Probleme der syntaktischen Kongruenz: Theorie und Normvergleich im Deutschen [Reprint 2010 ed.] 9783111676623, 9783484311329

167 88 81MB

German Pages 266 [272] Year 1992

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Probleme der syntaktischen Kongruenz: Theorie und Normvergleich im Deutschen [Reprint 2010 ed.]
 9783111676623, 9783484311329

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
I. TEIL: KONGRUENZ ALS SYNTAKTISCHES PHÄNOMEN
1. Der gegenwärtige Forschungsstand
2. Kongruenz als sprachtypologische Erscheinung
2.1. Der Kongruenzbegriff
2.2. Syntaktische Kategorien als Voraussetzung für Kongruenz
3. Kongruenz im Satzbauinventar
3.1. Kongruenz und Rektion
3.2. Kongruenz als Ausdruck syntagmatischer Kohäsion
3.3. Der syntaktische Rahmen in Kongruenzrelationen
3.3.1. Die Wirkung nicht markierter Bestimmungsgrössen
3.3.2. Regelkonflikte
3.4. Kongruenzstufen
3.5. Scheinkongruenz
3.6. Inkongruenz
3.6.1. Inkongruenz als Systemdefekt
3.6.2. Inkongruenz als pragmatische Deformation
4. Morphologische Kongruenztypen
4.1. Kongruenz als Gleichlautung
4.2. Kongruenz als Ausdruck unterschiedlicher Formparadigmen
4.3. Überlagerung von Kategorien in einer Kongruenzform
4.3.1. Funktionale Komplexität der Formative
4.3.2. Kongruenz und Gruppenflexion
4.4. Kongruenz als diskontinuierliches Zeichen
4.4.1. Kongruenz als sprachliches Zeichen
4.4.2. Kongruenz als diskontinuierliche Flexion im Deutschen
4.5. Kongruenztypen in sprachtypologischer Betrachtung
5. Kongruenzdarstellungen in verschiedenen Syntaxmodellen
5.1. Kongruenz im taxonomischen Strukturalismus
5.2. Kongruenz in der Konstituentenstrukturgrammatik
5.3. Kongruenz in der Stratifikationsgrammatik
5.4. Kongruenz in der Transformationsgrammatik
5.5. Kongruenz in der generalisierten Phrasenstrukturgrammatik
6. Kongruenz als Normproblem
6.1. Der zweiwertige Ansatz: grammatisch vs. ungrammatisch
6.2. Normierung und Vagheitsbereich
6.3. Der Wirkungsbereich von Kongruenzregeln
6.4. Der dreiwertige Ansatz: grammatisch - ungrammatisch - unbestimmt
II. TEIL: KONGRUENZ IN DER DEUTSCHEN SPRACHE
7. Kongruenz in neueren Grammatiken des Deutschen
7.1. Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat
7.1.1. Natürliche Person - grammatische Person
7.1.2. Kongruenz in der Person
7.1.3. Kongruenz im Numerus
7.2. Die Kongruenz im Gleichsetzungssatz
7.2.1. Person und Numerus des satzkonstituierenden Verbs
7.2.2. Die Kongruenz des Gleichsetzungsgliedes
7.3. Die Kongruenz der Substantivbegleiter
7.3.1. Substantivbegleiter in pränominaler Stellung
7.3.2. Substantivbegleiter in postnominaler Stellung
7.4. Die Beziehungskongruenz der Pronomen
7.4.1. Genuskongruenz der Pronomen
7.4.2. Numeruskongruenz der Pronomen
7.4.3. Personenkongruenz der Pronomen
7.5. Kongruenz zwischen Possessiva und ihren Bezugselementen
Schlussbemerkung
Anhang
I. Kongruenzbeispiele der DUDEN-Kartei
II. Die statistische Untersuchung von FlNDRENG (1976)
Literatur

Citation preview

Reihe Germanistische Linguistik

132

Herausgegeben von Helmut Henne, Horst Sitta und Herbert Ernst Wiegand

Christoph Jaeger

Probleme der syntaktischen Kongruenz Theorie und Normvergleich im Deutschen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1992

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Jaeger, Christoph: Probleme der syntaktischen Kongruenz: Theorie und Normvergleich im Deutschen / Christoph Jaeger. - Tübingen : Niemeyer, 1992 (Reihe Germanistische Linguistik ; 132) NE:GT ISBN 3-484-31132-0

ISSN 0344-6778

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1992 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt. Einband: Industriebuchbinderei Hugo Nadele, Nehren. Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich im Sommersemester 1991 auf Antrag von Prof. Dr. Horst Sitta als Dissertation angenommen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Einleitung .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

I . TEIL·. KONGRUENZ A L S SYNTAKTISCHES PHÄNOMEN 1.

D e r gegenwärtige Forschungsstand .

2.

Kongruenz als sprachtypologische Erscheinung

2.1. D e r Kongruenzbegriff

.

.

.

.

.

.

.

.

.

l

.

.

.

7

.

.

.

8

.

.

.

.

.

.

10

.

1 2

2.2. Syntaktische Kategorien a l s Voraussetzung für Kongruenz

.

.

.

17

3 . Kongruenz i m Satzbauinventar

.

.

.

23

3 . l. Kongruenz u n d Rektion .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

23

3.2. Kongruenz als Ausdruck syntagmatischer Kohäsion

.

.

29

3.3. Der syntaktische Rahmen in Kongruenzrelationen

.

.

35

3.3.1. D i e Wirkung nicht markierter Bestimmungsgrössen . 3-3.1.1. Die Kategorie der Belebtheit 3-3.1.2. D i e topologische Distanz

.

.

.

.

.

.

.

.

.

3.3.2. Regelkonflikte

35 35 37

39

3.3.2.1. Sinnbezug u n d Formbezug . . . . 3.3.2.2. Sinnbezug u n d Formbezug a m Beispiel d e s Genus . 3.3.2.3. Genus und Genuskongruenz in feministischer Sprachkritik

. .

.

.

.

.

.

41 43 50

3.4. Kongruenzstufen .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

5 3

3.5. Scheinkongruenz .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

5 6

3.6. Inkongruenz

.

.

.

.

.

.

.

.

.

5 8

.

3.6.1. Inkongruenz a l s Systemdefekt

.

.

3.6.2. Inkongruenz als pragmatische Deformation 3.6.2.1. 3.6.2.2. 3-6.2.3. 3.6.2.4.

Änderung d e r Redestrategie Thematische Konstruktionen Kontaminationen . . Sprechlapsus . .

. . . .

. . . .

. .

. . . .

.

.

.

.

. .

. . .

.

59 .

. . .

58

. . .

59 . 6 0 . 6 1 . 6 4

VI

4 . Morphologische Kongruenztypen

.

4.1. Kongruenz a l s Gleichlautung .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

4.2. Kongruenz als Ausdruck unterschiedlicher Formparadigmen 4.3. Überlagerung von Kategorien in einer Kongruenzform . .

. .

. .

65 65 67

.

.

69

.

.

.

.

.

.

.

.

.

4.4. Kongruenz als diskontinuierliches Zeichen 4.4.1. Kongruenz a l s sprachliches Zeichen

.

4.5- Kongruenztypen in sprachtypologischer Betrachtung

.

.

5.2. Kongruenz in der Konstituemenstrukturgrammatik

.

75 75

.

.

76

.

Kongruenzdarstellungen i n verschiedenen Syntaxmodellen

5.1. Kongruenz i m taxonomischen Strukturalismus

. 7 1 .

4.4.2. Kongruenz als diskontinuierliche Flexion im Deutschen

5.

65

.

4.3.1. Funktionale Komplexität der Formative 4.3.2. Kongruenz und Gruppenflexion

.

.

78 .

.

.

80

.

80

.

82

5.3. Kongruenz i n d e r Stratifikationsgrammatik

.

.

.

83

5.4. Kongruenz i n d e r Transformationsgrammatik

.

.

.

86

5.5· Kongruenz i n d e r generalisierten Phrasenstrukturgrammatik . 6.

Kongruenz a l s Normproblem .

.

.

.

.

.

.

6.3. Der Wirkungsbereich v o n Kongruenzregeln

.

89

.

.

.

92

.

.

.

92

.

.

92

6. l. D e r zweiwertige Ansatz: grammatisch v s . ungrammatisch 6.2. Normierung u n d Vagheitsbereich

.

.

.

.

.

.

.

94

6.4. Der dreiwertige Ansatz: grammatisch - ungrammatisch - unbestimmt .

97

II. TEIL: KONGRUENZ IN DER DEUTSCHEN SPRACHE .

.

.

.101

7.

.

.

.

. 1 0 2

.

.

.

.

.107

7.1.1. Natürliche Person - grammatische Person

.

.

.

. 1 0 8

7.1.1.1. Der sprachliche Ausdruck für die sprechende Person . 7.1.1.2. Der sprachliche Ausdruck für die angesprochene Person 7.1.1.3. Der sprachliche Ausdruck für die unmarkierte Person .

. . .

. . .

. 1 1 0 . 112 . 1 1 3

Kongruenz in neueren Grammatiken des Deutschen

7.1. Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat

VII 7.1.2. 7.1.2.1. 7.1.2.2. 7.1.2.3.

Kongruenz in der Person . . . . Mit kopulativen Konjunktionen verbundene Subjektteile Mit disjunktiven Konjunktionen verbundene Subjcktteile Kongruenz beim relativen Anschluss . . .

. . . .

. . . .

.114 . 116 . 1 2 4 . 1 2 6

7.1.3. 7.1.3.1. 7.1.3.2. 7.1.3.3. 7.1.3.4.

Kongruenz im Numerus . . Subjekt im Singular Subjekt im Plural Kongruenz bei mehreren Subjektteilen . Kongruenz bei Koordination von Sätzen

.

.

. 1 2 9 136 146 . 1 5 2 .173

7.2. Die Kongruenz im Gleichsetzungssatz

.

.

.

. .

.

. .

.

. .

.

.

.

.

.174

7.2.1. Person und Numerus des satzkonstituierenden Verbs . 7.2.1.1. Person 7.2.1.2. Numerus

.

.

7.2.2. 7.2.2.1. 7.2.2.2. 7.2.2.3.

. .

Die Kongruenz des Gleichsctxungsgliedes Kongruenz im Genus . . . . Kongruenz i m Numerus . . . . Kongruenz im Kasus . . . .

.

.

.

.180 . 1 8 0 187 . 1 8 9

.

.

.

.190

. . . .

. . . .

. . . .

.190 . 190 . 1 9 1 . 198

7.3.2. Substantivbegleiter in postnominaler Stellung 7.3.2.1. Postnominale Stellung als topologische Auffälligkeit . 7.3.2.2. Postnominale Stellung als topologische Regelmässigkeit

. . .

.

. 1 9 9 . 199 . 200

7.3. Die Kongruenz der Substantivbegleiter 7.3.1. 73.1.1. 7.3.1.2. 7.3.13.

.

. . .

.

Substantivbegleiter in pränominaler Stellung Determinierende pränominale Substantivbegleiter Qualifizierende pränominale Substantivbegleiter Quantifizierende pränominale Substantivbegleiter

7.4. D i e Beziehungskongruenz d e r Pronomen 7.4.1. Genuskongruenz der Pronomen

.

. .

175 175 176

.

.

.

.

. .

.

.

202

.

.

.

.

.

. 205

7.4.2. Numeruskongruenz der Pronomen .

.

.

.

.

. 2 1 1

7.4.3. Personenkongruenz der Pronomen .

.

.

.

.

. 2 1 3

7.5. Kongruenz zwischen Possessiva und ihren Bezugselementen

.

.

.

Schlussbemerkung

.

.

.2 1 7

.

.

.

.

.

.

.

214

Anhang

219

I. Kongruenzbeispiele der DUDEN-Kartei

219

I I . D i e statistische Untersuchung v o n FlNDRENG (1976) Literatur

.

.

.

.

240 247

Vorwort Wenn eine wissenschaftliche Arbeit endlich druckreif vorliegt, ist das fast immer das Verdienst mehrerer. Auf dem Titelblatt wird aber nur ein einziger namentlich genannt, der Autor. Dessen Ehrlichkeit und Anstand gebieten es deshalb, im Vorwort wenigstens jenen zu danken, die in besonderem Mass beigetragen und mitgetragen haben. An erster Stelle möchte ich Herrn Prof. Dr. Horst Sitta danken für das, was er mir als Hochschullehrer vermittelt hat, für seine interessierte und fördernde Teilnahme an dieser Arbeit und die grosse Geduld, die er dabei bewies. Mein herzlicher Dank gilt im weitern Herrn Prof. Dr. Günther Drosdowski und seinen Mitarbeitern am Bibliographischen Institut in Mannheim. Sie alle haben mich bei der Sichtung der DUDEN-Kartei und bei der Aufarbeitung von Belegbeispielen grosszügig mit Rat und Tat unterstützt. Für manche Anregung im Gespräch - Ermunterung, Kommentar und Kritik danke ich meinem Studienkollegen Peter Gallmann, Mitarbeiter am Deutschen Seminar der Universität Zürich. Vroni Schilling und Martin Leonhard danke ich für ihre Mithilfe bei Korrektur und Layout. Bei den Herausgebern der Reihe Germanistische Linguistik möchte ich mich für das Angebot bedanken, die Arbeit zu publizieren, und dem Verlag schliesslich gilt mein Dank für die problemlose Zusammenarbeit bei der Vorbereitung zum Druck.

Winterthur, im März 1992

Christoph Jaeger

Einleitung Der Begriff der Kongruenz wird in der heutigen Sprachwissenschaft von der Semantik, der Syntax und auch von der Phonologic beansprucht. Auf allen drei Gebieten geht es um eine Kookkurrenzrelation im weitesten Sinn. Für semantische Kookkurrenzrelationen hat LEISI (1953:68) in Anlehnung an vergleichbare Erscheinungen in der Syntax den Ausdruck semantische Kongruent geprägt: »Die Erkenntnis der Tatsache, dass die meisten unserer Verben nicht nur durch die Eigenschaften einer Bewegung, sondern auch durch die Beschaffenheit des Subjekts oder Objekts dieser Bewegung bedingt sind, verhilft uns nicht nur zu einer präziseren Beschreibung der einzelnen Wortinhalte; sie fuhrt uns darüber hinaus zum Prinzip der scmantischen Kongruenz. Was darunter zu verstehen ist, zeigt am besten ein Vergleich mit den bekannten grammatischen Kongruenzen, den formalen Übereinstimmungen von zwei oder mehr Wörtern im selben Textzusammenhang.«

Auf phonologischem Gebiet benützen HEIDOLPH et al. (1984:860) den Ausdruck Kongruenz für die »Zuordnung zwischen der syntaktischen Einheit Satz und der phonologischen Einheit Tongruppe«. Dieses Zuordnungsverhältnis zwischen den beiden sprachwissenschaftlichen Teildisziplinen ist Gegenstand phonologischer Untersuchungen, wobei gilt: »Ein einfacher Satz, der mit einer Tongruppe zusammenfällt, ist kongruent, und ein einfacher Satz, der entweder mit mehr oder mit weniger als einer Tongruppe zusammenfällt, ist inkongruent.« WERNER (1979:968) hat angeregt, den Begriff Kongruenz auch für die Regeln der consecutio temporum und der Modi anzuwenden. Die Problematik dieses Vorschlages scheint dem Autor indessen bewusst zu sein: »Die Frage, was hier mit was kongruiert (Tempora, Modi, Neg, Lexeme bestimmter Semantik ...), fuhrt jedoch in Probleme, die wir hier nicht erörtern wollen.« Für syntaktische Kookkurrenzrelationen sind seit den Anfängen der eigenständigen deutschen Sprachbeschreibung die Ausdrücke grammatische Kongruenz, syntaktische Kongruenz oder einfach Kongruenz üblich. Mit dieser Art von Kongruenz befasst sich die vorliegende Arbeit. Die Erscheinung der syntaktischen Kongruenz kann unter zahlreichen Gesichtspunkten beschrieben werden. Um zu einer umfassenden Übersicht zu gelangen, ist es wohl unerlässlich, dass wenigstens die folgenden Aspekte zur Sprache kommen: •

Wirkungsbereich von Kongruenz: Welches ist der Wirkungsbereich von Kongruenz, d.h. welche sprachlichen Elemente kongruieren miteinander in welchen grammatischen Konfigurationen? Zu untersuchen ist die grundsätzliche Frage, ob es nur eine einheitliche - Kongruenzrelation gibt oder mehrere verschiedene. • Kongruenzmerkmale: In welchen Merkmalen können sprachliche Elemente in syntaktische Kongruenz treten, d.h. welche grammatischen Kategorien - offene wie ENGEL (1988:812) kritisiert die Verwendung des Ausdrucks Kongruenz für diese ganz andersartigen Relationen und empfiehlt, dafür auch eigene Termini zu verwenden. Vgl. dazu aber schon PORZ1G (1934:70 et pass.: »wesenhafte Bedeutungsbezichungen«) und wieder COSER1U (1970:298 et pass.), FLEISCHER et al. (1983:297), HEIDOLPH et al. (1984:479) und JUNG (1988:45 et pass.), die alle den Ausdruck sementische Kongruenz verwenden.













verdeckte - treten in Kongruenzkonstruktionen ein? Es ist eine der Hauptaufgaben einer allgemeinen Kongruenzdefinition, die Bedingungen für das Erscheinen von Kongruenzmerkmalen zu erfassen. Idealerweise Hesse sich daraus ein Wirkungsprinzip ablesen, das eine abschliessende Liste möglicher Kongruenzmerkmale festlegt (vgl. z.B. PULLUM 1985:80f.). Von Interesse ist auch die Frage, ob Kongruenzmerlunale als Merkmalsgruppe an einer (an jeder?) Kongruenzrelation »teilnehmen« oder ob einige Merkmale unabhängig wirken. Richtung der Kongruenz: In welche Richtung wirkt die Kongruenzrelation, d.h. welches sprachliche Element ist der Ausgangspunkt der Kongruenzwirkung bzw. der Kongruenzauslöser und welches ist das Ziel bzw. dasjenige, das der Kongruenzwirkung unterliegt? Oder muss grammatische Kongruenz als korrelativ eingestuft werden? Regelhafiigkeit: Wie strikt wirkt Kongruenz, d.h. mit welcher Regelhaftigkeit kongruieren die kongruenzfahigen Kategorien? Erscheinen Inkongruenzen, Neutralisierungen oder Synkretismen und welcher Art sind diese? (Unabhängig von der Art der Beschreibung von Kongruenzmerkmalen als diskontinuierliche Morpheme, als eine An von »Morphemharmonie«, als Dislokation, als Projektion, als Elemente von Kopierverfahren oder als ein anderes formales Verfahren, die Grundidee ist doch immer eine Kookkurrenzrelation: dasselbe Merkmal erscheint an verschiedenen syntaktisch, semantisch oder wenigstens funktional aufeinander bezogenen Stellen. In manchen Fällen ist die Übereinstimmung nicht zu erkennen, nur teilweise durchgeführt oder zweideutig.) Regelkonflikte: Welche Art von Lösungsregel tritt ein, wenn zwei oder mehrere Kongruenzmuster in Konflikt geraten (z.B. Semantik vs. syntaktische Kongruenz, verschiedene Genera bei koordinierten Substantiven, unterschiedliche grammatische Person bei koordinierten Personalpronomen)? Variation: Idealerweise liefern die Kongruenzregeln einer Sprache bei definierter kategorieller Einordnung nur eine einzige Form. Unter welchen Umständen ergeben sich alternative Kongruenzformen, d.h. wann ist mehr als ein Kongruenzmuster grammatisch? Welchen kommunikativen (soziolinguistischen, pragmatischen) Erfordernissen entsprechen solche Alternativen? Funktion: Welche syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen erfüllt Kongruenz? Zahlreiche Autoren, die sich mit der syntaktischen oder der kommunikativen Funktion von Kongruenz befassten, haben ihre offensichtliche Nutzlosigkeit hervorgehoben, so JESPERSEN (1922:352ff.), der Kongruenz als überflüssig, ja lästig (cumbersome) beschreibt und ihr einen primitiven Wesenszug attestiert. Funktionswandel: Welches ist der sprachgeschichtliche Ursprung der Kongruenz? Ist ein diachronischer Wandel von Kongruenzmerkmalen erkennbar?

Die grammatische Kongruenz ist eine Erscheinung, die dem muttersprachlichen Sprecher normalerweise kaum bewusst ist. Wie oft im Bereich der Syntax macht sie sich erst dann als weitgehend regelhafte Sprachnorm bemerkbar, wenn dagegen verstossen wird, d.h. wenn die internalisierte oder die kodifizierte Grammatik für die gerade gewünschte Konstruktion keine Regel anbietet, oder wenn sie im Sprachunterricht für Fremdsprachige zu einem besonders mühsamen Kapitel im Spracherwerbsprozess wird. Im Zweifelsfall stellt sich dann z.B. die Frage, ob es korrekt sei zu sagen:

0 0 0

Die Schmuckindustrie ist der grösste Goldverbraucher. Weder der Parteivertreter noch der Staatsanwalt hat sich mit dieser Frage befasse. Jedermann, auch Sie, können damit Erfolg haben.

Die Erscheinung der syntaktischen Kongruenz in allen ihren Ausprägungen in einer kurzen Definition festzuhalten ist bisher nicht befriedigend gelungen. Aus diesem Grund wird sich ein bedeutender Teil dieser Arbeit mit dem syntaktischen Phänomen der Kongruenz und der Abgrenzung von kongruenzverwandten Problemen befassen. Als Kongruenz soll hier in einer Werkstattdefinition vorerst die grammatisch-formale Abstimmung der Flexionskategorien von Satzgliedern bezeichnet werden. Die formale Abstimmung bezieht sich dabei auf Kategorien, die den kongruierenden Wörtern gemeinsam sind. Im Deutschen sind dies die Kategorien Person und Numerus bei verbaler Kongruenz, Kasus, Numerus, Genus und Person bei nominaler Kongruenz. Kongruierende Wörter sind somit flektierbare Wörter (vgl. ALTHAUS et al. 1980:69f.). Ob auch nicht-flektierbare Wörter in Kongruenzverhältnisse eintreten, wird ebenfalls zu untersuchen sein. Dass die syntaktischen Probleme beim Fremdspracherwerb auch Kongruenzprobleme sind, wurde schon angedeutet: Kongruenzkategorien sind einzelsprachlich determiniert, ebenso deren formal-grammatische Ausprägungen. Der Sprachvergleich zeigt eine grosse Vielfalt der Erscheinungsformen von Kongruenz; die Kongruenzphänomene und die sich daraus ergebenden Probleme im sprachlichen Alltag müssen daher auch einzelsprachlich beschrieben werden, die vergleichende Syntaxanalyse hilft hier nicht weiter, werden doch ähnliche semantische Verhältnisse syntaktisch recht unterschiedlich realisiert (vgl. dazu MORAVCSIK 1978:331ff., MENZEL 1990:172ff.): 0

0

0

engl.: deuL: engl.: deut: russ.:

The police was very well equipped. (Sg) Die Polizei war sehr gut ausgerüstet. (Sg) The police are after him. (PI) Die Polizei ist hinter ihm her. (Sg) Ona izudala francuzskij jazyk. (Das Verb zeigt im Russischen neben Kongruenz in Person und Numerus in bestimmten Fällen auch Kongruenz im Genus.) deuL: Sie lernte französisch. (Das Verb ist im Deutschen im Bezug auf das Genus des Subjekts indifferent.)

In der Syntax zahlreicher romanischer und slawischer Sprachen spielt die Kongruenz eine dominierende Rolle für das Sprachverständnis, entsprechend gross ist die Zahl der Untersuchungen zu Kongruenzproblemen; im germanischen Sprachbereich ist diese Bedeutung sehr unterschiedlich verteilt. Ein Vergleich zeigt, dass von den modernen germanischen Sprachen das heutige Deutsch innerhalb der eigenen Sprachgruppe zu den ausgeprägt konservativen gehört, dass die Sprache als einzige das altgermanische Formensystem einigermassen intakt erhalten hat und wo deshalb auch die Kongruenzregeln ihre alte Bedeutsamkeit bewahrt haben - 19 Seiten Regelwerk im DUDEN (1984:646ff.) sind mit ein Grund, weshalb Deutsch als schwer zu erlernende Sprache gilt. Bereits STOELKE (1916:41) stellte fest: »Die ganze Kongruenz ist ja eine rein äusserliche, rein formale Erscheinung in der Sprache. Mit dem Wesen der Dinge hat sie nichts zu tun. Ein Zeichen dafür ist, dass es Sprachen gibt wie das Dänische, das Schwedische, das Ungarische, das Malayische, die keine Kongruenzgesetze haben und sich genau so klar ausdrücken, soweit sie nur von klaren Köpfen gesprochen werden, wie unsere mit dem Kongruenzzwang behafteten, angeblich höher stehenden Sprachen. Sie ist auch aus rein

äusserlichen Ursachen entstanden, aber sie ist nun einmal da, und die Wissenschaft hat zu erklären, wenn der Mechanismus gelegentlich nicht funktioniert, worin die Störung ihren Grund hat.«

Die überwiegende Mehrzahl der kongruenzrelevanten syntaktischen Konstruktionen bietet keine Schwierigkeiten; sie verhalten sich unauffällig innerhalb der vom Sprachsystem geforderten Kongruenzbezüge. Problemfälle entstehen denn auch kaum aus einer Besonderheit im syntaktischen Bezug der kongruierenden Ausdrücke, es sei denn, der Regelverstoss ist Ausdruck eines Systemdefektes, der mit dem zur Verfügung stehenden Formeninventar nicht behoben werden kann. Eine einleitende Äusserung von FlNDRENG (1976:19), der sich eingehend mit bestimmten Kongruenzerscheinungen im Deutschen befasst hat, schliesst sich 60 Jahre später nahtlos an STOELKE an: »Es geht bei der Kongruenz meist nicht darum, unmögliche Konstruktionen von möglichen zu unterscheiden oder grammatische von ungrammatischen.« Aufgabe sei vielmehr festzustellen, wie gross die Schwankungen seien und was diese bewirkt haben könnte.2 Diese Erkenntnis, die sich im übrigen nicht nur aus Erscheinungen der syntaktischen Kongruenz, sondern auch aus anderen tendenziell instabilen Bereichen der Syntax herleiten lässt, führte zur Aufgliederung der vorliegenden Arbeit in zwei Teile. Im Ersten Teil, Kongruenz als syntaktisches Phänomen (Kapitel l bis 6), werden die theoretischen Grundlagen zur syntaktischen Kongruenz erarbeitet: • Kapitel l befasst sich mit dem gegenwärtigen Forschungsstand. Es wird festgestellt, dass bisher kein Erklärungsmodell Kongruenzerscheinungen umfassend abdeckt und dass eine allgemeine Theorie der Kongruenz noch immer fehlt. Die in letzter Zeit wieder zahlreicheren Beiträge zu Einzelaspekten der Kongruenz könnten sich aber schliesslich als Mosaiksteine einer solchen Theorie erweisen. • Kapitel 2 untersucht den Kongruenzbegriff. Seine Definitionen und deren Wirkungsbereich werden beleuchtet. Als Voraussetzung für grammatische Kongruenz erweist sich die kategoriale Einordnung sprachlicher Einheiten. • Kapitel 3 stellt die Kongruenz als einen der syntaktischen Bereiche aus dem Satzbau-Inventar vor. Dabei geht es sowohl um die Abgrenzung von anderen im Satz wirkenden Kookkurrenzbeziehungen (Rektion, Valenz) als auch um den Wirkungsbereich der grammatischen Kategorien und die Störeinflüsse konkurrierender Satzbautechniken. Von besonderem Interesse ist die Abgrenzung der Kongruenz von Diskontinuitätserscheinungen. • Kapitel 4 führt einige der zahlreichen Kongruenztypen vor, die sich in verschiedenen Sprachen herausgebildet haben, und untersucht die Bedingungen und die Folgen für den Sprachbau. • Kapitel 5 führt Kongruenzdarstellungen verschiedener, im Laufe der Geschichte der Sprachbeschreibung vorgeschlagener Syntaxmodelle vor, wobei sich zeigt, dass keines die Erscheinung der Kongruenz zufriedenstellend abbilden kann.

Kongruenzstörungen sind nach der Erkenntnis von BRUGMANN (1925:150) bereits in der indogermanischen Grundsprache nachweisbar; in drei Fällen treten sie besonders häufig auf: • Die Bedeutung des Wortes macht sich im Gegensatz zu seiner Form geltend. • Die Kongruenz entfällt. • Die Kongruenz wird aufgehoben, indem in einer Wortgruppe das eine Wort starr und damit Teil einer Wortverbindung wird, die ihrerseits als Ganzes kompositioneil wird.

• Kapitel 6 behandelt Kongruenz als Normproblem unter dem theoretischen Ansatz einer Kerngrammatik und deren fallweisen Ergänzung bei Regelkonflikten. Im Zweiten Teil (Kapitel 7) geht es um Kongruenz in der deutschen Sprache. Die kodifizierten Kongruenzregeln der grösseren Grammatiken des Deutschen seit 1970 werden aufgearbeitet und verglichen. Dabei tritt das Problem der kontextfreien Linguistenbeispiele besonders störend in Erscheinung; es muss als inhärenter »Schönheitsfehler« dieses Teils der Arbeit in Rechnung gestellt werden, da in fast allen Grammatiken bei den Beispielsätzen darstellungsbedingt von pragmatischen Zusatzinformationen und der Situierung im Kontext abstrahiert wird. Diachronische Aspekte der Kongruenz werden nur am Rande mit in die Beschreibung einbezogen. Die Arbeit ist nicht als Geschichte der Kongruenz konzipiert, so interessant eine solche Betrachtungsweise gewiss wäre. Damit müsste sich eine separate Untersuchung befassen; Literatur dazu ist vorhanden (vgl. z.B. SCHACHINGER (1889), PAUL (1881 et pass.; zuletzt 23. Aufl. 1989), BRUGMANN (1925), HÖYBYE (1943). HÖYBYE (1943:12) berichtet über die Stationen der grammatischen Erfassung von Kongruenzphänomenen. Die Anfänge ortet er bei APOLLONIOS DYSCOLOS, der einige Regeln zu dem gebe, was er kataüilotis nenne; weiter bei PRISCIAN, dem lateinischen Grammatiker des 6. Jahrhunderts, der den Ausdruck congruitas verwende, der auch von DUNS SCOTUS, dem Grammatiker der Scholastik, im 13. Jahrhundert verwendet werde. SCOTUS sei wahrscheinlich der erste gewesen, der in seiner Grammatica speculativa (bekannt auch unter dem Titel De modis significandi), Kap. 53 und 59, versucht habe, die Kongruenz-Phänomene in einer Definition zu fassen. Trotz ausführlicher Problemdarstellung bleiben auch weiterhin Teilgebiete der Kongruenz-Thematik zu bearbeiten: Die Apposition in ihren vielfältigen Erscheinungen wird als Teil der KongruenzProblematik zwar erwähnt, jedoch nicht systematisch beschrieben, da während der Entstehungszeit dieser Arbeit an der Universität Zürich zu Kongruenzproblemen in der Apposition eine separate Dissertation geplant war, die schliesslich mit veränderter Thematik erschienen ist (vgl. GALLMANN 1990; über Kongruenz S.290ff.): ° Es ist immerhin eigenartig zu sehen, dass ein junger Mann wie Sie, der solange im Zentrum der guten Gesellschaft verkehrte, so wenig Lebensmut entwickelt hat.

Zu bearbeiten bleibt auch das Feld der Kongruenz in Vergleichssätzen, wo Zweifel daran bestehen kann, wonach sich das Verb zu richten hat bzw. ob die gewählte Verbform die (einzig) richtige ist: 0

0

denn selbst die Gastarbeiterfrauen gebären - einem populären Vorurteil entgegen - weitaus weniger Kinder, als nöcig wären, um wenigstens den Bestand der hierzulande lebenden Ausländer zu sichern (SPIEGEL 52/1985, 69) sie tippten systematisch höhere Beträge ein, als nach den Einkäufen der Kunden gerechtfertigt t«er(SPIEGEL 47/1986. 155)

Die hier geltenden Regularitäten wurden meines Wissens noch nicht explizit beschrieben. VANDEVELDE (1988:180) diskutiert mögliche Bezüge, kommt aber zum Schluss: »In beiden Belegen wäre aber auch die jeweils andere Interpretation (...), also auch die andere Verbform, möglich.« Der Ansicht von EISENBERG (1986:54f.) ist soweit zuzustimmen, als die Nichtübereinstimmung von Vergleichsgruppen, die in jedem Satz im Bezug auf Person, Numerus und Genus auftreten kann, in vielen Fällen nicht eine Frage der Kongruenz

sei, sondern ausschliesslich vom auszudrückenden Sinn abhänge. Es ist also nicht Aufgabe der Kongruenzbeschreibung, Fälle wie 0

Sie weint wie ein kleines Mädchen. - Er weint wie ein kleines Mädchen.

zu erklären und im ersten Fall von Kongruenz, im zweiten dagegen von Nichtübereinstimmung zu sprechen. Manche Selektion unterliegt der syntaktischen Kongruenz gar nicht und entzieht sich deshalb der Beurteilung unter Kongruenzkriterien. Die Kongruenz bei Koordination von Sätzen schliesslich wird in 7.1.3.4. nur gestreift. Dieser Kongruenzbereich muss noch eingehender bearbeitet werden, da hier mehrere syntaktische Aspekte zusammenkommen (Ellipse, Koordination, Tilgung u.a.) und von manchen Autoren sogar die Zuständigkeit der Kongruenzregeln überhaupt bestritten wird.

I. Teil: Kongruenz als syntaktisches Phänomen

1. Der gegenwärtige Forschungsstand Nach übereinstimmender Auffassung zahlreicher Autoren, die sich mit Kongruenzerscheinungen befasst haben, fehlt bis heute eine umfassende systematische Beschreibung auf dem Gebiet der syntaktischen Kongruenz. 1971 stellte FINDRENG (1971:361) fest: »Die Forschung scheint sich bisher wenig für das Kongruenzproblem interessiert zu haben. Soweit ich feststellen konnte, liegen nur zwei kleinere Aursätze vor, die sich mit der Kongruenz im modernen Deutsch befassen.«1 Acht Jahre später bemerkt WERNER (1979:959): »In der bisherigen Literatur gibt es dazu zwar viele Einzelaspekte, aber - soweit ich sehe - keine systematisch-erschöpfende Beschreibung.«2 Den wahrscheinlichen Grund dafür vermutet WERNER zu Recht im Definitionsproblem, mithin darin, »dass es strittig sein kann, was als Kongruenz zu betrachten ist, dass sich innerhalb der Kongruenz vielerlei Komponenten unterscheiden und sehr unterschiedliche Funktionen feststellen lassen«. Weitere sechs Jahre später kommt VON STECHOW (1985:170) nach einer sehr gerafften Darstellung der Kongruenzerscheinungen aus generativer Sicht noch immer zum Schluss: »Man sieht an dieser Stelle, dass wir auf jeden Fall eine allgemeine Theorie der Kongruenz benötigen.« (Dasselbe Desideratum findet sich wieder in STECHOW/

STERNEFELD 1988:160.) An dieser Situation hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert. Rein linguistische Darstellungen von Kongruenzerscheinungen sind zwar mit den unterschiedlichsten theoretischen Ansätzen wiederholt versucht worden (vgl. Kap.5), doch vermag keines dieser Konzepte die syntaktische Kongruenz in allen ihren Erscheinungsformen zu erfassen. Die meisten Syntaxmodelle kranken ausserdem daran, dass sie sich mit dem Aufzeigen von Lösungswegen begnügen, die sich aber häufig als nur beschränkt gangbar erweisen. Über einzelne Aspekte von Kongruenzerscheinungen liegt immerhin eine ganze Anzahl von Beiträgen vor. Insbesondere die anglo-amerikanische Linguistik befasst sich seit einigen Jahren wieder vermehrt mit Kongruenzphänomenen, nachdem im Anschluss an die grossen Theorieentwürfe und deren Kritik kaum mehr eigenständige Untersuchungen publiziert worden sind. Die Beiträge behandeln allerdings weniger Probleme der traditionellen linguistischen Modellsprachen als ganz spezielle Kongruenzprobleme von Kleinsprachen afrikanischer, indianischer oder asiatischer Sprachgemeinschaften. Eine teilweise Abkehr von dieser Forschungsrichtung zeichnet sich mit dem Sammelband von FERGUSON/BARLOW (1988) ab, wo in Rückwendung zu konzeptionellen Fragen auch die Theoriediskussion wieder Eingang gefunden hat, denn - so die Autoren im Vorwort - »linguistic theorists have generally treated FINDRENG bezieht sich auf LJUNGERUD (1956): Einige Kongruenzerscheinungen im Deutschen, und auf DAL (1969): Über Kongruenz und Rektion im Deutschen. WERNER verweist dazu auf die wenigen und zumeist unergiebigen Literaturhinweise bei LEWANDOWSKI(1976:342f.). - In der 4. Auflage (1985:562) sind die Literaturhinweise inzwischen zahlreicher und ergiebiger.

agreement phenomena as secondary or even marginal or incidental«. Ob sich mit den Einsichten aus diesen Forschungsbeiträgen eine gültige allgemeine Theorie der Kongruenz formulieren lässt, wird die Zukunft zeigen.3 Unter normativem Gesichtspunkt wurden Kongruenzerscheinungen im Deutschen verschiedentlich beschrieben und je nach Absicht des Verfassers liberaler oder rigider gehandhabt. Bis PAUL (1919:Bd.III, Teil IV: Syntax) ist Kongruenzbeschreibung Illustration der vermeintlich festgefügten Norm, oft mit Beispielen, die von GRIMM übernommen werden, oder in Zukunft gültige Norm, die aufgrund »sprachlogischer Überlegungen« verbindlich festgesetzt wird. In neueren deutschen Grammatiken und Handbüchern wird die Erscheinung der Kongruenz vermehrt in der Weise behandelt, dass zwar eine Norm vorgegeben wird, Abweichungen jedoch ebenfalls verzeichnet sind, wobei die Erklärungsversuche dafür andere syntaktische oder syntaxfremde Einflussfaktoren geltend machen. Je nach Verwendungszweck der Publikation wird Kongruenz mit entsprechend unterschiedlicher Ausführlichkeit behandelt. Mehrere der jüngsten grammatischen Werke, wo teilweise eine Gesamtdarstellung der heutigen deutschen Grammatik angestrebt wird, schenken dem Kongruenzproblem nur wenig oder überhaupt keine Aufmerksamkeit (vgl. dazu auch Kap. 7). Was noch immer fehlt, ist ein Regelwerk aufgrund einer aktuellen und für statistische Zwecke genügend umfangreichen Belegsammlung.4 Dass daher unter den verschiedenen Grammatikern in vielen Fällen abweichende Auffassungen herrschen, war zu erwarten - weniger hingegen, dass sie Regeln samt Belegen ohne Hinweis voneinander übernehmen.

3

Die Herausgeber sind vorsichtig: »In spite of the new data provided in all these papers and increased sophistication of analysis and metatheoretical discussions, no consensus has been reached on the limits to be set on what constitutes grammatical agreement or on the basic parameters in terms of which agreement phenomena can or should be characterized.« (FERGUSON/BARLOW 1988:3) Der Band enthält zu einem breiten Spektrum von Fragen der Kongruenz ausführliche bibliographische Angaben, die zur Zeit wohl zu den aktuellsten gehören. — Zahlreiche Titel sind leider nur schwer zugänglich. Die bisher einzige systematische Untersuchung von Kongruenzerscheinungen im Deutschen anhand von Textstellen hat FINDRENG (1976) vorgelegt für das Gebiet der Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb in Person und Numerus.

2. Kongruenz als sprachtypologische Erscheinung Die Frage, weshalb es Sprachen gibt, die Kongruenzmerkmale zeigen und bei der Saubildung von entsprechenden Kongruenzregeln Gebrauch machen, kann durch die Grammatik nicht beantwortet werden. Eine Erklärung dafür verlangt eine Bezugnahme auf eine Aussage, die allgemeiner ist als die zu erklärende Grammatik. Die allgemeinsten Aussagen einer Grammatik sind ihre Axiome. Die Erscheinung der syntaktischen Kongruenz ist somit axiomatisch, einer Beweisführung nicht zugänglich und als Tatsache hinzunehmen. Eine sprachtypologische Betrachtungsweise des Kongruenzphänomens zeigt, dass syntaktische Kongruenz hauptsächlich in flektierenden Sprachen auftritt, wo ihr bestimmte Aufgaben bei der Satzkonstituierung zukommen, die der agglutinierende und der isolierende Sprachtyp anders lösen.1 Auch innerhalb der Gruppe der flektierenden Sprachen sind die Kongruenzerfordernisse sehr unterschiedlich ausgeprägt. Damit stellt sich die Frage nach dem Sinn von Kongruenzerscheinungen, wurde doch wiederholt vermutet, diese seien ohnehin allesamt redundant (vgl. z.B. JESPERSEN 1922:352ff.).2 Kongruenz übernimmt als sprachliches Zuordnungsverfahren in verschiedenen Erscheinungsformen eine Reihe von Aufgaben: • Kongruenz ist als formal-grammatisches Prinzip mechanisch; die Kongruenzphänomene sind innerhalb einer Einzelsprache weitgehend vorhersagbar. Die Kongruenz ist damit eine sprachliche Erscheinung, deren Umfang und Gestaltung innerhalb der Grammatik einer gegebenen Sprache als Grundinformation gelernt werden muss.3 • Kongruenz ist funktional; ihr Auftreten erfüllt im Sprachsystem die Aufgabe, die lineare Abfolge der Wörter mit den dafür vorgesehenen Markierungen so zu strukturieren, dass die syntaktischen Bezüge eindeutig erkennbar werden.4 Als syntakti1

Zur Beschreibung der einzelnen Sprachtypen und deren relativer Vor- und Nachteile vgl. u.a. DAUSES (1985:48ff.). Zu den Vorteilen der Flexion werden u.a. »die kurzen, durch Verschmelzung mehrerer Morpheme in einem Morph erreichten Lautketten« gezählt, zu den Nachteilen »eine Vielfalt an Formen in den jeweiligen Deklinatione- und Konjugationsklassen (...) mit noch zusätzlichen >AusnahmenAlte Liebe rostet nicht, sit bewährt sich stets aufs neuex), dient also der Verflechtung von Satzgliedern und Sätzen. (...) Das grammatische Geschlecht bietet nicht nur Fügungshilfe (...), sondern steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Grundleistung dieser Wörter, der Grössenbenennung.« 17 Dasselbe gilt auch für alle Nominalldassen-Merkmale, die morphologisch nicht gekennzeichnet sind: in den allermeisten Fällen ist Kongruenz auch herstellbar bzw. erkennbar, wenn die Kategorien am Substantiv formal nicht ausgedrückt werden. Vgl. JÖRGENSEN (1966:119): »For establishing congruence in any grammatical category it is therefore immaterial whether or not this category is clearly marked in the determining member.«

19

fener und verdeckter Nominalkategorien wurde von der modernen Sprachwissenschaft früh erkannt und von zahlreichen Autoren beschrieben, so auch von WHORF (1945:2; übersetzt): »Es gibt offene und verdeckte grammatische Kategorien. Eine offene grammatische Kategorie (overt category) hat eine formale Markierung, welche in jedem Satz vorhanden ist, der ein Element dieser Kategorie enthält. Eine verdeckte grammatische Kategorie (covert category) ist — durch Morpheme, Satzmuster oder Wortstellung - nur in bestimmten Satztypen markiert und kommt nicht in jedem Satz vor, in dem ein Won oder Element dieser Kategorie erscheint. Die Kategorienzugehörigkeit des Wortes ist nicht offensichtlich bis zur Verwendung des Wortes oder Bezugnahme darauf in einem dieser speziellen Satztypen, und dann stellt sich heraus, dass dieses Wort zu einer Klasse gehört, die eine spezielle Verwendung erfordert, welches sogar jene sein kann, diesen Satztyp auszuschliessen. (Im Englischen bilden intransitive Verben eine verdeckte Kategorie, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass sie kein Passiv bilden.) Die grammatischen Auswirkungen verdeckter Kategorien sind nicht unmittelbar erkennbar, da sie keine morphologischen Merkmale beeinflussen, aber ihre Wirkung im Sprachsystem ist kaum geringer.«

Dass die Morphologie innerhalb des kategorialen Paradigmas je nach Sprache sehr unterschiedlich strukturiert sein kann, wird in Kap. 4 vorgeführt; dass sie dabei auch sehr komplex sein kann, zeigt die folgende, geraffte Darstellung der Systematik der Numerus- und Genus-Markierung im Deutschen: Numerus: Die zwei Numeri - Singular und Plural —, die in der Grammatik der deutschen Sprache unterschieden werden, sind als Kategorie immanenter Bestandteil jedes Wortes, das Numerusträger sein kann. Die Wahl des Numerus ist nicht abhängig vom Einzelwort, sondern von der Verwendung des Wortes im Syntagma. An jedem Substantiv muss daher die Opposition zwischen den beiden Numeri entschieden werden, d.h. jedes Substantiv enthält entweder ein Sg- oder ein PI-Morphem. Auf der Ausdrucksseite ist der Pl gegenüber dem Sg gekennzeichnet durch • Differenzierung der Substantivendung: Tag-0 — Tag-f Bild-0 - BildWicse-0-Wiese-«

• Veränderung des Stammvokals: Nagel - Nagel • Veränderung des Stammvokals und Differenzierung der Substantivendung: Baum-0— Bäiim-f Wo beim Substantiv keine Differenzierung von Sg und Pl ausgedrückt ist, kann der Synkretismus durch kongruierende Substantivbegleiter aufgehoben werden: der Wagen — die Wagen

Steht die Nominalgruppe als Subjekt ohne kongruierenden Substantivbegleiter, kann der Synkretismus durch die Kongruenz des Verbs aufgehoben werden: 0

Wagi» durften dort nicht fahren. ° da Nebel mir die Welt verhüllten (GOETHE, Faust I, 188)

Die Kongruenz wird damit zum entscheidenden Kriterium der Aussageabsicht. In Fällen wie 0

Wagen und Kutscher waren bereit.

20

gibt allerdings auch die Verbform keinen Aufschluss über den Numerus der beiden Substantive - eine, wie noch zu zeigen sein wird, für das Deutsche charakteristische Erscheinung, da in dieser Sprache die Kongruenz-Kategorien nicht immer alle deutlich ausgeprägt und damit unterscheidbar sind. Genus: Es gibt im Deutschen genusfeste und genusvariable Grossen.18 Substantive sind genusfest und daher fiir die übrigen Beziehungsgrössen genusbestimmend. Alle anderen flektierbaren Wortarten sind genusvariabel und vom Bezugswort bestimmt. Substantive gehören im Deutschen zu einer der drei Genuskategorien Maskulinum, Femininum oder Neutrum. Genuslose Substantive widersprechen dieser Ordnung und kommen deshalb nicht vor. Es gibt allerdings Substantive, bei denen das Genus schwankt; hier ist lediglich die kategoriale Zuordnung nicht einheitlich festgelegt, sie sind damit nicht zugleich genusvariabel.1? Im Unterschied zu Kasus und Numerus, die je nach Satzintention eine Auswahl innerhalb der Kategorie zulassen, ist das Genus fest mit dem Substantiv verbunden. Genusveränderungen treten auf beim Anfügen eines Diminutivs an ein Substantiv. Es gibt im Deutschen kein System von Regeln, nach dem das Genus der Substantive bestimmt werden kann. Oft stimmen natürliches und grammatisches Geschlecht nicht überein: • Mask steht für männlich geschlechtsbestimmte Lebewesen sowie - bisher - allgemein generalisierend. • Fern steht für weiblich geschlechtsbestimmte Lebewesen. Oft wird dafür auch Mask verwendet, wenn sprachlich keine adäquate Bezeichnung zur Verfügung steht (Advokat, Minister; Kennerblick u.a.; vgl. 3.3.2.3). Durch die feste subkategoriale Zuordnung des Substantivs ist das Genus für den Sprecher nicht - je nach kommunikativem Zweck - wählbar, es ist mit jedem Substantiv gegeben. Das Genus der meisten Substantive ist nicht von dessen Lautgestalt abzuleiten; nur selten ist es mit einer bestimmten Endung am Substantiv selbst ausgedrückt (Arbeiter-/«; Substantive mit den Suffixen -heit, -keit, -erei; Substantive mit den Suffixen -chen und -lei).20 18 Vgl. GLINZ (1973:270), der Substantive als »geschlechtsfordernd« bezeichnet im Gegensatz zu den »geschlechtsveränderlichen« attributiven Wörtern. 19 Dieser Unterschied wurde von der Sprachbeschreibung nicht immer beachtet; vgl. dagegen BRINKMANN (1971:48): »Wo die Lautgestalt des Substantivs nicht genügend differenziert ist, tritt der Artikel zur Verdeutlichung ein. Er kündigt das Genus an, das im Verweisungszusammenhang, in der Kongruenz, gelten soll, und sondert so verschiedene Wörter voneinander (der Tau das Tau, der Stift - das Stift).« Wenn der Autor damit zugleich sagen wollte, dass der Artikel das Genus bestimme, wird dem im folgenden widersprochen. Vgl. auch ERBEN (1980:134): »Von solchen Einzelschwankungen (Halfter, Klafter, Mündel) im Bereich der Genusklasse abgesehen ist grundsätzlich festzuhalten, dass jedes Substantiv einer bestimmten Genusklasse zugehört und an deren Formbesonderheiten (in Wortbildung, Flexion und Fügewcisc) Anteil nimmt. Die konventionell festgelegte Genuszugehörigkeit gehört gleichsam zur >Grundprägung< jedes Substantivs.« 20 Vgl. ERBEN (1980:134f.): Da »das Genus des Substantivs nicht immer an einem charakteristischen Suffix zu erkennen« ist (vgl. Graus m., Maus f., Haus n.), »gewinnen Begleitwörter des Substantivs besondere Bedeutung, vor allem der >Artikel< (...), der deshalb in der deutschen Grammatik auch >Geschlechtswort< genannt wird: der Graus, die Maus, das Haus. Die Bezeichnung ist insofern ungenau, als der >Artikel< im Plural genusindifferent ist, im Singular nicht ausschliesslich zum Ausdruck des grammatischen Geschlechts dient und daneben auch andere Begleitwörter des Substantivs genussignalisierend wirken.«

21

Innerhalb der Nominalgruppe wird das Genus aber immer ausgedrückt (ausser im Pl und in Fällen, wo die Nominalgruppe nur aus einem Substantiv ohne Begleiter besteht; auch in solchen Fällen wird der Synkretismus jedoch durch den Kontext oft behoben). Bei einem auf das Substantiv bezogenen Pronomen ist immer eine bestimmte Genusvariante notwendig: 0

Milch ist nicht da, man sollte noch welch« kaufen.

Gegen die verbreitete Ansicht, die Bezeichnung des Genus sei eine Funktion des Artikels, sprechen zwei Tatsachen: • Auch das Adjektiv kann die Bezeichnung des Genus übernehmen. Steht kein Artikel, zeigt das Adjektiv aufgrund des Kongruenzerfordernisses das Genus an; das Gegenteil - die Bezeichnung des Genus sei eine Funktion des Adjektivs - wurde meines Wissens noch nirgends behauptet.21 • Der Artikel kann die Genusunterschiede nur sehr unvollkommen ausdrücken. Im Pl ist die Opposition zwischen den drei Genera ohnehin aufgehoben. Die Bezeichnung Geschlechtswort ist irreführend. Der Artikel hat nicht die Bedeutung Genus des Substantivs. Die gesamte Nominalgruppe enthält ein Genusmorphem, das an den einzelnen Gliedern der Gruppe ausgedrückt wird, und zwar in unterschiedlichem Mass. Auch ZWICKY (1985:165) vertritt diese Auffassung, wenn er postuliert: • Gender is a lexical property of nouns, but not of determiners or adjectives; • The gender of a determiner or adjective is determined by the gender of die noun with which it is in construction; • Case and number are assigned to noun phrases as wholes.

Wenn man nun annimmt, dass sich der Bereich der Syntax mit der inneren Organisation des Satzes befasst und jener der Morphologie mit der inneren Organisation des Wortes, besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit, dass sich diese beiden Bereiche überschneiden bzw. dass sie es nicht tun. In Übereinstimmung mit der Grundthese von LAPOINTE (1985:8) wird hier davon ausgegangen, dass sich keine syntaktische Regel direkt auf Elemente der morphologischen Struktur bezieht. Es wurde bereits daraufhingewiesen, dass Merkmalsveränderungen nur im Rahmen kategorialer Einordnung auftreten und dass Konstruktionsregeln nur aufgrund eines adäquaten kategorialen Substrates der strukturell zu verbindenden Elemente wirksam werden. Inhärente Merkmale sind dabei genau so relevant wie strukturell zugeschriebene.22 Zusätzlich zu Merkmalen, welche in mehr oder weniger direkter Weise die syntaktische Struktur reflektieren, in der ein gegebenes Wort erscheint, können Merkmale festgestellt werden, die dort als Ausdruck von Merkmalen anderer Wörter der Struktur erscheinen. Die Prinzipien, die den sprachlichen Elementen solche Merkmale

21

22

Vgl. auch BRINKMANN (1971:4): »So erscheint das grammatische Geschlecht nicht am Substantiv selbst, geht aber stets von ihm aus und bestimmt alles, was mit ihm in Zusammenhang steht. Ein Substantiv kann auf diese Weise zum Kern einer umfassenden Gruppe werden.« Zur Funktion des Artikels im Deutschen vgl. auch FLEISCHER (l967:131 ff.), zuletzt KOLDE (1989:27ff.). Zur morphologischen Komplexität der deutschen Nominalgruppe vgl. auch FOURQUET (1979:46ff.).

