»Privatisierung« des Öffentlichen Rechts: Von der »Hoheitsgewalt« zum gleichordnenden Privatrecht [1 ed.] 9783428525188, 9783428125180

Die Unterscheidung von Privatem und Öffentlichem Recht bringt eine Grundeinteilung der gesamten Rechtsordnung von großer

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»Privatisierung« des Öffentlichen Rechts: Von der »Hoheitsgewalt« zum gleichordnenden Privatrecht [1 ed.]
 9783428525188, 9783428125180

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Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 43 WALTER LEISNER

„Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts Von der „Hoheitsgewalt“ zum gleichordnenden Privatrecht

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

WALTER LEISNER

„Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts

Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 43

„Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts Von der „Hoheitsgewalt“ zum gleichordnenden Privatrecht

Von

Walter Leisner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5200 ISBN 978-3-428-12518-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 * Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Eine kritische Frage hat den Verfasser seit einem halben Jahrhundert beschäftigt, in dem er sich nahezu ausschließlich mit dem Öffentlichen Recht befasst hat: ob und warum es denn eigentlich dieses Ius publicum gebe(n müsse). Die unvergesslichen Vorlesungen von Heinrich Mitteis hatten ihn einst zur Rechtswissenschaft geführt. In ihm erlebte er eine Personifizierung des Rechts aus dem Geist des Privatrechts, der Einheit des Rechts aus ihm. „Recht ist Privatrecht“ – das hat ihm ein Vater hinterlassen, der ein Leben lang Öffentliches Recht angewendet hatte. Und so machte er sich denn spät – nach so mancher Begeisterung vor allem für das französische Droit public, das schimmernde Recht der Macht – auf, um nach dem „Privatrecht im Öffentlichen Recht“ zu suchen. Wege dahin kreuzen heute viel breitere, ja bereits ausgefahrene Straßen: „Privatisierungen“ sind modern, „Abbau der Hoheitsgewalt“ soll aus Demokratie kommen, gleiche Bürger dulden keine Befehle, sie wollen (ver)handeln – unter sich, ohne Hoheit über sich. Der goldene Glanz der Vergangenheit mit ihrer Majestät verblasst. Doch eines ist aus dieser Geschichte geblieben, stärker geworden: das gleichordnende zivilistische Denken. In ihm verbindet sich die geistesmächtige Tradition des Römischen Rechts mit experimenteller Pragmatik moderner Wirtschaftlichkeit. Und dies ist nun, nach der Überzeugung des Verfassers, die Zukunft auch des Öffentlichen Rechts: Eine vorsichtige vielleicht, aber eine immer weitere „Privatisierung“, in wahren Rezeptionen des Privatrechts, über Vertrag und Wettbewerb,

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Vorwort

Staatskredit und Controlling. In der Ferne könnte etwas erscheinen wie ein „Privater Staat“ – der Bürger-Staat der Privaten, wesentlich in Privatrecht verfasst. Dies alles mag (nur) eine Vision sein; aber diese Blätter sollen auch viele kleine, praktische Schritte dahin beleuchten. Denn Verfassungs- wie Verwaltungsrecht sind gegenwärtig bereits, in breiter Front, auf dem Rückweg zu einer Wiedervereinigung mit ihrem „Mutterrecht“ – dem Privatrecht. So ist dies weniger eine rechtspolitische These als vor allem induktive Beschreibung einer Dogmatik im Lauf. Es ist ein Schicksal aller Kritik, dass ihr am Ende ihr Gegenstand zu entgleiten droht, jenes „Ding an sich“, in dessen Erkenntnis man sich doch so sicher fühlte. Hier ist es einem Vertreter des Öffentlichen Rechts widerfahren. Doch er sieht etwas Bewegendes über sich: das Private mit seiner großen Freiheit. München, den 7. März 2007

Walter Leisner

Inhaltsverzeichnis A. Notwendigkeit und Bedeutung einer „Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Öffentliches Recht – Privatrecht: eine gelehrt-praxisferne Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Eine schwer erklärliche Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Privates und Öffentliches Recht: Entwicklung einer unzureichend vertieften Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Unterscheidungsversuche zwischen Privatem und Öffentlichem Recht nach „Rechtssubjekten“ und geschützten / verfolgten „Interessen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. „Hoheitliche Gewalt“: ein Kriterium von problematischem Gewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. „Öffentliches Recht“: rechtlicher Bewältigungsversuch vordemokratischer Machtvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Von der Privatisierung des Öffentlichen Rechts zum privaten Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Ein Problem: Die Gegenrichtung „Publifizierung des Privatrechts“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Verfassungsrecht: Nicht Publifizierung, sondern Brücke zum Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Untersuchungs-Wege zu einem „Privatisierten Öffentlichen Recht“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Privatrechtliche Elemente in der Entwicklung und den gegenwärtigen Grundstrukturen des Öffentlichen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Das Öffentliche Recht heutiger Ausprägung: eine (verfassungs)historische Parenthese in der Rechtsentwicklung . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Ältere Rechtsgeschichte: Früheres Öffentliches Recht – nur Organisationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Kodifikationen und Fiskustheorie: Öffentliches Recht als Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Pandektistik – Genossenschaftsrecht als Staatsrecht . . . . . .

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4. Das französisch geprägte Verwaltungsrecht als historische Parenthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die Grundrechte: Grundsätzliche Gleichordnung von Bürger und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Gleichheit als Wesenselement des Privatrechts . . . . . . . . . . . .

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2. Sicherung der Bürgerfreiheit: durch Privatisierung des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Parallele Schutzbereichsentwicklungen der Grundrechte im Privaten und Öffentlichen Recht – Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Privatrechtsgehalt organisatorischer Verfassungsstrukturen: Privatrechtsneigung der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Verfassungsrecht als Herrschaftsvertrag – privatrechtlich gedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Verfassungsorganisationsrecht: privatrechtlich aufgefasst – die Verfassungsgewalten: notwendiger Einsatz von Hoheitsgewalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Gesetzgebung: In Gleichordnung vereinbarte Normen

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b) Die Exekutive: Verwaltung nur durch Hoheitsgewalt?

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c) Gerichtsbarkeit – notwendig öffentliche Gewalt? . . . . .

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3. „Verfassungsorgane“: bereits privatrechtlich konstituiert .

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a) Parlamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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b) Politische Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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c) Das Recht der Medien: wesentlich privatrechtliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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d) Bürgerstaat – Bürgernähe: privat(rechtlich)e Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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IV. Die Wandlung der Staatsaufgaben – Primat der Wirtschaftsordnung: einer „privatrechtlichen Aufgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. „Staatsaufgaben“ – ein Begriff in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die Entdeckung der „Wirtschaft als Machtfaktor“ – Achtung ihrer privatrechtlichen Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Kontrollierendes Wirtschaftsordnen als Staatsaufgabe . . . . 105 4. Öffentliches Recht als (letzte) strafrechtliche Missbrauchsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Öffentliche Interessen: wie private Interessen zu verfolgen . . 110 II. „Abwägung“: wesentlich eine privatrechtliche Methode – ein Weg der Privatisierung des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Das Austauschverhältnis Staat – Bürger, Kostendeckung und Abbürdung von Staatsleistungen auf Private . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Exkurs: Zwecksteuern und Leistungsaustausch Staat – Bürger

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V. Subventionen: Gezielte Staats-Leistungen und privatrechtlicher Leistungsaustausch – „Staat als Bank“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 VI. Die Privatisierungen: bereits Staats-Straßen ins Privatrecht . . 127 1. Privatisierungen: ein rechtliches Phänomen der Abkehr von der Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Die Dynamik der Privatisierungen: Von der Organisation zu den Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Privatisierungen: eine große Wendung zum flexiblen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4. Effizienzsteigerung durch Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D. Fernziel: Kein Ende der Staatlichkeit – aber vielleicht „Privater Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Privatisierung des Öffentlichen Rechts: Nur neue Formen der Hoheitsgewalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Der Konsens über den „Notwendigen Staat“ . . . . . . . . . . . . . 147

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Inhaltsverzeichnis 3. Der Staat: „Privatrechtlich“ denkbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4. Abbau der Hoheitsgewalt: Zurücktreten nur der autoritären Machtstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5. Privatrechtliches Denken: ein juristisches Ideal . . . . . . . . . . . 157

E. Ergebnisse – Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

A. Notwendigkeit und Bedeutung einer „Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht“ I. Öffentliches Recht – Privatrecht: eine gelehrt-praxisferne Unterscheidung 1. Eine schwer erklärliche Differenzierung a) Der Unterscheidung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht begegnet der Bürger meist erst, wenn er sich mit dem „Studium der Rechte“ beschäftigt, in wissenschaftlich fundierter, eben „rechtstechnischer Form“. Dabei wird ihm übrigens sogleich vermittelt, dass „diese Rechte“ historisch gerade nicht „Privates und Öffentliches Recht“ zusammenfassen, sondern kirchliches und staatliches Recht bezeichnen. Und er erfährt erst dann, dass das staatliche Recht in ein öffentliches und privates eingeteilt wird. b) Für den Nicht-Juristen wie den angehenden Rechtskundigen, ist dies durchaus eine ihn meist erstaunende Neuigkeit. Denn diese Begriffe kommen im oft beschworenen „allgemeinen Sprachgebrauch“ mit klarem Inhalt, in präziser Unterscheidung nicht vor. Der Bürger weiß im Allgemeinen noch, was ihn im Strafrecht erwartet, oder dass er zivilrechtlich gegen andere Gleiche um seine Rechte streiten kann. Dass aber das Strafrecht Teil eines begrifflich viel weiteren Öffentlichen Rechts ist1, wird ihm in aller Regel unbekannt sein, ebenso 1 Strafrecht als Teil des Öffentlichen Rechts: Roxin, C., Strafrecht AT, Bd. 2, 4. Aufl. 2006, Rn. 5; Gropp, W., Strafrecht, AT, 2. Aufl. 2001, Rn. 29 ff.; Baumann, J. / Weber, U. / Mitsch, W., Strafrecht, AT, 11. Aufl. 2003, Rn. 68 ff.; Wessels, J. / Beulke, W. Strafrecht, AT, 34. Aufl. 2004, S. 4 (Rn. 12).

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

wie die Existenz eines Verwaltungsrechts, welches den wesentlichen Inhalt dieses Öffentlichen Rechts ausmachen soll. Vom Verfassungsrecht hört und liest er täglich Vieles; doch wenn er erfährt, dass diese Ordnung u. a. sein privates Eherecht betrifft, oder seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer im Betrieb, so wird er kaum verstehen, dass es auch im Verfassungsrecht insoweit grundsätzlich um öffentlich-rechtliche Beziehungen geht. Verlangt er schließlich von einem anderen Rechtsgenossen eine Geldsumme, so wird er in der Regel nicht wissen und jedenfalls nur schwer begreifen, dass dieses sein Recht als solches einem „Privatrecht“ zugerechnet wird – das Verfahren aber, in dem er es geltend macht, als staatliches Prozessrecht zum Öffentlichen Recht gehören soll.2 Dennoch sagt ihm juristische Beratung, dass diese Einteilung in Privates und Öffentliches Recht zu erheblichen praktischen Unterschieden führt, von der Zuständigkeit der Gerichte, die es anzurufen gilt, bis zum Inhalt der Ansprüche, welche vor diesen geltend gemacht werden können. Am ehesten würde er vielleicht noch begreifen, dass immer dann Öffentliches Recht gilt, wenn ihm „der Staat“ einschließlich der Gemeinden, gegenüber tritt; doch muss er sich belehren lassen, dass er als Staatsangestellter und Mieter einer kommunalen Wohnung doch nur wieder nach Zivilrecht Forderungen erheben und nur vor Zivil- oder Arbeitsgerichten klagen darf. So kann denn, ohne weitere rechtstatsächliche Untersuchungen, davon ausgegangen werden, dass die Unterscheidung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht nicht im allgemeinen Bewusstsein der Bürgerschaft verankert ist, dass ihr Denken mit diesen Begriffen nichts im Einzelnen verbindet. Dies ist immerhin ein erstaunlicher Befund, in einer Demokratie, deren Recht auf dem Volkswillen beruht3 und 2 Zivilprozessrecht als Teil des Öffentlichen Rechts: Arens, P. / Lüke, W., Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2003, § 1, Rn. 2; Rosenberg, L. / Schwab, K.-H. / Gottwald, P., Zivilprozessrecht, 16. Aufl. 2004, § 1, VII Rn. 25; Schilken, E., Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2002, Rn. 5. 3 Dazu neuerdings Leisner, Walter, Das Volk – Realer oder fiktiver Souverän? 2005, insb. S. 19 ff., 106 ff.

I. Öffentliches Recht – Privatrecht: eine praxisferne Unterscheidung 13

die sich täglich lautstark bemüht, Bürgernähe4 in ihren Institutionen, in ihrer Ordnung überhaupt zu verbreiten. Dem steht ein nicht weniger erstaunlicher Befund gegenüber: Im geltenden Recht ist dies die erste und eine, wie es scheint, wahrhaft fundamentale Unterscheidung.5 Ihr begegnet der Studierende am ersten Tag, und meist muss er sich erst aus Vorlesungsverzeichnissen informieren, was darunter zu verstehen ist. Sein gesamtes Rechtsstudium ist nach diesen Kategorien aufgebaut; an der Hochschule wie in Staatsexamina orientieren sich die über seinen Lebensweg entscheidenden Prüfungsthemen durchgehend an dieser Unterscheidung. Für den angehenden Juristen bereits, später in seiner ganzen beruflichen Tätigkeit, findet dies einen praktisch-„greifbaren“ Niederschlag in den Gesetzessammlungen, mit denen er täglich arbeitet: sie werden eben traditionell einerseits dem Privaten, zum anderen dem Öffentlichen Recht zugeordnet, in die entsprechenden Universitätsveranstaltungen mitgenommen. Doch der Fortgeschrittene entdeckt dann, dass sich in der „Privatrechtssammlung“ eben auch viele öffentlich-rechtliche Normen finden, und dass privatrechtliche Ansprüche in der des Öffentlichen Rechts angesprochen werden. Im geltenden Gesetzesrecht kommen zwar gelegentlich diese beiden Begriffe vor; Regelungen des einen wie des anderen Bereichs finden sich nicht selten im selben Gesetz, manchmal sogar im Gemenge.6 Eine gesetzliche Abgrenzung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht als solchem gibt es allgemein nicht, nach auch nur einigermaßen fassbaren generellen Kategorien. Dozenten des Privaten wie des Öffentli4 Vgl.dazu allg.: Stern, K., Staatsrecht Bd. I, 2. Aufl. 1984 S. 594 ff.; Schuppert, G. F., Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 922. 5 S. dazu Leisner, Walter, Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht – Kritik der Abgrenzungstheorien, JZ 2006, 869 ff. 6 So hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (vgl. etwa BayPOG Art. 2 Abs. 1), der Schutz privater Rechte – der sich auch gegen private Dritte richtet – obliegt ihr allerdings nur dann, wenn Rechtsvereitelung droht, a. a. O., Abs. 2.

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

chen Rechts begegnen die Studenten wie die Praxis an allen deutschen Hochschulen; doch nicht einer von jenen wird überzeugend behaupten können, in seinen Lehrveranstaltungen oder in seiner Forschungstätigkeit ausschließlich das eine oder das andere dieser großen Rechtsgebiete zu behandeln. Und doch soll in sie das gesamte geltende Recht zerfallen – ein Paradox? c) Nicht nur die einfachen Gesetze gehen nicht systematisch von der Unterscheidung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht aus oder definieren sie gar durch klare Kriterien, dies gilt sogar für das Verfassungsrecht von Bund und Ländern. Auch hier, in dieser überwölbenden Normschicht der gesamten Rechtsordnung, in welcher doch Grundlagen einer derart fundamentalen Unterscheidung zu erwarten wären, findet sich weder, auch nur ansatzweise, eine systematische Definition mit klaren Kriterien, noch ein durchgehender Gebrauch dieser Begriffe.7 Allenfalls ist noch die Rede von der Verletzung von Grundrechten durch die Träger der „Staatsgewalt“. Was aber eine solche „Gewalt“ darstellt, was sie von privater Gewalt unterscheidet, wird ebenso wenig näher normiert, wie etwa die doch entscheidende Frage der Rechtsformen beantwortet wird, in denen diese Gewalt im Einzelnen auftritt.8 Und das Verfassungsrecht behandelt eben auch, in vielfachen Zusammenhängen, zivilrechtliche Rechtsbeziehungen,9 insbesondere dort, wo sie durch staatliche Gesetze näher geregelt werden. 7 Behandelt wird die Unterscheidung nur am Rande in bestimmten einzelnen Zusammenhängen, so etwa bei der Gesetzgebungszuständigkeit (vgl. etwa Rengeling, H.-W., Gesetzgebungszuständigkeit, in: HbStR, (Isensee, J. / Kirchhof, P., Hg.), Bd. IV, § 100, Rn. 128), oder bei der Amtshaftung (s. Papier, H.-J.), HbStR VI, § 157, Rn. 26 ff. 8 Der Begriff „öffentliche Gewalt“ in Art. 19 Abs. 4 GG wird unabhängig von der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechtsform des Handelns gebraucht, vgl. Huber, P. M., in: v. Mangoldt / Klein / Starck (vM / K / St), GG, 5. Aufl. 2005, Art. 19 Abs. 4, Rn. 426. 9 Von der allgemeinen Vertragsfreiheit über das Eigentumsrecht, etwa bei der Unternehmensmitbestimmung, beim geistigen Eigentum oder beim Wohnungs- und Mietrecht, bis zum Ehe-, Kindschafts- und Erziehungsrecht (Art. 6, 7 GG) und zum Erbrecht (Art. 14 Abs. 1 GG).

I. Öffentliches Recht – Privatrecht: eine praxisferne Unterscheidung 15

Dann aber wird doch, so scheint es, das Zivilrecht auf breiter Front zum Gegenstand des Verfassungsrechts, und selbst die Privatautonomie10 des Bürgers, in deren Namen er doch zivilrechtsrelevant tätig wird, erscheint als öffentlich-rechtlicher Verfassungsbegriff – wenn denn dieses Verfassungsrecht, wie es aber allgemeiner Auffassung entspricht, als solches dem Öffentlichen Recht zuzurechnen ist und unter diesem Titel an den Hochschulen gelehrt wird. Das Verfassungsrecht bringt also, jedenfalls in erster Annäherung, keine Klarheit über die innere Bedeutung dieser Unterscheidung. d) Ein Blick auf die Entwicklung des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstärkt noch den Eindruck, dass es sich hier um eine problematische Unterscheidung handelt. Die Gemengelage der beiden Rechtsbereiche ist nirgends so deutlich wie dort. Die herkömmlich wichtigsten Normierungsbereiche, das Wettbewerbs- und Kartellrecht11 sowie das Arbeitsrecht,12 sind gerade geprägt durch eine Verbindung privat- und öffentlich-rechtlicher Regelungen im Sinne dieser intern-rechtlichen 10 Geschützt durch Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. dazu Erichsen, H.-U., Allgemeine Handlungsfreiheit, HbStR Bd. 6, § 152, Rn. 56 ff. Zur Bedeutung der Privatautonomie vgl. auch das Schrifttum zur Drittwirkung, insb. Leisner, Walter, Grundrecht und Privatrecht, 1960; Schwabe, J., Die sog. Drittwirkung der Grundrechte; 1971; Rupp, H.-H., AöR 101 (1976), 161 (170); Canaris; C.-W., JZ 1987, 993; ders. in: FS f. Leisner, 1999, S. 413 ff.; zur Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in die Privatautonomie hinein vgl. neuerdings BVerfGE 96, 375 (398); 102, 347 (362). 11 Zur Verzahnung von Wettbewerbs- und Kartellrecht im EU-Recht vgl. etwa Commichau, G. / Schwartz, H., Grundzüge des Kartellrechts, 2. Aufl. 2002, Rn. 12; Wiedemann, G., Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 1 Rn. 1; Loewenheim, U. / Ablasser-Neuhuber, A., Kartellrecht, Bd. 1, Europäisches Recht, 2005, Einf. Rn. 89 ff.; Langen, E. / Bunte, H.-J., Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 2, Europäisches Kartellrecht, 10. Aufl. 2006, Einf. zum EG-Kartellrecht. Zu den Auswirkungen von Kartellverboten auf Zivilprozesse: Immenga, U. / Mestmäcker, E.-J., EG-Wettbewerbsrecht, Kommentar, Bd. 1, 1997, Art. 85 Abs. 2 Rn. 1. 12 Arbeitsrecht ist teilweise öffentliches, zum Teil privates Recht, vgl. Schaub, G., Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Aufl. 2002, S. 58; Richardi, R. (Hg.), Münchner Handbuch, Arbeitsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, § 1 Rn. 32 ff.; Hanau, P. / Adomeit, K., Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2000, Rd. 52.

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

Unterscheidung nach nationalem Recht. Das Europarecht wird auch im Hochschulunterricht teilweise behandelt durch Spezialisten des Nationalen Privatrechts, zum Teil, insbesondere in seinen organisationsrechtlichen Bezügen, aber auch etwa im Beihilfenrecht, durch Vertreter des Öffentlichen Rechts. Hier ist also bereits deutlich eine „Mischmaterie“ entstanden; in ihr bedarf es bei jedem einzelnen Fall eingehender und meist schwieriger Untersuchungen, soll ein typisch öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Charakter der betreffenden Problematik festgestellt werden. Schließlich sind die Europäischen Gerichte Urteilsinstanzen sowohl im einen wie im anderen Fall; ihr Zuständigkeitskriterium ist eben nicht das des Öffentlichen oder Privaten Rechts, sondern eines Europarechts, das beides bereits überwölbt. e) Hat es schließlich der Bürger, soweit er rechtlich vorgebildet ist, mit Auslandskontakten zu tun, so muss er bald erkennen, dass die hier behandelte Grundunterscheidung seines Rechtsdenkens sich in dem zahlreicher und weithin heute entscheidender Rechtsordnungen als solche nicht findet, allenfalls in Ansätzen festzustellen ist. Dies gilt insbesondere für sämtliche angelsächsische Rechtsordnungen und die von diesen wesentlich beeinflussten Rechte.13 Weitestgehend ist dort eine Einheit der Beurteilung in dem Sinn festzustellen, dass (fast) alle wichtigen Regelungen des deutschen öffentlichen Rechts dem Privatrecht zugeordnet werden. Bis vor kurzem konnte, etwa für das englische Recht, davon ausgegangen werden, dass dort der Begriff eines Public Law als solcher unbekannt war, dass er erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts – wenn auch nur sehr sektoral – übernommen 13 Dem angelsächsischen Recht, insb. dem der Vereinigten Staaten, ist eine so scharfe Trennung von öffentlichem und privatem Recht von jeher unbekannt, vgl. Hay, P., US-Amerikanisches Recht, 3. Aufl. 2005, Rn. 80; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997, S. 27 ff.; Reimann, M., Einf. in das US-Amerikanische Privatrecht, 2. Aufl. 2004, S. 4. Shears, P. / Stephenson, G., James Ìntroduction to English Law, 13. Aufl. 1996, S. 5 nimmt zwar eine Unterteilung in öffentliches und privates Recht vor, verweist aber auch auf die vielfachen Überschneidungen.

I. Öffentliches Recht – Privatrecht: eine praxisferne Unterscheidung 17

und einer ersten wissenschaftlichen Vertiefung zugeführt wurde, im Zusammenhang mit einem sich entwickelnden „Administrative Law“.14 Der deutsche, der kontinental-europäisch ausgebildete Jurist muss daher in vielen Fällen versuchen, grenzübergreifende Beziehungen und anzuwendendes ausländisches Recht nach deutschen Kriterien zu qualifizieren und dem einen oder anderen Bereich seines internen Rechts zuzuordnen.15 Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten eines solchen Vorgehens: seine Ergebnisse wirken nur zu oft gekünstelt, bestreitbar; und ausländische Partner, das ist immer wieder festzustellen, denken eben im Wesentlichen in privat-rechtlichen Kategorien, beurteilt man ihre Äußerungen nach deutschen Qualifikationen, eine spezifisch öffentlich-rechtliche Sicht ist ihnen fremd. Diese und andere, bereits spezifischere Befunde und Befindlichkeiten des deutschen Rechtsbewusstseins, der deutschen Rechtslehre und Rechtsanwendung, sollten also doch von vorneherein eine grundlegende Frage nahe legen, wenn nicht juristischer Betrachtung aufdrängen: Ist diese traditionelle Fundamentalunterscheidung des deutschen Rechts nicht überprüfungs-, korrekturbedürftig, vielleicht gar als solche überholt? Und, das ist nun entscheidend: sind daraus nicht, in der künftigen Gesetzgebung wie bereits jetzt in laufender Rechtsanwendung, Folgerungen zu ziehen, im Sinne einer Verbreiterung und Vertiefung privatrechtlichen Rechtsdenkens im deutschen Öffentlichen Recht? Diesen zugleich grundlegendtheoretischen wie überaus bedeutsamen praktischen Fragen einer „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“, bis hin zu Vor14 „Administrative Law“ ist etwa in England erst spät systematisch behandelt worden, vgl. grdl. Lawson, F. H. / Bentley, D. J., Constitutional and administrative law, 1961. 15 Zur Problematik der Immunität fremder Staaten vor deutschen Gerichten ist danach zu unterscheiden, ob diese Staatsgewalten privat- oder öffentlichrechtlich handeln (acta iuris imperii oder gestionis, vgl. Ipsen, K. / Menzel, E. / Epping, V., Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 26, Rn. 17 ff.; BVerfGE 16, 61 f.; 27, 33 ff.).

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

stellungen eines „Privaten Staatsrechts“, sind die folgenden Ausführungen gewidmet. Sie konzentrieren sich auf allgemein-grundsätzliche Überlegungen, allerdings bereits mit nicht wenigen Beispielen, welche begründen und in Einzelfällen orientieren sollen. Darüber hinaus sind sie vor allem der Vertiefung fähig und bedürftig für Bereiche, in denen zivilrechtliche Institutionen und privatrechtliches Denken bereits öffentlich-rechtliche, ja staatsrechtliche Dimensionen erreicht haben, wie etwa in den Räumen der Vertraglichkeit oder des Wettbewerbs.

2. Privates und Öffentliches Recht: Entwicklung einer unzureichend vertieften Problematik a) Die Einteilung des Rechts in ein Privates und Öffentliches Recht geht zurück auf das Römische Recht, nach welchem Ius Publicum est quod ad statum Reipublicae, Ius Privatum quod ad singulorum utilitatem spectat.16 Von dort ist die Unterscheidung in die gelehrten Rechte des Kontinents übernommen worden, vor allem in Frankreich und Italien, das französische aber auch das deutsche Recht haben daraus bereits vor der Französischen Revolution ihr Droit Public,17 ihr Ius Publicum entwickelt und es dem Privaten Recht gegenüber gestellt. Es umfasste das Völkerrecht wie das Staats(organisations)recht, aber auch Regelungen der wichtigsten Verwaltungsbereiche. Vgl. die vielzitierte Stelle im Corpus iuris, Dig. 1, 1, 1, 2. Zu alten deutschen „Ius publicum“ vgl. u. a. Limnaeus, Joh., Iuris publici Imperii Romano-Germanici Libri IX, 1629 – 34; Moser, J. J., Compendium iuris publici moderni Regni Germanici, 1734; Pfeffel, Chr.-F. de, Abrégé chronologique de l’histoire et du droit public de Allemagne, 2. Aufl., 1758; Buder, Chr. G., Repertorium reale pragmaticum iuris publici et feudalis Imperii Romano-Germanici, 1751; Schmauss, J., Corpus iuris publici S. R. Imp. academicum, 1774; Struve, B. G., Corpus iuris publici imperii nostri Romano-Germanici, 3. Aufl., 1738. Für das französische Recht vgl. für viele die vorrevolutionäre Zusammenfassung des Abbé Fleury, Droit public de France (Hg. v. M. Daragon, 1788). 16 17

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Im vorrevolutionären Rechtszustand Frankreichs lagen allerdings beide Bereiche, vor allem im Droit Coutumier18 des nördlichen und zentralen Frankreichs, der Nordhälfte des Königreiches, in schwer unterscheidbarem Gemenge. Erst unter dem Einfluss der Freiheitsvorstellungen von 1789 und der folgenden Jahrzehnte entwickelte sich in Frankreich ein klar vom Privatrecht getrenntes Öffentliches Recht, vor allem als Droit administratif. Im 19. Jahrhundert, und auf breiter Front erst gegen dessen Ende, fand dies dann auch Eingang in die Universitätsstrukturen in Deutschland, ab Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es nicht mehr grundsätzlich hinterfragt.19 Die so ausgebildeten Juristen ordneten sodann, als Helfer der Gesetzgebung wie in der Rechtsanwendung, ihre Normen diesem gelehrten Recht zu, in dem sie erzogen worden waren, das sie geistig geprägt hatte. Dies geschah jedoch insgesamt mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, ja Leichtigkeit, welche nicht lange nach vertieften Begründungen suchte, sondern fast schon etwas wie eine begriffliche Axiomatik zugrunde legte. b) So erklärt sich auch, dass die Unterscheidung, welche hier beschäftigt, in früheren Zeiten, insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als solche nicht allzu intensiv diskutiert wurde. Dies geschah auch später eher in einer kontigent-indirekten Weise, aus einem politisch vorgegebenen Anlass, im Zusammenhang mit der Entwicklung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.20 Da der Liberalismus annahm, ein einheit18 Eine solche Gemengelage von privatem und öffentlichem Recht ist geradezu typisch für das Droit coutumier, vgl. etwa Coutume de Touraine, Tours 1661 (Hg. Pallu, E.), S. 1 ff., 100 ff.; Coutume de Toulouse (Hg. Soulatges, J.-A.), Toulouse 1770, insb. S. 86 ff. 19 Als Veröffentlichungen vor 1914 über „Verwaltungsrecht als öffentliches Recht“ vgl. etwa Rönne, L., Das Verwaltungs-Recht, 1863, S. 3 f.; Fischer, Otto, Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Deutschen Reiches und des Königreiches Sachsen, 1904, S. 62, 111, vor allem aber Mayer, Otto, Theorie des Französischen Verwaltungsrechts 1886; darauf aufbauend ders., Deutsches Verwaltungsrecht 1895 f., Nachdruck 1961.

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lich-gerichtlicher Schutz durch die Zivilgerichte könne nicht genügen gegen die in ihrer Gefährlichkeit immer klarer hervortretende Staatsgewalt, während Konservative darin allzu strenge Fesseln für die Staatsgewalt vermuteten, musste eine besondere, verwaltungsgerichtlich-justizielle Sicherung geschaffen werden – und daraus ergab sich dann die Notwendigkeit, diese Zuständigkeit auf ein materiell besonderes Recht, eben das Öffentliche Recht, im Ausgangspunkt vor allem das Polizeirecht, zu stützen. Wäre die einheitliche zivilrechtliche Gerichtszuständigkeit erhalten geblieben, wie es die „Justizstaatlichkeit“21 forderte, so wäre es vielleicht nie zu einer derart fundamentalen Unterscheidung gekommen, wie gerade die französische Rechtsentwicklung belegt. Dies erklärt auch, dass es weitgehend an materiellrechtlichen Überlegungen zur Grundlegung einer Besonderheit des Öffentlichen Rechts fehlte. Nur wenige Autoren haben sich früher vertiefend mit dieser Unterscheidung beschäftigt,22 ihre Ergebnisse wurden verhältnismäßig rasch von einer „allgemeinen Lehre“ und Rechtsprechung übernommen.

20 Zur Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland siehe u. a. Gliss, J., Die Entwicklung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit bis zur Bundesverwaltungsgerichtsordnung, 1962; Kohl, Wolfgang, Das Reichsverwaltungsgericht: Ein Beitrag zur Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, 1991, S. 24 ff.; Görlitz, A., Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, 1970. 21 Zur „Justizstaatlichkeit“ in Deutschland, vor und nach 1848, vgl. etwa Ule, C.H., Über das Verhältnis von Verwaltungsstaat und Rechtsstaat in: Staats- und verwaltungswissenschaftliche Beiträge (Hg. von der Hochschule f. Verwaltungswissenschaften Speyer) 1957, S. 127 ff.; Püttner, G., Politik durch Gerichte, auf dem Wege zum Justizstaat, 1978, S. 3 ff., sowie die in FN 20 Genannten. 22 Zur Diskussion um die Unterscheidung von öffentl. Recht und Privatrecht vor 1945 vgl. allg. Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 3, 3. Aufl. 1913, S. 381; Mayer, Otto, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., 3. Aufl. 1924, S. 49 ff.; näher Leuthold, C. E., Öffentliches Interesse und öffentliche Klage im Verwaltungsrechte, Annalen des Deutschen Reiches 1884, 321; Holliger, Das Kriterium des Gegensatzes zwischen dem öffentl. Recht und dem Privatrecht, 1904, S. 88 ff.; Richter, Lutz, Das subjektive öffentliche Recht, AöR 8 (1925) 1 ff.

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Dies lag schon deshalb nahe, weil sich aus der erwähnten römisch-rechtlichen Formel nicht ohne weiteres die nun moderne Unterscheidung begründen ließ: Dem Öffentlichen Recht wurde in der Praxis alles zugeordnet, was sich auf den Einsatz hoheitlicher Gewalt zurückführen ließ. Doch gerade dies ist nicht das romanistische Kriterium: Dessen Status Reipublicae-Recht knüpft an das öffentliche Organisationsrecht, das Römische Staatsrecht im Sinne des bahnbrechenden Werkes von Theodor Mommsen an,23 nicht aber an alles, was etwa die Polizeigewalt dem Bürger an Verpflichtungen auferlegt, und an dessen Abwehrrechte. Die utilitas singulorum als Kriterium des Privatrechts definiert die Unterscheidung nach den öffentlichen oder privaten Interessen, um die es im einzelnen Fall gehen soll; doch heute ist es, wie sich zeigen wird, gerade nicht das Interessenkriterium, nach dem sich Öffentliches Recht definieren lässt. 3. Unterscheidungsversuche zwischen Privatem und Öffentlichem Recht nach „Rechtssubjekten“ und geschützten / verfolgten „Interessen“ Der gegenwärtige Zustand der Lehre zur Unterscheidung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht ist kein Glanzstück deutscher Rechtsdogmatik, insbesondere nicht der publizistischen Lehre.24 Soweit nicht (die Möglichkeit) eine(r) Unterscheidung überhaupt geleugnet wird25 oder als Gegenstand teilweise scharfer Kritik erscheint,26 lässt sich die „h. L“, – wenn man angesichts der kaum versuchten Vertiefung überhaupt von einer solchen sprechen kann – deutlich auf drei Begründungsversuche zurückführen: 23 Mommsen, Theodor, Römisches Staatsrecht, 1. Aufl. 1871, 3. Aufl. 1952. 24 Allgemein mit Nachweisen dazu Leisner, Walter (FN 5). 25 Die scharfe und grundsätzliche Kritik von Hans Kelsen, Allgemeine Staatslehre 1925, S. 80 ff., an der Unterscheidung als solcher ist bisher unwiderlegt geblieben. 26 So etwa Hufen, F., Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, Rn. 15 f.

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– Die Subjektstheorie:27 Öffentliches Recht ist, was die Rechtsbeziehungen bestimmter Rechtsträger untereinander oder zu (allen oder gewissen) anderen Rechtssubjekten regelt. – Die Interessentheorie:28 Je nachdem, ob die geregelten Interessen öffentlicher oder privater Art sind, gehört die dies normierende Bestimmung dem Privaten oder dem Öffentlichen Recht an. – Die Subjektions- oder Subordinationstheorie: Öffentliches Recht soll stets, aber auch nur dort vorliegen, wo ein Rechtsträger der (Hoheits-)Gewalt eines anderen unterworfen ist, dieser also einseitig die Rechte- und Pflichtenlage zwischen beiden verändern kann, ohne Einschaltung eines Richters.

a) Die Subjektstheorie beruht eindeutig auf einem Zirkelbeschluss. Die Rechtsträger, denen das Öffentliche Recht zugeordnet werden soll, müssen doch erst einmal bestimmt werden, bevor sie ihrerseits die Qualität „Öffentliches Recht“ definieren können. Jene Bestimmung der Rechtssubjekte aber kann sich nur aus Zweierlei ergeben: – Entweder aus einer ad-hoc-Bestimmung durch ein Gesetz, das ein gewisses Gebilde zum öffentlichen Rechtsträger erklärt. Ist der Gesetzgeber darin frei, so ist die Entscheidung des Gesetzgebers eine rein kontingente, ja zufällige, eine allgemeinere dogmatische Zuordnungskategorie zu Privatem oder Öffentlichem Recht gibt es nicht; dann aber kann das keine fundamentale Unterscheidung innerhalb der Rechtsordnung sein. 27 Zu dieser und zum Folgenden vgl. vor allem Wolff, H. J., Der Unterschied zwischen öffentlichem Recht und privatem Recht, AöR 76 (1950 / 51), 205 ff., sowie neuerdings die Überblicke bei Sodan, H., in: Sodan, H. / Ziekow, J., VwGO, 2003, § 40, Rn. 287 ff.; Ehlers, D., in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, 2005, Rn. 220 ff.; Schenke, W.-R., in: Kopp / Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 40, Rn. 11 ff.; Leisner (FN 5), S. 870 ff. m. Nachw. 28 Zur Interessentheorie vgl. die überzeugende Kritik von Sodan (FN 27), Rn. 290 ff.

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– Oder ein Rechtsträger muss notwendig dann als Subjekt des Öffentlichen Rechts bestimmt werden, wenn er schon nach der Verfassung bestimmte materielle Aufgaben zu erfüllen hat, also nach der Lehre von den Staatsaufgaben. Abgesehen davon, dass diese Lehre dazu nicht ausreichend entwickelt ist (vgl. dazu unten IV, 1) – zum Öffentlichen Recht gehörten dann alle Normen, welche öffentliche Interessen schützen oder verfolgen sollen; damit liefe die Subjektstheorie einfach nur auf die Interessentheorie hinaus (i. Folg. B), sie wäre nicht etwa mit dieser kombinationsfähig, oder es ginge doch wieder nach der Form der Erfüllung dieser Aufgaben – durch Hoheitsgewalt; damit schlösse sich der Zirkel zur Subjektionstheorie.

Die Subjektstheorie kann also als solche nichts erklären. Überdies ist sie mit der geltenden Rechtsordnung unvereinbar: Staat, Kommunen und zahlreiche andere „Juristische Personen des Öffentlichen Rechts“ sind zugleich Träger privater Rechte und Pflichten, damit auch Rechtssubjekte des Privatrechts. Ihre Subjektqualität als solche begründet daher keine „öffentlich-rechtliche Qualität“.29 Es ist unverständlich, dass eine derart offensichtlich unbehilfliche, ja abwegige „Theorie“ immer weiter fort- und mitgeschleppt wird. b) Die Interessentheorie ist ebenso eindeutig und geradezu bereits prima vista unvollziehbar, ja schlechthin abwegig30 und dies entspricht ja auch einer, hier kann man nun wirklich sagen: allgemeinen Staatspraxis:31 Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts verfolgen öffentliche Interessen auch in Formen privaten Rechts (Verwaltungsprivatrecht); Rechts29 So etwa die Kritik von Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, 11. Aufl. 1999, § 22, Rn. 25; Icking, J., Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 2000, S. 406. 30 Weshalb sie denn in der Rspr. neuerdings auch deutlich zurücktritt, vgl. aus früherer Zeit BGH NJW 1973, 1077, mit ablehn. Anm. Rimmelspacher, JZ 1975, 165; BVerwGE 19, 312; 41, 130; 47, 11. 31 Vgl. dazu den guten Überblick bei Ipsen, J. / Koch, Th., Öffentl. u. privates Recht – Abgrenzungsprobleme bei der Benutzung öffentl. Einrichtungen, JuS 1992, 809 (810).

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träger des Privatrechts handeln auch im öffentlichen Interesse (Gemeinnützigkeit); Rechtsträger des Öffentlichen Rechts verfolgen auch private Interessen (etwa als Vermieter). Damit müsste jede Interessentheorie sogleich an Grundentscheidungen und -gestaltungen des geltenden Rechts scheitern, und mit ihr, wie schon erwähnt, die Subjektstheorie:32 Weder gibt es eine Theorie der öffentlichen Interessen, die so griffig wäre, dass sich nach ihr Öffentliches und Privates Recht auch nur einigermaßen trennscharf unterscheiden ließen, wie dies für die Bestimmung gerichtlicher Zuständigkeiten aber unumgänglich wäre, noch könnte Derartiges aus einer Staatsaufgabenlehre abgeleitet werden. Die doktrinäre Unterscheidung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht, welche sich in Deutschland, jedenfalls in der Praxis, durchgesetzt hat, legt also letztlich gerade nicht die typisch zivilrechtliche Interessenbeurteilung und -abwägung zugrunde, sondern einen staatsrechtlichen Gewaltbegriff, der als solcher dem Römischen Recht noch nicht geläufig war, da dieses verfassungsrechtlich garantierte Ansprüche des Bürgers gegen die kaiserliche Gewalt kaum kannte. Es zeigt sich jedenfalls die heute weithin verbreitete doktrinäre, von der Praxis übernommene Unterscheidung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht als eine solche, die aus einer kontingenten Entwicklung heraus sich vollzogen hat, nämlich der einer bestimmten Grundrechtlichkeit und der eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit: Als solche ist jene Unterscheidung aber, bis auf den heutigen Tag, weder allgemein bewusst – auch nicht in der Rechtslehre – noch ist sie neuerdings soweit ersichtlich, hinterfragt oder vertiefend begründet worden. Deshalb wurde auch die im Folgenden in den Mittel32 Denn die materielle Subjektstheorie, modifiziert zur Sonderrechtstheorie, will ja dem Privatrecht nur Rechtssätze zuordnen, die für „Jedermann“ gelten (deutlich Ehlers, FN 27); dies aber kann eben, nach der materiellen Subjektstheorie, wenn nicht aus dem Einsatz der Hoheitsgewalt, dann allein nach den verfolgten privaten oder öffentl. Interessen bestimmt werden.

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punkt zu stellende Frage nicht klar gesehen: ob sich nicht gerade im modernen Verfassungsrecht und im rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht Entwicklungen abzeichnen, ja bereits eingetreten sind, welche eine Unterscheidung von derartiger Grundsätzlichkeit nicht mehr zulassen, sie jedenfalls relativieren sollten. Daran schließt sich dann die Frage an, ob sich nicht eine (Wieder-)Annäherung des Öffentlichen an das Privatrecht vollziehen sollte – oder ob vielleicht gar das Privatrecht auf breiter Front zu publifizieren wäre. Festzustellen bleibt schon hier, dass sich Lehre wie Praxis allzu rasch eingängigen Formeln angeschlossen haben, welche eben jenen theoretischen Tiefgang nicht aufweisen, aus dem heraus sie ohne wesentliche Diskussion in der Praxis zugrunde gelegt werden dürften. 4. „Hoheitliche Gewalt“: ein Kriterium von problematischem Gewicht Nun gilt es aber noch, bereits im vorliegenden Zusammenhang, auch das dritte der erwähnten Abgrenzungskriterien kritisch zu hinterfragen, das der sog. Subjektionstheorie, welche Öffentliches Recht aus dem Einsatz der einseitigen Hoheitsgewalt definiert. a) Für die h. L. und Rechtsprechung – man kann sie geradezu, entgegen doktrinären Feststellungen, als „praktisch herrschend“ bezeichnen33 – sind dem Öffentlichen Recht alle Bereiche zuzuordnen, wo Rechtsbeziehungen entstehen unter Einsatz hoheitlicher Gewalt, oder wo solche Rechtsverhältnisse doch so gestaltet sind, dass in ihnen (letztlich) hoheitliche Gewalt zum Einsatz kommen kann (könnte). Selbst Gleichordnungsbeziehungen, wie Verwaltungs- und Staatsvertraglichkeit, sollen sich mit ihrer (Hintergrund-)Hilfe noch dem Öffentlichen Recht zuordnen lassen: entweder indem sie 33 Vgl. dazu näher Leisner (FN 5), S. 873 ff.; siehe immerhin auch GSOBG BGH 97,312; NJW 1990, 1527.

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geradezu in Rechtsbeziehungen „eingebettet“ erscheinen, welche „im Wesentlichen“ vom Einsatz der Hoheitsgewalt geprägt sind,34 oder indem die Hoheitsgewalt als eine letzte „Durchsetzungshilfe“, im Sinne einer Reservegewalt erscheint, als die sie auch heute weithin angesehen wird. Dies ist die viel berufene Über / Unterordnung, in welcher der Bürger der Öffentlichen Gewalt hier gegenüber steht, während er sich zu seinesgleichen in einer Beziehung grundsätzlicher Gleichordnung befindet.35 In dieser mag die Rechtsbeziehung zwar von einer Seite, etwa der wirtschaftlich stärkeren, (nahezu) vollständig gestaltet werden, durchsetzen lassen sich jedoch die daraus folgenden Rechte in aller Regel, bis auf seltene, zu vernachlässigende Ausnahmen, nicht einseitig durch einen der Partner, sondern nur durch Anrufung der übergeordneten Staatsgewalt von Behörden und vor allem Gerichten. Zwar gibt es nun auch im Öffentlichen Recht Gleichordnungsbeziehungen, vor allem eben im Bereich verwaltungsrechtlicher oder staatsrechtlicher Verträge. Dies wirft die Frage auf, ob nicht auch das Öffentliche Recht ein Gleichordnungsrecht ist, jedenfalls zum Teil, und worin dann der so fundamentale Unterschied zum Privatrecht gesehen werden könnte. Entweder es gäbe ihn insoweit nicht, oder das zentrale Kriterium müsste eben doch das des öffentlichen Interesses sein, welches etwa in solcher öffentlich-rechtlicher Vertraglichkeit verfolgt würde. Dagegen ist aber immer mit Gewicht eingewendet worden, das Kriterium des öffentlichen Interesses (vgl. dazu oben b) sei unbestimmt; öffentliche Interessen würden auch in nicht wenigen zivilrechtlichen Vereinbarungen, zwischen Privaten, sowie ihnen und der Öffentlichen Hand verfolgt. Ein Kriterium des öffentlichen Interesses für 34 Wie dies etwa früher für die Rechtsbeziehungen der Post zu ihren Kunden angenommen wurde, vgl. Mayer, Otto, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2 1896, S. 318 ff.; Florian, W. / Weigert, F., Kommentar zur Postordnung, Teil I 1969, S. 14 f.; Schmied, Heinz M., Der Postbeförderungsvertrag und das AGB-Gesetz, 1994, S. 25 ff. 35 Zu dieser Subjektions- oder Subordinationstheorie vgl. f. Viele Kopp / Schenke (FN 27), Rn. 13 m. Nachw.; Leisner (FN 5).

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das Öffentliche Recht liefe überdies darauf hinaus, dass es, an sich schon schwer bestimmbar, im Einzelfall überzeugend als ein überwiegendes dargetan werden müsste. Damit geriete die Praxis in kaum überwindliche Schwierigkeiten im Einzelfall, das Kriterium wäre daher kaum praktikabel. Ein solcher zusätzlicher Rückgriff auf das Kriterium des öffentlichen Interesses ist denn auch, nach heute wohl h. L., weder im Verwaltungsrecht noch im Verfassungsrecht erforderlich: Im Verwaltungsrecht hat sich der öffentlich-rechtliche Vertrag erst in den letzten Jahrzehnten als eine echte Alternative zum Verwaltungsakt entwickeln können; dort herrscht aber noch immer die Auffassung, dass derartige vertragliche Regelungen in aller Regel auch in Form von Verwaltungsakten ergehen könnten,36 womit der Vertrag als eine von der Verwaltung zu wählende Alternative erscheint, damit als eine Rechtsform, hinter der eben doch wieder die Öffentliche Gewalt steht. Selbst wo ein öffentlich-rechtlicher Vertrag einziges Gestaltungsmittel ist, pflegt sich die Verwaltung durch ihn doch gewisse Vorrechte37 im öffentlichen Interesse zu sichern – es handelt sich dann eben wiederum um solche, welche sie in aller Regel unter Einsatz der Hoheitsgewalt verwirklichen dürfte. Schließlich ist hier, wie auch für verfassungsrechtliche Staatsverträge oder Verwaltungsverträge38, herrschend jene Einbettungstheorie in hoheitliche oder verfassungsrechtliche Bezüge, welche wiederum abhebt auf Aufgabenerfüllung durch Träger der Staatsgewalt, wie sie in aller 36 Vgl. § 54 Abs. 2 VwVfG. Dies liegt der Rechtsprechung insgesamt zugrunde, vgl. etwa GSOBG BVerwGE 74, 370; BVerwGE 60, 269; 84,257; vgl. auch BGHZ 56, 368; 116, 339. Gusy, Chr., DVBl. 1983, 1333, will dieses Kriterium der Abgrenzung zwischen öffentl. und privatem Recht als solches zugrunde legen. 37 Dies gilt grundsätzlich in allen Einzelfällen öffentlich-rechtlicher Vertragsbindungen, wie sie etwa bei Kopp / Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54 Rn. 36 ff. aufgezählt sind. 38 Vgl. etwa BVerfGE 42, 103; 90, 60. Überblick bei Kisker, G., Kooperation im Bundesstaat, 1971, S. 307 ff.; Vedder, Chr., Intraföderale Staatsverträge, 1996, S. 397 ff.

