Preußen im Januar 1847 und das Patent vom 3. Februar [2. Aufl. Reprint 2018] 9783111507262, 9783111140124

156 49 13MB

German Pages 341 [344] Year 1847

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Preußen im Januar 1847 und das Patent vom 3. Februar [2. Aufl. Reprint 2018]
 9783111507262, 9783111140124

Table of contents :
Einleitung
Der Monat Januar 1847
Die kirchlichen Zustande
Die materiellen Zustande
Ueber den jetzigen Stand der Gewerbe, des Handels und der Schiffahrt und über die Bedingungen ihres Flors
Erläuternde Bemerkungen
Berechnung der Kosten
Die preusilsche Verfassung und das Patent, die ständischen Einrichtungen betreffend, vom 3. Februar 1847
Das Patent vom Februar 1848, die ständischen Einrichtungen betreffend
Verordnung über die Bildung des vereinigten Landtage
Verordnung über die periodische Zusammenberufung de- vereinigten ständischen Ausschusses und dessen Befugnisse
Verordnung, die Bildung einer ständischen Deputation für das Staatsfchuldenwefen betreffend
Gedruckt bei Julius Hittenfeld in Berlin

Citation preview

Preußen im Januar 1847 und das

Patent vom s. Februar.

Von

Bülow - Curnmerow.

3»ette Auflage.

Ter luter behält sich dle Herausgabe einer Uebersetzung in das Englische vor.

Berlin. Verlag von Veit und Comp. 1847,

Einleitung. H)ie Zeit, die wie Gott von Anfang war, die keinen Schöpfer hat und die Ewigkeit ermißt, — die Zeit, welche gleichsam den Rahmen bildet, in welchem sich die Weltbegebenhriten an­ einanderreihen, Völker entstehn und vergehn; die Zeit, welche unaufhaltsam ein Blatt der Geschichte nach dem andern aus­ rollt und un- immer und immer wieder ein neue- vorlegt, welche- die Selbstsucht, die Schwachheit und die Thorheit als nächst berechtigte auszufüllen nicht unterlassen: die Zeit, sagen wir, hat uns das 1847ste Jahreöblatt der neuen Zeitrech­ nung vorgelegt und in dichten Schleier gehüllt, was rö unbringen wird. Fragen wir die Auguren, so erblicken wir schlimme Zei­ chen am Himmel; die Sonne von 1847 umhüllt ein dichter Rebrl, und wo sie diesen durchbricht, erfüllt sie uns mit eisigem, fieberhaftem Schauer. Auch die Erde verkündet uns nichts Gute-: mit einem großen Leichentuch hat sich die Mutter bedeckt. Soll die- ein Zeichen der Trauer sein, daß ihr Schooß so unfruchtbar geworden sei? oder deutete- auf den Hungertod hin, dem ihre Kinder entgegenzugehen scheinen?

2 Doch wir wollen nicht tic Auguren fragen, was uns das Jahr 1847 bringen werde, wir wollen uns nicht der Wehmuth hingeben, welche die Vergangenheit in unserer Bmst erzeugt, — wir wollen als Philosophen uns rer Betrachtung über­ lassen: daß die Noth die unerbittliche Vollstreckerin des gött­ licheil Willens sei, die nur die

Wahl zwischen Vernichtung

oder Gehorsam läßt, und daß sie allein die Vorurtheile und Thorheiten der Erdenkinder nebst dem eingewurzeltsten Egois­ mus zu überwinden vermag, ja selbst im Stande ist, dem ge­ rupften Hahn

des Plato

seine

Federn

wieder wachsen

taffen, auf daß er nicht mehr nackt bleibe.

zu

Wir wollen als

gute Christen uns vor Allem erinnern, daß der gütige himm­ lische Vater in

seiner unüberschwänglichen Liebe und Lang-

muth den Menschen lange droht und sie warnet, und nur die Unverbesserlichen

straft; wir

haben

eS

nicht

vergesse», daß

unser Heiland uns sagt: das erste und höchste Gebot sei der Gehorsam gegen Gott, — daS zweite fei, die Rebenmenschen zu lieben wie sich selbst. In diesem göttlichen Gebot nun und in der Verehrung und Liebe zum Könige unr Vaterlande finden wir eine Auf­ forderung, unS innerhalb der fteilich stark beschränkten gesetz­ lichen Grenzen über die Gefahr auszusprechen, in welcher wir daS Land erblicken, vor den Folgen zu warnen und die Mittel, ihr zu begegnen, soweit dies möglich ist, anzugeben.

Der Monat Januar 1847.

Blicke in die Vergangenheit und Zukunft.

Es giebt Zeiten im Leben, in dem der Individuen und Völ­ ker, in welchen man mit heiterem Sinn der Zukunft entge­ gensteht: es find dies die Augenblicke, wo man im Sonnen­ schein glücklicher Constellationen sich einer gemüthlichen Ruhe hingiebt, und wo die geschäftige Phantasie sich Ave» im rosenfar­ bigen Lichte ausmalt. Es giebt dagegen auch Zeiten im Leben, in welchen am Horizont Gewitterwolken hangen, wo man fühlt, daß in den Constellationen die Nothwendigkeit einer großen Umwandlung liegt, ohne daß man vorauszusehen ver­ mag, wohin düse führen werde. Es giebt Zeiten, wo «- eine Todsünde wäre, diesen mit Leichtsinn entgegenzutreten, wo viel­ mehr Besonnenheit, Muth und weise Voraussicht erforderlich find, um dm zerstörmden Elementen, die uns umgeben, mit Er­ folg entgegmzutreten. Za es giebt Zeiten, wo, wenn man jene anzuwmden versäumt hat, jede höhere Leitung unmöglich wer1*

4 dm sann, und die Länder nur zu leicht einem dunklen Fatum und der Macht der bösen Geister anheimfallen. Werfen wir nun mit Bezug auf Preußen den Blick auf dir gegenwärtige» Zustände, wie wir sie im Januar 1847 er­ blicken, so finden wir, tajj sich raS Land in einer bereutenden Krise befindet, aber gottlob noch nicht in den letzten Statien derselbe», inzwischen schon immer so weit in derselben vorge­ schritten, daß weise Voraussicht, fester Wille, richtige Ausfas­ sung und vereinigtes Wirken von König und Volk allein im Staude sein werden, das Reich vor Erschütterungen zu bewah­ ren, deren Endresultat kein Mensch vorherzubestimmen vermag. Wie der Arzt, der einen Kranken heilen soll, vor Allem den Sitz des Uebels kenneir muß, so auch der Staatsmann. Ohne die Kenntniß des Ursprunges des Uebels bleiben die Mittel, es zu heilen, unbekannt und ist eine Heilung unmög­ lich.

Der Vorwurf dieser Schrift ist, so weit unsere Einsicht

und Redefreiheit reicht, dem Leser ein treues Bild der jetzigen Verhältnisse und der Mittel, diese zu verbessern, vorzuführen und zugleich der

Regierung

weiteren Benutzung zu liefern.

und dem

Lande Material

zur

Der Gegenstand, welchen wir

zu behandeln gedenken, ist sehr ernst. Die Zukunft Preußens, die Befestigung des Throns seines erhabenen Regentenhauses, die äußere Größe

und

innere Wohlfahrt des Landes wird

von den Maaßregeln abhängen,

zu welchen

die Regiemng

sich in der nächsten Zeit entschließen wird, die aber, um durch­ greifend zu wirken, unterstützt werden müssen von dem guten

5 Geist, klugen Benehmen und aufrichtigen Entgegenkommen der Stände,

jedoch

verbunden

mit derjenigen Gemessenheit und

Festigkeit, welche den Vertretern eines großen Volks nie feh­ len

darf.

Um

ein

treues Bild

der Zustande,

in

welchen

Preußen sich befindet, zu geben, können wir die äußeren Ver­ hältnisse nicht ganz übergehen; inzwischen werden wir und aus naheliegenden

Gründen

über

diese,

sowie

über die

kirch­

lichen Wirren, die leider so zur Unzeit angefacht find, nur kurz fassen, uns dagegen im weiteren Verfolg Vorzugsweise mit den materiellen und finanziellen Interessen beschäftigen, sowie mit der jetzigen innern politischen Lage und der weiteren Entwicke­ lung der Verfassung. Wersen

wir

den Blick auf die

politischen Verhältnisse

Preußens, Deutschland und den übrigen europäischen Groß­ mächten gegenüber, und auf die gleichen Interessen, welche die Bundesstaaten haben und haben sollten: so stellt es sich klar heraus, daß eö die erste Ausgabe der preußischen Politik sei, sich

mit Deutschland,

mit

den Fürsten

und

dem

deutschen

Volke, auf das innigste zu vereinigen, zugleich aber auch mit festem Willen eine

größere

Einheit und Centralisation der

Kräfte der Bundesstaaten zu fördern; dem zunächst dann aber — da Preußen an keine Eroberung denkt, vielmehr nur die Friedenspolitik vertritt — da'S System einer vermittelnden Po­ litik zwischen den großen absoluten Staaten und den constitu» tionellen Mächten zu verfolgen. Nicht allein die geographische Lage Preußens und Deutsch-

6 land- im Herzen von Europa weiset es darauf hin, dies« Stellung einzunehmen, sondern die politische Verfassung Deutsch, land- — welches gleichsam die Mitte zwischen den rein kon­ stitutionellen und den völlig absoluten Monarchien hält — so wie auch der- Bildungsgrad des preußisch-deutschen Volkes es zu einer solchen Vermittelung ganz besonders geeignet macht. Wichtiger noch erscheint diese politische Stellung Preußens, wenn man eS als rein deutsche Macht betrachtet, weil eS da­ durch mit völliger Bewahrung seiner Freiheit stets im Stande ist, das Uebergewicht nach der Seite hinzulenken, wohin eS sich selbst neigt.

Daß Preußen bei allen Continentalstreitigkeiten

die Entscheidung in der Hand hat, dafür spricht die Bewaff­ nung seines kriegerischen Volkes von IG Millionen Menschen, sowie seine ganze militärische Organisation, welche es ihm von allen europäischen Mächten allein möglich macht, ohne weitere Vorbereitungen jeden Augenblick ein mit allem Kriegsmaterial versehenes Heer von 300,000 Mann ins Feld rücken zu las­ sen. Welche achtbare und einflußreiche Stimme Friedrich Wil­ helm IV. im Rath der Fürsten gesichert ist — wenn Preußen das rechte politische System verfolgt, eine seiner würdige ener­ gische Sprache führt, mit seinem Volke aus das innigste ver­ eint ist, wie daö Jahr 1813 davon ein Beispiel geliefert hat, wenn eS auf die Aufrichtigkeit der deutschen Fürsten und die Sympathie des deutschen Volks rechnen kann — wird ganz Europa anerkennen müssen. Daß da» eben Gesagte kein Hirngespinnst eines hohlen

7 politischen Kopfs ist, läßt sich schon nach der Lage der Ver­ hältnisse beurtheilen, auch auö Thatsachen der neuesten Ge­ schichte beweisen. AlS im Jahre 1830 in Frankreich der Thron der älteren Bourbonen eingestürzt ward, und Rußland und Oesterreich dies als Sache der Fürsten betrachten und mit dem Schwerte das Princip der Legitimität vertheidigen wollten: da scheiterte die KriegSlust Rußlands und Oesterreichs an dem Veto Preu­ ßens, an dem festen Willen seines Monarchen, der, indem er die einzig richtige preußische Politik verfolgte, Europa und seine Unterthanen vor einem blutigen verderblichen Kriege bewahrte. Richt dieselbe richtige Politik ward im Jahre 1831 bei der Schilderhebung des Königreichs Polen gegen Rußland verfolgt. Inwiefern es im preußischen Interesse lag, diesen Zeit­ punkt zu benutzen, die russische Grenze von Deutschland wie­ der zu entfernen, können und wollen wir nicht weiter berühren; allein die Unterstützung, deren sich Rußland damals von Preu­ ßen erfreute, hätte wenigstens an die Bedingung geknüpft wer­ den müssen, daß nach Unterdrückung des Aufstandes, dem Wie­ ner Tractat gemäß, Polens Selbstständigkeit bewahrt bliebe. Auch bei zwei andern wichtigen politischen Ereignissen, welche die Ruhe Europas bedrohten, befolgte Preußen eine richtige Politik; und beide bestätigen die vorhin über da» Princip ausgesprochene Ansicht: diese waren der Abfall Bel­ giens und die sogenannte orimtalische Frage. In beiden trat

8 Preußen als birecter Vermittler, von Oesterreich und Rußland unterstützt auf. Ihm allein war eS zu danken, daß der Abfall Belgiens nicht zu einem casus belli gemacht wurde; und in der orientalischen Streitfrage entschied — nachdem Lord Pal­ merston die fast mit Frankreich bis zur gütlichen Beilegung geführte Verhandlung von Neuem abbrechen wollte — die feste Erklärung deö preußischen Gesandten, daß Preußen dann auf Seite Frankreichs treten würde, für die friedliche Beilegung der Streitfrage. Ganz diesem Systeme entgegen, welches allein PreußenStellung und Interessen entspricht, ist aber die Nichtanerken­ nung der Königin von Spanien.

Spanien und Deutschland

sind natürliche Verbündete gegen da- stets eroberungssüchtige Frankreich, und Spanien durste daher nie von Preußen auf­ gegeben und in die Hände Frankreichs geworfen werden. Abgesehen von dem großen materiellen Verlust, den der preußische und deutsche Gewerbfleiß dadurch erfahren haben, würde eS Preußen, — wenn es Jsabella anerkannt und einen tüchtigen Diplomaten nach Madrid gesandt hätte — leicht ge­ worden sein, dort als völlig parteiloser Vermittler aufzutreten, während jetzt nicht zu ermessen ist, zu welchen Verwickelungen da- französische Uebergewicht in Spanien und die Verfolgung der dynastischen Zwecke Ludwig Philipp- einst führen werde. Al- damals die drei nordischen Mächte Don Carlo- unter­ stützten, verfolgte Rußland allein eine richtige Politik.

Jeder

Zankapfel in Westen verwickelt England und Frankreich, und

9 lenkt dadurch ihre Aufmerksamkeit von den Operationen Ruß­ lands an den Grenzen Deutschlands, der Türkei und PersienS ab.

Auch Oesterreich glaubte in der spanischen Sache eine

richtige Politik zu verfolgen, die der Legitimität-bewahrung; allein eS täuschte sich, förderte nur die Zwecke Frankreichs, seine- erklärten Gegners, und verrechnete fich in Hinficht der Mittel, seine Wünsche durchzuführen. Selbst die neuesten Ereignisse boten Preußen wieder zwei­ mal die Gelegenheit, fich ein große- moralisches Gewicht zu verschaffen, dessen e- vor Allem bedarf, um Deutschland und Europa zu überzeugen, welche» wichtige Glied diese Monarchie wie in dem deutschen Bunde so in dem großen europäischen Staatenverbande bildet. Die erste Gelegenheit ward von'Dä­ nemark dargeboten.

Wenn Preußen auch noch keine Veran­

lassung hatte, sich früher in den Streit Dänemark- gegen Hol­ stein zu mischen, so berechtigte doch der offene Brief und die unumwunden darin ausgesprochene Absicht Dänemarks, allen bestehenden Verträgen entgegen einen Bundesstaat von Deutsch­ land abzureißen und Dänemark einzuverleiben, Preußen voll­ kommen, sich offen und auf eine energische Weise dagegen zu erklären.

Preußen, als die größte rein deutsche Macht, hatte

eine doppelte Veranlassung die- zu thun. Einmal, weil e- in seinem eigenen Interesse liegt, daß die Herzogthümer dem Geiste und der Sprache nach deutsch bleiben und nicht alö Beute an Dänemark fallen, — und zum andern, weil die preußische Stellung zu Deutschland e- for-

10 fcnrt, den Fürsten und dem Volke zu beweisen: daß, wo eS die Intereffm de» großen gemeinsamen Vaterlandes gilt, Preußen sich ohne Aufforderung voranstellt. Wenn auch die Bewegung unserer Presse und mehrere offici'eUe Schritte zu Gunsten der Herzogthümer die Ansichten Preußen- außer Frage stellen, so würde doch eine öffentliche Erklärung, wozu der Borwand sehr nahe lag, einen großen moralischen Effect hervorgerufen haben, reffen Preußen seinen vielen Gegnern gegenüber bedarf. Eine weitere Verankaffung bot Krakau dar; zwar allge­ mein bekannt und deutlich genug ausgesprochen ist e-, daß Preußen ungem und nur durch einen Separatartikel des München-Grätzer Vertrage- bewogen worden ist, feine Beistimmung zur Einverleibung Krakau» zu erthellen. Inzwischen wenn e-, ohne Rußland und Oesterreich sogleich feine definitive Zustim« mung zu geben, von dem Verlangen der beiden Kaiser die übrigen Garanten des Wiener Traktates und die Bundesver­ sammlung zu Frankfurt in Kenntniß gesetzt hätte *): so blieb

*) @6 konnte sich Preußen keine willkommenere Gelegenheit darbieten, den BnndeSfürsten einen Beweis davon abzulegen, wie sehr ihm dir Erhaltung der durch den Wiener Traktat anerkannten kleinen Staaten am Herzen liege, als indeni es in dem Augenblick, wo Oesterreich die Selbstständigkeit Krakau» bedrohte, sie davon in Kenntniß setzte. Za e» scheint, daß — da die Bundrsfürsten sich in gleicher Lage mit Preußen befanden, die Nachtheile der Verletzung de» Wiener TractatS und der daraus entspringenden Spannung mit den übrigen Garanten desselben zu tragen, ohne irgend einen Vor­ theil absehe« z« können — e< ebenso angemessen als politisch war.

11 demnächst die Entscheidung immer noch in seiner Hand, und rS trat dadurch immer mehr und mehr die europäisch« Stel­ lung Preußen- hervor, sich dem Westen oder Osten von Europa anzuschließen, je nachdem e- da- eigene oder Deutschland- In­ teresse forderte. Bielleicht würde man versucht werden, gegen einen solchen Schritt Preußens cinzmvenden, daß er einen Bruch de- engen Bündnisse- zwischen den drei nordischen Mächten und vielleicht selbst einen ernstlichen Conflict mit Rußland hätte herbeiführen können. Beide- ist nicht zu besorgen; denn ein rechtlicher Grund dazu war nicht vorhanden, da der Wiener Tractat, durch welchen Preußen ein Drittel seiner Monarchie garantirt ist, wenigstens auf gleicher Hohe mit dem München-Grä-er steht. Ein politischer Grund noch viel weniger; denn Rußland und Oesterreich bedürfen weit mehr Preußen- al- Zwischen­ macht und Vermittler bei den so schroff gegenüberstehenden Richtungen de- Osten- und Westen-, auch kennen beide ihre Interessen zu gut, um nicht, wenn e- gilt, Alle- zu vermeiden, was Preußen zu einem Bündniß mit letzterem hindrängen könnte. fich mit ihnen darüber zu verständigen. Inzwischen, wenn auch Derhälmiffe, dir wir vielleicht zu beurtheilen außer Stande fein mögen, Preussen gehindert haben, einen solchen Schritt zu thun, so liegt wenigste»» eine Beruhigung darin, daß Preußen keinen Antheil an dieser Eroberung genommen hat, — auch Oesterreich wird dadurch weder an materieller noch moralischer Kraft zunehmen.

12 Kaiser Nicolai (ganz die Bande der Verwandtschaft bei Seite gesetzt) ist entschieden ein ebenso ausgezeichneter Diplo­ mat, als konsequent in allen seinen Handlungen. So lange er seine Centralisationspläne in Kirche und Staat, in Sprache und Sitte nicht vollendet und die polnischen und deutschen Elemente russificirt hat, so lange seine friedlichen Eroberungen nicht beendigt sind, und die Schwächung der Nachbarstaaten ihm nicht bis auf den Punkt gelungen ist, den er sich als Ziel gesetzt hat, — wird er den Krieg nicht für zeitgemäß halten. WaS endlich Oesterreich betrifft, so ist das immer engere Anschließen an Rußland, von welchem es nichts zu hoffen, alles zu fürchten hat, selbst auS dem Revolutionsschauer kaum zu erklären, welcher seine Staatsmänner befallen hat; sollte eS wähnen, Preußen werde sich ihm ferner unbedingt unterordnen, so möchte hierin eine Täuschung liegen. Oesterreich hat nur einen durch gemeinschaftliche Interes­ sen verketteten Bundesgenossen, — und dieser ist Preußen. Sein Interesse erlaubt es nicht, sich jemals von Preußen zu trennen; je verwickelter seine inneren und äußeren Verhältnisse werden, je mehr Rußlands Macht sich an der deutschen und galizischen Grenze sowie im Orient verstärkt, um so mehr sollte eS der Betrachtung Raum geben, daß die Zeit gekommen sei, auf den bisher oft gemißbrauchten Einfluß auf Preußen jh verzichten und nur in der Stärke Preußens einen Zuwachs seiner eigenen zu erblicken.

13 Wenden wir uns nun wieder dem einzig richtigen polt, tischen Systeme zu, und sehen, welche Konstellationen sich dem Lande beim Beginne de- Jahres 1847 zeigen, so finden wir, daß sich in den letzten fünf Jahren die moralische Kraft

Uv

neSwegeö verstärkt hat. Ebenso wenig sind Zeichen Vorhanden, die aus eine engere Verbindung Preußens mit dem übrigen Deutschland oder auf eine größere Centralisation der deutschen Bundesstaaten hindeuteten.

Auch

die Lage Preußens

dem

Auslande gegenüber ist nicht günstiger geworden. Die immer noch mangelnde innere politische Entwickelung und

die

darüber zwischen

Regierung und Volk bestehenden

Controverscn, so wie die Bestimmung deS Gesetzes vom 17. Ja­ nuar 1820, nach welchem Staatsanleihen der Garantie der Reichsstände bedürfen (die aber bis jetzt noch nicht bestehen), rauben der preußischen Regierung einen Theil der Zuversicht, um bei den wichtigen politischen Fragen mit der Bestimmtheit aufzutreten, welche unerläßlich ist, um den Freunden Vertrauen, den Gegnern Achtung einzuflößen. Allein vor Allem tritt eS in die Augen, daß ein zu en­ ge- Anschließen an Rußland,

wodurch Preußen von seiner

Bahn fortgezogen und zu Schritten verleitet wird, die seinen Interessen direkt entgegenlaufen, nicht mit einer wohl verstan­ denen Politik Preußen- vereinbar ist. Dem preußischen Monarchen ist die-, wie

so manche-

daraus hindeutet, keineSwegeS entgangen, und wir würden da­ her den Gegenstand

auch unbeachtet

gelassen

haben, wenn

14 nicht von fremden Blättern, theil- au- Sachunkenntniß, theils wegen Ihrer feindlichen Stimmung gegm Preußen, hierau­ em Berdächtigung-grund entnommen, und dies« die Beschrän­ kung unserer Tage-presse und deren Schweigen al- Zustim­ mung ausgelegt hätten. Als guter Patriot und Freund der Wahrheit liegt undara«, solche Vorwürfe, welche den Zweck haben, Preußen zu verkleinern, zu widerlegen, und zugleich darauf aufmerksam zu machen, wie schwer und selbst unpolitisch eö oft sein würde, bestehende Verhältnisse plötzlich abbrechen zu wollen. Um dies klar zu übersehen, müssen wir unS auf einen früheren Zeit­ punkt zurückversetzen. Die Eroberungssucht Napoleon- gab die erste Veranlas­ sung, daß sich ein enge- FreundschastSbündniß zwischen Ruß­ land und Preußen anknüpfte; die Krieger beider Nationen fochten in jener Zeit gemeinschaftlich um den eigenen Herrd. Nach Beendigung de- Kriege» und während der in Wien ge­ führten Verhandlungen über Theilung der Erobenrngen trenn­ ten sich die Interessen Preußen- und Rußlands schon wieder, besonder- wenn ersteres die Zukunft in- Auge faßte; allein die falsche Politik deS Wiener und Londoner CabinetS und dir Mißgunst dieser und auch einiger anderer Fürsten Deutsch­ land- gegen Preußen, welche diesem die Früchte seiner Opfer infc> seiner Siege ungebührlich zu schmälern suchte, zwangen dessen Monarchen, sich seinem einzigen Freunde, dem Kaiser Alerander, enge anzuschließen. So befestigte sich auch nach

15 dem Friede» da- Bündniß beider Mächte, weichem sich dem» nächst auch Oesterreich anschloß. Die weit übertriebene Besorgniß vor den politischen Be­ wegungen in Deutschland und de« Westen von Europa, so wie vor den unermüdlichen Anstrengungen der Propaganda hielten die Allianz der drei Mächte zusammen; aber noch weit mehr that dies da- enge Principien-Bündniß England- und Frankreichs, welche- man als gegen die nordischen Mächte ge­ richtet betrachten zu können glaubte. So lange Kaiser Alerander lebte, und auch in den er» sten Regierungsjahren de- Kaiser» RicolauS gab e- preußi­ scher Sritö weniger Veranlassung zum Mißtrauen; erst seit dem Regierungsantritt des jetzigen Königs enttvickelt Rußland eine Politik, die allen Nachbarstaaten gerechte Besorgnisse ein­ flößen muß. Inzwischen hatte der jetzige Monarch die Erbschaft feine» Vater» angetreten, zu welcher auch da- enge Bündniß mit Rußland gehörte; e» schwebten eine Menge politische Fragen, die spanischen, die krakauschen, so wie die Angelegenheiten de» Königreichs Polen betreffend, in welchen Preußen sich wider seinen Willen mit verwickelt sah und fortgezogen wurde. Wahrlich ganz im Widerspruch mit dem Interesse seine» Volks würde eS gewesen sein, wenn der König gewaltsam alle diese Verhältnisse zerreißen wollte, während Oesterreich sich unbedingt auf die Seite Rußland- stellt, während auf Deutsch­ land wohl kaum unbedingt zu rechnen sein möchte und da-

16 deutsche Volk bis jetzt keine Sympathie fflt Preußen beweiset, zugleich aber in Preußen eine bedeutende politische und kirch­ liche Aufregung besteht. Wir haben vorhin von Zeichen gesprochen, welche errathen lassen, daß die preußische Diplomatie sich nicht über die Ge­ fahr der jetzigen Stellung täusche. Der Bau der Festung Po­ sen, die Verstärkung der Werke von Thorn, die Befestigung von Königsberg und der hart an der russischen Grenze aus­ geführte Festungöbau bei Lötzen, Boyensfeste genannt, verthei­ digen diese Behauptung. Unserm Vorsatze getreu, wollen wir unS nicht weiter in die äußere Politik vertiefen, und unS am wenigsten auf Ver­ muthungen einlassen, wohin die verschiedenen, jetzt schweben­ den politischen Fragen möglicherweise führen können. Wir glauben noch fest an den Glücksstern Preußens, an die in der Vereinigung zwischen König und Volk beruhende Kraft, welche, wie zu hoffen steht, durch die Verfassung vermehrt, auch der äußeren Politik eine erfreulichere Gestalt geben wird, al- wir diese jetzt darzustellen vermögen würden, wenn wir unS auf ihre Schilderung einlassen wollten.

Die kirchlichen Zustande.

In Hinsicht der kirchlichen Wirren, wie sie im Januar 1847 vorliegen, können wir nur aus unsere in früheren Schrif­ ten ausgesprochene Ansicht zurückgehen, daß ihr Vorhandensein höchst beklagenswert!) sei und sie nur das Bild der Zerrissenheit zeigen, in welcher sich die evangelische Kirche befindet.

ES

konnte keinen ungelegeneren Zeitpunkt geben, als den jetzigen, sie hervorzurufen. Die Geschichte aller Völker und aller Zeiten belehrt unS darüber, wie viel Unheil die religiösen Streitigkeiten immer gestiftet haben, und wie gering die endliche Ausbeute in Rück­ sicht der richtigeren Erkenntniß religiöser Wahrheiten und der moralischen Besserung der kämpfenden Parteien gewesen ist. Dazu kommt, daß die kirchlichen Bewegungen fast immer einen politischen Charakter zu nehmen pflegen, und nicht selten zur Erschütterung der bestehenden Ordnung geführt haben. Wenn aber auch eine gewisse Bemhigung darin liegt, daß der religiöse Fanatismus sein Zeitalter gehabt hat, und 2

18 jetzt oft nur eine Maske ist, um die Schwachen zu bethören und den bangen Gemüthern Angstschweiß auszupressen, im Hinter­ gründe aber Amtsjägerei, Opposition gegen die Regienina, Spektakelmacherei oder eine Art Blöbsichligkeit verborgen liegt: so muß man es jedenfalls als einen beklagenswertsten Zustand betrachten, daß sich so wenig gute Elemente hinter einem Hei­ ligenschein zu verbergen suchen. Wir können die Regierung nicht von dem Vorwurf freisprechen, daß sie, wenn auch unzweifelhaft in der besten Absicht, dock sehr unzeitig und zu eifrig in der Sache vorge­ schritten ist. Die Sorge, die sich so oft ausspricht: das Christenthum stehe in Gefahr und e« müsse etwas geschehen, um eS zu ret­ ten, beweiset nur den schwachen Glauben derer, die so etwas fürchten, und wie wenig sie einen Begriff von dem wahren Christenthum haben. Wären sie fest davon überzeugt, daß un­ sere Religion göttlichen Ursprungs sei, und hätten sie nur Glauben wie ein Senfkorn groß, so würden sie von der Wahr­ heit durchdrungen sein müssen, daß das göttliche Wort in sich die Kraft der Selbsterhaltung trage und der Stühe schwacher erbärmlicher Menschen nicht bedürfe. Die äußeren Religionsübungen lassen sich wohl erzwin­ gen, verlieren dadurch aber allen Werth.

Da- wahre Chri­

stenthum dagegen, das innere vom Geist de- Menschen er­ faßte, tief in sein Gemüth eingeprägte, steht höher und kann weder ge- noch verboten werten.

19 Daß auch dir Religion einer äußeren Form bedürfe, daß eine jede Kirche unter der Leitung der geistlichen Behörde stehe, daß es die Pflicht der Regierung sei, die ihr zu Ge­ bote stehenden Mittel zu verwenden, daS Seelenheil de- Volkzu fördern, und den Aberglauben wie Unglauben durch gei­ stige Mittel und durch die Kraft der Wahrheit zu bekämpfen, — ist ebenso gewiß, al- daß jeder kirchliche Absoluti-mu- dem Geist der evangelischen Kirche widerspricht. Inzwischen können wir e- nicht oft genug wiederholen, daß die Regierung, wenn sie die religiösen Verirrungen nicht noch steigern will, für jetzt sorgfältig Alle- vermeiden müsse, wa- zu einer weiteren Auftegung führen kann, dagegen Alle­ thun, um die bürgerliche Ordnung aufrecht zu erhalten. In dieser Beziehung scheint e- nöthig, sobald al- möglich di« bür­ gerliche Ehe einzuführen. Mehrere der neuentstandenrn Sekten haben «och zu we­ nig Bestand, um sie schon als Zweige der einen oder anderen Landeskirche anerkennen zu dürfen. Wenn man sie daher auch nicht in ihrer Glaubensfreiheit und in ihren kirchlichen Ceremonien beschränken will und darf, so ist e- doch noch zu frühzeitig, ihren Geistlichen sämmtliche Befugnisse der Priester der Landeskirchen einzuräumen. Um nun hierzu nicht auf der einen Seite gezwungen zu sein, und um auf der andern den Kindern aus den von Reukatholiken, Lichtfreunden und an­ dern geschlossenen Ehen ihre bürgerlichen Rechte zu sichern, sind die Civilehen am geeignetsten, durch deren Einführung 2

*

2V überdem eine Menge Konflikte bei Schließung gemischter Ehen vermieden werden würde. Wenn wir nun darauf zurückkommen, daß jeder Wiverstand nur zu oft das Gegentheil von dem bewirkt, was man durch denselben bezweckt, das Gehenlassen ragegen zu gewissen Zeiten sehr beruhigend wirkt und so Manches zu Grabe führt: so scheint es sehr wünschenswerth, daß die Regierung sich in den Kirchensachen, so weit cS mit ihrer Pflicht irgend verträg­ lich ist, passiv, d. h. tolerant beweise. In Zeiten, wie die gegenwärtigen, wo die Befestigung deS Thrones und die Wohlfahrt des Landes die Ordnung der Verfassungsfrage fordern; in einer Zeit, in welcher Theue­ rung das Volk drückt und Hungersnoth aus vielen Punkten in Aussicht steht, in welcher sich unter der großen Zahl der Proletarier die communistischen Ideen immer mehr und mehr verbreiten und es an Personen nicht fehlt, welche die Massen des Volks in Bewegung zu bringen suchen, müssen die reli­ giösen Wirren bei Seite gestellt werden, um nicht dem Brande noch größere Verbreitung zu geben. Wie richtig diese Ansicht ist, wird sich, wie wir glauben, im weiteren Verlauf der Schrift immer deutlicher herausstellen.

Die materiellen Zustande.

Welche Bedeutung die materiellen Interessen in neuester Zeit gewonnen haben, und welchen Einfluß sie auf die Wohl­ fahrt deS Volks, auf die Macht deS Staats, welchen auf die innere Ruhe des Landes da üben, wo sie sorgsam gepflegt werden, bedarf keiner weiteren Erörterung, sondern kann als bekannt angenommen werden. Keine Regierung hat dies bes­ ser zu würdigen gewußt als die englische, und die Macht und der Reichthum Englands sind zum großen Theil als Folgen davon zu betrachten. Ganz im Gegensatz von England hat die preußische Re­ gierung den materiellen Interessen bisher wenig, viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und die traurigen Folgen davon machen sich in allen Theilen der Monarchie nur zu sichtbar; ja sie sind ganz geeignet, die ernstesten Besorgnisse für die Gegenwart und weitere Zukunft zu erregen, insofern nicht eine schnelle und durchgreifende Abhülfe erfolgt. Bei der näheren Beleuchtung der für die ganze Monar-

22 chie so wichtigen materiellen Interessen werden wir un- zurrst mit dem jetzigen Nothstände beschäftigen, welcher in den näch­ sten sechs Monaten über viele Theile der Monarchie unabseh­ bares Elend verbreiten muß, und dann zu den Besorgnissen übergehen, welche die wachsende Zahl der Proletarier in Ver­ bindung mit dem sich stark verbreitenden EommuniSmuS allen Denjenigen einflößt, welchen die Erhaltung des Bestehenden am Herzen liegt; im weiteren Verlauf werden wir dann un­ sere Ansichten über die Mittel zur Abhülfe mittheilen, unS mit den weiteren Ursachen deS stark im Sinken begriffenen Natio­ nalwohlstandes , der allgemeinen Grldnoth, der Stockung im Ackerbau, im Handel und in den Gewerben und der in Folge des­ sen eintretenden Veränderung der Staatseinnahmen beschäftigen. Der geringe Ausfall der Ernte von 1845 und die fast ganz

allgemeine Mißernte

von

184(>

sind Schickungen deö

Himmels, die um so härter treffen, weil die Kartoffeln, welche mindesten- £ de» NahrungSstoffcS des gemeinen Mannes aus­ machen, in allen Gegenden schlecht gerathen, in vielen gänz­ lich mißrathen sind. Die Noth, die hieraus und ans der übertriebenen Theue­ rung der Lebensmittel für die ärmere Bolksklasse fast allgemein entsteht, ist grenzenlos, und wird sich bis zur nächsteil Ernte von Monat j>l Monat steigern.

Soweit uns die Preise der

Lebensmittel bekannt sind, kostet der Scheffel Roggen allent­ halben mindestens 3 Thaler und darüber, die anderen Korn­ arten nach Verhältniß und die Kartoffeln 25 Sgr. bi-

i\

Thlr.

23 Abgesehen nun davon, daß die Geldnoth, welche ebenso all­ gemein verbreitet ist wie die Kornnoth, und eine gleiche Höhe erreicht hat, führt:

wie

zur Einstellung

aller nicht dringender Arbeiten

soll cs bei diesen Preisen der LebenSmittel den

Arbeitern, selbst wenn sie Beschäftigung finden, möglich werden, von ihrem Verdienst sich und ihre Familie zu ernähren? BiS Weihnachten haben viele derselben noch von den Saatkartoffein und den früher gesammelten Vorräthen gelebt, aber so dürftig, daß hierin der Grund der vorgekommenen, ungewöhn­ lichen zahlreichen Erkrankungen und Sterbefälle liegt. In den größeren Städten werden die Drodlosen durch die Mildthätigkeit ihrer reicheren Mitbürger doch nothdürftig gespeiset, und auf den großen Landgütern verdient der Tage­ löhner sich etwas Korn durch das übliche Drescherlohn; allein den Tagelöhnern, die in den steinen Landstädten und Bauer­ dörfern wohnen, und die vurch den Mißwachs an Kartoffeln ihre Hauptnahrung verloren haben, bleibt ohne ftemde Hülse nur übrig: zu stehlen, zu betteln oder zu verhungern. ES wird zwar angeblich in Folge von genauen Ermitte­ lungen, die durch die landwirthschaftlichen Vereine angestellt worden sind, behauptet, daß wenn die noch im Lande befind­ lichen Ernährungsmittel auf die ganze Bevölkerung vertheilt werden könnten, diese bis zur nächsten Ernte ausreichen wür­ den.