22

zuweisen, lassen sich indessen nur anhand von syntaktischen Strukturen erkennen, die umfassender sind als ein einzelnes Won, denn das Phänomen kann nur innerhalb grösserer Einheiten - typischerweise Phrasen - definiert werden. Dabei zeigt sich, dass das Kongruenzerfordernis nicht in allen Kategorien gleich stark ausgeprägt ist und dass der Beitrag der einzelnen Kongruenzkategorien zum Zusammenhalt des Satzes schwankt.23

23 HARNISCH (1984:25) stellt zudem fest: »Es gibt offensichtlich verschiedene Konstellationen von syntaktischen Merkmalen, in denen sich manche als stärker, manche als schwächer erweisen. So kommt es entweder zu Prozessen der Verdrängung schwächerer Merkmale durch stärkere (...) oder zu Prozessen der Zulassung stärkerer Merkmale in der Umgebung schwächerer (...).«

3. Kongruenz im Satzbauinventar

3. l. Kongruenz und Rektion Zur Abgrenzung dieser beiden syntagmatischen Relationen soll hier von der allgemeinsten syntaktischen Abhängigkeitsbeziehung ausgegangen werden. Wenn Wörter oder Wortelemente korrelativ, d.h. in der Weise aufeinander bezogen sind, dass mit einer Veränderung an einem Element der Korrelation sich gleichzeitig das andere Element verändert, liegt Dependenz vor. Über An und Richtung des Abhängigkeitsverhältnisses ist damit nichts ausgesagt; Bedingung ist einzig, dass die beiden Elemente der Kookkurrenzrelation gleichzeitig erscheinen. Dependenzrelationen liegen auch dort vor, wo sich grammatische Kategorien morphologisch nicht manifestieren, eine Veränderung also nicht sichtbar wird. In dieser Weise ist z.B. das Substantiv Raum bezüglich Kasus unvollständig und bezüglich Genus überhaupt nicht markiert; es korreliert mit den Artikeln der, dem, den. Raum-es ist dagegen bezüglich Kasus eindeutig als Genitiv markiert und korreliert mit dem entsprechenden Artikel des/eines. Ein gerichtetes Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen den Deklinationsmorphemen des Substantivs und denen des adjektivischen und pronominalen Attributs, ebenso zwischen den Numerusmorphemen des Subjektsnominativs und denen des finiten Verbs. Diese Korrelation zwischen Morphemen kennzeichnet Kongruenz: 0

ein-i interessant- Frage — interessant-; Frage-n dein-0 neu-« Kleid- dein-; neu-«i Kleid-«· 0 ein-f unhcimlich-r, alt-f Ruine - unheimlich-;, alt-«· Ruin-im - der Hund-0bcll-f- (die) Hund-r bcll-rn 0

Eine Dependenzrelation kann auch bestehen zwischen dem Lexem eines Wortes (A) und dem Flexionsmorphem eines anderen (B). Dabei ist das Flexionsmorphem B dem Lexem A subordiniert, und die syntagmatische Relation zwischen A und B ist A semantisch-syntaktisch inhärent, so dass A die syntaktische Funktion bestimmt, welche B in der Konstruktion hat. In dieser Weise verlangt das Lexem des Verbs helfen im Deutschen das Dat-Morphem des mit ihm verbundenen Objekts, treffen verlangt das entsprechende Akk-Morphem: 0 0

sie hilft ihr-CTn Freund-(f) sie trifft ihr-«i Freund-0

Das gleiche Verhältnis besteht zwischen Präposition und regiertem Substantiv. Diese Art von Dependenz kennzeichnet Rektion.^ 1

Auch DAL (1969:10) definiert Kongruenz als Abhängigkeit zwischen Flexiven, Rekdon dagegen als Abhängigkeit zwischen Lexem und Flexiv. Nach WEIGAND (1978:41) überzeugt eine solche Unterscheidung nicht; die dagegen angeführten Beispiele bestätigen aber gerade diese Zuordnung. In ähnlicher Weise geht ADMONI (1982:215) von den morphologisch sichtbaren Merkmalen aus: »Viele Wortformen (...) dienen dazu, verschiedenartige Beziehungen zwischen Wörtern zum Aus-

24

Damit sind die beiden Bereiche des möglichen Erscheinens einer Kategorie bzw. eines Merkmals festgelegt: Es kann lexikalisch präsent sein, entweder inhärent wie das Genus in deutschen, russischen oder französischen Nomina, oder es erscheint aufgrund einer Wahl des Sprechers, z.B. beim Numerus. Es kann aber auch syntaktisch bestimmt sein; dies dann, wenn einem Substantiv durch Rektion ein Kasus zugeschrieben wird. Während bei der Kongruenz neben syntaktischen auch semantische Einflüsse den Mechanismus bestimmen, ist die Rektion ein rein syntaktisches Phänomen. Der Unterschied im Wirkungsmechanismus zwischen den beiden Dependenzrelationen Kongruenz und Rektion hat Auswirkungen auf das Verhältnis der syntaktischen Kategorien der Korrelationspartner. In der Kongruenzrelation werden zwei oder mehrere Wörter oder Syntagmen innerhalb der gleichen Kategorie flektiert, während in der Rektionskorrelation Rektum und Modifikatum einer syntaktischen Fügung nicht derselben Kategorie angehören. In Verbindung mit Rektion ist eine kategoriale Übereinstimmung gar nicht möglich, da das abhängige Glied in bezug auf die relevante Kategorie durch das Hauptglied determiniert wird. Die beiden Arten von Dependenz zeigen einen grossen Unterschied im Zahlenverhältnis der aufeinander bezogenen Glieder. In der Kongruenzrelation ist die Anzahl der korrelativen Glieder grundsätzlich nur durch die Anzahl der für Kongruenz zur Verfügung stehenden syntaktischen Kategorien begrenzt, wenn auch im morphologischen Erscheinungsbild viele Fälle von Synkretismus vorkommen, wie etwa in der Alternation der Tag-0 (Nom), den Tag-0 (Akk), bei der dem Wechsel des Artikels der/den ein identisches Nullmorphem des Substantivs entspricht (vgl. Kap.4). Bei der Rektionsrelation dagegen, bei der ein Morphem auf ein Lexem bezogen ist, ist die Zahl der Lexeme von einer ganz anderen Grössenordnung als jene der korrelativen Morpheme, die immer sehr beschränkt ist. Bei dieser Relation entstehen daraus Klassen von Lexemen, die sich mit den entsprechenden Morphemen verbinden. Im deutschen syntaktischen System stehen sich zwei strukturell verschiedenartige Wortgruppen gegenüber: die Gruppe des Substantivs und die des Verbs. Beide werden durch die Prinzipien der Kongruenz und der Rektion aufgebaut und syntaktisch koordiniert. Die Morpheme innerhalb der Substantivgruppe drücken die Nominalkategorien Genus, Numerus und Kasus aus. Nach der obenstehenden Abgrenzung von Kongruenz und Rektion liegt beim Genus innerhalb der Substantivgruppe sowohl ein Kongruenz- als auch ein Rektionsverhältnis vor, denn das Genusmorphem attributiver Adjektive und Pronomen wird auch vom Lexem des Substantivs, nicht wie die Kasusund Numerusmorpheme einzig von dessen Flexionsmorphem determiniert. Die unterschiedliche Nominativform des Artikels in den drei Wörtern der Löffel, die Gabel, das Messer wird von den entsprechenden Lexemen der Substantive determiniert, während der Kasuswechsel des Artikels, etwa das Messer/des Messer-s, vom

druck zu bringen. Diese morphologischen Mittel, die zur Bildung von syntaktischen Einheiten dienen, drücken in der Regel die syntaktische Abhängigkeit des einen Gliedes der Einheit von einem anderen aus. Die syntaktische Abhängigkeit kann in der Angleichung der grammatischen Formen des abhängigen Wortes an die Form des herrschenden bestehen (Kongruenz) oder in der Formung des abhängigen Wortes, die seine Abhängigkeit zum Ausdruck bringt, ohne seine Form der Form des leitenden Wortes anzugleichen (Rektion).« FLÄMIG et al. (1972:45) beschreiben die Rektion als Dependenzrelation, die auf der syntaktischen Valenz aufbaut.

25

Kasusmorphem des Nomcns (-0/-s) bestimmt wird. Dieser Unterschied ist von der Grammatikschreibung nicht immer beachtet worden.2 Die Unterscheidung von Rektion und Kongruenz als verschiedenartige syntagmatische Dependenzbeziehungen mag wenig ergiebig erscheinen. Tatsächlich ist sie aber für das Deutsche mit seinem unvollständigen Flexionssystem von grosser Bedeutung. Manche Erscheinungen wie die Subjekt-Prädikat-Kongruenz lassen sich in ihrer Systematik erst verstehen, wenn man Kongruenz- und Rektionsphänomene voneinander trennen kann. Eigentlicher Zweck einer Analyse der syntagmatischen Beziehungen bleibt aber, dass sie häufig entscheidende Hinweise auf die hierarchische Struktur syntaktischer Einheiten gibt. In manchen Fällen und insbesondere dann, wenn mehrere syntagmatische Beziehungen gleichzeitig bestehen, ist die Unterscheidung zwischen Kongruenz und Rektion anscheinend umständlich. Die Analyse gerät oft nur bis zur Feststellung, die Konstituenten seien formal aufeinander abgestimmt. Wenn in manchen Grammatiken zu lesen ist, die Attribute kongruierten mit dem Substantiv in Kasus, Numerus und Genus, hat dies offenbar seinen Grund darin, dass die tatsächlichen syntagmatischen Beziehungen entweder nicht erfasse oder aber aus didaktischen Gründen nicht getrennt beschrieben werden. Wie oben ausgeführt, besteht eine teilweise strukturelle Gleichartigkeit zwischen der Relation des finiten Verbs zum regierten Objektskasus und der des Substantivs zur Genusform seines Attributs. In beiden Fällen wird das lexikalische Inventar der betreffenden Wortklasse durch Rektion in syntaktische Klassen eingeteilt. Beim Substantiv ergeben sich so die Genusklassen, beim Verb die Rektions- oder Valenzklassen.

2

Vgl. jedoch EISENBERG (1986:54f.): »In fast allen Grammatiken steht, dass das adjektivische Attribut mit dem Kernsubstantiv bezüglich Genus, Numerus und Kasus kongruiert. In >Sie mag guten Wcin< etwa kongruiere >guten< mit >WeinWcin< eben diesen Kategorien zugeordnet sei. In dieser Sichtweise stecken zwei Irrtümer. Der erste besteht darin, dass die Kongruenzbeziehung auch auf das Genus ausgedehnt wird. Das adjektivische Attribut kongruiert mit dem Substantiv wohl hinsichtlich Numerus und Kasus, nicht aber im Genus. Das Genus ist beim Substantiv eine Paradigmenkategorisierung, d.h. das Substantiv regiert das Adjektiv hinsichtlich des Genus. Der zweite Irrtum besteht darin, dass beim Adjektiv und beim Substantiv von >denselben< Kategorien gesprochen wird. Man nimmt einfach an, dass AKK und SG beim Adjektiv dasselbe sind wie AKK und SG beim Substantiv. Diese Annahme ist unzutreffend. (...) Noch deutlicher als bei Numerus und Kasus ist die Verschiedenheit der Kategorien beim Genus. Das Adjektiv flektiert hinsichtlich des Genus, die Kategorien sind hier Einheitenkategorien. Das Substantiv flektiert nicht hinsichtlich des Genus. Wer sagt, das Adjektiv habe dasselbe Genus wie das Substantiv, irrt gleich zweimal.« Vgl. auch SCHMIDT (1977:188): »Hinter der scheinbaren Gleichheit verbirgt sich allerdings ein grundsätzlicher Unterschied. Während diese Kategorien beim Substantiv tatsächlich gegebene kategoriale Eigenheiten anzeigen, finden sie sich beim Adjektiv nur sekundär, auf Grund des Gesetzes der Kongruenz, nicht aber als Ausdruck realer Modifizierungen seiner Semantik, denn der Begriff der Eigenschaft kann sich nicht nach Geschlecht, Zahl oder Fall verändern. Die drei Adjektivkategorien spiegeln also jeweils nur die entsprechenden Kategorien des Substantivs wider, mit dem das Adjektiv kongruiert, und sie dienen in unterschiedlichen Formen der Kooperation dem Ausdruck dieser Kategorien des Substantivs. Wir sehen, wie sich die logische Abhängigkeit des Merkmals von seinem Träger in der syntaktischen Abhängigkeit des Adjektivs vom Substantiv widerspiegelt.«

26

In der Nominalgruppe konstituieren sowohl Rektions- als auch Kongruenzrelationen die syntagmatischen Beziehungen. Die Wonstellung kann als konkurrierendes oder stützendes Element dazu treten. In der Verbalgruppe wirken Rektions- und Kongruenzrelationen satzkonstituierend, sie sind Ausdruck der Verbindung des Vb fin mit der Subjektgruppe bzw. mit den Objektgruppen. Die Beziehung zwischen Vb fin und Subjekt, mithin die prädikative Relation, wird durch die Korrelation der Person- und Numerusmorpheme der beiden satzkonstituierenden Elemente, also durch Kongruenz, manifestiert. Personalpronomen in der Subjektstelle und das Morphem für die Personalendung des Vb fin unterliegen demselben paradigmatischen Wechsel. Die prädikative Relation kommt durch Kongruenz in einer gemeinsamen grammatischen Kategorie zum Ausdruck. Dagegen bleibt die Subjektgruppe unverändert bei einem Wechsel der Lexeme des Verbs: 0 0 0

Der Präsident ernennt die Minister. Der Präsident warf dem Staatssekretär Unfähigkeit vor. Der Präsident bediente sich eines bewährten politischen Tricks.

Die Lexeme des Verbs zeigen dagegen Korrelation mit den Kasusmorphemen der Objekte, diese wechseln übereinstimmend mit dem Lexem, wie die angeführten Beispiele zeigen. Die Objektsnomina sind anderseits unberührt von dem Wechsel der Numerus- und Personenmorpheme des Verbs. Genau wie in der Substantivgruppe manifestieren sich also auch in der Gruppe des Vb fin die beiden verschiedenen Dependenztypen; zwischen Subjekt und Verb herrscht Kongruenz, zwischen dem Verb und dessen Ergänzungen herrscht Rektion. Die beiden Dependenztypen müssen als Manifestationen zweier unterschiedlicher syntaktischer Relationen betrachtet werden, der prädikativen Relation und der Objektsrelation. LEHMANN (1983:354) siehtauch in der verbalen Personenkongruenz ein Rektionsverhältnis, das sich aber innerhalb der Kongruenzrelation auswirke: »Immer wenn eine Konstituente im Kasus kongruiert, ist sie nicht Rektum, sondern Modifikacor der die Kongruenz kontrollierenden Konstituente. Und (fast) immer, wenn eine Konstituente in der Person kongruiert, ist sie nicht Modinkatum, sondern Regens der die Kongruenz kontrollierenden Konstituente.

Wo Personenkongruenz vorliegt, besteht in dieser Sicht ein Rektionsverhältnis. Der Autor hält Kongruenzkategorien deshalb für ein klares morphologisches Kriterium zur Unterscheidung von Rektion und Modifikation3; in Kongruenzbeziehungen sei Personenkongruenz unmöglich, Kasuskongruenz dagegen möglich. In den Rektionsbeziehungen verhalte es sich dagegen genau umgekehrt: Personenkongruenz sei möglich, Kasuskongruenz dagegen nicht. Von Interesse ist nun, ob dieses Kriterium in umstrittenen Fällen eine brauchbare Entscheidung herbeiführt. Am Beispiel der syntaktischen Funktion des Subjekts soll dies kurz untersucht werden. Die Frage ist, ob die hier involvierte grammatische Relation unter Rektion oder unter Modifikation einzuordnen ist.

LAPOINTE (1985:189) beanstandet die Verwendung des Begriffs der Modifikation in der syntaktischen Beschreibung, denn damit werde ein Ausdruck der Semantik zur Erklärung syntaktischer Verhältnisse herangezogen. - Terminologie bleibt bei allem Bestreben nach unzweideutiger Fachwortschatz-Lexikographie in ihrer Anwendung auf konventionelle Verbindlichkeit angewiesen; dennoch sind Entlehnungen hier wohl unvermeidlich.

27

Das Subjekt wird in einigen terminologischen Traditionen zu den Komplementen des Verbs gerechnet, in anderen nicht. Die Unsicherheit rührt daher, dass sich das Subjekt einerseits in mancher Hinsicht analog zum Objekt und zu anderen Komplementen verhält und sich zusammen mit diesen um das Verb als das Zentrum des Satzes gruppiert, dass aber anderseits der einfache Satz zweigliedrig zu sein scheint, so dass Subjekt und Prädikat einander gleichgeordnet wären. Beispiele zeigen, dass sowohl das intransitive als auch das transitive Verb mit seinem Subjekt in der Person kongruieren kann. Das scheint für die allermeisten Sprachen zu gelten; Kasuskongruenz des finiten Verbs mit dem Subjekt ist nach GREENBERG (1963:92ff.) dagegen in keiner Sprache üblich. Daraus leitet nun LEHMANN (1983:354) ab, dass das Subjekt des finiten Verbs dessen Rektum ist, das Subjekt des nominalen Prädikats jedoch dessen Modifikatum. Das Subjekt verhält sich demnach zum finiten Verb analog zu dessen Objekt, aber es verhält sich zum nominalen Prädikat wie das Bezugsnomen zu seinem Attribut. Die Prädikation unterläge damit teilweise der Rektion und teilweise der Kongruenz.4 Auf der Ebene der Morphologie Hesse sich daraus folgende Hypothese formulieren: Je weniger eine NP der Rektion unterliegt und je mehr sie einen adjunktiven Status hat, desto mehr benötigt sie ein mit ihr assoziiertes Ausdrucksmittel, das ihre syntagmatische Funktion anzeigt. Je mehr umgekehrt eine NP der Rektion unterliegt und je weniger sie einen adjunktiven Status hat, desto wahrscheinlicher wird ihre syntagmatische Funktion statt an ihr selbst durch Kongruenzaffixe an ihrem Regens angezeigt. Analog dazu formuliert LEHMANN (l 983:371 f.) seine eigenen Beobachtungen der Markierungsverhältnisse im Satz: »Das Prinzip besteht in einer Tendenz, eine Relation an demjenigen der beiden Relata zu signalisieren, das relational ist. In der Modifikation, worunter auch die Adjunktion fällt, ist der Modifikacor — und das Adjunkt - relational; daher das Vorwiegen von Kasusaffixen (bzw. schwächer grammatikalisierten Mitteln). In der Rektion ist das Regens relational; daher das Vorwiegen von personalen Kongruenzaffixen. Die typische, in zahllosen Sprachen wiederkehrende Konstellation, dass es für die Subjektsfunktion ein Kongruenzaffix am Verb gibt, auch wenn die Sprache sonst keine personale Kongruenz hat, dass es aber kein Kasusaffix am Subjekt gibt, auch wenn die Sprache sonst (grammatische) Kasus hat, erklärt sich zwanglos durch diese Hypothese.«

4

Eine ähnliche Ansicht vertritt EISENBERG (1986:271): »Die sogenannte Subjekt-Prädikat-Kongruenz ist im Deutschen in den allermeisten Fällen nicht eine reine Kongruenzbeziehung, sondern teilweise oder ganz eine Rekdonsbeziehung.« Der Autor vermeidet im Zusammenhang mit Gleichsetzungsnominativen in Kopulasätzen den Begriff Kongruenz und spricht allgemeiner von formaler Korrespondenz zwischen Subjekt und Prädikat. Kongruenz sei lediglich bei Personalpronomen im Subjekt gegeben, sonst aber nicht, insbesondere nicht bei substantivischen Nominalen. In einem Satz wie Der Mann acht am Tor liege deshalb keine Kongruenz der grammatischen Person vor, weil das Paradigma von der Mann nur in Kasus und Numerus flektiert werde, nicht aber in der Person, »es gibt weder eine 1. noch eine 2. Person zu der Mann. Die formale Abhängigkeit zwischen Subjekt und finitem Verb in der Person ist als Rektionsbeziehung zu fassen: ein substantivisches Subjekt fordert für das Verb die dritte Person, eine Paradigmenkategorie regiert eine Einheitenkatcgoric.« Folgt man dieser Argumentation, entstehen allerdings erhebliche Schwierigkeiten bei der Einordnung von Subjektausdrücken, die keine Nominale sind. Sie kongruieren in dieser Sicht der Dinge mit dem finiten Verb weder in der Person noch im Numerus, denn ganze Sätze und zu-Infinitive haben auch keinen formalen Plural.

28

OSTROWSKI (1982:258f.) unterscheidet bei syntagmatischen Beziehungen nicht zwischen Rektion und Kongruenz, hingegen erkennt er innerhalb von Kongruenzbeziehungen typologisch zwei Verfahrensweisen. Beim Kongruenztyp A nehme das Determinans Kategorisierungen des Determinatums auf; beim Determinans werde auf das Determinatum verwiesen. Beim Kongruenztyp B nehme umgekehrt das Determinatum Kategorisierungen des Determinans auf; beim Determinatum werde auf das Determinans verwiesen. Die Kongruenztypen A und B stellten typologische Pole dar, zwischen denen sich die einzelnen Sprachen mit ihren spezifischen Kongruenzphänomenen anordnen Hessen. In den indogermanischen Sprachen folge die morphologische Markierung des finiten Verbs dem Kongruenztyp B, während die übrigen Kongruenzerscheinungen nach Typ A organisiert seien. Über die Wirkungsrichtung der Kongruenz im Syntagma werden verschiedene Ansichten vertreten.3 Zwar sind explizite Stellungnahmen dazu kaum zu finden, da sich die Kongruenzforschung bisher meist mit anderen Fragen befasst hat, doch vermittelt die vorhandene, vor allem die strukturalistische Literatur den Eindruck, als wirke Kongruenz ihrer Natur nach und idealerweise nur in einer Richtung: von weiter oben im Strukturbaum bzw. in der Hierarchie nach weiter unten. Ein Grund, weshalb vorwiegend diese Meinung vertreten wird, könnte nach der Ansicht von NICHOLS (1985:275) darin liegen, »that, for control of case agreement, the examples discussed in print do in fact illustrate downwards agreement«. Einen weiteren Grund glaubt die Autorin darin zu erkennen, dass es eine klare Tendenz gebe, Subjekt-Verb-Kongruenz, worin sich eindeutig die entgegengesetzte Wirkungsrichtung der Kongruenz zeige - »from non-head to head of the clause« -, nicht als eigentliche Kongruenz zu betrachten.6 Das deutlichste Beispiel dafür ist CHOMSKY (1982:48ff.), wo Subjekt-Verb-Kongruenz beschrieben wird als »government of the subject's nominative case by the element INFL« (INFL = the verbal inflection, comprising tense and person/number). Indem Kongruenz als Erscheinungsform der Rektion behandelt wird, erfordert diese Analyse geradezu, dass die Wirkungsrichtung der Kongruenz im Strukturbaum nach unten gerichtet ist. Die auf CHOMSKY basierende Darstellung von MARANTZ (1984:72f.) versucht dagegen, die komplementäre Verteilung und damit die entgegengesetzten Wirkungsrichtungen von Kongruenz (Wirkungsrichtung »aufwärts« im Strukturbaum) und Rektion (Wirkungsrichtung »abwärts« im Strukturbaum) zu beweisen, wobei es der Autor fertigbringt, beide Relationen als Auswirkungen eines einzigen Prozesses innerhalb der von CHOMSKY vorgegebenen Mechanismen zu beschreiben. Bei diesem Ansatz wird die explizite Anerkennung einer aufwärts gerichteten Kongruenzwirkung allerdings mit einem wissenschaftlich fragwürdigen Zugeständnis erkauft: Kongruenz und Rektion werden nicht mehr unterschieden, während bei CHOMSKY eine aufwärts gerichtete Wirkungsrichtung überhaupt nicht zur Diskussion zu stehen scheint. - Eine ab-

Mit der Direktionalitäc grammatischer Beschreibungen hat sich vor allem ELIASSON (zuletzt 1978:50ff.) kritisch befasst. Eine analoge Beobachtung findet sich bei GIVON (1975:167): »There is a certain tradition in linguistics of viewing grammatical agreement of various nominal arguments with the verb as a redundant, predictable, automatic feature of language and therefore one lacking functional load.«

29

schliessendc Beuneilung der verschiedenen Ansichten wäre zur Zeit verfrüht, die Theoriediskussion dauert an.7

3.2. Kongruenz als Ausdruck syntagmatischer Kohäsion • Nach Untersuchungen von KALMAN (1978:682) werden die syntagmatischen Beziehungen in jeder Sprache durch mindestens eine der drei folgenden, grundlegenden syntaktischen Bauformen ausgedrückt: • durch die Wortfolge • durch relativierende Elemente • durch die Kongruenz Fragen der Kongruenz sind damit zugleich Fragen der Satzbauproblematik. Das Kongruenzproblem wird so zu einem Teilproblem innerhalb der umfassenderen Frage nach dem Kennzeichen der Einheit des Satzes, mithin des Satzzusammenhalts. Die übergeordnete Frage muss deshalb lauten: Welches ist der Grad der Einheit, der einen normalen Satz mit mehreren Satzgliedern ausmacht, im Vergleich zu einer Serie von Wörtern, die einen unorganisierten Zustand des Auszudrückenden darstellen, und welches sind die morphosyntaktischen Konsequenzen der Kohäsionsstufung, die das Mass des Zusammenhaltes bestimmen? Welches ist anderseits der Grad der Einheit einer Wortzusammensetzung, verglichen mit jener einer organisierten Wortgruppe? In Ausdrücken der Trümmersprache und in manchen emotionalen Äusserungen wie (1) Ich, lügen? (2) Und dann, er - hinaus und weg.

ist der Grad des morphosyntaktischen Zusammenhaltes zwischen den Wörtern sehr schwach, er nähert sich null. Die Wortfolgen sind ohne nachweisbaren syntaktischen Bezug. Dennoch haben solche Äusserungen einen kommunikativen Wert. Die Organisationsrunktion der Syntax innerhalb des Satzes wird hier von der Kommunikationssituation beinahe vollständig übernommen. Pragmatisch spielt einzig die Abfolge der Wörter noch eine gewisse Rolle; allerdings wäre in (1) auch die umgekehrte Wortstellung denkbar: (3) Lügen, ich? NICHOLS (1985:284) ziehe aus der bisherigen Diskussion und aus eigenen Überlegungen folgende Schlüsse: 1) Agreement involving heads can go in either direction, sometimes within a single language or language family. 2) Constraints and language-specific choices on its directionality appear to be based on parts of speech and their language-specific properties, not on syntactic structure. 3) The array of categories and parts of speech, crosslinguistically, is such that in PFs and finite clauses, upwards agreement is the only possibility; while there is no constituent type in which agreement involving heads is necessarily downwards. 4) In contrast, agreement between non-heads can go only downwards. 5) The difference between agreement involving heads and that between non-heads is not based on parts of speech and language-specific categories. 6) Ranking of controllers for agreement involving heads is exclusively downwards. - Agreement is inherently bidirectional.

30

Die Merkmale der syntaktischen Kongruenz sind weitestgehend ausgeschaltet. Es ist ein Kennzeichen dieser Art von Äusserungen, syntaktische Formveränderungsmöglichkeiten bzw. -erfordernisse ausser acht zu lassen; die Wörter erscheinen in ihrer Grundform. Dabei bleiben immerhin aussersprachliche Bezüge gewahrt. - In der Äusserung (4) Lügnerin, du!

wird ein minimaler Organisationsgrad erreicht durch die Bezugnahme auf die angesprochene weibliche Person. Eine Wortform zeigt aufgrund der pragmatischen Situierung Kongruenz als Ausdruck eines minimalen syntaktischen Zusammenhaltes, der hier durch andere Mittel nicht hergestellt werden könnte. Kongruenzmerkmale erweisen sich in Fällen wie (4) als Ausdruck einer bestimmten syntagmatischen Organisation. Auf der anderen Seite des Möglichkeiten-Spektrums der Satzorganisation durch Kongruenz kann der Zusammenhalt von Ausdrücken so eng werden, dass sich auch hier, wie bei der pragmatisch dominierten Trümmersprache, Kongruenzkriterien erübrigen. Wortzusammensetzungen - insbesondere Substantivzusammensetzungen — jeglicher Struktur und Orthographie (Zusammenrückung, Einschieben von Fugenzeichen etc.) bilden Einheiten, deren Semantik Veränderungen in Phonetik und Morphologie der Einzelteile induzieren kann.8 JUNG (1988:74) weist auf diesen Übergang hin: »In einem Kompositum oder einer Wortgruppe aus S abstandv + Genitivattribut kann ein SubjektPrädikat-Verhältnis vorliegen, (...)«: 0 0

Kindergeschrei - Geschrei der Kinder - die Kinder schreien Sonnenschein - der Schein der Sonne - die Sonne scheint

Dieses Muster lässt sich im Deutschen fast beliebig anwenden: 0

0 0 0

der Dreimaster, die Geisterbahn, die Langeweile, die Zustellgebühr, die Wohlfahrtsorganisation, das Sicherheitsgurte-Tragobligatorium abgrundtief, nagelneu, todkrank blaurot, lautstark, tollkühn überglücklich, hochschwanger

Der Verlust der normalen Kongruenz zwischen Substantiv und Epitheton, welcher aufgrund der starken begrifflichen Einheit der beiden Bestandteile der Wortgruppe möglich wurde, hat im deutschen Vokabular Wörter entstehen lassen, über deren Etymologie und diachronische Gestaltveränderung oft nur die Analyse des Sprachhistorikers Aufschluss geben kann; vor allem wenn einer der Wortteile nur in der Zusammensetzung weiterexistiert; dies gilt generell für unikale Morphe: 0

die Hmaxeie, die 5rembeere

Die formale Unveränderlichkeit kann auch entstehen, wenn beide Bestandteile noch als Einzelwörter weiterbestehen und andere, weniger enge Verbindungen eingehen: 0

die Halbstunde

Manche Formen schwanken zwischen vollständiger Verbindung der Wortbestandteile und Flexion der Einzelteile.

GRIESBACH (1986:149) spricht von »agglutinierten Attributen«, wodurch die Möglichkeit gegeben sei, den begrenzten Vorrat an Sprachmaterial beliebig zu erweitern und zu neuen Begriffsbildungen zu kommen.

31

Zwischen der absoluten syntaktischen Unabhängigkeit der aufeinander folgenden Ausdrücke - minimale Kohäsion - und der kompletten Verschmelzung, die aus zwei ursprünglich selbständigen Wörtern eine neue Einheit formt — maximale Kohasion —, liegt somit der Bereich, in dem eine flektierende Sprache die morpho-semantische Interdependenz ausbilden kann, die Grundlage jener morpho-syntaktischen Korrelation ist, die als Kongruenz bezeichnet wird. Kongruenz ist Ausdruck mittlerer Kohasion in der Struktur einer Gruppe von flektierenden Wörtern. Gerade diese mittlere Kohasion zeichnet den Normalsatz aus.9 In flektierenden Sprachen ist die syntagmatische Gruppe gekennzeichnet durch eine formale Kongruenz der relevanten Gruppenbestandteile. Diese formale Kongruenz ist ihrerseits die Folge der Sinnbezüge, die zwischen den einzelnen Elementen der Gruppe bestehen. Bei einem gegebenen Sprachzustand wird Kongruenz damit zum Kriterium der Organisation von Gruppen unabhängiger Elemente - ebenso wie das Fehlen von Kongruenz das Kriterium einer Störung der Organisation im Rahmen der zuvor erwähnten mittleren Zusammengehörigkeit bildet (l)-(3). Das Mass dieser Zusammengehörigkeit ist indessen eine variable Grosse. Zu Beginn einer Aussage kann es mehrere Möglichkeiten geben zur Herbeiführung von Kongruenz; sie ist nicht immer eindeutig vorhersagbar - dies trotz ihrer mechanischen Regelhaftigkeit; sie ist auch eine Funktion des angewandten Einheitsgrades in einer Äusserung. Aus diesem Grund wurde einleitend darauf hingewiesen, dass eine deskriptive Studie eines gegebenen Sprachzustandes sich nicht nur mit der antithetischen Feststellung Kongruenz — nicht Kongruenz begnügen könne, sondern sich auch mit den möglichen Variationen der erkannten Regelhaftigkeit befassen müsse. Wenn hier festgestellt wurde, dass Kongruenz Ausdruck eines milderen syntagmatischen Zusammenhaltes ist bzw. diesen erst leistet, so muss gleich hinzugefügt werden, dass eine syntaktische Weiterentwicklung einen Sprachzustand ergeben kann, der sich der Kongruenz entledigt. Sobald das wesenhafte Kennzeichen der Kongruenz, die obligatorische Kennzeichnung derselben syntaktischen Information durch Mehrfachmarkierung derselben Subkategorie an verschiedenen Flexiven eines Syntagmas, erkennbar ist, handelt es sich im Grunde um - systemnotwendige oder entbehrliche Redundanz, letzteres dann, wenn durch strukturierende Wortstellungsregeln ein Satzmuster möglich wird, in dem die Bezüge sich durch die Topologie der Satzglieder ergeben. Wenn in einem solchen Sprachzustand die Kongruenz vernachlässigt und schliesslich ganz aufgegeben wird, ist der Grund dafür nicht eine Störung im Sprachsystem, sondern eine Veränderung des Bedarfs an strukturellen Bezugsmerkmalen oder, genauer, eine Verminderung bzw. ein Entbehrlichwerden von Kennzeichen zur

9 KRA$ENINNIKOVA (1977:184) spricht von strukturell »halbstarren Wortverbindungen«, wenn der Einschluss weiterer Satzelemente zwischen die Kompositionsglieder möglich ist. Die Beschaffenheit der Wechselbeziehung zwischen den Komposiäonsgliedem einer Wortverbindung, die nach dem Kongruenztypus zusammenhängen, stellt die Autorin in einer Formel dar (W —> Wl; Ew (a,b,c) = Ewl (a,b,c), wobei W und Wl die Wonstämme, a,b,c die Variablen (Genus, Numerus, Kasus), E die von Genus, Numerus und Kasus abhängige Endung und -> »es folgt, aber nicht unbedingt direkt« bedeutet), wobei sie allerdings die Schwierigkeiten der formalen Darstellung von Kongruenz-Relationen unterschätzt (vgl. Kap.5), wenn sie ihre Formel interpretiert als: »Die Wörter folgen aufeinander, wobei die Endungsfunktionen der entsprechenden Kategorien übereinstimmen.«

32

Aufrechterhaltung der durch Kongruenz zum Ausdruck gebrachten eindeutigen Bezüge, somit ein durch andere Mittel ersetztes Organisationsprinzip.10 Der Zusammenhalt der Glieder, d.h. die Einheit des Satzes, ist nicht gefährdet, es ist einzig das Prinzip der Flexion und damit der Kongruenz, das seine Nützlichkeit eingebüsst hat und deren Funktion nunmehr durch ein anderes, gleichwertiges Prinzip, jenes der festen Wortfolgeregelung, übernommen worden ist. Die Möglichkeit, grundlegende Relationen innerhalb eines Satzes durch die Einführung einer festen Reihenfolge der Satzglieder zu gewährleisten, ist ein der Verwendung der Kongruenz gleichwertiges, alternatives Organisationsprinzip. Mit anderen Worten: Die Technik der grammatischen Kongruenz konkurriert mit jener der festen Wortfolgeregelung; es sind zwei verschiedene Strukturierungstypen, die ausschliesslich, aber auch gemeinsam die syntagmatische Gestalt einer Sprache bestimmen können. Im Englischen, einer in vergangenen Sprachstadien stark flektierenden Sprache, hat der feste Platz des Attributs die in anderen germanischen Sprachen vorhandene Kongruenz erübrigt. Das Lateinische beachtete eine strenge Kongruenz zwischen dem Attribut und dem Kern der Attributgruppe. Der dadurch gewährleistete eindeutige Bezug ermöglichte die fast beliebige Stellung des Attributes im Satz.11 Das Chinesische hat nie Flexion gekannt, daher spielt in dieser Sprache die Wortstellung eine entscheidende Rolle für das Satzverständnis. Die grammatischen Beziehungen zwischen Satzgliedern werden vor allem von deren Reihenfolge im Satz bestimmt. Verschiedene Stellungen eines Wortes im Satz bezeichnen denn auch verschiedene Funktionen des Wortes: 0 0 0

Wdbängzhü mäma (»ich helfen Mutter«; Ich helfe der Mutter.) Mämabängzhü wo (»Mutter helfen ich«; Die Mutter hilft mir.) Täbangzhü wo mäma (»er helfen ich Mutter«; Er hilft meiner Mutter.)

In der syntaktischen Nomenklatur der lateinischen Grammatiktradition ist im ersten Satz wo Subjekt, mäma Dativobjekt. Im zweiten Satz ist wo Dativobjekt, mäma Subjekt. Im dritten Satz ist wo Attribut, mäma Dativobjekt. Während es im Deutschen drei Verb-Stellungstypen gibt, nämlich Spitzen- (Hilf mir!), Zweit- (Ich brauche nichts.) und Endstellung (Ich weiss nicht, wo er wohnt.), existiert im Chinesischen nur die eine Wortstellung S(ubjekt)-V(erb)-O(bjekt), sei es im Frage-, im Aussageoder im Nebensatz. Diese strikte, jedoch auch eindeutige und einfache Wortstel-

10

11

Ein Abbau von Kongruenzmerkmalen an einer Stelle - meist über Analogien im Paradigma kann auch zum Aufbau von Kongruenzmerkmalen an anderer Stelle führen, ohne dass daraus ein neues syntaktisches Organisationsprinzip hervorgeht. (Vgl. die Entwicklung des engl. Art. def. zu neuengl. einheitlich the. Die Flexionsformen einer Konstituente haben sich immer mehr angeglichen bis hin zu einer homophonen Einheitsform, wodurch die formale Kongruenz erlosch.) Ein solcher Flexionsabbau wurde bisher allerdings meist als rein morphologischer Vorgang gewertet ohne Berücksichtigung der morphosyntaktischen Konsequenzen. Umgekehrt kann die Notwendigkeit zur Erhaltung der Kongruenz den Flexionsabbau verzögern oder gar verhindern. Vgl. BÜNTING/BERGENHOLTZ (1979:91f.): »Da diese Kongruenzen in der deutschen Sprache sehr verbindlich sind und auch ein Formenreichtum da ist, kann die Wortstellung relativ frei sein. Im Lateinischen ist sie noch freier. Beim Übersetzen aus dem Lateinischen sucht man deshalb auch zunächst die Kongruenzen und hat dann die Struktur des Satzes ermittelt. Im Englischen ist die Wortstellung jedoch weniger frei, da weniger Flexionsformen vorhanden sind.«

33

lungsrcgel ersetzt die gesamte Flexion - syntaktische Kongruenz ist im Chinesischen kein Thema. Kongruenz ist damit gleichsam Bedingung und auslösendes Moment für die Freiheit in der linearen Folge der Wörter; sie bietet zudem die Möglichkeit, Wortfolgevariationen zum Ausdruck pragmatischer Verhältnisse zu verwenden. Die Freiheit der Wortfolge wiederum bildet die notwendige Grundlage für diachrone Veränderungen einer neutralen, pragmatisch unmarkierten Reihenfolge innerhalb der syntaktischen Elemente.12 Zwischen den eben skizzierten Organisationsprinzipien gibt es zahlreiche Übergänge. FOSTER und HÖFLING (1987:475ff.) haben in ihrer systematischen sprachvergleichenden Untersuchung sogar festgestellt, dass Kongruenz- und Wortstellungsregeln in vorhersagbarer Weise interagieren; die gefundenen Korrelationen sind allerdings sehr allgemein formuliert: • »In a language that is typological!/ regular with regard to word order, agreement may be pervasive throughout the language or generally absent. • Agreement may be generally present or absent in languages of any basic word order type. • In languages which are not typologically regular with regard to word order, irregularly ordered constituents are marked for agreement significantly more frequently than are regularly ordered constituents.

Die Autoren schliessen daraus, dass Kongruenz als Ausdruck der syntaktischen Beziehungen im Satz besonders in solchen Strukturen erscheint, welche auf andere Weise nur sehr schwierig zu handhaben sind.1^ Wortfolgeregeln anderseits betrachten sie als ein besonders einfaches Verfahren, um eine Satzstruktur zu verdeutlichen, da alle anderen möglichen Verfahren zusätzlichen morphologischen Aufwand erforderten. Doch auch das Umgekehrte gilt: »Extra morphological elaboration is common in language in instances where order is insufficient to indicate grammatical relations«.14 OSTROWSKI (1982:264) erkennt in der Interaktion der Strukturierungsprinzipien eine Systematik: In den einzelnen Sprachen Hessen sich für die Strukturierungstechniken Bereiche beschreiben, in denen diese operierten, und Funktionen, die sie übernähmen: »Die Verbindungen, die jeweils zwischen einer Technik und einer Funkdon bestehen, nehmen nun innerhalb einer gegebenen Sprache sicherlich nicht alle den gleichen Stellenwert ein; einige sind Für OSTROWSKI (1982:261) »ist die Freiheit der Wortfolge Voraussetzung für die langsame Umwandlung eines ursprünglichen SOV-Musters in das spätere (romanische) SVO-Muster, bei dem dann freilich wieder die feste Wortfolgeregelung die Kongruenz zurückdrängt«. Eine solche Struktur ist die syntaktische Sperrung: ein determinierendes Element verlässt seinen Platz innerhalb derjenigen NP, der es angehört, und tritt an eine andere syntagmadsche Posidon. Die Durchschaubarkeit der komplexen Bei- und Unterordnungsbeziehungen ist dadurch untrennbar an die Kongruenz geknüpft, denn wo determinierende Elemente beweglich, d.h. nicht an eine feste Posidon gebunden sind, sagt die Wortfolge im Satz nichts Definitives über die syntaktischen Beziehungen aus. Im Anschluss an eine umfassende Gegenüberstellung der Leistungen von Wortfolgeregeln einerseits und Kongruenz anderseits kommen FOSTER und HÖFLING (1987:496) zu einem empirisch längst bekannten Schluss: »Agreement morphemes have die effect of aiding die hearer to connect constituents which are (potentially) disconnected because a) order is insufficient to indicate dieir relations (...); b) diere is a change from die expected order; and/or c) die language permits constituents to be widely separated in a sentence.

34

offenbar für das Zustandekommen sprachlicher Kommunikation von zentraler Bedeutung, während andere zwar sprachliche Zusammenhänge verdeutlichen, aber in ihrem Gewicht zurücktreten. Man könnte in diesem Kontext zwischen Zentral- und Marginalrelationen unterscheiden; Zentralrelationen zwischen Technik und Funktion mögen erst ein Verständnis der (gesprochenen oder auch geschriebenen) Sprache ermöglichen, während Marginalrelationen ein Sprachverstehen lediglich erleichtern, aber für sich allein genommen jeweils verzichtbar bzw. zu ersetzen wären.«

Eine Antwort auf die Frage nach dem Strukturierungsprinzip kann nur für eine Einzelsprache gegeben werden. Nachzuprüfen bliebe, ob die Verwendung einer bestimmten Technik für eine bestimmte Funktion zum Erreichen der Verständigung zentral ist oder nicht, und ob Marginalrelationen tatsächlich ohne weiteres verzichtbar bzw. ersetzbar sind. Dass die Verbindung von Technik und Funktion in der einen Sprache als Zentralrelation und in einer anderen als Marginalrelation erscheint, ist dabei durchaus denkbar. OSTROWSKI (1982:264f.) zeigt anhand eines Vergleichs von Sprachen unterschiedlicher Strukturierungstypen, namentlich von • Vedisch: Kongruenz als Kennzeichnung von Ko-Referentialität • Lateinisch: Kongruenz als Markierung eines Determinationsverhältnisses • Spanisch: feste Wortfolgeregelung als Markierung eines Determinationsverhältnisses

dass, wenn eine der drei Relationen als Zentralrelation fungiert, die beiden anderen zu Marginalrelationen werden, die für sich alleine jederzeit durch andere, in der Sprache verwendeten Relationen zu ersetzen sind: Tabelle 2: Sprachliche Strukturierungstypen Vedisch

(nach OSTROWSKI 1982:265) Lateinisch

Spanisch

Zentralrelation

Kongruenz als Ko-Referentialität

Kongruenz als Det.-kennzeichen

Wortfolgeregelung als Det.-kennzeichen

Marginalrelation

Kongruenz als Det.-kennzeichen

Wortfolgeregelung als Det.-kennzeichen

Kongruenz als Ko-Referentialität

Marginalrelation

Wortfolgeregel ung als Det.-kennzeichen

Kongruenz als Ko-Referentialität

Kongruenz als Det.-kennzeichen

Die Struktur der Zentralrelation im Deutschen wird in Kap.4 untersucht. Die meisten Autoren deutscher Grammatiken halten sowohl Kongruenz- als auch Wortstellungsregeln ganz allgemein für »beziehungsverdeutlichend (ERBEN, 1980:141), ohne sich zur Leistung der einzelnen Organisationsprinzipien zu äussern. WlSNIEWSKI (1978:89f.) versucht immerhin ansatzweise, den Beitrag der einzelnen Verfahren zur Verständlichkeit eines deutschen Satzes durch eine Gegenüberstellung einzuschätzen. Sie stellt zunächst fest, dass es nicht genüge, »ein Konglomerat von Wörtern verschiedener Wortarten willkürlich zusammenzustellen«: (1) Zug fahren in viel schön Stadt

Vielmehr müssten die Satzglieder und Syntagmen in ein bestimmtes Bezugssystem gebracht werden, indem »die Einzelwörter in den Flexionsformen erscheinen, die

35

dem Sinnzusammenhang und dem Bezug zu anderen Wörtern des Satzes angemessen sind: der Zug fahrt in viele schöne Städte. (1) zeige zwar falsch flektierte Formen, aber richtige Wortstellung. Der Satz sei besser verständlich als einer, der richtige Flexionsformen, aber falsche Wortstellung enthalte: (2) Städte Zug viele in fährt der

Ob dies für das Deutsche generell gilt, geht aus der Darstellung von WlSNIEWSKI nicht hervor, ist aber wohl so gemeint.

3.3. Der syntaktische Rahmen in Kongruenzrelationen Bereits ein kursorischer Sprachvergleich zeigt, dass verschiedene Sprachen in derselben grammatischen Konstruktion verschiedene Kongruenzformen verwenden. Manchmal ist der Unterschied absolut - eine Sprache erfordert z.B. den Sg, während in einer anderen nur der Pl erscheint -, manchmal ist er nur eine Frage variierenden Sprachgebrauchs - beide Formen sind in beiden Sprachen möglich. Damit bleibt vorerst noch ungeklärt, weshalb überhaupt alternative Kongruenzformen auftreten. Für Überschneidungen von Morphologie und Semantik oder Syntax und Semantik können in den einzelnen Sprachen durchaus verschiedene Gründe namhaft gemacht werden: sowohl historische wie auch kulturelle (vgl. Berufsbezeichnungen) oder rein linguistische. In jedem Fall ist aber das Spektrum der Kongruenzalternativen sehr eng begrenzt, meistens ist es auf zwei konkurrierende Formen beschränkt. 3.3. l. Die Wirkung nicht markierter Bestimmungsgrössen 3.3.1.1. Die Kategorie der Belebtheit Um Klarheit über die Wirkungsweise der innersprachlichen Einflussfaktoren auf die Kongruenzform zu erhalten, hat CORBETT (1983(a):175ff.), aufbauend auf den Vorarbeiten von MORAVCSIK (1978:34lff.), in einer sprachvergleichenden Studie den Bereich kongruenzwirksamer Einflussfaktoren untersucht. Der Autor kommt zum Schluss, dass die Reichweite der Syntax nicht in allen kongruenzrelevanten Kategorien gleich stark ausgeprägt ist. Faktoren, die tendenziell zu einem eindeutigeren Kongruenzbezug fuhren, sind danach Elemente, die belebt sind, gegenüber nicht-belebten und Elemente, die der Kongruenz induzierenden Konstituente vorangehen im Gegensatz zu nachfolgenden. Dabei fuhren belebte Elemente nicht nur zu eindeutigeren Kongruenzbezügen, sondern auch signifikant häufiger zu semantisch bestimmter Kongruenz, während kongruierende Elemente in pränominaler Stellung in regelmässiger syntaktischer Kongruenz im Syntagma erscheinen.

36

Tabelle 3: Numeruskongruenz in Abhängigkeit von der Belebtheit und der Satzstellung in verschiedenen Sprachen animate N % PL

subject-predicate

predicate-s ubject

inanimate N % PL

1702

115

96 96 100

67

31 67 85

318 379 89

69 93 84

239 925 114

6 40 28

288

Medieval Spanish German Russian

1095

Medieval Spanish German Russian

N = Anzahl der Beispiele % PL = Anteil Pl-Kongruenz

243

(Tabelle nach CORBETT 1983:181)

Offensichtlich begünstigen beide Faktoren (Subjekt vor Prädikat, Subjekt belebt) die Pl-Form. Treten die beiden untersuchten Faktoren zugleich auf, ist der Anteil der Pl-Form in allen drei Sprachen besonders signifikant. Wenn nur einer der Faktoren wirkt, erscheint die Pl-Form noch immer bedeutend häufiger, als wenn keiner der Faktoren wirkt. Dies scheint nun eher auf ein System von Universalien hinzudeuten als auf ein zufälliges Zusammentreffen isolierter Parallelen. COMRIE (1981:178ff.) hat die ihm vorliegenden Daten zu einer »animacy hierarchy« verarbeitet (»human - animal - inanimate«; in zahlreichen Sprachen lassen sich auch weniger differenzierte Unterscheidungen nachweisen, z.B. human vs. non-human, animate vs. inanimate), die nach Ansicht des Autors den Schluss zulasse, dass Belebtheit eine universell wirkende Kategorie sei, die unabhängig von ihrer sprachlichen Realisierung wirke nach dem Muster: Je höher ein Objekt in der Belebtheitshierarchie steht, desto eher kongruiert das Verb mit ihm. Diese Tendenz setze sich auch gegen etablierte Kongruenzregeln durch. Dabei ist von besonderem Interesse, dass die Kategorie der Belebtheit im Satzbau in den indogermanischen Sprachen einerseits morphologisch nur mehr eine marginale Rolle spielt, anderseits aber eine der massgebenden Bestimmungsgrössen ist im morphologischen System von Sprachen, in denen sich diese Kategorie manifestiert. Expliziten Ausdruck im heutigen grammatischen System geben ihr noch das Spanische und das Russische, latent manifestiert sie sich aber generell in der einen oder anderen Weise. Dabei ist der Ausdruck Kategorie für die Erscheinung der Belebtheit eigentlich nur in Sprachen mit nachweisbarer Belebtheitsdichotomie gerechtfertigt, denn Belebtheitwird erst sekundär syntaktisch relevant; COMRIE (1981:181) sieht sie »as a conceptual distinction, forming the basis of classifications (...)«. In der Tat scheint Belebtheit eher eine latent wirkende Vorstellung zu sein, die sich sehr uneinheitlich manifestiert, als dass sie als genau umschriebener Spezialfall in gängige Syntaxkonzepte eingebaut werden könnte (vgl. dazu auch ISACENKO 1962:59ff). Zum Beispiel werden Pronomen der ersten und zweiten Sg bedeutend intensiver als belebt empfunden als eine entsprechende NP ohne solche Pronomen: 0 0

Das habe ich absichtlich so formuliert. Das hat der Autor dieser Arbeit absichtlich so formuliert.

37

Desgleichen wirken Eigennamen intensiver belebt als Paraphrasen: 0 0

Auch Schiller war ein Zeitgenosse Napoleons. Auch der Autor von Wilhelm Teil vor ein Zeitgenosse Napoleons.

Dennoch kann weder ein syntaktisch noch ein morphologisch nachweisbarer Unterschied in der Kongrucnzwirkung beigebracht werden. COMRIE (1981:179) stellt denn auch fest: »(...), animacy interacts with other parameters, rather than being relevant entirely on its own, (...)«

Immerhin gibt es auch zahlreiche morphologische Nachweise für die Wirkung der Belebtheitskategorie in Sprachen, die keine entsprechende Unterscheidung kennen. Vor allem Pronomen zeigen diesen Unterschied: 0 0

deut.: wer (+hum) vs. was (-hum) engl.: who (+hum) vs. what (-hum)

Im Russischen, das auch syntaktisch und morphologisch einer Belebtheitskategorie Ausdruck gibt, verläuft die Unterscheidung anders: 0

kto (+anim) vs. tto (-anim) l5

Interessant ist hier eine Ausdehnung der Belebtheitskategorie auf Pronominalformen, die gar nie Belebtheit auszudrücken haben: Im Russischen erscheinen Substantive, die als +mask und gleichzeitig +anim gelten, im Akk in derselben Form wie im Gen, alle anderen Substantive in der normalen Akk-Form. Die entsprechenden Pronominalformen zeigen jedoch alle die spezielle Gen-Form, die 3.Sg Neutr eingeschlossen, obschon das Pronomen hier eine NP im Neutr Sg vertritt, welche überhaupt nie eine Gen-Akk-Endung annehmen kann und damit auch als Antecedent gar nie +anim auftreten kann: 0

ja otkryl okno (ich habe das Fenster geöffnet; okno (Fenster) ist bestimmt als Akk, Sg, Neutr, -anim) o ja otkryl ego (ich habe es geöffnet; das Pronomen ego (es) ist bestimmt als Akk, Sg, Neutr, +anim)

3.3.1.2. Die topologische Distanz Die Auswirkungen der topologischen Distanz auf die Wirkungsweise der grammatischen Kategorien scheint im Gegensatz zur Kategorie der Belebtheit weniger diffus und - deshalb? - auch besser erforscht zu sein. Ein vollständig polares System setzt zur Disambiguierung eine Markierung zumindest einer der beiden involvierten Oppositionen voraus. Diese ist im Fall interner Kongruenz durch die Unterscheidung der syntaktischen Kategorien des Nomens als Kern des Syntagmas oft sogar mehrfach gegeben. In der externen Kongruenz ist die zusätzliche Markierung nicht in der gleichen Weise präsent. Oft bietet sich nur noch eine einzige Opposition zur Disambiguierung an. Daraus schliesst SERZISKO (1982:193),

15 Die Spuren, die die Vorstellung von Belebtheit in der russischen Sprachgeschichte hinterlassen hat, sind linguistisch wie auch kulturell höchst interessant, vor allem seit man weiss, dass die speziellen Formen zum Ausdruck der Belebtheit nicht urslawisch sind, vielmehr als soziale Auszeichnung für männliche, erwachsene, freigeborene, gesunde Menschen Eingang in die Sprache gefunden haben gegenüber der nichtmarkierten Kategorie Frauen, Kinder, Sklaven, Invalide, Zu den komplexen Grundlagen der »animacy hierarchy« vgl. COMRIE (1981:190ff.).