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Regel unter Einsatz der Hoheitsgewalt erfolgt, hier aber auch vertraglich geregelt werden darf. Insgesamt ist es also im Ergebnis doch das Kriterium der hoheitlichen Gewalt, auf dem das Öffentliche Recht aufruht; in der weit überwiegenden Zahl der nach ihm zu entscheidenden Fälle ist es in der Praxis das einzige, an dem diese sich ausrichtet. Anzumerken bleibt allerdings, dass die Entwicklung der Vertraglichkeit in diesem Öffentlichen Recht schon jetzt die Frage aufwirft, ob sich nicht doch typisch privatrechtliche Gleichordnungsentwicklungen auch hier vollziehen. Zunächst ist aber das im Vordergrund stehende Kriterium der Öffentlichen Gewalt zu überprüfen. Wenn es nun die öffentliche, früher „obrigkeitlich“ genannte Gewalt ist, auf welche sich die Annahme eines Großbereichs Öffentliches Rechts stützt, wenn sie es jedenfalls sein soll, welche diesen ganzen Bereich entscheidend prägt und abhebt vom Privatrecht, so führt dies, vor allem bei praktischer Betrachtung, zu einem erstaunlichen Ergebnis: Das Öffentliche Recht wird dann nur mehr konstituiert durch die sofortige, einseitige Durchsetzbarkeit von Ansprüchen seitens öffentlicher Träger – denn nichts anderes charakterisiert diese Hoheitsgewalt.39 Gegen den Verwaltungsakt, den Prototyp der Behandlungsformen des Öffentlichen Rechts, muss der Beschwerte den Richter zu Hilfe rufen, andernfalls kann sich die Verwaltung aus eigenem Recht, einseitig durchsetzen, Selbstjustiz üben, während dies einem Bürger versagt wäre. Da aber in der weit überwiegenden Zahl der Fälle einem Einspruch des Bürgers gegen die Hoheitsgewalt aufschiebende Wirkung zukommt, wird durch ihn doch genau jene Lage wieder erreicht, in der sich der Bürger auch einem „gleichgestellten“ privaten Rechtsgenossen gegenüber befindet: Erst der (Verwaltungs-)Richter gestattet dem Staat die Durchsetzung seiner Ansprüche, oder er versagt sie. Dann aber beschränkt 39 Zur begrenzten Wirkung dieser Hoheitsgewalt (einseitige Durchsetzbarkeit – dennoch Aufschiebbarkeit) vgl. Leisner, Walter, Die undefinierbare Verwaltung, 2002, S. 65 ff.

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sich der Unterschied zwischen privater und öffentlicher „Rechtsgewalt“ darauf, dass der Letzteren vorläufige Durchsetzbarkeit eigen ist – aber wiederum nur, wenn der Bürger dagegen nicht den Richter anruft. Öffentliche Gewalt würde nur dazu führen: Vorläufige Durchsetzbarkeit von Ansprüchen, wenn es sich der Belastete gefallen lässt oder ein Richter sie nicht aufhebt. Damit wäre das Öffentliche Recht eine Rechtsgestaltung von sehr beschränkter Wirksamkeit, überdies noch unter Bürger- und Gerichtsvorbehalt. c) Der Unterschied zwischen Privatem und Öffentlichem Recht kann aber nicht einmal auf eine reduzierte „Vorläufigkeit der Durchsetzbarkeit“ gegründet werden, die doch eine derartige Fundamentalität kaum überzeugend tragen kann: Auch den privatrechtlichen Entscheidungen ist ja weithin eine derartige vorläufige Durchsetzungswirkung gegenüber (angeblich) Gleichgeordneten eigen. Im Namen der auch dort so genannten „Gewalten“, von denen die „elterliche Gewalt“ und die „Direktionsgewalt des Arbeitgebers“ mehr denn je in aller Munde sind, schafft ein Rechtsträger, etwa durch Verbringung einer Person an einen bestimmten Ort oder durch Kündigung, Betretungs- und Arbeitsverbote, erst einmal gewisse Rechtlagen. Wenn der betroffene Arbeitnehmer, ein Familienangehöriger oder besorgte Dritte nicht die Staatsgewalt auf den Plan rufen – letztlich den Richter – so wird dieser GewaltAkt auch im gleichordnenden Privatrecht ebenso „rechtskräftig“ wie ein Verwaltungsakt, oder er erlangt durch Zeitablauf eine vergleichbar faktische, dann auch ins Rechtliche hinüberwirkende Qualität. Was also unterscheidet „Staatsgewalt“ von diesen „Privaten Gewalten“? Ganz allgemein: Was in einem privaten Vertragsverhältnis oder einem dinglichen „Nachbarschaftsverhältnis“ i. w. Sinn ohne Protest hingenommen wird, erlangt in den meisten Fällen auf den gleichen Wegen Rechtsbeständigkeit wie ein Akt der hoheitlichen Gewalt. Jedenfalls gilt insoweit im Privatrecht ein beati possidentes: Wer von einem Rechtsgenossen etwas will, muss über den Richter gehen, genau so wie der

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Bürger, der sich gegen die Staatsgewalt wendet. Die Unterschiede zwischen Privatem und Öffentlichem Recht gegenüber der (Rechts-)Gewalt eines anderen Rechtssubjekts beschränken sich also auf einzelne Anfechtungsfristen, Geltungsvermutungen und ähnliche Verfahrensregelungen i. w. Sinne. Das kann für eine Fundamentalunterscheidung nicht genügen. „Gewalt“ hat das Private wie das Öffentliche Recht zu bewältigen, oft ist sie in jenem gefährlicher als in diesem; ideologische Antiobrigkeitlichkeit verengt sich auf einen (Holz-)Weg, auf dem „private Gewalt“ nicht gesehen wird. Auf ein derartiges Kriterium lässt sich also, wie andernorts vertiefend nachgewiesen werden konnte,40 ein Begriff des „hoheitlichen Verwaltens“, damit weithin der Verwaltung als solcher, kaum überzeugend stützen. Und dies soll nun Grundlage für eine Fundamentalunterscheidung innerhalb der gesamten Rechtsordnung sein? So erklärt sich denn auch der Ausgangsbefund (oben 1): Weil der Einsatz der „Öffentlichen Gewalt“ faktisch und vor allem in der gerichtlichen Auseinandersetzung weithin auf das gleiche Ergebnis hinaus läuft, wie wenn ein Privater sich gegenüber einem anderen durchsetzen wollte, eben deshalb kann der „Normalbürger“ diese Unterscheidung nur schwer oder gar nicht verstehen. Die viel berufene „Öffentliche Gewalt“ ist eben gar kein Privileg von einem praktischen Gewicht, das eine derart grundlegende rechtliche Unterscheidung rechtfertigen könnte. d) Ein Blick auf Strafrecht und Strafprozessrecht stärkt noch derartige Zweifel an der Begründetheit der herrschenden Auffassung: Dieses Rechtsgebiet soll doch dem Öffentlichen Recht zugeordnet sein,41 hier kommt Öffentliche Gewalt als staatliche Strafgewalt geradezu par excellence zum Einsatz. Dies geschieht aber wiederum in prozessualen Formen, in denen mit besonderer Sorgfalt auf die Gleichordnung von Staat 40 Vgl. FN 39; allenfalls das „Letzte Wort“ der Judikative bringt eine hoheitliche Endgültigkeit, vgl. Leisner, Walter, Das Letzte Wort – der Richter späte Gewalt, 2003, insb. S. 39 ff., 269 ff. 41 Vgl. FN 1.

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und Bürger vor dem Richter geachtet wird, ja dem Bürger sogar Privilegien eingeräumt sind (in dubio pro reo, letztes Wort des Angeklagten). Die Vorläufigkeit einer einseitig durchsetzbaren Öffentlichen Gewalt erfährt der beschuldigte Bürger allenfalls durch Maßnahmen der Polizei oder der Staatsanwaltschaft – aber eben in einer höchst vorübergehenden, eng durch den Richter, durch jene Gerichtsbarkeit kontrollierten Weise, welche auch in seinen zivilrechtlichen Auseinandersetzungen mit anderen Bürgern entscheidet. Wenn aber in einem Mittelpunkt des Öffentlichen Rechts die Hoheitsgewalt derart gerichtlich gebändigt erscheint, wenn ihr als solcher materiell und formell ein nur sehr vorübergehendes Privileg der Durchsetzung zugebilligt ist – wo sollen dann die so wesentlichen Unterschiede zum Privatrecht liegen? Und ist es nicht die „ordentliche Gerichtsbarkeit“, zu der die Richter in Zivil- wie in Strafsachen gerechnet werden, spricht dies nicht dafür, dass es im Grunde nur ein Recht gibt, das „ordentliche“, das in Gleichordnung der Beteiligten vor dem ordentlichen Richter angewendet wird? Ist die ganze Großkonstruktion des Öffentlichen Rechts nicht nur ein Nebenergebnis der Anerkennung einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit? Und wenn dies zu bejahen ist, sollten dann nicht im Gesamtbereich des Öffentlichen Rechts privatrechtliche Denkweisen und Prinzipien, grundsätzlich jedenfalls, immer mehr zur Anwendung kommen, um auch in seinem Rahmen die Anwendung der so oft beschworenen Einheit der Rechtsordnung42 doch durchzusetzen? Dies ist die Fragestellung der folgenden Überlegungen, bereits nach geltendem Recht, mehr noch de lege ferenda.

42 In der Monographie von Felix, D., Einheit der Rechtsordnung. Zur verfassungsrechtlichen Relevanz einer juristischen Argumentationsfigur, 1998, wird diese Problematik allerdings nicht vertieft.

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5. „Öffentliches Recht“: rechtlicher Bewältigungsversuch vordemokratischer Machtvorstellungen a) Die Vorstellung von einem „besonderen“ Öffentlichen Recht hat sich verdichtet in einer Zeit des Niedergangs vordemokratischer fürstlicher Gewalt, der Auflösung ihrer letzten Erscheinungen und Privilegien im 19. Jahrhundert. Damals überlebte zwar eben noch die „Obrigkeit“, die „Hoheit“ im Staatsrecht politisch die Erschütterungen der Französischen Revolution; es galt aber, sie in rechtstaatlichen Formen zu bändigen. Daher wurde zunächst ihre so genannte „obrigkeitliche Gewalt“ an die Ketten des Öffentlichen Rechts gelegt, das ihr nur mehr kleinere, eben zeitlich-vorläufige Bewegungsräume, wie dargelegt, eröffnen sollte. Dies erschien als ein Zugeständnis an die damalige politische Grundstimmung des Konstitutionalismus,43 welcher die Fürstengewalt unter das Rechts zwingen und ihr doch etwas von ihrer ursprünglichen, Jahrhunderte lang anerkannten Eigenständigkeit erhalten wollte, letztlich aber nur einen Schein von Privilegien: ein vorläufiges Vorrecht der Durchsetzbarkeit. Das spricht dafür, dass die Anerkennung eines derart speziellen Öffentlichen Rechts nichts anderes ist, als eine Übergangserscheinung aus vorrechtsstaatlicher, heute meist vordemokratisch genannter Zeit in eine Gegenwart, deren Macht grundsätzlich nurmehr in rechtlichen Formen der Gleichheit von Rechtsträgern ausgeübt werden darf. Das Kriterium der „öffentlichen Gewalt“ erscheint in solcher Sicht als ein Relikt aus früheren Machtvorstellungen, welche in der Tat von einer Über / Unterordnung im Verhältnis Staat / Bürger ausgingen, wie sie aber in einer Volksherrschaft nicht mehr anerkannt werden kann. Die herrschende Auffassung von einem Kriterium der „Öffentlichen Gewalt“ ist dann vielleicht nichts als Ausdruck einer Phase der Verrechtlichung früherer, „reiner“ – einer rechtsfrei-brutalen Staatsgewalt. Als eine solche Brücke 43 Dazu m. zahlr. Nachw. Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Staatsrechts, Bd. 5, 2000, S. 134 f., 214 ff., 337 ff.

I. Öffentliches Recht – Privatrecht: eine praxisferne Unterscheidung 33

in die Demokratie hinein wäre das Öffentliche Recht als solches historisch bedeutsam, nicht aber rechtsdogmatisch notwendig, ja in dieser letzteren Sicht eher ein Fremdkörper. Sind aber deshalb die Grundlagen dieses Öffentlichen Rechts zu überdenken, muss es sich Gleichheitsvorstellungen einer demokratischen Bürgerschaft öffnen, so liegt dogmatisch ein Weg des Umdenkens am nächsten: eine Annäherung an jenes Zivilrecht, das alte, große Rechtsdenken des Römischen Rechts, das dann wirklich, als eine ratio scripta, als geschriebene Vernunft erscheint, in deren Kategorien allein rechtlich gedacht werden kann. Gewinnt damit nicht jener Primat des Privatrechts, der auch schon bisher, wenn auch stillschweigend, jeder juristischen Ausbildung zugrunde lag, sogar eine historische Begründung, welche zur dogmatischen Grundlegung der Einheit der Rechtsordnung wird – „zurück zum Zivilrecht“? Wird damit nicht die „Flucht der Hoheitsgewalt ins Privatrecht“44 zu einer Rückkehr ad fontes? b) Solche Fragen gewinnen nun gerade aus der Entwicklung des Öffentlichen Rechts der Gegenwart heraus noch besonderes Gewicht. Das Öffentliche Recht ist nicht nur in spezieller Weise dem Verfassungsrecht zugeordnet, seinen Prinzipien unterworfen – diese sind ein Teil von ihm. Dies gilt in erster Linie für eine Volkssouveränität, die sich in Formen des Bürgerwillens rechtlich verwirklichen muss. Volksnähe45 ist es daher, was im Namen der Demokratie zu allererst im Öffentlichen Recht gesucht und in all seinen Formen durchgesetzt werden muss, damit jene öffentliche Gewalt, auf der es beruht, 44 Zu diesem Phänomen vgl. neuerdings Erbguth, W., Allgemeines Verwaltungsrecht, 2005, § 25 Rn. 9; Bull, H. P. / Mehde, V., Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 7. Aufl. 2005, § 6 Rn. 243; Maurer, H., Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 3 Rn. 9. 45 Vgl. dazu aus dem neuesten verwaltungswissenschaftlichen Schrifttum vor allem Schuppert, G. F., Verwaltungswissenschaft, Verwaltungslehre, 2000, S. 200, 920, ff.; ders. in Klein, A. / Schmalz-Bruns, R. (Hg.), Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland, 1997, S. 114 ff.; Bandemer, St.V. / Hilbert, J., in: Blank, B. / Bandemer, St.V. / Nullmeier, F. / Werner, G. (Hg), Handbuch zur Verwaltungsreform, 1998, S. 25 ff.

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

nun wirklich „vom Volk ausgehe“ – denn in dieser Formel, allein in ihr, ist sie heute hinnehmbar.46 Dies aber kann nur zu einer Entwicklung tragen: Immer mehr Gleichordnung im Staat-Bürger-Verhältnis. Organisatorisch kommt dies zum Ausdruck in einem „Staatswillen als Bürgerwillen“ der Mehrheit der Bürger oder gar der Betroffenen; materiell-rechtlich lässt es sich dann aber nur verwirklichen, wenn staatliche Machtäußerungen immer mehr, nach Form wie Inhalt, dem Bürgerverhalten angenähert werden. Dies wiederum bedeutet, dass sie „privatisiert“ werden müssen, handelt doch „der Bürger als solcher“, seinen anderen Rechtsgenossen gegenüber, wesentlich in den Formen des Privatrechts. Warum sollte der Staat ihm gegenüber der „ganz Andere“ sein, etwas wie ein Nachfolger des allmächtigen Schöpfer-Gottes auf Erden? Seine Vertreter, die Inhaber seiner Macht, werden doch jeweils gewählt („einer von uns“), warum sollten sie dann, in Ausübung dieser Gewalt „ganz anders handeln“ dürfen als die sie Wählenden? Ist nicht die volksnahe Demokratie als solche bereits ein Auftrag zur Privatisierung des Öffentlichen Rechts?

II. Von der Privatisierung des Öffentlichen Rechts zum privaten Staatsrecht 1. Ein Problem: Die Gegenrichtung „Publifizierung des Privatrechts“? a) Seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden die Beziehungen zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht vor allem gesehen unter einem Gesichtspunkt, welcher eine Gegenrichtung zu den hier angestellten Betrachtungen nahe legt: Nicht das Öffentliche Recht solle privatisiert werden, vielmehr stehe das private Recht in einer fortlaufenden Entwicklung seiner Publifizierung. Beispiele dafür lassen sich unschwer anführen: Von den behördlichen Bodenverkehrsgeneh46 Dazu neuerdings Leisner, Walter, Das Volk – realer oder fiktiver Souverän? 2005, S. 15 ff., 106 ff.

II. Vom privatisierten Öffentlichen Recht zum privaten Staatsrecht 35

migungen und dem von öffentlichen Entscheidungen und Kontrollen durchzogenen Miet- und Pachtrecht bis hin zu den Überwachungen privaten Wirtschaftens im Kartell- und Umweltrecht. Die schärfste Form solcher Publifizierung ist erreicht, wenn private Vereinbarungen überhaupt nurmehr bei behördlicher Genehmigung wirksam werden; schwächere Formen öffentlich-rechtlicher Ingerenz unterwerfen einen großen Teil privater Wirtschaftstätigkeit staatlichen Kontrollen in einem weiteren Sinn, welche bei Verletzung öffentlichrechtlicher Standards sogleich zu Gesetzwidrigkeit und damit Unwirksamkeit privater Rechtsakte führen können. Wird damit nicht das Privatrecht in fast all seinen wichtigen Bezügen, bis ins Außenwirtschaftsrecht,47 überlagert von so zahlreichen und dichten hoheitsrechtlich gesetzten und durchgesetzten Auflagen, dass Privatautonomie nicht nur immer weiter zurücktritt, sondern das Privatrecht geradezu in Provinzen des Öffentlichen Rechts zerfällt? Zwar wirkt sich dies in der Regel noch nicht dahin aus, dass sich privatrechtliche juristische Untersuchungen überwiegend mit Rechtsfragen des Öffentlichen Rechts zu befassen haben; immer häufiger aber können konkrete Fälle endgültig nurmehr entschieden werden, wenn über die Wirkungen staatlicher Kontrollen und Auflagen entschieden ist – von Instanzen des Öffentlichen Rechts. In der praktischen Gesetzgebungs- und Verwaltungspolitik findet dies seinen Widerhall in den ständigen und zunehmenden Klagen über die „Bürokratisierung“48 der zwischenbürgerlichen Rechtsbeziehungen; sie laufen weithin auf Feststel47 Dieses ist das praktisch bedeutsamste Beispiel für die enge Verbindung, ja bereits Verzahnung des öffentlichen Rechts mit dem wesentlich privaten Recht des Wirtschaftsverkehrs: nach § 7 Abs. 1 AWG i. V. m. § 5 Abs. 1 u. 2 AWV bedarf er bei den in Teil I Abschn. A, B, C der Ausfuhrliste (Anlage AL) genannten Güter der Genehmigung, vgl. dazu im Einzelnen Wahren, J., Erläuterungen zur Ausfuhrliste, Teil I, in: Hohmann, H. / John, K., Ausfuhrrecht, Kommentar 2002, S. 1656 ff. 48 Vgl. Laux, E., Zur Bürokratiekritik ZO 1980, 121 f.; ders. Bürokratiekritik und Verwaltungsvereinfachung, DöV 1988, 657 ff.; Seibel, W., Entbürokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland, Verw. 19 (1986), 137 ff.

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

lungen zu einer „Publifizierung des Privatrechts“ hinaus, ist dieses doch der Rechtsbereich, in dem es die viel kritisierten Formen staatlicher Bürokratie angeblich nicht gibt. Private Bürokratie, oft in durchaus vergleichbarer Weise lastend und hemmend, insbesondere in Großunternehmen, wird jedenfalls in den meisten Fällen nicht als eine vergleichbare Erschwerung autonomen Handelns wahrgenommen, wirkt sie doch immer noch im Rahmen staatsferner Handlungsfreiheit. So scheint, jedenfalls in dem heute fast alles beherrschenden Wirtschaftsrecht, rechtliche Grundsatzproblematik eher eine andere, die umgekehrte zu sein, im Verhältnis zu den hier angestellten Überlegungen: Wie kann der Publifizierung und Bürokratisierung des Privatrechts Einhalt geboten werden? b) Diese unbestreitbare Entwicklung macht die folgenden Betrachtungen nicht unzeitgemäß oder überflüssig; vielmehr rechtfertigt sie dieselben, weil gerade in ihr bereits auch Gegenströmungen sichtbar werden, welche zugleich zu einer Privatisierung des Öffentlichen Rechts drängen. Folgendes vor allem ist dabei zu bedenken: – Die erwähnte Überlagerung des Privaten Rechts durch öffentlichrechtliche Genehmigungen und Kontrollen führt auf geschichtlich kontingente Anlässe zurück, ist heute insgesamt eher rückläufig und begegnet einem verbreiteten Gegenkonsens, über die Notwendigkeit einer Stärkung der Privatautonomie. Das Kriegswirtschaftsrecht,49 während der beiden Weltkonflikte entstanden und in schweren Nachkriegszeiten eher noch verstärkt, war es, auf welches vor allem in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, staatliche Ingerenz in die private Wirtschaft zurückzuführen ist. Eine lange Friedenszeit hat, dies darf 49 Zu diesem und seinen Nachwirkungen im Wirtschaftsverwaltungsrecht der Nachkriegszeit vgl. allg. Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 1953 / 54; Bülck, H., Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht in übernationaler Sicht, 1964; Brohm, W., Organisationsformen und Gestaltungsmöglichkeiten im Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1969.

II. Vom privatisierten Öffentlichen Recht zum privaten Staatsrecht 37

nicht übersehen werden, viele derartige Gestaltungen wieder verschwinden lassen, heute sind sie weithin bereits dem juristischen Bewusstsein nicht mehr gegenwärtig. – „Liberalisierung der Märkte“ lautet das zentrale Programm, in großen Zügen und Anstrengungen wird es über Gemeinschaftsrecht in die internen Ordnungen der Mitgliedstaaten getragen. Dort drängt es nicht nur staatliche Kontrollen zurück, wie im Energiebereich;50 öffentlich-rechtliche Gestaltungen werden großräumig abgebaut und durch privatrechtliche ersetzt, Post- und Telekommunikation nur als allgegenwärtige Beispiele. Damit allein schon sollte die frühere (noch) vom Kriegsrecht beherrschte Debatte über eine Publifizierung privat-rechtlicher Beziehungen als solche beendet sein. – Zu führen ist nun die Diskussion über staatliche Kontrollen. Doch sie muss, und dies sollte ins allgemeine Bewusstsein treten, dogmatisch unter anderen Voraussetzungen, insbesondere zu Fragestellungen stattfinden, welche das Öffentliche Recht insgesamt zurückdrängen, seine Bedeutung verengen: Es geht meist nurmehr um eine Gefahrenabwehr, um eine Risiko-Minimierung51 im weiteren Sinn, wie sie schon dem früheren Polizeirecht durchaus geläufig war, in ihren Grundansätzen. Das Öffentliche Recht überlagert sich also nicht mehr als solches den privaten Rechtsbeziehungen, 50 Zu neueren Tendenzen der Liberalisierung des Energierechts (unter europ. Einfluss) vgl. Bausch, C. / Rufin, J., Ein neues Energierecht – ein weiterer Schritt zur Liberalisierung, ZLR 2005, 471 ff.; Thebald, Chr. / Schiebold, D., Aktuelle Entwicklungen des Energierechts, VerwArch 94 (2003), 157 ff. 51 Zur Debatte um den Risikobegriff seit dem Beginn der 90er Jahre vgl. u. a. Di Fabio, U., Entscheidungsprobleme der Risikoverwaltung, NuR, 1991, 353 ff.; ders. Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 54 ff.; ders. Risikovorsorge – uferlos? ZLR 2003, 163 ff.; Kloepfer, M., Handeln unter Risiko im Umweltstaat, in: Gethmann, C.F. / Kloepfer, M. (Hg.), (gleicher Titel) 1993, S. 55 ff.; Bora, A. (Hg.), Rechtliches Risikomanagement, Berlin 1999, darin Beiträge von Wolf, R., S. 65 ff., Japp, K.P., S. 239 ff.; Scherzberg, A., Risiko als Rechtsproblem, VerwArch, 1993, 484 ff.

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

noch weniger transformiert es diese in ein Ius publicum; es stellt sie nurmehr unter einen, aber immer engeren, Vorbehalt des Öffentlichen Interesses an einer Gefahrenabwehr. Insgesamt ist also doch das Hoheitsrecht des Staates auf dem Rückzug aus privaten Rechtsbeziehungen, aus dem Privatrecht überhaupt. – Staatskontrollen und Staatsgenehmigungen, die noch immer umfangreiche Beschäftigung staatlicher Bürokratien mit privater Wirtschaftstätigkeit der Bürger, all dies wird zwar sicher als solches nicht verschwinden. Es hat dies aber zu einer Verklammerung privat- und öffentlich-rechtlicher Normen geführt, zu einer Nähe der beiden Rechtsbereiche, welche gerade und erst recht die hier angestellten Überlegungen rechtfertigt: ob das Öffentliche Recht sich privatrechtlichem Denken öffnen muss, sich ihm bereits geöffnet hat. Entstanden ist ja, durch die dargestellte Entwicklung, etwas wie ein „Recht der Wirtschaft“,52 in welchem bereits immer mehr privat- und öffentlich-rechtliche Regelungen und juristische Gedankengänge geradezu „im Gemenge“ liegen. Pluridisziplinarität ist ein modernes, ein modisches Wort, welches auch solche Annäherungen, ja Verschlingungen von Rechtsbereichen soll bewältigen helfen. Praktisch erweist sich der Begriff aber als so weit, als derart konturlos, dass er jedenfalls eine tiefere Problematik verdeckt: ob dahinter nicht bereits ein Übergreifen von Kategorien und Denkformen der einen Disziplin in die der anderen steht, mit der Wirkung nicht nur von Annäherung, sondern von geistig-dogmatischer Vereinheitlichung. Konkret gewendet: Wenn schon privates Wirtschaften ständig vom Hoheitsstaat begleitet wird, sollten dann die Regelungsformen des Öffentlichen Rechts sich nicht immer mehr denen des Privaten annähern? Wenn schon private Interessen weithin mit öf52 Gängige Darstellungen zum Wirtschaftsverwaltungsrecht belegen diese Gemengelage öffentlich-rechtlicher u. privatrechtlicher Materien, vgl. etwa Stober, R., Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht 12. Aufl. 2000, S. 19; Jarass, H.D., Wirtschaftsverwaltungsrecht mit Wirtschaftsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1997, § 1 Rn. 25 f.

II. Vom privatisierten Öffentlichen Recht zum privaten Staatsrecht 39

fentlichem Interesse zusammenfallen – was bei der Wirtschaftstätigkeit zur Schaffung von Arbeitsplätzen bereits ein Gemeinplatz ist – soll dann nicht das Privattätigkeit dirigierende Öffentliche Recht sich zu allererst dem öffnen, was es zu orientieren gilt: Formen, Zielsetzungen, wie sie das Privatrecht prägen? Hat eine solche Entwicklung nicht sogar deutlichen Primat gegenüber einer umgekehrten, welche das Privatrecht publifizieren möchte, gehört letzteres Staatsverständnis nicht seit dem Niedergang der marxistisch-kommunistisch geprägten Staatlichkeit der Vergangenheit an, muss es sich nicht jedenfalls auflösen? Oder anders ausgedrückt: Ist der Bedeutung der heute allgemein konsensgetragenen Privatautonomie53 unter dem Effizienz-Primat der Privatwirtschaft nicht dann erst rechtlich entsprochen, wenn das Öffentliche Recht sich nicht nur als Schutz der Privatheit54 versteht, sondern sogar in deren Formen die Rechtsbeziehungen innerhalb der Bürgerschaft regelt? Derartiges ist nicht Aufgabe eines großen Gesetzesschlages oder eines dogmatischen Durchbruchs einer „neuen Lehre“; doch es könnte näheres und jedenfalls ferneres Ziel einer Entwicklung sein, in Konvergenz privat- und öffentlich-rechtlicher Gestaltungen und Lösungen. Dann hätte jedenfalls die Diskussion um eine Publifizierung des Privatrechts ausgedient; und an die Stelle der Betonung künstlicher Unterscheidungen zwischen beiden Bereichen, die oft krampfhafte Züge annimmt, träte ein Denken in Übergängen und Gemeinsamkeiten zwischen Privatem und Öffentlichem Recht, welches vielleicht gar eines Tages zu einer größeren dogmatischen wie praktischen Wiedervereinigung des so lange Getrennten führen könnte. 53 Zur Privatautonomie, insb. zur Vertragsfreiheit, vgl. in diesem Sinn die Aussagen in der std. Rpr. des BVerfG ab E 4, 7 (15 f.); 50, 290 (366); 65, 196 (210 f.); 77, 370 (379); 89, 214 (231) usw. Zur Vertragsfreiheit grdl. Höfling, W., Vertragsfreiheit, eine grundrechtsdogmatische Studie, 1991. 54 Insb. der Privatsphäre, vgl. dazu Gusy, Chr., in: vM / K / St, GG 5. Aufl. 2005, Art. 10, Rn. 14 ff.; Rüpke, G., Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre, 1976, S. 23 ff.

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

2. Verfassungsrecht: Nicht Publifizierung, sondern Brücke zum Privatrecht Die zweite größere Strömung juristischen Denkens im 20. Jahrhundert, welche bedeutsam zur Verstärkung eines Bewusstseins der Publifizierung des Rechts beigetragen hat, ist die Entwicklung eines Verfassungsrechts mit normativen Auswirkungen auf die gesamte Rechtsordnung, wie sie in früheren Jahrhunderten und noch im 19. unbekannt waren. Diese Normen wurden global dem Öffentlichen Recht zugeordnet,55 und da sie, vor allem über die Grundrechte, auch alle privatrechtlichen Beziehungen orientieren sollten, konnte daraus, jedenfalls mit einer gewissen stillschweigenden Selbstverständlichkeit, auf Wirkungen einer überwölbenden Publifizierung geschlossen werden. Immer wieder wendete sich zwar privatrechtliches Denken zum Schutze der Privatautonomie gegen eine volle Durchformung von gleichgeordneten Bürgerbeziehungen durch Verfassungsrecht, welches doch nur StaatBürger-Bezüge regele. Die Zurückhaltung gegenüber einer vollen Drittwirkung der Grundrechte ist dafür das herausragende Beispiel.56 Insgesamt aber scheint doch eine gewisse Überformung sämtlicher privatrechtlicher Normen durch solche des Öffentlichen, des Hoheitsrechts gerade in dieser verfassungsgestützten Volksherrschaft angesagt zu sein. Was sich im eben erwähnten Wirtschaftsrecht horizontal zu vollziehen schien, die Ergänzung des Privaten Rechts durch das Verwal55 Dies entsprach der Tradition, schon seit vorrevolutionären Zeiten (vgl. FN 17), nach welcher das Verfassungsrecht sogar den Kern des öffentlichen Rechts ausmachte, in Deutschland mit diesem weitgehend identifiziert wurde. Im 19. Jh. ergab sich diese publizistische Auffassung schon aus der herrschend gewordenen Lehre von der spezifisch öffentlichrechtlichen „Repräsentativverfassung“, dem damaligen Begriff für Verfassung, vgl. Bluntschli, J. C., in: Bluntschli-Brater, Deutsches Staats-Wörterbuch, 1964, Bd. 8, S. 586 (588 ff.). 56 Dies ist die eigentliche Begründung für die Zurückhaltung des BVerfG hinsichtlich einer Drittwirkung, welche grundsätzlich über die Generalklausel des Zivilrechts geleitet wird, seit dem Lüth-Urteil (E 7, 198 ff.); vgl. dazu Leisner, Walter, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 352 f., 356 ff.

II. Vom privatisierten Öffentlichen Recht zum privaten Staatsrecht 41

tungsrecht, sollte es sich hier nicht gewissermaßen vertikal vollenden, indem das Verfassungsrecht als ein „Höheres Öffentliches Recht“ letztlich die gesamte Rechtsordnung verhoheitsrechtlicht? Gegenüber einer derart grundsätzlichen dogmatischen Konsequenz zeigen nun aber Lehre und Rechtsprechung der Gegenwart doch deutliche Zurückhaltung. Von einer durchgehend öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung ist nirgends die Rede, und vielleicht gerade weil volle Eigenständigkeit des Privatrechts allgemein, wenn auch meist nur stillschweigend, anerkannt wird, meint man dessen Unterschiede zum öffentlichen Hoheitsrecht besonders betonen zu müssen. Dabei gerät man allerdings in ein Dilemma: Wenn das Verfassungsrecht schon die höhere Normenschicht darstellt, wovon die ganz herrschende Lehre ausgeht, es aber zugleich dem Öffentlichen Recht zuzuordnen ist, so müsste eigentlich das Privatrecht, dessen Rechtsbeziehungen ja weithin geradezu normative Grundlagen im Verfassungsrecht finden – das Eherecht57 nur als ein Beispiel – letztlich eben doch Öffentliches Recht sein, nach dessen Kategorien und Kriterien ausgelegt werden. Wenn dies nicht erfolgen kann, ohne dass Privatautonomie, ja Privatheit der Bürger zerstört, ohne dass der Wächterstaat eingerichtet würde, so bleibt doch nur ein Ausweg: Gerade im Verfassungsrecht müssen auch privatrechtliche Elemente entdeckt, entwickelt und gestärkt werden; die Verfassung ist dann nicht als solche einfach nur Hoheitsrecht, sondern eben zugleich, in wichtigen wenn nicht zentralen Beziehungen, zwischenbürgerliches – privates Recht. Es gibt dann etwas wie ein privates Verfassungsrecht, vielleicht in Form einer privatrechtlich verstandenen, angewendeten und weiterentwickelten Verfassung. 57 In Art. 6 Abs. 1 GG setzt das GG materiellrechtlich primär Privatrecht, vom Ehebegriff über die Eheschließungsfreiheit und die innere Ausgestaltung der Ehe bis zum zivilrechtlichen Namensrecht oder zum Familienleistungsausgleich. Dass dies in aller Regel über zivilrechtliches Gesetzesrecht geleitet wird, ändert daran nichts; übrigens ergeben sich ja die Grundsätze jedenfalls unmittelbar aus der Verfassung, vgl. zur Gleichberechtigung BVerfGE 47, 85 (100), s. auch BVerfGE 28, 104 (112); 76, 1 (72).

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A. Entwicklung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht

Privatrecht als Verfassungsrecht: Warum sollte dies auch eine juristische Häresie darstellen, in einer volkssouveränen Ordnung, welche auf dem Willen der gleichgeordneten, der gleichen Bürger beruht? Eines wenigstens sollte dieses einführende Kapitel schon gezeigt haben: Grundsätzlich steht heute weit weniger die Durchformung der gesamten Rechtsordnung in Kategorien des Öffentlichen Rechts auf der Tagesordnung, als vielmehr die andere Seite dieser Medaille der Rechtsordnung: eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts, welche sodann bis hinauf in ein privatrechtliches Denken im Verfassungsrecht führen kann. Dies sind nun Leitlinien des Folgenden. 3. Untersuchungs-Wege zu einem „Privatisierten Öffentlichen Recht“? Zunächst soll eine kurze historische Betrachtung nochmals die bereits angestellte Frage aufnehmen, ob das „besondere Öffentliche Recht“ nicht doch nur eine geschichtliche Parenthese war und ist, die sich bald auch wieder schließen, jedenfalls abschwächen könnte (B. I). Nach geltendem Recht ist sodann eine Bestandsaufnahme von Gestaltungen und Versuchen erforderlich, in denen bereits gegenwärtig Privatisierung im Sinne einer gleichordnenden Betrachtung von Rechtsbeziehungen sich ausprägt (im Folgenden B. II ff.). Hierbei ist, anerkannten dogmatischen Grundlinien folgend, vom Verfassungsrecht und seinen vor allem grundrechtlichen Prinzipien auszugehen. Denn eine solche Annäherung der beiden Rechtsbereiche, wie sie hier zur Erörterung steht, muss ihre Rechtfertigung, vielleicht ihre normative Notwendigkeit in dieser obersten Normschicht finden. An solche wesentlich grundrechtsgeprägten Überlegungen in B. II. sollen sich Gedanken zu einem organisatorischen Staatsrecht, insbesondere in seinen demokratischen Ausprägungen anschließen, welche ebenfalls eine gewisse Annäherung an privatrechtliche Denkformen zeigen (B. III). Von dort

II. Vom privatisierten Öffentlichen Recht zum privaten Staatsrecht 43

öffnet sich dann der Weg zur Betrachtung der modernen Entwicklung des Begriffs der Staatsaufgaben in ihrem Verhältnis zu privatrechtlichen Gestaltungen (B. IV.); und hier steht die Lenkung der Wirtschaft im Vordergrund, welche eben in voller Privatrechtskonformität zu erfolgen hat. In einem weiteren Hauptteil C sind schließlich Wege aufzuzeigen, auf denen sich das Öffentliche Recht als solches, vor allem in einzelnen allgemeineren oder speziell verwaltungsrechtlichen Ausprägungen, bereits deutlich in Richtung auf eine „Privatisierung“ bewegt: Öffentliche Interessen werden zugleich mit privaten und wie solche verfolgt (C I); mit der Abwägung wird eine Methode des Privaten ins Öffentliche Recht übernommen (C II); Austauschbeziehungen StaatBürger verstärken sich privatrechtsähnlich (C III, IV); die öffentliche Subvention wird zum privaten Kredit für Private (C V); und schließlich öffnet sich immer breiter die Straße der Privatisierungen (C VI). Dies alles muss – im letzten Hauptteil D soll es sich zeigen – nicht das Ende herkömmlicher Staatlichkeit bedeuten, wenn auch mit der Wandlung des Öffentlichen Rechts zu privatrechtsnahen Kategorien und Strukturen ein „privater Staat“ sich denken lässt. Gerade im Abschied von der herkömmlichen „Hoheitsgewalt“ kann er zur „privaten Sache der Bürger“ werden.

B. Privatrechtliche Elemente in der Entwicklung und den gegenwärtigen Grundstrukturen des Öffentlichen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts I. Das Öffentliche Recht heutiger Ausprägung: eine (verfassungs)historische Parenthese in der Rechtsentwicklung Hier sind zunächst die geschichtlichen Vorläufer-Situationen des gegenwärtigen Staatsrechts in den Blick zu nehmen, in denen das Verhältnis von Öffentlichem und Privatem Recht sich noch in allgemeineren, wesentlich (auch) von (einfachem) Gesetzesrecht geprägten Formen entwickelt hat. 1. Ältere Rechtsgeschichte: Früheres Öffentliches Recht – nur Organisationsrecht a) Das Verfassungsrecht im herkömmlichen Sinn zeigt eine traditionelle Zweiteilung, welche es in seinen Beziehungen zum Privatrecht in ein nur selten wahrgenommenes Zwielicht stellt: Für die juristische Praxis zählen in erster Linie die Beziehungen des Bürgers zum Staat, im Sinne der verfassungsrechtlichen Freiheitsrechte. Daneben steht aber, in weithin ungeklärten geistigen Bezügen, das „Staatsorganisationsrecht“ der Verfassung, bis in die durch Verwaltungsverordnungen geregelten Einzelheiten der Behördeneinrichtung hinein. Dieser letztere Bereich gerät nur an einzelnen Punkten in Berührung oder gar in eine gewisse Spannung mit dem herkömmlichen Privatrecht: dort nämlich, wo ein Recht des Bürgers auf eine bestimmte staatliche Organisationsform angenommen wird, etwa ein Recht auf gewisse Zuständigkeitsverteilungen, von

I. Das Öffentliche Recht – eine historische Parenthese

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denen dann sein freiheitsrechtlicher Bereich abhängig werden kann. Dies Letztere aber sind erst neuere Entwicklungen, in Perfektionierungsversuchen der Rechtsstaatlichkeit,58 welche auf die Bedeutung der Kompetenzen für die aus ihnen heraus zu findenden Lösungen aufmerksam machen. In langen früheren Zeiten jedoch war dieses Staatsorganisationsrecht das Zentrum des Öffentlichen Rechts schlechthin, und es berührte die Rechtsstellung der Rechtsgenossen als solcher nur allenfalls insoweit, als es ihnen den Richter vorgab, der ihre privaten Streitigkeiten zu entscheiden hatte. Doch gerade darauf hatten sie in aller Regel kaum Einfluss. Das Öffentliche Recht der Staatsorganisation war also im Wesentlichen Organisationsrecht der Macht in sich, es berechtigte und verpflichtete faktische Machtträger, wenn sie zu Organen der Staatsgewalt wurden. Was heute an Öffentlichem Recht in der täglichen Praxis am Rande steht, allenfalls „die Politik“ betrifft und ihre Darstellung in rechtlichen Formen, das war eben früher und in einer langen Entwicklung das eigentliche Öffentliche Recht, während dessen Normen zum Schutz des Bürgers, welche heute im Vordergrund stehen, damals nur selten rechtlich ausgeformte Bedeutung erlangten. b) Ein Blick auf die Römische und Deutsche Rechtsgeschichte bestätigt dies. Das Römische Staatsrecht war als Organisationsrecht hoch entwickelt; doch für die Beziehungen zwischen den Rechtsgenossen war es nur von marginaler Bedeutung. Auf sie hat das Römische Recht entscheidend gewirkt in seinem Privatrecht, und dies bis in die Gegenwart. Römische Staatlichkeit hat zwar noch bis ins 19. Jahrhundert die staatsrechtliche Entwicklung vor allem im Alten Deutschen Reich beeinflusst. Im Mittelpunkt standen dabei aber Kompetenzen, Vorrechte des 58 Die Rechtsstaatlichkeit verlangt eben die Legitimation der Verfassung für ein Handeln der Verwaltung (BVerfGE 49, 89 [126]), auch in dem formellen Sinn, dass die Kompetenzen sachgerecht geordnet und dies streng beachtet wird. Andernfalls würde auch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG leer laufen.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

römischen Kaisers im Verhältnis zu den Rechten des Papstes und der Kirche zuerst, sodann zu den Territorialfürsten. Dies alles mochte Hoheitsrecht sein im heutigen Sinne, soweit etwa der Kaiser das Recht der Zwangsgewalt für sich in Anspruch nahm. Aus heutiger Sicht handelte es sich dabei jedoch nahezu ausschließlich um intra-staatliches Organisationsrecht, um Zuständigkeitsverteilungen der Ausübung der Hoheitsgewalt, die als solche keinen öffentlich-rechtlichen Schutz des Bürgers im Sinne der Gegenwart auslösten. Deshalb hat sich auch, in voller Konsequenz, die Lehre des Römischen Rechts im 19. Jahrhundert entwickelt in der Zweiteilung zwischen Römischer Rechtsgeschichte und jenen Institutionen des Römischen Rechts – eben nur denen eines „Römischen Privatrechts“ – welche die privaten Beziehungen zwischen den Bürgern ordneten.59 Das Öffentliche Machtrecht der Staatsorgane Roms konnte diese Normen brechen, es gestaltete sie jedoch nur marginal, und es gab gegen dasselbe keinen wirksamen Schutz. Das Römische Staatsrecht war also weder zentraler Ausgangspunkt des heutigen Öffentlichen Rechts, noch ist es mit dessen primär bürgerbezogenen und freiheitsschützenden Grundstrukturen vergleichbar – ein ganz anderes Verhältnis also als das des Römischen Privatrechts zum modernen Zivilrecht. c) Die Deutsche Rechtsgeschichte zeigt ein ähnliches Bild. Öffentliches Recht wurde auch hier im Wesentlichen geboten als Organisationsrecht von Kaiser und Reich, Fürsten und Ständen, also von Hoheitsträgern, in Zuständigkeitsverteilung und Formen der Organbestellung; und all dies wurde dann rechtlich abgegrenzt gegenüber Rechten und Privilegien der Kirche. Ansätze zu einem Rechtsschutz des Individuums, wie sie sich in der Magna Charta im Hochmittelalter finden, sind 59 Diese Teilung zwischen Römischer Rechtsgeschichte und Römischem Privatrecht wird seither in der Lehre der Romanistik in der Form spezieller Vorlesungen weithin durchgehalten. Literatische Grundlagen fand sie in der Pandektistik und der sie fortsetzenden rechtswissenschaftlichen Romanistik (vgl. etwa „klassisch“ Sohm, R., Institutionen des Römischen Rechts, 1. Aufl. 1884, (17. Aufl. 1928 / 1933) S. 5 f., 19 ff., gegenüber S. 71 ff.).