Eine solche gleichmäßige Vertheilung ist aber unaus­

führbar, da der eine Theil kein Geld hat zu kaufen, der an-

24 dere kein Getreue ohne Geld fortgiebt; mithin liegt in der oben erwähnten Ermittelung kein Trost für die Nothleidenden. ES ist vorhin gesagt, daß schon jetzt in Folge der schlech­ ten Nahrung ungewöhnlich viele KrankheitS- und Stcrbefälle vorgekommen wären; allein aus zuverlässigen Quellen ist und mitgetheilt, in welchem Grade auch das Betteln und die Feld­ diebstähle

und die Einbrüche

in die Vorrathskammern und

Kartoffclkeller selbst in Gegenden nie vorkam.

zunehmen, wo dies bisher

ES bleibt aber sehr ;» besorgen, daß wenn eine

Verwilderung der Bevölkerung einmal eingerissen ist, sie leicht zur Gewohnheit wird. Allein noch ein anderer Uebelstand verdient vor Allem Erwähnung und Abhülfe.

Bei der höchst dürftigen Kartoffel­

ernte ist nämlich mit Bestimmtheit anzunehmen, daß die große Masse

der Tagelöhner

unter

den geschilderten Verhältnissen

ganz außer Stande sein werde, sich die Kartoffeln zur Saat zu ersparen"), und da schon jetzt in manchen Gegenden Kar­ toffeln kaum mehr für Geld

zu

haben sind, so wird, wenn

nicht für die Saat von Seiten der Regierung gesorgt werden

*) Bum bessern Verständniß für das mit den ländlichen Ver­ hältnissen unbekannte Publikum müssen wir

mittheilen, daß fast

ohne alle Ausnahme den Tagelöhnern von den großen und kleinen Grundbesitzern gegen Dienste oder andere Leistungen alle Frühjahr Land zur Auslegung von 8, 10 bis 12 Scheffel Kartoffeln über­ lassen wird, und daß sie davon in der Regel nundestens 60 bis 80 Scheffel bauen, die sie zur Ernährung ihrer Familien verwenden, die ihnen nun aber dies Jahr fehlen.

25 sollte, dir Roth im nächsten Jahre noch größer werden, wie im jetzigen. Daß, wo solche Verhältnisse bestehen, die Regierung in mehrfacher Beziehung

hülfreich

einzuschreiten verpflichtet sei,

darüber wird sie selbst und daS Publikum wohl nicht im Zwei­ fel sein können. Abgesehen von den Pflichten

daS Elend

unserer Mit­

menschen zu lindern, so zahlt auch der Tagelöhner Abgaben lind ist zur Vertheidigung deS Vaterlandes mit seiner Person und mit der seiner Kinder verpflichtet;

er kann daher auch

wohl mit vollkommenem Rechte verlangen, daß man ihn und seine Familie in der Roth unterstütze und vom Hungertode errette. Wenn man aber auch hiervon absieht, so darf man doch fragen, wohin eS führen würde, wenn die Kartoffelsaat fehlte und die Noth der unteren Volksklassen auf den höchsten Gipfel getrieben werden sollte?

WaS sagt unS Irland darüber? —

Zu hoffen ist es, daß die Regierung und die jetzt bald zusam­ menkommenden Stände

zuerst und vor Allem die vielfachen

Arten der materiellen Roth einer ernsten Erwägung unterzie­ hen werden. Daö Nächste, was für jetzt zu thun wäre, möchte wohl darin bestehen, den Behörden bei eigener Verantwor­ tung aufzugeben, einen genauen Bericht über den etwa beste­ henden Nothstand und darüber abzustatten, in wie weit die künftige Kartoffelsaat vorhanden sei oder nicht; unzweifelhaf

26 wird diese an vielen Orten fehlen, und die Noth

sich dann

auch im nächsten Jahre wiederholen. Wenn die Regierung aber nicht bei Zeiten von der Höhe de- Nothstandes

in Kenntniß gesetzt ist,

so

kann leicht die

Folge davon sein, daß es den höchsten Behörden unmöglich gemacht wird, Hülfe zu gewähren. Die Calamität,

welche durch Mißernten

veranlaßt

die

unteren BolkSklassen so sehr drückt, führt um) unmittelbar zu der

allgemein

verbreiteten

über die Vermehrung

und

sehr

begründeten

der Zahl der Proletarier

Besorgniß im ganzen

Umfange der Monarchie. Wohin eine solche steigende Bevölkerung von Proletariern führt, beweiset Irland, ja selbst England; und tvie gefährlich sie werden kann, verbreitenden

wenn die auch bei nnS sich immer mehr

cornmunistischen

Ideen

tieferen

Boden

fassen:

darüber darf sich wohl Niemand täusche», besonders da wir unS keiner starken Verfassung erfreuen, die, wie in England, ein Gegengewicht abgäbeRoch vor wenigen Jahren fanden sich nur hi» und wie­ der in den großen Städten Proletarier, und die cominunistischen Ideen waren ganz unbekannt. derer die

nichts

haben

Dieses rasche Zunehmen

und des CommuniSmuS weiset auf

mancherlei Gebrechen hin, die bei unS bestehen, und die ge­ meinschaftlich zu so bedauerlichen und besorglichen Resultaten führen. Obgleich die communistischen Ideen keineSwegeS von den

27 Proletariern,

sondern

von

denjenigen

Leichtsinn oder EgoiSmuS an dem

ausgehen,

Umsturz

die

aus

der Gesellschaft

arbeiten, und besonders unter den Handwerksgesellen Verbrei­ tung finden: so liegt doch die Hauptgefahr darin, daß eS eine so große Masse von Menschen giebt, die nichts zu verlieren haben, und die

daher jederzeit zum Kampf grgm die bereit

sind, die etwas besitzen. Um die Mittel zu kennen, einer Gefahr, welche die Ord­ nung der Dinge von dieser Seite her bedroht, zu begegnen, müssen wir vor Allem die Ursachen erforschen, aus welchen die Gefahr entspringt. Mangel an Gelegenheit zum Erwerb steht hier oben an; nichts macht ruhigere Bürger, als wenn die Magen gefüllt sind.

Eine sich materiell wohl befindende Masse Deutscher

bekümmert sich wenig um Politik und waS

außer ihr vor­

geht; eine hungernde, im Wohlstände zurückschreitende Bevöl­ kerung ist unzufrieden, verwildert, und am Ende nicht mehr zu bändigen. Wo wie in Preußen die Bevölkerung wächst, bedarf sie, um sich ernähren zu können, ihrer Thätigkeit: diese fehlt.

einer Erweiterung dcS FeldeS

Der Ackerbau unterliegt in manchen

Theilen der Monarchie noch immer Beschränkungen, die seinen Flor und die Ausbreitung der Bodencultur niederdrücken. Gewerbfleiß

Der

und der Handel erfreuen sich weder im Inneren

noch in ihren Beziehungen nach Außen einer sie hinlänglich schützenden Borsorge der Regierung; im Gegentheil, durch da-

28 Beharren bei falschen Systemen, durch lästige Beschränkungen mancher Art, und vor Allem durch die Verfolgung mangel­ hafter Finanzmarimen leitet der Erwerb, vermindert sich das Nationalvermögen.

Wir werden weiterhin die hier ausgespro­

chene Ansicht zu belegen wissen; für jetzt genügt es zu zeigen, welchen Einfluß die obigen

Verhältnisse auf die Verarmung

mancher Klassen der Bevölkerung haben. ES ist vorhin gesagt,

daß

mit

der Zunahme

derselben

auch ein weiteres Feld der Thätigkeit wenigstens geöffnet blei­ ben müsse *); dies ist bisher aber nur im viel zu beschränk­ ten Maaße geschehen. Da durch Gesetzsu-pensionen, auf welche wir zurückkom­ men werden, der wachsenden ländlichen Bevölkerung selbst in den Provinzen, wo noch so viel Land wüst liegt, die Ansiede­ lung gehindert wird; da der Gewerbfleiß und die Fabrication überhaupt so wenig Aufmunterung finden, daß die frü­ her bedeutendste derselben, die Leinwand-Fabrication, ganz in Verfall gerathen ist; da der Handel wegen zu geringen Schuzze- in Abnahme begriffen ist, die Schiffahrt durch nachtheilige Verträge mit anderen Staaten darniederliegt — mithin auch diese

Erwerbsquellen

der

zunehmenden

Bevölkerung

ebenso

wenig die Gelegenheit zu einer lohnenden Beschäftigung ge-

*) Wir sind billig in unseren Anforderungen; wo das Land eine so große Masse von Beamten besoldet, könnte man wohl ver­ langen, daß statt „geöffnet bleiben" „geöffnet werden" ge­ sagt würde.

29 währen als der Ackerbau: — wa- sind die nothwendigen Fol­ gen davon?

Daß während sich die Geschäfte weder erweitem

noch lohnender werden, ja abnehmen, die Zahl derer, die sie betreiben, sich bei völliger Gewerbefteiheit in dem Maaße ver­ mehrt, daß, wenn dies Verhältniß bleibt, eine allgemeine Ver­ armung, mindestens eine steigende Zunahme der Proletarier durch alle Klaffen der Gesellschaft mit mathematischer Gewiß­ heit zu berechnen ist.

Als die Regierung sich zu dem System

der freien Entwickelung de- Fortschritte- entschloß, welchem auch wir huldigen, als sie durch Aufhebung der Hörigkeit, deZunftwesens und durch Sprengung aller der Fesseln, die in früherer Zeit die freie Bewegung unterdrückten und die Zu­ nahme der Bevölkerung hinderten, der freien Concurrenz das Feld öffnete: durfte sie nicht dabei stehen bleiben alle Bande gelöset zu haben, sondern sie hätte dem Strom auch ein Bett anweisen müssen, nicht aber wie gegenwärtig ruhiger Zuschauer bleiben und das Schicksal walten lassen. Unmöglich kann die Regierung so befangen sein, zu übersehen, daß hierin der Krebs unserer jetzigen socialen Verhältnisse liegt, den nur eine durchgreifende Hülse heilen kann. Der Gegenstand ist so ernst, daß wir hoffen, die näch­ stens zusammentretenden Stände werden nicht unterlassen, im Gefühl ihrer Pflicht gegen den Thron und gegen da- Land, denselben einer ernsten Prüfung zu unterziehen. Fassen wir jetzt wieder die Klasse der eigentlichen Tage­ löhner ins Auge, so finden wir, daß sich in neuester Zeit und

30 auch jetzt noch für diese, sowohl zum Bau der Eisenbahnen alS so vieler Kirchen und ganz neuer Stadtviertel in Berlin, zwar ein ausgedehnte- Feld der Beschäftigung geftinden hat; da jedoch alle diese Bauten von den Mitteln, welche die Re­ gierung und die Unternehmer daran verwenden können,

ab­

hängig sind, und diese leicht in nächster Zeit fehlen möchten, so ist die Frage natürlich: was dann aus den bei diesen Bau­ ten beschäftigten Arbeitern werden wird, wenn sie nicht durch Förderung der produktiven Gewerbe eine Gelegenheit erhalten, sich zu beschäftigen, die nicht so zufällig ist al- die gegen­ wärtige? Mein man würde sich sehr täuschen, wollte man anneh­ men, da» Proletariat erstrecke sich nur auf die alleruntersten Volksklaffen.

Ter Mangel an Gelegenheit, die geistigen und

physischen Kräfte productiv, im eigentlichen Sinne de» Wortgenommen, zu verwenden, macht, daß sich, wie vorhin schon angedeutet, auf die

einmal

bestehenden Gewerbe

neu anwachsende Bevölkerung wirst, entspringender

übergroßer

die ganze,

und in Folge daraus

Concurrenz Viele

verarmen

oder

nur dürftig sich durchkümmern. Wie an so vielen Orten, so tritt die» auch in Berlin recht bestimmt hervor. den, rvährend sich

Alle Tage entstehen so z. B. neue Lä­

andere schließen; daher fehlt eS auch in

dieser Region nicht an Proletariern.

Ja selbst höher hinauf

in dm geistigen Sphären finden wir sie; wir wollen nur aus dir Literaten himveisen, die ihre Feder der TageSpresse wid-

31 mm. Asch hier bestehen mit Bezug auf die ConcesfionS-Er»Heilungen. ntutr TageSblätter sehr einengende Beschränkungen, und erzeugen auch hier da- Mißverhältniß zwischen der Zahl der Subjekte und Objekte. Rur ausnahmsweise und bei erprobtm Verdiensten wird, wie in neuester Zeit in Berlin, die Concession zu einer neuen Zeitung ertheilt. Inzwischen er­ scheint diese letztere noch nicht als bleibender Stern an dem berliner Firmament, sondern nur als ein Meteor, welches nach der Art dieser Naturerscheinung in dem Augenblick platzt, wo rS zu leuchten ansängt. (Notabene: die Concession kann je­ den Augenblick zurückgenommen werden.) Wenden wir unS nun wieder dem Kommunismus und den Ursachen zu, welche ihn fördern, so ist auch dessen Unter­ lage theilweise iix dem mangelnden materiellen Wohlbefinden zu suchen; aber seinen Hauptsitz hat er in den krankhaften politischen Zuständen der jetzigen Zeit, und man würde sich einer sehr gefährlichen Täuschung hingeben, wenn man sich einbildete, ein so tief eingewurzeltes Uebel durch Polizrimaaßregeln unterdrücken zu können: diese vermögen nicht mehr, alS öffentliche Demonstrationen zu verhindem. Gegen eine Pest, wie der CommuniSmuS ist, giebt eS, nachdem sich das Contagium einmal verbreitet hat, nur ei» Mittel, dieses ist: rin gesunderer Körper; leider fehlt unS und, was daö Schlimmste ist, größtentheils dem ganzen Deutsch­ land, in politischer Beziehung bis jetzt rin solcher. Wir haben vorhin gesagt, eS wäre eine Todsünde, Zu-

32 stände, wie deren so viele bestehen,

leichtsinnig aufzufassen.

Todsünde nennen wir sie, weil, wenn man sie fortwalten läßt und ihnen nicht mit Kraft und Umsicht entgegentritt, sie nur zu leicht zum Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung fuhren. Soll der Kommunismus und sollen so viele andere, die Sicherheit

und die Wohlfahrt des Landes bedrohenden und

auf die Verwilderung der Masse direkt einwirkenden Elemente in Schranken gehalten werden, so bleibt keine Wahl, als vor Allem dem Lande Institutionen zu geben, die sich dem Throne fest anschließen und stark genug sind, ihn gegen die destruktive Richtung der Zeit zu schützen;

gleichzeitig aber solche Maaß­

regeln zu ergreifen, die die Aufregung beschwichtigen und vor Allem die Verbesserung der materiellen Wohlfahrt in Aussicht stellen.

Wohin es führt, wenn da, wo noch so viele Mängel

bestehen, noch so vieles zu ordnen bleibt wie bei unS, der Re« giening die Gelegenheit fehlt, durch allgemeine Landstände die Wünsche der Majorität des Volks zu vernehmen, und sie sich daher allein ver Einsicht einer durch die Last der Geschäfte erdrückten Verwaltung hingeben muß, beweisen die sich immer bedenklicher

herausstellenden

Zustände

unserer

Monarchie.

Doch wir wollen den Gegenstand hier nicht weiter verfolgen, und nachdem wir das allgemeine Prinzip einer radikalen Kur ausgesprochen haben, jetzt auf einige spezielle Vorschläge zur Abhülfe eingehen. Da- erste und wichtigste, waS zu thun übrig bleibt, ist, wo möglich die jetzige Masse der Proletarier zu vermindern

33 und diesen eine Beschäftigung zuzuweisen, welche ste wieder zu produktiven Gliedern deS Staats macht und sie in die Lage verseht,

sich und

ihren Familien

Unterhalt

zu verschaffen.

Hierzu giebt es keine bessere Gelegenheit, als wenigstens einen Theil von ihnen anzusiedeln, sie aus den Acker- und Garten­ bau anzuweisen.

Die vielen wüsten Ländereien bieten dazu

eine sehr paffende Gelegenheit dar; und wenn bei der Ansie­ delung mit praktischer Umsicht verfahren wird und nach Be­ schaffenheit deS Bodens jeder so viel, aber auch nicht mehr und nicht weniger Land zugetheilt erhält, als hinreicht ihn zu ernähren, so werden solche Kolonien gedeihen, und eS wird sie nicht der Vorwurf treffen, den man ihnen machen will, daß sie zu leicht zur Verarmung führen.

Wir selbst haben mehrere

Kolonie-Dörfer angelegt, aber bei einem mäßigen Canon, den wir ihnen auferlegt haben, ist noch kein Fall vorgekom­ men, daß ein Kolonist verarmt sei.

Inzwischen müssen

wir zugleich davor warnen, daß ihnen nicht erlaubt werde, ohne

spezielle

Genehmigung HauSinnen aufzunehmen,

auS

welchen sich nur zu oft die allerschlechteste Klasse der Proleta­ rier bildet;

dagegen ist eS dringend zu empfehlen, in solchen

Kolonien mit dem Schulunterricht für beide Geschlechter eine Unterweisung zu verbinden, die eg ihnen in der Folge mög­ lich macht, sich besser ernähren zu können. Wenn die Mädchen schon in der Jugend Unterricht im Spinnen,

Weben und anderen Hausarbeiten erhielten,

gleich im Gemüsebau unterrichtet würden,

zu­

und die Knaben

3

34 wieder zeitig solche Fettigkeiten erlernten, die ihren künftigen Verhältnissen entsprechen: so würde dies ungemein günstig auf den

materiellen Wohlstand

und

zugleich

auf die häuslichen

Tugenden der Klasse kleiner Eigenthümer wirken; denn der Müßiggang bleibt stets die Quelle aller Uebel. sie schon in der Schule ans Faulenzen

Jetzt werden

gewöhnt, denn wäh­

rend einigt den Unterricht empfangen, bleiben 50 und mehr Kinder so gut wie unbeschäftigt; viele würden weit besser lesen und schreiben lernen, wenn man eine Abwechselung in den Unterricht brächte, und sie nicht länger mit einem Gegenstand beschäftigte, als ihre Aufmerksamkeit ausreicht. ES ist ganz außer Zweifel, daß eS eine der wohlthätig­ sten Einrichtungen sein würde, wenn im ganzen Lande mit dem

Schulunterricht

auch

solche Unterweisungen

verbunden

würden, die den gemeinen Mann in allen den Arbeiten ge­ schickter machen, durch welche er in der Folge seinen Lebens­ unterhalt verdienen soll. Schon öfter haben wir schriftlich und persönlich dieses Mittel al» da- beste gegen den Pauperismus bevorwortet, da

eS vorzugsweise dazu beitragen würde, den Hunger und Kum­ mer von so vielen Familien abzuwenden, und haben zugleich die Ausführbarkeit desselben nackgewiesen; allein unsere Schul­ männer sind in dieser Beziehung taub und zum Theil so voll alberner Borurtheile, daß eine solche Maaßregel nur von oben herab durchgeführt werden sann. Wenden wir uns nun wieder dem vorgeschlagenen Eolo-

35 nisationSplane zu, so weiß man jetzt, die Regierung «olle zu ähnlichen Zwecken Königliche Domainen verwenden;

eS wäre

sehr wünschenSwerth, wenn sie diesen Plan wirklich zur Au»führung brächte. Soviel bleibt gewiß, der Staat oder die Pri­ vaten, die sich für einen solchen Plan interessiren, finden zu so billigen Preisen in den östlichen Provinzen der Monarchie Grundstücke zu Kaufe, daß neben Erreichung des Zwecks die daran verwandten Kapitalien sich sehr reichlich verzinsen wür­ den, selbst wenn man den Colonisten auch nur einen billigen Canon auflegte. Wie sehr man aber in dieser Beziehung so oft die In­ teressen verkennt und unglücklichen Vorurtheilen daS besondere und allgemeine Beste opfert, davon wollen wir nur ein Bei­ spiel anführen.

Durch da- Gesetz vom Jahre 1808, in wel­

chem eS in Pommern den LehngutSbrfitzern gestattet ward, ge­ gen einen vollständigen Ersatz Bererbpachtungen vorzunehmen, waren in Pommern in kurzer Zeit eine Menge neuer Dörfer entstanden, viele Tagelöhner zum Besitz von Gmnd und Bo­ den gekommen und manche wüste Strecken der Cultur zuge­ führt und der Werth der Güter dadurch gehoben. Diese Verfügung des hochseligen König» ward, obgleich sie so glückliche Erfolge gehabt hat, plötzlich unter einem ganz unbedeutendeil Vorwand suspendirt und bleibt es, obgleich die­ ser schon wieder gesetzlich beseitigt ist. Sowie null in den östlichen Provinzeil durch Colonistrung die Proletarier, die jetzt einen lästigen Ballast bilden, wieder 3'

36 in nützliche und thätige StaatSgenossen verwandelt werden kön­ nen, so muß in den

bevölkerteren

gewerbthätigen Provinzen

durch Förderung der Fabriken den dortigen Proletariern eine bessere Zukunft eröffnet werden. Welche bedeutende Ausdehnung der Handel und die Ge­ werbe noch erfahren können, darüber sind alle Männer von Fach einverstanden; allein

ohne Erleichterung für die Fabri­

kation, ohne Erweiterung der Absatzwege und ohne die schützende Hand der Regierung kann diese nickt erfolgen.

Soll daher

den Proletariern oder den Fabrikarbeitern Beschäftigung zu­ gewiesen werden, so müssen die Gewerbe eine Ermunterung erhalten.

Inzwischen fragt es sich, ob nicht auch am Rhein

und in Westphalen sich die Gelegenheit finden sollte, ähnliche Kolonien zu gründen, wie sie vorhin vorgeschlagen sind. ES unterliegt keinem Zweifel, daß die jetzt begründeten Besorgnisse, welche der CommunismuS einflößt, sehr abnehmen würden, wenn man die Zunahme der Proletarier hindert und ihre Zahl vermindert. Um den CommuniSmus selbst auszurotten, möchte es am zweckmäßigsten sein, den Handwerkern eine ihren Verhältnissen angemessene Bilvung

zu

geben und

Sparkassen sie daran zu gewöhnen,

durch Einrichtung

von

sich ein zinsentragendrs

Eigenthum zu verschaffen. Um nicht mißverstanden zu werden, wollen wir uns über die Bedeutung deö Wortes Bildung verständigen. Wir verstehen darunter den Zustand, bei dem Jeder die-

37 jrnigen Kenntnisse besitzt, die ihn zum Betriebe seine- Gewer­ be- befähigen, so daß er eS nicht blos mechanisch, sondern mit Sachkenntniß und Bewußtsein betreibt. Wenn mithin von der Bildung der Handwerker die Rede ist, so wird darunter keine politische Bildung, sondern eine solche Ausbildung zu verstehen sein, die sie daran gewöhnt, mit Verstand ihr Gewerbe zu handhaben, und indem e- sie im Denken übt, ihr Denkvermö­ gen selbst steigert und ihnen einen Grad der Bildung und deNrtheilS verschafft, der sie am besten da- Gefährliche erblicken läßt, waS in den communistischen Ideen enthalten ist. Nur sehr erwünscht kann eö daher sein, wenn auf diese Art der Bildung der Gesellen durch Vereine, von geeigneten Personen geleitet, eingewirkt wird, wie dergleichen schon an mehreren Orten mit entschiedenem Erfolge bestehen. Daß bei allen diesen Vereinen,

welche

auch leicht zu

schlechten Zwecken benutzt werden können, eine verständige Urberwachung von Seiten der Regierung bestehen müsse, versteht sich wohl von selbst. Wie nun ein gewisser Grad de- geistigen Eigenthumgegen den CommuniSmuS schützt, so auch materieller Besitz; eS kann deshalb das System der Sparkassen nicht genug em­ pfohlen und nicht weit genug au-gedehnt werden. Schon oft hat man die Bemerkung gemacht, daß die Ta­ gelöhner, die Gesellen und Fabrikarbeiter, die Geld in den Sparkassen haben, sich vor denen, bei welchen die- nicht der Fall ist, durch ein weit regelmäßigere- Leben und sonstige bessere

38 Aufführung auszeichnen. pelten Grund.

Wahrscheinlich hat die- einen dop­

Wer statt seinen Lohn zu verjubeln einen Theil

spart, beweiset dadurch schon, daß er an seine Zukunft denkt; hierin liegt aber ein Zeichen, daß in ihnt ein soliderer Fonds vorhanden sei, als in den anderen, die dies nicht thun. Wer aber durch Ersparungen sich ein Eigenthum erwor­ ben, mithin schon etwas zu verlieren hat, der vermeidet auS Furcht, dieses einzubüßen, jede Gesehverlehung.

Tics hat sich

selbst in Paris bestätigt, wo diejenigen, die ein Guthaben in ihren Sparbüchern aufweisen können, sich von allen Tumulten fern halten.

Es liegt auch in der Natur tief begründet, daß

Eigenthum, selbst ein geringes, konservativ macht. Eine sehr zweckmäßige Maaßregel würde eö überhaupt sein, wenn in den Fabriken, wo viele Menschen beschäftigt werden, jeder Arbeiter verpflichtet würde, einen Theil seines WochrnlohnS zurückzulegen.

In den großen Fabriken ist das

schon häufig der Fall, und wo diese Einrichtungen bestehen, haben sie sich als ersprießlich bewiesen.

Auch bei großen Bau­

ten, namentlich von Eisenbahnen, würde eS sehr zweckmäßig sein, die Arbeiter immer nur unter der Bedingung anzuneh­ men, daß sie einen gewissen Theil ihres Wochenlohnö in die Sparkassen niederlegen müßten, über welchen sie erst in Krank­ heitsfällen könnten.

oder nach Beendigung der Arbeitszeit

diSponiren

Jetzt verzehren sie in der Regel da- gute Tagelohn,

welche- sie während der Arbeit-zeit verdienen, vertrinken cs auch wohl, und wenn sie abgehen, befinden sie sich gegenüber

99 von — Richt- — in einer höchst traurigen Lage, und bege­ hen dann alle möglichen Erzesse. Doch der, diesen Besprechungen vorgezeichnete, Raum er­ laubt keine weitere Ausführung, um so weniger, da e- der Gegenstände noch so viele giebt, die der Aufmerksamkeit wür­ dig find. Bei der weiteren Besprechung der materiellen Interessen verdienen die jetzigen Geld- und Credit-Verhältnisse besonderS ins Auge gefaßt zu werden. Das Vorhandensein der nöthigen CirculationSmittel und eines fest begründeten Credit- ist die Bedingung de- materiellen Wohlergehn-, denn ohne die Be­ reitschaft der dem Verkehr nöthigen Betriebs-Kapitalien und Cirkulation-mittel ist der Flor de- Ackerbaues unmöglich und kein Aufschwung der Gewerbe oder de- Handel- denkbar, selbst dann nicht, wenn alle anderen Bedingungen ihrer Blüthe vor­ handen wären. Bei der Schilderung de- trostlosen Zustande- der gegen­ wärtigen Geld- und Credit-Verhältnisse de- preußischen Volkwerden wir nicht lange verweilen, da die Folgen zu bekannt find und die Zerstörung de- Wohlstände- sich bereit- vom Riemen bi- an die Ufer de- Rhein- verbreitet hat; ja wir würden über den Umfang der Geldnoth vielleicht ganz schwei­ gen, wenn wir nicht die Absicht hätten, von der Nothwendig­ keit der Abhülfe zu reden. Al- äußere- Zeichen der Vertheuerung de- Gelde- und deSinkenS de- mobilen Kapital-Vermögen- dient der Cour-zettel.

40 Von allen großen Reichen in Europa ist Preußen am wenigsten verschuldet, und von allen hat eS bisher,-wenn wir die wirklichen Staats-Einnahmen und da- wirkliche StaatSbedürfniß vergleichen, die bedeutendsten Überschüsse ge­ habt.

Dennoch stehen die preußischen Staatsschuldscheine, ob­

gleich die Regierung große Mittel verwandt hat, ihren Courö zu heben, noch bedeutend unter Pari.

Aus derselben niedri­

gen Stufe zeigen sich die so sicher fundirtcn, bisher so gern genommenen Pfandbriefe.

Noch weit niedriger aber stehen,

nach Verhältniß des Zinsfußes, die Eisenbahnaktien; selbst die neuerdings ausgegebenen fünfprocentigen Prioritätsactien hal­ ten sich nicht mehr auf Pari. Die Ursache des Sinkens dieser Papiere lag wohl zu­ nächst in dem Steigen des Werthes des Geldes, waS seinen Grund wieder in der Verwendung so vieler Kapitalien zum Bau von Eisenbahnen hatte, und vielleicht noch mehr in der SpeculationSwuth des Publikums, welches eine Menge Kapi­ talien flüssig zu machen suchte, um sie zum Bvrsen-Lotteriespiel zu verwenden. Die Folgen hiervon beschränkten sich aber nicht auf daS Fallen der Staats- und Communal-Papiere, sondern eS wurden nun von den Capitalisten auch den Gewerben die ihnen zum Betriebe geliehenen Capitalien entzogen und die auf Grundstücken stehenden gekündigt. In Folge dessen verbreitete sich die Geldnoth über die Gewerbe und das ganze Land, und da der entzogene Credit eben des Geldmangels wegen nicht anderweitig zu ersetzen

41 war, und die gekündigten Capitalien selbst bei erhöhtem Zin»« sah und der vollkommensten Sicherheit nicht zu finden warm, so stockten alle Geschäfte, und Concurse und Subhastationrn häuften fich. Beim ersten flüchtigen Blicke mag e- auffallend erschei« nen, daß eine, wenn auch bedeutende, doch nicht unerschwing­ lich scheinende Summe von circa 80 Millionen, welche di« Eisenbahnen kosten, und für die auch durch die guten Zinsen, die sie tragen, der Werth vorhanden ist, eine so zerstörende Wirkung äußern konnte. Inzwischen erklärt sich die- aus dem jedenfalls augen­ blicklichen Mangel an umlaufendem Capital sowie an Cirkulationömitteln, woraus Verlegenheit, und aus dieser wieder eine Erschütterung deö Credit- entstand, dessen doch der so be­ deutende Verkehr, wie er jeht besteht, nicht mehr entbehren kann, wenn nicht eine Lähmung eintreten soll. Inzwischen täuscht man fich sehr, wenn man glaubt, daß die 80 Millionen, die der Bau der Eisenbahnen verbraucht hat, die einzigen Sum­ men seien, die dem Capital-umsatz entzogen sind. Durch das Sinken der Staat-papiere und Pfandbriefe unter ihren nomi­ nellen Werth gehen noch mehrere Hundert Millionen für die­ sen verlorm, und tragen nicht allein zu der Höhe, sondem auch zu der Dauer der Calamität bei. Wenn die Staat-schuldscheine und Pfandbriefe auf Pari oder diesem nahe ständen, so würden die Grund- und Haus­ besitzer, wenn sie eine gute Sicherheit anzubieten hätten, und

42 einen höheren Zinssatz zahlten, diese statt des Geldes a»gelie­ hen erhalten, wie es sonst so oft der Fall war. Bei dem niedrigen Stand der benannten Papiere aber sind weder die Inhaber, noch diejenigen, die das Darlehn suchen, geneigt den mit dem Prrkauf verbundenen Eapitalsverlust zu tragen; erstere würden überdem gesetzliche Vorschriften verletzen und sich möglicherweise einem Wucherproceß aussetzen, während letztere oft der ganzen Romnialsumiiie bedürfe», und außer Stande sind, daS Fehlende zuzuschießen.

Duich dieö Sinken

der Papiere ist mithin die ganze Masse derselben der Capital-ciriulation entzogen, und für den Augenblick ivenigstenS gleich­ sam so gut wie ausgeschieden. Faßt man nun die Wirkung der Geld- itnb Ereditlosigkrit, wie sie sich jetzt im Lande zeigt, zusammen, so stockerr Handel und Gewerbe, die GeschästSlosigkeit nimmt überhand, Mißmuth und Noth. die Folge derselben, verbreiten sich über daS ganze Land, die Gewerbtreibenden und die Grundbesitzer, selbst die, weiche ein solides Vermögen besitzen, sind dem gren­ zenlosesten Wucher preisgegeben, die Consumtion vermindert sich mit dem Erwerb, und in Folge dessen sinken die Staats­ einnahmen. Zwar ist es richtig, was Voltaire einst sagte: es sei kaum zu glauben, wie viel ein Land aushalte» könne; allein eine wohlwollende Regierung wie die Preußische, kann eS wohl einmal übersehen haben, waö die Bedürfnisse deS Landes fordern, aber sie wird «S nie zum Aeußersten kommen lassen können, sondern einsehen, daß ihre eigene Kraft nur

43 im Volk« liegt, daß dessen Wohlstand zu erhalten ihre heiligste Pflicht, und daß kein Augenblick mehr zu verstumm sei, hülfreich einzuschreiten. Da wir uns schon so häufig über die Nothwendigkeit einer höheren financiellen Leitung, desgleichm über die Nachtheile, die aus der Zerrissenheit der Finanzverwaltung und so manchen nachtheiligen Operationm folgen, ausgesprochen und gezeigt haben, wie verderblich eS für das Land sei, daß keine den Credit kräftig unterstützende Institu­ tionen bestehen: so enthalten wir unS um so mehr auf diese Gegenstände zurückzukommm, als wir die lleberzeugung ha­ ben, daß man die Mängel sehr wohl erkenne, aber ihnen für den Augenblick nicht abzuhelfen wisse; werdm uns dagegen nun mit den Mitteln und Wegen beschäftigm, die jetzige Calamität zu mindern und ihre künftige Wiederkehr abzu­ wenden. Die Bibel belehrt unS, der Glaube allein mache selig: aber auch der Finanzman» ruft aus, nur der Glaube thut eö: dieser allein giebt dem Metall- und Papiergelde, dem Wechsel seinen Werth. Der Glaube, der Credit ist im Ver­ kehr daS grobe Courant, das Metall- und Papiergeld nur die Scheidemünze. Beiden, dem Credit und dem Geld« gemein­ schaftlich ist die Belebung der Gewerbe übertragen, daS Vor­ handensein beider ist die Bedingung der Blüthe derselbm; jetzt fehlen beide, find wenigstmS nicht in zureichmdem Maaße vorhanden; für die Abhülfe dieses Mangel» muß mithin ge­ sorgt werden.

44 Was den Credit betrifft, so zerfällt dieser in zwei Haupt­ abtheilungen : in den Real- und in den Personal-Credit; für den «inen wie für den andern muß gesorgt werden, allein für jeden auf eine seinem Wirkungskreis angemessene Weise. Die Nothwendigkeit davon haben alle Finanzmänner von Bedeu­ tung erkannt, und in Preußen zuerst der große König, der größte Financier und National-Oeconom, den Preußen gehabt hat, und dessen Geist man nur aufzufassen und auf unsere Zeiten zu übertragen brauchte, und dem Lande wäre geholfen. Um jedoch daS gegenwärtige Bedürfniß besser übersehen zu können, müssen wir die großen Veränderungen in dem WeltGeldmarkt mit inö Auge fassen. Die ungeheure Summe von Staatsschuldverschreibungen, die un-, in Papieren au porteur ausgefertigt, durch die lange mit dem -Jahre 1815 geschlossene Reihe von Kriegen als An­ denken hinterlassen wurde, so wie die große Ausbreitung des Handels während 31 Friedensjahren, haben die europäischen Börsen in solche wechselseitige Beziehungen zu einander ge­ bracht, daß die Gcldbewegung auf dem einheimischen Markte von denen der anderen großen Geldmärkte mitabhängig ge­ worden ist. Die heftigen Schwankungen, welche so häufig die Folge davon sind, erschüttern, abgesehen von ungünstigen Er­ eignissen, nur zu leicht selbst im eigenen Lande den inneren Wohlstand der Völker, insofern nicht durch Schutzmittel ent­ gegen operirt wird. In Hinsicht des Real-CreditS sind schüzzende Institutionen ebenso nöthig, als für die Beschaffung der

45 erforderlichen Betriebs- und AuStauschmittel, welche dem Ver­ kehr unentbehrlich sind.

WaS den letztem Punkt betrifft, so

hat man sich in den großen Verkehrsstaaten durch LandeSBanken und durch Papiergeld geholfen.

Zwar find allch in

einigen Theilen der preußischen Monarchie durch Friedrich den Großen die landschaftlichen Credit-Institutionen inS Leben ge­ rufen, allein dieselben bedürfe» noch einer vollkommneren Aus­ bildung und weiteren Ausdehnung. CreditS

stellt

sich

In Hinsicht de- Rral-

besonders in Zeiten wie die jetzigen da­

dringende Bedürfniß immer mehr heraus,

den Gmnd und

Boden, so wie daS städtische Besitzthum den Schwankungen deGeldmarkteS zu entziehen, und daS in diesen ruhmde Gmndvermögen des Landes in seinem Werthe zu erhalten. So wie eS nun schon in nationalökonomischer Beziehung wichtig ist, den Reichthum, der in Gmnd und Boden liegt, im Werthe zu erhallen, so ist eS nicht minder wünschenöwerth in politischer. In einer Zeit, wo die Beweglichkeit so überhand nimmt, wie in der jetzigen, muß dieser eine gewisse Richtung, aber auch ein Haltpunkt gegeben, eine gewisse Stabilität zur Seite gestellt werden.

Diese gewährt seiner Natur nach nur Grund

und Boden, sie darf ihm daher nicht durch die Schwankungen des Geldmarkts genommen werden.

Der Gedanke, der den

landschaftlichen Creditinftitutionen zu Grunde liegt, ist seineGründerS würdig, und ganz gemacht, den vorhin bezeichneten Zweck zu erreichen.

46 Die gewöhnlichen, auf ©ninb und Boden und Häuser aufgenommenen Capitalien sind den Besitzern kündbar.

Diese

aber haben in der Regel ihr Vermögen in Grundstücken »nd nicht disponibel; sie müssen daher, wenn ihnen Kündigungen begegnen, das Capital

anderSwo

auszuborgen

suche».