38

»dass die Tendenz zur Disambiguierung um so grosser ist, je weiter die kongruierende Konstituente vom Nomen entfernt ist. Dies ist vergleichbar der als universal beschriebenen Tendenz, dass externe Kongruenz eher semantisch begründet ist als interne«.!6 Als Mass dafür hat CORBETT (1979(b):203) den Begriff der syntaktischen Distanz (»syntactic distance«), eingeführt. Diese ist definiert durch »word order, distance between controller and agreeing element, and depth of stacking«. In einer vorhergehenden Arbeit (vgl. CORBETT 1978:411) hat der Autor gezeigt, dass fur die Kongruenzwirkung nicht die tatsächliche Distanz (»real distance«) sondern die strukturelle Distanz massgebend ist: Bei gleicher Distanz der kongruierenden Elemente von ihrem Bezugswort setzt sich jenes Element als Kongruenzpartner durch, das in geringerer syntaktischer Distanz steht. Tatsächliche Distanz in Form von »Anzahl Wörter weit weg« scheint die schwächste Form linearen Abstandes darzustellen. Im Wirkungsbereich der grammatischen Kongruenz lässt sich eine entsprechende strukturelle Hierarchie beobachten, die durch eine zunehmend schwächere syntaktische Bindung, d.h. durch abnehmende Kongruenzwirkung in den Positionen Attribut, Prädikat, Relativpronomen, Personalpronomen markiert wird. Es scheint universell zu gelten, dass mit zunehmender topologischer Distanz, d.h. mit zunehmender Rechtsverschiebung des kongruierenden Ausdruckes vom Kongruenzauslöser, die Wirkungsintensität (Penetranz) der an der Kongruenz beteiligten grammatischen Kategorien unddamit die Wahrscheinlichkeit syntaktischer Kongruenz abnimmt bzw. jene semantischer Kongruenz zunimmt (vgl. CORNISH (1982:275f.) zit. von CORBETT (1983(b):245), der diese Hierarchie erklärt mit »the increasingly greater independent reference potential« der Elemente mit zunehmender Rechtsverschiebung). CORBETT (1979:193) hat diese Erkenntnis als allgemeine Regel formuliert: »As syntactic distance increases so does the likelihood of semantic agreement.«^ MORAVCSIK (1978:342f.), die aufgrund eigener Untersuchungen im Bezug auf die lineare Ordnung zu demselben Schluss kommt, formuliert vorsichtiger: Syntaktisch korrekter Kongruenzbezug sei mit grösserer Wahrscheinlichkeit bei Konstituenten anzutreffen, die dem kongruenzauslösenden Konstituenten vorangingen, als bei nachfolgenden. Ausserdem beweist die Autorin rein numerisch anhand ihrer Beispiele die Wirkung des Proximitätseinflusses: Unmittelbar angrenzende kongruenzfähige Konstituenten kongruieren weitaus häufiger als nicht angrenzende, am häufigsten vorangehende Attribute. Minimale topologische Distanz korreliert mit maximaler Regelkonformität.18 Die topologische Distanz der Kongruenzpartner erweist sich damit neben der Kategorie der Belebtheit als weitere Ursache für Kongruenzregelkonflikte, in denen 16

Der Erklärungsversuch von LEHMANN (1982:251) kann nicht befriedigen. Der Autor beschreibt damit lediglich, dass die externe Kongruenzwirkung schwächer ist, nicht aber weshalb sie abnimmt. !7 Vgl. dazu schon BLINKENBERG (1950:50): ..... l'ordre des mots joue un role essendel dans l'affaiblissement de accord, ... .« 18 Vgl. dazu CORBETT (1978:203), aber auch schon BEHAGHEL (1928, HI/2) in erfrischend klarer Sprache als Umkehrschluss: »Die Gestaltung nach dem Inhalt (constructio ad sensum) macht sich umso eher geltend, je grosser der Zwischenraum zwischen den zusammengehörigen Gliedern ist; der Inhalt der Rede bleibt leichter im Gedächtnis als ihre Form.« - Das universelle sprachliche Prinzip, dass die Form nur dann Beachtung findet, wenn sie abweichend und dadurch auffallig ist, scheint sich auch hier zu bestätigen.

39

die Morphosyntax von einem anderen Einflussfaktor überlagert wird. Damit erklärt sich auch, dass sich zwar Formulierungen finden lassen wie: 0

Das charmante Mädchen, Jas du gestern bei mir getroffen hast, ist noch am selben Abend verunglückt. Sie liegt jetzt im Krankenhaus.

nicht jedoch 0

*Die (Fern Sg) charmante Mädchen, das du gestern bei mir getroffen hast, ist noch am Abend verunglückt. Sie liegt jetzt im Krankenhaus.

und je nach topologischer Distanz des Relativpronomens vom Genuskongruenzauslöser allenfalls 0

(?) Das charmante Mädchen..., die....

Die Pole in der Hierarchie der topologisch beeinflussten Kongruenzwirkung bilden die interne Kongruenz im Substantivverband einerseits und die externe Kongruenz des Relativ- und des Personalpronomens anderseits, die durch das pronominale Verweisungssystcm die Verknüpfung im Text sichert.1? Für die Kongruenzwirkung scheint die lineare Abfolge der Elemente im allgemeinen und deren strukturelle Distanz im besonderen von grundlegender Bedeutung zu sein, sie tritt aber uneinheitlich auf: • Im Lateinischen zeigt das prädikative Adjektiv dasselbe Genus wie die durch et koordinierten Subjektsnomina, wenn sie dasselbe Genus haben. Wenn koordinierte Substantive verschiedenen Genus' alle belebt sind, erscheint das prädikative Adjektiv im Mask, wenn alle unbelebt sind, im Neutr. Das Adjektiv, das die ganze NP, d.h. alle koordinierten Substantive, modifiziert, kongruiert im Genus mit dem nächststehenden. • Im Französischen erscheint das prädikative Adjektiv, dessen Subjekt eine koordinierte NP ist, die aus mask und fern Substantiven besteht, im Fern Pl - nicht im Mask - und folgt damit dem Genus des näheren NP-Bestandteils: 0

Le calme et la fraicheur du vieux couvent sont si exquis«.20

3.3.2. Regelkonflikte Die unterschiedliche Penetranz der latenten Einflussfaktoren Belebtheit und topologische Distanz birgt an sich schon ein erhebliches Störpotential für das normative Regelwerk. Dazu kommen offene Regelkonflikte zwischen kategorialen Markierungen. In flektierenden Sprachen treten sie vor allem dann auf, wenn NP-Merkmale mehr als einen Typ von Kongruenzregeln auslösen können, z.B. in den Kategorien Person und Numerus: 0

... wenn du und deine Schwester eine tüchtige Portion mehr bekommen werden. (FINDRENG 1976:83)

!9 Ob und wie weit die Nähe zum Bezugswort auch aus euphonischen Gründen eine Rolle spielt, kann lediglich vermutet werden. Zur uneinheitlichen Beurteilung der Grammatikalität von topologisch beeinflussten Kongruenzbezügen durch verschiedene Sprecher vgl. FINDRENG (1976:382ff.). 20 Vgl. dazu BLINKENBERG (1950:101), MORAVCSIK (1978:341), LAPO1NTE (1985:333). Für das Deutsche vgl. im folgenden 7.1.3-3.

40

Auf der Grundlage der Generalisierungen von GREENBERG (1966:25ff.) und der Auswertung eigener linguistischer Daten kommt CORBETT (1982:188f.) zum Ergebnis, dass Kongruenzregeln entweder generell, d.h. in ihrer Gesamtheit, angewendet würden, oder aber überhaupt nicht, und dass Ausnahmen von dieser Verallgemeinerung spezieller Erklärung bedürften. Ein anderer denkbarer Lösungsweg, der selektive Einsatz von Kongruenzregeln zur Vermeidung von Regelkonflikten, ist nach den Beobachtungen von CORBETT nicht nachzuweisen. Dies scheint auf eine Hierarchie syntaktischer Regelwirkung zu deuten, die durch die Anwendung kongruenzrelevant wird.21 Die Interdependenz zwischen den einzelnen Kongruenzregeln ist damit offensichtlich: Einerseits manifestieren sich Kongruenzregeln syntagmatisch unabhängig voneinander, anderseits sind sie systematisch miteinander verbunden, indem alle Kongruenzregeln zur Anwendung kommen, wenn schon ein Typ von Kongruenzregeln wirkt. Über den Einfluss syntaxfremder Faktoren im Einzelfall können solche Erkenntnisse naturgemäss keine Aussage machen, da semantische oder pragmatische Einflüsse auf die Wahl der Kongruenzform lediglich modifizierend wirken, am Auftreten der Kategorien aber nichts ändern. Ausserdem tragen sie zur Erklärung der Funktionsweise von Kongruenz wenig bei; sie lassen einzig die triviale Feststellung zu, dass der Wirkungsbereich der grammatischen Kongruenz und die mit dem Kongruenzmechanismus konkurrierenden Einflüsse auf die Satzbaustruktur von syntaxfremden Faktoren ebenso beeinflusst werden wie von strukturellen innersprachlichen. Kongruenzregelkonflikte scheinen im System der kategorialen Erfassung von sprachlichen Elementen durch die Syntax vorgegeben zu sein. Das beschränkte Merkmalsinventar zum Ausdruck syntaktischer Kategorien führt unvermeidlich in einen Zielkonflikt: Systematisch gefordert ist - wie oben festgestellt - immer die Markierung sämtlicher Kongruenzbeziehungen, morphologisch möglich hingegen oft nur eine partielle. Regelkonflikte sind oft schon im inneren Aufbau eines sprachlichen Elementes angelegt, z.B. im Satzsubjekt, da dessen Inhalt verschiedene Kongruenzaspekte zulasse. Solche Typen alternativer Kongruenz erscheinen hauptsächlich als Ausdruck inhärenter systematischer Mehrdeutigkeit (Menge - Anzahl, Genus — Sexus). Ein potentieller Regelkonflikt ist auch in einem mehrteiligen Subjekt angelegt, da sich die Kriterien zu dessen Lösung widersprechen: Ein verbales Prädikat kongruiert typischerweise mit finer NP und kann daher nur mit einer der NPs im Satz kongruieren. Die zusammengesetzte Struktur des Subjektes ist jedoch ihrerseits wieder eine NP, und Kongruenz kann daher auch mit dieser umfangreicheren NP hergestellt werden - ein häufiger Fall bei quantifizierenden NPs. Es überrascht nicht, dass in solchen Konstruktionen alternative Kongruenzformen auftreten. Nach den Beobachtungen von CORBETT (1983:245f.) besteht zwischen dem numerischen Wert einer quantitativen Angabe und der Wahrscheinlichkeit, dass der quantifizierte Ausdruck semantisch zu erklärende Kongruenzmerkmale annimmt, ein Zusammenhang: Je höher der zahlenmäßige Wert des quantifizierenden Ausdruckes sei, desto eher nehme er Substantivcharakter an und desto weniger wahrscheinlich 21

Vgl. z.B. CORBETT (1983(a):183), der GREENBERG bestätigt mit der Feststellung, »no examples have been found of number or gender resolution failing to apply when another resolution rule has operated«. Bei der Personenkongruenz werden im Französischen und im Deutschen Ausnahmen anerkannt; dies weise daraufhin, »that exceptions are not so infrequent«.

41

werde Pl-Kongruenz. Der Autor begründet dies mit der Wandlung der Wortart im Bewusstsein des Sprechers. Ein substantivähnliches Numerate bewirke deshalb mit geringerer Wahrscheinlichkeit Pl-Kongruenz, weil es eher als Kern eines quantifizierenden Ausdrucks angesehen werde und so die syntaktischen Merkmale des quantifizierten Ausdrucks abschwäche. Analog, jedoch allgemeiner formuliert EISENBERG (1985:31 Iff.): »Je mehr eine Sache in Hinsicht auf Quantitäten bedeutungsvoll wird, desto eher wird sie als Artangabe verwendet und desto eher wird ein Ausdruck zur Bezeichnung von Quantitäten dieser speziellen Art ausgezeichnet. Er fungiert damit als Massangabe und im fortgeschrittenen Stadium als Masseinheit. €

Unabhängig davon, ob Regelkonflikte auf den komplexen inneren Aufbau einer NP oder auf eine syntaktische Konstruktion zurückzuführen sind, deren Konstruktionsregel eine Form erfordert, die vom morphologischen Inventar einer Sprache nicht angeboten wird, hängt die Art und Weise der Lösung von Kongruenzregelkonflikten — wie in jedem linguistischen Regelkonflikt - im konkreten Fall von den verschiedensten Einflussfaktoren ab: von der festen Norm, d.h. vom geltenden fixierten Regelwerk einer Sprache, vom Einfluss des Dialektes auf den regional üblichen Gebrauch der Standardsprache, vom Stil - auch Epochenstil - einer sprachlichen Äusserung (vgl. CORBETT 1983 (b):30ff.) sowie schliesslich von den Eigenheiten des Sprechers wie dem Ausbildungsniveau und damit vom internalisierten grammatischen Regelwerk, den Sprechgewohnheiten und nicht zuletzt von Geschlecht und Alter des Sprechers. Die Beobachtung, dass Kongruenzformen mit dem Alter des Sprechers variieren können, belegt zudem, dass auch Kongruenz dem diachronischen Wandel unterliegen kann (vgl. CORBETT 1986:1018). Eine allgemeine Aussage über die Lösung von Kongruenzregelkonflikten kann deshalb nur in Abhängigkeit von erkennbaren Einflussfaktoren formuliert werden. Da sprachpragmatische Aspekte aber nicht Teil der Syntax sind, zusammen mit weiteren Faktoren jedoch einen nicht zu übersehenden Einfluss auf das System der syntaktischen Kongruenz ausüben, bleibt nur der Mittelweg der »Systematisierung der Störfaktoren«, deren Störpotential im Einzelfall eben nur schwer zu gewichten ist. 3.3.2.1. Sinnbezug und Formbezug Kongruenzformen werden von einem ganzen Bündel von Einflussfaktoren gesteuert. Die Semantik ist zunächst überall dort als konkurrierendes Konstruktionsprinzip zu vermuten, wo es aufgrund des unvollständigen syntaktischen Regelwerks in der Anwendung zu Formensubstitution kommt. Die Semantik überlagert aber den gesamten Bereich der Syntax, so dass sich ihre Störeinflüsse auch im Bereich der syntaktischen Kategorien und schliesslich der formulierten grammatikalischen Regeln, mithin der Kongruenzregeln, mit der entsprechenden morphologischen Manifestation bemerkbar machen. Da Kongruenz in ihrer Genese, d.h. auf der Stufe der Anaphora, reine semantische Bezugnahme ist (vgl. GlVON 1975, BOSCH 1983) - ein Faktum, das die mechanistischen Erklärungsversuche vieler Grammatiktheorien regelmässig übersehen -, die Kongruenzrelation aber mit zunehmender Grammatikalisierung immer mehr unter die Vorherrschaft grammatikalischer Regeln geraten ist und damit einer scheinbar mechanischen Wirkungsweise folgt, ist ein Regelkonflikt nicht zu vermeiden,

42

vielmehr in zahlreichen Fällen zu erwarten, z.B. wo die lexikalische Bedeutung mit der syntaktischen Einordnung nicht übereinstimmt. Es wäre für die Darstellung des Kongruenzmechanismus erhellend, wenn sich voneinander abgrenzen liesse, welche Kongruenzmechanismen auf syntaktischen und welche auf semantischen Prinzipien beruhen. Da aber Kongruenzformen sogar innerhalb einer Kategorie teilweise syntaktisch, teilweise semantisch bestimmt werden, lassen sich die Einflüsse auf das Sprachsystem im Bereich der Kongruenz deduktiv nicht fassen; systematisch ist dieser Konflikt nicht zu lösen. Feststellungen wie jene bei DAL (1966:156f.): »Die Kongruenz ist ein rein grammatisches Prinzip. In Fällen, wo grammatische Form und Bedeutungsinhalt sich widersprechen, kann bisweilen statt Kongruenz Synesis eintreten, d.h. eine Konstruktion, wo der Bedeutungsinhalt massgeblich ist.«, oder jene bei HELBIG/BUSCHA (1988:29): »Im Deutschen wirkt sich die grammatische Kongruenz stärker aus als die Synesis.«, tragen zur Erklärung der Verhältnisse wenig bei, und als »Tendenzmeldung« über die mittlere Linie, die festzulegen von manchen Autoren als Hauptaufgabe einer deskriptiven Untersuchung der Kongruenz bezeichnet wird, ist ihre Aussage zu allgemein. Darstellbar sind die Einflüsse ohnehin nur am konkreten Beispiel, wobei sich auch da nur Vermutungen anstellen lassen, welcher der möglichen Einflüsse die Abweichung von der Norm bewirkt haben könnte.22 Eine linguistisch einwandfreie Darstellung von Störpotentialen und deren systematische Erfassung durch Klassenbildung liegt nicht vor und ist auch nicht zu erwarten, da die Wirkungsweise von Kongruenzregeln auch nicht durch eine übergeordnete logische Matrix bestimmt wird, denn sonst liesse sich erklären, warum verschiedene Sprachen bestimmte Kongruenzformen bevorzugen. Die Erklärung des »Störfalles« kann deshalb auch nur sehr beschränkt generalisiert werden. Eine semantische Rechtfertigung besteht für Substantive, die Menschen bezeichnen; Unbelebtes kann auf dieser Basis nicht zugeordnet werden. In diesen Fällen hat das Genus ohnehin nur wenig oder keine semantische Rechtfertigung. Daraus liesse sich ableiten, dass immer dann, wenn eine semantisch zu rechtfertigende Form möglich ist, die Kongruenzform auch dadurch bestimmt wird. Der Rest, für den keine Form semantisch zu rechtfertigen ist, würde lediglich mit den semantisch motivierten Fällen übereinstimmen. Die offensichtlich schwache grammatische Regelwirkung in einigen Fällen von Kongruenzregelkonflikt lässt den Schluss zu, dass in vielen Fällen der motivierende Faktor hinter der Form, die durch die Lösungsregeln begünstigt wird, die Semantik steht, d.h. der Einfluss der semantisch zu rechtfertigenden Form entscheidet einen grossen Teil der Kongruenzregelkonflikte. CORBETT (1982:201) ist der Ansicht, dass sich vor allem Genuslösungsregeln der semantisch zu rechtfertigenden Formen bedienen, solange die Morphologie einer Sprache dies zulasse. - Von grösserem Interesse wäre allerdings eine Antwort auf die Frage: Weshalb und wie lange lässt sie es zu? 22

In der Aussage noch allgemeiner sind Feststellungen, die sich auf diachronische Entwicklungen beziehen, vgl. z.B. SÜTTERL1N (1900:241), BEHAGHEL (1928, Bd.III:2f.) oder DAL (1952:163; 1966:156), wonach in älteren Sprachstadien constructiones ad sensum häufiger gewesen sein sollen als im Nhd., »wo der Einfluss der lateinischen Grammatik dahin geführt hat, dass die strenge grammatische Kongruenz beinahe überall durchgeführt wird«.

43

Als weiteren motivierenden Faktor fand CORBETT (1982:197) den expliziten Ausdruck eines Numeruskennzeichens in der gewählten Form. Häufig steht aber auch hinter diesem Faktor die Semantik, denn der Gebrauch des Pl ist in zahlreichen Fällen semantisch zu rechtfertigen (zusammengefasste Elemente, Mengenangaben), wogegen vielleicht keine der Genusformen einen semantischen Rückhalt hat. Eine Kongruenzform kann demnach begünstigt werden, weil entweder das gewählte Genus semantisch zu rechtfertigen ist oder weil sie ein klares Numeruskennzeichen ausdrückt. Damit erweist sich erneut, dass eine Kongruenztheorie, die nur auf morphologischen und syntaktischen Kategorien aufbaut, einen zu eng gefassten Ansatz darstellt, da viele scheinbar regelwidrige Kongruenzformen damit nicht erklärt werden können.23 Ob allerdings eine vollständige Erklärung aller Kongruenzerscheinungen auf semantischer Basis gegeben werden könnte, bleibt Spekulation, solange in der Linguistik eine handliche semantische Beschreibungssprache fehlt. Zudem zeigen sich Einflussfaktoren auf die Syntax, die auch damit nur unzureichend erfasst werden könnten, z.B. die Wirkung der strukturellen Distanz von Kongruenzpartnern. Die Schwierigkeit einer deskriptiven Untersuchung der Kongruenzmechanismen in einem bestimmten Sprachzustand besteht gerade darin, die syntaxfremden Einflüsse namhaft zu machen, vor allem aber, sie zu gewichten - daher auch die Widersprüche in den Grammatiken beim Fesdegen der »korrekten« Kongruenzform in Fällen, wo verschiedene Kongruenzbezüge zu einem Konflikt der Lösungsregeln fuhren können. Am Beispiel der Kategorie Genus wird im Folgenden die Problematik der Abgrenzung dargelegt, indem versucht wird zu zeigen, welche Einflüsse auf den Kongruenzmechanismus wirken und weshalb sich solche Einflüsse im einzelnen überhaupt geltend machen können. 3.3.2.2. Sinnbezug und Formbezug am Beispiel des Genus24 In der Germanistik wie auch in der allgemeinen Sprachwissenschaft gibt es zwei Auffassungen von der Genuszuweisung: • Das Genus ist historisch durch sehr vage, synchron nicht mehr analysierbare Prinzipien bestimmt. • Das Genus ist in seinem Wesen von vornherein arbiträr. Ersteres findet sich bei GRIMM (l 890) in seiner idealistischen Theorie und dann wieder bei WlENOLD (l 967).25 Die zweite Auffassung vertreten auf einer phonetisch-morpho-

23 Ein sprachvergleichender Ansatz als Beitrag zur Lösung des Problems findet sich bei PHILIPS et al. (eds.; 1987). In diesem Sammelband wird das syntaktische Genus unter rein sprachlichen wie auch unter aussersprachlichen (biologischen, kulturellen, ethnographischen u.a.) Aspekten betrachtet. Dieser Ansatz trägt zwar nicht direkt zur einzelsprachlichen Normsetzung bei, wohl aber zum Verständnis des zugrundeliegenden, normeninduzierenden Substrates. 24 Vgl. die Bibliographie zum Genus im Deutschen von CORBETT (1986:280ff.). 2 5 Vgl. auch BÜNTING/BERGENHOLTZ (1979:85f.): »Die Bezeichnung Genus sowie die Untergruppen weisen auf einen Zusammenhang zwischen Wortbedeutung und dem natürlichen Geschlecht der benannten Lebewesen, Gegenstände, usw. hin. In der Sprachgeschichte ist der Zusammenhang zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht wohl einmal eindeutig gewesen. Heute gibt es nur bei Personen einigermassen Übereinstimmung; aber auch da kommt es zu Ungereimtheiten, vgl. aas Fräulein, die Ordonnanz, das Mädchen.*

44

logischen Ebene BRUGMANN (1889) und FODOR (1959) und aus strukturalistischer Sicht BLOOMFIELD (1933:271,280) mit der zusammenfassenden Bemerkung: »The gender-categories of most Indo-European languages, such as the two of French or the three of German (...)> do noc agree with anything in the practical world, and this is true of most such classes. ... There seems to be no practical criterion by which the gender of a noun in German, French, or Latin could be determined.«

Seitens der Germanistik findet sich die Arbitraritätsthese u.a. bei ADMONI (1982), BRINKMANN (1971), ERBEN (1980) und JUNG (1988).26 Schon bei WUNDT (1904:19ff.) lassen sich grundsätzliche Gedanken zu den Schwierigkeiten nachlesen, die sich einer syntaktischen Klassifikation des Genus im Deutschen entgegenstellen: • Weil das Deutsche nur drei statt - wie die klassifizierenden Sprachen - viele Klassen aurweise, sei das Genus nicht mit einer einheitlichen Semantik verbunden. Die Genera hätten keinen einheitlichen semantischen, sondern nur einen unterscheidenden Wert. Der Unterschied zwischen männlich und weiblich bei Menschen und domestizierten Tieren sei zwar die grundlegendste und umfassendste Wertunterscheidung des Genus, aber dennoch nur eine unter vielen. • Die Etablierung phonetischer und morphologischer Assoziationsgruppen und produktiver Prinzipien habe zur Konsequenz, dass die Klarheit der semantischen Gliederung verschleiert werde (vgl. auch DELBRÜCK 1893:89ff.). Die Übereinstimmung der beiden Theorien in der Auffassung der Genuszuweisung beschränkt sich darauf, dass das Genus nur bei einer kleinen Minderheit der Substantive primär semantisch bedingt ist. Es ist aber immer syntagmatisch gebunden, da jedes Substantiv ein grammatisches Geschlecht hat, also sowohl genusbestimmt als auch - mit wenigen Ausnahmen - genusfest ist; der Sprecher hat keine Wahlmöglichkeit, ein anderes Genus zu wählen, wenn er eine andere Bedeutung ausdrücken will. Zwar dienen alle grammatischen Kategorien der Verdeudichung syntaktischer Beziehungen im Satz und in der Wortgruppe, doch hat die Kategorie des Genus auf syntaktischer Ebene eine besondere Bedeutung für die Referenzidentität im Satz, da sie von allen anderen grammatischen Erscheinungen unabhängig ist und absoluten Charakter hat; Genusmerkmale sind nicht-quantifizierende, nicht-referentielle oder deiktische und nicht-kasusbezogene Eigenheiten von Substantiven.27 Genuskongruenz erscheint im Syntagma in drei Bereichen: im nominalen Satzglied, in der pronominalen Textverknüpfung und zwischen Subjekt und Prädikativ. In 3.1. wurde dargelegt, dass das Genus innerhalb der NP durch Rektion und innerhalb der VP durch Kongruenz wirkt. Dabei zeigen sich zahlreiche Manifestationsmuster (vgl. auch Kap.4). 26 KÖPCKE/ZUBIN (1984:26) halten die Arbitraritätsthese für »eine nie empirisch validierte Hypothese«; dabei dränge sich die Frage auf, ob es sich bei den damit verbundenen Behauptungen nicht lediglich um einen Mythos handle, der von einer Linguistengeneration zur nächsten tradiert werde. Dass die Rivalität zwischen den Vertretern der beiden erwähnten Auffassungen der Genuszuweisung andauert, zeigen die beiden Autoren mit ihrem aufschlussreichen Versuch, sechs Prinzipien für die Genuszuweisung im Deutschen zu etablieren. 27 Vgl. dazu BRINKMANN (1971:3): Das grammatische Geschlecht »hat heute seine Bedeutung in dem Verweisungssystem, das man herkömmlich >Kongruenz< nennt. Hier spielt es eine wichtige, unentbehrliche Rolle, weil es feste Bezüge schafft und die Kontinuität des Verstehcns sichert«, und HEIDOLPH et al. (1984:256): »Das Genus ist hauptsächlich für die Kongruenz wichtig.«

45

In den russischen Sätzen o BabuSkd ütaia knigu. (Die Grossmuttcr las ein Buch.) 0 Okno otkrylos". (Das Fenster wurde geöffnet.)

wird das jeweilige Genus, auf Grund dessen Kongruenz erfolgt, durch ein Affix nicht nur an der kongruierenden Konstituente - dem Verb - repräsentiert, sondern auch am Substantiv selbst, mit dem Kongruenz erfolgt, in Form der Endungen -a, -o. Es handelt sich hier um eine einfache l:l-Entsprechung zwischen nominalen Genussuffixen und Genussuffixen bei der Präteritumform des Verbes. Kongruenz verhält sich indessen nicht immer so linear, insbesondere kann ein nominales Genusaffix für die Herstellung der Kongruenz entbehrlich sein; vgl. Mask Sg: Starik-0 cital-0 gazetu (Der alte Mann las eine Zeitung.)· Das Fehlen eines nominalen Genusaffixes kann sich grundsätzlich auf dreierlei Arten auswirken (vgl. MORAVCSIK 1978:336): • Eine Konstituente kann im Genus mit einer NP kongruieren, obschon das Nomen kein spezielles Genusaffix zeigt: 0

russ.: ty plakale (2. Sg, Fern; du weintest; Mask: ty plakal)

• Eine kongruenzfahige Konstituente zeigt keine erkennbare Genuskongruenz, obschon das regierende Substantiv ein Genusaffix hat. Dieser Fall ist theoretisch denkbar, tritt aber nicht auf. • Eine kongruenzfähige Konstituente kongruiert nicht im markierten Genusmerkmal des regierenden Substantivs, sondern in einem, das am Substantiv nicht offen markiert ist: 0

Des charmante Mädchen, das du gestern bei mir getroffen hast, ist noch am Abend verunfallt. Sie liegt jetzt im Krankenhaus.28

Das Erscheinen einer erkennbaren Genusmarkierung am Substantiv ist also weder notwendig noch hinreichend, um bei all jenen Konstituenten Genuskongruenz zu gewährleisten, die im Prinzip kongruieren könnten. Wenn Genuskongruenz mit einem Substantiv erfolgt, das erkennbar genusmarkiert ist, ist auch diese Substantivmarkierung weder notwendig noch hinreichend, um das Genus an der kongruierenden Konstituente vorherzusagen. Dies fuhrt zu folgender Fragestellung: Welche Bedingungen korrelieren ganz allgemein mit alternativer Genuskongruenz? MORAVCSIK (1978:341) kommt aufgrund ihrer eigenen Untersuchungen zu folgendem Schluss: Von ausschlaggebender Bedeutung für die Genuskongruenz sind die An der kongruierenden Kostituenten, d.h. deren semantisch interpretierbare Genuseigenheiten sowie die lineare Ordnung, d.h. die strukturelle Distanz vom Kongruenzauslöser. Diese Kriterien decken sich mit jenen von HAMMER (1973:385), wonach auf

28

Auch wenn MORAVCSIK (1978:340) postuliert, dass das Vorhandensein syntaktischer oder semantischer Genuskongruenz innerhalb der NP dieselbe Kongruenz auch ausserhalb impliziere, bleibt damit ungeklärt, wie Kongruenzbezüge zu deuten oder gar zu verallgemeinern sind, wenn Genusklasse und Semantik eines Substantivs voneinander abweichen und das Substantiv auch kein erkennbares Genusmerkmal hat, die NP-interne Kongruenz sich aber von der NP-externen unterscheidet wie im angeführten Beispiel, wo sich interne Kongruenz im Neutr, externe Kongruenz dagegen im Neutr oder Fern zeigt. Von besonderem Interesse ist hier, dass sowohl Neutr- wie auch Fern-Kongruenz einen Sinn ergeben, da die Bedeutung von »Mädchen« sowohl das Merkmal +fem wie auch das Merkmal +klein (Diminutiv) enthält.

46

neutrale Personenbezeichnungen eher unter semantischem Gesichtspunkt Bezug genommen wird, wenn es sich dabei nicht um ein Kind handelt: 0

0

Und dann war dieses Scheusal zuch noch frech; mich wundert, dass man sie nicht härter anpackte. (HAMMER 1973:385) Dann wurde Jas kleine Mädchen geboren und füllte die sullen Wände mit seinem Geschrei. (HAMMER 1973:385; zit. nach P. ERNST)

und wenn das bezugnehmende Pronomen »some way« vom Diminutiv entfernt ist: 0

Das junge Mädchen da ist gestern abend angekommen; sie ist sehr liebenswürdig. (HAMMER 1973:385)

Es wurde bereits festgestellt, dass das Funktionieren der Kongruenz einerseits eine Dominanz - Form und/oder Sinndominanz - voraussetzt im syntaktischen Gefüge der Äusserung, dass Kongruenz aber anderseits als korrespondierendes morphologisches Substrat ein formvariables Bezugswort erfordert, das sich dem Sinn und/oder der Form des syntaktisch dominierenden Wortes anpassen kann. Oft ist die festgestellte Anpassung daher nicht morpho-syntaktischer, sondern morpho-semantischer Art und damit an der Grenze der Kongruenzerscheinungen: 0 0

Sie war sein erster Lehrer. Sie ist sein bester Freund.

Spätestens hier zeigt sich, dass die herkömmliche Terminologie den eigentlichen Sachverhalt eher verdeckt: Kongruenzformen haben generell eine mehr oder weniger starke semantische Rechtfertigung. Die mechanische Abgrenzung von syntaktischer und semantischer Kongruenz beschreibt lediglich die Mehrzahl der Kongruenzfälle, keineswegs jedoch die Gesamtheit der möglichen Kongruenzbezüge. Für den normativen Grammatiker ergibt sich daraus allerdings eine »Systemstörung«, die zwar immer wieder beschrieben, bisher jedoch nicht »befriedigend behoben« worden ist; exemplarisch steht dafür die entsprechende Formulierung bei JÖRGENSEN (1966:119): »Where this sort of discrepancy exists between the grammatical and the logical content of the determining member it is possible for the determined member to conform to the logical rather than the grammatical content of the determining member.«

In 3.3.1.1. wurde gezeigt, dass die Lösungsregeln für Personenkongruenz oft Wortformen ergeben, die nur semantisch zu erklären sind. Dasselbe gilt auch für die entsprechenden Lösungsregeln der Numeruskongruenz29, während Genuslösungsregeln Wortformen (Genusformen) ergeben können, die auch semantisch nicht hinreichend motiviert sind, da oft keine semantisch zu rechtfertigende Form zur Verfügung steht. Zudem sind Genuslösungsregeln sehr sprachspezifisch; der Regelkonflikt zwischen den zwei konkurrierenden Prinzipien der Genuskongruenz wird in den einzelnen Sprachen ganz verschieden gelöst. Das heisst jedoch nicht, dass es für Genuslösungsregeln kein Muster gibt: Das Prinzip, das die anzuwendenden Kongruenzformen diktiert, ist semantisch — Gebrauch der semantisch zu rechtfertigenden Form - und funktional - Aufrechterhaltung der Referenzidentität. 30 Während die Interaktion dieser Prinzipien mit dem morphologischen 29 Zur semantischen Basis des Numerus vgl. u.a. LÖBEL (1986). 3° »The important thing is, whether a noun refers to a human or to a non-human, irrespective of the gender class.« berichtet z.B. CORBETT (1983(b):184) über Bantu-Sprachen, wogegen im Französischen der Regelkonflikt nicht primär zwischen Mask und Fern ausgetragen wird, sondern vielmehr zwischen Mask und der strukturellen Distanz der konkurrierenden Komponente (vgl. MORAVCSIK 1978:342).

47

System einer Sprache Regeln von einiger Komplexität entstehen lassen kann, sind die Prinzipien selbst einfach und logisch: • Wenn in einer Sprache mit zwei Genera, Mask und Fern, in der unbelebte Substantive auf beide Genera verteilt sind, zwei unbelebte Substantive verbunden werden, eines Mask, das andere Fern, kann keine Lösung systematisch gerechtfertigt werden. Dennoch muss aufgrund des Funktionalitätsprinzips Kongruenz zum Ausdruck gebracht werden. Es stellt sich damit imperativ die Frage, welches der beiden Konjunkte bzw. welche anderen Faktoren die Kongruenz bewirken. • Das Deutsche - wie auch das Russische - hat drei Genera, aber nur im Sg gibt es dazu kongruierende Formen. Es gibt also nur eine Pl-Form, die allen drei Genera dient; damit entfallen Genuskongruenzregelkonflikte. Bei Konjunkten mit verschiedenem Genus wäre in einer Sprache mit drei Genera ohne Genusneutralisierung im Pl auch das Neutr als Kongruenzform denkbar. Das zu erwartende Prinzip könnte lauten: Wenn alle Konjunkte Mask sind, wird Mask verwendet; wenn alle Konjunkte Fern sind, wird Fern verwendet, sonst steht Neutr. Neutr Pl tritt aber kaum auf- nach Untersuchungen von CORBETT (1983:190ff.) nur im Isländischen. Es finden sich ausserdem keine Beispiele des ebenfalls denkbaren Typs, welcher sich nach der Mehrheit der beteiligten Elemente ausrichten würde. Besonders deutlich zeigen sich Kongruenzregelkonflikte immer dann, wenn das natürliche Geschlecht (Sexus) dem grammatischen (Genus) gegenübersteht, d.h. wenn die Genusklasse eines Substantivs eine andere Kongruenzregel auslöst als die Semantik dieses Substantivs. Genuskongruenz kann dann zur reinen Sinnkongruenz werden. Im Deutschen ist zudem eine grosse Zahl von Substantiven, die Personen bezeichnen oder bezeichnen können, und deren natürliches Geschlecht vom grammatischen abweicht, normalerweise bezüglich ihres Genus unveränderlich und auch morphologisch indifferent. Das natürliche Geschlecht der Person, auf die sich solche Substantive in einer bestimmten Situation oder einem gegebenen Kontext beziehen, ist oft nicht erkennbar.31 Mit einer Untersuchung des Verhältnisses von grammatischem zu natürlichem Geschlecht bei Bezeichnungen für Personen könnte eine konsistente Theorie der Genuszuweisung wesentlich zum Verständnis der Kongruenz sexusindifferenter Wörter beitragen, da hier vollständige Kongruenz nur selten möglich ist.32 Betroffen sind Wörter aller drei Genera: • Mask: der Redner, der Autor, der Professor, der Minister, der Künstler; viele Berufsbezeichnungen. Ganz allgemein die Mehrheit der Substantive zur Bezeichnung von Belebtem, wenn dafür nur eine Form zur Verfügung steht (der Starrkopf, der Grünschnabel, der Störenfried, der Gast u.a.). 31 Syntaktisch und damit für den Bereich der Kongruenz problemlos sind die wenigen Substantive mit schwankendem Genus (Erbteil, Hehl, Joghurt, u.a.), solange sie sich syntagmatisch genusfest zeigen (TALANGA (1987:12ff.) weist 503 Substantive mit Genusschwankung im Deutschen nach); ebenso morphologisch indifferente, homophone Substantive mit unterschiedlichem Genus (Golf, Heide, Leiter, u.a.; vgl. DUDEN 1984:209ff.) sowie eine Reihe von substantivierten Adjektiven (der/die Kranke, der/das Junge u.a.). Hier übernimmt es die Kongruenz, den nominalen Kategorisierungen sprachlichen Ausdruck zu verleihen, und sie bildet das einzige Mittel zur Aufrechterhaltung einer sprachlichen Unterscheidung, die sonst verlorenginge. 32 KÖPCKE/ZUBIN (1984:28ff.) anerkennen diese Forderung zwar, entsprechen ihr aber mit den vorgeführten sechs Prinzipien der Genuszuweisung nur unbefriedigend, da übergeordnete Zuweisungsprinzipien ihre Matrix überlagern.

48 • Fern: die Person, die Ordonnanz, die Wache, die Schwatzbase, die Majestät, die Hoheit, die Rothaut, die Geisel, die Kraft (Fach-, Hilft-) u.a. • Neuer, das Kind, das Miindel, das Mitglied, das Hinkebein, das Opfer u.a.

Alle diese Substantive, die ohne morphologische Veränderung keinen Genuswechsel zulassen, erscheinen normalerweise in formaler Kongruenz mit dem Bezugswort. Wegen der semantischen Ungenauigkeit bzw. Mehrdeutigkeit besteht aufgrund des Funktionalitätsprinzips eine starke Tendenz, die rein formale Kongruenz beizubehalten, wenn syntaktisch darauf Bezug genommen werden soll. Die semamische Ungenauigkeit und die damit verbundene Kongruenzform wird stilistisch ausgenützt, indem sie dort verwendet wird, wo eine Mehrdeutigkeit der Aussage beabsichtigt ist. Die latente Polysemie durch die Schwankung zwischen Form und Sinn kann im Kontext den Charakter eines Wortspiels annehmen - ein Stilmittel, das in diesem Fall von einer morphologischen Unvollkommenheit profitiert:33 0

Der neue Professor ist auch Hausfrau und Mutter.34

Die unmarkierte Form wird zugleich als neutrale, generische Form verwendet. Es wird dabei unterstellt, dass die neutrale Form einen genügend allgemeinen Begriff ausdrückt, um die genusmarkierte Entsprechung zu vertreten, sonst wären Fälle wie (1) und (3) scheinbar ohne Kongruenz: (1) (2) (3) (4) (5) (6)

Sie war sein erster Lehrer. Sie war seine erste Lehrerin. Sie ist sein bester Freund. Sie ist seine beste Freundin. (*?) Sie ist eine der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller. Curie war nicht nur einer der grösstcn Physiker, sie war auch der bekannteste Institutsleiter ihrer Zeit.

Die maskuline Form Lehrer hat in (1) die Konnotation »sie wurde zuvor von niemand anderem unterrichtet«, während Lehrerin in (2) nach bisheriger Sprachauffassung eine Einschränkung der Vergleichsgruppc auf weibliche Personen bedeuten würde. Analoges gilt für die Passage »der bekannteste Institutsleiter« in (6). Es gibt zwar eine semantisch zu rechtfertigende Form, doch umfasst ihr Inhalt nur eine Teilmenge der postulierten generischen Form und ist damit in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt. Damit stellt sich die Frage nach dem geschlechtsneutralen (generischen) Wortgebrauch und dessen Auswirkungen auf die Kongruenz. Das Mask als un markierte Form wird im Deutschen als beide Geschlechter umfassende Bezeichnung gebraucht in jenen Fällen des deutschen Vokabulars, wo der Gebrauch keine Wortpaare mit eindeutiger Genusopposition festgelegt hat (vgl. Vater - Mutter, Bruder - Schwester). Daraus entstand eine ganze Reihe maskuliner Substantive, die sich auch auf weibliche 33 Zu den stilistischen Feinheiten bei Veränderung der Morphologie, die ihrerseits für die Kongruenz relevant werden kann, vgl. JARNATOWSKAJA (1984:237ff.). 34 Im Russischen sind solche Lösungen des Regelkonfliktes sogar bei NP-interner Kongruenz Teil der Grammatik: 0 xoroiaja zabnoj vraf (eine gute Zahnärztin) Syntaktische und semantische Kongruenz scheinen hier gleichzeitig vorzuliegen. Die feminine Form -aja in xorosaja (gut) bezeichnet die Person als Frau, die maskuline Form -oj in zubnoj (Zahn-) die Art des Arztes.

49

Träger beziehen können, jedoch nur wenige Feminina, die auch männliche Träger einschliessen.35 Wie stark gerade dieser Bereich der Wortbildung zur Zeit im Umbruch begriffen ist, zeigen u.a. der Beitrag von SCHOENTHAL (1985:l45ff.)36 und der Hinweis an Korrektoren bei HEUER (1988:298): »Es sei an dieser Stelle allerdings betont, dass Eingriffe im Bereich der Personenbezeichnungen im allgemeinen ausserhalb der Kompetenz von Korrektoren liegen; sie können den entsprechenden Autoren höchstens einen Rat geben.«

Noch für GREENBERG (1966:27) bestehen analog zum Beispiel Mann (markiert) und Frau (nicht markiert) Beispiele wie Autor (nicht markiert), Autorin (markiert), wobei Autor sowohl einen Schriftsteller - unabhängig vom Geschlecht - wie auch speziell einen männlichen Schriftsteller bezeichnen kann, womit generischer Gebrauch im eigentlichen Wortsinn vorliegt, Autorin hingegen die Teilmenge der weiblichen Schriftsteller umfasst. Dass diese Art der Wortverwendung der bisher gängigen Auffassung entspricht, zeigen zahllose Beispiele auch neusten Datums: 0

0

Endlich findet der Bauer einen Lesekundigen, und zwar in der Gestalt seiner Nichte, (von SENGER 1988:99) Ein Gericht im nordindischen Gliedstaat H im ach al Pradesh hat vier »Mitgiftmörder« zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Es befand laut Presseberichten vom Dienstag Ehemann, Schwiegermutter, Schwägerin und Schwager einer 23jährigen Frau für schuldig, sie totgeschlagen und ihre Leiche unter eine Eisenbahnbrücke gelegt zu haben, um einen Selbstmord vorzutäuschen. (afp-Meldung in der NZZ vom 4.1.1989, 5)

Die geschlechtsneutrale — fast ausschliesslich maskuline - Substantivform kann einerseits als bisher sprachlich nicht relevanter morphologischer Defekt mit ungenügender Disambiguierungsmöglichkeit aufgefasst werden oder aber - und dies ist die aktuelle feministische Tendenz - als sprachliches Abbild eklatanter Frauenfeindlichkeit. Die Kritik der feministischen Sprachauffassung setzt in der Tat hier an, indem darauf hingewiesen wird, dass der geschlechtsneutrale Gebrauch vieler Nomen und bestimmter indefiniter Pronomen mit den maskulinen Formen zusammenfalle und Frauen daher ausschliesse, da Äusserungen mit solchen sprachlichen Formen nicht als geschlechtsneutral verstanden würden, sondern als Aussagen über Männer.37 35 Vgl. z.B. HEUER (1988:297): »Männliche Personenbezeichnungen wie >SchrcibcrAutorKorrespondentJournalistAdvokat< haben zweierlei Lesarten: Zum einen bezeichnen sie in einem engeren Sinn nur Männer und stehen dann im Gegensatz zu weiblichen Personenbezeichnungen mit der Endung >-in< wie >SchreiberinAutorinJournalistinAdvokatinWenn in einer Bestimmung das männliche Geschlecht genannt ist, erstreckt sie sich gleichwohl zumeist auf beide Geschlechtern 3^ Die Autorin dieses auch für Nichtphilologen lesenswerten und manchmal erheiternden Forschungsberichtes referiert die bis dahin erschienenen Veröffentlichungen zum Thema Spraehe und Geschlecht, die in deutscher Sprache vorliegen und die deutsche Sprache zum Gegenstand haben. 37 Dieser Auflassung tritt STICKEL (1988:330fF.) entschieden entgegen. Nach seiner Ansicht wird in der Diskussion über die sprachliche Gleichbehandlung »leider oft vergessen, manchmal wohl auch verdrängt, dass im Deutschen zwei Kategorisierungen auseinanderzuhalten sind: einerseits das Genus, die drei formalgrammatischcn Kategorien Maskulinum, Femininum und Neutrum, und andererseits Sexus, die inhaltlichen Kategorien >männlich< und >weiblich< von Wortbedeutungen, die sich auf die beiden biologischen Geschlechter beziehen«. (1988:336)

50

Die Lösung des Problems durch Sinnkongruenz ist nur ein Behelf, da. die fehlende Kongruenz zwischen den Wortformen in eng zusammengehörenden Gruppen wie Subjekt-Prädikativ offenbar lebhaft empfunden wird. Man entgeht diesem Dilemma durch keine der bisher vorgeschlagenen Lösungsvarianten. Zwar gibt es durchaus Anwendungsfalle, wo ein rein morphologisches Vorgehen (der Minister — die Ministerin) ein syntaktisches - Herstellung der Sinnkongruenz wie in (1) - ersetzen kann, doch bleibt die Doppelfunktion »(semantisch) generisch + (syntaktisch) genusbestimmt« systematisch ungenau.38 3.3.2.3. Genus und Genuskongruenz in feministischer Sprachkritik Die Kontroverse um den geschlechtsneutralen Wortgebrauch dreht sich hauptsächlich um die behauptete Ungleichheit im Sprachsystem. Feministisches Sprachverständnis setzt der herkömmlichen Anwendung geschlechtsneutralen Sprachgebrauchs eine grundsätzlich andereAuffassungentgegenundfolgtderThesevon SCHOENTHAL (1985:145): »Der Mann dominiert die Sprache, d.h. das maskuline grammatische Geschlecht ist die Norm und die femininen Formen die Abweichung, verbunden mit einer positiven Bewertung der Norm und einer negativen Wertung der Abweichung.«

Radikal feministisches Sprachverständnis empfindet nach TRÖMEL-PLÖTZ (1978 und 1982; zit. nach SCHOENTHAL 1985:145) den gegenwärtigen Sprachgebrauch sogar als sexistisch, was im einzelnen heisst: • Der generische — geschlechtsneutrale - Gebrauch vieler Nomen und bestimmter indefiniter Pronomen fällt mit den maskulinen Formen zusammen und schliesst daher Frauen aus. Die maskuline Form wird nicht als Oberbegriff anerkannt. • Vor allem bei Berufsbezeichnungen bilden die männlichen Formen das Ausgangswort, von dem das weibliche durch Ableitungssuffix gebildet wird. Männliche Ableitungen von weiblichen Formen gibt es nicht. (Krankenschwester/Krankenpfleger, Hebamme/Geburtshelfer). Für manche Wörter fehlen weibliche Formen ganz (Kapitän, General). • Die Bezeichnung von Frauen mit einem Maskulinum gilt als Aufwertung (sie steht ihren Mann, sie ist ein ganzer Kerl), während die Bezeichnung von Männern mit einem Femininum als Abwertung empfunden wird. • Nomen und Verben, die Frauen und weibliche Aktivitäten benennen, sind häufig mit negativen Konnotationen oder Assoziationen verbunden oder sie bezeichnen einen niedrigeren Rang als Maskulina und sind damit abwertend, eine Erscheinung die nach ERFURT (1988:707) in vielen europäischen Sprachen auftritt (dt.: Jungfer, Schwatzbase, dämlich; Sekretär/Sekretärin; \. .\ filosofa (Philosoph)Ifilosofessa (pedantische, eingebildete Frau); span.: patrono (Unternehmer)//nzir0«Ä (Kupplerin). Nicht zu bestreiten ist, dass der geschlechtsneutrale Gebrauch vieler Nomina und bestimmter indefiniter Pronomen mit der maskulinen Form zusammenfällt: • »Institutionen (...) nehmen sich nicht nur das Recht, einen Frevler zu züchtigen, sondern auch, ihn moralisch zu massregeln. Selbstverständlich gibt es von Institution zu Institution Grad38 Die Femininableitung durch das Suffix -in kann eine Bedeutungsveränderung bewirken, die über die reine Konnotation »Fern« hinausgeht; vgl. der Ober (Kellner) - die Oberin (weiblicher Klostervorsteher).

51 unterschiede der moralischen Erhabenheit. Diese Unterschiede kommen gewöhnlich im Strafmass, das dem Frevler auferlegt wird, zum Ausdruck. Der Staat als Institution kann ihn unter Umständen vernichten. Die Mitbewohner seiner Wohnsiedlung dagegen schneiden vielleicht nur seine Frau bei geselligen Veranstaltungen.« (BERGER/BERGER (1976:52); zit. nach SCHOENTHAL (1985:146) • Die Standardeinleitung zu den 10 Geboten der Bibel beginnt regelmäßig mit: »Du sollst nicht ....« Darunter auch »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.« • SCHOENTHAL (1985:147) zitiert ein Beispiel von PUSCH (1979:96), die damit die Fragwürdigkeit der maskulinen Form im generischen Wortgebrauch bei bestimmten Pronomen aufzeigen will: »Hallo Frauen, wer von euch kann mir sein Fahrrad leihen?« • ERFURT (1988:713) gibt ein Beispiel für grammatisch korrekte, aber logisch unsinnige Anwendung des generischen Wortgebrauchs: »Wenn jemand berichtet, welche Erfahrungen er als Frau an der Universität gemacht hat,...»

Nach ERFURT (1988:706) ist in der feministischen Linguistik die Bildung femininer Personen- und Berufsbezeichnungen von zentraler Bedeutung. Bei der Untersuchung der Verwendung von Berufsbezeichnungen durch statistische Ämter in der Bundesrepublik Deutschland ist nach GUENTHERODT (1980; zit. nach SCHOENTHAL 1985:151) die fundamentale Ungleichheit darin zu sehen, dass die männliche Berufsbezeichnung als geschlechtsneutral und damit als Norm gilt. Handelt es sich um anerkannte Berufe, so ist die maskuline Form üblich, auch wenn der Beruf zu 98% von Frauen ausgeübt wird (vgl. Damenschneider).39 Eine besonders vehemente Gegnerin der männlichen Bevölkerungsgruppe als referenzsemantischer Standard ist PUSCH (vgl. 1980:67), deren zentrale These lautet: die ursprüngliche Bedeutung der Form auf-/« war gar nicht »weibliches Geschlecht«, sondern »Frau von«.40 ERFURT (1988:708) stellt dazu fest: »Vergleicht man die Angaben der DudenGrammatik der 60er Jahre zur weiblichen Form von Berufsbezeichnungen und Titeln, die damals als noch gering verbreitet und schwach markiert galten, mit der heutigen Praxis, so ist ein beträchtlicher Wandel im Usus zu konstatieren.« Dennoch bleibt STICKEL (1988:340f.) bei seiner klaren Position: »Die morphologisch unmarkierten Maskulina haben bekanntlich zwei Verwendungsarten: Mit ihnen werden entweder Männer bezeichnet, die die betreffenden Berufe oder Funktionen haben, oder sie werden geschlechtsneutral verwendet, d.h. zur umfassenden Bezeichnung männlicher und weiblicher Eigenschaftsträger oder von Menschen, deren Geschlecht nicht bekannt ist oder unspezifiziert bleiben soll. (...) Im Unterschied zum Wortfeld der Familie, das zur Geschlechtsunterscheidung gut ausgebaut ist, (...) geht es bei der konkreten Verwendung von Ausdrücken wie >Lehrer< oder >Arzt< oft um die Wahrnehmung oder Kennzeichnung der jeweils Gemeinten nicht nach ihrem Geschlecht, sondern primär nach den bezeichneten Fähigkeiten oder Eigenschaften. Die morphologische Asymmetrie der meisten Personenbezeichnungen im Hinblick auf die Einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion weiblicher Berufsbezeichnungen vermittelt die Arbeit von WITTEMÖLLER (1988). Der Beitrag von PUSCH hat die Form eines offenen Briefes, den die Autorin an STICKEL, den Leiter des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, adressierte. Er hatte PUSCH um Stellungnahme zu einer Anfrage des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst gebeten, in der gefragt wurde, ob es angeraten sei, Diplomgradc offiziell auch in der weiblichen Form (z.B. Diplombibliothekar/n,) zu verleihen. STICKEL selbst war unsicher, ob er mit der Empfehlung die -/»-Form zu verwenden, zur Gleichberechtigung der Frau beitrage. Seinem Eindruck nach empfinden Frauen die Verwendung von Berufsbezeichnungen in der femininen Form als lästig und typisch männliche Koketterie, die zum Ausdruck bringt, dass Frauen in ihrem professionellen Status nicht ganz ernst genommen werden oder dass gezielt an ihre Weiblichkeit appelliert wird (vgl. PUSCH 1980:60).