I. Das Öffentliche Recht – eine historische Parenthese

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nach heutiger Dogmatik eher zu verstehen als staatsrechtliche Organprivilegien, damit wiederum als Organisationsrecht, denn als „Freiheitsrechte für den Bürger“, mochten sie diesen auch später, gegen Ende des Absolutismus im Habeas Corpus, den Weg bereitet haben. Die herkömmliche Deutsche Rechtsgeschichte wurde zwar, wie auch die Römische – meist nur in Nachahmung von deren Ausgestaltungen – gelehrt in der doppelten Form der Geschichte des Öffentlichen Rechts und des Deutschen Privatrechts.60 Erstere ist aber im Wesentlichen nur eine Historie des Staatsorganisationsrechts des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. Letztere dagegen ist entstanden als eben das, was ihr Titel zeigt: Geschichte des Deutschen Privatrechts; dies Letztere allein hat aber das gegenwärtige Deutsche Recht geprägt, in diesem deutschen Privatrecht, weit mehr als im Öffentlichen, ist auch heute noch Historia Magistra lebendig. Öffentliches Recht im heutigen Sinn, im Sinne von Bestimmungen, auf die sich weithin alle Rechtsträger berufen dürfen, war für Altertum und Mittelalter nahezu bedeutungslos, weil eben damals Öffentliches Recht reines Macht-Organisationsrecht war – alles Übrige war Privatrecht. In den angelsächsischen Rechten hat sich dies erhalten. 2. Kodifikationen und Fiskustheorie: Öffentliches Recht als Privatrecht a) Erst ab dem 17. Jahrhundert begann sich die Staatsgewalt intensiv-flächendeckend um die Rechtsverhältnisse der Bürger untereinander zu kümmern und damit zugleich auch eigene Rechtsbeziehungen zu diesen aufzubauen. Das Öffentliche Recht blieb zwar im Wesentlichen Machtrecht, verhaftet in Normativierungsversuchen der territorialen Staatsorganisation. Im 18. Jahrhundert intensivierte sich jedoch jene Ent60 Wiederum, in Nachfolge der Romanistik, in Vorlesungen wie in Lehrbüchern, vgl. etwa Mitteis, Heinrich, Deutsche Rechtsgeschichte, 1950; ders. Deutsches Privatrecht, 1950.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

wicklung im Namen einer Wohlfahrtsstaatlichkeit,61 über die erstmals die Staatsgewalt sich in großem Stil mit Bürgerbeziehungen zu befassen begann, mit dem Ziel du plus grand bien du plus grand nombre. Ihre Anstrengungen galten aber, wie zur spät-römischen Zeit des Justinian, in erster Linie großen Zusammenfassungen des Privatrechts, welches damit geradezu als Ausdruck eines neuen Staatsrechts erschien. In diese Kodifikationen waren, ganz im Sinne des Wohlfahrtsstaats, zahlreiche Regelungen eingelagert, welche staatliche Fürsorge für Private betrafen, und nach heutigen Vorstellungen dem Öffentlichen Recht zuzuordnen wären. Damit aber wurde nicht das Privatrecht zum Öffentlichen Recht, sondern umgekehrt erschienen eher die als öffentlich-rechtlich bezeichneten Normen als Teile einer größeren, auf den Staat erweiterten Privatrechtsordnung, voll eingebaut in deren Strukturen, judiziert von den herkömmlichen Gerichtsinstanzen des Privatrechts. Die Kodifikationen bringen also nicht Öffentliches Recht als eigenständige Rechtsmaterie, sondern Öffentliches Recht als Privatrecht. b) Dogmatisch folgerichtig entfaltete sich in dieser Entwicklung die Fiskustheorie:62 Zentrale, in jener Zeit allein praktisch bedeutsame Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, welche nach heutigem Verständnis Hoheitsgewalt zum Einsatz bringen, wurden in Formen des Privatrechts ausgestaltet und der Entscheidungszuständigkeit der allgemeinen Gerichtsbarkeit der Zivilgerichte zugeordnet. Es waren dies die Materien jener Trias,63 welche bis ins 20. Jahrhundert, teil61 Zur Wohlfahrtsstaatlichkeit und ihren Wirkungen in den StaatsBürger-Beziehungen vgl. Rassem, M., in: Hist. Lexikon zur polit.-soz. Sprache in Deutschland (Brunner, O., u. a., Hg.) Bd. 7, S. 595 (614 ff.); Habermann, G., Der Wohlfahrtsstaat, Geschichte, insbes. S. 15 ff.; vgl. auch PrALR § 10 II 17,19. 62 Zur Fiskustheorie vgl. insbes. Mayer, Otto, Dt. Verwaltungsrecht Bd. I, 3. Aufl. 1924, S. 48 ff.; Malmender, B., Vom wohlerworbenen Recht zur verrechtlichten Freiheit, 2003, S. 86 ff. 63 Neben der im GG aufrechterhaltenen zivilrechtlichen Zuständigkeit für die (Höhe der) Enteignungsentschädigung (Art. 14 Abs. 3 GG) und die Amtshaftung (Art. 34 GG) gehörte dazu auch die Kompetenz für die

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weise und auf Grund der Verfassungen bis in die Gegenwart, noch immer privat-rechtlich judiziert werden: Staatshaftung, Enteignungsentschädigung, vor Jahrzehnten noch vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten. Dahinter stand letztlich die Vorstellung, dass das Staatshandeln gegenüber Bürgern genau so im Gleichordnungsverhältnis ablaufe und daher dem Zivilrecht zuzuordnen sei, wie Aktivitäten eines Gewaltunterworfenen gegenüber einem anderen: Der Staat als deliktischer Verletzer, als Partner eines „Zwangskaufs“ in der Enteignung und als Arbeitgeber seiner Staatsdiener, erschien als Gleichgestellter mit dem Bürger, dort, wo er als „Fiskus“ zu leisten hatte; damit wurde übrigens gerade das Wort, welches heute die wesentliche Hoheitsgewalt bezeichnet, die „Zwangsgewalt“ des Steuerstaates, im Sinne einer privatrechtlichen Gleichordnung verstanden. Dies war keineswegs, wie es später oft erschien, eine dogmatische Fehlentwicklung und auch nicht allein mit der besonderen Qualifizierung der Zivilrichter in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu erklären. Es lag darin vielmehr die folgerichtige Fortsetzung der Grundvorstellung, dass alle Rechtsbeziehungen zwischen Rechtsgenossen, deren Rechtsfähigkeit herkömmlich im Privatrecht geregelt war, auch dieser Rechtsordnung und nur ihr unterfallen sollten. Nicht umsonst war es ja traditionell das Privatrecht, welches ihre Rechts- und Prozessfähigkeit bestimmte. Diese Fiskustheorie, mit Auswirkungen bis in die Gegenwart, hat die Rechtsentwicklung bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entscheidend geprägt, das Öffentliche Recht bis dahin weitgehend auf die ihm traditionell wesentlichen organisationsrechtliche Beziehungen beschränkt. Darin zeigt sich, dass es eine lange Geschichte des Öffentlichen Rechts im Sinne von „Rechtsbeziehungen Gewaltunterworfener zur Hoheitsgewalt als solcher“ nicht gibt, dass sie jedenfalls bis vor Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten (Art. 129 WRV), vgl. dazu Anschütz, G., Kommentar zur Reichsverfassung, 14. A. 1933, Art. 129 RV.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

wenig mehr als einem Jahrhundert auf enge, wenig bedeutsame Bereiche beschränkt blieb. Was die Rechtsgenossen betraf, auch in ihrem Verhältnis zum „Staat“, war wesentlich Privatrecht. 3. Pandektistik – Genossenschaftsrecht als Staatsrecht a) Bedeutsam in dieser Entwicklung, welche das Öffentliche Recht heutiger Prägung als späte Epoche, wenn nicht Episode zeigt, ist die Entfaltung der Pandektistik im 19. Jahrhundert.64 Hinter ihr stand ja letztlich die Leugnung des „Berufs unserer Zeit für Gesetzgebung“, welche sich vielmehr, wie im Römischen Recht, aus Fällen, aus konkreten Bürgerbeziehungen, damit aus dem Privatrecht heraus entwickeln sollte. Diese Zeit war durch die rechtliche Grundüberzeugung geprägt, dass „alles Recht wesentlich Privatrecht“ sei. Dem neuen sich entwickelnden Hoheitsrecht der parlamentarisch-demokratischen Gesetzgebung stand sie misstrauisch, jedenfalls zurückhaltend gegenüber. Denn letztlich leugnete sie ja geradezu die Notwendigkeit einer Gestaltung rechtlicher Beziehungen durch eine Gesetzgebung, welche die wichtigste Ausprägung des modernen Öffentlichen Rechts darstellt. Für die Rechtswissenschaft insbesondere war lange Zeit „das Recht eben Privatrecht“ – und dies aus einer an Ideologie grenzenden historistischen Grundüberzeugung heraus. b) Was sich demgegenüber in jener Zeit im Bereich der Staatsorganisation weiterentwickelte, ja bald ein Zentrum derselben darstellte, das Recht der fürstlichen Häuser,65 wurde ebenfalls, nach wie vor, nicht als ein Hoheitsrecht verstanden, 64 Zur Pandektistik siehe Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 430 ff.; Erler, A. / Kaufmann, E. / Stammler, W. F., Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3 1984, Sp. 1422; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. Aufl. 2004, Rn. 529; Wagner, Heinz, Die politische Pandektistik, 1985, S. 115 ff. 65 Zum Recht der fürstlichen Häuser – aus der Sicht moderner Staatlichkeit – vgl. Leisner, Walter, Monarchisches Hausrecht in demokratischer Gleichheitsordnung, 1968.

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sondern als eine privilegierte Form des Privatrechts. Fideikommisse66 erschienen damit eben doch nur als besondere Ausprägungen eines Erbrechts der Regierenden; ihr Eigentumsrecht wurde von dem der staatlichen Haushalte getrennt. Darüber hinaus wurden „Zivillisten“ vorgesehen, welche bereits in dieser Begrifflichkeit die Vermögensrechte der Herrschenden als Verbindung von Öffentlichem und Privatrecht andeuteten.67 So wie die Bürgerkönige begannen, bürgerliche Kleidung zu tragen, die martialischen Uniformen immer mehr auf Paraden beschränkt wurden, so „verbürgerlichte“ der ganze Staat, die Herrschaft als solche, in Grundüberzeugungen einer Privatheit, der nicht Formen eines Herrschaftsrechts entsprechen konnten, sondern nur Rechtsüberzeugungen des Privatrechts. c) Eine geistige Rechtsentwicklung am Ende des 19. Jahrhunderts, welche ins 20. hinüber wirken sollte, muss hier schließlich erwähnt werden: Die Entfaltung eines Genossenschaftsrechts,68 mit geradezu staatsrechtlichem Anspruch. Otto von Gierke stellt seine große Entwicklungsgeschichte des Deutschen Rechts69 in die Spannung zwischen genossenschaftlichen und „herrschaftlichen“ Bezügen, in Phasen, die ständig alternieren, in Gestaltungen, welche sich schließlich auch verbinden können. Alles, was er hier historisch be66 Dazu Wolff, Martin, Fideikommisse in: v. Stengel, K. / Fleischmann, M., Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Bd. 1, S. 780 ff. 67 Zu den „Civillisten“ s. Schwarz, O., a. a. O. S. 537 ff. 68 Das Genossenschaftsrecht hat sich in Deutschland im 19. Jahrh. sowohl in Form der Korporation (mit Rechtspersönlichkeit) als auch der Sozietät (Vertragsbindung) entwickelt (s. Faust, H., Geschichte der Genossenschaftsbewegung, 2. Aufl. 1965). In Österreich kam es zur Entfaltung von „gewerblichen Genossenschaften“, dazu Waentig, Gewerbliche Mittelstandspolitik, 1898. 69 Das Deutsche Genossenschaftsrecht Otto von Gierkes, 4 Bde., 1. Aufl. 1868, 1873, 1881, 1913 (Nachdruck 1954), ist eine große Geschichte des „Staatsrechts als Privatrecht“, in welcher genossenschaftliche Einigung einen „Prototyp dieses Rechts aus Vereinbarung“ darstellt.

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schreibt und in die Rechtsordnung der Gegenwart will einfließen lassen, ist aber letztlich wesentlich privatrechtlich gedacht und gedeutet, geht auf zivilrechtliche Ausprägungen zurück, nach heutigem Verständnis. Was daran nicht voll erkannt, ja weithin verschüttet worden ist, gerade in der Dogmatik des Öffentlichen Rechts, ist die grundlegende Erkenntnis von der Bedeutung des Privatrechts für das Staatsrecht als solches, mehr noch: dass das Staatsrecht sich aus zivilrechtlichen Gestaltungen und Rechtsüberzeugungen heraus speist und maßgeblich ständig weiter entwickelt. Und es war nur eine, wenn auch politisch ganz anders gewichtete und gewendete Übernahme eines solchen Denkens, wie es eben das 19. Jahrhundert beherrschte, wenn aus solchen Vorstellungen heraus der Sozialismus die Regelung privater Beschäftigungsverhältnisse als eine primäre Aufgabe der politischen Gemeinschaft erkannte. Das sozialistisch-kommunistische Staatsrecht konnte zwar, bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, kaum anders gedacht werden, denn als eine gigantische Verwandlung von Privatrecht in Öffentliches Recht – und doch war dies im Grund nur Fortsetzung des Zivilrechts, des Arbeitsrechts vor allem, in staatsgeordneter Regelung von Rechtsbeziehungen zwischen radikal egalisierten Bürgern. All diese mächtigen geistigen Strömungen bis zum Ende des 19., ja bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, welche alles Recht letztlich in Formen des Privatrechts dachten, begegneten erst seit etwa zwei Jahrhunderten einer eigenständig öffentlichrechtlichen Entwicklung, deren Bedeutung für eine Grundlegung oder gar Legitimation eines modernen Ius publicum nun aber nicht überschätzt werden darf. 4. Das französisch geprägte Verwaltungsrecht als historische Parenthese Geistig durchgesetzt hat sich das „Öffentliche Recht“ als Hoheitsrecht letztlich allein in der Übernahme materiellrechtlicher französischer Vorstellungen, welche die Entwicklung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland

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anstieß und begleitete. In diesem Sinn ist das „Verwaltungsrecht“ Otto Mayers70 nun wirklich und in vollem Sinne die Grundlage der Dogmatik des Öffentlichen Rechts im 20. Jahrhundert geworden. Der Verwaltungsakt, als acte d’autorité ein Prototyp, war der einzig fassbare rechtliche Begriff, in dem jene obrigkeitliche, später hoheitliche Gewalt in Erscheinung trat, auf welcher ein großer Teil der Rechtsordnung beruhen sollte. Von vorneherein erscheint es also als problematisch, eine derartige Fundamentalunterscheidung der gegenwärtigen Rechtsordnung letztlich allein auf eine Theorie zu stützen, die vor weniger als einem Jahrhundert entwickelt und von Anfang an nie unangefochten geblieben ist.71 Noch bedeutsamer ist aber, für eine kritische Betrachtung dieser angeblich überzeugenden Grundlegung des Öffentlichen Rechts, die Entwicklung eben jenes Rechts, aus welchem sie gewonnen wurde: das Französische Verwaltungsrecht. Diese Ordnung hat eine ganz andere und viel tiefere Tradition als das Deutsche Öffentliche Recht, in einem Land, das seit Ludwig XIV. stets Verwaltungsstaat gewesen ist, in einer Ordnung, welche sich auf eine Verwaltungsorganisation stützte, wie sie in Deutschland unbekannt war.72 Nur natürlich war es für die französische Entwicklung, dass sich dieses mächtige Öffentliche Recht in und nach der Französischen Revolution auf den Gesamtbereich der Staats-Bürgerbeziehungen ausbreitete und damit das Recht einer modernen Verwaltung und der ihr Unterworfenen hervorbrachte. Doch in jenen zwei Jahrhunderten, in welchen dies kontinuierlich ausgebaut und verfeinert worden ist, zeigen sich eben auch schon von Anfang an 70 Theorie des französischen Verwaltungsrechts, 1886, Nachdr. 1998, auf der sein „Deutsches Verwaltungsrecht“ mit zahlreichen Auflagen aufbaute. 71 Kormann, K., System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte. Verwaltungs- und prozessrechtliche Untersuchungen zum allg. Teil des öffentl. Rechts, 1910 (Nachdruck 1962). 72 Dies zeigt sich etwa deutlich im damals so wichtigen Jagdrecht, vgl. Code des Chasses, Saugrain, Claude (Hg.), 1713, oder im Polizeirecht, vgl. Code de la Police (D., Hg.), 4. Aufl. 1767.

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Entwicklungen, welche bleibende Nähe zum Zivilrecht belegen, ja in gewissem Sinne eine Wiederannäherung des Verwaltungsrechts an dieses erkennen lassen. Bald nach der Entfaltung des Rechtsbegriffs des Verwaltungsakts folgte dort die Entdeckung des service public,73 einer Daseinsvorsorge im (späteren) deutschen Sinn. Nicht lange konnte es dann dauern, bis sich bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Begrifflichkeit des service public industriel et commercial ergab.74 In ihm konnte jedoch die Verwaltung in privatrechtsnahen Formen handeln, ja es stand ihr ein weitreichendes Wahlrecht der organisatorischen Gestaltung zu. Auch das materielle Verwaltungsrecht wurde damit auf seine Ursprünge zurückgeführt, gewissermaßen in einer Verlängerung des staatlichen Organisationsrechts in die nach wie vor wesentlich privatrechtlich verfasste Wirtschaft hinein. Eben diese Entwicklung wurde alsbald auch in Deutschland übernommen, in Forsthoffs Lehre von einer Daseinsvorsorge,75 welche weithin ein Wahlrecht der Administration zwischen öffentlich- und privatrechtlicher Gestaltung der Rechtsbeziehungen anerkannte. Damit hat sich, in Deutschland wie in Frankreich, und wiederum in Übernahme aus diesem Letzteren, eine entscheidende Relativierung der angeblichen Eigenständigkeit des Öffentlichen Rechts ergeben; praktisch entwickelt sich das viel gepriesene französische Verwaltungsrecht immer mehr zurück in Formen privatrechtsnaher Gestaltungen. Eine der wichtigsten, ebenfalls bereits seit Generationen ablaufende Entwicklung ist die des contrat administratif.76 In 73 Zum Service public vgl. Debbasch, Chr. / Collin, F., Droit administratif, 7. A. 2004, S. 356 ff.; Chapus, R., Droit administratif général Bd. 1, 15. A. 2001 S. 765 ff.; Gaudemet, Y., Droit administratif 18. A. 2005 S. 25 ff. 74 Zum Service public industriel et commercial vgl. Debbasch / Colin a. a. O. S. 363 ff.; Chapus, a. a. O., S. 1053 ff.; Gaudemet, S. 26 f.; Auby, J.-F. / Raymundie, O., Service public, 2003. 75 Forsthoff, F., Der Staat als Leistungsträger, 1938. 76 Zum Contrat administratif im französischen Verwaltungsrecht vgl. Lüthje, U., Die Theorie des contrat administratif im französischen Ver-

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ihm hatte das französische Verwaltungsrecht von Anfang an die Verbindung zu seinem Mutterrecht, dem Zivilrecht, aufrechterhalten. Eine Besonderheit des Öffentlichen Rechts bestand hier nurmehr in den Auflagen, welche der Staat, abweichend von privatrechtlichen Beziehungen, dem Bürger in solchen Rechtsverhältnissen machen durfte – eine dünne und bald brüchige Trennwand, sind doch auch private Vertragspartner untereinander in ihren wechselseitigen Belastungen gestaltungsmäßig keineswegs frei. Eine Fundamentalunterscheidung der gesamten Rechtsordnung auf solchen Fundamenten errichten zu wollen, ist mehr als fragwürdig. Mit gebührender zeitlicher Verzögerung hat das Deutsche Recht auch diese Entwicklung nachvollzogen. Insgesamt zeigen also all diese Entwicklungen, Übernahmen, Gestaltungen, dass rechtshistorisch bis in die neueste Zeit von einer geistig fundamentalen und auch praktisch bedeutsamen Grundunterscheidung der Rechtsordnung in Privates und Öffentliches Recht nicht die Rede sein kann. Auch im großen Fluss des Privatrechts ist es immer wieder, und im Rahmen dieser Teil-Rechtsordnung, zu Sonderentwicklungen hin zu stärkerem staatlichem Einfluss gekommen, man denke nur an das Vormundschafts- und Kindschaftsrecht,77 ohne dass daraus Rechtsgebiete sui generis entwickelt worden wären. So zeigt denn gerade die Geschichte der Staat-Bürger-Beziehungen auf der Grundlage der so genanten hoheitlichen Gewalt: Dies ist allenfalls eine historische Parenthese, und, waltungsrecht, 1964; Ferid, M. / Sonnenberger, H. J., Das französische Zivilrecht, 2. Aufl. 1994, S. 14 f., 20; Hübner, U. / Constantinesco, V., Einführung in das französische Recht, 4. Aufl. 2001, S. 96 ff. 77 Zur allgem. Entwicklung des Kindschaftsrechts vgl.: Peschel-Gutzeit, L. M., in: Staudinger Komm. zum BGB, 13. Aufl. 2002, Vor §§ 1626 ff.; Huber, Peter, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 8, 4. Aufl. 2002, Vor § 1626 Rn. 3 ff.; Strätz, H. W., in: Sörgel, BGB Bd. 8, 12. Aufl. 1987, Vor § 1626 Rn. 1 ff. Zur allgem. Entwicklung des Vormundschaftsrechts s. Wagenik, Th., in: Münchener Komm. zum BGB, Bd. 8, 4. Aufl. 2002, Vor § 1773 Rn. 7 ff.; Baer, I., in: Oberloskamp, H. (Hg.), Pflegschaft- u. Beistandschaft für Minderjährige, 2. Aufl. 1998, Rn. 1 ff.

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wie sich nun erweisen wird, sie schwächt sich gerade in der Gegenwart als eine solche wieder ab. Was bleibt, ist dann vielleicht wirklich nurmehr der große Fluss des einen Rechts, welches fundamental Privatrecht ist und bleibt.

II. Die Grundrechte: Grundsätzliche Gleichordnung von Bürger und Staat 1. Gleichheit als Wesenselement des Privatrechts a) Gleichheit ist eine der zentralen Grundlagen des modernen Verfassungsstaates. Die Akten über die säkulare Diskussion ihres Verhältnisses zur Freiheit, über den Primat von Libertät oder Egalität werden zwar wohl nie geschlossen werden. Unbestritten ist und bleibt jedoch die Gleichheit als Fundament der demokratischen Verfassung,78 ihre besonders streng zu beachtende Geltung gerade im Öffentlichen Recht. Gleichheit aber bedeutet Gleichstellung, Gleichordnung. Längst sind frühere Vorstellungen überwunden von einer nur formalen Gleichheit, welche dieses Grundrecht auf die gleichmäßige Anwendung von Normen auf alle Rechtsträger beschränken wollte, die im Übrigen aber zwischen ihnen Ungleichheit beliebig schaffen und aufrechterhalten durften.79 Der Gesetzgeber ist, dies ist seit dem Ende der Weimarer Zeit herrschende Auffassung in Deutschland, an den Gleichheitssatz auch materiellrechtlich gebunden; er muss einen Bürger genau so behandeln wie den anderen, es sei denn, „natürliche“ außerrechtliche Unterschiede legitimierten eine Diskriminierung, deren Formen aber immer weiter zurückgedrängt werden. 78 Grdl. Leibholz, G., Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl. 1959; Leisner, Walter, Der Gleichheitsstaat, Macht durch Nivellierung (2. Aufl.: Demokratie, 1998, S. 227 ff.); Link, Chr., (Hg.), Die Gleichheit im modernen Verfassungsstaat, 1982. 79 Zu den „Gleichheitsstufen“ vgl. Leisner (FN 78), S. 298 ff., zur Rechtsanwendungsgleichheit S. 301.

II. Die Grundrechte: Gleichordnung von Bürger und Staat

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Wenn nun der Staat selbst in Rechtsbeziehungen zu anderen Rechtsträgern eintritt, und sei es auch unter Einsatz seiner Hoheitsgewalt, so kann es dann nicht genügen, wenn auf ihn geltendes Recht gleichermaßen angewendet wird; auch das Verwaltungsrecht, das Hoheitsrecht par excellence, muss inhaltlich dafür sorgen, dass materielle Gleichheit gewagt wird zwischen dem Hoheitsstaat und seinem Bürger. Dies müsste eigentlich von vorneherein zu einer Gleichordnung der beiden Rechtsträger führen, in welcher sich dann die Rechtfertigung für ein spezielles Öffentliches Recht völlig verlöre; denn die dieses Letztere charakterisierende Über / Unterordnung ist ja letztlich nichts anderes als eine große, globale Ungleichheit. Hier nun greift jedoch etwas ein, was geradezu als ein dogmatischer Kunstgriff erscheint: Eine solche Gleichheit wie zwischen Rechtsgenossen soll es im Verhältnis zwischen Bürger und Staat und auch zwischen Hoheitsträgern gerade nicht geben,80 denn damit würde ja die Eigenständigkeit des Öffentlichen Rechts schlechthin geleugnet. Wie aber, so muss doch gefragt werden, erklärt es sich dann, dass andererseits öffentliche und private Belange ständig und durchgehend „gegeneinander abgewogen“ werden müssen, dass es gerade die Spezialgerichte des Öffentlichen Rechts, die Verwaltungsgerichte sind, denen diese Aufgabe obliegt? Dies kann kaum anders gedeutet werden denn als eine Operation grundsätzlicher materiell-rechtlicher Gleichstellung von privaten und öffentlichen Belangen – und damit doch auch als eine Gleichordnung der privaten und öffentlichen Rechtsträger, welchen diese Interessen jeweils zugeordnet werden. Hier lässt überdies die herrschende Dogmatik den Interpreten weithin im Stich: Sie stellt keine überzeugenden, durch80 Weshalb denn auch die Gleichheit zwischen den Ländern und den Gemeinden im föderalen System nicht gilt – weder ihre Gesetzgebung noch ihre Verwaltungstätigkeit muss „gleich“ sein i. S. von Art. 3 Abs. 1 GG, vgl. m. Nachw. Starck, Chr., in: v.M / K / St. GG, 5. Aufl. 2005, Art. 3, Rn. 242 m. Nachw.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

gehend anwendbaren Kriterien für eine solche Abwägung auf, und dies konnte denn auch bereits vertiefend kritisiert werden.81 Abwägung ist nichts als ein Wort, mit welchem sich die Hoheitsgewalt selbst bestätigt, dass sie ihre eigenen Belange sorgfältig geprüft und nicht übersteigert habe.82 Dabei ist es an sich ja durchaus vorstellbar, dass private und öffentliche Belange in einem Verhältnis der grundsätzlichen Gleichgewichtigkeit abgewogen werden. Und so geschieht es denn auch in der Praxis laufend: Die Verwaltungsgerichte haben den Hoheitsstaat aus dem Empyreum seiner Obrigkeitlichkeit auf die Erde seiner Bürger geholt; er ist einer von ihnen geworden, muss sich rechtfertigen wie sie, und nur zu oft überzeugen hier den Richter gerade Argumente, wie sie auch jeder Bürger vorbringen könnte: „Unzumutbarkeit allzu hoher Kosten“. Dies ist denn auch eine der großen Entwicklungen des seit Generationen laufenden Kampfes gegen die übersteigerte, unbegründete, grundsätzlich übergeordnete Hoheitsgewalt: er setzt sich ständig weiter fort und drängt im Ergebnis den Hoheitsstaat des Verwaltungsrechts immer mehr in die Gleichordnung seiner Bürger. Dies ist nicht nur eine populäre politische Forderung, es ist die grundsätzliche, immer deutlicher erkannte Folgerung aus einer Gleichheit, welche materiell-rechtlich vor einem Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Staat nicht Halt machen kann. Diese Egalität mag zwischen den Hoheitsträgern nicht gelten, entsprechend der alten Selbständigkeit des Öffentlichen Rechts im Organisationsbereich; doch dies braucht den Gewaltunterworfenen nicht zu kümmern, solange er stets, wenn ihm ein solcher Hoheitsträger gegenübertritt, davon ausgehen darf, dass seine Interessen nicht grundsätzlich hinter die eines anderen – eben übergeordneten – zurückzutreten haben. Eine solche Rechtshierarchie kann es eben nicht mehr geben. Dann aber stellt sich mit Notwendigkeit die Frage, ob denn nicht die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, bereits im Namen der Gleichheit, 81 Leisner, Walter, Der Abwägungsstaat, Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit, 1997. 82 Leisner (FN 81) S. 125 ff.

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eben auch – in Formen des Privatrechts gedanklich erfasst und rechtlich geregelt werden können, müssen. b) Dieses Privatrecht ist doch, nach seiner Tradition, und gerade nach der Dogmatik seiner angeblichen Fundamentalunterscheidung zum Öffentlichen Recht, ein Recht der Gleichordnung. Jeder Rechtsgenosse tritt dem anderen auf dieser Ebene der Egalität und allein auf ihr gegenüber. Nicht nur wird auf alle Privatrechtssubjekte das normative Zivilrecht gleich angewendet, es geht auch in all seinen Gestaltungen davon aus, dass jene Rechtsträger grundsätzlich gleichwertige, ihrem Wesen nach gleichgewichtige Ansprüche geltend machen (können); im Prozess geht es nur darum, wer von ihnen mehr von diesen „Gleichgewichten“ in die eigene Waagschale werfen, damit den anderen überwiegen kann. Auch hier gibt es zwar qualitative Unterschiede, etwa zwischen monetärmessbaren und höchst persönlichen Interessen, welche dann erst, in den meisten Fällen, in monetäre Einheiten umgerechnet werden müssen. Derartiges leistet aber laufend der Zivilrichter. Warum sollte es dann nicht möglich sein, dass selbst ein öffentliches Interesse von eindeutig qualitativ besonderem Gewicht, in Abwägung zu privaten Belangen, „auf einen gemeinsamen Nenner umgerechnet werde“, vom Zivil-, und nicht gerade nur vom Verwaltungsrichter? Was soll denn die besondere Qualifikation gerade jenes Letzteren begründen? Steht dahinter nicht etwas wie ein stillschweigendes Privileg der Hoheitsgewalt, die im Zweifel durchschlagen soll, daher besondere Richter braucht, die sie zu ihren Gunsten „besser als andere sehen“ können, läuft dies nicht auf ein großes gleichheitswidriges Privileg des Staates hinaus? c) Der verfassungsrechtlichen Gleichheit entspricht also die Gleichordnung der Rechtssubjekte – Bürger / Staat – ebenso wie die (jedenfalls grundsätzliche) Gleichgewichtigkeit von deren (privaten und öffentlichen) Interessen. Das bedeutet aber nicht, dass eine insoweit zwischen ihnen in Abwägung zu wahrende Iustitia commutativa allein dem gleichordnenden Zivilrecht vorzubehalten wäre, während das Öffentliche Recht

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von einer Iustitia distributiva geprägt wäre, welche gerade die Überordnung des austeilenden (verteilenden) Staates über die von ihm Zuteilung erlangenden Bürger voraussetzte. Der Schluss von der austeilenden Gerechtigkeit auf eine notwendige Über / Unterordnung ist wohl (stillschweigend) verbreitet, aber dogmatisch unbegründet. Verteilung / Austeilung gibt es auch im gleichordnenden Privatrecht in zahlreichen Konstellationen, vom Erbrecht bis zu gesellschaft(srecht)lichen Verteilungen; und der Staat kann ohne weiteres als eine große (um)verteilende Gesellschaft seiner Bürger gedacht werden, was denn auch in der politischen Diskussion laufend geschieht („Staats-AG“). Iustitia distributiva seitens des Staates rechtfertigte dessen hoheitliche Überordnung über andere Rechtsträger nur, solange auf seine Rechteverleihungen und tatsächlichen Leistungen kein Rechtsanspruch bestand. Im Rechtsstaat ist dies weitgehend überwunden. Iustitia commutativa und distributiva unterscheiden sich – im Privaten wie im Öffentlichen Recht – nurmehr darin, dass dort ein Leistungsaustausch den Maßstab abgibt, während im Verteilungsfall ein solches Kriterium fehlt, also die Gleichheit als solche hier die entscheidende Rolle spielt. Sie ist aber im Privatrecht grundsätzlich ebenso zu beachten wie im Öffentlichen Recht. Der einzige Unterschied liegt darin, dass in privatrechtlichen Beziehungen zwischen Bürgern der Austeilende weitergehend differenzieren darf als der Staat in den Beziehungen zwischen sich selbst und seinen Bürgern. Dies Letztere aber ist allein die Folge der „höheren Gefährlichkeit der Hoheitsgewalt“, wegen deren die Gleichheit im Staat / Bürgerverhältnis strikter anzuwenden ist als in Bürger-Bürgerbeziehungen, wo Privatautonomie herrscht, weil der Austausch als solcher schon Gleichheit gewährleistet. Doch auch hier gibt es – und in zunehmendem Maße83 – „Diskriminierungsverbote rein aus Gleichheit“, man denke nur an Art. 3 Abs. 2 oder 6 Abs. 5 GG. 83 Zur neuen Diskussion um die Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie, vgl. Asscher-Vonk, I. / Schlachter, M., RIW 2005, 503 ff.; Bauer, J.-H. / Arnold, Chr., NJW 2006, S. 6 ff.; Bänecke, M. / Kern, G., EuZw 2005, 360 ff.; Wernsmann, R., JZ 2005, 224 ff.

II. Die Grundrechte: Gleichordnung von Bürger und Staat

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Der strenge Inhalt des Verfassungsgebots der Gleichheit in Staat / Bürger-Beziehungen lässt sich also ohne weiteres auch durch Verschärfung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote wahren, wenn diese Beziehungen privatrechtlich geordnet werden. Dies ist im Ergebnis nichts als eine weitere Wirkung des Gleichheitssatzes, welcher eine Gleichordnung aller Rechtsträger verlangt, auch zwischen Staat und Bürgern, und einer grundsätzliche Gleichwertigkeit (und damit erst Vergleichbarkeit) privater und öffentlicher Interessen. Die vom Staat strenger zu beachtende Gleichheit ist daher nur eine Folge der – den Staat vor allem aber nicht ausschließlich – bindenden Verteilungsgerechtigkeit; dies aber beweist, dass die Gleichheit Über / Unterordnung nicht legitimieren, sondern einebnen will: Die staatliche Verteilungsmacht dient ja auch nur der Gleichordnung aller Rechtsträger, mögen sie dann tauschen oder verteilen. So zeigt sich also: Das Recht der Gleichheit ist wesentlich das Privatrecht, im Öffentlichen Recht halten sich KryptoElemente einer grundsätzlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichheit zwischen dem übergeordneten Staat und untergeordneten Bürger – auf Grund von Vorstellungen, welche heute politisch nicht mehr geduldet werden, auch weil sie, rechtlich von Anfang an auf „Verteilungsmacht“ gegründet, übersehen, dass auch austeilende Gerechtigkeit der Gleichheit verpflichtet ist, der Egalität aller Rechtsträger. Das Gleichheits-Staatsrecht, die Rechtsordnung der Egalität verlangt daher ganz grundsätzlich „Recht als Privatrecht“. 2. Sicherung der Bürgerfreiheit: durch Privatisierung des Öffentlichen Rechts Neben, vielleicht sogar über der Gleichheit ist es die Freiheit der Rechtsgenossen, welche die Verfassung maximal und optimal gewährleisten und sichern will, als einen höchsten Gemeinschaftswert. Dieser Grundsatz beherrscht zu allererst das Öffentliche Recht. Nach seinem herkömmlichen Verständnis

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wird zwar die Bürgerfreiheit im öffentlichen Interesse durch Öffentliche Gewalt eingeschränkt, Gegenstand Öffentlichen Rechts ist aber durchgehend Freiheitssicherung, wenn auch unter Anerkennung der notwendigen Gemeinschaftsbelange. In diesem Sinne ist „die Freiheit als solche“ nicht Verfassungsvoraussetzung, Vorbedingung von Existenz und Geltung des Grundgesetzes, wie es die Existenz des Staates und seiner Interessen sein mag;84 es ist aber die Freiheit in all ihren Ausprägungen der zugleich allgemeinste und wichtigste „Gegenstand“, welchen das Öffentliche Recht im Namen der Verfassung beschränkend regelt. a) Streit mag darüber herrschen, ob diese freiheitssichernden Bestimmungen des Öffentlichen Rechts allenthalben im Namen der Grundrechte unter einem obersten Grundsatz des in dubio pro Libertate stehen, oder ob Bürgerfreiheit und Staatsbelange jeweils nach konkreter Regelung in den einzelnen Grundrechten abzugrenzen sind. Sicher aber und von allgemeinem juristischen Konsens getragen ist eines: Ziel allen Öffentlichen Rechtes ist es, möglichst viel an Bürgerfreiheit im jeweiligen grundrechtlich geregelten Zusammenhang zu gewähren, damit also insgesamt die Verfassung als ein Werk erscheinen zu lassen, in dessen Namen „der Freiheit eine Gasse“ geöffnet wird. Dass dies mit allen dazu geeigneten Mitteln zu erfolgen hat, kann dann ebenfalls keinem Zweifel unterliegen. Dahin trägt denn auch der große Zug der Gegenwart zu immer weiterem Abbau der obrigkeitlichen, der Hoheitsgewalt. Niemand bestreitet, dass alles im Sinne dieses allgemeinen Verfassungsauftrags liegt, was generell zum „Gewaltabbau“ beiträgt, in rechtlicher Form wie faktisch. In diesem Sinn ist „die Freiheit“ ein allgemeines Verfassungsprinzip. Unzweifelhaft ist nun aber jede Art rechtlicher Gleichstellung von Staat und Bürger – davon war vorstehend bereits die Rede – auch ein Weg zu einem Mehr von dieser Freiheit, 84 Dazu Isensee, J., HbStR § 115, Rn. 112, 196; ders. HbStR § 111, Rn. 176; ders. DÖV 1982, 616.

II. Die Grundrechte: Gleichordnung von Bürger und Staat

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bedeutet doch jede Form von Über- / Unterordnung geradezu begrifflich und als solche bereits eine Freiheitsbeschränkung; denn eine solche hierarchische Vorstellung kann gar keine andere Grundüberzeugung hervorbringen als die eines Zurücktretens privater Freiheit, jedenfalls in gewissen Abwägungsbeziehungen zu öffentlichen Belangen. Dann aber muss eine Wendung zur Privatisierung der Rechtsbeziehungen auch zwischen Bürger und Staat Freiheitsgewinn bedeuten. b) Darüber hinaus und vor allem hält aber jenes Privatrecht, zu dem hin sich eine solche Wendung vollzieht, eine Ordnung bereit, welche weit mehr geprägt ist durch Entscheidungsfreiheit der Rechtsträger. Hier herrscht die Vertragsfreiheit85 vor, über sie hinaus noch eine Freiheit des Verhaltens, über das jedes Rechtssubjekt nach seinem Belieben bestimmen mag – für das es dann allerdings finanzielle und andere, „restitutive“ Verantwortlichkeiten zu übernehmen hat. Immer aber lassen sich diese Rechtswirkungen grundsätzlich zurückführen auf seine durch das Privatrecht garantierte Freiheit. Dann erscheint das Privatrecht wirklich nicht nur als eine, sondern als die Ordnung der Freiheit; und wenn es schon kein in dubio pro Libertate geben sollte – ein in dubio pro Iure privato müsste anerkannt werden. Jede Privatisierung bringt jedenfalls eines sicher: Mehr Freiheit der Entscheidung, des Verhaltens auch, ja zuallererst für den Bürger. Dies findet Anerkennung denn auch im Verfassungsrecht, welches gerade hier nicht (wesentlich) nur Öffentliches Recht beinhaltet: Die große, ganz allgemeine Freiheit, als öffentlichrechtliche Handlungsfreiheit definiert, beinhaltet zu allererst jene Privatautonomie, welche nichts anderes ist als Freiheit in Formen des Privatrechts. Folgerichtig ist denn auch jener Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, der sie gewährleistet, als „Mutterrecht“ aller anderen Freiheitsausprägungen erkannt worden, welches die eine, große Libertät, soweit notwendig, ergänzt und immer neue Freiheiten hervorbringt.86 Eine 85 Vgl. FN 53; Starck, Chr., in: v.M. / K / St GG, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Rn. 145 ff. m. Nachw.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

Rechtsordnung etwa, welche auf dieser Privatautonomie aufruht,87 bietet, jedenfalls grundsätzlich, einen sowohl maximalen als auch optimalen Freiheitsschutz. Diese Privatautonomie als Privatrechtlichkeit bedeutet in keiner Weise Willkür, Verantwortungslosigkeit von Bürgern gegenüber öffentlichen Belangen. Diese sind Interessen von grundsätzlich ebensolcher Art wie die der anderen Rechtsgenossen. Wer sie verletzt, muss dafür genauso bezahlen, im weitesten Sinne des Wortes, wie wenn er sich an Rechtspositionen von seinesgleichen verginge. Der Unterschied zum Öffentlichen Recht liegt nur darin, dass all diese Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Privatrecht grundsätzlich auf einer Ebene der Gleichordnung geregelt werden, welche die Freiheit jedes Rechtsträgers anerkennt, sich nach seinem Willen zu verhalten, daran aber auch die Verpflichtung knüpft, die Rechtsfolgen zu tragen, welche ihm die Rechtsordnung auferlegt. Dass dies einem einseitigen Bestimmungsrecht einer wie immer definierten Öffentlichen Gewalt überlassen sei, stellt eine Ausprägung dar, welche gewiss nicht in besonderem Maße freiheitlich ist und daher von einer freiheitlichen Verfassung nicht gewünscht sein kann. Sie würde „zunächst einmal“, gewissermaßen vorsorglich, den Bürger sogleich in seiner Freiheit beschränken, um es ihm dann anheim zu stellen, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Freiheit aber besteht darin, zunächst einmal nach eigenem Willen verfahren zu dürfen, sodann aber rechtliche Folgen zu tragen. Freiheitsbeschränkungen kennt durchaus auch das Zivilrecht, gegenüber anderen, 86 Zur Lehre von den „unbenannten Freiheitsrechten“, Schmidt, Walter, AöR (1966), 42 ff., 73 ff.; grds. BVerfGE 54, 148 (153), i. Einzelnen etwa Ausreisefreiheit (BVerfGE 6, 32 [41]); 72, 200 [245]), sowie Einzelausprägungen der Persönlichkeit, wie das Recht am eigenen Bild und Wort BVerfGE 34, 238 (246). 87 Und dies nicht nur allgemein-grundsätzlich, sondern auch in neuerdings stärker betonten Sicherungen durch Einzelgrundrechte. Die Privatnützigkeit, welche nach dem BVerfG zur „Substanz des Eigentums gehört“ (BVerfGE 79, 292 [304]; 81, 29 [33]) spricht dieses zentrale Grundrecht mit Blick gerade auf das an, was allein der Sinn eines solchen privaten Nutzens sein kann: Privatautonomie.

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gleichgestellten Rechtsgenossen wie gegenüber dem verwaltungsprivatrechtlich handelnden Staat. Schwer verständlich ist aber aus verfassungsrechtlicher Sicht, weshalb dem Staat gegenüber nun eine andere und im Öffentlichem Recht insgesamt doch geringere, vorsorglich und vielleicht gar stärker beschränkbare Freiheit gelten sollte als gegenüber anderen Bürgern. Ob der eigenen privaten Freiheit Belange eines anderen Rechtsgenossen, vieler solcher oder die einer globalen Allgemeinheit gegenüber stehen – welchen Unterschied soll dies denn ausmachen unter dem Gesichtspunkt einer einheitlich verstandenen Freiheit? c) Eine solche Privatisierung des Öffentlichen Rechts, wie sie hier zur Diskussion gestellt wird, trägt denn auch im besonderen Maße zur Aufwertung jener Privatautonomie88 bei, welche neuerdings in rasch zunehmendem Maße als ein hohes Verfassungsgut von eigenständiger Bedeutung erkannt worden ist. Im Grundgesetzt findet sie als solche noch keinen begrifflichen Ausdruck; ihre wesentlichen Ausprägungen, ja sie selbst musste, in oft schwierigen Ableitungen, in der allgemeinen Norm der Handlungsfreiheit verortet werden. Ein modernes Verfassungsdenken würde ihr nun einen zentralen Platz in einem Grundgesetz einräumen. Schon heute wird der Vertrags- wie der Wettbewerbsfreiheit,89 den beiden zentralen Ausformungen der Privatautonomie, zunehmend auch verfassungsrechtliches Augenmerk geschenkt, mögen sie auch noch nicht vertiefend im Einzelnen dogmatisiert sein. Es ist an der Zeit, diesen Verfassungsschutz 88 Die Privatautonomie erscheint denn auch heute als verfassungsrechtlich etwa dadurch wesentlich aufgewertet, dass ihre einzelnen Schutzbereiche klarer erkannt und dann deutlicher ausdifferenziert werden (vgl. Starck, FN 85). 89 Die Wettbewerbsfreiheit ist ein Beispiel für die schärfere Erfassung eines wesentlichen Schutzbereiches, der nun dem speziellen Grundrecht der Berufsfreiheit zugeordnet wird, nicht mehr einer allgemeinen Persönlichkeits- oder Handlungsfreiheit, vgl. dazu m. Nachw. Manssen, G., in: vM / K / St, GG, Art. 12, 5. Aufl. 2005, Rn. 70; darin liegt mehr als Verdeutlichung eines Eingriffsverbots – eine Konkretisierung, schon durch Einordnung in das Prüfungsschema des Art. 12 GG.

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nicht nur einzelnen Ausprägungen zu gewähren, oder ihn sogleich unter den Vorbehalt speziellerer, restriktiv geregelter Grundrechtsverbürgungen zu stellen. Die Privatautonomie als solche, als gleichgestellte und gleichstellende Entscheidungsfreiheit der Rechtsgenossen, ist höchstes Verfassungsgut; ihm kann nicht einmal der Schutz einzelner Freiheiten, welche das Grundgesetz besonders anerkennt, grundsätzlich entgegengehalten werden; dies hat sich in der Diskussion um die Drittwirkung der Grundrechte gezeigt: Spezielle Freiheiten finden ihre Grenzen an der Privatautonomie, eben weil es diese auch weithin gestattet, auf sie aus freien Stücken zu verzichten.90 Es ist dies letztlich jene Dispositionsfreiheit über eigene Freiheit, welche das Privatrecht charakterisiert und es abhebt von einer octroyierten, einer im Namen des Öffentlichen Rechts nicht nur geschützten, sondern aufgezwungenen Freiheit. Gewiss muss es Grenzen der Verzichtbarkeit auf eigene Freiheit geben, und das Privatrecht trägt dem in nuancierter Weise auch Rechnung.91 Insgesamt verbürgt das Öffentliche Recht eher einen auch ungewollten, einen unbedingten Freiheitsschutz – während das Privatrecht weit mehr von der Eigenverantwortung und damit auch vom Eigenrecht des Rechtsträgers ausgeht, sich seine Freiheit selbst zu bestimmen und vor allem auch zu erhalten. Hier ist also zwar eine gewisse Bewusstseinsänderung angesagt, soll die Wendung zum Privatrecht vollzogen werden; doch liegt sie nicht gerade auf dem Weg zu einem mündigen Bürger, wie lässt er sich anders bestimmen denn als ein Rechtssubjekt, das auch auf eigene Freiheit verzichten kann? 90 Zum Grundrechtsverzicht vgl. Bleckmann, A., Probleme des Grundrechtsverzichts, JZ 1988, S. 57 ff.; Spieß, G., Der Grundrechtsverzicht, 1997, S. 29 ff.; Singer, R., Die Lehre vom Grundrechtsverzicht in: Erbguth (Hg.), GS f. Jean d’ Heur, 1999, S. 171 ff.; Merten, D., Der Grundrechtsverzicht, in: Horn, H.-D. (Hg.), FS f. Schmitt Glaeser, 2003, S. 53 ff. 91 Durch die Unverzichtbarkeit auf Rechtspositionen, insb. bei persönlichen Rechten, neuerdings auch durch die Verstärkung des Antidiskriminierungsschutzes, vgl. FN 83; s. auch Dammann, J. C., Die Grenzen zulässiger Diskriminierung im allgemeinen Zivilrecht, 2005, S. 114 ff.

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Im Verhältnis von Grundrechten und Privatrecht in der Diskussion um die Drittwirkung hat das Bundesverfassungsgericht solche Konsequenzen zu Gunsten der Freiheit bereits gezogen;92 nun gilt es, sie zu vertiefen, sie ernst zu nehmen: Privatrecht bedeutet grundsätzliche rechtliche Eigengestaltungsfreiheit, und damit jedenfalls, auch im Sinne der Verfassung – mehr Freiheit. 3. Parallele Schutzbereichsentwicklungen der Grundrechte im Privaten und Öffentlichen Recht – Persönlichkeitsrecht a) Die historisch ursprüngliche Ausformung des Grundrechtsschutzes der Bürgerfreiheit gegen die Öffentliche Gewalt orientierte sich an den typischen Formen, in denen gerade diese die persönliche Freiheit Privater bedrohte:93 durch Verhaftung und Strafurteil, durch Polizeiaktionen gegen Versammlungen, durch Beschlagnahme und Zensur von Presseerzeugnissen. Stets erfolgte dies in typischen Formen eines Einsatzes obrigkeitlicher Gewalt – also sollte dagegen öffentlich-rechtlicher Schutz geboten werden. Inzwischen ist längst erkannt und es wird gegenwärtig immer deutlicher, dass es darüber hinaus noch viele andere Eingriffsformen seitens öffent92 Das BVerfG hat den Primat der privaten Autonomie der Freiheit auch schon gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Grundrechtsschutz anerkannt, indem es ihn (BVerfGE 7, 197 ff.) im Rahmen der Drittwirkung einbettet in die Privatrechtsordnung. Der Verfasser hatte demgegenüber früher noch die öffentlich-rechtliche Lösung über eine als Gesetzesvorbehalt wirkende Privatautonomie vorgeschlagen, vgl. Leisner, Walter, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 378 ff.; ders., JuS 1962, 463 ff. 93 Der ursprüngliche Grundrechtsschutz war orientiert an den typischen Formen der Bedrohung der Freiheit Privater. Dies gilt bereits für die Magna Charta von 1215, obwohl es damals noch um die Rechte von Adeligen ging, im (heutigen) Sinn von Staatsorganen des Feudalsystems. Deutlicher wurde schon im habeas corpus act von 1679 die Freiheit des Privaten als solchen gesichert (vgl. dazu Riedel, E.-H., EuGRZ 1980, 192). Noch in der französischen Revolution wurde der „liberté publique et individuelle contre l’oppression de ceux qui gouvernent“ einheitlicher Schutz gewährt (vgl. Art. 9 der Rechteerklärung von 1793).