So

lange ein blühender Verkehr die Capitalsformation begünstigt, und in Folge dessen viele davon flüssig sind, ist die Beschaf­ fung leicht; erfolgen die Kündigungen aber in Zeiten, wo daS Geld gesucht ist, so fallt eS sehr schwer, und die Suchenden fallen nur zu leicht den Wucherern anheim, deren Händen sie sich demnächst selten wieder entwinden. Treffen die Kündigun­ gen der Capitalien aber in eine Periode des Krieges großer Geldcalamität,

oder

wo diese nicht zn beschaffen sind,

so

gehen die Grundbesitzer in Masse zu Grunde, wenn die Re­ gierung nicht zu einer Suspension der Gesetze ihre Zuflucht nimmt, um den ganzen Stand der Vermögensverhältnisse vor Erschütterungen zu bewahren.

Durch die landschaftlichen Cre«

ditvrreine kann dem allen vorgebeugt werden, wenn sie eine gute Organisation und die nöthige Verbreitung erhalten.

An

die Stelle der kündbaren, ans das Grundstück eingetragenen Privatschuldverschreibungen treten dann unkündbare Pfand oder Rentebriefe, au porieur lautend, zur ersten Stelle auf daS Grundstück eingetragen, von der Gesammtheit der Associa­ tion solidarisch verbürgt, und von der Regierung garantirt. Diese Art der Verschuldung gewährt dem Schuldner den Vortheil, daß er zu nichts verpflichtet ist, was er nicht zu

47 leisten vermag,

indem er keiner Capitalskündigung ausgesetzt

bleibt und eine mäßige Rente zahlt, die er auS seinen Ein­ künften mit Leichtigkeit bestreiten kann; dem Gläubiger dage­ gen, daß er zugleich für sein Capital und für die prompteste Zinsenzahlung die möglichst größte Sicherheit hat und, neben­ bei gesagt, aller Verdrießlichkeiten enthoben ist, die theils bei der Zinsenzahlung vorkommen können, theils mit dem Capi­ talsumsatz verbunden sind. Dem Staate endlich gewährt sie den Vortheil, daß er den Besitz

und

den Wohlstand der Grundbesitzer und aller

derer sichert, deren Interessen an diesen geknüpft find,

und

den Verlust abwendet, welcher aus den Veränderungen in dem Werthe der Grundstücke und der Häuser, dem Ackerbau und den städtischen Gewerben entspringt. Daß die Psandbriefinstitutionen jetzt nur noch eilten be­ schränkten Einfluß auf

die Festigkeit de- RealcreditS haben,

liegt in ihrer geringen Verbreitung, die sich nur auf einen Theil der Grundbesitzer erstreckt,

und

in manchen Mängeln

dcS Statuts. Die Aufgabe der Regierung ist es nun, und in ihrer Hand liegt eS, unterstützt von den dabei interessirten Grund­ besitzern, durch weitere Verbreitung der Pfandbriefinstitution auf Land und Stadt dem Realcredit eine Sicherung zu verschaf­ fen, die von den wohlthätigstm Folgen sein würde. Bei den ganz abweichenden Verhältnissen, in welchen sich Stadt und Land befinden, scheint eS zweckwidrig, ja unmög-

48 lich zu sein, beide in ein- zu verbinden.

3n Hinsicht deS letz-

teren würde eS genügen, der jetzigen landschaftlichen Credit Institution eine Ausdehnung über den ganzen Grundbesitz der Provinz zu geben, dagegen aber für die Städte eine besondere Association zu gründen, welche, wie bei der ländlichen, außer der Specialhypothek der Häuser sich der solidarischen Verbür­ gung der Association und der Garantie der Regierung erfreute, zugleich aber auch der Controlle wegen und zur Ersparung der Kosten eine Centralverwaltung hätte.

Der Zeitpunkt des

Beitritts müßte jedem einzelnen Hausbesitzer und seiner Gon» venienz überlassen bleiben. Wer mit einiger Aufmerksamkeit

den Erfolg inS Auge

faßt, den ein solche Einrichtung für Stadt und Land haben würde, dem kann eS unmöglich entgehen, daß derselbe schon in dem Augenblicke eintreten würde, in welchem beide Insti­ tutionen errichtet werden, und selbst dann schon, wenn wider Erwarten für jetzt nur eine kleine Zahl davon Gebrauch ma­ chen sollte: denn wie den Schiffern ist ihnen dann ein Noth­ hafen geöffnet, in welchem Jeder sichern Schutz findet. Um jedoch den größtmöglichsten Nutzen aus dieser Ein­ richtung zu ziehen, sind nachstehende Bestimmungen bei beiden Institutionen nothwendig: 1) daß von beiden Theilen, von den Land- und Hausbesitzern, nur unkündbare,

das

heißt perpe-

tuirliche Rentebriefe ausgegeben werden. 2) daß, da die Vorbedingung des Erfolges einer solchen

49 Einrichtung darin liegt, daß diese Rentebriefe Abnehmer fin­ den, der Zinsfuß aber steigt und fällt, eS dem Schuldner freigestellt bleiben müsse, Rentebriefe nach dem Zinssatz von 3^ oder 4 pCt. auszugeben. 3) daß sowohl die Eintragung als Löschung von Ren­ tebriesen nur aus Antrag der Generaldirection bei der Hypo­ thekenbehörde erfolgt, versteht sich jedoch unter dem gesetzlich gültigen Nachweis, daß der Grundbesitzer damit einverstanden sei, und die hinter den Rentebriefen stehenden Gläubiger da­ durch nicht gefährdet werden. Ad 1. ist zu bemerken, daß schon jetzt die Pfandbriefe von Seiten der Gläubiger unkündbar sind, und eS bei dem Stande, den der Geldmarkt angenommen hat, auch sein müs­ sen, weil das Creditinstitut sonst in der Luft schweben würde; da es dann unmöglich wäre, bedeutenden Kündigungen zu be­ gegnen, auch der Hauptzweck, nämlich den Grundbesitz den Schwankungen des Geldmarktes zu entziehen, verloren gehen würde. Die jetzt ohne Reciprocität bestehende Kündigung-befugniß der Pfandbriefschuldner ist ebenso verletzend für die Gläu­ biger als nachtheilig für die Grundbesitzer selbst. Nachdem daS Beispiel der Heruntersetzung deS ZinSfußeS einmal gegeben ist, können die Rentebriefe nie wieder ein be­ liebtes Papier werden, nie einen dem sonstigen Stand deGeldmarkteS entsprechenden CourS erhalten, so lange diese KündigungSbefugniß besteht. Namentlich wird diese stets ein 4

50 Stein de- Anstoße- für alle Pupillenbehörden und für die Administratoren milder Stiftungen bleiben müssen. Allein auch die Regierung hat im Interesse dieser ihrer Schutzbefohlenen eine dringende Veranlassung darauf zu be­ stehen, daß nicht in Folge der Kündigungsbefugniß die Un­ sicherheit dieser Capitalien permanent bleibe Ad

2.

Der Spielraum, welcher dem Schuldner gelassen

wird, den Zinsfuß selbst zu bestimmen, ist um so nothwendi­ gerer, da, wenn dieser hoch steht wie z. B. gegenwärtig, die 34 procentigcn Rentebriefe zu viel an CourS verlieren, und mithin die Grundbesitzer verhindert würden, Rentebriefe aufzu­ nehmen.

ES bedarf wohl keiner Erwähnung, daß bei Aus­

fertigung der Rentebriese in ihnen immer der Zinsfuß bestimmt werden müßte, theils behufs der Controlle der Hvpothekenschulden, theils damit den etwa nachstehenden Gläubigern kein Nachtheil

daraus erwachse und bei künftiger Ablösung kein

Irrthum möglich sei. Eine Capitalseintragung wie gegenwärtig bei den Pfand­ briefen stattfindet, würde dann fortfallen können; diese ist über­ flüssig, da keine Capitalsschuld mehr, sondern nur eine Rente­ verpflichtung besteht, um so unnölhiger, da nach dem gemach­ ten Vorschlage die Rente auch nicht mehr wie jetzt durch Ca­ pital abgelöst werden könnte, sondern nur durch Einreichung von Rentebriefen von gleicher Gattung.

ES

würden dann

z. B. auf ein Grundstück, auf welchem gegenwärtig 50000 Thlr. Pfandbriefe in verschiedenen Posten eingetragen stehen, diese

51 gelöscht, und statt dessen bemerkt werden, daß 1750 Thlr. unablösliche 3^ procmtige Renten darauf hasten. Um jedoch diese Rentenverschuldung nicht eisern zu machen, müßte eS dem Schuldner vorbehalten bleiben, sich durch den Ankauf in Besitz von Renten zu setzen, diese der landschaftlichen Behörde zu übergeben, welche sie dann wieder der Hypothekenbehörde zur Löschung und zur Vernichtung des Dokuments überreichte. Sehr viel einfacher würde sich dann auch der ganze Geschäftsverkehr stellen. Wenn jetzt ein Grundbesitzer, dem ein Capital gekündigt ist, welches noch innerhalb der BeleihungSgrenze steht, sich zu dessen Abttagung Pfandbriefe er­ bittet, so muß er der Landschaft die gerichtlich quittirte Obli­ gation seines Gläubigers übergeben. Diese aber durch Aus­ zahlung in die Hände zu bekommen fehlen ihm die Mittek, und er muß sich daher das Capital in der Regel gegen be­ deutende Zinsen und Provision zu verschaffen suchen; letztere werden aber um so höher sein, da eS oft sehr lange dauert, bevor die Hypothekenbehörden die Löschung deS früherm Do­ kuments und dann die Einwägung der Pfandbriefe bewirkt habm. Alle diese Kosten, und waS noch übler ist, die Zeit­ versäumnisse werden gespart, wenn unser obiger Vorschlag sub 3 erfüllt wird, und die Eintragung auf Anttag der land­ schaftlichen Behörde erfolgen muß. Diese kann dann mit Sicherheit Zug um Zug gegen Einhändigung der ihr rechtsbeständig quittirten Obligationm dem Grundbesitzer die Rentebriefe übergeben, und dann ebenso 4*

52 verfahren, wie es vorhin bei Löschung von Rentebriefen be­ reits angegeben ist. Unstreitig wird Jeder, der GeschäftSkenntniffe besitzt, ein­ sehen müssen, wie vielseitige Vortheile für das Ganze und den Einzelnen hieraus erwachsen. Am allernothwendigstcn scheint es, daß solche Credit-In­ stitute in den Städten eingeführt werden.

Tie Hausbesitzer

treiben in der Regel ein Gewerbe und sind oft zum Haus­ besitz gezwungen, nur um sich eine gewisse Localität zu sichern, oder sich dem Wechsel der Wohnungsveränderung, welcher mit ihrem Geschäft unverträglich ist, zu entziehen.

Turch den oft

gleichsam gezwungenen Besitz eines Hauses wird aber ihr Be­ triebskapital zum Nachtheil desselben geschwächt. Die gewöhn­ lichen Folgen davon sind: die sehr hohe Verschuldung der Häuser, dann, daß ihnen Capitalskündigungen sehr unbequem sind, und zur Schwächung ihres Credits, ja selbst zu ihrem Untergänge beitragen können.

All diesem entgehen sie, wenn

auch städtische Credit-Institutionen gegründet sind; diese liegen daher nach unserer festen Ueberzeugung im Interesse aller Haus­ besitzer in allen Theilen der Monarchie Preußen: so in Schle­ sien wie in Sachsen und am Rhein, ja vielleicht vor Allem in der Hauptstadt Berlin. Wir wollen zur Rechtfertigung dieser Behauptung uns nicht allein auf die häufigen Anträge beziehen, die von meh­ reren Seiten her an die Regierung gemacht sind, sondern sie aus den besonderen Verhältnissen von Berlin selbst herleiten.

53 Die Miethe der sämmtlichen Häuser in Berlin beträgt angeb­ lich 7,000,000 Thlr., die Häuser von Berlin repräsentiren daher, da diese Summe nur eine Brutto-Einnahme angiebt, etwa 150 Millionen Thaler; die Verschuldung auf diesen ist in einer halbofficiellen Mittheilung zu 118 Millionen Thalern angegeben: mithin würde das.Stammvermögen sämmtlicher Hausbesitzer nur circa 32 Millionen betragen — und da die Verschuldung der Hausbesitzer sehr ungleich ist, so läßt sich annehmen, daß diese Summe in der großen Majorität dem wirklichen Werthe ziemlich gleich kommt. Nun ist Berlin zwar eine bedeutende Fabrikstadt, allein das dort wohnende Civil und Militär, das diplomatische Corps und die vielen reichen ParticulierS und Fremden, die sich dort aufhalten, und die große Masse derer, die von diesen leben, bezahlen einen sehr bedeutenden Theil der Miethe der Häuser in und in der nächsten Umgebung von Berlin. Den­ ken wir unS nun den Fall, der doch immer früher oder spä­ ter eintreten wird, daß Preußen in einen Krieg verwickelt würde: dann verlassen das Militär, rin Theil des Civil-, das diplomatische Corps und die Fremden die Stadt, und die Zurückbleibenden schränken ihre Ausgaben ein.

Ein Fallen

der Miethe und, was schlimmer ist, das Leerstehen so vieler Quartiere ist die nothwendige Folge davon.

Wenn nun zu

diesem Unglück, denn das wäre eS, durch die Bertheuerung des Geldes die auf die so hoch verschuldeten Häuser eingetra­ genen Capitalien in Masse (wie eS sehr wahrscheinlich ist)

54 gekündigt werden: was wird dann au- dem Hausbesitzer und aus dem großen Vermögen, welches in dieser Steinmasse, die Berlin repräsentirt, vergraben liegt? Wir wollen dies indeß nickt weiter ausführen, da es der Regierung und den Betheiligten klar werden muß, wie nö­ thig es, mögliche heftige Erschütterungen abgerechnet, schon jetzt sei, den Real-Credit zu sichern. Häufig wird der Einwand gemacht, daß wenn eine solche Creditanstalt in Berlin errichtet werden sollte, so würden, da die Beleihung nicht füglich ftd dcS Werthes der Häuser über­ schreiten dürfte, die höher verschuldeten, wegen der nachfolgen­ den Hypotheken erst recht in Verlegenheit kommen.

Dieser

Einwand ist ohne Grund. Wenn wir auch annehmen wollen, daß jetzt nur 4procentige Rentebriefe auf sichere Abnehmer rech­ nen könnten, so würde ein HauS von 50,000 Thlr. Werth, zu s tcl nach diesem Zinssatz bcliehen, 1200 Thlr Renten zu entrichten haben.

Nun wollen wir unS dreist auf alle ver­

ständige Capitalisten berufen, ob sie ihr Geld nicht lieber auf ein HauS hingeben, waS nur 1200 Thaler Renten, als 30,000 Thlr. Capital schuldet.

Bei einer möglichen Sub-

hastation des Hauses wird ein solches, besonders i» geldarmen Zeiten, unstreitig mehr Liebhaber herbeiziehen, wenn 30,000 Thaler Capital weniger zum Ankauf gehören. Wie wichtig es überhaupt sei, dem Real-Credit eine grö­ ßere Festigkeit zu geben, und wie geeignet Credit-Institutionen, über Land und Stadt verbreitet, dazu sein würden, ist vorhin

55 gezeigt.

Von der Regierung sollte daher der Anstoß gegeben

werden; inzwischen, ob eS bei dem geringen Interesse, welchedirse bisher den materielleil Zuständen gewidmet hat, geschehen wird, scheint fraglich zu sein: es fehlt bis jetzt die leitende Hand, und leider sind die Borurtheile noch sehr groß.

Die-

kann uns aber nicht abhalten, aus die Wichtigkeit drS Gegen­ standes selbst dann noch hinzuweisen, wenn auch diejenigen, deren Interessen «vir fördern möchten, eS unbeachtet lassen sollten. Eine eigenthümliche Erscheinung bleibt eS, daß in einer Zeit, der eine gewisse Regsamkeit nicht abzusprechen ist, der Gemeingeist so ganz fehlt, und dem Auge jeder Blick in die Zukunft verschlossen scheint.

Nur die Gegenwart und der au­

genblickliche direkte Vortheil werden berücksichtigt.

Daher er­

klärt sich auch die geringe Theilnahn«e, welche dir verschiedenen bisher gemachten Vorschläge zur Errichtung eines städtischen CreditvereinS gefunden haben.

Dies wird a««ch nicht ander-

werden, b,S die Noth noch höher gestiegen ist, oder die Re­ gierung selbst ernstlich Hand anS Werk legt.

Hierzu liegt

überdem noch eine Aufforderung in unserer jetzigen so höchst »nangelhasten Hypothekenverfassung. Sollte eS aber auch den eifrigen und verdienstvollen Be»nühungcn des Minister Uhden gelingen, die großen Uebelstände zu beseitigen, welche unserm Hypothekenwesen ankleben, so schafft die- noch keinen Real-Crcdit, sondern kann höchstens dahin führen, der gegenwärtigen übergroßen Aengstlichkeit der Richter Schranken zu ziehen, welche in Verbindung mit dem

56 Zeitverlust, ter bei den Eintragungen stattfindet, die Capita­ lien abhält, ihre Fonds auf Hypotheken fortzugeben. Wenden wir uns nun von den nöthigen organischen Institutionen zur Befestigung des Realcredits dem Personalcredit zu, dessen Sicherung und Verbreitung die Grundlage de- ganzen inneren Verkehrs bildet, so müssen wir vor Allem gestehen, daß derselbe noch in einem weit höheren Grade die Beachtung der Regierung verdiene. Geld und Credit sind die Seele des Verkehrs, ihr Dasein entscheidet über die materielle Wohlfahrt der Einzelnen wie der Völker, über die Macht oder Ohnmacht der Staaten, über ihre äußere und innere Sicherheit. Ohne Geld und Credit stockt der Ackerbau, der Handel und die Gewerbe, ihre Gegen­ wart bevölkert die Städte und Länder, wo sie fehlen, zeigt sich Hunger und Kummer. Die- alle- sind anerkannte Wahrheiten, und es verräth die größte Verblendung, wenn dies in Abrede gestellt wird. Don den in der richtigen Erkenntniß der Bedürfnisse der Völ­ ker vorgeschrittenen Ländern befindet sich England an der Spitze, und ihm zunächst Frankreich, Belgien und Holland; ja selbst Oesterreich und Dänemark sind in dieser Beziehung nicht ganz zurückgeblieben. Preußen, welches seit einem Viertel-Jahrhundert in so mancher Beziehung stehen geblieben, ja sogar zurückgeschritten ist, hat allein nichts gethan, um durch zweckmäßige Geldinstistute den inneren Verkehr zu beleben. Zwar bestand eine kö-

57 nigliche Bank, die aus Mangel an eigenen Mitteln nur den reichsten Banquier-Häusern Credit gewähren konnte, und das Geld öfter vertheuerte, statt es flüssig zu erhalten

Daß eine

solche Bank den Bedürfnissen nicht entsprach, die sich so mäch­ tig entwickelnde Industrie vielmehr einer LandeSzettelbank be­ dürfe, ward allgemein gefühlt. Mein dies kümmerte eine Ver­ waltung wenig, die einmal Alles selbst besorgen und das ein­ geführte Bevormundungssystem nicht aufgeben will; zudem wa­ ren die Zeiten glücklich, hoben den Credit und verleiteten zu der Ansicht, es mache sich AlleS von selbst. Inzwischen erwieS eö sich leider nur zu bald, wie sehr man sich getäuscht hatte. Durch einige gute Ernten und eine starke Kornausfuhr nach England zu hohen Preisen flössen bedeutende Summen ins Land, und riefen die Meinung hervor, daß dies immer so bleiben würde. Diese falsche Meinung von den Geldmitteln deS Landes verleitete zu einer Heruntersehung des Zinsfußes; zugleich suchte man die Privatspeculation anzureizen, möglichst große Summen auf Eisenbahnen zu verwenden.

Allein eS

erwieS sich leider nur zu bald, wie man die HülfSquellen deS Landes überschätzt habe. Die Folgen davon zeigen sich in der jetzigen beklagenSwerthen Calamität, die nicht lange fortdauern darf, wenn nicht der Rest des früheren Wohlstandes schwinden soll. DaS einzige durchgreifende Mittel der überhandnehmenden Geldnoth zu begegnen, konnte nur in Errichtung einer mit großen Mitteln ausgerüsteten, über die ganze Monarchie ver-

58 breiteten Landeszettelbank gefunden werden, welche die Befugniß hätte erhalten müssen, die Masse der CiikulationSmittel durch eine dem Capitalstock der Bank angemessene Summe Von Banknoten zu vermehren. Bon dieser Ansicht geleitet, baten wir Se. Majestät, uni die Gründung einer solchen Bank zu gestatten.

Dai Endresultat der langen darüber mit den Be­

hörden geführten Debatte war, wie dies hinlänglich bekannt ist, daß unser Plan zurückgewiesen, dagegen dem Minister Rother gestattet ward, eine gemischte Königliche und Privat­ bank ju. errichten, welche auch seit dem 1. Januar ihre Ge­ schäfte begonnen hat. Da es unser Grundsatz ist, nur zu tadeln, wenn der Tadel nützlich werden kann, und da wir uns außerdem über diesen neuen Bankplan schon früher öffentlich ausgesprochen haben, wir auch ein fait accompli vor uni sehen: so verzichten wir auf jede weitere Kritik und halten uni an die Sache. Daß die jetzt ini Leben gerufene gemischte Bank besser fei, als gar keine, wollen wir zugeben, ja die Selbstverleug­ nung so weit treiben, in ihr einen gewissen Fortschritt anzu­ erkennen ; besonders insofern mit großer Wahrscheinlichkeit vor­ auszusehen ist, daß, nachdem die Triebfeder, die sie ins Leben gerufen hat, befriedigt fein wird, die wohlverstandenen LandeSintereffen den Sieg davon tragen und die gemischte Bank sich in eine Nationalbank verwandeln werde. Wann dieser Zeitpunkt eintreten wird, liegt im Dunkel der Zukunft; die Frage stellt sich daher jetzt dahin: welcher

59 Erfolg ist von der Königlichen Bank zu hoffen oder zu fürch­ ten, und was kann geschehen, um den gesunkenen Credit und den Capitalsumlauf wieder herzustellen, was, um da- Bedürf­ niss an Cirkulation-mitteln zu befriedigen? Welche Hoffnung die wiedergeborene Königliche Bank in Hinficht der Entfernung der Geldnoth

dem Lande

eröffnet,

darüber belehrt uns da- Statut und der Nachweis der ihr zu Gebote stehenden Fonds. Bon den ActionnairS sind zum 1. Januar

2\

Millionen

eingezahlt. Selbst angenommen, diese ganze Summe hätte die Bestimmung eineö Realisation-fonds erhalten, so würden nach den

Statuten

5

Millionen

Banknoten

ausgegeben werden

können: um diese Summe hätten sich mithin die frühern dis­ poniblen Fonds

der Bank verstärkt.

Da aber, wie bekannt,

die Königliche Bank kein actives Vermögen besitzt, und von den

bei ihr

niedergelegten

Pupillen- und

anderen

Geldern

22,600,000 Thlr. in Staatspapieren nach den früheren Mit­ theilungen der Bank fest liegen, so ist leicht zu übersehen: dass ihre disponiblen Fonds viel

zu unbedeutend

sind, um eine

über die ganze Monarchie verbreitete Geldcalamität zu lin­ dem oder auf die Belebung deö BerkehrS einzuwirken, selbst wenn sie, wie angegeben wird, schon jetzt eine Summe von 4,895,800 Banknoten in Umlauf gesetzt hat. Demungeachtet kann die Bank bei geschickter Leitung we­ nigsten- nützlich auf den Geldmarkt von Berlin

einwirken.

Zwar di-contirt sie bis jetzt nur zu 4-j pCt., während feine

60 Wechsel zu 4 pCt. Nehmer auf der Börse finden, allein bisher hatten die Baiffenrs sich der Börse bemächtigt >«nd drückten künstlich den

Cours der Papiere.

Bank entgegengetreten,

Diesem Unfug ist nun die

und hat durch Lombardgeschäste

eine

steigende Tendenz derselben bewirkt. Inzwischen

wird

sie

die Steigerung

nicht

viel

höher

treiben dürfen, wenn die auswärtigen Börsen nicht gleichen Schritt halten: denn sonst werden unsere auf den auswärti­ gen Plätzen umlaufenden Eisenbahnactien und Staatspapiere unfehlbar nach Berlin zurückströmen.

Dies würde dann den

Erfolg haben, daß ebenso viel baareS Geld aus dem Lande ginge, wie Banknoten ausgegeben sind, mithin keine Vermeh­ rung von CirculationSmitteln, sondern nur ein Austausch von Banknoten und baarem Gelde erfolgte. Die Hoffnungen, welche die Königliche Bank erregt, be­ schränken sich hiernach auf eine lokale Einwirkung.

Dagegen

flößt sie auf der anderen Seite große Besorgnisse dadurch ein, daß sie

die Masse des Papiergeldes deS Staates auf eine

Weise vermehrt hat, die im Falle eines Krieges die StaatSfi nanzen erschüttern und der Negierung unabsehbare Verlegen­ heiten bereiten kann und wird.

Ja wir besorgen, die Regie-

ritng werde eS einst sehr beklagen, nicht auf daS ihr von Sei­ ten der projektirten Landesbank gemachte Anerbieten eingegan­ gen zu sein, sämmtliche 25,700,000 Thlr. Kassenanweisungen gegen Behändigung der

für diese deponirten

StaatSschuldscheine zu übernehmen.

10 Millionen

61 Die Verminderung der Staatsschuld um 9,700,000 Thlr. war ein Gewinn, welchen man im Interesse des Landes kaum zurückweisen

konnte.

Der

bei weitem größere Gewinn

lag

aber unstreitig darin, von der Gefahr befreit zu werden, in welche dereinst die RealisationSverpflichtung dieses Papiers die Regierung versetzen kann. ES giebt wohl kaum im ganzen Umfange der Monarchie, die Geldwucherer abgerechnet,

Jemand,

der nicht

von der

Ueberzeugnng durchdrungen wäre, daß eS die höchste Zeit sei, der jetzigen durch den Mangel an Cirkulationsmitteln, an Be­ triebscapital und an Credit eingetretenen allgemeinen Lähmung deS Verkehrs entgegenzutreten. Durchgreifend ist dies aber nur möglich durch Gründung einer großen Landes- oder Nationalbank (auf den Namen kommt eS nicht an), welche, mit wenigstens 50 Millionen Baarfondö und einer gleichen Summe in Noten ausge­ stattet, allein im Stande sein wird, den Rückschritt, in dem sich der Wohlstand aller Gewerbtreibenden

befindet, zu

hemmen

und auf der einen Seite Leben und Bewegung wieder in den großen Staatskörper hineinzubringen,

auf der

anderen

den

StaatScredit zu befestigen, und der Monarchie die Kraft zu geben, deren sie in stürmischen Zeiten bedürfen wird. Ob diese meine Ansicht richtig

sei,

ob

daS Bedürfniß

nach einer durchgreifenden Hülfe so allgemein gefühlt wird, wie eS uns erscheint: dieö wird sich wahrscheinlich erweisen, wenn jetzt die allgemeinen Stände sich versammeln werden; denn man

darf wohl voraussetzen, daß sie mit den Verhält-

«2 niffen vertraut sind und ihre Pflicht begreifen, die Regierung mit den Bedürfnissen ihrer Committenten bekannt zu machen. Sollte der jetzige traurige Zustand,

welcher

auch

noch

durch viele andere ungünstige Verhältnisse gesteigert wird, nicht bald zu Ende gehen,

so

wird die Folge davon auch direct

und sehr empfindlich die Regierung durch eine fortschreitende Verminderung der Staatseinnahmen treffen,

was jedenfalls

dahin führen muß, die bedeutenden unproduktiven Ausgaben zu beschränken, die jetzt so große Summen verzehren. Dies würde freilich auch immer sein Gutes haben, wenn mit der Beschrän­ kung des gegenwärtigen Administrationsaufwandes und nament­ lich mit Gehaltsabzügen bei denen begonnen werden

sollte,

welche einen directen Einfluß auf Förderung des Handels und der Gewerbe,

so wie

auf die Herstellung des

allgemeinen

Wohlstandes haben. Da durch die Errichtruig der jetzigen gemischten Bank die Aussicht auf eine Nationalbank nur eine sehr entfernte bleibt, so lange sich noch der Minister Rother an der Spitze jener befindet, so fragt eS sich, ob eS denn kein anderes Palliativ­ mittel gebe, um wenigstens in den Provinzen die Geldnoth zu vermindern. Die allerhöchste Cabinetö-Ordre vom 11. April pr. wei­ set selbst darauf hin, indem sie die Genehmigung von LandeSbanken in Aussicht stellt.

Leider sind aber

diese durch die

solidarische Verpflichtung und durch ihre Abhängigkeit von der Königlichen

Bank unmöglich

gemacht,

und

es ist

so

daS

63 mit dir einen Hand genommen, was mit der anderen gege­ ben wird. Eine Bank, die feine Zettel ausgeben darf, ist mit einem Soldaten ohne Waffen ju vergleichen. Ter große Nutzen, den Banken gewähren können, liegt vornehmlich darin, daß in ihnen sich bedeutende Capitalien sammeln, so daß Jeder, der Geld bedarf, es gegen Sicherheit zu einem festen Zinsfüße jeden Augenblick erhalten kann. Solche Banken sind gleichsam der Marktvlatz, wo sich Käufer und Verkäufer finden. Da aber der Geldbedarf verschieden ist, so wird oft, viel öfter weniger verlangt, und eS bleibt daher zu Seiten da- Geld unbenutzt in der Bank. Hierdurch vermindert sich bedeutend der Nutzen derjenige», die ihre Fonds zur Errichtung einer solchen Institution hergegeben haben, und eS bleibt daher nur übrig, den Zinssatz zu steigern, wodurch der wohlthätige Ein­ fluß der Bank auf den Verkehr wieder verloren gehen würde, oder man zu andern Auskunftsmitteln feine Zuflucht nehmen müßte; denn nur die Aussicht auf einen guten Zinsengenuß kann die Eapitalisten bestimmen, ihr Geld zu einem solchen Institut herzugeben. DaS einzige Mittel, beide vorhin bezeichneten Zwecke zu erreichen, liegt in der Ausgabe von zinslosen Noten, »velche noch den Vortheil haben, daß die Bank je nach dem Bedürf­ niß die Cirkulationsmittel vermehren oder vermindern kann. Nimmt man den Banken die Roten, so lähmt man ihre Wir­ kung und eS können sich keine Theilnehmer finden; denn wer

64 wird sich auf ein gefährliches Geschäft einlassen

(denn ein

solches bleibt es immer), wenn er obendrein noch voraussieht, daß eS mit Zinsenverlust verknüpft ist. So lange mithin die in der CabinetS - Ordre gemachten Bestimmungen nicht zurückgenommen werden, bleibt jeder Weg, den Capitalienumlauf wieder herzustellen und dem Verkehr die zum Betriebe nöthigen Geldmittel zu sichern, verschlossen, und die Provinzen bleiben dem sortwährenden Sinken ihres Wohl­ standes ausgesetzt. Je schneller aber daS jetzt daS Land drückende Uebel um sich greift, um so mehr steigt die Hoffnung, daß die Kenntniß der wahren Lage der Dinge sich durch alle Boll­ werke bis zu dem Monarchen Bahn brechen werde.

HülfloS

ist das Land an und für sich durchaus nicht, eS wird es viel­ mehr nur dadurch, daß die Verwaltung Prinzipien huldigt, welche ganz destructiver Natur sind. Cö würde sehr leicht sein, hier am Schluffe eine Ueber­ sicht deS Verlustes zu geben,

welcher seit

1841,

als

dem

Kulminationspunkt deS fortschreitenden Wohlstandes deS Lan­ des, die Capitalisten, die Gewerbtreibenden, die Häuser- und Grundbesitzer betroffen hat; da er aber schon zur Genüge be­ kannt ist und nicht einmal bestritten werden kann, so ist dies überflüssig. Wenden wir unS nun den Verhältnissen der Grundbe sitzer zu, wie wir dieselben im Januar 1847 vor und sehen, und abstrahiren von der Roth der unteren Volksklassen und von der Verlegenheit derer, welche durch Capitalökündigungen

65 sich in Verlegenheit befinden: so finden wir, daß diese zwar einige Mißernten erfahren haben, die aber die Einnahmen der Güter wegen der hohen Preise aller Producte des BodenS dennoch nicht vermindert zu haben scheinen.

Auch ist die Aus­

sicht, die sich ihnen für die Zukunft eröffnet, eine erfreuliche. Die neueste Zollgesetzgebung in England wird für die Folge einen sehr günstigen Einfluß auf den Preis und Absatz der Erzeugnisse des Bodens haben, je nach dein Maaße, als die Localität dies begünstigt. Zwar

möchte,

entschiedene

Mißjahre

abgerechnet, der

Preis deS Weizens selten die frühere Höhe erreichen, da in der Folge die Conkurrenz in dieser Kornart sehr groß sein wird. inzwischen kann daS nördliche Deutschland doch auf gute Mittelpreise rechnen, die angenehmer für die Producenten sind, alS daS bisherige fortwährende Schwanken zwischen den nie­ drigsten und de» höchsten Preisen. Weit besser werden aber für den Landmann in Folge der Einsuhrfreiheit die Preise für Gerste, Erbsen, Wicken und Hafer werden (Roggen kaust England mir wenig).

In jenen

drei Kornarten hat er nickt, wie beim Weizen, die Eonkurrenz von Amerika, deS Mittelmeerö und der russischen Ostsee­ häfen zu fürchten, weil der dortige Boden zu gut ist, und mit anderen Cerealien (Mais) höher benutzt werden

kann,

und weil andererseits bei der späten Ernte in den letztgenann­ ten nordöstlichen Landstrichen im Herbst nicht mehr erportirt werden kann, und auch im Frühjahr daS gedörrte Korn, wel-

5

66 ches von geringerer Güte ist, immer erst sehr spät aus dem englischen Markt erscheinen könnte, jedenfalls erst zu einer Zeit, wo dieser schon ziemlich versorgt ist. Auch die Gelegenheit zum Absätze von Bauhölzern wird den holzreichen Gegenden eine Gelegenheit verschaffen, diese besser, als früher, zu verwerthen. Vielleicht noch einflußreicher,

als der Absatz von diesen

rohen Erzeugnissen deS Bodens, deren Ausfuhr der Nationalökonomist nicht das Wort reden kann'), wird die freiere Ein­ fuhr der thierischen Prodncte nach England auf die Verbesse­ rung der Bodenrenten einwirken.

Zwar wird diese mehr den

Bewohnern der Unterelbe, Mecklenburg und Holstein zu gute kommen; allein da die eben genannten Landestheile sich in der Folge mehr von dem Berliner Markt zurückziehen werden, so wird der Neumark, Pommern und Niederschlesien die Verpfle­ gung Berlins anheimfallen. Die östlichen Provin;en werden dadurch die Gelegenheit erhalten,

die großen Summen, die bisher

für diese Artikel

größtentheils außer Landes gingen, selbst zu verdienen. Inwiefern auch die Ostseeprovinzcn an dem ihnen nach England eröffneten Absatz thierischer Producte Theil nehmen werden können, wagen wir nicht zu entscheiden. Inzwischen basirt sich die Annahme einer steigenden Ver *) Die Getreideausfuhr

ist

stets

ein Zeichen

von

geiiuger

Bevölkerung, mangelndem Gewerbfieiß und niedriger Kultur des Bodens und schwächt die Bodenkraft des Ausfuhrlandes.

67 Besserung der Lage der Grundbesitzer

keineSwegeS allein auf

den erleichterten Absatz ihrer Produkte nach Außen,

sondern

hat noch eine andere festere Grundlage. Die Bevölkerung der preußischen Monarchie wächst alle Jahre um circa 200,000 Köpfe.

Wird nun berechnet, wie

viel der Mensch zu seiner Nahrung, Bekleidung, Wohnung, Feuerung, mit einem Worte zu seiner physischen Eristenz ge­ braucht,

und

schlägt man den Werth dessen durchschnittlich

nur zu 4 Sgr. 1 Pf. für die Person täglich an: sich

so ergiebt

eine Summe von 50 Thalern für den Einzelnen aufs

Jahr, und mithin aus 200,000 Köpfe jährlich 10 Millionen Thaler

und

in 10 Jahren 100 Millionen *).

Um so viel

würde sich daher, selbst abgesehen von der zunehmenden Theue­ rung, die immer eine Folge der dichter werdenden Bevölke­ rung ist, der Absatz der ländlichen Produkte auf dem inneren Markt vermehren. Wichtig ist dabei die Lösung einer weiteren Frage, näm­ lich:

ist die Production im Stande, mit der wachsenden Be­

völkerung Schritt zu halten, da- heißt, jährlich so viel mehr zu

produciren,

als diese consumirt.

Die Erfahrung scheint

*) Da e- hier nicht darauf ankommt, ein specielles Resultat herauszufinden, waS überhaupt sehr schwierig sein möchte, sonder» nur den Nachweis zu führen, wie bedeutend die innere Consumtion zunimmt: so haben wir eine so geringe Summe angenommen, die wohl Niemand bestreiten wird und die doch schon die gemachte Behauptung rechtfertiget.