52 beiden Geschlechter hängt damit zusammen, dass die Dichotomic >männlich< : >weiblichMann und FrauFreund und FeindArme und ReicheKinder und Erwachsene·«, >Arbeiter und AngesteUteOptimist und Pessimist«;, >Lehrer und Schüler«:, >Sieger und Verlieren. Dass auch solche Dichotomien vorwiegend durch Maskulina ausgedrückt werden, liegt weniger an >männlicher Dominanz der Sprache< als an der relativen morphologischen Einfachheit der Maskulina. (...) Mit Sicherheit keine geschlechtsspezifische Bedeutung haben sie als Basiswörter movierter Feminina wie >Lehrer-inLehrcrin< ist ja nicht etwa: >weiblicher Mann, der lehrt

action run

Kongruenz wurde gesehen als Selektion der geeigneten Subklassen grösserer Formklassen — in (1) die Wahl von run, das mit /kongruiert, gegenüber *ruru. Den Ausführungen von BLOOMFIELD zu diesem Thema lässt sich u.a. auch entnehmen, dass Taxeme der Wortwahl einschliesslich der Wortfolge von anderen Taxemen unabhängig sind, und dass - zumindest soweit es die Kongruenz betrifft - jede Auswahl eine

81

gegenseitige Dependenzrelation definiert. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass letztere Behauptung nicht zutreffe, da Subklassen von nominalen Ausdrücken nicht nur im Verb wieder aufträten, sondern auch in anaphorischer Wiederaufnahme wie in this gegenüber these (BLOOMFIELD 1933:191). »Accordingly, we view the subdivision of nominal expressions into singulars and plurals as more fundamental than that of finite verb expressions, and say that the latter agree with or stand in congruence with the former.« Intfrtorrtfrtj'ow-Konstruktionenwie (l) und action-goal-Konstniknonen wie (2)

action watch

> >

goal me

hänge die Wahl der Form / gegenüber me, so wird erklärt, von der »syntactic position« ab. Trotz dem Gebrauch des Ausdruckes »position« zeigt sich, dass BLOOMFIELD hier eher von Funktionen spricht als von Wortstellung oder Abfolge. Dieser Typ Selektion ist das, was BLOOMFIELD als »government« bezeichnet, wobei die Form von action die Formen von actor und von goal regieren. HOCKETT (1958:2l4ff.; »Kinds of syntactical linkage«), der die Sache weit weniger abstrakt ansieht als BLOOMFIELD, betrachtet government und concord einfach als Beispiele syntaktischer Verbindung durch Flexion und setzt die folgenden vier Untergruppen an: Tabelle 4: Einteilung der Kongruenzbcziehungcn nach HOCKETT (1958:217) Bezeichnung der syntaktischen Verbindung

D 2) 3) 4)

concord governmental concord government »impure« government

Flexion der Formen

0

Beispiel

syntaktische Kategorie

muchachof bueno; manes buends ad cam partem in urbem urbi

Numerus Genus Kasus Kasus

= Flexion erkennbar; o = Flexion nicht erkennbar

Die Unterscheidung zwischen concord und governmental concord hängi davon ab, ob ein Oberflächen-Marker der Kongruenz in beiden Formen vorkommt oder nicht. Der Unterschied zwischen governmental concord und government scheint vom Typ der beteiligten Konstruktionen abzuhängen: endozentrisch für erstere, exozentrisch für letztere. HOCKETTs impliziertes impure government schliesst Fälle ein, »where the governing word does not completely determine the inflected form of the governed word, but only narrows down the range of choice« (1958:216). Wie BLOOMFIELD erklärt auch HOCKETT ausdrücklich, dass syntaktische Verbindung (syntactical linkage) etwas ist, das der Konstruktion beigegeben wird. HARRIS (1945 et pass.) war wahrscheinlich der erste, der einen Weg zur formellen Darstellung der Kongruenz vorgeschlagen hat. Sein Vorschlag beinhaltete eine Erweiterung des Begriffs des Morphems, um damit sowohl kontinuierliche als auch diskontinuierliche Phonemsequenzen zu erfassen. Als allgemeinste Bedingung hielt HARRIS (1945:126) fest, »given some particular environment, if two morphemes X and depend on each other so that neither occurs without the other (in that environment), we

82

say that X and constitute together one new morpheme which simply occurs in the environment«. Dieser generelle Ansatz wurde später ausgedehnt auf alle Kookkurrenzrelationen zwischen Morphemklassen (vgl. HARRIS 1951: Chap. 12.323, 13.422, 17). Dieser Ansatz umfasst zwar verschiedene Erfordernisse, die sich aus einer allgemeinen Kongruenzdefinition ableiten lassen, setzt anderseits aber eine feste Abfolge von Kongruenzmerkmalen voraus und kann vor allem nicht erfassen, dass Kongruenz ein Dependenzverhältnis impliziert, das Merkmale des Kernes eines Syntagmas zu den modifizierenden Elementen überträgt. Neben den rein technischen Schwierigkeiten, die notwendigen Kategorienparameter auf die beteiligten Formen zu übertragen und die variierenden Realisierungen verschiedener Komponentenkombinationen genau zu bestimmen, ist das Vorgehen vor HARRIS zur vollständigen Erfassung von Kongruenzerscheinungen auch deshalb ungeeignet, weil für eine natürliche Sprache eine unendliche Zahl von Abhängigkeitsverhältnissen anzugeben wäre. Zudem wären solche Abhängigkeiten oft ihrerseits diskontinuierlich und würden überlappende Abhängigkeiten einschliessen, welche das Erklärungsvermögen dieser Technik eindeutig überfordcrn. COOK (1964:23ff.; »The relationships within constructions«) als strukturalistischer Neuerer sah für eine Wortfolge wie span, los libros blancos folgende formale Notation vor, zu der er zwar Interpretationshilfe bietet, mit deren Applikation auf Geozentrische Kongruenzbezüge er den Leser jedoch allein lässt: VI »N =

+Lim:ar + H:n» Mod:aj

. . , (c = gender/number)

• Read: >A modified noun phrase (in Spanish) consists of a limiting slot, filled by an article, followed by a head slot filled by a noun, followed by a modifier slot filled by an adjective.< • Reading the de: >There is concord between article, noun, and adjecdvex • Reading die >cThis concord is an agreement of gender and number.c< innerhalb des Syntagmas wird nicht beschrieben, obschon die Wirkungsrichtung von syntaktischen Kategorien und die syntagmatische Abhängigkeit für Kongruenzbeziehungen konsumtiv sind. Von den vorgeführten strukturalistischen Modellen zur Erklärung von Kongruenzbeziehungen kann keines auch nur annähernd den Anspruch der dahinterstehenden Theorie erfüllen; bereits die Beschreibungsversuche der zu beobachtenden Morphemveränderungen bleiben unbefriedigend.

5.2. Kongruenz in der Konstituentenstrukturgrammatik Im Unterschied zu einer rein strukturalistischen Beschreibungsweise enthält die Theorie der kontext-sensitiven Konstituentenstrukturgrammatik, formalisiert als Klasse von obligatorischen oder fakultativen, rekursiven oder nicht-rekursiven Verkettungsregeln, eine oder mehrere kontextabhängige Regeln; dies aufgrund der Einsicht, dass

83

Korpusanalyse durch Segmentierung und Klassifizierung ohne Bezugnahme auf den Inhalt gewisse syntaktische Konstellationen nicht erfassen kann. POSTAL (1967:48f.) hat gezeigt, dass sogar bei einer Neuinterpretation des tagmemischen Ansatzes als kontext-sensitive Phrasenstrukturgrammatik Kongruenz vom Typ der als Beispiel verwendeten spanischen Nominalphrasen (L· mujer buena, los libros blancos;v$. COOK, 1964:23ff.) nur auf komplizierteste und teilweise sinnwidrige Weise beschrieben werden kann:1 »An exclusively PSG description requires at best statements whose complexity is a direct function of the number and length of distinct sequences which must match. This fact produces a great difference in simplicity between the exclusively PSG description and the TG description, even in the above Spanish example (la mujer buena) where there are really only four different agreeing sequences. As this number rises, die differences in complexity will mount accordingly. (...) The advantages in terms of simplicity of TG over PSG description of concord can dius hardly be exaggerated.«

Der einzige bekanntgewordene Versuch, der Kritik von POSTAL am tagmemischen Erklärungsansatz zur Kongruenz zu widersprechen, findet sich in einem Beitrag von MATSON (1967:106f.). Nach der Bestätigung der Aussagen von POSTAL zur mangelnden Relevanz des Ansatzes von COOK und HARRIS bietet MATSON folgende Alternative in Anlehnung an den Neuformulierungsversuch des tagmemischen Zuganges durch LONGACRE (1964): 1. 2. 3.

N = +L:ar -t-H:n + M:ai/a2 n = + nnu:nmasc/nfem\ + phpl nmasc "el" nmasc +/»/ los = + la tar nfem .nfem + pl. las nmasc nmasc + pl nfem nfem + pl.

= + anu:anui

nmasc nmasc + pl + nfem .nfem + pl. /o/ " /o/ +/>/ /a/ L/a/ +/./J

nmasc nmasc + fl nfem _nfem + pl.

Schon eine erste Durchsicht der obigen Formeln zeigt, dass diese Beschreibungsweise nicht nur viele überflüssige Eintragungen in Form nicht-binärer Dichotomien enthält; sie trägt auch nichts bei zur Erklärung der Adjektivkongruenz, da z.B. die KontextRestriktionen in (4) unrichtig aufgeführt sind. Sogar wenn dieser Lösungsvorschlag greifen würde, ist nicht einzusehen, wie man damit der grundlegenden Kritik von POSTAL an der Beschreibung der Kongruenz mit Hilfe der Phrasenstrukturgrammatik - sei sie nun kontextfrei oder kontextsensitiv - begegnen könnte.

5.3. Kongruenz in der Stratifikationsgrammatik Die Stratifikationsgrammatik (SG) ist etwa so alt wie die Transformationsgrammatik (TG), hat aber nie deren Popularität erreicht. Der Grund liegt vermutlich darin, dass es keine standard theory gibt, da die einzelnen Forscher ziemlich unabhängig

1

Zur generellen Kritik des Autors an der Theorie der Phrasenstrukturgrammatik vgl. POSTAL (1967: chap.7; »The inadequacies of PSG«).

84

voneinander gearbeitet und vielfach unterschiedliche Lösungen für dieselben Probleme vorgeschlagen haben.

LAMB (1966) behandelt in der zweiten Auflage seiner Stratifikationsgrammatik (1966:26ff. et pass.) Kongruenz als Typ der Reduplikation.2 Der Beitrag beschreibt zwar die Mechanik der neuentwickelten Graphen ausführlich, vernachlässigt aber ihre Anwendung auf konkrete sprachliche Gegebenheiten. Die folgende Graphik zeigt unter anderem das Kongruenzverfahren zwischen determiner und noun:

PntNMod

AltP

Fig. l (nach LAMB , 1966:79)

Dieselbe Kongruenzrelation, die in Fig. l zum Ausdruck kommt, kann nach LAMB durch Ausfiihrungsregeln beschrieben werden (vgl. dazu LAMB, 1966:78ff.). Die Gleichwertigkeit der beiden Notationssysteme ist praktisch allerdings nicht erprobt worden noch sind die mathematischen Eigenheiten dieses Modells nachgeprüft worden. Aussagen über die Gleichwertigkeit alternativer Notationsweisen sind ohnehin problematisch. Die ursprüngliche verbindende Idee der Stratifikationsgrammatiker bestand u.a. auch darin, die von vornherein als kontextsensitiv erklärte Theorie graphisch so zur In früheren Publikationen (vgl. LAMB, 1962) behandelte der Autor die Kongruenz als »variables on constituent.

85

Darstellung bringen zu können, dass Kontextveränderungen sich unmittelbar manifestieren. Zu welch hochkomplizierten Graphen dieser Anspruch fuhren kann, ohne dass dabei zur Lösung von Kongruenzproblemen etwas beigetragen wird, zeigt die einfache Erweiterung eines Subjekts zu einer koordinierten NP am Beispiel the rabbit runs:

£

Fig.2 (nach SCHREYER, 1977:64; Fig. LT 10)

Das Charakteristische an Fig.2 ist die zum Koordinationsbefehl führende Konditionierungslinie (A), die bei der Pl-Wahl des Subjekts das Erscheinen des s-Suffixes verhindert. Wenn der Kongruenzmechanismus in gleicher Weise für die folgenden Beispiele dargestellt werden soll, muss Fig.2 entsprechend modifiziert werden:

The rabbits and the hedgehogs run. The rabbits, the hedgehogs and the hare run. The hare and the hedgehog run. The hedgehogs and the hare run.

Fig.3 (nach SCHREYER, 1977:65; Figur LT 11)

86

Die Pi-Form des Verbs ist in allen diesen Fällen durch die Koordination von NPs des Subjekts bestimmt. Es spielt dabei keine Rolle, ob eines oder mehrere Substantive des Subjekts im Pl stehen. Die dadurch notwendige Erweiterung berücksichtigt folgende Punkte: • Die Koordination von NPs ist optional. (A) • Koordination bedingt Pl-Form des Verbs; dies bedeutet Abblocken des s-Suffixes. (B) • Koordination der NPs geschieht durch AND oder • durch asyndetische Reihung. (C, D) • Koordination ist beliebig oft möglich. Das wird durch die rekursiven Schleifen in Fig. 3 angezeigt. Obschon die oben dargestellten Versuche zur Formalisierung der Kongruenzphänomene grundsätzlich eine Bereicherung der Theoriediskussion darstellen, sind sie doch in mancher Hinsicht ein Rückschritt hinter den mit konventionellen Beschreibungsmethoden erreichten Stand, und dies nicht zuletzt wegen des Bestrebens, die untersuchten syntaktischen Erscheinungen formal oder graphisch zum Ausdruck zu bringen. Im einzelnen betrifft dieser Einwand folgende Punkte: a) Alle erwähnten Ansätze erfordern eine explizite Abfolge der kongruierenden Elemente. b) HARRIS wie auch andere Vertreter des tagmemischen Ansatzes unterlassen es, eindeutige und gerichtete Abhängigkeiten zu bezeichnen. c) Keiner der vorgeführten Autoren berücksichtigt die Möglichkeit der Rekursivität und keiner zeigt einen gangbaren Weg, wie überlappende Abhängigkeiten des bei POSTAL angeführten Typs behandelt werden könnten. d) Alle vorgeschlagenen Ansätze hätten eine nicht mehr überschaubare Komplexität der formalen Darstellung zur Folge, sobald die Beschreibung auch nur über die einfachste Konstruktion hinaus erfolgen müsste. e) Wenn der tagmemische Ansatz als kontext-sensitive Phrasenstrukturgrammatik umformuliert wird, führt er zu Beschreibungen, die in hohem Masse systemwidrig sind. f) Alle beschriebenen Ansätze machen die Beurteilung des Anwendungsnutzens für eine deskriptive Grammatik auf Grund ihres überall nur skizzenhaft und modellmässig aufgeführten Charakters schwierig.

5.4. Kongruenz in der Transformationsgrammatik Die Kritik der Transformationsgrammatiker an den bisherigen Beschreibungsverfahren betrifft nicht nur einzelne Punkte, sondern fundamentale Aspekte der linguistischen Theorie: den Gegenstand (Kompetenz vs. Korpus), die Methode (Einbezug des Wissens um Sprache vs. mechanische Beschreibungsverfahren) und die Zielsetzung der Theorie (Beschreibung der Prinzipien der Sprachfähigkeit vs. Strukturbeschreibung). Erklärtes Ziel einer generativen Grammatik ist eine formale Sprachbeschreibung, die eine endliche Menge von grammatischen Regeln enthält, welche eine unendliche Menge von richtigen Sätzen erzeugen kann, keine falschen Sätze generiert und für jede Satzstruktur eine richtige Beschreibung liefert.

87

Kongruenz ist von den Transformationsgrammatikern eingehend behandelt worden. Schon in Syntactic Structures weist CHOMSKY (1957:40ff.) darauf hin, dass Regeln, die sich auf Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat (main verb) beziehen, ihrem Wesen nach transformationell sind und in einer Transformationstheorie gleich nach jenen für die Passivtransformation aufzurühren sind, wenn korrekte Kongruenzbeziehungen angestrebt werden. Im weiteren müssten sowohl Passiv- wie auch Kongruenztransformationen nach den lexikalischen Ersetzungsregeln (lexical substitution) eintreten, um korrekte lexikalische Bezüge zu erhalten. Ferner hat POSTAL (1967) gezeigt, dass mindestens ein Typ von Kongruenz ganz einfach nicht mit einer kontextfreien Phrasenstrukturgrammatik zu bewältigen ist und dass sogar bei relativ einfachen Beispielen von Kongruenz innerhalb einer kontext-sensitiven PhrasenstrukturGrammatik formale Beschreibungen von grosser Komplexität entstehen wie auch unzutreffende strukturelle Beschreibungen (vgl. oben). Aus der Formulierung der Transformationsregeln von CHOMSKY (1965:175) ist ersichtlich, dass das Wesentliche an dieser Theorie die Ausbreitung von Merkmalsgruppen ist, die an einer gegebenen lexikalischen Kategorie, die sich in jedem Fall als das bestimmende Nomen der Konstruktion erweist, zu unterscheiden sind, um sie auf die an derselben Konstruktion beteiligten Konstituenten zu übertragen. Kongruenz wird im wesentlichen als ein Erscheinungstyp von Assimilation aufgefasst, vergleichbar der phonologischen Assimilation. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass die Regelung der Abfolge der einzelnen Transformationen beim TG-Ansatz von entscheidender Bedeutung sei. Als theoriekonforme Abfolge und zugleich als jene, die die postulierten Ergebnisse auch liefern kann, findet sich in verschiedenen Beiträgen recht einheitlich die folgende Hierarchie: 1. 2. 3. 4. 5.

Regeln der Rektion in der Tiefenstruktur Regeln der Rektion in der Oberflächenstruktur Kongruenzregeln Regeln Air die Merkmalszuschreibung (feature-change rules) Morphologische Regeln

Die Regeln 2-5 beziehen sich auf die Leistung der Basis. Die Rektion in der Oberflächenstruktur setzt das Kasusmerkmal in den Merkmalskomplex der die NP dominierenden lexikalischen Einheit ein, während die Kongruenzregeln den Kasus sowie andere syntaktische - nicht aber morphologische - Merkmale auf die restlichen Glieder der NP übertragen. Als nächstes ändern sprachspezifische Änderungsregeln (feature-change rules), die am Merkmalkomplex wirken, der aus der Anwendung der Regeln 1-3 entstanden ist, verschiedene Merkmale der Oberflächenstruktur. Schliesslich bilden die morphologischen Regeln die sichtbare Flexion aus, wenn solche erscheint.3 Schon zu Beginn der Diskussion um die Theorie der Tranformationsgrammatik wurde beobachtet, dass Regeln wie 2-4 im obigen Regelkanon relativ untergeordnet sind, d.h. bevor diese angewendet werden können, muss eine recht grosse Zahl von Transformationen bereits durchgeführt worden sein, nämlich all jene, welche irgendeinen Einfluss auf die Beziehungen in der Oberflächenstruktur haben, denn - und dies Die Theorie der TG berücksichtigt, dass Kongruenz nicht notwendigerweise immer mit Flexion in der Oberflächenstruktur einhergehen muss.

88

geht unmittelbar auch aus der entsprechenden formalen TG-Darstellung hervor - Flexion, wie sie durch die morphologischen Regeln ausgebildet wird, reflektiert Relationen der Oberflächenstruktur und nicht der Tiefenstruktur. Bevor Rektions- und Kongruenzregeln zur Anwendung kommen können, muss als entscheidende Transformation die Passivtransformation durchgeführt sein. Jedes Verknüpfen von Elementen, sei dies an der Basis oder in einer transformationeilen Komponente, muss den Regeln 2—4 vorangehen; ebenso die grundlegenden Transformationen wie Nominalisierung, Löschung und Attribuierung. Den Rektions- und Kongruenztransformationen folgen in recht einheitlichem Theorieverständnis jene, die die stilistische Neugruppierung (stylistic re-ordering, stylistic regrouping) der Einheiten betreffen. Tatsächlich scheint jede Form von Permutation - die Fragebildung eingeschlossen - am besten nach der Festlegung von Rektion und Kongruenz möglich, wenn solche bei geordneten Strukturen überhaupt nötig sind. Aus der Sicht der Oberflächenstruktur unterscheiden sich die Muster von Rektion und Kongruenz jedoch stark, wie folgende Aufstellung zeigt: Rektion:

Deutsch

Italienisch

Englisch

Russisch

Präp + Subst Präp + Pron Verb + Subst Verb + Pron

K K K K

0 (K) 0

0 (K) 0

K K K

K

(K)

K

Kongruenz:

Deutsch

Italienisch

Englisch

Russisch

Art+Subst Adj+Subst Subst (kop)+Adj SubstWerb

K,N,(G) K,N,(G)

N,G N,G N,G N,P

N 0

K,N,(G) K,N,(G) K,N,(G) N,P,(G)

0 N,P

0 N,P

(K=Kasus, N=Numerus, G=Genus, P=Person (..)= tritt in einigen Fällen nicht auf, 0 = unterliegt keiner Wirkung

Kongruenz wird auch innerhalb der generativen Transformationsgrammatik als Spezialfall einer Kookkurrcnzrelation betrachtet. Durch Rektion wird in der Oberflächenstruktur ein syntaktisches Merkmal einem Merkmalskomplex eines NP-Kerns beigefügt und anschliessend dieses und weitere Merkmale durch Kongruenzregeln auf alle lexikalischen Einheiten übertragen, die im Wirkungsbereich der Kongruenz liegen. Das Resultat dieses Prozesses ist eine redundante Markierung in der Oberflächenstruktur. Die Abweichungen in der Oberflächenstruktur werden mit einzelsprachspezifischen Eigenheiten der Markierung in der Oberflächenstruktur erklärt: Sprachen würden sich u.a. dadurch voneinander unterscheiden, wie sie ihre morphologischen Regeln zur offenen Kennzeichnung der latenten Merkmale zur Anwendung bringen. Nach Durchsicht der relevanten Theoriebeiträge und der obigen, sehr gerafften Darstellung der Problembehandlung aus transformationsgrammatischer Sicht lässt sich der Anspruch der TG im Bezug auf das vorliegende Problem nur zum Teil rechtfertigen, ein Erzeugersystem für normgerechte Lautfolgen zu sein. Kongruenzprobleme übersteigen ganz offensichtlich das Erklärungsvermögen auch dieser Theorie, und es

89

fragt sich daher, ob Kongruenz überhaupt von einer formalen Theorie erfässt werden kann. An dieser Feststellung ändern auch die in neuster Zeit erschienenen, zum Teil modifizierten TG-Beiträge nichts Grundsätzliches. STECHOW/STERNEFELD (1988: I49ff.) z.B. deuten als anwendungsbezogene Neuerung innerhalb der TG-Theorie zwar die Merkmalsverteilung der starken und der schwachen Flexion innerhalb von NPs im Deutschen an, lassen es dann jedoch bei der Feststellung (1988:152) bewenden: »Aufgrund dieser Bemerkungen sollte klargeworden sein, wie man eine Theorie der Kongruenz innerhalb der NP angehen könnte.«* Auch in der Kasus-Theorie stagniert der transformationsgrammatische Ansatz. STECHOW/STERNEFELD(1988:154) resümieren: »Man wünscht sich also eine Theorie des Kongruenzkasus.« Am Schluss des Kapitels Kongruenz stellen die Autoren trotz Einbezug allerneuster Publikationen fest (1988:157): »Es sollte deutlich geworden sein, dass zu diesem Kapitel mehr zu sagen ist. Der Sinn dieses Abschnitts war aber nicht, die Grundzüge einer Theorie der Kongruenz zu entwickeln. Uns ging es vielmehr darum zu zeigen, dass eine solche Theorie leicht in die Chomskysche Sprachtheorie eingebaut werden kann, wenn man sie einmal hat.«*

5.5. Kongruenz in der generalisierten Phrasenstrukturgrammatik Dass es mit dem Errichten eines Theoriegebäudes allein nicht getan ist, haben auch GAZDAR et al. (1985) eingesehen. Im Vorwort (1985:DC) ihrer »exposition of a general theory of grammar« vermerken sie ausdrücklich: »We do not believe that the working out of such details can be dismissed as a matter of execution, to be left to lab assistants. In serious work one can not assume some version of X-bar theory or conjecture, that a suitable set of interpretive rules will do something as desired, any more than one can evade the entire enterprise of generative grammar by announcing: >We assume some recursive function that assigns to each grammatical and meaningful sentence (...) an appropriate structure and interpretations One must set about constructing such a function, or one is not in the business of theoretical linguistics.«

Die Autoren gehen von der Feststellung aus, dass sich in der generativen Linguistik die Unzulänglichkeit der kontextfreien Phrasenstrukturgrammatik gerade am Beispiel der Kongruenz klar gezeigt hat. Ihre eigene Theorie, The Generalized PhraseStructur Grammar (GPSG), »is equivalent to one stated in terms of context-free rules, in the sens that from our analysis a context-free rule analysis could be immediately constructed«. (1985:83) Die Rechtfertigung dieser Theorie wird dadurch gegeben, dass generative Darstellungen von Kongruenzphänomenen, eingeschlossen sämtliche transformationeilen Modelle, bisher die Annahme nicht hätten widerlegen können, die Verteilung von Kongruenzmerkmalen geschehe willkürlich, d.h. es sei bisher keine Grundlage erarbeitet worden für die Voraussage, welche Konstituenten einer gegebeZum formal-technischen Aspekt einer Theorie der Kongruenz innerhalb der generativen Grammatikin ihrer Entwicklungsstufe als Rektions- und Bindungstheorie vgl. FANSELOW/FELDC, 1987. WERNER (l 979:970) hat es unternommen, das Geflecht der Kongruenzbezüge als Grafik im Transformationsteil einer generativen Grammatik darzustellen. Nach Ansicht des Autors Hesse sich so Anzahl, Breite und Tiere von Kongruenzbeziigen »als Dichte das Kongruenzsystems zusammenfassen und bei den verschiedenen Sprachen messen.«

90

nen Sprache kongruieren würden und welche nicht.6 Allerdings schränken auch GAZDAR et al. (1985:84) den Geltungsanspruch ihrer Theorie ein: »We do not pretend to be offering anything like a complete account of agreement phenomena, and numerous thorny problems will be left undiscussed. We are concerned with the development of a universal theory of agreement.« Das ausgedehnte Regelwerk dieser Theorie geht aus von syntaktischen Merkmalen (features) und den Werten, die diese annehmen können (feature values). Die syntaktische Verarbeitung der Werte wird mit Hilfe von Interaktionsregeln (feature co-occurrence restrictions, feature specification defaults, immediate dominance rules, linear precedence statements, metarules) durchgeführt. Für die Belange der Kongruenz wird postuliert: Eine Kategorie C wird bestimmt durch eine Kategorie G" in einer Konstituente GO, wenn auf semantischer Ebene einer der folgenden Fälle besteht: • entweder ist C ein Funktor, welcher auf C' angewendet werden kann und eine Konstituente GO liefert, • oder es gibt eine die Dependenz vermittelnde Kategorie C", welche C mit G" kombiniert, um so GO zu erzeugen. Der Begriff der Bestimmung (control) wird verstanden als Sprach-Universalie (language universal), welche lediglich bestimmt, welche Konstituenten miteinander kongruieren können, nicht aber, welche dies tatsächlich tun. Übersetzt auf das zu analysierende Sprachbeispiel - wie einleitend erwähnt, sehen die Autoren in der Applikation ihre besondere Leistung - heisst dies, dass eine W in einer einfachen Satzstruktur ein Kongruenzpartner (agreement target) ist, der durch die Subjekts-NP bestimmt wird. Weiter bestimmt der Wert der Kongruenz (AG R value, ein feature value) die morphologische Form eines lexikalisch dominierenden Elementes (lexical head), das durch diese VP dominiert wird. Das Control Agreement Principle (CAP) stellt sicher, dass die W tatsächlich mit der Subjekts-NP kongruiert. Das GAP sagt aus, dass, wenn ein potentieller Kongruenzpartner C unter der Wirkung von C' steht, der Wert des bestimmenden Merkmals von C demjenigen von C' entsprechen muss. Wenn umgekehrt C eine prädikative Kategorie ohne Einfluss (controller) ist, dann muss der Wert des bestimmenden Merkmals von C dem Wert des bestimmenden Merkmals seines Bezugselementes (mother) GQ entsprechen. Dies ist so zu interpretieren, dass die geforderte Gleichheit nur jene Merkmalsbeschreibungen einbezieht, die bei der Definition des Begriffs control relevant sind. Folgt man dem Formalismus dieser Theorie im einzelnen mit Hilfe der bereitgestellten Definitionen, insbesondere Nr.5 (Control feature) und Nr.6 (Control Agreement Principle) sowie der List of features and rules (Appendix), muss zwar anerkannt werden, dass die Theorie dem erhobenen Anspruch, die richtigen Kongruenzmerkmale im voraus bestimmen zu können, insofern gerecht wird, als der mechaniAls Ausnahmen von dieser generellen Qualifikation werden immerhin erwähnt: • Emmon BACH: Discontinuous constituents in generalized categorial grammars. Proceedings of the llth Annual Meeting of the North Eastern Linguistic Society. S.I—12. Department of Linguistics, University of Massachusetts at Amherst, 1981. • Steven G. LAPOINTE: General and restricted agreement phenomena. The Scope of Lexical Rules, S.I25-159. Dordrecht: Foris, 1981. (LAPOINTE war enger Mitarbeiter von BACH; vgl. auch 4.3.2.)

91

sehe Ablauf innerhalb der formalen Entwicklung tatsächlich zu diesem Ergebnis führen kann - »Taken together, the HFC, the FFP, and the CAP provide the basis for an effective theory of agreement within GPSG«, behaupten die Autoren (1985:93f.) abschliessend selber -, dass aber der Rückgriff auf die Lexik anderseits dem Anspruch entgegensteht, die Theorie sei kontextfrei.7 SAG et al. (1985:153f.) versuchen, die bis dahin erarbeiteten theoretischen Grundlagen der generalisierten Phrasenstrukturgrammatik (GPSG) auf das spezielle Problem der Personenkongruenz bei Koordination verschiedener Personen anzuwenden, gewinnen damit jedoch keine neuen Erkenntnisse. Genau dazu würde man von einer neuen Theorie aber gerne neue Lösungsansätze erwarten. Einmal mehr zeigt sich hier, dass rein formale Ansätze den mit kontextsensitiven Verfahren erreichten Forschungsstand lediglich nachvollziehen. GREWENDORF et al. (1987) kommen im Kapitel Syntax bei der Untersuchung verschiedener Theorieansätze zum Schluss, dass PS-Grammatiken deskriptiv inadäquat seien, da sie das intuitive Wissen über sprachliche Regularitäten nicht erfassten. Eine beschreibungsadäquate Grammatik müsste demnach leistungsfähiger sein als eine blosse PS-Grammatik, d.h. PS-Regeln könnten lediglich eine Teilkomponente der Grammatik bilden bzw. umgekehrt formuliert (1987:195): »Die Kritik an der Adäquatheit der PS-Grammatik muss daher lauten, dass sie prinzipiell zu viele Arten möglicher PS-Regeln zulässt, dass sie also der Art dieser Regeln keine Beschränkung auferlegt oder, wie man auch sagt, dass sie nicht restriktiv genug ist.«

Die Begründung für diese Feststellung liefern die Autoren im Abschnitt 5.3. (1987: 197f.; »Phrasenstrukturgrammatiken und Universalgrammatik«), wo als Resultat teils mathematischer, teils intuitiv begründeter Überlegungen argumentiert wird, dass die Klasse aller möglichen generativen Grammatiken viel zu gross sei, um als Charakteristik spezifisch menschlicher Sprache angesehen zu werden: »M. a. W., was mit Hilfe generativer Grammatiken beschrieben werden kann, ist nicht notwendigerweise eine natürliche Sprache bzw. weist nicht notwendigerweise sprachspezifische formale Eigenschaften auf. (...) Für die Linguistik folgt daraus, dass generative Grammatiken per se noch keine Theorien über Sprachstrukturen sind. Möglicherweise lassen sich solche Strukturen mit ihrer Hilfe zwar beschreiben, wir verfügen jedoch damit weder über eine Theorie des Sprachvermögens, noch über eine Theorie menschlich möglicher Phrasenstrukturgrammatiken. (...) Somit sind wir bei einer klassischen Strategie der generativen Grammatiktheorie angelangt: Der Suche nach Prinzipien, welche die Vielfalt des formal Möglichen auf das biologisch Notwendige beschränken.« (Vgl. dazu auch GREWENDORF 1988:34ff.)

»... agreement is a tough nut for any theory to crack.« MORGAN (1972:278)

Zur Funktion des Kontextes in einer syntaktischen Theorie vgl. SAVTTCH et al. (1987). Der Sammelband enthält Beiträge namhafter Autoren; es werden darin die gegensätzlichsten Standpunkte vertreten.

6. Kongruenz als Normproblem

6. l. Der zweiwenige Ansatz: grammatisch vs. ungrammatisch Auf dem Gebiet der Sprachbeschreibung ist es bei der Grammatikalitätsbewertung1 von Kongruenzerscheinungen allgemein üblich, Kongruenzformen entweder als grammatisch oder als ungrammatisch zu bezeichnen. Es wird davon ausgegangen, dass mit Hilfe der gegebenen Grammatik sämtliche Kongruenzerscheinungen beschreibbar seien, die ein kompetenter Sprecher als sprachlich korrekt einstuft; die Bildung von Kongruenzformen, die ein Sprecher als unkorrekt bzw. ungrammatisch empfindet, darf die Grammatik in keinem Fall erlauben.2 Eine Kongruenzform ist also nur dann grammatisch, wenn sie von der Grammatik dieser Sprache beschrieben wird, d.h. wenn sie den Regeln der Grammatik entspricht; sie ist ungrammatisch, wenn sie dies nicht tut.3 Dass die Grammatik die Ursachen von Ungrammatikalität automatisch mitliefert, scheint dabei als besonderer Vorteil zu gelten, denn die Grammatikalitätsdichotomie grammatisch vs. ungrammatisch ist unvermeidlich gegeben und damit auch folgende Einstellung: Nicht nur müssen für jede grammatische Kongruenzform Regeln in einer Grammatik existieren, die sie generieren, sondern es wird auch automatisch angenommen, dass für jede ungrammatische Form mindestens eine Regel existiert, die sie verletzt. Linguistisch wäre es indessen vorteilhaft und zudem realistischer, von einer ganzen Reihe sprachlicher Gebilde anzunehmen, dass sie weder von der Grammatik generiert werden, noch gegen eine Regel der Grammatik verstossen. Dies würde bedeuten, dass sie weder grammatisch noch ungrammatisch sind, sondern ausserhalb der RegelReichweite liegen. Die Wirklichkeit, die das einfache binäre System abzubilden beansprucht, ist nämlich komplexer.4

6.2. Normierung und Vagheitsbereich Selbst wenn man von vornherein unterstellt, dass der Sprecher in der Lage ist, Kongruenzformen allein unter sprachlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, gibt es neben klaren 1 Nach anderen Terminologien auch Grammatizität bzw. grammatisch. Dieser Ansatz setzt voraus, dass eine Grammatik eine präzise Beschreibung der grammatischen Intuition eines Sprechers darstelle, d.h. dass eine Grammatik eine Kompetenz abbildet, die den Sprecher erst zu seinem regelhaften Sprachverhalten befähigt, auch wenn das Wie noch unklar ist. 3 Vgl. CHOMSKY (1957:13): »Die Grammatik von L ist (...) eine Vorrichtung, die alle grammatischen Folgen (= Sätze) von L generiert und keine der ungrammatischen Folgen.« * Es ist in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung, ob »für geschriebene und gesprochene Sprache im wesentlichen eine einheitliche Grammatik gilt«, wie dies ENGEL (1988: »Praktische Hinweise«) voraussetzt. 2

93

Fällen von übereinstimmend als grammatisch oder als ungrammatisch beurteilten Äußerungen eine ganze Reihe von Fällen, in denen die Reaktionen der Sprecher unsicher oder widersprüchlich sind. 5 So hat ein Sprecher des Deutschen sicher keinerlei Schwierigkeiten mit den Beispielen (1) und (2) - sie sind eindeutig grammatisch bzw. ungrammatisch. Wie steht es aber mit (3) und (4)? Sie scheinen in der Grauzone dazwischen zu liegen; ein hohes Mass an Unsicherheit, dementsprechende syntaktische Variation ist zu erwarten und tritt auch auf: (1) Die Herren zündeten sich eine Zigarre an. (DUDEN 1984:664) (2) 'Der Einspruch gegen eine Anstellung dieser drei bei der British Broadcasting Corporation (BBQ kamen vom britischen Geheimdienst MI5. (SPIEGEL 35/1985,94) (3) a) Hans vereinbarte mit Sabine, einander zu verlassen. b) Peter wurde von sich auf dem Foto nicht erkannt. c) Hans lässt die Müdigkeit sich/ihn Überkommen. d) Damit meinte sie mich, der dazu überhaupt keinen Grund gehabt habe. (4) a) Die Kinder bekamen einen roten Kopf. b) Kommen sehen haben ihn nur wenige. c) Wer hat das Feuer anzünden geholfen?

Variation und Zweifelsfälle in der An von (3) und (4) gibt es zuhauf, dies war bereits in den Anfangen expliziter Grammatikkonstruktionen bekannt. Wie soll sich der Linguist dazu verhalten?^ CHOMSKY (1957:14) gibt dazu folgenden Ratschlag, der als Prinzip der klaren Fälle literaturgängig ist: Man konstruiere seine Grammatik nur auf der Basis der klaren Fälle, ebenso wie sie auch nur danach beurteilt werden kann, ob sie alle eindeutig grammatischen Sätze generiert und alle eindeutig ungrammatischen Konstruktionen ausschliesst. Wenn eine Grammatik dies leistet, kann man ihr auch die Entscheidung über die Zweifelsfälle überlassen: Was sie von diesen mitgcneriert, ist grammatisch, was nicht von ihr generiert werden kann, ist ungrammatisch. In CHOMSKYS Anleitung wird damit implizit festgestellt, dass es im Grunde - d.h. in der Kompetenz - nur eine Grammatikalitätsdichotomie gebe; Variation und Urteilsunsicherheit sind eine Sache der Performanz. Das Prinzip der klaren Fälle scheint an sich unverfänglich.? Die Auswertung von Kap.5 zeigt indessen folgende Situation: Die wirklich klaren Fälle sind im Bereich der Kongruenz mit mehreren Beschreibungshypothesen gleichzeitig verträglich; die Vgl. dazu EDMONDSON (1982:15f.): »Aufgefordert, sich zwischen vorgelegten Beispielsätzen zu entscheiden, werden sich die meisten Sprecher des Deutschen für eine Variante entscheiden und die andere ausscheiden, wobei sie möglicherweise auch die als rieh dg anerkannte als unbefriedigend ansehen. Ob dieses Unbehagen durch Schulbildung, d.h. durch bewusst Gelerntes, das möglicherweise die tatsächlichen Regeln verschleiert, oder durch etwas Tieferliegendes und unbewusst Erworbenes entsteht, ist einstweilen nicht geklärt. Dies wird immer ein Problem darstellen, wenn man Sprachen untersuchen will, die eine lange schriftliche und schulgrammatische Tradition haben. (...) Ein zusätzliches Problem ergibt sich dadurch, dass sehr viele Sätze weder eindeutig akzeptabel noch eindeutig inakzeptabel sind und sich ganz einfach in einer problematischen Grauzone bewegen. Neben zahlreichen Autoren verweist auch BERGENHOLTZ (1985:26) auf die Problematik bei der Auswahl von Belegbcispielen. Genannt werden n amen dich Beispiele ohne Kontext und die tendenziell theoriestützende Interpretation durch den Linguisten. Der Bereich der klaren Fälle - und damit auch der Wirkungsbereich des entsprechenden Prinzips — deckt einen je nach syntaktischer Regel unterschiedlichen, in jedem Fall aber sehr grossen Anteil des Regelungsbedarfes ab.

94

im Sinne dieser Hypothesen ausschlaggebenden Fälle jedoch sind unklar, d.h. sie werden als grammatisch zweifelhaft oder uneinheitlich beurteilt. Damit ist aber das Prinzip der klaren Fälle überfordert: Es wird unmöglich, die Grammatik selbst über die »wahre« Grammatikalität uneinheitlich beurteilter Syntagmen entscheiden zu lassen, denn die klaren Fälle reichen ja gerade nicht mehr aus, die innere Form der Grammatik selbst eindeutig zu bestimmen. Dadurch tritt das Problem grammatischer Variation und Zweifelsfälle wieder in den Vordergrund. Es lässt sich auf verschiedene Weisen angehen: • Die auftretenden Unterschiede werden zur dialektalen oder idiolektalen Variante erklärt und getrennt beschrieben, wobei dann naturgemäss das Problem der Variation entfallt - zweifellos das eleganteste Vorgehen. • Schwankungen in der Beurteilung und Akzeptabilitätsgrade von Sätzen werden auf Performanzgegebenheiten zurückgeführt (besondere Gebrauchssituationen, pragmatische Unwahrscheinlichkeit, Wahrnehmungsbeschränkungen, Verletzung konventioneller Strategien, dazu unterschiedliche Sensibilität einzelner Sprecher gegenüber diesen Faktoren etc.). Beide Möglichkeiten erlauben es, an der im Grunde zweiwertigen Grammatikalitätsauffassung festzuhalten, die Variadon wird aussergrammatisch - unabhängig von der dafür beigebrachten Erklärung. • Als dritte Möglichkeit wird schliesslich erwogen, die Variation innergrammatisch anzusiedeln, d.h. sprachliche Variation als der Grammatik inhärent zu beschreiben, sei es mittels Variablenregeln im Sinne von LABOV (1969:715ff.) oder in Form von squishes bezogen auf Kategorien und Regeln, wie ROSS (1972:303ff.) es versucht. Auch diese Ansätze bleiben letztlich unbefriedigend, denn auch wenn die Grammatik nun neben den klaren Fällen auch Varianten generiert bzw. zulässt, verändert sich lediglich die Grenzziehung innerhalb der bekannten Dichotomic: Jetzt zerfällt die existente Variation in grammatische (d.h. von der Grammatik generierte) und ungrammatische (gegen die Variablenregeln etc. verstossende Variation).8 6.3. Der Wirkungsbereich von Kongruenzregeln Die drei genannten Erklärungsversuche haben ohne Zweifel alle einen plausiblen Kern und damit ihren legitimen Anwendungsbereich, womit sie zusammengenommen ein weites Feld auftretender Variation abdecken. Dennoch lässt selbst deren Kombination dieser Erklärungsversuche noch einen Bereich von Variation und Zweifelsfallen offen. Variation und Unsicherheit bei Sprecherurteilen ergeben sich gerade dann, wenn die internalisierten Regeln der Grammatik über die korrekte Form nichts aussagen, d.h. wenn die Form im Vagheitsspielraum der für sie an sich zuständigen grammatischen Regeln liegt. Weder entspricht die Form dann diesen Regeln noch verletzt sie diese Regeln, ihr Grammatikalitätswert ist unbestimmt.

8

LAKOFF (1973:271ff., speziell 277) rechnet mit einem Wohlgeformtheitskontinuum für Derivationen und ebenso wie ROSS mit fünf Akzeptabilitäts- bzw. Grammatikalitätsgraden.

95

Keinem kompetenten Sprecher der deutschen Sprache fallt es schwer, in den folgenden Sätzen (5) - (7) die kongruierende Verbform richtig und eindeutig zu ergänzen; es tritt keinerlei Variation auf: (5) geht/gehen a) Wer ... als erster? b) Wir ... zuletzt. c) ... müssen alle! d) ... ihr jetzt? (6) mag/mögen a) Sabine ... Schokoladepudding. b) Schokoladepudding ... ich nicht. c) Alle Kinder ... doch Schokoladepudding. (7) wurde/wurden a) Es ... viel gelacht. b) Drei Stunden ... getanzt und gelacht, dann war Pause.

In den Sätzen (8) - (10) tritt Variation auf: (8) ist/sind a) ... Heinz oder Peter zu Hause? b) Drei Daumenabdrücke als Beweismaterial ... zu wenig. (9) geht/gehen a) Entweder keiner oder alle ... . b) Entweder alle oder keiner .... c) Entweder (es) ... alle oder keiner. d) Entweder (es) ... keiner oder alle. (10) wurde/wurden a) Eine grosse Anzahl von Gemsen ... erlegt. b) Insgesamt... ein Dutzend Gemsen erlegt.

Die Sprecherurteile sind in solchen Fällen nach den Beobachtungen von REIS (1979:9) weder einheitlich noch durchweg eindeutig auf eine Numerusform gerichtet. Diese Beobachtungen bestätigen jene, die MORGAN (1972:279ff.) für analoge englische Beispiele notierte. Für Sätze analog zu (9b), (9d) und (10) findet MORGAN die ganze Palette möglicher Reaktionsmuster belegt; auch dieser Befund dürfte fiiir das Deutsche unschwer nachzuvollziehen sein. Ähnliche Unsicherheiten wie bei der Numeruskongruenz des Verbs treten auch bei anderen Kongruenzerscheinungen auf (Beispiele verschiedener Art hierzu bei FlLLMORE (1972:17f.), REIS (1974:l64ff.), BEVER/CARROLL/HURTIG (1976: 162.) Zum Beispiel stellen sich im Englischen ganz ähnliche Probleme bei der Personenkongruenz des Verbs: (11) am/is I, who ... an anarchist, will be here. (12) speak/speaks a) It's I who ... French. b) It's me who ... French. (13) amiit It's I who ... crazy.

Beispiel (11) zeigt, dass die Personenkongruenz auch in wAo-Säoen wie üblich funktionieren kann: Die Verbform richtet sich nach der dem who zugrunde liegenden NP bzw. deren Referenten. Aber dies gilt offenbar nicht immer. Obwohl sich in (12) und (13) das who auf eine NP in der l.Sg bezieht, tritt in (12b) nur speaks auf (vgl. MORGAN 1972:283); in Fällen wie (12a) und (13) ist das Urteil schwankend: MORGAN (ebd.)

96

akzeptiert fiir (12a) speak ohne weiteres; BEVER/CARROLL/HURTIG (1976:162) betrachten in jedem Fall die 3. Person als die bessere von zwei an sich schlechten Varianten. Was bringt nun den kompetenten Sprecher des Deutschen oder des Englischen bei Sätzen wie (8) - (13) in Verlegenheit? Wahrscheinlich dies: Die Kongruenzregcln, die in einer Grammatik verzeichnet sind und die er an normalen Fällen wie (5) - (7) gelernt hat, reichen zur Bewältigung dieser Fälle nicht aus. In dem für Kongruenzregeln normalen Anwendungsfall korrelicren die meisten kongruenzrelevanten Kategorien. Es tritt zum Beispiel bei der entscheidenden Bezugsgrösse, der Subjekt-NP, normalerweise keine Diskrepanz zwischen syntaktischem und referentiellem Numerus auf; syntaktisch koordinierte Subjekt-NPs sind im Normalfall referentiell pluralisch; die Subjekt-NP befindet sich mit dem kongruierenden Verb im gleichen Satz; sie ist die einzige NP, die von der nominativischen Form her als Bezugsgrösse in Frage kommt etc. Geht man entsprechend davon aus, dass auch die in der Grammatik verzeichneten Kongruenzregeln die Korrelation dieser Eigenschaften in irgendeiner Form voraussetzen und nicht je gesondert ausweisen, dann ergibt sich daraus folgendes: Fälle wie (8) - (10), (12), (13) liegen klar im Vagheitsbereich dieser Regel, da in ihnen die normalen Korrelationen nicht gegeben sind: Beispielsweise sind in (8) - (10) die syntaktisch koordinativen Subjekt-NPs referentiell nicht-pluralisch; in (12) kommt mehr als eine nominativische NP vor; in (12b) bzw. (13) hat die referentiell für die Personenkongruenz verantwortliche NP plötzlich nicht mehr die normale nominativische Form bzw. die normale Subjektfunktion etc. Das heisst einerseits: Sätze wie (8) - (10), (12), (13) sind vom Grammatikalitätswert her unbestimmt; weder entsprechen sie einer Kongruenzregel der Grammatik, noch verstossen sie eindeutig dagegen, sie sind einfach nicht vorgesehen.9 Für den Sprecher aber, der sich mit solchen Sätzen konfrontiert sieht - sei es, dass er befragt wird oder dass er unversehens in die Produktion eines solchen Satzes hineingerät — heisst das: Seine Grammatik lässt ihn im Stich. Er kann darauf entweder mit Verweigerung, mit Neuanfang oder mit Ausweichen in eine syntaktisch unverfängliche Paraphrase reagieren, oder aber er kann die von seiner Grammatik offengelassenen Lücken auf verschiedene Weise produktiv ausfüllen, da dies in einem von der Grammatik nicht geregelten Bereich geschieht. Er kann z.B. alle verfügbaren Optionen als grammatisch zulassen oder sie alle als ungrammatisch ausschliessen, oder er kann die in seiner Standardkongruenzregel korrelativen Eigenschaften ad hoc in essentielle und akzidentielle einteilen, Hilfsregeln einführen, die in Standardfällen kaum eine Rolle spielen, z.B. das Proximitätsprinzip (vgl. dazu auch MORGAN 1972:

9 Vgl. dazu HENN-MEMMESHEIMER (1986:341): »Es gibt kodifizierte Regeln und habitualisierte, usuelle Regeln, die als Nonstandard gelten. Nonstandard ist also primär nicht gekennzeichnet durch Regellosigkeit, Fehler, sondern durch Regeln, die keinen Eingang in Standardgrammatiken fanden.« Ähnlich auch BERGENHOLTZ (1985:24): »Realistischer ist es, drei Typen von Sätzen zu trennen: Grammatische Sätze, ungrammatische Sätze und Sätze, die zwar vorkommen, jedoch weder von der Grammatik generiert werden, noch eindeuüg gegen eine Regel der Grammatik verstossen.« Auch VAN DE VELDE (1988:174f.) vertritt die Ansicht, dass im Gegensatz zu okkasionellen Fehlern (vgl. 3.6.2.) für eine Beurteilung struktureller Zweifelsfälle die Dichotomic grammatisch vs. ungrammatisch nicht ausreiche und daher einer »realistischeren«, d.h. einer dreiwertigen GrammatikalitätsaufFassung der Vorzug gegeben werden müsse.

97

28Iff.), das vielfach in (9) befolgt wird. Auf diese Weise entsteht und erklärt sich auch - zufälls- und situationsgeleitet - die oben beobachtete syntaktische Variation.

6.4. Der dreiwertige Ansatz: grammatisch - ungrammatisch - unbestimmt Die Grammatik einer natürlichen Sprache erweist sich damit als unvollständiges System, und zwar in folgendem Sinne: Die grammatischen Regeln x, y, z sind nicht anhand aller und für alle linguistischen Situationen definiert, in denen sie möglicherweise zur Anwendung kommen können, sondern nur je für eine Teilklasse relativ einfacher Strukturen - sozusagen linguistische Normalfalle -, für den Standardbereich Sx von x. Nur auf solche Standardfälle bezogen erlaubt eine Regel klare Grammatikalitätsentscheidungen; die von ihrem Standardbereich abweichenden Fälle liegen im Vagheitsbereich von x, und für diese Vagheitsfölle gilt: Sie sind grammatisch unbestimmt. Anderseits ist die Syntax der Standardfälle, an denen und für die die Regel x einer Grammatik definiert ist, nicht notwendigerweise trivial; z.B. ist die Regel der Verbalkongruenz im Deutschen nicht nur an einfachsten Fällen wie (5) definiert, wo bei der Subjekt-NP syntaktischer wie referentieller Numerus problemlos korrelieren; sie ist auch spezifiziert im Hinblick auf den Fall der mit und koordinierten NPs; ebenso spezifiziert sie im Deutschen im Hinblick auf kollektive Singulare als Subjekt-NPs den Vorrang des syntaktischen Numerus; und sie hat auch vorgesorgt für den im Deutschen nicht eben seltenen Fall, dass sich überhaupt keine nominativische bzw. Subjekts-NP im Satz befindet - alle diese Fälle gehören somit zum Standardbereich dieser Regel. Aber - und das scheint ökonomisch und vernünftig - sie beinhaltet keineswegs von vornherein Lösungen für alle potentiellen Zweifelsfälle. Zum Beispiel bleibt die Kongruenz induzierende NP in der internalisierten Kongruenzregel des Sprechers meist unanalysiert im Hinblick auf eine ganze Reihe korrelativer Eigenschaften bzw. indifferent im Hinblick auf die Interaktion mit anderen syntaktischen Prozessen. Dies verursacht und definiert sozusagen den Vagheitsbereich der betreffenden Regel, somit die Lücken der Grammatik. Diesen Lücken der Grammatik steht der Sprecher nicht unbedingt hilflos gegenüber; er kann versuchen, sie irgendwie zu schliessen. Die Mechanismen und Prinzipien, die er dabei anwendet, gehören nicht seiner eigentlichen Grammatik an, sondern bilden einen eigenen Strategienbereich, den man in Anlehnung an MORGAN (1972:285) patch up grammar, deutsch etwa Flick- bzw. Behelßgrammmatik, nennen könnte. Die Unterscheidung zwischen kodifizierter Grammatik und Behelfsgrammatik ergibt sich aus der obigen Deutung; dass es sich dabei um mehr als einen Ad-hoc-Auswcg handelt, zeigt REIS (1974:l66f).10 Historische Verschiebungen im Verhältnis beider Bereiche sind im übrigen nicht ausgeschlossen. Vgl. dazu BEVERetal. (1976) sowie KRASENINNIKOVA(1977:181): »Die Struktur jeder lebenden Sprache ist evolutionär. Bei allem funktional bedingten Konservatismus enthält sie notwendigerweise neben veraltenden Strukturen potentiell wirksame Bildungen. Man hat demnach zwischen der >fertigen »Der Plural des Verbums pflegt sich da einzustellen, wo eine Pluralform am Subjekt ihn herausfordert, wo dies nicht der Fall ist, da bleibt er eben gelegentlich aus«, formulierte zu seiner Zeit STOELKE (1916:41). Zur diachronen Entwicklung der Numeruskongruenz vgl. BRUGMANN (1925:156).

