßbetrug hat sich ganz verschoben, weil jetzt die Partei quasi als Zeuge vernommen wird, also freie Beweiswürdigung eintritt. Hierdurch hat das Anwendungsgebiet des Prozeßbetruges eine starke Ausdehnung erfahren. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich verstehe die Ausführungen bezüglich der veränderten Rechtslage dahin: Wenn ich aus den Urteilsgründen sehe, daß eine Ausführung einer P artei für wahr gehalten wird, und wenn ich weiß, daß die Partei dolos gelogen hat, dann ist die Fest­ stellung des Betruges einfacher und leichter als früher beim Parteieid. Das hat schon etwas für sich, weil ich den Kausalverlaus jetzt dem Urteil entnehmen kann. Die Meinung ginge dahin, daß das, was hier Behördenbetrug genannt ist, nicht im Zusammen­ hange mit dem Betrug zu behandeln ist; das scheint mir auch richtig zu sein. Profeffor Dr. Dahm: Die Frage des Prozeßbetruges ist eine Frage der Auslegung des Gesetzes; die Auslegung wird hoffent­ lich gegen dieses Monstrum Sturm laufen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Also, was wir Behördentäuschung nennen, soll hier nicht auftreten; es gehört wohl in den Abschnitt „Sicherung von Rechtspflege und Verwaltung". Staatssekretär Dr. Freisler: E s erscheint mir gekünstelt, in der Täuschung des Richters einen Betrug zu sehen. Die natürliche Aussaffung ist die, daß der Richter zum Nachteil des Gegners betrogen wird. Ich halte es überhaupt für richtig, den Prozeßbetrug weder an dieser Stelle besonders zu erwähnen noch überhaupt unter dem Gesichtspunkt des Betruges zu betrachten. Es geht nicht an, zivilistisches Denken aus die Hoheitswerte zu übertragen. Berichterstatter Profeffor Dr. Dahm: Der Vorschrift über den Notbetrug stimme ich zu. Sie stellt ein Gegenstück zur Vorschrift über den

Mundraub dar und erfaßt harmlosere Täuschungs­ fälle, in denen der Täter einer außergewöhnlichen Versuchung erliegt und nur unerheblichen Schaden anrichtet. Ich würde einer solchen Bestimmung auch den Vorzug geben vor einer Sonderregelung der Zechprellerei, des Logisschwindels und ähnlicher Sondersälle, die in älteren Entwürfen und manchen Auslandsrechten hervorgehoben werden. Es ist zu überlegen, ob das Gesetz sagen soll, wer in Not gewesen sein muß. Heute ist umstritten, ob der Täter selbst Not leiden muß, oder ob es genügt, wenn ein D ritter sich in Not befindet. Ich habe in meinen Leitsätzen einen entsprechenden Vorschlag gemacht und darf daraus verweisen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: Auch ich halte eine Sonderbehandlung des Not­ betrugs im künftigen Strafgesetzbuch für angezeigt, schon wegen der sozialen Bedeutung, auch weil die Strafandrohung des § 343 RefEntw. für solche Fälle zu schwer ist. Der Tatbestand ist dem des § 343 anzu­ passen. Dadurch wird klargestellt, daß zur Vollendung die Schädigung genügt und die Vorteilserlangung nicht erforderlich ist, daß aber das Streben nach jedem Vorteil, nicht mehr nur nach körperlichen Gegen­ ständen hier strafbar macht. Der Täter muß aus Not, d. h. gedrängt durch eine Notlage betrügen und nur geringen Nachteil zufügen. Gewerbsmäßigkeit kann hier nicht in Frage kommen. Als Strafe wird hier nur Haft vorzusehen sein; damit wird auch die Verhängung von Geldstrafe möglich (vgl. Vorschläge der UK. 18, Fußnote 3). Ob Voraussetzung der Verfolgung ein Verlangen des Verletzten sein soll, wird wesentlich von der allge­ meinen Einstellung der Kommission zu dieser Frage abhängen. Hier hat die Allgemeinheit, wie schon die angedrohte Strafe zeigt, kaum Jntereffe an der Be­ strafung, in der Regel wird schon nach dem Grundsätze des § 153 S tP O , die Verfolgung zu unterlaffen sein. Das Familienband darf durch die Verfolgung solcher geringfügiger Straftaten nicht beeinträchtigt werden, deshalb ist die Bestimmung am Platze, daß ein Notbetrug straffrei bleibt, wenn er gegen einen Angehörigen derselben häuslichen Gemeinschaft ver­ übt ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich wäre auch der Meinung, daß Notdiebstahl und Notbetrug gleichgerichtet sein müssen. Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte glauben, daß die Worte „Wer aus Not betrügt" zwanglos bedeuten: aus eigener oder fremder Not. Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Beim Versicherungsbetrug sind drei Möglichkeiten zu unterscheiden: 1. Der Betrug bei Eingehung des Vertrages: Jemand schließt einen vorteilhaften Versicherungsvertrag in der Absicht, sein Haus alsbald in Brand zu stecken. Es besteht kein Anlaß, diesen Fall gegenüber anderen Fällen des Betruges besonders auszu­ zeichnen. Die allgemeine Regelung genügt.

2. Die betrügerische Ausnutzung des Versicherungs­ falles: Jemand tauscht die Versicherungsgesellschaft bei Ausstellung der Schadensberechnung. Wieder­ um liegt ein echter Betrug vor. Eine besondere Regelung erübrigt sich. 3. Die betrügerische Herbeiführung des Versicherungs­ falles. Hier bedarf es einer besonderen Regelung. Denn ein echter Betrug liegt nicht vor, solange der Täter nicht versucht, die Versicherungssumme ein­ zuziehen. Vielmehr handelt es sich um eine Vor­ bereitungshandlung, die auch nicht durch den Be­ griff des Unternehmens erfaßt wird, wie er im § 32 der UK.-Beschlüffe formuliert worden ist. M an könnte allerdings fragen, ob Vorbereitungs­ handlungen dieser Art besonders unter S trafe zu stellen sind, und ob nicht die Bestimmungen über Brandstiftung, Sachbeschädigung usw. ausreichen. Nun dürfte aber kein Zweifel daran bestehen, daß zum mindesten die Regelung der Brandstiftung im Entw. Lücken läßt. Denn der Entw. verlangt eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum eines anderen. Diese Voraussetzungen brauchen beim „Versicherungsbetrug" keineswegs vorzulie­ gen. Aber auch dann, wenn man die Brand­ stiftungsvorschrift auf Fälle ausdehnt, in denen jemand sein eigenes Haus in Brand setzt, bedarf es einer besonderen Hervorhebung gerade dieser Fälle. Auch die Regelung der Sachbeschädigung läßt Lücken. Denn der Tatbestand der Sachbeschädigung setzt die Beschädigung einer fremden Sache voraus, während hier gerade die Beschädigung eigener Sachen erfaßt werden soll. Der RefEntw. dehnt die Regelung des § 265 S tG B , auf alle Fälle der Versicherung gegen Dieb­ stahl, Beschädigung, Verlust und Untergang aus. I n ­ dessen bleibt der Entw. auf halbem Wege stehen: 1. Nicht getroffen ist die Personenversicherung (Lebens-, Kranken-, Invalidenversicherung). E s ist aber schlechterdings nicht einzusehen, warum bestraft werden soll, wer sein Auto beschädigt, um die Kasko­ versicherung einzuziehen, nicht aber, wer sich verstüm­ melt, um eine Invalidenversicherung auszunutzen. 2. Auch die Vermögensschadenversicherung (Haft­ pflicht-, Kredit-, Rückversicherung usw.) muß erfaßt werden. Hier ist z. B. an den fingierten Diebstahl zu denken. Ein weiterer Mangel des RefEntw. liegt darin, daß nur private Versicherungsgesellschaften und öffent­ liche Versicherungsanstalten geschützt sind, nicht aber die Träger der Sozialversicherung, die Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Landesversicherungsanstalten usw. E s ist jedenfalls zu prüfen, ob nicht die Aus­ nutzung öffentlicher Wohlfahrtseinrichtungen und Anstalten dieser Art ganz allgemein zu bestrafen ist, oder ob die Sondervorschriften, die dafür gelten, genügen. Berichterstatter Landgerichtdirektor Leimer: D as Strafmaß des § 343 reicht wohl aus, auch den Betrug gegen eine Versicherung, bei dem oft das Volksvermögen schwer geschädigt wird, entsprechend zu strafen. D a aber nicht selten schon bei Eingehen von Versicherungsverträgen auf Betrug ausgegangen wird, die Versuchung hier groß ist und meist hohe

Werte und schwere Schädigungen in Betracht kommen, muß hier abschreckend gewirkt und müssen schon die Vorbereitungshandlungen mit Strafe bedroht werden. Dadurch, daß diese Borbereitungshandlungen nicht selten unter ein anderes Strafgesetz fallen oder daß es meist wenigstens zu einem Betrugsversuch kommt, wird die Notwendigkeit, einen solch typischen und leider recht häufigen Fall der Vorbereitungshandlung im Strafgesetzbuch besonders zu behandeln, nicht be­ seitigt (vgl. dagegen Entw. 1909 S . 764). M it Recht schlägt deshalb der RefEntw. auch für das künftige Strafgesetzbuch einen besonderen Tatbestand des Ver­ sicherungsbetrugs vor. I m geltenden Recht beschränkt sich die Vorschrift auf den Brand- und den Seeversicherungsbetrug. Eine solche Beschränkung ist nicht veranlaßt, vielmehr ist der Schutz allgemein aus Versicherungen von Sachen gegen Untergang, Verlust, Beschädigung und Diebstahl und, über den Vorschlag des RefEntw. hinaus, auch auf die Personenversicherung auszu­ dehnen. Gerade im Bereiche der Unfallversicherung kommt die Betrugsvorbereitung häufig vor, ohne daß die Handlung bis zum Versuch durch Geltendmachung des angeblichen Schadens gedeiht. Auch das italie­ nische Strafgesetzbuch hat in Artikel 642 eine dies­ bezügliche Vorschrift. Die Aufnahme eines Tatbe­ standes der Selbstverstümmelung, wie ihn die Preuß. Denkschrift S . 73 vorschlägt, macht die Einbeziehung in den Versicherungsbetrug nicht entbehrlich, weil dort die Absicht, der Volksgemeinschaft die Arbeitskraft zu entziehen, verlangt wird. Der Tatbestand muß das absichtliche Herbeiführen des Versicherungsfalles (Zerstören, Beschädigen der Sache, Selbstverstümmelung), das Vortäuschen des in Wirklichkeit nicht vorliegenden Versicherungsfalles (Beseitigen einer gegen Diebstahl versicherten Sache) und die Ausnützung des nicht ordnungswidrig einge­ tretenen Versicherungsfalles (Verstärken der Schädi­ gung, Beseitigen mitversicherter Sachen, Verstärken der Unfallsolgen) treffen. Zu fordern ist, daß die T at geschieht in der Absicht, sich oder einem anderen die Versicherungssumme zu verschaffen oder den Ver­ sicherer zu schädigen. Wird der Tatbestand soweit ausgedehnt, so kann die grundsätzliche Strafe nicht, wie im geltenden Recht, Zuchthaus sein; es ist Gefängnis anzudrohen, in be­ sonders schweren Fällen zeitiges Zuchthaus ohne Obergrenze. Versuch ist ohne weiteres strafbar (§ 32a Entw. 1934). Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Ausführungen von Herrn Professor Dahm sind für die Stosfausscheidung durchaus einleuchtend gewesen. Die schwindelhafte Abschließung eines Ver­ sicherungsvertrages und die schwindelhafte Schadens­ berechnung gehören nicht hierher; es kommt also nur die schwindelhaste Herbeiführung des Versicherungs­ falles in Betracht. Die zweite Frage ist, auf welche Versicherungen die Bestimmung ausgedehnt werden soll. Da ist kaum einzusehen, daß man eine Versiche­ rung ausnehmen soll. Nicht ganz klar ist mir vor­ läufig die Abgrenzung des Versicherungsbetrugs und des versuchten Betrugs.

Ministerialdirektor Schäfer: Der Versicherungsbetrug ist Vorbereitungstat­ bestand. Vizepräsident Grau: Ich habe in der Praxis wiederholt Fälle des Ver­ sicherungsbetrugs erlebt. Ich habe aber nie verstehen können, aus welchen Gründen das Bedürfnis für einen Sondertatbestand bejaht wird. Denn praktisch wird die Sache immer erst dann, wenn es zum Ver­ such einer Liquidierung des selbst angerichteten Schadens kommt. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich unterstreiche die Gründe, die für einen Soräertatbestand vorgebracht sind, sehr. Keineswegs liegt in den an sich faßbaren Fällen immer ein Be­ trugsversuch vor. Denn häufig braucht der Versicherte gar nichts zur Liquidierung zu tun, weil die Ver­ sicherungsgesellschaft von sich aus tätig wird. Es wird sodann eingewandt, das Strafrecht brauche nicht die Wünsche der Versicherungsgesellschaften zu erfüllen. Darum handelt es sich aber gar nicht, sondern um einen Schutz gegen Angriffe aus das Bolksvermögen überhaupt. Ich erinnere daran, daß die Ausbreitung des Versicherungsbetruges eine Feuerversicherung geradezu unmöglich macht. D as Versicherungswesen als solches ist doch volkswirtschaftlich sehr wünschens­ wert und dem sollte bei der Häufigkeit des Delikts durch einen Sondertatbestand Rechnung getragen werden. Die Formulierung des Merkmals der Absicht muß sehr vorsichtig erfolgen. Ich erinnere daran, daß nicht selten der Brand angelegt wird, um Handwerkern Arbeit zu verschaffen. Auch solche Fälle müssen unter das Gesetz fallen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Vortäuschung eines Versicherungssalles scheint mir ein echter Betrugsversuch zu sein. Aber nehmen wir einmal den Fall an, der bei Ibsen vorkommt: Ein seeuntüchtiges Schiff soll die F ah rt antreten. M an rechnet bestimmt mit dem Untergang und beab­ sichtigt das auch. Gesetzt den Fall, das Schiff könnte rechtzeitig angehalten werden, dann muß die T at doch bestraft werden; es könnte nach dem Strandungs­ paragraphen geschehen, da der Versuch strafbar ist. Staatssekretär Dr. Freister: D as ist wohl nicht der richtige Gesichtspunkt, sondern nur der zufällig zutreffende juristische. Professor Dr. Dahm: Ich wäre auch dafür, daß die Bortäuschung des Bersicherungsfalls ausgenommen wird. Professor Dr. Nagler: W ir hatten uns doch vorgenommen, in weiterem Umfange als bisher Borbereitungshandlungen unter Strafe zu stellen. Wenn wir hier nach dem Vorschlage des Herrn Vizepräsidenten Grau den Paragraphen strichen, würden wir sogar hinter das geltende Recht zurückgehen. Reichsminister Dr. Gürtner: Die T at würde das Herbeiführen oder Vor­ täuschen des Versicherungsfalles sein.

Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: I n der Sozialversicherung gibt es meines Wissens Spezialbestimmungen. F ü r den Fall, daß sich jemand zu unrecht krank meldet, paßt die Zuchthausdrohung nicht. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn Sie die Vortäuschung des Versicherungs­ falles hineinnehmen, machen Sie etwa drei Viertel aller Krankenkassenpatienten strafbar. Professor Dr. Mezger: Bei dem Versicherungssall hilft immer der B e­ trugsversuch. Ich würde hier an dieser Stelle nur die schwersten Fälle treffen und dann auch schwere Strafen vorsehen. Ich bin deshalb gegen die Herein­ nahme des „Vortäuschen". Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: Uber das Vortäuschen müssen geeignete Bestim­ mungen in der Reichsversicherungsordnung getroffen werden; dort ist es meines Wissens auch schon geschehen. Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Die Ausnahme einer besonderen Bestimmung über die Erschleichung freien Zutritts (§ 347 ResEntw.) halte ich für richtig. Ich wäre auch damit einverstanden, wenn diese Bestimmung hinter den Betrug zurücktritt. Nur müßte neben dem Be­ trüge auch der Diebstahl genannt werden, denn § 347 ResEntw. umfaßt auch den sogenannten Automaten­ betrug. Die Ausnutzung eines Automaten kann aber Diebstahl sein, und es ist nicht einzusehen, warum § 347 hinter den Betrug, aber nicht hinter andere Tatbestände zurücktreten soll. Es wäre auch zu er­ wägen, ob man nicht die Subsidiaritätsklausel über­ haupt preisgeben und den Transportbetrug, den Automatenbetrug usw. schlechthin aus der allgemeinen Regelung herausnehmen sollte. Denn es ist nicht recht einzusehen, warum der Warenautomat anders beur­ teilt werden soll als der Leistungsautomat, und warum derjenige, der heimlich in den Zug einsteigt, anders behandelt werden soll als derjenige, der keine Fahrkarte besitzt und die Frage des Schaffners, ob er schon bezahlt habe, bejaht. Staatssekretär Dr. Freister: M ir ist das mit Ausnahme des Automatenfalles unsympathisch. Warum soll das kein Betrug sein? W ir müssen nur die Offenbarungspflicht annehmen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: E s gibt auch Trambahnen, bei denen man sich durch den Einwurf eines Groschens Zutritt verschafft Nehmen wir folgenden Fall: Bei einem mehr­ aktigen Schauspiel werden in der Pause Kontroll­ marken ausgegeben; ein Besucher gibt dieMarke seinem Freund, damit er sich den zweiten Teil ansieht. Als dieser hineingeht, wird nach der Marke nicht gefragt. Früher machten diese Fälle sehr viel Schwierigkeiten. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: Schwarzfahrten, Verschaffen des Z utritts zu einer Veranstaltung oder Einrichtung und Entnahme von

Waren oder anderen Leistungen aus Automaten ohne Entrichtung des vorgeschriebenen Entgelts können in der Regel, obgleich ein dem Betrug verwandter Sach­ verhalt vorliegt, nicht als Betrug bestraft werden, weil es bald an der Täuschung, bald an der schädi­ genden Vermögensdisposition fehlt. Es besteht aber ein Bedürfnis, hier mit Strafe einzuschreiten. Des­ halb ist eine Sondervorschrift nötig. Dem Tatbestand ist wesentlich, daß in der Absicht, die Entrichtung des Entgelts zu umgehen, der Zutritt erschlichen wirb. Wer aus anderen Beweggründen und mit anderem Ziele ohne Zahlung sich Zutritt verschafft, soll nicht unter diese Strafvorschrift fallen. W as die Frage der Subsidiarität dieser Vorschrift gegenüber der Betrugsvorschrift anlangt, so mag richtig sein, daß bei Einführung der Subsidiarität manche Fälle, die wesensgleich sind, eine ungleich­ mäßige Behandlung erfahren werden (so die Entw. bis 1927), allein das gleiche läßt sich schließlich auch gegen die Beseitigung bet Subsidiarität geltend machen; aus Gründen der Gerechtigkeit und der Er­ ziehung ist es geboten, die Ausnahmevorschrist nur da anzuwenden, wo die Betrugsmerkmale fehlen. Professor Dr. Kohlrausch: M. E. muß die Subsidiaritätsklausel überhaupt verallgemeinert werden. Insoweit müßte die Fassung des § 347 ResEntw. lauten: „Soweit nicht nach anderen Vorschriften eine strengere S trafe verwirkt Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, ich muß zu den Spezialtatbeständen noch etwas bemerken. Vor einiger Zeit haben mich Vertreter von Banken aufgesucht und m ir den dringenden Wunsch vorgetragen, einen besonderen Tatbestand des Wechsel- und Scheckbetruges im S traf­ gesetz auszuführen, und zwar in der A rt: „Wer einen Scheck ausstellt, der nicht gedeckt ist, wird bestraft". S ie haben auf das englische Recht verwiesen, in dem eine gleiche Bestimmung bestehen soll. Ich habe die Herren gefragt, worin denn ihr Schade besteht. Sie sagten: D arin, daß sie den Scheck honorieren, obgleich das Konto überzogen sei, und nachher hereinfallen. Auf meine Frage, warum sie denn honorierten, er­ widerten sie, sie täten es, weil es die Konkurrenz auch tue. Ich kann dem nicht folgen. W ir haben auch Fälle, wo die Ausstellung eines ungedeckten Schecks kein Betrug ist, z. B. wenn ein Beamter am 30. einen Scheck ausstellt, und bestimmt sein Gehalt am Ersten bekommt. Haben die Herren aus der P raxis ein Be­ dürfnis für eine solche Bestimmung empfunden? (Die Landgerichtsdirektoren Leimer und Lorenz verneinen.) Staatssekretär D r. Freisler: D ann müßte man viel eher einen Arbeitgeber be­ strafen, der einen Arbeitnehmer in Arbeit nimmt, obwohl er nicht zahlen kann. Professor Dr. Dahm: E s ist noch zu prüfen, ob neben der nachteiligen Verfügung über das Vermögen auch die nachteilige

Verwertung der Arbeitskraft ausdrücklich erwähnt werden soll. Ich erinnere an den Vorfall, der der Entscheidung des Reichsgerichts in RG. 25, 371 zu­ grunde lag. Ich würde es begrüßen, wenn die Kommission sich mit einer solchen Erweiterung ein­ verstanden erklärte. Staatssekretär Dr. Freisler: Herr Professor Dahm hat auf den Hauptmangel des Betrugstatbestandes hingewiesen. E s wäre zwar sehr schön, den Betrug aus der Sphäre des reinen Vermögensdelikts herauszuheben; ich halte es aber für richtiger, die Schädigung der Arbeitskraft durch Täuschung in dem Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft" besonders zu regeln. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir sollten erfreut sein, wenn wir in den Abschnitt „Schutz der nationalen Arbeitskraft" wirkliche T at­ bestände bekommen; da scheint mir dieser einer der markantesten zu sein. Es bliebe nur noch die Frage des Betruges unter Angehörigen, § 249; hier soll nur auf Verlangen verfolgt werden. Professor Dr. Dahm: Ich bin — abgesehen von grundsätzlichen Be­ denken gegen das ganze Rechtsinstitut — gerade hier dagegen, daß die Strafverfolgung vom Verlangen des Verletzten abhängig gemacht werden soll. Denn gerade diese Bestimmung wäre geeignet, Unfrieden in der Familie zu stiften. M an sollte auch hier das Lega­ litätsprinzip preisgeben. Professor Dr. Kohlrausch: Beim Diebstahl hat es seinen S in n , auf die häus­ liche Gemeinschaft abzustellen. Bei der Untreue und beim Betrug ist es sinnwidrig. M an denke an den Studenten, der an einer auswärtigen Universität studiert und von seinem Vater einen höheren Wechsel erschwindelt. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich stimme Herrn Profeffor Kohlrausch zu; denn ich vermag nicht einzusehen, warum auch beim Betrug die grundsätzliche Strafmilderung auf das Zusammen­ leben in häuslicher Gemeinschaft beschränkt sein soll. Reichsjustizminister Dr. Gürtuer: Wenn der Student an seinen Vater unter falschem Vorwände nach Geld schreibt, darf man das wohl nicht anders behandeln. Ich darf bekanntgeben, wie ich mir die Zusammen­ setzung der Unterkommission gedacht habe; für die Untergruppe 4 (Diebstahl, Raub, Hehlerei, Erpressung, Sachbeschädigung) die Herren Kohlrausch, Reimer, Rietzsch, von Dohnanyi, für die Untergruppe 5 (Be­ trug und Untreue) die Herren Dahm, Leimer, Rietzsch und von Dohnanyi. Die Untreue würden beide Kommissionen zusammen behandeln. (Schluß der Sitzung 19 Uhr 55 Minuten.)

Strafrechtskommisfion

51. Sitzung 25. September 1934 (Oberhos) Inhalt Urkundenfälschung Reichsjustizminister Dr. Gürtner

1. 4. 6. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 15. 16 Berichterstatter Professor Dr. Nagler 1. 4. 7. 9. 10. 11. 12. 13 Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz 4. 10. 12. 15 Ministerialdirektor Schäfer ........................ 6. 9. 10. 11. 12 Professor Dr. Mezger ......................................... 7. 9. 11. 12 Senatspräsident Professor Dr. Klee 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13 Professor Dr. Kohlrausch ................................. 7. 8. 9. 10. 16 Professor Dr. Gras Gleispach ......................................... 7. 12 Professor Dr. Dahm ............................................. 8. 9. 11. 12 Sächsischer Justtzminister Dr. Thierack........... 8. 10. 11. 13 Ministerialdirektor Dr. Dürr ......................................... 12. 13 Staatssekretär Dr. F reister............................................. 12. 15 Geheimer Regierungsrat Ministerialrat Dr. Schäfer ... 12

Beginn der Sitzung 9 Uhr. Anwesend sind dieselben Herren wie in der 40. Sitzung. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Meine Herren, wir kämen heute zur Urkunden­ fälschung. Berichterstatter sind die Herren Professor Dr. Nagler und Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz. Berichterstatter Professor Dr. Nagler: Um die systematische Stellung der Urkunden­ fälschung festzustellen, muß ich mit dem zu schützenden Rechtsgut beginnen. F ü r die Urkundenfälschung ist gelegentlich ein einheitliches Angriffsobjekt in Abrede gestellt und vorgeschlagen worden, den Abschnitt in einzelne Sprengstücke aufzulösen und die Anwendung einer unechten Urkunde als Qualifikationsmerkmal des Betrugs, der Freiheitsberaubung und sonstiger Verbrechen zu gebrauchen (so z. B. nach Weismann). E s bleiben aber auch bei diesem Verfahren selbstän­ dige Reste übrig, die anderwärts nicht unterzubringen sind. Schon daran erkennt man, daß mit der Auf­ lösung des Abschnitts praktisch nicht durchzukommen wäre. Es gehört heute zu dem gesicherten Bestand unserer Dogmatik, daß bei der Urkundenfälschung in der T at ein einheitliches, selbständiges Angriffsobjekt vorhanden ist. Es handelt sich hier in Wirklichkeit nicht nur, wie (z. B. in der Preuß. Denkschrift) gesagt worden ist, um Angriffe auf das Vermögen oder auf die publica fides. D as Angrifssobjekt ist vielmehr die Sicherheit und die Reinheit, die Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs. Deshalb wird die Materie am

besten im unmittelbaren Anschluß an den 12. Abschnitt, Schädigung der Rechtspflege, behandelt. Die Urkundendelikte gehören heute noch zu den schwierigsten und kontroversenreichsten Tatbeständen des Strafgesetzbuchs. Die Schwierigkeiten liegen hauptsächlich in der Unsicherheit über den Begriff der Urkunde sowie in der Verwendung des Begriffes „falsch", der eine vox media bedeutet. W ir sind heute in einer glücklicheren Lage als der Gesetzgeber von 1870, weil die Wissenschaft inzwischen die Materie dogmatisch im wesentlichen erschlossen und damit grundlegend der neuen Gesetzgebung vor­ gearbeitet hat. Deshalb ist der Abschnitt „Urkunden­ fälschung" in allen bisherigen Entwürfen an sich gut gewesen, und als bestgelungene Partie oft gerühmt worden. Auch ich bin mit dem RefEntw. grundsätzlich einverstanden. Nur möchte ich bemüht bleiben, einen strafferen Zusammenhang und allerlei Vereinfachun­ gen zu erreichen. Der RefEntw. gibt eine Definition der Urkunde in § 9 Ziff. 9 im Anschluß an das Beweisrecht und betont für den Urkundenbegrisf mit Recht das E r­ fordernis der Schriftlichkeit und zieht damit die feste Grenze zu den bloßen Beweiszeichen. Die Schrift­ lichkeit sollte eine Selbstverständlichkeit sein, war es aber für das Reichsgericht und einen Teil der Doktrin bisher noch nicht, obwohl im germanischen Recht über die Carolina und das gemeine Recht bis zum Preußischen Strafgesetzbuch der Urkundenbegriff an das Merkmal der Schriftlichkeit gebunden gewesen ist. Erst den Motiven zum Reichsstrafgesetzbuch war es vorbehalten, die begriffliche Begrenzung auf Schrift­ stücke preiszugeben. Der Gesetzgeber von 1870 befand sich freilich insofern in einer schwierigen Lage, als schon das Preußische Obertribunal den Begriff der Urkunde p e r analogiam aus bloße Beweiszeichen aus praktischen Bedürfnissen heraus ausgedehnt hatte und es 1870 noch nicht gelang, einen besonderen Beweis­ zeichenschutz auszurichten. Daher mußte auch das Reichsgericht in große Schwierigkeiten geraten. Bei Beweiszeichen-Fälschungen stand es vor der Alter­ native: Entweder Urkundenschutz oder gar kein S tra f­ schutz. D as Reichsgericht wurde so schließlich dazu abgedrängt, die Beweiszeichen (im weitesten Um­ fange) als nicht schriftliche Urkunden zu schützen. Die Ausdehnung des Urkundenbegrisss auf NichtSchriftstücke (alle „Gegenstände") entsprang eben einem gewissen Notstand: Es sollte den Beweiszeichen ein als notwendig empfundener Strafschutz gewährt werden. Volkstümlich blieb freilich nur die schriftliche Urkunde. Denn kein Laie begreift, daß Hausmarken, Farbzeichen, Strohwische, Zollplomben, die Löcher in der Stechuhr und dergleichen Urkunden, zum Teil sogar öffentliche Urkunden sein sollten. W ir scheiden mit der Schriftlichkeit zunächst die sogenannten ,^9eweiszeichen" aus dem Urkunden­ bereich aus. Sie sind nicht Schriftstücke, sondern eben Zeichen oder Symbole, enthalten keinen eigenen Ge­ danken, sind also aus sich selbst heraus nicht verständ­ lich und lassen auch den Aussteller oft nicht erkennen, sie sind sogar meist anonym. Auch sie sind mehr als Augenscheinsobjekte, nämlich persönliche Beweismittel, allerdings solche niederen Ranges.