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lich-rechtlicher Träger in Schutzbereiche der Grundrechte gibt. So wird denn hier zunehmend etwa staatliche oder gemeindliche Konkurrenz zum Verfassungsproblem, mag sich der Staat dabei auch in Formen des Privatrechts bewegen.94 Dahinter steht eine bedeutsame allgemeinere Erkenntnis: Das Schutzbedürfnis der Bürger orientiert sich gerade nicht mehr ausschließlich an Formen des Einsatzes Öffentlicher Gewalt, die Bürgerfreiheit verlangt nach einem Schutz auch gegen privatrechtliche Einwirkungen. Soll dies nun nicht zu einer Publifizierung dieses zugleich auch freiheitsbedrohenden Privatrechts führen, durch staatliche Normsetzung oder öffentliche Kontrollen, so ist eines unabdingbar: Entwicklung eines parallelen, gleichen Schutzes gegen solche Bedrohungen der Bürgerfreiheit, welcher diese als ein einheitliches, allseitig zu schützendes Rechtsgut versteht. Dann aber ist es nur ein Schritt zur Erkenntnis, dass eine solche parallele Freiheitssicherung einheitlich-gleichartiger Freiheitsrechtsgüter auch für eine Einheitlichkeit der rechtlichen Schutzformen spricht, ja dass die Parallelität dieses Schutzes auch zu einheitlichen Formen eines solchen konvergiert. Wenn dann nicht überall Staat sein soll und Staatsgewalt, so kann dies nur bedeuten, dass sich das Öffentliche Recht dem Privaten nähert, nicht umgekehrt. b) Eine solche Entwicklung lässt sich denn auch, durchaus mit verfassungsrechtlichen Ausgangspunkten und Qualifikationen, heute immer deutlicher beobachten. Gegenüber dem traditionellen Grundrechtsschutz einzelner Freiheitsausprägungen tritt die Sicherung anderer immer mehr in den Vordergrund, die sich auf eine einheitliche privat- und öffentlichrechtliche Grundbegrifflichkeit zurückführen lassen: auf den Schutz der menschlichen Persönlichkeit, insbesondere in ihren Kernbereichen der Intimsphäre. Ob diese dann auch, jedenfalls zum Teil, einzelnen herkömmlichen Schutzbereichen von Grundrechten zugeordnet werden, ist nicht von Bedeutung. 94 Zur Verfassungsproblematik insb. im Verhältnis der Konkurrenz Gemeinde-Private vgl. Tettinger, P. J., in: vM / K / St GG 5. Aufl. 2005, Art. 28, Rn. 216 ff. m. Nachw.

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Wichtig ist dagegen, dass sich auch verfassungsrechtlich etwas entwickelt hat wie ein Allgemeines Persönlichkeitsrecht, dessen Ausprägungen hier erfasst und in immer neuen Bereichen entdeckt werden. Und was nun im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist: Diese Entwicklung hat nicht im Öffentlichen Recht begonnen,95 sondern im Privatrecht, mit der Anerkennung eines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, vor allem in Erweiterung der Schutzbereiche des zivilrechtlichen Deliktsrechts. Von diesem Ausgangspunkt her, wenn auch nicht immer in deutlicher Anlehnung an privatrechtliche Entwicklungen, aber eben doch parallel zu diesen, ja zu ihnen konvergierend, ist es dann auch zur Anerkennung von Persönlichkeitsrechten gegen die Öffentliche Gewalt im Öffentlichen Recht gekommen.96 Zunächst weisen diese noch eine deutlich ausschließlich gegen den Staat gerichtete Anspruchsstruktur auf, wie etwa der Verfassungsanspruch auf öffentliche Fürsorge, gewonnen aus einer Zusammenschau der übergreifenden Normen der Menschenwürde und der Persönlichkeitsentfaltung.97 Auch sie finden aber bereits gewisse Vorläufer in einem Zivilrecht, das in vielfachen Einzelformen sich eben seit langem bereits auf einen, wenn auch sehr differenzierten, Schutz des Existenzminimums gegenüber anderen Rechtsgenossen zubewegt.98 Weit deutlicher tritt die Wendung von Parallelität zu Konvergenz der Sicherungsformen des Privaten und Öffentlichen Rechts neuerdings in Erscheinung in einem Schutz der Intimsphäre,99 welcher im Öffentlichen Recht weithin nach Vor95 Begonnen hat die grundlegende systematische Ausformung des Allg. Persönlichkeitsrechts im Zivilrecht, mit Hubmann, H., Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967, allerdings in Anlehnung an Dürig, G., in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 26 ff. 96 Näher m. Nachw. Starck, Chr. in: vM / K / St, GG, 5. Aufl. 2005 Art. 2, Rn. 170 ff. Das BVerfG leitet ein „Allgemeines Persönlichkeitsrecht“ in std. Rspr. aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ab (BVerfGE 16, 194 [201 f.]; 17, 108 [117]; 27, 344 [351]; neuerdings E 95, 220 [241]). 97 BVerfGE 40, 121 [133]; 45, 187 [228]; 48, 346 [361]; 82, 60 [85]. 98 Zum Existenzminimum vgl. neuerdings Leisner, Walter Georg, Existenzsicherung im öffentl. Recht, Minimum – Grundlagen – Förderung, 2007.

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bildern des Privatrechts ausgebaut wird. Dort hat ja die Entwicklung einer Gewährleistung von Immaterialgüterrechten bereits eine lange Tradition, von Ehrenschutz100 bis Firmenidentität; in diesem Zivilrecht ist auch bereits eine weit reichende Monetarisierung dieser immateriellen Rechtsgüter eingetreten, welche über Amtshaftung auch das Öffentliche Recht erreicht. Die Rechtsprechung zum Schutz gegen staatliche Warnungen101 und damit verbundene Image-Schädigungen ist ein deutliches Beispiel. Die Entwicklung des Öffentlichen Rechts läuft seit langem wenn nicht im Schlepptau zivilistischer Vorstellung, so doch im Kielwasser immer neuer Wellen aus dem Privatrecht. Der verhältnismäßig rasch und hoch entwickelte Datenschutz im Öffentlichen Recht ist keineswegs eine Erfindung von dessen Dogmatik. Die Sicherung geschäftlicher Daten gegen Weitergabe und unbefugte Nutzung ist seit langem ein großes, differenzierend ausgebautes Rechtsgebiet des Privatrechts. Dort ist, um es pointiert zu formulieren, das Geschäftsgeheimnis entdeckt worden102, längst bevor im Öffentlichen Recht der gläserne Bürger zur Angstvorstellung des Datenschutzes wurde. Immer rascher vernetzen sich denn auch – um einen Begriff des Datenschutzes zu gebrauchen – Öffentliches und Privates Recht gerade hier. Parallelentwick-

99 Dazu Schmitt Glaeser, W., Schutz der Privatsphäre, HbStR § 129; Rohlf, D., Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, 1986, S. 23 ff. m. Nachw. 100 BVerfGE 42, 143 (152 f.); 54, 208 (217); 93, 266 (290); 97, 125 (147). 101 Etwa Warnungen vor Jugendsekten BVerfG NJW 1989, 3269; E 105, 279 (294 f.); NVwZ-R 2002, 801 f.; früher BVerfG 82, 76 (79 f.). Zu Produktwarnungen BVerfGE 105, 252 (262 f.); BVerfGE 71, 183 (192 ff.). 102 Zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse siehe Reinfeld, R., Verschwiegenheitspflicht und Geheimnisschutz im Arbeitsrecht, 1989; Köhler, H., in: Baumbach, A. / Hefermehl, W., Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 17 Rn. 51 ff.; Depenheuer, F., Zulässigkeit und Grenzen der Verwertung von Unternehmensgeheimnissen durch den Arbeitnehmer, 1995; Mola Galvan, M., Der zivilrechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen, 2001, S. 14 f.; 85 ff.

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lungen des Datenschutzes befruchten in beiden Richtungen, ihre Einheitlichkeit wird immer eindringlicher gefordert. In all dem zeigen sich also Parallelentwicklungen mit konvergierender Tendenz, und immer wieder ist es das Privatrecht, welches in seinen weit differenzierteren, von feinen Abwägungen geprägten Entwicklungen dem Öffentlichen Recht voranschreitet. Es ist wohl nicht zuviel behauptet: hier entfalten sich bereits deutlich Formen einer privat / öffentlichen Rechtsentwicklung, in welcher die „öffentliche Gewalt“ kein entscheidendes Kriterium mehr darstellt: geschützt werden muss der Bürger, der Mensch eben gegen alle Formen von Gewalt, und am besten, am flexibelsten und allseitigsten lässt sich dies in den weicheren Formen des Privatrechts abwägend vollziehen. c) Damit findet dann das Öffentliche Recht auch zurück zu einer Begrifflichkeit, welche es seit langem begleitet und immer wieder herausfordert: in der Problematik der „Sozialen Gewalten“. Gegen sie, gegen Verbände und Arbeitgeber vor allem, wurde schon in Weimarer Zeit Freiheitsschutz gefordert103 – in grundrechtlichen Formen noch weithin vergeblich. Weit wirksamer entfaltet hat er sich in der zweiten Nachkriegszeit im Arbeitsrecht – und hier eben im Wesentlichen doch in privatrechtlichen Formen, etwa des Kündigungsschutzes.104 Im modernen Verbände- und Gesellschaftsrecht konnte er nicht so sehr, wie noch in nationalsozialistischer Zeit, im Namen eines großen Verfassungsgrundsatzes (Führerprinzip),105 und daher auch nicht als öffentlich-rechtliche Ausprä103 Zur Problematik der „sozialen Gewalt“ in vorgrundrechtlicher Zeit, vgl. Leisner, Walter, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 249 ff. 104 Dieser Kündigungsschutz hat verfassungsrechtliche Grundlagen in Art. 3 (vgl. BVerfGE 52, 238 [240]; 62, 256 [274]; 82, 126 [146 ff.]); in Art. 6 Abs. 4 (BVerfGE 84, 133 [156]; 85, 167 [185]; 85, 360 [370]); Art. 12 Art. 1 (BVerfGE 92, 140 [150]; 97, 169 [175]). 105 Zum Führerprinzip s. Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Staatsrechts, 2000, S. 821 f.; Leisner, Walter, Demokratie, 1998, S. 842 f., Huber, E. R., Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, 1939, S. 230 ff.

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gung des Demokratieprinzips gewährleistet werden, als vielmehr in den privatrechtlichen Formen des Minderheitenschutzes, vom Wohnungseigentumsrecht bis zum Aktienrecht. Dies alles aber vollzieht sich eben in den weicheren, abwägenden Formen eines Privatrechts, welches hier ja nicht öffentlichrechtlicher Zwangsgewalt entgegentritt, sondern den ebenfalls „sanften“, darin aber umso gefährlicheren privatrechtlichen Formen des Machtstrebens sozialer Gewalten. Nur mit den Mitteln und in den Kategorien des Privatrechts lassen sich diesem Eindringen des einen Rechtssubjekts in die Freiheit des anderen Grenzen setzen, nicht (nur) in den harten Formen öffentlich-rechtlicher Anfechtungen und Nichtigkeiten. Wer private Gewalt als Problem sieht, hat einen weiteren wesentlichen Aspekt des Privatrechts als Freiheitsrechtsordnung für den Bürger erkannt. Dann aber sollte er deren rechtliche Instrumente, soweit irgend möglich, auch zum Freiheitsschutz gegen den Staat einsetzen, nachdem die Hoheitsgewalt zunehmend Züge der traditionellen sozialen Gewalten annimmt; ihre Flucht ins Privatrecht lässt sich am Ende nur mit Mitteln dieses selben Privatrechts entschärfen. So findet denn die grundrechtlich ausgeformte Ordnung der Gemeinschaft in Gleichheit und Freiheit immer deutlicher ihre Vollendung in Formen einer vom Privatrecht geprägten Einheit rechtlichen Denkens, mit dem Fernziel einer Einheit der Rechtsordnung, das hier erstmals deutlich wird.

III. Privatrechtsgehalt organisatorischer Verfassungsstrukturen: Privatrechtsneigung der Demokratie 1. Verfassungsrecht als Herrschaftsvertrag – privatrechtlich gedacht Das Verfassungsrecht als solches ist nicht herrschaftsrechtlich, nicht gewaltrechtlich, daher nicht öffentlich-rechtlich gedacht in seinen Ursprüngen, sondern privatrechtlich – vertrag-

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lich. Dem Wort vom „Herrschaftsvertrag“106 war dogmatischer Erfolg beschieden, obwohl, vielleicht aber auch weil es Gegensätzliches zusammenfasste. Aus einer genossenschaftlichen Grundkonzeption des Privatrechts heraus, etwa im Sinne Otto von Gierkes, kommt das gleichordnende Element der Vertraglichkeit, nicht das einer octroyierenden, einer sich aufzwingenden Hoheitsmacht. Dass dann aus diesem Vertrag Gleicher eine eigentümliche, vielleicht gar unwiderstehliche öffentliche Herrschaftsmacht entstehen soll, ist ein Kunstgriff; in ihm wird Grundsätzliches zusammengefasst und damit axiomatisch postuliert, wie im demokratischen Mirakel des Allgemeinen Willens im Sinne Rousseaus.107 Ist eine Verfassung, die so entstanden sein soll, aus ihren Ursprüngen heraus Privatrecht, weil Vertrag gleichgeordneter Bürger, so muss sie dann doch, über all ihre herrschaftlichen Ausprägungen hinweg, auch privatrechtlich weiter gedacht werden. Erwächst sie dagegen nur aus dem Befehlswort einer Mehrheit, welche ihren Willen damit mächtiger durchsetzt als ihre Gegner, so ist und bleibt sie Herrschaft, nicht aber Vertrag. In diesem Sinn wird sie noch immer stillschweigend von der demokratischen Dogmatik verstanden und zur Grundlage eines öffentlichen Rechts der Öffentlichen Gewalt.108 Bevor man aber„mehr Demokratie wagen“ will, sollte, bescheidener, Demokratie zu Ende gedacht werden: privatrechtlich aus ihrem demokratischen Herrschaftsvertrag heraus. In ihm stehen die Bürger am Anfang gleich, im verfassungsschaffenden Umstand; warum sollten sie dann wundersam mit einem Mal unter den Staat treten, unter die Verfassung, in einer Herrschaftsordnung des Öf106 Zum Herrschaftsvertrag s. f. Viele S. Zippelius, R. Allgemeine Staatslehre, 14. Aufl. 2003, § 15 II, 17 III m. Nachw. 107 Rousseaus Contrat social ist in seinem Grundansatz eindeutig privatrechtlich gedacht im heutigen Sinn: Sein Ausgangspunkt ist der Übergang aus einem Naturzustand in einen civilen Zustand (Livre 1), er zeigt die Familie als erste Form einer organisierten Gemeinschaft (Chap. 2); die staatliche Ordnung entwickelt sich überhaupt aus „privater Gewalt“ (über die Sklaverei, Chap. 8). 108 Zum Mehrheitswillen vgl. grds. Leisner, Walter, Demokratie, 1998, S. 527 ff., 548 ff.; ders. Das Volk, 2005, S. 119 ff.

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fentlichen Rechts? Das demokratische Verfassungsrecht setzt bisher in seiner herkömmlichen Dogmatik ein eigenartiges historisches Schauspiel fort, in einem Akt, in welchem dieses Recht, wie einst in anderer Form als „Magd der Theologie“, seine letzten Grundlagen in verdämmernder Transzendenz sucht. War es früher die theokratische Staatsrechtfertigung des Gottesgnadentums,109 welche bis zum Ende des Konstitutionalismus das Verfassungsrecht mitgetragen hatte, so soll es nun ein Vertrag sein, der gewissermaßen „im Himmel geschlossen wurde“, jedenfalls auf einer staatsrechtlichen Höhe, welche ihn vollständig über alle Vereinbarungen hinaus hebt, wie sie auf Erden eingegangen werden in den Formen des privaten Rechts – damit es etwas gebe wie einen „öffentlichrechtlichen“, das Öffentliche Recht sogar konstituierenden Grundvertrag. Dies kann nur als juristische Transzendenz, wenn nicht gar als demokratische Theologie bezeichnet werden. Zurückgekehrt auf die Erde der Bürger darf aber ein Öffentliches Recht (s)ein privatrechtliches Wesen in der Demokratie nicht verleugnen.

2. Verfassungsorganisationsrecht: privatrechtlich aufgefasst – die Verfassungsgewalten: notwendiger Einsatz von Hoheitsgewalt? So hat sich nun ergeben, dass die Grundlage der Staatlichkeit selbst, der Trägerin aller Hoheitsgewalt, gerade nach demokratischer Grundüberzeugung weit eher privatrechtlich als öffentlich-rechtlich vorzustellen ist. „Der Staat“ als solcher ist schon insoweit keineswegs notwendig ein „öffentlich-rechtliches Organisationsgebilde“. Der nächste Schritt muss nun zum organisationsrechtlichen Teil seiner Verfassung führen, zu der Frage, ob diese den notwendigen Einsatz gerade öffentlicher Gewalt vorsieht. 109 Zur theokratischen Staatsrechtfertigung Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. (Nachdr. 1966), S. 289 ff.

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Entscheidungen und Verhaltensweisen der drei klassischen Staatsgewalten nach demokratischem Verfassungsrecht werden herkömmlich dem Öffentlichen Recht zugeordnet. Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, dass das organisatorische Verfassungsrecht der Demokratie nicht vom Einsatz der Hoheitsgewalt ausgeht, dass deren Vorstellungen vielmehr an das Verfassungsrecht herkömmlich herangetragen, allenfalls in dieses rezipiert werden; und dies ist nun dahin zu hinterfragen, ob dafür eine verfassungsdogmatische Notwendigkeit besteht. a) Gesetzgebung: in Gleichordnung vereinbarte Normen Gesetze werden traditionell als Ausdruck hoheitsrechtlicher Gewalt Öffentlichen Rechts gesehen, weil ihre Durchsetzung von Staatsgewalten unter Einsatz von Hoheitsmacht erfolge. Dies ist jedoch ein voreiliger Schluss von einer Staatsgewalt auf die andere: Gesetzgebung im materiellen Sinn kann durchaus auch Normsetzung im Wege privater Gleichordnung sein, wenn etwa der „Vertrag das Gesetz der Parteien“ ist,110 als solcher auf sie „wie ein Gesetz“ angewendet wird. Es bedarf hier gar nicht des Rückgriffs auf ein gleichordnendes Verständnis des Herrschaftsvertrags, der als solcher alle Gesetzgebung als einen einzigen großen Ausdruck von Vertraglichkeit verstehen lässt (oben 1.). Die Normen des Privatrechts als solche können dann ohne weiteres als Regelungen gleichordnender Privatautonomie verstanden werden. Lediglich die Erzwingung ihrer Befolgung durch die Zweite oder Dritte Gewalt bringt das Problem des Einsatzes von Hoheitsgewalt ins Spiel, und damit des Öffentlichen Rechts. Dem entspricht denn auch die ganz natürlich laufend vollzogene Zuordnung der privatrechtlichen Gesetzgebung „zum Privatrecht“, wobei ihre an sich „öffentlich-rechtliche Qualität“ gewissermaßen eine dogmatische Rand-Arabeske bleibt. Wodurch sollten sich 110 Bekannt in der französischen Formulierung „Le contrat est la loi des parties“.

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denn auch die Wirkungen des § 134 BGB (Gesetzesbindung der Privatautonomie) etwa von denen der guten Sitten (§ 138 BGB) unterscheiden, welche Letzteren doch ohne weiteres als privatautonom gesetzt verstanden werden und wirken?111 „Gesetzgebung als solche“ verlangt also nicht den Einsatz von Hoheitsgewalt. Ihre Normwirkungen können durchaus begriffen werden als Ausdruck gleichordnender Vereinbarung. Und so lässt sich sogar die parlamentarische Gesetzgebung deuten: als eine Abfolge von „Verfassungsverträgen“ in der Gleichordnung der (politischen Kräfte-)Vertretungen – oder der Bürger – unter Beachtung der Regel der Mehrheit. Das Privatrecht kennt dies übrigens auch, als unbestritten gleichordnende Normierungsform, bei Satzungserlass und Satzungsänderungen im Gesellschaftsrecht. Demgegenüber kann nicht der herkömmliche Einwand durchschlagen, vertragliche und außervertragliche, privatautonom begründete Rechtsordnungsfolgen im Gleichordnungsverhältnis träten eben nur ein im Namen einer hoheitsrechtlichen Norm, welche deren verpflichtende Wirkung begründe. Dem steht bereits die mit gutem Grund vertretene These gegenüber, vertragliche Bindungswirkungen erzeuge jeweils der eigene privat-autonome Wille unmittelbar, nicht eine übergeordnete Norm. Selbst wenn man eine solche aber, mit der herkömmlichen Lehre, für unabdingbar hält, so genügt dafür doch die Annahme einer allgemeinen, gewissermaßen „letzten Grundnorm“, etwa eines „pacta sunt servanda“. Selbst nach der Dogmatik des Öffentlichen Rechts muss ja diese höchste, geltungsbegründende Norm immer „an der Spitze der Normenpyramide“ gedacht werden, sie hält diese insgesamt, und auch das „Öffentliche Recht“. Warum sollte dieses dann nicht überflüssig werden können als „Halt privatrechtlicher Normen“, welcher unmittelbar aus einer so ver111 § 138 BGB (gute Sitten) ist Ausdruck des Bürgerverhaltens aller billig und gerecht Denkenden; sein Inhalt ist als solcher also nicht Ausdruck öffentlich-rechtl. Setzung, – mag diese ihn auch grundrechtlich beeinflussen – sondern eines Verhaltens im Privatrechtsverkehr.

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standenen höchsten Vertraglichkeit im weiteren Sinne sich ergäbe? Wenn es die „Norm Privatautonomie“ ist, welche weithin die Normwirkungen des Privatrechts erzeugt, so kann doch nicht das Wesen dieser Freiheit gerade in Gesetzen gesehen werden, welche Ausdruck einer Hoheitsgewalt sind. Jenseits derart komplexer dogmatischer Konstruktionen bleibt: Gesetzgebung ist als solche nach der Verfassung keineswegs notwendig Ausdruck eines Öffentlichen Rechts, welches nur als Hoheitsgewalt erscheinen könnte; allenfalls könnte Gesetzgebung insoweit als „hoheitlich wirkend“ vorgestellt werden, als sie nur durch obrigkeitliche Zwangsgewalt anderer Gewalten durchgesetzt werden kann. Die „Erste Gewalt“, gerade die in der Demokratie zentrale, kann also grundsätzlich durchaus „privatrechtlich“ gedacht werden. b) Die Exekutive: Verwaltung nur durch Hoheitsgewalt? Im Bereich der Zweiten Gewalt sind ähnliche Vorstellungen feststellbar,112 wie sie für die Erste angetroffen wurden. Auch hier wird meist stillschweigend davon ausgegangen, dass die Exekutive, zentral und wesentlich, des Einsatzes von Öffentlicher Gewalt bedürfe, ja sich geradezu daraus definiere. Auch dem liegt der bereits festgestellte Kurz-Schluss zugrunde: Einsatz von Hoheitsgewalt ist ein traditionelles und auch gängiges, vielleicht auch nur ein besonders für die politische Macht bequemes Mittel, sich im Exekutiv-Bereich durchzusetzen; weithin kann jedoch dort von einer dogmatischen Notwendigkeit des Einsatzes dieser Öffentlichen Gewalt nicht die Rede sein. aa) Dies gilt bereits für die praktisch überaus wichtigen, einen Großteil der Exekutivtätigkeit ausmachenden Aktivitäten der Vorbereitung der Normsetzung113 und der nach112 Zum Folgenden vgl. Leisner, Walter, Die undefinierbare Verwaltung, 2002, über den Abbau des hoheitlichen Verwaltens in verschiedenen Zweigen der Administration S. 137 ff.

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geordneten Normsetzungsaktivität als solcher: wenn dies alles, wie dargestellt, nicht wesensnotwendig den Einsatz öffentlicher Gewalt voraussetzt (oben 1.), so muss dasselbe, von den Gesetzentwürfen bis zur Verordnunggebung, für alle Vorbereitungs- und nachgeordneten Rechtssetzungsaktivitäten gelten. bb) Der wichtige Bereich der Auswärtigen Gewalt ist mit einem Völkerrecht verbunden, das mit ebensolcher Leichtigkeit wie im innerstaatlichen Raum einem „Öffentlichen Recht“ zugeordnet wird, welches durch den Einsatz von Hoheitsgewalt geprägt, ja definiert sei. Näheres Eingehen auf die Problematik dieser Kategorisierung ist in diesem Zusammenhang nicht möglich. Erwähnt sei nur, dass das so genannte „Internationale Öffentliche Recht“, unter französisch-rechtlichem Einfluss zu Zeiten eben als Droit public verstanden, etwa nach angelsächsischen Rechtsvorstellungen durchaus nicht als ein Hoheitsrecht im kontinental-europäischen Sinn begriffen wird. Auf diesem Rechtsgebiet finden sich übrigens, gerade in seinen gewohnheitsrechtlichen Ausprägungen, auch viele privatrechtliche Vorstellungen. Praktisch wird es weitestgehend geprägt und fortentwickelt durch eine Vertraglichkeit, welche der des Privatrechts entspricht. Schließlich beruht das ganze Völkerrecht auf einer Grundvorstellung gleichgeordnet souveräner Staaten, welche dem Privatrecht weit näher steht. Auswärtige Exekutivtätigkeit kann also keineswegs grundsätzlich nur „hoheitsgewaltrechtlich gedacht werden“ – sie findet in der Existenz anderer Staaten ihre Begrenzung, in der Gleichordnung des Völkerrechts, gerade dort, wo sie mit Hoheitsgewalt grenzüberschreitend wirken möchte.114 113 Die Vorbereitung der gesetzgeberischen Normsetzung durch die Exekutive ist kraft Verfassung Teil des Gesetzgebungsverfahrens (Art. 76, Abs. 1, Abs. 2 S. 1 GG). Die Verordnunggebung stellt sich nach Art. 80 GG als Konkretisierung des Gesetzesrechts dar, was durch Anbindung über Inhalt, Zweck, Ausmaß sichergestellt ist (Art. 80 Abs. 1, S. 2 GG). Die Verordnunggebung kann also auch nach ihrer Qualifikation hinsichtlich des Einsatzes „hoheitlicher Gewalt“ nicht anders behandelt werden als die einfache Gesetzgebung (vgl. oben a).

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cc) Das Recht der bewaffneten Macht ist, als unbedingtes Befehlsrecht, traditionell eine der Grundlagen eines „Öffentlichen Rechts, das sich notwendig definieren soll durch Einsatz von Hoheitsgewalt“; hier wird diese ja auch mit dem Ziel unwiderstehlicher Wirkung zum Tragen gebracht. Das „Öffentliche Recht als Gewaltrecht“ könnte insgesamt geradezu als eine „Zivilisierung der Militärgewalt“, als deren zivile Kopie erscheinen. Doch deren Rekrutierung nicht nur, sondern auch ihr Funktionieren kann privatrechtlich organisiert werden – private Söldnerarmeen zeigen es; und der befehlsgetragene Einsatz der bewaffneten Macht wirft lediglich, unter anderen Vorzeichen, die noch zu behandelnde Problematik der unbedingten Polizeigewalt auf (vgl. gg). dd) Ein großer Teil des Verwaltungsrechts, welches meist kurzerhand und global dem Öffentlichen Recht zugeordnet wird, kann ohne weiteres privatrechtlich ausgeformt werden, und dies geschieht sogar weithin in herkömmlicher Weise: dort nämlich, wo der Staat sein eigenes Gut verwaltet, wo ihm also die Berufung auf sein Eigentumsrecht genügt, wie wenn dieses durch private Bürger geltend gemacht würde.115 Dasselbe gilt für die gesamte Deckung staatlichen Bedarfs durch privatrechtliche Rechtsgeschäfte. ee) Im Bereich der nach außen wirkenden, das Bürgerverhalten beeinflussenden, regelnden, erzwingenden Verwaltungsgewalt, steht der Administration, nach ganz herrschender Lehre und zunehmender Praxis, weiterhin ein Wahlrecht zu zwischen Privatrecht und öffentlich-rechtlicher Gestaltung: sie mag Zwang anwenden über Verwaltungsakte und Gebührenbeitreibung, sie kann aber ebenso gut vertraglich gestalten und vom Bürger private Leistungen verlangen.116 Der größte 114 Zur Territorialsouveränität (Gebietshoheit) und dem Verbot der grenzüberschreitenden Ausübung der Hoheitsgewalt s. Ipsen, K. / Menzel, E. / Epping, V., Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 23 Rn. 3 ff., insb. 6 ff. 115 Zur „Verwaltung eigenen Gutes“ durch die Exekutive vgl. Leisner, Walter, Die undefinierbare Verwaltung, 2002, S. 110 ff. 116 Zum Wahlrecht zwischen privat-rechtlicher und öffentlich-rechtlicher Gestaltung in der Daseinsvorsorge s. u. a. Ehlers, D., in: Erichsen /

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Teil der Daseinsvorsorge läuft bereits in diesen Bahnen ab. Die Anstaltsgewalt117 lässt sich in privatrechtlichen Formen ausüben und schon herkömmlich wird sie weithin in solchen dogmatisch ausgeformt. Das gesamte Bildungsrecht, von Kindergärten und Grundschulen bis zum Universitätsstudium, bedarf mit Sicherheit nicht notwendig des Einsatzes hoheitlicher Gewalt, private Bildungseinrichtungen und das angelsächsische, ja sogar auch weithin das französische (Hoch-) Schulrecht belegen es eindrucksvoll. Das öffentliche Gesundheitsrecht, in welchem Service herrscht, nicht aufgezwungene Gewalt, ist ein typischer Bereich privatrechtlicher Rechtsbeziehungen, wird immer mehr als ein solcher ausgestaltet. Das Sozialversicherungsrecht, herkömmlich dem Öffentlichen Recht zugeordnet, wird ohnehin schon immer wesentlich als eine Form des Versicherungsrechts auf Gegenseitigkeit verstanden und könnte, auch unter weitgehenden staatlichen Zuschüssen und mit verpflichtendem Charakter für abhängig Beschäftigte, ohne weiteres als eine privatrechtliche Obliegenheit aus dem Arbeitsverhältnis ausgestaltet werden, insoweit der obligatorischen Kraftfahrzeugversicherung vergleichbar. Selbst das Recht der öffentlichen Fürsorge kann den Einsatz der Hoheitsgewalt weitestgehend entbehren – ebenso wie private Fürsorge –, jedenfalls soweit es nicht als Polizeirecht im engen Sinn zu verstehen ist: seine Hilfe wird herkömmlich erbeten, nicht octroyiert, das Rechtsverhältnis kann ohne weiteres privatrechtlich verstanden und ausgestaltet werden. ff) Das Steuerrechtsverhältnis wird herkömmlich dem Öffentlichen Recht zugeordnet, weil Abgaben eben wesentlich unter Einsatz der Hoheitsgewalt festgesetzt und beigetrieben würden. Doch gerade dies ist in keiner Weise begrifflich notwendig und lediglich eine abkürzend-bequeme Form der Machtdurchsetzung, der Staatsgewalt. Dass das SteuerrechtsEhlers, Allg. VerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rn. 72; Maurer, H., Allg. VerwR, 15. Aufl. 2004, § 3 Rn. 9, § 29, Rn. 2; Ipsen, J., Allg. VerwR, 4. Aufl. 2005, § 4, Rn. 266 ff. 117 Zu öffentlich-rechtl. Anstaltsgewalt und privat-rechtl. Hausrecht vgl. etwa Beaucamp, G., JA 2003, 231 ff.; Brüning, Chr., DÖV 2003, 389 ff.

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verhältnis zahlreiche und wichtige Besonderheiten gegenüber sonstigem Öffentlichem Recht aufweist, ist anerkannt, und sie weisen nicht zuletzt auch in Richtung auf ein privatrechtliches Denken, etwa im Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise118 oder der abgabenrechtlichen Vereinbarungen. Dies bedarf noch weiterer Vertiefung, welche hier nicht zu leisten ist. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass zahlreiche Leistungen des Bürgers an den Staat, welche früher, ja herkömmlich, als öffentliche Abgaben geschuldet waren und dem traditionellen Abgabenbegriff unterfielen, heute im Wege vertraglicher Leistungen erhoben werden – Gebühren vor allem. Darunter leidet ihre Durchsetzbarkeit und die Effektivität der Öffentlichen Verwaltung in keiner Weise. Es wäre also vorstellbar und im Sinne dieser Betrachtungen durchaus sachangemessen, das Steuerrechtsverhältnis allgemein als eine privatrechtliche Beziehung der Gleichordnung zu begründen und auszugestalten. In ihm würde der Bürger dann eben dem Staat als einem Teilhaber an jenem Nutzen begegnen, den er selbst aus privaten Veranstaltungen zieht, aus Umsätzen, Gewerbetätigkeit, Einkünfteerzielung aller Art. Ein Vorrang öffentlicher Finanzansprüche könnte sichergestellt werden, ebenso deren Durchsetzung entsprechend der von privatrechtlich erhobenen Beiträgen für die Öffentliche Hand und aller privaten Ansprüche derselben. Jedenfalls steht dem der herkömmliche Steuerbegriff als solcher nicht im Wege; dass diese Abgaben keinen Gegenleistungscharakter haben,119 hindert nicht ihr privatrechtliches Verständnis. Die Besteuerung kann ja ohne weiteres verstanden werden als Ausdruck einer Teilhabe des 118 Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht s. Urbas, H., Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht, 1986; Tipke, K., Die Steuerrechtsordnung, Bd. 3 1993, S. 1283 ff.; Lehner, M., Wirtschaftliche Betrachtungsweise und Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, in: Lang, J. (Hg) FS f. Tipke, 1995, S. 237 ff.; Lang, J., in: Tipke, K. / Lang, J., Steuerrecht, 18. Aufl. 2005, § 5 Rn. 77. 119 Zum fehlenden Gegenleistungscharakter der Steuern vgl. BVerfGE 42, 223 (228); Lang, J. a. a. O. § 3 Rn. 14; Drüen, K.-D., in: Tipke / Kruse, AO / FGO, Bd. 1, § 3 Rn. 18 f.; Maunz, Th., in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 6, Art. 105 Rn. 12.

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Staates an den privatrechtlichen Beziehungen seiner Bürger, welche er eben durch Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer allgemeinen (Privat)-Rechtsordnung ermöglicht; und nach allgemeinem Verständnis genügt ja schon die Bereitstellung einer Leistung als solcher dafür, dass von einem Leistungsaustausch gesprochen werden kann.120 Heute bereits wird denn auch praktisch weithin Besteuerung so verstanden und gerechtfertigt. Ihr Hoheitscharakter tritt im Bewusstsein der Bürger ganz allgemein zurück gegenüber dem einer Verpflichtung, wie sie eben dem Fiskus gegenüber ebenso besteht wie gegenüber einem gleichgeordneten privaten Geschäftspartner.121 Fallen würden dann allenfalls gewisse Privilegien der Steuergewalt – aber von ihnen ist in der Verfassung, in ihrer Organisation der Finanzgewalt, nirgends die Rede als von einem notwendigen Attribut der Exekutivmacht. gg) So bliebe denn von dem angeblichen Großbereich der Exekutive, insbesondere einer Verwaltung, welche ohne Einsatz von Hoheitsgewalt nicht funktionieren könne, allenfalls noch die Polizeigewalt, aber nur im engsten Sinne der Aufrechterhaltung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Auszuklammern, als ohne weiteres privatrechtlich gestaltbar, wären die weiten Bereiche etwa des Bau- und des Umweltrechts, in denen Gefahrenabwehr, wie auch in privaten Beziehungen,122 gleichordnend-privatrechtlich erfolgen könnte, zur 120 Für die Bereitstellung nicht in Anspruch genommener Lieferungen bei Anschlusszwang vgl. BVerfGE in VwZ 2002, 199 (200 f.); s. auch BVerfG ZUR 2006, 203 ff.; gänzlich unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Leistung darf die Gebühr allerdings nicht festgelegt werden, vgl. BVerfGE 50, 217 (227); 85, 337 (346); 97, 332 (345). 121 Dieses Verständnis der „Teilhabe“ des Staates als „stiller Geschäftspartner“, der seine polizeilich-gerichtliche Hoheitsgewalt dafür dem Privaten zur Verfügung stellt, liegt auch Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG zugrunde, jedenfalls nach dem Halbteilungsgrundsatz (vgl. BVerfGE 93, 121; 165; dazu allerdings neuerdings BVerfGE NJW 2006, 1191 ff.). 122 Etwa im Wege der privatrechtl. Verkehrssicherungspflicht, oder über Versicherungspflichten, nach dem Vorbild der obligatorischen Brandassekuranz, durch welche heute bereits öffentliche und private (Nachbar-)Interessen gleichermaßen geschützt werden.

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Wahrung öffentlicher wie anderer privater Interessen. Und es wäre dann nicht mehr erforderlich, diese letzteren beiden Kategorien jeweils mühevoll zu unterscheiden und sie dem einen oder anderen Großbereich der Rechtsordnung zuzuweisen. Eine Privatisierung der „hoheitlichen Polizeieinsätze“ zum Schutze privaten Eigentums123 findet übrigens bereits heute statt, durch die Erhebung von Gebühren für Polizei-, Feuerwehr- und Rettungseinsätze im (überwiegenden) Privatinteresse. Dies sind im Grunde Leistungs-Austauschbeziehungen, welche eigentlich und ohne weiteres privatrechtlich zu regeln wären, etwa als Geschäftsführung mit oder ohne Auftrag. Selbst der herkömmliche engere Sicherheitsbereich, der sich letztlich auf die Abwehr allgemeiner aus strafrechtlichem Verhalten drohender Gefahren im öffentlichen Interesse beschränken lässt, ist heute schon weithin „privatisiert“ in all jenen Bereichen, in denen „Privatpolizei“ die Sicherung privaten Eigentums der Bürger übernimmt. Darüber hinaus ist der Einsatz von Polizei insoweit jedenfalls privatrechtlich erfassbar, als er die Ausübung einer Anstaltsgewalt124 im weiteren Sinne darstellt, also Einrichtungen, Gebäude, Organisationen der Öffentlichen Hand als solche schützt – und Politiker; hier werden ja auch heute bereits weithin nicht mehr allgemein-polizeiliche, sondern bereits private Sicherheitskräfte eingesetzt, bis hin zu Gefängnissen und Kasernen. So würde sich denn der notwendige Einsatz von Hoheitsgewalt im herkömmlichen Sinn auf Verhütung und Verhinderung von „allgemeinen“ Straftaten beschränken, außerhalb der (weiten) Bereiche, in denen dies ohnehin schon in privatrechtlichen Formen geschieht oder ohne weiteres möglich wäre, einschließlich von Feuerwehr und anderem Katastro123 Zum Schutz privaten Eigentums durch die Polizei vgl. Baur, F., Der polizeiliche Schutz privater Recht, JZ 1962, 73 ff.; Krüger, Ralf, Privatrechtsschutz als Polizeiaufgabe, 1976; Kowalzki, W., Der Schutz von privaten und individuellen Rechten im allgemeinen Polizeirecht, 1987. 124 Zur privatrechtl. Konstruktion der Anstaltsgewalt vgl. oben FN 117.

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phenschutz, als privatrechtliche Geschäftsführung mit oder ohne Auftrag. Schutz der „Allgemeinheit“ durch öffentliche Polizeigewalt lässt sich allerdings im Sinne einer gleichordnenden Privatrechtlichkeit nur dann konstruieren, wenn man das Sicherheitsrecht versteht als Abwehr schädigenden Verhaltens gegenüber Bürgern, welche gewissermaßen die Polizeiorganisation damit allgemein beauftragt hätten. Eine Dogmatik der Privatisierung des Öffentlichen Rechts müsste sich hier wohl darauf zurückziehen, dass alle Bürger über einen (unter oben 1. dargestellten, letztlich privatrechtrechtlich gedachten) Herrschaftsvertrag in eine solidarische Gemeinschaft Gleicher eingebunden sind, welche derartige Verletzungen von Bürgern durch andere Private aus Gleichordnungsvorstellungen heraus nicht zulässt, zum Schutz der Privatautonomie, und daher alle Bürger gewissermaßen in eine obligatorische, aber doch private „Sicherheits-Zwangsversicherung“ zwingt. Ein heute verbreitetes solidarisierendes Rechtsdenken müsste solche Vorstellungen übrigens sogar begrüßen. Viel bliebe also jedenfalls nicht übrig von der viel berufenen „notwendigen Öffentlichen Gewalt“ (vgl. dazu auch noch näher zu den Staatsaufgaben unten IV), ist man nur bereit, die bereits weithin beschrittenen Wegen privater Organisation der öffentlichen Aufgabenerfüllung folgerichtig weiterzugehen. Und selbst wenn damit der „dogmatische Bogen des Privatrechts“ überspannt werden sollte: Lässt sich wirklich auf eine solche Polizeigewalt im engsten Sinne ein ganzes, großes Rechtsgebiet gründen, lassen sich dessen Formen so weit ausdehnen, wie es heute angeblich erforderlich ist? c) Gerichtsbarkeit – notwendig öffentliche Gewalt? Eine Betrachtung der „Gerichtsbarkeit als Verfassungsgewalt“125 unter dem Gesichtspunkt einer Privatisierung des Öffentlichen Rechts zeigt ebenfalls Argumentationen der Art, 125 Zu dieser Begrifflichkeit ausführlich und kritisch Walter Leisner, Das Letzte Wort – Der Richter späte Gewalt, 2004 passim, insb. S. 269 ff.

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wie sie bei den beiden anderen Gewalten die Notwendigkeit einer Öffentlichen Gewalt begründen sollen. Schon im allgemeinen Bewusstsein ist die Judikative jedoch keineswegs begrifflich, als solche und ganz allgemein, eine Veranstaltung notwendig durchgehenden Einsatzes von Hoheitsgewalt. Vorstellbar ist ja ohne weiteres, dass sie als eine Form von Schiedsgerichtsbarkeit der Bürger untereinander verstanden wird. Gleichgestellte Partner rufen diese an, unterwerfen sich ihr in einer vertragsähnlichen Art. Ein Zivilprozessrecht als eine obligatorische Ordnung könnte eine privatrechtliche Verpflichtung vorsehen, die Gerichtsbarkeit anzurufen. Die Normanwendung, welche dabei diese Instanzen leisten, ist übrigens schon insoweit nicht notwendig Anwendung hoheitlicher Gewalt durch sie, als auch diese Normen eine solche eben, wie unter a. dargestellt, nicht zum Tragen bringen. Und wenn die Verwaltung weithin im Gleichordnungsverhältnis mit dem Bürger, also privatrechtlich tätig wird, so verwandelt sich auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit notwendig in eine Art von Zivilgerichtsbarkeit. Hoheitlich bleibt von ihr dann nur die Beurteilung polizeirechtlicher Fälle im engsten Sinne des Wortes, soweit nicht auch sie (vgl. b am Ende) als Ausdruck privatrechtlicher Gleichordnung verstanden werden kann. Staatsgerichtsbarkeit wird insgesamt als Schiedsgerichtsbarkeit unter gleichen Rechtsträger erfassbar, welche der sie hervorbringenden und ordnenden Verfassung wie einer Gesellschaftssatzung im Gleichordnungsverhältnis zugeordnet sind, jedenfalls dogmatisch-grundsätzlich. Dies reicht dann bis in eine Verfassungsgerichtsbarkeit, welche auch ihrerseits wesentlich in Gleichordnung Staatsorganträger und Bürger zu beurteilen hat, damit zwischen gleichgestellten Rechtsträgern Recht spricht. Lediglich die Strafgerichtsbarkeit würde bei solchem Verständnis wohl eine notwendig öffentlich-rechtliche in dem Sinne bleiben, dass sie die Hoheitsgewalt als solche gegenüber Bürgern zur Anwendung brächte – es sei denn auch dies ließe sich, wie die polizeiliche Durchsetzungsgewalt im engen Sinne des Wortes (oben b am Ende) aus Herrschaftsvertraglichkeit heraus ebenfalls privatrechtlich verstehen.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

Zu berücksichtigen ist schließlich ganz allgemein: Die Normanwendung als ein – nach h. Auffassung – richterlicher Erkenntnisvorgang126 ist in solcher Sicht jedenfalls nicht notwendig Einsatz hoheitlicher „Gewalt“, Wirkungen einer solchen kann ja eine „Erkenntnis“ schon begrifflich nicht entfalten. Lediglich die am Ende gewaltsame Durchsetzung des Richterspruches wirft überhaupt die Hoheitsfrage auf. Sie aber geht letztlich allein „die Polizei“ an (vgl. oben b, gg), die Vollstreckung. Nach der Verfassung steht dem Richter „nur das letzte Wort“ zu, aber keinerlei Durchsetzungsgewalt.127 Selbst der richterliche Haftbefehl wandelt sich in „Gewalt“ erst im polizeilichen Zugriff. Die einzige „notwendige Hoheitsgewalt“ ist also allenfalls die der vollstreckenden Polizei, letztlich aber nur in der Erzwingung der richterlichen Anordnung, denn sogar die (noch vor dem Richter eingreifende) sicherheitsrechtlich verhütende oder repressive Polizeigewalt kann ja stets nur vorläufig handeln; zur endgültigen, und damit zur „eigentlichen“ Hoheitsgewalt wird sie erst nach Ratifizierung durch den Richter, also in einer (fortdauernd-impliziten) Erzwingung der judikativen Anordnung, wiederum durch die Vollstreckungsinstanzen. Vorläufige, sich einem anderen Rechtsträger aufzwingende, diesen benachteiligende, die Rechtslage verändernde Maßnahmen eines Rechtsgenossen kennt aber auch das Privatrecht, man denke nur an (vorläufige) Zurückbehaltungsrechte geschuldeter Leistungen.128 Dieses Ergebnis, welches „notwendige Hoheitsgewalt“ zu einem „Durchsetzungs-Restbestand“, wenn nicht gar zum 126 Zur Normanwendung als richterlicher Erkenntnisvorgang s. Leisner, Walter, Staatswahrheit, Macht zwischen Wille und Erkenntnis, 1999, S. 123 ff. 127 Dem Richter steht also nur das letzte Erkenntniswort (des Richterspruchs) zu. 128 Zu einseitigen Zurückbehaltungsrechten im Zivilrecht Ahrens, C., Zivilrechtliche Zurückbehaltungsrechte, Berlin 2003. Zu erwähnen sind: §§ 273, 274 BGB, sowie ferner etwa §§ 175, 205, 215, 320, 556 b, 772, 773, 777, 972, 1000, 2022 BGB, § 369 HGB.