68 dafür zu sprechen. fortwährend,

Seit dreißig Jahren steigt die Bevölkerung

und da

die Einfuhr

der thierischen Produkte

nicht zu-, und die Ausfuhr an Rohprodukten nicht abgenom­ men hat, so scheint daraus hervorzugehen,

daß die Zunahme

der Production und der Bevölkerung bis jetzt ziemlich gleichen Sckritt gehalten hat. (*)*) Bei der Untersuchung,

ob ihr dies auch ferner möglich

sein wird, müssen die Landestheile geschieden werden, wo die Bevölkerung schon sehr dicht und

in Folge dessen die Pro-

ductionSkrast deS Bodens schon angespannt ist, von denen, die sich im umgekehrten Verhältnisse befinden, und wo die Boden­ kultur noch sehr große Fortschritte zu machen im Stande ist. Am Rhein, theilweise in Sachsen, Magdeburg, sowie in einzelnen Gegenden von Schlesien, der Mark und Westphalen ist die Bevölkerung

so

dicht und die Bodencultur so vorge­

schritten, daß es in diesen Landcstheilen,

wenn der dort be­

stehende Kunstfleiß eine noch größere Bevölkerung hervorrufen sollte, schwerlich gelingen möchte, ohne äußere Zufuhr die Be­ völkerung zu ernähren.

Dagegen kann in den übrigen und

besonders in den östlichen Provinzen der Monarchie die Pro­ duction sich noch mindestens verdrei- und verviersachen,

und

wird daher noch lange Jahre hindurch im Stande sei», nicht nur die eigene anwachsende Bevölkerung zu ernähren, sondern *) Diese

Zahl,

so wie die fernern im

!crtc vorkommenden

beziehen sich auf die Nummer der hinter diesem Abschnitt den erläuternden Noten.

folgen­

69 auch jeden Bedarf zu befriedigen, der sich in den bevölkerten Theilen zeigen möchte. Dies alles ist ganz unzweifelhaft ; inzwischen setzt eS vor­ aus, daß die Verwaltung nicht störend und hindernd eingreife, wie es in manchen Fällen geschieht, sondern daß sie vielmehr im

höheren Interesse des Throne- und des Lan­

des hülfreich und fördernd einwirke. Doch wir würden es für unrecht halten, daran zu zwei­ feln, daß eilte richtige Einsicht endlich die Oberhand gewinnen sollte; diese also vorausgesetzt, so warte daö Resultat der obi­ gen Entwickelung etwa folgendes sein: 1) Daß den Grundbesitzern — und ganz besonders denen in den Theilen der Monarchie, in welchen bis jetzt der Acker­ bau und dessen Rebenzwcige den Hauptcrwcrb bilden — nicht allein durch die erleichterte Einfuhr

nach England,

sondern

auch durch die Zunahme der inneren Evnsumtion die Aussicht auf eine steigende Erhöhung der Bodenrente geöffnet sei. 2) Daß in Folge dessen der EapitalSwerth deS Grund und Bodens in riesen Landestheilen eine fortwährende bedeu­ tende Steigerung erfahren werde. Vorhin ist gesagt, daß die Bevölkerung in Preußen jetzt jährlich um 200,000 Köpfe wachse, daß sich dadurch die Consumtion um 10 Millionen Thaler jährlich vermehre, die den Producenten, aber auch im gleichen Maaße der Arbeit zu gute kommen, und daß, wenn die Zunahme sich noch 10 Jahre gleich bliebe, dies einen Mehrabsatz von 100 Millionen bilden würde,

70 die eine Mehreinnahme bildete», ric sich auf Grund und Bo­ den

und

die dabei

beschäftigten Arbeiter

vertheilen

müßte.

Wenn man dann die Hälfte dieser Summe nämlich 50 Mil­ lionen als Bodenrente rechnete und diese nach dem Zinssätze von 4 yl5t. kapualisirte, so würde sich das Grundvermögen deS Landes hiernach um 1250,000,000 Thlr. vermehren. Obgleich gegen die einzelnen Positionen sich, wenn die Vorbedingungen erfüllt werden, mit Grund nicht viel einwen­ den läßt, so geben wir eS roch gerne zu, daß diese statistische Berechnung, wie so viele andere, keincswcgcs wörtlich ge­ nommen werden darf, weil Tausende von Combinationen ein­ treten können, die die Zahlen verändern. Ist doch der schärfste Lenker und der Matador unter den Schachspieler» unvermö­ gend, alle Züge, die auf einem in regelmäßige Felder getheil­ ten Schachbrett mit 02 Puppen gemacht werden sönnen, berechnen.

wie

soll

es

möglich

werde»,

die Resultate

zu der

Schritte von Millionen vernünftiger und unvernünftiger Men­ schen auf dem großen Brette deS Lebens vorher zu bestimme». Dennoch liegt in den Zahlen oft ein tiefer Sinn, den man nur herauszufinden verstehen muß. Aus der vorstehenden Berechnung geht, so fabelhaft auch das Endresultat klingt, unzweifelhaft,hervor, daß sehr günstige Conjuncturcn für den Landbauer bestehen, daß diese, gehörig benutzt, nicht allein dazu beitragen würden,

eine Menge Fa­

milien zu beschäftigen und zu ernähren, sondern auch jeden­ falls eine sehr bedeutende Steigerung der Bodenrente und in

71 Folge dessen veS Werths der Grundstücke selbst zu bewirken, daß mithin hierin eine Ausforderung liege, die Capitalien dem Besitz und der Cultur des Grund und Bodenö zuzuwenden. 3) Daß die allgemeine Zunahme der Bevölkerung und die steigende Consumtion den ackerbautreibenden Ländern, welche bisher zu den ärmsten gehörten, die bestimmte Aussicht eröffnet, daß, wenn sie die ihnen offenstehende Gelegenheit zu benutzen verstehen und ihnen der Schutz der Regierung nicht mangelt, ihnen ein hoher Wohlstand um so sicherer zu Theil fallen wird, als die starkbevölkerten Länder ihnen tributpflichtig bleiben; mithin sich auch hier vielleicht der Ausspruch bewährt, daß der Wohlstand am sichersten basirt sei, wenn jeder das Gewerbe betreibe, was seinen Verhältnissen am meisten zusagt. So günstig mithin m dieser Beziehung die Aussichten für die ländliche Bevölkerung sein mögen, so können und wer­ den sie nur in Erfüllung gehen, wenn cineStheilS die in den östlichen Provinzen bestehenden Culturhinderniffe entfernt, anderntheilS der Gcwerbfleiß der anderen LandeStheile so geför­ dert wird, daß diese auch die Mittel behalten, jenen ihre Pro­ dukte bezahlen zu können. Die nachfolgenden Blätter sollen nun zuvörderst der Un­ tersuchung gewidmet werden, was von Seiten der Regierung geschehen könne und müsse, um den Flor des Ackerbaues zu fördern, und inwiefern dieser in der innigsten Verbindung mit dem Aufschwung des Handels und der Gewerbe stehe. Wir werden bei Feststellung der Bedingungen, unter welchen

72 der Ackerbau nur allein ausblühen kann,

uns

vorzugsweise

mit den Verhältnissen der alten Provinzen beschäftigen, weil diese in dieser Beziehnng der Hülse am meisten bedürscn. So wie in der Gelegenheit zum Absatz der Erzeugnisse das Reizmittel zur Production liegt, so hängt wiederum der Erfolg derselben von den Betriebsmitteln ab.

Kapital und

Arbeitskräfte und die intelligente Velwendung derselben stehen in dieser Beziehung obenan. Sueben wir nach dem Gruilde, weshalb nach so langen Zriedcnsjahrcn ric Bodcneultnr nicht

große»c Fortschritte in

den östlichen Provinzen gemacbt habe, so liegt der Hauptglunr darin, daß ihnen mehr oder »vcniger jene Betriebsinittcl fehl­ ten.

Besonders liegt in tau Mangel an Betriebskapital der

Hanptgruird der gelingen Euliur, »vielvohl

auch die Aibeitö-

kraft nur die AtbcitSgeschicklick'keil bisher oft fehlte».

Immer

ist mit bleibt aber ta Besitz des BetriebSeapitalS ras wescnt liebste Elsorderniß Ter Enltur,

»veil

das Bodencapilal nur

durck' Gcldcapitalicn gcrvonnen »mrvn kann. Wahrend in Sachsen und anderen Gegenden der sollte Päel'ter eS nicht wagt, ein sck'on in guter Enltur befindliches Landgut von irgend einer Deteutung in Pacht zu nehmen, »venu ihm nicht ei» Eapital von mindestens 30,000 Thalern

ZU Gebote steht, hat der Gutsbesitzer rurd Pächter in mancherr Theilen der vsilichcn Provinzen öfters kaum 3 — 5000 Thaler zun» Betriebe eines gleirb großen GnteS disponibel; und da­ bei bewirthschaftet er dann noch ein Gut, w.lches erst cultivirt

73 werden muß, bevor auf Ertrag zu rechnen ist.

In dem ent­

schiedenen Mangel an Betriebscapital liegt der Grund der vielen uncultivirtcn Grundstücke, des schlechten Viehstandes, der unvollkommenen Ackerinstrumente

und

der Verfolgung

einer

Fruchtsolge, die auS Geldnoth nicht auf Anhäufung der Bodcnkrast, sondern darauf berechnet ist, dem Acker immer so viel zu entnehmen,

daß der Grundherr sich seine Eristenz fristet.

Wie richtig dies sei, lehrt der Augenschein, wenn man den Culturstand der Güter, wo cs den Besitzern nicht an Mitteln fehlt, mit dem derer vergleicht, wo dies der Fall ist. Soll daher die ProductionSsähigkeit dieser Landeöthcile stei­ gen, so muß diesem Ucbclstande vor Allem abgeholfen werden. Durch eine zweckmäßige Organisation der landschaftlichen KreditInstitutionen könnte in dieser Beziehung sehr viel geschehen; allein die Regierung hat, nicht gehörig von den Verhältnissen unterrichtet, den entgegengesetzten Weg zu befördern gesucht: sie verlangt, daß diejenigen Schuldner amortisiren sollen, denen die Mittel fehlen, ihre Güter zu kultiviren; sie übersieht eS, daß die zweckmäßige Anlegung von Capitalien in den Gütern, weil sie den Werth derselben erhöhen, die beste Art der Schul­ dentilgung sei, die noch dazu dem Einzelnen nützt und das Grundvermögen des Landes vermehrt. llebrigenö dürfen wir es hier nicht verschweigen, daß der König selbst sich von der Nothwendigkeit überzeugt hat, die Culturen durch Geldunterstützung zu fördern.

So hat der­

selbe im vorigen Jahre ei» Capital von mehreren Hundert-

74 tausend Thalern zu diesem 3'W‘t den zunächst an Westpreußen grenzenden Kreisen von Hintcrpommcrn geschenkt.

Tics ist

um so hoher zu schähcn, weil es ein erfreuliches Zeichen der wohlwollenden Absicht dcS Monarchen ist, die Bodeneultur zu fördern, und weil cS die Hoffnung verstärkt, daß wenn er die Ueberzeugung erhält, wieviel größere Mittel ihm durch Auwendring organischer Gesetze zu Gebote stehen als durch di­ rekte Unterstützungen, er seine Unterthanen auch mit kiesen beglücken werde. Leichter als die nöthigen Geldmittel sind die Arbeits­ kräfte zu schaffe».

Wo sich die Gelegenheit zum Verdienst

zeigt, ziehen sich die Arbeiter hin, wo diese mangelt, ziehen sie sich fort.

Namentlich werden viele rüstige Hände durch

unsere Militnireinrichtung dem stachen Lande entzogen.

Girre

bedeutende Anzahl der kräftigsten jungen Leute weiden jähr. lich als Soldaten eingekleidet, lernen bei dieser Gelegenheit das Leben in den großen Städten kennen, und da sic dort rin hohes Zagelohn verdienen, so kehren viele nicht urrück, und verlaffen »nn so lieber den väterlichen Hcerd, wenn ihre künftige Grifte»; dort nicht durch Gelegenheit zur Arbeit ge­ sichert ist. — Tie Intelligenz und Befähigung zur Wirthschaftsfüh­ rung schreitet im Allgemeinen bedeutend vor.

Auch von Sei-

ten der Regierung ist zur Beförderung der landwirthschaftlichcn Ausbildung bereits viel geschehen.

Nicht allein sind

von dem Könige bedeutende Fonds zu diesem Zrveck auSge-

setzt

worden,

sondern

Oeconomie - Collegium

er

hat

auch

ernannt,

ein

besonderes Landes«

welchem unter der höheren

Leitung dcS Ministeriums deS Innern die specielle Verwal­ tung dieser Fonds und die Aufsicht über die mit denselben dotirten landwirthschastlichen Lchrinstitme übertragen ist. zwischen

ist

seinem Wirkungskreis

noch

ein

In­

weiterer Spiel­

raum zugetheilt, indem ihm die Aufgabe geworden, sich in der Kenntniß der Fortschritte im Gebiete des Ackerbaus zu erhal­ ten, und überhaupt anregend und fördernd auf die Culturver­ hältnisse einzuwirken.

Je anerkannt tüchtiger und ausgezeich­

neter die Männer sind, die das Collegium bilden, um so höher stellen sich die Ansprüche, die das landwirthschaftliche Publi­ kum

an

ihre Leistungen

macht,

und cs wird daher gewiß

nicht säumen, diesen zu entsprechen. Mit

einer gewissen Ungeduld sieht man dem baldigen

Erscheinen der Tarprincipien entgegen, mit dessen Ausarbei­ tung sich das Collegium beschäftigt.

Bei der Fundamentlosig-

ftit aller sogenannten Ertragstare», die eigentlich einer Fabel nicht unähnlich sind, erwartet man von einem Collegium, ge­ bildet auS theoretisch und praktisch ausgezeichneten Landwir­ then, etwas Gediegenes, und wünscht eS nur recht bald zu erblicken. Da

der Zweck

des Landcööconomie - Collegii unstreitig

dahin geht, die wesentlichsten Hindernisse aufzusuchen, die der höheren Culturentwickelung entgegenstehen, und da diese mit Bezug auf die östlicheil Provinzen vor Allem in dem Mangel

76 an Betriebsmitteln liegen,

so scheint eS nothwendig, riese»,

Gegenstand besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Interesse, dcS

welches der Minister

Ackerbaus

wenn

daS

schenkt,

könnte

Bei tan

des Innern der Földerung cs

sehr

Landcsöconomie - Collegium

ersprießlich in

dieser

werte»,

Beziehung

eine pollständigc Uebersicht teS Bedürfnisses und der Mittel ihnen abzuhelfen vorlegte. Außer der Beschaffung deS nöthigen Betriebscapitals, der e»fo,derlichcn Arbeitskräfte und eines gewissen GradcS ton In. tclligcnz giebt cS »och nianchc andere Crfordanisse, die Be­ dingung für daS Aufblühen des Ackerbaues sind. (5ins der Hanptübel, welches die östlichen Provinzen diückt, und worin mit der Ginnt

ihrer Verarmung zu suchen

ist,

liegt i« dem Mangel an guten innern Vetbinrungsstraßen znr Cileichtcrung des Transports der Produelc, in der höchst un­ günstigen Lage, in welcher sich die 'Hktaci befindet, sowie darin, daß die Regierung de» östlichen Provinze» so hohe Abgaben enliiirittnt und nicht dafür sorgt, daß diese in die Pro­ vinzen zurückstießen, um sie abgabesähig zu erhalten. Rach dem in dieser Beziehung bisher befolgten Finanzsvstcm war eine steigende Verarmung mancher Theile die un­ vermeidliche Folge. So hoch im Ganzen die Abgaben ohnehin schon sind, so fallt die (5»Nicht»»g derselben den ärmcreii LandeSlhcilcn am schwerste», und wenn aus diesen die Abgabe» daher soilwährend nach auSwärtS

gehe» und nickt thcilwei'sc

wieder zurückfließe», so führt dicS zur (5rschöpf»»g.

77 Eine solche ist nun wirklich eingetreten, und wenn nicht bald abgeholfen wird, so werden diese Landstriche, statt Vor­ theil von den für den Grundbesitz günstigen Conjuncturen zu ziehen, am Ende abgabeunfähig werden. Zwar wird, wie dies der Fall in Preußen war, wenn das Elend den höchsten Gipfel erreicht hat, in solchen Augen­ blicken mit dem Bau von Chausseen begonnen, allein dieser öfter auch nicht länger fortgesetzt, als jenes dauert. Wenn daher der Ackerbau gehoben, wenn der Wohlstand der städtischen wie der ländlichen Bevölkerung gefördert, wenn denen eine billige Rücksicht geschenkt werden soll, welche bisher immer Abgaben zahlten und zu deren Besten zu wenig ge­ schehen ist, so müssen in diesen Gegenden Producten-Straßen gebaut werden. Die Regierung selbst ist dabei am meisten be­ theiligt, daß Ost- und Westpreußcn, Hinterpommern und selbst die Neumark wieder aufblühen, ja die Zukunft Preußens selbst fordert die Regierung dazu auf, den materiellen Interessen alle Aufmerksamkeit zu schenken. Inzwischen ist es nicht allein die mangelnde Theilnahme der Verwaltung an der materiellen Wohlfahrt, welche nachtheilig wirkt,

sondern noch häufiger die Unbekanntschast mit

den Verhältnissen und

die Anwendung

veralteter Ansichten

und veralteter Theorien. Schon bei der Besprechung über die Zunahme der Pro­ letarier und der jetzt bestehenden Erschütterung der Geld- und Creditverhältnisse ist hierauf hingewiesen worden; aber auch die

78 Grundbesitzer haben specielle Veranlassung darüber zu klagen, desgleichen, wie wir weiterhin zeigen werden, auch der Handel und die Gewerbe.

Inzwischen können wir cs nicht verschwei­

gen , daß auch die Lantstände die Schuld theilen.

Tenn ihre

Ausgabe war es vor Allem, die materiellen Zustande und die Mittel diese zu bessern vor den Thron zu bringen; dieses ist bisher aber nur sehr einseitig und im beschränkten Maaße ge­ schehen

Alles was sich zu ihrer Entschuldigung sagen läßt,

ist, daß bei getrennten Provinzialkammern immer nur die Son­ der-Interessen hervortreten, die allgemeinen Landes-Interessen dagegen nur durch eine allgemeine Berathung eine gewisse Reise erhalten können. Unter den mancherlei Beispielen, durch welche die Be­ hauptung bestätiget wird, daß Unbekanntschast mit den Ver­ hältnissen und Vorurtheile oft sehr nachtheilig aus die Bodenciilliir und den Wohlstand ihrer Besitzer einwirken, wolle« wir mit Bezug auf Pommern hier nur einen Fall hervorheben. Bekairntlich befindet sich in Pommern der größte Theil des Grund und Bodens in den Händen der Ritterschaft. In ganz früheren Zeiten bestand in Pommern feilt Lehnsnerus, dieser bildete sich vielmehr erst aus, als die Macht der Herzoge von Pommern das Uebergewicht erhielt und die Ritterschaft nun gezwungen ward, ihre Güter dem Landesherrn als Lehne darzubieten.

Diese Uebertragung der Lehne erfolgte aber mit­

unter gewissen Bedingungen, die im Wesentlichen darin be­ standen, daß die Besitzer zwar die lehnsherrliche Obergewalt

79 des Landesherrn anerkannten, sich jedoch ausdrücklich daS Recht vorbehielten, diese ihre Güter verkaufen und bis zum vollen Werth verschulden zu dürfen.

Die pommerschen Güter sind

daher weiter nichts als verkäufliche und verschuldbare seuda oblala.

Inzwischen da Friedrich der Große, der den pommer-

fchen Atel liebte und die Cultur des Bodens gern beförderte, einsah, daß ein solcher LehnsneruS dem Wohlstand der Guts­ besitzer und der Landescultur gleich nachtheilig war, so hob er den LehnsneruS zum Landesherrn auf: was die hinterpommersche Ritterschaft dankbar annahm, die vorpommersche dagegen zurückwies. Den vorhin mitgetheilten Bestimmungen gemäß war es Rechtens, daß beim Anfall der Lehne an den nächsten Agnaten die Güter von, dazu durch die Parteien ernannten, Taratoren abgeschätzt und der Werth von den neuen LehnSinhabern aus­ bezahlt ward, und zwar entweder an die Allodialerben oder an die Gutsgläubiger. Da aber die Lehnstaren oft sehr ungleich ausfielen, so kamen die Lehne besitzenden Familien, um dievermeiden, bei Friedrich

II.

zu

ein, und baten ihn, allgemeine Tar-

principien anfertigen zu lassen, nach welchen die Lehngüter ab­ geschätzt werden könnten, um dadurch der Willkür der Tara­ toren eine Grenze zu ziehen.

Der bekannte Schweder er­

hielt hierzu den Auftrag, und dieser bemerkte schon damals, daß die von ihm gefertigten Taren wohl den gegenwärtigen Werth angäben,

daß dieser sich aber in der Folge ändern

könnte und seine Taren dann nicht ausreichen würden.

Die

80 Schwedischen Taren sind nun dennoch mit geringen Modifi­ kationen bisher beibehalten worden.

Da seitdem

aber

der

Werth der Güter sich um daS Vierfache erhöht hat, so ent­ stand hieraus eine große Verletzung des alten Rechtsverhält­ nisses, wodurch eine Menge Personen aus allen Ständen um ihr Vermögen gebracht worden sind, sowohl unter den Allodialerben, als unter den Käufern von Lehngütern und den Hvpothekcngläubigern. Ganz besonders nachtheilig ward diese Beibehaltung einer so ganz niedrigen Tare den Besitzern der Lehngüter selbst, weil dieselbe ihren Credit verminderte

und

cs Vielen

unmöglich

machte, die Güter durch Meliorationen zu verbessern.

Aner­

kannt ist eS, daß hierin der Grund liegt, weshalb so viele Lehnsbesitzer ihre Güter verkaufen mußten und verarmten. Die Klagen über diese Veränderung des Rechtszustandes und über die dunkle Fassung der Lehnsgesctze, die daS Eigenthum unsicher machte», bestimmten die Regierung seit 40 Jahren, eine neue Redaction der LehnSgcsetze anzuordnen; inzwischen führte dieS leider zu keinem Resultat,

weil man in Berlin die Ansicht

hatte, die Lehnsverfassring vermöge vor Allem die alten Fami­ lien im Besitze ihrer Güter zu erhalten.

Diese Meinung be­

ruhte jedoch auf einer entschiedenen Unkenntniß der Verhält­ nisse: denn wie soll es möglich sein, daß Lehne, die verschuldbar und veräußerlich sind, da, wo überdem gleiche Erbtheilnng besteht, zur Conservation des Besitzes beitragen können.

Auch

81 beweiset die Erfahrung da» Gegentheil, denn fortwährend ge­ hen die Güter au» den Familien fort. Auf erneuerte» Andringen der LehnSbesitzer wurden nun endlich im Jahre 1843 die Deputirten der lehnstragenden Fa­ milien, welchen in Lehnssachen die Beschlußfähigkeit durch die Allodification» - Urkunde von Friedrich dem Zweiten zugesichert worden ist, zusammenbemfrn, und diese trugen darauf an, daß die landschaftliche SubhastationStare al» LehnStare bestimmt werden möge. Durch diesen An­ trag veranlaßt, legte der König dem pommerschen ProvinzialLandtage einen Gesetzentwurf, in diesem Sinne verfaßt, zur Begutachtung vor, und e» ward derselbe durch überwiegende Stimmenmehrheit angenommen. Demungeachtet ist die aller­ höchste Bestätigung nicht nur nicht erfolgt, sondern e» scheint au» einer neuerdings an die Landfchasts-Direction ergangenen Mittheilung hervorzugehen, daß man noch erst die jetzt in Berathung schwebende neue landschaftliche Tare abwarten wolle, llnd sehr geneigt sei, auf die bald vor einem Jahrhun­ dert für die damalige Zeit passende Schwedersche Tare zurück­ zugehen, so daß man mithin den Recht-zustand ganz übergehen zu können glaubt. Durch diese pommersche Pseudo-Lehn-versassung »lnd durch die Auftechthaltung der, jeder Chikane Thor und Thür öffnenden, zweideutig gefaßten Lehnsgesetze tritt nun bei dem größten Theil de» Grund und Boden» in Pommem für den Werth eine Unsicherheit ein, die gleich nachtheilig auf die Vermögensverhältnisse der Besitzer wie auf den Culturstand 6

82 de- Lande- einwirkt; denn wie kann dieser da gefördert wer­ den, wo der Recht-zustand fehlt und der Credit untergraben ist, wo au- Vorliebe für einen hohlen Schall 40 Jahre hin­ durch ein rechtswidriger Instand geduldet, und die Stimme de- Rechts nicht bis zu der rechten Quelle durchdringcn kann. Der alte, nirgends aufgehobene RechtSznstand besteht, wie vorhin fcbon angedeutet, darin, daß der Lehnsnachfolger daö Gut nach einer zur Zeit der Uebernahme aufgenommenen Er­ tragstare (die berechnete Rein-Einnahme zu 5 pEt. rapitalisirt) zurücknehmen kann.

Ein solche- Recht heißt beneficium taxae,

und darin, daß der LehnSfolger ohne fremde Eoncurren; nach dem Zinsfuß von 5 pEt. das Lehngut an sich nehmen kann, liegt

das

beneficium.

Wir können diesen Gegenstand nicht verlassen

ohne eines

großen Mangels zu erwähnen, der sich vorfindet, und an den unS auch der vorliegende Fall erinnert. Ganz unstreitig ist die erste Pflicht einer Staatsregierung, für die Sicherung eines RechtSzustandeS z>l sorgen; dieS wer­ den selbst die zugehen müssen, die stetö einen christlich-germa­ nischen Staat inS Auge haben fassen zu müssen geglaubt. Auch da- suum quique*), welches auf der Brust ge­ tragen

in Preußen als die höchste Auszeichnung gilt, weiset

darauf hin, daß in Preußen Recht und Gerechtigkeit das höchste Gesetz sein solle.

Nun giebt eS aber für so viele Fälle, wie

*) Die llmfdnifi des schwarzen Adler-OrdenS

83 wir auch eben einen bezeichnet haben, keinen Gerichtshof, sott* dem nur die Appellation au den Monarchen, der sich darauf beschränken muß, ein Gutachten von einem abhängigen Be­ amten zu fordern, welches oft kein freie* sein samt, und diesen dadurch vielleicht in einen unangenehmen Conflict setzt. Hier­ aus folgt, daß es an einer Instanz fehlt, bei welcher sich der Monarch Rath erholen und an die daö Volk appellirett kann. In England ist diesem Mangel durch die Ernennung von Kronanwalten abgeholfen. Diese stehen ganz frei und unab­ hängig; zum Kronanwalt wird nur der ausgezeichnetste Jurist und achtbarste Mann gewählt, und wo die Kronanwalte ein­ mal gesprochen haben, unterwirft sich ihrer Entscheidung König, Parlament und Volk. Zur besseren Uebersicht bei der Untersuchung, unter wel­ chen Bedingungen die Grundbesitzer zum Genuß der sich ihnen eröffnenden günstigen Absatzconjuncturen zu gelangen hoffen dürfen, wollen wir die wesentlichsten derselben hier kurz aus­ zählen. DaS erste und wichtigste Erfordemiß von allen ist der Besitz der zum Betriebe der Wirthschaft erforderlichen Geldmittel: sie sind unentbehrlich, um die Culttlr zu unter­ halten und durch Anschaffung eines guten Inventariums die Bodenrente zu vergrößern, den Bodenreichthum zu begründen; sie sind unentbehrlich, um die nöthigen Handarbeiter heranzu­ ziehen, zu lohnen, ihnen Wohnungen zu errichten, die fehlen­ den WirthfchaftSgebäude aufzuführen und die Grundstücke zu bewässern, zu entnäffen- Als Mittel sich die DetriebScapitalien Ci'

84 zu verschaffen ist eine bessere Organisation der Psandbrief-Institution vorgeschlagen, sowie ihre Verbreitung auf alle Classen der Grund- und Hausbesitzer, um dein Realcredit eine gewisse Festigkeit ju geben.

(Sine noch schnellere Wirkung ließe sich

in dieser Beziehung von der Gründung von Landesbanken nach Art der Schottischen erwarten; Borurthcil, Mißgunstund Beschränktheit scheinen aber leider dem raschen Cmporkommen deö Wohlstandes entgegenzuarbeiten. Ein zweites höchst wichtiges Crforderniß zur Förderung der Bodencultur liegt in der Erleichterung der Communication. Kunststraßen, Eisenbahnen und Canäle sind Mittel zum Zweck. Die Production bekommt erst Werth durch eine möglichst wohl­ feile und bequeme Gelegenheit die Erzeugnisse zu Markte zu bringen: dazu gehören aber Straßen, die jederzeit zu befahren sind.

Ohne die Gelegenheit zur Verwerthung der Producte

hört der Zweck des ProducirenS auf Ein noch weiteres Erforderniß deS Flors des Ackerbaues liegt darin, daß die Regierung die freie Bewegung fördere und nicht durch falschberechnete Finanzoperationen lahme, und mit väterlicher Sorgfalt das erste aller Gewerbe überwache. Inzwischen giebt eS außer den bis hierher besprochenen Bedingungen deS Aufblühens des Ackerbaues noch andere, durch welche erst dem Werke die Krone aufgesetzt wird.

Der

Ackerbau, isolirt hingestellt, bleibt eine Waise, erst in seiner innigen Verbindung mit dem Handel und den Gewerbe» ist sein Flor gesichert

85 Vorhin

ist darauf aufmerksam

gemacht,

wie sehr der

Grad der Bevölkerung in den verschiedenen Theilen der Mo­ narchie von einander abweicht, desgleichen, wie, während in manchen Provinzen der Ackerbau die einzige Quelle des Er­ werbs sei, in anderen dem Kunstfleiß die Aufgabe geworden ist, die starke Bevölkerung zu ernähren. Wie nun erstere die Abnehmer der von letzteren gefertig­ ten Fabricate sind, so bedürfen umgekehrt jene wieder die Producte ihres Bodens, theils zur Speise, theils als rohe Stoffe für ihre Fabriken.

Es geht hieraus unzweifelhaft hervor, daß

jedes von ihnen ein lebhaftes Interesse an dem Wohlergehen des anderen habe, so daß beide im Stande bleiben, an ein­ ander zu verkaufen und von einander zu kaufen. Aber es erhellt ferner hieraus, wie wichtig eS sei, durch Eisenbahnen einander näher gebracht zu werden, und durch Schiffahrt den gegenseitigen Austausch fördern zu können. ES giebt nämlich nichts thörichteres, als sich den Ackerbau, den Handel und die Gewerbe als getrennt zu denken, während sie alle durch ihr eigenes Interesse auf daS Innigste verwebt sind.

Dabei ist jedoch nicht zu verkennen, daß zuweilen Ver­

hältnisse eintreten, wo der eine dem Wohle deS ankeren mo­ mentane Opfer bringen muß: sie lassen sich aber, wenn an­ ders der Vernunft Gehör geschenkt wird, stets zum Vortheil beider Theile ausgleichen. Wenn eine solche Ausgleichung oft unterblieb, und bald der Grundbesitzer, bald der Landmann und dann wieder der

86 Fabrikant sich dadurch verletzt fühlte, so lag der Grund darin, daß die Behörde oft mit den verschiedenen Bedürfnissen deS Landes unbekannt geblieben war,

Sachverständige zu

hören

unterließ und keinen Werth aus die Stimme derer legte, die mit den Verhältnissen

vertraut,

aber keine Beamte waren.

Besonders nachtheilig auf alle Zweige des Verkehrs hat

es

verschiedentlich eingewirkt, daß man zuweilen ganz unhaltbare Theorien mit eisernem Willen festgehalten hat, und dann wie­ der ohne ein festes Princip zu verfolgen, einseitig in das Rad eingriff, wodurch denn bald dieser bald jener Zweig der In­ dustrie bis in sein Innerstes erschüttert wardIndem wir uns in dem Vorherigen bemüht haben, die innige Vereinigung der Interessen des Ackerbaues,

der Ge­

werbe und des Handels nachzuweisen, so bestimmte nnS die Rücksicht dazu, dem leider noch vielfach im Publicum bestehen­ den Vorurtheil entgegenzuarbeiten, daß ein getrenntes Inter­ esse bestehe, und daß jede Begünstigung, die dem einen ge­ macht werde, ein llnrecht sei, waS dem andern wicerfahrc; wir werden und in den nachfolgenden Blättern zu zeigen be­ mühen, daß wenn Fälle dieser Art vorgekommen sind, dieö nicht in der Sache, sondern in der Behandlung gelegen habe.

Ueber den jetzigen Stand der Gewerbe, des Han­ dels und der Schiffahrt und über die Bedingun­ gen ihres Flors.

Die Industrie, der Handel und die Schiffahrt haben auf ven Wohlstand der Völker und die Macht der Staaten einen so großen Einfluß, daß sie stets die größte Aufmerksamkeit der Negierungen und das ganze Interesse de- Publicum- verdienen; zugleich sind alle drei so mit einander verwebt, daß ihre gleich­ zeitige Besprechung der Uebersicht wegen unerläßlich erscheint. In unseren sämmtlichen Schriften über national-ökonomi­ sche, financielle und commercielle Gegenstände haben wir un­ stet- fern davon gehalten, die Geduld der Leser mit weitläu­ figen Entrvickelungen der verschiedenen Systeme zu erschöpfen, sondern haben uns mehr an das Praktische gehalten. Die ansehnliche Zahl von Lesern, welche unsere Schrif­ ten bisher gefunden haben, scheint unö die Aufforderung zu enthalten, diesen Weg auch hier nicht zu verlassen. Mit den Theorien werden wir un- daher nur beschäfti-

88 gen, wo eS nöthig scheint, ein Princip festzustellen.

Belehren­

der als alle Theorien ist eS, das große Buch des Lebens zu Rathe zu ziehen, und mit Hülfe der Erfahrung und aus die­ sem die Regeln des Verhaltens zu abstrahiren. Der Gesichtspunkt, von welchem wir ausgehen, ist, daß Alles aufgeboten werden müsse, den Kunstfleiß hervorzurufen, ihn wie den Handel und die Schiffahrt gegen feindliche An­ griffe zu schützen, welche sie fast von allen andern Staaten erfahren, und daß man sich, mit der Kenntniß der eigenen und der fremden Zustände und Interessen ausgerüstet, auf den Jndustriekrieg, der ein universeller geworden ist, in der Absicht einlasse,

um

vortheilhafte Friedensbedingungen

nicht.aber um den Krieg zu verewigen.

zu erlangen,

Wie in so vielen

andern Dingen, so sind auch in dem vorliegenden Falle die Ansichten über die Mittel zum Zweck sehr verschieden. Die Einen träumen von einer unbedingten Handelsfrei­ heit,

wie

manche Schwärmer

von

dem goldenen Zeitalter,

durch die Offenbarung Johannis verkündigt.

Man hat Recht,

beide im Auge zu behalten, allein beide sind der Verwirklichung gleich fern; denn dergleichen Träume werden schwerlich früher in Erfüllung gehen, als bis die Posaunen des Himmels zur Auferstehung rufen. Andere wieder wollen durch strenge Prohibitivgefetze die Jfolirung und eine Verewigung deö JndustriekriegeS der Völ­ ker unter sich, und bilden sich ein, dadurch eine internationale Politik zu verfolgen.

Daß diese auch Träumer wären, kann

89 man ihnen nicht vorwerfen, allein al- Getäuschte möchten sie sich richtiger bezeichnen lassen. dies System,

und

nur in

Die Erfahrung »«wirft auch

großen Reichen,

wie

Rußland,

Frankreich und Oesterreich, ist die Durchfühmng auf eine ge­ wisse Zeit und bis auf einen gewissen Punkt denkbar, ohne daß der Nationalwohlstand vernichtet werde. Wieder Andere halten sich auf der Mitte dieser beiden Ansichten: sie wollen und fordern Schutz für die aufkeimende Industrie, bis diese erstarkt sei; sie verwerfen nicht den Kampf der Industrie mit den ihnen in dieser Beziehung vorausgegan­ genen Völkern, weil sie begreifen: daß diese- Ringen die In­ telligenz

wecke,

den

Gewerbfleiß

»«vollkommne

und

dahin

führe, daß die Industrie in den Stand gesetzt werde, den Kon­ sumenten die Opfer reichlich wieder zu erstatten, welche diese durch

die

frühere Vertheuerung der Waaren

Schutzperiode den Fabrikanten gebracht haben.

während

der

Zu diesem letz­

ten System bekannte sich, im Allgemeinen wenigsten-, die preu­ ßische Regienmg bei Errrichtung de- Zollverein-, obgleich dem­ selben damals die vollständige Ausbildung fehlte, und sich bei der Anwendung eine Menge Inkonsequenzen zeigten. Seit der Gründung de- Zollverein- hat sich

zwar die

Industrie unleugbar gehoben, weil sich der Kreis der freien Bewegung im Innern der Länder erweitert hat,

allein die

Inkonsequenzen und manche Mängel sind geblieben und haben sich selbst in vermindert.

einzelnen Punkten seitden«

eher vermehrt

als

90 Die Ursachen einer solchen Erscheinung

und daß ein

Bündniß so vieler Fürsten nicht zu dem großen Aufschwung geführt hat, den man zu erwarten berechtigt war, sind wohl in der fehlerhaften Organisation de- Bundes zu suchen.