Gegen die Definition der Regierungsvorlage sind zwei Ausstellungen zu machen: Erstens gewinnt es den Anschein, als ob der Aussteller der Urkunde ignoriert werde oder jedenfalls zu kurz komme. Wie zum Zeugnis der Zeuge gehört, so zur Gedankenäußerung der Erklärende, also zur Urkunde die Unter­ schrift des Ausstellers. S eit dem Bayerischen S traf­ gesetzbuch hat sich die solenne Unterschrift allmählich verflüchtigt. Heute genügt jede Kennzeichnung des Autors. Insbesondere erfordert das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung, daß der Aussteller entweder ausdrücklich bezeichnet oder aber irgendwie aus der Urkunde erkennbar sein muß. Ich befürworte, daß der Aussteller in der Definition stärker hervortritt, als es in § 9 Ziff. 9 der Fall ist. Zweitens beschränkt sich die Definition des RefEntw. aus die „Absichts­ urkunde", also eine Urkunde, die von Ansang an die Beweisbestimmung erhalten hat. M ithin fällt die „Zusallsurkunde" aus, also diejenige, der die Beweis­ bestimmung erst nachträglich beigelegt worden ist. D as Reichsgericht hat diese Zufallsurkunde von jeher als schutzwürdig, und geschützt ausdrücklich anerkannt. Schon die Begründungen zu den Entwürfen von 1925 und 1927 schieden die Zufallsurkunde aus, da die Fälschung einer Zusallsurkunde nur die Wahrheits­ erforschung bei einem bestimmten Anlaß gefährde; sei dieser Anlaß vorüber, so sei das gefälschte Schriftstück wieder so bedeutungslos wie vorher. Eine solche Fälschung gefährde mithin nicht die Sicherheit des Rechtsverkehrs im allgemeinen, sondern nur eine be­ stimmte, konkrete Beweisführung. D as der Urkunden­ fälschung im engeren Sinne charakteristische Moment dauernder Gefährdung und unbestimmter Tragweite fehle hier. Gewiß seien auch solche Fälschungen in der Regel strafwürdig und der Strafe bedürftig. Aber diesem Bedürfnis könne, soweit die vielfach schon unter einem anderen Gesichtspunkt mögliche Be­ strafung nicht ausreiche, durch besondere Strafbestim­ mungen besser abgeholfen werden als dadurch, daß man solche Beweisfälschungen der Urkundenfälschung schlechthin gleichstelle. Diese Beweisführung geht aber fehl, da die Absichtsurkunde nur für eine ganz konkrete Beweiserbringung bestimmt sein kann. W ir müssen daher die Frage: Soll auch die Zu­ fallsurkunde, sobald sie in den rechtlichen Verkehr eingeführt worden ist, vom Urkundenbegrisf mit um­ faßt werden? anderweit und ganz selbständig prüfen. Dagegen könnte das Bedenken erhoben werden, daß der Zeitpunkt zweifelhaft sei, in dem der Zufalls­ urkunde (z. B. dem Reise- oder Liebesbrief) die Be­ weisbestimmung nachträglich beigelegt worden sei. F ü r die Anerkennung sprechen dagegen überwiegende Gründe. Einmal die geschichtliche Entwicklung. An­ erkannt ist die Zufallsurkunde bereits seit dem 18. Jahrhundert. Sie stand also bereits 200 Jahre der Absichtsurkunde gleich. Dafür ist weiter das praktische Bedürfnis, also die Sicherheit des rechtlichen Verkehrs, geltend zu machen. Die Zusallsurkunde ist von jeher in und außer dem Prozesse der Absichtsurkunde völlig gleichgestellt und als gleichwertig behandelt worden. E s ist endlich darauf zu verweisen, daß die Funktionen der Zufallsurkunde vom Augenblick der Beilegung der Beweisbestimmung rechtlich ganz die gleichen wie die der Absichtsurkunde sind. Auch in der Wissenschaft hat

sich die weitaus überwiegende Meinung für die Urkunden-Qualität der Zufallsurkunde entschieden; vor allem ist Binding stets dafür eingetreten. I n aus­ ländischen Rechten ist die Zufallsurkunde ebenfalls voll anerkannt, so z. B. in Frankreich und in den schweizerischen Entwürfen. Ich würde also die Urkunde etwa dahin definieren: eine Schrift, die eine rechtlich erhebliche (zum Beweis bestimmte), vom Aussteller bekundete Gedankenäußerung enthält. M ir will nachträglich der Ausdruck „bekundete Ge­ dankenäußerung" glücklicher erscheinen, als der in meinen schriftlichen Vorschlägen gewählte Ausdruck „bezeugte" Gedankenäußerung. Die zweite Aufgabe liegt in der Klarstellung des Wortes „falsch" und weiter auch von allem, was damit zusammenhängt. D as Wort „falsch" ist zur Quelle zahlreicher Mißhelligkeiten und zur Gefahr ständiger Verwechslungen geworden. Die neuere Dogmatik vermeidet daher in der Urkundenlehre den Ausdruck „falsch" als zwiespältig und darum miß­ verständlich; sie unterscheidet scharf zwischen der unechten und der unwahren Urkunde. Von un­ echten Urkunden handeln die Urkundenfälschung (§§ 267 ff. StG B .), von unwahren die Falsch- oder besser Lugbeurkundungen (§§ 348 Abs. 1, 271, 278 StG B .). Der Reg.Entw. bezeichnet die unechte Ur­ kunde noch immer als „gefälschte oder verfälschte Urkunde". Es empfiehlt sich, diese schwerfällige, oft mißdeutige Wendung durch die präzise Fassung „unechte Urkunde" zu ersetzen und statt von „un­ richtiger" Urkunde (z. B. § 204) von „unwahrer" zu sprechen. Ich bin der Meinung, daß man an den beiden Grundgedanken: „Unechtheit und Unwahrheit" unter allen Umständen festhalten sollte. Legt man diesen dogmatisch längst gesicherten Sprachgebrauch zugrunde, so wird sich zugleich eine wesentliche Ver­ einfachung der Tatbestände erzielen lassen. I n meinen schriftlichen Vorschlägen habe ich die echte Urkunde definiert. Ich bin jetzt jedoch der Meinung, daß es besser ist, wenn die Unechtheit der Urkunde definiert wird, und zwar schlage ich folgende Fassung vor: Unecht ist die Urkunde, wenn und soweit sie von einem anderen als dem als Aussteller E r­ scheinenden herrührt. Unwahr ist die Urkunde, die zwar von dem als Aus­ steller Erscheinenden herrührt, aber inhaltlich unzu­ treffend ist. S ie enthält eine schriftliche Lüge. Ich möchte noch einmal hervorheben, daß ich „unwahr" für bester halte als „unrichtig". Auf diesem Gegensatz: „unwahr — unecht" sollten wir unsere ganze Urkundenlehre ausbauen. D as wäre das Grundsätzliche. Ich komme nun­ mehr zu den einzelnen Gruppen der Urkundsdelikte. Ich habe die Gruppierung so vorgenommen, daß ich zuerst die unechten Urkunden behandelt habe. D ann habe ich die unwahren Urkunden (also den Komplex um die Lugbeurkundungen), weiter die Nebentatbestände: Gebrauch fremder Ausweise, Her­ stellung und Gebrauch unechter und unwahrer öffent-

licher Beglaubigungszeichen, die Vorbereitungshand­ lungen und schließlich die Unterdrückungsdelikte an­ geschlossen. Wir kommen also zunächst zum Echtheits- oder sogenannten Formschutz. Die Urkunde ist eine rechtlich erhebliche Gedanken­ äußerung des Ausstellers. Es schwingt folglich alles um die Person des Autors. Nach ihm richtet sich der Beweiswert der Urkunde. Bei der Urkundenfälschung wird der Anschein erweckt, als ob ein anderer als der wirkliche Aussteller die Urkunde hergestellt habe. Der Angriff auf die Reinheit des Beweisverkehrs wird mit der Anwendung des Falsifikats geführt. Der Akzent ruht also ganz auf dem Beweisgebrauch der Urkunde. E r umspannt auch den außerbehördlichen Beweisgebrauch, im praktischen Leben ist dieser der bei weitem häufigere. Es liegt nun nahe, die Urkundenfälschung zweiaktig zu entwickeln. So stellt § 267 S tG B , die Urkundenfälschung zweiaktig dar, während § 270 die einaktige Urkundenfälschung ent­ hält. Den zweiaktigen Tatbestand hatte schon das gemeine Recht — wenigstens in seiner letzten Phase — geformt; ihn geben auch das italienische S tG B , und einige Schweizer Entwürfe wieder. Der RegEntw. trennt die physische von der rechtlichen Produktion der Urkunde, er legt beide Akte auseinander und ver­ selbständigt sie. E r kennt mithin nur noch die ein­ aktige Urkundensälschung (§ 203 Abs. 2). Diese F o r­ mulierung entspricht dem Sachsenspiegel und heute noch dem französischen Recht; frühere Entwürfe haben geschwankt. Die technische Frage — Ein- oder Zweiaktigkeit — ist auch in der Doktrin scharf umstritten. Im m er aber wird daran festgehalten, daß in der An­ wendung der unechten Urkunde zwecks Beweis­ täuschung die eigentliche kriminelle Substanz zu finden ist; denn erst mit diesem Gebrauch wird das Angrisfsobjejkt — die Sicherheit des „Rechtsverkehrs" oder besser des „Beweisverkehrs" — verletzt. Die Anfertigung der unechten Urkunde ist in der Regel erst Vorbereitungsakt zu diesem Verletzungstat­ bestand, vorausgesetzt, daß dabei die Absicht des Ge­ brauchs zur Beweistäuschung bereits besteht. F ü r sich allein bedeutet sie höchstens eine Gefährdung des Beweisverkehrs. D araus folgt, daß die Herstellung der unechten Urkunde weniger strafwürdig ist als deren Anwendung. Ich trete also grundsätzlich dem Entwurf bei, möchte aber die physische Produktion leichter bestraft wissen als die rechtliche. Die Anfertigung allein erscheint mir nicht in demselben Maße strafwürdig wie der Gebrauch zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr. Interessant ist, daß der Gegenentwurf diese Vorbereitungshandlung sogar ganz straflos lassen wollte, ähnlich verfahren Norwegen und Eng­ land (nach common law). Ich empfehle daher folgenden Text: § 203 (Herstellung einer unechten Urkunde.) Wer eine unechte Urkunde mit der Absicht, daß sie zu einer Täuschung im Rechtsverkehr ge­ braucht werde, herstellt, wird mit Gefängnis bestraft. Der Versuch ist strafbar.

I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Ich habe ursprünglich den Ausdruck „Absicht" nicht gebrauchen wollen, um Mißverständnissen bei der Auslegung vorzubeugen. Ich habe mich aber schließlich doch entschlossen, den Ausdruck „Absicht" einzufügen, da er präziser ist. Bei der Wendung „Beweistäuschung" — an sich bevorzuge ich diesen Ausdruck — sind mir Bedenken gekommen, weil vielleicht das Mißverständnis aufkommen könnte, als sei damit nur der Prozeßverkehr gemeint. Was den Dolus anlangt, so findet sich in dem Tatbestand nicht mehr die Wendung „rechtswidrige Absicht". Diese Einschränkung ist schon von dem RegEntw. mit Recht als unbegründet ausgegeben worden. Der Dolus muß die Herstellung der Urkunde zum Zwecke der Beweisführung umfassen. Mein § 203a: Wer eine unechte Urkunde zu einer Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht, wird mit Gefängnis nicht unter einem M onat bestraft. Der Versuch ist strafbar. I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren entspricht dem § 203 Abs. 2 des RefEntw. E r handelt vom Gebrauch der unechten Urkunde und erfaßt jedes Falsifikat, nicht nur das in deliktischer Absicht herge­ stellte. D as ist m. E. selbstverständlich. „Gebrauchen" heißt hier soviel wie zugänglich machen. Nun zur zweiten Gruppe: den Lugbeurkundungen. Hier handelt es sich um den Schutz des In h a lts der (echten) Urkunde, also um den „Wahrheitsschutz". Der Strafschutz muß sich hier richten nach den Anfor­ derungen, die wir an die Wahrheitspflicht des Aus­ sagenden von Rechts wegen stellen. Die Lüge ist nicht schlechthin verboten. E s ist hier freilich kein Unterschied zwischen dem mündlichen und dem schrift­ lichen Verkehr. Wahr muß vor allem die öffentliche Urkunde sein, da sie unter der Autorität des S ta a ts geht und darum erhöhten Beweiswert hat. Den T a t­ bestand habe ich in § 203b entwickelt, obwohl wir den Tatbestand schon einmal bei den Amtsdelikten (§ 122d) behandelt haben. Ich habe schon früher zum Ausdruck gebracht, daß der Tatbestand in den Zu­ sammenhang mit der Urkundenfälschung gehört. Selbstverständlich muß § 203b auch für die Amtsträger der öffentlichen Religionsgesellschaften gelten. Die von mir vorgeschlagene Fassung lautet: § 203b (Lugbeurkundung) Ein Amtsträger, der in Ausübung seines Amtes eine unwahre öffentliche Urkunde aus­ stellt, wird mit Gefängnis nicht unter drei M o­ naten bestraft. Der Versuch ist strafbar. I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus. Ich schließe § 204 des RefEntw. und meiner Zählung an: Die bisherige „intellektuelle" Urkunden­ fälschung. Hier handelt es sich um die mittelbare Ur­ heberschaft eines Nichtamtsträgers. Es ist von jeher

bestritten gewesen, ob wir diesen selbständigen Tat­ bestand brauchen oder nicht. Ich bin der Ansicht, daß wir ihn brauchen. D as ist befürwortet worden z. B. auch von Binding. Die Rechtslage ist für uns die gleiche wie im geltenden Recht. W ir benötigen den Tatbestand deshalb, weil ja der mittelbare Täter die Urkunde nicht ausstellt und daber keine Lugbeurkun­ dung begeht. E s fehlt an der Tatbestandsmäßigkeit des § 203b; §§ 28 fs. unseres Entwurfs versagen da­ her. Auch Ita lie n hat diesen Tatbestand ausdrücklich formuliert. Ich möchte ihn übrigens auch deshalb aufrechterhalten, weil er im Verhältnis zu § 203b unter eine mildere Strafe gestellt werden muß. E s ist bisher in der Praxis eine Menge relativ einfacher Fälle unter die entsprechende Bestimmung des gelten­ den Rechts (§ 271 StG B .) zu bringen gewesen. Mein Vorschlag lautet: §204 (Mittelbare Lugbeurkundung) Wer bewirkt, daß ein Amtsträger in Ausübung seines Amtes eine unwahre öffentliche Urkunde ausstellt, wird mit Gefängnis nicht unter einem M onat bestraft. Der Versuch ist strafbar. I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Es schließt sich § 205 an: Gebrauch einer echten unwahren öffentlichen Urkunde zu einer Beweis­ täuschung. Da die Verwendung einer solchen Urkunde ganz gleich schädlich ist, ob sie deliktisch (§§ 203b und 204 meiner Fassung) zustande gekommen ist oder nicht, muß erwogen werden, ob die Parenthese des Reg.Entw. aufrechterhalten, der Tatbestand also einge­ schränkt werden soll, oder ob nicht vielmehr auch die nichtdeliktisch geschaffene unwahre öffentliche Urkunde getroffen werden muß. I n § 203 Abs. 2 differenziert der RefEntw. nicht. Ich empfehle daher auch hier den weiteren Tatbestand und schlage vor: § 205 (Gebrauch unwahrer öffentlicher Urkunden) Wer eine unwahre öffentliche Urkunde zu einer Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. Der Versuch ist strafbar. I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. I n diesem Zusammenhang möchte ich noch daraus Hinweisen, daß das tschechoslowakische Strafrecht noch einen weiteren Tatbestand kennt: D as Sichverschassen einer solchen Urkunde. Ob wir einen solchen Vorberei­ tungstatbestand aufnehmen sollten, ließe sich erwägen. Nun beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten: Der Umfang, in welchem die private Lugbeurkundung strafbar erklärt werden soll. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, wenn ich hier unterbrechen darf: ich würde vorschlagen, hier einen Stopp zu machen. Was nachher zu erörtern sein wird, dürste im wesent­ lichen davon abhängen, wie wir den Begriff Urkunde auffassen.

Professor Dr. Nagler: Herr Reichsminister, ich würde vorschlagen, daß wir die Zäsur nach dem Abschluß der Lugbeurkun­ dung machen. Der Entwurf will die Einschränkung des § 278 StG B , „zum Gebrauch bei einer Behörde oder Ver­ sicherungsgesellschaft" ausweiten in „zum Gebrauch im Rechtsverkehr". Dafür besteht in der T at ein Bedürfnis. Zu prüfen bleibt nur, ob außer den Ärzten nicht auch die Hebammen einzubeziehen sind. Ich meine, sie sind unter allen Umständen mit ein­ zubeziehen. Durch die Fassung „staatlich geprüfte" (nicht bloß approbierte) Medizinalpersonen sind sie m .E . auch ersaßt. W as das Subjekt anlangt, so haben die Entwürfe geschwankt. Der Entw. 1927 hat allein auf das Moment der staatlichen Prüfung abgestellt. W as den Dolus anlangt, so bestehen Zweifel, ob der dolus eventualis mit einzubeziehen ist. Das geltende Recht nimmt ihn aus. Ich bin der Meinung, daß man den Vorsatz schlechthin für erforderlich und ausreichend halten sollte. W ir sollten auch schon beim dolus eventualis die Bestrafung eintreten lassen. Den Ausdruck „wissentlich" würde ich daher aus meinen schriftlichen Vorschlägen wieder zu streichen bitten. Mein § 205b würde dann also lauten: § 205b (Ausstellen unwahrer ärztlicher Zeugnisse) Staatlich geprüfte Medizinalpersonen, die bei der berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde, Krankenpflege, Geburtshilfe oder Leichenschau ein unwahres Zeugnis ausstellen, werden mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Zu § 205c meiner Fassung, der dem § 213 Abs. 2 des RefEntw. entspricht, habe ich nichts weiter zu bemerken. E s erhebt sich nunmehr die Frage; sollen noch weitere private Lugbeurkundungen unter Strafe gestellt werden? D as ausländische Recht weist hier teilweise auf die Handelsbücher des Kaufmanns hin und läßt jede Unwahrheit solcher unter Strafe treten. Das ist z. B. der Standpunkt Englands, der Nieder­ lande und Frankreichs. Bei uns hat man immer das Bedürfnis für die Schaffung eines entsprechenden Tatbestandes verneint, weil die Fälschung von Handelsbüchern an anderer Stelle, z. B. durch die Konkurs- oder Betrugsvorschristen u. a., erfaßt seien. Ich meine, daß dem hier vorliegenden Strasbedürfnis jetzt durch § 193 unseres Entw. ausreichend Rechnung getragen wird. D as wäre das, was ich zunächst anzuführen hätte. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich würde den Herrn Mitberichterstatter bitten, sich zunächst auch in den vorgeschlagenen Grenzen zu halten. MitberichterstatterLandgerichtsdirektorDr.Lorenz: Eine Rücksprache mit meinem Mitberichterstatter, Herrn Professor Nagler, hat dahin geführt, daß wir zu fast demselben Ergebnis kommen. Ich kann mich also ziemlich kurz fassen.

Da der RefEntw. in der Urkundenfälschung im Gegensatz zum geltenden Strafrecht in erster Linie eine Gefährdung des Rechtsverkehrs sieht — dies ergibt sich schon aus der Tatbestandssormulierung — , so ist der Abschnitt „Urkundenfälschung" auch anders ein­ gruppiert. An sich gehörten danach zusammen die Fälschung von Urkunden, Beglaubigungszeichen und Beweismitteln; die ersten beiden Tatbestände sind im 14. Abschnitt geregelt, die Fälschung von Beweis­ mitteln aber im 12. (Schädigung der Rechtspflege) Rach dem UK.-Entw. Nr. 29 sind der 12. und 13. Abschnitt ResEntw. zu einem Abschnitt 12 „Angriffe gegen Rechtspflege und Verwaltung" zusammengefaßt. Som it müßte der Abschnitt „Urkundenfälschung" jetzt Nr. 13 werden. Der Abschnitt Urkundenfälschung des RefEntw. deckt sich inhaltlich nicht mit dem 23. Abschnitt des S tG B .: Die Tatbestände der §§ 275 und 276 (Fälschung von Stempel- und Postwertzeichen und Doppelverwendung von Wertzeichen) sind in den 15. Abschnitt „Fälschung von Geld und Wertzeichen" gekommen (vgl. die §§ 218, 219, so auch im UK.Entw. Nr. 30). Dagegen ist der Übertretungstatbestand des § 363 Abs. 2 S tG B , als Vergehenstat­ bestand mit hereingenommen; der privilegierte Sondertatbestand des § 363 Abs. 1 S tG B , ist als solcher verschwunden. § 280 S tG B , ist überflüssig geworden, da in § 45a Entw. 1934 die Ehrenstrasen ihre allgemeine und erschöpfende Regelung gefunden haben . Dagegen sind im RefEntw. verschiedene Strafdrohungen neu aufgenommen worden, die im S tG B , fehlen (im einzelnen davon später). Eine Schwierigkeit des geltenden Rechts beseitigt der RefEntw.: § 9 Nr. 9 enthält im Gegensatz zum S tG B , eine Bestimmung des Begriffs Urkunde, die im geltenden Recht mit zu den umstrittensten Be­ griffen gehört, und Nr. 10 des Begriffs öffentliches Beglaubigungszeichen, der im 14. Abschnitt auch eine große Rolle spielt. Die verschiedensten Auslegungen in Wissenschaft und Rechtsprechung waren bisher die Folge des Fehlens einer gesetzlichen Definition. D as wesentlich Neue des Entwurfes dabei ist, daß nur die Absichts-Urkunden Objekt einer Urkundenfälschung sein können, nicht dagegen die jetzt sogenannten Zufalls-Urkunden. Deren Fälschung usw. soll damit nicht ohne weiteres für straflos erklärt werden, meist werden andere Strafbestimmungen anwendbar sein — unter Umständen die über Beweismittel-Fälschung (§ 193 RefEntw.). Bei der Kommissionsberatung des § 193 ResEntw. kam mit zum Ausdruck, daß die Fassung „Verwendung in einem Rechts- oder Schieds­ verfahren vor einer Behörde" auch die Verwendung vor der Polizei mit einschließe. Aus diesem Grunde ist m. E. kein Bedürfnis vorhanden, wie es Herr Professor Nagler meint, die Zufalls-Urkunde mit in den Begriff „Urkunde" einzubeziehen und sie damit auch unter dem Schutz der §§ 203 ff. zu stellen. Diese Neuerung trägt bestimmt dazu bei, das Strafrecht volkstümlicher zu gestalten. Denn was jetzt alles unter Urkunde im Sinne des Strafrechts verstanden wird, das geht allenfalls dem Juristen ein, aber niemals den Laien. Wie oft hört man als Richter oder S taatsanw alt: „Ich habe das nicht für eine Urkunde gehalten" und — muß dem Betreffenden

innerlich eigentlich recht geben! Nach dem Volks­ empfinden und nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gehört zu dem Begriff Urkunde eine Schrift. D as bloße Beweiszeichen wird ausgesondert. Daß z. B. der „berühmte" Nummernanschlag mit dem Wald­ hammer oder das Zifferblatt einer Wächterkontroll­ uhr und ähnliches eine Urkunde heute darstellt, das kann dem Laien nicht eingehen. Wenn im Entwurf dann an anderer Stelle Beweismittel und öffent­ liche Beglaubigungszeichen unter Strafschutz gestellt werden, so wird in einer allgemein verständlichen Weise ziemlich dasselbe erreicht wie im geltenden Strafrecht. Die Preuß. Denkschrift will als Urkunde auch nur das gewertet haben, was dem Sprach­ gebrauch entspricht. Sie ist mit dem ResEntw. ein­ verstanden. Den Vorschlägen des Herrn Professor Nagler in seinen Anträgen Nr. 83 hinsichtlich des Sprachge­ brauchs und der Abschnitts-Überschrift pflichte ich bei. „Unechte Urkunden" im Sinne von „gefälschten und verfälschten" und „unwahre Urkunden" anstatt von „unrichtigen". Die Anregung in meinen Leit­ sätzen, in dem zu h 9 Nr. 9 vorgeschlagenen Zusatz Profesior Naglers deutlicher zum Ausdruck zu bringen, daß auch die verfälschte Urkunde eine unechte ist, etwa durch die Fassung: „Sie ist echt, wenn sie vollständig von dem als Aussteller Erscheinenden wirklich herrührt", hat sich erledigt durch die inzwischen von Herrn Profesior Nagler vorgeschlagene Formulierung. Eine Abschnitts-Überschrift „Urkunden- und Beglau­ bigungsverbrechen" ist viel zutreffender als die des RefEntw., sie erfaßt — abgesehen vielleicht von der Grenzverrückung des § 214 — wohl alles, was der Abschnitt enthält. Der Strafrahm en erscheint mir auch angemessen, vorbehaltlich kleiner Bedenken, die bei der Regelung der Strafrahm en im allgemeinen mit behandelt werden können. I m einzelnen ist folgendes zu bemerken: Zu § 203 (Urkundenfälschung): Dieser Paragraph ersetzt die §§ 267 bis 270 und 363 Abs. 1, in gewisser Beziehung auch § 277 S tG B . E r trägt damit wesentlich zu einer Vereinfachung bei. Es ist weiter zu begrüßen, daß der Unterschied, den das geltende Recht zwischen einfacher und gewinn­ süchtiger Urkundenfälschung und bei letzterer noch zwischen der Fälschung einer privaten und einer öffentlichen Urkunde macht, wegfällt. Einmal sind durchaus Fälle denkbar und auch praktisch geworden, bei denen die einfache Urkundenfälschung zuchthaus­ würdig erschien, und zum anderen sind wohl die weit überwiegende Mehrzahl der gewinnsüchtigen Urkun­ denfälschungen mit Gefängnis und nicht mit Zucht­ haus geahndet worden. E s wird sogar meist so gewesen sein, daß die Verhängung einer Zuchthaus­ strafe gar nicht in Erwägung gezogen worden ist. Es erscheint daher viel angemessener, eine einheitliche Strafdrohung und auch einheitlich für besonders schwere Fälle die Zuchthausstrafe vorzusehen — mit der Zehnjahresgrenze wie im Entwurf. Die Zerlegung in zwei Deliktstatbestände, wie das der ResEntw. und auch Herr Professor Nagler vorschlagen, erscheint mir