134 0

0

0

0

0

the 18th and 19th centuries / *the 18th and 19th century das 18. und 19. Jahrhundert the setder's life / the settlers' lives das Leben des Siedlers / das Leben der Siedler diey shook their heads / *diey shook their head sie schüttelten den Kopf / ?sie schüttelten die Köpfe Three beers, please! / 'Three beer, please! Drei Bier, bitte! / ? Drei Biere, bitte! a three-week holiday ein 3-Wochen-Urlaub

Nimmt man hinzu, dass z.B. im Türkischen im Zusammenhang mit der Einzahl und der bestimmten Mehrzahl der Sg des Substantivs, bei unbestimmter Mehrzahl der Pl des Substantivs erscheint, so wird klar, dass der Umfang der Markiertheit der Kategorie Menge von Sprache zu Sprache verschieden ist. Die Merkmale eines Kollektivums - die nicht bestimmte oder bestimmbare Zahl und die nicht strukturierte Gruppe - stehen den Erfordernissen des Plurals zum Teil entgegen, zum Teil laufen sie damit parallel. Aus diesem Grund wird insbesondere bei Kollektiven Kongruenz oft als Sinnkongruenz verwirklicht.27 Das Kollektiv, das eine Menge bezeichnet, die sich aus einer Vielzahl von Objekten zusammensetzt, jedoch unter dem Aspekt der Gruppe, Summe oder Einheit betrachtet wird, verlangt formal zwar den Singular, doch kann der Nebenaspekt, jener der Vielzahl der beteiligten Elemente, der in zahlreichen Fällen latent mitbestimmend ist für die Wahl der Kongruenzform, dominierend werden und eine formale Nicht-Kongruenz zur Folge haben: 0

Eine Reihe von edlen und nüchternen Geistern haben den Rauchtabak verabscheut. (DUDEN 1984:649; zit. Th. MANN)

Da die konkrete Anwendung im Satz also weitgehend über die zu realisierende Kongruenz entscheidet, verteilen sich Sg und Pl entsprechend unregelmäßig. Die einzige generell zutreffende Feststellung scheint darin zu liegen, dass sich die Tendenz zur »logischen« Ausdrucksweise im Laufe der Sprachentwicklung immer mehr durchgesetzt hat - zweifellos ein bemerkenswerter Aspekt der Stilentwicklung und der damit zusammenhängenden Grammatiknorm. Altere Sprachzustände und die Dialekte zeigen hier - wie in manchen anderen Bereichen - einen bedeutend freieren Umgang (vgl. dazu SCHACHINGER 1889:90, DAL 1952:164 und PAUL 1982:407f.). Auch MORAVCSIK (1978:346ff.) konnte mit ihrer Untersuchung keine Regelmässigkeit in der Verwendung der Numeruskongruenz bei Kollektiven nachweisen. Solche Wörter können nach den Beobachtungen der Autorin in allen von ihr untersuchten Sprachen im Sg oder im Pl mit dem Verb und mit dem anaphorischen Pronomen kongruieren, obschon sie formal eindeutig Sg-Kongruenz erwarten lassen. Beim Numerus stehe eben häufig die Idee der Anzahl jener der Quantität gegenüber - dies die abschliessende Erklärung der Autorin. Im Englischen scheint eine echte, systematische Wahlmöglichkeit zwischen den Numeri zu bestehen; dagegen sind im Französischen die Möglichkeiten zur formalen

Diese Gruppe von Wörtern ist von den meisten Grammatikern und Stilisten, die sich mit diesem Aspekt der Kongruenz - meist unter dem Titel der Syllepse - befasse haben, ausführlich beschrieben und reich mit Beispielen belegt; vgl. z.B. KÜHN (1982:84ff.).

135

Inkongruenz besonders beschränkt.28 Damit erklärt sich auch die allgemeine Anweisung der meisten Grammatiken, Subjekt und Vb fin stimmten hinsichtlich der grammatischen Zahl, dem Numerus, »in der Regel« überein. KALMAN (1978:682) hat festgestellt, dass der indogermanische Sprachgebrauch in Bezug auf die Numeruskongruenz zwar häufig redundant sei, • Zwei Subjekte im Sg - Prädikat im Pl: * Die Elster und der Rabeflogenweg. • Ein Subjekt im Sg, eines im Pl - Prädikat im Pl: * Der Vater und feine beiden Söhne machten sich auf den Weg. * Die Fenster und die Tür «W offen geblieben. • Zwei Subjekte im Pl - Prädikat im Pl: * Nur Männer und Knaben waren zugelassen.

dass aber gerade deshalb ein Regelkonflikt immer dann zu erwarten sei, wenn sich logische und grammatische Kongruenz nicht deckten. MORAVCSIK (1978:343) ist sogar der Ansicht, dass die Numerusmarkierung von Substantiven genau so wenig aussage bezüglich des an der kongruierenden Konstituente erkennbaren Numerus wie beim entsprechenden Genusproblem. Als konkrete Problemgebiete der Numeruskongruenz erwähnt VAN DE VELDE (1988: 172ff.) die Kollektive, insbesondere • Koordination und Pseudokoordination (vgl. 7.13.3., 7.1.3.4.) • Kombination mit einer Apposition (vgl. 7.1.3.1., Ziff.5; 7.1.3.2., Ziff.6.7; 7.1.3.3.; 7.3.2.2., Ziff.2) • Verbindungen mit einem Mengen- oder Massbegriff (vgl. 7.1.3.1-, Ziff.2,3; 7.1.3.2., Ziff.2; 7.2.1.2.. Ziff.3)

MORAVCSIK (1978:346) ergänzt die Liste noch durch Komitative (vgl. 7.1.3.1., Ziff.6). Gemeinsam ist diesen Problemfällen, dass im Subjekt die normalen Korrelationen von Eigenschaften - insbesondere zwischen syntaktischem und referentiellem Numerus - nicht gegeben sind und der Sprecher daher oft nicht weiss, ob er nach grammatischen Gesichtspunkten oder nach dem Sinn zu entscheiden hat. Von zahlreichen Autoren (vgl. z.B. MORAVCSIK 1978:345) werden dazu die - nachgerade als klassisch zu bezeichnenden - Beispiele von BLINKENBERG (1950:29) angeführt, 0 0

Mafamille et tienne est tres connuf dans la region. Mafomille et L· tienne sont tres connua dans la region.

wo bei referentieller Nichtidentität keine Pl-Markierung erscheinen darf, da wegen des entsprechenden Bedeutungsunterschiedes gar keine Numeruswahl mehr besteht. Ob die Unsicherheit bei der Wahl der korrekten Kongruenzform dadurch vergrössert wird, dass auch in und unter grossen Grammatiken in bestimmten Fällen keine Einheitlichkeit bei der Beurteilung besteht, ist hier nicht zu entscheiden. Aufschlussreich ist indessen eine Durchsicht der bis heute erschienenen 4 Auflagen der DUDENGrammatik, wo ein vermehrt deskriptiver Ansatz unverkennbar ist. Beispiele werden 28

Eines der wenigen Beispiele: La flupart s arritent MOL premiers rermes des deVeloppements de leur pensee. Toutc la vie de leur esprit n'aura ivt faite que de commencements. (Paul VALERY).

0

136

kaum mehr als richtig oder falsch bezeichnet, sondern vermehrt als üblich, selten, seltener, gelegentlich, auch, aber auch, auch möglich, neben, standardspr. (standardsprachlich), atttagsspr. (alltagssprachlich) und ugs. (umgangssprachlich); ebenso ein Vergleich der aktuellen DUDEN-Grammatik (1984:648ff.) mit dem Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten von DÜCKERT/KEMPCKE (1984:276ff.), das an einer strikt normierenden Sprachregelung festhält. 7.1.3.1. Subjekt im Singular Normalerweise beeinflusst eine das Subjekt näher bestimmende Gruppe die SubjektVerb-Kongruenz nicht. Es ist jedoch unverkennbar, dass ein Plural als Bestimmungsgrösse des NP-Kerns die Tendenz verstärkt, Kongruenz mit dem Vb fin durch den Plural herzustellen.2? Im Englischen ist diese Form des Kongruenzbezuges zum Teil grammatikalisiert, im Deutschen ist dies »öfters in der älteren, selten in späterer Zeit« (BEHAGHEL 1928:7) zu beobachten - eine Lösung, die der überall dominierenden Tendenz zur Sinnkongruenz und zur Kongruenz mit dem nächstliegenden Ausdruck entspricht, im Deutschen jedoch nach wie vor als ungrammatisch gilt: 0

*.., darum erzählt sie aller Welt von der Unmasse unbeheizter Pracht, die sich hinter der zehn Zimmer kleinen Fürstenwohnung in St. Emmeram, dem Schloss in Regensburg, tagelang abwandern Hessen. (SPIEGEL 8/1986, 215)

Wenn die nähere Bestimmung des NP-Kerns aus mehreren Teilen besteht, kann der Sinn der ganzen Gruppe mehrdeutig werden, so dass die formal logische Kongruenzverknüpfung keine Hilfe zum Verständnis bietet. In einem solchen Fall bestimmt einzig der auszudrückende Sinn den Kongruenzbezug: 0

Der Freund des Solisten und jener des Dirigenten wird/werden auch da sein.

Im einzelnen lassen sich folgende Zuordnungen treffen:

/. Ist der Kern des Subjekts eine Mass- oder Mengenangabe in der Einzahl (Kilo, Pfund, Gramm etc.), erscheint praktisch ausschliesslich die Sg-Form beim Prädikat, und zwar unabhängig davon, ob die Stoffbezeichnung fehlt oder in der Einzahl nachfolgt (vgl. DÜCKERT/KEMPCKE 1984:277; DUDEN 1972:400, 1973:604, 1985:406; HELBIG/BUSCHA 1988:32; HEUER 1988:144): Die Menge stürmte aas Rathaus. (DUDEN 1972:400) Gewiss würden eine Menge die Gelegenheit benutzen (DUDEN 1973:604; zit. A. ZWEIG) am Unfallort stand dichtgedrängt eine Menschenmenge (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:277)

Ein Pfiind Speck wurde gekocht. (DUDEN 1972:399,1985:406) Eine Menge Holz wurde geliefert. (HELBIG/BUSCHA 1988:32) Ein Gramm Paprika reichte. (HEUER 1988:144)

2. Steht die Stoffbezeichnung im Plural, gehen die Ansichten über die Norm auseinander, und es werden Beispiele für beide Numerusformen beigebracht. Der Plural des Prädikats scheint vor allem dann häufig zu sein, wenn die Stoffbezeichnung als enge Apposition im gleichen Fall wie das Bezugswort steht. Inwieweit die topologische Distanz zwischen Mengenangabe und Stoffbezeichnung die Wahl des Numerus beim Prädikat (mit-) bestimmt, ist bisher nicht zuverlässig untersucht worden. Für 29 Zum Problem der quantifizierenden Nomina im Deutschen vgl. LÖBEL (1986).

137

SCHULZ/GRIESBACH (1978:335), DÜCKERT/KEMPCKE (1984:278), DUDEN (1972:400, 1973:603, 1985:407) und GRIESBACH (1986:76) kann die Form des Vb tin in diesem Fall Sg oder Pl sein, je nachdem, ob die Personalform des Vb fin auf das Nomen oder auf die Mass- bzw. Mengenangabe bezogen wird. Pluralisches Prädikat entspricht einer Synesiskonstruktion, da der Plural des Stoffhamens nach DUDEN (1972:400, 1985:407) die Vorstellung einer Mehrzahl hervorrufe: o Ein Kilogramm Linsen reicht für die Suppe. (Aber auch:) Ein Kilogramm Linsen reichen nicht aus. (DUDEN 1972:400) o Ein Kilogramm Linsen reicht (gelegentlich: reichen) aus für die Suppe. (DUDEN 1973:603,1984:649) 0 Ein Kilogramm Linsen reicht/reichen nicht aus. (DUDEN 1985:407) 0 Ein Kilogramm dieser Linsen kosten 2,50 DM. (DUDEN 1972:400; 1985:407:... fesselten:) *«* 2,50 DM.) 0 Ein Kilogramm Birnen kostet! lei. (SAVIN 1985:218) 0 Ein Kilogramm Äpfel genügt (gelegentlich: geniigen) für den Schlankheitstag. (HEUER 1988:144) " Ein Pfund Äpfel tostet/kosten jetzt sechzig Pfennig. (SCHULZ/GRIESBACH 1978:335) 0 Ein Pfund dieser schönen Erbsen kostet (selten: körten) 1,20 DM. (DUDEN 1973:603,1984:649) « Das Pfund Tomaten kettete noch l DM. (SCHANEN/CONFAIS 1986:107) o Ein Pfund Linsen *es ist etwas vorhanden< (...). Dann folgt (...) nach einer Pause des Besinnens die Aufzählung der Gegenstände: Fässer, Ballen usw. Ebenso natürlich, wenn feststeht, dass etwas abhanden gekommen ist (...).« Ähnlich die Erklärung von BRUGMANN (1925:154f.) für die Voranstellung des Verbs und die Verwendung der 3.Sg trotz nachfolgendem pluralischem Subjekt: 0

0

Als Härtematerial wird empfohlen: Tapio Holzzement Duran (DUDEN 1972:404, 1973:607,1984:652, 1985:411) Vorausgesetzt, dass uns ein entsprechender Antrag der Vcrsicherungsnehmerin eingereicht wird, beträgt die prämienfreie Versicherungssumme 398,40 DM der Rückkaufswert 119,80 DM das Dividendenguthaben 210,35 DM (DUDEN 1972:404,1973:607,1984:652,1985:411)

Korrelative Reihung

1. Wenn singularische Subjektteile durch die anreihend kopulative Konjunktion nicht nur - (sondern) auch verbunden sind, erscheint das Vb fin meist im Sg; mit dieser Verbindung wird der einzelne Subjektteil besonders betont (vgl. H A M M E R 1973:289; DUDEN 1972:407, 1973:609, 1984:654, 1985:414; HELBIG/BUSCHA 1988:30; ENGEL 1988:745). HEUER (1988:142) hält den Pl auch for richtig; für JUNG (1988:56) »steht das Verb meist im Plural«, ebenso für £GUR (1973:262): 0 0

0

0 0 0

0

0

Nicht nur meine Schwägerin, sondern auch meine Nichte werden kommen. (2GUR 1973:262) Nicht nur der jüdische Tischler Emanuel Blatt, auch ein Widerstandskämpfer ... hat sich in das Kloster geflüchtet. (DUDEN 1972:407, 1973:609, 1984:654, 1985:414; zit. BILD und FUNK 14/1966, 49) Bisher hat nicht nur der US-Präsident, sondern auch Rotchina gewissenhaft jeden Schritt vermieden, der... (DUDEN 1972:407, 1973:609,1984:654, 1985:414; zic SPIEGEL 25.4.1966, 131) Nicht nur Hanna, sondern auch Oskar »«gekommen (ENGEL 1988:745) Nicht nur er, sondern auch seine Frau war im Urlaub. (HELBIG/BUSCHA 1988:30) Im 18. Jahrhundert wurde nicht nur der Obst-, Kraut- und Milchhandel, sondern auch der Weinhandel, ja sogar die Gant auf dieser Brücke abgehalten. (HEUER 1988:142) Nicht nur der deutsche Wirtschaftsminister, auch der amerikanische Staatssekretär hatten Vorbereitungen für die Sitzung im November getroffen. (HEUER 1988:142) Nicht nur die Aufgabe, vor dem Schreiben genau nachzudenken, sondern auch die Pflicht, das Geschriebene sorgfaltig durchzuarbeiten, werden oft vernachlässigt. (JUNG 1988:56)

166

Bei teilweise bejahten, teilweise negierten Subjekten, die durch die adversative Verbindung nicht - sondern abgegrenzt werden und einen ausschliessenden Gegensatz signalisieren, besteht keine einheitliche Grammatiker-Meinung. Für GRIESBACH (1986:166), HELBIG/BUSCHA (1988:31) und JUNG (1988:56) richtet sich der Numerus des Vb fin nach dem bejahten Subjekt; ZGUR (1973: 262) hält den Sg für die korrekte Form. Der Proximitätseinfluss des näherstehenden Subjektteils macht sich hier allerdings mit zunehmender Satzlänge im Numerus des Vb fin bemerkbar 0 0

0

0

0

0

0 0

0

Nicht der Vater, sondern die Mutter hat es erlaubt. (ZGUR 1973:262) ..., dass nicht die Tochter, sondern der Sohn auf die Anklagebank gehört. (DUDEN 1972:407,1973:610,1984:654,1985:414) Nicht ich habe dich um eine Gefälligkeit gebeten, sondern mein Bruder. (GRIESBACH 1986:166) Nicht die Regierung, sondern die Gewerkschaften selbst haben den Lohnstopp vorgeschlagen. (SCHANEN/CONFAIS 1986:107) Nicht seine Fähigkeiten, sondern seine Ausdauer hat ihm geholfen. (HELBIG/BUSCHA 1988:31) Nicht etwa die korrekte Erfüllung der Bürgerpflicht, sondern die Suche nach dem jungen Mann stand im Mittelpunkt des Interesses. (HEUER 1988:143) Aber nicht der Verstand, sondern die Leidenschaft regiert &kreative Gruppe< von Textern und Graphikern zuständig. (DUDEN 1972:407, 1973:610,1984:655, 1985:414; zit. SPIEGEL 17.1.1966,43) Die tatsächliche sowjetische Kräfteverteilung sowie die Präsenz der Atomwaffen in Ost und Westfiihren uns zu einem Lagebild, ... (DUDEN 1972:407, 1973:610,1984:654, 1985:414; zit. SPIEGEL 21.11.1966, 44)

In solchen Gruppen ist es besonders schwierig, eine Grenzlinie zu ziehen. Ob der letzte Ausdruck einer koordinierten Gruppe als sekundärer Aspekt, als gleichwertige Ergänzung oder als zusammenfassendes Element und damit als Ersatz vorhergehender Subjektteile, der allein den Numerus des kongruierenden Vb fin bestimmt, zu bewerten ist, bleibt oft Ermessensfrage, denn in Ermangelung eindeutiger formaler Kriterien bleiben nur Überlegungen zum inneren Verhältnis zwischen den koordinierten Ausdrücken als Entscheidungskriterien, und solche sind logischer und semantischer Natur. Inwieweit die Wortstellung dabei die Kongruenzform im Vb fin zusätzlich beeinflusst, ist bisher nicht untersucht worden. Es hat sich gezeigt, dass mehrere Subjektteile nicht automatisch mit der Pl-Form des Vb fin kongruieren; das Kongruenzmuster ist im Gegenteil vielfältig und lässt sich nicht durch feste Zuordnungen fassen.47 In Umkehrung der Reihenfolge der vorstehenden Problembehandlung kann deshalb lediglich versucht werden festzustellen, wann das Vb fin - entgegen der Erwartung - im Sg erscheint: a) Substanzeinheit (Plural der Qualitäten) 0

Mein Freund und Arbeitskollege ist damit einverstanden.

b) Einheit der Vorstellung 0

Das Für und Wider ist hier nicht klar zu trennen.

Nach den Beobachtungen von MORGAN (1972:280f.) steht die Struktur des Satzes bei der Wahl der Kongruenzform im Vb fin in Konkurrenz zum syntaktischen Bezug. Ausser Beispielen von möglichen Veränderungen beim «-Einschub wird der Ansatz aber nicht weiter ausgeführt. 0 A man and a woman are in the room. 0 There was a man and a woman in the room.

173

c) Parenthese 0

Das Deutsche, wie auch das Englische, ist eine westgermanische Sprache.

d) Ersetzung 0

Wahrscheinlich wird Hans, bestimmt aber Peter hingehen.

e) Logischer Ausschluss einer Mehrzahl 0

Weder diese Frau hier noch jene dort ist ihre Mutter.

f) Wahl zwischen Möglichkeiten 0

Weder das eine noch das andere trifft zu.

g) Nachträgliche Anfügung 0

Das ist das Glück und die wahre Freiheit.

7.1.3.4. Kongruenz bei Koordination von Sätzen Ein Kongruenzproblem, das eine separate Betrachtung erfordert und auf das hier nur am Rande einzugehen ist, kann die Koordination von elliptisch verkürzten Sätzen mit gemeinsamem Vb fin bieten, wenn das gleichlautende Prädikat oder Prädikatsteile ausgelassen sind.48 Da sich zahlreiche Grammatiker zu dieser syntaktischen Erscheinung gar nicht äussern, ist die nachfolgende kurze Übersicht entsprechend unvollständig. Beispiele lassen sich in grosser Zahl finden, bei der syntaktischen Einordnung und ihrer Wertung lässt sich den Grammatiken mit Ausanahme von DUDEN (1972:408, 1973:611, 1984:655,1985:413) und HEUER (1988:141) jedoch wenig entnehmen: Das gemeinsame Vb fin steht vor den Subjekten: 0

0

0

0 0 0

0 0

Ich zog die Schublade heraus, links lag ein Stoss Schreibmaschinenpapier, rechts (lag) Durchschlagpapier, dahinter (lag) eine Mappe mit Kohlcpapier. (DUDEN 1972:408, 1973:611, 1984:655; zit. KREUDER; 1985:413: Links lag ein Stoss Papier, rechts (lag) ein Taschenmesser, dahinter (lag) ein Mäppchen.) Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/3, der Beklagte (trägt) 2/3. (DUDEN 1985:413) Bei einem Unfall wurde der Fahrer getötet und (wurde) der Beifahrer verletzt. (DUDEN 1972:408,1973:611,1984:655; 1985:413: Bei dem Unfall...) Im übrigen wird die Klage ab-, die Berufung (wird1) zurückgewiesen. (DUDEN 1985:413) Bei dem Überfall wurde eine Person getötet und wurden drei verletzt. (HEUER 1988:141) Zu jener Zeit wurde mehr Getreide angebaut und (wurde) mehr Holz verarbeitet. (HEUER 1988:141) Im Jahr 1982 ttiegder Export um 8% und der Import um 7%. (HEUER 1988:141) haben doch soeben das amerikanische Repräsentantenhaus eine Hundert-Millionen-Dollarhilfe den Contras gewährt und fast gleichzeitig der internationale Gerichtshof in Den Haag die US-Unterstützung für die Anüsandinistcn verurteilt. (RHEINISCHER MERKUR, 4.7.1986, 1)

Vgl. dazu KOHRT (1976). EISENBERG (1986:274) zeigt, dass die Kongrucnzregel - koordinierte nominale Subjekte kongruieren mit dem Vb fin im Pl - Nominativ-bezüglich ist und nicht Subjekt-bezüglich und dass Sätze hinsichtlich Numerus nicht markiert sind. ORTNER (1987) erkennt in elliptischen Konstruktionen generell kein Kongrucnzproblem. SCHREITER (1985/ 86:331 ff.) äussert sich allgemein zur Syntax der Koordination. Die Erweiterung des Pl-Begriffs auf nebengeordnete Sätze wird mit dem fliesscnden Übergang von der Nebenordnung von Satzgliedern zur Nebenordnung von Sätzen erklärt.

174

Das gemeinsame Vb fin folgt den Subjekten: 0

jene Szenarien für die Übergabe der Verschleppten, die Unterhändler Wischnewski mit den Sandinistcn und der Genscher-Vertraute Jansen mit den Rebellen-Chefs in Honduras ausgehandelt hatten (SPIEGEL 25/1986, 117)

Wenn mehrere Subjekte nacheinander in Erscheinung treten und sich die Aussage auf jedes einzelne Subjekt bezieht, muss nach Ansicht von HEUER (1988: 141) Koordination von Sätzen angenommen werden; im Vb fin erscheint der Sg: 0 0

Der eine und der andere winlsidi vielleicht noch melden. (HEUER 1988:141) Und ein Arm und ein glänzender Nacken wirdbloss. (HEUER 1988:141; zit. SCHILLER)

Gelegentlich wird in zusammengefassten Sätzen von zwei Modal- oder Hilfsverben eines ausgelassen, obwohl die beiden Verbformen im Numerus nicht übereinstimmen (vgl. DUDEN 1972:224, 1973:587, 1984:637, 1985:224; HEUER 1988:140f.): 0 0

0

0

'Dann müssen die Fehlerquellen gesucht und Abhilfe geschaffen werden. (DUDEN 1972:224) Dann müssen die Fehlerquellen gesucht und es muss Abhilfe geschaffen werden. (DUDEN 1985:224) *Die Kontrolle wurde verstärkt und in einem Monat zehn Schmuggler verhaftet. (DUDEN 1984:637) "Wenn du geholfen und ihr ihn unterstützt hättet... (HEUER 1988:141)

Wenn im Satz jedoch ein Hilfsverb der 3.P1 erscheint, so kann nach HEUER (1988:141) ein gleichlautendes Hilfsverb in der 3.Sg weggelassen werden: 0 0 0

Die Teppiche wurden zusammengerollt und der Schrank weggeräumt. (HEUER 1988:141) Nach dem Essen werden die Geschenke verteilt und ein Lied gesungen. (HEUER 1988:141) Als die Musik verklungen und die Kerzen verlöscht waren. (HEUER 1988:141)

7.2. Die Kongruenz im Gleichsetzungssatz In 3.2. wurde festgestellt, dass grammatische Kongruenz zwingend die Möglichkeit der morphologischen Variation voraussetzt. Im Gleichsetzungssatz werden sämtliche Kongruenzkategorien im prädikativen Teil des Satzes relevant. Es zeigt sich zudem, dass die Aussage-Intention Konstruktionen herbeiführen kann, die die Syntax strapazieren, da die Gleichsetzung syntaktisch oft nur unbefriedigend gelingt: 0 0 0 0

Die Chinesen sind eine freundliche Nation. (Kollektion; oft kontrovers) Jede Katze ist ein Raubtier. (Korrespondenz, Kategorienbildung) Die Zahl Pi ist annähernd zweiundzwanzig Siebtel. (Äquivalenz) Der Schuldige ist eine Frau. (Identität; häufig Problem Genus - Sexus)

Das Nomen im Gleichsetzungsnominativ wird in keinem dieser Beispiele durch das Subjekt morphologisch bestimmt. Da zudem im Deutschen Adjektive und Partizipien in prädikativer Stellung keine subjektbezügliche Veränderlichkeit zeigen, bleibt das eigentliche Feld der prädikativen Kongruenzbezüge auf die Verben beschränkt.49 49 EISENBERG (1986:93) stellt fest, dass sich der Kopulasatz in der Konstituentenstruktur nicht vom Subjekt-Prädikat-Objektsatz mit Vollverb unterscheide; der Unterschied liege vielmehr in der Markierungsstruktur. Tatsächlich laufen im Vollverb-Satz alle syntagmatischen Beziehungen der unmittelbaren Konstituenten des Satzes beim Verb zusammen. Das Kopulaverb dagegen sichert lediglich die Zweistelligkeit und ist im Bezug auf Person und Numerus auf das Subjekt abgestimmt, es bestimmt aber nicht, welche Form das Subjekt hat. Syntaktisch bestimmt wird das Subjekt vielmehr vom Prädikatsnomen, so dass sich Kopula und Prädikatsnomen die Aufgaben teilen,

175

Immerhin gibt es auch in prädikativer Stellung eine Kategorie von Wörtern - die nach Genus undifferenzierten Wörter für Personcnbezeichnungen -, die Veränderbarkeit zeigen. Fälle wie die folgenden befinden sich jedoch an der Grenze der kongruenzrelevanten Probleme: 0 0

Dolmetscher ist heute Fräulein Ganz. Erfolgreiche Bewerber waren alles Frauen über 25 Jahren.

Nach welchen Kriterien verändert sich das Prädikatsnomen im Gleichsetzungssatz? Trotz vehementer feministischer Kritik (vgl. 3.3.2.3.) gilt für die meisten Grammatiker nach wie vor, dass die maskuline, unmarkierte Form eine weiter gefasste Bedeutung hat, zudem eine allgemeinere und abstraktere als das markierte Femininum. In der Variation der Wortform ist zudem oft eine zusätzliche latente Sinnvariation enthalten. Dies fuhrt in zahlreichen Fällen in die Grenzzone zwischen Morphosyntax und Morphosemantik 0

Die Mutter ist der erste Lehrer ihres Kindes.

Lehrerin wäre hier gewiss möglich, brächte jedoch einen zu professionellen Aspekt in die Aussage, die dann eine intuitive Extrapolation künftiger weiblicher Ausbildungsberechtigter implizieren könnte. Die allgemeinere und abstraktere Bedeutung des Substantivs Lehrer gegenüber Lehrerin findet in diesem Fall also absichtlich Verwendung. Kongruenzprobleme können auf dieser Stufe oft gar nicht nach formalen Kriterien gelöst werden; entscheidend für die Satzkonstruktion bleibt die Intention der Aussage - es gibt kein eindeutiges Kongruenzerfordemis.50 7.2.1. Person und Numerus des satzkonstituierenden Verbs

7.2.1.1. Person

Im Bereich des Gleichsetzungssatzes werden zum verbalen Kongruenzbezug verschiedene Ansichten vertreten. Eine eindeutige Zuordnung der syntaktischen Funktion (Subjekt, Prädikatsnomen) gelingt trotz verschiedener Identifikationsverfahren in vielen Fällen nicht. HE1DOLPH et al. (1984:253) sind der Ansicht, dass sich die Verbkongruenz nach dem Prädikativ richtet, »wenn dieses gegenüber dem Subjekt reicher charakterisiert ist« (z.B. Pl gegenüber Sg, 1. oder 2. Pers. gegenüber 3. Pers.). HELBIG/BUSCHA (1988:285) vertreten die Ansicht, dass Gleichsetzungsnominative, die »sogar den gleichen Bezugsgegenstand in der aussersprachlichen Wirklichkeit«, jedoch unterschiedlichen Satzgliedwert haben, immer durch Kongruenz anzeigten, welcher der beiden Nominative der Subjektsnominativ sei. Somit würde - dies die Folgerung durch Umkehrschluss - einzig die Personalform des Subjektsnominativs mit dem Vb fin kongruieren. HEIDOLPH et al. (1984:253) gehen von der Platzfestigdie das Vollverb allein erfüllt. Verglichen mit dem Vollverb ist die Stellung des Kopulaverbs also schwach, verglichen mit dem Objekt ist die Stellung des Prädikatsnomens dagegen stark. 50 EISENBERG (1986:54) lehnt es ab, übereinstimmende Kategorien bei Subjekt und substantivischem Prädikatsnomen in Kopulasätzen als Kongruenz zu bezeichnen; seiner Ansicht nach liegt lediglich Kategorienidenütät vor.

176

keit des Prädikativs aus und stellen fest, dass in vielen Sätzen die Verbkongruenz vom Prädikativ und nicht vom Subjekt abhänge. BÜNTING/EICHLER (1982:62) und HEUER (1988:123f.) folgen der Regel, wonach sich das Subjekt in Zweifelsfällen mittels Infinitivprobe feststellen lasse (Verwandlung der Personalform des Prädikats in einen Infinitiv; was wegfallt ist Subjekt): 0

Der Postbote bringt dem verliebten Mädchen einen Brief. (BÜNTING/EICHLER 1982:62) Infinitivprobe: dem verliebten Mädchen einen Brief bringen Subjekt: der Postbote ° So kam er mit einem blauen Auge davon. (HEUER 1988:124) Infinitivprobe: Mit einem blauen Auge davonkommen Subjekt: er

Da der Gleichsetzungsnominativ (auch: prädikative Nominativ) bei dieser Probe nicht wegfällt, sollte eine eindeutige Aussage über das jeweilige Subjekt möglich sein: ° Das warstdu. (HEIDOLPH et al. 1984:253) Infinitivprobe: Das sein Subjekt: du o Sie ist Schriftsetzerin. (HEUER 1988:125) Infinitivprobe: Schriftsetzerin sein Subjekt: sie

Oft ist aber die Infinitivprobe nicht eindeutig durchzuführen, weshalb sich auch keine eindeutige Aussage über den Subjektsnominativ ergibt: o Das sind meine Brüder. (HAMMER 1973:384) Infinitivprobe: Das sein? meine Brüder sein? Subjekt: Daß), meine Brüder^

7.2.1.2. Numerus /. Die Verbform scheint sich im Numerus grundsätzlich nach dem Subjekt zu richten (vgl. DUDEN 1972:410, 1973:611, 1984:656, 1985:415 ; HEUER 1988:146; JUNG 1988:56). Solange in keiner Funktion ein Pl auftritt, bleibt die Kongruenzfrage irrelevant: Dürer «/«rein berühmter Maler. (JUDE/SCHÖNHAAR 1975:222) Mein Vater «f Lehrer. (BÜNTING/EICHLER 1982:76) Meine Mutter ist Lehrerin. (BÜNTING/EICHLER 1982:76) Ilse «f Apothekerin. (DUDEN 1973:611, 1984:656) Die Lärche «t ein Nadelbaum. (DUDEN 1972:410, 1985:415) Einmal ist keinmal. (HEUER 1988:125)

Der Pl scheint sich im Vb fin gegenüber dem Sg generell durchzusetzen, sobald eines der Gleichsetzungsglieder eine Pl-Form aufweist oder ein mehrgliedriges Gleichsetzungsglied vorliegt (vgl. DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286; DUDEN 1972:410, 1973:611, 1984:656, 1985:415; HELBIG/BUSCHA 1988:33). Für HEUER (1988:146) erscheint im Vb fin immer dann Pl, wenn der prädikative Nominativ im Pl steht; JUNG (1988:58) ist genau gegenteiliger Ansicht: der Pl stehe immer dann, wenn das Subjekt im Pl steht. Dabei wird implizit davon ausgegangen, dass Subjektsnominativ und Gleichsetzungsnominativ in jedem Fall identifizierbar sind: 0 0

wer «W diese Leute? (VAN DAM 1972:17) Die Ladung waren Kisten. (HEIDOLPH et al. 1984:253)

177 0

Meine Eltern sind unermüdliche Wanderer. (BÜNTING/EICHLER 1982:76) Beide Männer «W Angestellte. (DUDEN 1972:410, 1973:611, 1984:656; 1985:415: Beide Frauen «W Angestellte.) 0 Besonders Rechtschreibfehler waren ihm ein Greuel. (DUDEN 1972:410.1985:415; 1973:611, 1984:656:... waren ihm immer ein Greuel.) 0 Diese Prüfungen «Wfür ihn eine Bewährung. (HELBIG/BUSCHA 1988:33) 0 Ein Drittel des Urlaubs waren Regentage. (HELBIG/BUSCHA 1988:33) 0 Die Appenzeller «Wein witziges Völklein. (HEUER 1988:146) o Eine englische Meile find 1609 Meter. (HEUER 1988:146) 0 Das «W seine einzigen Kleider. (HEUER 1988:146) ° Die Hälfte waren Welschschweizcr. (HEUER 1988:146) 0 Eine grossc Anzahl unserer Abonnenten «W Amateurphotographen. (HEUER 1988:146) 0 Mehr als ein Drittel von ihnen waren Schwarze. (HEUER 1988:146) 0 Viele Jungen heissen Peter. (JUNG 1988:58) 0 Diese Äpfel sauf ein Hochgenuss. (JUNG 1988:58) 0

2. Wird ein pluralisches Substantiv zum metasprachlichen Objekt, erscheint das Vb fin nach übereinstimmender Ansicht der beiden dazu aussagenden Grammatiker im Sg (vgl. DUDEN 1972:410, 1973:611, 1984:656, 1985:415; JUNG 1988:57): 0

0

»Häuser« iitiheisst (nicht korrekt: sindlheusen) der Plural von »Haus«. (DUDEN 1972:410; 1973:611, 1984:656: »Häuser« ist (heisa) der Plural von »Haus«.; 1985:415: »Häuser« ist/heisst (nicht: sindf heissen)...) »Männer« ist ein Plural. (JUNG 1988:57)

Unter 7.1.2.2., Ziff.5, wurde daraufhingewiesen, dass der pluralische Titel eines Buches, einer Zeitung, eines Theaterstücks oder dgl. als Subjekt oder die Abkürzung eines Pluralbegriffs (USA, SBB) in der Subjektstelle ein Vb fin im Pl verlange: 0

»Die Räuber« haben immer eine starke Wirkung auf die Jugend ausgeübt.

Als metasprachliche Einheit hingegen kongruiert ein solcher Ausdruck nach Auffassung von DÜCKERT/KEMPCKE (1984:285) und von DUDEN (1972:410, 1973:611, 1984:656, 1985:415) vorwiegend mit dem Sg des Vb fin, insbesondere wenn die Vorstellung einer Einheit bestimmend sei und diese durch ein singularisches Gleichsetzungsglied gestützt werde: ° sein erstes grosses Werk war (niche waren) »Buddenbrooks« (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:285) 0 »Die Räuber« heisst ein Drama von Schiller. (DUDEN 1972:410,1973:611,1984:656, 1985:415) 0 »Die Verdammten« (rtcin Roman, der viel Aufsehen erregt hat. (DUDEN 1972:410,1973:611,1984:656,1985:415) 0 »Hermann und Dorothea« ist unsere nächste Lektüre. (DUDEN 1972:410, 1973:611, 1985:415; 1984:656: »Pioniere in Ingolstadt« ist...) 0 »Träume sind Schäume« «fein altes Sprichwort. (DUDEN 1972:410, 1985:415)

DÜCKERT/KEMPCKE differenzieren noch dahingehend, dass sich ein solcher Titel wie ein gewöhnliches Substantiv im Pl verhalte, wenn er mit vorangestelltem Artikel erscheine: 0

das erste Drama Schillers waren »Die Räuber« (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286)

3. Für Zahl- und Mengenangaben wurde in 7.1.2.2., Ziff.l, vermerkt, dass Zahl und Gezähltes als Einheit aufgefasst werden kann und daher pluralische Angaben mit Masseinheiten als Subjekt häufig mit dem Sg des Vb fin verbunden werden. Da die syntaktischen Rollen der Gleichsetzungsglieder Subjekt und Prädikatsnomen trotz

178

verschiedener Identifikationsbemühungen mittels Stellungs- und Umformungsproben oft nicht eindeutig zu identifizieren sind, schwankt der Numerus des Vb fin entsprechend: 0

0

Tausend Kilogramm ist (neben: sind) ein grosses Gewicht. (DUDEN 1972:410,1973:611,1984:656,1985:415) Eine Mark ist (neben: sind) hundert Pfennig(e). (DUDEN 1972:410,1973:611,1984:656,1985:415)

Ist eines der Gleichsetzungsglieder eine pluralische Angabe, finden sich sowohl Sg- bei der Einschätzung als Menge - wie auch Pl - bei der Einschätzung als Mehrzahl - (vgl. DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286; DUDEN 1972:415,1973:611,1984:656, 1985:415; JUNG 1988:58): Die Mengenangabe geht dem Vb fin voran: • » o °

drei Mark wäre eine angemessene Summe (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) 1200 Hektar itf eine ausreichende Fläche (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) drei Mark waren damals viel Geld (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) Tausend Mark ist (neben: «W;viel Geld. (DUDEN 1972:410, 1985:415; 1973:611, 1984:656: Hundert Mark ist (neben: sind) viel Geld.) 0 Dreissig Mark waren (war) damals eine grosse Summe. (JUNG 1988:58) ° 100 Stück pro Tag sind (ist) das Planziel. (JUNG 1988:58)

Die Mengenangabe folgt dem Vb fin: 0 0 0

der niedrigste Gewinn war eine Mark (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) die vorgegebene Zeit war eine Stunde (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) Eine Seemeile «W 1852 Meter. (JUNG 1988:58)

Bemerkenswert scheint bei solchen Konstruktionen, dass bei einem Ersatz des Vb fin aus einer im Numerus schwankenden Kopula ein numerusfestes Prädikat werden kann: 0 0

der Hauptgewinn waren 100 der Hauptgewinn betrug 100

Mark in bar Mark in bar

Unter 7.1.2.1., Ziff.2, wurde festgehalten, dass sich keine gültige Aussage machen lasse zur Wahl des Numerus im Vb fin, wenn einer nicht-definierten singularischen Mengenangabe die Stoffbezeichnung im Pl folgt. Es wurde festgestellt, dass sowohl Sg wie Pl vorkommen, obschon der syntaktische Bezug eindeutig den Sg erfordern würde. Diesen Schwankungen unterliegt auch das Gleichsetzungsglied: 0

0

Eine Reihe von Studenten waren (neben: war) bereits Parteimitglieder (neben: Parteimitglied). (DUDEN 1972:411, 1973:611, 1984:656, 1985:416; zic. LEONHARD). ... dass der grösstc Teil der Anwesenden Jugendliche waren. (JUNG 1988:58)

4. Unter Ziff. l dieses Kapitels wurde die tendenziell dominierende Pl-Form des Vb fin erwähnt, sobald eines der Gleichsetzungsglieder eine Pl-Form aufweise. Implizit wird davon ausgegangen, dass Numerusunterschiede der Gleichsetzungsglieder a priori zulässig seien, z.B. zum Ausdruck des Verhältnisses von der Gesamtheit zum Teil: ° meine Familie «W Frühaufsteher (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) 0 mein ganzer Besitz waren Kleidungsstücke und Bücher (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) 0 Nur die Hälfte des Urlaubs waren schöne Tage. (JUNG 1988:58)

Hier zeigen sich die Grenzen der syntaktischen Möglichkeiten zur einwandfreien Wiedergabe eines Gedankens in einer Gleichsetzungskonstruktion; die Erfordernisse der Semantik übersteigen die Möglichkeiten der Syntax - ein typisches »Dilemma

179

des normativen Grammatikers«, der eine Kongruenzform als richtig oder am ehesten zulässig erklären muss, obschon eigentlich keine passt. Zu Recht bezeichnen DÜCKERT/ KEMPCKE (1984:286) solche Konstruktionen als »nicht völlig korrekt« und verweisen auf Ersatzlösungen: 0

sein Nachlass bestand in Kleidungsstücken und Noten (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286) o auf m der Familie lind Frühaufsteher (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:286)

5. Gängig, dennoch nicht unproblematisch, ist die umgekehrte Beziehung. Es handelt sich um Sätze, in denen das Subjekt eine Vielzahl bezeichnet und das Prädikatsnomen eine entsprechende Gesamtheit angibt (Kollektion): o Schulden «Weine Last (JUDE/SCHÖNHAAR 1975:222) Die Ratten «Weine Plage. (JUDE/SCHÖNHAAR 1975:222) 0 Die Vereinigten Staaten von Amerika /»Weine Grossmacht. (JUDE/SCHÖNHAAR 1975:222) ° die Färber und Walker waren eine besondere Zunft (HEUER 1988:146) 0 die Salomonen «Weine Inselgruppe im Pazifik (HEUER 1988:146)

0

Auch hier zeigen sich Grenzfalle. Sie scheinen aber weniger auf syntaktischer Ebene zu liegen als vielmehr auf euphonischer bzw. stilistischer: 0 0

(?) Klaus und Fritz sind die Leitung der Gruppe. Klaus und Fritz bilden die Leitung der Gruppe.

6. Oft ist der Form des Gleichsetzungsgliedes der Numerus gar nicht zu entnehmen; dadurch wird ein syntaktischer Freiraum geschaffen, der in der Sprache ohnehin vorhandene Tendenzen fördert - PI wird unterstellt: 0

... eine ganze Gruppe von Lautungen »W (neben: ist) Träger eines Inhalts. (DUDEN 1972:411, 1973:611, 1984:656, 1985:416; zit. PORZIG)

7. Da die Numeruskongruenz zwischen Subjekt und Vb fin in der überwiegenden Mehrzahl der Sprachanwendungsfalle keine syntaktischen Probleme aufgibt und auch nicht schwankt, könnte man versucht sein, den Numerus des Vb fin (Kopula) als hinreichendes Kriterium dafür zu verwenden, im Falle von Numerusunterschieden damit zu bestimmen, wekher der beiden Ausdrücke das Subjekt ist. Es zeigt sich aber, dass dieses Vorgehen nicht zum Ziel führt, da das Subjekt den Numerus der Kopula nicht verlässlich determiniert und die Kopula daher auch keine Rückschlüsse auf den Numerus des Subjekts zulässt. Vielmehr spielt hier die Intention der Aussage die entscheidende Rolle: 0 0 0 0

Das grosste Übel sind Überbevölkerung und Bürgerkriege. Überbevölkerung und Bürgerkriege ist(?)/sind(?) das grösste Übel. Ein Elternpaar waren die alleinigen Gesellschafter. Die alleinigen Gesellschafter war(?)/waren(?) ein Elternpaar.

Um im Gleichsetzungssatz Klarheit über das Subjekt zu erhalten, schlagen GALLMANN/SITTA (1986:76) eine Umformungsprobe vor, die als »Kongruenzprobe« das Subjekt identifizieren soll, indem der Numerus des Vb fin verändert wird (vom Sg in den Pl oder umgekehrt); das Glied, das seinen Numerus mitändere, erweise sich als Subjekt: 0 0

Die Mannschaft hat das Spiel sicher gewonnen. Die Mannschaften haben das Spiel sicher gewonnen.

180

Im Gleichsetzungssatz hilft diese Kongruenzprobe jedoch selten weiter, da mit der Veränderung des verbalen Numerus sich in den allermeisten Fällen automatisch sowohl das Subjekt als auch das Gleichsetzungsglied verändern: 0 0

Jede Katze ist ein Raubtier. - Alle Katzen sind Raubtiere. Der Lügner bist du. - Die Lügner seid ihr.

Eine Hilfe bietet die Probe zur Identifizierung des Subjekts bzw. zur Bestimmung der Numeruskongruenz zwischen Subjekt und Vb fin in Gleichsetzungssätzen, die nach der Umformung eine Ergänzung erfordern, wodurch ein mehrteiliges Subjekt entsteht: 0 0

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Angst und Neid sind schlechte Ratgeber.

Eine eindeutige diachronische Entwicklungsrichtung scheint bei der Numeruskongruenz in Kopulasätzen nicht erkennbar. Die von DAL (1952:166) vorgeführten Belegbeispiele - den damaligen Dokumentationsgepflogenheiten folgend den Klassikern entnommen — belegen jede mögliche Variante. Übergeordnete Numerusrcgularitäten für den Kopulasatz sind nicht auszumachen, vielmehr muss auch nach Durchsicht der Richtlinien moderner Grammatiker zur Numeruskongruenz im Kopulasatz davon ausgegangen werden, dass das Prädikatsnomen in gleicher Weise wie das Substantiv in Subjektposition numerusrelevant ist, d.h. dass das Vb fin mit dem Numerus des Substantivs in Objektposition kongruieren kann, was Inkongruenz mit dem Substantiv in Subjektposition zur Folge haben kann. Die adäquate Sprachbeschreibung erweist sich auch hier als sehr komplex, da die an sich klaren Kongruenzregeln auf Voraussetzungen basieren, die noch zu klären sind. 7.2.2. Die Kongruenz des Gleichsetzungsgliedes Die syntaktische Form des Prädikativs im Kontext ist weitgehend von der inhaltlichen Realisation abhängig (Identifikation, Klassifikation, Qualifikation etc.). Dadurch können Gleichsetzungen entstehen, die in ihren syntaktischen Kategorien nicht übereinstimmen. 7.2.2.1. Kongruenz im Genus BÜNTING/BERGENHOLTZ (1979:87) teilen die Prädikatsnomina in drei Gruppen ein. Sie erfassen damit zwar die faktischen Kongruenzverhältnisse weitgehend, tragen jedoch wenig zu deren Aufklärung bei • Wenn die Wortbildung es zulasse, könne natürliches und grammatisches Geschlecht zusammenfallen: 0

Er ist Lehrer, — Sie ist Lehrerin.

• Wenn kein Formativ vorhanden sei, könne Genus-Inkongruenz zwischen Subjekt und Prädikatsnomen auftreten: 0 0

Er ist ein Plappermaul. - Sie ist ein Plappermaul. Sie ist eine bewährte Hebamme. — Er ist eine bewährte Hebamme.

• Selbst wenn ein Formativ zur Verfügung stehe, erscheine dieses aufgrund traditionellen Gebrauchs nicht durchwegs:

181 Er ist Mediziner. — Sie ist Medizinerin. Er ist Doktor. - Sie ist Doktor. Er ist Linguist. - Sie ist Linguist. Die Stadt als Eigentümer... - Die Stadt als Eigentümerin ... Sie ist ein guter Fahrer. - Sie ist eine gute Fahrerin.

Auch HEUER (1988:126) und JUNG (1988:58) stellen fest, dass das Deutsche keine so strenge Forderung nach Übereinstimmung im Genus erhebe wie z.B. das Latein: « Karl war damals ein schönes Baby. (GUNKEL/TIESEMA 1970:54) 0 Karl ist eine Waise. (GUNKEL/TIESEMA 1970:54)

Deshalb stelle sich die Frage nach der grammatischen Kongruenz des natürlichen Geschlechts nur dann, wenn ein Substantiv vorliege, das für die beiden natürlichen Geschlechter verschiedene Formen ausgebildet habe. Derselben Ansicht sind DÜCKERT/KEMPCKE (1984:287): »Nur dann, wenn ein Substantiv Prädikatsnomen (...) wird, das eine spezielle Form für weibliche Personen besitzt, kann Genuskongruenz zulässig oder sogar geboten sein.« (Vgl. noch VAN DAM (1972:17): »Bei einem weiblichen Subjekt steht im Prädikat die weibliche Form, wenn diese üblich ist ...« und GUNKEL/TIESEMA (1970:54): »Zwischen Subjekt und Prädikativ besteht keine Kongruenz, wenn das Prädikatsnomen einen übergeordneten Gattungsbegriff bezeichnet, wie etwa >KundeDienstboteKamerad< /

ist der Vater. (BRUGMANN 1925:178)

Sowohl BRUGMANN (1925:175) wie auch DAL (1952:166) stellen fest, dass als Subjekt gebrauchte Demonstrativ- und Interrogativpronomen historisch entweder mit dem prädikativen Substantiv kongruieren oder aber im Neutr Sg erscheinen. Umgekehrt Hessen sich die neutralen Pronomina es, das, dies auf Substantive jeden Genus' sowohl im Sg wie im Pl beziehen, wenn sie als Subjekt einer ist-Prädikation mit Prädikatsnomen fungierten. Sowohl bei DUDEN (1984:663) als auch bei DÜCKERT/KEMPCKE (1984:293) wird die Ansicht vertreten, dass bei Zusammenfassung von Personen mit verschiedenem Geschlecht oder bei Nennung beliebiger Personen die maskuline Form des darauf bezogenen Pronomens verwendet werde. VAN DAM (1972:18) vertritt die Auffassung, dass in dieser Funktion das Neutrum des Pronomens einzusetzen sei; andere Autoren äussern sich nicht: 0

0

0

der Mann und die Frau vertragen sich nicht, keines will nachgeben, jedes will recht haben. (van Dam 1972:81; zit. SPRUYT) Der Vater und die Mutter waren einverstanden, jeder wollte mitfahren. (DUDEN 1973:617,1984:663) der Vater war im Garten, die Mutter bei einer Nachbarin. Keiner von beiden/von ihnen war zu Hause. (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:293)

Beim Bezug auf eine weite Apposition in Form eines substantivischen Attributs mit einem anderen Genus als das Bezugswon tritt sowohl das Genus des NP-Kerns als auch dasjenige des substantivischen Attributs auf. Die Form des Pronomens hängt nach Ansicht von DUDEN (1972:415, 1973:617, 1984:663, 1985:421) und von DÜCKERT/KEMPCKE (1984:296) - von anderen Autoren ist dazu explizit nichts zu erfahren - davon ab, »welchem der beiden Substantive das Hauptgewicht zukommt oder mit welchem der beiden Substantive sich der Inhalt des Relativsatzes am ehesten verbindet«: 0

Unser Kunde, die Firma Meier, die uns diesen Auftrag vermittelt hat, ... (DUDEN 1972:415,1973:617,1984:663,1985:421)

Das Hauptgewicht des Satzes liegt in diesem Fall auf der Bezeichnung der Firma. Der Bezug auf Kunde wäre grammatisch der korrekte, da sich die Bezugnahme bei der Apposition am Kern der Konstruktion orientiert: 0

Unser Kunde, die Firma Meier, der uns diesen Auftrag vermittelte ... (DUDEN 1972:415,1973:617,1985:421)

210

Auch in enger Apposition kann eine Entscheidung über die Form des Relativpronomens nur mit Hilfe der Aussageabsicht getroffen werden, die darüber entscheidet, welchem der beiden Substantive das Hauptgewicht zukommt und mit welchem der beiden Substantive sich der Inhalt des Relativsatzes verbinden soll: » Es gab eine Art Brei, * ich nicht kannte. (DUDEN 1972:415, 1973:617,1984:663,1985:421) o Es gab eine Art Brei, der mir sehr gut schmeckte. (DUDEN 1972:415,1973:617,1984:663,1985:421) 0 Welche Art Übungen wurde absolviert? (DUDEN 1985:407) 0 'Welche Art Übungen wurden absolviert? (DUDEN 1985:407) 0 Eine Handvoll Republikaner brachte Caesar um, den sie am Leben gelassen hätten, wenn er nicht dem Wahn verfallen wäre, sich »König« zu nennen, (ohne Nachweis)

Die Aussageabsicht verfälschende sowie wegen der Beschränkung des Pronomen-Inventars mehrdeutige Bezüge lassen sich im Bereich des pronominalen Verweisungssystems relativ häufig beobachten. Sie stellen kein eigentliches Kongruenzproblem dar, da meist kein syntaktischer Regelverstoss vorliegt; das Problem liegt auf semantischer und letztlich auf pragmatischer Ebene. Solche Fehlbezüge könnten die Verständigung ernsthaft gefährden, werden jedoch meist durch die Redundanz des Kontextes wieder repariert und sind dann nicht selten Quelle der Erheiterung: 0

0

die Schuld an diesem Missstand trägt der Verwalter, er sollte nun endlich beseitigt werden. (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:292) Hier ist die Fahrkarte für das Kind!— Was hast du dafür (= für die Fahrkarte bzw. für das Kind) bezahlt? (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:293)

Die partielle Mehrdeutigkeit pronominaler Formen wird zuweilen auch in demselben Syntagma durch syntaktische Mittel disambiguiert: 0

mein Mann und ich, die die Reise mitgemacht hat/haben (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:296)

Erst der Sg des Vb fin bestimmt das Relativpronomen als fern Sg, das Antecendent ich ist nicht genusbestimmt; ebenso bestimmt erst die Pl-Form des Vb fin über den Bereich der Bezugnahme durch das Relativpronomen. Wenn sich das Relativpronomen auf mehrere Substantive bezieht, die untereinander durch disjunktive Konjunktionen verbunden sind, entsteht eine Unklarheit auf Grund der topologischen Distanz von Antecedent und bezugnehmendem Pronomen. Beide Autoren, die sich dazu äussern, vertreten die Auffassung, dass das Relativpronomen das Genus des ihm am nächsten stehenden Substantives annimmt (vgl. DÜCKERT/ KEMPCKE 1984:296; DUDEN 1972:414, 1985:417): 0

der Graben oder Aas Loch, in dos (. gestürzt ist / das Loch oderazt Graben, in den er gestürzt ist (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:296) o der Orden oder&e. Medaille, die man ihm verliehen hat (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:296) o Das Buch oder die Schrift, die mein Interesse errregtc, habe ich leider nicht erhalten. (DUDEN 1972:414,1985:417) 0 Entweder ein einzelnes Wort oder die ganze Wendung, die ihm zu Ohren kam, hatte ihn verletzt. (DUDEN 1972:414; 1985:417:..., die ihr zu Ohren kam, hatte sie verletzt.)