Drei

Punkte scheinen vor Allem sowohl die Dauer des Vereins zu bedrohen, als seine Wirkung zu lähmen. 1) Die

republikanische

Diese sind:

Verfassung eines

Bunde-

von

Souverainen und die in Folge dessen eingeführte Siimtimi* gleichheit, welche um so unpassender erscheint, da sie hemmend wirkt und die Glieder so verschiedene- Gewicht haben; denn während Preußen 16 Millionen Köpfe repräsentier und nur eine Stimme hat, machen die übrigen Glieder des Bundes 19 Stimmen geltend, die nur 13 Millionen Seelen vertreten. Hiezu kommt noch die Ungleichheit der Verfassung der Bundesstaaten; denn während die übrigen Fürsten der Zu­ stimmung brr Stände bedürfen, und die Interessen ihrer Un­ terthanen sich, wenn oft auch erst hinterher am Throne gel­ tend machen können, wird dem Preußischen Volke auch nicht einmal die- bisher recht gestattet, ja da- Peiiiionsrecht immer mehr eingeengt. 2) Daß fünf deutsche Könige, ein Kurfürst und viele Großherzoge, Herzoge und Fürste» einen Bund geschlossen ha­ ben, ohne sich über ein Grundgesetz zu vereinen, durch wel­ che- da- Prinzip festgesetzt wird, daö den künftigen Opera­ tionen zu Grunde gelegt werden soll,

und

ohne

sich über

Zweck und Mittel klar ;u verständigen.

Durch dieses wesent-

91 liche Gebrechen des Bundes bleibt sein Bestehen stet- in Frage gestellt; und wenn man auch anführt, daß die großen gemein­ samen Interessen eS den Einzelnen bei Verfolgung ihrer Specialzwecke nicht erlauben, aus dem Bund zu treten, sie daher zur Nachgiebigkeit gezwungen würden, so ist die- eine ganz leere Phrase:

denn dieselben Gründe nöthigen auch

die übrigen Glieder, um den Bund nicht zu spren­ gen, den launenhaftesten Anforderungen Einzelner nachzugeben. Jedenfalls liegt in diesem Mangel fester Grundbestimmungen

die

Ursache, daß die

Sonderintereffen immer so

hervortreten und die Veranlassung

zu

Streit und

grell

Gezänke

werden *).

*) Es kann nur interessant sei», das eines ausgezeichneten nehmen.

unparteiische

Urtheil

österreichischen Publwisten hierüber zu ver­

Wir theilen dasselbe de-halb hier mit.

Herr von Schwär-

zer sagt nämlrch in seinem jüngst erschienenen Buche über „Oester­ reichs Land- und Seehandel mit Hinblick auf Industrie und Schif­ fahrt" Seite 36, nachdem er die Differenzen innerhalb des Zoll­ vereins dargelegt hat,

wörtlich:

schaftlich erbitterten Kampfe, aus

„Wahrlich, a»S solchem leiden­ einer solchen

Verwirrung

der

Begriffe, aus dieser Unklarheit in der Erkenntniß der wahren Zu­ stände und Bedürfnisse, auS diesem betrübenden Mangel an sittli­ chem Gemeingefühl ist da» Wahre trotz aller origineller Phraseo­ logie, trotz allem Aufwand an liebenswürdiger Grobheit von bei­ den Seiten — will man sich nicht blindlings einer Partei in die Arme werfen — schwer herauszufinden.

Es ist dir» kein Streit

um Prinzipien mehr, sondern um Interessen, wenig würdevoll ge­ führt von einer »nd der andern Seite.

Da ist felis» Rede vom

92 3) Daß die bedeutende Zolleinnahme, die bisher immer im Steigen geblieben ist, von den Fürsten der Pereinsstaaten als ein sehr angenehmer Zuwachs ihrer StaatSrevenücn ent­ gegengenommen wird, ist nicht zu bezweifeln, kann aber leicht dahin führen, dies als die Hauptsache ansehen zu lassen, da­ gegen den eigenllichen Zweck des Bundes, die Industrie und den Wohlstand der Unterthanen zu heben, aus dem Auge zu verlieren.

Dies ist um so mehr zu besorgen, da die Ver­

handlungen über die ZollvereinSangelegcnheiten allein StaatSdienern übertragen werden, die nur zu oft in ihrem Dienst­ eifer vergessen, daß mit dem Wohlstand des Volkes die (Kon­ sumtion,

mithin auch

die davon zu

entrichtenden Abgaben

wachsen, daß aber, wenn man daS Huhn schlachtet, welchedie goldenen Eier legt, man auch die Eier selbst verliert. Da seit Errichtung deS Zollvereins auch in Preußen alle Schritte zur Förderung der Industrie- und Handelsinteressen der eigenen Unterthanen der Zustimmung

der übrigen Ver­

einsstaaten bedürfen, so müssen wir diesen Punkt etwas schär­ fer inS Auge fassen. Wenn die vorhin ausgesprochene Ansicht richtig ist (und

Entgegenkommen, vom Ausopfer» eines

PrivatvortheilS für daS

Wohl der Gesammtheit, kein Vorschlag zu einer Versöhnung, kein Kämpfe» um dauernder, beide Theile

ehrenden F>irden.

Sogar

dir Eristeuz des Zollvereins selbst wurde bereit- von einer Erhö­ hung der Twistzölle abhängig gemacht und

Gelegenheit gegeben,

daß unter Hinweisung auf Oesterreich ein »ore- und süddeutscher Zollverein zur Sprache kam/'

93 wer wird es bestreiten wollen, daß der Zollverein einer feste­ ren Begründnng bedürfe?), so muß eS die erste Aufgabe fein, ihm ein solches Princip zu verschaffen, welches geeignet ist, die höheren Nationalzwecke zu fördern.

Wenn eS überhaupt

Verhältnisse giebt, wo die Wohlfahrt deS Volkes eS gebiete­ risch verlangt, conservativ zu sein, so ist dies hier der Fall. Die materiellen Interessen eines großen Volkes müssen, wenn sie sich einmal ausgebildet und gewissen Formen angeschlossen haben, stabil erhalten werden; nur der gefährlichste Leichtsinn kann dies bestreiten wollen.

Diese Stabilität fehlt gegenwär­

tig gänzlich, so lange der Verein von der Ansicht der verbun­ denen Fürsten oder sogar von der ihrer Diener abhängt, deren Verdienste wir übrigens nicht bestreiten wollen, da sie beim ersten Blick schon sehr augenfällig sind. Von allen Vereinsstaaten hat Preußen das größte Inter­ esse auf eine festere Basis zu dringen, von deren Erreichung eS zugleich abhangen wird, den Zollverein der hohen Bestim­ mung entgegenzuführen, für welche er die schönsten Keime in sich trägt, die bisher aber auf einem Felsen lagen und keine Wurzeln schlagen konnten;

ja eö unterliegt keinem Zweifel,

daß hierin daS unfehlbarste Mittel liege,

auch die übrigen

Fürsten und freien Städte zum Beitritt zu bestimmen, und dadurch Deutschlands Stellung dem Auslande gegenüber zu erhebe».

Zeit genug haben übrigens

die Fürsten und daS

deutsche Volk gehabt, zur Erkenntniß dessen zu kommen, wailmen und dem gemeinsamen Baterlande noth thut; Zeit ge-

94 nug, Erfahrungen zu sammeln, um auf dem bestehenden Fun­ damente einen Palast zu erbauen, in dem eS sich gut wohnt und der Deutschlands würdig wäre. Sehr tief muß es daher jeden, der mit ächter Vaterlandsliebe feinen Blick auf die äußeren und inneren Verhältnisse des deutschen Volkes wirft, betrüben: wenn er auf der einen Seite erwägt, wie groß, mächtig und geachtet Deutschland unter den etiropäischen Staa­ ten dastehen könnte, und wenn er auf der anderen Seite sicht, wie ihm eine ganz entgegengesetzte, oft den Spott der Nach­ barn erregende Rolle zugefallen ist — und dies nur durch feine eigene Schuld. Preußen mit seinen sechs zehn Millionen Menschen hat, wie gesagt, nicht allein da- größte Interesse, auf die Consolidirung deS Zollvereins zu bestehen, sondern eS hat auch die Macht in Händen, eS durchzusetzen. Preußen darf in keiner Beziehung und mithin auch nicht in der Entwickelung der materiellen Interessen stillstehen oder zurückschreiten, wie eS fast den Anschein hat. Preußens politische Stellung in Europa, seine eigene und die Sicherheit DelitschlandS fordert eS, daß die materielle Kraft sich wieder vermehre, um die geistige, die sehr schläfrig geworden ist, unterstützen zu können. Daß Preußen, wenn wider alles Erwarten von Seiten deutscher Fürsten Widerstand erhoben werden sollte, die Macht l>abe, wenn ihm der Will« und die Einsicht nicht fehlt, diese zu bestimmen, die Hand zu einer weiteren nationalen Ent­ wickelung der deutschen Industrie zu bieten, »mterliegt keinem

95 Zweifel.

Diese Macht suchen wir aber keiaeSwegeS in der

größeren physischen Kraft, die eS besitzt, fonbmt wir finden sie darin, daß — wenn Preuße» Deutschland einen Plan zur weiteren Entwickelung deS Zollvereins vorlegt, durch welchen der deutschen Industrie ein ihre weitere EnNvickelung fördern­ der Schutz gewährt wird, durch welche die Mittel geschaffen werden, diese auf direktem und

indirektem Wege zu unter­

stützen, ihr die auswärtigen Märkte zu öffnen, den Brodlosen Verdienst zu verschaffen, einer deutschen Handelsflotte die Meere zu öffnen — dann einem solchen Plane die allgemeine Zu­ stimmung nicht fehlen kann noch wird; ja alle Stimmen in Deutschland werden einig sein, wenn davon die Rede ist, dem Zollverein eine bessere Basis zu geben, als die bisherige war, welche mit jeder Zollperiode die Auflösung des Vereins zuläßt. Bisher hat man, statt ein Prineip aufzustellen, die jetzige Zollscala diesem

slibstituirt.

Die erste

Sorg« würde daher

sein müssen, das System der Schutzzölle als das des Vereins anzuerkennen, das Prohibiiivsystem gänzlich auszuschließen und den theilweisen Eintritt einer größeren Handelsfreiheit an di« Bedingung zu knüpfen, daß diejenigen Fabrikationen, für welche sie gewährt werden solle, bereits so vorgeschritten sein müssen, um

der

fremden

Concurrenz

ohne

Gefahr

entgegentreten

zu können. Fernerer Grundsatz müßte eS sein, allen rohen Produkten freien Eingang zu gestatten, um die an diese zu verwendende Arbeit den Mitbürgern zuzuwenden, und sie zur Concurrenz

96 mit dem Ausland« zu befähigen(*). Da Fälle vorkommen kön­ nen, wo momentan einzelne FabricationSzweige eines größeren Schutzes bedürfen, so ist eö nothwendig,

um sich nicht von

dem System zu entfernen, und um die Nachtheile abzuwenden, die in der Regel damit verbunden fein können, an deren Stelle je nach den Umständen Ein- oder Ausgangsprämien zu be­ willigen.

Endlich ist

mannigfach

es

vorkommenden

unerläßlich,

um

eineötheilS

der

feindlichen Handelspolitik anderer

Länder kräftig entgegentreten zu

können,

andcrentheils, um

den inländischen Fabrikaten und der zu ihrem Ausführen be­ stimmten Handelsflotte die auswärtigen Märkte zu öffnen, das System der Differentialzölle einzuführen, als das einzige aus­ reichende Mittel, diese Zwecke zu erreichen. Um nun ferner dem Zollverein eine größere Festigkeit zu geben und ihn einer weiteren höheren Entwickelung entgegenzuführen, Princip

ist eine Vereinigung

über

daS

eben

(dessen weitere Entwickelung

wir

uns vorbehalten)

nothwendig. ist,

müssen

Sobald die

hierdurch ein Anhaltspunkt

weiteren Beschlüsse

angcdeutete

gewonnen

wegen der Anwendung

desselben von der Entscheidung der Majorität der stimmenden Fürsten abhängen, während nach der jetzigen Verfassung der Widerspruch eines Einzelnen Alles zu lähmen vermag.

Nur

in solchen Fällen, wo Anträge auf Abweichung vom Grund­ gesetz des Bundes gemacht werden, liegt eine allgemeine Zu­ stimmung im Recht und in der Billigkeit. Eine dritte nothwendige Verbesserung besteht darin, vor-

97 zubeugen, daß der Zollverein mit Hintenansetzung seiner eigent­ lichen Ausgabe eine Vereinigung werde

um

dem deutschen

Volke nur immer höhere Abgaben aufzubürden. Als Mittel zum Zweck scheinen zwei Bestimmungen nothwendig: Oeffentlichkeit der Berathung der Zollvereinöverhandlungen, wovon jedoch die Ver­ handlungen über Verträge mit anderen Ländern ausgeschlossen blieben, und die Bestimmung, daß eine Quotierung erfolge, wieviel von der Totaleinnahme der EinganzSzölle jährlich un­ ter die Verein-staaten getheilt werden solle, etwanige Ueberschüsse dagegen zur Förderung der Vereinözwecke zu verwenden. Wenn überhaupt die Geheimnißkrämerei, in welche man so oft Dinge hüllt, die die alleröffentlichste Behandlung ver­ dienen, nur dahin führt, der Verwaltung hinterher Verlegen­ heiten zu bereiten und sie bloszustellen, so ist daS erst recht da der Fall, wo es sich rein um die materiellen Interessen handelt. Daß die Verwaltung allwissend sei, wird man nicht be­ haupten wollen, allein man kann von ihr einen angemessenen Grad von Auffassungsvermögen verlangen und die Gewandt­ heit der Anwendung. Die Veröffentlichung solcher Gegenstände, welche

dazu

dienen sollen, nützliche Einrichtungen herbeizuführen, wird be­ wirken, daß die zunächst dabei Betheiligten sich aussprechen, und der Venvaltung das Material zu einem vollgültigen Ur­ theil liefern; daher ist es thöricht die Veröffentlichung zu scheuen. WaS den' zweiten Punkt, die Ouotisirung des Antheils

7

98 an der reinen Einnahme aus den Zöllen betrifft, so scheint es zweckmäßig die Durchschnittssumme, die in den letzten drei bis fünf Jahren auf den Kopf gefallen ist, als diejenige zu noriniren, die in die Kassen der verschiedenen einzelnen Vereins länder fließt, die Mehreinnahme dagegen als einen Reserve fondS zu bewahren, mit der Bestimmung, diesen ebenso zu etwa vorkommenden gemeinsamen Ausgaben, wie zu direkter Aufmunterung für einzelne Fabriken oder Prämien für den Import oder Erport von rohen Produkten oder Waaren zu verwenden. Eine Bestimmung dieser Art scheint ein Bedürf­ niß zu sein, und kann manche Nachtheile abwenden und vie­ les Gute auf mannigfache Weise fördern. Da die Firirung nach Köpfen geschieht, so steigen die Einnahmen der Vereinsstaaten mit der Bevölkerung, und es wird dadurch von dieser Seite her jeder Grund zum Wider­ spruch beseitigt. Mit einer solchen Firirung fällt die Veran­ lassung fort, immer zuerst und vor Allem nur die Vermehrung der Einnahme ins Auge zu fassen; die Stellung der Beamten, die dann zum Zollkongreß gesandt werden, verliert an Befan­ genheit, was von Werth ist; ferner werden dadurch Fond­ gesammelt, aus deren nützliche Verwendung zu Jndustriezwecken wir weiterhin zurückkommen werden; endlich werden die Mit­ tel zu Ausgleichungen beim Zutritt neuer Glieder und zur Besoldung von Vereinskonsuln in den transatlantischen Staa­ ten gewonnen. Da eS von einer großen Anmaaßunq und Neberschätzung

SS jtugttt würde, wenn wir versuchen wollten,

hier.weiter zu

gehen, als die wesentli'chsten Punkte zu bezeichnen, die jeden­ falls einer Reform bedürfen:

so wenden wir uns jetzt von

den allgemeinen zu den speciellen,

erlauben uns jedoch schon

vorläufig daraus hinzuweisen, welchen Einfluß Bestim­ mungen, wie sie hier empfohlen sind, auf den Anschluß derje­ nigen Länder und Städte an den Zollverein haben würden, ohne welche eine großartige Entwickelung des deutschen Han­ del-, der deutschen Industrie und Schiffahrt so lange unmög­ lich ist, als der Zollverein der Mündung seiner großen Ström« in die Nordsee entbehrt und, was auch sehr wichtig ist, zu­ gleich mit den Kapitalien,

den Kredit,

den kaufmännischen

Speculation-geist und die Schiffe Hamburgs und Bremens. Wenn wir auf den wahren Grund blicken, weshalb die­ ser Anschluß bisher nicht erfolgte, so liegt er sehr nahe. Han­ nover, Oldenburg, Hamburg, Holstein und Bremen haben keineswegs

die ihren Interessen entsprechenden Folgen ihre»

Beitritt- verkannt,

allein sie hatten wohl Ursache Bedenkm

zu tragen, einem Vereine beizutreten, dem, wir wollen aufrich« tig sein,

jede feste Basis fehlte,

herrschte, und gigen

Dingen

in welchem so viel Hader

von manchen Seiten her selbst in geringfü­ gleich

von

Sprengung

de-

Bunde-

di«

Rede war. Alle die obengenannten Länder und freien Städte erfreuen sich bi- jetzt wegen ihrer Lage an der Nordseeküste eine- viel freieren Handelsverkehr- als die Binnenländer, sie stehen in

100 günstigen Handelsverhältnissen zu so vielen anderen Ländern; alle diese und so viele andere Vortheile zu opfern, um einem Verein beizutreten, der ihnen bisher keine Bürgschaft der Dauer gewährt, war ihnen nicht zuzumuthen.

Hierzu kam noch, daß

der Zollverein seit seinem Bestehen auch keine einzige Maaßrege! getroffen hat, um den inländischen Handel von den noch bestehenden ungebührlichen Fesseln') zu befreien, seinen aus­ wärtigen Handel zu erweitern, feinen Schiffen Fracht, feinen Manufacturen Absah zu verschaffen: das einzige Lebenszeichen, was er von sich gegeben, besteht in der Erhöhung der Zölle auf einige Gegenstände.

Alles dieses ist wahrlich nicht ein­

ladend, und cS drängt sich bei jenen daher die Beforgniß aus, der Zollverein werde in dieselbe Lethargie versinken, in welcher sich der große deutsche Staatenbund befindet.

Keiner Frage

unterliegt eS aber, daß wenn, wie wir es bevorwortcn, der Verein sich zur Annahme solcher Maaßregeln entschließt, wie sie im Vorhergehenden angedeutet sind, der Anschluß aller der vorhin

genannten Nordseestaaten

werde,

ja erfolgen müsse.

ganz

unbedenklich erfolgen

DieS wird sich erst recht deutlich

zeigen, wenn wir jeht den Blick den innern VerkehrSverhältnissen

und

Deutschlands

den

äußern Handelsbeziehungen Preußens

und

zu den übrigen europäischen und transatlanti­

schen Staaten zuwenden, und zugleich durch ein langes Re*) Noch immer sind die deutschen Ströme mit Binnenzöllen behaftet, welche die Wiener Congreßacie aufgehoben; kann es stär­ kere Beweise dir Schwäche und Gleichgüliigkeit geben, als diese??

101 Mer tie nachtheiligen Verhältnisse, in welchen wir uns diesen gegenüber befinden, auszählen, woran- auch die Nothwendig­ keit hervorgehen wird, einen ganz anderen Weg zu verfolgen, als den bisherigen. Wenn bei der vorzunehmenden Beleuchtung des jetzigen Standes der Industrie der Blick aus die bisher im Zollverein gemachten Fortschritte gerichtet wird, so fällt in die Augen, daß sich manche Zweige derselben sehr bedeutend gehoben ha­ ben, sowie, daß der Schutz, welcher ihnen geworden ist, der Entwickelung forderlich gewesen sei, jedoch daß dieses nicht das Maaß überschritten und zur Indolenz geführt habe. Die Wohlfeilheit der Fabrikate und die Vortheile, welche die Gon» sumenten davon gezogen haben, beweisen dieS- (*) In manchen Zweigen des GewerbefleißeS, und zwar in sehr wichtigen, ist leider ein sehr bedeutender Rückschritt ein­ getreten ; wir wollen nur die Leinwandfabrication herausheben. In vielen anderen dagegen, wie z. B. in der Fabrikation von baumwollenen und gemischten Zeugen, ist ein höchst erfreulicher Aufschwung sichtbar geworden, wiewohl bei ihnen wieder, wie bei so vielen andern, ein Rückschritt zu besorgen ist, wenn un­ sern Fabrikanten der Absatz auf fremden Märkten, wie bisher bei manchen Artikeln, fast ganz entzogen bleiben sollte, oder, wie bei andern, doch so erschwert wird, daß eS unmöglich ist, auf den fremden Märkten die englische und belgische Goncurrenz zu bestehen. Da die Ernährung und der Wohlstand der dicht bevöl«

102 sehen Fabrikristrikte nur durch die Gelegenheit des Absatzes bedingt wird, und da eS rer Zweck der Schutzzölle ist, den Kunstfleiß so zu erweitern, um die Mittel zu gewinnen, den großen jährlichen Tribut, den die Tropenländer von uns be­ ziehen, zu decken: so fordert es die Sorge für die Erhaltung deS eigenen Wohlstandes unserer Fabricanten, diesen die Ge­ legenheit zu einem Austauschhandel mit denselben zu gewäh ren und überhaupt für die Eröffnung der auswärtigen Märkte zu sorgen. Von allen einheimischen Fabrikationen ist die der baum­ wollenen und der mit Wolle gemischten Stoffe diejenige, die sicb des größten Flors erfreut, denn bei ihr überschreitet, nach der Broschüre eines rheinpreußischen Fabrikanten über „d-aS jetzige Zollsystem u. Berlin, Schröder 1847", die jährliche MehrauSsuhr auS den Vereinsstaaten die Summe von 25 Mil­ lionen Thaler.

Zum Betriebe dieser Fabrikation wurden nach

demselben Schriftsteller im Turchschnitt der Jahre 18J-J jähr­ lich 445,387 Centner Twiste von England eingeführt.

Aus

diesem Grunde hielt man es Vortheilhaft, die Twistfabrikation womöglich da einheimisch zu machen, wo ein so großer Ver­ brauch diese- Gegenstandes eingetreten war, weshalb sich die Vereinsstaaten zu einem Schutzzoll von 2 Thaler pr. Etr. ver­ standen hatten Bei der Zunahme der Twistfabrication bewies eS sich je­ doch, daß England in dieser Fabrikation durch seine vollkom­ menen Maschinen, durch seinen CapitalSreichthum und dnrck

103 feint ausgebildete Kunstfertigkeit einen solchen Vorsprung ge« Wonnen hatte, daß der Schutzzoll von 2 Thlr. pr. Ctr. nicht ««»reichte. Die daraus entspringende Verlegenheit der Twistfabricanten und die Gefahr, in welche sie gerieten, das große daran verwandte Anlagecapital zu verlieren, bestimmte sie, eine Erhöhung de» Eingang-zolle- aus Twiste um noch 2 Thlr. pr. Ctr. mit. solchem Ungestüm zu fordern, daß von mehreren Verein-staa­ ten von Aushebung de- Verein- gesprochen ward, wenn diesem Verlangen nicht gewillsahret werden sollte. Die Sache war sehr bedenklich; denn abgesehen davon, daß die Twistsabrication große Capitalien fordert, die unsehlen oder vielleicht besser verwandt werden können, daß ezugleich eine Beschäftigung ist, die eine jämmerliche Bevölke­ rung heranzieht, und e» schon au- diesem Grunde sehr frag­ lich bleibt, ob eine solche Fabrikation begünstigt zu werden verdient: so mußte die Vertheuerung der Twiste jedenfalls nachtheilig auf die Baumwollenfabriken einwirken, da diese durch die Concurrenz, die sie zu bestehen hatten, nur noch einen sehr geringen Fabrikgewinn beim Verkauf übrig behiel­ ten, sie mithin eine Preiserhöhung von 2 Thlr. pr. Ctr. nicht »ehr tragen konnten, ohne die Concurrenz de- Auslandes zu verlieren. Den blühendsten aller deutschen Fabrikzweige aber zu erschüttern, schien unmöglich, weshalb sich denn auch die preußische Regierung aus das entschiedenste dagegen erklärte. Zwar ward der Au-weg vorgeschlagen, die Ausgleichung durch einen Rückzoll zu bewerkstelligen, und selbst die Baumwollen«

104 fabrikanten erklärten sich für diesen letztem Vorschlag.

Allein

ein Rückzoll hat seine Mängel; er flößte den Regierungen in Hinsicht der Controlle und der Höhe ihrer Einnahmen Be­ sorgnisse ein, daher entschied man nach langem Hader die Streitfrage dahin, den Zoll, ohne einen Rückzoll zu bewilligen, um i Thlr. pr. Etr. zu erhöhen.

Der Erfolg davon ist ge­

wesen, daß manche bedeutende Fabriken, namentlich am Rhein, diesen nicht ju tragen vermögen, und Tausende von Familien in Gefahr stehen, brodloS zu werden').

Wir haben absicht­

lich diesen Fall, der so viel Aufsehen gemacht und eine fort­ gesetzte Polemik hervorgerufen hat, und noch seiner Entschei­ dung entgegensieht, zum Gegenstand gewählt, um zu prüfen, inwiefern etwa Besseres hätte geschehen können. Die Vertheidiger der Twistfabrication führen zu Gunsten derselben einen dreifachen Nutzen an und bezeichnen als solchen den Gewinnst an Arbeitslohn, die Vortheile eines direkten Verkehrs mit dem ErzeugungSlande — da dies wahrschein­ lich die Gelegenheit zum Austausch unserer Fabrikate gegen rohe Baumwolle gewähren würde — und die Gelegenheit, sich mit diesem Material aus erster Hand zu versorgen. Wir lassen den Werth dieser Gründe dahingestellt sein; giebt man denselben aber auch zu, so hat eö sich doch bereits faktisch ge­ zeigt, daß eilt höherer Eingangszoll (*) die Eristenz einiger *) In der Schrift: „Der Zollverein, fein System und seine Gegner" haben mir schon vor jeder Erhöhung btfl Twistzolles ge­ warnt und die jetzt eingetretenen Folgen vorhergesagt.

106 Baumwollenwaaren«Fabricationen gefährdet: eine Fabrikation

gehoben,

die

andere

soll mithin he

erhalten werden,

so

müssen wir andere Mittel zum Zweck, als die bisherigen, auf­ zufinden suchen.

Statt eine Zollerhöhung von 1 Thlr. pr. Ctr.

aus die Twiste zu legen, welche die Twistfabrikanten nicht be« friedigt, den Baumwollenfabriken schadet, konnte man vielleicht eine Eingang-prämie für die bei den Twisten verarbeitete rohe Baumwolle oder auch eine Prämie auf die in Arbeit befind­ lichen Spindeln legen, oder endlich durch eine Ausgangsprämie auf die daran- gefertigten Fabrikate die Ausgleichung bewir­ ken.

Aber dazu gehörten disponible Fonds und die Zustim«

mung sämmtlicher Verein-mitglieder; erstere fehlen aber, und rie direkte Geldbewilligung, die von einer allgemeinen Zustim­ mung abhängt, ist sehr fraglich. Inzwischen

nicht

die Twistfabrikation allein,

wenn ste

überhaupt auf große Unterstützung von Seiten der Regierun­ gen Ansprüche hat, sondern noch viele andere werden dieselbe verdienen, worunter namentlich auch die Leinewandsabrikation zu zählen ist.

Dieser so tief gesunkene Industriezweig wird

außer Stande selbst dann,

sein,

sich

aus

sich selbst wieder zu erheben,

wenn sich ihm auch

neue Absatzwege eröffnen

sollten. Der Beifall dieses

FabricationSzweigeS, der

früher so

blühend war, und schon als eine Nebenbeschäftigung der länd­ lichen Bevölkerung besondere Bedeutung erhält, hat einen mehr­ fachen Grund:

106 Einmal, weil man eS versäumt hat, dem Gange diese» Industriezweige» zur rechten Zeit zu folgen, und nicht durch Einführung von FlachSgarnspinnmaschinen da» Uebergrwicht auszugleichen gesucht hat,

welche» sich andere Länder durch

Einführung derselben verschafft haben, so daß sie un» jetzt in Folge davon den Absatz genommen haben; zum andern, weil die schlechte und betrügliche Quali­ tät eine» Theils der zur AuSsuhr gekommenen Leinewand diese im Au-lande diScreditirt hat, und dritten», weil in Folge der ungünstigen Schiffahrt»« und Handelsverträge mit anderen Staaten fast aller direkte Handel verloren gegangen ist. Diese ächt nationale Fabrikation, die, wie die der Wol« lenwaaren, zu den wenigen gehört, in welcher die rohen Lan« deSproducte verarbeitet werden, ist, wie schon erwähnt, so tief gesunken, daß sie ohne direkte Unterstützung nicht wieder em­ porkommen kann.

E» dürfte ihr deshalb vor allem die Er­

richtung von Flach-garnspinnereien zuzuwenden sein, wozu aber freilich ebenfalls wieder Geldmittel disponibel sein müssen.

Erst

wenn einst wieder die Fabrikation so bedeutend geworden sein wird, daß der Handel rS lohnend findet, als Vermittler auf­ zutreten, erst dann wird dieser wieder die Controlle über die Güte der Waaren führen, und den verlorenen Credit herstel­ len ; wenn aber gleichzeitig nicht unseren Schiffen die auswär­ tigen Märkte durch einen freien Verkehr geöffnet werden soll« ten, so ist an ein Emporkommen niest zu denken.

107 Ebenso wir der Flor der Baumwollen-,

Flach--

und

Wollen-Fabriken zum großen Theil von der Eröffnung der auswärtigen Märkte und von der Möglichkeit, auf tiefen die Eoncurrenz zu bestehen, abhängt, so ist die- auch bei unzähli­ gen anderen Producten der Industrie der Fall; eS ergirbt stch daraus die Wichtigkeit, für die Eröffnung von Absatzwegen zu sorgen. Der Grund, warum un- diese jetzt fehlen, liegt in den ungünstigen Handel-- und Schiffahrtsverträgen, welche wir mit anderen Ländern geschloffen haben, in der feindseligen Han­ delspolitik unserer Nachbarstaaten,

in der geringen Aufmerk­

samkeit, die die Regiemngen bisher dem Gegenstände geschenkt haben, und vor Allem in den Fehlern unsere» eigenen politi­ schen Handelssystems. Das einzige Mittel,.aus den vorhandenen ungünstigen Verhältnissen herauszukommen, liegt darin, die erste Gelegen­ heit zu ergreifen, die eisernen Ketten abzuwerfen, die man un­ angelegt hat, und alle, Preußen und dem Zollverein zu Ge­ bote stehende Mittel anzuwenden, die übrigen Länder zu zwin­ gen, unS mit billigerer Rücksicht zu behandeln al» bisher, na­ mentlich auch unseren Schiffen den Eingang in die ihnen jetzt verschlossenen Häfen zu öffnen. Eines der wirksamsten Mittel dazu zeigt sich un» in der Einführung von Differential-Zöllen,

und r» ist wahrlich die

höchste Zeit, sich desselben zu bedienen. Bevor wir und über die Nothwendigkeit dahin zielender

108 Maaßregeln auSsprechcn, scheint eS nöthig, den Leser mit den Vortheilen bekannt zu machen, welche den Gewerben, dem Handel, der Schiffahrt unt> dem Landbau hieraus erwachsen würden, und ihm zugleich eine Uebersicht der Verhältnisse zu gewähren, in welchen wir uns andern Ländern gegenüber befinden. Fangen wir bei Rußland an, welches uns damit droht, die strenge Grenzsperre, welche zwischen dem sogenannten Kö­ nigreich Polen und Schlesien und Posen besteht, in die noch weit strengere Grenzsperre de- eigentlichen Rußlands zu ver« wandeln.

(Die Anmerkung [6 ] am Schluß wird speciellere

Mittheilungen darüber enthalten.) Wir bekennen eS offen, daß wir kein Mittel kennen, die­ sen Riesen deS Nordens zu nöthigen, ein weniger feindliches System anzunehmen; und wenn man auch allgemeine Kirchen« gkbete anordnen wollte, wie ehemals gegen die Türken, so wäre selbst von diesen nichts zu erwarten, denn die Gebete der Gottlosen werden nicht gehört — und ach! deren giebt eS jetzt so viele. Wersen wir den Blick auf Oesterreich, unseren mehrfach Verbündeten, welches uns schon so vielfältig seine Sympathie durch, wenn auch für uns stets nachtheilige, Rathschläge zu be­ weisen gesucht hat, so stehen Preußens DcrkehrSverhältnisse zu diesem Nachbarn keineswegs günstig, und nach Schwarzer hat der Zollverein im Verkehr mit Oesterreich in den 4 Jahren

109 1840, 41, 42 und 43 zusammen 27,108,297 fl. C.-M. in der HandelSbilance verloren. Ueber die Gesinnungen Oesterreichs gegen Preußen spre­ chen sich die, bei der Einverleibung KrakauS gemachten Er­ fahrungen deutlich aus, und wir müssen uns in unserem Kum­ mer damit trösten, daß in der Erkenntniß der Wahrheit auch ein Gewinn liege. Preußen hat bei der angeblichen Besorgniß Oesterreichs, Krakau bedrohe die innere Ruhe eines Theils deS Kaiserreichs, in die Einverleibung der Republik gewilliget, sich dadurch unangenehmen Conflicten mit England und Frank­ reich ausgesetzt und diesen einen Vorwand zur Entschuldigung künftiger etwaniger Verletzungen des Wiener TractatS gegeben. Wie erwiedert Oesterreich dies? Als Preußen jene Zustimmung ertheilte, hatte eS entwe­ der übersehen, daß zwischen Schlesien und Krakau sehr bedeu­ tende Handelsverbindungen bestanden, oder, was wahrschein­ licher ist, eS vertraute der österreichischen Regierung, daß diese eS dabei nicht auf Gefährdung der materiellen Interessen der preußischen Unterthanen absehen werde. WaS ist jetzt gesche­ hen? Oesterreich weiset alle billigen Reklamationen der dies­ seitigen Regierung vornehm zurück, und die unter österreichi­ schem Einfluß stehenden Organe der deutschen Presse verhöh­ nen noch Preußen und verleumden die preußischen Untertha­ nen alS Schmuggler; gewinnt dies nicht das Ansehen, als wenn man noch nicht zufrieden damit wäre, daß die politische Seite Preußens Popularität schade, sondern als wenn man

110 auch die Ehrenhaftigkeit de- preußischen Handel-stande- ver­ dächtigen müsse? Fassen wir nun die Berhältnisse Preußen- zu Dänemark in- Auge, so hat die» durch den Sundzoll dem Handel der preußischen Ostseehäfen eine schwere Kontribution auferlegt, und erschwert diesen auf eine Weise, daß hieraus bei manchen Artikeln, wie zum Beispiel bei roher Baumwolle, ein Han­ delsverbot wird. Es ist nicht genug, daß Preußen von den mächtigen Staaten schlecht behandelt wird, von den kleinen geschieht dasselbe. Tie Wiener Congreßacte erklärt sich gegen alle den freien Handel der Volker hemmende Fesseln; Handel und Schiffahrt sollten fortan von den sie niederdrückenden Zöllen befreit werden. Die Wiener Congreßacte sowie die Bundr-acte sind keine Wahrheit geworden: die Strome Deutsch­ land» sind unfrei geblieben und selbst die Meere werden gesperrt. Die großen Nachtheile, welche die Höhe de- Sundzolleund der Aufenthalt, sowie die Verationen, welchen die Han­ delsschiffe bei der Entrichtung diese- Zolle- ausgesetzt sind, für unsere Schiffahrt herbeiführen, haben die preußische Re­ gierung bewogen, der dänischen seit einer langen Reihe von Jahren wiederholte Vorschläge wegen Ablösung diese- Zolledurch Kapital oder wegen Firimng desselben zu machen; al­ lein sie sind, so gerecht und billig sie waren, sämmtlich zurück­ gewiesen, und die Verhandlungen haben damit geendet, daß der für die preußische Rhederei so höchst ungünstige Schiffahrt--

111 vertrag, welcher seit 1838 gekündigrt werden konnte, bi» 1851 bestimmt verlängert worden ist; man wird verleitet hierin einen Akt der Großmuth zu finden, der kaum zu erklären ist. Am feindseligsten und nachtheiligsten haben fich die Han­ delsbeziehungen der Zollverein-staaten zu Holland gestaltet. Wenn man fich die ganze Reih« von Mißhandlungen in» Gedächtniß zurückruft, welche Deutschland von Holland erdul­ det, mit welchem kaufmännischen Raffinement lrhtereS un» überlistet hat, und mit welcher Gutmüthigkeit — fast ist e» mehr — Deutschland der Ausplünderung, die es erfährt, ru­ hig zusteht: so läßt fich da» Gefühl eines tiefen Unwillen» darüber, daß r» mit Deutschland, Holland gegenüber, dahin gekommen ist, nicht länger lintrrdrücken. Durch da» Uebergewicht, rvelche» Frankreich in Europa gewonnm hatt«, war Holland eine ftanzösische Provinz ge­ worden. Seine Auferstehung al» ein selbstständige» Reich dankt r» der Tapferkeit de» deutschen Volke», welche» dieselbe mit seinem Gelde und Blute erkaufte. Wie hat e» fich für diese» Geschenk (da» der Freiheit), da» größte, welche» einem Volke gemacht werden kann, dankbar bewiesen? Dadurch, daß i», den Bestimmungen de» Wiener Traktat» entgegen, die Schiffahrt auf dem mächtigsten deutschen Strome, dem Rheine, sperrte, den Handel de» westlichett Deutschland- Körte. Wie durfte e» die» wagen? Weil e» au» langer Erfahrung wußte, daß die Deut­ schen gute Kinder find, die fich am Gängelbande führen las-

112 sen, und es an Zeichen aller Art nicht fehlt, daß sie noch im­ mer die Alten seien. Mit einer Schamlosigkeit, die ohne Bei­ spiel ist, zog man 16 Jahre lang die desfallsigen Verhandlun­ gen hin, 514 Sitzungen bewilligte die Schwäche Deutschlands den Verhandlungen über die Eröffnung dcS Rheines bis ins Meer; und hätte der Abfall Belgiens nicht günstig eingewirkt, so dauerten jene Verhandlungen vielleicht noch fort.