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Nullum schwinden lässt, gerade in verfassungsrechtlicher Sicht, mag überraschen. Doch ist es nicht eine traditionelle Leichtigkeit, oft nur Gedankenlosigkeit, mit der seit Generationen Öffentliches Recht so weithin postuliert – nicht begründet – wird, im Namen der Verfassung? Wesentlich bleibt jedenfalls auch für die Gerichtsbarkeit: Kein Verfassungstext verlangt notwendig den Einsatz Öffentlicher Gewalt durch sie, gerade in jenen Formen, in denen, angeblich notwendig, das deutsche Öffentliche Recht eine Großmaterie der Rechtsordnung sein soll. In Wandlungen der Exekutivtätigkeit zu privatrechtlichen Ausprägungen, von denen noch bei der Privatisierung die Rede sein wird (unten C), und in Entwicklungen zu Schiedsgerichtsbarkeiten zeigt sich vielmehr bereits eine grundsätzliche Entpublifizierung der Rechtsordnung im demokratischen Verfassungsstaat und der Organisation seiner Verfassungsgewalten. Eine Staatlichkeit, die sich allenfalls in einer die öffentliche Sicherheit schützenden Polizeigewalt und Strafjustiz, oder in der Erzwingung des Richterworts, vielleicht nicht einmal mehr dort, als notwendige Inhaberin einer „Öffentlichen Gewalt“ präsentiert, wirft doch die Frage auf, ob nicht die Stunde einer Privatisierung des Öffentlichen Rechts überhaupt naht. Die Verfassungsorganisation steht dem jedenfalls nicht entgegen; sie weist eher in diese Richtung, wie nun noch weiter zu zeigen ist: 3. „Verfassungsorgane“: bereits privatrechtlich konstituiert Nicht nur die Tätigkeiten der sog. „Verfassungsgewalten“129 sind weitestgehend ohne Einsatz der „Hoheitsgewalt“ vorstellbar und damit, wenn nicht schon privatrechtlich gedacht, so doch privatrechtlich denkbar; der gleiche verfassungsrechtliche Grundzug wird auch bei einzelnen Verfassungsorganen deutlich, in ihrer Organisation, ihrer begrifflichen Erfassung: 129 Kritisch zu dem Begriff, unter Hinweis auf frühere Untersuchungen, Leisner, Walter, Das Volk – realer oder fiktiver Souverän, 2005, S. 246 ff.

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a) Parlamente Die Parlamente als entscheidende Staatsorgane, bald vielleicht auch Staatspräsidenten und Regierungschefs, gehen aus demokratischen Wahlen hervor. Nach dem konsequent-demokratischen Vorbild der Schweiz gilt das für die Organe aller Verfassungsgewalten. Betrachtet man diese Wahl unter dem Gesichtspunkt einer „Öffentlichen Gewalt“ und ihres Einsatzes, nach dem sie ja herkömmlich dem Öffentlichen Recht zugeordnet werden sollen, so zeigt sich auch hier wiederum ein erstaunlicher Befund: Der Wahlvorgang als solcher hat nichts Öffentlich-Rechtliches an sich, hier kommt Hoheitsgewalt nicht zum Einsatz. Die seltenen Ausgestaltungen in Form einer öffentlich-rechtlichen Wahlpflicht130 mögen hier außer Betracht bleiben. Abgesehen von ihrer gerade freiheitlich-demokratischen Problematik ließen sie sich allenfalls aus einer Herrschaftsvertraglichkeit heraus begründen, welche jedoch auch ihrerseits letztlich egalitär und damit privatrechtlich gedacht ist (vgl. oben 1). Im Übrigen aber und grundsätzlich unterscheiden sich die „öffentlichen Wahlen von privaten“ nicht grundsätzlich; gerade in der Demokratie sind denn auch für beide bereichsübergreifend geltende Wahlgrundsätze131 entwickelt worden. Dies gilt vor allem für die Freiheit der Wahl;132 sie bedeutet das Zurücktreten jeder sie beeinflussenden Gewalt, in erster Linie einer staatlichen Hoheitsgewalt 130 Zur Diskussion um die Wahlpflicht s. Frenz, W., Wahlrecht – Wahlpflicht? ZRP 1994, 91 ff.; Dreier, H., Jura 1997, 249 (254); Morlock, M., in: Dreier (Hg.) GG Kommentar Bd. 2 1998, Art. 38 Rn. 33 m. w. Nachw. 131 Dies schließt gewisse Bandbreiten der Gestaltung weder im öffentlichen noch im privaten, insb. gesellschaftsrechtlichen Wahlrecht aus. Im Namen der auch hier angestrebten Demokratisierung konvergieren aber die Ausprägungen immer deutlicher. Für die politischen Parteien – privatrechtliche Zusammenschlüsse – entspricht dies sogar einem Verfassungsgebot (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG – Geltung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 GG, vgl. BGHZ 106, 67 [74]). 132 Wobei sich diese Freiheit ebenso gegen hoheitliche wie – drittwirkend – gegen „private“ Gewalt richtet (BVerfGE 66, 369 [380]), auch gegen Einflussnahme seitens politischer Parteien (BVerfGE 89, 243 [251]).

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mit Einwirkung auf öffentliche Wahlen. Dies zeigt: gerade öffentliche Wahlen sind eben wesentlich ein privatautonomer Vorgang, der zwischen Privaten abläuft und ihren gleichgeordneten privaten Willen zum Ausdruck bringt. Dass dies dann in einer Art von Gralswunder sich in die Quelle aller Öffentlichen Gewalt verwandeln soll, ist demokratische Transzendenz, wenn nicht Theologie. Dieser privatrechtlich nicht nur denkbare, sondern bereits so gedachte Wahlvorgang führt zu einer Beauftragung der Abgeordneten, als Vertreter des Volkes tätig zu werden. Hier werden klassische privatrechtliche Begriffe eingesetzt (Auftrag, Vertretung), von Öffentlicher Gewalt im Vorgang der Übertragung oder als Gegenstand derselben ist nicht die Rede. Dass die Abgeordneten dann für das ganze Volk sprechen, nicht etwa nur für ihren Wahlkreis oder ihre Partei, mag eine Besonderheit dieser Verfassungsgestaltung sein, welche allerdings die Repräsentationstheorien ohnehin nur mühsam erklären können.133 In früherer Vergangenheit wurden die gewählten Vertreter weit ehrlicher als Abgesandte ihrer Wähler verstanden, in deren Namen bewilligten sie Steuern, brachten sie Beschwerden vor, noch bis zur Französischen Revolution und darüber hinaus.134 Selbst wenn man aber weiter der Repräsentationstheorie des „gesamten Volkes“ folgt, so liegt darin doch noch in keiner Weise die Vorstellung von etwas wie einer einseitigen Hoheitsgewalt, welche als eine übertragene nun von den Abgeordneten auszuüben wäre, sondern allenfalls eine Erweiterung der Wirkungen der Vertretungsmacht, wie sie auch 133 Zur Repräsentationstheorie vgl. f. frühere Zeit: Hofmann, Hasso, Der spätmittelalterliche Rechtsbegriff der Repräsentation in Reich und Kirche, Der Staat, 27 (1988) 523 f. Zum geltenden Recht vgl. den Überblick bei Achterberg / Schulte, in: vM / K / St GG 5. Aufl. 2005, Art. 38, Rn. 27 ff. m. Nachw.; neuerdings kritisch Leisner, Walter, Das Volk – realer oder fiktiver Souverän 2005, S. 128 ff. 134 Zum Steuerbewilligungsrecht der Stände im Alten Reich vgl. Stern, K., Staatsrecht, Bd. V, Die geschichtlichen Grundlagen des Dt. Staatsrechts, 2000, S. 92, 130. Eingehende Darstellung der Bedeutung des Steuerbewilligungsrechts noch in der 2. Hälfte d. 19.Jahrh. b. Marquardsen, in: Bluntschli / Brater, Deutsches Staatswörterbuch, 1867, Bd. 10, S. 223 ff.

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dem Privatrecht geläufig ist. Was die Beauftragung anlangt, so ist dies weit eher ein Akt der Bestellung auf Zeit, etwas wie ein Anstellungsvertrag, der sich nicht wesentlich von privaten Beschäftigungsverhältnissen unterscheidet. Sämtliche Verpflichtungen des Abgeordneten könnten privatrechtlich begründet werden und finden sich auch in privatrechtlichen Arbeitsverträgen. Die Wahl schafft ein verfassungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis, eine Austauschbeziehung von Leistungen, in welcher dem Gewählten die Vertretungsmacht zuteil wird, gegen entsprechende Bezahlung. Die gesamte Publifizierung des Wahlrechts ist eine herkömmlich-unkritische Konstruktion, die keinerlei notwendigen Verfassungsbezug zu einer Hoheitsgewalt aufweist. Nur weil der (absolute) Fürst, weithin unkontrolliert, echte einseitige Hoheitsgewalt ausübte, musste dies damals, muss es aber heute keineswegs weiter für seine Nachfolger gelten, die Vertreter des souveränen Volkes. Vertreter der Exekutive sind gegenwärtig bereits weithin in privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen tätig. Dies könnte insoweit generalisiert werden, als sie keine „hoheitlichen Befugnisse“ (Art. 33 Abs. 4 GG) mehr ausüben. Soweit Richter – nach dem Vorbild anderer demokratischer Staaten – gewählt werden, gilt auch für sie das für Abgeordnete Ausgeführte. b) Politische Parteien Die politischen Parteien sind in der Demokratie staatstragende Organisationen par excellence, ihre Mitwirkung bei der Willensbildung des Volkes proklamiert die Verfassung, in die Staatsorganisation sind sie über vielfache Rechte und Vorrechte eingebunden. Damit ist ihnen etwas wie eine Staatsorganstellung durchaus zuzuerkennen.135 Diese Parteien sind aber wesentlich privatrechtlich organisiert. Eine öffentlich-rechtliche Organisationsstruktur, ihre 135 Parteien sind „in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben“ (BVerfGE 41, 399 [416]); sie wirken in den Bereich institutionalisierter Staatlichkeit hinein (BVerfGE 20, 56 [100 ff.]; 73, 1 [33]).

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Anerkennung als Körperschaften des Öffentlichen Rechts wäre nicht nur in der gegenwärtigen, sondern überhaupt in einer demokratischen Verfassungsordnung schwer vorstellbar, würde diese sogleich in die Nähe zu totalitären Regimen führen. Denn die Parteien sollen gerade nicht etwas in ihrer inneren Organisationsstruktur, und noch weniger nach außen, zum Tragen bringen dürfen, was als eine Form „Öffentlicher Gewalt“ erschiene; dies würde sogleich die Freiheit ihrer Bildung und den – durchaus privatrechtlich verstandenen – Wettbewerb unter ihnen zerstören. Wenn ihre innere – privatrechtlich gestaltete – Ordnung „demokratischen Grundsätzen“ entsprechen muss (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG), so zeigt dies vielmehr umgekehrt, dass auch diese rechtlichen Strukturprinzipien der Volksherrschaft wesentlich privatrechtlich zu verstehen und gestaltbar sind. Die Parteien bewegen sich jedenfalls in allem und jedem in Privatheit, sie sind damit geradezu ein Hort des Privatrechts im Verfassungsrecht. Daraus ergeben sich ja so viele gegenwärtige Probleme der Demokratie, dass sich typisch privatrechtliche, privatautonome Diskutabilität, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit beim Übertritt von Parteipolitik in Staatspolitik wandelt, in Hoheitsgewalt und organisative Bürokratie, eben in „Öffentliche Gewalt“. Mit Wahlen und Mehrheitsänderungen wollen und sollen die Bürger daher stets von neuem diese „Verstaatlichung in die Hoheitsgewalt der Staats-Parteien“ wieder zurückrufen in die Privatheit ihrer Parteienstruktur. Eine ständige Wechselwirkung findet denn auch bereits in der Verfassungswirklichkeit statt zwischen der so genannten „eigentlichen“ Hoheitstätigkeit im staatlichen Bereich und ihrer Vorbereitung, praktischen Durchsetzung und Nachbereitung durch die Aktionen der politischen Parteien.136 Diese Letzte136 Dies ist ja das Wesen der viel berufenen „Parteienstaatlichkeit“ des GG, der engen, auch rechtlichen Verflechtung von Partei- und Staatsamt (vgl. BVerfG FN 135; sowie E 85, 264 [285]). Aus dem Schrifttum s. dazu etwa Stolleis, M., Parteienstaatlichkeit – Krisensymptome des demokr. Verfassungsstaats in: VVdStRL 44 (1986) S. 7 (23); Schäffer, H., selber Titel, a. a. O. 46 (68); Rhinow, R. A., selber Titel, a. a. O. S. 85 (105).

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ren erfolgen alle in Formen und in einem Denken von Privatheit, das sich rechtlich nur als Ausprägung des Privatrechts und in dessen Formen qualifizieren lässt; eine einseitige hoheitliche Bindungswirkung ist dem nirgends eigen. Entscheidungen aber, die parteiintern in privatautonomen Formen vorbereitet, ja bereits inhaltlich getroffen werden, vor allem nach einem Mehrheitsprinzip, welches Gleichordnung geradezu voraussetzt, und sich daher weithin auch im Privatrecht findet – warum sollten sie mit einem Mal notwendig eine andere „rechtliche Natur“ annehmen, nur weil sie nun die Unterschrift eines „Hoheitsbeamten“ nach außen tragen? Die Parteiendemokratie ist bereits heute weithin eine Staatsorganisation in privatrechtlichen Formen und privatrechtlich vorbereiteten, wenn nicht bereits getroffenen Entscheidungen. c) Das Recht der Medien: wesentlich privatrechtliche Beziehungen Der gesamte Kommunikationsbereich, das Medienrecht als solches, betrifft Rechtsbeziehungen, die nach ihrem Wesen weit entfernt ablaufen von aller hoheitlichen Gewalt – und doch sind ihr öffentlicher Charakter, die KommunikationsBelange als öffentliche, ja die öffentliche Aufgabe der Kommunikationsträger unbestritten und als solche auch verfassungsrechtlich anerkannt.137 Kommunikation vollzieht sich wesentlich zwischen gleichgestellten Rechtssubjekten; Einflüsse, die von Informationen ausgehen auf ihr Verhalten, sind nicht nur etwas anderes, sie sind das schiere Gegenteil gegenüber Einflussnahmen, welche über den Einsatz hoheitlicher Gewalt erfolgen. Information ist wesentlich Material für eigenständige Entscheidungen 137 Die Medien werden so als „Staatsorgane in einem weiteren Sinn“ tätig, welche öffentliche Aufgaben erfüllen und sich dabei auch privatrechtlicher Formen bedienen, vgl. BVerfGE 12, 205 (226); s. auch BVerfGE 31, 314 (332); 35, 202 (230 f.); BVerfG NVwZ-RR 1993, 550 f.; NVwZ 2006, 201 (203); NVwZ 2006, 1261 (1262).

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gleichgestellter Rechtsträger, zu ihm kann sich deren privatautonomer Wille nach Informationsaufnahme frei äußern. Kommunikation war daher von jeher ein Regelungsgegenstand des privaten Rechts; ihre Vorenthaltung oder falsche Mitteilung erschien als Delikt oder als Vertragsverletzung, ihre benachteiligende Verbreitung als Verletzung von privaten Persönlichkeitsrechten.138 Die Verletzung öffentlicher Belange spielte auf dem Informationssektor von Anfang an und für lange Zeit eine demgegenüber völlig untergeordnete Rolle. Im Presserecht sollten lediglich gerade Eingriffe der Hoheitsgewalt in diese Privatheit abgewehrt, es sollte diese möglichst rein erhalten werden; und daher war das hoheitliche Presserecht des Imprimatur und der fürstlichen Privilegien des Ancien Régime gewissermaßen eine sterbende Rechtsmaterie im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts. Kommunikationsrecht als möglichst reines Privatrecht: dies war das große Ziel des liberalen, nicht nur des Privaten sondern auch des Öffentlichen Rechts. Mit dem Heraufkommen audiovisueller Medien begann eine Periode, in welcher staatliche Monopole zum Problem wurden, infolgedessen das Öffentliche Recht die Materie erfasste – aber auch hier wieder waren es wesentlich Gleichheitsprobleme, Freiheiten auf Zulassung Gleichgestellter und deren privatrechtlicher Wettbewerb, welche im Vordergrund standen, und sie wurden ja auch, etwa im Recht der ebenfalls „kommunikativ-verbindenden“, öffentlichen Verkehrsmittel, traditionell durch den Kontrahierungszwang des Privatrechts139 geregelt. Öffentliche Kontrollen und der Einsatz von 138 Zu Falschinformationen als Verletzung von Persönlichkeitsrechten im Privatrecht vgl. etwa Beater, A., in: Sörgel, BGB, 2005, § 823 Anh. IV Rn. 177; Sprau, H., in: Palandt, BGB, 65. Aufl. 2006, § 823 Rn. 94 / 101 a. 139 Zum Kontrahierungszwang s. Kilian, W., Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47 ff.; Bydlinski, F., Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwangs, AcP 180 (1980), 1 ff.; ders. Kontrahierungszwang und Anwendung allg. Zivilrechts, JZ 1980, 378 f.; Busche, J., Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999; Söllner, W., Kontrahierungszwang und Vertragsfreiheit; Koziol / Rummel

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Hoheitsgewalt blieben gegenüber den Medien ein letztes, stets misstrauisch betrachtetes, allgemein als odios empfundenes Gestaltungsmittel. „Eigentlich“ hat dieses als solches überhaupt keinen Platz in einer liberalen Kommunikations- und Medienlandschaft. Die Rechtsbeziehungen der Medien zu den Bürgern, zu allen Informationskunden sind und bleiben wesentlich privatrechtlicher Natur. Die innere Organisation der Sender muss jener typisch privatrechtlich-gleichstellenden journalistischen Freiheit und Egalität entsprechen, welche außerhalb des Privatrechts kaum vorstellbar wäre. Soweit Streitigkeiten mit Anstalten des Öffentlichen Rechts diesem letzteren Bereich prozessual zugeordnet werden, ändert dies nichts an ihrem materiell eben doch privatrechtlichen Charakter; und dieser kann ja durchaus auch öffentlichen Belangen, eingekleidet in die Form allgemeinerer Privatinteressen, Rechnung tragen. Deutlich zeigt sich diese Wendung zu einer Privatisierung selbst „an sich hoheitlicher Kontrollen“ in der Entfaltung der Selbstkontrollen,140 welche ein „polizeirechtliches“ Eingreifen weitestgehend überflüssig machen, sich an seine Stelle schieben sollen. Damit wandelt sich die hoheitliche Kontrolle in privatrechtliche Formen. Selbst wo noch hoheitliche Ausprägungen von Kontrollen beibehalten werden, in der Organisation von „Agencies“, sind all dies letztlich nur mehr Rückzugsgefechte eines Öffentlichen Rechts der Hoheitsgewalt aus dem Medienbereich, und sie werden seitens des Staates mit immer größerer Zurückhaltung geführt, verbal schon über einen „Agentur-Begriff“, der dem Recht des privaten Vertriebs entlehnt ist. Schließlich zeigt auch die Kontrollorganisation der „gesellschaftlich zusammengesetzten Gremien“ der Rundfunkräte,141 dass hier keine Grundstimmung „Öffentlicher (Hg.), FS f. Bydlinski, 2002, 517 (518); Schöbener, B. / Stork, F., Anti-Diskriminierungsregelungen der EU im Zivilrecht ZEuS 2004, 45 (64). 140 Zur Selbstkontrolle der Medien s. Schweizer, R., in: Rebinder (Hg.) FS f. Günter Herrmann, 2002, S. 121 (122); Groß, Th., NVwZ 2004, 1393 (1399); Ullrich, M., MMR 2005, 743 (744).

III. Privatrechtsgehalt organisatorischer Verfassungsstrukturen

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Gewalt“ (mehr) herrscht: Wie sollten sich denn auch diese wesentlich gesellschaftlich bestimmten, weithin von privat verfassten Trägern entsandten Kontrolleure mit einem Mal zu Vertretern einer Hoheitsgewalt wandeln, die sie ohnehin in der Praxis nur höchst zurückhaltend und in einer Atmosphäre ausüben können, welche mit der einer audiovisuellen Polizei nichts mehr gemein hat. Hier zeigt sich also eine bemerkenswerte Wandlung öffentlich-rechtlicher Gestaltungen in solche des Privatrechts, mehr noch: Öffentliche Belange – die es ja durchaus gibt – lassen sich bruchlos koordinieren mit der Wahrung der rein privaten Interessen, etwa der werbenden Wirtschaft oder der in ihren Persönlichkeitsrechten gefährdeten Personen der Zeitgeschichte. „Staatsschutz vor Medien“ allenfalls gehört jenem sehr engen strafrechtlichen Bereich an, von dem bereits die Rede war – und er ist grundsätzlich problematisch. Stillschweigend hat sich im Medienrecht eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts sowohl historisch als auch gerade in den letzten Jahrzehnten im audiovisuellen Raum vollzogen. Was nun aber besonders bedeutsam ist: eben dies ist verfassungsrechtlich gefordert und gewissermaßen verfassungsrechtlich ratifiziert. Das Grundgesetz ist es doch, welches nach der Verfassungsrechtsprechung diese audiovisuelle Organisation in ihren Grundzügen festlegt und normativ fordert.142 Die Verfassung gerade sichert die vollständige Freiheit von einseitigen Einflüssen politischer wie übrigens auch privater Gewalten, sie reduziert staatliche Privilegien auf ein Minimum. Und doch geht dieses selbe Verfassungsrecht davon aus, dass die Medien, auch wenn sie in ihm als solche nicht ausdrücklich erwähnt werden, eine beherrschende Rolle in der freiheitlich141 S. dazu Leisner-Egensperger, A., Vielfalt – ein Begriff des öffentl. Rechts, 2004, S. 62 ff.; BVerfGE 12, 205 (262); 57, 295 (324); 83, 238 (333 ff.). 142 Das Grundgesetz fordert gerade diese gleichordnende audiovisuelle Organisation. Dies muss auch in der binnenpluralistischen Organisation der Rundfunkanstalten zum Ausdruck kommen, vgl. dazu Starck, in: v.M / K / St, GG 5. Aufl. 2005, Art. 5 Rn. 129 ff.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

demokratischen Ordnung spielen. So ist denn das Medienrecht auf breiter Front Gegenstand verfassungsrechtlicher Ordnung letztlich immer in dem Sinn seiner Freiheit, damit seiner Zuordnung zum gleichordnenden Bereich des Privatrechts. Zugleich bleibt unbestrittenes Faktum, dass das ganze Funktionieren der demokratischen Staatlichkeit aufruht auf der Aktion der Medien, nicht zuletzt deshalb erfüllen sie eine „öffentliche Aufgabe“ – deshalb aber sind sie noch längst nicht dem Öffentlichen Recht in ihren Rechtsbeziehungen allgemein zuzuordnen. Im Medienrecht hat sich eine eigenartige Privatisierung des Rechts vollzogen, welche für viele andere Bereiche beispielhaft sein und immer mehr werden kann. Nicht nur Öffentliche Gewalt ist hier in keiner Weise wesensnotwendig, öffentliche Interessen lassen sich auch als private durchaus sachgerecht schützen, wie wenn es sich um (gebündelte) private Belange handelte. d) Bürgerstaat – Bürgernähe: privat(rechtlich)e Staatlichkeit All diese Phänomene einer nicht nur materiellrechtlichen, sondern organisationsrechtlichen Privatisierung öffentlicher Bezüge lassen sich immer deutlicher „hochrechnen“, im Namen eines Grundprinzips der Demokratie, zu einer „Bürger-Staatlichkeit“, welche Privatrecht ins Staatsrecht hinein nimmt, dieses am Ende zu einer Form von jenem werden lässt. Der „Bürger“ versteht sich nach der Verfassung primär, wenn nicht ausschließlich als Privater, sein Eigentum wird als „Eigentum Privater“ geschützt. Und wenn man den Staat als einen „größeren Privaten“ erkennt, so wird man die angeblich geringere Schutzwürdigkeit des öffentlichen Eigentums143 143 Die geringere Schutzwürdigkeit staatl. Eigentums nach Art. 14 GG wird vor allem daraus abgeleitet, dass die Hoheitsgewalt nicht gegen sich selbst geschützt zu werden braucht, und dies wird dann auf die Erfüllung gleich welcher öffentl. Aufgaben durch juristische Personen des öffentl. Rechts übertragen, grdl. BVerfGE 61, 82.

III. Privatrechtsgehalt organisatorischer Verfassungsstrukturen

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aufgeben können und es, wie außerhalb der Grundrechtlichkeit seit jeher angenommen, dem Eigentum Privater vollständig gleichstellen. In der Demokratie wirkt der Bürger aus seiner Gesellschaftlichkeit heraus in den Staat hinein – und der Staat wirkt in Bürgernähe144 auf ihn zurück, dieser Begriff prägt nunmehr die gesamte Verwaltungsorganisation. Die Verwaltungswissenschaft hat dies als solches erkannt und bereits systematisiert, es beginnt sogar, auf einer weiteren Stufe, die Dogmatisierung der Bürgernähe. In ihr findet die Theorie vom Pluralismus in die Staatsorganisation hinein, sie kann dorthin nicht über Hoheitsgewalt getragen und verfestigt werden. Die bisherigen Über / Unterordnungsbeziehungen, welche das Öffentliche charakterisieren sollten, wandeln sich allenthalben in Vorstellungen von einem Austausch (vgl. unten C III), welche Staatsunternehmen dem Bürger in (privater) rechtlicher Gleichordnung gegenüber stellen. Wenn darin mehr liegen soll als billige Demagogie, in der sich nur ein neuer Wohlfahrts-Polizeistaat breit macht, so kann dies lediglich in einem Sinne rechtlich verfestigt werden: indem in allen bisher durch Hoheitsgewalt geprägten verwaltungsrechtlichen Beziehungen im Namen der Bürgerfreiheit maximal und optimal Gleichordnung hergestellt wird. Das rechtliche Instrument dazu stellt das Privatrecht in seiner Gleichordnung, in seinen zahlreichen gesellschaftsrechtlichen Formen zur Verfügung. In dieser privatrechtlichen Gesellschaftsrechtlichkeit bewährt sich dann auch jenes angeblich so typisch staats- und öffentlich-rechtliche Mehrheitsprinzip der Demokratie in neuer, echterer, nicht mehr in der künstlichen, von Rousseau ins Staatsrecht getragenen Form: Die Mehrzahl entscheidet nur aus einem Grund: weil der Abstimmungskörper aus Gleichen besteht und die Mehrzahl damit über einen Mechanismus der Gleichordnung wirkt, nicht im Befehl, sondern im Über144 Sie wird etwa bei Schuppert, G. F., Verwaltungswissenschaft, 2000, insb. S. 922, bereits systematisch als Kriterium eingesetzt.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

wiegen. Beendet ist das „Durchschlagen“ mit der Gewalt des Öffentlichen Rechts, seine Organisationen und (Mehrheits-) Formen haben sich ebenso zu legitimieren und zu bewähren wie die aller privaten Gesellschaften. Dies ist der organisationsrechtliche Weg, den das Grundgesetz weist.

IV. Die Wandlung der Staatsaufgaben – Primat der Wirtschaftsordnung: einer „privatrechtlichen Aufgabe“ 1. „Staatsaufgaben“ – ein Begriff in der Krise a) Wer nicht aus eigenem höheren Recht befehlen kann, herrschen in einer Form von Gottesgnadentum, jedenfalls aus theokratisch fundierter Legitimation heraus, der muss sich funktional legitimieren, aus seiner Aufgabenstellung und -erfüllung. Diese Grundstimmung hat der demokratische Staat geschaffen, und sie ist zu seinem Problem, zu seinem Schicksal geworden: er muss sich ständig rechtfertigen aus seinen Staatsaufgaben, wie sich auch alle seine Institutionen, etwa das Berufsbeamtentum,145 nur aus ihrer Aufgabenstellung und -erfüllung legitimieren lassen. Mit dieser funktionalistischen Betrachtung gerät demokratische Staatlichkeit von vorneherein in eine Defensive, welche sie stets geschwächt hat; seit langem zeigt sich dies in den oft gequälten Versuchen der so genannten Staatsrechtfertigung.146 Viel hat dieser Staat an Macht vom absoluten Monarchen geerbt, die (französische) Volkssouveränität von Ludwig XIV., nur eines nicht: aufgabenunabhängige göttliche Legitimation. Ihre Befugnisse, zu erfüllen nach herrschender Lehre notwen145 Überblick bei Leisner, Walter, Legitimation des Berufsbeamtentums aus der Aufgabenerfüllung, 1988. 146 Zur Staatsrechtfertigung vgl. etwa Kelsen, H., AStL 1925, S. 27 ff.; Krüger, Herbert, Allg. Staatslehre, 1964, S. 196 f.; Isensee, J., Die alte Frage nach der Staatsrechtfertigung, JZ 1999, 265 ff. Überblick über die neueren Versuche bei Zippelius, R., AStL 14. Aufl. 2003, §§ 16 ff.

IV. Die Wandlung der Staatsaufgaben

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dig oder doch am besten unter Einsatz der Hoheitsgewalt, bedürfen ständig einer Rechtfertigung, welche sie bis in ihre einzelnen Ausprägungen hinein legitimieren muss. Die Folge müsste eigentlich sein: Öffentliche Gewalt, damit Öffentliches Recht nur dort, wo dies die nachweisbar bessere, effizientere Erfüllung der Staatsaufgaben gewährleistet. Die Dogmatik des Öffentlichen Rechts hat sich diese Aufgabe seit langem allzu leicht gemacht. Was eben „herkömmlich“ unter Einsatz von Hoheitsgewalt geregelt wurde, hatte von vorneherein eine Vermutung von deren notwendigem Einsatz für sich; und so kam es zu den dogmatisch unbegreiflichen, allein historisch erklärbaren Unterschieden zwischen der Behandlung von Post und Bahn. Hier klaffte lange Zeit von vorneherein eine offene Flanke des Öffentlichen Rechts, die sich erst außerhalb jeder öffentlich-rechtlichen Dogmatik, im Zuge der Verbetriebswirtschaftlichung, in Privatisierung hat schließen lassen. Es war dies kein Ruhmesblatt einer Wissenschaft des Öffentlichen Rechts: zentrale Lösungen, ja Legitimationen musste sie sich aufdrängen lassen – durch Ökonomie. Das Privatrecht hatte Derartiges nie nötig. Es gibt keine Diskussion um eine Begründung des Privatrechts als solchen, daher auch keine Theorie der Privatrechtsrechtfertigung, es sei denn in Abwehr marxistisch-kommunistischer Rechts- und Staatstheorie, was aber nicht mehr auf der Tagesordnung steht. b) Geblieben ist für das Öffentliche Recht ein unbefriedigender Zustand: Der Begriff der Staatsaufgaben ist in der Krise. Längst vor Beginn der großen Privatisierungswelle in der öffentlichen Verwaltung sah sich die Dogmatik des Öffentlichen Rechts außerstande, wirklich überzeugende Abgrenzungskriterien für den Begriff der Staatsaufgaben zu entwickeln. Ein Zeichen dafür war bereits der Versuch, zwischen „notwendigen“ und „nicht notwendigen“,147 also nur mögli147 S. dazu Gramm, Chr., Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001. Zum Wandel der Staatsaufgaben unter Zurücktreten des hoheitlichen Zwangs vgl. Schoch, F., HbStR, 3. Aufl., 2005, § 37, Rn. 30.

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chen Staatsaufgaben zu unterscheiden. Nie konnte überzeugend dargetan werden, weshalb es diesen letzteren Begriff, mit seinem Zugriffsrecht des Staates, das weithin beliebig gesetzt wurde, überhaupt geben dürfe. Weder konnte bestimmt werden, woran die „bessere Erfüllung“ von Aufgaben unter Einsatz der Hoheitsgewalt sich messen lassen könnte, um wie viel sie denn optimaler sein müsse als Problembewältigung in Gleichordnung des Privaten Rechts. Hier war meist nur Rückgriff auf Traditionen, das Öffentliche Recht als folgsamer Fortsetzer, als Befestigung früherer Machtstrukturen. Im Beamtenten(verfassungs)recht der „hergebrachten Grundsätze“ sollte nun zwar, mit vielfältigen Argumentationen, der Einsatz der Hoheitsgewalt in gewissen Bereichen zur Erfüllung von Staatsaufgaben begründet werden.148 Doch dass es überhaupt und wo es „hoheitliche Befugnisse“ geben müsse, legt eben Art. 33 Abs. 5 GG nicht näher mit Verfassungskraft fest. Dass Hoheitsgewalt zur unbedingten Sicherung der Staatsfunktionen nicht unumgänglich sei, dass diese weitestgehend privatrechtlich erfolgen könne, hat sich bereits gezeigt. Die „bessere“ Aufgabenerfüllung in hoheitlichen Formen brachte überdies Kriterien zum Einsatz, welche rechtlich zumindest nicht voll durchdacht waren: eine Effizienz,149 welche 148 Zu Art. 133 Abs. 4, 5 wurden zwar stets plausible Gründe für den Einsatz von Hoheitstätigkeit („hoheitliche Befugnisse“) genannt, vgl. dazu Leisner, Walter, Der Beamte als Leistungsträger, in: ders. (Hg.) Beamtentum, 1995, S. 201 ff. Dies ist aber noch keine Begründung für die grundsätzliche Notwendigkeit ihres Einsatzes, also für das Vorliegen „notwendiger Staatsaufgaben“; vgl. demgegenüber zum Vordringen privatrechtlicher Gestaltungen: Leisner, Walter, Die undefinierbare Verwaltung, 2003, S. 137 ff. 149 Zur „Effizienz“ als bedenkliches Kriterium für Staatsaufgabenerfüllung vgl. bereits grundsätzlich: Leisner, Walter, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971. Neuerdings s. Mathis, K., Effizienz statt Gerechtigkeit? 2. Aufl. 2006. – Verunklart wird die Effizienzproblematik durch unterschiedliche „Effektivitätstheorien“ (Mandatsrelevanz von Wahlfehlern, vgl. BVerfGE 59, 119 [123]; 89, 291 [304]), wirksamen Rechtsschutz (BVerfGE 49, 220 [225]; 67, 43 [58]) und noch weiter durch den konturlosen Begriff der Funktionsfähigkeit, der etwa auf die Bundeswehr ebenso bezogen wird

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nie zu einer überzeugenden Dogmatik geführt hat, immer Anleihen bei rechtsferneren Materien, nicht nur bei der Nationalökonomie, sondern geradezu bei der Betriebswirtschaft suchen musste, einer deutlich „privat(rechtlich)“ orientierten Disziplin. Als besonders problematisch erwiesen sich die Versuche, eine „Notwendigkeit“ von Staatsaufgaben zu begründen. Hierzu ist bereits über den „angeblich notwendigen“ Einsatz Öffentlicher Gewalt im Bereich der Drei Staatsgewalten oben unter III.2 das Wichtigste ausgeführt worden. Das Ergebnis war eindeutig: Je nach weltanschaulicher Überzeugung oder politischem Geschmack mag dem einen mehr, dem anderen weniger an typischer Staatsgewalt unabdingbar erscheinen. Die Tendenz geht heute sicher – bis zur Inkaufnahme eindeutig anarchischer Entwicklungen150 – in die Richtung einer immer weiteren Verdrängung der Hoheitsgewalt aus vielen Bereichen, nicht zuletzt aus dem des lange Zeit als unabdingbar hoheitsrechtlich verteidigten Beamtenrechts. Überlegungen politischer Opportunität oder betriebwirtschaftlicher Effizienz sind eben allenthalben maßgebend, längst nicht mehr solche einer wie immer geachteten öffentlich-rechtlichen Dogmatik. Dies muss also voruteilungslos gesehen werden: Die Staatsaufgaben sind als solche in einer kaum mehr zu bewältigenden Dauerkrise, in fast allen ihren Begriffsinhalten. Zurückgedrängt werden sie nicht zuletzt durch die Infragestellung der unbedingten Notwendigkeit eines militärischen Außenschutzes und durch die immer klarere Erkenntnis, dass sich selbst der Innenschutz der Bürger flexibel und sachgerecht in weicheren Formen des Privatrechts leisten lässt. Der Begriff der Staatsaufgaben als eine Sperre für eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts ist nicht nur in einzelnen Bereichen un(vgl. BVerfGE 48, 127 [160 f.]) wie auf das Parlament, bei dem sie den Fraktionszwang rechtfertigen soll (BVerfGE 10, 4 [14]; 102, 224 [237 f.]). 150 Dargestellt bei Leisner, Walter, Die demokratische Anarchie. Verlust der Ordnung als Staatsprinzip, in: Demokratie, 1998, S. 449 ff.

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B. Privatrechtliche Elemente im Öffentlichen Recht

glaubwürdig geworden, er entfällt wohl weithin als solcher, als Kriterium einer Publifizierung in seiner traditionellen Allgemeinheit. 2. Die Entdeckung der „Wirtschaft als Machtfaktor“ – Achtung ihrer privatrechtlichen Strukturen a) Es ist noch nicht lange her – gemessen an der jahrtausende langen Rechtsentwicklung – dass „das Wirtschaften“ als solches entdeckt wurde als rechtlicher Ordnungsbereich: in der Nationalökonomie und, auf ihr fußend, der Wohlfahrtsstaatlichkeit des 18. Jahrhunderts. Wie selbstverständlich suchte das Recht sie als solche systematisch zu erfassen in privatrechtlichen Kodifikationen. Darin konnte spätere öffentlich-rechtliche Dogmatik bereits einen ersten Übergang ins sich entfaltende Öffentliche Recht sehen,151 in ihrer Perspektive nur folgerichtig. Diese neue Befehlsordnung seit der Französischen Revolution wurde jedoch alsbald zurückgedrängt durch einen Liberalismus, der zwar die Wirtschaft als solche, als eine, ja als die entscheidende politische Macht erkannte, sie aber weder dem neuen Befehlsrecht der Herrschaft ausliefern wollte, noch einem durchgehend-einengenden Privatrecht. Darin traf sich die Skepsis über einen „Beruf der Zeit zur Gesetzgebung“ mit dem Liberalismus. Immerhin blieb „die Wirtschaft“ diesem Privatrecht näher, und das Bürgerliche Gesetzbuch konnte als ihre kodifikatorische Ordnung verstanden – und aus sozialer Sicht kritisiert – werden.152 Die Grundrechte, eigentlicher Ausgangspunkte einer öffentlich-rechtlichen Ordnung der „Macht der Wirtschaft“, traten ja in diesem 151 Insbes. das Preußische ALR zeigt in der kodifikationstypischen Zusammenfassung von privatem und öffentl. Recht Übergänge zwischen beiden Ordnungen, vgl. dazu Krause, P., in: Wolf, J., Das preußische allgemeine Landrecht, 1995, S. 69 ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1996, S. 330. 152 Vgl. Wolters, M., Die Zentrumspartei und die Entstehung des BGB, 2001, S. 423 ff.; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. Aufl. 2004, S. 406 f.

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19. Jahrhundert hinter die – liberale – „Staatspolitik“ der allgemeinen Gesetzgebung zurück. Das Öffentliche Recht versuchte weder im Reich noch in den Ländern153 eine normative Wirtschaftsverfassung. b) Mit der Weimarer Reichsverfassung gelangte die formelle „Wirtschaftsverfassung“ auf die Tagesordnung, zugleich wurde „die Wirtschaft“ in einem neuen Sinn als Machtfaktor und Machtinstrument entdeckt. Die „sozialen Gewalten“ waren nun als solche bewusst und in die Nähe der Verfassungsgewalten gerückt; und dieser Prozess hat sich in der grundgesetzlichen Ordnung fortgesetzt, in den nicht enden wollenden Diskussionen über die Macht der Verbände.154 Sie wird noch erweitert in jener Pluralismusdiskussion über die Macht der Parteien,155 die doch immer wieder auf ein Thema zusteuert: deren Verflechtung mit der „mächtigen Wirtschaft“, welche sich eben Organe sucht, sie in den Parteien findet, politisch wie rechtlich. Die eigentliche Machtdiskussion im Verfassungsstaat findet um die Wirtschaft statt; alles andere und noch immer auch die so genannte „Kultur“,156 sind Verfassungsmarginalien. Ein Verfassungsrecht aber, das so in seinen politischen Gewichten zum Wirtschaftsrecht geworden ist, muss sich gerade 153 In der staatsrechtlichen Literatur vor 1918 finden sich keine Ansätze für eine „Wirtschaftsverfassung“ im Reichsrecht; „Reichsgrundrechte“ hatten die Bundesstaaten 1871 nicht zuletzt auch aus dieser liberalen Grundhaltung heraus abgelehnt. 154 Voll entbrannt nach 1949, vgl. f. Viele Eschenburg, Th., Herrschaft der Verbände, 1955; Kaiser, J., Repräsentation organisierter Interessen, 1956; von Alemann, U. / Heinze, R. G., Verbände und Staat, 1979. 155 Zur Verbindungslinie zwischen Verbands- und Parteienmacht in der Pluralismusdiskussion etwa Fraenkel, E., Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie, 1964, S. 8; Quaritsch, H., Zur Entstehung der Theorie des Pluralismus, Der Staat 19 (1980), 37 [53 ff.]), unter Hinweis auf Carl Schmitt. 156 Zur „Kulturstaatlichkeit“ vgl. f. Viele Häberle, P., Kulturhoheit im Bundesstaat, AöR 124 (1999), 549 ff.; Bischoff, F., Neuer Stellenwert der Kultur in der Politik des Bundes, ZRP 1999, 240; BVerfGE 35, 79 (114); 39, 1 (46); 44, 103 (104).

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auf dessen und damit auf seine eigenen privatrechtlichen Wurzeln besinnen. Dem Öffentlichen Recht ist vor allem eines vorgegeben und als Aufgabe gestellt: die Achtung privater Autonomie als Selbstordnungskraft der beherrschenden „Marktwirtschaft“.157 Sie ordnet sich ja wesentlich selbst in Wettbewerb und Vertrag bis hinauf in die Steigerung dieser Formen in verfassungsrechtlich geschützter Tarifvertraglichkeit. Alle Akteure der Wirtschaft pochen auf diese ihre privatrechtliche Struktur, wollen gerade sie in jenem Machtprozess, in den sie eingebunden sind, um keinen Preis aufgeben. Die Sorgen subventionierter Unternehmen vor einem mit diesen Hilfen einhergehenden Staatsdiktat sind ebenso unaufhebbar wie das zähe Festhalten der Gewerkschaften an ihrem privaten, möglichst wenig nur durch staatliches Gesellschaftsrecht näher bestimmten Status.158 Die Macht der Wirtschaft ist weithin zu einem privatrechtlichen Selbstläufer geworden, in der freiheitlichen Verfassungsordnung der demokratischen Macht. Diese wird sogar noch alimentiert, in großem Umfang, durch die Finanzmittel der Wirtschaft, an denen auch die Steuergewalt Teil hat, als ihr stiller Teilhaber. Dies ist jedenfalls der Sinn jener grundgesetzlichen Bestimmung, nach welcher das Eigentum Privater „zugleich“ Belangen der Allgemeinheit dienen soll; wie weit ein solcher „Halbteilungsgrundsatz“159 reicht, ist dabei ohne Be157 Zur Marktwirtschaft als beherrschender Verfassungsdoktrin vgl. f. Viele: Rupp, H.-H., Die soziale Marktwirtschaft in ihrer Verfassungsbedeutung, HbStR IX, 1997, § 203, insb. Rn. 24 m. Nachw.; Isensee, J., Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, a. a. O. Bd. 5, 2. Aufl. 2000, § 115 Rn. 153 ff.; Leisner, Walter, Die soziale Marktwirtschaft als Grundlage der Wirtschafts- und Sozialverfassung, in: Sodan, H. (Hg.), Die sozial-marktwirtschaftliche Zukunft der Krankenversicherung, 2005, S. 35 ff. 158 Zur wesentlich privat-freiheitlichen Struktur und Aufgabenstellung der Gewerkschaften, wie zu den nur engen Ausgestaltungsmöglichkeiten ihrer Freiheit durch den Gesetzgeber vgl. Kemper, M., in: vM / K / St, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 9, Rn. 83 ff. m. Nachw. zur Judikatur des BVerfG. 159 Zum Halbteilungsgrundsatz vgl. BVerfGE 93, 121; 165; einschränkend neuerdings BVerfG NJW 2006, 1191 ff.

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lang. Wesentlich ist nur: alle Staatstätigkeit ist Teilnahme an privatem und damit wesentlich privatrechtlichem Wirtschaften, hochgerechnet zu der „Wirtschaft“. Warum sollte da die Staatsmacht in ihrem Öffentlichen Recht von anderer Natur sein als die privatrechtlich verfasste Macht, aus der sie finanziell lebt und deren „Ordnung“ ihre wichtigste „Staatsaufgabe“ darstellt, hinter die alle anderen zurücktreten? 3. Kontrollierendes Wirtschaftsordnen als Staatsaufgabe Die Antwort auf diese Frage ist ebenso traditionell wie wenig überzeugend: Die Belange der Allgemeinheit verlangten das „ganz andere“ Öffentliche Recht, das sich eben nicht an jenen Einzelinteressen orientiere, deren Ausgleich Aufgabe des Privatrechts sei. Darin wird ein Grundsatzproblem deutlich, gerade für die freiheitliche demokratische Staatsordnung: sie vertraut ja auf die Selbstheilungskräfte des Marktes, sie sieht die wirtschaftlichen Interessen der Bürger nicht in ihrem isolierenden Gegeneinander, sondern in ihrem sich auswiegenden Zusammenspiel. Dieses aber ist wesentlich im Privatrecht geordnet. Ihm überlässt der Hoheitstaat schon heute möglichst viel in einer Eigenkontrolle, welche ihrerseits wieder in privatrechtlichen Formen ablaufen kann. Selbstkontrollen, Machtmechanismen, ja Autonomien insgesamt sind im Grunde doch nur privatrechtliche Formen staatlich gestatteter Wirtschaftsordnung. Damit aber beschränkt sich das typisch Öffentlich-rechtliche auf Kontrollmittel, welche nur jene privaten Mechanismen am Laufen halten sollten, und lediglich so weit es denn nötig ist. Ob sich aus solcher Subsidiarität,160 wenn nicht immer mehr Marginalität, eines der beiden großen Rechtsgebiete 160 Denn Subsidiarität muss ja ganz allgemein enden im Vorrang der „kleinsten Einheit“, vgl. Isensee, J., Subsidiarität und Verfassungsrecht, 1969, S. 28 ff.; Calliess, Chr., Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der EU, 2. Aufl. 1999 S. 26 f., – also doch des Bürgers in seiner privaten Rechtsträgerschaft.

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aufbauen lässt, ist an sich schon fraglich. Und selbst wenn diese besondere „Herrschaftskorrektur der Wirtschaft“ von größerer, grundsätzlicher Bedeutung sein soll, gegenüber den ebenso laut gepriesenen wie angeblich immer wieder nicht funktionierenden Mechanismen der Marktwirtschaft – wäre nicht gerade dann privatrechtskonforme staatliche Steuerung, ja Gestaltung, die beste, wenn nicht unausweichliche Folge? Muss denn der Überwachende immer nach „ganz anderen Kriterien“ handeln, als sie die Tätigkeit des Überwachten bestimmen? Das Privatrecht gibt darauf eine klare Antwort: Dieselben Kriterien müssen es sein, nach denen gehandelt und überwacht wird, vom Aufsichtsrat im Verhältnis zum Vorstand bis zum Betreuer in der Beziehung zum Schutzbefohlenen. Ist je vertiefend darüber nachgedacht worden, dass die Gegenposition eines eigenständigen Öffentlichen Rechts letztlich nichts anderes ist als die Fortsetzung der alten „Polizey“ des Staates jener Fürsten, welche, von Oben erleuchtet, eben alles besser, nur zu oft auch anders wussten als ihre Bürger? Wenn es diese Letzteren aber sein sollen, welche souverän sind, deren Interessen also zugleich die des Staates sind, so können eben die staatlichen Kontrollen von keiner anderen rechtlichen Qualität sein als diejenigen, welche in den Austauschmechanismen des Privatrechts wirken. Nach den Vertretern eines eigenständigen Öffentlichen Rechts sollen jene Belange der Allgemeinheit, in deren Namen der Staat das privatrechtliche Verhalten der Bürger kontrolliert, herrschaftlich ordnend, „ganz andere“ sein gegenüber den privaten Bürgerinteressen mit ihren viel beklagten Egoismen. Der logische Fehler liegt auf der Hand: Zwar mögen die öffentlichen Interessen von denen der einzelnen Bürgern verschieden sein, vor allem im wirtschaftlichen Bereich. Doch nicht diese inhaltliche Unterschiedlichkeiten legitimieren bereits so tiefgreifende formell-instrumentale Verschiedenheiten staatlicher Ordnungsmittel bei der Kontrolle privaten Wirtschaftens, wie sie die Hoheitsgewalt einsetzen will. Die Kontrollziele liegen heute mehr denn je in ausgleichenden Lösungen, diese aber schafft

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am besten das Privatrecht. Das Beste ist nicht ein Befehl, sondern ein Vertrag. Und wenn der Staat schon eingreifen soll, dann eben am besten durch privatrechtskonform korrigierende Kontrollen. Das Ziel öffentlich-rechtlicher Kontrollen kann also immer nur eines sein: Aufrechterhaltung privatrechtlicher Ausgleichsmechanismen. Folgt man dann aber der Interessenjurisprudenz,161 welche nach Zwecken, Zielen und deren Abwägungen beurteilt, so muss ein zweckorientiertes Öffentliches Recht seinem zielorientierten Wesen nach Privatrecht sein, jedenfalls immer mehr werden. Aufgabe des Öffentlichen Rechts mag dann das Erzwingen von Einung sein,162 doch auch sie hat zu erfolgen in den klassischen Einungsformen, denen des Privaten Rechts. Herrschaftsabbau ist das große Thema der Gegenwart, vor allem gegenüber einer Wirtschaft, die sich nicht als Macht etablieren, an die Stelle des zurückgedrängten Staates soll setzen dürfen. Dies aber kann nur eines bedeuten: Selbstkontrollen so weit wie möglich, Kontrolle jedenfalls stets in Abwägung gegenüber anderen (und deren) Interessen, Staatsgewalt als wirtschaftliches Korrekturband, eingesetzt immer seltener, je besser Privatmaschinen von selbst schreiben. Moderne Wirtschaft kennt daher nur einen rechtlichen Zug: den zur Marginalisierung des Öffentlichen Rechts, Privatrecht als „gemeines Recht“, als ein wirkliches Ius commune.