Zum Genus nominalisierter Adjektive nach Indefinitpronomen (jemand, niemand, kein) werden unterschiedliche Meinungen vertreten: HEUER (1988:160) tritt für die neutrale Form ein, maskuline Formen seien nicht standardsprachlich. GRIESBACH (1986:301) formuliert umgekehrt: »Hinter den unbestimmten Pronomen jemand, niemand nimmt das Adjektiv die Kasuszeichen der maskulinen Genusklasse an. (...)

211

Häufig werden auch beim Attribut die Kasuszeichen der neutralen Genusklasse gebraucht.« Für ENGEL (1988:814) ist dabei Voraussetzung, dass das Indefinitpronomen selbst unverändert bleibt: 0

niemand Geringem als Racine und Boileau sind daran beteiligt (VAN DAM 1972:16; zit. HEMPEL) 0 Gestern habe ich mit jemand Bekanntem!mit jemandem Bekannten gesprochen. (GR1ESBACH 1986:301) ° Ich habe niemanden Bekannten gesehen. (GRIESBACH 1986:301) 0 Wer ist gekommen? Jemand Bekanntes? Niemand anderes als dein Mann (ist gekommen). (GRIESBACH 1986:301) 0 jemand Neues, jemand Neuem, jemand Neuen (ENGEL 1988:814) 0 Das Ist jemand Bemerkenswertes (nicht: Bemerkenswerter). (HEUER 1988:160) 0 Sie tat jemand Hilfreiches (niche Hilfreichen) getroffen. (HEUER 1988:160) 0 Seither habe ich eigentlich nie mau jemand Rechtes (nicht: Rechten) kennengelernt bis vor etwa einem halben Jahr. (HEUER 1988:160) 0 Ich möchte mit niemand anderem/anders sprechen. (HEUER 1988:160)

7.4.2. Numeruskongruenz der Pronomen Unter den Grammatikern herrscht Einigkeit darüber, dass der Numerus des Pronomens grundsätzlich vom Numerus des vertretenen Nomens bestimmt wird: 0 0

die Clowns, deren Spässe immer wieder neu schienen, ... (BÜNTING/E1CHLER 1982:75) nicht nur die Kinder, sondern auch die Lehrer und deren ebenfalls anwesende Frauen freuten sich... (HEUER 1988:296)

Über die anzuwendende Numerusform beim Bezug auf ein Kollektivnomen werden verschiedene Meinungen vertreten: Für HEIDEOLPH et al. (1984:577) kann streng grammatisch auf ein Kollektiv nicht mit einem Pronomen in Pl-Form Bezug genommen werden. Die Semantik - hier der Aspekt der Vielzahl - kann aber, unterstützt durch die topologische Distanz zwischen Referenz und Bezug, die Konstruktion überlagern: 0 0

Die Wache trat heraus. Sie salutierte. (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294) Die Wache trat heraus. Sie ... salutierten. (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294)

Wenn anreihend koordinierte singularische Substantive durch ein Pronomen wieder aufgenommen werden, finden sich beide Numeri. DUDEN (1972:414, 1973: 617, 1984:663, 1985:417) hält fest, dass der Sg in solchen Fällen nur zulässig sei, wenn die Wortgruppe genusgleiche Substantive enthalte und als Einheit aufgefasst werden könne (vgl. auch 7.1.2.1.): 0

0

0

0

Zank und Streit liebte er nicht und vermied ihn (od. sie), wo er nur konnte. (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294) sie haben Angst und Not der Kriegsjahre schnell vergessen, aber manchmal kommt sie (od. kommen sie) ihnen wieder zum Bewusstsein (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294) Ein Heller und ein Batzen, die waren beide mein. (DUDEN 1972:414,1973:616,1984:663,1985:416) Er zeigte sich loyal gegenüber seinem Präsidenten und von einer menschlichen Wärme und Herzlichkeit, die überraschend wirkte. (DUDEN 1972:414,1973:617,1984:663,1985:417; zic SPIEGEL, 24.10.1966,82)

Beide Numeri finden sich auch bei Substantiven, die durch disjunktive Konjunktionen verbunden sind. Die Grundlage für eine statistisch gesicherte Aussage ist jedoch

212

schwach. Einzig DUDEN (1972:414, 1973:617, 1984:663, 1985:417) äussert sich dazu.6* In dieser Sicht macht sich der Proximitätseinfluss als gleichwertiges Bezugskriterium bemerkbar: 0

0

Das Buch oder die Schrift, die mein Interesse erregte, habe ich leider nicht erhalten. (DUDEN 1972:414,1973:617,1984:663,1985:417) Entweder ein einzelnes Wort oder die ganze Wendung, die ihm zu Ohren kam, hatte ihn verletzt. (DUDEN 1972:414, 1973:617, 1984:663; 1985:417:.... die ihr zu Ohren kam, hatte sie verletzt.)

DUDEN ist auch einzige Referenz bei der Beurteilung eines weiteren pronominalen Numerusproblems, wobei die Grammatik beide Numeri akzeptiert; es betrifft den Bezug auf einen vorangehenden Sg, wenn dieser im darauf bezogenen Relativsatz eine Verallgemeinerung erfährt.70 Diese Konstruktionsweise ist unter der Bezeichnung Syllepse zur Stilfigur geworden: 0

0

0

0 0

Der Fremde trug ein Gewand, wie sie (neben: es) bei Zirkusleuten üblich sind (neben: ist). (DUDEN 1972:415, 1985:416; 1973:617, 1984:663: Der Fremde trug ein Gewand, wie «>bei Zirkusleuten üblich sind.) ... einen blanken, niedrigen Hut, wie ich solche (neben: einen solchen) an unseren Droschkenkutschern zu sehen gewohnt war. (DUDEN 1972:415, 1985:416; 1984:663: ... einen blanken, niedrigen Hut, wie ich solche an unseren Droschkenkutschern zu sehen gewohnt war.; zit. R. HUGH) Seine Hand zerdrückte den Stengel einer Minze, die hier in Mengen wucherten (neben: wucherte). (DUDEN 1985:416) So wie ein SlatvaJcsah er aus, die Mausefallen verkaufen, (zit. R. HUCH, Der Fall Deruga) An Englishman never does that, they have different habits. (MORAVCSIK 1978:345)

Beim pronominalen Bezug auf Infinitivgruppen besteht - entgegen der Normempfehlung der dazu referierenden Autoren - eine starke Tendenz, das Relativpronomen als Subjekt aufzufassen, wie aus Tests von ASKEDAL (1983:185f.) hervorgeht. Darüber, ob (zusammengesetztes) Verb und Infinitiv eine komplexe Verbalgruppe, d.h. eine kohärente Konstruktion bilden, gehen die Meinungen auseinander (vgl. VAN DE VELDE (1988:178). BIERWISCH (1975:29ff.) kommt zum Schluss, dass immer nur die ganze Infinitivgruppe als Subjekt interpretiert werden könne. Es handelt sich hier um typische »linguistische Notstandssituationen«, in denen der Sprecher offensichtlich keinen Zugang zu einer klärenden syntaktischen Analyse hat und deshalb auf eine psychologisch näherliegende, auch syntaktisch normalere, weil von einem (pro)nominalen Subjekt ausgehende Interpretation ausweicht. 0

0 0

... Unsitdichkeiten zu begehen, die auszudenken oder zu nennen schon vor Abscheu erbeben liessen. (S. ZWEIG) sieben Zeilen, die heranzuziehen sich lohnen (ohne Nachweis) ... alle jene Predigten, welche ihm in der Wirklichkeit auch nur niederzuschreiben verwehrt war. (ohne Nachweis)

69 Die alternative Schreibweise mit Klammern bezeichnet DUDEN seit 1972:415 als »überholt« bzw. »nicht mehr üblich« (1973:617, 1985:417): 0 Das Buch oder die Schrift, die (das)... 70 Indefinitpronomen unterschiedlichster Semantik wie die distribuierenden jeder, jedermann u.a., die sich dem Sinn nach auf eine Pluralität beziehen, die aber von irgendeinem - und es genügt ein einziger — damit bezeichneten Vertreter repräsentiert werden, wie auch die negierenden kein, niemand, nicht ein u.a. als sprachlicher Ausdruck der Nullmenge, werden von den Grammatikern durchweg als Sg behandelt, die keine Kongruenzprobleme verursachen.

213

7.4.3. Pcrsonenkongruenz der Pronomen Das Pronomen des reflexiven Vb fin weist in der 3. Person keine Numerusmarkierung auf; das Formeninventar für das Reflexivpronomen ist im Deutschen in diesem Fall auf eine genus- und numerusindifferente Form beschränkt: 0

Klaus trägt sich in die Liste ein Angelika wird sich darum bemühen. o Klaus und Angelika haben sich geirrt. (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294) 0

Wenn das Subjekt aus mehreren nach grammatischer Person verschiedenen Gliedern besteht, treten die in 7.1.2. verzeichneten Kongruenzregelkonflikte auf, da das Reflexivpronomen - wie auch das Vb fin symagmatisch nur eine grammatische Person anzeigen kann; es folgt in der Markierung der Person dem tiefenstrukturell dominierenden Finitum: 0 0

Klaus und ich werde mich (?)/werden uns/werden sich/, wir werden uns/ darum bemühen ? entweder Klaus oder ich werden loufoerden sich/, einer wird sich darum/bemühen

Die formalen Auswirkungen der Einteilung in Syntagmen mit anreihenden und solche mit ausschliessenden Konjunktionen zeigen sich in der Wahl der Form des Reflexivpronomens analog zu jenen im Vb fin. Abweichungen von der in 7.1.1. aufgezeigten Personen-Hierarchie ergeben sich nach den Beobachtungen von DÜCKERT/KEMPCKE (1984:294) dann, wenn kein zusammenfassendes Pronomen erscheint, »da sich bei der Zusammenfassung der Subjektteile recht künstliche Formen ergeben können«: 0

du und er werdet euch freuen (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294)

Besonders häufig treten Abweichungen dann auf, wenn die Form des Finitums mehrdeutig ist (3.Sg/2.Pl, 1.P1/3.P1); tiefenstrukturell wird nicht selektioniert (vgl. DUDEN 1984:647; DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294; ENGEL 1988: 815): 0

Mein Büro und ich haben sich (richtig: uns) für die erste Schreibart entschieden und freuen uns (= richtig), dass Sie diese ah korrekt bezeichnen. (DUDEN 1973:602, 1984:647) 0 Meine Frau und ich würden sich (richtig: uns) über Ihren Besuch sehr freuen. (DUDEN 1972:409, 1983:602,1984:647; zit. OTT) 0 du und ich haben uns geirrt (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294) o Klaus und Angelika haben sich geirrt (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:294) 0 *Du und ich härten sich das überlegen sollen. (ENGEL 1988:815) 0 'Wir und ihr hätten sich das überlegen sollen. (ENGEL 1988:815)

Wenn das Reflexivpronomen dem mehrteiligen Subjekt vorausgeht, wird einheitlich die Auffassung vertreten, dass die Personalform des nächststehenden Subjektteils für die Personalform des Reflexivpronomens ausschlaggebend ist (vgl. DUCKERT/ KEMPCKE 1984:295; DUDEN 1972:409, 1984:647, 1985:418; HEUER 1988:139): 0

0

0

0

Fernab vom Verkehr sonnten sich meine Frau und ich. (DUDEN 1972:409,1973:602,1984:647,1985:418) Heute glaube ich, dass sich die Mühe, die sich mein Freund und ich gegeben haben ... (DUDEN 1973:602,1984:647) Nach dem Verlust des Vaters versprachen sich die Schwester und ich gegenseitigen Beistand. (HEUER 1988:139) dann werden sich Klaus und ich darum bemühen (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295)

214

Der in 7.1.2.2. beobachtete Proximitätseinfluss wirkt durch die Form des Vb fin auch auf das Reflexivpronomen. Eine Beurteilung dieser Inkongruenz fehlt in den meisten Grammatiken; stilistische Gesichtspunkte müssten dabei berücksichtigt werden: 0

Nicht nur Peter, sondern auch ich habe mich geirrt; nicht nur ich, sondern auch Peter hat sich geirrt, (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295)

7.5. Kongruenz zwischen Possessiva und ihren Bezugselementen Possessiwerhältnisse sind zunächst rein semantische Bezüge. Sie stehen immer in einer doppelten Beziehung, indem sie einen Besitzer und dessen Besitztum verknüpfen: 0

Mein Fahrrad ist kaputt, kann ich mit deinem fahren? (SAVIN 1985:143) ° Sein Kind lernt gut. Wie lernt ihres? (SAVIN 1985:143)

Im Deutschen erscheint das Possessivum sowohl als Pronomen wie auch als determinativer Substantivbegleiter mit den Merkmalen von Besitzer und Besitztum. Dabei bestimmt das Besitztum Kasus und Numerus, der Besitzer Person und Genus des Possessivunis: Subjekt ist identisch mit dem Besitzer: o /«Srmuss nach meinem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 Ich Wirrnissen nach unserem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 Ihr müsst nach eurem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 Ihr und die ändern müsst nach eurem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) o Siemüssen nach ihrem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 fr pflegt seinen Garten, seine Wiese, sein Grundstück. (JUNG 1988:60)

Subjekt ist nicht identisch mit dem Besitzer: 0

Ich muss nach seinem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) o Ich und du müssen nach seinem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 Ar müsst nach seinem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 Ihr und die ändern solltet nach ihrem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 Sie müssen nach seinem Garten sehen. (ENGEL 1988:816) 0 Er pflegt meinen Garten, meine Wiese, mein Blumenbeet. (JUNG 1988:60)

Ein Kongruenzproblem tritt bei Possessiva nur auf beim Bezug eines Besitztums auf eine Mehrzahl von Besitzern. Substantive zur Bezeichnung von Gegenständen und deren Teile oder Zubehör, Lebewesen und deren Organe und Körperteile, Strukturen und deren Gliederung, die sich in gleicherweise auf eine Mehrzahl beziehen, erscheinen im Deutschen nach Ansicht der Grammatiker, die dazu Stellung nehmen, im Sg (vgl. DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295; DUDEN 1972:416, 1973:618, 1984:664,1985:410; JUNG 1988:60):7i o stellt euch mit dem Rücken zur Wand (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295) o als Antwort schüttelten sie den fö/>/(DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295) Neben der generalisierenden und der kollektiven Bedeutung ist die distributive eine der drei Verwendungsweisen des Sg zum Ausdruck einer Vielheit. Vgl. dazu auch DUDEN (1984:224) und HAMMER (1973:386), der seinen deutschen Beispielen entsprechende englische gegenüberstellt: 0 Alle drehten den Kopf.-They all turned their heads. 0 Wir nahmen den Hut ab. - We took off our hats. 0 Viele haben ihr Leben dabei verloren. - Many lost their lives through it.

215

o ihnen klopfte das Herz (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295) 0 die Stämme waren unter der Krone abgebrochen (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295) 0 bei einigen Häusern fehlt noch das Dach (DOCKERT/KEMPCKE 1984:295) 0 an manchen Geräten versagte der Motor (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295) 0 Die Herren zündeten sich eine Zigarre an. (DUDEN 1973:618, 1984:664) ° Haltet den Kopf gerade! (DUDEN 1973:618, 1984:664) o Viele haben dabei ihr Üben verloren. (DUDEN 1972:416; 1973:618, 1984:664: Viele haben ihr Leben dabei verloren.; 1985:410: Viele haben damals ihr Leben verloren) 0 Dieser Kummer brach ihnen dos Herz. (DUDEN 1972:416, 1985:410) o Die Hunde wedelten mit dem Schwanz. (DUDEN 1972:416, 1985:410) » Sie bekamen einen roten Kopf. (DUDEN 1972:416, 1985:410) ° Sie schüttelten sich die Hand. (DUDEN 1972:416, 1985:410) ·> Mehrere Illustrierte brachten das Bild auf der Titelseite. (DUDEN 1972:416, 1985:410) 0 Alle hoben die Hand. (DUDEN 1972:416, 1985:410; 1973:618, 1984:664: Alle hoben drückte allen Gratulanten dankbar die Hand (nicht: die Hände). QUNG 1988:60)

Meist verlangt die Semantik des Satzes indessen keine Präzisierung der Zuordnung durch den Numerus:

216

o Die Teilnehmer hatten ihren Mantel/ihre Mäntel über die Knie gelegt (DÜCKERT/KEMPCKE 1984:295; nach Ansicht der Autoren ist der Pl zulässig, »weil im allgemeinen nicht angenommen wird, dass jemand mehrere Mäntel bei sich hat«.)

DUDEN (1972:4l6f., 1973:618, 1984:664, 1985:434) grenzt von der konkreten Zuordnung die nur mittelbare Zuordnung ab, d.h. die Satzintention ist nicht unmittelbar der konkrete Vorgang, sondern der zugrundeliegende Akt. Die Übliche Form der Zuordnung sei dann der Sg.72 Possessivum im Sg: Mittelbare Zuordnung; das Possessiwerhältnis ist Ausdruck eines nicht abwendbaren Geschehens (sich genieren, ein schlechtes Gewissen bekommen). 0 0

Die Kinder bekamen einen roten Kopf. (DUDEN 1984:664) Die beulen Jungen bekamen einen roten Kopf und schwiegen. (DUDEN 1985:434)

Possessivum im Pl: Realer, unvermittelter Vorgang. ° Die Kinder bekamen vor Aufregung rote Köpfe. (DUDEN 1972:417, 1984:664,1985:434)

72 BRUGMANN (1925:179f.) stellt bereits in idg. Zeit logische Widersprüche fest: »Bei Substantiven, die etwas zu einem genannten Wesen Gehöriges bezeichnen, wird der für das Einzelwesen erforderliche Singular (z.B. Kopf) oft auch dann gebraucht, wenn der Wesen mehrere sind und hier nach strenger Logik der Plural eintreten müsstc. Vermutlich ist man zum Plural am leichtesten dann gekommen, wenn der betreffende Substantivbegriff etwas nur äusserlich zu dem Besitzer Gehöriges oder in Beziehung Gebrachtes, nicht etwas von Natur ihm fest Anhaftendes ist, z.B. 0 Diese Soldaten haben neue Mäntel gegenüber 0 ihre Brust ist noch undekoriert. Im ersteren Fall kommt der Begriff des Vorhandenseins einer Mehrheit von Exemplaren eher zum Bewusstsein als im letzteren. Zur Annahme des Plurals gehört in vielen Fällen auch der Begriff des räumlichen oder zeitlichen Geschlossenseins einer substantivischen Vorstellung, und dieser Begriff fehlt bei vielen Substandva in der Regel, indem sie fast nie als selbständige Teile eines Ganzen auftreten, sondern nur in ihrem Verhältnis zu diesem Ganzen in Betracht kommen, z.B. Wörter fiir Brust, Bauch, Rücken, Antlitz, Kinn u. dgl. Daher gerade hier der Singular so häufig auch, wo tatsächlich mehrere Exemplare gemeint sind. Oft hat sich ein völliger Promiskuegebrauch eingestellt, und so hat bei den Dichtern vielfach nur die metrische Bequemlichkeit den Numerus bestimmt.«

Schlussbemerkung Es hat sich gezeigt, dass die zahlreichen Probleme der syntaktischen Kongruenz vielschichtiger sind, als aufgrund der Darstellung in Sprachlehrbüchern verschiedenster Ausrichtung angenommen werden kann. Der Mechanismus der Kongruenz lässt sich in der überwiegenden Zahl der Fälle auf einige wenige Funktionsprinzipien zurückfuhren. Die im Verhältnis zur Gesamtzahl kongruenter Verbindungen relativ wenigen Fälle, die zusätzlicher Erklärung bedürfen, weil sie abweichende Kongruenzmuster zeigen, erfordern aber einen hohen zusätzlichen Erklärungsaufwand. Dieses aus der Ökonomie bekannte Phänomen des abnehmenden Grenznutzens wird im Bereich der syntaktischen Kongruenz mit zusätzlichen, oft nicht-syntaktischen Mitteln bearbeitet. Kongruenzregelkonflikte und der gesamte Patch-up-Bereich werden der Beschreibung nur zugänglich, wenn neben syntaktischen auch topologische, semantische und pragmatische Einflüsse als kongruenzrelevant anerkannt werden. Zur Sichtung der Kongruenzphänomene erweist sich die in Kap.6 vorgeschlagene Dreiteilung in grammatische Lösungen einerseits sowie in echte Normverstöue und strukturelle ZweifebfdlU anderseits als brauchbarer Rahmen. Die grammatischen Kongruenzbezüge bilden die Basis des gesamten davon abgeleiteten Regelwerks. Sie stellen mit ihrer grossen Zahl die Grundlage für die Formulierung der Kongruenznormen dar. Echte Normverstösse erweisen sich in den allermeisten Fällen als okkasionelle Fehler; sie sind erklärbar durch die offensichtliche Missachtung der normierten Kongruenzmechanismen. Normverstösse erscheinen in grosser Variationsbreite. Auffällig ist ihr gehäuftes Auftreten in gewissen syntaktischen Konstellationen. Die hauptsächlichen Einflussfaktoren sind dabei die topologische Distanz der Kongruenzpartner und das semantische Gewicht eines dominierenden Sinnträgers. Schwankendes Sprecherurteil deutet zumeist auf strukturelle ZweifitlsßilU. Auslöser sind Regelkonflikte im weitesten Sinn. Strukturelle Zweifelsfalle sind relativ selten, zugleich aber Ursache uneinheitlicher Kongruenzbezüge. Im Gegensatz zum gemeinsamen Kernbereich der Sprechergrammatiken liegen die strukturellen Zwcifelsfalle hauptsächlich im individuellen Randbereich der Sprechersyntax; sie sind deshalb nicht systematisch erfassbar. Dies ist der Grund für den erheblichen Beschreibungsaufwand, wobei in zahlreichen Fällen die Motivation für die schliesslich gewählte Kongrucnzform dennoch nur vermutet werden kann. Ein Irrtum bei der Analyse der syntaktischen Struktur kommt dafür ebenso in Frage wie Unklarheit über die kongruenzrclevanten Eigenschaften des Subjekts. Kollektive sind hier zu erwähnen, Subjekte, die Mass- oder Mengenangaben nahestehen, sowie Subjekte mit mehreren Attributen, mit Apposition oder auch koordinierte Subjekte. Das Phänomen der Nebenordnung verdient ohnehin besondere Aufmerksamkeit. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur die Nebenordnung von Attributen zu einer pluralischen Interpretation des Subjekts und damit auch zum Plural des Verbs fuhren kann, sondern auch eine Nebenordnung von elliptischen Sätzen. Daraus wird ersichtlich,

218

dass die bei der syntaktischen Beschreibung erforderliche Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen von Koordination im Bewusstsein des Sprechers zuweilen fehlt. Anderseits wird die syntaktische Analyse dadurch erschwert, dass verschiedene logische Verhältnisse sprachlich mit demselben Wort zum Ausdruck gebracht werden können. Kongruenzfehler korrelieren nach den Beobachtungen von VAN DE VELDE (1988: 197f.) signifikant mit der Art der Sprachproduktion. Am stärksten machen sich Störeinflüsse in gesprochener Sprache geltend - ein Befund, der angesichts der spezifischen Bedingungen, unter denen der Prozess der mündlichen Sprachproduktion abläuft, nicht erstaunt. Schreibprozesse verlaufen bewusster, aber langsamer, wodurch neue Störfaktoren auftreten können. Dennoch haben sich in schriftlicher Sprachproduktion journalistische Druckerzeugnisse als Fundgrube für Kongruenzfehler erwiesen. Dabei handelt es sich wohl um den »spontansten« Typ schriftlicher Sprachäusserung, dessen Produktionsbedingungen denen der gesprochenen Sprache am nächsten stehen dürften (Zeitdruck und dadurch verringerte Aufmerksamkeit bzw. Korrekturmöglichkeit). Anderseits sind kaum Fehlerkategorien zu finden, die nur dort auftauchen; eine eigentliche Textsortenspezifik für Kongruenzfehler ist nicht auszumachen. Schreibfehler als Begleiterscheinung jeder Form von objekt- und metasprachlicher Produktion können als rein orthographisches Problem betrachtet werden. Mit guter statistischer Absicherung darf abschliessend festgestellt werden, dass die Zahl der Kongruenzfehler im Verhältnis zu den syntaktisch korrekten Formen oder den mit linguistischen Mitteln erklärbaren verschwindend gering ist. »Keinesfalls berechtigt wäre also die Annahme, es bahne sich hier im System der deutschen Sprache eine Lockerung der Kongruenzregel an. Die Ursache für die meisten Schwierigkeiten sind eher im Bereich der Sprachproduktionsprozesse und -bedingungen zu suchen.« (VAN DE VELDE 1988:199) all grammars leak. (CHOMSKY)

Anhang

I. Kongruenzbeispiele der DUDEN-Kartei Die nachfolgend aufgelisteten Kongruenzbeispiele sind der Kartei des Bibliographischen Institutes in Mannheim entnommen. Mit freundlicher Erlaubnis des Institutsvorstehers, Herrn Prof. Dr. Günther Drosdowski, wurden sämtliche im Juni 1988 zu Fragen der syntaktischen Kongruenz dort archivierten Belegbeispiele aufgearbeitet und für die Zwecke dieser Arbeit thematisch geordnet. Das Ergebnis ist zwar noch keine linguistische Datenbank, doch hat der Bereich der syntaktischen Kongruenz mit der folgenden Zusammenstellung immerhin das Stadium der »Dampfkartei« überwunden. (Die Kapitel- und Seitenverweise beziehen sich auf diese Arbeit.)

Inkongruenz (3.6., S.58ff.) Themarische Konstruktionen (3.6.2.2., S.60f.) 0 0 0

0 0

niedrigere Renten hiesse, die Alten um ihre Einlagen zu betrügen (SPIEGEL 22/1986, 84) einige Schurken weniger im Land würde der Welt nicht schaden (ohne Nachweis) erweiterte Befugnisse für die Polizei ist in der Tat das Letzte, was der Westen wünscht (SPIEGEL 25/1986, 112) Arbeit und Empirie i/ihre Parole. (KREUDER: Gesellschaft, 21) Hongkong: das ist Licht und Schatten des Kolonialismus, Glanz und Elend des Kapitalimus. (BILD UND FUNK 3/1966, 24)

Kontaminationen (3.6.2.3., S.6lf.) 0

Der Streit zwischen Kollbach und der koreanischen Botschaft erlebte genau zu dem Zeitpunkt des Bonner Staatsbesuchs des koreanischen Staatspräsidenten ihren Höhepunkt. (MANNHEIMER MORGEN 19./20.12.1964,10)

Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat (7. l., S. 107ff.) Der sprachliche Ausdruck für die unmarkierte Person (7.1.1.3., S.113f.) 0

Ich vergeude nur drei von den 55 Minuten, die Durchlaucht mich in der Hotelhalle warten lassen, mit Zweifeln an des Spielleiters Urteilsvermögen, den Rest lege ich in einer Rückschau an. (SPIEGEL 34/1966,93)

Kongruenz in der Person (7.1.2., S. l !4fF.) Mit kopulativen Konjunktionen verbundene Subjektteile (7.1.2.1., S. 116ff.) 0

Nein, nicht »man«, sondern Sie und wir freuen uns über die vollständige Ausgabe des Romanes. (BÖRSENBLATT 3.5.1966, 2590)

220 0

0

0

0

0

0 0

0 0

0 0

0

0

Ich würde natürlich nicht daran denken, dieses Haus zu betreten, ohne die Versicherung, dass auch Du und Deine liebe Frau hingehen. (WILDER: Iden, 20) Heute glaube ich, dass sich die Mühe, die lieh mein Freund und ich gegeben haben, gelohnt hat. (ohne Nachweis) Deshalb habe ich im Zusammenhang mit Finanzbedarf und Ausgabcn£nanzierung den Begriff der expandierenden Wirtschaft gebraucht, weil Kollege Schiller und ieh uns darin einig sind, dass ... (SPIEGEL 1-2/1967,23) Also wutchen Barr und ich uns, gingen in den Raum II und fanden den Patienten da schon narkotisiert vor. (SPIEGEL 24/1966, 62) Vom Leiter der Deutschlandabteilung, Botschafter Iljitschow, begleitet, begaben meine Frau undichunsm Flugzeug nach Gagra. (SPIEGEL 38/1967, 82) Fernab vom Verkehr sonnten sich meine Frau und ich. (ohne Nachweis) Mein Bare und ich haben sich für die erste Schreibart entschieden und freuen uns, dass Sie diese als korrekt bezeichnen. (Notar und Rechtsanwalt A.T. bedankt sich schriftlich für Sprachberatung; 30.6.1964) ... meine Frau und ich würden sich über Ihren Besuch sehr freuen. (OTT: Haie, 206) Aber wir beide, Sie und ich, geben ja die Hoffnung nicht so leicht auf, und so hoffe ich, dass das neue grosse Unglück sich trotz allem vermeiden lässt. (KANTOROWICZ: Tagebuch I, 136) Wir haben uns für immer getrennt, meine Schuppen und ich. (SPIEGEL 25/1967, 87) Ich dachte, nun sei alles vorbei. Ich wohnte in München; wir waren glücklich, dein Vater, du und ieh. (BILD UND FUNK 31/1967,44) Calpurnia und ich hoffen, dass Du und Porcia am Fünfzehnten auf dem Hügel mit uns zu Abend essen werdet. (WILDER: Iden, 201) Denn Du und Deine Kommunistenschweine sind schuld daran, dass die Nazis wieder ihr Haupt erheben! (SPIEGEL 25/1968, 36; Leserbrief)

Mit disjunktiven Konjunktionen verbundene Subjektteile (7.1.2.2., S.124ff.) 0

Was ich nicht wusste, das musste ich ausspionieren. Und wenn ich es nicht getan hätte, dann würden weder du noch ich heute leben. (BILD UND FUNK 31/1967, 44)

Kongruenz beim relativen Anschluss (7.1.2.3., S. 126ff.) 0

0

0

Und wir, die wir dabei waren, nuckelten mit dem Kopf und segneten sie und wünschten ihr alles Gute. (TUCHOLSKY: Werke I, 219) Wenn nachher seine Augen glänzen und er »Ah« macht, dann wirkt er auf uns, die wir keinen Durst haben, eine ganze Kleinigkeit albern. (TUCHOLSKY: Werke l, 14/15) Aber meine Dame, schließlich waren Sie es, die unser Preisausschreiben beantwortet haben. (SPRACHDIENST 12/1965, 181)

Kongruenz im Numerus (7.1.3., 129ff.) Subjekt im Singular (7.1.3.1., S.136ff.) 4. »es« (7.1.3.1., S.140F.) 0

Er erfährt nur, was sich alles zugetragen hat auf der Erde, und manchmal verwirrt es ihn, der Streit, die Händel, die Untaten, die Greuel, Habgier und Mordsucht. (KREUDER: Gesellschaft, 93)

5. weite Apposition (7.1.3.1., S. 143) 0

Die moderne Literatur, Erzählung wie Drama, sind durch eine seltsame Abwendung von der Figur des Helden gekennzeichnet. (LÜTHI: Es war einmal., 113)

221

6. Attribut (Komitativc) (7.1.3.1., S.l43ff.) 0

Frau Kater mit ihrer, hinter dem Taschentuch feixenden, etwas zu schnell gewachsenen Tochter Susi brachten gerade beim Matzerath ihr Beileid an. (GRASS: Blechtrommel, 197) 0 Der Garten, mit seinem Tannendickicht, seiner breiten Blutbuche und dem hohen verwilderten Gras erstreckte sich bis zum Holundergebüsch am Rand der Felder. (WEISS: Abschied, 26) o Ein junger Offizier mit fünfzig Mann wird entsandt, ... (TUCHOLSKY: Werke I, 417) 0 Pflege der Pflanzenwelt, gepaart mit Schädlingbekämpfung, machen ...(QUICK 17/1938, 58)

»kein«, »jeder«, »niemand« (7.1.3.1., S.144) 0

Niemand, weder die Mutter noch die Hausangestellte hatten das Röcheln des Sterbenden gehört. (JENS: Mann, 150)

7. »je ein«, »eines um das andere« (7.1.3-1., S.144F.) 0

0

0

0

Im Donautal bei Neuburg sowie in Wittmund (Ostfriesland) ist je ein Jagdgeschwader stationiert: Starfighter, die mit Abfangraketen Feindbomber in grossen Höhen angreifen sollen. (SPIEGEL 5/1966,26) Nicole, die in Frankreich aufgewachsene uneheliche Tochter von Sir Edward, soll ein Drittel bekommen, je ein Drittel sind fur Sir Francis, den Bruder des Verstorbenen, und für Sir Henry und Lady Janet, Sohn und Schwieger ... (ohne Nachweis) Sühneopfer, bei dem je ein Schwein, Schaf und Stier geschlachtet wurden. (DUDEN Nr.5, Stichwon »Souvctaurilia«. In der zweiten Auflage: ... geschlachtet wurde.) Auf den Agäis-Inseln Yura, St. Efstratios, limnos und Makroyiannis landete in den letzten Tagen Boot um Boot. (SPIEGEL 19/1967,152)

Subjekt im Plural (7.1.3.2. S.l46ff.) 3. Prozent-, Bruch-, Dezimalzahlen (7.1.3.2., S.148F.) 0

0

0

0

0

0

0

0

0

Nicht nur Fachleute wissen, dass in der Welt etwa 20 Prozent mehr Erdöl gefördert als laufend verbraucht wird. (ZEIT 20.11.1964, 4l) Denn die Überschusspartien können meistens nur den konzemfreien Raffinerien der Welt (das sind nur sieben Prozent der Gesamtkapazität) angeboten werden, weil alle anderen Verarbeiter in der Regel langfristig gebunden sind und Rohöl eigener Gewinnung verarbeiten. (ZEIT 20.11.1964, 41) Sein Kains-Mal ist der Massenmord in Vietnam, der Rassenhass, das Sattgefressensein inmitten einer Welt, in der twei Drittel der Menschheit Hungers sterben müssen. (SPIEGEL 22.12.1965, 31) Zehn Tote und mindestens 175 Verletzte gab es, als zweieinhalb Zentner Sprengstoff, getarnt in einem Obstlastwagen, vor dem Hintereingang einer US-Unterkunft in die Luft gingen. (WELT AM SONNTAG 5.12.1965,1) 95 Prozent aller britischen Importe aus Rhodesien (ein Viertel des Gesamtexports) und sogar die Pensionszahlungen an britische Kricgsveteranen wurden gestrichen. (ZEIT 10.12.1966, 8) Rund 80 Prozent der heute in Deutschland angebotenen Küchenmöbel werden synthetisch hergestellt. (SPIEGEL 7/1966, 49) In den Südstaaten, die für Goldwater stimmten, waren nur 45 Prozent der erwachsenen Neger wahlberechtigt. (ZEIT 20.11.1964, 2) Keine zwanzig Prozent der heute noch lebenden ehemals Vertriebenen wünschen ernstlich in ihre Heimat zurückzukehren, falls diese einem nichtkommunistischen Deutschland zugeschlagen würde, (ohne Nachweis) Es soll auch betont werden, dass nur drei Prozent aller englischen Gymnasiasten auf diese »Public Schools« gehen, während der Rest staatliche Gymnasien besucht, wo der Kampf um die Erweiterung von Sportplatz und Sporthalle zum ständigen Programm gehört. (ZEIT 20.11.1964,48)

222 0

40 Prozent der demokratischen Wähler, so ermittelten die Demoskopen, plädierten derzeit für einen Präsidentschaftskandidaten Kennedy, nur 38 Prozent wollten 1968 Johnson für eine zweite Amtszeit. (SPIEGEL 37/1966, 102) 0 Etwa 70 Prozent der Orchcstermitglieder (Durchschnittsalter: 25 Jahre) sind angehende Berufsmusiker. (BILD UND FUNK 30/1966, 17) o Fünf Millionen Tonnen Steinkohle liege Auf den Halden. (FAZ 99/1958, 1) 0 0,20 DM in Briefmarken ;«W beigefügt, (ohne Nachweis) o Daher werden fiir greifbare Ware 755 DM verlangt. (FAZ 73/1958, 10) 0 In der Bundesrepublik stehen bereits mehrere Dutzend ähnlicher Fabriken. (SPIEGEL 37/1966,72) 0 Dann würden von den rund 22 Millionen Arbeitnehmern in der Bundesrepublik zwei Prozent oder knapp eine halte Million arbeitslos sein. (SPIEGEL 53/1966, 28)

Fremdsprachige Titel (7.1.3.2., S. 151.) 0

0

0

0

Sogar die - nicht eben fortschrittliche - Londoner »Times* lobte den »Nicht versöhnt« genannten Film als »bemerkenswertes Stück Arbeit«. (SPIEGEL 6/1966, 84) Die Financial Times beispielsweise, obwohl auf rosa Papier gedruckt, alles andere als rosa oder gar rot, sondern vielmehr die unentbehrliche Gazette der City, der Bankiers, der Wirtschaft, schrieb dieser Tage:... (ZEIT 20.11.1964, 35) die »New York Times* ermittelte sechs Millionen klampfespielende Amerikaner (SPIEGEL 16/1966,136) Die »Austria Airlines* hüben ihren Kurierdienst aufgenommen. (FAZ 104/1958, 5)

6. Weite Apposition (7.1.3.2., S. 152) 0

0

0

Die Leute hier, vor allem die Landbevölkerung, ist nie nationalsozialistisch gewesen. (SPIEGEL 47/1966,47) Leidtragende der Extremisten auf beiden Seiten sind jene Neger, die nicht auf Schwarze Macht bauen — und sie, der schwarze MitteLtand, sind noch immer in der Überzahl. (SPIEGEL 39/1966,132) Hohe Offiziere, sogar ein General, schämten sich nicht, jeden Front- oder Etappensoldaten anzuhalten. (TUCHOLSKY: Werke I, 311)

7. Firmennamen (7.1.3.2., S. 152) 0

0

0

0

0

0

0

0

Die Firma Erler & Zimmer in Lauf (Baden) bastelt aus Polyvinylchlorid naturgetreue menschliche Skelette. (SPIEGEL 7/1966, 49) FichtelSt Sachs kauft Landmaschinenfabrik: Von der Bank für Gemeinwirtschaft will Fichtel & Sachs AG, Schweinfurt, die Fella-Werke GmbH in Feucht bei Nürnberg übernehmen, ... (ZEIT 20.11.1964, 42) Turm und Brücke - das Hoechster Firmenzeichen - ist in allen Erdteilen zu Hause, (ohne Nachweis) SPIEGEL: Herr von Werthern, warum hat sich Blohm &. Voss entschlossen, die Stülcken-Werft sozusagen im Handstreich zu übernehmen? (SPIEGEL 9/1966, 25) Aber schon bevor das Schiff 1963 bei der Howaldtswerke Hamburg AG gebaut wurde, hatten Verteidigungsplaner der Bundesregierung Werft und Reeder gebeten, das Schiff so zu konstruieren, dass es im Ernstfall auch zum Transport von Verwundeten benutzt werden könne. (SPIEGEL 4/1966, 16) Jetzt übertrumpfte in Dortmund Willy Ochel, 62, Generaldirektor der Hoesch AG, das Schmelzwerk seiner Konkurrenten. (SPIEGEL 5/1966, 46) Bei diesen gnadenlosen Machtkämpfen ist die Deutsehe Erdöl AG nun offenbar an den Grenzen ihrer Möglichkeiten angelangt. (ZEIT 20.11.1964, 4l) Eine betont nach modernen Gesichtspunkten aufgebaute Personalpolitik bietet die Hamburger Electricitätswerke AG. (ZEIT 20.11.1964, 36)

223

Kongruenz bei mehreren Subjektteilen (7.1.3.3., S.152ff.) 1. Addition von Objekten, Tatsachen (7.1.3.3., S.154ff.) 0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0 0

0

0

0

0

0

Ausser Marmelade, Leberwurst und Brot wurden beim Abendappell vom Schirrmeister an jeden Trupp eine grosse Baumsäge und zwei zusätzliche Hacken ausgegeben zu der einen, die zu jedem Fahrzeug gehörte. (KUBY: Sieg, 20) In dem Spannungsfeld zwischen ihren ruinierten Illusionen finden der Oberlehrer und die Kunststudentin einen kalten, bösen Reiz. (SPIEGEL 50/1965, 70) Ausgespart blieben ein Kreis um Hanoi mit 100 Kilometer Durchmesser und ein 50 Kilometer breiter Streifen entlang der chinesischen Grenze. (SPIEGEL 53/1966, 71) Hoffen er und seine Funktionärskollegen - die doch wissen müssen, dass die Anerkennung von Bonn nicht zu haben ist -, uns auf dem Wege des Kontaktes mählich aufzuweichen? (ZEIT 19.5.1967,1) Durch brennende Stadtviertel walzten schiessende Panzer, gingen randalierender Pöbel und rüde Polizei aufeinander los. (SPIEGEL 33/1967, 67) Aber für die 1700 Kumpel der Mannesmann-Zeche »Unser Fritz« in Wanne-Eickel stimmen der Vers und die Kohlen nicht mehr. (SPIEGEL 16/1967. 73) Wären denn ohne diese Dinge unser Haushalt und unsere Finanzpolitik etwa in Ordnung? (SPIEGEL 2.1.1967, 19) In Essen bemühen sich Arbeitsamt und Jugendbehörde, die aufsässigen Jung-Erwerbslosen von der Strasse zu holen. (SPIEGEL 16/1967, 74) Aufgrund dieser Verbindung erhielten Nenntwich und seine Freundin die für die Einreise nach Ägypten erforderlichen Visa. (SPIEGEL 47/1966, 87) Scheu redeten sich Gericht und Ankläger um das »L II G«-Papier herum. (SPIEGEL 50/1966,61) Die Erlebnisse und Probleme der Jugend zu beleuchten, das haben sich Autor Günther Herburger und Regisseur Peter Lilienthal mit dem Fernsehspiel »Der Beginn« vorgenommen. (BILD UND FUNK 43/1966,45) Vor allem wollten Kiesinger und seine Mannschaft der SPD klarmachen, dass für bestimmte Gesetzeswerke - Finanzneuordnung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, langfristige Haushaltsplanung, Notstandsgesetze — allein die Grosse Koalition die notwendige Zweidrittelmehrheit garantiere. (SPIEGEL 48/1966, 34) Weder lässt dich die Existenz Gottes aus dem innerweldichen Geschehen beweisen, noch sind die Unsterblichkeit der Seele und der zeitliche Anfang der geschaffenen Welt für den Menschen rational begreifbar. (SPIEGEL 39/1966. 156) Zwanzig Minuten danach kamen er und der andere. (SPIEGEL 42/1966, 37) Ehe der Bundespräsident anderntags Tananarive verliess, um eine Rundreise durch das Land zu unternehmen, besuchten er und seine Frau Wilhelminc am Mittwochabend noch eine FolkloreVeranstaltung. (SPIEGEL 10/1966, 21) In diesem Vertragswcrk waren der Auftrag für die Entwicklung des deutschen Starfighters (der mit dem damals verfugbaren amerikanischen Grundmuster fast nur noch die Form gemein hatte) und der Ankauf der ersten 66 Maschinen dieses erst noch zu entwickelnden Typs miteinander verquickt. (SPIEGEL 36/1966, 21) Entsprechend diesem Gedankengang sehen die Bundesregierung und die drei Bundescagsparteien in dem deutschen Anspruch auf die Oder-Neisse-Gebiete ein Instrument dafür, Polen an der deutschen Wiedervereinigung zu interessieren. (SPIEGEL 4/1966, 23) Gemäss ihren Standpunkten reagierten Bonn und Warschau auf die kirchlichen Verständigungsversuche des vorigen Jahres mit Unbehagen und Unmut. (SPIEGEL 4/1966, 23) Nutzen und Sicherheit der deutschen Starfighter-Geschwader waren umstrittener denn je. (SPIEGEL 5/1966, 21 f.) Im Haus III angekommen, warf man mich in einer Zelle auf den Fussboden, wo eine blutverschmicrte Matratze und ebenso verschmierte Decke % (SPIEGEL 11/1966, 43)

224

° Staub und Sand klebten auf der Scheibe. (KREUDER: Gesellschaft, 140) 0 Zucht und Sitte strafften sich erst, als die Industriebossc der Ruhr im Frühjahr 1958 den Diplom-Volkswirt Bodo Sperling als Leiter des Deutschen Klubs und eine Art Sittcnwächter in Rourkela anwarben. (SPIEGEL 3/1966, 68) 0 Foyer und Zuschauerraum des Bctonkastens freilich sind in einem Stil konzipiert, den der »Mct«-Architekt Wallace K. Harrison selbst als »modernes Barock« bezeichnete. (SPIEGEL 39/1966,148) 0 Effektiv ist dieser Schutz dann, und nur dann, wenn die Auseinandersetzung nach einer gewissen Zeit abgebrochen wird und Zahl und Grosse der angewandten Waffen beschränkt bleiben. (SPIEGEL 16/1966, 51) 0 Staat und Gesellschaft seien mithin lediglich das Produkt gemeinsamer Interessen. (SPIEGEL 39/1966,157) 0 Trotz und Klüngelei jedenfalls waren es, die in Leutcrshauscn Mitte Februar dieses Jahres einen BUrgcrtrupp zusammenbrachten, der sich »Einigkeit« nannte und einen kurländischen Zuwanderer namens Egon Erzürn als Bürgermeisterkandidaten für die Kommunalwahlen dieses Frühjahrs auf den Schild erhob. (SPIEGEL 49/1966, 44) 0 Auch in der Sowjetunion — und es überraschte mich etwas und zeigte mir wieder die verdrehten Vorstellungen, die Freund und Feind sich von diesem Lande machen, - ist es durchaus von Vorteil, einen Vater in angesehener (...) Stellung zu haben. (W. KOEPPEN: Nach Russland, 107) 0 Aber Smith hielt sich länger, als Freund und Feind erwartet hatten. (SPIEGEL 17/1966, 123) 0 Finsternis und Grabesstille lagen auf der Burg und der Stadt. (RAABE: Galeere, 10) 0 Entscheidend ist, was die Regierung und der Bundestag sagen. (SPIEGEL 4/1966, 23) 0 Einfache Mehrheit des Bundestags und einfache Mehrheit des Bundesrats müssten jede für sich genügen, die Beendigung entweder des Notstands oder einer aus ihm resultierenden Einzelmassnahme jederzeit zu beschliessen. (SPIEGEL 16/1966, 52) 0 Erhard dagegen zeigte am Donnerstagabend schon wieder neuen Optimismus: »Es kann mir ja gar nichts passieren. Links und Rechts finden doch nicht zusammen.« (SPIEGEL 45/1966, 39) 0 Dass mein Leben eine Wendung bekommen hat, einen Sinn, dass mich die Verzweiflung und die Angst nicht mehr martern, verdanke ich den Tagen in Ihrer Falle. (KREUDER: Gesellschaft, 95) 0 Es scheint mir ein unbestrittenes Soldatenrecht zu sein, alles zu nehmen, was der kämpfende Mann und die kämpfende Truppe für die Kriegsführung und für des Leibes Notdurft gebrauchen. (TUCHOLSKY: Werke I, 275) 0 Ich habe oft den Eindruck, als ob sich ganz Links und ganz Rechts sehr nahekommen. (SPIEGEL 53/1966, 24) 0 Die Mauer war Kalter Krieg, deshalb fasste auch Adenauer wieder Mut. Im November in den USA offenbarte er: »Mein Vertrauen in die Vereinigten Staaten und mein Glaube sind niemals enttäuscht worden.« (SPIEGEL 19/1967, 33) 0 Denn Kennedy und seine Mannschaft setzten nicht das herkömmliche Gespräch mit den Deutschen über die Sowjets fort, sondern suchten das Gespräch mit den Sowjets über die Deutschen. (SPIEGEL 19/1967, 32) 0 Die Roten müssten gegen ein Fest Front machen, auf das sich Polens Klerus und Kirchenvolk seit Jahren freuen - auf die Tausendjahrfeier der Christianisierung Polens. (SPIEGEL 19/1966, 134) 0 Unaufhaltsam wachsen in den Offizierkasinos und Klubräumen deutscher Fliegerhorste Missmut und Unbehagen. (SPIEGEL 5/1966, 22) 0 Schlafen und Doping waren verboten. (ZEIT 47/1966, 14) 0 Beifall und Frohlocken hatten vergangenes Jahr das Erscheinen des Wolfsburger King-SizeRundrückcns begleitet. (SPIEGEL 33/1966, 4l)

Vb fin auf jeden Subjektteil einzeln bezogen: 0

Es zeigte sich, dass Barzels ungesteuerte Aktivität und seine ungehemmte Machtsucht die Unionschristen mehr und mehr abstaut. (SPIEGEL 47/1966, 33)

225 0

Zwischen die drei Deutschen hatte sich nur der Schwede Kjell Sjöbcrg und der Russe Alexander Iwannikow geschoben. (OLYMPISCHE SPIELE 1964,72) 0 Das Grauen von Nevers und das Grauen von Hiroshima wird zur lebendigen Gegenwart. (BILD UND FUNK 16/1966,29) ° Wenig später wurde hasse Suppe und Weissbrot ausgeteilt. (SPIEGEL 16/1966, 67) 0 Die erdrückende Sohnesliebe seiner Mutter und die penetrante Spiessigkeit von Schwester und Schwager ist ihm ein Greuel, dem er nur allzugern entrinnen möchte. (BILD UND FUNK 671966,4l) 0 Aber links war die Binnenalstcr und die weissen Lichtreklamen, die sich im Bassin spiegelten. (NOSSAK: Begegnung, 187) 0 Unfähig, sich eine andre Ordnung als die der Bajonette vorzustellen, unfähig, durch die Uniform hindurchzusehen, wetteiferte Bürgerschaft und ein Teil irregeleiteter Sozialisten, die vollziehende Gewalt in die Hände der alten Offiziere zu legen. (TUCHOLSKY: Werke I, 360) 0 Das verträgt meine Selbstachtung und mein Geschmack nicht (SPIEGEL 44/1966, 82) 0 Den Abgeordneten und mir schwebt vor, Hearings abzuhalten, in denen auch Aussenstehende zu Wort kommen, die Professoren, die sich geäussert haben, und die öffentliche Meinung soll gehört werden. (SPIEGEL 20/1966, 70)

Nachgetragener Gedanke: 0

Der Name Ahlers und Augstein sind in diesem Zusammenhang gefallen, weil tie bei der Besprechung erwähnt wurden. (SPIEGEL 6/1966,3)

»und jeder« (7.1.3.3., S.155F.) 0

Jeder und jede fühlte sich untadelig tugendhaft. (WILDER: Iden, 157)

2. Addition von Möglichkeiten oder Wahl von Möglichkeiten (7.1.3.3., S. 156) 0

Hundert Jahre lang waren die Gebete der Bergleute immer nur von dem frommen Wunsch erfüllt gewesen, dass ihnen — so eine Festschrift der «Kameradschaft St. Barbara« — »bei ihrer nicht ungefährlichen Arbeit güüges Schicksal und göttlicher Schutz zur Seite« stehen möge. (SPIEGEL 26/1966, 22) 0 Die Korruption und die Verkennung der Lage frass nach unten weiter. (TUCHOLSKY: Werke I, 272) 0 Als Franzeis Name im Zusammenhang mit der »Furche« genannt wurde, war er in Österreich weithin unbekannt; dies und die Nachricht, hinter Franzel ständen »Pöcking« (Synonym für Otto von Habsburg) und Franz Josef Strauss hatte eine echt österreichische Reaktion zur Folge: ...(ZEIT 20.11.1964. 5) 0 Die Sorge um den Status quo und die Sicherheit der eigenen Machtstellung überwog- genau wie in Westdeutschland bei der CDU. (SPIEGEL 20/1966, 33f.) o Ein Jahr vergeht, da tpiett der Zufall und die Aufmerksamkeit eines Revierförsters der Polizei einen zwielichtigen jungen Mann in die Hände. (NOACK: Prozesse, 106) 0 Die unterschiedliche Behandlung und Ausgestaltung erfordert genaue Beachtung, (ohne Nachweis) 0 Das Umhegte und Versöhnliche ftiess mich ab;... (WEISS: Abschied, 63) 0 Eine drastische Verminderung der Mitgliederzahl und die Einführung von parlamentarischen Staatssekretären könnte manches verbessern. (ZEIT 39/1966, 1) 0 Ich konnte meinen Eltern nicht verständlich machen, dass das Malen und Schreiben eine Arbeit für mich war. (WEISS: Abschied, 104)

3. Addition von Qualitäten (7.1.3.3., S.152ff.) 0

0

Unsicher, ratlos, schwankend und tastend stand gerade in dieser Periode nach den »Blitzkriegen« in Polen und Frankreich die deutsche politische und militärische Führung dem Problem der Kriegführung als grosse Kontinentalmacht gegen die weltweite Seemacht England gegenüber. (SPIEGEL 16/1966,134) Der Grund für unsere Anwesenheit war unsere Objektivität und Unparteilichkeit. (SPIEGEL 48/1966, 150)