Inzwi­

schen auch die Uebereinkunst vom 31sten März 1831 führte nicht einmal zu einem endlichen Abschluß, denn auch in dieser ward das Prinzip als streitig vorbehalten. Ter Raum gestattet es nicht, hier alle seit Hollands Befreiung vom französischen Joch Deutschland zugefügte Un­ billen und Becinträchtigungeil aufzuzählen; um jedoch den vor­ her ausgesprochenen Unwillen über die Beeinträchtigung, die wir erfahren, zu rechtfertigen, wird die Angabe der Uebersicht der Handelsverhältnisse der beiden Länder, wie sie vor einigen Jahren bestanden und noch fortdauern, vollkommen genügen. Da die deutschen Quellen, wie sich die Einfuhr und Ausfuhr der beiden Länder zu einander verhalten, uns für den Augen­ blick nicht vorliegen, so entnehmen wir dem Bericht des fran­ zösischen HandelSministerS, „documents sur le commerce exterieur'- folgende Notizen: Die Ausfuhr Hollands nach Deutschland betrug im Jahre 1845

...........................................

176 Millionen Francs

an Werth; die Einfuhr nach Holland mithin die Mehrausfuhr

.

.

.

.

47

-

-

129 Millionen Francs.

113 Der Grund dieser nachtheiligen HandelSbilance ist leicht aufzufinden, er liegt darin, daß Deutschland eS Holland ertäubt, seine Colonialwaaren frei einzuführen, während eS den Absatz der deutschen Manufacturwaaren bei sich durch hohe Zölle beschränken darf. Daß di« Folgen einer so ungünstigen HandelSbilance, wie sie vorhin mitgetheilt ist. zu einer Vermögen-schwächung führen müssen, ist klar; auch werden die Zeichen davon schon alle Tage sichtbarer. Inzwischen ist vorauszusehen, daß sich der bisherige Ab­ satz aus den Zollverein-staaten nach Holland noch in Folge des neuen holländisch-belgischen, den 29. Juli 1846 abgeschlos­ senen TractatS bedeutend vermindern wird. Welchen Aufschwung die belgische Industrie unter dem Schutz einer intelligenten, die Wichtigkeit derselben anerkennen­ den, wohlwollenden Regierung und unter dem Einflüsse einer freien Verfassung gewonnen hat, ist so augenfällig, daß fie jetzt schon mit der englischen in mancher Beziehung in Concurrenz treten kann. Wie gefährlich dieses in der industriellen Entwickelung so rasch vorschreitende Volk den Rheinprovinzen werden muß, besonders wenn der Zollverein fortfahren sollte, diejenigen Mittel und Wege zu versäumen, welche allein ver­ mögen ein günstigeres Verhältniß herzustellen, wird dort all­ gemein gefühlt. In' welchem Grade der neue zwischen Belgien und Hol­ land abgeschlossene Handelsvertrag den Absatz mancher Manu8

114 facturwaaren aus den Rheinprovinzen nach Holland schwächen muß, wird die folgende vergleichende Uebersicht der von den Waaren der beiden Länder in Holland erhobenen Zölle und sonstigen Abgaben anschaulich machen. ES beträgt die Eingangsabgabc auf: aus tritt 3ef(tvrcitt,

aus Belgien kommend.

Baumwollene Stuhl­ waaren, ungebleicht, gebleicht, gefärbt oder gedruckt .... 6 r vom Werth, 4 2 vom Werth. Wollene Manufacturwaaren, Tuch, Ka­ simir und andere Stoffe, welche im Gebrauch Tuch und Kasimir ersehen, als: Buckskin, cuirs de Inine, Zephyrtuch u. f. w. ... fl. 45 pr. 100 Kil. fl. 30 pr. 100 Kil. Alle sonstigen wol­ lenen Stoffe, wovon 6 niederländische El­ len 1 Kil. oder mehr wiegen . . . . fl. 34 pr. 100 Kil. fl. 30 pr. 100 Kil. Alle anderen wol­ lenen Stoffe, wovon

116 au« btm Zollverein,

au« Belgien kommend.

6 niederländische El­ len weniger wie

1

Kil. wiegen ... Stuhlwaaren Flachs,

(»8 Vom Werth,

5 z vom Werth.

von

Hanf oder

Werg, roh oder ge­ bleicht ...................... 3 S vom Werth, Desgleichen

1 * vom Werth.

gefärbt

oder gedruckt, Bomfin, Gebild, roh oder gebleicht, Battist

Damast,

und

Aam-

mertuch, außer Bett­ ziechen ...................... 6 « vom Werth, Gemischte Stoffe, al­ lein aus Wolle und Baumwolle

zusam­

mengesetzt, wovon die Kette

ausschließlich

auS Baumwolle be­ steht, und wovon 6 niederländische Ellen 1 Kil. oder mehr wie­ gen (mit baumwol-

3

t vom Werth.

116 au- dem Zollverein,

au# Belgien kommend.

lenen Stuhlwaaren gleichgestellt) . . . 6 ü vom Werth, 4 S vom Werth. Gemischte Stoffe auS Baumwolle, Seide, Hanf oder Flachs ( ohne Wolle) zu­ sammengesetzt, gleich­ gestellt mit Vemjenigen Stoff, der in der Zusammensetzung dem Gewichte nach vorherrscht . . . 6 l vom Werth, event. 1—4 g und 6 g vom Werth. Eisen, nämlich Werk­ zeuge und Geräthschasten von geschmie­ detem, geschlagenem oder gewalztem Ei­ sen, ohne Zusatz von anderen Materialien 6g vom Werth, 2g vom Werth. Nägel.................. fj.l oOtf.pr.lOOM. 75C.pr.100Kil. Kram- und Messer­ schmiede - Waaren (worunter namentlich Remscheider und So-

117 an- betn Zollverein, linger Fabrikate be­ griffen sind). . . 68 vom Werth, Baumwollen e Stuhlwaaren in einem Werthe von fl. 100 würden in Holland zu entrichten haben fl. 6 - C. Syndikat- und son­ stige Gebühren we­ fl. 1 20 C. nigstens 20*g . .

aus Belgien kommend. 38 vom Wetth.

fl. 4 - C.

fl. - 80 C.

fl. 7 20 E. mithin

788

fl. 4 80 C. gegen

48 8

Wollene Manufacturwaaren, Tuche re., pro 100 Kil. . . Syndikat- und son­ stige Gebühren 208

fl. 45 - E.

fl. 30 - C.

fl. 9-C.

fl. 6 — 6.

also

fl. 54 — C.

fl. 36 - C.

Eiserne Werkzeuge und Geräthschasten pro 100 Kil. . . Syndikat- und son­ stige Gebühren 20 8

fl. 6-C.

fl. 2 - C.

fl. 1 20C.

fl. - 40 C.

also

fl. 71 •

gegen

2J8.

118 Mit diesen Concessionen Hollands an Belgien hat ft* ersteres noch nicht begnügt, sondern letzterem auch noch gestat­ tet, 4000 Last Kaffee auf belgischen Schiffen ans seinen Colonien in Ostindien, gegen einen Zuschlag von 11 pCt. gegen die auS den Ei zeugungsländern hergekommenen, einzuführen, und hat endlich noch andere Begünstigungen der belgischen Flagge eingeräumt. Daß Holland, welches überhaupt keine Sympathien zu haben scheint, diese gegen Belgien zeigen sollte, wird Niemand glauben.

Nur der Vortheil leitet es ; fragt man daher: was

hat Holland für Gegenleistungen gefordert? so lautet die Antwort: eine Kleinigkeit.

Es hat Erleichterungen für die Ein­

fuhr seiner Colonialwaaren auS Ostindien verlangt, und na­ mentlich ist ihm die Einfuhr von T\ des belgischen Bedarfs an Kaffee mit einem Zuschlag von 11 pCt. gegen die directe Einfuhr auS den Erzeugungsländern bewilligt.

Zugleich ist

die Bestimmung erfolgt, daß für jetzt diese 17, auf 7 Millio­ nen Kil. firirt werden sollen. Fassen wir nun die Höhe der holländischen Einfuhr zum Werth von 176 Millionen Franks nach Deutschland inS Auge, welche roch größtentheilS aus Colonialwaaren besteht, und rech­ nen wir, daß nur die Hälfte davon zur Eonsumtion in den Zollverein käme (dieser zählt 28 Millionen Einwohner, während Belgien nur 4 Millionen), so ist die Frage natürlich: waS würde Holland, wenn eS Belgien schon, um T\ der erwähnten Menschenzahl mit Kaffee zn versorgen, so wesentliche Vortheile einräumt,

119 un- nicht erst bewilligen, wenn r- nicht gewiß wüßte, daß eS die- bei un- nicht nöthig hätte, und wenn ihm nicht bekannt wäre, wie unpraktisch, und wie versessen auf falsche Hvpothesen der Deutsche ist, und wenn e- sich nicht darauf verließe, daß eS ganz andere Personen sind, die da leiden, als die, die da entscheiden. Forderte man noch Beweise, wie rücksichtslos Deutschland und Preußen mit und ohne Zollverband von seinen Rachbarn im Osten, Norden und Westen behandelt wird, so braucht man nur aus diesen holländisch-belgischen Vertrag hinzuweisen. Alle die Begünstigungen, welche erstere» letzterem eingeräumt hat, sind auf Unkosten der deutschen Industrie erfolgt, und werden, wenn die deutschen Regierungen nicht endlich erwachen, dazu beitragen, daß im westlichen Deutschland ein Industrie­ zweig nach dem andern zu Grunde geht, und die Masse der Proletarier und der Auswanderer mit jedem Jahre zunimmt. Die wichtige Leinwandfabrication ist schon gänzlich vernichtet, die in neuester Zeit so rmporgekommrne Fabrikation der Baum­ wollen-, Wollen- und gemischten Gewerbe geht bereits wieder zurück, die Fabrikation in Eisenwaaren geräth immer tiefer in Verfall, während der hohe Zoll auf Eisen das dem Ackerbau, der Fabrikation und der Schiffahrt unentbehrliche Material vertheiltet'), und selbst die reichen Steinkohlenschätze in Schle*) Wie nachtheilig die künstlich« Vrrtheuerung de- Eisens durch die Höhe der Eingang-zölle auf so viel» Gewerbszweige ein­ wirkt, darüber sind viele (Stimmen laut geworden. Die Aufgabe

120 ften und am Rhein bleiben in dem Schooße der Erde in Folge einer unvollkommenen Land« und Wassercommunication und de- Mangels an Absah. Die Steinkohlenlager sind in England eine der Hauptquellen des Reichthums, midb Belgien versteht eS, die seinigen zu verwerthen: in Preußen bleiben sie unbe­ nutzt, weil, wie bei so vielen anderen Gewerben, die schützende belebende Hand fehlt. Richten wir nun ferner unseren Blick auf Frankreich, so finden wir, daß sich dies Reich durch ein strenges Prohibitiv­ system gegen Deutschland geschlossen habe.

Das Register der

Einfuhr der französischen Waaren nach Deutschland weiset nach, wie viele sehr bedeutende Zweige seiner Industrie vor­ handen sind, die wir zu bedrohen vermögen, und wie uns da­ durch die Gelegenheit gegeben ist, Gegenconcessionen zu er­ zwingen. Zu den bedeutendsten Einfuhrartikeln gehören die franzö­ sischen Weine, die Seidenfabricate, die Putzsachen, Quincaillc rien und andere hier einschlagende Waaren. Wenn der Zollder Regierung »rar es jedenfalls, sobald sie sich zu dieser Erhöhung bewogen fühlte, alle ihr zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um die Eisenproduction so zu fördern, damit diese Eingangs-Abgabe einst wieder aufhören könne; allein in dieser Beziehung ist nichts geschehen: noch immer besteht die alte Bergordnung, die den Bergbau stört, noch immer die so ungleiche Abgabe, welche der Staat sich von den Eisenproducenten am rechten und linken Rheinufer bezahlen läßt und die den Betrieb der stärker belasteten unterdrückt.

121 Verein die Eingangsabgaben aus diese bedeutend erhöhete, so würden die Nachtheile davon besonders drei Städte treffen, die von dem größten politischen Einfluß sind: Paris in Bezug auf die Modewaaren, Quincaillerien und dergleichen mehr, Lyon wegen der Seidenfabricate, und Bordeaur nebst den Wein­ producenten des Westens und der Champagne. Der augenblickliche Nachtheil, den die Erhöhung de-

Zolls

auf diese Artikel für unsere Bevölkerung hätte, wenn nämlich Frankreich sich nicht fügte, wurde darin bestehen: daß vielleicht einige Gegenstände deö LuruS im Preise steigen würden, und sich die Zolleinnahmen aus der einen Seite um so viel, als die Einfuhr abnehme, verringerten, während dies auf der an­ dern Seite durch die Erhöhung de- Zolls wieder ausgeglichen werden würde.

Unsere Weinproducenten, Seidenfabricanten

und die mit Modeartikeln beschäftigten Industriellen könnten sich dagegen eines erweiterten Absatzes erfreuen. Inzwischen ist cs mehr als wahrscheinlich, daß Frankreich eS dahin nicht kommen lassen würde, sobald eS sich von dem ernstlichen Willen der Zollvereinsstaaten überzeugt hätte, den jetzt bestehenden Tarif zum Nachtheil Frankreichs zu ändern, insofern es sich nicht zu Gegenconcessionen bereit erklärte. Der Einfluß der dadurch gefährdeten Industrien ist in den Kam­ mern zu bedeutend, als daß die französische Regierung, welche nicht abgeneigt scheint, von der Strenge deS System- nachzu­ lassen, ihrem Drängen nicht würde nachgeben müssen.

122 Redst Holland ist e- England, welche- unsere materiellen Interessen am Empfindlichsten trifft. England ist der Riese, gegen welchen anzukämpfen wir noch sehr schwach find. liegen

dem

Unser Handel, unsere Schiffahrt er»

englischen Druck,

eigene Schuld.

zum Theil aber durch unsere

Inzwischen wäre e- ungerecht, das Verfahren

England- mit dem Holland- in eine Parallele stellen zu wol­ len.

Wer samt e- diesem großen Jnselreiche, dem Beherrscher

der Meere, dem ersten Manusacturstaat, verdenken, daß e- stch seiner Macht, seiner Mittel und seiner Jntelligeitz bedient, um seine Interessen zu fördern. Rur wir allein wagen die Schuld, wenn wir nicht das­ selbe thun, soweit unsere Stellung die- erlaubt.

Die Punkte,

in welchen sich die englische Handelspolitik von der holländi­ schen wesentlich unterscheidet, finden sich darin: daß England wenigstens einsieht, daß e- keinen einseitigen Handel giebt, was Holland

noch nicht begriffen hat, und daß eS unklug

sei dem, der nur geringe Vortheile bieten kann, Begünstigun­ gen zu gewähren, und sie dem, der große Vortheile zu ge­ währen im Stande ist, zu versagen, und ihit dadurch zur Ge­ genwehr zu zwingen. Richt zu leugnen ist es, daß England durch seine neue­ sten Zollerleichterungen Deutschland die Aussicht auf einen weit umfangreicheren Absah seiner ländlichen Produkte eröffnet hat. Die richtige Würdigung seiner eigenen Jntcressrit mag e- im­ merhin dazu bestimmt haben.

Statt djeS zu tadeln, finden wir

123 hierin eine Bürgschaft mehr, daß wenn der Zollverein von dm Mitteln Gebrauch machte, die ihm zu Gebote stehm, gewiß ein günstigere- Handels- und Schiffahrt-verhältniß al- da- jetzt bestehende zu erreichen sein würde. In der Navigation-acte England- und den Bestimmun­ gen, die sie enthält, liegt der Grund de- gedrückten Zustandes unserr- überseeischen Handel- und unserer Schiffahrt. Die überau- harten Bestimmungen derselben haben durch die SchiffahrtS-Convention zwischen Preußen und England vom 2. April 1824 und der diesen Bertrag ergänzenden Cabinet-ordre vom 20. Mai 1826 Modifikationen erhalten. Im Jahre 1833 wurde der Schiffahrt-vertrag von 1824 mit thellweise veränderten Grundlagen erneuert, und den 2. März 1841 zwischen den Zollverein-staaten, Preußen an der Spitze, und England ein Handel-- und Schiffahrt-vertrag unterzeichnet, welcher sich aus die Bestimmungen der früheren Verträge stützte, und mit Bezug auf die Zollverein-staaten die Bestimmungen enthält: daß die englischerseit» dem preußischm Handel bewilligten Erleichterungen in Hinsicht der Einfuhr nach England und deren Colonien auf alle Zollverein-länder und Hinsicht- der Ausfuhr auf alle Flüsse und Häfen von der Elbe bis zur Maas au-gedehnt wurden *). Dieser Der*) Der Artikel 1 diese- Vertrage» bestimmt nämlich: „daß preußische Schiffe und Schiffe der übrigen Zollverein-staaten nebst ihren Ladungen, sofern dieselben au» solchen Gütern bestehen, die gesetzlich von diesen Schiffen in da- vereinigte Königreich und die

124 trag vom 2. März 1841 ist bis zum 1. Januar 1848 gül­ tig; insofern derselbe aber nicht 6 Monate vorher, mithin bis zum 30. Juni 1847 aufgekündigt wird, ist er als bis zum 1. Januar 1845 prolougirt zu betrachten. Ta dieser Vertrag aber weitere Bestimmungen enthält, welche den überseeischen Handelsverbindungen und ganz besonders der preußischen Schif­ fahrt höchst nachtheilig sind, und, wie wir zeigen werden, eine directe Verbindung mit den transatlantischen Ländern und ein Aufblühen einer deutschen Handelsmarine ganz unmöglich ma­ chen: so besteht eine gebieterische Nothwendigkeit, ihn aufzukün­ digen; da die Zeit aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nur noch sehr kurz ist, eine Vereinigung der Zollvereinsstaaten über das künftig zu befolgende Svstem aber vorangehen muß,

auswärtigen brittischen Besitzungen aus den Häfen derjenigen Lan­ der eingeführt werden dürfen, welchen dieselben angehören, künftig, wenn solche Schiffe aus den Mündungen der Maaö, Weser und Elbe, oder auS den Mündungen irgend eines schiffbaren, zwischen der Elbe und der MaaS liegenden Kluffes kommen, welcher einen Verbindungsweg zwischen dem Meere und dem Gebiete irgend eines der am Vertrage theilnehmenden deutschen Staarcn bildet, in die Häsen deS vereinigten Königreichs und der auswärtigen brittischen Besitzungen in ebenso vollständiger Weise sollen zuge­ lassen werden, als wenn die Häfen, aus denen die Schiffe kom­ men, sich innerhalb des Gebiets von Preußen oder eines der Zoll­ vereinsstaaten befänden, auch diesen Schiffen gestattet sein soll, die oben erwähnten Güter unter denselben Bedingungen ein­ zuführen, wie dergleichen Güter auS den eigenen Häfen solcher Schiffe eingeführt werden dürfen."

125 und die Zollconferenzen bekanntlich sehr viel Zeit brauchen: so ist die Besorgniß vollkommen gerechtfertigt, daß durch daVerschieben bis auf den äußersten Termin der geeignete Zeit­ punkt leicht versäumt werden, und die so höchst wichtigen In­ teressen des deutschen Vaterlandes und der Schiffahrt-« Verhältnisse Preußen-, welche sich daran knüpfen in Gefahr kommen könnten. Nach englischen Handel--, Zoll- und Schiffahrt-gesetzen und nach den Modifikationen, die in Folge der oben allegirten Verträge zu Gunsten Preußen- eingetreten sind, stellt sich jetzt demnach nachstehende-, für Preußen und Deutschland höchst nachtheiliges Verhältniß England gegenüber heraus. In den englischen Häfen, sowohl denen de- Mutterlan­ des einschließlich Irland- al- denen der Colonien, ist e- den Schiffen Preußen- und de- Zollverein- erlaubt, die Erzeug­ nisse ihre- Landes unter gleichen Rechten und Abgaben ein­ zuführen, wie die englischen.

Den Engländern steht dagegen

da- Recht zu, auf ihren Schiffen unter Gleichstellung der Ab­ gaben mit den preußischen, nicht allein die Erzeugnisse deeigenen Landes, sondern auch die aller anderen Län­ der der Erde in allen Häfen Preußen- und denördlichen Deutschlands von der Maas bi- zur Memel einführen zu können, während in England es nicht gestattet wird, Erzeugnisse fremder Länder ander- als auf dessen eigenen Schiffen einzubringen. Was den Vertrag vom 2. März 1841

126 besonder» nachtheilig für Preußen und die Zollverein-staaten macht, ist der ganz kurze Inhalt de» Artikel» II, welcher lautet: „Seine Majestät der König von Preußen williget sowohl für Sich, al» im Namen der gedachten Staaten ein, den Han­ del und die Schiffahrt der Unterthanen Ihrer Großbritannischen Majestät Hinsicht» der Einfuhr von Zucker und Rei» In jeder Beziehung stet» dem Handel und der Schiffahrt der meist be­ günstigten Rationen mit diesen Artikeln gleich zu stellen." Durch die vorhin erwähnten Bestimmungen der englischen Schiffahrt-verträge, nach welchen England e» so wenig den preußischen Schiffen, al» denen aller übrigen Völker erlaubt, Waaren, die nicht zu den Erzeugnissen ihrer eigenen Länder gehören, nach England einzuführen, während e» seinen Schis­ sen freisteht, die Erzeugnisse aller Länder, mit wenigen Aus­ nahmen, allenthalben zu importiren — hat England ein Schif­ fahrt»- und Handelsmonopol über die ganze Erde bekommen; denn durch die Beschränkung der Schiffahrt aller anderen Völ­ ker nach England und der fast unbeschränkten Schiffahrt-befugniß auf den bei weitem meisten Punkten der fünf Welttheile, ist England der Centralpunkt de» Welthandels geworden. Diese» Monopol dankt England seiner Uebermacht zur See, der Au-drhnung seiner Colonirn über alle Theile der Erde, seinem Capital-reichthum, seiner größeren Intelligenz und der Indolenz und Kurzsichtigkeit vieler anderen Regierun­ gen, die sich nicht der Mittel,, die ihnen übrig geblieben sind, zu bedienen verstehen, um ohne die aufgedrungene Vermitte-

127 limg von England unter sich direkte Schiffahrt-- und Han­ delsverbindungen anzuknüpfen. Daß England nicht» »ehr fürchtet, als dies, geht au- der Bestimmung de- Handelsver­ trags vom 2. März 1841 hervor, in welchem e- sich ausbe­ dingt, daß England in Hinsicht zweier der wichtigsten Einfuhrproducte, des Zuckers und des Reis, in den Handel-- und SchiffahrtSbeziehungen ganz mit den meist begünstigten Ra­ tionen gleichgestellt bleiben solle. Durch diese Bestimmung ver­ mindern sich die Bortheile einer direkten Verbindung Preußenund der Zollvereinsstaaten mit den Erzeugungsländern so be­ deutend, daß mit Gewißheit vorauszusehen ist, daß eine solche so lange, als diese- Berhältniß besteht, nicht zu Stande kom­ men werde. Angenommen Preußen hätte mit den Erzeugung-ländem de- Zucker», Kaffee» und Rei- einen Traktat abschließen wol­ len, so konnte Preußen diesen Ländern zu wenig Borthetle darbieten, um wesentliche Gegenbewilligungen erwarten zu kön­ nen, da England an den beiden Hauptartikeln Theilnehmer aller der gemachten Bergünstiguagen bliebe, und e- wegen der Ausbildung, in welcher sich seine Handelsmarine befindet, die Schiffe der Erzeugung-länder wie der preußischen überflügelt haben würde. Man hat eingewandt, daß, da England e- unterlaffeu hat, die gleiche Festsetzung in Beziehung de« Kaffee- zu treffen, man dies wenigsten» hätte benutzen können. Als England e» aber unterließ, sich auch für den Kaffee gleiche Begünstigung

188 auszubedingen, wußte eS sehr wohl, daß dies festzustellen nicht nöthig war, lind daß es dadurch seine eigentlichen Besorgnisse nur verrathen haben würde; England fordert aber immer ge­ nau nur das, und niemals mehr, als znr Erreichung seiner Zwecke nöthig ist. Wie trostlos der jetzige Zustand unserer Handelsmarine, wie beklagenswerth der Mangel an Absatzwegen für unsere Fabricate ist: darüber brauchen wir uns hier nicht weiter zu verbreiten, und ebenso wenig darüber, wie endlich die Zeit gekommen sei, daß sich der Zollverein mit der Belebung des Handels und der Schiffahrt ernstlich beschäftige und eine an­ dere Handelspolitik als die bisherige verfolge.

Wenigstens

wird dies die Bedingung sein, wenn er günstigere Handels­ und Schiffahrtsverträge mit den übrigen Ländern und nament­ lich mit England und Holland abzuschließen wünscht, und au­ ßerdem auch Bedingung dafür, daß Hannover, Oldenburg, Hamburg, Bremen und Holstein zum Anschluß an den Zoll­ verein bewogen werden. Die wichtige Frage, welches System zur Erreichung der vorgedachten Zwecke zu wählen sei, tritt jetzt in den Vorder­ grund. Unser« Ansichten darüber werden wir aussprechen, und wir wünschen, daß die Presse sie weiter beleuchte.

Es giebt

nicht leicht einen Gegenstand von größerer Wichtigkeit für das gesammte deutsche Vaterland, als den in Rede stehenden; und eS wäre vor allem wichtig, daß die DiScussion darüber nicht in einen hohlen Principien st reit ausarte, sondern

129 daß die gemachten Aeußerungen für und gegen durch Be­ läge bereichert oder berichtigt werden. AIS ein erfreu­ liche- Zeichen würde r» zu betrachten sein, wenn die deutsch« Presse bei dieser Gelegenheit bewiese, daß sie ihrer Afgabe gewachsen sei, und den Willen und die Befähigung habe, so wichtige Interessen de- gesammten deutschen Vaterlandes, aldie vorliegenden sind, auf eine gründliche Weise zu besprechen, und daß sie sich dadurch von dem Vorwurf reinigte, daß nur sogenannte Spectakelstücke sich einer lebhaften Theilnahme ih­ rerseits erfreuten. Vorhin ist entwickelt, daß England sein große- Uebergewicht vor Allem nur dem Umstande verdanke, daß e- der Mittelpunkt de- Handel- und der Schiffahrt geworden sei, daß e- für sich die vollkommenste Schiffahrt-freiheit in Anspruch genommen habe, während eö alle übrigen Länder von dieser ausschließt. Die Prüstmg der Mittel, welche uns zu Gebote stehen, um sich diesem Monopol zu entziehen oder e- wenigsten- zu beschränken, wird jetzt allen anderen voran­ gehen müssen, und sich daran die Frage knüpfen, inwiefern namentlich die Zollverein-staaten nach Aufkündigung de- Ver­ trag- vom 2. März 1841 England nöthigen können, un- gün­ stigere Zugeständnisse zu machen, als die bisherigen. Nachdem un- die Quellen de- Uebels, welche- uns drückt, klar vorliegen, so sind auch die Mittel zur Abhülfe leicht zu erkennen. Zwischen un- und den Ländern, deren Product« (Zucker 9

Kaffee u. s. w.) wir nicht zu entbehren vermögen, mit mit welchen wir aus einen lebhaften timten Verkehr daher ange­ wiesen sind, steht England als ein 11118 aufgenöthigter Ver­ mittler da, dem beide Theile Tribut entüchten müssen.

DaS

Mittel sich diesem zu entziehen, besteht rarin, einen timten Verkehr mit einander herzustellen.

Um dies zu bewerkstelligen

giebt es zwei Wege: den, daß der Zollverein sich mit diesen Ländern wegen Handelsverträge einige, oder daß er durch Ein­ führung

von

Differentialzöllen

eine

nähere

Handels- und

Schiffahrtsverbindung gleichsam erzwinge. Ta für Colonialwaaren so ungeheure Summen jährlich den Tropenländern zufließen, so sind sie es daher, mit denen man sich vor Allem einigen muß, um durch unsere Fabricate einen Theil dieser Ausgaben decken zu können, und um un­ seren Schiffen Beschäftigung zu verschaffen. Auf dem Wege der Handelsverträge eine Einigung zu bewirken,

dazu ist wenig Hoffnung.

Bei der sehr precairen

politischen Lage mancher dieser Länder und dem häufigen Wech­ sel der Regierungen, welche in Folge dessen eintreten können, bleibt es zweifelhaft, ob der Nachfolger die Verträge deS Vor­ gängers respectirc.

Selbst mit den ganz consolidirten nord-

americanischen Staaten haben die seit mehreren Jahren ein­ geleiteten Verhandlungen über Handelsverträge zu keinem Re­ sultate geführt,

auch ist ein günstiger Separatvertrag unter

den jetzt bestehenden Verhältnissen kaum zu erwarten. waren auch bereit-

Ebenso

mit Brasilien Verhandlungen eingeleitet,

131 allein der ViSconde von AbranteS, der deshalb nach Berlin gekommen war, ist abberufen, ohne daß irgend welche Eröff­ nungen erfolgt wären. Inzwischen angenommen, man sendete eine Gesandtschaft nach Rio-Janeiro und eö würde ein Handelsvertrag wirklich abgeschlossen, so ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß der Ge­ winn davon nicht uns, sondern unzweifelhaft zunächst England zufallen würde. Nach einem Berichte des französischen Ministers belief sich im Jahre 1841 der Handelsverkehr Brasiliens mit den verschiedenen Ländern, wie folgt: : 140Mill.Frcs.od. 36,,; Einfuhr ^Ausfuhr ^Einfuhr 4b - den Nordamer. Freistaaten 12,6» /Ausfuhr ZSinfuhr 36 - Frankreich J,4o .

mit England

r den Hansestädten

- 35 -

- Portugal

- 27 -

- Oesterreich

i

lö -

100 Mill. 40 20 28 26

iEinfuhr 14 ^ ^Ausfuhr 21

7,i»

^Einfuhr 14 /Ausfuhr 13 zTinfuhr 3 Ausfuhr 15

4'6n

Hieraus ergiebt sich, daß England 1841 in Brasilien für 100,000,000 Francs verkaufte und nur für 40 Millio­ nen einkaufte (hauptsächlich Kaffee).

Einen Handel, der um

60 Millionen Francs feine HandelSbilance vermehrt, einen solchen giebt England nicht aus; und bei der Macht, dem Einfluß und den ihm zu Gebote stehenden Mitteln würde es ihm nicht schwer fallen, einen ähnlichen Vertrag, wie den

132 preußischen, mit Brasilien abzuschließen — und dann befän­ den wir uns dort wieder in derselben Concurrenz mit Eng­ land, und die Brasilien zugestandenen Begünstigungen würde England ausbeuten. Allein nicht England allein, sondern auch Frankreich könnte nicht ruhiger Zuschauer bleiben, sondern würde Alles aufbieten, um nicht von dem brasilianischen Markte verdrängt zu werden; beide, England wie Frankreich, sind die Mächti­ gen, die Macht beider wird dort gefürchtet, ein Borwand zum Streite ist leicht gesunden — und der Zollverein, der bei die­ ser doppelten Rivalität den Kürzern ziehen müßte, ist außer Stande, hülfreich einzuschreiten.

Aehuliche nachtheilige Aus­

sichten eröffnen sich dem Zollverein aus allen übrigen transat­ lantischen Märkte», und cs ist keine Hoffnung vorhanden, durch Handelsverträge irgendwie bedeutende Vortheile für den Absah unserer Fabrikate zu gewinnen. Ganz andere Chancen eröffnen sich aber der Schifffahrt, und durch diese dem Handel der Zollvereinsstaaten, wenn durch Einführung von Differentialzöllen und einer Schiffahrt-acte der eigenen Handelsmarine ein directer Verkehr mit den Län­ dern gesichert wird, von welchen Teutschland jährlich den Be­ darf an Colonialwaaren bezieht.

Angenommen ein Zollgeseh

bestimmte, daß künftig die Einfuhrabgaben aus Zucker, Kaffee, Reis, Taback k. 20 Procent niedriger als bisher fein sollen, insofern diese aus Schiffen der Erzeugungsländer oder des Zollvereins eingeführt würden, dagegen aber bei jeder Ver-

183 Mittelung der jetzige Zoll in seiner ganzen Höhe sorterhoben werden solle: so würde diese Differenz deS Zolle» unfehlbar einen direkten Schiffahrtsverkehr hervorrufen.

Wo aber ein­

mal ein direkter und regelmäßiger Verkehr besteht, folgt die­ sem der Handel von selbst, weil da» Prinzip des Austausche» und der Wechselseitigkeit seine Seele ist.

Wie praktisch die»

sei, beweiset England» NavigationSbill; die Ausdehnung de» Handel» und der Absatz seiner Manufakturen waren die Folge davon. Durch die Einführung von Differentialzöllen würden nun die Interessen von England, Holland und auch von Hannover, Hamburg und Bremen zugleich sehr wesentlich berührt werden; sie alle würden mehr oder weniger in Gefahr kommen, sehr wichtige Zweige ihre» Handels in anderö Hände übergehen zu sehen, wenn sie sich nicht mit dem Zollverein einigten. WaS England betrifft, so würde eS sich, um nicht einen so bedeutenden Zweig seines Handels nach Deutschland größtenthril» zu verlieren, zu einem neuen, auf billigern Grundla­ gen beruhenden Handelsvertrag bequemen müssen, wozu wir in unserm eigenen Interesse gerne die Hand bieten könnten: da man gerne mit dem handelt, der viel braucht und der viel hat. In Hinsicht Hollands und seiner ostindischen Besitzungen würde man Grund haben, insofern eine Ausnahme von der vorher angedeuteten Regel zu machen, daß auch bei direkter Einfuhr aus dem Erzeugungslande, selbst auf den Schiffen der Erzeugungsländer oder des Zollvereins eingeführt, doch

134 feine Zollermäßigung erfolgte.

Der Zustand der allerhöchsten

Dürftigkeit, in der Holland die Bewohner jener indischen Ko­ lonien erhält, läßt diesen keine Mittel zur Befriedigung ihrer allernöthigsten Bedürfnisse übrig; diese brauchen daher nichts, oder kaufen vielmehr nichts, weil ihnen die Mittel zum Be­ zahlen fehlen: daher wäre eö ganz unnütz, zu Gunsten der ostindischen Colonien Hollands Opfer zu bringen, wofür we­ der jene noch Holland selbst ein Aequivalent zu geben ver­ möchten; höchstens ließe sich mit Holland nach dem Vorbilde des belgisch-holländischen Vertrages gegen Begünstigung der Einfuhr mancher Produkte und Fabrikate des Zollvereins eilt Abkommen wegen eines siren, zur Einfuhr zu gestattenden Quantums Kaffee abschließen. WaS Hannover, Hamburg und Bremen betrifft, so wür­ den besonders die beiden letzteren durch Einführung von Dif­ ferentialzöllen zwar den größer« Theil ihres jetzigen Absatzes nach den Zollvereinsstaaten verlieren, allein ihnen würde es leicht sein, durch den Beitritt zum Zollverein diesen Verlust nicht nur abzuwenden, sondern in bedeutenden Vortheil zu verwandeln. Wollte man gegen die Einführung von Differentialzöllen einwenden, daß sich dadurch die Einnahmen der Regierungen vermindern könnten, so ist darauf zu erwiedern, daß der Ne­ benzweck dem Hauptzweck stets nachstehen solle, und daß die Förderung des Verkehrs und des Wohlstandes des Volks die erste Berücksichtigung verdiene.

Allein auch in Hinsicht de» Ausfall» kann man sich be­ ruhigen — ein solcher wird nicht eintreten; denn durch die Ermäßigung de- Zolle» und durch den geringern Preis der Produkte vermehrt sich der Verbrauch,

und deckt durch die

Quantität der Einfuhr den Ausfall' an dem geringeren Zoll. Uebrigens würde, selbst wenn Differentialzölle eingeführt wer­ den, doch Zeit dazu gehören, bis sich eine direkte Handels­ und Schiffahrtsverbindung zwischen dem Zollverein und den Tropenländern herstellte; eS wird daher zu Anfang nur ein geringer Theil der Colonialwaaren auf einen niedrigen Ein­ gang-zoll Ansprücke machen können. Die Opposition, welche sich früher gegen die Differential­ zölle erhoben hatte, ist jetzt schon in der öffentlichen Meinung wenigsten» so gut wie vernichtet: denn während die Männer von Fach einig sind, daß die Einführung derselben ein drin­ gende» Bedürfniß sei; während der Herr von Rönne in einer gediegenen

Denkschrift

den

direkten

Verkehr

mit

außereuropäischen Staaten befürwortet und G. Höfken in seinem mit vieler

Sachkunde und vielem Scharfsinn

geschriebenen Werke „Englands Zustände, Politik und Macht ent Wickelung in Beziehung auf Deutschland", die Ansicht glänzend vertheidigt, daß nur durch eine Schiffahrts­ acte und Differentialzölle der innere Wohlstand Deutschlands gehoben werden könne;

und während endlich einer unserer

höchstgrstelltrn Diplomaten (der seine gesandtschaftliche Stel­ lung benutzt hat, Kenntnisse einzusammeln, die dem Vater-

136 lande sehr nützlich werden können) in einer kleinen aber ge­ diegenen Schrift die Differentialzölle empfiehlt *), — so giebt eS nur noch einige Büreaumänner, die sich dagegen erklären und die ihr altes Steckenpferd nicht verlassen wollen **), und uns zumuthen, daß wir mit aufhocken sollen, obgleich der Platz für uns zu enge ist. So dringend nun von allen Seiten her die Aufforderung ergeht, durch Einführung von Differentialzöllen die Schiffahrt zu heben und den Producenten

und Fabrikanten

vermehrte

Absatzwege zu eröffnen, ebenso dringend erscheint es, den jetzi­ gen Zeitpunkt dazu zu benutzen.