161 Heck, Ph., Begriffsbildung und Interesseniurisprudenz, 1932, (Nachdr. 1995); Edelmann, J., Die Entwicklung der Interesseniurisprudenz, 1967; Petersen, J., Von der Interesseniurisprudenz zur Wertungsiurisprudenz: dargestellt an Beispielen aus dem dt. Privatrecht, 2001. 162 Bei Leisner, Walter, Die Staatseinung, 2. Aufl., in: Das demokratische Reich, 2004, S. 849 ff. Was dort beschrieben worden ist, zeigt im Grunde nur öffentlich-rechtliche Pendants zu Einungen des Privatrechts, und dies noch vor allem in privatrechtlichen, etwa vertraglichen Formen.

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4. Öffentliches Recht als (letzte) strafrechtliche Missbrauchsbekämpfung Für Wirtschaftsjuristen ist schon heute das Öffentliche Recht weithin nur mehr auf eines beschränkt, in einem interessant: Missbrauchsbekämpfung, Verhinderung von Grenzüberschreitungen zu fremden Interessensphären. Derartiges verfolgt aber auch das Privatrecht, ja meist noch weit wirksamer mit Nichtigkeit und Haftungsfolgen163 als es Öffentliches Recht mit seinen komplizierten Verfahrensordnungen und seiner schwerfälligen Bürokratie vermag. Wenig überzeugend ist hier auch der Einsatz jenes – nun wirklich hoheitlichen – Straf(prozeß)rechts, das sich in Teppichhandel von Staatsanwälten und Verteidigern verliert: Stärker als Handschellen treffen privatrechtliche Haftungsstrafen. Wäre dies also im Wirtschaftsbereich nicht eine konsequente Lösung: Aller Interessenausgleich in Rechtsformen des Privatrechts, unter der Aufsicht des Richters – letzte Zähmung Widerspenstiger, Einungsunwilliger mit kriminalrechtlicher Herrschaftsgewalt? Diese Letztere könnte dann, einer Zeittendenz entsprechend, immer weiter psychologisierend und resozialisierend abgebaut werden; am Ende bliebe das Privatrecht gleichberechtigter Bürger, im Extremfall vorübergehende Zwangserziehung Unbelehrbarer. Wird „in der Wirtschaft“ überhaupt noch anders gedacht als in solchen Kategorien von „Resozialisierung“, „Wiedereingliederung“, „Wiederverwendbarkeit“, ist sie nicht gerade deshalb eine überzeugte und überzeugende Macht? Privatrecht war noch immer eine Stufe der Rechtsentwicklung, die sich auf dem Strafrecht und über diesem entfaltet hat. Ist es nicht Zeit, die diesem Privatrecht aufgepfropften, oft nur politischen Strukturen eines Öffentlichen Befehlsrechts abzutragen, damit die geistigen Wurzeln deutlicher sichtbar werden, die im Privatrecht liegen? 163 Zur Problematik der punitive damages und ihrer Einführung ins deutsche Recht vgl. Vollkommer, M., in FS f. Leisner (Isensee, J.,Hg.) 1999, S. 599 (601 ff.).

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Staatsaufgaben – was soll das heute noch bedeuten? Der Bürger kann nahezu alles selbst ordnen, selbst organisieren – das Privatrecht hat ihn dies gelehrt –, vor allem in den ausgleichenden Wirkungen auf sein Wirtschaften. Darin wird dann die „Macht der Wirtschaft zur „politischen Bürger-Macht“. Der Staat als privatrechtlich agierender Aufsichtsrat über einer „privatrechtlich-gleichgeordnet“ austauschenden Wirtschaft – und im Übrigen privatrechtlich organisierte öffentliche Dienste – wäre dies nicht eine bürgernahe Erfüllung von Staatsaufgaben? Dann bliebe nur ein Allerletztes noch übrig von dem ganzen öffentlichen Hoheitsrecht: Vollstreckung des (privatschiedsrichterlichen) Richterspruchs – praktisch eine wahrhaft ultimissima ratio, gewiß nicht ein „großes Rechtsgebiet“.

C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht I. Öffentliche Interessen: wie private Interessen zu verfolgen Schon heute weist das freiheitliche Verfassungsrecht Wege im Sinne des Themas. Private Interessen können zu öffentlichen Interessen werden, als solche geschützt sein; dem Recht der Öffentlichen Sicherheit ist dies geläufig.164 Darin allein zeigt sich bereits die Kommensurabilität öffentlicher und jener privaten Belange, wie sie das Privatrecht ordnet. Der Staatsgewalt wird sogar Wahlfreiheit darin zugestanden, wann sie private Interessen als öffentliche sichern will. Dann aber kann auch die Umkehr gelten, und es gilt in der Tat: Öffentliche Interessen bereits verfolgt und geschützt als wenn es sich um private handelte – in Formen privaten Rechts. Erwerbstätigkeit der Öffentlichen Hand, Fiskalaktivitäten derselben waren von jeher rechtlich nur so erfassbar: Das öffentliche Interesse, aus ihnen Mittel optimal zu beziehen, wurde in Formen des Privatrechts verfolgt. Warum dies dann nicht auch durch die privatrechtliche Geltendmachung von Abgaben-Ansprüchen möglich sein sollte (vgl. oben B III 2b ff), hat sich nie überzeugend nachweisen lassen; es war dies nichts als organisationsrechtliche Kontingenz, verbunden mit einem gewaltsamen Effizienzstreben. Und vor allem: diese Ziele unterschieden sich nie auch nur irgendwie von denen des privaten Gewinnstrebens, wie es vom Staat in den Formen des Privatrechts von jeher verfolgt wird. 164 Zum Schutz auch der privaten Interessen der Bürger vgl. Nachw. FN 123.

I. Öffentliche Interessen: wie private Interessen zu verfolgen

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Nicht nur nach den Zielen, selbst in den Formen wurden öffentliche Interessen ebenfalls von jeher auch privatrechtlich verfolgt: Das Recht der Bahn, lange Zeit der größten Öffentlichen Veranstaltung überhaupt, ist nur das bekannteste Beispiel. Dem Staat haben von jeher privatrechtliche Mittel zu einer Daseinsvorsorge genügt,165 die doch nun wirklich im öffentlichen Interesse geboten wurde. Mit Monopol-Kontrahierungszwängen, Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Abmahnungen und Zahlungsbeitreibung in Formen des Privatrechts konnten generationenlang „Öffentliche Belange“ ebenso wirksam, oft noch weit effizienter verfolgt werden als mit den Mitteln des Verwaltungszwangs. Nie wurde es hier doch deshalb als nötig angesehen, Mittel des Verwaltungszwanges einzusetzen, weil etwa nur dadurch hätte bewiesen und gesichert werden können, dass diese öffentlichen Interessen als „höherrangige“ gegenüber entgegenstehenden privaten durchgesetzt werden sollen. Die privatrechtlichen Instrumente reichten voll aus, um dies zu gewährleisten. Im Privatrecht ist es ja durchaus geläufig, Interessen zu gewichten und abzuwägen; es konnte daher auch immer in vielfältiger öffentlicher Daseinsvorsorge, welche in privatrechtlicher Form vom Staat geleistet wurde, gelingen, den öffentlichen Interessen, als privatrechtlich verfolgten, gebührenden Stellenwert einräumen. Musste dazu wirklich die „Hoheitsgewalt des Öffentlichen Rechts“ bemüht werden? Private Interessen der Bürger sogar, nicht nur des Staates, werden heute allgemein als grundrechtlich gesicherte Höchstwerte, auch im Privatrecht mit einer Strenge, ja Absolutheit geschützt, die zeigt: zu solchem Schutz bedarf es weder durchgehend noch in der Regel des Einsatzes der Hoheitsgewalt. Die einseitige Staatsmacht wirkt „vorsorglich“, sie zwingt den Bürger zum Angriff gegen sie vor Gericht. Warum sollte dies gerade bei öffentlichen Interessen durchgehend unabding165 Zum Wahlrecht insb. der Kommunen zwischen öffentlich-rechtlicher und privat-rechtlicher Ausgestaltung der Daseinsvorsorge vgl. f. Viele Wohlfahrt, J., Kommunalrecht, 2. Aufl. 1998, S. 74.

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

bar sein? Könnten die „Belange der Allgemeinheit“ nicht durch die sämtlichen Vorsorglichkeiten abgedeckt werden, welche das Privatrecht ebenfalls zur Verfügung stellt, von Unterwerfungen bis zum vorläufigen Rechtsschutz, und warum auch durchgehend vorgängige Ordnung, wenn nachträgliche genügen kann? Hinter der angeblichen Notwendigkeit des Einsatzes Öffentlicher Gewalt steht nichts anderes als die stillschweigende aber in solcher Allgemeinheit unbeweisbare These, die so geschützten öffentlichen Interessen seien eben doch höherwertig gegenüber den privaten Belangen der Bürger, verlangten daher „von vorneherein“ nach einem besonderen Schutz. Davon kann nicht die Rede sein. Auch der Staat verfolgte immer, verfolgt noch heute privatrechtlich „fiskalische“ Interessen als „Fiskus“, ja als Rechtssubjekt des Privatrechts; gerade Mittelaufbringung in ihrem Namen war lange Zeit für ihn lebenswichtig. Weil man aber später das öffentliche Interesse mit ihrer Durchsetzung durch Hoheitsgewalt verband, konnte diese ganze „fiskalische“ Staatstätigkeit nie überzeugend dogmatisch erfasst werden. Hier liegt denn auch herkömmlich die offene Flanke der Lehre von der Daseinsvorsorge, die eben den Einsatz der Hoheitsgewalt nicht notwendig verlangt. Warum aber sollten diese Interessen einer wie immer bestimmten Allgemeinheit irgendwie und irgendwo grundsätzlich höher zu bewerten sein als die eines Bürgers? Dies muss doch im Einzelfall auch heute schon stets bewiesen werden, dies allein ist allgemein der Sinn einer Grundrechtsordnung, welche der Bürgerfreiheit so hohen Rang sichert. Zu dieser passt dann aber eine öffentliche Gewalt schon prinzipiell nicht, die mit einem derartigen Anspruch grundsätzlicher Höherrangigkeit oder doch Vorrangigkeit einhergeht, mit dem Einsatz der Hoheitsgewalt verbunden ist. Das Verfassungsrecht der Grundrechte hat einen ganz anderen Ausgangspunkt gesetzt: Es gibt keine grundsätzliche Höherrangigkeit der Interessen der Allgemeinheit gegenüber denen des Bürgers, denn dies wäre nichts als ein unannehm-

II. „Abwägung“ – eine privatrechtliche Methode

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bares grundsätzliches Überwiegen von Mehreren über Einzelne. Auf die Qualität der Interessen kommt es an und auf ihr Gewicht, nicht auf die Zahl der Träger.166 Allgemeinheit – das war stets ein ebenso unklarer Begriff wie der der Daseinsvorsorge.167 Öffentliche Interessen lassen sich auch im Privatrecht ohne weiteres schützen mit dem Gewicht, das ihnen jeweils legitim zukommt. Dies ist in England und Amerika gelungen, Ländern alter Grundrechtstradition. II. „Abwägung“: wesentlich eine privatrechtliche Methode – ein Weg der Privatisierung des Öffentlichen Rechts Im Zusammenhang mit dem Gleichordnungsgebot der verfassungsrechtlichen Gleichheit wurde bereits (B II 1) auf die Schwierigkeit „öffentlich-rechtlicher Abwägung“ hingewiesen. Dies ist hier noch zu vertiefen, aus der Sicht des Privatrechts. Abwägung gegenüberstehender Interessen ist der privatrechtliche Entscheidungsweg schlechthin. Was einem Vertragspartner zugemutet werden kann gegenüber einem anderen, einem Bürger im Verhältnis zu demjenigen, der sich von ihm geschädigt fühlt, all dies ist durch Gegenüberstellung und folgenden Vergleich von Interessenlagen zu entscheiden;168 sie 166 Was übrigens auch den Vorstellungen über die Abwägung eines gegen mehrere Menschenleben zugrunde liegt, neuerdings in der Debatte zum Abschuss von Terrorfliegern, vgl. BVerfG NJW 2006, 751. Dazu Calliess, Chr., ZRP 2002,1 (6); Denninger, E., StV 2002, 96 ff.; Düx, H., ZRP 2003, 189 (194); Sinn, A., NStZ 2004, 585. In allgemeinerem Zusammenhang Werp, V., NStZ 2005, 593; Kersten, J., NVwZ 2005, 661. 167 Der Begriff „Allgemeinheit“ findet sich in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, mit einem je nach dem Rechtsgebiet jeweils spezifischen Inhalt – vom Verfassungsrecht (Art. 14 GG) über Strafrecht (Generalprävention) und Polizeirecht (öffentl. Sicherheit und Ordnung) bis zum Steuerrecht (z. B. § 52 Abs. 1 AO – Belange der Allgemeinheit und gemeinnütziges Handeln). 168 S. dazu neuerdings insbes. Ladeur, K.-H., Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik. Plädoyer für eine Erneuerung der privaten

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

werden im Privatrecht, soweit irgend möglich, monetarisiertrechenbar ermittelt. Dies war das Hauptanliegen jener Interessenjurisprudenz, welche eine Rechtsentscheidung nach vorbestimmten Begrifflichkeiten ablösen sollte. Diese Abwägung ist eine typisch privatrechtliche Entscheidungsfindung, denn sie setzt jene Gleichordnung geradezu begrifflich voraus, welche das Wesen allen Privatrechts ist. Die Waagschalen müssen gleich stehen, bevor in sie Gewichte gelegt werden. Abwägung im Öffentlichen Recht ist demnach begrifflich entweder eine Entscheidung in Gleichordnung – und damit im Sinne des Privatrechts – oder sie ist unvollziehbar, ein Widerspruch in sich. Sollte Hoheitsgewalt eine grundsätzlich höhere Wertigkeit der durch sie gesicherten öffentlichen Belange anzeigen gegenüber privaten Interessen, so kann es eine Abwägung überhaupt nicht geben. Dann überwöge ja jedes Gewicht in der Waagschale des Staates von vorneherein das der Bürgerinteressen. Soll dagegen abgewogen werden, so zeigt dies den Vorgang der Entscheidungsfindung zwischen Staat und Bürger als einen wesentlich privatrechtlichen. Von einer typisch öffentlich-rechtlichen Abwägung zu sprechen, ist dogmatisch fragwürdig. Bestimmt werden müsste ja dann das Gewicht der Interessen der Allgemeinheit, und zwar nach denselben Kriterien, nach denen das Gewicht privater Interessen ermittelt wird, obwohl doch öffentliche Interessen diesen gegenüber als etwas Besonderes angesehen werden, und zwar schon aus ihrem öffentlich-rechtlichen Wesen heraus. Die Herstellung einer Kommensurabilität öffentlicher und privater Interessen versucht zwar jene öffentlich-rechtliche Abwägung im Staat-Bürger-Verhältnis ständig, welche geradezu als ein Normal-, wenn nicht gar als ein Königsweg öffentlich-rechtlicher Entscheidungsfindung erscheint. Dagegen wurden bereits eingehend grundsätzliche Bedenken geltend gemacht;169 doch die eingefahrenen, eingeschliffenen DenkGrundrechtstheorie, 2004; Enderlein, W., Abwägung in Recht und Moral, 1992.

II. „Abwägung“ – eine privatrechtliche Methode

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weisen jenes Öffentlichen Rechts lassen sich nicht leicht verändern. Dabei wird die entscheidende Problematik nie vertieft, kaum je angesprochen: wie schwergewichtig denn die privaten Interessen, welche gegen öffentliche stehen, von vorneherein sein müssen, sollen sich die Waagschalen auch nur annähernd in Gleichstand halten, eine Abwägung sodann zulassen. Ein genereller Malus des Gewichts privater Belange gegenüber öffentlichen Interessen lässt sich praktisch kaum vermeiden, schwer nur ausgleichen. Deshalb wird denn auch, soweit ersichtlich, nirgends behauptet, private Interessen würden durch Gerichte des Öffentlichen Rechts besser, wirksamer geschützt als durch Zivilgerichte. Es war wohl einst ein Sündenfall der Grundrechtlichkeit vor der Staatsraison, dass eine Justizstaatlichkeit aufgegeben wurde, welche die Zivilgerichtsbarkeit zur Hüterin vor allem der wirtschaftsrelevanten Grundrechte bestellt hatte. Denn heute wird kaum jemand in Frage stellen, dass etwa der wirksamste Schutz privaten Eigentums stets vom Dritten Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geboten worden ist, nicht vom Bundesverwaltungsgericht, auch nicht in der Verfassungsgerichtsbarkeit.170 Dies ist die unausweichliche Folge einer Abwägung, welche eben nur in privatrechtlichem Denken zu leisten ist, ausgehend von einer grundsätzlichen Gleichordnung der Beteiligten, nicht aber dort, wo schon mit dem Einsatz der Hoheitsgewalt der einen Seite ein Bonus zugestanden wird, der sich dann nicht einmal dogmatisch definieren lässt. Erst wenn eine grundsätzliche Privatisierung des Öffentlichen Rechts vollzogen, wenn erkannt würde, dass sogar 169 Dazu eingehend Leisner, Walter, Der Abwägungsstaat, 1997, insbes. S. 82 ff. 170 Der schwächere Schutz des Privateigentums durch das BVerwG ggü. dem BGH zeigt sich etwa im Recht der Situationsgebundenheit des Eigentums, wo er sich nach dem BVerwG „aufdrängen“ muss (dazu Leisner, Walter, Situationsgebundenheit des Eigentums, Berlin 1990 m. Nachw.), oder im Recht der vollen Entschädigung, welche der BGH stets als eine „normale“ angesehen hat (vgl. demggü. das Deichurteil des BVerfG E 24, 367 [389 f.]).

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

Staatsrecht aus Privatrecht erwachsen kann, sich mit seinen Kriterien, Methoden entfalten muss – dann erst könnte es eine Abwägung von individuellen und Gemeinschaftsbelangen wirklich geben. Der Begriff der Abwägung wird grundsätzlich missbraucht in einem Öffentlichen Recht, das auf seine ungleiche Hoheitswaage doch nicht grundsätzlich verzichten will. Nicht nur im Staat-Bürger-Verhältnis wirkt demgegenüber schon heute Abwägung als solche im Sinne einer deutlichen „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“; dasselbe ergibt sich auch dort, wo sie zwischen divergierenden oder gar gegenläufigen öffentlichen Belangen eingesetzt werden soll, im Sinne etwa der Hesseschen „praktischen Konkordanz“ von Verfassungsinhalten. Abgesehen davon, dass sich dahinter meist nichts anderes verbirgt als unbewiesene Prioritäten, oft nach verschleierten Privatinteressen, oder ein ebenso wenig begründeter Kompromiss – auch hier soll aus einer Art von Gleichordnung heraus „abgewogen“ werden, in welcher diese verschiedenen öffentlichen Belange ebenso gleichgeordnet nebeneinander gestellt werden, als handle es sich um private Interessen. Die Abwägung öffentlicher Belange untereinander ist also schon begrifflich nichts anderes als ein typisch privatrechtlicher Entscheidungsvorgang – eben zwischen „Hoheitsbelangen“, die aber in ihrem Verhältnis zu einander, grundsätzlich, behandelt werden als gebe es nur Interessen Gleichstehender – eben Privater. Schon gegenwärtig ist der Einsatz der Abwägung als solcher im Öffentlichen Recht ein Weg aus diesem als einem Recht der Hoheitsgewalt heraus, hin zum Privatrecht; denn wo immer abgewogen wird, dort findet Privatrecht statt. Abwägung als solche ist also nicht nur ein Beweis gegen die dogmatische Vollziehbarkeit eines Begriffes der Hoheitsgewalt als solcher und damit eines aus ihr definierten Öffentlichen Rechts. Zugleich ist sie wesentlich eine privatrechtliche Methode, die das öffentliche Recht usupiert hat, in Anspruch nehmen musste, um justiziabel und damit überhaupt Recht zu sein, nicht nur systematisch verstärkte Macht. So wird die Abwägung zu einer breiten Straße, über die das privatrechtliche

III. Das Austauschverhältnis Staat – Bürger

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Denken schon heute alle Bereiche des Öffentlichen Rechts erfasst. Da dies immer mehr praktiziert wird, zunehmend den grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Hoheitsrechts ablöst, ist Abwägung heute bereits ein Kyptovorgang der Privatisierung des Öffentlichen Rechts, als solcher unumkehrbar.

III. Das Austauschverhältnis Staat – Bürger, Kostendeckung und Abbürdung von Staatsleistungen auf Private Austauschbeziehungen beherrschten gewiss nicht das Staats-Bürgerverhältnis in früherer Zeit. Noch bis in die Gegenwart treibt der Staat Steuern ein und gestaltet mit ihnen, wiederum einseitig-hoheitlich, was nach seinem Gutdünken im Interesse der von ihm hoheitlich-bestimmten Allgemeinheit liegt, nach der Maxime: Der Staat erhebt was er will und er leistet was er will. Zwischen Leistung und Gegenleistung gibt es kein do ut des, im Sinne dieses Grundprinzips des Privatrechts. Der Steuerpflicht des Bürgers steht ex definitione keine Leistung des Staates gegenüber.171 Nicht Steuerstaat sollte es heißen, sondern Finanzbefehlsstaat. Hier allerdings bahnt sich nun ein grundsätzliches Umdenken an, auf mehreren Ebenen, aber aus einer Grundhaltung heraus: aus Gleichordnung und damit aus Privatrecht. Staatsmittel sollen für bestimmte Staatsleistungen eingefordert werden, sich an ihnen orientieren. Öffentliches Finanzrecht bewegt sich auf Wegen des Austausches zwischen Bürger und Staat, damit auf Straßen des Privatrechts; der Steuerstaat wandelt sich zum Finanzierungsstaat. a) Ganz hat das herkömmliche Abgabenrecht dies nie vernachlässigt. Seine Kategorie „Beiträge“ orientierte sich stets an 171 So die „klassische“ Definition der „Steuer“ in § 3 AO, der nach dem BVerfG Verfassungsrang zukommt (vgl. BVerfGE 49, 343 [353]; 67, 256 [282]). Dies gilt auch dort, wo der Steuerbegriff weiter ist als der der AO (BVerfGE 55, 274 [299]; 67, 256 [282]).

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

den Vorteilen, welche öffentliche Veranstaltungen und Einrichtungen den sie nutzenden Privaten brachten.172 Was an dieser Austauschbeziehung hoheitsrechtlich zu denken, zu beurteilen sein soll und abzuwägen, ist schon begrifflich nicht einsichtig. Hier findet in einem Zentrum des Öffentlichen Abgabenrechts, und zugleich des Verwaltungsrechts, nichts anderes statt als ein Leistungsaustausch unter gleichgeordneten Anbietern und Nutzern; dass Letztere dabei Bereitstellungskosten zu tragen haben,173 ist auch für das Privatrecht eine Selbstverständlichkeit. b) Der Austauschgedanke hat schon seit langem auch das öffentliche Gebührenrecht erfasst, wenn nicht durchgehend, so doch unter zunehmend wichtigen Aspekten. Wo der Staat lediglich seine Gebühren kostendeckend bestimmt,174 handelt er nicht voll marktgerecht wie ein Privater, denn dies würde auch ein Gewinnstreben beinhalten. Diesen Gewinn bringt er seinen Bürgern zum Opfer und dafür verlangt er zwar Steuern, dies aber völlig ungezielt, ohne jeden fassbaren Austauschbezug zu derart finanzierten Leistungen. Immerhin wird aber in dieser Kostenfeststellung ein Prinzip wirksam, welches auch Ausgangspunkt privatrechtlicher Abwägung und Entscheidung sein kann: auch für den Zivilrichter ist es ja von Bedeutung, wenn eine Seite der anderen etwas zumutet, was nicht einmal deren Kosten deckt.175 172 Zu den Beiträgen als Abgaben vgl. u. a. Kirchhof, F., Grundriss des Abgabenrechts 1991, Rn. 184 ff.; Lang, J., in: Tipke / Lang, Steuerrecht, 18. Aufl. 2005, § 3 Rn. 20; Drüen, K.-D., in: Tipke / Kruse, AO / FGO, Bd. 1, § 3 Rn. 25; Erichsen, H.-U.; Öffentliche Abgaben. Steuern, Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben, Jura 1995, 47 (49 f.); Dorn, H., Kommunales Abgabenrecht 1992, Rn. 147 ff. 173 „Bereitstellungskosten“ für Vorteile können über Gebühren verlangt werden (FN 120). Beiträge werden für die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines durch die Verwaltungsleistung gebotenen Vorteils geleistet, Driehaus, H.-J., in: ders. (Hg.) Kommunalabgabenrecht, 1989, Bd. 2, § 8 (Stand 2001), insb. § 8 Rn. 12 f., Rn. 340 ff. („BereitstellungsNebenkosten“ als beitragsfähiger Aufwand). 174 Zum Prinzip der Kostendeckung als Minimum im Gebührenrecht vgl. Ehle, D., DÖV 1962, 45 ff.; Oberläuter, W., DÖV 1962, 48 ff.; Hörstel, R., BauR 1997, 14 ff.; Wienbracke, M., DÖV 2005, 201 ff.

III. Das Austauschverhältnis Staat – Bürger

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Näher bei privatrechtlichen Entscheidungskriterien liegt bereits das Äquivalenzprinzip im Gebührenrecht.176 Es bedeutet dies ja Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, die Verwaltungstätigkeit wird so beurteilt, als werde sie von einem privaten Rechtsgenossen erbracht. Jede wesentliche Abweichung von dieser Gleichwertigkeit verletzt dieses grundlegende Prinzip des öffentlichen Gebührenrechts, weil dieses sich damit von dem entfernt, was im Privatrecht des Leistungsaustausches eben nach solcher Äquivalenz zu bewerten und zu entscheiden wäre. Allenfalls darin also, dass dem Staat eine gewisse Freiheit eingeräumt bleibt, ob er nach Kostendeckung oder nach Äquivalenz seine Gebühren bemessen will,177 könnte noch etwas Staatstypisches gesehen werden, jenseits von privatrechtlichen Wertungen. Gerade hier aber bahnt sich in letzter Zeit eine grundlegende Wandlung des Denkens im Verwaltungsbereich an. Im Gebührenrecht nähert sich das Kostendeckungsprinzip dem Äquivalenzprinzip, ja es geht in diesem geradezu wirtschaftlich auf, im Namen der Erhebung leistungs-, im Grunde bereits marktgerechter Gebühren:178 Verwaltungsleistungen werden als Äquivalent für Bürgernutzen gesehen und danach bezahlt, als wenn eben ein gleichgeordnetes privates Unter175 Zur Kostendeckung als Minimum im Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs vgl. grdl. BGHZ 111, 188 ff.; allerdings muss dadurch der Leistungswettbewerb verfälscht werden, vgl. BGH NJW 1984, 1618. S. dazu Mees, H.-K., WRP 1992, 223 ff. 176 Zum Äquivalenzprinzip als Grundsatz des Gebührenrechts vgl. Wege, G., KSTZ 1999, 41 ff.; Hörstel (FN 174) 17 ff.; aus der Rechtsprechung u. a. VGH Baden-Württemberg, VBlBW 1998, 373; BVerfG NVwZ-RR 2002, 217 (218); BVerG NVwZ 2003, 1385 (1386); s. auch EUGH Rs. 327 03 u. a. NJW 2006, 37. 177 Eine gewisse Freiheit in der Gebührenfestsetzung nach Äquivalenzoder Kostendeckungsprinzip ergibt sich schon daraus, dass die Kostendeckung (vgl. FN 174, 175) nur eine Untergrenze darstellt für die Anwendung eines ebenfalls flexiblen Äquivalenzprinzips (FNen 176, 178). 178 Die Kommunen haben in letzter Zeit ihre Benutzungsgebühren (vgl. dazu allg. Hess-Haus, M., Kalkulation kommunaler Benutzungsgebühren, 1997) so erheblich angehoben, unter Berufung gerade auf marktwirtschaftliche Kalkulation, dass dies zu Diskussionen und Protesten geführt hat.

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

nehmen diese Leistung erbrächte. Ein hoheitliches Gebührenrecht mit unwirtschaftlichem Befehlscharakter ist kaum mehr vorstellbar. Selbst eine Gebührenstaffelung nach sozialen Gesichtspunkten179 kann nicht als solche, grundsätzlich, Abkehr von einer Vorstellung des Staats-Bürger-Austauschs begründen. Auch Private sind nicht nur nach öffentlichem Sozialrecht, sondern bereits und zunehmend auch nach bürgerlichem Recht zu einem sozialen Verhalten verpflichtet, welches auf die Bedürfnislage des jeweiligen Partners Rücksicht nimmt. Inwieweit dies sich zu einer allgemeineren „Sozialisierung des Privatrechts“ hochrechnen lässt und dabei die Grundstrukturen privatrechtlicher Austauschgerechtigkeit verlassen werden, ist eine allgemein sozial(verfassungs-)rechtliche Frage, die hier nicht vertieft werden kann; sie berührt aber die grundsätzliche Problematik nicht: auch in einem sozial gestalteten Gebührenrecht wird bereits im Ansatz oft privatrechtskonform oder privatrechtsanalog geregelt und für Staatsleistungen Bezahlung gefordert, wenn auch in Rücksichtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Benutzer. c) In das öffentliche Abgabenrecht sind also Austauschvorstellungen bereits tief eingedrungen. Diese Tendenz zu wirtschaftlichem, d. h. aber im Grunde privatrechtlich-abwägend beurteiltem Staatsverhalten im Leistungsaustausch StaatBürger verstärkt sich noch durch eine andere Entwicklung: die der Abbürdung bisheriger Staatsleistungen auf den Bürger. Wenn dieser nun selbst technische Überprüfung seiner baurechtlichen Vorhaben bezahlen muss, wenn von ihm verlangt wird, Mülltrennungen180 durchzuführen, Postleitzahlen aufzuschreiben – in diesen und zahllosen anderen neueren Ent179 Einer „sozialen Gebührengestaltung“ steht die Rechtsprechung allerdings zurückhaltend gegenüber, vgl. etwa BVerfGE 104, 60 (63 f.); ein gewisser Spielraum besteht aber auch hier (vgl. BVerfGE 50, 217 [225 f.]). 180 Zur Verpflichtung der Bürger zur Mülltrennung bei der Abfallentsorgung: Gadeke, M., Öffentliche und private Entsorgungsverantwortung, 2002, insb. S. 109 ff.; Arndt / Köhler, Rechtspflicht des Verbrauchers zur Nutzung des „Dualen Systems“?, NJW 1993, 1945 ff.

IV. Exkurs: Zwecksteuern und Leistungsaustausch Staat – Bürger 121

wicklungen zeigt sich immer nur eines: der Rückzug des Staates aus „Leistungen der Allgemeinheit“, für die kein Bürger bisher bezahlt hat und die daher für den Staat unbezahlbar geworden sind. Der wirtschaftsbewusste Staat bürdet auf den Bürger ab, weil er immer mehr dessen Leistungspartner sein oder werden will, weil er seine Leistungen, wie das moderne Schlagwort lautet, „wirtschaftlich erbringen“ muss. Dies aber bedeutet, dass Staatsleistung und Bürgergegenleistung, finanziell oder verhaltensmäßig, grundsätzlich in einer gleichgeordneten Austauschbeziehung zueinander stehen sollen. Der Staat mag dem Bürger helfen, in wohlfahrtsstaatlicher, hoheitlich gestalteter, mit hoheitlich beigetriebenen Mitteln finanzierter Betreuung. Schon darin aber muss dieser Leistungsstaat nicht nur wirtschaftlich, er muss privatrechtlich denken. Und sodann verfährt er weiter in ähnlicher Weise: Er fördert und fordert zugleich, sein Ziel ist es, den Bedürftigen auf ein Niveau zu heben, auf dem er in Austauschbeziehungen treten kann mit dem Leistungsstaat.181 Darin liegt etwas wie ein „antizipierter Austausch“.

IV. Exkurs: Zwecksteuern und Leistungsaustausch Staat – Bürger Die Staatstätigkeit entwickelt sich also immer mehr zu einem Leistungsaustausch mit den Bürgern, wie er zwischen Privaten üblich ist und privatrechtlich geordnet. Nur der große Steuerbereich erscheint noch immer als eine Finanzreserve einseitig bestimmenden Staatsverhaltens: Die Hoheitsgewalt treibt Mittel ein, und dieser Einseitigkeit der Mittelaufbringung kann dann, so mag es scheinen, doch auch eine Einseitigkeit in der Gestaltung der Mittelverwendung entsprechen. Doch dem ist seit langem nicht mehr so, und immer weniger. Ein großer Teil der hoheitlich erhobenen Mittel ist 181 Zum Grundanliegen von „Hartz IV“ (Fördern und fordern zugleich) vgl. Bauer, H., DÖV 2004, 1017 ff.; Zuck, R., NJW 2005, 649 (650); Mayer, Udo, R., NZS 2005, 568 ff.

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

für Leistungen in privatrechtlichen Beziehungen des Staates festgelegt,182 so etwa zur Bezahlung seiner Angestellten, aber auch seiner Beamten, deren Status sich immer mehr dem des Tarifpersonals annähert, also letztlich bereits stärker von privatrechtlichen Kriterien des Leistungsaustausches bestimmt wird183 als von den eher marginalen Treueverpflichtungen dieser Staatsdiener. Weit überwiegend stehen die staatlichen Haushalte in Austauschbeziehungen, welche in Wertungen und Kriterien des Privatrechts ausgestaltet sind und ablaufen – damit indirekt auch mit dem Bürger, von dem die Steuermittel kommen: ihm werden ja diese bezahlten Leistungen erbracht. Eine eigenartige Entwicklung zu jenem Austausch zwischen Staat und Bürger, wie er auch Gegenstand privatrechtlicher Leistungsbeziehungen sein kann, entfaltet sich sogar im Zentrum des staatlichen Hoheitsbereichs, in den Zielen der Besteuerung. Dass der Steuerleistung des Bürgers keine Gegenleistung des Steuerstaates gegenüber steht, entspricht herkömmlicher Abgabendefinition (§ 3 Abs. 1 AO). Doch auch dies vermag der demokratische Bürger-Staat auf Dauer nicht mehr durchzuhalten, nicht voll jedenfalls in der Motivation seiner Gesetzgebung. Zwecksteuern, eine haushaltsrechtlich zwar problematische Kategorie,184 was die Durchsetzung solcher Bindungen 182 Hier steht den öffentlich-rechtlichen Trägern kein Leistungsverweigerungsrecht zu unter Hinweis auf fehlende Haushaltsmittel, vgl. Leisner, Anna, Die Leistungsfähigkeit des Staates, 1998, S. 141 ff. m. Nachw. 183 Die Festlegungen des Haushalts durch privatrechtlich beinflußte Beamtenausgaben, ist übrigens bereits eine Folge des Alimentationsprinzips (vgl. Leisner, Anna, a. a. O. S. 152 ff.). Privatrechtliche Gestaltungen wirken in den öffentl. Dienst vor allem hinüber durch die laufenden Übernahmen tarifvertragl. Verhandlungsergebnisse auf die Beamtenversorgung. 184 „Zwecksteuern“ werden nach dem BVerfG zwar in gewissen Gestaltungen als zulässig angesehen (BVerfGE 36, 66 [70 f.]; 49, 343 [353]; 93, 319 [348]). Zweckbindung bei einem weit überwiegenden Teil der Steuern würde jedoch das parlamentarische Entscheidungsrecht des Haushaltsgesetzgebers verletzen (BVerfGE 82, 156 [180 f.]; 93, 319 [348]). Zur

IV. Exkurs: Zwecksteuern und Leistungsaustausch Staat – Bürger 123

anlangt, dienen aber immer häufiger der Steuerrechtfertigung.185 Gerade in Bereichen, wo nun wirklich kein fassbarer Leistungsaustausch zwischen Staat und Bürger stattfindet, wo das „Unternehmen Hoheitsstaat dem Bürger nichts leistet“, wofür es eine fassbare Gegenleistung erhielte, wird der staatlichen Förderung wenigstens ein solches Ziel unterschoben. In den Bereichen Verkehr und Bildung ist dies heute bereits gängige Steuerrechtfertigung, mag es sich nun formal in Zwecksteuern verfestigen oder nicht – Steuererhöhungen kann der Hoheitsstaat oft nurmehr politisch durchsetzen, wenn er sie mit Gegenleistungen zu motivieren vermag, für mehr Bildung, mehr Straßen, weniger Lohnzusatzkosten für die Unternehmen. Überall tritt etwas wie ein globaler Austauschcharakter in diesem Steuerstaat in Erscheinung; und damit nähert sich sein Steuerrecht bereits deutlich privatrechtlichem Denken. Die Bank verordnet ihrem Kunden Gebührenerhöhungen und andere Belastungen, damit sie solvent für ihn bleibe, ihm auch weiter ein leistungsfähiger Partner. Der Staat fordert Steuern, weil er damit dem Bürger zwar nicht Leistungen im Einzelnen zurückgibt, wohl aber globale Bereitstellungen, Nutzungsmöglichkeiten, etwa seiner Sicherheitsdienste, ja in einem tatsächlichen oder gar rechtlichen Benutzungszwang z. B. in der Schulpflicht. Die Staats-AG betreibt soziale Einrichtungen, sie baut Straßen, Wohnungen und Schulen und unterrichtet in diesen. Was unterscheidet sie dabei noch von Großunternehmen, welche ihren Arbeitnehmern Ähnliches bieten oder gar Gleiches – und dies alles durchaus in privatrechtlichem Leistungsaustausch? grds. Problematik des „Haushalts in Gesetzesform“ vgl. Leisner, Walter, Die Krise des Gesetzes, 2001, S. 209 ff. 185 So wird eine Erhöhung der Einkommensteuer (Reichensteuer) mit Bildungsanstrengungen, die der Umsatzsteuer mit der Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung begründet. Eine zentrale Bedeutung hatte der Steuerzweck bereits bei der Rechtfertigung der Ökosteuer erlangt (BVerfGE 110, 274) – ihr wurde gerade systematische Zweckverfehlung entgegengehalten.

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

Steuererhöhungen lassen sich heute nur mehr im Wege überzeugender Steuerzweck-Ankündigungen oder doch -Behauptungen durchsetzen. Der Leistungsaustausch-Gedanke des Privatrechts hat das Steuerrecht in einer zentralen Motivation erfasst. Gerade im Steuerrecht prägen aber Zwecke den (Abgaben-)Begriff.186 Wird die Steuergewalt lange noch mehr sein als ein Erhebungsinstrument für Staatsmittel in einem privatrechtsähnlichen Leistungsaustausch?

V. Subventionen: Gezielte Staats-Leistungen und privatrechtlicher Leistungsaustausch – „Staat als Bank“ Subventionierung wird herkömmlich verstanden als typische Staatsdomäne und als Privileg der staatlichen Hoheitsgewalt.187 In souveräner Wirtschafts- und Sozialgestaltung wählt sie förderungswürdige Bereiche aus, bestimmt Höhe und Formen der Staatshilfen und lässt den Bürger in den Formen des öffentlichen Hoheitsrechts zum Subventionsverhältnis zu188 – so lehrt es dessen Dogmatik. Die Wirklichkeit ist schon längst eine andere: Nicht die Zulassung zur Subvention als Verwaltungsakt steht im wirtschaftlichen Mittelpunkt der Interessierten, sondern ihre Höhe und Abwicklung. Dass die 186 Dies zeigt sich vor allem im Begriff der (grundsätzlich zulässigen) Lenkungssteuer (BVerfGE 98, 106 [117 ff.]; dazu Osterloh, L., NVwZ 1991, 823 ff.), die ihre Grenzen nur in klar definierten (anderweitigen) Kompetenzen zu sachgesetzlichen Regelungen findet. Die teleologische Zielmotivation unterläuft hier bereits weithin die begriffsjurisprudenzielle Zuständigkeitsverteilung. 187 Zur öffentl.-rechtl. Ausgestaltung des Subventionsrecht vgl. allg. Stober, R., Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 677 ff.; ders. Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, 13. Aufl. 2004, § 31; aus früherer Zeit etwa Eppe, F., Subventionen und staatliche Geschenke, 1966; Götz, V., Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966. 188 Zur „Zwei-Stufen-Lehre“, unter (jedenfalls) öffentl.-rechtl. Zulassung zum Subventionsverhältnis, grdl. Ipsen, H. P., Öffentl. Subventionierung Privater, 1956, S. 62 ff.; BVerwGE 1, 308 (310); 38, 281 (283); 45, 13 (14); BGHZ 52, 155 (160 ff.).

V. Subventionen

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Zulassung zum Subventionsverhältnis nach öffentlich-rechtlichen Kriterien beurteilt werden soll, läuft im Wesentlichen nur mehr auf die Anwendung des Gleichheitssatzes hinaus. Doch dieser wirkt, in selbstverständlicher Wirtschaftlichkeit, auch bei jeder privatrechtlichen Kreditierung: sie erfolgt doch nur, wo wirtschaftlicher Erfolg zu erwarten ist; und dies gebietet Gleichbehandlung der Kunden und verbietet jede andere Überlegung als sachfremd. Gegenüber dem Staat wie gegenüber Privaten gibt es zwar Ansprüche auf Subvention in aller Regel nicht.189 Die Bereitstellung der Mittel und vor allem die Auswahl der förderungswürdigen Bereiche erfolgt aber beim subventionierenden Staat letztlich doch nach denselben Kriterien wie bei jeder kreditgebenden Bank: Dem Subventionsgeber soll möglichst viel wirtschaftlicher Erfolg aus dieser Leistung wieder zurückkommen. Für die Bank ist dies selbstverständlich, beim Staat wird hier die Unmittelbarkeit des Austausches oft nur durch eine angeblich allgemeinwirtschafts- und sozialgestaltende Zielsetzung vernebelt. In Wahrheit ist bei ihm das Gegenleistungsinteresse gegenüber dem Bürger das gleiche wie beim Kreditinstitut: es soll ihm möglichst viel aus den wirtschaftlichen Erfolgen der Geförderten zurückkommen, in Steuern, Sozialabgaben, die er sonst selbst tragen müsste, in wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Bürger und Unternehmen. Das mag nicht so klar fassbar sein wie in bankrechtlichen Verträgen; doch lassen nicht auch sie sehr oft, und vor allem bei Größenordnungen, welche denen staatlicher Förderungen vergleichbar sind, gerade diesen Unmittelbarkeitsbezug zur Gegenleistung vermissen, wenn sie nicht geradezu deren Ausfall in Kauf nehmen? Subvention bedeutet nichts anderes als den „Staat als Kreditgeber“, immer weniger aber als Geber von vorneherein verlorener Kredite. Deutlich ist ja die Tendenz zur Spezialisierung der Subventionen,190 zum Abbau flächendeckender 189 Deshalb hat sich denn auch ein durchgehender Gesetzesvorbehalt im Subventionsrecht bisher nicht durchsetzen können, vgl. zur Problematik Selmer, P., JuS 1968, 489 (495 f.); Bauer, H., DÖV 1983, 53 ff.; Zuleeg, M., DÖV 1984, 733 ff.; Stober, R., GewArch 1993, 136 (138 ff.).

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

Staatsförderung, die kaum je in fassbarem Vorteil zurückkehrt. Die Staatsgewalt erkennt also, dass sie ihre Förderung austauschmäßig konzentrieren und umgestalten muss und immer häufiger schaltet sie dafür eben Banken ein. Gerade diese Entwicklung aber drängt den subventionierenden Staat auch in das Privatrecht. Er bedient sich bei der Vergabe dessen Formen, die Abwicklung im Einzelnen wird eindeutig durch sie bereits beherrscht. Die Bestimmung der Gegenleistung bleibt oft noch vage, aber auch hier verstärken sich Präzision und Konzentration auf Überschaubares, etwa auf Steigerung der Steuereinnahmen der Kommunen als „Gegenleistungen“ des geförderten Unternehmens; im Verwaltungsrecht wird nicht selten bereits so kalkuliert, eindeutig privatwirtschaftlich und damit – ganz selbstverständlich privatrechtlich. Nichts steht also einer weiteren, einer durchgreifenden, ja vollständigen Privatisierung des staatlichen Förderungswesens im Wege. Dass es dann weniger Gießkannenhilfen gäbe, Förderung ins Blaue hinein, dass derartiges durch das deutliche „do ut des“ auch beim Staat als Kreditgeber ersetzt würde – entspräche das nicht schon einem mächtigen Zug der Zeit, im Zwang zum wirtschaftlich handelnden Staat? Manchmal mag es noch scheinen, als sei öffentlich-rechtliches Subventionsrecht nur mehr ein Sammelbecken für staatliche Leistungs-Beliebigkeiten, die sich eben dem strengen Zwang privatrechtlich zu beurteilender Gegenseitigkeit in zweifelhafter politischer Großzügigkeit entziehen wollen. Das Privatrecht zwingt demgegenüber aber den Staat schon heute in wirtschaftliche Berechenbarkeit, aus der er nicht mehr in „rein politische“ Zielsetzungen seiner Hoheit fliehen kann. Einst war die Rede von der „Flucht des Staates aus der Hoheitsgewalt ins Privatrecht“.191 Befürchtet wurde, dass sich 190 Diese Tendenz zur Spezialisierung der Subventionen kommt in den periodischen Subventionsberichten der Bundesregierung klar zum Ausdruck und wird vor allem durch die europarechtl. Überprüfung am Maßstab des Beihilfenverbots (Art. 87 ff. EGV) erzwungen, vgl. dazu Leisner, Walter Georg, EuZW 2006, 648 ff.

VI. Die Privatisierungen: Staats-Straßen ins Privatrecht

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die Hoheitsgewalt damit ihren Grundrechtsbindungen entzöge. Heute ist eher (noch immer) die Gegen-Sorge angesagt: Flucht des Staates aus der „Wirtschaftlichkeit in die Hoheitlichkeit“. Zu wünschen ist ein erweitertes Eintreten des Staates ins Privatrecht, in einen Leistungsaustausch, in eine in Gleichordnung beurteilte Wirtschaftlichkeit in den Beziehungen zwischen Rechtsträgern. Sie bringt weit klarere Maßstäbe zum Tragen, im wirtschaftlichen Bereich jedenfalls, als es wirtschaftliche Grundrechte vermöchten, welche durch die Ausgestaltungs-Privilegien der staatlichen Hoheitsgewalt ständig durchbrochen und ausgehöhlt werden, im Namen angeblicher „Belange der Allgemeinheit“. Wiederum: das Beste ist auch im Subventionsrecht nicht ein Befehl, sondern ein privatrechtlicher Ausgleich zwischen Gleichen, nicht eine grundrechtsgebundene Hoheitsgewalt, sondern ein ökonomisch gebundener Leistungsstaat. Er flieht dann nicht ins Privatrecht, er findet– endlich – in dieses zurück, in seine rechtliche Heimat.