empfehlenswert. F ür die Fassung des Herrn Professor mit liegen. Damit sind viele Streitfragen über Nagler möchte ich mich einsetzen; sie ist besonders kurz „öffentliche Bücher" usw. beseitigt. und treffend. Nur würde ich für beide Fälle den Zu § 205 (Gebrauch unrichtiger öffentlicher gleichen Strafrahmen vorschlagen; ich sehe keinen Urkunden): Grund, sie verschieden zu bewerten. Die Täuschungs­ Entspricht dem § 273 S tG B . Objekt dieser S tra f­ absicht würde m ir am richtigsten durch „zur Täuschung tat können zwei Arten öffentlicher Urkunden sein: im Rechtsverkehr" ausgedrückt erscheinen. Die Blan­ Solche, die nach § 122 d UK.-Entw. Nr. 22, und kettfälschung (§ 269 S tG B .) ist im Entwurf nicht solche, die nach §J204 RefEntw. zustande gekommen ausdrücklich erwähnt, sie fällt aber ohne' weiteres mit sind — daß der Täter diese Eigenschaft kennen mnß, unter § 203. D a der Entwurf eine dem § 363 Abs. 1 ergibt sich aus § 16 RefEntw. (entsprechendes gilt S tG B , entsprechende Bestimmung nicht enthält, wird übrigens auch für § 203 Abs. 2 RefEntw.) — . D a­ die sogenannte Fälschung von Legitimationspapieren mit ist eine Einengung gegenüber § 273 S tG B , auch ohne weiteres von § 203 RefEntw. mit erfaßt. geschaffen, wonach auch das 'Gebrauchmachen von einer Nach den Erfahrungen der Kriegs- und auch der nichtdeliktisch zustande gekommenen (etwa durch ein letzten Jahre (Paßfälscher-Werkstätten der Schieber, Versehen des beurkundenden Amtsträgers) unwahren ostgalizischer Einwanderer, kommunistischer P arti­ öffentlichen Urkunde strafbar ist (vgl. Leipziger Kom­ sanengruppen usw.) ist für eine Privilegierung solcher mentar, 4. Ausl., Anm. 1 zu § 273). I m Interesse eine Gemeingefahr bedeutender Sonderdelikte kein der Sicherheit des Rechtsverkehrs möchte es aber Platz mehr. bleiben wie im geltenden Recht. Auch für diesen Eine Anregung möchte ich mir dann noch erlauben: Paragraphen wird „unwahr" an Stelle von „un­ Nach § 193 Abs.'3 und § 194 Abs. 3 des UK.-Vor- richtig" vorgeschlagen. I m übrigen dürfte die Aus­ schlags Nr. 29 (Fälschung von Beweismitteln und drucksweise des § 122 d UK.-Vorschlag Nr. 22 und der Unterdrückung von Beweismitteln) ist die T at nicht §§ 204 und 205 RefEntw. miteinander abzustimmen strafbar, wenn sie bzw. das unterdrückte Beweismittel sein. nur einen Umstand betrifft, der für die Sache ohne Zu 8 2k 3 (Ausstellen unrichtiger ärztlicher Zeug­ jede Bedeutung ist. E s wäre nun zu prüfen, ob und nisse): inwieweit hier eine entsprechende Regelung erfolgen Diese Strafbestimmung soll an die Stelle der sollte. §§ 278, 279 S tG B , treten. F ü r sehr richtig halte ich, Zu § 204 (mittelbare unrichtige Beurkundung): daß der RefEntw. den Gebrauch int Rechtsverkehr Hinsichtlich der Überschrift möchte ich auch für den schlechthin als Tatbestandsmerkmal genügen läßt. Vorschlag des Herrn Professor Nagler eintreten: Die Einschränkung des geltenden Rechts (zum Ge­ „Mittelbare Lugbeurkundung". Was hier beurkundet brauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesell­ wird, ist Lüge.' § 204 RefEntw. deckt sich inhaltlich schaft) entbehrt einer befriedigenden Begründung. mit der einfachen und schweren mittelbaren Falsch­ Der nach geltendem Recht mit hierher gehörende beurkundung des geltenden Rechts (§§ 271, 272 § 277 S tG B , hat im RefEntw. keine Ausnahme ge­ S tG B ). § 204 ist in gewisser Beziehung'eine Ergän­ funden. Zum Teil ist dieser Tatbestand als Urkunden­ zung des § 132 Abs. 1 RefEntw. (§ 1226 der UK. fälschung faßbar, zum Teil nach anderen Strafbe­ Nr. 22), der eigentlichen Lugbeurkundung. Es sollen stimmungen. hier die Fälle erfaßt werden, in denen die Tätigkeit Reichsjustizminister Dr. Gürtner: des beurkundenden Amtsträgers selbst in keiner Weise Meine Herren, ich habe die Vorstellung, daß die strafrechtlich zu beanstanden ist. Eine solche Bestim­ mung erscheint mir auch nötig, § 28 Entw. 1934 Hauptarbeit der Kommission folgende ist: erstens die Beseitigung der Kasuistik des geltenden reicht nicht aus (wohl auch nicht § 27a Abs. 2 Res.Entw.). Was die Frage der systematischen Stellung Rechts; die wichtigste Arbeit ist aber: eine absolut klare der Lugbeurkundung überhaupt anlangt, ob man sie ganz hierher nehmen oder gemäß dem RefEntw. in Terminologie zu schaffen. „Urkunde" soll also nur eine Schrift sein; das die Abschnitte 7 und 14 verteilen will, so läßt sich beides begründen. Falls dieser § 204 nicht überhaupt im wäre eine Abweichung vom geltenden Recht. Hinblick aus § 28 Entw. 1934 überflüssig sein sollte, Gegen die vorgeschlagene Definition hätte ich üoit möchte ich ihn hier gelassen haben. Daß hier unter meinem Standpunkt aus keine Bedenken. Es sind Amtsträger auch die der öffentlichen Religionsgesell­ bei der Begriffsbestimmung der Urkunde zwei Fragen schaften verstanden werden möchten, wie Herr P ro ­ zu lösen: fessor Nagler vorschlägt, erscheint mir unbedingt er­ erstens: soll „Urkunde" bloß ein Schriftstück sein? forderlich. Entsprechend dem geltenden Recht gibt es zweitens ist die Frage: soll nur die „Absichts­ eine strafbare Lugbeurkundung nur hinsichtlich öffent­ urkunde" erfaßt werden?' licher Urkunden. Es soll die Beweiskraft öffentlicher Der RefEntw. steht auf dem Standpunkt, daß nur Urkunden gesichert und die Herstellung von Urkunden die Absichtsurkunde erfaßt werden soll. Die Herren verhindert werden, die nach gesetzlicher Vorschrift die Berichterstatter Professor Dr. Nagler und Land­ Wahrheit der darin bezeugten Rechte, Tatsachen usw. gerichtsdirektor Dr. Lorenz beziehen auch die Zufalls­ beweisen, während diese in Wirklichkeit nicht wahr urkunde mit ein. D as ist eine Entscheidungsfrage. sind. Öffentliche Bücher und Register (§ 271 StG B.) Ministerialdirektor Schäfer: führt § 204 RefEntw. unter den öffentlichen Urkunden nicht mit an. D as, was das geltende Recht damit Auch ich möchte mich für die Einbeziehung der meint, dürfte in dem Begriff „öffentliche Urkunden" Zufallsurkunde aussprechen. Die Beschränkung der

Bestimmungen des RefEntw. aus die Absichtsurkunde scheint mir bei nochmaliger Prüfung zu eng zu sein. Ich denke dabei an folgendes Beispiel: A schreibt einen beleidigenden Brief an den X und bedient sich dabei der Unterschrift des B. Hier handelt es sich nach der amtlichen Begründung um eine Zusallsurkunde, nicht um eine Abstchtsurkunde. Die Folge davon ist, daß nach dem RefEntw. A nur wegen Beleidigung bestraft würde, nicht auch wegen Urkundenfälschung. Dies Ergebnis wäre unbefriedigend und meiner Meinung nach auch nicht volkstümlich; denn im Volke würde jedermann eine Urkundenfälschung annehmen. Ich möchte also glauben, daß die Beschränkung auf die Abstchtsurkunde zu eng ist, daß vielmehr die Zufallsurkunde mit einzubeziehen sein wird. Ich darf bemerken, daß auch die früheren Entwürfe auf diesem Standpunkt standen. Die Einschränkung auf die Ab­ sichtsurkunde ist erst 1922 mit Rücksicht auf das öster­ reichische Recht erfolgt. M ir scheint — wie gesagt — , daß wir damit zu weit gegangen sind; ich habe den Eindruck, daß die Beschränkung der Urkundendelikte auf Absichtsurkunden juristisch etwas überspitzt ist. Was den Urkundenbegriff anlangt, so hätte ich gegen die von Herrn Professor Dr. Nagler gegebene Definition: „eine Schrift, die eine rechtlich erhebliche, vom Aussteller bekundete Gedankenäußerung ent­ hält", nichts einzuwenden, wohl aber gegen die vor­ geschlagene Zusatzdefinition. Professor Dr. Mezger: Auch ich habe in den Anträgen Nr. 68 vorge­ schlagen, sich nicht auf die sogenannte Absichtsurkunde zu beschränken. Ich trete also insoweit dem Herrn Berichterstatter bei. Ich habe weiter den Vorschlag gemacht, den Urkundenbegrisf nicht in § 9 Ziss. 9 zu definieren, wo er jetzt steht; ich würde die Definition hierher zu den Urkundsdelikten übernehmen. I n der Sache habe ich gegen die von Herrn P ro ­ fessor Nagler gegebene Formulierung nichts zu erinnern. Senatsprästdent Professor Dr. Klee: D as Beispiel, das Herr Ministerialdirektor Schäfer gegeben hat, zeigt, daß wir auf den Begriff der Zufallsurkunde abkommen müssen. Wir brauchten das nicht, wenn wir die Begriffsbestimmung des geltenden Rechts beibehalten würden. Wenn A dem X unter dem Namen B einen beleidigenden Brief schreibt, so wäre das nach geltendem Recht eine Ur­ kundenfälschung. Denn der Brief beweist, daß wegen einer Beleidigung ein Strasanspruch besteht. Wenn wir aber die Begriffsbestimmung des § 203 RefEntw. zugrunde legen, wäre das keine Urkundenfälschung. Die Frage der Bestrafung hängt also zunächst davon ab, ob wir die Begriffsbestimmung des § 203 der des geltenden Rechts vorziehen. Ich gehe davon aus, daß wir die Begriffsbestim­ mung des § 203 übernehmen. Dann müssen wir den Begriff der Urkunde auf die Zufallsurkunde ausdehnen mit dem Zusatz, daß eine rechtlich erhebliche Gedankenäußerung darin enthalten sein muß. Daneben gibt

es noch andere Zufallsurkunden, z. B. den Liebesbrief im Ehescheidungsprozeß. Diese Fälle, in denen von vornherein nicht eine Rechtserheblichkeit des In h a lts der Urkunde vorliegt, würden zwanglos unter § 193 fallen. Wir hätten dann zwei Bestimmungen neben­ einander, nämlich den § 203 und den § 193. Professor Dr. Kohlrausch: Meine Herren, ich habe nicht den Eindruck, als ob man für die Rettung der Absichtsurkunde noch viel tun könnte. Aber es geht mir nicht ganz ein, daß wir im Begriffe sind, gutes Recht zu schassen. Wir ent­ fernen uns wieder von dem volkstümlichen Recht. Ich kann mich nicht davon überzeugen, daß das Volk in einem Liebesbrief eine Urkunde sieht. Ganz anders natürlich, wenn in einem Privatbrief außer privaten Dingen geschäftliche Dinge stehen und diese gefälscht werden. Was das von Herrn Ministerialdirektor Schäfer angeführte Beispiel betrifft, so glaube ich auch hier nicht, daß die Beteiligten das Gefühl haben, daß der Brief eine Urkunde sei. Ich sehe in jenem Brief nichts anderes als zwei Beleidigungen. Eine Beleidigung des Adressaten, eine Beleidigung dessen, dessen Name mißbraucht ist. Ich möchte also an dem RefEntw. festhalten und an der Begründung, die Herr Bericht­ erstatter Lorenz schriftlich gegeben hat, von der er in seinem mündlichen Bericht aber leider abgewichen ist. D ort ist gesagt, die Neuerung des RefEntw. trage bestimmt dazu bei, das Strafrecht volkstümlicher zu gestalten. Denn was jetzt alles unter den Begriff der Urkunde im Sinne des Strafrechts verstanden werde, gehe allenfalls dem Juristen ein, aber niemals dem Laien. Man höre oft als Richter oder Staatsanw alt vom Angeklagten: „Ich habe das nicht für eine Ur­ kunde gehalten", und müsse dem Angeklagten innerlich Recht geben. Nach dem Volksempsinden gehöre zu dem Begriff Urkunde eben eine Schrift. Diesen schriftlichen Ausführungen von Herrn Landgerichts­ direktor Lorenz kann ich mich nur anschließen. Professor Dr. Graf Gleispach: Ich bin derselben Ansicht wie Herr Professor Kohlrausch. Ich möchte für diese Ansicht nur noch einen weiteren Grund anführen: Wir bestrafen ja noch nicht einmal die mündliche falsche, nicht be­ schworene Aussage vor Gericht. Es erscheint mir unlogisch, hier bei der Urkundenfälschung auch die Zu­ fallsurkunde hereinzunehmen. D as ginge über jenen Standpunkt hinaus. Es besteht m. E. hier eine ge­ wisse Parallelität. Professor Dr. Nagler: Ein Wort zu dem letzten Gedanken: Ich bin seiner Zeit schon dafür eingetreten, daß wir die unbeeidete falsche Aussage unter Strafe stellen sollten. Aber ab­ gesehen davon bin ich der Meinung, daß die §§ 193 ff. des RefEntw. nicht ausreichen, um den nötigen Schutz gegen Fälschungen der Zufallsurkunde zu gewähren. Ich will dies an einem Beispiel erläutern: Eine nahe Verwandte eines Ehemanns vermittelt diesem heim­ lich einen gefälschten Liebesbrief seiner Frau. Es handelt sich dabei um eine reine Intrigue, infolge

deren die Ehe vollständig zerrüttet wird. Der Fall könnte nach dem ResEntw. strafrechtlich nicht erfaßt werden, weder durch §§ 203 ff. noch durch §§ 193 ff. D as ist m. E. ein höchst unerfreuliches und unerträg­ liches Ergebnis. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich glaube, hier wird alles daraus ankommen: W as ist „Rechtsverkehr"? Is t das nur der behördliche Verkehr, oder alles, was sich zwischen Menschen ab­ spielt und rechtlich erheblich ist? Is t das richtig, daß die Zufallsurkunde dann zu einer Absichtsurkunde wird, wenn davon zum Zweck der Beweisführung im Rechtsverkehr Gebrauch ge­ macht wird? Professor D r. Dahm: Ich glaube, man muß hier noch etwas schärfer unterscheiden. M an muß über die reine Absichts­ urkunde hinausgehen, aber nicht soweit, wie Herr Professor Nagler vorschlägt. Ich stimme Herrn P ro ­ fessor Kohlrausch darin zu, daß der Brief in dem Beispiel von Herrn Ministerialdirektor Schäfer keine Urkunde im strafrechtlichen S inne ist. Anders ist der Liebesbrief zu beurteilen, der sich bei den Eheschei­ dungsakten befindet. Dieser Brief wäre keine Absichts­ urkunde, muß aber doch unter das Gesetz fallen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ih re Ansicht läuft also darauf hinaus: Eine Absichtsurkunde ist erstens die Urkunde, die von vorn­ herein hergestellt ist, um im rechtlichen Verkehr ver­ wendet zu werden, und zweitens: — hier bitte ich Sie, Herr Professor Dahm, — fortzufahren. Professor D r. Dahm: Die Urkunde, die nicht von vornherein für den Rechtsverkehr bestimmt war, aber später in den Rechtsverkehr eingeführt worden ist. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Also sollen die Schriftstücke, die nicht von vorn­ herein hergestellt worden sind zu dem Zweck, im Rechtsverkehr verwendet zu werden, zunächst aus dem Kreis der Betrachtungen bleiben. Wann sollen sie nun in diesen Kreis einbezogen werden? Professor D r. Kohlrausch: Ich glaube, daß wir, wenn wir mit Herrn P ro ­ fessor Dahm gehen, restlos zurückkommen zu der Ansicht von Herrn Professor Nagler. I n dem Augen­ blick, wo eine Urkunde zur Täuschung gebraucht wird, wird sie in den Rechtsverkehr eingeführt, nicht nur, wenn sie einer Behörde in einem Verfahren vorgelegt wird. Ich hielte es für richtig, wenn z. B. der Liebes­ brief erst dann zu einer Urkunde würde, wenn er zu einem prozessualen Beweismittel gemacht wird. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Also hätten wir jetzt die beiden Varianten: Die Zusallsurkunde wird erfaßt in dem Moment, wo sie in den Rechtsverkehr schlechthin eingeführt wird; sie wird erst ersaßt, wenn sie zu einem prozessualen Be­ weismittel wird. Ich muß sagen, ich finde darin eine sehr große Differenz der Meinungen nicht mehr.

Professor Dr. Kohlrausch: Darf ich den Fall, den Herr Ministerialdirektor Schäfer als Beispiel anführte, variieren: W as in jenem Beispiel brieflich geschehen ist, kann auch tele­ fonisch vorkommen. Warum sollten wir dieselben Vorgänge, wenn sie sich schriftlich abspielen, anders behandeln? Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich meine, wir müssen doch zwei Zufallsurkunden unterscheiden: 1. Urkunden wie den Liebesbrief, der gänzlich rechts' unerheblich ist. 2. Fälle wie das Beispiel von Herrn Ministerial­ direktor Schäfer: Die briefliche Beleidigung. Das ist ein rechtserheblicher Vorgang. Nach der Definition von Herrn Professor Nagler und Herrn Ministerialdirektor Schäfer würde der reine Liebesbrief nicht unter das Gesetz fallen. Damit würde ich mich auch abfinden. Die Fälle würden ja dann durch § 193 gedeckt sein, soweit ein Strafbe­ dürfnis vorhanden ist. Die Frage ist allerdings, ob wir den Tatbestand des § 193 für die anderen Fälle — wie den des beleidigenden Brieses — brauchen können. Dieser Fall wäre nicht durch § 193 gedeckt, sondern nur durch § 203. Darum glaube ich, daß mit Rücksicht auf den von Herrn Ministerialdirektor Schäfer geschilderten Fall eine Ausdehnung des Ur­ kundenbegriffes nötig ist. Denn wir wollen doch auch hier den Mißbrauch der Schristform unter Strafe bringen. Die Schrift ist immer etwas permanentes. D arin liegt ein wesentlicher Unterschied zum ge­ sprochenen Wort, das verweht. I n dem Fall, daß im privaten Verkehr gefälschte Briefe vorgelegt werden — wie in dem von Herrn Professor Nagler ange­ führten Beispiel — ist mir zweifelhaft, ob noch ein Strasbedürfnis vorhanden ist. Die schriftliche Äuße­ rung im privaten Verkehr steht für mich auf derselben Stufe wie die mündliche Äußerung. Ich würde den Tatbestand auf diesen Fall nicht ausdehnen. Professor Dr. Dahm: E s kann doch keinen Unterschied machen, ob ein beleidigender Brief in einem Strafprozeß Bedeutung hat, oder ob er dem Personalchef einer Firm a vor­ liegt, der ihn zum Anlaß nimmt, um eine Kündigung auszusprechen. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ich möchte auch sagen, daß der Liebesbrief im Volke im allgemeinen nicht als Urkunde angesehen wird. Eine befriedigende Lösung können w ir nur finden, wenn wir vom primären Urkundenbegriss ausgehen. Dann müssen wir hier die Zusallsurkunde zwar aus­ scheiden; aber wir müssen sie an einer anderen Stelle unterbringen. Ich möchte ein Beispiel für die hier in Betracht kommenden Fälle anführen. Bei einer sogenannten Kavaliersscheidung nimmt der M ann die Schuld aus sich und zahlt eine Zeit lang die Unterhalts' betrüge. Nach einiger Zeit werden ihm diese Zahlun­ gen lästig. Jetzt wird ein Liebesbrief angefertigt; dieser Brief wird vorgelegt, um von der Alimen­ tationspflicht freizukommen. I n diesem Falle könnte

auch nicht nach § 193 gestraft werden. Vielleicht könnte man den § 193 so fassen, daß schlechthin das Gebrauchmachen im Rechtsverkehr unter diesen T a t­ bestand fällt. Senatspräsident Professor Dr. Klee: M ir scheint der Vorschlag des Herrn Ministers Thierack auch von einem anderen Gesichtspunkt aus annehmbar. Wir haben die Fälschung von Beweis­ zeichen. D as Reichsgericht hat künstlich den Urkundenbegrisf auf die Beweiszeichen ausgedehnt. D as Reichs­ gericht mußte das tun, um die strafwürdigen Fälle der Fälschung der Beweiszeichen zu treffen. D as Fälschen von Beweiszeichen darf auch künftig nicht in weiterem Umfang straflos bleiben. Die Fälschung von Beweiszeichen im Privatrechtsverkehr wird durch die jetzige Fassung des § 193 nicht ersaßt; der Wächter, der die Kontrolluhr falsch sticht, muß aber strafbar bleiben. Dieses Strasbedürfnis würde durch den Vorschlag von Herrn Minister Thierack befriedigt werden. E s ist auch nicht einzusehen, warum die rechtswidrige Verwendung des Hammerschlags im Privatrechtsverkehr straflos sein soll. Ich glaube, daß der § 193 auf die Fälschung eines Beweismittels zum Gebrauch im Rechtsverkehr schlechthin erweitert werden muß. Ministerialdirektor Schäfer: Ich habe den Eindruck, daß wir uns von unserem Thema entfernen. Der Abschnitt Urkundenfälschung betrifft den Mißbrauch von Urkunden. Jetzt sind wir zu etwas ganz anderem gekommen, nämlich zu der allgemeinen Frage der Täuschung im Rechtsverkehr. W ir haben eine solche Täuschung im Hinblick aus Be­ weismittel bisher in dem Abschnitt „Sicherung der Rechtspflege" vorgesehen. Das, was jetzt angeregt worden ist, geht weit über das geltende Recht hinaus. W ir gelangen damit zur Bestrafung des lügnerischen Verhaltens im Rechtsverkehr schlechthin. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Diskussion verunklart sich; denn wir sind darüber einig, daß der Kontrollstreisen keine Urkunde sein soll. Die Frage, ob man den § 193 ausweiten soll, hat mit der Urkundenfälschung nichts zu tun. Professor Dr. Kohlrausch: Ob wir nur die Absichts- oder auch die Zufalls­ urkunden einbeziehen sollen, wird besonders wichtig bei der Urkundenunterdrückung. Ich bitte, sich folgen­ den Fall zu überlegen: Wenn wir den Liebesbrief als Urkunde ansehen, weil er vielleicht einmal im Rechts­ verkehr erheblich werden könnte, so ist der mit Ge­ fängnis strafbar, der den Brief zerreißt, falls er nicht der Alleinversügungsberechtigte, sondern etwa der kompromittierte Briesschreiber ist. Bei der Stellung­ nahme zum Urkundenbegriss muß der Blick stark auf die Urkundenunterdrückung gelenkt werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Die Urkundenunterdrückung verlangt aber die Absicht der Beseitigung eines Beweismittels. Professor Dr. Kohlrausch: Nehmen wir an, der Schreiber eines Briefes be­ kommt Angst. E r findet den Brief vielleicht auf dem

Schreibtisch des Empfängers, nimmt ihn weg und steckt ihn in den Ofen, um damit nicht reinzufallen. Is t das ein Urkundendelikt? Professor Dr. Nagler: Wenn ich nur die Zufallsurkunde zu verteidigen hätte, brauchte ich den Ausführungen von Herrn Minister Thierack nicht entgegenzutreten. Wenn wir aber den § 193 seiner bisherigen Schranken entkleiden, weiten wir ihn zu sehr aus. Ich teile durchaus die Bedenken von Herrn Ministerialdirektor Schäfer, daß wir dann zur Bestrafung der schriftlichen Lüge schlecht­ hin kommen. I m übrigen scheint mir Herr Kollege Kohlrausch übersehen zu haben, daß die Zusallsurkunde erst von der Beweisbestimmung an rechtserheblich wird. Wenn der Liebesbrief zu einem bestimmten Beweis benutzt werden soll und dann vernichtet wird, so finde ich, daß das unter die Urkundendelikte gehört. Professor Dr. Kohlrausch: Wenn Sie sagen, daß die Urkunde erst rechts­ erheblich wird, wenn sie für Len Rechtsverkehr be­ stimmt ist, so widerspricht das Ih re r Definition. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich möchte ein anderes Beispiel geben: Jemand schreibt ein Reisetagebuch; dieses Buch hat einen objektiv unrichtigen In h alt. E r will das Buch auch für ein Alibi verwenden. Die Herstellung dieses Reisetagebuchs wird kaum in den Bereich des S tra f­ rechts gezogen werden können. Ein anderes Beispiel wäre, daß jemand ein fremdes Reisetagebuch ver­ fälscht. Wenn er das Buch im Strafprozeß benutzt, so ist das der Punkt, an dem Ih re Gegner, Herr P ro ­ fessor Nagler, einsetzen werden. Profesior Dr. Mezger: Ich habe, auch meinerseits bei meinen Anträgen Nr. 68 zu den Definitionen des § 9 ResEntw. diese Art von Zufallsurkunden gemeint und sie in die Defi­ nition einbezogen. Es braucht nicht von Anfang an, nicht schon bei der Errichtung einer Urkunde eine be­ stimmte Absicht bestanden zu haben. Die Zufalls­ urkunde wird allerdings erst in dem Augenblick Ur­ kunde, in dem die Bestimmung hinzutritt, und diese Bestimmung in einem äußerlich erkennbaren Akt zum Ausdruck kommt. Groß sind die praktischen Diffe­ renzen zwischen den beiden Meinungen nicht. Ich hatte meine Vorschläge in erster Linie im Sinne einer Wortberichtigung des RefEntw. gemeint. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as käme also daraus hinaus zu sagen: „Die Schrift, die dazu bestimmt ist oder später dazu be­ stimmt wird". Profesior Dr. Dahm: D as entspricht dem, was ich vorhin meinte. Der Begriff der Urkunde umfaßt zweierlei: 1. die Absichtsurkunde, 2. die Zusallsurkunde, die erst später erkennbar in den Rechtsverkehr eingeführt worden ist.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wenn wir davon ausgehen, daß der Liebesbrief überhaupt eine Gedankenäußerung enthalt, so ist diese Erklärung doch noch nicht ohne weiteres rechtserheb­ lich. S ie wird rechtserheblich erst dann, wenn sie gezeigt wird. Professor Dr. Kohlrausch: Die entscheidende Frage ist: Durch wen erhält z. B. der Brief die Beweisbestimmung? Entweder müssen wir sagen: Urkunde ist alles, durch das ich überhaupt etwas beweisen kann, oder man muß sagen: Urkunde ist nur das, was dazu bestimmt ist. Dann bleibt die Frage offen, wann und durch wen diese Bestimmung erfolgen muß. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin der Meinung, wir kämen in der Praxis mit der Bestimmungsurkunde durch, wenn die Fäl­ schung von Beweismitteln entsprechend abgestimmt wird. W ir kämen auch mit der Zufallsurkunde aus, wenn der Augenblick gesetzgeberisch ersaßt werden kann, in dem die dazu nicht bestimmte Urkunde zu einer für den Rechtsverkehr bedeutsamen Urkunde wird. Ministerialdirektor Schäfer: Dies wäre möglich, wenn man in der Begriffs­ bestimmung des § 9 Ziff. 9 sagte: „die errichtet oder nachträglich dazu bestimmt ist, eine Tatsache zu be­ weisen". Dann hätte man diesen Gedanken ausgedrückt. Offen bleibt mein Beispiel von dem beleidigenden Bries mit der falschen Unterschrift, der in der amt­ lichen Begründung als Zufallsurkunde angesehen wird. E r braucht vielleicht nicht so behandelt zu werden. M an könnte vielleicht auch sagen, daß die falsche Unterschrift des beleidigenden Brieses dazu bestimmt ist, die Tatsache zu beweisen, daß der Brief von 3E. geschrieben ist, und damit ihn als Absichts­ urkunde ansehen. Ich bin im übrigen überzeugt, daß wir praktisch im Endergebnis fast auf dasselbe hinauskommen. W ir strafen immer nur, wenn die Absicht vorliegt, im Rechtsverkehr zu täuschen.