226 0

0 0

0

0 0

0

0

0

0

0

0

0 0

0

0

0

Es war, als lebte in diesen Spielen mehr Wirklichkeit und Gegenwartsnähe als in meiner Arbeit oben im Dachzimmer. (WEISS: Abschied, l I6f.) Es herrschte klinische Helligkeit und Sauberkeit dort; ... (Th. MANN: Zauberberg, 191) Es trägt Verstand und rechter Sinn Mit wenig Kunst sich selber vor; Und wenn's euch Ernst ist, was zu sagen, Ist's nötig, Worten nachzujagen? (GOETHE) Von den Noten der fünf Kampfrichter bleiben jeweils die höchste und die niedrigste Wertung unberücksichtigt, (ohne Nachweis) Entscheidend «WBegabung und Interesse. (BILD UND FUNK 3/1966, 28) Tatsächlich waren Ruf und Ruhm des aus Leipzig gebürtigen Philosophen zu allen Zeiten umstritten. (SPIEGEL 48/1966,170) Aber seinen zweiten Platz im Wettlauf verdankt er doch vor allem der Tatsache, dass sich die radikale und die gemässigte Linke auf ihn einigten. (ZEIT 10.12.1965, 2) Aber es reichte für den vierten Platz, obgleich die bulgarische und die polnische Schlussläuferin bessere Einzelzeiten gelaufen waren, (ohne Nachw.) Reifere und taufrische Jugend vereinten sich auf Partys, die Hausfrau Maria, 37, Arbeitskollegen in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung in Brake gab. (SPIEGEL 29.12.1965, 32) Anhand knapper charakteristischer Beispiele wurden Ungewöhnliches und Strittiges erläutert und durch Zitate aus Werken bekannter Schriftsteller belegt. (BÖRSENBLATT 20.9.1966, 75) »Wir sind uns beide darüber einig, dass die französische und deutsche Sicherheit identisch sind und es für Frankreich keine Sicherheit ohne eine Sicherheit für Deutschland gibt, beziehungsweise umgekehrt.« (SPIEGEL 24/1966, 22; Franz-Josef Strauss, Wenn ich Kanzler wäre.) Psychologisch liegt die Sache so, dass der frühere Gefreite und Unteroffizier in der Sicherheitswehr nun einen langen Säbel tragen darf, das sein eigen nennt, was die Mädchen »eine schmucke Uniform« nennen, und als Herr Wachtmeister angeredet wird. (TUCHOLSKY: Werke I, 364) Alle Zerstörungslust und Herrschsucht in uns durfte sich entfalten. (WEISS: Abschied, 53) Die Stahl- und Bauwirtschaft beispielsweise gelten ohnehin nicht länger als Wachstums-industrien, von denen kräftige Impulse ausgehen können. (SPIEGEL 1/1966, 24) Der Partei- und Zentralausschuss hatten den Beschluss gefasst, den 40. Parteitag der SPD als gesamtdeutschen Parteitag abzuhalten und mir die Vorbereitungen zu übertragen. (SPIEGEL 18/1966, 53) Hier kam Achtung und Bewunderung für die dramatische Entscheidung zum Ausdruck, doch zuweilen schimmerte auch kaum verhohlene Zustimmung zum Protest gegenüber dem Minister und dessen Stellvertreter Gumbel hindurch. (ZEIT 36/1966, 3) Ihnen gegenüber ftllt in den Demokratien die grosse Anzahl und die Verschiedenartigkeit hochorganisierter Pressure Groups ins Auge, vor allem auch die relative Offenheit ihrer Wirksamkeit. (F. BRACHER, Staat und Politik, 280)

4. Addition als Integration (7.1.3.3., S.158ff.) 0 0

0

0

0 0

Krankheit und Müdigkeit macht 3.uc\\ Bauern fein. (KAFKA: Schloss, 15) Der Elan und die Begeisterung der Jugend kann sich nicht darin erschöpfen, dass sie nur das loben würde, was schon vollbracht wurde. (SPIEGEL 21/1968, 22) Spielend leicht hatte sich die Umwälzung meines Lebens vollzogen, doch schon nach wenigen Stunden stieg die alte Dunkelheit und Schwere wieder in mir auf und löschte alles Helle aus. (WEISS: Abschied, 123) Nichts und niemand kann den Sperrgürtel ohne Prüfung und Genehmigung von innen oder aussen, es sei denn in Todesgefahr, durchqueren. (SPIEGEL 41/1966, 40) Das Morden und Brennen wurde immer ärger. (SPIEGEL 20/1966, 99) Das Gebäude bebte, als ob die Mauern auseinanderbrechen würden, die Menschen stürzten übereinander, und schwarzer Qualm und Staub legte sich auf alle Kellerräume. (SPIEGEL 42/1966, 139)

227

Infinitive als Subjektteile (7.1.3.3., S.löOf.) 0

0

0

0

Einem Freunde helfen und fünf Minuten später ihn betrügen, waren Dinge, die sich mit seinem Ehrbegriffe sehr wohl vertrugen. (FONTÄNE: Effi Briest, 272) Die Vereinigten Staaten zu verlassen und mit BhakarofF nach Europa zu gehen, brachte immer den gleichen Aufruhr mit sich. (BAUM: Die grosse Pause, 146) Zu Hause sitzen und nichts tun können und auf die Bomben ... waren, ist grauenvoll. (FEUCHTWANGER: Simone, 14) Schimpfen, Lachen und Schwatzen drang durch mehrere Türen,... (Th. MANN: Krull, 31)

»und damit«, »und somit«, »mithin« (7.1.3.3., S.161) 0

0

Der Zeitverlust und damit die Kosten im Gütertransport wachsen ständig. (SPIEGEL 1/1966, 22) Da sich zudem durch höhere Umdrehungszahl (beim Modell: 960 U/min) die Luft-Anströmgeschwindigkeit an den Rotor-Paddeln und mithin der Auftrieb noch beträchtlich steigern Ldsst, dürften, wie Kaletsch errechnete, seine Rotor-Plane mit weit geringerer Flügelfläche auskommen als vergleichbare Flugzeuge herkömmlicher Bauart. (SPIEGEL 5/1966, 92)

5. Addition durch Parenthese und Substitution durch einen anderen Ausdruck (7.1.3.3., S.l62ff.) 0

Das Blut an H.s Schuhen und vor allem die Freundschaft zwischen H. und D. schien dem Kriminalkommissar zu genügen. (QUICK 37/1958, 37)

Monosyndetische und asyndetische Reihung (7.1.3.3., S.l63ff.) Monosyndetische Reihung (7.1.3.3., S.163F.) 0

0 0

0

0

0

0

0

0

0

Seine Familie ist wohlhabend. Ihr gehört eine Zeitung, eine Coca-Cola-Abfullstation, eine Holzfirma, zahlreiche Grundstücke sowie grössere Anteile an einer Bank. (SPIEGEL 10/1966,97) Hier wird Geist, Zeit, Geld und Arbeitskraft vergeudet, (SPIEGEL 47/1966, 85) Henkel, Sunlight sowie Procter & Gamble können ihre Marktanteile mangels zusätzlichen Bedarfs nur noch auf Kosten der direkten Konkurrenten ausweiten. (SPIEGEL 4/1966, 48) Ausserdem ist da noch drin: Notverpflegung, Verbandszeug, Angelzeug, Wasserentsalzungstabletten und so verschiedene Sachen. (SPIEGEL 44/1966, 44) Mangel an Selbstbeherrschung, Eigennutz, Unterwürfigkeit nach oben und Roheit nach unten: das waren die Kennzeichen des deutschen Offiziers. (TUCHOLSKY, Werke I, 318) Bis Februarende macht sich Unruhe, Opposition, Gereiztheit und Ungeduld unliebsam bemerkbar. (BILD UND FUNK 9/1967. 31) Auf dem öden Bauplatz wuchs hohes Brcnncsselkraut, Kamillen und Hundsmelde rings um den unfertigen Neubau. (KREUDER: Gesellschaft, 136) Trotz der enormen Kosten wurden zu dünner Beton, ein unsicherer Unterbau und mangelhaftes Material verwendet. (SPIEGEL 46/1966. 153) Auf jeden Fall müssen das IRK in Genf, die Regierung in Saigon und das Rote Kreuz von Südvietnam ihre Zustimmung geben. (SPIEGEL 4/1966, 16) Die neuen Ehren, der Ansturm von Journalisten, der Photographen, die Überschwemmung mit Medaillen, Einladungen und neuen Preisen ermüdet sie und stimmt sie nur noch mehr herab. (FUSSENEGGER: Zeit. 441)

Asyndetische Reihung (7.1.3.3., S.164F.) 0

0 0

Doch Freund und Feind, Traum und Trauma, Vergangenheit und Zukunft fanden noch nicht zueinander. (SPIEGEL 50/1966, 76) ... denn ohne sie u/äredie Frau, das Kind vielleicht verhungert. (SPIEGEL 1/1966, 16) Nur zuweilen klang ein wilder Schrei, ein Jauchzen auf. (RAABE: Galeere, 63)

228 0

... ihre Wäsche, ihr blauer Schlafsack, ihr graues Zelt... hing über der Leine ... am Herd;... (JALKO: Scromeinsamkeit, 42) ° Der Hass, die Gewalttätigkeit nützte nichts mehr,... (WEISS: Abschied, 82) 0 Das alte Ornament, die alte Vorstcllungsform waren geblieben, der Inhalt völlig verändert. (TUCHOLSKY: Werke I, 360) 0 Die im weiten Oval summende, knisternde Spannung, die angestaute Erregung schreien geradezu nach Entladung. (QUICK 39/1958,75) 0 Doch die Sowjets gaben ihre Annäherungsversuche nicht auf. Der Wahlerfolg der SPD in Nordrhein-Westfalen, die Selbstzerfleischung der Christdemokraten, die Agonie der Bundesregierung bestärkten sie in der Ansicht, dass die Sozialdemokraten mehr und mehr zur politisch bestimmenden Kraft der Bundesrepublik gedeihen. (SPIEGEL 43/1966, 34) 0 Eine unfehlbare Sicherheit des Geschmacks, eine lächelnde, gleitende Überlegenheit machen uns vibrieren; aber wir fürchten uns nicht. (TUCHOLSKY: Werke I, 235) 0 ... mein Hals, meine Brust, mein Kopf waren entzündet von den Bazillen der alten, ungelösten Seuche,... (WEISS: Abschied, 123) 0 Obwohl die örtliche KP ein Konkurrenz-Programm mit Paraden, Sport und Spielen aufstellte, drängten Männer und Frauen, jung und alt, in die Kirchen. (SPIEGEL 18/1966, 134)

Korrelative Reihung (7.1.3.3., S.l65ff.) »nicht nur... sondern auch« (7.1.3.3., S.l65f.) 0

0

0

0

0

Aber um sicher zu gehen, stiess er ... noch einmal... mit dem Speere zu, dass nicht nur sie selbst, sondern auch das neben ihr gehende Ross durchbohrt wurde. (HAGELSTANGE: Spielball, 302) Aber nicht nur der Pädagog, sondern auch der Germanist musste sein Interesse der älteren Grammatik zuwenden. (JELINEK: Geschichte 1,2, 1913) Mit dieser Lösung wäre nicht nur die überwiegende Mehrheit der Partei, sondern auch Erhard selbst sehr zufrieden gewesen, weil Dufhues loyal zum Regierungschef steht und selbst nicht den Ehrgeiz hat, Kanzler zu werden. (SPIEGEL 8/1966, 15) Bisher hat nicht nur der US-Präsident, sondern auch Rotchina gewissenhaft jeden Schritt vermieden, der zu einem direkten militärischen Konflikt zwischen beiden Mächten führen könnte. (SPIEGEL 14/1966,131) Wenn heute weder Konzil noch Papst unfehlbare Lehrentscheidungcn treffen wollen, so steht dahinter nicht nur eine neue Erkenntnis und Erfahrung von der Bruchstückhaftigkeit aller menschlichen Glaubensäusserungen, sondern auch die mehr oder weniger reflexe Überzeugung, dass die Kirche nicht in der Weise über den Heiligen Geist verfügen kann, wie dies manche Theologen früher meinten. (SPIEGEL 5/1966, 60)

Varianten: 0

0

0

Nicht nur eine Straftat, sondern ein unmenschliches Verbrechen wird ihm vorgeworfen. (NOACK: Prozesse, 43) Nicht nur der Verlag, auch Redakteur Willnauer soll büssen - wegen einer sachlich richtigen Anmerkung zu einem Brief, in dem sich Alban Berg über seinen Bruder Charly beschwert. (SPIEGEL 4/1966,84) Nicht nur der jüdische Tischler Emanuel Blatt, auch ein Widerstandskämpfer (Hans Cossy, links) hat sich in das Kloster geflüchtet. (BILD UND FUNK 14/1966, 49)

»weder- noch« (7.1.3.3., S.166F.) 0

0

Eine Woche, bevor sich der Bundeskanzler aufmachte, den amerikanischen Präsidenten zu besuchen, waren sich in Bonn weder Kabinett noch Regierungsfraktionen darüber einig, welche Verhandlungsziele Ludwig Erhard bei Johnson anvisieren sollte. (ZEIT 17.12.1965, 1) Viele Piloten wollen ihren Dienst in der Bundeswehr, die in Kürze 153 weitere US-Hubschrauber kaufen wird, quittieren, wiel ihnen trotz zahlreicher Bittbriefe bislang weder das Ministerium noch die Wchrexpertcn der Parteien geholfen haben. (SPIEGEL 35/1966, 12)

229 weder die Familie Reemtsma noch Axel Springer, weder der mäzenatische Getreide-Imporceur Toepfer noch der mäzenatische Maschinenfabrikant Körber, weder die Politiker noch die Künsder der Stadt spielen im Leben dieser hanseatischen Society eine Rolle. (SPIEGEL 39/1966,106) Aber anscheinend hatten weder diese Maschine noch die deutsche Luftwaffe überhaupt seine Erwartungen erfüllen können, denn er wurde abgeschossen und starb. (KOPPER: Simplidus, 84) Zwar war der rote Tcppich ausgerollt, eine Ehrenkompanie angetreten und der Salut abgefeuert worden, aber weder waren, wie früher, Präsident Johnson oder Vizepräsident Humphrey noch Ausscnminister Rusk erschienen. (SPIEGEL 41/1966, 27) Hunger und rauhe Winde hätten weder mein Körper noch mein Talent überstanden ... (TH. MANN: Königliche Hoheit, 122) In seinem sommersprossengesprenkelten Gesicht waren weder Scheu noch Ncugier. (STRITTMATTER: Wundertäter, 197) Als sein Vater verschwand, war seiner Mutter weder Erstaunen noch Kummer anzumerken, (ohne Nachweis) Nach dem Ende des Peloponncsischen Krieges ... konnte weder Athen noch Sparta, von den kleineren Stadtstaaten mit Ausnahme Thebens zu schweigen, je wieder eine führende Rolle in der Weltpolitik des Mittclmeerraumes spielen. (F.BRACHER: Staat und Politik, 259) Dadurch wurde weder sie noch ihr Kind wieder lebendig. (SPIEGEL 29/1966, 46) Nach der an Bord befindlichen Dirne hatte sich weder der Gouverneur noch der Admiral erkundigt. (RAABE: Galeere. 51) Im Fall Rupp war weder Ruhm noch persönliche Genugtuung zu finden. (BAUM: Paris, 75) Soweit wir feststellen konnten, hat sich weder die westliche Arbeitsgruppe noch die Aussenministerkonferenz in Washington (15· bis 16. September 1961) mit der Frage der Beseitigung der Mauer befasst. (SPIEGEL 44/1966, 85) weder Adenauer noch Brandt schreckt zurück vor der Vorbereitung auf den »Ernstfall«. (MANNHEIMER MORGEN 25-2.1961, 46) Aber die Nacht ist dunkel, weder Mondschein noch Sternenflimmer erheut M. (RAABE: Galeere, 68) »weder die Kirche noch die Industrie nimmt uns ernst«, so klagte in diesem Frühjahr der christliche Gewerkschaftsfunktionär und saarländische CDU-Landtagsabgeordnetc Max Schneider: »Wir sind armselige Kleckerhaufen.« (SPIEGEL 25/1966, 34) weder Moskau noch Washington kann zulassen, dass lokale Auseinandersetzungen in weltweite, die Atomgiganten einbeziehende Verwicklungen ausufern. (ZEIT 30.6.1967, 1) weder die geballte Kraft der starken Männer aus den beiden grossen Parteien noch die SuperMehrheit der Koalition im Parlament hatte den neuen Herren die Furcht vertrieben, als Verzichtpolitiker zu gelten. (SPIEGEL 13/1967, 33) Statt eines Griffs zum Skalpell entschloss sich der Premier zur Kur mit bitteren Pillen. Weder England nochax Welt danktet* ihm. (SPIEGEL 32/1966, 52) »weder das Glück«, sagte Klaus Heinrich, »noch die Liebe des Volkes wird]c bewirken können, dass ich aufhöre, dein Bruder zu sein«. (TH. MANN: Königliche Hoheit, 243) weder mein Mann noch ich vermochten das zu glauben. (GRZIMEK: Tiere, 37) weder der Begriff der Volkssouveränität noch der Text einer Verfassung reichen aus, um einen Staat als »demokratisch« zu qualifizieren. (BRACHER: Staat und Politik, 73) weder Vater noch Mutter waren mit seinem Vorhaben einverstanden. (NIGG: Pilgers Wiederkehr, 95) weder er noch ein Mitarbeiter der geheimnisvollen Dienststelle »L II G« hatten es unterschrieben - und bis heute ist ungeklärt, ob »L II G« etwa zum Verfassungsschutz oder zum Bundesnachrichtendienst gehört oder gar nicht existiert. (SPIEGEL 50/1966, 6l) weder die SPD-Fraktion noch das Land Hessen, das die Verfassungswidrigkeit der Sicherstellungsgesetze eindeutig behauptet hatte, konnten sich bis heute dazu verstehen. (SPIEGEL 16/1966,38) weder der eine noch der andere Gcfugeteil behalten ihren Einzelwert. (GLINZ: Innere Form, 392)

230 0

0

0

0

0

0

0

Denn weder Heer noch Luftwaffe verfügen über Aufklärungsmittel, die ihnen im Kriegsfall nachts und bei schlechtem Wetter einen Blick hinter die feindlichen Linien ermöglichen. (SPIEGEL 21/1968, 30) weder der Kaplan, der dem farbigen Medizinstudenten Boni das Zimmer vermittelt, noch der Münchner Metzgermeister, der es vermietet, ahnen, was sie damit heraufbeschwören. (BILD UND FUNK 18/1966, 21) Und weder der Bundeskanzler noch der Sozialdemokrat Brandt waren zu sehen. (SPIEGEL 28/1968, 22) Diese drei waren sich schon lange einig, dass weder Barzel noch Schröder Kanzlerkandidat und präsumtiver Parteivorsitzender werden dürfte. (SPIEGEL 47/1966, 33) Wenn heute weder Konzil noch Papst unfehlbare Lehrentscheidungen treffen wollen, so steht dahinter nicht nur eine neue Erkenntnis und Erfahrung von der Bruchstückhaftigkeit aller menschlichen Glaubensäusserungen, sondern auch die mehr oder weniger reflexe Überzeugung, dass die Kirche nicht in der Weise über den Heiligen Geist verfugen kann, wie dies manche Theologen früher meinten. (SPIEGEL 5/1966, 60) weder die mit Verve angekündigte Konjunkturrücklage der öffentlichen Haushalte noch die versprochene mittelfristige Finanzplanung werden 1967 wirksam. (SPIEGEL 37/1966, 36) Und plötzlich liess sie Fatme zum Galopp ansetzen und flog in solcher Geschwindigkeit über das Blachfeld dahin und der dunklen Masse des fernen Kiefernwaldes entgegen, dass weder die Gräfin noch Klaus Heinrich sich bei ihr zu halten vermochten. (TH. MANN: Königliche Hoheit, 173)

Varianten: 0

0

0

weder das Alter noch die Tatsache, dass man schon ein Jahr gedient hatte, nicht einmal schlechte Gesundheit wurde als Ausnahme berücksichtigt — menschliche Gesichtspunkte schon gar nicht. (SPIEGEL 31/1966, 57) Da weder Catriona noch der alte Lassenthin noch der jurisüsch erfahrene Gumpel mit einem Gedanken an die Verschiedenheit der Glaubensbekenntnisse gedacht hatten ... konnte niemand mir einen Vorwurf machen. (FALLADA: Junger Herr, 252) weder eine Landtagsdebatte über die Jugendzahnpflege, noch die »Teilnahme an der Einweihung des neuen Vermessungsamtes in Saulgau«, noch auch die »Teilnahme an der Einweihung eines Studentenwohnheims in Reudingen« bringt ihn rhetorisch in Verlegenheit. (SPIEGEL 47/1966,38)

»nicht - noch« (7.1.3.3., S. 167) 0

Nicht das eine noch das andere wird dem neuen baden-württembergischen Landesherrn helfen, den schwersten Brocken wegzuwälzen, den Kurt Georg Kiesinger ihm hinterliess: die Lösung der Schulfrage. (SPIEGEL 51/1966, 54)

»sowohl - als auch«, »sowohl - wie auch« (7.1.3.3., S. 168) 0

0

0

0

0 0

Sowohl Moskau wie auch Washington hatten den Burmesen (...) ausdrücklich ermuntert, erneut zu kandidieren. (SPIEGEL 37/1966, 97) Ich teile Ihnen mit, dass sowohl mein Bruder Martin als auch ich zu den Überlebenden gehären und im Interesse des Rechts gegebenenfalls bereit sind, als Zeugen gehört zu werden. (SPIEGEL 14/1966,16) Sowohl die Konzeption seines Werkes als auch der Film selbst bestanden zu diesem Zeitpunkt nur in Fragmenten. (BILD UND FUNK 43/1966, 41) Sowohl ihr Zahlenverhältnis wie auch ihre Einstellung zueinander wandelten sich von einem Jahrhundert zum anderen, (ohne Nachweis) Sowohl diese als auch jene Voraussetzung müsste gegeben sein, (ohne Nachw.) Sowohl Kirillin als auch der Vorsitzende des Staatskomitees für Kulturbeziehungen mit dem Ausland, Romanowski, machten dem Bonner deutlich, dass Moskau weiter auf seiner Drei-Staaten-Theorie beharrt. (SPIEGEL 32/1966. 22)

231 0

Dass in Frankreich die Tür ins Unbekannte, ins Unvorhergesehene geöffnet wurde, dafür ist Indiz die Tatsache, dass offenbar Sowohl die Kommunisäsche Partei als auch die von den Kommunisten gelenkte Gewerkschaft CGT von der Rebellionslawine zunächst überrollt wurde. (ZEIT 24.5.1968,1)

»oder« (7.1.3.3., S.168ff.) disjungierendes »oder« (7.1.3.3., S.l68ff.) 0

0

0

0

0

0

0

0

... nur zuweilen ertönte der rauhe Gesang einer wüsten Soldatenschar oder der Ruf der Nachtwächter ... (RAABE: Galeere, 63) Seit Jahrhunderten ist der König oder die Königin die »Schützerin des Glaubens«. (QUICK 37/1958,18) Weder er noch ein Mitarbeiter der geheimnisvollen Dienststelle »L II G« hatten es unterschrieben — und bis heute ist ungeklärt, ob »L II G« etwa zum Verfassungsschutz oder zum Bundesnachrichtendienst gehört oder gar nicht existiert. (SPIEGEL 50 966, 6l) Ein Blick in den Sportteil einer Gazette genügt, und Annelies Schön hat gesehen, ob was Böses oder was Gutes über ihren Mann drinsteht. (SPIEGEL 31/1966, 67) Doch ehe die erste bemannte US-Fähre oder die Sowjet-Rakete zum Mond wird starten können, müssen elektronische Kundschafter ausspähen, wie das lunare Lande-Terrain beschaffen ist - das war die Aufgabe von Luna 8. (SPIEGEL 15.12.1966,146) ... wenn sie sich wirklich beweisen lassen, und wenn wirklich einer oder der andere — was nicht anzunehmen ist — bestraft wird, so rechtfertigt das in den Augen der Offiziersanhänger immer noch nicht unser scharfes Urteil. (TUCHOLSKY: Werke I, 303) Ausstands-Führer Hogarth will den ersten totalen Seestrcik seit 1911 »bis zum bitteren Ende führen«. Hogarth: »Einer von uns beiden - wir oder die Reeder - wird kaputtgehen, wenn der Streik länger als zwölf Wochen dauert.« (SPIEGEL 22/1966, 106) »Es war einfach Notwehr«, sagte er. »Er oder ich — einer war geliefert. Sie hätten an meiner Stelle gerade so gehandelt.« Ja. (TUCHOLSKY: Werke I, 332)

adjungierendes »oder« (7.1.3.3., 168ff.) 0

... in den Wörterbüchern lassen steh die Hauptbedeutung eines Lemmas oder seine geographischräumliche Zugehörigkeit eher nennen als eine bestimmte Stilebene oder Stilfärbung ... (WIRKENDES WORT 16/1966 Nr.2, 89) 0 Ebensowenig könnten Paris oder London uns zwingen, einen Atomkrieg zu fuhren, wenn wir nicht wollen. (SPIEGEL 15.12.1965, 32) 0 Tatsächlich sind auch beim Menschen - noch bevor Vernunft oder Moral zum Zuge kämen eben die gleichen instinktiven, aus der Tiervergangenheit ererbten Hemmungs-Mechanismen wirksam. (SPIEGEL 29.12.1965.75) 0 Untätigkeit oder eine schwache Aktion können einen schweren Rückschlag, eine verpasste Gelegenheit oder sogar eine Katastrophe zur Folge haben. (SPIEGEL 48/1963) o Die oder der Täter «Wnoch unbekannt. (MANNHEIMER MORGEN 6./7.8.1966, 1) 0 Glaub ja nicht, dass du oder die Richter die Aufgabe hätten, eine Untat zu sühnen. (TUCHOLSKY: Werke I, 406)

»bzw.« (7.1.3.3., S.171) 0

Sie spielt nämlich zur gleichen Zeit in beiden Fernsehprogrammen die weibliche Hauptrolle. Lieber wäre es den Pflug-Fans allerdings gewesen, wenn ihnen die blonde (aus Mainz) bzw. schwarze (ARD) Eva nacheinander präsentiert worden wäre! (BILD UND FUNK 12/1966, 45)

»wie auch«, »sowie«, »dann«, »dann auch«, »mit«, »begleitet von«, »gefolgt von« (7.1.3.3-, S. 172) 0

Schliesslich müsfielen den Beschenkten die ungünstige Verkehrslage wie auch das Klima. (SPIEGEL 20/1966,45)

232 0

0

0

0

0 0

0 0

0

Es liegt ihnen (den Jubiläumswerken) viel daran, als laminierte Pappbände wie Werbeschriften auszusehen, obwohl der textliche wie auch der bildliche Buchinhalt sich ganz wissenschaftlich gibt. (G.K.SCHAUER: Börsenblatt 3/1965, 39) Ihnen steht... die Befugnis zur Sclbstgcsetzgebung ... sowie das Recht zu, zur Finanzierung ihrer Aufgaben eigene Abgaben zu erheben sowie unter Wahrung ihrer rechtlichen Verpflichtungen ihre Ausgabenwirtschaft selbst zu regeln (Abgaben- und Etatautonomie). (F.BRACHER: Staat und Politik, 161) Für jeden Etat ist ein Kundenberater der Agentur (Kontakter) sowie eine »kreative Gruppe« von Textern und Graphikern zuständig. (SPIEGEL 4/1966, 43) ... wobei seine würdige Erscheinung sowie die wache Präzision seiner Aussage allgemeine Anerkennung erntete. (HABE: Teufel, 31) Das Protokoll vom 7. März sowie seine Anlage bleiben gültig. (SPIEGEL 29/1966, 18) Die Beschaffung der Einnahmen, die Gestaltung der Ausgaben sowie die Wirtschaftsführung des Staates sind die traditionellen Gegenstandsbereiche der Finanzpolitik. (F.BRACHER: Staat und Politik, 89) Unter dieser Geltungssucht leidet die Familie sowie der Beruf, (ohne Nachw.) Die tatsächliche sowjetische Kräfteverteilung sowie die Präsenz der Atomwaffen in Ost und West fuhren uns zu einem Lagebild, aus dessen makabren Konsequenzen es zu lernen gilt. (SPIEGEL 48/1966, 44) Hcrmine Kleefeld gehSrtt dazu sowie Herr Albin, ... (TH. MANN: Zauberberg, 159)

Kongruenz bei Koordination von Sätzen (7.1.3.4., S.173f.) 0

Ich zog die Schublade heraus, links lag ein Stoss Schreibmaschinenpapier, rechts Durchschlagpapier, dahinter eine Mappe mit Kohlepapier. (KREUDER: Gesellschaft, 165) 0 Aber während er im Schreiten schon überdachte, an welchen Stellen das Ufer zur Linken aufgefüllt, die Anhöhe zur Rechten abgeplattet werden müssten ..., prallte sein Blick gegen die Fundamente eines mächtigen Schlosses. (R. SCHNEIDER: Erdbeben, 111) 0 Tiefblau leuchtet der Enzian, hellrot die Alpenrosen. (QUICK 15/1958, 16) 0 Als die grauen Regenmäntel zu Ende waren, kamen Anzüge mit Fischgrätemuster, dazwischen hingen welche mit »Pfeffer und Salz«, dann kam Marineblau, danach grüne Lodenanzüge mit Lederknöpfen. (KREUDER: Gesellschaft, 119) 0 Durch einen Zufall wurde eine Fährte entdeckt und so der Dieb gefässt. (ohne Nachweis) 0 Bei dem Unfall wurde der Fahrer getötet und der Beifahrer verletzt, (ohne Nachweis) 0 Er sagte, dass alle diese Offiziere, einer wie der andere, bestrebt waren, bewusst, unter bewusstem Missbrauch ihres moralischen Kredits, die vorgesetzten Dienststellen und die gesamte Öffentlichkeit zu belügen. (TUCHOLSKY: Werke I, 419) 0 Die Professoren, die sich gäussert haben, und die öffendiche Meinung soll gehört werden, (ohne Nachweis) o Im übrigen haben es die Kirchen leichter als die amtliche Politik. (SPIEGEL 4/1966, 22) 0 Durch Sonneneruptionen und Verlangsamung der Erddrehung stehen ein heisser Sommer bevor und als dessen Folge schwere Gewitter. (GENERAL-ANZEIGER für Bonn und Umgebung 27.5-1959) 0 In dem linken Schränkchen stand ebne, altmodische Kaffeemaschine, ein hoher Glasbehälter mit einem Spirituskocher darunter. (KREUDER: Gesellschaft, 165) 0 Hier herrscht noch der alte Kasernengeist, hier noch ein stumpfsinniger Hundegehorsam, hier noch Gewalt, Titelsucht und Wettklcttern auf der Beförderungsleiter. (TUCHOLSKY: Werke I, 364) 0 Pathos tuts nicht und Spott nicht und Tadel nicht und sachliche Kritik nicht. (TUCHOLSKY, Werke I 422)

233

Die Kongruenz im Gleichsetzungssatz (7.2., S.174ff.) Person und Numerus des satzkonstituierenden Verbs (7.2.I., S.175ff.) 0

Nicht immer nur eine, sondern unter Umständen eine ganze Gruppe von Lauten sind Träger eines Inhalts. (PORZIG: Wunder der Sprache, 2-Aufl., 125) ° Der Vollbestand irtneun Richter. (NZZ 778.11.1987, 5)

Die Kongruenz des Gleichsetzungsgliedes (7.2.2., S. 180ff.) Kongruenz im Genus (7.2.2.1., S.lSOff.) 0

Opels Rekord war das ganze Jahr 1965 hindurch Opels Sorgenkind und die Hauptursache, das: die Firma im letzten Jahr als einzige Autoproduzentin Deutschlands Umsatzeinbussen hinnehmen musste. (SPIEGEL 5/1966, 62) 0 Einer der Höhepunkte war der überragende Sieg der Eichstätter gegen Alassio am 6. Juli bei strömendem Regen. Seitdem gilt die fränkische Bischofsstadt als Favoritin für das Endspiel. (BILD UND FUNK 36/1966,4l) o Elisabeth war einer der grössten britischen Monarchen. (WIESBADENER TAGBLATT 4./5.10.1958, 17) 0 Die Mörderin ist AUeinerbin. (BILD UND FUNK 46/1966, 37) 0 Jaspers hatte in seiner Baseler Kollegin einen guten Interpreten gefunden. (FAZ 225/1958, 8) 0 Ich bin stolze Besitzerin sämtlicher Bände des Duden, (ohne Nachweis) 0 In den vorbereitenden Gesprächen war ein physischer Mitbesitz der Bundesrepublik an Atomwaffen besprochen worden. Sie sollte Miteigentümer einer gemeinsamen Flotte von acht Polaris-U-Booten werden. (ZEIT 31.12.1965,4) 0 ... die Professorin Dr.B. Sie war kommissarischer Direktor des Instituts. (FAZ 110/1958, 4) 0 Seit Donnerstag letzter Woche ist Frau Maria Probst, 63, CSU-Abgeordnete aus Hammelburg in Unterfranken, die erste Vizepräsidentin in der Geschichte des Deutschen Bundestags. (SPIEGEL 15.12.1965, 37) 0 Die Amtsgerichtsrätin war in den Augen der Karstadtangestellten zur Diebin geworden. (ZEIT 24.12.1965,14) 0 Aber konnte sie ungeachtet ihrer Kleinheit nicht trotzdem ein guter Kämpfer sein? (ohne Nachweis) 0 Die zierlichen Eisprinzessinnen mit ihren kraftvollen und gewandten Partnern und Kollegen waren die ersten Wintersportler, die olympische Medaillen entgegennehmen durften. (OLYMPISCHE SPIELE 1964, 73) 0 Die komplette Titan-Rakete selber wurde im April, im Juni und im Juli mindestens viermal umfangreichen Tests unterzogen, häufiger als je eine ihrer Vorgängerinnen seit Gemini 2. (SPIEGEL 22.12.1965.95) 0 Adressatin dieser zahl- und umfangreichen Briefe war die »teuer Erkorene, teuer Errungene« Helene Berg, Ehefrau des Wiener-Schule-Komponisten, der neben Arnold Schönberg und Anton von Webern längst als Klassiker modemer Musik kanonisiert worden ist. (SPIEGEL 4/1966, 84) 0 Die jüdische Religionsgemeinschaft hat denn auch folgerichtig in Jesus nicht den Erfuller des Gesetzes gesehen, wie er das selber tat, sondern seinen Auflöser. (THIESS: Reich der Dämonen, 219)

Kongruenz im Numerus (7.2.2.2., S.187ff.) 0

Kaum sechzig Studenten wurden jüngst im Hörsaal IX der Bonner Universität Zeugen eines ganz ungewöhnlichen Professoren-Streites. (ZEIT 17.12.1965, 31)

234 Sie wurden nicht nur Zeugen eines Sportereignisses, das kein Regisseur spannender hätte inszenieren können, sie erlebten eine der seltenen grossen Wachablösungen im Sport. (OLYMPISCHE SPIELE 1964, 67) Sitzen indes nicht nur ein paar soignierte Diplomaten oder aufsatzschwangere Schüler auf den Zuschauergalerien, sondern kommen Millionen zu Gast, dann werden auf die Dauer die freie Rede und der funkelnde Dialog wieder Trumpf sein. (ZEIT 10.12.1965, 1) Sie gehört jetzt schon seit mehr als 125 Jahren zu den in der Firma Zanders zusammengefaßten Anlagen zur Erzeugung von Feinpapier. J.W. Zanders i«Wein reines Familienunternehmen. (FAZ 99/1958,5) Ich bin also mehrere Männer, wieviele es sind, weiss ich nicht, und ich bin nicht nur verschiedene Männer in einer Brust, ich bin auch Frauen. (KREUDER: Gesellschaft, 106) »Brot ist ausverkauft«, sagte Karl und stand auf. Er war ein wenig verwachsen, seine Summe war leise und dünn. »Dürfen es vielleicht Zwieback sein?« »Ja, bitte«, sagte Wilhelm, »ein Pfund Zwieback.« (KREUDER: Gesellschaft, 12) Beide Springen waren ein grosser sportlicher und ein überwältigender Publikumserfolg. (OLYMPISCHE SPIELE 1964, 67) Die Aristokratie ist nicht mehr, wie Heinrich Heine Anfang des 19. Jahrhunderts gespottet hatte, Englands »Sonne, Mond und Sterne». (SPIEGEL 15/1966,142) Das widerspricht sich nicht, denn man muss wissen, dass beste Freundinnen etwas so Seltenes ist, dass man froh sein soll, wenn man zwei davon hat. (SCHNABEL: Anne Frank, 32) Sind sie dann im Amt, die Abiturientinnen, die der Volksbildung dienen wollen, so möchten sie es nicht wahrhaben, dass sie Lehrerin sind, der Kinder »Fräulein«. (ZEIT 20.11.1964, 53) Die gewöhnliche Nahrung der Pflanzen ist Wasser, Kohlendioxyd und Grundstoffe des Bodens, (ohne Nachweis) Die Chemischen Werke Hüls in Mari/Westfalen sind eines der ertragreichsten deutschen Unternehmen. (SPIEGEL 34/1966, 35)

Substantivbegleiter in pränominaler Stellung (7.3.1., S.190ff.) 0

Reinigung von nationaler Schimpf und Schande. (MAGNUM 51/1963, 76)

Genuskongruenz der Pronomen (7.4.1., S.205ff.) 0

0

0

0

0

0

Denn dieses alles fehlte diesem Girl, das wie aus einem amerikanischen Film herabgehüpft zu sein schien, nur den täglichen Einkleidungssorgen und Naschwerkfragen zugewandt, und das, wenn schon einmal etwas Gedankliches von Ungefähr über «kam, sich nur an seelischem Marzipan belebte. (BEHEIM-SCHWARZBACH: Diebische Freuden, 93) Das Mädchen merkt offensichtlich gar nicht, dass sie englische Wörter einflicht. Ausserdem glaubt sie ihrem Bruder nicht so recht, dass »switschen« und »fixen« keine deutschen Wörter sind, (ohne Nachweis) Die siebzehnjährige Carol steht im Mittelpunkt des Kriminalfilms »Vergeudetes Leben«. Das junge Mädchen hat es satt, sich für seinen Stiefvater abzuplagen; so zögert es nicht lange und läuft davon. Die Reise geht zuerst einmal nach London. Hier macht Carol Bekanntschaft mit einer Wahrsagerin, die ihr zu einer Anstellung in einem Caft verhilft. Dass Carol (Christina Gregg) ein attraktives Mädchen ist, entdeckt auch der Besitzer des Cafes bald. So gross ist seine Verehrung, dass er ihm nicht einmal das »Nein« auf seine Annäherungsversuche verübelt. (BILD UND FUNK 49/1965, 53) Ein Langes junges Mädchen ... strich dicht an Hans Castorp vorbei, indem es ihn fast mit dem Arme berührte. Und dabei pfiff sie... (TH. MANN: Zauberberg, 72) Sie stürzten sich auf das Mädchen Helga, das in der Ecke stand, und drohten ihr mit Erschiessen. (QUICK 21/1958, 64) ... wenn das Mädel ein hübscher Backfisch ist, schlank und blond, und alle Primaner sich die Köpfe nach ihr verdrehen werden,... (QUICK 39/1958, 49)

235

Und unter der Circuskuppel, von Trapez zu Trapez schleuderte sich ein Lufiwesen, überschlug sich, sriess schrille, tollkühne Rufe aus, kam aus der Höhe auf mich herabgeflogen mit ausgebreiteten Armen, steil wehendem schwarzem Schöpf, nah vor mir fing sie sich wieder auf und riss sich empor, ein Windzug, erfüllt von eigentümlich betäubendem Duft, sauste über mich hin, ihr verzücktes Lächeln in ihrem gelb-braunen, schrägäugigen Gesicht, ihr heller Vogelschrei brannte sich für immer in mich ein. (WEISS: Abschied, 24f.) Bei einem Ausflug »ins Jriine« mit dem Mädchen Pauline (Gisela Fritsch) entdeckt Kubinke (Ernst Jacobi), dass lieso ganz anders ist als die anderen. (BILD UND FUNK 1/1966, 21) Dem Mädchen sei in der letzten Nacht der Weihnachtsmann erschienen. Er habe ihm eine grosse Puppe überreicht und sei dann wieder verschwunden. (BILD UND FUNK 51/1965. 21) Ein besonderes Sorgenkind war für sie die dunkelhaarige Gertraude, älteste Tochter des Briefträgers Walter Kummet. Das achtjährige Mädchen machte seine Aufgaben stets gewissenhaft, begriff aber nur langsam. Oft, wenn Gertraude die Lehrerin mit ihren grossen traurigen Augen ansah, hatte Susanne Schäfer das Gefühl, dass sie ihr gar nicht zuhörte. (BILD UND FUNK 44/1966,72) Letzte bei den Damen wurde damals ein 12jährigcs stupsnäsiges norwegisches Mädchen, das später dann für viele Jahre eine wahre Königin des Eises werden sollte und dessen Namen auch heute noch jeder kennt: Sonja Henie. (OLYMPISCHE SPIELE 1964, 73) Das Mädchen wohnte bei seinem alten Onkel. Er schlief noch, sie ging in die Küche und kochte Kaffee, dann gingen wir in das Wohnzimmer und tranken Kaffee und assen Butterbrote. (KREUDER: Gesellschaft, 39) Das Mädchen war am Boden eingeschlafen. Ich weckte es und wir gingen die Stufen hinauf, durch die geheime Tür traten wir ins Zwischendeck. (KREUDER: Gesellschaft, 38) Auf der letzten Bank sass ein Mädchen. Sie weinte. Ich überlegte, wie ich sie retten konnte vor dem Fallbeil. (KREUDER: Gesellschaft, 37) Unter den Klängen eines Militärmarsches erreichte ich die Bank, auf der das schwarzhaarige, bleiche Mädchen sass. Mit dem Taschenmesser schnitt ich ihre Fesseln durch. Da sank sie wie in einer Ohnmacht um und rutschte von der Bank. Ich fing sie am Boden auf, nahm ihr den Knebel aus dem Mund. (KREUDER: Gesellschaft, 37) Aber das Mädchen muss hier bleiben, es wird gleich dran kommen. (KREUDER: Gesellschaft, 37) Das Mädchen hatte innerhalb weniger Stunden ihre ganze Schönheit eingebüsst. (DÖBLIN: Berlin Alexanderplatz, 238) Das ist nur eine von diesen Mädchen, die mir ... keine Ruhe lassen. (NEUBAUER: Männer, Frauen und Motoren; in QUICK 35/1958, 38) Uschi Scheuermann^ zwölf Jahre alt, hatte den Onkel ... in ihr gar nicht kleines Herz geschlossen. Das Mädchen mit der Stupsnase und den Sommersprossen hatte vor acht Jahren seine Mutter verloren und wuchs, wenig behütet und im geringsten verwöhnt, bei ihrem Vater und der alten Tante... auf,... (KIRST: Aufruhr, 30) Was hat denn das / &/eigentlich von ihrem Leben? (SCHNITZLER: Liebelei, 4l) Die riesige Schlucht einer Grossstadtstrasse trennt einen jungen Mann von dem Mädchen, das er so gern kennenlernen möchte. Verzweifelt versucht er, eine Telefonverbindung mit ihr zu bekommen. (BILD UND FUNK 4/1966,44) Sie werden jede Strasse und jeden Winkel wiedererkennen, jedes Mädchen und jeden Ganoven, den er abgezeichnet hat. (JENS: Mann, 45) Denn im Hause einer seiner wichtigsten Agentinnen, der Ballerina Dagmara K. vom Moskauer Künstler-Theater, hatte er die Bekanntschaft eines Fräuleins Friede gemacht, deren Bruder zufällig Oberst bei den berühmten »Lettischen Schützen« war. (SPIEGEL 14/1966, 130) Im Laufe des Tages ging Fräulein Friede in eine Falle, welche die Tscheka ihr in Dagmara K's Wohnung gestellt hatte. (SPIEGEL 14/1966, 134) Fräulein Friede beachtete diese Warnung nicht, stieg die Stufen zur Wohnung ihrer Freundin empor und lief dadurch der Tscheka direkt in die Arme. (SPIEGEL 14/1966, 134) Fräulein Lieschen Wendriner übt etwas, was sie nie lernen wird: nämlich Klavier spielen - ich übe mit. (TUCHOLSKY: Werke I, 36)

236

o Das geschah einem Manne, der das corpus delicti inmitten eines Warenhauses von einem alten Mütterchen kaufte, die es ihm flüsternd angeboten hatte. (ZEIT 15/1958, 28) 0 Ein dürres altes Männchen in Filzpantoffeln führte uns ins Haus. Wir konnten ihn kaum verstehen, er hatte ein Nasenleiden, wenn «r sprach, klang es, als hielte «-sich dabei fest die Nase zu. (KREUDER: Gesellschaft, 67) 0 Das Männlein greift zur Fahne. Er hat Spätzündung. Als er das Fähnchen hebt, ist Müller längst vorbei. (QUICK 16/1958, 25) 0 Hollandhat. Indonesien nicht als ihren jüngsten Verbündeten betrachtet, (ohne Nachweis) 0 Hier haben wir es mit einem Volk zu tun, dessen eigene Überlieferung erschüttert wurde, und dos im innersten Herzen nicht ganz sicher ist, ob die von uns übernommenen Ideale (die sie sich ohne das christliche Fundament aneigneten) wirklich das richtige sind. (FAZ 92/1958, 1) 0 Der Film, den der Kieler Professor Dr. Peter Meinhold kommentiert, berichtet über dos franzosische »Universalgenie* Blaise Pascal, der für die Physik, die Mathematik, die Philosophie und auch für das religiöse Leben des Abendlandes eine wichtige Bedeutung hatte. (BILD UND FUNK 14/1966, 28) 0 Herr Augstein, glauben Sie nicht, dass gerade die Haltung der Bundesrepublik mit schuld ist an den jetzigen Zuständen in der DDR, indem sie immer wieder auf die 'Wiedervereinigung gedrängt haben und deshalb die dortigen Machthaber sich genötigt sahen, das Volk klein zu halten, damit diese Wünsche sich nicht durchsetzen können? (SPIEGEL 25/1966, 74) 0 Die Franzosen, welches, wie meine Freundin Grete Walfisch sagt, ein degeneriertes Volk ist, treiben mit ihren männlichen Mänteln Schindluder. (TUCHOLSKY: Werke I, 194) 0 Und selbst dann noch ist die staatliche Pressebevormundung so anrüchig, dass eben jetzt, ... das graste Pariser Blatt Le Monde es vorgezogen hat, den Namen ihres Chefredakteurs nicht mehr zu notieren, (ohne Nachweis) 0 Das Familienoberhaupt musste auf peinlichste Weise darlegen, was es zur Empfängnisverhütung getan hatte. (SPIEGEL 31/1966, 58) 0 In »Bonnie«-Aufmachung präsentierte sich Englands Top-Modell Twiggy, als es dieser Tage ihren superschneUen Sportwagen, ein Geschenk aus Japan, in Empfang nehmen konnte. (MANNHEIMER MORGEN 16.2.1968, 25)

Numcruskongrucnz der Pronomen (7.4.2., S.21 Iff.) 0 0

0

Dann gibt's noch die Sorte, die überhaupt nichts dagegen unternehmen wollen, (ohne Nachweis) Der Bundeskanzler trat entschieden jener Minderheit entgegen, die diese Politik ablehnen. (ohne Nachweis) Er zeigte sich loyal gegenüber seinem Präsidenten und von einer menschlichen Wärme und Herzlichkeit, ^überraschend wirkte. (SPIEGEL 44/1966, 82)

Kongruenz zwischen Possessiva und ihren Bezugselementen (7.5., S.2l4ff.) 0

0

Junge Mädchen leckten mit beweglichen Zungen unter noch verschlafenen Blicken Himbeereis. (GRASS: Blechtrommel, 265) Sie legten ihre Stirnen in Falten. Sie hatten alle Tücher um dit Hälse gebunden. Die Kinder putzten sich die Nasen. Die Polizisten machten von ihren Gummiknüppeln Gebrauch. Sie rissen die Münder auf. Die Pferde spitzten die Ohren. Die Hunde wedelten mit dem Schwanz. Sie bekamen einen roten Kopf. Sie schüttelten sich die Hand. (ohne Nachweis)

237

... auch Männer, alle mit ihrem krummen Messer. (FRISCH: Homo faber, 240) Sie haben die Köpfe zusammengesteckt, die Gäste und Matje: eine Dummheit ist auszuhecken und plötzlich fallt Matje wie eine Bombe auf eine Bank und lacht und lacht. (TUCHOLSKY: Werke I, 225) Andere wilde Indianerstämme leben entweder auf den Kriegsfussen oder rauchen eint Friedenszigarre·, die Familie kann gleichzeitig beides. (TUCHOLSKY: Werke I, 92) Kunststudenten, die im Verlaufe ihres Studiums, meist unter dem Vorwand musealer Analysen ßir ihre Dissertationen, ein paar Semester in Paris verbringen. (JENS: Mann, 155)

Beispiele aus der DUDEN-Kartei, deren syntaktische Einordnung in dieser Arbeit nicht oder nur kursorisch beschrieben wird: Apposition (Genus) 0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Die neuen Gruppenführer sollen künftig straffer regieren. Sie sitzen in der Stammfirma Dr. August Oetker, der Nährmittel-Produzentin, unter dem Vorsitz von Guido Sandler als Mitglieder der Geschäftsleitung. (SPIEGEL 43/1966, 114) Die »Atvaz S.A.*, Herstellerin medizinisch-technischen Zubehörs und feuerfester Flugzeug-Installationen, erwarb vor zwei Jahren von Veyret eine Bürsten-Lizenz zur Weiterentwicklung. (SPIEGEL 4/1966,86) ... hat in der Diskussion den Professor für Germanistik, Frau EmmcL, ... bezichtigt, ... (FAZ 53/1958,1) In der ersten Fabel, »Die ertrunkene Frau», geht es um eine Selbstmörderin. (BILD UND FUNK 44/1966,49) Die »Times« hat ihre Konkurrenz begraben. Ihre grossen alten Gegnerinnen, die Morgenzeitungen »World« und »Journal«, sind eingegangen. (SPIEGEL 16/1966, 110) Elisabeth Schwarzhaupt, Ministerin und Mitglied da »Kammer für öffentliche Verantwortung«, äusserte über die EKD-Denkschrift zum SPIEGEL: .... (SPIEGEL 4/1966, 23) Die Autorin, Direktor der Parteihochschule »Karl Marx« und Mitglied des Zentralkomitees der SED,... (ANZEIGE des Dictz-Verlages für Hanna Wolf, 1966) Die Ermittlungen gegen den Hersteller des Schlaf- und Beruhigungsmittels Contergan, die Chemie Grünenthal GmbH, sind in ihr sechstes Jahr getreten. (SPIEGEL 53/1966, 37) Die Idee zur Unternehmer-Initiative verdankte Zimmermann der »Bremer Bau-Union GmbH*, einer potenten Wohnungshentellerin und -Verwalterin. (SPIEGEL 38/1966, 46) Die Farbwerke Hoechst, Deutschlands grösste Arzneimittel-Herstellerin, besassen weder ein eigenes Markenzeichen noch einen eigenen Vcrkaufsapparat. (SPIEGEL 7/1966, 55) Prominentester Stahlhelfer Francos ist neben Krupp die United States Steel Corporation, der mächtigste Stahlpnduzent der Welt. (SPIEGEL 15/1966, 60)

Artangabe mit »als« (Genus) 0

0

0

0

0

0

Daraufhin verlangte Stefan, dass Herr Oberst v. Tritts in Person ab Zeuge in der Verhandlung erscheine. (KUBY: Sieg, 425) Da ich aL· Sprachmittler bei der Bundeswehr bin, ... gez.: Magdalene S. (aus einer Anfrage an die Sprachberatungsstelle der Duden-Redaktion; 30.4.1965) Die Commerzbank aL· Führerin der Hausbanken der Baugesellschaft Boswau & Knaur AG, Düsseldorf, hat erklärt,... (ZEIT 20.11.1964, 42) Später sei der Totenkopf den Danzigcr Husaren verliehen worden, von dort an die grossdeutsche Panzertruppe aL· Nachfolgerin der Reiterregimenter gekommen. (SPIEGEL 11/1966, 99) Für die junge, stramme Substitutin von Karstadt, die als Zeugin geladen ist, war alles klar: »Gestohlen ist gestohlen«, sagte sie in der Pause. (ZEIT 24.12.1965, 14) Frau Schwarzhaupt wollte immer aL· »Frau Ministerin* angesprochen werden. Frau Strobel holte sich Rat bei einem Philologen, und der entschied, »Frau Minister« sei die korrekte Adressierung. (SPIEGEL 51/1966, 49)

238 0

0

0

0

0 0

0

Am Sitz der Vereinten Nationen in Neuyork erklärte aL· erste Delegierte der israelische Aussenminister Frau Golda Meir, auch ihr Volk trauere mit der ganzen Menschheit um den Tod des Papstes. Sie sagte:... (ALLGEMEINE ZEITUNG MAINZ 235/1958, 2) Ein Mann, den seine Geliebte nach langer, inniger Beziehung betrügt, ist geneigt, das gesamte Verhältnis unter dem Aspekt des traurigen Endes zu beurteilen, so dass er die Frau, die ihm Glück spendete, nur noch als Unglücksbringerin sieht, eine evidente Ungerechtigkeit, weil das Leben ja von vome nach rückwärts abrollt, der Betrachter es jedoch umgekehrt sieht. (HABE: Teufel, 19) Ein junges Mädchen spart schon während der Schulzeit, um ihre Ausbildung aL· Lehrerin bezahlen zu können. (ZEIT 20.11.1964, 39) Nach Zeugenbekundungen soll die Amerikanerin wenige Tage zuvor an der deutsch-schweizerischen Grenze bei Basel aL· Anhalterin in einen roten Sportwagen eingestiegen sein. (SPIEGEL 37/1966,42) Ich habe meine Mutter aL· Zeugin. (BILD UND FUNK 47/1966, 72) Vor dem Fernsehgericht wird die Firmeninhaberin Traute Quandt (Heide Joschko) als Zeugin vereidigt. (BILD UND FUNK 17/1966, 37) Frau Julia verlicss Lübeck, wo sie sich immer aL· Fremde gefühlt hatte. (K. MANN: Wendepunkt, 11)