VI. Die Privatisierungen: bereits Staats-Straßen ins Privatrecht 1. Privatisierungen: ein rechtliches Phänomen der Abkehr von der Hoheitsgewalt Die „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“ wird hier als rechtsgrundsätzlich wie rechtsdogmatisch nicht nur möglich, sondern als notwendig dargestellt. Sie ist bereits in vollem Lauf in dem wohl bedeutendsten Phänomen des gegenwärtigen Öffentlichen Rechts: seiner nicht Wandlung, sondern völligen Verwandlung in Privatisierungen. Kaum eine Entwicklung wird so intensiv diskutiert in ihren Einzelheiten, aber es klingen dabei auch immer wieder prinzipielle Fragen der Staatlichkeit an192. Dennoch sind die Privatisierungen bis191

Vgl. FN 5.

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

her weder als ein im Grunde einheitliches Phänomen, noch ist vor allem ihre tiefere rechtsdogmatische Bedeutung klar geworden: Sie liegt in einer nicht nur Hinwendung des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht, sondern in seiner Überleitung in dieses, auf immer zahlreicheren Sektoren. Mit einem großen Schwung sind die Privatisierungen in den letzten Jahrzehnten über die herkömmliche Staatlichkeit gekommen. Sie wurden jedoch nicht als eine einheitliche und grundsätzlich notwendige Entwicklung derselben von oben und systematisch in Ziele und Formen des Staatshandelns getragen. Vielmehr schoben sich die Privatisierungen zunächst in Einzelentwicklungen, gewissermaßen induktiv, in die weithin einheitlich von der Hoheitsgewalt geprägten Strukturen der Verwaltung. Hier entfaltete sich in erster Linie eine Verbetriebswirtschaftlichung in einzelnen Sektoren, in denen „eben so besser administriert werden sollte“. Privatisierung war, wo immer begonnen, zunächst eine Form der Verwaltungsoptimierung, nicht der grundsätzlichen Verwaltungsreform; gerade deshalb musste sie nicht das so oft erfolglose Schicksal von Verwaltungsreformen teilen: sie verzichtete auf System, setzte an einigen Punkten an, und dann an immer zahlreicheren, unbekümmert bis zur Systemblindheit. So gelangen ihr, vor allem in der Daseinsvorsorge und bei großen betrieblichen Einheiten wie der Post,193 am Ende übergreifende Vernetzungen, die sich aber nie in zementierender Systematisierung verlieren sollten. Stets wurde dabei ganz konkret auf Entwicklung unternehmensangepasster Formen gesehen, Übergänge zwischen hoheitlichen und gleichordnenden Gestaltungen wurden in Kauf genommen, Restbestände der 192 Zu den Privatisierungen vgl. allg. Gramm, Chr., Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001; Kammer, J., A., Privatisierung, 2001; Berg, H., Privatisierung und Deregulierung, 2002; Weiß, W., Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002; Schneider, V., Der Staat auf dem Rückzug: die Privatisierung öffentl. Infrastrukturen, 2004; Seifert, K. / Metschkoll, M., Privatisierung öffentl. Aufgaben, DB 1991, 2449 ff. 193 Zur Post-Privatisierung vgl. Wieland, J., DV 1995, 315; Grammlich, L., NJW 1994, 2785.

VI. Die Privatisierungen: Staats-Straßen ins Privatrecht

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Hoheitsgewalt geachtet oder langsam nur abgebaut. Die Frage nach „dem Staat“, seiner Einheit und seinen Aufgaben wurde geschickt umgangen oder im Zwielicht gelassen. Betriebswirtschaftliches Gelingen konnte verzichten auf staatsrechtliche Systematik, es war sich selbst Legitimation genug. Wirtschaftliche Erfolge erleichterten den leisen, oft unbemerkten Abschied von hoheitlichem Denken, war doch diese Grundform der Erfassung der Staatlichkeit so eingewurzelt im rechtlichen Bewusstsein, dass sie nur in überzeugtem Verzicht auf systematische Bewältigung umgangen, nicht aber überwunden werden konnte. So sind denn die Privatisierungen, gerade in ihrer unübersehbaren Vielfalt, zum Menetekel für ein Systemdenken überhaupt im Staatsrecht geworden: Dieses Rechtgebiet gewinnt heute seine Entwicklungskräfte vor allem aus induktiv wirkenden Einzelanstößen, welche lange Zeit, endgültig vielleicht, auf Systematik verzichten, sich unbekümmert als unbewältigt präsentieren. Damit bleibt ihnen die große Kraft des Experimentellen,194 des Flexiblen, jederzeit wieder rückgängig zu Machenden, sie sind ein Bemühen, nicht ein Erreichen, nicht Wahrheit, sondern nur Formen einer Suche nach ihr. 2. Die Dynamik der Privatisierungen: Von der Organisation zu den Aufgaben Die innere Kraft der Privatisierungsbewegung liegt in der schillernden Vielfalt der rechtlichen Instrumente und Formen, mit welcher sie einhergeht. Privatisierung ist ein Vereinheitlichungswort – und doch verbirgt sich in ihm die erwähnte unsystematische Vielfalt, zugleich aber entbindet sich aus ihr eine starke Dynamik, zur Entwicklung von Formen staatlichen Handelns, vor allem zwischen zwei Polen: der Organisationsprivatisierung und der Aufgabenprivatisierung in der Verwaltung. 194 Zu den – allerdings nicht unbedenklichen – Experimentiergesetzen vgl. Leisner, Walter, Krise des Gesetzes, 2001, S. 148 ff.

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

Beginnen kann es ja im Raum der Administration, in den weichen Formen der Bürgernähe: von Anhörungen über Verträge bis hin zu flächendeckender Kooperation – und dies alles noch in den herkömmlichen Formen des Öffentlichen Rechts, ja unter Einsatz der Hoheitsgewalt, und sei diese auch nur mehr eine letzte Drohkulisse. Von dort können dann organisatorische Wege weiter gegangen werden, in Teamarbeit, in Boards, in autonomisiertem Verwalten. So entstehen bereits jene Betriebseinheiten, welche, wenngleich noch voll in staatlicher Hand, dort aber doch bereits in ihrer Effizienz privatrechtlich erscheinen und daher sogar zueinander in Wettbewerb treten können. Auf den beiden Straßen der Privatisierung, kann dies nun, zunächst immer noch vom Staat selbst, von seinen öffentlichen Trägern, weiter verfolgt werden: zuerst in Organisationsprivatisierung:195 Die Rechtsbeziehungen zu den Nutzern werden aus verwaltungsvertraglichen in privatvertragliche Formen geleitet. Dabei behält sich die nun schon „Öffentliche Hand“ oft Sonderrechte, Privilegien vor bis an die Grenzen des zivilrechtlich Zulässigen, im Namen eines „Restes von Öffentlichem Recht“ oft noch darüber hinaus – um dies dann langsam fallen zu lassen. Die Organisation des Öffentlichen Unternehmens wird grundsätzlich jenem Gesellschaftsrecht unterstellt, welches ja vielfache Formen der „Beherrschung“ ohnehin vorsieht und sie einem Staat zur Verfügung stellt, der auch in diesem Raum durchaus noch Staat bleiben und Staat machen kann. Damit ist bereits der volle Übergang aus dem Öffentlichen Recht der Hoheitsgewalt in das Private Recht bruchlos rechtlich vollzogen, ohne dass jene Grundsatzfrage der Rechtsprivatisierung wie sie hier im Mittelpunkt steht, auch nur gestellt werden muss. Nachdem eine Einzelform nach der anderen „sachangepasst“ ausgewechselt worden ist, bleiben zwar noch 195 Speziell zur Organisationsprivatisierung vgl. Mandelartz, H., VM 1995, 152 ff.; Koehn, H.-G. / Schröder, J., SächsVBl. 2002, 2005 ff.; Oster, R., Organisationsprivatisierung, BVP 2000, 350 ff.

VI. Die Privatisierungen: Staats-Straßen ins Privatrecht

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Karosserie und Lenker, aber dieses Fahrzeug bewegt schon ein anderer Motor, in einer Konstruktion des Privatrechts. Der nächste, größere Schritt zur zweiten Straße der Privatisierung wird dann als solcher oft gar nicht mehr wahrgenommen: von der Organisationsprivatisierung zur Aufgabenprivatisierung. Die Rechtsformen stellt, bei Fortbestehen der bisherigen Organisationsstruktur, das Unternehmensrecht, vor allem das Gesellschaftsrecht zur Verfügung: von der Beteiligung bestimmter Privater am Unternehmen (Joint Ventures), über dessen Börsengang bis zu seiner vollständigen Übernahme durch nicht-öffentliche Akteure. Nur bei größeren Einheiten führt dies noch zu Grundsatzdiskussionen; in den kleineren, vor allem bei der kommunalen Daseinsvorsorge, bleibt es nur zu oft dem Bürger verborgen. Ein letzter Schritt kann dann folgen: Rückzug der öffentlich-rechtlichen Träger, Übernahme der Aufgabe durch rein privatrechtlich organisierte und handelnde neue Leistungsanbieter. Die Stärke der Privatisierungsbewegung liegt in dieser geradezu proteushaften Wandlungsfähigkeit, in der Verbindung von vertikalen und horizontalen Übergangsmöglichkeiten, welche grundsätzliche Veränderungen verschleiern. Zu all dem kommen noch die ständigen, ebenso vielfältigen Möglichkeiten eines Zurückschaltens auf rein inneradministrative Organisationsprivatisierungen, ja zurück in die Hoheitsverwaltung. Damit verlieren, so scheint es doch, all diese zahllos kombinierbaren Rechtsformen ihre Eigenwertigkeit, sie stehen unter dem einen großen Gebot der wirtschaftlichen Effizienz, das Recht scheint in die Bedeutungslosigkeit reiner Instrumentalität verbannt. Seine Aufgabe ist es allenfalls noch, immer weitere Übergangsformen bereit zu stellen und staatsgrundsätzlich zu rechtfertigen. Es wird zum Nachweis gebraucht, dass der so sich wandelnde Staat als solcher noch nicht gänzlich aufgelöst, völlig nutzlos geworden ist. Denn dies wäre das Ende der Privatisierungswelle: wollte sie einen Staat nicht nur überspülen, sondern zerbrechen, an dem kon-

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

servatives Rechtsdenken ebenso traditionell hängt wie sozialfortschrittliches ihn benötigt für seine notwendigen Veränderungen. Fast scheint es, als brauche die Privatisierung als ein Großphänomen gar nicht bewältigt zu werden, weil sich rechtlich in ihr ja nichts Wesentliches ändert, weil alles doch bleibt im „Spektrum Staat“ – und wenn dieser auch am Ende nurmehr von Außen kontrolliert oder gerade noch ein Funktionieren bisheriger Aufgabenerfüllung letztlich garantiert.196 3. Privatisierungen: eine große Wendung zum flexiblen Privatrecht Aus rechtlicher Sicht zeigen aber doch alle Privatisierungen einheitlich eine grundlegende Rechtsentwicklung: die Wendung der staatlichen Ordnung, im wirtschaftlichen Bereich vor allem, zum Privatrecht. Dies ist übergreifend all ihren Wegen und Formen, ihrem ganzen Spektrum gemeinsam: die Hoheitsgewalt mit ihren befehlenden Formen wird verlassen, mit ihren Überordnungen gegenüber dem Bürger und ihrer Hierarchie innerhalb ihrer Organisation. Der große Königsweg der Privatisierung führt von dieser Überordnung in eine Gleichordnung, wie sie das Privatrecht bieten kann, das dafür auch die rechtlichen Aufnahmeformen bereitstellt. Dies alles wurde und wird denn auch noch immer – gerade mit den Vorzügen des gleichordnenden Privatrechts begründet, unter einem Gesichtspunkt vor allem: der höheren Flexibilität dieser Ordnungsinstrumente in einer rasch sich wandelnden ökonomischen Wirklichkeit. Die Überleitung der Rechtsbeziehungen der Bürger zu den staatlichen Leistungsorganisationen ins Privatrecht, nach dem sich auch die inneren Strukturen der Träger zu richten haben, wird ganz allgemein als Flexibilitätsgewinn angesehen, in Vertraglichkeit und Wettbewerb. Das Öffentliche hoheitlich geprägte Recht erscheint demgegenüber als ein überholter Ausdruck rechtlicher Forma196

Dazu Überblick bei Knauff, M., Der Garantiestaat, 2004.

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lismen, sperriger Formen des Ordnens und der Bedenken, als „Verkrustung“ von Organisationsstrukturen und Rechtsbeziehungen. Für den wirtschaftenden Bürger, den Unternehmer vor allem, ist es von Gewicht, ob er hierarchisch geordnete Verwaltungsstrukturen durchlaufen, in ihnen Beamten begegnen muss, die „nicht wirtschaftlich denken können“,197 weil sie lebenslang ständig hoheitlich entscheiden, oder ob er privatrechtlich beschäftigte Prokuristen und Vorstände antrifft, welche wie er gewohnt sind an gleichordnende Teamarbeit und an kurzfristig vertraglich übertragene Zuständigkeiten. Diese Akteure können nun, nach außen flexibel, vertraglichgleichordnend auf neue Lagen reagieren; im Inneren der Staatsorganisation wird hoheitliches Befehlen ebenfalls durch flexibilisierende Vertraglichkeit verdrängt, wie sie das Privatrecht anbietet. So ist denn allgemein der „Verlust von Hoheitsgewalt“ im Zuge der Privatisierungen nicht kritisch gesehen, sondern begrüßt worden – wenn er überhaupt als solcher auffiel. Grundsätzliche Beachtung hat diese Entwicklung allenfalls noch gefunden in der Diskussion um die Entbeamtung in öffentlichen Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen. Doch gerade in ihr sind die doch wirklich herkömmlichen Gütesiegel der Hoheitsverwaltung mit ihrer Beamtlichkeit rasch gebrochen, alles ist der angeblich höheren Effizienz mit leichtem Herzen geopfert worden. Für das Öffentliche Recht als solches wurde kaum eine Lanze gebrochen. Allzu sehr erschien es ja seit langem verbunden, wenn nicht verfilzt mit Vorstellungen einer „Bürokratie“, einem Gegenstand berechtigter Kritik. Dass sich eine solche auch in Formen des Privatrechts entfalten, ja perfektionieren kann, haben zwar Groß- und Privatunterunternehmen in ihren Beziehungen zu Nutzern und in ihrer 197 Was ja stets ein Vorwurf gegen das Berufsbeamtentum war, vgl. Leisner, Walter, Legitimation des Berufsbeamtentums aus seiner Aufgabenerfüllung, 1988, S. 59 ff. m. Nachw. Eine Legitimation des Berufsbeamtentums aus dessen hoheitlichen Aufgaben und Befugnissen wird dagegen seit langem von den Bediensteten kritisch gesehen (a. a. O. S. 40 ff.).

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

organisationsrechtlichen Unübersichtlichkeit und Schwerfälligkeit eindrucksvoll bewiesen. Dies wurde aber mehr den Betriebsgrößen zugeschrieben als den hoheitlichen oder privatrechtlichen Handlungs- und Organisationsformen. Die Frage „Hoheitliches Öffentliches Recht oder gleichordnendes Privatrecht“ war also weder Ausgangspunkt noch Zentralproblem der Privatisierungen. Dies ist nach dem hier (oben A.) Dargelegten nur allzu verständlich, wenn auch bedauerlich aus der Sicht der herkömmlichen Rechtsdogmatik. Dieser war es eben, wie dargestellt, so wenig überzeugend gelungen, Legitimation oder gar Notwendigkeit eines Öffentlichen Hoheitsrechts zu begründen, dass die vor allem wirtschaftlich interessierte Allgemeinheit darin verständlicherweise nurmehr eines sah: rechtliche Formalismen, sperrige Formen des Ordnens und der Bedenken. Man mag diese ganze Entwicklung bedauern, sie ist aber unumkehrbar. Die Frage muss also gestellt werden nach dem rechtlichen Eigengewicht dieser großen Wende zum Privatrecht, welche die Privatisierungen auf so breiter Front bringen. Und sie zeigt bereits, dass die Stunde des Privatrechts geschlagen hat, dass sich die Uhren nicht mehr zurückdrehen lassen in die Hoheitlichkeit. Dass diese große Bewegung weiter laufen kann, in immer neue Räume, ist schon oben (B III 2) deutlich geworden. Hier gilt es nun noch zu zeigen, dass das Privatrecht nicht nur eine mögliche andere Rechtsform staatlichen Handels ist, sondern ein besonders geeignetes Instrument, mit dem sich das große Ziel aller Privatisierung und damit moderner Staatlichkeit optimal erreichen lässt: höhere Effizienz. 4. Effizienzsteigerung durch Privatrecht a) Alle Privatisierung tritt immer nach einem Gesetz an, das ihr auch zur Begrenzung wird: Mehr Effizienz. „Staatsgewalt“ wird heute nicht als solche kritisiert, ihre staatsgrundsätzliche Berechtigung nicht näher untersucht, ihre Beziehung zur

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Staatsform der Demokratie mit ihrer Volkssouveränität nicht ins Zentrum gestellt. Im Mittelpunkt steht stets nur eines: der leistungsfähige Staat, der in allen Bereichen „produzierende“, sein Output, nicht seine Berechtigung unabhängig von diesem – denn sie liegt nur in ihm. Damit scheint sich die Privatisierungsbewegung von der traditionell primären Fragestellung des demokratischen Staatsrechts zu entfernen: wie viel denn Freiheit sei in dieser Ordnung, und dass dies weit wichtiger bleibe als die Frage, wie viel hier angeblich oder wirklich „produziert“ werde, vor allem wirtschaftlich. Für überzeugte Privatisierer dagegen ist die Freiheitsfrage ebenso sekundär wie die rechtlichen Formen der Privatisierung: sie sehen nur Produktion, Recht als Produktionsmittel. Wie steht es nun mit der Produktivität der Hoheitsgewalt? Hier stellt traditionelle Dogmatik seit langem die Frage nach der „Effizienz des Staates“.198 „Stärkere Wirksamkeit“ kann als solche kein Staatsprinzip sein in der freiheitlichen Volksherrschaft. Freiheit lässt sich nicht produzieren, sondern nur schützen. Vor allem: Hoheitsgewalt ist nicht optimal produzierbar, steigerungsfähig nach Effizienz, sie bleibt eben stets ein Mittel; wird es übermäßig geschärft, so endet alles in der Friedhofsruhe des Polizeistaates. Selbst dort, wo im Öffentlichen Recht an sich optimierend in „Produktion“ gedacht wird, bei der Erbringung sozialer Leistungen, steht dem Effizienzkriterium bei der Staatsbetätigung ein unüberwindlicher Einwand entgegen, aus der Monopolstellung ihrer Träger: Der Output ist kaum je überzeugend als solcher messbar, allenfalls noch in Verwaltungsvergleich relativ feststellbar.199 Dies aber erfolgt in einer Beschränktheit, welche vielleicht wiederum nur Ineffizientes an anderem Wirkungsschwachen misst.

Zur Effizienz im öffentl. Recht vgl. die Nachw. FN 149. Etwa über einen neuerdings angestrebten Wettbewerb der Sozialversicherungsträger, vgl. dazu Hartwig, St. / Manthey, N. V., VW 2001, 997 ff. 198 199

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Wenn sich also hoheitliche Staatsveranstaltungen nach dem zentralen Kriterium der Privatisierungen, der Wirkkraft, kaum überzeugend beurteilen lassen – was bringt dann diese „Wendung zum Privatrecht“, bietet sie nicht doch einen Ansatz zu höherer, zu anderer Effizienz? b) Hier sollte Privatisierung selbstbewusster werden, eingedenk ihrer eigentlichen, tieferen Triebkräfte aus dem Privatrecht. Und wirtschaftliches Effizienzdenken sollte rechtliche Formen nicht – wie es bisher in Politik und Ökonomie verbreitet geschieht – gering schätzen, ohne die es sich doch nicht entfalten kann. Das Privatrecht ist die rechtliche Kontaktform auf Märkten, vom Römischen Forum bis in die Globalisierung ist immer zuallererst privatrechtlich, nicht hoheitlich gedacht und gehandelt worden. Der Markt mit seinem vielfältigen Wettbewerb verbürgt Effizienz, weit über staatliches Planungsdenken hinaus. Dies ist heute von allgemeinem Konsens getragen. Märkte mögen der Korrektur bedürfen, der kontrollierenden Kräfte; doch zuerst einmal muss es sie geben, muss auf ihnen gehandelt werden, muss etwas entstehen, was sodann korrigiert und perfektioniert werden kann. Dies aber kann nur eines sein: privatrechtlich geordneter Verkehr in Gleichordnung. Mit der Hoheitsgewalt des Staates kommt nur zu oft die Korrektur vor dem Korrekturbedürfnis. Das demokratische Staatsrecht hat eine rechtliche Grundweisheit gelehrt: Trennung von Schutzbereich und diesen eingrenzendem Eingriff. Der Schutzbereich kann nie Hoheitsgewalt aufnehmen,200 er ist nichts als Privatrechtsraum gleichgeordneter Autonomie. In seiner Substanz ist der Ordnungsgegenstand des Rechts, sein „Inhalt“ (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG), nur dem Privatrecht zugänglich; mehr als seine begrenzende Korrektur kann Hoheitsgewalt der Demokratie nie leisten. Damit aber ist ihr von 200 Weshalb denn auch Hoheitstätigkeit grds. nicht zum grundrechtlichen Schutzbereich gehören kann; zur Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen s. Huber, P. M., in vM / K / St GG, 5. Aufl. Art. 19, Rn. 261 ff. m. Nachw.

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vorneherein ein stets marginalisierender Zug wesentlich, während das Privatrecht weiter entwickelt werden muss in seinen Inhalten und damit auch in Privatisierungen: von Privatrecht zu Privatrecht. c) Dem Privatrecht ist wesentlich eines eigen, was das Öffentliche Recht nie erreichen kann: Sein Schwerpunkt liegt in der Privatautonomie, vor allem in ihrer Vertraglichkeit, darüber hinaus im eigenständigem Nebeneinander des Verhaltens der Rechtsträger, all dies nach deren eigenem Willen. Damit ist Privatrecht wesentlich Freiheit, in rechtlichen Rahmen geordnet. In ihm können sich daher die produktiven Kräfte dieser Freiheit privatwirtschaftlich voll entfalten, und seien auch öffentliche Bedienstete ihre Akteure. Das Privatrecht geht von Eigenentscheidungen der Rechtsträger aus, ist als solches überhaupt nur eine subsidiäre Ordnung diesen Letzteren gegenüber. Privatrecht ist nichts als Freiheit – rechtlich begrenzt letztlich nur zu ihrem eigenen Schutz. Wenn Effizienz die Frucht von Eigeninitiative und Eigenverantwortung ist, so kann sie nur in dieser Ordnung gedeihen, optimiert werden. Das Privatrecht als Schwerpunktrecht eigenverantwortlicher Freiheit ist weit mehr als eine Rechtsform, es erhält und stärkt die zentrale wirtschaftliche Produktionskraft der Bürger. Die Wende hin zu diesem Privatrecht in den Privatisierungen ist also nicht eine technische Konsequenz, sondern eine effizienzsteigernde Produktionsentscheidung in der Gemeinschaft. Die Privatisierungen im Einzelnen sollten keine Zufallsprodukte sein oder bleiben, sondern als Aktionsräume verstanden werden, in denen sich diese allgemeinere effizienzsteigernde Wendung aus der Freiheit der Gleichen vollzieht (vgl. oben B II 1 und 2), vom Öffentlichen Recht zum Privaten. d) Demgegenüber ist und bleibt die Hoheitsgewalt Trägerin eines Befehlsrechts, einer Form von Fremdbestimmung. Ihr Wesen besteht darin, dass ein Rechtsträger in seine Schranken gewiesen wird durch einen anderen, und dies grundsätzlich, nicht in der Subsidiarität des Privatrechts, „soweit er nicht selbst entscheidet“. Dieses Öffentliche Recht ist immer Pri-

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märrecht, schwerpunktmäßig Fremdbestimmung. Dies liegt ja bereits im Begriff der Über / Unterordnung, die eben dem Untergeordneten keinen grundsätzlichen Freiheitsraum lässt; hier wird geordnet als gebe es einen solchen nicht, als sei er jedenfalls kritisch zu sehen und zurückzudrängen. Dies schafft etwas wie eine entsubjektivierende Grundstimmung, in welcher „Andere ordnen“, nach Interessenlagen irgendwelcher noch anderer – „Allgemeinheiten“. Nimmt also Privatisierung ihre eigentliche Triebfeder, die Produktionseffizienz der Eigenverantwortung, auch nur irgendwie ernst, so wird das Privatrecht aus ihrer rechtstechnischen Folgeerscheinung zu ihrem Primärelement, in welchem Ziel und Instrument zusammenfallen. Die Privatrechtsordnung beruht auf dem Selbstbefehl jedes Trägers, in den Grenzen vieler anderer Selbstbefehle, welche der Markt koordiniert. Fremde Befehlsgewalt ist grundsätzlich beendet. e) Eine Frage aber stellt sich angesichts dieser großen Wende der Privatisierungen zum Privatrecht, an alle zivilrechtliche Ordnung: Kann es ihr gelingen, die Sicherung derjenigen Interessen zu übernehmen – des Einzelnen wie der Bürgerschaft insgesamt – welche das herkömmliche Öffentliche Recht der Hoheitsgewalt bisher geleistet hat, wie weit reicht hier ihre ordnende Kraft, wo gibt es Ordnungsränder, welche doch noch hoheitlich zu befestigen sind. Dazu wurde bereits Wesentliches ausgeführt, und die Praxis der Privatisierungen zeigt hier auch bereits wirksames Funktionieren. In den Formen des Privatrechts kommt von vorneherein eine hoch gesteigerte Selbstordnungskraft, vor allem der wirtschaftlichen, aber etwa auch der kulturellen Akteure zum Tragen. Ihre Wirkungen mit den Mitteln des Privatrechts reichen von Selbstverpflichtungen201 bis zu gemeinsamen Selbstkon201 Diesem Thema der (vor allem normabwendenden) Selbstverpflichtungen gilt in den letzten Jahren zunehmend das Interesse des Schrifttums, vgl. Di Fabio, U. Selbstverpflichtung der Wirtschaft-Grenzgänger zwischen Freiheit und Zwang, JZ 1997, 969 ff.; Helberg, A., Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltrechts, 1999;

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trollinstanzen auf freiwillig-privatrechtlicher Basis. In all diesen Formen werden dann nicht nur enge Einzelinteressen spezifischer Unternehmen gewahrt, sondern bereits jene Brancheninteressen,202 welche der wirtschaftsordnende Gesetzgeber lange Zeit mit hoheitsrechtlicher Ordnungsgewalt zu schützen suchte. Man mag die Wirksamkeit solcher Selbstkontrollen und Selbstverpflichtungen zurückhaltend beurteilen, solange ihre privatrechtliche Verbindlichkeiten nicht durch die Hintergrund-Drohung mit dem Einsatz Öffentlicher Gewalt eine rechtliche Schubkraft gewinnen, welche allerdings meist auch dann erst über kollektive Wahrung vieler privater Interessen in die Sicherung öffentlicher Belange hineinführt. Dass in Selbstkontrolle aber weit mehr noch als bisher auch allgemeinere Interessen geschützt werden können, in flexibler privatvertraglicher Selbstordnung, wird heute kaum bestritten werden. f) Eine weitaus wirksamere Form der Selbstkontrolle, wenn auch als solche bisher kaum bewusst, stellt der private Wettbewerb dar. Hier ist jenes Privatrecht, in dessen Formen er abläuft, bereits seit vielen Jahrzehnten ins Recht des „privaten Staates“ hinaufgewachsen, zutreffend erscheint es geradezu als materielles Wirtschaftsverfassungsrecht. In diesem wirksamsten aller Instrumente gegenwärtiger Wirtschaftsordnung wirkt vor allem Eigeninitiative in Formen des Privatrechts, als Kontrollauslöser durch Klagen und Schaffung von Anspruchsgrundlagen für diese durch eigene Konkurrenzleistung. HoFaber, A., Gesellschaftliches Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001; Franz, W., Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001; Köpp, T., Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001; Pinkert, S., Selbstverpflichtungen als Instrument der Umweltpolitik, 2002; Cansier, D., in: Maußner, A. / Binder, K.G. (Hg), FS f. Claus 1999, S. 359 ff. 202 In der Form der branchenspezifischen „Ausgleichsfonds“, auf freiwillig-privatrechtlicher Grundlage, oder einer zwar gesetzlichen Verpflichtung zur Teilnahme an ihnen, aber doch unter privatrechtlicher Abwicklung. Allerdings wird hier noch weithin hoheitliches Verwalten eingesetzt, vgl. etwa BVerfGE 101, 141 (151).

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heitliche Kartellkontrolle zieht sich immer mehr auf eine Missbrauchsaufsicht in seltenen Fällen zurück, die kein Konkurrent rügt; selbst sie aber trägt schon zunehmend privatrechtliche Züge einer strafbewehrten „Wettbewerbs-Vertraglichkeit“. Eines vor allem muss hier aber noch zum Thema „Wirtschaftsordnung in privatrechtlichen oder hoheitlichen Formen“ festgestellt werden: Das geltende Wettbewerbsrecht ist nicht nur, in seinen prozessualen Sanktionsformen, eine deutliche Ausprägung des Privatrechts, während die Hoheitsgewalt nur allenfalls als dessen verlängerter Arm agiert. Vor allem wird vielmehr die tägliche Wettbewerbskontrolle in aller Regel gerade nicht in hoheitlichen Formen geleistet, sondern über Abmahnungen und Prozesse zwischen gleichgeordneten Privaten, den eigentlichen und am Ende wohl allein wirksamen Wettbewerbshütern. Hier tritt das Privatrecht auf breiter Front an die Stelle des Öffentlichen Wirtschaftsrechts, ja es wird zum wirtschaftsordnenden Staatsrecht. Der Ausbau dieser Instrumentarien muss gar nicht über große Reformanstrengungen erfolgen, sie potenzieren sich in der Praxis selbst, zu einer wirklich mächtigen Form privaten Staatsrechts. g) Verbandsklagen sind bisher vorwiegend als ein Kontrollund Sanktionsinstrument für öffentliche, jedenfalls für unternehmensübergreifende Interessen gesehen und daher pauschal dem Öffentlichen Hoheitsrecht zugeordnet worden, vor allem im Naturschutzrecht.203 Kritik an ihnen ist gerade deshalb berechtigt, weil dabei meist, wenn auch in verschleierter Form, Konkurrenten auftreten, aber nicht offen zur Wahrung eigener Interessen, sondern als selbsternannte Schützer von Belangen der Allgemeinheit. Hier gerade könnte eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts einer derartigen Kritik an einem oft unbestreitbaren Etikettenschwindel den Boden entziehen. Wenn etwa auch im Umweltrecht Private, Einzelne 203 Bizer, J. / Ormond, Th. / Riedel, U., Die Verbandsklage im Naturschutzrecht, 1990; Schmidt, A. / Zschiesche, M. / Rosenbaum, M., Die naturschutzrechtliche Verbandsklage in Deutschland, Berlin 2004.

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wie Verbände, ihre Interessen als solche, eben als private Belange, in Formen des Privatrechts geltend machen dürfen, so wird hier ein Streit privater Interessen auch offen als solcher ausgetragen. Der Gesetzgeber kann dabei das, was er bisher nur als Interessen der „Allgemeinheit“ anerkennt, in gewissen Bereichen durchaus als Rechtspositionen von Bürgern ausgestalten oder auf solche zurückführen, welche sich privatrechtlich vertreten und schützen lassen. Damit wird dann die Verbandsklage, wie bereits gegenwärtig im Wettbewerbsrecht, zu einem zentralen Kontroll- und Sanktionsinstrument wichtiger Interessenlagen, welche Belange Einzelner beinhalten und zugleich solche „anderer“ oder der „Allgemeinheit“. Wenn es dabei gelingt, etwa Umweltinteressen als „private“ zu definieren und zu gewichten,204 kann eine allzu weite Ausdehnung der Wirkungen solcher Kontrollmechanismen, und damit manch massiver Einbruch in das Eigentum Privater verhindert werden. Solange dagegen private Verbandsklagen primär öffentliche Interessen schützen und damit letztlich doch wieder nur Hoheitsgewalt ersetzen sollen, findet im Ergebnis weithin eine Politisierung des Privatrechts statt, in der nur allzu oft private Wünsche und Vorlieben als Belange der Allgemeinheit ausgegeben, insoweit aber kaum näher begründet werden. h) Eine solche Privatisierung des Öffentlichen Rechts, bis zu herkömmlichen Formen staatlicher Aufsicht, Kontrollen und Sanktionen, muss keineswegs als eine revolutionierende Umgestaltung betrachtet werden. In all diesen Selbstkontrollen des Privatbereichs wirkt ja immer nur eine Gestaltung, welche dem traditionellen Privatrecht mit dem neueren demokratischen Verfassungsrecht gemeinsam ist: Der eine Bürger als Kontrolleur des anderen, im eigenen Namen und zugleich in dem (vieler) Dritter. Jeder privatrechtliche Rechtsstreit, in welchem ein Bürger seine privaten Interessen gegenüber einem anderen durchsetzt, entfaltet, jedenfalls auf höchstrichter204 Bei der Schädigung der Wälder fallen private Interessen besonders deutlich mit öffentlichen zusammen, vgl. Leisner, Walter, Waldsterben, 1983. Beim „Umweltschutz durch Eigentümer“ (ders., 1987, insb. S. 26 ff.) zeigen sich durchgehend die privaten Eigentümerinteressen.

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licher Ebene entschieden, Ordnungskräfte als Präzedenzien für viele andere Interessenlagen. Damit wirkt Zivilprozessrecht und das mit ihm durchgesetzte Privatrecht schon laufend, wenn auch wenig bemerkt, wirtschaftsordnend für zahllose privatrechtliche Beziehungen. Abwegig wäre die Vorstellung, dass damit nicht zugleich auch staatliche Wirtschaftsordnung gestaltet und durchgesetzt werde. Ausgelöst wird dies durch Private als Kläger, welche durch ihre Aktionen im Ergebnis nicht anders wirken – nämlich zugleich als Vertreter allgemeiner Belange – als wenn sie als Konkurrenten oder am Naturgenuss Interessierte Abmahnungen und Verbandsklagen vorbringen. Privatrechtliche Interessenverfolgung hat stets zugleich auch allgemeinere, rein individuelle Interessenwahrung übergreifende Rechtswirkungen, jedenfalls über die normgleiche Wirkung ständiger, „herrschender“ Privatrechtsjudikatur“.205 Ist dies einmal klar erkannt, so steht doch nichts grundsätzlich entgegen, solcher privater Interessenwahrung in größerem Umfang zugleich die Sicherung von Belangen der Allgemeinheit zuzutrauen und anzuvertrauen. Immer liegt dem ja ein Prinzip zugrunde: der wesentlich privatrechtlich handelnde Bürger ist gerade aus dieser seiner Privatheit heraus Anwalt zugleich auch der demokratischen Gemeinschaft. Damit er als solcher tätig wird, bedarf es nicht des grundsätzlich-juristischen Umschlags in eine ganz andere Dogmatik, die des Öffentlichen Rechts mit seiner Hoheitsgewalt. Eigeninteressen wahrende private Gewalt kann dies weitestgehend ersetzen, Öffentliche Gewalt jedenfalls auf letzte, wenn nicht geradezu marginale Sanktionsformen zurückdrängen, bis in eine Gerichtsbarkeit hinein, in welcher aber die Hoheitsgewalt kei205 Ob dies dann als eine besondere Rechtsquelle „Richterrecht“ aufgefasst wird (zum Meinungsstand vgl. Sommermann, K.-P., in: vM / K / St GG 5. Aufl. 2005, Art. 20, Rn. 286), mag hier offen bleiben; jedenfalls ist es gerade dem Privatrecht eigen, dass es in einer besonders einzelfall- und damit durch Privatautonomie geprägten Weise zugleich staatsordnend wirkt. Präzedenzien entstehen eben an sich schon weitestgehend aus privatautonomem Handeln, selbst im Öffentl. Recht.

VI. Die Privatisierungen: Staats-Straßen ins Privatrecht

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neswegs wesentlich als eine einseitige erscheint, sondern als Privatinteressen ausgleichende Schiedsstelle. Bei näherem Zusehen erweist sich eine solche Entwicklung, wie sie ohnehin im Laufen ist, auch noch aus einem anderen, einem typisch öffentlich-rechtlichen Grund im herkömmlichen Sinne, als keineswegs revolutionierend, sondern als eine folgerichtige rechtliche Evolution: Auch die Öffentliche Hoheitsgewalt des Verwaltungsrechts wird ja in den weitaus meisten Fällen gar nicht „von sich aus tätig“, sondern eben nur angestoßen durch Private.206 Man mag dies Anregungen nennen oder Denunziationen – der Private wird laufend als eine Initiativgewalt, geradezu als eine Initiativinstanz der Öffentlichen Verwaltung aktiv; ohne private Interessenverfolgung – was fände noch statt an Öffentlicher Verwaltung? Wäre es dann aber nicht rechtlich konsequent, solche Initiativen Privater von vorneherein als das anzuerkennen, was sie im Grunde ja doch nur sind: private Interessenverfolgung? Das Öffentliche Baurecht sieht sich immer wieder zu einer schwierigen Gratwanderung207 gezwungen zwischen Nachbarinteressen und Allgemeinheitsbelangen; und nur zu oft greift noch heute die Öffentliche Gewalt lediglich als der „verschleierte Nachbar“ ein: sie erspart mit dem Einsatz ihrer Hoheitsgewalt einem anderen Privaten den aufwendigen, lästigen Prozess. In einem seiner wichtigsten Bereiche mischt sich damit heute bereits das Öffentliche Recht mit seiner Hoheitsgewalt in den Nachbarschaftsstreit zwischen Privaten ein. Dann aber sollte dieser auch nicht mehr in den dafür unangemessenen Formen des Verwaltungsrechts ablaufen, sondern vor Zivilgerichten als das, was er im Grunde und von 206 Zur Verwaltung als „angestoßener Gewalt“ vgl. Leisner-Egensperger, A., Reaktives Verhalten – Verwaltungsspontaneität in Attentismusgefahr, VwArch 2005, S. 1 ff. 207 Zur Problematik des gleichzeitigen Drittschutzes im Baurecht vgl. die Überblicke bei König, S., Drittschutz, Berlin 1993; Degenhart, Chr., Genehmigungsfreies Bauen unter Rechtsschutz des Nachbarn, 1996; Petersen, K. H. J., Der Drittschutz in der Baunutzungsverordnung, 1999.

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C. Wege des Öffentlichen Rechts ins Privatrecht

jeher war: eine Auseinandersetzung über Privatrechte mit sozial gestaltender Wirkung. In diesem Kapitel wurde also der Nachweis erbracht, dass bei Privatisierungen die öffentlichen Interessen schon heute auch in den Formen des Privatrechts gewahrt werden können, wirksamer sogar als durch den Einsatz hoheitlicher Gewalt. Den flexibel wirkenden Kräften dieses privatrechtlichen Instrumentariums, von denen soeben die Rede war, tut dies keinen Abbruch; und es lässt sich ohne revolutionierenden Systembruch in vielen wichtigen Bereichen des herkömmlichen Verwaltungsrechts weiter ausbauen, im Umweltschutz vor allem und im Baurecht. i) Fast schon nurmehr der Ordnung halber sei noch hinzugefügt, was allzu oft übersehen wird: Der privatrechtsgestaltende Gesetzgeber kann jederzeit und allenthalben eingreifen mit normativen Gestaltungen, in denen er Private in die Schranken des Allgemeinwohls weist. Im geltenden und herkömmlichen Zivilrecht ist dies eine geläufige Erscheinung, bis hin zu Kontrahierungszwängen und so manchen Privilegierungen und Sondergestaltungen zu Gunsten oder gegen Träger Öffentlicher Interessen. Niemand hat daraus aber je abzuleiten versucht, dass es dort „ein Zivilrecht nicht gebe“, oder dass sich dieses damit in Hoheitsgewalt verliere. Stets wurden derartige Sondergestaltungen lediglich als das verstanden, was sie ebenso sind, wie das Bürgerliche Gesetzbuch im Ganzen: eine gesetzliche Ordnung Privat-Gleichgeordneter, gleichgestellter Interessen, zu sichern aus primärer Eigenentscheidung, aus Eigenverhalten der Rechtsträger. Zwingendes Privatrecht hat es immer gegeben, nie ist es als solches zum Öffentlichen Recht umgestaltet worden, nur weil es der „öffentlich-rechtlich handelnde Richter“ anwendete und sanktionierte. Stets wurde eben hier nach einem Schwerpunktkriterium systematisiert: das Privatrecht blieb eine zivilrechtliche Normenordnung, mochte sie auch „hoheitsrechtlich“ durchgesetzt werden. Es würde genügen, dies deutlich bewusst werden zu lassen und es, durchaus system-

VI. Die Privatisierungen: Staats-Straßen ins Privatrecht

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gerecht, weiter in Richtung auf Privatrecht auszubauen. Dann wäre ein Zustand erreicht, wie er moderner demokratischer Staatlichkeit entspräche: Hoheitsgewalt allenfalls als Instrument zur Durchsetzung des Privatrechts, als dessen „letzter Ausläufer“.

D. Fernziel: Kein Ende der Staatlichkeit – aber vielleicht „Privater Staat“ 1. Privatisierung des Öffentlichen Rechts: Nur neue Formen der Hoheitsgewalt? Der hier vertretenen „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“ steht die traditionelle Schwerkraft der Dogmatik entgegen und ihrer Schulen: Soll zur Marginalie werden, was seit langer Zeit ein vornehmes Rechtsgebiet war, soll es geopfert werden dem, was vielleicht doch nicht mehr ist als eine demokratische Mode des Gewaltabbaus? Damit würde aber doch – so ist dem zu entgegnen – selbst wenn sich diese Rechts-Privatisierung immer weiter durchsetzte, nur zurückgelenkt in einen Zustand, der noch Mitte des 19. Jahrhunderts das juristische Bewusstsein beherrschte, es würde lediglich eine längere, weithin sogar nur not- und kriegsbedingte Parenthese geschlossen. Größeres Gewicht haben Bedenken, welche aus dem Bereich kommen, welcher bei einer solchen Entwicklung entscheidend an Bedeutung gewinnen würde: aus dem Privatrecht selbst. Gegenüber ständig zunehmenden Staatsaufgaben – einer noch die Gegenwart beherrschenden traditionellen (meist Angst-)Vorstellung208 – hatte sich die im 20. Jahrhundert immer stärker bedrohte Privatautonomie noch einigermaßen sicher einrichten können in jenem Privatrecht, aus dem sie ihrerseits die Staatsgewalt aussperrte, hinein in deren Domäne des Öffentlichen Rechts. Soll diese nun entscheidend eingeschränkt werden, so drängt sich doch die Sorge auf, dass eine aus den Toren des Staates vertriebene Hoheitsgewalt über die 208 In unterschwelliger Verbindung mit dem schon 1863 von Adolph Wagner behaupteten „Gesetz der wachsenden Staatsausgaben“.

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Hintertüren eines immer mehr publifizierten Privatrechts zurückkehren könnte, dass dieses damit als Ersatz der Hoheitsgewalt, in Beschäftigung mit Sozialen Gewalten denaturiert würde. Abbau der Staatlichkeit wird ohnehin von Vielen, und nicht nur von Liberalen, mit Misstrauen verfolgt: Der staatliche Proteus, der so viel vom Sozialprodukt kontrolliere, fliehe doch immer nur von einer Form des Herrschens in die andere; und wächst nicht die Gefahr für die Freiheit gerade darin unübersehbar, dass an die Stelle der einen, spröd distanzierten, nur allzu oft untätigen Verwaltung das Heer der kleinen Herrscher gesetzt wird, der Bürger mit ihren privaten Egoismen? Dies sind Bedenken, die beim Abbau der Hoheitsgewalt allgemein, wie bei Privatisierungen insbesondere, ernst genommen werden müssen. Privatisierung darf nicht zur Tarnkappe der Staatsgewalt werden, alte Macht sich nicht in neuen Formen, flexiblen, unüberschaubaren, unkontrollierbaren festigen. Die zahllosen Bürger waren schon oft in der Geschichte furchtbare Feinde der Freiheit, gefährlicher für diese als die absolute Monarchie, gerade in ihrer „Privaten Gewalt“. Was hier erwogen wird steht daher unter einem großen Vorbehalt: Privatisierung des Öffentlichen Rechts kann nur gelingen in einer hohen Rechtskultur, getragen von verbreitetem Freiheitsbewusstsein der Bürger. Privatrecht ist zugleich Staatsrecht, aber nur in entwickelten Gesellschaften – das Römische Recht beweist es – erreicht das Privatrecht diese systematische Bedeutung. Das Öffentliche Recht ist etwas, das überwinden will, aber in Entwicklung überwunden werden muss. Doch im Privatrecht darf der Hoheitsstaat weder nur untergehen noch auferstehen – er muss sich wandeln.

2. Der Konsens über den „Notwendigen Staat“ Eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts hat keine Chance, schon gar nicht die einer Hochrechnung zu etwas wie einem „Privaten Staat“, wenn sie aus dem Abbau von dessen Hoheitsgewalt, ihrer Umwandlung in private Beziehungen das Ende

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des Staates begründen will. Diese Akte ist mit der traditionellen kommunistischen Staatslehre endgültig geschlossen, welche das Absterben des Staates vorhersagte, gewissermaßen am Ende der umgekehrten Entwicklung: der totalen Publifizierung des Rechts. Gegenwärtige Staatslehre sieht sich allerdings, in ihren antimarxistischen Ausprägungen, in einer schwierigen Lage, welche Neoliberale vielleicht noch gar nicht voll erkannt haben: Einerseits fordern sie Abbau der Staatsgewalt – und zum anderen dürfen sie damit doch kein fernes Endziel verfolgen, wollen sie sich nicht spätestens darin wieder dem Marxismus nähern, der aus denselben Wurzeln einst erwachsen ist wie sie selbst. Fordern müssen sie also einen „Staat nach dem (schwierigen) Maß der Freiheit“, als deren Schützer, Bewahrer – Organisator. Darin treffen sie sich dann mit jenen Konservativen aller Richtungen, welche in Staatspersönlichkeit und Staatsgewalt historische Errungenschaften einer Rechtskultur sehen, in welcher allein rechtliche Ordnung überhaupt gehalten werden kann, eben auch die des Privatrechts. Einigkeit verbindet diese Richtungen auch im Bestreben, die Gewalt dieses Staates in engen Grenzen der Freiheit zu halten, sie in ihnen aber umso deutlicher, strenger vielleicht, auf- und auszubauen. Die viel beschworenen und ständig wachsenden Gefahren modernen Zusammenlebens verlangen bei solcher Überzeugung nicht nach dem Wächterstaat, wohl aber nach dem Staat als NachtWächter der Freiheit und, dies ist nicht zu vergessen: ihrer Sicherheit. Soziales Denken schließlich, bis hin zu sozialistischer Rechtssystematik, braucht den Staat unausweichlich mit all seiner und mit einer nicht geringen Gewalt. Hier fehlt auch jener Bürgeroptimismus, der auf verantwortliches Freiheitsbewusstsein setzt, dieses muss immer wieder durch Hoheitsgewalt ersetzt werden. Eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts würde diesen Richtungen ihr wichtigstes Instrument nehmen, ihre scharfen Waffen stumpf werden lassen.