Reichsjustizminister D r. Gürtner: E s sind zwei ganz verschiedene Fragen, die hier austreten: Wann wird ein Schriftstück zur Urkunde, und wann tritt der Fälscher in den Bereich des Strafrechts? Dabei ist zunächst für diesen ganzen Abschnitt die Frage erheblich, welchen Sprachgebrauch wir in den Tatbeständen verfolgen sollen. Nach meiner Meinung soll der Begriff echt und unecht so verstanden werden wie in der Kunst. Echt ist eine Urkunde dann, wenn sie von dem herstammt, der sich zu ihr bekennt. Herr Professor Nagler hat eine umgekehrte Definition vor­ geschlagen. Danach wäre ein Rubens dann unecht, wenn z. B. die Heilige Madonna einen Unterrock dazu bekommen hat. D as Bild stammt aber auch dann noch von Rubens. Echt und unecht sollten wir allein auf die Autorschaft beziehen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte ein Beispiel aus der P raxis anführen. Es quittiert eine Ehefrau mit dem Namen ihres Mannes, und zwar mit dessen Einwilligung. D as Reichsgericht hat in der Beurteilung dieses Falles sehr geschwankt. E s hat sich schließlich aus den S ta n d ­ punkt gestellt, daß auch eine solche Urkunde, die mit Einwilligung des darunter Stehenden hergestellt ist, als echt zu bezeichnen ist. Wenn man dieser Auf­ fassung folgt, muß die Definition der echten Urkunde etwas erweitert werden, und zwar dahin, daß eine Urkunde auch dann echt ist, wenn sie mit Willen des unter der Urkunde Stehenden von einem anderen hergestellt wird.

Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Die Frage ist, von wann ab die Urkunde eine Urkunde im Sinne des § 203 ist, und von wem die Urkunde diese Bestimmung erhalten kann.

Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte davon ausgehen, was wir praktisch in diesem Abschnitt brauchen. W ir brauchen einerseits die Bezeichnung: Unwahr oder unrichtig, und brauchen andererseits einen Ausdruck für das, was das geltende Recht als „fälschlich herstellen" und „ver­ fälschen" bezeichnet. Herr Professor Nagler hat diese Antithese gewollt und hat doch wohl unter „unecht" die Fälle der fälschlichen Herstellung und der Ver­ fälschung zusammenfassen wollen. Seine Definition umfaßt aber in Wahrheit nicht die Verfälschung. Ich möchte ein Beispiel anführen. Der A. hat einen Wechsel ausgestellt und nimmt nachträglich an diesem fertigen Wechsel selbst eine Veränderung vor, etwa indem er die Zahl „5000" in „500" ändert; das nennen wir „verfälschen". W ir stellen das Verfälschen dem fälschlichen Herstellen völlig gleich. Der Ausdruck echt ist nur verwertbar, wenn er die beiden Fälle umfaßt. W ir gehen damit etwas über den gewöhn­ lichen Sprachgebrauch hinaus; wir müssen aber auch die nachträgliche Verfälschung durch den Aussteller so bezeichnen. D as ist in der Definition des Herrn P ro ­ fessors Nagler nicht enthalten.

Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte glauben, daß die Bestimmung nicht vom T äter auszugehen braucht.

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Wer das Wort unwahr gebrauchen will, kann auch von einer Lugbeurkundung sprechen.

Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: M an könnte vielleicht auch sagen: rechtlich erheb­ lich ist ebenfalls das, was durch eine spätere Bestim­ mung rechtlich erheblich wird.

Professor Dr. Nagler: Eine Urkunde kann teilweise echt und teilweise unecht sein. E s hat z. B. ein Student für einen Wucherer einen Wechsel ausgestellt; der Wucherer setzt

Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe die Meinung, daß wir bisher bei der Diskussion übersehen haben, daß im Tatbestand immer die Absicht verlangt wird, daß von der Ur­ kunde zum Zwecke der Täuschung Gebrauch gemacht werde.

abredewidrig die Ehrenwortklausel hinein. Als der Wechsel nicht eingelöst wird, macht er bei den akade­ mischen Behörden davon Gebrauch. Die Urkunden­ fälschung nach § 203 a wurde erst im Augenblick be­ gangen, wo bei den akademischen Behörden von der Ehrenklausel Gebrauch gemacht wurde. Wenn der Aussteller selbst eine Änderung vor­ nimmt, so ist er auch der Autor dieses Nachtrages. Wenn wir die nachträglichen Abänderungen durch den Aussteller, wenn sie unbefugt geschehen, für straf­ bar erklären wollen, muß man es ausdrücklich sagen. Ich möchte dringend bitten, die in der Theorie fest geprägten Wendungen: wahr und unwahr in das Gesetz zu übernehmen. Ich möchte ebenso entschieden davor warnen, hier den Ausdruck „falsch" zu verwenden. Ministerialdirektor Schäfer: W ir müßten also formulieren: „Unecht ist die Ur­ kunde dann, wenn und soweit sie nicht von dem als Aussteller Erscheinenden herrührt, oder wenn sie, nachdem sie in den Rechtsverkehr gelangt war, vom Aussteller unbefugt geändert wird." Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir müssen uns darüber einigen, ob wir dann etwas als unecht bezeichnen wollen, wenn der Aus­ steller eine Änderung an der Urkunde vornimmt, nach­ dem sie in den Rechtsverkehr gekommen ist. Professor Dr. Mezger: Ich meine, man sollte nicht allzu schnell über die Frage hinweggehen, ob man eine nachträglich vom Aussteller geänderte Urkunde als unecht bezeichnen kann. Ich habe es als einen sachlichen Fortschritt in den Vorschlägen von Herrn Professor Nagler empfunden, daß dies von ihm weggelassen worden ist. Die Rechtsprechung über die Fälschung der Handels­ bücher durch den Aussteller macht einen recht ge­ quälten Eindruck. Ich bin durchaus der Auffassung, daß die Fälschung des Handelsbuchs, das schon bei den Prozeßakten ist, irgendwie strafrechtlich ersaßt werden muß. M ir würde es aber richtiger erscheinen, den Echtheitsbegrisf nur auf den Gesichtspunkt der Autorschaft zu beziehen. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Echt ist nur die Urkunde, die vom Verfasser her­ rührt oder deren Veränderung noch zu einer Zeit vom Autor vorgenommen wurde, in der er noch das Versügungsrecht über die Urkunde hatte. Wenn ein M aler z. B. ein Bild veräußert und dann etwas daran ändert, so ist das Bild nicht mehr echt. Es ist freilich erforderlich, daß die Änderungen gegenüber dem Nichtgeänderten erheblich sind. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich bin fest davon überzeugt, daß auch dann, wenn ein M aler an einem Bild, das im Kunsthandel ist, etwas ändert, das Bild als echt bezeichnet wird. Dann käme die andere Bezeichnung: unwahr — unrichtig. Es hat sich schon gezeigt, daß das Wort „falsch" keine Liebe findet. Es wäre nur die Wahl zu treffen zwischen dem objektiven Begriff „unrichtig" und dem mehr subjektiv gefärbten „unwahr". Wenn

man unwahr sagt, kann man auch das- Wort Lug­ urkunde gebrauchen. Unwahr scheint mehr Sympathie zu finden. Ministerialdirektor Schäfer: Wenn hier die Entscheidung zwischen unrichtig und unwahr getroffen ist, muß das eine Rückwirkung auf die §§ 193 sf. haben. Die UK. muß diese Bestimmun­ gen entsprechend umarbeiten. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Nachdem die sprachliche Vorentscheidung getroffen ist, sind die einzelnen Tatbestände zu betrachten, und zwar zunächst der § 203. Ministerialdirektor Schäfer: § 203 muß die Überschrift „Urkundenfälschung" bekommen, § 203b der Naglerschen Vorschläge die Überschrift „Gebrauchmachen usw". Ob es nötig ist, wie Herr Professor Nagler vor­ schlägt, die Strafrahmen in § 203 und § 203 a ver­ schieden festzusetzen, weiß ich nicht. Vielleicht könnte man diese Frage aber noch offen lassen. Reichsjustizminister D r. Gürtner: Einen zwingenden Grund für die Differenzierung der Strafrahmen sehe ich nicht. Was die Reihenfolge der Tatbestände anbelangt, so wäre zunächst die Herstellung der unechten Urkunde und dann der Gebrauch zu bringen. Dann soll nach den Vorschlägen von Herrn P ro ­ fessor Nagler die falsche Beurkundung kommen. Die Frage ist, ob wir dies nicht zu den Beamtendelikten stellen sollten. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Wird auch die Blankettfälschung durch diese T at­ bestände ersaßt? Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as möchte ich gerade nach der Naglerschen F o r­ mulierung darunter fassen. Professor Dr. Nagler: Eine unechte Urkunde kann man dadurch anfer­ tigen, daß man sowohl den Text wie die Unterschrift herstellt. M an kann sie ferner dadurch herstellen, daß man zu einem echten Text eine unechte Unterschrift setzt. M an kann sie weiter so herstellen, daß man zu einer echten Unterschrift einen unechten Text anfertigt: D as ist die Blankettfälschung. Endlich kann man auch ein Schriftstück, das bisher nicht Urkunde war, durch einen Zusatz zu einer unechten Urkunde machen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Es scheint mir sicher zu sein, daß auch die Blankett­ fälschung erfaßt ist. Die Fälschung von Urkunden durch Amtsträger wollen wir bei den Amtsdelikten aufführen. Als weitere Frage käme die sogenannte intellek­ tuelle Urkundenfälschung (§ 204 der Vorschlage des Entwurfs). Professor Dr. Dahm: Wäre es nicht möglich, aus § 204 zu verzichten? E s handelt sich doch um die Mitwirkung bei einem

Amtsdelikt. F ü r diese Fälle haben wir doch den § 29 nach den Vorschlägen der UK. Der praktische Unter­ schied besteht darin, daß in § 29 eine Kann-Milderung vorgesehen ist, während § 204 ein geringeres Strafminimum vorsieht. Diese Differenz ist aber un­ erheblich. Ich glaube, man könnte auf § 204 verzichten. Reichsjustizminister Dr. Gärtner: Das scheint eine Rechtsfrage zu sein, die geprüft werden muß. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich glaube, daß an und für sich das richtig ist, was Herr Profeffor Dahm sagt. Ich halte es aber nicht für zweckmäßig, dieser Anregung zu folgen, und zwar weil der § 205 folgt. Wenn wir nur die Vorschrift des § 29 hätten, wäre der In h a lt des § 205 nicht so klar. Die beiden Paragraphen stehen in einem inneren Zusammenhang, der verloren gehen würde, wenn w ir nur die ganz allgemeine Bestimmung des § 29 hätten. Wegen der Plastik des Gesetzes und wegen des Zusammenhanges mit § 205 würde ich vorschlagen — entsprechend der Regelung beim Meineid — auch den § 204 beizubehalten. Professor Dr. Dahm: Der Hinweis auf die mittelbare Täterschaft beim Meineid scheint mir nicht überzeugend. Dort ist ein solcher Tatbestand erforderlich, weil es sich um ein eigenhändiges Verbrechen handelt. Auch die An­ schaulichkeit des Gesetzes erfordert keine Beibehaltung der mittelbaren Falschbeurkundung. Professor D r. Graf Gleispach: Herr Reichsminister, ich meine auch, daß man aus den § 204 verzichten kann. D as Objekt des § 205 ergibt sich aus § 203. Ministerialdirektor Dr. Dürr: Die UK. hat vorsorglich eine Vorschrift über die Herbeiführung eines falschen Eides aufgenommen; aber ein Teil der Mitglieder der UK. hielt eine be­ sondere Vorschrift für' entbehrlich. Wenn wir die Vorschriften der §§ 28, 29 folgerichtig durchführen wollen, sollten wir nicht im Besonderen Teil Sondervorschristen treffen, die nur Unklarheit über die Trag­ weite der §§ 28, 29 schaffen. Professor Dr. Nagler: Ich habe Bedenken, diesen Tatbestand aufzugeben, weil die Handlung eines Beamten, welcher getäuscht wird, zwar eine öffentliche falsche Urkunde schafft, der Beamte aber durchaus pslichtmäßig handelt. Man kann nicht sagen, daß eine Mitwirkung stattfindet. D a die Tatbestandsmäßigkeit fehlt, muß die Recht­ sprechung dazu kommen, in diesem Falle nicht zu strafen. Ich möchte aber die Strafbarkeit dieser Vor­ gänge gesichert sehen, solange nicht nach unserem Allgemeinen Teil die „Mitwirksamkeit" außer jedem Zweifel steht. Staatssekretär Dr. Freister: Es ist sicher, daß die Strafbarkeit dieser Vorgänge gesichert werden muß. Bei unserer Regelung der Mitwirkung glaubte ich die Strafbarkeit dieser Vor­ gänge bereits gesichert. Wahrscheinlich werden wir

bei der zweiten Lesung zu prüfen haben, ob wir das bei der Mitwirkung genügend deutlich zum Ausdruck gebracht haben. M it dieser Anmerkung einer Ver­ deutlichung unserer Mitwirkungsregelung würden die Einwendungen von Herrn Profeffor Nagler ver­ schwinden. M ir scheint es dann überflüssig zu sein, diesen Tatbestand hier noch besonders hervorzuheben. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: M. E. ist der Tatbestand notwendig, weil der Beamte pflichtgemäß handelt. Wenn der Beamte richtig niederschreiben will, begeht er überhaupt keine strafbare Handlung. Eine strafbare Mitwirkung an einer solchen Handlung ist deshalb schon begrifflich ausgeschlossen. Profeffor Dr. Mezger: Der eigentliche Kern der Frage wird verschoben. Nach unseren §§ 28 und 29 scheint es mir sicher zu sein, daß auch dann zu strafen ist, wenn der § 204 nicht ausgenommen wird. Die Frage ist aber, ob im § 204 nicht Fälle enthalten sind, die durch den § 29 zu schwer getroffen werden. Herr Kollege Nagler dachte — das ist schon in seinem Referat betont worden — an Fälle, die so mild liegen, daß sie durch § 29 zu scharf angefaßt werden. Professor Dr. Dahm: D as finde ich nicht überzeugend. Wenn § 204 fehlen würde, so wäre die Strafdrohung aus § 203 b zu entnehmen. Diese Strafdrohung ermöglicht es, allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich hätte keine Erinnerung dagegen, den § 204 zu streichen. W ir könnten dabei eine Anmerkung zur Verdeutlichung des § 28 machen. Den Gebrauch unrichtiger öffentlicher Urkunden beschränkt der RefEntw. aus unwahre Urkunden. Die beiden Referenten wollen die Klammer in der Be­ stimmung des § 205 fortlassen. Ministerialdirektor Schäfer: Ich würde mehr dazu neigen, die Klammer stehen zu lassen. Wenn die öffentliche Urkunde legal zustande gekommen ist und versehentlich einen unrichtigerl In h a lt erhalten hat und dann zum Zwecke der Täuschung von ihr Gebrauch gemacht wird, so würde das mehr zu den §§ 193 ff. paffen als in den Abschnitt Urkundenfälschung. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich hatte bei der Urkundenfälschung noch ange­ regt zu prüfen, ob hier eine Einschränkung wie im § 193 Abs. 3 der UK.-Vorschläge Nr. 29 dahin zu machen sei, daß von Strafe abgesehen werden könne, wenn sich die Fälschung auf Umstände bezieht, die für die Sache ohne jede Bedeutung sind. Zum mindesten für den Abs. 2 des § 203 RefEntw. wären solche Fälle denkbar. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Ich habe das Vertrauen, daß die Praxis diese Fälle in zufriedenstellender Weise lösen wird.

Berichterstatter Professor Dr. Nagler: Ich wende mich dem Mißbrauch fremder Ausweise zu, den ich nach den Lugbeurkundungen eingeschoben habe. E s handelt sich um den § 205d meiner Vor­ schläge, im ResEntw. um den § 210. Dieser T a t­ bestand knüpft an die Fälschung von Legitimations­ papieren an (§ 363 des geltenden Rechts). Früher Reichsjustizminister D r. Gürtner: wollte man diese Fälle privilegieren, weil man Eid, Beweismittel und Urkunden sind in bezug glaubte, es handle sich um ganz leichte Straftaten. aus die unbedeutenden Unrichtigkeiten gleichzustellen. Diese Ansicht hat sich als irrtümlich erwiesen. I m Ich wäre der Meinung, man sollte bei allen drei Kriege haben Paßfälschungen größten S tils zu Tatbeständen Sonderbestimmungen fortlassen. Spionage- oder Desertionszwecken stattgefunden. Schließlich wären noch die ärztlichen Zeugnisse zu Auch in Friedenszeiten sind häufig fabrikmäßig Ausbehandeln. D as gehört hierher, wenn man davon weissälschungen nachgewiesen worden. Der Grund­ ausgeht, daß es ein Quasi-Amtsdelikt ist. Als P e r­ tatbestand des § 363 fällt jetzt unter die Urkunden­ sonen, die als Täter in Betracht kommen, sind ge­ fälschung des § 203. Zu sorgen ist daher nur für den nannt Arzte und staatlich geprüfte Medizinal­ Abs. 2 des § 363. Dieser F all ist in meinem § 205d personen, die bei der berufsmäßigen Ausübung der als Vergehen entwickelt. Heilkunde, Krankenpflege, Geburtshilfe oder Leichen­ Ich komme zu den Beglaubigungszeichen. Der schau wissentlich ein unrichtiges Zeugnis zum Ge­ ResEntw. enthält im § 9 Ziss. 10 eine Definition der brauch im Rechtsverkehr ausstellen. Die Frage wäre, öffentlichen Beglaubigungszeichen. Ich halte diese ob man das „wissentlich" hier aufnehmen soll oder Definition für gut, wenn vielleicht auch sprachlich nicht. Wenn wir den Begriff „wissentlich" streichen, nicht für ganz glücklich. Es handelt sich um Bestäti­ so würde ein gewisser Druck aus die in diesem T a t­ gungszeichen, die an der Sache angebracht werden. bestand genannten Personen ausgeübt werden. Die Diese Bestätigungszeichen treten in unserem S tra f­ Meinung geht dahin, „wissentlich" zu streichen, d. h. recht jetzt zum erstenmal in die Erscheinung. Fremde den Eventualdolus hineinzunehmen. Rechte, wie z. B. Niederlande und die Schweizer Entwürfe, enthalten schon längst entsprechende T a t­ Senatspräsident Professor Dr. Klee: bestände. Bisher wurde der größere Teil der Beweis­ Die Frage ist, ob die Täterschaft auch auf Leute zeichen vom RG. zu den Urkunden gerechnet. Als ausgedehnt werden soll, die sich als Arzte gerieren. Beispiel erwähne ich den Strich auf dem Bierunter­ Eine weitere Frage ist, ob man auch die Naturheil­ satz. D as RG. hat von den Beweiszeichen, um sich kundigen einbeziehen soll. S o lange wir nicht das nicht ins Uferlose zu verlieren, die bloßen Kenn- und Kurpfuscherverbot haben, können auch diese Leute Jdentitätszeichen (Bd. 34 S . 437) geschieden. Damit Zeugnisse ausstellen. kam das RG. zu Unterscheidungen, die außerordent­ lich unsicher sind. Durch § 9 Ziff. 10 ist die Situation Reichsjustizminister D r. Gürtner: Ein Strasbedürsnis besteht an sich nur, falls die endgültig geklärt. Der Entwurf behandelt aus dem Bereich der Beweiszeichen nur die öffentlichen Be­ Bezeichnung „Arzt" gebraucht wird. glaubigungszeichen. Es ist durchaus zweckentsprechend, Was soll die Handlung des Pseudoarztes sein: daß die öffentlichen Beglaubigungszeichen in den Die Ausstellung eines Zeugnisses überhaupt oder die Vordergrund gerückt werden (man denke z. B. an die Ausstellung eines falschen Zeugnisses? Wenn man Eichzeichen oder an Stempel der Behörden, an diesen Fall zu der Urkundenfälschung nehmen will, Stempelmarken). D as besondere Vertrauen, das kann der Tatbestand nur dann hineinkommen, wenn diese Beglaubigungszeichen genießen, rechtfertigt den jemand ein unrichtiges Zeugnis ausstellt. Will man besonderen Strafschutz. Auch hier wird man zwischen allein den Mißbrauch der Arztbezeichnung bei der echten und wahren Beglaubigungszeichen unter­ Zeugnisausstellung unter Strafe stellen, so paßt das scheiden müssen. Als Tatbestände sind vorzusehen die nicht hierher. Herstellung unechter öffentlicher Beglaubigungs­ zeichen (§ 206 meiner Vorschläge), die Herstellung Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: § 277 StG B , straft auch den, der das Zeugnis unwahrer öffentlicher Beglaubigungszeichen (§ 206a ausstellt unter der fälschlichen Bezeichnung als Arzt. meiner Vorschläge), die mittelbare Herstellung un­ § 2 1 3 ResEntw. enthält diesen Gedanken nicht. Der wahrer öffentlicher Beglaubigungszeichen (§ 207 meiner Vorschläge) und der Gebrauch unechter oder Fall ist indessen strafwürdig; er muß ins neue S tG B , unwahrer öffentlicher Beglaubigungszeichen (§ 208 übernommen werden. meiner Vorschläge). Reichsjustizminister D r. Gürtner: Die Eigenart der Beglaubigungszeichen besteht Der Aussteller eines unrichtigen Zeugnisses soll darin, daß sie zu Beweiszwecken eine bestimmte T a t­ nicht die Einrede haben, er falle nicht unter diesen sache hinsichtlich einer Sache bestätigen. Es muß deshalb immer eine Bezugnahme und eine körperliche Paragraphen, weil er nicht den Titel „Arzt" habe. Die Strafbestimmung der GewO, soll daneben be­ Verbindung mit der Sache hergestellt werden. Erst stehen bleiben. D as hätte den Vorteil einer sauberen die Verbindung des Symbols mit der Sache ergibt Trennung. Die unbefugte Titelführung steht ge­ Bedeutung und S inn. Die Verbindung zwischen nügend unter Strafe. W ir stellen hier einfach die der Psändungsmarke und dem Pfandobjekt beweist z. B., daß dieses Objekt amtlich verstrickt ist. Die Pseudoärzte den Ärzten gleich. Ministerialdirektor Dr. Dürr: Dieser Fall ist im § 193 nur als Parallele zum Meineid ausgenommen worden. Beim Meineid ist die Sondervorschrift über die unbedeutenden Unrich­ tigkeiten aber gestrichen worden. E s wäre daher in Aussicht zu nehmen, sie auch im § 193 zu streichen.

Herstellung unechter Beglaubigungszeichen erfolgt entweder so, daß ein echtes Beglaubigungszeichen nachgeahmt wird (z. B. wird der amtliche Stempel, welcher zur Abnahme von Eisenbahnschienen dient, unbefugt an nichtgeprüften Eisenbahnschienen ange­ bracht: es wird folglich von einem Unbefugten ein Stempel angebracht, der nicht amtlich ist, aber als amtlich erscheint). Die zweite Möglichkeit ist die, daß das Beglaubigungszeichen wohl von dem Beamten herrührt, aber unbefugt an eine andere Sache verbracht wird (z. B. wird die Pfandmarke von dem wertvollen Bild, an dem sie bisher klebte, abgelöst und an einem minderwertigen ähnlichen Bild angebracht). Endlich kann die Herstellung in der Form erfolgen, daß wesentliche Änderungen an der bezeichneten Sache vorgenommen werden. (Ich möchte dazu folgendes Beispiel aus der P raxis geben: E in Deutscher verzog während des Krieges von Deutschland nach der Schweiz. E r wollte möglichst viel Sachen, deren Ausfuhr verboten war, mitnehmen. Der Möbelwagen wurde von der deutschen Zoll­ behörde kontrolliert; es wurde festgestellt, daß er keine Gegenstände enthielt, deren Ausfuhr verboten war, und der Wagen wurde daraufhin plombiert. Der Deutsche öffnete den plombierten Wagen später heim­ lich und er brachte noch viele Sachen darin unter, die nicht hätten ausgeführt werden dürfen.) An und für sich könnte man diese drei Varianten einheitlich unter die Wendung: „wer unechte Beglaubigungszeichen anbringt" begreifen. Aber da wir hier Neuland betreten, halte ich es für richtig, daß wir so detaillieren, wie es der ResEntw. vorschlägt. Was die weiteren Verbrechenstatbestände angeht, so hat sich die Herstellung unwahrer öffentlicher Beglaubigungszeichen anzuschließen: § 206a meiner Vorschläge, § 122d der Vorschläge der UK. Es fragt sich auch hier, ob dieser Tatbestand bei den Amtsdelikten belassen werden soll, oder ob er hierher zu übernehmen ist. Hier wird die gleiche Entscheidung zu treffen sein wie bei der Lugbeurkundung. I n § 207 wiederholt sich die schon bei der mittel­ baren Lugbeurkundung erörterte Frage der Notwen­ digkeit einer selbständigen Formulierung. Auch dieser Tatbestand wird einstweilen vorzusehen sein. Wenn der § 28 entsprechend geändert ist, kann er fortfallen. § 208 ist der Gebrauchstatbestand, der die erwähn­ ten beiden Tatbestände ergänzt. Wie steht es mit den privaten Beglaubigungs­ zeichen? F ür diese müssen wir es bei § 193 bewenden lassen. Ein Teil der privaten Beglaubigungszeichen ist schon in Spezialgesetzen unter Strafschutz gestellt, so z. B. die Warenzeichen. Die Grenz- und Wasser­ zeichen werden wir zum Schluß noch einmal treffen. M an hat in der Literatur befürwortet — z. B. Weis­ mann und von Hippel — , auch die privaten Beweis­ zeichen unter den vollen Strafschutz zu stellen. Da­ gegen haben sich insbesondere Ebermayer und Kern ausgesprochen. Ich glaube, ein allgemeines S traf­ bedürfnis besteht in dieser Richtung nicht. Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch auf eine Entscheidung im 58. Band S . 16 der offi­ ziellen Sammlung des RG. aufmerksam machen, und daraufhin die Frage stellen, ob man wenigstens die