Bis zum 31. Juni d. I.

läuft, wie schon gesagt, der Termin ab, bis zu dem der Schif­ fahrt-- und Handelsvertrag vom 2. März 1841 England ge­ kündigt werden muß, wenn er nicht noch bis zum Jahre 1854 fortbestehen soll.

Die preußische Regierung würde eS aber in

ihrem und ihrer Unterthanen Interesse nimmermehr verant­ worten können, einen so

nachtheiligen Vertrag, der unserem

Handel, unserer Schiffahrt und unserer Industrie schadet, noch bi- dahin sich verlängern zu lassen.

*) Eine Ansicht, die er freilich in dem Nachtrag zur zweite» Auflage seiner Schrift diplomatisch modisicirt hat. **) In neuester Zeit hat Belgien den 99artig geliefert, wie wohlthätig Differentialzölle auf den Verkehr einwirken.

Die dor­

tige Regierung hat sich durch keinen Widerspruch von der Anwen­ dung derselben abhalten lassen; jetzt erkennt man int allgemeinen Aufblühen des Handels, der Fabriken und der Schiffahrt, wie traft sie gewesen ist, sich nicht irre machen zu lassen.

1.17 Soll England jedoch daran glauben, daß e- der ernste Wille deS Zollvereins sei, rin anderes System zu verfolgen, soll England einsehen, daß es in seinem Interesse liege, bei einem neuen Vertrage billigere Rücksichten eintreten zu lassen: so ist dieS nur zu hoffen, wenn die ZollvereinSstaaten vor dem SO. Juni durch einen gemeinschaftlichen Beschluß sich für Dif­ ferentialzölle und dahin erklären, daß der jetzt bestehende Ein« gangSzoll auf Colonialwaaren bei direkter Einfuhr au- den Erzeugung-ländern eine näher zu bestimmende bedeutende Er« niedrigung erfahren solle. ES ist nothwendig, daß ein solcher Beschluß der Kündi­ gung deS englischen Vertrage- vorangehe, damit England sich überzeuge: die Bestimmungen de- Vertrage- von 1841, durch welchen eö ein Recht hat, den Zucker und den Reis gleich den begünstigtsten Nationen in alle Verein-staaten einzuführen, seien nicht mehr möglich aufrecht zu erhalten. Um sich jedoch die Gelegenheit offen zu lassen, sowohl England als anderen Staaten etwanige Gegenbegünstigungen anbieten zu können, so würde bei dem Erlaß eine- Beschlnffeder Verein-staaten wegen der Differentialzölle der Zollverein sich die näheren Bestimmungen vorbehalten müssen, auf wel­ chen Schiffen und unter welchen Bedingungen die Einfuhr der Produkte, denen ein Zollerlaß zu Gute kommen soll, er­ folgen dürfe. Es läßt sich hier die Frage erheben: wenn von Seiten de- Zollvereins eine solche Aufkündigung erfolgte und England

138 sich nicht geneigt zeigte, auf einen günstigeren Handelsvertrag einzugehen, sondern erklärte, die früheren Bestimmungen der RavigationSacte festhalten zu wollen — ob hieraus nicht eine solche Störung in den jetzigen Handelsbeziehungen hervorge­ rufen werden würde, daß der dadurch entstehende Verlust die Vortheile überwöge. Wir müssen, ehe wir zur Beantwortung dieser Frage übergehen, bevorworten, daß wir keinem Staats­ manne zutrauen werden, sie zu thun, daß wir sie vielmehr nur zur Beruhigung der schwächeren Seelen aufgeworfen ha­ ben, denn wir richten oft auch an diese unsere Worte. Also zur Beruhigung der Schwächern wollen wir diesen beweisen, daß solche Befürchtungen unnütz sind.; beiher werden wir auch noch Gelegenheit finden einiges zur Devorwortung der Nothwendigkeit anzuführen, eine Nationalflagge aufzupflan­ zen und unS ron dem übermäßigen Tribut frei zu machen, dem wir jetzt allenthalben unterliegen. Man behauptet, die Handlungen der einzelnen Menschen und die der Regierungen wären nicht zu berechnen, und be­ ruft sich auf die Erfahrungen, die davon viele Beispiele auf­ weisen.

ES ist richtig, daß es Falle giebt, wo die Menschen

und selbst die Regierungen, aus Nnkenntniß der Verhältnisse oder weil sie ein unrichtiges System verfolgen, bald nach der einen, bald nach der andern Seite hinschwanken, wo sie mit­ hin nie im Voraus zu tariren sind; allein die Engländer wis­ sen immer, was sie wollen und waö ihnen nützlich ist, und

139 ihre freie Verfassung macht es dort der Regierung unmöglich, den Interessen des Landes entgegen zu handeln. Ein Selbst­ herrscher aller Reußen kann befehlen, was ihm gut dünkt; di« Minister der englischen Krone dürfen eö nicht wagen, durch Eigensinn die Wohlfahrt des Landes zu bedrohen. — Wie be­ deutend aber England bei dem Handelsverkehr mit Deutsch­ land betheiligt ist, zeigt die Einfuhrliste von England, die im Jahre 1836 theils direct, theils indirekt über Belgien und andere Lander 49 Millionen Thaler betrug, und im Jahre 1842 bis 63 Millionen gestiegen war (auch Dr. Bowring berechnet sie im Jahre 1836 auf 56 bis 63 Millionen). Einen so bedeutenden Absatz, welcher als der sechste Theil der gesummten Aus fuhr bezeichnet wird, giebt England nicht leichtsinnig auf.

Daß England in dieser Be­

ziehung übrigens nachgiebig ist, können wir durch schlagende Beweise belegen, und daher hoffe», daß eS sich ebenso auch gegen unö beweisen werde.

AlS früher die Handelsbilance

von Rordameriea in seinen Verhältnissen zu England sich so überaus nachtheilig für ersteres stellte, erschien die nordamerinische Schiffahrtsacte und späterhin der hohe Zolltarif. Welche Veränderungen haben seitdem in den Ausfuhrverhaltniffen stattgefunden? Die nachfolgende, dem Hvskenschen Werke ent­ nommene Uebersicht beantwortet diese Frage, und weiset zu­ gleich nach, in welchem Grade die Ausfuhr Englands nach Westen ab- und nach Osten zugenommen habe.

140 l»3f> Rord-Europa.

.

.

1M2

9,999,861 Pf. St. 14,326,797 Pf. St. 9,011,205 -

-

11,294,388 -

.

Africa...................

1,468,062 -

-

1,615,530 -

-

Asien....................

6,750,842 -

-

11,273,721 -

,

Bereinigte Staaten . 12,425,695 -

-

7,938,079 -

-

EolonieninWestindien 6,518,744 -

-

5,522,338 -

.

1,238,785 -

-

1,173,931 -

,

5,955,468 -

--

5,439,502 -

Süd-Europa.

.

.

Brittisch Nordamerica, Fremdes Westindien . Central-, Süd-Ame­ rica, Brasilien

.

.

Den sprechendsten Beweis, wie England zur Erkenntniß gekommen ist, daß die Aufrcchthaltung seineö früheren Prohi­ bitivsystems nicht länger durchzuführen sei, und wie eS in seinem eigenen Interesse liege, sich wieder einem freieren Handelsverkehr mit den übrigen Nationen zuzuwenden, liefert seine neueste Zollgesetzgebung; eS wird ans denselben Grün­ den dann auch in Hinsicht seiner Schiffahrtsacte nicht bei dem jetzigen Snstem verharren können*).

Inzwischen dürfte

eS sich dazu nöthigen lassen, und wenn wir eS unterlassen, wird eS nnS wie bisher beschützen und wo möglich noch ge­ ringer schätzen, als es leider schon jetzt geschieht. Durch das eben Angeführte glauben wir die Meinung *) Die in diesem Augenblick über diesen Gegenstand im eng­ lischen Parlament gepflogenen Berathungen liefet» uns bereits einen Beweis dafür.

141 beseitigt zu haben, daß England, wenn wir den Vertrag von 1841 aufkündige», deshalb den Verkehr mit dem Zollverein ganz abbrechen werde; es bedarf unser mindestens ebenso nö­ thig, wie wir seiner, ja alle Concessionen, die wir den ver­ schiedenen vorhin erwähnten Verträgen mit England danken, sind unö mir bewilliget, weil Englands Interesse eS erheischte. AIS unzweifelhaft steht eS dagegen fest, daß durch Anknüpfung von direkten SchiffahrtS- und Handelsverbindungen mit den Tropenlandem sich zuerst die Schiffahrt und mit dieser der Handel und die Industrie in Teutschland sehr kräftig entwikkeln werde; eS bleibt sogar sehr wahrscheinlich, daß wenn England dabei aus der eine» Seite verlieren sollte, eS diesen Verlust auf einer anderen Seite wieder einholen werde: denn die Erfahrung beweiset, daß in den Jahren, wo England große Massen Getreide aus Dentschland bezog, eS dort auch einen weit größeren Markt für seine Waaren fand. Die Ursache dieser Erscheinung liegt nicht fern.

Der

Teutsche ist noch zu arm, um seine Bedürfnisse genügend be­ friedigen zu können; sowie sich aber seine Einnahmen vermeh­ ren, so verwendet er sie gleich wieder zur Befriedigung jener Bedürfnisse. ES wird zuweilen die Ansicht aufgestellt, durch Differen­ tialzölle möchte wohl die Fabrication im Allgemeinen gewinnen, aber nicht die der Grundbesitzer; eö sei im Gegentheil zu be­ sorgen, daß selbst einzelne Zweige der ländlichen Fabrication

142 darunter leiden könnten, namentlich die so mächtig auskeimende Runkelrübenzuckergcwinnung (’). Diese Ansichten sind durchweg grundlos.

Wenden wir

den Blick auf England, so seben wir. wie verderblich jede Störung des auswärtigen Verkehrs gleich auf die inneren Verhältnisse einwirkt, und umgekehrt, wie belebend günstige HandelSconjuncturen. In Preußen wird die Besserung unserer SchiffahrtS- und HandelSverhältnisse einen noch weit größeren Effect aus den Ackerbau haben als dort.

Wir berühren hier­

mit einen Gegenstand, der zu wichtig und entscheidend ist, um unS nicht einen Augenblick bei demselben aufzuhalten. Einer von den großen Krebsschäden England-, und zwar ein unverbesserlicher, besteht iit dem Mißverhältniß der produrirenden Kräfte deö Landes gegen die, welche seine Industrie entwickelt.

In einem Lande, wo das Verhältniß der Bevöl­

kerung zur Production und Fabrikation ein normale- ist, d. h. dessen Bewohner sich zu den am glücklichstgestellten zählen und sich eine- gesicherten Wohlstandes erfreuen sollen — kommt eS nicht allein auf die Dichtigkeit der Bevölkerung (wie die nationalöconomistischen Phantasten fordern), sondern darauf an, daß so viele, aber wo möglich nicht mehr und nicht weniger Menschen im Lande leben, als sich in diesem reichlich ernäh­ ren können. Ein solcher Zustand wird aber zunächst da eintreten, wo ein gerechte- Verhältniß zwischen der ländlichen und städtischen Be­ völkerung, zwischen Production, Handel »md Fabrikation besteht.

143 In England ist die- Verhältniß bedeutend gestört.

In

England giebt eS zu wenig kleine Grundbesitzer, und durch die Farmer werden diese mir unvollständig ersetzt. Statt kaß in einem glücklich gestellten Staat die länd­ liche Bevölkerung ihre Ueberschüsse (gesunde, kräftige Menschen) den Städten zusendet, hat in England die Industrie eine so starke Bevölkerung an sich gezogen, daß diese sich selbst multiplicirt und dem Lande daran- eine schwächliche, verderbte, lä­ stige Uebcrvölkerung erwächst, die dahin treibt, immer mehr zu fabriciren — und die- bis in- Unendliche fort. Ein solcher Zu­ stand muß um so mehr als ein Krebsschaden betrachtet wer­ den, je weniger der Grund und Boden Englands im Stande sein wird, dieser Bevölkerung die Nahrungsmittel zu verschaf­ fen: England ist daher in dieser Beziehung von dem Ausland« abhängig und der Gefahr ausgesetzt, bei immer steigender Be­ völkerung einer ähnlichen Catastrophe ausgesetzt zu werden, wie gegenwärtig Irland. Ein diesem ganz entgegengesetzte- Verhältniß findet in dem bei weitem größten Theile der preußischen Monarchie statt. Hier sind die productiven Kräfte des Lande- so überwiegend, daß die industrielle Kraft dagegen ganz in den Hintergrund tritt; mithin ist ei im Interesse des Landbaues von der höch­ sten Wichtigkeit, daß diese gehoben, die Konsumtion gesteigert, und so eine Annäherung an da- normale Verhältniß herbei­ geführt werde.

Aus diesen Gründen wird e- auch für den

Ackerbau ein dringende- Bedürfniß, daß durch eine Schiffahrt-«

144 (Ute der Handel und durch diesen die Industrie gehoben werde: woraus dann weiter folgt, daß Differentialzölle nicht allein wünschenswerth, sondern nothwendig sind, daß mithin die Zoll­ vereinsregierungen, so viele deren sind, unverantwortlich han­ deln würden, wenn sie sich weigern sollten, sie einzuführen. Sowohl bei der Besprechung unserer Schiffahrt-- und Handelsbeziehungen zu Holland, Belgien, Franfrei'ch, als zu England und anderen Ländern, haben wir uns daraus be­ franst, die wesentlichsten Punkte hervorzuheben, und sind nur insofern auf daS Einzelne eingegangen, als es nöthig war, um den Leser von der Richtigkeit der gemachten Angaben zu überzeugen. Inzwischen geben wir gern zu, daß eine weitere bis ins Einzelne gehende Entwickelung der jetzt bestehenden HandelSverhältniffe zwischen uns und andern Ländern nöthig sei, um sich eine vollständigere Anschauung deS Ganzen zu verschaffen; die Rücksicht jedoch, daß eS entschieden der allgemeinen Ueber­ sicht schaden würde, wenn wir durch Auszählung von Einzel­ heiten den Leser abgezogen hätten, hat unS bestimmt, am Schluffe diese- Abschnitts noch erläuternde Zusätze folgen zu lassen. Nachdem wir nun im Verlauf dieser Schrift die günsti­ gen Aussichten geschildert haben, welche sich den Grundbesitzern eröffnen, insofern von Seiten der Regierung die Hindernisse seines künftigen Flors beseitiget werden — wohin vor Allem die Sicherung des Realkredits und die Förderung des Geld-

145 und Kapital-Umlaufs zu rechnen sind, desgleichen die Anlegung von Producten-Straßen und von CommunicationSmitteln über­ haupt, — nachdem wir ferner darauf aufmerksam gemacht ha­ ben, wie Ackerbau, Handel und Gewerbe auf das Innigste verbunden sind, welche Hemmungen der gewerblichen Entwikkelung, sowie dem Handel und der Schiffahrt entgegenstehen, und waS zu thun fei, um de» allgemeinen Wohlstand zu för­ dern, auch in dieser Beziehung bestimmte Vorschläge gemacht haben: so bleibt uns noch übrig, den Blick auf die eigenthüm­ lichen Verhältnisse zu werfen, welche sich dadurch herausstellen, daß die Staaten und freien Städte, welche die Küsten der Nordsee bewohnen und über die Mündung der Elbe und We­ ser zu gebieten haben, bis jetzt dem Zollverein nicht beigetrrten sind, wodurch sie des Hinterlandes, dieses dagegen der zum Welthandel nöthigen Verbindung mit dem Meere entbehren. Wie wichtig, wie nothwendig aber bei so bewandten Umstän­ den eine Vereinigung sei, wird Niemand verkennen können, der die Verhältnisse kennt. Weder eine hohe gewerbliche Ent­ wickelung, noch die Entfaltung einer zahlreichen deutschen HanvelSmarine, und ebenso wenig ein politisches Gewicht Deutsch­ lands den andern Ländern gegenüber ist zu hoffen, bevor der Zollverein nicht die Ufer der Nordsee erreicht haben wird. Wenn letzteres aber der Fall ist, werden um so günstigere Handelsverträge mit England, Holland, Frankreich und an­ dern Ländern zu erwarten stehen. Die Gründe, weshalb wahrscheinlich diese Mächte und 10

146 freien Städte sich bisher zurückgezogen haben, sind schon oben entwickelt und gezeigt, wie mit Bestimmtheit anzunehmen sei, daß ihr Anschluß erfolgen werde, sobald der Zollverein sich entschließen sollte, durcb Aenderung seiner gegenwärtigen Or­ ganisation, durch Annahme eines festen Princips und durch Einführung voi» Differentialzöllen der so heruntergekommenen Schiffahrt und allen producirendcn

nisten ein weites Feld

deö Wirkens zu sichern. Es drängt sich aber dabei die wich­ tige Frage auf: giebt cs eine Bürgschaft, daß Hannover, Ol­ denburg und die Hansestädte beitreten werden, und stehen dem Zollverein Mittel zu Gebote, sie dazll ;u bestimmen? und wenn der Beitritt nicht erfolgen sollte, wird bann die Einführung von Differentialzöllen nicht vielleicht aus die eine oder andere Weise Berlegenhcitcn für dieVereinsstaaten herbeiführen können? Wenn es einen Fingerzeig giebt, um nach diesem die künftigen Handlungen Anderer zu berechnen, so kann dieser nur in der Abwägung liegen, wohin die im eigenen Interesse getrieben werden, welches in der Regel mächtig genug ist, um, wenn es gilt, selbst alle Vorurtheile zu besiegen.

Wie sehr

aber alle Theil« dabei gewinnen, wenn Deutschland vereint seine großen Gesammt - Interessen dem AuSlande gegenüber wahrzunehmen im Stande sein wird, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung; dagegen ist nöthig, einigermaaßen die Stimmung zu kennen, die über den Anschluß sich in den bisher vom Vereine getrennten Ländern und Städten kundge­ geben hat.

147 Beginnen wir von Osten her die Musterung, so scheinen die Großherzoge von Mecklenburg selbst nicht abgeneigt, wohl aber di« mecklenburgischen Stände, die vermöge ihrer Verfas­ sung eine Zustimmungsbefugniß haben. Bei der Weigerung, die von dieser Seite erhoben wird, liegt etwas im Hinter­ gründe, was schwer zu beseitigen sein wird. In Mecklenburg bestehen keine andere Stenern als die Grundsteuern, welche die Ritterschaft und Städte den Herzogen auf den jährlich abzuhaltenden Landtagen bewilligen. In diesem Steuerbewil­ ligungsrecht liegt der Grund, daß die Großherzoge Rücksicht auf die Wünsche der Stände nehmen müssen. Run fürchten letztere aber, daß wenn der Staatshaushalt aus den vielen Domainen der Großherzoge und den Grenzzöllen gedeckt wer­ den sollte, ihr Einfluß mindestens sehr geschwächt, wo nicht ganz vernichtet werden würde; diese Besorgniß scheint um so begründeter, da nach der bisherigen Verfassung die Herzoge nicht verpflichtet sind, den Ständen die Etats vorzulegen und die Verwendung der Staatseinnahme einer ständischen Controlle unterziehen zu lassen. Da nun wiederum die Landesherren schwerlich geneigt sein möchten, den Ständen neue Rechte ein­ zuräumen, so werden sich dem Anschluß von Mecklenburg we­ sentliche Hindernisse entgegenstellen. Zum Glück ist dieser An­ schluß aber von geringer Wichtigkeit. Was Lübeck betrifft, so ist dessen Beitritt von ganz ge­ ringem Belange, obgleich diese alte Hansestadt sich wahrschein10

*

148 lich gern für einen solchen erklären würde, wenn Mecklenburg und Holstein sich dazu entschließen sollten. Ueber die handelspolitische, selbst politische Wichtigkeit des Beitritts Holsteins kann kein Zweifel bestehen; indessen möchte von Seiten Dänemarks schwerlich eine günstige Stimmung zu erwarten sein.

Zwar wild man es wahrscheinlich in Kopen­

hagen ausgegeben haben, Holstein dänisiren zu wollen, allein das orthodore Dänenthum wird sich gegen jere nähere Ver­ bindung Holsteins mit Deutschland erklären, und Holsteins Gegner jede materielle Verbesserung diesem mißgönnen.

In­

wiefern anzunehmen sei» möchte, daß der Einfluß, der aus den Monarchen Dänemarks eingewirkt und dem höchst milden Herrn dadurch so große Verlegenheiten bereitet hat, für die Folge aufhören werde, ist schwer zri entscheiden; jedenfalls sollte Dänemark aber bedenken, daß eS zu ohnmächtig sei, um selbstständig dastehen zu können, und daß es durch den innern Zwist immer ohnmächtiger werden muß. Dänemark hat sich von jeher durch die Verfolgung einer verkehrten Politik zu Grunde gerichtet. Ter Anschluß an Na­ poleon kostete ihm ein Königreich und eine Flotte, den An­ schluß an Rußland oder den in Rede gebrachten scandinavischen Bund würde eö mit seiner Selbstständigkeit bezahlen; nur in dem ausricbtigen Anschluß an Deutschland liegt für die Zukunft die Bürgschaft seiner gestchcrten Eristrnz.

Aber

die Dänen, zu unbedeutend, um ehrgeizig werden zu können, suchen Ersatz in einer maaßlosen Eitelkeit.

149 Wersen wir den Blick aus die Hansestädte, und forschen hier der Stimmung narb, die sich in Bezug auf ihre Stellung zum Zollverein kund giebt, so werden wir keinen Augenblick in Zweifel gelassen, wie lebhaft dort das Bedürfniß nach einem engen Anschluß an den großen deutschen Zollverein empfunden werde — vorausgesetzt jedoch, daß derselbe sich entschließe, eine kräftige nationale deutsche Handelspolitik in Zukunft zu befol­ gen.

E- ist im vergangenen Jahre in den Hansestädten eine

Commission zusammengetreten, welche die Stellung dieser klei­ nen freien Republiken zu der handelspolitischen Ausgabe des großen deutschen GesammtvaterlandeS in Erwägung zu ziehen zum Zweck hatte. Dieselbe hat eben jetzt ihre Arbeit vollendet und die Resultate derselben vor wenigen Tagen auch durch den Druck veröffentlicht. Ein ziemlich starker Band unter dem Titel: „die Aufgabe der Hansestädte gegenüber dem deutschen Zollverein, sowie in Bezug auf eine gemeinsame deutsche Han­ delspolitik.

CommissionSbericht an die vaterstädtische Sektion

der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe. Hamburg, bei Perthes, Besser und Mauke.

1847" legt uns dieselbe klar vor Augen.

ES kann

uns nichts envünschtcr kommen, als diese Arbeit, die einen klaren Einblick in die Stimmung der Hansestädte in Bezug aus den Zollverein, sowie in das gewährt, was von denselben gefordert wird, damit sie Theil nehmen können an der Ver­ folgung der gemeinsamen deutschen handelspolitischen Zwecke, und wie sie dies ohne Gefährdung ihrer eigenen Interessen

150 gern zu thun bereit seien.

Wir wollen deshalb für die Re-

sultate dieser Berathungen die Aufmerksamkeit unserer Leser etwas ausführlicher in Anspruch nehmen, und denselben, um hier den Zusammenhang der gegebenen Uebersicht nicht zu lange zu unterbrechen, einen Auszug aus dem oben genann­ ten Buche unter den erläuternden Noten &ub No. 8. liefern. Tie wichtigste von allen Stimmen ist und bleibt die des Königs von Hannover; da sich derselbe jedoch schon früher zum Beitritt geneigt zeigte und die Verhandlungen sich nur wegen der Ungeschicklichkeit, mit welcher sie von Seiten der Zollvereinsstaaten geführt wurden, zerschlugen, da ferner die Bedingungen, welche hier als Grundlagen vorausgesetzt wer­ den, unendlich viel günstiger sind, als die früheren waren, da endlich Hannover von einer solchen Bereinigung den größten Vortheil ziehen würde, mithin die Zustimmung der Stände un­ zweifelhaft scheint, und jedenfalls die früher von hannöverscher Seite geäußerten Bedenken zu beseitigen sind, da endlich der König gewiß die doppelte politische Wichtigkeit einer innigen Verbindung sämmtlicher deutschen Fürsten nicht verkennen wird — so ist der Beitritt von Hannover wohl kaum zu bezweifeln. Am bereitwilligsten von allen scheint Bremen zum An­ schluß an den Zollverein zu sein; der kluge spekulative Geist der Bremer hat längst erkannt, welche wichtige Rolle ihm zu Theil werden wird, wenn eS der Stapelplatz für das tief« hin­ ter ihm liegende Binnenland werden sollte, und welche Aus­ sicht sich seiner jetzt schon bedeutenden Handelsmarine öffnet,

151 sobald die, eS von den westlichen und innern Provinzen Deutsch­ lands trennenden, Barrieren gesprengt sein werden.

Nebst

Hamburg ist auch unstreitig Bremen am meisten darauf vor­ bereitet, wenn sich ein dirccter Schiffahrtsverkehr mit den trans­ atlantischen Staaten anknüpfen sollte, diesen lebhaft zu betrei­ ben.

Die Zahl, der Bau. die Größe seiner Schiffe, die Er­

fahrung seiner Seeleute befähigen eS dazu. Zu all' diesem tritt noch der Umstand, daß so ausgezeichnete Bürger Bremen-, wie der SyndicuS und Bürgermeister Schmied und Senator Dunekwitz, an der Spitze der Geschäfte stehen: Männer, die sich durch ihre Verdienste das Vertrauen der Stadt erworben habe»» und mit Umsicht und kluger Berechnung die Geschäfte auch ferner leiten und die Zeitverhältnisse benutzen werden. Was endlich Oldenburg anbelangt, so wird es sich un­ zweifelhaft an Hannover anschließen und keine getrennte Po­ litik verfolgen. Es bleibt jetzt noch die Frage zu beantworten, inwiefern dem Zollverein für den unerwarteten Fall, daß Hannover, Bremen nnd Hamburg nicht bcitreten sollten, Mittel zu Ge­ bote stehen, sie dazu jh bestimme», und welche Folgen eS haben könnte, wenn sich diese unwirksam erwiesen- Daß diese Mittel nicht in der Gewalt des Stärkeren, noch der Ueberredung, sondern allein in der Gefährdung ihrer Znteressrn, so weit diese gesetzlich zulässig sind, gesucht werden können, bevarf keiner weiteren Erörterung, und eS ist dies auch schon oben ausdrücklich bevorwortel.

152 Bei tem jetzigen Stande te# Handels Tauft ein große» Theil ter Zollvereinsstaaten feinen Bedarf an Zucker, Kaffee, Reis, Taback und roher Baumwolle in Hamburg und Bre­ men.

Gefetzt es erfolgte nun von Seiten des Zollvereins die

Bestimmung, daß bei Einfuhr dieser und anderer Colonialwaaren aus den Erzeugungsländern eine Verminderung des Einfuhrzolles von 20 pEt. gewählt werden solle, insofern diese ans Schiffen der Erzeugungsländer oder des Zollvereins eingeführt würden: so verlören namentlich Hamburg und Bre­ men zum großen Theil diesen wiehtigeir Zweig ihres Handels. Mein die sie treffenden Nachtheile würde» sich triebt hierauf beschränken, sondern sich auch auf die Frachtgelder, welche ihre Schiffe dabei verdierrerr, erstrecken, und ihrem Verkehr dann ütertem die Ausfuhr der Fabricate deS Zoll­ vereins nach den transatlantischen Ländern entzogen werden. Freilich wäre trotz der Prämien, die der Zoll gewährte, der Ilmweg, den dann der Handel dadurch in Teutfcblaiw zu irehmerr gezwungen würde, mit bedeutender Verminderung des Nutzens verbuirdeii.

Allein es scheint unmöglich, daß der

eigene Vortheil nicht den einen oder den anderen dieser Seeplätze bestimme» sollte, sich zum Anschluß an den Zollverein bereit zu erklären, wenn nicht Hamburg oder Hannover, so doch jedenfalls Bremen: hierdurch würde dann auch der An­ schluß aller übrigen Plätze bedingt werden, wenn sie sich nicht von jenen überflügeln lassen wollen. Während England jetzt den größten Theil der Fracht

153 frei fr er Verschiffung jener Erzeugnisse frer Tropenlänfrer nach Deutschland vctfrietU, würde diese fronn fren Zollverein-schiffen zu Gute kommen; und wäre eS möglich, daß alle diese Rück­ sichten Bremen nicht zum Beitritt frestimmten, so würde höchst­ wahrscheinlich Stettin der Erbe deS bedeutenden TabackShandels werden, frer jetzt liebst der Tafrack-fafrrication für jene Stadt ein sehr einträgliche- Geschäft geworden ist. Vorhin ward behauptet, daß die Rheinprovinzen den Hasen von Antwerpen als Freihafen benutzen könnten.

ES

bestehen jetzt schon Bestiinmungen hierüber in dem Vertrage mit Belgien, inzwischen sind sie nicht ausreichend.

Ter Ver­

trag ist theils nur aus wenige Jahre geschlossen, und anderntheilS würde, wenn Antwerpen der Lagerung-platz frer nach frein Westen und einem Theile des Südens von Deutschland bestimmten Eolonialwaaren werden sollte, fr er Besitz von wohlverschlossenen Magazinen nöthig fei». Die- setzte denn freilich erweiternde Bestimmungen des Vertrage- mit Belgien voraus. Da es jedoch in dessen eigenem Interesse liegt, einen so be­ deutenden Waarenzug nach Antwerpen zu ziehen und sich in Besitz der Vortheile de- bedeutenden Transports zu setzen, so kann wohl mit Bestimmtheit angenommen werden, daß Bel­ gien dem Zollverein mit Bereitwilligkeit entgegenkommen und diejenigen Zugeständnisse machen werde, welche in der Sache liegen. Um die Geduld der Leser nicht zu ermüden, verlassen wir freit eben besprochenen Gegenstand, und glauben Gründe

154 genug angeführt zu haben, um die Besorgnisse zu verscheuchen, daß es dem Zollverein nicht gelingen sollte, die Küste der Nordsee und die Mündung der beiden Ströme Elbe unv Weser zu gewinnen, wenn man die rechten Mittel zum Zwecke ergreift. So wenig daran zu zweifeln ist, daß sämmt­ liche Fürsten deS Zollvereins es nur wünschen können, den Wohlstand ihrer Unterthanen zu fördern, mit daß sie daher den Maaßregeln, die dahin führen könne», und unter denen die Kündigung des englischen Vertrages obenansteht, ihre Zu­ stimmung geben werden: so ist doch schon früher erwähnt, daß für den unerwarteten Fall des Nichtbeitritts der Nordseestaaten Preußen es in seiner Hand habe, Bestimmungen durchzusetzen, welche den Zweck haben, den Handel und die Schiffahrt von ihren jetzigen Feffeln zu befreien und den Zollverband über ganz Deutschland (Oesterreich ausgenommen) bis an die Küsten der Nordsee zu führen. Die Anforderungen, die deshalb ergehen, sind dringend, ja gebieterisch. Der Ackerbau, diese erste Quelle des NationalwohlstandeS, bedarf zahlungsfähiger Consumenten und eiltet Industrie, die seine Produkte verarbeitet.

Die Gewerbe und

die Millionen, die sie betreiben, sorgen für die Annehmlich leiten des Leben-, und unter der schützenden Hand einer vor sorglichen Regierung schaffen sie Reichthümer, die die Mach deS Staat- erhöhen und seine Einkünfte vermehren.

Tei

Handel und die Schiffahrt sind die nothwendigen Vermittle' beider unter sieb und dieser mit den übrigen Völkern de'

155 Erde. Alle vier eben bezeichnete Klassen sind producirend, sind Glieder eines Körpers; von ihrer Lebensfähigkeit hangt die Gesundheit des Ganzen ab. Diese Lebensfähigkeit fehlt ihnen gegenwärtig aber mehr oder weniger, und e- ist Sache der Regierung. Ihnen diese zurückzugeben. So groß jedoch die Anforderungen sind, die an Preußen ergehen, durch zweck­ mäßige und sicher zum Ziele führende Maaßregeln den im Sinken begriffenen Fabriken, die die Baumwolle, den Flach-, rir Wolle verarbeiten, wieder empor zu helfen, die durch so viele ungünstige Verträge mit andern Ländern gesunkene Rhederei der alten Stammprovinzen Pommern und Preußen wie­ der zu heben, die Unterthanen von dem Tribut zu befreien, den unS Dänemark, Holland und England auferlegt haben; so wichtig eS für die StaatSsinanzen ist, den Wohlstand de» Landes zu fördern: so, wir gestehen eS offen, fürchten wir doch, daß von Seiten der preußischen Verwaisung den wich­ tigsten Lande-interrssen Gefahr drohe, wenn das bisherige han­ delspolitische System nicht verändert werden sollte. Wenn wir untersuchen, woher eS komme, daß mit Bezug auf die Handels- unk gewerblichen Verl)äl>nisse so Manchegeschehen ist und fortwährend geschieht, was dem Lande so wesentliche Nachtheile gebracht hat, so liegt eS in den bisher verfolgten Principien. Wie ist eS möglich, daß sich Ansichten noch immer Gel­ tung verschaffen, über welche Theorie und Erfahrung längst ken Stab gebrochen.

156 Die Erscheinung, daß eS in der Verwaltung nocb einige Beamte (deren frühere Verdienste wir nicht verkleinern wollen) giebt, die sich hinter dem grünen Tisch mit ihren veralteten Ansichten verknöchert haben und die verlangen, daß, um sich eines Beispiels zu bedienen, der noch in der Tradition lebende große Postwagen des Herrn von Segebart beibehalten werden solle — erklärt dies keineswegcS.

Denn man fragt, wie ist

es möglich, daß einigen Beamten ein solcher Einfluß bleibt, und daß dieser durch die Stimme des ganzen Landes nicht ausgewogen werde. Diese Erscheinung ist um so rmerklärlicher, da dem Mo­ narchen allein die Entscheidung zusteht, und derselbe in seiner wohlwollenden Absicht durch die Errichtung eines eigenen Han­ delsamtes eine technische Behörde eingesetzt hat, um die Prin­ cipien und die Maaßnehmungen der Verwaltung zu controlliren?

Prüft man genau, welches demnach denn der Grund

sein könne, so findet man diesen in dem Umstand, daß die ganze Verwaltung dieser Partie eine solche Organisation be­ kommen hat, daß sie weder gehörig vertreten werden kann, noch de» Monarchen in die Lage versetzt, mit voller Ueberzeu­ gung eine Entscheidung zu treffen. Wie richtig diese Ansicht ist, bestätigt die llnwirksamkeit dcS Handelsamtes, obgleich dasselbe aus der Idee des Königs selbst hervorgegangen ist, und obgleich die von ihm vertheivigten Prinzipien, namentlich wegen Einführung von Differen­ tialzöllen, unstreitig die einzig richtigen sind.

157 Schon im Jahre 1841 und auch noch in späteren Schrif­ ten haben wir aus die Nothwendigkeit der Errichtung einebesonderen Ministeriums für Handel, Ackerbau und Gewerbe aufmerksam gemacht und bewiesen, wie darin, daß diese wich­ tigen Partien zerrissen und nur nebenbei verwaltet werden, der Grund des Mangels derjenigen Pflege liege, ohne welche jene nicht gedeihen können.

Erst wenn diese Partie einem

besonderen Minister anvertraut sein wird, der Sitz und Stimme im StaatSministerio hat, und bei wichtigen Fällen sich eines unmittelbaren Vortrags erfreut, ist Aussicht, daß der Wohl­ stand des preußischen Volkes eine mehr gesicherte Unterlage erhalte. Der Ackerbau, die Gewerbe und der Handel sind so in­ nig mit einander verwebt, daß jede Maaßregel, die den einen Theil trifft, die anderen mit berührt.

Die eben envähnten

drei großen Hebel des Nationalreichthums sind eS, die die Mittel schaffen, daS Heer zu unterhalten, die Kosten des Staatshaushalte- -u tragen; sie sind es, die dem Staate eine Bnitto-Einnahme von gegen 80 Millionen jährlich überwei­ sen, und sie erfreuen sich nicht einmal einer eigenen Vertrrtung.

Während in allen größeren Reichen, die sich irgend

einer staatswirthschastlichen Entwickelung erfreuen, stets ein Handelsminister in den Etats ausgeführt steht, hat Preußen unter eilf Ministern keinen einzigen für diejenige Partie, die alle andern Ministerien unterhält. Die Partie für Handel und Gewerbe bildet jetzt eine

168 Abtheilung de- Finanzministeriums, dem man diese gleichsam als Ersatz dafür zugetheilt hat, daß ihm der wichtigste Theil seine- Departements, daS Staatsschuldenwesen und die ©eit; Institute, genommen sind. Der Finanzminister ist dadurch dem Wesen nach nur General-Steuereinnehmer geblieben; und in­ dem man ihm die Abtheilung für Handel und Gewerbe zu­ getheilt hat, und er als Ehef derselben den bedeutendsten Ein­ fluß auf die Zollconferenz übt, so ist eS natürlich, daß er zuerst und vor Allem sich für die Vermehrung der Einnahmen bei den Zöllen interessirt, und den Flor deS Handels und der Gewerbe wohl als Nebensache betrachten kann. Allein dies ist nicht der einzige Uebelstand, der hieraus entspringt.