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Aus diesen Grundhaltungen, welche gegenwärtig mit ihren gemeinsamen Überzeugungen das deutsche Verfassungsrecht tragen, baut sich ein übergreifender Konsens auf über die Notwendigkeit eines Staates, mag ihn auch jede dieser Richtungen wieder anders sehen. Weithin konsensgetragen ist damit auch die Vorstellung von einer Hoheitsgewalt, ohne deren breiten Einsatz bisher ein solcher Staat kaum vorstellbar erschien. Über die Aktionsräume der Staatsgewalt herrscht keine Einigkeit, weithin sogar heftiger, ja grundsätzlicher Streit. Umso wichtiger erscheint daher der Konsens über den Begriff der Hoheitsgewalt als solcher, ihren immerhin prinzipiell notwendigen Einsatz. Gerade dies Letztere sollte hier aber kritisch hinterfragt werden, in einer Sicht des Privatrechts, welche immerhin die Frage wagt, ob dieses nicht der bessere Hüter der Freiheit wäre und der sozialen Ausgewogenheit. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass mit der Hoheitsgewalt alles endet, was bisher Staat hieß, an ihm positiv war und notwendig. Man mag mit Hans Kelsen den Staat mit seiner Rechtsordnung, mit seinem Recht schlechthin gleichsetzen; dies bedeutet aber nicht, dass er mit seinem Öffentlichen Recht, im Sinne der traditionellen Hoheitsgewalt, identifiziert werden müsste. Diese Betrachtungen schließen daher vielmehr mit der Frage, ob es nicht vorstellbar wäre, einen Staat primär auf Privatrechtsordnung zu gründen, ihn in ihr zu halten, mit nur marginalen, etwa letzten justiziellen Stützen einseitiger staatlicher Durchsetzungsgewalt. In diesem, aber auch nur in diesem Sinne, war hier vom „Privaten Staat“ die Rede, von einer Ordnung, die wesentlich privat-gleichgeordnet ist, immer mehr wird – und doch Staat bleibt. Wie weit Herrschaftsabbau führen darf, das konnten die eben erwähnten politischen Richtungen nicht näher bestimmen, welche sich doch in ihm grundsätzlich einig sind. Hier, im Rückgriff auf säkulare Wertungen und Formen des Privatrechts finden diese Kräfte klarere Ziele, festere Formen zu deren Erreichung – in einem Privatrecht der Gleichordnung, welches der demokratischen Gleichheit näher ist als jede andere systematische Ausrichtung der Staat-

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lichkeit. Deren Todfeind, die Anarchie, lässt sich nicht mehr mit einseitiger Gewalt niederschlagen. Vielleicht aber kann sie der Staat aufheben, auffangen in den vielmaschigen, feinen Netzen (s)eines Privaten Rechts. 3. Der Staat: „Privatrechtlich“ denkbar a) Der „Staat“ der Neuzeit, neuestens der „Verfassungsstaat“, ist nicht nur denkbar in Kategorien einseitiger Hoheitsgewalt, nicht allein als ihr Träger. Ins juristische Bewusstsein mag derartiges mit den neuzeitlichen Souveränitätsvorstellungen Eingang gefunden haben, welche volle, unwiderstehliche Gewalt postulierten – aber nur nach außen, um eine Rechtsordnung überhaupt halten zu können. Dass dem dann eine „Souveraineté de Droit interne“ entsprechen müsse, eine daraus abzuleitende unwiderstehliche Hoheitsgewalt gegenüber dem Bürger, war zwar ein Credo der Französischen Revolution. Doch es wurde sogleich entscheidend abgeschwächt durch eine Freiheitlichkeit, welche solche Souveränität eben nur der in Freiheit gebildeten Volonté générale und den durch sie geschützten allgemeinen Belangen zuerkennen wollte. Nicht „der Staat als solcher“ war also wesentlich hoheitsrechtlich gedacht, sondern lediglich seine souveräne Ausprägung in der Volkssouveränität, und die deutsche „Staatssouveränität“ war auch nicht mehr als eine Übersetzung dieser französischrechtlichen Vorstellungen.209 Dieser öffentlich-rechtlichen Staatsgrundlegung gegenüber ist der traditionelle „Staat“ des französischen wie des deutschen Rechtsdenkens aber zunächst einmal nichts anderes als eine unter zahllosen anderen (juristischen) Personen. Er mag die gesamte Rechtsordnung halten, er könnte und sollte aber doch, durch deren Schaffung, rechtlich konstruiert sein nach ihrem Bild und Gleichnis210 – und es ist dies zu allererst ein 209 Zum Begriff der dt. Staatssouveränität vgl. Leisner, Walter, Volk und Nation als Rechtsbegriffe der Französischen Revolution, FS f. Liermann, 1964, S. 96 ff.

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privatrechtliches Gleichnis. Denn die Lehre von den Personen steht und stand von jeher an der Spitze privatrechtlicher Kodifikationen;211 in ihre Kategorien muss sich also auch der Staat einreihen lassen, nur über sie wird er überhaupt fassbar, wesentlich und zu allererst als Organisationseinheit, nicht als Inhaber einer ganz bestimmten Gewalt.212 Und als ein privater, wenn auch darin vielleicht nicht mehr so mächtig wie früher, ist er ebenso vorstellbar wie der totale Staat. Grundsätzlich ist der Staat als juristische Person daher nur erfassbar in Kategorien privatrechtlichen Denkens. b) Allgemeinem juristischem Bewusstsein ist denn auch der Staat, sind alle juristischen Personen des traditionellen Hoheitsbereichs durchaus gegenwärtig als Gebilde jenes Gesellschaftsrechts, welches aber seinem Wesen nach stets privatrechtlicher Ordnung zugerechnet wurde. Im Gesellschaftsrecht hat sich das Privatrecht in den letzten Jahrzehnten stärker entfaltet als in irgendeinem anderen Bereich. Hier entwickelten und verfeinerten sich gerade Organisationsparallelen zum Öffentlichen Recht: von der „Satzung“ als „Verfassung“ der gesellschaftlichen Gebilde bis zu Formen der Gewaltenteilung, welche der private Gesellschafter vom Staat – und dieser wiederum von privaten Kontrollmechanismen lernen sollte. Übertragung moderner Vorstellungen von einem gesellschaftsrechtlichen Controlling213 auf den staatlichen Hoheitsbereich ist nur eine bedeutsame Erscheinung, in welcher sich diese Parallelisierung von Staat und privaten Gesellschaften vollzieht. 210 Was sich bei Hans Kelsen steigert bis zur Identifizierung von Staat und Recht, Allg. Staatslehre 1925, S. 16 f., 47 ff. 211 Der Code civil beginnt mit dem „Droit des personnes“ (Art. 7 ff.), das BGB mit „Personen“, wobei der Aufbau im selben Abschnitt fortschreitet von den „natürlichen“ bis zu den „juristischen Personen des öffentl. Rechts“. 212 Forsthoff, E., Der totale Staat, 2. Aufl. 1934 – der zugleich der Dogmatiker der Daseinsvorsorge war (Der Staat als Leistungsträger, 1938). 213 Zur Übernahme von Formen des Controlling aus dem Gesellschaftsrecht in den Verwaltungsbereich vgl. Schmidberger, J., Controlling für öffentl. Verwaltungen, 2. Aufl., 1995; Miller, M., Rechtsproblem modernen Verwaltungshandelns, LKV 1998, 421.

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Im rechtspolitischen Sprachgebrauch fand dies, ganz untechnisch und doch rechtstechnisch zugleich, seinen Ausdruck im Wort von der „Staats-AG“. Rechtlich ist eben kaum mehr bestimmbar, worin sich denn die organisatorischen Gebilde der Staatlichkeit von den immer größeren, mächtigeren des Gesellschaftsrechts unterscheiden sollen, welche in Globalisierung grenzüberschreitend zu eigenständigen staatsähnlichen Imperien emporwachsen. Gewiss liegt hier der wesentliche Unterschied nicht in jener „Hoheitsgewalt“, welche die weit stärkeren Kräfte privatrechtlicher Interessenbündelung unschwer überwiegen können. Eine Staats-AG bedeutet letztlich doch nur eines: Volles Privatrecht an Stelle des Öffentlichen Rechts – Privater Staat. Moderne Staatlichkeit bewegt sich ja auch immer rascher in Richtung auf Bildungen und Untergliederungen, welche diesen „Staat“ verwandeln in ein „Unternehmensbündel“ mit Öffentlichen Kompetenzen. Die eine große, unwiderstehliche Hoheitsgewalt charakterisierte in der Französischen Revolution den Staat als die République une et indivisible; dem kleinen Bürgermeister waren davon nur bescheidene und prekäre Bruchstücke geliehen. Im Deutschen Föderalismus, und nicht nur hier, fraktioniert sich diese Staatseinheit jedoch ständig und immer noch weiter, in Kommunalisierungen löst sie sich weithin in dem auf, worin der Staat für den Bürger wirklich von Belang und von Nutzen ist, in der Daseinsvorsorge. In dieser Transformation des einen Staates in die vielen kleinen Staats-AGs – die auch noch zunehmend untereinander gleichgeordnet sind und in privatrechtlich-geregeltem Wettbewerb stehen – vollzieht sich eine große Vergesellschaftsrechtlichung und damit wiederum Privatisierung der Staatlichkeit. Dass diese Staatlichkeit gerade und nur mit ihrer unwiderstehlichen Hoheitsgewalt den letzten Halt der gesamten Privatrechtsordnung bilde – das alles sind doch für den wirtschaftenden Bürger der Gegenwart nur mehr realitätsferne Theorien. Der Staat lässt sich also nicht nur „auch“ privatrechtlich denken, er kann, so scheint es doch, nur mehr als ein Rechtssubjekt gedacht werden, welches rechtlich begrenzte Interes-

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sen verfolgen darf, bedeutsame, aber eben auch nur diese. Darin aber ist er letztlich nichts anderes mehr als ein Rechtssubjekt des „Gemeinen Rechts“ – des Privatrechts. c) Bleibt am Ende als Besonderheit, welche über alles Privatrecht hinausgeht, allenfalls noch die Unsterblichkeit dieses Rechtssubjekts. Aber auch sie ist zunehmend durch Formen der Konkursfähigkeit Öffentlicher Träger214 bereits begrenzt. Und letztlich ist ja auch nach Privatrecht der Bürger „von Rechts wegen“ unsterblich jedenfalls darin, dass seine private Persönlichkeit sich prinzipiell unendlich fortsetzt in seinen Erben,215 und sei es am Ende der Staat. Ist damit dieser Staat mehr als der letzte „Auffang-Private“ in einer zivilrechtlichen Ordnung? Aus welcher Sicht immer man also dieses geheimnisvolle Rechtswesen Staat betrachtet – immer wieder erscheint es als ein Konstrukt, welches mit Kategorien des Privatrechts erfasst und erklärt werden kann. Dass es darüber hinaus noch einer besonderen „Staatsrechtfertigung“ bedürfe – auch dies ist ihm nur mit jener Zweckverdeutlichung gemeinsam, zu welcher jedes Privatrechtsgebilde schon zum Schutze des Rechtsverkehrs verpflichtet ist. Eine Staatsrechtfertigung aus Hoheitsgewalt aber kann es nur geben, soweit diese ihrerseits unabdingbar ist; dies aber darf nicht wieder in einem Zirkelschluss vorschnell und allgemein aus „hoheitlichen“ Staatsaufgaben erschlossen werden (dazu oben B IV I). Allenfalls mag dann der Staat sich rechtfertigen aus einer Aufgabe: aus der Durchsetzung einer Gemeinschaftsordnung privaten Rechts. Sollte man dies dann aber nicht bereits einen Privaten Staat nennen dürfen?

214 Eingehend zur Entwicklung der Konkurs(un)fähigkeit von juristischen Personen des öffentl. Rechts m. zahlr. Nachweisen Leisner, Anna, Die Leistungsfähigkeit des Staates, 1998, S. 47 ff. m. Nachw. 215 Immerhin soll die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auch diese Fortsetzung der Persönlichkeit des Erblassers durch Gesamtrechtsnachfolge beinhalten (vgl. BVerfGE 93, 165 [174]).

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4. Abbau der Hoheitsgewalt: Zurücktreten nur der autoritären Machtstaatlichkeit a) Eine Wende weg von der Hoheitsgewalt, hin zu mehr privatrechtlichem Ordnen bedeutet keinen Verlust von Staatlichkeit als solcher; denn sie kann, wie dargetan, ohne weiteres auch, ja vielleicht besser, wirken in den Formen des Privatrechts. Was allerdings damit zurücktritt, ist eine Form der Staatlichkeit, aus deren Denken heraus, vor mehr als zwei Jahrhunderten, die Hoheitsgewalt entstanden, in dem sie sich immer weiter entfaltet hat: Es war dies jener französische Absolutismus, der in der revolutionären Volkssouveränität einen neuen und noch stärkeren Ausdruck gefunden hatte, befestigt im Geiste der Bürger durch die Napoleonischen Siege. Nicht umsonst wurde der Hoheitsakt „acte d’autorité“ genannt; er kam von den Instanzen, die man „les autorités“ nannte, in deutscher Übersetzung „die Behörden“, welche ihrem Wesen nach Träger der Hoheitsgewalt waren, sich durch diese geradezu definierten. Dass es in diesem Frankreich gleichzeitig gelang, diese autoritäre Gewalt rechtlich zu mäßigen, änderte an ihrem Charakter grundsätzlich nichts, und es geschah dies ja auch gewissermaßen innerorganisatorisch im Staatsbereich, durch die beratend-kontrollierende Tätigkeit des Conseil d’Etat. Dass daraus die Deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit entstehen, die zivilrechtliche Justizstaatlichkeit ablösen sollte, war eine Entscheidung gegen die Allmacht der Hoheitsgewalt, nicht gegen deren juristisches Wesen: Es blieb, nach wie vor, autoritär gedacht, wenn auch nun „verwaltungsgerichtlich“ in Grenzen gehalten. Mit der Durchsetzung freiheitlich-demokratischer Staatlichkeit ist diesem staatlichen Autoritarismus ein Ende gesetzt. Seine Entwicklung kann nur in eine Richtung weiter laufen: zum Abbau des „autoritären Staatsdenkens“ – damit hin zum Privatrecht. Das muss keineswegs das Ende aller Autorität bedeuten, Formen einer solchen erkennt ja auch, und von jeher, das Privatrecht an. Gleiche Abwägung aber und Ausgleich in Gleichordnung ist das privatrechtliche Ziel, seine Erreichung führt weg von der Hoheits-Staatlichkeit.

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b) Der Abschied von der Machtstaatlichkeit, damit auch von deren innerstaatlicher Hauptform, der Hoheitsgewalt, mag dauern, er vollzieht sich aber, jedenfalls in Europa, in einer Entwicklung, die bereits begonnen hat, die es nun gewissermaßen rechtlich zu ratifizieren gilt – in Privatrecht. Der Prototyp der Hoheitsgewalt war von jeher der militärische Befehl. Das Land, in welchem der acte d’autorité geboren wurde, dieses Frankreich war zuerst ein feudaler, sodann ein kaiserlicher Militärstaat, er hat diese militärischen Ursprünge seines Denkens bis in die Gegenwart nie verleugnet. „Die Ordnung“ entsprach dort stets „dem Befehl“, „l’ordre“ den „ordres“ – eben der militärisch-geprägten Anordnung. Deutsche Militärstaatlichkeit hat im Wilhelminismus solches Denken übernommen und noch höher, grundsätzlicher entwickelt. Die Militärgewalt war zuallererst äußere Gewalt; im Inneren wurden ihre militarisierten Polizeiformen durch den Liberalismus zurückgedrängt, in Frankreich mehr noch als in Deutschland. Die Hoheitsgewalt dieser autoritären Staatlichkeit aber war stets nichts anderes als rechtlicher Ausdruck der Machtstaatlichkeit. Das Völkerrecht definierte den Staat aus einer Ordnung, welche er aufrecht zu erhalten vermochte, nach innen wie, eben vor allem, auch nach außen, mit seiner militärischen Gewalt oder der seiner Alliierten. Diese Gedankenkette von der Machtstaatlichkeit des Völkerrechts mit seinem Souveränitätsdenken und dessen Verlängerung in die „innere Souveränität“ der unwiderstehlichen Hoheitsgewalt hinein216 hat diese Letztere geprägt und im Geist der Bürger überzeugend legitimiert. Gerade dieser Machtstaat aber ist, in Europa, jedenfalls, auf raschem Rückzug. Die völkerrechtliche Souveränitätskritik217 mag leiser werden, da nun ja in neuesten 216 Zu diesem Effektivitätsgrundsatz einer durch tatsächliche Gewalt aufrechterhaltenen Ordnung vgl. Ipsen, K. / Menzel, E. / Epping, V., Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 5 Rn. 11 ff. 217 „Von der völkerrechtsbegrenzenden Souveränität zum souveränitätsbegrenzenden Völkerrecht“, Ipsen u. a., a. a. O. § 2 Rn. 66 f. Diese Völkerrechtskritik hat sich heute vor allem in die Frage der Übertragung von

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Entwicklungen die Staatlichkeit geradezu als solche gefährdet erscheint, daher doch etwas von ihr noch erhalten bleiben soll. Doch auch diese Staatlichkeit mit all ihren Gewaltäußerungen wird zunehmend vor allem wahrgenommen im Dialog, auf Konferenzen, von Staaten in der vertragsbegründeten Gleichordnung zwischen „Hoheitsträgern“. Dass diese darin gar nicht mehr wesentlich jene Hoheit ausstrahlen, welche in ihrer Unwiderstehlichkeit typisch staatlich gedacht war – das alles ist bisher nicht weitergedacht worden bis zum Begriff der Hoheitsgewalt. Staatlichkeit wird heute, in der Europäischen Union vor allem, in einer dialogierend-vereinbarenden Gemeinsamkeit geübt, welche weit mehr den Formen des Privatrechts entspricht, mit seinen Autonomien und Vereinbarungen, als den hoheitlichen Formen des Staats- und Verwaltungsrechts. In jenem Völkerrecht, aus dem, wie soeben angesprochen, der Begriff der Hoheitsgewalt sich entwickelt hat, war übrigens auch stets privatrechtliches Denken lebendig, eben in der Gleichordnung souveräner Staaten, von den privatrechtlichen Formen des Besitzes von und der Verfügung über Staatsgebiet bis eben in den Primat des vertraglichen Völkerrechts, des Vereinbarten, nicht Befohlenen. In all dem schwächt sich nun die Machtstaatlichkeit eben doch ab, mit Wirkung vor allem für die „Mittelmacht Deutschland“. Der Machtstaat wie die militärische Befehlsordnung – all das geht nicht einfach unter, aber es geht hinüber in andere Formen des Rechtsdenkens, und sie sind weit privatrechtsnäher als die einstigen der autoritären Machtstaatlichkeit. Das Zurücktreten der Hoheitsgewalt, wie es hier angeregt wurde, ihre Beschränkung allenfalls auf Richterworte, die in ihrer Unabhängigkeit zwar Befehle setzen, nicht aber ihrerseits befehlsgebunden sind218 – diese ganze Entwicklung liegt daher nationalen Hoheitsrechten auf die EU verlagert (vgl. BVerfGE 37, 271 [277 ff.]); betont wird die Souveränität erneut im Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155 [190 f.]). 218 Die Unabhängigkeit der Richter (vgl. Leisner, Walter, Das Letzte Wort, 2003, insb. S. 79 ff.) kann durchaus verstanden werden als eine Ausstrahlung einer Freiheit, die als solche keiner (anderen) Hoheitsgewalt

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in einem „Zug der Zeit“, der Abschied nimmt von einem autoritären Staatsverständnis. Dass dies nicht überall geschieht ohne bedauernden Rückblick auf so manche schimmernde Triumphalität,219 so viel umsorgenden Paternalismus einer darin durchaus menschlichen Vergangenheit, kann die Trennung nicht aufhalten. Sie liegt eben im Zug einer Periode, die von selbstbewussten Bürgern geprägt wird; sie wollen sich einen220 – oder auch nicht, nur eines wollen sie nicht mehr: Befehlen gehorchen, in denen ihre Stimme nicht mitschwingt. Staatsverlust bringt eine Wende zum Privatrecht, sicher, aber nur in einem Sinn: als Verlust autoritärer Machtstaatlichkeit. 5. Privatrechtliches Denken: ein juristisches Ideal Am Ende der Betrachtung kehrt diese zurück aus den Höhen, vielleicht auch nur Spekulationen der Machtpolitik in die Niederungen des Rechts, ja der Rechtstechnik. Hoheitsgewalt wird gehen, aus immer weiteren Bereichen verschwinden, in anderen sich in privatrechtliche Formen wandeln, offen oder verdeckt. Diesen Zug hält niemand auf, in absehbarer Zeit. Traditionelles Rechtsdenken mag hier, wie erwähnt, den Abschied von seinem Staat beklagen, Fortschrittsorientierung den Gewaltabbau als solchen begrüßen. Dies alles führt auch zu durchaus rechtstechnischen Einzeldiskussionen über die besseren Rechtsformen, über den optimalen Rechtsschutz, vor allem darüber, ob er in privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Form, mehr in Einung oder in einseitigem Befehlen unterworfen ist und in dieser Freiheit gerade über die Beziehungen zwischen (prozessual) Gleichgestellten judiziert, mit privatrechtsentscheidender Wirkung in die Staatsgewalt hinein. 219 Wie sie historisch mit Hoheitsgewalt verbunden sein mag, vgl. Leisner, Walter, Der Triumph, 2. Aufl., in: Das demokratische Reich, 2004, insb. S. 112 ff., 215 ff. Es gibt aber auch „private Triumphe“ (siehe ebenda S. 280 ff.). 220 Systematischer Überblick in Leisner, Walter, Die Staatseinung, 2. Aufl. in: Das demokratische Reich, 2004, S. 851 ff.

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gewährt werden soll. Hier kann und wird weiter experimentiert werden, in einer oft nun wahrhaft bedauerlichen Grundsatzlosigkeit. Ziel dieser Betrachtung war es, weg von ihr zu führen, hin zu einem prinzipiell privatrechtlichen Denken. Dies ist nicht neoliberale Rechtsideologie, ein Etikett, das heute allzu rasch jedem freiheitlichen Bemühen angeheftet wird. Dahinter steht auch eine juristische Geschichtserfahrung, welche sich vielleicht doch zu einem Konsens verdichtet hat: Alles Rechtsdenken verläuft, seinem Wesen nach, stets und zuallererst in zivilrechtlichen Bahnen. Dies stützt sich auf eine der größten und weitestreichenden juristischen Erfahrungen, vor allem in Deutschland, der des Römischen Rechts und seiner Rezeption. Ihre Formen mögen noch so vielgestaltig sein, stets kehren darin Kriterien und Denkformen der Vertraglichkeit, des Wettbewerbs, der Güter abwägenden Rechtsordnung wieder, einer Interessenjurisprudenz, welche ein großes Instrumentarium einzelbewertender Judikatur hervorgebracht hat. Es ist nicht nur Handwerkszeug, welches hier im Rechtsunterricht an erster Stelle weiter gegeben, von Anwälten und Richtern angewendet und verfeinert wird. Dahinter steht eine ebenso unausgesprochene wie sichere Überzeugung, dass sich von diesem „zivilistischen Denken“, in einem engeren Sinn, vielleicht das Strafrecht „befreien“ lässt,221 nicht aber, in einem weiteren Sinn, das Recht als solches. Außerhalb zivilrechtlicher Formenwelt kann Jurisprudenz nicht gedacht werden, das Privatrecht ist ihr instrumentales Ideal, und daraus wird es zu mehr: zu einer natürlichen juristischen Denkform. Jenseits des Privatrechts kann Öffentliches Recht immer nur eines sein: eine Magd der Macht, eine Verfeinerung – oder eine Verschleierung – von deren Befehlen. Dazu aber sind Recht und Gerechtigkeit zu hohe Güter, als dass Öffentliches Recht nur eines wäre: Schutzschild für die Macht; sie schützt sich 221 Bruns, H.-J., Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken, Beiträge zu einer selbständigen, spezifisch-strafrechtlichen Auslegungs- und Begriffsbildungsmethodik, 1938 (Nachdruck 1996).

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immer wirksam selbst, und sei es in der Gedankenlosigkeit der Brutalität. Wo aber Privatrecht praktiziert wird, im Kleinsten gerade, im Allerkleinsten, da wirkt das Recht nicht auf einen Ordnungsgegenstand „Macht“ und mit deren Instrumenten, da wird die unendliche Fülle der Realitäten ausgleichend geordnet. Hoheitsgewalt wirkt demgegenüber stets mit der Versuchung einer vereinfachenden Hochrechnung unter Vorwegnahme von Wertungen und Entscheidungen, nur zu oft als deren Tabuisierung. Gerade weil der Jurist letztlich doch immer denken wird in Formen und Formalismen, weil er stolz sein darf, dass ihm dies zum Vorwurf gemacht wird, deshalb wird seine Arbeit stets juristische Instrumentensuche sein und Einsatz des dort Gefundenen. Kein rechtliches Arsenal aber ist traditioneller und größer als das des Privatrechts. In ihm ist und bleibt auch die Geschichte des Öffentlichen Rechts aufbewahrt. Gerade einem Vertreter des Öffentlichen Rechts wird vorgehalten werden, dass er mit solchen Überlegungen seinem eigenen Betrachtungsgegenstand den Boden zu entziehen suche – nach mehr als einem halben Jahrhundert der Beschäftigung mit ihm. Dies fällt gewiss nicht leicht. Doch glaubwürdig bleibt wohl ein Bekenntnis, das hier am Ende stehen soll: Juristisch denken heißt privatrechtlich denken; Öffentliches Recht ist nur eine Provinz des größeren Zivilrechts. All die vielen Wiedervereinigungen des Öffentlichen mit dem Privaten Recht bringen noch eine weitere, heute besonders wichtige Wirkung hervor: die einer Entpolitisierung des Rechts als solchen; denn Privatrecht ist und bleibt im Kern eine „unpolitische Ordnung“. Die Parteien-Demokratie ist eine eminent politische Staatsform. Zwar will sie sich wirtschaftlich gründen auf eine weithin „unpolitische“ Marktwirtschaft; doch ihre so zahlreichen, abgeordneten und ernannten, Vertreter üben ihre Macht in erster Linie in einer Hoheitsgewalt aus, über welche demokratisches, d. h. aber: politisiertes Recht zur Anwendung kommt. Je mehr staatliches Recht zum Privatrecht wird, desto mehr mag zwar eine gewisse Poli-

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tisierung auch dieses bisher weithin apolitischen Bereichs drohen; umverteilende Entwicklungen zeigen es schon heute. Dennoch findet mit jeder Wendung zum Privatrecht nicht nur eine „Machtverlagerung zu Privaten“ statt, mit ihr geht auch Entpolitisierung eines Rechts einher, das nicht mehr von politisch handelnden Staatsorganen hoheitlich aufgezwungen, sondern von Bürgern in Gleichordnung praktiziert wird. Politikverdrossenheit ist die Folge vieler – oft auch unberechtigter – Erwartungen. Wo der Staat sich und seine Bürger dem Privatrecht überlässt, da tragen diese selbst die Verantwortung für ihre Hoffnungen, nicht mehr die Politiker ihrer Volksherrschaft – wäre das kein Vertrauenssegen für die Demokratie? Scheiden von der Hoheitsgewalt tut nicht weh. Denn Hoheit ist im Letzten nicht Attribut eines durchsetzenden Willens, sondern eines Denkens, einer geistigen Welt, die Bewunderung verdient. Im Recht ist es die Welt des Privatrechts. Mit Recht hat einst ein Römischer Kaiser, in goldschimmernder byzantinischer Hoheit, gerade dieses private Ordnen zur geistigen Seele werden lassen in seinem Corpus Iuris, im „Körper des Rechts“.

E. Ergebnisse – Thesen 1. Die fundamentale Unterscheidung zwischen Privatem und Öffentlichem Recht ist allgemein schwer erklärlich, insbesondere Studierenden und Rechtssuchenden. Verfassung und Gesetze bestimmen die Begriffe nicht näher: weithin liegen sie im Gemenge, auch im Gemeinschaftsrecht, wichtigen fremden Rechtsordnungen ist ihre Unterscheidung unbekannt. (S. 11) 2. Öffentliches und Privates Recht lassen sich nicht nach den jeweils agierenden Rechtsträgern trennen: Diese Subjektstheorie läuft, in all in ihren Spielarten, auf den Einsatz hoheitlicher Gewalt hinaus und scheitert überdies allgemein an den privatrechtlichen Aktivitäten öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte. Eine Unterscheidung nach den verfolgten Interessen trägt deren Gemengelage und schweren Definierbarkeit ebenso wenig Rechnung wie ihrer gleichzeitigen Verfolgung in Rechtsformen des Öffentlichen wie des Privaten Rechts. (S. 18) 3. „Einsatz hoheitlicher Gewalt“ ist zwar das traditionell am häufigsten zugrunde gelegte Kriterium eines Öffentlichen Rechts. Doch es läuft nur auf das Privileg einseitiger Durchsetzbarkeit hinaus und es lässt Formen privat(rechtlich)er Gewalt unberücksichtigt, welche ähnliche Rechtswirkungen erzeugen. (S. 26) 4. In der Staatsform der Demokratie stellt sich die Frage, ob ein auf Hoheitsgewalt gegründetes Öffentliches Recht nicht nur Ausdruck vordemokratischer Machtvorstellungen ist, welche rechtlich kanalisiert werden sollten, und ob in einem auf Gleichheit gegründeten bürgernahen Staat derartige Begriffe und Gestaltungen nicht zu überdenken sind. (S. 32) 5. In die Gegenrichtung einer hier thematisierten „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“ scheinen seit langem fest-

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E. Ergebnisse – Thesen

zustellende Tendenzen zu einer Publifizierung des Privatrechts zu führen, vor allem durch Verpflichtungen auf öffentliche Interessen, staatliche Kontrollen und Genehmigungen. Abgesehen von Gegenströmungen im Zuge der Liberalisierung – gerade solche Gestaltungen sprechen dafür, diese Rechtsformen staatlicher „Mit-Sprache“ dem privatrechtlichen Kontrollgegenstand anzunähern (S. 34) 6. Eine „Publifizierung des Privatrechts“ wird nicht durch ein Verfassungsrecht gestützt, das sich allenfalls als eine Brücke zwischen Öffentlichem und Privatem Recht erweist. (S. 40) 7. Das Öffentliche Recht heutiger Ausprägung ist nur eine (verfassungs)historische Parenthese in der Rechtsentwicklung. Römische und Deutsche Rechtsgeschichte zeigen früheres Öffentliches Recht lediglich als Organisationsrecht. In frühen Kodifikationen und der Fiskustheorie erscheint Öffentliches Recht eingebettet in (Formen des) Privatrecht(s). Pandektistik und Deutsches Genossenschaftsrecht betonten bereits den Primat eines Privatrechts, das nun bis ins Verfassungsrecht hinauf wirkt. Das französisch geprägte hoheitliche Verwaltungsrecht, welches das deutsche Recht wesentlich im Sinne der Unterscheidung zum Privatrecht beeinflusst hat, findet seinerseits bereits zu Gleichordnungsformen (contrat administratif). (S. 44) 8. Grundrechte der Verfassung begünstigen eine Privatisierung des Öffentlichen Rechts. Gleichheit als Fundament der Demokratischen Rechtsordnung spricht grundsätzlich gegen eine Überordnung öffentlich-rechtlicher Rechtsträger, wie sie der Einsatz der Hoheitsgewalt bringt. Eine Abwägung öffentlicher und privater Belange ist denn auch grundsätzlich problematisch. Das Privatrecht ist demgegenüber, nach Tradition wie Dogmatik, ein Recht der Gleichordnung. (S. 56) 9. Sicherung von Bürgerfreiheit, ein Grundanliegen des Verfassungsstaates, wird durch Privatisierungsentwicklungen des Öffentlichen Rechts begünstigt, welche eine Hoheitsgewalt zurückdrängen, die stets in besonderer Weise in Span-

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nung steht zur Freiheit. In seiner Privatautonomie ist das Privatrecht eine Ordnung der Freiheit. Dies schließt die erforderlichen Freiheitsbeschränkungen nicht aus, welche sich aber weitestgehend auch zivilrechtlich regeln und durchsetzen lassen. (S. 61) 10. Parallele Schutzbereichsentwicklungen von Grundrechten im Privaten und Öffentlichen Recht sind seit langem feststellbar. Insbesondere gilt das für ein Allgemeines Persönlichkeitsrecht, in dessen Sicherungsvorstellung das Öffentliche durch das Private Recht wesentlich und ständig befruchtet wird. (S. 67) 11. Organisatorische Verfassungsprinzipien und -strukturen weisen bedeutsamen Privatrechtsgehalt auf. Ein Verfassungsrecht als Herrschaftsvertrag ist, historisch wie dogmatisch, privatrechtlich gedacht. (S. 72) 12. Die „Verfassungsgewalten“ setzen die Einsatzmöglichkeit einer Hoheitsgewalt nicht notwendig voraus: (S. 74) – „Gesetzgebung“ verlangt als solche nicht den Einsatz der Hoheitsgewalt; ihre Normwirkungen können begriffen werden als Ausdruck gleichordnender Vereinbarung, vergleichbar dem Satzungsrecht privater Gesellschaften. (S. 75) – „Verwaltung“ läuft schon heute weithin in Formen des Privatrechts ab, oder es steht ihren Trägern eine solche Wahl frei. In vielen anderen Bereichen ist der Einsatz der Hoheitsgewalt nicht unumgänglich; selbst im Abgabenrecht könnte er abgebaut werden. Notwendig bleibt er allenfalls als eine letzte hoheitliche Sicherungs- und Durchsetzungsmacht der „Polizei“. (S. 77) – „Gerichtsbarkeit“ kann weitestgehend als (obligatorische, privatrechtlich vorgesehene) Schiedsgerichtsbarkeit ausgestaltet werden. Hoheitsgewalt kommt ohnehin nicht in ihren „Erkenntnissen“, sondern erst in deren „polizeilicher Durchsetzung“ zum Einsatz. (S. 84)

13. „Verfassungsorgane“ können bereits nach geltendem Recht weithin als privatrechtlich konstituiert angesehen wer-

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E. Ergebnisse – Thesen

den: Volksvertreter werden nach Grundsätzen des privaten Auftragsrechts bestellt, Exekutivvertreter weithin in privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen tätig. (S. 87) 14. Politische Parteien – in der Demokratie entscheidende staatstragende Organisationen – sind nach Privatrecht konstituiert und handeln in dessen Formen. Damit dringt privatrechtlich geprägtes Verhalten in alle Strukturen des Staates. (S. 90) 15. Das gesamte Recht der Medien regelt wesentlich privatrechtliche Beziehungen. Hoheitsgewalt ist hier verpönt und kommt auch nur mehr marginal zum Einsatz. Dennoch beruht auch die Staatstätigkeit weithin auf diesen Informationsstrukturen. Öffentliche und private Belange lassen sich hier bruchlos koordinieren. (S. 92) 16. Die Organisation eines Staates des Pluralismus und der Bürgernähe lässt sich nach Vorstellungen privatrechtlicher Gesellschaftsrechtlichkeit besser ausgestalten als bei Einsatz der Hoheitsgewalt. (S. 96) 17. Aus der Erfüllung von „Staatsaufgaben“ lässt sich Hoheitsgewalt nicht rechtfertigen. Abgesehen davon, dass dies ein traditioneller Zirkelschluss ist: Der Begriff der Staatsaufgaben ist seit langem ungeklärt, er befindet sich in einer Dauerkrise. (S. 98) 18. „Die Wirtschaft“ ist als Machtfaktor entdeckt worden. Dies verlangt aber gerade in der Regelung ihrer Rechtsbeziehungen die Berücksichtigung ihrer wesentlich privatrechtlichen Strukturen. Dies gilt vor allem für kontrollierendes Wirtschaftsordnen als Staatsaufgabe; am besten können privatrechtliche wirtschaftsbegleitende Formen dem Rechnung tragen, soweit nicht Selbstkontrollen und -verpflichtungen Vorrang haben. Strafrechtliche Missbrauchsbekämpfung ist hoheitliches letztes – und ein problematisches – Mittel. (S. 102) 19. Der Verfassungsstaat beschreitet bereits viele Wege ins Privatrecht: Zahlreiche öffentliche Interessen können wie private verfolgt werden; eine Höherrangigkeit gegenüber die-

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sen Letzteren kommt ihnen schon nach geltendem Recht nicht zu. (S. 110) 20. Abwägung – eine laufend auch im Öffentlichen Recht eingesetzte Methode – kommt wesentlich aus dem Privatrecht der Interessenjurisprudenz. Wo immer sie stattfindet, wird wesentlich privatrechtlich gedacht. (S. 113) 21. Zunehmend wird auch das öffentlich-rechtliche StaatBürger-Verhältnis von Vorstellungen eines Austausches geprägt, wie sie für das Privatrecht charakteristisch sind. Diese liegen bereits weithin dem Abgabenrecht der Beiträge und der Gebühren zugrunde. Bisher gegenleistungsfreie „Leistungen der Allgemeinheit“ werden auf die Bürger abgebürdet. (S. 117) 22. Staatstätigkeit im Leistungsaustausch mit dem Bürger erfasst sogar grundsätzlich das gegenleistungsfreie Steuerrecht: Immer häufiger kommt es zu „Zwecksteuern“, oder doch zu Begründungen für geplante Abgaben aus bestimmten Staatsleistungen an Bürger. (S. 121) 23. Subventionen werden zunehmend „gezielt“ vergeben, wobei auch hier ein Leistungs-Gegenleistungsverhältnis mit dem Empfänger zugrunde liegt, mag dessen Aktivität dem Staat auch nur in allgemeinerer Form zugute kommen. Staatshilfen des wirtschaftlich handelnden organisierten Gemeinwesens erscheinen immer deutlicher als „Staatskredite“ auf privatrechtlicher Grundlagen eines Austausches mit dem Bürger, ohne „hoheitliche Zulassung“. (S. 124) 24. „Privatisierungen“ sind ein rechtliches Groß-Phänomen der Abkehr von der Hoheitsgewalt. In Organisationsprivatisierung wird ins Privatrecht übergeleitet, in Aufgabenprivatisierung zu privatrechtlich Wirtschaftenden. Diese Entwicklung wird meist (noch) gar nicht als „Wendung zum Privatrecht“ wahrgenommen, sondern nur als (mögliche) Effizienzsteigerung. (S. 127) 25. Gerade Effizienzsteigerung ist weithin nur Folge einer Wendung zu den flexibleren Formen des Privatrechts. „Effizienz“ lässt sich bei hoheitlichen Staatsveranstaltungen nur

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schwer messen. Privatisierung von Staatsveranstaltungen schafft aber Wettbewerb auf Märkten, der unter Gleichgeordneten nach Regeln des Privatrechts abläuft. Die Privatrechtsautonomie selbstbestimmender Vertraglichkeit führt nach aller Erfahrung durch Freiheit zur Leistungssteigerung, während Hoheitsgewalt stets Fremdbestimmung bedeutet; privatvertragliche Selbstordnung ist demgegenüber meist effizienter. (S. 134) 26. Wettbewerb ist eine privatrechtlich geregelte Form der Wirtschaftsordnung. Hier tritt Privatrecht auf breiter Front an die Stelle des Öffentlichen Wirtschaftsrechts, ja es wird zum wirtschaftsordnenden Staatsrecht. Verbandsklagen sollten nicht unter dem Vorwand einer Bürgeradkvokatur für öffentliche Interessen erhoben werden, sondern zugleich und offen private Belange, vor allem auch die des Wettbewerbs als solchen, zum Tragen bringen – aber in Formen des Privatrechts. (S. 139) 27. Der Gesetzgeber kann Privatrecht setzen. Damit lassen sich auch öffentliche Belange wirksam schützen – aber eben in den flexiblen zivilrechtlichen Formen. Dies darf jedoch nicht zu einer „Publifizierung des Privatrechts“ führen, in welcher der Hoheitsstaat unter dem Mantel der Privatheit zurückkehrt. (S. 146) 28. Konsens besteht heute zwischen allen großen politischen Strömungen, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen, über eine „Notwendigkeit des Staates“. Eine konsequente „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“ könnte zwar – in fernem Verlauf – zu etwas führen wie einem „Privaten Staat“; das aber würde diesen als eine notwendige Erscheinung des Rechts nicht aufheben. (S. 147) 29. „Staat“ ist privatrechtlich denkbar, als „juristische Person“ im Grunde von jeher so gedacht. Grundsätzlich unterscheidet er sich wenig – und immer weniger – von einem Großunternehmen der Wirtschaft; er wird zu einem „Unternehmensbündel“, dessen Organisationsformen sich denen des Gesellschaftsrechts annähern – also dem Privatrecht.

E. Ergebnisse – Thesen

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Mit dem Abbau der Hoheitsgewalt tritt nur die frühere autoritäre Machtstaatlichkeit mit ihren militärgeprägten Strukturen zurück, was ohnehin, in Völker- und Gemeinschaftsrecht im Lauf ist. (S. 150) 30. Privatrechtliches Denken im Staat – das ist eine Annäherung an ein juristisches Ideal, mit der eine Entpolitisierung des Rechts einhergeht. Und von jeher, vor allem in Deutschland, ist Recht zuallererst als Privatrecht gedacht worden. (S. 157)

Sachwortverzeichnis Abgeordnete 89 f. Abwägung 58, 113 ff. Alimentation 122 Allgemeiner Wille 73 Amtshaftung 70 Anstaltsgewalt 83 Arbeitsplätze 39 Arbeitsrecht 12, 15, 71 Austauschbeziehungen – Leistungsaustausch 60, 120 ff. – Staat – Bürger 117 ff. Auswärtige Gewalt 78 Außenwirtschaftsrecht 35 Bahnrecht 111 Baurecht 82 – Drittschutz 143 f. Beamte – vermögensrechtliche Ansprüche 49 – wirtschaftliche Kompetenz 137 Beamtenrecht 100, 122 Beiträge 117 f. Bereitstellungskosten 118 Bürgernähe 13, 33 f., 96 ff. s. auch Demokratie Bürokratie 35 f., 38, 133 f. Daseinsvorsorge 54, 80, 111 ff., 131 Datenschutz 70 f. Demokratie 12, 33 f., 72 ff., 135, 159 – und Medien 96 – und Parteien 90 ff.

Direktionsgewalt des Arbeitgebers 29 Droit coutumier 19 Effizienz 100 f., 110 f., 131, 134 ff. Eherecht 12, 14, 41 Eigentum 14, 96 f., 115 Einbettungstheorie 27 Elterliche Gewalt 29 Energierecht 37 Englisches Recht 16 Enteignung 49 Europäisches Gemeinschaftsrecht 15 f. Existenzminimum 69 Fideikommisse 51 Fiskustheorie 48 f. Föderalismus 152 Französische Revolution 18 f. Französisches Recht 18 ff. – Verwaltungsrecht 19, 52 ff., 154 Freiheit 61 ff., 147 – persönliche 67 Führerprinzip 71 Fürsorgerecht 80 Gebühren 118 f. – Äquivalenz 119 f. – Benutzungsgebühren 119 f. – soziale 120 Gefahrenabwehr 37 f., 82 f. s. auch Polizei Gemeinnützigkeit 24 Genossenschaftsrecht 51 f.

Sachwortverzeichnis Gerichtsbarkeit 84 ff. – Unabhängigkeit 156 f. Geschäftsgeheimnis 70 Gesellschaftsrecht 76, 130, 151 f. Gesetzgebung 14, 75 ff. Gesundheitsrecht 80 Gewalt, s. Hoheitliche Gewalt Gewerkschaften 104 Gleichheit 56 ff., 149 f. – im Subventionsrecht 125 Gottesgnadentum 74 Grundnorm 76 Grundrechte 24, 56 ff., 62, 112 f., 127 – „unbenannte“ 64 – Verzicht auf 66 f. Gute Sitten 76 Habeas Corpus 47 Haushalt(srecht) 122 f. Herrschaftsvertrag 73, 85 Hoheitliche Gewalt 25 ff. – Abbau 62, 107, 154 ff. Immaterialgüterrechte 70 Immunität fremder Staaten 17 Interessentheorie 22 ff. Intimsphäre 68 ff. Iustitia – commutativa 59 f. – distributiva 60 Joint Ventures 131 Justizstaatlichkeit 20, 115 Kartellrecht 35 Katastrophenschutz 83 f. Kindererziehung 14 Kindschaftsrecht 14, 55 Konkursfähigkeit – öffentlicher (Rechts-)Träger 153 Konstitutionalismus 32, 74

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Kontrahierungszwang 93, 111, 144 Kostendeckung 118 Kriegswirtschaftsrecht 36 f. Kulturstaatlichkeit 103 Magna Charta 46 f., 67 Markt, Liberalisierung 37 Marktwirtschaft 104 ff., 136 f. Marxismus 39, 52, 99, 148 Medien 92 ff. Mietrecht 35 Militär, s. Verteidigung Minderheitenschutz 72 Obrigkeitliche Gewalt, s. Hoheitliche Gewalt Öffentliche Gewalt, s. Hoheitliche Gewalt Öffentliche Interessen 26 ff., 58 f., 110 ff., 142 s. auch Interessentheorie Ordentliche Gerichtsbarkeit 31 Pandektistik 50 ff. Parteien 90 ff. Persönlichkeitsrecht, allgemeines 69 Pluralismus 103 Polizei 13, 37, 82 f., 86, 106 – Privatpolizei 83 Polizeirecht 20 f., 37 Post(recht) 37, 128 Praktische Konkordanz 116 Presserecht 93 Privatautonomie 15, 36, 39 ff., 63 ff., 77, 84, 104 Private Gewalten 29 f. Privatisierungen 127 ff. – Aufgabenprivatisierung 131 – Organisationsprivatisierung 130 f. Privatsphäre 39

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Sachwortverzeichnis

Rechtsgeschichte – Deutsche 46 f. Repräsentationstheorie 89 f. Risiko 37 f. Richterliche Gewalt 30 Richterrecht 142 Römisches Recht 18, 21, 24, 33, 45 f., 147, 158, 160 Schiedsgerichtsbarkeit 85 Schulrecht 80 Selbstkontrolle 94, 105, 138 f. Selbstverpflichtungen 138 f. Service public 54 Solidarität 84 Soziale Gewalten 71 f., 103 Sozialversicherung 80 Staat 147 ff. – „privater“ 146 ff. Staatsaufgaben 98 ff. Staatsgerichtsbarkeit 85 Staatshaftung 49 Staatsorganisation(srecht) 44 f., 72 ff. Staatsrechtfertigung 98, 153 Staatsverträge 25 f. Steuerbewilligungsrecht 89 Steuern 117 ff. Steuerrecht 80 ff. Steuerrechtfertigung 123 Strafgerichtsbarkeit 85 Strafprozessrecht 30 f., 108 Strafrecht 11, 30 f. Subjektionstheorie 22, 25 ff. Subjektstheorie(n) 22 ff. Subordinationstheorie, s. Subjektionstheorie Subsidiarität 105 Subventionen 124 ff. Telekommunikation 37

Umweltrecht 35, 83 s. auch Verbandsklagen Verbandsklagen 140 f. Vereinigte Staaten, Recht 16 Verfassungsgerichtsbarkeit 85 Verfassungsgewalten 87 ff. Verfassungsrecht 14 f., 25, 33, 40 ff., 72 f. – Geschichte 44 ff. Verteidigung – militärischer Befehl 79, 155 ff. Vertrag 75, 107, 137 s. auch Herrschaftsvertrag Vertragsfreiheit 14, 63, 65 Verwaltung 77 ff. Verwaltungsakt 53 f. Verwaltungsgerichtsbarkeit 57 f. – Entwicklung 19 f., 24 Verwaltungsrechtlicher Vertrag 26 f., 54 f. Völkerrecht 18, 78, 155 Volkssouveränität 150, 154 Vormundschaftsrecht 55 Wahlen 88 f., 91 Wahlpflicht 88 Warnungen, staatliche 70 Wettbewerb 139 f., 152 Wettbewerbsfreiheit 65 Wettbewerbsrecht 15 Wirtschaft – als Machtfaktor 102 ff., 109 – Recht der 38 Wirtschaftliche Betrachtungsweise 81 Wirtschaftsrecht 36 ff., 102 ff. Wirtschaftsverfassung 103 f. Wohlfahrtsstaat 48 Zurückbehaltungsrecht 86 Zwecksteuern 121 ff.