Fabriknummern der Automobile, Fahrräder usw. be­ sonders hervorheben und als Gruppe privater Be­ glaubigungszeichen unter Strasschutz stellen sollte. Ich halte es nicht für notwendig. Nunmehr komme ich zu den Vorbereitungshand­ lungen, § 211 meiner Vorschläge (ebenso in den Vor­ schlägen des RefEntw.). Diesen Tatbestand des ResEntw. heiße ich allenthalben gut, bis auf ein Be­ denken wegen der Wendung: „Abdrücke, die mit solchen Gerätschaften hergestellt sind"; denn mit der Herstellung solcher Abdrücke dürste schon der T at­ bestand des § 203 erfüllt sein. Zu erwägen ist, ob nicht die gewerbsmäßige Begehung des § 211 zucht­ hauswürdig ist. Von der Einziehung handelt § 208b meiner Vor­ schläge (§ 212 des ResEntw.). Diese Bestimmung ist notwendig, um die Falsifikate aus dem Verkehr herauszunehmen. Ich möchte auch die unwahren ärztlichen Atteste mit einbezogen wissen, die im E nt­ wurf ausgelassen sind. Ich halte es auch für selbst­ verständlich, daß der § 398 des Entwurfs, der bei den Übertretungen steht, aufrechterhalten bleibt. Es handelt sich dabei um die Gefährdung des öffentlichen Verkehrs durch Urkunden. Schließlich bleibt noch die Urkundenunterdrückung (bei mir § 209, ebenso im RefEntw. § 209) zu prüfen. Im geltenden Recht ist streitig, wie das „gehören" zu verstehen ist. Die beste Lösung geht dahin, daß es dabei auf das Gebrauchsrecht ankommt (so insbe­ sondere Binding). Diese Lösung soll jetzt ausdrück­ lich Gesetz werden. Sie stellt ja auch ganz exakt auf die Beweisfunktion ab. Eine weitere Verbesserung bedeutet es, wenn die bisherige „Schädigungs"absicht durch die Absicht der „Beweishinderung" ersetzt wird. Denn die Angriffshandlung besteht ttt der Beweisvereitelung. Ich habe in meinen Vor­ schlägen das Wort „beseitigen" des RefEntw. her­ ausgenommen; denn es ist nur eine Form des Unter­ drückens. Was die Strafe anbelangt, so ist es sach­ gemäß, wenn für besonders schwere Fälle die Schär­ fung bis zu 5 Jahren Zuchthaus vorgesehen wird. Eine eigenartige Ergänzung bietet das norwegische Strafgesetzbuch, das die Ableugnung der echten Unter­ schrift zu einem Strastatbestand erhebt. Dafür haben wir aber, so glaube ich, in unserem Recht keine Ver­ wendung; die Nachahmung ist nicht zu empfehlen. Die Unterdrückung der öffentlichen Beglaubi­ gungsmittel muß zur Gleichschaltung hier eingefügt werden. Dem Urkundenunterdrückungstatbestand muß ein Tatbestand der Unterdrückung von öffent­ lichen Beglaubigungszeichen entsprechen (man denke z. B. an die Beseitigung eines Stempels, einer Plombe). Die Niederländer sind uns hier schon vor­ ausgegangen; auch in der Literatur ist die Forderung nach einem derartigen Tatbestand längst erhoben worden. Endlich ist noch die Grenzverrückung zu erwähnen (§ 214). Auch da bin ich grundsätzlich mit dem RefEntw. einverstanden. Ich habe die Formulierung des § 214 etwas verändert; in der Sache stimme ich aber überein. W as die Überschrift des ganzen Abschnitts angeht, so scheint mir die Bezeichnung „Urkundenfälschung"

zu eng zu sein; ich schlage als Überschrift vor: „Urkunde- und Beglaubigungsverbrechen". MitberichterstatterLandgerichtsdirektorDr.Lorenz: Der § 210 RefEntw. ersetzt den § 363 Abs. 2 StG B . M it der Strafwürdigkeit dieses Delikts ist es unvereinbar, es wie im geltenden Recht nur als Übertretung zu behandeln. M an kann sogar Be­ denken haben, ob der Strafrahmen des Entwurfs (Gefängnis bis zu 1 Ja h r oder Geldstrafe) für alle denkbaren Fälle ausreichend ist. Die Erweiterung des Tatbestandes aus das Gebrauchmachen im Rechts­ verkehr statt nur zum Zwecke des besseren F o rt­ kommens erscheint sehr angebracht. Bei den §§ 206, 207, 208 RefEntw. handelt es sich um Tatbestände, die aus den §§ 267, 268, 270, 271 bis 273 S tG B , ausgeschieden und noch anderweit ergänzt worden sind. Die Begriffsbestimmung des öffentlichen Beglaubigungszeichens enthält § 9 Nr. 10 RefEntw. Diese Sond'ertatbestände der öffent­ lichen Beglaubigungszeichen sind erforderlich, wenn der Urkundenbegriff, wie hier besprochen, eingeengt wird. Die §§ 206 bis 208 RefEntw. entsprechen im übrigen in ihrem In h a lt und Aufbau den §§ 203 bis 205 RefEntw. Ich möchte nur sprachlich auf etwas Hinweisen: I n den §§ 206— 208 RefEntw. kommt der Ausdruck vor: „in der Absicht, daß im Rechtsverkehr von der Sache Gebrauch gemacht werde, als läge die bestätigte Tatsache vor". Dies läßt sich gemäß § 122d Abs. 2 der Vorschläge der UK. Nr. 22 ersetzen durch: „zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr"; das erfaßt dasselbe mit weniger Worten. Diese Ausdrucksweise möchte auch hier gebraucht werden. Die privaten Beglaubigungszeichen sind im Gesetz nicht geschützt. Die schutzbedürstigen Fälle werden im allgemeinen durch § 193 RefEntw. und durch die Betrugsbestimmungen ersaßt werden. D as Verhältnis von § 207 RefEntw. zu § 133 Abs. 1 RefEntw. bezw. § 122d Abs. 2 der Vorschläge der UK. Nr. 22 ist das gleiche wie das von § 204 RefEntw. zu tz 132 Abs. 1 RefEntw. bezw. § 122d Abs. 1 der Vorschläge der UK. Nr. 22. Die Be­ stimmung des § 122d Abs. 2 der UK.-Vorschläge Nr. 22 hierher zu übernehmen, halte ich nicht für richtig, sie gehört in den Abschnitt „Angriffe aus die Reinheit der Amtsführung". Die Bestimmung des § 211 ist neu, soweit nicht die Übertretungstatbestände des § 360 Abs. 1 Nr. 4 und 5 S tG B , in Frage kommen, und entspricht einem dringenden Bedürfnis. Eine endgültige Entscheidung, ob dieser Paragraph beizubehalten ist, wird erst ge­ troffen werden können, wenn der Unternehmensbegrifs feststeht. Die Anwendung des § 32a RefEntw. möchte auch hier wie bei § 220 der Vorschläge der UK. Nr. 30 ausgeschlossen werden. Ich schließe mich hier der Fassung von Herrn Professor Nagler an, ebenso seinem Vorschlag, die gewerbsmäßige Vor­ bereitung mit Zuchthaus zu bestrafen. Die Bestimmung über die Einziehung (§ 212) ist neu, aber im Interesse der Sicherheit des Rechts­ verkehrs erforderlich. Ich bin auch dafür, daß die

Bestimmung aus die unrichtigen ärztlichen Atteste des § 213 ausgedehnt wird. Der § 209 (Urkundenunterdrückung) soll den § 274 Nr. 1 S tG B , ersetzen, weicht aber in ver­ schiedener Hinsicht davon ab. Während sich das geltende Recht auf Urkunden schlechthin erstreckt, also im Gegensatz zu § 267 S tG B , auch auf nicht beweis­ erhebliche, schützt der RefEntw. nur Urkunden im Sinne von § 9 Nr. 9. Die Unterdrückung von Be­ weismitteln ist in § 194 RefEntw. unter Strafe ge­ stellt. Bei den Beratungen zum 7. Abschnitt des Besonderen Teils kam aber zum Ausdruck, daß § 209 auch auf die Unterdrückung öffentlicher Beglaubi­ gungszeichen auszudehnen sei, und im Hinblick daraus wurden auch die §§ 133, 134 des RefEntw. ge­ strichen. E s wird daher die Fassung vorgeschlagen: „Wer eine Urkunde oder ein öffentliches Beglaubi­ gungszeichen . . . ". Die Grenzverrückung des § 214 entspricht tat­ bestandsmäßig dem § 274 Nr. 2 S tG B . Nicht er­ sichtlich ist, warum hier der Strafrahmen gegenüber dem geltenden Recht ganz bedeutend herabgesetzt werden soll. Ich schlage daher Gefängnisstrafe ohne Grenze nach oben vor.' Reichsjustizminister Dr. Gürtner: Meine Herren, ein großer Teil des Gebiets, das hier zu erledigen ist, ist durch die Regelung des Urkundenrechts vorgebildet. Über den Tatbestand des Gebrauchs fremder Aus­ weise besteht keine Meinungsverschiedenheit. Bei dem Kapitel der Beglaubigungszeichen scheint es mir richtig zu sein, daß wir im Sprach­ gebrauch sagen, was ein Beglaubigungszeichen ist. Hier taucht sofort die Frage auf, ob der Schutz der Beglaubigungszeichen auch auf die privaten Beglau­ bigungszeichen erweitert werden soll. Ich würde vor einer Ausdehnung warnen, weil der Gebrauch des privaten Beglaubigungszeichens in der Materie des Zeichenschutzes eine Rolle spielt. Eine einzige Frage ergibt sich noch bezüglich der Gesetzestechnik. Alle Vorschläge ergehen sich in einer verwirrenden Kasuistik. Herr Professor Nagler hat das begrüßt, weil wir hier gesetzgeberisches Neuland betreten. Ich persönlich möchte auch meinen, daß die Kasuistik hier zweckmäßig ist. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bin der Meinung, daß die Kasuistik bezüglich der Strafbarkeit der Beglaubigungszeichen sehr uner­ freulich ist. Schon rein äußerlich wird die Urkunden­ fälschung durch diese Tatbestände erdrückt. Auch die vorgeschlagene Änderung der Überschrift diöses Ab­ schnitts ist unerfreulich, weil die Beglaubigungs­ zeichen nicht der Schwerpunkt dieses Abschnitts sein sollen. M an muß aus jeden Fall versuchen, diese Tatbestände etwas zusammenzufassen; im einzelnen wäre das Sache der UK. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: W ir können der UK. den Wunsch übermitteln, diese Tatbestände etwas zusammenzufassen. Zu prüfen ist noch, ob bei der Herstellung unechter öffentlicher Urkunden oder Beglaubigungszeichen die

Gewerbsmäßigkeit als besondere Begehungsform her­ vorgehoben werden soll. Nicht erörtert worden ist bisher der Vorschlag von Herrn Professor Nagler über die tätige Reue. Professor D r. Kohlraufch: Dieser Abs. 3 ist dem § 220 nachgebildet. Die UK. hat diese Vorschrift wesentlich geändert und ver­ einfacht, und ich glaube, daß diese Bestimmungen in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Reichsjustizminister Dr. Gürtner: D as wird die UK. zu beachten haben. Die Vorschrift über die Einziehung ist auf ärzt­ liche Zeugnisse, die falsch find, auszudehnen. Bei der Unterdrückung ist fraglich, ob die öffent­ lichen Beglaubigungszeichen neben der Urkunde ge­ nannt werden sollen. Das wird von der Mehrheit

bejaht. Ob man alle vier Zeitwörter braucht, ist noch zu prüfen. Ich meine, daß vernichten und unter­ drücken genügt. Bei der Grenzverrückung scheint mir die Absicht der Beweisverdunkelung in den Vorschlägen von Herrn Professor Nagler gut ausgedrückt zu sein. Ich habe keine Bedenken, die Strafdrohung des geltenden Rechts unverändert zu lassen, wenn nach unten die Haftstrafe bleibt. Die UK. besteht aus den Herren Professor Dr. Nagler, Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz, Ministerial­ direktor Dr. D ürr, Oberlandesgerichtsrat D r. Schäfer. Ich bin verhindert, an der morgigen Sitzung teilzunehmen und bitte Herrn Staatssekretär Dr. Freister, den Vorsitz zu übernehmen. Ich möchte bitten, folgendes zu behandeln: Geheimnisverrat, Rechtsvereitelung, Jagen und Fischen und eventuell die 7. Gruppe: Wucher, Preistreiberei und Glücks­ spiel.

(Schluß der Sitzung 13 Uhr 30 Minuten.)

Anwesend sind die gleichen Herren wie in der 40. Sitzung mit Ausnahme des Reichsjustizministers D r. Gürtner und des Staatssekretärs Dr. Dr. Schlegelberger. Staatssekretär Dr. Freisler eröffnet die Sitzung um 9.10 Uhr.

Strafrechtskommisston

Staatssekretär Dr. Freisler: Meine Herren, wir beginnen mit dem Geheimnis­ schutz. Ich möchte bitten, daß die Herren Referenten ihre Berichte in die grundsätzlichen Betrachtungen und die Einzelheiten teilen.

52. Sitzung 26. September 1934 (Oberhos) Inhalt Geheimnisverrat Staatssekretär Dr. Freisler ....... 1. 2. 3. 4. 5. 7. 8. 9. 10 Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer ....... 1. 2. 4. 5 Berichterstatter Professor Dr. Dahm ... 2. 3. 4. 5. 6. 8. 9 Ministerialdirektor Schäfer ............................ 2. 3. 5. 7. 8. 9 Senatspräsident Professor Dr. Klee .................... 3. 4. 7. 9 Sächsischer Justizminister Dr. Thierack ................ 3. 4. 7. 8 Geheimer Regierungsrat Ministerialrat Dr. Schäfer ... 3. 5 Vizepräsident Grau .............................................................. 3. 5 Professor Dr. Graf Gleispach ......................................... 7. 9 Professor Dr. N a g le r .................................................................. 8 Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz ............................................. 9

Rechtsvereitelung Staatssekretär Dr. Freisler .................... 10. 11. 12. 13. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz 10. 11. Berichterstatter Professor Dr. N a g le r ............ 11. 12. 13. Professor Dr. Gras Gleispach ............................................. Ministerialdirektor Schäfer ............................ 11. 12. 13. Vizepräsident Grau .......................................................... 12. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack ............................. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer .................................... Senatspräsident Professor Dr. K le e .................................... Ministerialrat Rietzsch .............................................................. Professor Dr. Dahm ..............................................................

14 13 14 11 14 13 12 13 13 13 14

Unberechtigtes Jagen und Fischen Staatssekretär Dr. Freisler ............................ 14. 15. 16. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz 14. 15. Berichterstatter Professor Dr. N a g le r ........... 14. 15. 16. Senatspräsident Professor Dr. K le e ..................................... Ministerialdirektor Dr. D ü r r ................................................. Oberlandesgertchtsrat Dr. Schäfer .................................... Ministerialdirektor Schäfer...................................................... Sächsischer Justizminister Dr. Thierack ............................

17 16 17 15 15 16 17 17

Wucher und Preistreiberei Staatssekretär Dr. Freisler .................... 17. 18. 19. 20. Berichterstatter Vizepräsident Grau ............................ 17. Berichterstatter Professor Dr. D a h m ............................ 18. Professor Dr. Graf G leispach......................................... 18. Professor Dr. M ez g e r .............................................................. Senatspräsident Professor Dr. K le e ............................ 19. Ministerialdirektor Schäfer ............................................. 19. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack........................ 19. Ministerialdirektor Dr. D ü r r .................................................. Geheimer Regierungsrat Ministerialrat Dr. Schäfer ...

21 20 20 19 19 20 20 20 20 20

Glücksspiel Staatssekretär Dr. Freisler ......................................... 21. Berichterstatter Vizepräsident G r a u ..................................... Berichterstatter Professor Dr. Dahm ................................. Geheimer Regierungsrat Ministerialrat Dr. Schäfer ...

22 21 21 22

Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: Die Kommission hat sich bei der Beratung der Vorschriften über Angriffe auf die Reinheit der Amts­ führung dafür ausgesprochen, daß die Vorschriften über den Schutz von Amts- und Privatgeheimnissen (§§ 140, 141 Abs. 1, 142, 143, 324, 325 ResEntw.) zusammen mit etwaigen weiteren Vorschriften der Nebengesetze über Verrat von'Geheimnissen in einem besonderen Abschnitt zusammengestellt werden sollen (vgl. Vorschläge der UK. 22 vom 31. 5. 34, Fuß­ noten 9 und 10). Gegen eine solche Zusammen­ fassung ist grundsätzlich nichts zu erinnern, jedoch wird nochmaliger Erwägung anheimgegeben, ob nicht die Vorschriften in §§ 140 und 141 Äbs. 1 in den Abschnitt über „Angriffe auf die Reinheit der Amts­ führung" einzustellen sind, weil sie die Strafbarkeit mehr aus der Verletzung allgemeiner Amtsträgerpslichten als dem Geheimnisverrat herleiten. Es erhebt sich sodann die Frage, in welchem Umfang Bestimmungen der Nebengesetze in das allge­ meine Strafgesetzbuch aufgenommen werden sollen, die sich mit dem Geheimnisschutz befassen. Ich habe in meinen Leitsätzen alle Bestimmungen dieser Art aus zehn Nebengesetzen zusammengestellt, auf die ich verweisen kann. Die meisten dieser Bestimmungen eignen sich nicht zur Übernahme in das Strafgesetz­ buch, jedoch läßt sich aus allen diesen Bestimmungen der eine wesentliche Gesichtspunkt entnehmen, daß auf vielen Gebieten des Wirtschaftslebens vor allem Ge­ schäfts- und Betriebsgeheimnisse amtlichen Organen zugänglich werden. Diese Organe sind, teils als Amts­ träger, teils aus Grund besonders übernommener Ver­ pflichtung, gehalten, jene Geheimnisse zu wahren. Verletzen sie ihre Schweigepflicht, so gefährden oder schädigen sie den Betriebsinhaber und erschweren die Verwaltungstätigkeit der Behörden. Da ein solches strafwürdiges Verhalten aus so vielen Gebieten des Wirtschaftslebens möglich ist, rechtfertigt sich die Aus­ nahme einer Schutzvorschrist im allgemeinen S tra f­ gesetzbuch. Der unbefugten Offenbarung ist dabei das unbefugte Verwerten der Geheimnisse gleichzustellen. F ü r die Ausdehnung der Vorschrift auf alle Verhält­ nisse oder Tatsachen des Betriebs, die dem amtlichen Organ zugänglich werden, besteht kein Bedürfnis. D a­ gegen muß sie alle Amtsträaer treffen ohne Rücksicht darauf, bei welcher Gelegenheit sie kraft ihres Amtes die Geheimnisse erfahren haben, und ohne Rücksicht darauf, ob sie noch im Amte sind. Hier hat es auch nicht aus Entgeltlichkeit oder das Streben nach Vor­ teil oder Schädigung anzukommen. Die Verfolgung ist, wie bei Geheimnisverrat durch Amtsträger und

gleichgestellte Personen überhaupt, nur vom Verlangen der Amtsstelle abhängig zu machen, weil das dienst­ liche Interesse im Vordergründe steht; der Verletzte kann seine Belange durch Angehen der Amtsstelle wahren. Ich schlage deshalb vor, noch folgende Be­ stimmung in den Entwurf einzustellen: § 143a Verletzung von Geschäfts- und Betriebs­ geheimnissen Wer unter Verletzung der ihm obliegenden Schweigepflicht Geschäfts- oder Betriebsgeheim­ nisse, die ihm als Amtsträger oder bei Ausfüh­ rung eines Wirtschastsbetriebes anvertraut werden oder zugänglich geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet, wird mit Gefängnis bestraft. Die T at wird nur aus Verlangen des Vor­ gesetzten oder der Behörde verfolgt, die den Auf­ trag erteilt hat. Als Überschrift des Abschnitts würde ich vor­ schlagen: „Geheimnisschutz". Staatssekretär Dr. Freisler: Ich habe das letztere so verstanden, daß S ie in erster Linie wünschen, die Amtsgeheimnisse hier nicht zu behandeln. Nur für den anderen Fall würden Sie die Überschrift „Geheimnisschutz" für geeignet halten. Erstens haben S ie die Frage der Trennung oder Ver­ bindung von Amts- und Privatgeheimnissen be­ handelt und zweitens die Frage der Nebengesetze. Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Ich stimme in den wesentlichen Fragen mit Herrn Landgerichtsdirektor Leimer überein. Auch ich halte es für richtig, daß die Strafbestimmungen gegen die Verletzung von Privatgeheimnissen von den Vor­ schriften der §§ 140 ff. ResEntw. getrennt werden. Auch nach meiner Meinung gehören die §§ 140 ff. in den Abschnitt über die Angriffe gegen die Reinheit der Amtsführung hinein. Der entscheidende Gesichts­ punkt ist hier die Verletzung der Amtspflicht. Ebenso stimme ich mit Herrn Landgerichtsdirektor Leimer darin überein, daß eine besondere Bestim­ mung zum Schutze des Betriebsgeheimnisses ge­ schaffen werden muß. Dabei wäre aber zu erwägen, ob nicht auch der § 17 des Gesetzes gegen den un­ lauteren Wettbewerb einbezogen werden muß. Das würde ich für richtig halten. Staatssekretär D r. Freisler: Ich würde vorschlagen, daß wir zunächst einmal die beiden Punkte trennen und uns schlüssig werden, ob wir die Verletzung von Geheimnissen, die ein Amtsträger in amtlicher Eigenschaft erfahren hat, hierher bringen oder bei den Verletzungen von Amts­ pflichten behandeln, und ob ferner der Verrat von Betriebsgeheimnissen durch Amtsträger hierher oder zu den Amtsvergehen gehört. Professor Dr. Dahm: F ü r die Einbeziehung würde sprechen, daß die Bestimmungen auf Sachverständige und Betriebsver­ treter, die keine Beamte sind, ausgedehnt werden müssen.

Ministerialdirektor Schäfer: Ich würde den Geheimnisverrat durch Amts­ träger auch lieber in den Abschnitt „Amtsdelikte" stellen. Bei dem neu vorgeschlagenen § 143a fragt es sich, ob nicht das, was der Betreffende erfährt, schon unter seine Amtsverschwiegenheit fällt, und ob es nicht widerspruchsvoll ist, für diesen F all einen Strasschutz zu gewähren, während sonst bei der Verletzung der Amtsverschwiegenheit in der Regel der Disziplinar­ schutz gegeben ist. Nun haben w ir im § 143a aller­ dings den Personenkreis viel weiter gezogen, und insofern liegt die Sache anders. I m allgemeinen haben wir in den Spezialgesetzen für diese Fälle Sonderstrafbestimmungen, die schwer zu übersehen sind, und ich trage Bedenken, für alle diese Gebiete eine allgemeine Strafvorschrift in das Strafgesetzbuch einzufügen. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich schlage vor, daß w ir die einzelnen Fragen, die sich um den neu vorgeschlagenen § 143a grilppieren, später diskutieren. W ir sollten jetzt nur ent­ scheiden, an welcher Stelle diese neue Bestimmung einzustellen ist. Da der Täterkreis über die Amts­ träger hinaus ausgedehnt werden soll, so müßte die Bestimmung m. E. in den allgemeinen Abschnitt über Geheimnisschutz eingestellt werden. I m übrigen wollen beide Herren Berichterstatter die §§ 140 ff. ResEntw. unter die Amtsdelikte ein­ reihen. Dagegen hat sich bisher Widerspruch nicht erhoben. M ir scheint dieser Vorschlag auch richtig zu sein, weil der Akzent hier aus der Amtsträgerpflicht liegt. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: § 140 ResEntw. gilt für die Verletzung des Amts­ geheimnisses im allgemeinen, die Überschrift sollte deshalb „Verletzung des allgemeinen Amtsgeheim­ nisses" oder „Verletzung des Amtsgeheimnisses im allgemeinen" lauten. Der Amtsträger, vor allem der Beamte, ist ver­ pflichtet, über die ihm amtlich zur Kenntnis gekom­ menen Tatsachen Stillschweigen zu wahren. Grund­ sätzlich sind alle diese Tatsachen für ihn Geheimnis. Die Verletzung dieser Pflicht macht ihn disziplinär verantwortlich. Die disziplinäre Ahndung reicht aus, soweit die Verletzung der Schweigepflicht nicht durch besondere Umstände so verwerflich ist, daß auch krimi­ nelle S trafe am Platz ist. D as ist sicher der Fall, wenn der Amtsträger seine Schweigepflicht gegen Entgelt oder in der Absicht verletzt, sich oder einem anderen unrechtmäßig einen Vorteil zu verschaffen oder jemand einen Nachteil zuzufügen. Insoweit ist kriminelle Strafe anzudrohen. D as gilt selbstverständlich auch für frühere Amtsträger. Die Fassung „ein anvertrautes oder zugängliches Geheimnis offenbart" ist aber zu eng. Ich meine, sie bringt nicht zum Ausdruck, daß der Amtsträger alle ihm kraft seines Amtes bekannt­ gewordenen Tatsachen als Geheimnis wahren muß, und erweckt den Eindruck, er dürfe n ur nicht offen­ baren, was ihm als Geheimnis anvertraut worden oder zugänglich geworden ist. E s wird deshalb vor-

geschlagen, zu sagen „ihm kraft seines Amtes bekannt gewordene Tatsachen". I m praktischen Leben wird ja auch immer darüber S tre it bestehen, ob nun eine bestimmte Tatsache als Geheimnis anzusprechen ist oder nicht. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Beamte grundsätzlich zu schweigen hat, ich würde ihn selbst dann bestrafen, wenn er eine schon bekannte Tatsache weiter trägt. Zur Verfolgung ist das Verlangen des Vorge­ setzten zu fordern, um ungeeignete Fälle der straf­ gerichtlichen Ahndung zu entziehen. Berichterstatter Professor D r. Dahm: Ich bin im wesentlichen der gleichen Ausfassung wie Herr Landgerichtsdirektor Leimer. Grundsätzlich scheint mir der Vorschlag des RefEntw. richtig zu sein. Ich hatte zunächst anregen wollen, man möge die Faffung des Entw. von 1925 wiederherstellen. Ich habe mich aber davon überzeugt, daß darin eine Über­ spannung des Strafrechts läge. W ir dürfen nicht ver­ gessen, daß diese ganze Materie ihre Ergänzung im Disziplinarrecht findet. Deshalb sollten nur die schwersten Amtspflichtverletzungen in das Strafgesetz aufgenommen werden. Die Bedenken des Herrn Landgerichtsdirektors Leimer gegen das Merkmal „anvertraut" teile ich nicht. Damit soll doch nur zum Ausdruck gebracht werden, daß die Tatsache zur Zeit der T at Geheimnis sein muß. I m übrigen wäre zu erwägen, ob nicht in § 140 RefEntw. eine Ausweitung des Täterkreises wün­ schenswert ist. Ich würde auch Büroangestellte, ins­ besondere Stenotypistinnen der Strafdrohung unter­ stellen, weil gerade sie gefährliche Indiskretionen begehen können. Staatssekretär Dr. Freister: Die erste Frage ist also die, ob der Tatbestand durch das Merkmal „gegen Entgelt" eingeschränkt werden soll. Ich meine auch, daß man den Geheim­ nisschutz überspannen würde, wenn auf dieses Merk­ mal verzichtet wird. Ich will aber dem Ergebnis der Debatte nicht vorgreifen. Senatspräsident Professor D r. Klre: Ich bin auch der Meinung der Herren Referenten, den kriminellen Schutz des Amtsgeheimnisses auf die Fälle des § 140 zu beschränken, da wir im Hinter­ gründe die Disziplinierung der Beamten haben. Bei Angestellten würde ich aber von der Borteilserstrebung absehen. Staatssekretär Dr. Freisler: Dann wird doch von den Beamten weniger ver­ langt als von nichtbeamteten Personen. Senatspräsident Professor D r. Klre: Weil von vornherein von Beamten mehr verlangt wird und dieserhalb hier Disziplinierung möglich ist. Staatssekretär Dr. Freisler: Bei der Stenotypistin ist die Entlassung möglich.

Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ich glaube, daß man den Personenkreis auf An­ gestellte erweitern und die Verfolgung vom Verlangen des Behördenvorstandes abhängig machen muß. Es kann im dringenden Interesse der Behörde liegen, daß eine Verhandlung nicht stattfindet. Ministerialdirektor Schäfer: Bezüglich der Fassungsfrage möchte ich nur daraus hinweisen, daß nach den Ausführungen von Herrn Professor Dahm die Formulierung des RefEntw. zu­ treffend erscheint. Was die Ausdehnung des Täterkreises aus An­ gestellte betrifft, so möchte ich den Vorbehalt machen, daß diese Frage zunächst mit dem Reichsinnenministe­ rium besprochen werden muß. Professor Dr. Dahm: Es würde ja nicht zum Ausdruck kommen, daß diese Personen (Angestellte) als Amtsträger anzu­ sprechen sind. Vielmehr wäre für sie ein besonderer Absatz mit selbständiger Strafdrohung zu bilden. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: Der Vorschlag würde darauf hinauslaufen, daß die Verordnung vom 3. 5. 1917/12. 2. 1920 in das Strafgesetzbuch eingearbeitet würde. Staatssekretär D r. Freisler: Der neue Gedanke würde sein, daß man bei den Personen, die man als mögliche Täter einbeziehen will, eine bestimmte feierliche Form der Verpflichtung voraussetzt. Das Ergebnis der bisherigen Diskussion ist folgendes: Erstens Beschränkung des kriminellen Schutzes aus § 140; zweitens Erweiterung des krimi­ nellen Schutzes nach der Seite der möglichen Täter auf besonders verpflichtete Angestellte; drittens be­ züglich dieser Personen aber keine Erweiterung des Tatbestandes etwa in dem Sinne des Herrn Professor Klee, und zwar mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit, von ihnen mehr zu verlangen als von Beamten; viertens Anmerkung bei der Einbeziehung dieser An­ gestellten, daß eine Besprechung mit dem Reichsinnen­ ministerium erforderlich ist; fünftens in irgendeiner Form ein Vetorecht der vorgesetzten Behörde gegen­ über der Strafverfolgung; sechstens das Bedenken des Herrn Landgerichtsdirektors Leimer gegen die Wortfassung. Ich glaube nicht, daß durch die Fassung die Auslegung ermöglicht wird, als müsse die Anvertrauung gerade als Geheimnis erfolgen. Vizepräsident Grau: Ich möchte noch auf folgenden Punkt hinweisen: M . E. ist im RefEntw. die Bindung zwischen Amt und Geheimnis zu stark, indem der RefEntw. von Geheimnissen spricht, die kraft Amtes anvertraut sind. Der Wortlaut wäre wohl besser dahin zu fassen, daß man sagt: „bei Gelegenheit der Amtsführung bekannt geworden." Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß in manchen Fällen der Beamte auch zur Offenbarung des Geheimnisses verpflichtet ist. Ich würde diesen Fällen auch schon in der Faffung des Tatbestandes dadurch gerecht werden, daß das Merkmal „unbefugt" eingefügt wird.