Artangabe mit »als« (Kasus) 0

0

0

0 0

0

0

0

0 0

0

0

0

0

0

0

Die Darstellung auf den letzten Seiten zeigt wohl, ... wie sehr er (der Verfasser) sich selbst als Strukturalisten versteht. (H. GLINZ: Archiv für das Studium der neueren Spr. u. Lit., Bd.200, S. 172) Von der Hamburger Reservebank muss Helmut Schmidt in eine Bonner Stürmerposition vorrücken, wenn er sich für 1969 aL· aussichtsreicher Gegenspieler Rainer Barzels aufbauen will. (SPIEGEL 15.9.1965,31) Hans Castorp ... fühlte sich überdies aL· Gast und »unbeteiligter Zuschauert hier oben. (TH. MANN: Zauberberg, 153) Mit letzter Kraft schleppte er sich aL· Sechzehnter durchs Ziel.(OLYMPISCHE SPIELE 1964, 24) Es sind, wie gesagt, lauter liebenswerte Männer. Nachher frage ich mich, warum ich mich nicht wirklich als ihren Freund empfinde. (FRISCH: Stiller, 394) Erstens präsentierte er sich dem Oberst doch noch aL· tadelloser Soldat, zweitens lenkte er ihn von sich ab. (KUBY: Sieg, 390) Der Film lässt keinen Zweifel darüber, dass sich Lawrence letzten Endes aL· chaotischer Verlie«rempfand. (DEUTSCHE ZEITUNG 19.3.1963, 10) Ich wollte einem Hergelaufenen ans Leder, aber er entpuppte sich aL· mein Bruder. (HAGELSTANGE: Spielball, 147) Die SA fühlte sich aL· Herr der Strasse und des Staates überhaupt. (NIEKISCH: Leben, 237) .., obgleich ich mich keineswegs aL· den rechten Mann für eine solche Aufgabe fühlte. (HAUPTMANN: Schuss, 49) Er fühlte sieh durchaus aL· Einzelnen, aL· Sonderling bald und krankhaften Einsiedler, bald auch als übernormal, aL· ein geniemassig veranlagtes, ... Individuum. (HESSE: Steppenwolf, 12) Als Küng bei Gastvorlesungen in Oxford, London und Cambridge das künftige Bild der katholischen Kirche entwarf, feierte ihn das anglikanische »Church of England Newspaper« (London) »nicht nur aL· Gelehrten, sondern auch aL· Propheten.» (SPIEGEL 5/1966, 54) Der junge Poet mochte sich in den Häusern der Kommerzienräte und Barone aL· Zigeuner empfinden. (K. MANN: Wendepunkt, 13) AL· Hilßreferent für die Elektronik der Starfighter schliesslich zeichnete ein gelernter Landmesser verantwortlich. (SPIEGEL 5/1966, 28) Der CSU-Landesvorstand zeigte sich beeindruckt; Schmöller durfte sich aL· Pressesprecher der Christlichsozialen erproben. (SPIEGEL 50/1965, 48) AL· Erzbischof 'aber wird er zum Verteidiger der Ehre seiner Kirche bis zum Märtyrertum und betrachtet sich in dieser Rolle aL· den direkten Wahrer der Ehre Gottes auf Erden. (MANNHEIMER MORGEN 2.11.1954, 14)

239 0

0

0

0

Zwei Wochen nach der Ausweisung des in Heidelberg als Agent entlarvten Sowjet-Diplomaten Barssukow durch das Bonner AA musste der deutsche Diplomat Alois Mcrtes wegen »unerlaubter Tätigkeit« unverzüglich die Sowjet-Union verlassen. (SPIEGEL 3/1966, 12) Als superschnellen Schönwetter-Jäger hatte der amerikanische Flugzeugbauer Clarence (»Kelly«) Johnson, Chefingenieur der Firma Lockheed und Konstrukteur des berühmten SpionageFernaufklärers »U-2«, den Starfighter Anfang der fünfziger Jahre konzipiert. (SPIEGEL 5/1966, 27) Brandt, der von sich selbst sagte, er betrachte sich nicht als ÜbergAngsvorsitzender, betonte, am Godesberger Kurs der SPD werde sich nichts ändern, (ohne Nachweis) »Ich betrachte mich als eine Art filmenden Ethnologen, der sich seine Themen unter den Völkern der Gegenwart sucht«, meinte Francesco Rosi. (WELT 22.2.1964, 14)

Artangabc mit »zu« (Genus): 0

0

0

0

Die Volkspolizeimeisterin Helga Haase errang 1960 je eine olympische Gold- und Silbermedaille (und wurde dafür zum ersten weiblichen Unterleutnant befördert). (SPIEGEL 6/1966, 68) Im Sommer 1956 promovierte Frau Wcndt mit den Fächern Psychologie, Psychiatrie und Philosophie zur Dr. phiL in Berlin. (BÖRSENBLATT 46/17, 235) Und Marika Kilius ... gehörte in Innsbruck zu den sichersten Anwärtern auf olympisches Gold. (OLYMPISCHE SPIELE 1964, 74) Zadie du Pont war überzeugt, dass »einmal ein Jude, ein Neger, ein Katholik und eine Frau zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden«. (SPIEGEL 6/1966, 82)

Artangabc mit »wie« 0

... zweitens ist es dem gucen Tier viel lieber, als wenn Sie mit beiden Händen den Sattel fassen, sich wie einen Sack mühsam an ihm hinaufzerren,... (DWINGER: Erde, 59)

240

II. Die statistische Untersuchung von FlNDRENG (1976) Für den Bereich der Kongruenz in Person und Numerus steht fiir die deutsche Sprache eine ausführliche Untersuchung zur Verfügung (vgl. Adne FlNDRENG: »Zur Kongruenz in Person und Numerus zwischen Subjekt und finitem Verb im modernen Deutsch.« Oslo, 1976). Der Autor untersucht das Problem »aufgrund einer möglichst umfassenden Belegsammlung aus der modernen deutschen Schriftsprache« (1976:14). Darunter versteht er Werke, die im zwanzigsten Jahrhundert geschrieben worden sind. Innerhalb dieser Periode wird vor allem die Nachkriegsliteratur untersucht; die ausgewerteten Zeitungen stammen alle aus den sechziger Jahren. Das Korpus umfasst verschiedene Stilarten (Dichtersprache, Fachsprache, die Sprache populärwissenschaftlicher Darstellungen, Zeitungssprache). Nicht berücksichtigt sind Lyrik und Werbesprache. Aufgrund der Ergebnisse wird klar, dass »sich der Sprachgebrauch in der Gebrauchssprache bei einigen Typen beträchtlich von dem Gebrauch in der Sprache der schönen Literatur« unterscheidet (FlNDRENG 1976:17). Dieser Erkenntnis wird bei der Interpretation der Fakten Rechnung getragen. Theoretische Überlegungen zur statistischen Korpusanalyse lassen den Autor zunächst zum Schluss kommen, »dass eine ziemlich niedrige Belegzahl ein verhältnismässig korrektes Bild von dem Sprachgebrauch im allgemeinen geben kann, und zum zweiten, dass unsere Belegzahlen in den meisten Fällen mehr als gross genug sind, um etwas über die >normale< Verteilung der Formen des Verbs auszusagen.« (FlNDRENG 1976:29) Die Ergebnisse werden zur Überprüfung einerseits mit dem verglichen, was 1976 als Lehrmeinung zum Kongruenzgebrauch den damals massgebenden Grammatiken entnommen werden konnte, anderseits mit einer zweiten Belegsammlung.l Korpusauswahl und Belegstatistik werden bei FlNDRENG mit der gebotenen methodischen Strenge vorgeführt; mit Akribie werden die unterschiedlichen Verwendungsweisen analysiert bis zur Feststellung autortypischer Vorlieben; sämtliche Beispiele sind genau belegt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zur Kongruenz werden hier gerafft dargestellt und zum Zweck des leichteren Vergleichs mit der vorstehend in Kap.7 beschriebenen Subjekt-Verb-Kongruenz entsprechend umgruppiert. 1. Das Subjekt besteht aus zwei oder mehr sing. Subst. oder anderen substantivischen Wörtern, die asyndetisch aneinandergereiht sind. 1.1. Das Subjekt besteht aus sing. Subst. oder anderen subst. Wörtern: 50-66% der Belege haben plur. Verb. (Je nach ausgewertetem Korpus variieren die Prozentangaben; die Tendenz zur bevorzugten syntaktischen Form wird so immerhin ersichtlich.) 0

1

Er half mit dem Geld der Bank, wenn immer ein grosser Mann, ein Magistrat, ein kaiserlicher Präfekt es nötig hatte.

Diese Bclegsammlung umfasst etwa 11 '000 Sätze aus Rowohlts »Deutscher Enzyklopädie« und aus »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. Die Belege sind von einer Syntaxgruppe am Germanistischen Institut in Saarbrücken zum Zweck der elektronischen Syntaxanalyse zusammengestellt worden.

241 0

Schon bei den Studien an der Hochschule ist der Arzt, der Jurist, der Techniker in einen sehr starren Lehrgang gezwängt. 0 Kein Schnee, kein Schmutz behinderte den Verkehr. 0 Die Lösung, die Auflösung, die Erfüllung, die vollkommene Befriedigung brach herein. 0 Viel weniger gehSrte sieh eine menschenwürdige Wohnung, ein Motorrad, ein Kühlschrank für den einfachen Arbeiter. 0 Durch die Stadt ging an diesem Tag ein Geflüster, ein Gerücht, eine Nachricht. 0 Maria, das Christuskind, Gottvater find immer wieder gemalt worden. 0 Jeder Liter Milch, jede Tonne Zement müssen also 200 bis 800 km angefahren werden. 0 Der etwas zu starke Glanz seiner Augen, der leichte, kaum abbrechende Husten verrieten ein Lungenleiden. o Vollständig ausgerottet oder verdrängt wurden u.a. der Ur- oder Auerochs, der Wisent, der Bär. 0 Ferner haussieren oder befestigen sich Zucker, Wolle, Kaffee, Blei, Zink. 0 Was galten jetzt noch Sitte, Rang, Gesetz?

Es ist weder bei vorangestelltem noch bei nachgestelltem Verb in allen Fällen möglich, Kriterien formaler oder semantischer Natur zu finden, die den Numerusgebrauch erklären. Es besteht nach den Zahlen FlNDRENGs eine erkennbare Tendenz, den Sg vorzuziehen, wenn das Vb fin dem Subjekt vorangeht. Ob diese Tendenz identisch ist mit jener zur Kongruenz mit dem nächststehenden Ausdruck bzw. hier Einzelsubjekt, bleibt unklar. Pluralisches Verb wird bei FlNDRENG als Ausdruck einer numerischen Mehrzahl im Subjekt gedeutet (Summe der Einzelsubjekte). Für sing. Verb gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten: Entweder verbindet sich das Verb mit dem nächststehenden Einzelsubjekt (»... ist der Arzt, der Jurist, der Techniker ...«), oder jedes Einzelsubjekt für sich wird in Beziehung zum Verb gesetzt (»..., wenn immer ein grosser Mann, ein Magistrat, ein kaiserlicher Präfekt es nötig hatte.«·). Auch FlNDRENG muss feststellen, dass das Gewicht der Semantik einzelner Substantive, die das komplexe Subjekt ausmachen, bei asyndetischer Reihung für die Wahl der Verbform entscheidend sein kann, ohne dass Kriterien zu dessen Erfassung bereitstehen. Ohnehin werden bei FlNDRENG die zahlreichen semantischen Einflüsse auf den syntaktischen Numerus zwar registriert (Einfluss des letzten Einzelsubjektes in reiner Aufzählung oder als Klimax, inhaltliches Mitumfassen von zuvor Erwähntem, Synonyme, unterschiedliche Benennung derselben Sache bzw. desselben Begriffs), doch werden aufgrund des rein statistischen Ansatzes nur sporadisch Erklärungen beigebracht. Es wird häufig nur festgestellt, dass es nicht möglich sei, Faktoren semantischer oder formaler Natur zu finden, die durchwegs die eine oder die andere Verbalform bewirkten. Man könne einzig - wie der Autor dies tut - auf statistischer Grundlage feststellen, ob Kriterien wie die Stellung des Verbs, der Kontext und die Bedeutung der Einzelsubjekte den Kongruenzgebrauch in der einen oder anderen Richtung beeinflussen würden. Doch auch statistische Untersuchungen ermöglichen gewisse Einsichten: • Die Analyse nach Sprachverwendung (Gebrauchssprache vs. Literatursprache) ergibt einen mehr als doppelt so häufigen Pluralgebrauch in nicht-literarischen Texten: 66% gegenüber 32% (FlNDRENG 1976:122). • Sing. Verb erscheint - »entgegen der allgemeinen Tendenz« - bei Abstrakta viel häufiger als bei Personen und Sachen. Die Erklärung: Abstrakta stehen sich oft bedeutungsmässig nahe und könnten deshalb leicht zu einer Einheit zusammmengefasst werden.

242

1.2. Das Subjekt besteht aus sing, und plur. Subst. oder anderen subst. Wörtern: 85-100% haben plur. Verb. Ausser der Stellung des Verbs und der Bedeutung der Subjekte kann hier auch die Stellung der Einzelsubjekte für den Numerusgebrauch von Bedeutung sein. Ein singularisches Einzelsubjekt steht dem Verb am nächsten: 0

0 0

0

Mit ihnen sind die Stoppuhr, das Metermass, die Bewegungsstudien nun auch in die Landwirtschaft eingedrungen. Der Kanzler, die Minister, die Koalition werden in den nächsten Tagen beweisen müssen, ... Draussen auf dem Flur war Lärm, Türenschlagen, Süefelschritte, die Stimme von Spiess und Landsern. Auch meine Augenbrauen sind versengt, meine Hände mein Gesicht brennt.

Ein pluralisches Einzelsubjekt steht dem Verb am nächsten: 0 0 0

Alles Gras, alle Bäume werden eingehen. Wo waren deine Augen, dein Verstand, dein Charakter? Und die Agitation, die Beratungen, die Kämpfe der Meinungen nahmen ihren Fortgang.

FlNDRENG (1976:131) zieht aus den ihm vorliegenden statistischen Daten den Schluss, dass die Stellung des Verbs offensichtlich eine grosse Rolle spielt für dessen Numerus. Steht das Vb fin vor dem Subjekt, weisen 25% der Belege Pl auf; folgt das Vb fin dem Subjekt, weisen 80% der Belege Pl auf. Wird auch die Stellung der Einzelsubjekte im Verhältnis zum Verb beachtet, zeigt sich, dass ausschliesslich die Pl-Form verwendet wird, wenn das Vb fin dem pluralischen Einzelsubjekt am nächsten steht (dazu ausführlich FlNDRENG 1976:13 Iff.). 2. Das Subjekt besteht aus zwei oder mehr sing. Substantiven oder anderen substantivischen Wörtern, die durch die Konjunktion und verbunden sind. 2.1. Die Einzelsubjekte bezeichnen Personen, Institutionen, Organisationen etc. 2.1.1. Das Verb ist vorangestellt: 93-96% der Belege zeigen plur. Verb. 0 0 0

0 0

0

Dann begannen Bär und Weib zu der Musik des Teufels ihren Tanz. Zum ändern aber waren Minna und Charlotte Büchern ausgesprochen abgeneigt. Besonders wenn es sich um den Missbrauch grosser Vermögen handelt, rufen Staat und bürgerliche Familie den Psychiater zu Hilfe. Da war Gotthold Buddenbrook und seine Frau. Während der letzten halben Stunde war uns nur ein Reiter und eine Gruppe von Negersoldaten in feuerroten Mänteln begegnet. Von Tagesreisc zu Tagesreise findet sich ein neues Pferd und ein neuer Bote.

Die genannten Frequenzen zeigen, dass plur. Verb hier die Regel ist. In einigen Fällen lassen sich Faktoren finden, die nach der Ansicht von FlNDRENG die Sg-Form bewirkt haben könnten;2 • keiner vor jedem Einzelsubjekt: Die beiden Subjekte werden so einzeln ausgeschlossen und die Singularform kann als eine constructio ad sensum erklärt werden: 0 Mit dieser ergebenen Stellung kann sich freilich kein Kaiser und kein Papst messen.

2 Dass der Sg steht, bedeutet aber nicht, dass nicht auch der Pl hätte benutzt werden können. Die hier genannten Faktoren, die die Numeruswahl in Richtung Sg beeinflussen, finden sich auch in Belegen mit plur. Verb.

243

• jeder scheint oft Singular zu bewirken: 0

... das muss darüber hinaus jeder Student und jeder Studentenvercreter lernen.

• Die Singularform kann in manchen Belegen aufgrund der Bedeutung der zwei Einzelsubjekte erklärt werden. Der Autor hat möglicherweise das Verb mit dem ersten Substantiv verbunden, weil dies die Hauptperson bezeichnet: 0 0 0

... da uw sein Vater und seine Braut. Da war Gotthold Buddenbrook und seine Frau. Hier war auch Vater Hermann und der junge Rothermund.

• Wenn die Einzelsubjekte durch eingeschobene Glieder getrennt sind, scheint die Singularform zu dominieren: 0 0

Unter den Zuhörern kauerte auch der Knabe Knecht und neben ihm ein kleines Mädchen. ... und bevor Joachim in den letzten Junitagen kam, war nur der General einmal dagewesen und ein paarmal sein Enkelkind.

2.1.2. Das Verb ist nachgestellt: 90-97% der Belege haben plur. Verb. 0 0 0

0 0 0

Er und der Priester unterhielten sich auf französisch. Die Fakultät und der akademische Senat haben sich voll und ganz für Lichtl ausgesprochen. Heer und Staat sollen nach ihrer beider Auffassung nicht mehr abseits vom Volke ein Eigendasein fuhren,... Jetzt wo der Mann und seine Familie noch nicht weiss, dass wir ihn in Verdacht haben ... Alt und jung will nun die Zeichen sehen. Jeder Grieche und Trojaner weiss, ...

Auch hier ist plur. Verb die Regel. Nur max. 3% der Belege weisen sing. Verb auf. Dieselben Gründe wie bei vorangestelltem Verb bewirken auch hier die Wahl des Sg. Dazu kommen weitere: • Bei festen Formeln scheint der Numerusgebrauch Teil der Formulierung zu sein: 0

Alt und jung will nun die Zeichen sehen.

• Wenn beide Substantive dieselbe Person bezeichnen, ist Sg zu erwarten: 0

... wie etwa der Asket und Eremit des älteren Christentums dem Welttheater gegenüberstand.

• Wenn ein Subjekt die anderen bedeutungsmässig mitumfasst. 0

Er dachte, dass er und jeder Mensch dahinrinne...

• Dieser und jener als pronominales Subjekt oder als pronominales Attribut mit Substantiv scheinen vereinzelnd zu wirken, was den Sg-Gebrauch erklären kann. 0 0

... ich sehe da manche Backen, hinter denen dieser und jener noch an den Steaks kaut. ... dieser und jener trat falsch in der Reihe.

• Einzelsubjekte können so stark hervorgehoben sein, dass sich das Verb allein danach richtet: 0

... denn der armenische kleine Mann und selbst der Bauer ist nicht unvermögend.

• Die Vorstellung einer Menge kann in einigen Fällen sing. Verb bewirken: 0 0

Die vorhandene Polizei und Gendarmerie reichte Joet bei weitem nicht aus, ... Als das iranische Kaiserpaar und seine Begleitung die Oper betrat, ...

• Wenn das letzte Einzeliubjekt die vorhergehenden bedeutungsmässig mitumfasst, kann ebenfalls sing. Verb auftreten: 0

Ach, ich ängstigte mich beinahe davor, dass Stephan Kistenmaker und Hermann Hagenström und Peter Döhlmann und Onkel Justus und die ganze Stadt m\c\\ pfiffig anblinzeln wird.

244

• Ist das Substantiv des zweiten Einzelsubjekts ausgespart und nur durch einen attributiven Genitiv vertreten, kann dies die Singularform begünstigen: o Die Jugend Russlands und der inzwischen angeschlossenen Satellitenstaaten forderte ...

• Auch bei nachgestelltem Verb scheint das attributive Pronomen jeder vor den Subjekten die Singularform zu bevorzugen: 0

Jede Person und jede Nation kommt einmal in die Lage, die schwächere zu sein.

2.2. Die Einzelsubjekte bezeichnen Sachen. 2.2.1. Das Verb ist vorangestellt: 80-85% der Belege zeigen plur. Verb. 0 0 0 0

Auf dem Nachttisch lagen seine Brieftasche und seine Armbanduhr. Es wurden ein Blaubeerkuchen und ein Zuckerkuchen gebacken. Tagelang lag Rauch und Feuer Über der Stadt. In derselben Nacht wurde die Gasse und das Haus von Tschiang Kai Scheks Soldaten angegriffen.

2.2.2. Das Verb ist nachgestellt: 90-92% der Belege haben plur. Verb. 0 0 0 0 0

Und die Stadt und die Landschaft «W mir ans Herz gewachsen. Kragen und Krawatte machen mir Schwierigkeiten. Sogar die Garderobe und die Tür zur Besenkammer in der Diele waren rostfarben. Eine Matte und eine Handvoll Reis für dich und deinen Bruder ist sicher dort. »Verdammt«, sagte er, als Mörtel und Bewurf unter seinen Händen abbrach.

Bei Belegen mit sing. Verb spielt nach der Erkenntnis von FINDRENG die Struktur der Subjekte eine massgebende Rolle: Die ungleiche Verteilung von Attributen, der elliptische Bau des einen Subjektteils, die Trennung der Einzelsubjekte durch andere Satzbestandteile oder die durch ein komplexes, seinerseits aus mehreren Teilen bestehendes Subjekt verursachte Asymmetrie des Gesamtsubjektes sind Faktoren, die die Numeruswahl beeinflussen und im einzelnen nicht regelhaft zu erfassen sind (vgl.

FINDRENG I976:l49ff.). 2.3. Die Einzelsubjekte bezeichnen Abstrakta 2.3.1. Das Verb ist vorangestellt: 60-62% der Belege haben plur. Verb. Im übrigen haben sogar Aufklärung und Fortschritt ihre neugierigen Boten entsandt. Doch wurden Scheidung und Wiederverheiratung für Nichtkatholiken gestattet. In Deutschland hemmen der religiöse Eifer und der konfessionelle Zwiespalt die Entfaltung einer neuzeitlichen Dichtung. Um so stärker wirken auf sie italienische Literatur und Musik. Es war Form und Grazie in ihrer Verzweiflung und ihrem Entschluss. Abends u/arGctuschel und Laufen auf den Gängen des Sanatoriums. Diesmal herrschte nicht regellose Willkür und aufgepeitschter Blutrausch. In uns und um uns irr ein Summen und Beben.

Aus FlNDRENGs Zahlen geht hervor, dass Sg viel häufiger gewählt wird, wenn jedes Einzelsubjekt von attributiven Wörter begleitet ist (71%), als wenn keine attributiven NP-Begleiter erscheinen (44%). Vergleicht man die zwei Gruppen von Belegen, scheinen keine weiteren Faktoren formaler oder semantischer An vorzuliegen, die den Numerusgebrauch des Verbs erklären können. Die von FINDRENG dazu vorgebrachten Erklärungsversuche sind spekulativ und statistisch zu wenig gesichert. Immerhin zeigt sich auch hier, dass die Struktur der Einzelsubjekte (symmetrischer bzw. asymmetrischer Bau, Ellipse, Trennung der Subjekte durch andere Satzteile, kom-

245

plexcr Bau eines Subjektteils und dadurch Asymmetrie) die Numerus wähl stark beeinflussen kann. Der bedeutende Anteil der sing. Verbform erklärt sich durch die hier häufige Verwendung von zwei Abstrakta zum Ausdruck eines einzigen Begriffs: 0 0 0

0

Unschwer war aus seinen Worten Erleichterung und Befriedigung auszuhören. Er fragte, und in ihrer Stimme lag jetzt Gereiztheit und Erbitterung. Jetzt entstand eine Unruhe und ein Gedringe.

Aus der Not seines Herzens stieg ein Seufzer und ein flehender Klageruf.

° Hierin lag seine Stärke und Tugend. 0

Aus ändern Gassen her schallte Lärm und dumpfst Getriebe.

0

Von besonderer Bedeutung ist die Rinder- und Pferdezucht. Dann war nur wieder das Wasser zu hören und der leichte Wind.

0

2.3.2. Das Verb ist nachgestellt: 71-77% der Belege haben plur. Verb. 0

Beruf und Tätigkeit standen für mich schon seit dem siebzehnten Lebensjahr fest.

0

Und derselbe Hass und dieselbe Verachtung lagen auch in seinem Tonfall. Ihre Frische und Munterkeit beginnen jetzt langsam uns aufzuregen. Kopfweh und ein schlechter Geschmack im Munde waren zurückgeblieben. Äussere und innere Haltung Hessen Friedrich in der Dichtung und beim Volke als den vollendeten Ritter erscheinen. Kennerschaft und daraus fliessende Bereitschaft zum Risikokauf wirken anregend auf die Stilrichtung junger Talente zurück. Sitz und Schnitt und Farbkombination sind nicht ausschlaggebend. »Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen«, sagte er zuweilen. Die soziale Gesetzgebung und ihr Ausbau in späteren Jahren hat dem deutschen Volke unermesslichen Segen gebracht. Auch das Schöne und Schönste trt vergänglich. Dass Aufklärung und bessere Information auch im grossen fernen Nachbarland nötig wäre, wurde weniger erwähnt. Das Gaststätte- und Hotelgewerbe hat sich seit langem darauf eingestellt.

0 0 0

0

0 0 0

0 0

0 0

Gerade diese dritte Teilung Polens und damit die Auslöschung eines souveränen Staates ist mit Recht als Verbrechen bezeichnet worden.

0

Die Stadt-, Ring- und Fernbahn steht unter sowjetrussischer Verwaltung.

Pl findet sich fast doppelt so häufig bei Nachstellung als bei Voranstellung des Verbs (79% gegenüber 42%). Aus der statistischen Auswertung geht zudem hervor, dass die Struktur der Einzelsubjekte bei Nachstellung des Verbs den Kongruenzgebrauch weniger beeinflusst als bei Voranstellung. Bei nachgestelltem Verb lägen die beiden Einzelsubjekte schon vor, wenn der Autor/Sprecher die Form des Verbs wähle - die Feststellung ist trivial, aber zutreffend. In der folgenden Übersicht sind die Tabellen XXVII und XXVIII aus FlNDRENGs Untersuchung (1976:207f.) integriert dargestellt. Sie zeigen die statistische Verteilung des Kongruenzgebrauchs bei der Verbindung singularischer Einzelsubjekte durch die Konjunktion und. Vergleicht man die Zahlen der beiden erfassten Stilschichten, zeigt sich, dass der Pl in der »Gebrauchssprache« viel häufiger auftritt als in der Literatursprache (82% gegenüber 66%). Berücksichtigt man zudem die Stellung des Verbs, zeigt sich, dass plur. Verb bei vorangestelltem Verb in der »Gebrauchssprache« fast doppelt so häufig erscheint wie in der Literatursprache (80% gegenüber 42%), während bei Nachstellung die Unterschiede nur gering sind (83% gegenüber 80%).

246 Tabelle 5: Der Kongruenzgebrauch in Gebrauchssprache und Literatursprache, wenn singularische Einzelsubjekte durch die Konjunktion und verbunden sind. (Tabelle nach FlNDRENG 1976:207f.) Vorangestelltes Verb Pl Sg Total

Vorangestelltes Nachgestelltes + nachgestelltes Verb Verb Total Pl Sg Total Pl Sg

Die Einzelsubjekte bezeichnen Personen

S L

114 191

5 13

119 204

193 720

8 18

201 738

307 911

13 31

320

Die Einzelsubjekte bezeichnen Institutionen Organisationen u.a.

S

L

46 3

2 5

48 8

127 14

4 12

131 26

173 17

6 17

179 34

Die Einzelsubjekte sind geographische Namen

S L

132 5

1 3

133 8

191 15

3 0

194 15

323 20

4 3

327 23

Die Einzelsubjekte bezeichnen Sachen

S L

66 38

12 58

78 96

89 173

8 29

97 202

155 211

20 87

175 298

Die Einzelsubjekte bezeichnen Abstrakta

S L

174 91

114 372

288 463

479 404

193 325

672 729

653 495

307 697

960 1192

Insgesamt für Insgesamt für

S L

532 328

134 451

666 1079 779 1326

216 384

1295 1611 1710 1654

350 835

1961 2489

S = Kongruenzgebrauch in der »Gebrauchssprache« L = Kongruenzgebrauch in der Sprache der »schönen Literatur«

942

Literatur ABRAHAM, Werner (Hg.): Erklärende Syntax det Deutschen. Tübingen: Narr. 1985. (= Studien zur deutschen Grammatik, 25) ADMONI, Wladimir Der deutsche Sprachbau. 4., übcrarb. u. erw. Aufl. München: Beck, 1982. (= Handbücher für das Studium der Germanistik) AJDUKIEWICZ, Kazimierz: »Syntactic Connexion.« In: Jerzy Giedymin (ed.): K.A.; The Scientific World-Perspective and Other Essays, 1931-1963. S.l 18-139. Dordrecht: Reidel, 1978. ALTHAUS, Hans Peter; HENNE, Helmut; WIEGAND, Herbert E. (Hg.): Lexikon der Germanistischen Linguistik. 2. Aufl. Tübingen: Niemeyer, 1980. ALTMANN, Gabriel; LEHFELDT, Werner Aligemeine Sprachtypologie. Prinzipien und Messverfahrcn. München: Fink, 1973. (= UTB 250) ALTMANN, Hans: Formen der »Herausstellung* im Deutschen. Rechtsversetzung, Linksvcrsetzung, Freies Thema und verwandte Konstruktionen. Tübingen: Niemeyer, 1981. (= Linguistische Arbeiten, 106) ANDERSON, Stephen R.: »Where's Morphology?« In: Linguistic Inquiry 13/1982, Nr.4, S.571-612. Cambridge, Mass.: MIT Press. ANDRESEN, Karl G.: Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit im Deutschen. 12. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1967. ANDREWS, Avery D.: »Case Agreement of Predicate Modifiers in Ancient Greek.« In: Linguistic Inquiry 2/1971, Nr.2. S.127-151. Cambridge, Mass.: MIT Press. ANDREWS, Avery D.: »Agreement and Deletion.« In: Claudia Corum, Ccdric Smith-Stark, Ann Weiser (cds.): Papers from the 9th Regional Meeting. S.23-33. Chicago: Chicago Linguistic Society, 1973. AOUN, Y.; SPORTICHE, D.: »On the Formal Theory of Government.« In: The Linguistic Review 2/1983, Nr.3, S.211-236. Dordrecht: Foris. ARSEN'JEVA, M.G.; GASILEVlt, E.V.; ZAMBRilCKAJA, .; TERESENKOVA, R.A.: Grammatika nemeckogo jazyka. Moskva: Vysiaj a ikola, 1963. ARVIDSSON, Mai: Die Prädikatskongruen* im Deutschen auf den drei Stufen des schwedischen Gymnasiums. Eine quantitative und qualitative Analyse schriftlicher und mündlicher Produktion. L und: Gleerup, 1978. (= Lunder germanistische Forschungen, 45) ASKEDAL, John O.: Neutrum Plural mit persönlichem Bezug im Deutschen unter Berücksichtigung des germanischen Ursprungs. Trondheim, Oslo, Bergen, Tromsö: Universitetsfbrlaget, 1973. (= Germanistische Schriftenreihe der norwegischen Universitäten und Hochschulen, 4) ASKEDAL, John O.: »Kohärenz und Inkohärenz in deutschen Infinitfügungcn. Vorschlag zur begrifflichen Klärung.« In: Lingua 59/1983, Nr.2, S.177-196. Amsterdam: North-Holland Publishing. ASKEDAL, John O.: »Zur syntaktischen und referentieU-semantischen Typisierung der deutschen Pronominalformen es.· In: Deutsch als Fremdsprache. 27/1990, Nr.4, S.213-225. Leipzig: Herder-Institut. ATANASSOWA. S.: »Zum Verständnis des Kongruenzbegriffs.« In: Deutsch als Fremdsprache 5/1968, Nr.6, S.334-336. Leipzig: Herder-Institut. BARTSCH, Renate: Sprachnormen: Theorie und Praxis. Tübingen: Niemeyer, 1985. BATOR1, Istvan: »Ein transfbrmationelles Modell für die Koordination im Deutschen.« In: W. Abraham et al. (cds.): Syntaktische undsemantische Studien zur Koordination. S.l-43. Tübingen: Narr, 1975. (= Studien zur deutschen Grammatik, 2) BAUER, Heinrich: Vollständige Grammatik der neuhochdeutschen Sprache. Berlin: Reimer, 1828-1832. Unveränderter photomechanischer Nachdruck. Berlin: de Gruyter, 1967.

248 BECKER, Karl F.: Ausführliche deutsche Grammatik ab Kommentar der Schulgrammatik. Statt einer zweiten Auflage der deutschen Grammatik. Frankfurt am Main: Hermann, 1836. BECKER, Karl F.: Schulgrammatik der deutschen Sprache. Vierte neubearbeitete Ausgabe. Frankfurt am Main: KcttcmbcU, 1839. BEHAGHEL, Otto: Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung. Bd.3 (Die Satzgebilde) Heidelberg: Winter, 1928. BERGENHOLTZ, Henning: »Kasuskongruenz der Apposition.« In: Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 107/1985, Nr.l, S.21-44. Tübingen: Niemcycr. BEVER, Thomas G.; CARROLL, J.M.; HURTIG, R.: »Analogy or Ungrammatical Sequences That are Utterable and Comprehensible are die Origins of New Grammars in Language Acquisition and Linguistic Evoludon.« In: Thomas G. Bever, Jerrold J. Katz, D. Terence Langendoen (eds.): An Integrated Theory of Linguistic Ability. S.149-182. Hassocks, Sussex (GB): The Harvester Press, 1977. BIERMANN, Anna: »Die grammatische Kategorie Numerus.« In: Hansjakob Seiler, Christian Lehmann (eds.): Apprehension. Das sprachliche Erfassen von Gegenständen. Teil I: Bereich und Ordnung der Phänomene. S.229-243. Tübingen: Narr, 1982. BIERWISCH, Manfred: »Syntaktische Merkmale in der Morphologie. Generelle Probleme der sogenannten Flexion im Deutschen.« In: Ferenc Kiefer (ed.): Morphologie und generative Grammatik. S.l-55. Frankfurt Athenäum, 1975(a). BIERWISCH, Manfred: »Psycholinguistik: Interdependenz kognitiver Prozesse und linguistischer Strukturen.« In: Zeitschrift für Psychologie 183/1975(b), Nr.l, S.l-52. Leipzig: Barth. BIERWISCH, Manfred: »Linguistics and language error.« In: Linguistics 19/1981, Nr.7/8, S.583-626. The Hague, Paris, New York: Mouton. B LATZ, Friedrich: Neuhochdeutsche Grammatik mit Berücksichtigung der historischen Entwicklung der deutschen Sprache. Bd.2 (Satzlehre). Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage. Karlsruhe: Lang, 1896. BLINKENBERG, Andreas: Le problerne de l'accord enfran(ais moderne. Essai d'une typologie. Kebenhavn: Kgl. Danske Vidcnskabernes Selskab, 1950. BLOOMFIELD, Leonard: Language. New York: Holt, 1933. BOSCH, Peter: Agreement and Anaphora. A Study of die Role of Pronouns in Syntax and Discourse. London: Academic Press, 1983. BRESNAN, Joan : »Control and Complementation.« In: Joan Bresnan (ed.): The Mental Representation of Grammatical Relations. S.282-390. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1982. BRINKMANN, Hcnnig: Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung. 2., neubearb. u. erw. Aufl. Düsseldorf: Schwann, 1971. BRUGMANN, Karl: »Das Nominalgcschlecht in den indogermanischen Sprachen.« In: Internationale Zeitschrift ßlr allgemeine Sprachwissenschaft. 4/1889, S.100-109. Heilbronn: Henninger. BRUGMANN, Karl: Die Syntax des einfachen Satzes im Indogermanischen. Berlin, Leipzig: de Gruyter, 1925. BUNTING, Karl-Dieter; BERGENHOLTZ, Henning: Einführung in die Syntax. Grundbegriffe zum Lesen einer Grammatik. Königstein/Taunus: Athenäum, 1979. BUNTING, Karl-Dieter; EICHLER, Wolfgang: ABC der deutschen Grammatik. Königstein/Taunus: Athenäum, 1982. BUSCHA, Joachim: »Der Infinitiv als Subjekt.« In: Deutsch als Fremdsprache. 25/1988, Nr.5, S.257-260. Leipzig: Herder-Institut. CARDINALETTI, Anna: »Es, pro and sentential arguments in German.« In: Linguistische Berichte 21/1990, Nr.126, S.135-164. Opladen: Westdeutscher Verlag. CHOMSKY, Noam: Strukturen der Syntax. The Hague: Mouton, 1973. (=Janua LJnguarum, Series Minor, 182) Erstmals erschienen als Syntactic Structures. The Hague: Mouton, 1957. CHOMSKY, Noam: Aspects of the Theory of Syntax. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1965.

249

CHOMSKY, Noam: Lecturet on Government and Binding. The Pisa Lectures. Second revised edition. Dordrecht/Cinnaminson: Foris, 1982. COMRIE, Bernard: »Polite Plurals and Predicate Agreement.« In: Language 1197 5, Nr.2, S.406-418. Baltimore: Waverly Press. COMRIE, Bernard: »Agreement, Animacy, and Voice.« In: Gunter Brettschneider, Christian Lehmann (eds.): Wege atr Univenalienforschung. Sprachwissenschaftliche Beiträge zum 60. Geburtstag von Hansjakob Seiler. S.229-234. Tübingen: Narr, 1980. (= Tübinger Beiträge zur Linguistik, 145) COMRIE, Bernard: Language Univenalt and Linguistic Typology. Syntax and Morphology. Oxford: Blackweü, 1981. COOK, Walter A.: On Tagmemes and Transforms. Washington, D.C.: Georgetown University Press, 1964. CORBETT, GrevUle G.: »Parallelism and Syntactic Distance.« In: International Review of Slavic Linguistics 3/1978, Nr.3, S.407-414. Edmonton: Linguisdc Research. CORBETT, Greville G.: Predicate Agreement in Russian. Birmingham: University of Birmingham, Department of Russian Language & Literature, 1979(a). (= Birmingham Slavonic Monographs, 7) CORBETT, Greville G.: »The agreement hierarchy.« In: Journal of Linguutics 15/1979(b), Nr.2, S.203-224. Cambridge: Cambridge University Press. CORBETT, Greville G.: »Neutral Agreement.« In: Quinquereme 3/1980, Nr.2, S.164-170. Bath: University of Bath. CORBETT, GrevUle G.: »Resolution Rules for Predicate Agreement in the Slavonic Languages.« In: The Slavonic and East European Review 60/1982, Nr.3, S.347-378. London: University of London. CORBETT, Greville G.: »Resolution Rules: Agreement in Person, Number, and Gender.« In: Gerald Gazdar, Ewan Klein, Geoffrey K. Pullum (eds.): Order, Concord and Constituency. S. 175—214. Dordrecht: Foris, 1983(a). CORBETT, Greville G.: Hierarchies, Targets and Controllers. Agreement Patterns in Slavic. London, Canberra: Groom Helm, 1983(b). CORBETT, Greville G.: »Agreement: A partial specification, based on Slavonic data.« In: Linguistics 24/1986, Nr.6, S.995-1023. Berlin, New York, Amsterdam: Mouton. CORBETT, GrevUle G.: »Gender in German: A Bibliography.« In: Linguistische Berichte 18/1986, Nr. 103, S.280-286. Opladen: Westdeutscher Verlag. COSERIU, Eugenio: Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes. Tübingen: Narr, 1970. (= Tübinger Beiträge zur Linguistik, 14) CROCKETT, Dina B.: Agreement in Contemporary Standard Russian. Cambridge, Mass.: Slavica Publishers, 1976. CURME, George O.: A Grammar of the German Language. Second Revised Edition, Tenth Printing. New York: Ungar, 1970. DAL, Ingerid: Kurze deutsche Syntax. Tubingen: Niemeyer, 1952. DAL, Ingerid: Kurze deutsche Syntax auf historischer Grundlage. 3., verb. Aufl. Tübingen: Niemeyer, 1966. DAL, Ingerid: »Über Kongruenz und Rekdon im Deutschen.« In: Ulrich Engel, Paul Grebe, Heinz Rupp (eds.): Festschrift für Hugo Maser turn 60. Geburtstag. S.9-18. Düsseldorf: Schwann, 1969. DAM, Jan van: Syntax der deutschen Sprache. Groningen: Wolters-Noordhoff, 1972. DAUSES, August: Grundbegriffe der Grammatik. Methoden und Prinzipien der grammatikalischen Beschreibung in Synchronic und Diachronie. Stuttgart: Steiner-Wiesbaden, 1985. DELBROCK, Berthold: Vergleichende Syntax der indogermanischen Sprachen. Strassburg: Trübner, 1893 (Erster TheU), 1900 (Dritter Theil). Auch erschienen als: BRUGMANN, Karl; DELBRÜCK, Berthold: Grundriss der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Strassburg: Trübner, 1893 (Dritter Band), 1900 (Fünfter Band). DELISLE, Gilles L.: »Non-Standard Concord and the Marking Hypothesis.« In: Working Papers on Language UniversaL· 1973, Nr.ll, S.85-138. Stanford, Cal.: Stanford University.

250 DIEFENBACH, Lorenz: Pragmatische deutsche Sprachlehre fir denkende Leser, gelehrte wie ungelehrte. Stuttgart: Müller, 1847. DIR, Simon C.: Coordination. Its Implications for the Theory of General Linguistics. Amsterdam: North-Holland, 1968. DIMOVA, Anna: »Die Polysemie des Pronomens >man< in der deutschen Gegenwartssprache und die Kontextbedingungen für seine Monosemierung.« In: Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache. 1/1981, S.41-75. Leipzig: Bibliographisches Institut. DING WALL, William O.: »Government, Concord and Feature-Change Rules.« In: Glossa 3/1969, Nr.2, S.210-240. Bumaby, B.C. (CDN): Simon Fräser University. DUDEN, Bd.4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. und bearb. von Paul Grebe et al. Völlig neu bearb. Ausgabe. Mannheim: Bibliographisches Institut, 1959. DUDEN, Bd.4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. und bearb. von Paul Grebe et al. 2., vermehrte und verb. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut, 1966. DUDEN, Bd.4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. und bearb. von Paul Grebe et al. 3-, neu bearb. und erw. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Insu tut, 1973. DUDEN, Bd.4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. und bearb. von Günther Drosdowski et al. 4., völlig neu bearb. und erw. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut, 1984. DUDEN, Bd.9: Zweiftlsftlle der deutschen Sprache. Wörterbuch der sprachlichen Hauptschwierigkeiten. Hrsg. und bearb. von Günther Drosdowski et al. 2., neu bearb. und erw. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut, 1972. DUDEN, Bd.9: Richtiges und gutes Deutsch. Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfalle. Hrsg. und bearb. von Günther Drosdowski et al. 3., neu bearb. und erw. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut, 1985. DÜCKERT, Joachim; KEMPCKE, Günter (eds.): Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten. Zweifelsfälle, Normen und Varianten im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1984. DURRELL, Martin: »Zur morphologischen Struktur der deutschen Nominalgruppe.« In: Deutsch als Fremdsprache 14/1977, Nr.l, S.44-52. Leipzig: Herder-Institut. EDMONDSON, Jerold A.: Einführung in die Transformationssyntax des Deutschen. Tübingen: Narr, 1982. (= Tübinger Beiträge zur Linguistik, 14l) EICHLER, Wolfgang; BUNTING, Karl-Dieter: Deutsche Grammatik. Form, Leistung und Gebrauch der Gegenwartssprache. 4. Aufl. Frankfurt/Main: Athenäum, 1989. EISENBERG, Peter: »Mass und Zahl. Zur syntaktischen Deutung einer ungefestigten Konstruktion im Deutschen.« In: Thomas T. Ballmer, Roland Posner (eds.): Nach-Chomskysche Linguistik. Neuere Arbeiten von Berliner Linguisten. S.311- 320. Berlin, New York: de Gruyter, 1985. EISENBERG, Peter Grundriss der deutschen Grammatik. Stuttgart: Metzler, 1986. EISENBERG, Peter; GUSOVIUS, Alexander: Bibliographie zur deutschen Grammatik: 1965-1986. 2., überarb. und erw. Auflage. Tübingen: Narr, 1988. (= Studien zur deutschen Grammatik, 26) ELIASSON, Stig: »Directionality in lexical Signs and Grammars: Remarks on the Emergence of a theoretical Concept« In: Studia Linguistica 32/1978, Nr.1-2, S.50-62. Lund: CWK Gleerup. ENGEL, Ulrich: Syntax der deutschen Gegenwartssprache. 2., überarb. Aufl. Berlin (West): Schmidt, 1982. (= Grundlagen der Germanistik, 22) ENGEL, Ulrich: Deutsche Grammatik. Heidelberg: Groos, 1988. ENGELEN, Bernhard: Einführung in die Syntax der deutschen Sprache. Band II: Satzglieder und Satzbaupläne. Baltmannsweiler: Schneider, 1986. ENGELIEN, August: Grammatik der neuhochdeutschen Sprache fir höhere Bildungsanstalten und Lehrerseminare. Berlin: Schultze, 1867. ERBEN, Johannes: Deutsche Grammatik. Ein Abriss. 12. Aufl. München: Hueber, 1980. ERBEN, Johannes: Deutsche Syntax. Eine Einführung. Bern, Frankfurt, New York: Lang, 1984. (= Germanistische Lehrbuchsammlung, 12)

251 ERDMANN, Oskar: Grundxügt der deutschen Syntax nach ihrer geschichtlichen Entwicklung. Stuttgart: Cotta, 1886. ERFURT, Jürgen: »Feministische Sprachpolitik und soziolinguistische Aspekle des Sprachwandels.« In: Zeitschriftför Germanistik 9/1988, Nr.6, S.706-716. Leipzig: Enzyklopädie. EROMS, Hans-Wemen »Der Artikel im Deutschen und seine dependenzgrammadsche Darstellung.« In: Sprachwissenschaft 13/1988, Nr.3-4, S.257-308. Heidelberg: Winter. FANSELOW, Gisbert; FELIX Sascha W.: Sprachtheorie. Eine Einfuhrung in die Generative Grammatik. Bd.2: Die Rcküons- und Bindungstheorie. Tübingen: Francke, 1987. (= UTB 1442) FARKAS, Donka F.; OJEDA Almerindo: »Agreement and coordinate NPs.« In: Linguistics 21/1983, Nr.5, S.659-673. Berlin, New York, Amsterdam: Mouton. FERGUSON, Charles A.; BARLOW, Michael: »Introduction.« In: Michael Barlow, Charles A. Ferguson (eds.): Agreement in Natural Language. Approaches, Theories, Descriptions. Stanford University, Cal.: Center for the Study of Language and Information (CSLJ), 1988. FILLMORE, Charles J.: »On Generativity.« In: Stanley Peters (ed.): Goals of Linguistic Theory. S.l-19. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall, 1972. FINDRENG, Adne: »Kongruenz im Numerus zwischen Subjekt und Verb in Verbindung mit den Konjunktionen >wedcr - noch< und >(entweder -) oderverallgcmeinerten grammatischen Bcdcutung< und der Semantik morphosyntaktischer Formen.« In: Studien für deutschen Syntax l. S.9—23. Leipzig: Enzyklopädie, 1983. HELBIG, Gerhard; BUSCHA, Joachim: Kurte deutsche Grammatik for Ausländer. Leipzig: Enzyklopädie, 1974. HELBIG, Gerhard: »Die pronominale Form a im Lichte der gegenwärtigen Forschung.« In: John Öle Askedal, Cathrine Fabricius-Hansen, Kurt Erich Schöndorf (eds.): Gedenkschrift für Ingerid DaL S.150-167. Tübingen: Niemeyer, 1988. HELBIG, Gerhard; BUSCHA. Joachim: Deutsehe Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 11., unveränderte Aufl. Leipzig: Enzyklopädie, 1988. HENN-MEMMESHEIMER, Beate: Nonttandardmuster. Ihre Beschreibung in der Syntax und das Problem ihrer Arealität. Tübingen: Niemeyer, 1986. (= Reihe Germanistische Linguistik, 66) HERINGER, Hans-Jürgen: Theorie der deutsehen Syntax. München: Hueber, 1970. (= Linguistische Reihe, 1) HEUER, Walter Richtiges Deutsch. Eine Sprachschule für jedermann. Neu bearbeitet von M. Flückiger und P. Gallmann. 19. Aufl. Zürich: Neue Zürcher Zeitung, 1988. HEYSE, Johann CA.: Deutsche Grammatik oder Lehrbuch der deutsehen Sprache. Vollst, umgearb. von O. Lyon. 25. Aufl. Hannover, Leipzig: Hahn, 1893. HOCKETT, Charles F.: A Course in Modern Linguistics. New York: Macmillan, 1958. HOCKETT, Charles F.: The State of the Art. The Hague: Mouton, 1968. ( = Janua linguarum. Series minor, 73) HOFRICHTER, Werner: »Zur Definition, Klassifikation und zu semantisch-grammatischen Besonderheiten der Abkürzungen in der deutschen Gegenwartssprache.« In: J. Schilde, D. Viehweger (eds.): Die Lexikographie von heute und das Wörterbuch von morgen. Analysen, Probleme, Vorschläge. S.322-329. Berlin (Ost): Akademie, 1983. (= Linguistische Studien, Reihe A: Arbeitsberichte, 109) H0YBYE, Poul: L'accord en Franfais contemporain. Essai de Grammaire descriptive. Copenhague: Host, 1943. HUBER, Walter; KUMMER, Werner: TransformationeUe Syntax des Deutschen. Bd.l. München: Fink, 1974. ISACENKO, Aleksandr V.: Die russische Sprache der Gegenwart. Teil l, Formenlehre. Halle (Saale): VEB Niemcyer, 1962. JARNATOWSKAJA, Valeria E.: »Die Kategorie des Genus der Substantive im System der deutschen Gegenwartssprache.« In: Deutsch als Fremdsprache 5/1968, Nr.4, S.213-218. Leipzig: HerderInstitut. JARNATOWSKAJA, Valeria E.: »Zu stilistischen Möglichkeiten der Morphologie in der deutschen Gegenwartssprache.« In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 37/1984, Nr.2, S.235-241. Berlin (Ost): Akademie. JERNEJ, Josip: »Reggenza e accordo.« In: Linguistica 16/1976, S.47-53. Ljubliana: Slavisticno Drustvo v Ljubljani. Institut za Slovenski Jczik pri Slovcnski Akadcmiji. JESPERSEN, Otto: Language. Its Nature, Development and Origin. New York: Macmillan, 1922. JÖRGENSEN, Peter German Grammar. Translated by G. Kolisko and P.P. Pickering. Vol.3. London: Heincmann, 1966. JUDE, Wilhelm K.; SCHÖNHAAR, Rainer F. : Deutsche Grammatik. 15-, neugefasste Aufl. Braunschweig: Westermann, 1975. JUNG, Walter Grammatik der deutschen Sprache. Bearbeitet von G. Starke. 9., unveränderte Aufl. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1988. KAC, Michael B.: Corepresentation of Grammatical Structure. London: Croom Helm, 1977. KANCEL'SON, S.D.: Tipologijajazyka i reievoe mydenie. Leningrad: Nauka, 1972.

254

KAHANE, Henry; PIETRANGELI, Angelina: »The System of die Actor-Action Agreement.« In: ORBIS 9/1960, Nr.l, S.58-64. Louvain: Centre International de Dialectologie Gine'rale. KALMAN, Belx »Kongruenzerscheinungen.« In: Wolfgang Dressier, Wolfgang Meid (eds.): Proceedings of the Twelfth International Congress of Linguistics. S.682—684. Innsbruck: Universität Innsbruck, 1978. (= Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft; Sonderband) KÖPCKE, Klaus-Michael; ZUBIN, David A.: »Sechs Prinzipien für die Genuszuweisung im Deutschen: Ein Beitrag zur natürlichen Klassifikation.« In: Linguistische Berichte 16/1984, Nr.93, S.26-50. Opladen: Westdeutscher Verlag. KOHRT, Manfred: Koordinationsreduktion und Verbstellung in einer generativen Grammatik des Deutschen. Tübingen: Niemeyer, 1976. (= Linguistische Arbeiten, 41) KOHRT, Manfred: Entweder-oder oder oder, oder? Oder nicht? Zu einigen Gebrauchsweisen einer deutschen Konjunktion.« In: W. Vandeweghe, M. Van de Velde (eds.): Bedeutung, Sprechakte und Texte. Akten des 13. Linguistischen Kolloquiums, Gent 1978. Bd.2. S.63-73. Tübingen: Niemeyer, 1979. (= Linguistische Arbeiten, 77) KOLDE, Gottfried: Der Artikel in deutschen Sachverhaltsnominalen. Tübingen: Niemeyer, 1989. (= Reihe Germanistische Linguistik, 96) KRAäENINNIKOVA, E.A.: »Modelle grammatischer Felder in der Syntax von Wortverbindungen.« In: Zeitschrift jur germanistische Linguistik 5/1977, Nr.2, S.181-194. Berlin, New York: de Gruyter. KÜHN, Wilfried: »Kollektiva und die Technik >Kollektion< am Beispiel des Deutschen.« In: Hansjakob Seiler, Christian Lehmann (eds.): Apprehension. Das sprachliche Erfassen von Gegenständen. Teil I: Breich und Ordnung der Phänomene. S.84-97. Tübingen: Narr, 1982. KÜHN, Wilfried: »Formale Verfahren der Technik >Kollektion