Professor Dr. Dahin: Ich stimme diesen Ausführungen in vollem Um­ fange zu. Eine Auflockerung der Bindung zwischen Amt und Geheimnis hatte ich schon in meinen Leit­ sätzen vorgeschlagen. Ich halte es auch für richtig, das Merkmal „unbefugt" ausdrücklich in den T at­ bestand aufzunehmen. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich bin gegen die Aufnahme des Merkmals „un­ befugt", das versteht sich ganz von selber. Wie die Praxis beweist, würden dann Schwierigkeiten darüber entstehen, ob die Rechtswidrigkeit vom Vorsatz umfaßt sein muß. Staatssekretär Dr. Freister: Ich glaube auch, die Einsetzung von „unbefugt" könnte zu Mißverständnissen führen. Dann steht noch die zweite Frage zur Diskussion: „bei Ausübung des Amtes". Professor Dr. Dahm: Da ist etwa an den Fall zu denken, daß ein Be­ amter bei einer Haussuchung irgendwelche Vorgänge aus dem Privatleben der Betroffenen erfährt. Staatssekretär Dr. Freisler: Bestehen dagegen Bedenken? Nein. Sind sonstige Fragen zu § 140 zu stellen? D as ist nicht der Fall. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: Zu § 141 Abs. 1 wird als Überschrift vor­ geschlagen: „Verletzung des Amtsgeheimnisses in aus­ wärtigen Angelegenheiten", da die Vorschrift sich nicht aus Amtsträger des auswärtigen Dienstes beschrän­ ken soll. Bestraft muß werden jeder Amtsträger oder frühere Amtsträger, der, sei es auch ohne Entgelt oder Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht, Nach­ richten oder Gegenstände, die für die Beziehungen des Reiches zum Ausland von Bedeutung sind (anders in § 94c des Entw. 1934, wo Gefährdung des Wohles des Reiches gefordert wird) und ihm traft seines Amtes anvertraut worden oder zugänglich geworden sind, unbefugt an einen anderen gelangen läßt. Daß er sie „a l s Amtsträger" an einen anderen gelangen läßt, ist nicht notwendig, die Kenntnis oder den Besitz muß er als Amtsträger erlangt haben. Deshalb ist eine Fassung wie in § 140 („Ein Amtsträger oder früherer Amtsträger, d e r .............") oder „Wer un­ befugt ................gelangen läßt, die ihm als Amts­ träger oder früheren Amtsträger kraft seines A m te s................" zu wählen. I m übrigen wird dem Vorschlage des ResEntw. zugestimmt. Zu § 142 ( „Verletzung des Post-, Fernmeldeund Fernsprechgeheimnisses) weise ich zunächst darauf hin, daß die Unverletzlichkeit des Post-, Telegrafenund Funkgeheimniffes in § 5 des Postgesetzes, § 8 des Telegrafengesetzes und § 10 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen ausgesprochen ist (vgl. auch Art. 117 der Weimarer Verfassung). Die Verletzung durch die mit den einschlägigen Arbeiten Beschäftigten ist strafwürdig.

Dem Vorschlag des ResEntw. wird grundsätzlich zugestimmt, vorbehaltlich der Anträge des Reichspost­ ministeriums. Danach tritt auch bei bedingtem Vorsatz S tra f­ barkeit ein. Es wird zu prüfen sein, ob das nicht für das „unrichtige Weitergeben" nach Ziff. 2 und für das „unrichtige übermitteln" nach Zisf. 3 zu weit geht, hier dürfte Strafwürdigkeit nur gegeben sein, wenn Wissentlichkeit vorliegt. Die Strafverfolgung vom Verlangen auch des Verletzten abgängig zu machen, ist nicht angezeigt, da das öffentliche Interesse im Vordergrund steht. Dem Vorschlage des ResEntw. über die „Ver­ letzung des Steuergeheimnisses" (§ 143) wird zuge­ stimmt mit dem Abmaße, daß das Verlangen des Verletzten auch hier nicht zur Voraussetzung der Ver­ folgung zu machen ist (auch die RAO. § 412 fordert nur bei dem einfachen Delikt mit Androhung von 6 Monaten Gefängnis Antrag, dagegen nicht bei Gewinnsucht oder Schädigungsabsicht). Daß hier die Amtsträger der Religionsgemeinschaften in den T äter­ kreis einbezogen sind, erscheint richtig. Professor Dr. Dahm: Ich habe ergänzend nur eine Anmerkung zu § 141 ResEntw. zu machen. Die Bestimmung muß nt. E. ausgedehnt werden auf Personen, die ohne Amts­ träger zu sein, mit der Vertretung des Reichs gegen­ über einer auswärtigen Regierung betraut sind. F ür besonders schwere Fälle würde ich Zuchthaus­ strafe vorsehen. Staatssekretär Dr. Freisler: Zu den §§ 142 und 143 werden also keine Be­ denken geäußert. Zu § 141 sind drei Vorschläge gemacht worden: Erstens ist die Meinung vertreten worden, daß die rein grammatische Bezugnahme „als Amtsträger gelangen läßt" eine falsche Vorstellung über den beabsichtigten In h a lt aufkommen lassen kann. E s kommt daraus an, daß der Täter seine Kenntnis als Amtsträger erhalten hat, er braucht sie aber nicht in seiner Eigenschaft als Amtsträger weitergelangen zu lassen. Zweitens handelt es sich um die Ausdehnung auf Personen, die nicht Beamte sind, denen aber Aufträge im Dienste des Reichs gegeben sind, und drittens um die Frage der Zuchthausstrafe. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich bin mir noch nicht klar darüber, wie das Ver­ hältnis dieser Bestimmung zum Landesverrat gedacht ist. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, daß die in § 141 beschriebene T at das Wohl des Reiches nicht gefährdet. Deshalb scheint mir § 141 überflüssig zu sein. Sächsischer Justizminister D r. Thieräck: Ich möchte dem beipflichten, aber einschränken. Im allgemeinen wird Landesverrat konkurrieren. E s kann aber auch § 141 allein einschlagen. Nehmen Sie olgenden Fall an: F ü r eine internationale Zuammenkunft werden in Berlin die Kommissionen jUsammengesetzt, aber geheimgehalten. E s wird dem Auslande darauf ankommen, die Zusammensetzung

frühzeitig zu erfahren. Hier würde die Mitteilung des Personenkreises noch keinen Landesverrat bedeuten. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: Ich meine, daß die besonders schweren Fälle nicht erwähnt zu werden brauchen. Denn solche Fälle gehen hier meist in Landesverrat über. Deshalb braucht auch nicht wahlweise Zuchthaus angedroht zu werden. W as die angeregte Ausdehnung angeht, so ver­ weise ich aus unsere Definition des Amtsträgers. Nach dieser gesetzlichen Definition ist z. B. Herr von Ribbentrop ganz unzweifelhaft als Amtsträger anzusehen. Professor Dr. Dahm: D as glaube ich nicht. Vizepräsident G rau: M an muß davon ausgehen, daß § 141 eine erweiterte Pflicht für die Träger des auswärtigen Dienstes einführt. Die Überschrift ist falsch; es ist keine Verletzung des Amtsgeheimnisses, sondern ein Vertrauensbruch im auswärtigen Dienst. Wenn man den Tatbestand so auslegt, dann ergibt sich auch ohne weiteres die Abgrenzung zum Landesverrat, der aus Geheimnisse beschränkt ist. Professor Dr. Dahm: Ich glaube auch, daß eine besondere Bestimmung neben den Vorschriften über den Landesverrat erfor­ derlich ist. Ich halte auch die Ausdehnung auf P riv at­ personen für wünschenswert. Bei Wirtschastsverhandlungen kann die Reichsregierung z. B. inoffiziell Fühlung nehmen und sich dabei der Hilfe von P er­ sonen bedienen, die keine Amtsträger sind. Staatssekretär Dr. Freister: W ir sind uns einig, daß wir Personen, wie z. B. Herrn von Ribbentrop, dahin rechnen wollen. Die UK. mag prüfen, ob der Amtsträgerbegrisf allem Rechnung trägt, wenn nein, ob er entsprechend ge­ ändert werden kann. Wenn eine Änderung nicht möglich ist, sollen die nichtbeamteten Personen aus­ drücklich erwähnt werden. Ministerialdirektor Schäfer: Hier spielen die Stenotypistinnen eine Rolle, wir sollten daher die Ausdehnung annehmen. Staatssekretär Dr. Freister: E s fragt sich weiter, ob wir den Strafrahm en für besonders schwere Fälle aus Zuchthaus ausdehnen sollen. Diese werden wohl meist unter Landesverrat fallen, aber die Zuchthausandrohung wird auch hier nichts schaden. E s besteht dagegen kein Widerspruch. Geheimer Regierungsrat Dr. Schäfer: W ir werden auch die Geldstrafe brauchen. Ministerialdirektor Schäfer: Die Hauptabweichung bei dieser Bestimmung be­ steht darin, daß wir von dem Erfordernis der Bereicherungsabsicht absehen. I n der großen Mehrzahl -e r Fälle wird es sich um bedeutungsloses Geschwätz handeln; da werden wir die Geldstrafe brauchen.

Staatssekretär D r. Freislerr Die Überschrift scheint mir nicht ganz zu passen, „Vertrauensbruch in auswärtigen Angelegenheiten" ist besser. Sind zu den §§ 140 bis 143 noch Bemerkungen zu machen? Dann kämen wir jetzt zur Verletzung von Privatgcheimniffen, dort können wir auch den § 143a behandeln. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Leimer: § 324 ResEntw. (Verletzung des Briefgeheim­ nisses) übernimmt den In h a lt des § 299 StG B , im wesentlichen. An die Stelle des Wortes „Urkunde" ist jedoch der allgemeinere und zutreffendere Begriff „Schriftstück" gesetzt. Dem Vorschlag wird zugestimmt, als Strafe ist jedoch auch Haft zuzulassen. M it Recht ist in den Anträgen Nr. 34 von Herrn Senatspräsidenten Klee eine Erweiterung der V or­ schrift gefordert. Auch derjenige, der sich den In h a lt eines zu seiner Kenntnis nicht bestimmten Schriftstücks nicht durch Offnen des Verschlusses des Schriftstückes selbst, sondern durch unbefugtes Offnen, nicht nur Erbrechen des Verschlußes eines Behältnisses, in welchem das — schon geöffnete — Schriftstück ver­ wahrt wird, zugänglich macht, muß strafbar sein. Deshalb wird folgender Abs. 2 vorgeschlagen: „Ebenso wird bestraft, wer sich den In h a lt eines unter Verschluß gehaltenen Schriftstückes, das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt ist, durch unbefugtes Offnen des Verschlusses zugänglich macht." Da hier meist ganz besondere Interessen des Ver­ letzten hereinspielen, oft auch Störungen der Fam i­ lien- und Hausgemeinschaft in Frage kommen, ist hier die Verfolgung vom Verlangen des Verletzten ab­ hängig zu machen. § 325 ResEntw. regelt den Verrat von Privatgeheimniffen. E r ist weitgehend dem § 300 S tG B , angelehnt. Dieser bedroht Angehörige einer Reihe von Berufsgruppen mit Strafe, wenn sie ihnen kraft ihres Berufes anvertraute Privatgeheimnisse unbe­ fugt offenbaren. Der ResEntw. dehnt die Strafbar­ keit auf die kraft des Berufs zugänglich gewordenen Privatgeheimnisse aus, sieht von der Aufführung be­ stimmter Berussträger ab und stellt die Kenntnis von dem Geheimnis durch die Ausübung bestimmter B e­ rufe in den Vordergrund. Dem Vorschlage des Ref.Entw. ist zuzustimmen, es scheint mir aber geboten, auch die berufsmäßige Ausübung der Fürsorgetätigkeit ins Gesetz aufzunehmen. Gehilfen und in der Ausbildung tätige Personen werden in gleicher Weise mit Strafe zu bedrohen sein. Herr Professor Dahm hat in seinen Leitsätzen die Frage angeregt, ob auch die Gelegenheitsgehilfen der Strafdrohung unterstellt werden sollen. Ich würde dies in Übereinstimmung mit Herrn Professor Dahm nicht für richtig halten. Der ResEntw. billigt ferner bei Offenbarung des Geheimnisses zur Wahrnehmung eines überwiegenden öffentlichen oder privaten, aus andere Weise nicht wahrnehmbaren Interesses, Straffreiheit zu. Auch das haste ich für richtig, denn die Notstandsbestim­ mungen reichen für derartige Fälle nicht aus. Die ärztlichen Verbände haben auch wiederholt eine Speziasyorschrift im Rahmen des § 325 verlangt.

Da bei diesem Delikte die Interessen des Ver­ letzten bei weitem überwiegen, muß ihm auch die Entscheidung überlassen bleiben, ob er die Angelegen­ heit zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens machen will. E s ist deshalb richtig, wenn der Ref.Entw. zur Strafverfolgung das Verlangen des Ver­ letzten fordert.

meinerung bedenklich. Die Auswirkung einer solchen Bestimmung wäre unübersehbar und würde eine Überspannung des Strafrechts, wahrscheinlich auch eine Hemmung des geschäftlichen Verkehrs mit sich bringen und Anlaß zu zahllosen Denunziationen mtb Streitigkeiten geben. Es sollte also m. E. dabei bleiben, daß bestimmte typische Fälle herausgegriffen werden.

Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Die Vorschrift des § 324 über die Verletzung des Briefgeheimnisses ist zu eng. Der Verletzung des Briefverschlusses ist der Bruch anderer Verschlüsse (Pakete und dergleichen) gleichzustellen, wenn sie zur Verwahrung von Briefen dienen. Daher schlage ich die Einfügung einer dem § 354 Abs. 2 Entw. 1919 entsprechenden Bestimmung als § 324 Abs. 2 vor: „Ebenso wird bestraft, wer in der Absicht, von einem nicht für ihn bestimmten Schriftstück Kenntnis zu nehmen, einen anderen Verschluß, unter dem das Schriftstück aufbewahrt wird, unbefugt eröffnet." Es wird zu prüfen sein, ob darüber hinaus — etwa nach dem Muster des italienischen Strafgesetz­ buches (Art. 616) — auch die Unterdrückung und Vorenthaltung von Briefen unter Strafe gestellt werden soll. Meiner Meinung nach wird den prak­ tischen Bedürfnissen durch die Strafdrohungen gegen. Urkundenunterdrückung, Diebstahl usw. hinreichend genügt. Ebensowenig besteht ein wirkliches Bedürf­ nis nach einer Bestrafung dessen, der den In h a lt einer unrechtmäßig erlangten Korrespondenz weiter ver­ breitet. Soweit eine solche Verbreitung strafwürdig ist, wird mit den vom Ausschuß beschlossenen Vor­ schriften über Ehrverletzung usw. auszukommen sein.

Und zwar wäre insbesondere die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht auf dem Gebiet der Rechts­ und Gesundheitspflege zu bestrafen. Technisch bieten sich hier zwei Möglichkeiten: M an könnte entweder die in Frage kommenden Berusskreise bezeichnen und alle darunter fallenden Personen zu ersassen suchen (Entw. 1925 und 1933) oder die betreffenden Berufs­ gruppen kasuistisch aufzählen, wie das im Entw. 1927 geschehen ist. Meiner Meinung nach verdient die erste, auch vom RefEntw. vorgeschlagene Lösung den Vorzug. Es werden also alle Personen ersaßt, die mit der Ausübung der Heilkunde, der Vertretung von Rechtsangelegenheiten usw. befaßt sind. Eine öffent­ liche Bestellung soll nicht notwendig sein. Som it werden namentlich Rechtskonsulenten und Naturheil­ kundige einbezogen. Der Haupteinwand gegen eine solche Einbeziehung ist bekanntlich der, daß dadurch das Vertrauen zu den Naturheilkundigen gestärkt werde. W ir müssen aber berücksichtigen, daß ein großer Teil des Volkes nun einmal Naturheilkundige zu Rate zieht, und daß der S ta a t die Ausübung dieses Gewerbes duldet. M an kann diesen Sach­ verhalt nicht dadurch ignorieren, daß man die N atur­ heilkundigen von der Verpflichtung zur Verschwiegen­ heit entbindet.

Als Strafe ist auch Haftstrafe vorzusehen. Strafwürdig ist ferner die Verletzung des Amts- und Berufsgeheimnisses. M an könnte hier zunächst daran denken, den Bruch des Amts­ und Berufsgeheimnisses durch eine abstrakte Be­ stimmung zu erfassen, etwa des In h a lts, daß jeder zu bestrafen sei, der in Wahrnehmung öffent­ licher Befugnisse oder in Ausübung eines Berufs oder Gewerbes, zu dem er öffentlich bestellt ist, Einblick in fremde Geheimnisse gewinnt und diese Geheimnisse verrät. Eine solche Bestimmung wäre jedoch verfehlt. Denn bei der Verletzung der Amtsgeheimnisse liegt der Ton nicht auf der Verletzung privater Geheimnisse des einzelnen, sondern auf der Verletzung der Amts­ pflicht überhaupt. Darum ist zum mindesten die Ver­ einigung dieser sämtlichen Fälle in einer einheitlichen Bestimmung nach Art des § 355 Entw. 1919 nicht zu empfehlen. Vielmehr ist schärfer zu trennen: Die Verletzung von Privatgeheimnissen unter Verletzung der Berufspflicht. Hier taucht die Frage auf, ob wenigstens insofern eine generelle Bestimmung nach Art des § 291 Gegenentwurf einzuführen ist, wonach bestraft werden „Personen, die zur Ausübung eines Berufes oder Gewerbes öffentlich bestellt oder ermächtigt sind . . . ., wenn sie Privatgeheimnisse offenbaren usw.". Darunter würden auch z. B. Geistliche und Redakteure fallen. Jedoch scheint mir eine derartige Verallge­

Bei der Beratung des § 325 Abs. 2 wird insbe­ sondere zu prüfen sein, ob neben den berufsmäßig tätigen Gehilfen der in Abs. 3 genannten Personen auch „Gelegenheitsgehilfen" wie Familienangehörige, Dienstboten usw. einbezogen werden sollen. Auch hier scheinen mir die besseren Gründe für den Entwurf zu sprechen. Dagegen bestehen Bedenken in anderer Hinsicht. Es soll sich nach dem Entw. um „Privatgeheimniffe" handeln, die dem Täter „kraft seines Berufes" an­ vertraut worden sind. Beide Wendungen scheinen mir zu eng. Es muß klargestellt werden — so aller­ dings heute schon Lehre und Rechtsprechung — , daß auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, nicht nur „private Angelegenheiten" unter den Strasschutz fallen. Deshalb würde besser statt von „Privatgeheimnissen" von „fremden Geheimnissen" oder „Geheimnissen eines anderen" gesprochen werden. Strafwürdig ist sodann neben der Preisgabe von Geheimnissen, die dem Täter „kraft seines Berufes" zugänglich gemacht worden sind, auch die Kundgabe von Vorgängen, die ihm bei Gelegenheit seiner Berussausübung bekannt­ geworden sind. Hierauf habe ich vorhin schon hin­ gewiesen. Ich würde es deshalb für richtig halten, wenn die Worte „kraft seines Berufes" durch die Worte „bei Ausübung seines Berufes" ersetzt würden. Sehr schwierig ist die Frage, ob ein dem § 325 Abs. 3 RefEntw. entsprechende Vorschrift aufzu­ nehmen ist. Ich hatte in meinen Leitsätzen vorge­ schlagen, diese Bestimmung zu streichen, glaube aber

jetzt nicht mehr, daß wir auf sie verzichten können. Im m erhin nehme ich Anstoß an der Fassung des ResEntw. E r spricht von der Wahrnehmung berech­ tigter Interessen. D as ist individualistisch und zu­ gleich mißverständlich. Ich würde vorschlagen, daß w ir auf die entsprechende Vorschrift bei der Ehren­ kränkung zurückgreifen. Dort haben wir die Bezug­ nahme auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen vermieden. Der Entw. von 1911 bedroht auch die unbefugte Veröffentlichung von Aufzeichnungen eines Arztes nach besten Tode mit Strafe. M an könnte die Auf­ nahme einer solchen Bestimmung erwägen. Ich sehe aber kein Bedürfnis hierfür, da regelmäßig und in den strafwürdigen Fällen die Bestimmungen über den Ehrenschutz durchgreifen würden. Staatssekretär Dr. Freisler: Zu § 324 ist Erweiterung aus denjenigen, der sich einen offenen Brief durch Verschlußbruch zugänglich gemacht hat, angeregt worden. Eine Ausdehnung auf Entwendung von Briefen ist nicht erforderlich, weil sie schon nach anderen Vorschriften strafbar ist. Ministerialdirektor Schäfer: Ich möchte glauben, daß die Fassung des Res.Entw. genügt. Dort heißt es: „Wer einen ver­ schlossenen Brief usw. unbefugt öffnet . . .". M an muß das m. E. unbefangen dahin auslegen, daß darunter auch fällt, wenn ein offener Brief in einem Paket befördert wird. Dagegen wollen wir doch die Fälle nicht treffen, wo ein Brief in einer Kommode eingeschlossen liegt. Staatssekretär Dr. Freisler: Doch, die Fälle wollen wir auch treffen. Ministerialdirektor Schäfer: Dann würden auch die zahlreichen Fälle darunter fallen, in denen die neugierige Zimmervermieterin in den eingeschlossenen Briefen des Untermieters herumstöbert. Das verschiebt völlig den Grundge­ danken der Vorschrift. Staatssekretär Dr. Freisler: D ann machen S ie aber jeden Brief in dem Augenblick, in dem der Empfänger davon Kenntnis genommen hat, schutzlos. Ministerialdirektor Schäfer: Sowie wir den Boden verlassen, daß es sich um einen „verschlossenen", d. h. noch nicht geöffneten Brief handeln muß, müßten auch alle eingeschlossenen Notizen darunter fallen. Staatssekretär Dr. Freisler: Der Brief ist doch ein Geheimnis zweier Personen. Ministerialdirektor Schäfer: M. E. handelt es sich nicht mehr um den Schutz des Briefgeheimnisses, wenn der Brief nicht mehr verschlossen ist. Staatssekretär Dr. Freisler: I h r Vorschlag ist, kurz gesagt, der Begriff des Briefes ist auf die Zeit der Beförderung beschränkt.

Professor Dr. Graf Gleispach: Ich möchte in erster Linie daraus hinweisen, daß in § 324 die T at zu eng bezeichnet und umschrieben ist. D as Briefgeheimnis kann nämlich auch dadurch verletzt werden, daß man den Brief durchleuchtet, ohne den Verschluß irgendwie anzutasten. Wenn wir uns überlegen, daß die ganze Bestimmung den Schutz der Persönlichkeit vor dem Eindringen in ihre Ge­ heimnisse bezweckt, so könnten wir den Tatbestand ganz allgemein dahin fassen: „Wer das Geheimnis von Briefen oder anderen verschlossenen Schriftstücken verletzt". Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: W ir wollen das verschlossene Schriftstück schützen und nicht den Verschlußbruch schlechthin unter Strafe stellen. Die Tragweite der Bestimmung wäre selbst dann zu groß, wenn man jedes irgendwie verschlossene Schriftstück darunter faßte. Z. B .: Jem and will einen Kommentar schreiben und schließt das Manuskript in den Schreibtisch. E s gibt auch Leute, die Schriftstücke und andere Sachen aus übertriebener Ordnungsliebe einschließen. Staatssekretär Dr. Freisler: M an könnte erwägen, den Verschlußbruch an sich zu bestrafen. Ich bin der Meinung, daß dies ge­ schehen sollte. Dann könnten wir die Verletzung des Briefgeheimnisses in der beschränkten Form des § 324 RefEntw. ersassen. Ein weitergehendes Strafbedürf­ nis würde dann unter dem Gesichtspunkt des Ver­ schlußbruchs befriedigt. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte auch den Gesichtspunkt des verbotenen Eindringens in die fremde Privatsphäre in den Vordergrund stellen und demgemäß entweder den Tatbestand des § 324 ausweiten oder nach dem Vor­ schlage von Herrn Staatssekretär Dr. Freisler den Verschlußbruch allgemein unter Strafe stellen. Unbedingt beachtet werden muß das, was Herr Gras Gleispach gegen die zu enge Fassung des Ge­ setzes vorgebracht hat. Nach dem W ortlaut des Ref.Entw. könnte die Rechtsprechung auf den Gedanken kommen, das Durchleuchten eines Brieses nicht als tatbestandsmäßig anzusehen. Ministerialdirektor Schäfer: Bisher hat man bereits geöffnete Briese nicht unter § 299 gefaßt, sondern sehr scharf zwischen „verschlossen" und „eingeschlossen" unterschieden. Staatssekretär Dr. Freisler: Wenn ich einen Brief in einen Umschlag tue und diesen verschließe, so würde er geschützt sein. Wenn ich aber in eine Schatulle einen offenen Brief lege und diese zuschließe, so soll dieser Schutz nicht gewährt werden? Es ist vorgeschlagen worden, den Bruch des Briefgeheimnisses beschränkt zu lassen, den Verschluß­ bruch aber als solchen besonders zu bestrafen. Feststeht, daß wir auch das Durchleuchten von Briefen usw. einbeziehen müssen. Vorbehalte über die Einschränkung des Verfolgungszwanges waren in einer Fußnote aufzunehmen.

Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ich habe § 324 ResEntw. anders aufgesaßt. M . E. handelt es sich nicht allgemein um das Ein­ dringen in verschloffene Schriftstücke, vielmehr soll das verschloffene Schriftstück nur geschützt werden, solange es der Empfänger noch nicht erhalten hat. D as Schutzbedürfnis beruht daraus, daß sich der Empfänger bis zu diesem Zeitpunkt nicht selbst schützen kann; nach Erlangung der Verfügungsgewalt besteht kein Strasbedürfnis mehr, der Empfänger kann sich dann selbst sichern. I m übrigen geht es m. E. viel zu weit, den Ver­ schlußbruch allgemein unter Strafe zu stellen. Staatssekretär Dr. Freister: Wie würden Sie sich dazu stellen, wenn w ir die Verletzung des Briefgeheimnisses beschränkt ließen, außerdem aber den Verschlußbruch bestrafen? Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: W ir können unmöglich den Fall als Verletzung des Briefgeheimnisses bezeichnen, daß die Hausfrau einen vom Dienstmädchen eingeschloffenen Liebesbrief hervorholt, weil sie daran irgendein Jntereffe hat. Ministerialdirektor Schäfer: Eine allgemeine Ausdehnung des Strafschutzes über den bewußt eng gezogenen Rahmen des § 324 ResEntw. hinaus führt nt. E. zu nicht tragbaren Ergebnissen. Eine Postkarte befindet sich während der Beförderung nicht unter dem Strafschutz dieser Be­ stimmung, weil die in ihr enthaltene Mitteilung eben nicht verschlossen ist. Wenn nun der Empfänger die Postkarte erhalten hat und sie dann in seinen Schreib­ tisch einschließt, soll sie etwa jetzt den Strafschutz des § 324 genießen? Ist es auch ein Verschluß im Sinne des vorgeschlagenen erweiterten Tatbestandes, wenn ich einen geöffneten Brief auf meinen Schreibtisch lege und das Zimmer abschließe? Diese Ungereimt­ heiten zeigen, daß der ResEntw. mit seiner engen Begrenzung des Tatbestandes Recht hat. N ur der direkt um das Schriftstück gelegte Verschluß ist tatbestandsmäßig im Sinne dieser Bestimmung. über einen allgemeinen Tatbestand des Verschluß­ bruches läßt sich natürlich reden; aber er würde nicht in diesen Abschnitt gehören. E r könnte auch wohl nur als Übertretung bestraft werden. Alles andere scheint mir lebensfremd zu sein. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich bin jetzt überzeugt, daß man den Bruch des Briefgeheimnisses als solchen nicht erweitern sollte. Ich glaube aber, daß es empfehlenswert ist, daneben den Verschlußbruch zu bestrafen. Allerdings möchte ich dann auch sagen: „M it Offnungsmitteln, die nicht dazu bestimmt sind". Stellen S ie sich vor, die neu­ gierige Hausfrau öffnet die Kommode mit einer Haarnadel; das müssen wir doch bestrafen. Professor D r. Nagler: Ich trete dem Bedenken des Herrn Ministers Thierack bei. Der Verschlußbruch müßte ein delictu m sui generis bilden, das nicht auf Schriftstücke beschränkt sein könnte. Die Strafwürdigkeit dieses Verschlußbruchs möchte ich allerdings zunächst ver­ neinen.

Staatssekretär Dr. Freisler: Ich möchte folgendes feststellen: Der Schutz des Briefgeheimnisses soll so beschränkt bleiben, wie es hier vorgeschlagen ist. Erwägenswert ist ein be­ schränkter Schutz des Verschlusses gegen Bruch mit nicht zum Offnen bestimmten Werkzeugen. Dann kämen wir zu S 325. Bei beiden Herren Berichterstattern besteht Übereinstimmung, die Berusskreise und nicht die einzelnen Berussträger her­ vorzuheben, und zwar die Rechtsberatung und die Heiltätigkeit; dazu kommt die Anregung, die Fürsorge­ tätigkeit einzubeziehen. Nicht gesprochen ist über die Tätigkeit der Geistlichen. Allseitig besteht Einver­ ständnis, nicht nur die privilegierten Träger der Berufstätigkeit, Rechtsanwälte und Arzte, sondern alle, die diesen Berus ausüben, einzubeziehen. Die Frage ist aufgetaucht, ob man nicht parallel zu § 140 „bei Gelegenheit des Berufes" sagen soll; das haben beide Herren Berichterstatter empfohlen. Eine wesent­ liche Rolle spielt die Frage der Einbeziehung der Gelegenheitsgehilfen; mir scheint sie noch nicht ent­ scheidungsreif zu sein. D as Publikum kann nichts dafür, wenn statt des Dauergehilsen der Gelegenheits­ gehilfe hinzugezogen wird. Einer Diskussion scheint mir noch die Frage des Schutzes berechtigter Belange zu bedürfen. Zu überlegen ist dabei, daß Arzt und Rechtsanwalt Personen sind, auf deren absolute Ver­ schwiegenheit man sich verlassen darf; vielleicht bildet der allgemeine Notstandsparagraph schon eine ge­ nügende Ausnahme. Schließlich sind noch die M it­ wirkung des Verletzten bei der Verfolgung und die Frage der Veröffentlichung aus dem Nachlaß einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person zu erörtern. Professor Dr. Dahm: Noch ein kurzes Wort zu § 325 Abs. 3. M it dem Notstandsgedanken ist hier schon deshalb nicht aus­ zukommen, weil der Notstand eine gegenwärtige Ge­ fahr voraussetzt. Gerade bei der Offenbarung eines Geheimnisses aber wird man nicht aus die gegen­ wärtige Gefahr abstellen dürfen. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: E s ist noch ein Punkt aufzuklären: I n § 325 steht die Strassreierklärung wegen Wahrnehmung berech­ tigter Interessen (Abs. 3) vor den Qualisikationsmomenten der Offenbarung gegen Entgelt und der Begehung in Bereicherungsabsicht (Abs. 4). D araus schließe ich, daß Abs. 3 beim Tatbestand des Abs. 4 nicht angewandt werden kann. Dann würde also die Offenbarung gegen Entgelt selbst dann bestraft, wenn der Täter in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelte? Ministerialdirektor Schäfer: Ich würde den Gedanken des Abs. 3, also die Aus­ nahme von der Verschwiegenheitspflicht, hier bringen und nicht aus den Notstand verweisen. Nur müßte wohl die Fassung des Abs. 3 dem Beleidigungsrecht angepaßt werden. Staatssekretär Dr. Freisler: Die Bestimmung über die Jntereffenkollision müßte der von uns anläßlich der Ehrverletzung be-

f^offenen Formulierung angepaßt werden. Der gleiche W ortlaut aber ist nicht möglich, weil bei der Offenbarung eines Geheimnisses das Übermaß der wahrgenommenen Belange noch erheblich größer sein muß als bei der Ehrverletzung. Jedenfalls muß auch hier zum Ausdruck kommen, daß bei der Wahrneh­ mung eigener Belange des Arztes oder Anwalts ein ganz strenger Maßstab anzulegen ist. Professor Dr. Dahm: Wie ist es, wenn der Anwalt Honorar einklagt? Staatssekretär Dr. Freisler: D as brauchen wir nicht zu sagen, da es auf dem Boden der beiderseitigen Beziehungen erwachst; das kann der Anwalt selbstverständlich tun. W ir haben damit diesen Punkt erledigt. Gegen die Einbeziehung der Fürsorgetätigkeit ist kein Wider­ spruch laut geworden. Ministerialdirektor Schäfer: Wenn wir jetzt auch die Fürsorgetätigkeit in den Tatbestand aufnehmen, so werden wir nt. E. auf diesem Weg der Ausdehnung noch weiter gedrängt. Wir müssen dann auch die Geistlichen aufnehmen. Ich möchte aber dieses heiße Eisen nicht anrühren. Ich möchte überhaupt davor warnen, den Tatbestand hin­ sichtlich der Berufe auszudehnen, weil wir sonst ins Uferlose abgleiten. Professor Dr. Graf Gleispach: Auch ich bin hinsichtlich des Täterkreises für die Beschränkung des ResEntw. Gerade bei der Fürsorge­ tätigkeit ist es besonders schwer, zwischen Recht und Unrecht zu scheiden, wenn Dinge, die aus der Fürsorgetätigkeit bekannt geworden sind, geoffenbart werden. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Dieser Einwand von Herrn Graf Gleispach ist sehr berechtigt. Ich halte eine erfolgreiche Fürsorge­ tätigkeit für überhaupt unmöglich, wenn nicht gewisse private Dinge auch offenbart werden dürfen. Staatssekretär Dr. Freister: Also keine Ausdehnung wie bei der Rechtsberatung und Heiltätigkeit. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich meine, wir müssen doch auch die Gelegenheits­ gehilfen unter die Strafdrohung bringen. Dem Publikum ist es doch gleichgültig, ob der Gehilfe be­ rufsmäßig oder nur gelegentlich hilft. Es hat auch keinerlei Einfluß darauf, wer dem Arzt assistiert. Es muß in beiden Fällen vertrauen und dieses Ver­ trauen muß nt. E. gleichmäßig geschützt werden. Ministerialdirektor Schäfer: Ich habe doch Bedenken gegen die Einbeziehung der Gelegenheitsgehilsen. W ir müssen uns darüber klar sein, daß diese regelmäßig überhaupt nicht das Bewußtsein haben, daß sie zum Schweigen verpflichtet sind. W ir haben zwar auch bei der Verletzung des Amtsgeheimnisses eine Ausdehnung der Strafbarkeit über die Amtsträger hinaus beschlossen, aber zur Vor­ aussetzung gemacht, daß der Täter irgendwie auf eine

Geheimnispslicht verpflichtet worden sein muß. Das ist aber gerade bei den Gelegenheitsgehilfen nicht der Fall. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Noch eine kurze Bemerkung zur Frage der Ver­ öffentlichung von Aufzeichnungen aus dem Nach­ laß. Beim Rechtsanwalt wäre ich für eine Ausdeh­ nung des Schutzes in dieser Hinsicht, weil hier der Schutz des Publikums im Vordergründe steht. Beim Beamten besteht ein solches Bedürfnis m. E. nicht in gleichem Maße. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich muß auch sagen, der Arzt kann sich Auszeich­ nungen aus durchaus berechtigten Interessen machen; denken Sie an die Krankengeschichte. Eine spätere Veröffentlichung würde doch zu weit gehen. Ministerialdirektor Schäfer: Der Gedanke erscheint mir erwägenswert, ich sehe aber noch nicht, wie man das Problem lösen kann. Wenn der Arzt bei seinen Lebzeiten seiner Frau unter Verletzung des Berufsgeheimnisses etwas mitteilt, dann ist er selbst strafbar, seine F rau dagegen, wenn sie es weiter erzählt, wird nicht bestraft. S oll sie nun bestraft werden, wenn sie nach seinem Tode aus hinterlassenen Aufzeichnungen einem anderen M it­ teilungen macht? Die Erben trifft noch nicht eine berufliche Verpflichtung zur Geheimhaltung. Staatssekretär Dr. Freisler: Die überwiegende Meinung geht dahin, daß gegen einen solchen Tatbestand Bedenken nicht bestehen. Wollen wir diesen Tatbestand nur auf den Arzt be­ schränken? Ich würde auch den Anwalt einbeziehen. Dann wäre § 325 erledigt, und wir kämen zu § 143 a. Berichterstatter Professor Dr. Dahm: Es fragt sich, ob das Strafgesetzbuch Bestimmun­ gen zum Schutze des Betriebs- und Geschäftsgeheim­ nisses enthalten soll. Bestimmungen dieser Art finden sich heute in den §§ 17, 18 und 20 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Es taucht die Frage aus, ob der in diesen Bestimmungen enthaltene Gedanke allgemeinere Bedeutung hat und deshalb in das allgemeine Strafgesetzbuch hineingehört, oder ob es sich dabei um eine Sondermaterie handelt, die besser in einem besonderen Gesetz zu regeln wäre. Ich bin der Meinung, daß diese Bestimmungen in das Strafgesetzbuch hineingehören. D as durch diese De­ likte betroffene Rechtsgut ist das Unternehmen in seiner Selbständigkeit und Eigenart, zugleich die P er­ sönlichkeit und Arbeitskraft des Unternehmers. Hand­ lungen dieser Art sind auch dann strafbar, wenn sie nicht zu Zwecken des Wettbewerbs begangen werden. D as wird auch heute schon int § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb anerkannt. Denn darin wird vorausgesetzt, daß „jemand zu Zwecken des Wett­ bewerbes oder aus Eigennutz oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebes Schaden zuzufügen", handelt. Som it ergibt sich schon aus diesem Gesetz, daß der Gesichtspunkt des Wettbewerbes nicht allein maßgebend sein kann, sondern daß ein allgemeinerer Gedanke zugrunde liegt.

Die Bestimmungen hierüber könnten allerdings nicht in der Gestalt des heute geltenden Rechts auf­ genommen werden. Es bedarf vielmehr der Prüfung, ob sie nicht erweitert und abgeändert werden müßten. I m folgenden können allerdings nur einige rohe Ge­ sichtspunkte hervorgehoben, aber keine erschöpfenden Vorschläge gemacht werden. Wie eine Reform dieser Bestimmungen sich praktisch auswirken würde, müßte mit Wirtschaftssachverständigen überlegt werden. D as heute geltende Recht weist verschiedene Mängel auf: 1. tz 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb stellt die Mitteilung des Geschäftsgeheimnisses unter Strafe, läßt den Versuch dazu aber straflos. Der Angestellte, der Geheimnisse anbietet oder mit Reflektanten verhandelt, aber keine Mitteilung macht, kann also nicht bestraft werden. 2. Die Vorbereitung wird nur in den Fällen des § 20 bestraft. Dagegen bleibt die Ausspähung straflos. Es scheint aber doch notwendig, ähnlich wie bei der militärischen Spionage neben dem Verrat schon die Ausspähung von Geheimnissen unter eine straf­ rechtliche Sanktion zu stellen. 3. Der subjektive Tatbestand ist zu eng. So wird z. B. derjenige nicht erfaßt, der Geheimnisse aus Wichtigtuerei oder aus ähnlichen Beweggründen verrät. 4. Wohl der schwerste Mangel liegt darin, daß nur der Verrat „während der Geltungsdauer des Dienst­ verhältnisses" unter Strafe gestellt ist. Dadurch verliert die Vorschrift ihre praktische Bedeutung. Es ist daher zu prüfen, ob und in welchem Umfange auch Mitteilungen nach Erlöschen des Dienstver­ hältnisses unter Strafe gestellt werden müssen. Da­ bei taucht die Frage auf, ob und unter welchen Vor­ aussetzungen man einem Angestellten zumuten kann, daß er im Rahmen des alten Dienstverhältnisses erworbene Kenntnisse unbenutzt läßt. Soll man eine bestimmte Frist setzen? Oder soll man eine weiche Formel einführen, die auf die Zumutbarkeit im Einzelfalle abstellt? M an könnte hier auch den Gedanken der Wahrnehmung berechtigter Interessen aufnehmen. D as grundsätzliche Bedenken gegen eine solche Ausdehnung des Geheimnisschutzes liegt natürlich in der Gefahr einer Behinderung des Arbeitnehmers in der Verwendung seines Könnens und seiner Arbeitskraft. 5. Der Überprüfung bedürfen die Strafdrohungen. Es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, daß die im § 17 vorgesehene Strafdrohung zu milde ist. Die Frage, ob auch der fahrlässige Geheimnisverrat einbezogen werden soll, muß wohl verneint werden. M it den Vorschlägen zu § 143 a bin ich — unab­ hängig von der Stellungnahme zu den Bestimmungen des Wettbewerbsgesetzes — einverstanden. Es wären danach Amtsträger, Sachverständige, VertrauensPersonen der Behörden usw. zu bestrafen, die in Aus­ übung ihrer Tätigkeit Betriebsgeheimnisse in E r­ fahrung bringen und sie verwerten. Ich möchte hier den Anregungen des Herrn Landgerichtsdirektor Leimer folgen.

W ir brauchen also fünf Tatbestände: 1. Eine Bestimmung gegen Mitteilungen durch Angestellte. S ie entspräche dem § 17 UWG. Die Strafdrohung wäre aber aus das Unternehmen auszudehnen. 2. Eine Bestimmung gegen Amtsträger entsprechend dem hier vorgeschlagenen § 143 a. 3. Eine Strafbestimmung gegen das Sichverschafsen von Geheimnissen, also die „Ausspähung". 4. Eine dem § 18 UWG. entsprechende Vorschrift. 5. Eine Bestimmung gegen das Unternehmen der Verleitung zum Verrat und das Sicherbieten dazu. Staatssekretär Dr. Freister: Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß diese T at­ bestände in das Strafgesetzbuch hineingehören, aber sicher nicht in diesen Abschnitt. Unter dem Gesichts­ punkt Geheimnis vermag ich sie nicht zusammenzu­ fassen, sie scheinen mir vielmehr zum Schutze der Wirtschaft zu gehören. Ich glaube, wir können heute nicht alles erörtern, was zu den §§ 17, 18 und 20 UWG. zu sagen ist. Schon die Betrachtungsweise der Paragraphen scheint mir falsch zu sein. S ie geht von der Auffassung aus, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber etwas bekommt. I n Wirklichkeit ist das aber anders, der Arbeitnehmer gibt etwas; denn die Arbeitskraft ist mehr als das Geld, das dafür gezahlt wird. Die Bestimmungen richten sich also gegen den, der selbst mehr gibt, als er bekommt. D as Gegenteil müßte an die Spitze gestellt werden. Jedenfalls muß die Kommission sich darüber schlüssig werden, ob diese Tatbestände in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden sollen. Ich halte es für richtig, diese Frage nochmals zur Sprache zu bringen, wenn der Herr Minister zugegen ist. W ir kommen dann zur zweiten Aufgabe, die uns gestellt ist, der Rechtsvereitelung. Ich möchte vorschlagen, auch hier zunächst zum Grund­ sätzlichen Stellung zu nehmen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Der Abschnitt des RefEntw. über Rechtsvereitelung enthält zum mindesten in seinem ersten Paragraphen verschiedene für das Wirtschaftsleben äußerst wichtige und heute angesichts der erheblich gesunkenen Schuld­ nermoral weniger denn je entbehrliche Strafbestim­ mungen. § 354, die eigentliche Rechtsvereitelung, enthält mit gewissen Abänderungen die Tatbestände der §§ 288 und 289 S tG B ., und § 355 (Abhalten vom Bieten) bedroht Tatbestände mit Strafe, die das geltende Reichsstrasrecht nicht kennt. Eng zusammen mit der Rechtsvereitelung hängen die Strafbestim­ mungen der Konkursordnung in den §§ 239 bis 244, die auch Vollstreckungsvereitelungen verschiedener Art mit Strafe bedrohen. Der RefEntw. hat davon abgesehen, diese Bestimmungen mit in den Abschnitt über Rechtsvereitelung einzubeziehen. Insofern wohl mit Recht, als die fraglichen Bestimmungen der Kon­ kursordnung so mit dem allgemeinen Konkursrecht zusammenhängen, daß ohne dessen Reform eine Um­ gestaltung der dazu gehörigen Strafbestimmungen nicht gut möglich erscheint. Es wäre aber zu erwägen,

ob man diese Bestimmungen künftig nicht mit in diesen Abschnitt des Strafgesetzbuchs einarbeiten sollte. Nach der Preuß. Denkschrift (S. 99) ist das auch beabsichtigt. Ich würde aber eine Einarbeitung zum mindesten zur Zeit nicht befürworten. Berichterstatter Professor Dr. Nagler: § 354 (Rechtsvereitelung) umspannt zwei ver­ schiedene Verbrechenstypen (in Abs. 1 die Pfandkehr oder Besitzentwendung: fu rtu m possessionis und in Abs. 2 die Vollstreckungsvereitelung) mit ganz ver­ schiedenen Angriffsobjekten (Pfandrecht usw. — materielles Befriedigungsrecht des Gläubigers andererseits), mit ganz verschiedenen Verletzungs­ formen und Verletzungswirkungen. Sie können nur äußerlich zusammengefaßt werden. Da sie dogmatisch nicht zusammengehören, ist ihre Darstellung in ge­ trennten Paragraphen auch dann erwünscht, wenn die Vollstreckungsvereitelung nicht im Verband der Bankrottverbrechen, wohin sie dogmatisch gehört, auftreten kann, falls nämlich diese Verbrechens­ gruppe aus der Konkursordnung nicht herausge­ nommen werden sollte. Professor Dr. Graf Gleispach: M. E. müssen hier die Konkursdelikte unter allen Umständen eingearbeitet werden. Die Tatbestände der Konkursordnung sind sicher verbesserungsbedürftig. D as kann aber nicht hindern, sie wieder in das S tra f­ gesetzbuch zu übernehmen, wo sie auch früher gestanden haben. Staatssekretär Dr. Freister: Ich stimme Herrn Graf Gleispach durchaus zu. Es ist doch sicher merkwürdig, daß wir in diesem Ab­ schnitt Strafbestimmungen gegen die Verhinderung der Einzelvollstreckung haben, nicht aber die viel wichtigeren Konkursdelikte. E s kann m. E. gar kein Zweifel darüber bestehen, daß die Konkursdelikte hierher gehören und daß sie die wichtigsten Tatbe­ stände dieser Gruppe sind. Ministerialdirektor Schäfer: Darf ich bitten, nur die grundsätzliche Frage der Einbeziehung zu erörtern und das übrige heute bei­ seite zu lassen; wir wollen dann sehen, wie wir die Tatbestände formulieren können.

tümers vornimmt; dann aber auch derjenige, der mit Einwilligung des Eigentümers handelt. Die Preuß. Denkschrift fordert aber Ausdehnung des Täterbegriffes auch auf denjenigen, der ohne Einwilligung des Eigentümers handelt, damit besonders die Fälle erfaßt werden können, wo Brücken zwischen dem Eigentümer und dem Täter nicht nachweisbar sind. D as erscheint mir empfehlenswert (so schlägt es auch mein Herr Mitberichterstatter in seinen Leitsätzen vor). Neben das Wegnehmen des geltenden Rechts tritt noch das Zerstören und Beschädigen; das er­ scheint schon deshalb notwendig, weil der RefEntw. allgemein von Sachen redet, und Wegnehmen wohl nur bei beweglichen Sachen in Betracht kommen könnte. Während das geltende Recht den Eintritt eines materiellen Schadens nicht voraussetzt, ver­ langt der Entwurf als Erfolg der Handlung, daß die Ausübung gewisser Rechte vereitelt wird, also nun­ mehr eine gewisse Erschwerung. D as Strafwürdige ist, daß der Täter den Berechtigten der Möglichkeit beraubt, sein Recht auszuüben. * D er Kreis der ge­ schützten Rechte deckt sich ungefähr im Entwurf und im S tG B . Insoweit ist der Entwurf nicht zu bean­ standen. Auch der Strafrahmen erscheint angemessen. Als zweiten Tatbestand enthält § 354 noch die sogenannte Vollstreckungsvereitelung (§ 288 StG B.). Auch hier ist der Tatbestand gegenüber dem geltenden Recht erweitert. Zunächst ist der Täterkreis in ent­ sprechend gleicher Weise wie bei der Pfandkehr des Abs. 1 erweitert. F ür ihn gilt der gleiche Vorschlag, wie er dort gemacht ist. Zu dem Veräußern und Bei­ seiteschaffen des geltenden S tG B , tritt noch das Beschädigen und Zerstören, letzteres ist nach der Rechtsprechung bereits im geltenden Recht vom b e i ­ seiteschaffen" erfaßt. Dabei ist aber anscheinend über­ sehen worden, die Fassung des Abs. 3 daraus abzu­ stimmen, denn „zu Gunsten" des Schuldners kann ein Zerstören und Beschädigen wohl nicht in Frage kommen. Also wird eine sinngemäße Änderung angebracht sein. An Stelle der oft sehr schwer nach­ weisbaren Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, wird der Erfolg gefordert, daß die Be­ friedigung ganz oder teilweise vereitelt worden ist. Der Strafrahmen erscheint auch hier angemessen.

Ministerialdirektor Schäfer: E s fragt sich nur, ob zu große technische Schwierigkeiten bestehen. Staatssekretär Dr. Freisler: D ann wollen wir zur Vereitelung der Einzelvoll­ streckung sprechen.

Daß beide Straftaten nur auf Verlangen des Verletzten verfolgt werden sollen, erscheint auch richtig. Ob aber eine solche Bestimmung im materiellen Recht seinen Platz behalten wird, das wird später ent­ schieden werden. Die Bedenken, die Herr Professor Nagler in seinen Leitsätzen gegen Abs. 6 erhebt, teile ich auch. Es wird sich da oft um besonders Schutzbedürstige, wie Altenteilsberechtigte, handeln, wo der objektive Wert einer Sache sehr gering, der Wert für die Be­ troffenen aber sehr hoch sein kann. Dieser Absatz dürste zu streichen sein. Eine dem § 153 S tP O , entsprechende Bestimmung wird hier den nötigen Ausgleich zu schaffen haben.

Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: I n § 354 (Rechtsvereitelung) entsprechen Abs. 1, 3— 5 dem § 289 S tG B ., Abs. 2—5 dem § 288 S tG B . Täter ist wie nach geltendem Recht der Eigentümer und der, der die Handlung zugunsten des Eigen­

Ich möchte dann noch zu prüfen anheimgeben, ob nicht in Abs. 1 und 2 je hinter „ . . . . vereitelt" ein­ zufügen wäre „oder erheblich erschwert"; das würde Beweisschwierigkeiten beseitigen, die sich in vielen Fällen ergeben können.

Staatssekretär Dr. Freisler: Ich glaube auch, debattieren können wir es heute noch nicht. Dann stelle ich fest, daß der dringende Wunsch besteht, diese Delikte aus der Konkursordnung herüberzuholen.

Berichterstatter Professor Dr. Nagler: Ich möchte mich aus einige kurze Bemerkungen beschränken. I n Abs. 1 hat ein Frontwechsel inso­ fern stattgefunden, als jetzt das Schutzobjekt in den Vordergrund der gesetzgeberischen Gestaltung gerückt ist. Deshalb mußte der Kreis der tauglichen Täter über den Eigentümer hinaus ausgedehnt werden, wie es in Abs. 3 denn auch geschehen ist. Abs. 6 ist zu streichen, da er die besonders schutz­ bedürftigen Altenteiler oder Leibzuchtberechtigten in weitem Maße schutzlos läßt. D as Opportunitäts­ prinzip wirkt schon regulierend genug. F ü r Abs. 2 möchte ich zur Diskussion stellen, ob nicht die Bevorzugung eines Gläubigers (bei kon­ gruenter Deckung) analog § 241 KO. aus dem T at­ bestand ausdrücklich auszuscheiden ist. Gesunde Aus­ legung bedarf einer solchen Bestimmung gewiß nicht; doch wird diese durch die Formalauslegung der bis­ herigen Rechtsprechung nahe gelegt. Abs. 3 kann sich in seinem zweiten Teil (zugunsten des Schuldners) nicht aus „beschädigen" und „zer­ stören" beziehen. E s sollte diesem Sachverhalte durch eine andere Fassung Rechnung getragen werden. Staatssekretär Dr. Freister: An dem Wort „zugunsten" brauchen wir uns nicht zu stoßen. Ich möchte auch Abs. 6 zunächst aus der Diskussion ausschalten; ich bin der Meinung, daß Abs. 6 verschwinden muß, weil er ein dringend schutz­ würdiges Interesse hilfloser Personen, die sogar meist den Antrag auf Strafverfolgung nicht stellen können, schutzlos läßt. Ministerialdirektor Schäfer: Ich meine, es wäre fast ein Widerspruch, wenn w ir den Abs. 6 streichen. Wenn man dem Ange­ hörigen eine ihm gehörende Sache wegnimmt, ist es als Diebstahl straffrei; aber wenn es sich nur um ein fu rtu m usus handelt, dann soll Bestrafung er­ folgen? Also z. B. eine Ehefrau ist straffrei, wenn sie dem Ehemann eine diesem gehörende Sache weg­ nimmt; dagegen soll sie strafbar sein, wenn sie ihm eine zu ihrem eingebrachten Gut gehörende und dem ehemännlichen Nutznießungsrecht unterliegende Sache wegnimmt? D as erscheint mir widerspruchsvoll. Ähnlich liegt es im Verhältnis zwischen dem Sohn und dem als Altenteiler zur Nutznießung berechtigten Vater. Staatssekretär Dr. Freister: Abstrakt ist das richtig, aber nicht in der Lebens­ wirklichkeit; denn der Altenteiler ist nicht Herr im Hause, und die ihm nicht gehörenden Sachen sind geradezu die Voraussetzungen seiner Lebensmög­ lichkeit. Ministerialdirektor Schäfer: Dann sind die Sachen nicht geringwertig. Vizepräsident Grau: Der Altenteiler soll doch als völlig Hilfloser, der kein Eigentum mehr hat, geschützt werden. Beim Eigentumsschutz ist es gewöhnlich so, daß beide Teile sich wehren können.

Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ich bin auch für die Streichung. Staatssekretär Dr. Freister: D ann ist die Kommission der Meinung, daß Abs. 6 zu streichen ist. Auch mir möchte es näher liegen, aus Abs. 1 und 2 zwei Paragraphen zu machen. W ir würden dann einen Paragraphen Psandkehr haben; ich würde ihn so nennen, selbst wenn der Name nicht alle Fälle trifft. Der zweite Paragraph würde die Bollstreckungsvereitelung zum Gegenstände haben. Ich darf dann bitten, über die Pfandkehr zu sprechen. Es herrscht wohl Einverständnis, daß auch die unbe­ wegliche Sache einbegriffen wird. Gegen die Erweite­ rung der Täterschaft ist wohl nichts zu sagen. Ministerialdirektor Schäfer: M ir ist das nicht ganz klar, darf ich um ein Bei­ spiel bitten? Professor Dr. Nagler: E in anderer nimmt die Pfandsache weg, um sie zu gebrauchen, zurückzuhalten, sich selbst daraus zu befriedigen, als Sicherheit zu benutzen oder nur um den Gläubiger zu schädigen. Ministerialdirektor Schäfer: W ir verlassen hier den Gedanken der eigen­ mächtigen Rechtsvereitelung. Wenn ich einem Eigen­ tümer die Sache unter denselben Umständen ohne Aneignungsabsicht wegnehme, dann ist es nicht strafbar. Professor Dr. Nagler: M ir scheint, der Psandgläubiger ist schutzwürdiger als der Eigentümer, weil sein Recht sich darin er­ schöpft, daß er sich aus der Sache befriedigen kann. Dieser umfassende Schutz des Pfandgläubigers und der ihm Gleichgeordneten ist schon längst im Schrift­ tum gefordert worden. Die jetzt bestehende Lücke des Strafschutzes wird künftig wohl p er analogiam zu schließen sein. Staatssekretär Dr. Freister: D er Gedanke, der in dieser Strafbestimmung liegt, wird dadurch verschoben. Der Dritte tut es nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsvereitelung, sondern es ist dasselbe, wie wenn dem Eigentümer die Sache entzogen wird. Ministerialdirektor Schäfer: Um ein ganz krasses Beispiel zu geben: Wenn ich dem Ehemann eine Kuh der F rau ohne Aneignungs­ absicht wegnehme, dann wäre ich strafbar, weil er ein Nutznießungsrecht hat und ich dieses beeinträchtige; wenn ich ihm dagegen eine ihm selbst gehörende Kuh ohne Aneignungsabsicht wegnehme, dann bin ich nicht strafbar, obwohl ich in gleicher Weise die Nutz­ nießung beeinträchtige. Diese Regelung wäre wider­ spruchsvoll. Staatssekretär Dr. Freisler: E s ist weiter vorgeschlagen worden, neben die Vereitelung die wesentliche Erschwerung zu setzen. Ich habe das Bedenken, daß das sehr unklar wird.

Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ein Beispiel: Wenn der Gläubiger gezwungen wird, von einem Vollstreckungsobjekt immer wieder auf ein anderes überzugehen, um zum Ziele zu kommen; letzten Endes bekommt er zwar seine Be­ friedigung, aber sie ist ihm böswillig erschwert worden. Oberlandesgerichtsrat Dr. Schäfer: Das unterscheidet sich nicht von dem Fall, daß der Schuldner auf andere Weise, z. B. durch immer neue Beschwerden, erschwert. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich wäre für ein konkretes Beispiel dankbar, ich glaube, es gibt kein Beispiel. Wird der Antrag zurückgezogen? Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Jawohl. Staatssekretär Dr. Freisler: Dann haben wir jetzt die Vollstreckungsvereite­ lung. Senatsprästdent Professor Dr. Klee: Ich bin der Ansicht, daß Abs. 2 des § 354 zu eng ist. E r beschränkt sich aus die Bestandteile des Schuld­ nervermögens und wird vor allem den Fällen des Eigentumsvorbehalts nicht gerecht. E s ist fraglich, ob die vom Schuldner unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers gekaufte Sache schon zu seinem Ver­ mögen gehört. M. E. ist das nicht der Fall. Diese Lücke muß geschlossen werden. E s besteht also ein Bedürfnis, den Strasschutz aus Sachen auszudehnen, auf die nur ein Anwartschaftsrecht des Schuldners besteht. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Dieser Fall ist vom Reichsgericht schon entschieden worden. D as Reichsgericht rechnet zu den Bestand­ teilen des Schüldnervermögens im Sinne von § 288 StG B , alles, was vollstreckungsrechtlich zum Macht­ bereich des Schuldners gehört. D as können unter Umständen auch Sachen sein, die dem Gläubiger ge­ hören. Vizepräsident Grau: Ich vermag nicht den Grund dafür zu erkennen, daß der innere Tatbestand in den Absätzen 1 und 2 des § 354 verschieden sein soll. Die Unterscheidung entspricht auch nicht dem geltenden Recht. M ir scheint Abs. 1 ohne das Merkmal „wissentlich" zu weit zu gehen; jedenfalls würde ich in Abs. 1 Wissentlichkeit in bezug aus die Vereitelung verlangen. Professor Dr. Nagler: Ich möchte mich ebenfalls für das Merkmal der Wissentlichkeit in bezug auf die Vereitelung aus­ sprechen. Staatssekretär Dr. Freisler: Wir würden uns also im Abs. 1 auch auf die wissentliche Vereitelung beschränken. Ministerialrat Rietzsch: Herr Professor Nagler hat die Frage der kon­ gruenten Deckung zur Diskussion gestellt. Bisher ist

es eine sehr umstrittene Frage, ob Bestrafung wegen Vollstreckungsvereitelung auch dann einzutreten hat, wenn die Befriedigung eines bestimmten Gläubigers durch die Befriedigung eines anderen Gläubigers ver­ eitelt ist. Ich bin der Ansicht, daß diese praktisch wichtige Streitfrage durch die Gesetzessassung beseitigt werden muß, und zwar in dem Sinne, daß dieser Fall aus dem Tatbestand auszuscheiden hat. M an könnte in Anlehnung ein Art. 78 Ziff. 7 des Entwurfs eines Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch etwa folgenden Satz einfügen, um die Frage zu lösen: Ist die Befriedigung dadurch vereitelt worden, daß der Schuldner einen anderen Gläubiger ge­ sichert oder befriedigt hat, so ist der Schuldner nur dann strafbar, wenn er wissentlich als Zahlungsunfähiger dem begünstigten Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt hat, die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Professor Dr. Nagler: Heute haben wir den Analogieschluß aus § 241 KO.; ich hoffe, daß auch die Praxis ihn künftig unbe­ denklich aus § 241 herauslesen wird. Staatssekretär Dr. Freisler: W ir wollen die Begrenzung des Tatbestandes in diesem Sinne. Ob es notwendig ist, dies ausdrücklich im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck zu bringen, mag die UK. entscheiden. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Zu § 355 (Abhalten vom Bieten). Diese Be­ stimmung ist, wie bereits gesagt, für das Reichsrecht neu. Bisher kam sie nur in einigen Landesrechten vor. Der RefEntw. hat hier verschiedene zusammen­ gehörende Tatbestände in zwei Absätze verteilt. Mein Herr Mitberichterstatter hat in seinen Leitsätzen eine Vereinfachung in der Aufzählung und im Ausdruck vorgeschlagen, die ich auch empfehlen möchte. Das Strafbedürfnis besteht für alle öffentlichen Ver­ steigerungen. Wird der Tatbestand insoweit aus­ gedehnt, so ergibt sich automatisch eine wesentliche Vereinfachung der Gesetzessassung. Der Abs. 3 des Vorschlages des Herrn Professors Nagler dürste ent­ behrlich sein im Hinblick aus § 32a des Entw. 1934. S trafbar muß allerdings der Versuch bleiben. Denn es müssen z. B. die Fälle bestraft werden können, in denen das unlautere Verhalten durch die Weige­ rung dessen, der vom Mitbieten abgehalten werden sollte, aufgedeckt wird, so daß es nur beim Versuch blieb. Berichterstatter Professor Dr. Nagler: Ich habe nichts hinzuzufügen. Ministerialdirektor Schäfer: Es ist von jeher ein sehr umstrittener Paragraph gewesen. I m geltenden Reichsrecht haben wir keine entsprechende Bestimmung. Die Reichsratsvorlage enthielt eine einschlägige Vorschrift; sie ging sehr weit und erstreckte sich z. B. auch darauf, daß jemand bei einer Weinversteigerung zu seinem Freunde sagt: Biete Du bei diesem F aß nicht mit, ich biete dann bei jenem nicht. Derartige Fälle können wir nicht

alle erfassen. W ir haben uns deshalb daraus be­ schränkt, nur gewisse Versteigerungen zu schützen, nämlich Zwangsvollstreckungen und andere aus dem Gesetz beruhende öffentliche Versteigerungen. Wir haben geglaubt, uns auf die Fälle beschränken zu müssen, die vom S ta a t oder einer öffentlichen Körper­ schaft durchgeführt werden. Professor D r. Nagler: Die Auslese ist natürlich sehr schwierig. Ich sehe aber keinen sachlichen Unterschied zwischen den öffent­ lichen und privaten Versteigerungen. W ir sollten die unwirtschaftliche Verschleuderung von Werten ganz allgemein verhindern. D as Schutzbedürfnis ist also überall das gleiche. Die Ringbildungen vereiteln die öffentlichen wie die privaten Versteigerungen ganz gleichmäßig oder nützen sie ganz in gleicher Art aus. E s kommt nur darauf an, daß die Versteigerung öffentlich vorgenommen wird. Ebenso erscheint mir die Differenzierung in Abs. 2 ungerecht zu sein. Ich vermag nicht, einzusehen, warum der Schutz nur Platz greisen soll, wenn die Vergebung von einer öffentlichen Körperschaft ausgeht, warum also nicht alle öffentlichen Vergebungen geschützt werden sollen. Das „Abhalten" ist natürlich extensiv auszulegen. Es umfaßt auch die Abmachung zwischen Ersteigerer und Hypothekar, das bloße Scheinbieten oder die Abrede, daß überhaupt keiner der Beteiligten biete. Staatssekretär Dr. Freisler: M an kann aber doch sagen, daß sich der private Versteigerer aus die gleiche Stufe mit den Bietenden begibt. Die Sachlage ist also anders, als wenn der S ta a t kraft seiner Autorität eine Sache zur Ver­ steigerung bringt. Die Angelegenheit ist hier aus der Sphäre des Privatwirtschastsverkehrs herausgehoben. Professor D r. Nagler: Wenn ein Nachlaß versteigert wird, weil das Gericht es angeordnet hat, greift der Strafschutz ein; wird er aber freiwillig versteigert, dann soll es anders sein. Ich finde das ungerecht, weil die innere Recht­ fertigung fehlt. Gleiches wird ungleich behandelt. Professor Dr. Dahm: Die unbedingte Notwendigkeit einer Bestimmung wie der des § 355 sehe ich nicht ein. Ministerialdirektor Schäfer: Die altpreußische Vorschrift beschränkte sich auch auf Versteigerungen, die von Behörden oder Beamten vorgenommen werden. Preußen hat gerade diesen § 370 seines Strafgesetzbuchs bei der Einführung des Reichsstrafgesetzbuchs aufrechterhalten. Staatssekretär Dr. Freisler: Wir bleiben also beim RefEntw. Dann kämen wir zum unberechtigten Jagen und Fischen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Der 33. Abschnitt des RefEntw. behandelt im Gegensatz zum geltenden Recht Jagd- und Fischerei­ vergehen in gleichem Umfange einheitlich in einem

Abschnitt. (Bisher war unberechtigtes Jagen Ver­ gehen, unberechtigtes Fischen grundsätzlich Über­ tretung.) Der allgemeinen Volksanschauung ent­ spricht es auch, das unberechtigte Jagen und Fischen in seinen verschiedenen Erscheinungsformen als Sonderdelikt zu behandeln und es nicht etwa einem Abschnitt über allgemeine unberechtigte Aneignungs­ delikte einzugliedern (so auch die Denkschrift S . 107). Inzwischen ist jetzt das Reichsjagdgesetz (R JG .) vom 3. 7. 1934 erschienen. Nach dessen völligem Inkraft­ treten, insbesondere wenn nach § 71 Abs. 2 Nr. 4 dieses Gesetzes alle die Jagd betreffenden Landes­ gesetze außer Kraft getreten sind, werden alle Ja g d ­ bestimmungen teils im S tG B ., teils im R JG . ihre Regelung gefunden haben, und nach Schaffung des neuen Strafgesetzbuchs wird es so sein, daß die Ja g d ­ vergehen im S tG B , und die Jagdübertretungen ein­ schließlich gewisser Schonzeit- und Abschußvergehen (Hegevergehen) im R JG . behandelt sind. Etwa ent­ sprechend den beiden Tatbeständen, die das Ja g d ­ recht enthält: Zueignungs- und Hegungsrecht. Dem Vorschlag des Herrn Professors Nagler in seinen Leitsätzen, als Abschnittsüberschrift „Wildern" zu wählen und dann von Jagdwilderei und Fisch­ wilderei zu reden, kann ich nicht beistimmen. Zunächst teile ich nicht die Bedenken, daß die Überschrift des RefEntw. zu weit gefaßt sei: Nach dem allgemeinen Aufbau des S tG B , kann es sich hier nur um kriminelles Unrecht handeln, Polizeiwidrigkeiten bezw. Übertretungen scheiden hier ohne weiteres schon begrifflich aus. Dann aber widerspricht der Vor­ schlag dem allgemeinen Sprachgebrauch: unter Wildern versteht man allgemein nur das unberech­ tigte Jagen, das dem Wilde Nachstellen, und auch das kaum in vollem Umfange, wie es § 361 meint. Dagegen nennt man den unberechtigt Fischenden nie einen Wilderer oder Fischwilderer, sondern einen Fischräuber oder ähnlich. Ich möchte also für die Überschrift des RefEntw. eintreten. Der Entw. 1909 sprach zwar von Fischwilderei, die späteren Entwürfe aber nie wieder. Bei den das Jagen betreffenden Bestimmungen ist das Reichsjagdgesetz mit zu beachten, damit die das Gleiche behandelnden Vorschriften auch zu­ sammen stimmen. Dem RefEntw. wird grundsätzlich beigetreten. Die Strafrahmen werden im einzelnen zu prüfen sein. Berichterstatter Professor Dr. Nagler: Die Überschrift des 33. Abschnitts „Unbefugtes Jagen und Fischen" ist einerseits zu weit gefaßt; sie würde auch die Polizeiwidrigkeiten (sogenannte Jagdfrevel) in sich schließen. Andererseits muß sie auch wieder als zu eng gelten, da §§ 361 ff. auch Ein­ griffe in das Hegerecht behandeln. M an sollte kurz von „wildern" sprechen. Entsprechend sind §§ 361 ff. mit Jagdwilderei bezw. Fischwilderei zu überschreiben. Eventuell kann man als Überschrift auch „Verletzung des Jagd- und Fischereirechts" wählen. Die Bestimmungen des 33. Abschnitts sind grund­ sätzlich gutzuheißen. I n Sonderheit ist als Fortschritt zu begrüßen, daß § 361 die lokale Radizierung des bisherigen § 292 S tG B , aufgegeben hat und § 362 dem § 361 möglichst nachgebildet worden ist. Die

Einbeziehung des 33. Abschnitts unter einen verwaschenen, verallgemeinerten „Diebstahls"begriff (Preuß. Denkschrift S . 107) verbietet sich sowohl aus historischen wie dogmatischen und Gerechtigkeits­ gründen. Staatssekretär Dr. Freisler: Von grundsätzlicher Bedeutung wäre zunächst die Abgrenzung von Jagdgesetz und Strafgesetzbuch; dazu ist nichts zu sagen. Die Überschrift Jagd- und Fischwilderei gefiele mir sehr gut, ich glaube, der Ausdruck Fischwilderei wird sich sehr schnell ein­ führen. Unberechtigtes Jagen und Fischen und An­ griffe auf Jagd- und Fischereirecht ist zu farblos. M an könnte den ganzen Abschnitt Wilderei nennen; da­ gegen erhebt sich kein Widerspruch. Die Paragraphen würden dann Jagdwilderei und Fischwilderei lauten. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: I n § 361 (unberechtigtes Jagen) entspricht Abs. 1 dem § 292 Abs. 1 S tG B ., bringt aber in glücklicherer Fassung das zum Ausdruck, was § 292 Abs. 1 S tG B , nach der ihm gegebenen Auslegung zum Ausdruck bringen soll. Was unter „Jagdrecht" und unter „Wild" zu verstehen ist, sagt jetzt § 1 bezw. § 2 des R JG . I n Anpassung an § 1 R JG . möchte daher neben dem Nachstellen auch das Fangen und Erlegen mit angeführt werden. Und im Hinblick auf § 60 Abs. 1 R JG ., wo für zum Teil weniger strafwürdige Delikte Gefängnisstrafe ohne Begrenzung nach oben angedroht ist, möchte auch hier die Strafdrohung Gefängnis sein ohne Begrenzung nach oben, daneben eventuell auch Haft, vielleicht auch Geldstrafe noch, zum mindesten dann, wenn, wie vorgesehen, die Gefängnismindeststrase allgemein weit über der bis­ herigen liegen sollte (etwa zwei Wochen oder gar ein Monat). Hinsichtlich des Abs. 2 halte ich es für zweck­ mäßig, ganz allgemein von besonders schweren Fällen zu sprechen und die im RefEntw. genannten Q ualifi­ kationsmomente nur als Beispiele zu nennen. I n Abs. 3 des § 361 würde ich auch das gewohn­ heitsmäßige Wildern einbeziehen und außerdem fakul­ tativ Zuchthausstrafe androhen. Professor D r. Nagler: Ich habe nichts hinzuzufügen. Staatssekretär Dr. Freisler: D as würde bedeuten, in Abs. 1 die Worte „bis zu zwei Jahren" zu streichen, also denselben S tra f­ rahmen wie in § 60 des R JG . zu wählen. Ich glaube, in Abs. 2 muß die Mindeststrasdrohung drei Monate Gefängnis sein. F ü r gewerbs- und gewohnheitsmäßige Wilderei würde Zuchthaus hinzu­ kommen. Abs. 3 wäre als selbständiger Absatz auf­ rechtzuerhalten. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: § 362 (unberechtigtes Fischen) faßt die Bestim­ mungen des § 296 und § 370 Abs. 1 Nr. 4 S tG B , zusammen und behandelt beide Tatbestände als Ver­ gehen in Anpassung an das unberechtigte Jagen; das entspricht auch der Bedeutung, die der Fischerei heute zukommt. Da Gegenstand des Fischfanges alle nutz­ baren Wassertiere sind, wozu neben eßbaren Muscheln

z. B. auch Krebse gehören, erübrigt sich eine besondere Erwähnung des Krebsens als Unterart des Fischens, wie das das geltende Recht noch tut. Der Strafrahmen „Gefängnis bis zu einem Ja h r" dürste zum mindesten insofern ungenügend sein, als auch hier die Möglichkeit einer Geld- und Haststrafe gegeben sein möchte. F alls auch für das Fischen ein dem Reichsjagd­ gesetz entsprechendes Gesetz zu erwarten sein sollte, bliebe Anpassung an dieses vorbehalten. Warum in Abs. 2 nicht auch das Fischen zur Nacht­ zeit und bei Fackellicht aus § 296 S tG B , übernommen worden ist, ist nicht recht ersichtlich. Allerdings ist den beiden anderen in Abs. 2 erwähnten Arten des Fischens das eigen, daß sie meist noch besonderen Schaden anrichten, der das vom Fischdieb Erbeutete erheblich übersteigt. Ich würde vorschlagen, Abs. 2 und 3 entsprechend meinem Vorschlag hinsichtlich 361 Abs. 2 und 3 zu fassen, nur Abs. 3 ohne Zucht­ ausandrohung. Berichterstatter Professor Dr. Nagler: Ich bin grundsätzlich mit den Vorschlägen von Herrn Landgerichtsdirektor Lorenz einverstanden, möchte aber nochmals unterstreichen, daß ich die wahl­ weise Androhung der Haststrase für nötig halte. Senatspräsident Professor Dr. Klee: Ich möchte mich nur gegen die Ausdrucksweise des § 361 wenden. Der RefEntw. spricht von der An­ eignung einer Sache, die dem Jagdrecht unterliegt. D arunter soll wohl auch das Beispiel fallen, daß jemand dem Wilderer die Beute, die er zum Küchensenster herausgehängt hat, heimlich wegnimmt. I n diesem Stadium unterliegt das Stück Wild aber nicht mehr dem Jagdrecht. E s widerstrebt mir ferner, das erlegte Wild als Sache zu bezeichnen. Ministerialdirektor Dr. Dürr: Ich glaube, daß sich die Bedenken von Herrn Senatspräsident Klee durch § 1 Abs. 2 des R JG . erledigt haben, in dem der In h a lt des Jagdrechts genau festgelegt ist. Professor Dr. Nagler: Ich glaube, daß die Einwände von Herrn Senats­ präsident Klee darauf beruhen, daß er noch zu sehr in der lokalen Radizierung des geltenden Rechts be­ fangen ist. Der RefEntw. bringt aber insoweit, wie ich schon hervorgehoben habe, eine grundsätzliche Ver­ besserung des bisherigen Rechtszustandes. Staatssekretär Dr. Freisler: E s bleibt dann lediglich, daß die Bezeichnung „Sache" nicht schön ist; sonst kann es wohl bei § 361 bleiben. Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Ich möchte dann zu diesem Abschnitt mir noch einen besonderen Vorschlag erlauben, und zwar möchte ich anregen, entsprechend dem § 245a S tG B , und dem § 332a RefEntw. eine analoge Bestimmung für den Wilderer und Fischräuber in diesen Abschnitt auf­ zunehmen. Der Besitz von Jagd- und Fischereigerät

ist in den Handen eines gewerbs- oder gewohnheits­ mäßigen Wilderers oder Fischräubers oder eines wegen Wilderns oder Fischraubes mehrfach Vorbe­ straften eine dauemde Gefahr. Ich möchte sogar sagen, die gründe, die für die Schaffung der ge­ nannten §§ 245a und 332a maßgebend waren, treffen beim Wilderer und Fischrauber in weit höherem Maße zu. Staatssekretär Dr. Freister: D as ist eine sehr begrüßenswerte Anregung. Der Vorschlag sollte dem Reichsjägermeister mitgeteilt Werden. Die Bestimmung würde unter den Gesichts­ punkt des Sonderrechts der gefährlichen Leute fallen. Berichterstatter Landgerichtsdirektor D r. Lorenz: Es erscheint richtig, daß in § 363 (Verfolgung aus Verlangen) im Gegensatz zum geltenden Recht Jagdund Fischereidelikte gleich behandelt werden. Auch die Ausdehnung Ser Verfolgung auf Verlangen auf die Fälle, wo der Täter nur sein an sich bestehendes, aber dem Umfang nach beschränktes Jagd- und Fischerei­ recht überschreitet, ist zu billigen, schon weil in diesen Fällen in der Regel nähere persönliche Beziehungen zwischen den Beteiligten bestehen. Ich denke z. B. an den Fall, daß jemand vom Jagdberechtigten die E r­ laubnis bekommt, einen Bock zu schießen, jedoch zwei Böcke schießt, und an ähnliche Fälle. Professor D r. Nagler: Ich bin einverstanden. Staatssekretär Dr. Freister: Der Vorschlag paßt nicht ganz zur Neuregelung im Reichsjagdgesetz, in dem zur Strafverfolgung der Antrag des Kreisjägermeisters verlangt wird. Oberlandesgerichtsrat D r. Schäfer: Bei gemeinschaftlichen Jagdpachtverträgen einigen sich die Beteiligten manchmal untereinander über ge­ wisse Abschußgrenzen. Der Gedanke ist, daß sie die Möglichkeit haben sollen, es unter sich auszutragen, wenn die vereinbarten Abschußgrenzen überschritten werden. Staatssekretär Dr. Freister: D ann kann § 363 in dieser Fassung bleiben. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Bezüglich der Einbeziehung macht § 364 RefEntw. im Gegensatz zum geltenden Recht (§ 295 StGB, beim unberechtigten Fischen ist nur die beschränkte EinziehungsmögliHkeit nach § 40 S tG B , gegeben) zwischen unberechtigtem Fischen und Jagen keinen Unterschied. Dem Paragraphen wird zugestimmt, auch fernem einschränkenden Abs. 2, der leicht mögliche große Härten zu vermeiden sucht (ein Angestellter des Jagdberechtigten z. B. jagt ohne dessen Erlaubnis mit dessen kostbarem Drilling!). Professor D r. Nagler: Ich bin einverstanden. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Die Strafdrohung des § 365 (Gewaltanwendung des Wilderers) entspricht einem dringenden Be­

dürfnis, sie ist dem § 252 S tG B , nachgebildet. § 252 S tG B ist aus den Wilderer nicht anwendbar, weil das Tatbestandsmerkmal des Diebstahls nicht feststell­ bar ist. § 365 wird dem räuberischen Diebstahl (§ 332 RefEntw.) anzupassen sein. Eine solche Bestimmung ist erforderlich neben § 149 Abs. 1 und 4 des UK Borschlags Nr. 24 und neben dem Nötigungstatbe­ stand. Der „Wilderer" umfaßt hier auch den unbe­ rechtigt Fischenden. Der Hauptanwendungsfall wird allerdings beim Wilderer im engeren Sinne gegeben sein. Zuchthausstrafe ist hier allein angemessen. Berichterstatter Professor D r. Nagler; Ich frage mich in erster Linie, ob § 365 überhaupt notwendig ist, und ob nicht der Tatbestand der Nöti­ gung ausreichende Bestrafung garantiert, zumal wir jetzt dort für besonders schwere Fälle Zuchthausstrafe vorgesehen haben. Staatssekretär Dr. Freister: Vielleicht besteht kein juristisches Bedürfnis für diesen Tatbestand. Ich möchte ihn aber der Wirkung wegen unbedingt beibehalten. Berichterstatter Landgerichtsdirektor Dr. Lorenz: Zu § 365a (unbefugtes Fischen in deutschen Hoheitsgewässern) möchte ich zunächst zur Erwägung stellen, ob diese Bestimmung überhaupt hierher gehört oder nicht vielmehr in den Abschnitt über den Schutz des Volksgutes. Seiner Tendenz nach gehört es m. E. dahin. I m übrigen deckt sich die Bestimmung ungefähr mit § 296a S tG B ., nur ist die Auslegung, die Wissen­ schaft und Rechtsprechung dem Täterbegrisf „Aus­ länder" geben, im Entwurf in der Fassung zum Aus­ druck gebracht. Der Tatbestand ist insofern erweitert, als das fahrlässige unbefugte Fischen, das nach herrschender Meinung nicht vom § 296a S tG B , er­ faßt wird, ausdrücklich im Entwurf mit aufgenommen ist. I m Hinblick auf die Bedeutung, die diese Vor­ schrift in wirtschaftlicher Beziehung hat, ist eine höhere Strafdrohung — zum mindesten für besonders schwere Fälle — angebracht. Berichterstatter Professor D r. Nagler: Ich stehe ebenfalls auf dem Standpunkt, daß der Tatbestand des § 365a nicht in diesen Abschnitt gehört. Ergänzend möchte ich nur den Vorschlag machen, die Haftung des Fahrzeugs für Geldstrafe und Kosten vorzusehen. Denn das Fahrzeug kann jetzt nur unter den Voraussetzungen des § 64a unseres Entwurfs eingezogen werden. Die Routine der Ausländer hat den § 296a S tG B , bisher dadurch umgangen, daß nach der T at das (zunächst ent­ kommene) Fahrzeug sofort seine ganze Besatzung wechselte. Staatssekretär Dr. Freister: Diese Anregung von Herrn Professor Nagler muß den sonst beteiligten Stellen unterbreitet werden. Es leuchtet ja auch ein, daß sich das Deutsche Reich in solchen Fällen wenigstens an das Schiff halten kann. Ich möchte aber noch aus folgenden, den nt. E. wesent­ lichsten Punkt bei dieser Materie hinweisen. Unter

der Maske des Fischfangs verbirgt sich bei diesen Aus­ ländern sehr häufig ein unberechtigtes Messen und Loten in deutschen Gewässern. F ü r derartige Dinge interessiert sich auch die Reichswehr. Ich würde jeden­ falls, um hier die notwendige Repression zur Ver­ fügung zu haben, den Strafrahm en in § 365a ganz allgemein erhöhen. Ich halte es auch nicht für zweck­ mäßig, daß man in das Strafgesetzbuch schreibt, bei fahrlässiger T at könne von der Einziehung der Fang­ geräte abgesehen werden. Ich hielte es für richtiger, diese Dinge im Gnadenwege zu erledigen. I m S tra f­ gesetzbuch selbst muß gerade bei solchen Delikten eine ganz feste Linie eingehalten werden. Ministerialdirektor Schäfer: Ich halte es nicht für zweckmäßig, wenn das Gericht bei fahrlässig begangener T at die Einziehung immer aussprechen muß. Staatssekretär Dr. Freisler: Ich möchte dem Vorschlag von Herrn Land­ gerichtsdirektor Lorenz beitreten und den Tatbestand des § 365a für den Abschnitt „Schutz des Volksgutes" vormerken. Professor Dr. Nagler: Ich darf noch darauf hinweisen, daß der ganze Abschnitt die notwendige Ergänzung erfährt durch die Übertretungsvorschrift des § 411 ResEntw., die ich neben den kriminellen Tatbeständen für unbedingt erforderlich halte. Staatssekretär Dr. Freisler: Dann möchte ich die Unterkommission bitten, für § 365 eine andere Überschrift zu finden. Sächsischer Justizminister Dr. Thierack: Ein Beispiel: Ein deutscher Seemann hat sich aus einem ausländischen Fischereifahrzeug anheuern lassen, das Schiss kommt in deutsches Hoheitsgebiet; ver­ weigert der M ann nun seine Dienste, dann wird er nach dem Recht des ausländischen Staates wegen Meuterei schwer bestraft. Staatssekretär Dr. Freisler: Da wird man schon irgendwie helfen können; Notstand kommt in Frage. W ir kämen dann zu Wucher, Preistreiberei, Lotterie- und Glücksspiel. Ich würde vorschlagen, zu­ nächst

Wucher und Preistreiberei zu behandeln. Ich glaube, wir müssen hier gleich etwas in die einzelnen Tatbestände hineingehen. Berichterstatter Vizepräsident Grau: Die Fassung des § 340 ResEntw. (Wucher) enthält wesentliche Verbesserungen gegenüber dem geltenden Recht in den §§ 302a—e S tG B , und § 49a des Mieterschutzgesetzes in der Fassung der Bekannt­ machung vom 30. 6. 1926. Es ist ja bekannt, daß das geltende Recht unklar und unübersichtlich, im Ergebnis auch unbefriedigend ist; so läßt sich z. B. die wuche­ rische Ausbeutung der Arbeitskraft heute strafrechtlich so gut wie gar nicht erfassen. § 340 Abs. 1 beseitigt die bisherige Unterscheidung zwischen Kreditwucher (§§ 302a—