Der Handelsminister muß mit den Handels- und

Schiffahrtsverhältnissen und dem ganzen inneren Leben dieses großen Bienenkorbes, den wir Staat nennen, vertraut sein ; er muß zugleich, wenn er seinem Amte gewachsen sein will, di« Handels- und Gewerbsverhältnisse aller andern Staaten kennen. Wie ist eS zu verlangen, daß ein Finanzminister diese Kenntniß mitbringen solle; und selbst wenn er auch einen Anstug davon hätte, so erlauben ihm schon die überhäuften Geschäfte seines Hauptdepartements gar nicht, sich in laufen­ der Kenntniß der Entwickelung zu erhalten, welche Handel und Gewerbe erfahren müssen, wenn sie nicht in der Zeit zu­ rückbleiben wollen. Welches ist die nothwendige Folge hiervon?

Daß der

159 Minister sich nur auf seine Räthe verlassen kann.

So über­

trägt sich öfter die einseitige Anficht de- Rathe-, der sich außerhalb der Hähern Uebersicht befindet, auf den Minister, und gelangt so vor den König, ohne daß beide in der Lage sich befinden, über die Ricbtigkeit de- Princip- und der dar« auf gebarUen Schlußfolge» zu urtheilen. Daß eine solche Organisation der Behörden nothwendig zu Resultaten führen müsse, die die Interessen de- Lande- ver­ letzen, liegt klar vor; und wenn auch, wie e- in neuerer Zeit der Fall gewesen ist, Männer von Fach gehört werden, und der Präsident des Handel-amte- auch eine berathende Stimme erhalten hat, so bleibt diese ohne Erfolg, so lange dir Ver­ waltung nicht ander- organisirt wird. Sollen daher die lande-väierlichen Abfichten de- König-, ren Wohlstand seiner Unterthanen zu fördern; sollen die Wün­ sche dcö Volks, den Lohn ihrer Thätigkeit und Geschicklichkeit zu empfangen, in Erfüllung gehen: so ist die Errichtung einebesonderen Ministerium- für diese Partie als Vorbedingung anzusehen. Ebenso nöthig ist es aber, da- bisherige Schaukelfystem aufzugeben und sich statt dessen zu einem festen Princip zu bekennen und e- auch durchzuführen. Wettn wir vorhin die Besorgniß au-gesprochen haben, daß von preußischer Seite trotz aller dringenden Aufforderun­ gen, die vorliegen, der Einführung von einer Rationalschiffahrt--

160 acte und von Differentialzöllen Hindernisse gelegt werden könn­ ten: so sind diese nicht unbegründet; inzwischen wollen wir denen, von welchen diese ausgehen können, zu bedenken geben, welche Verantwortung sie dadurch aus sich laden würden. UebrigenS hat die Sache auch eine äußere und innen1 poli­ tische Bedeutung. Durch die Annahme von Differentialzöllen wird der Beitritt der Mehrzahl der setzt vom Zollverein ge­ trennten Theile Deutschlands bewirkt und unstreitig durch die innere Einheit die Macht nach Außen verstärkt werden. Einen günstigen Eindruck wird cs ferner auf die Meinung des Aus­ landes machen, wenn die preußische Regierung wieder einen Beweis giebt, daß eine gewisse Lebenskraft noch in ihr wohne, und daß mit den Krakauer Verhandlungen der Wendepunkt eingetreten sei, sich nicht mehr in ihren nationalen Interessen übervortheilen zu lassen. Noch wichtiger erscheinen die inneren politischen Rück­ sichten. Ein altes Sprüchwort sagt: ein voller Magen macht gute Bürger; eS liegt in Zeiten, wie die jetzigen, eine beachtenSwerthe Wahrheit darin.

Mit jedem Jahre steigt, wie schon

vorhin erwähnt, die Bevölkerung, und wenn daher, statt daß die Gelegenheit zu Beschäftigung sich vermehrt, diese und der Wohlstand heruntersinkt, so wird da- Land zuletzt mit Pro­ letariern überfüllt werden. Wir haben nur warnen, das Bild aber nicht weiter ausführen wollen.

Das Nächste, waS zu

161 thun sein möchte, würde darin bestehen, sobald wie möglich eine Zollconserenz über die hier so weitläufig besprochenen Gegenstände -u halten, um vor Ablauf der KündigungSftist des englischen Handels- und Schiffahrtsvertrages für diese Kündigung gehörig vorbereitet zu feilt.

Erläuternde Bemerkungen.

1) ES ist oben im Terte behauptet worden, daß als ein Beweis für die gleichmäßige Zunahme der Bevölkerung und der Production in Preußen die Erfahrung zu sprechen scheine, daß trotz deS fortwährenden schnellen Wachsthums der Bevöl­ kerung doch die Einfuhr an Cerealien und thierischen Produk­ ten im Ganzen nicht zu-, deren Ausfuhr nicht abgenommen habe.

Wir wollen uns bemühen, diese Behauptung im Fol-

genden etwas genauer zu belegen, zu welchem Behufe wir die statistischen Data dem vor Kurzem erschienenen Werke deS Geheimen Raths Dieterici: „Ter Volkswohlstand int preußi­ schen Staate tc." entnehmen.

Wir haben nämlich schon auS

sehr früher Zeit über die Getreideproduction und Consumtion im preußischen Staate Tabellen.

So finden wir z. B. die

Getreideeinfuhr pro 179-*- zu einem Werth von 2,900,909 Thalern angegeben, während die Getreideausfuhr zu 4,715,100 Thalern veranschlagt wurde; so daß mithin die MehrauSfuhr damals 1,814,197 Thaler betragen hatte.

Die inländische

163 Konsumtion berechnet Krug in seinem Werke: „Betrachtungen über den Rationalreichthum deS Preußischen Staat-, Berlin 1802," um die damalige Zeit zu 47—48 Millionen Scheffel; wa- eine jährliche Verzehrung von 4,7 — 4,8 pro Kopf ge­ ben würde. Ueber die Fleischconsumtion etiva- Genaue- au- der Zeit vor dem Jahre 1806 anzugeben, ist wegen der mangelhaft vorhandenen Materialien überau- schwierig. Wir müssen un» deshalb begnügen anzuführen, daß sich in dieser Zeit die Kon­ sumtion, zufolge der von dem Staat-minister von Stein in den Jahren 1803, 4 und 5 eingeforderten Tabellen, in den größeren Städten auf 70 bi- 80 Pfd., in den mittleren auf 40 bi-50 Pfd. stellt; wa- für die städtische Bevölkerung einen Durchschnitt-betrag von 69 Pfd. 28 Loth geben würde. Da erwei-lich aber in den kleinen Städten und auf dem Lande die Konsumtion bei Weitem geringer ist, so wird man nicht weit fehlgreifen, wenn man die Konsumtion in der damaligen Zeit auf 40 Pfd. pro Kopf berechnet. Mit größerer Genauigkeit lassen sich die Resultate der Bodenproduction nach dem Jahre 1806 verfolgen; da r- je­ doch in Anbetracht de- hier im Auge behaltenen Zwecke- zu weit führen würde, dieselben einzeln durchzugehen, so greifen wir da- Jahr 1831 heran-, um eine Vergleichung mit den eben gegebenen DatiS zu führen. Die Bevölkerung de- preußifchen Staate- zählte in dem eben angegebenen Jahre 13,038,960 Menschen. Die Konsumtion betrug in den mahl11'

164 und schlachtfteuerpflichtigen Städten im Durchschnitt pro Kops — Weizen 65 Psd. 11 Loth, Roggen 240 Pfd. 25 Loth, zusammen 306 Pfd. 4 Loth. Sie ist daher gegen 180$ beim Weizen gefallen um 1 Pfd. 28 Loth, beim Roggen gestiegen um 10 Pfd. 19 Loth: mithin in der ganzen Körnernahrung auf den Kops gestiegen um 8 Psd. 23 Loth; und e- würde sich diese Vermehrung noch bedeutend höher herausstellen, wenn wir im Stande wären, die Zunahme der Konsumtion bei der ländlichen Bevölkerung, in Folge de- so sehr durch die Agrar« gesetzgebung gehobenen Wohlstandes derselben, genauer zu ton« trolliren. ES kann zufällig sein, daß bei dem Weizen eine geringe Verminderung sich zeigt; die Mehrconsumtion an Rog­ gen ist aber 1831 gegen 180$ so bedeutend, daß im Ganzen unzweifelhaft die Nation an Getreidenahrung mehr hatte, al180$. Rechnet man den Scheffel im Durchschnitt zu 80 Pfd., so war 1831 die Totalverzehrung auf den Kops 3,82 Scheffel, also etwas mehr als 180$, wo sie nicht voll 3,8 Scheffel be« trug"). Zeigt sich hiernach schon ein Fortschritt, so mag ser« ner erwogen werden, wie unendlich der Kartoffelbau 1831 im Vergleich zu dem des Jahre- 180$ zugenommen hat. Aber selbst vorausgesetzt, daß die Angaben der Resultate der Mahl« und Schlachtsteuer im Jahre 1831 noch nicht ganz genau er­ mittelt worden wären — immer tritt so viel hervor, daß bei *) Die überaus hohen Getreidepreise de- Jahre» 180$ trugen unstreitig viel zu dieser geringen Consumtion bei; die Angabe der Verzehrung von Roggen ist wahrscheinlich noch zu geringe.

165 -er vermehrten Bevölkerung, die Kartoffeln nicht mit veran­ schlagt, -och an Getrei-enahmng 1831 rin bedeutend HöhereQuantum aus -en Kopf kam, als 1805, und rS unterliegt daher keinem Zweifel, -aß an -en ersten vegetabilischen Nah­ rungsmitteln der Zustand im Durchschnitt für den Einzelnen besser war, als 180$. Setzt man in runder Summe, wie 180J die Nahrung an Getreide pro Kopf auf 4 Scheffel, so producirte der preu­ ßische Staat bei 13 Millionen Menschen (in runder Summe) 1831: 52 Millionen Scheffel Getreide zur Berzehrung -er Einwohner (ohne Au-saat), h. 12 Millionen Scheffel mehr al- 180j. Nach Frrber's „neuen Beitragen ic." war nach dem Durchschnitt der Jahre 1829, 30 und 31 an Weizen und Spelz die Einfuhr................. 369,196 Scheffel die Ausfuhr................. 3,710,508 also Mehrausfuhr . . . 3,341,312 Scheffel an Roggen die Einfuhr . 480,014 die Ausfuhr . 1,629,964 also Mehrausfuhr . . . 1,149,950 Scheffel; es war also an Getreide von diesen Getreidearten MehrauSfuhr 4,491,262 Scheffel. Sie wurde nach den Einfuhr- unb AuSftchrtabellen pro 179$ auf 1,814,197 Thlr. berechnet, wird also schwerlich mehr als etwa 2 Millionen Scheffel be­ ttagen haben. Pro 180$ war die Production an Getreide

166 im ganzen Lande für Verzehrung und Ausfuhr (excl. Aus­ saat) auf etwa 44 Millionen Scheffel berechnet worden. 1831 betrug die Totalausfuhr 5,340,472 Scheffel.

Die Getreide-

production an Weizen, Spelz und Roggen für Verzehmng und Ausfuhr war 1831 hiernach 57—58 Millionen Scheffel, d. h. gegen 180$ ein Mehr von 13—14 Millionen Scheffel jähr­ lich. Die landwirthschaftliche Production ist 1831 also offen­ bar viel bedeutender gewesen, als 180$. Der preußische Staat war 1831 um 547^□ Meilen kleiner als 180$, und producirte auf dieser kleineren Fläche 1831 mindestens 13—14 Mil­ lionen Scheffel Roggen, Spelz und Weizen mehr als 180$. Ja die Summe ist wohl noch höher als 13 — 14 Millionen anzunehmen, da für eine so viel größere Production auch eine größere Aussaat berechnet werden muß, als die Aussaat pro 180$ betrug. Gleich günstige Resultate finden wir, wenn wir die thie­ rische Production etwas genauer ins Auge fassen.

Nach den

Resultaten der Mahl- und Schlachtsteuer war der Durchschnitt der Fleischverzehrung bei der Bevölkerung der mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städte aus den Kopf 75 Pfd. 3 Loth. Der Durchschnitt der Fleischvcrzehrung der städtischen Bevöl­ kerung des preußischen Staates pro 180$ berechnete sich auf 69 Pfd. 28 Loth auf den Kopf; es ist mithin eine Steigerung ersichtlich, wie 100 : 107,47, oder was dasselbe heißt, die Fleischnahrung in den Städten des preußischen Staat­ hat sich in dem Zeitraum von 180$ biö 1831, d. h. in 25

167 bis 26 Jahren um 7H pEt. vermehrt. Wollm wir für den ganzen Staat die Fleische onsumtion abschätzen, so fehlt jeder sichere Anhaltspunkt und bleibt nichts übrig, als auf den Biehstand zurückgehen. Dieser war angeblich 1831: Bullen und Ochsen 758,046 Stück. Kühe 2,515,919,Jungvieh 1,172,403, Schaase 11,751,603, Schweine 1,736,004. ES zeigte sich hiernach zwar 1831 im Vergleiche zu 1805 keine Vermehrung; im letztbezeichneten Jahre bestand noch der Hofdienst, daS Vieh war sehr klein, besonders bet den Bauern, und eS ward nach der Regulirung das Kleinvieh der Bauern abgeschafft und auf den vergrö­ ßerten Rittergütern schwereres und bessere- Vieh angeschafft, woraus die Erscheinung sich erklärt, daß die Körnerproduction zunahm, die Zahl deS ViehstandeS dieselbe blieb. Der Ge­ heime Rath Dieterici berechnet daraus die Fleischconsumtion für den ganzen Staat vom inländischen Viehstand auf: 1828: 34,736 Pfd. - 1831: 34,098 Pfd. - 1834: 35,400 Pfd. also im Durchschnitt dieser drei Jahre: 34,746 Pfd. Obgleich diese Angabe weit hinter der Wirklichkeit zurück­ bleibt, so ist hiernach dennoch eine Steigerung eingetreten; sie stellt sich von 33,83 zu 34,745, d. h. von 100 : 102,7; und wenn sie sich auch nicht, wie bei der städtischen Consumtion auf pCt. herausstellt, so ist sie doch wahrscheinlich mehr, als die berechneten 2,7 pCt. Bis zu diesem Zeitabschnitt wäre hiernach also die oben im Terte gemachte Behauptung bewiesen; eS bleibt uns daher

168 noch übrig, dies auch noch in Beziehung auf die neueste Zeit zu thun — und wollen wir zur Vergleichung hierbei daS Jahr 1843 wählen.

Nach dem Durchschnitt der Jahre 1840 — 42

betrug nämlich die Konsumtion in den mahl- und schlacht­ steuerpflichtigen Städten deS preußischen Staates pro Kopf: Weizen ... Roggen.

.

.

78 Pfd. 29 Loth 237

-

27

-

zusammen 316 Pfd. 24 Loth. Kin Fortschritt der Brodnahrung ist in dem Decennium von 1831 bis 1841 im preußischen Staate daher deutlich. Er ist besonders bei dem Weizen eingetreten, dem besseren, nahrhafteren Getreide, und zwar im Verhältniß von 100 :120. Dies ist sehr bedeutend: die Leute essen mehr Brod und besse­ res Brod jetzt als vor zehn Jahren: es scheint sogar, als ob nicht wenige bei gestiegener Wohlhabenheit vom Roggenbrod zum Weizenbrod übergegangen seien.

Daß die Nahrung in

Roggen sich auf den Kopf nicht stärker vermehrt hat, liegt wohl auch darin, daß die Dcfraude zunimmt, und daß den unteren Klassen, namentlich in Berlin, erlaubt wird, bis 5 Pfd. Roggenmehl steuerfrei einzubringen.

Im Ganzen aber nahm

die Körnernahrung in den mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städten in dem verflossenen Decennio aus den Kopf berechnet zu von 306 Pfd. 4 Loth zu 316 Pfd. 24 Loth, d. h. von 100 : 103,3. Mag immerhin eingewandt werden können, daß der Fort-

169 schritt doch nur unbedeutmd ist, und daß ferner die bessere Steueradministration genauere Angabe» des verzollten Getrei­ des hervorgebracht hat — welche- letztere mindesten- durch die vermehrte Defraude ausgewogen wird — so sind anderer­ seits mehr als 4 pCt. in einem so kurzen Zeitraum doch schon immer ein namhafte- Mehr. Nimmt man den Scheffel zu 80 Pfd., so war 184$ die Totalverzehrung auf den Kops 3,96 Scheffel; 1831 berechnete sie sich aus 3,62 Scheffel. Für 1805 fanden wir nicht voll 3,8 Scheffel; sie scheint hiernach im letzten Decennio stärker gestiegen, als in dem 25jährigen vorhergehenden Zeitabschnitt von 1806 bi- 1831. Für den großen Durchschnitt ist auch jetzt die Totalverzehrung auf 4 Scheffel zu sehen: so daß für 15,471,765 Menschen 1843 producirt wurden 61,887,060 Scheffel, oder in runder Summe 62 Millionen Scheffel, wäh­ rend wir für 1831 auf 52 Millionen Scheffel kamen. Resumiren wir die Angaben noch einmal, so wurden zur Verzehrung der Menschen im preußischen Staat an Weizen und Roggen producirt: 1805: 40 Millionen Scheffel 1831: 52 1843: 62 ES zeigt sich, wie viel rascher die Production im letzten Decennio stieg, alö ftüher. Die Einfuhr von Getreide war 1842 im Zollverein:

170 an Weizen, Spelz und Dinkel 312,567 Schsfl. an Roggen .

.

.



.

619,689 zusammen 932,256 Schffl.

Der Ausgang war: an Weizen, Spelz und Dinkel 5,006,078 Schffl. an Roggen...................

2,985,205 zusammen 7,991,283 Schffl.

bleibt Mehrausgang 7,059,027 Schffl. Die Frage, wieviel von diesen 7 Millionen Scheffel Ge­ treide, die der Zollverein dem AuSlande abgab, auf Preußen als Ueberschuß seiner Production kam, beantwortet Dieterici dahin: es fallen auf preußische Eingangs- und AuSgangöorte: Eingang: Weizen, Dinkel 69,670 Schffl. Roggen

.

.

52,970

sind

122,640 Schffl.

Ausgang: Weizen,Dinkel 4,065,087 Schffl. Roggen .

.

2,808,254

-

sind

6,873,241_

bleiben 6,750,701 Schffl. OhneAussaat war demnach 18^die Production im preußischen Staate vielleicht an Weizen und Getreide: a. für inländische Verzehrung 62 Mill. Schffl. b. für Erport................... 6 sind

-

-

68 Mill. Schffl.

1805 war Preußens Getreideproduction (cxcl. Aussaat) im Ganzenetwa.................... 44 Mill. Schffl.

171 1831 etwa........................................ 58 MM. Schffl. 1843 etwa .......... 68 * * Was endlich die Fleischconsumtion in dem gleichen Zeit­ abschnitt betrifft, so berechnet sich der Durchschnitt nach den Resultaten der Mahl- und Schlachtsteuer pro 18^ aus 83 Pfd. 20 Loth. Die Fleischnahrung ist demnach in den mahlund schlachtsteuerpflichtigen Städten namhaft, und in einem viel höheren Grade noch gestiegen, als die Aömernahrung, nämlich im Bergleiche zu 1831 wie 100:111,36. Berück­ sichtigen wir dann aber den inländischen Viehstand im Gan­ zen, um den Durchschnitt der Fleischconsumtion für das ganze Land zu erhalten, so stellt sich die Verzehrung pro 1843 wie folgt (wobei in Rücksicht darauf, daß die Viehgattungen 1842 gegen 1831 schwerer geworden sind, Ochsen und Stiere statt 500 zu 550 Pfd. und Schweine statt 110 zu 120 Pfd. an­ gesetzt find):

172

Vieh- emm Gattungen

70645

11774

. .

736157

105165'

Stiere. . . Ochsen

Stück

Davonkom­ Das Stück Es kommen also zur Schlachtvieh (Konsumtion P>fd. Fleisch men zur (Konsumtion wird geschätzt pro Kopf überhaupt Stück zu Pfd.

. . .

2,874486

Jungvieh .

1,360722

3593111 1 68036'1

Summe

5,042010

544286

. .

2,587039

1,940279

Schaafe. .

16,235880

16,630339 2,115212

Kühe

Kälber

Ziegen

. .

Summe Schweine .

55o!

1

64,316450

300' 128,204100 1 192,520550

12,45

40

77,611160

5,01

2,771723

30

83,151690

5,37

1,586409

120

190,369080

12,30

543,652480

35,14

394459

Summe

Die Verzehrung war 1731: 34,098 Pfd., ist also ge» stiegen im Verhältniß von 100 : 103,06 und wahrscheinlich mehr; denn die positiven Angaben der Fleischverzehrung in den Städten sind hier ein sichererer Anhalt als die auf Schäzzung beruhende Berechnung der Fleischconsumtion im ganzen Lande. 2) Es kann nicht unsere Absicht sein, um die oben im Terte gemachte Behauptung fernerweitig zu beweisen, daß die Concurrenz der zollvereinsländischen Industrie mit dem Aus­ lande mannigfach durch die Besteuerung der für die Fabri, ffltion nothwendigen rohen Produkte beim Eingang in den

173 Zollverein erschwert werde, den Zolltarif einzeln durchzugehen und die- an den einzelnen Positionen desselben darzulegen; wir wollen vielmehr nur bei einem Industriezweige stehen bleiben, dessen gedrückter Zustand eben jetzt Veranlassung zu einem überaus lebhaften Schriftwechsel geworden, und in Be­ treff dessen man sich über die Mittel, ihn wieder zu heben, noch nicht recht hat verständigen können. Wir beziehen uns Hinsicht- dieses Gegenstandes auf das, wa- ein rheinprrußischer Fabrikant in seiner so eben herausgegebenen Broschüre: „Dajetzige Zollsystem des deutschen Zollvereins mit besonderer Rück­ sicht auf die neuen Garnzoll - Erhöhungen. Berlin 1847. Schröderscher Verlag" darüber sagt: „Anstatt durch Prämien, welche höher sind als der Zoll auf Rohstoffe (heißt r- dort), wie eS in andern Ländern geschieht, eine so reiche Erwerbs­ quelle de- ErportgeschäftS zu erhalten, ist dasselbe sehr bedeu­ tend bei unS besteuert durch den Zoll auf Farbestoffe und da- Halbfabrikat, ohne daß einmal der wirklich gezahlte Zoll rückvergütet wird. Aus folgender Uebersicht geht hervor, wie hoch die heimische Fabrikation in Baumwollen-, Leinen-, Halb­ seiden- und Wollenwaaren durch den jetzigen Zoll auf einige Farbestoffe, welche da- Inland nicht zu erzeugen vermag, und auf die vom Ausland zu beziehenden Fabrikmaterialien belastet ist. ES wurden nämlich 18JJ, im Durchschnitt auf ein Jahr gerechnet, nach den statistischen Nachweisen im Zollvereine verzollt:

174 jetziger Zoll.

Galläpfel, Kreuzbeeren rc. . . 79,126 Ctnr. ä 1 Thlr. 13,188 Thlr. Krapp . . . 74,945 - aQ j1 „ 12,491 « 1,120 « Knoppern rc. . 13,434 - a Vi Indigo . . . 33,510 - a y 16,755 Baumöl mit Ter­ 29,676 pentin . . . 59,352 « ä i « Ein- u. zweifa­ che-roheSBaum1,211,103 « wollengarn. . 403,701 - a 3 « RohesLrinengarn 50,642 « ä 2 107,284 Ein- u. zweifa­ che- rohe- Wol« 18,572 Ungarn . . . 37,144 - a \ Rohe Seide 13,736 Ctnr. zur Hälfte . . . 6,868 - a i 3,434 » Die betreffenden Fabricate find also mit der 1,413,623 Thlr. Summe von besteuert, wogegen die concurrirenden englischen Fabriken die­ sen Zoll nicht haben. Hierbei ist zudem die Steuer auf Maschinen und chemi­ sche Produkte, welche zur Fabrikation erforderlich, und zur Zeit noch autz dem Auslande bezogen werden müssen, nicht mit eingerechnet, da zum Emporkommen dieser Branchen ein Schutz

175 nothwendig scheint, und deshalb nicht- dagegen zu sagen ist; auch sind bei un» die Steinkohlen, welche zum Betriebe der Fabriken al- Brennmaterial so unentbehrlich find, durch 50 Procent diverser Abgaben vertheuert, wa- in England eben­ falls nicht der Fall ist. England hob seit ein Paar Jahren seinen Baumwollzoll auf, wodurch es sein Garn, mithin auch die daraus gefertig­ ten Fabrikate um mehr als 1 Thlr. pro Ctnr. für- In- und Ausland billiger liefern kann als vorher. Bor dieser Zeit war unser Erport durch den Zoll auf Twist mit 2 Thlm. belastet, und jetzt beträgt der diesseitige Nachtheil durch den Zoll von 3 Thlrn. bedeutend mehr. Dieser Zustand muß un­ ser Erportgeschäft total vernichten. Mögen diese Bemerkungen hier hinreichen, um den Be­ weis zu führen, wie mannigfach unseren Fabrikanten die Gon* currenz mit den Ausländern durch das falsche Zollsystem drS Zollvereins erschwert wird. 3) ES gäbe Stoff für viele Bogen, um die oben auf Seite 101 gemachte Bemerkung zu belegen, daß die Schutz­ zölle deö gegenwärtigen Zollsystems viele Industriezweige inner­ halb der Verein-länder bedeutend gehoben haben, ohne doch die Concurrenz des Auslandes auszuschließen. Für den hier im Auge behaltenen Zweck wird eS hinreichen, aus dem be­ kannten Werke des Geh. Raths Dieterici: „Statistische Ueber­ sicht der wichtigsten Gegenstände des Verbrauchs und Verkehrim deutschen Zollverein" in Betreff einzelner wichtiger In-

176 dustriezweige die folgenden kurzen Zusammenstellungen zu lie­ fern — die ergeben werden, in welcher Weise die Fabrication in denselben seit Gründung deS Zollvereins zugenommen, und wie sich die Verkehrsverhältnisse mit dem Auslande in diesen Industriezweigen seitdem gestaltet haben: Die Baumwollenwaarenfabrikation hat in den ZollverrinSstaaten eine ganz außerordentliche Ausdehnung erreicht; eS läßt sich die Höhe derselben ungefähr folgendermaaßen be­ rechnen (cf. Dieterici Etat. Hebers, d. wichtigsten Gegenstände deS Verkehrs und Verbrauchs im Zollverein.

Zweite Fort­

setzung S. 488). Der Verbrauch an Twist im Zollverein berechnet sich auf.....................................................

621,528 Centner.

Mit Abzug von | ergiebt dies....

466,146 Zollctnr.

Daumwollenwaaren. Von diesen war der Durchschnitt der Mehrausfuhr pro 18£?

70,202

bleibt zum innern Verbrauch

-

395,944 Zollctnr.

oder 39,594,400 Zollpfd., d. h. bei 27 Millionen Menschen 1,47 Pfd. oder etwa 13 Ellen pro Kops. Rechnen wir jene 70,202 Centner Mehrausfuhr durch­ schnittlich im Preise von 170 Thlr. pro Centner, so ergiebt die».....................................................

11,934,390 Thlr.

Davon ab die Mehreinfuhr von durch­ schnittlich 400,873 Zollcentner Baumwol­ lengarn ä 42 Thlr.................................. so bleiben

.

16,836,666 .

-

4,902,326 Thlr.

177 Zuschuß für die ganze Baumwollen-Jndustrie an das Ausland übrig, um daS gesteigerte Bedürfniß der Kleidung zu decken. Wie sehr daher auch immer unter dem Schutze deS ge­ genwärtigen Zollsystems die Baumwollenwaaren-Fabrication bereits gestiegen sein mag, so wird auS diesen DatiS doch im­ mer hervorgehen, daß sie noch um ein ziemlich Bedeutendes zunehmen, und namentlich hinsichts der Halbsabricate mehr vom Auslande abhängig werden muß, um eine günstige Handelsbilance zu erzielen. Werfen wir ferner einen Blick auf die WollenwaarenFabrication, so finden wir nach der erwähnten Quelle Fol­ gende- : Mit Einschluß der Mehreinfuhr berechnet sich für den deutschen Zollverein eine Quantität von 50,428,519 Pfund roher Wolle zur Verarbeitung. Die- ergiebt nach dem Ver­ hältniß von 11:16 ein Erzeugniß von 73 Millionen Ellen in runder Summe. Nimmt man die Halbsabricate, d. h. Garn, und wollene Waaren zusammen, so berechnet sich von allen diesen Waaren ein durchschnittlicher Mehrau-gang von rund 12,000 Centnern oder 1,200,000 Pfd-, oder rund 1% Mil­ lionen Ellen, so daß Mill. Ellen zum innern Bedarf verbleiben. Die- giebt bei einer Bevölkerung von 27^ Mill. Menschen auf den Kopf 2,s Ellen jährlich: Beweis genug, wie bedeutend die Fabrication auch in diesem Industriezweige geworden ist, zugleich aber auch, einer wie großen Steigerung sie noch fähig bleibt.

178 AlS Beispiele dürsten diese Data über zwei der bedeu­ tendsten und wichtigsten Theile unserer vaterländischen Indu­ strie wohl genügen. 4) ES liegt uns in dieser erläuternden Note die Pflicht ob, zu Seite 104 deS TerteS die Beläge nachzutragen, wie durch die Erhöhung deS Eingangzolls auf Twiste mehrere Zweige der Baumwollenwaaren -Fabrication gefährdet werde». Wir glauben dicS nicht besser zu können, als indem wir uns dem Inhalte deS Gesuches anschließen, welche- die Fabrik­ inhaber deS Gladbacher Fabrikengerichts-Bezirks unter dem 3. December pr. an den Staats- und Finanzminister v. Düesberg eingereicht haben, und worin sie, unter Hinweisung auf die Gefahren, welche ihrer Industrie durch die Erhöhung des Eingangszolls auf Twiste von 2 auf 3 Thlr. drohen, um Be­ willigung eines RückzollS von 3 Thlrn. pro Centner ganzund halbbaumwollener Artikel bitten. „Sollte man voraus­ sehen", sagen sie in dem erwähnten Bittgesuche, „die Weberei, welche schon so viele Jahre den auf ihren Erporthandel drücken­ den Zoll von 2 Thlrn. schweigend hingenommen habe, würde sich auch bei der Erhöhung bis zu 3 Thlrn. durchzuschlageir wissen, dann müssen wir zunächst rarauf aufmerksam machen: wie eben jener Zoll von 2 Thlrn. unS die meisten der früher im Auslande debitirten Artikel entrissen und der schweizer Eoncurrenz überliefert hat; sie sind gänzlich aus unserer Fabrica­ tion verschwunden, und hätten wir nickt rechtzeitig Ersah in einem neuen Artikel (baumwollene und halbwollene Hosen-

179 flösse) gefunden, so würde eö schon längst sehr traurig mit unS ausgesehen haben; aber eben dieser neue Artikel, der, wie immer zu Anfang, besonders nutzbringend war, hat eine Zeit lang die Klagen der Weber verstummen gemacht, bis auch er vor und nach im Preise immer weiter gedrückt und damit auch auf ihn die nachtheilige Wirkung des Zolles von 2 Thlrn. für unsere Erportgeschäfte fühlbarer wurde: ganz besonders aber jetzt, wo Belgien als ein sehr gefährlicher Concurrent in diesem Artikel aufgetreten ist, mit durch die Differentialzölle Hollands in die­ sem letztem Lande um 2| pCt. gegen uns im Vortheil steht. Belgien, in welchem Lande die Spinnereien durch zeitige Schutzmaaßregeln so sehr erstarkt sind, daß sie die Concurrenz Englands selbst bei uns zu bestehen vermögen, hat unsere Fabricate auf eigenem Markte bereits durch seine hohen Zölle total verdrängt; es greift jetzt aber noch weiter, da es sich durch seinen Vertrag mit Holland solche Vortheile zu erringen gewußt hat, daß unser Debit auch in diesem letztem Lande durch jene Vorzüge gänzlich vernichtet wird. Beim Mangel eigener entsprechender Spinnereien bleiben wir genöthigt, unseren Bedarf an Twisten größtentheilS auS England zu beziehen, und die Preise der Garne reguliren sich demnach bei unS stets nach dem Markte von England; hier­ durch aber gerade stellen sich laut der (hinter dieser Note) angeschlossenen Berechnung unsere Fabrikate, bis wir sie in einen der nächsten Häfen zum transatlantischen Erport nieder­ gelegt haben, durch die Beziehungsspesen der Twiste aus Eng12 *

180 land und des seitherigen Zolles von 2 Thlrn. um 11% pCt. höher als die englischen, welcher Nacbtheil durch die Zollerhö­ hung auf 3 Thlr. pro Centner um weitere 1% pCt., im Gan­ zen als» bis zu 13'. pCt. vergrößert wird.

Wie ist es mög-

lich, bei solchem Drucke, der von unserer eigenen Gesetzgebung so bedeutend vergrößert worden ist, länger siegreich den Kampi mit der englischen Concurrenz zu bestehen, wenn wir auch gern zugeben, daß wir einige Vortheile gegen sie in niedrige­ ren Arbeitslöhnen genießen, welche letztere aber auch bereits so sehr gedrückt sind, daß sie durchaus keine weitere Reduction zulassen?"

Berechnung der Kosten, um welche der hiesige Fabrikant von baumwollenen Waaren gegen den englischen Fabrikanten beim transatlantischen Erporthandel im Nachtheil sich befindet: Ein Ballen Twist von 1,200 Psd.

Watertwist und

Mule kostet durchschnittlich 8 d. pro Pfr. 40Lstr. — Sh — d. Die Spesen in Manchester für Verpakkung und Francatur bis Hüll pro Dal-

181 len........................ 2L. - Sh. - 3 Lstr.

1 Sh.

4d.

a 6 Thlr. 26 Sgr. 21Thlr. 1 Sgr. 9 Pf. Fracht von Hüll bis Rotterdam 10 fl. 80 ä 17 Sgr....................................... 6

3

8

-

Fracht von Rotterdam über Venlo bis Gladbach mit Spesen............................ 4 Porto und kleine Spesen Eingangs - Rechte

.

.

.

, —

5 17

von 1,093 Pfd.

Zollgewicht ä 2 Thlr........................... 21

25

9

53Thlr. 23Sgr. 9 Pf. Kosten der Aussendung von 12 Ctnr. baumw. Waaren nach einem Hafen, ;. B. Hamburg, a 7 Thlr. pro Schiffpfd............................................ 28

- -

- — -

81 Thlr. 23 Sgr. 9 Pf. Ein Stück baumwollen Hosenzeug leichter Gattung von 50 Ellen wiegt 10 Pfd. und kostet pro Elle 3^ Sgr. netto. Demnach kommen auf 1,200 Pfd.: 120 Stück Hosenzcuge — 6000 Ellen ä 3'j Sgr. Werth = 700 Thlr. Darauf betragen obige Kosten einen Werth von circa 114 pCt., wovon der Zoll zu 2 Thlr. stark 3 pCt. ausmacht,

182 daher er bei 3 Thlr. etwas über 4^ pCt. betragen wild, mir die Differenz sich im Ganzen auf 13\ pCt. steigert. 5) Es sind Leite 108 speciellere Mittheilungen darüber vorbehalten worden, inwiefern die Aushebung der Grenzsperre zwischen dem ehemaligen Königreich Pole» und dem Kaiser­ thum Rußland eine Bcnacbtheiligung unserer vaterländischen Interessen mr Folge haben würde, wenn Rußland sich nicht entschließen sollte, seine Zollgesetzgebung im eigenen Interesse zu modificircn. Diese Frage gewinnt an besonderem Interesse, seitdem eS durch die officielle Depesche des russischen Geschäfts­ trägers d. d. 30. December vor. Jahres, welche Herr Guizot in der Sitzung der PairSkammer am 22. Januar mitgetheilt hat, keinem Zweifel mehr unteiliegt, baß die Aufhebung die­ ser Zolllinie in der attelnächsten Zeit wirklich eisolgen dürfte. Wir schicken hier zunächst im Allgemeinen die Bemcikuiig vor­ aus, daß man die Behauptung schwcilich wird Lügen strafen können, daß die Veiänderungen, welche mit rem alten König­ reich Polen, von seiner eisten 2Heilung an bis aus die neue­ sten Umgestaltungen, vorgenommen worden sind, obenan unter den Ursachen stehen, weshalb der Wohlstand der östlichen prcu ßischen LandcStheile und die Lebhaftigkeit des Ostseehandels in einem stetigen Abnehmen begriffen sind: cs offenbaren ftd> die gleichen Folgen immer, wenn die Handelsbeziehungen eines am Meere gelegenen Vorlandes mit den hinterliegenden LandeStheilen gestört werden.

Rechnen wir hierzu nun noch die

strenge Zollsperre an der preußisch-russischen Grenze, so kann

183 un» schon deshalb da» Darniederliegen de» Verkehr» in den östlichen Provinzen der Monarchie nicht Wunder nehmen. So lange da- Königreich Polen aber noch sein selbstständige» Zoll­ system hatte, waren un» doch noch immer einige Handelsbezie­ hungen zu demselben verblieben.

Polen» großer physischer

Reichthum hatte stet» eine bedeutende Ausfuhr an rohen Pro­ dukten zur Folge gehabt, und den benachbarten Staaten statt dessen dort einen vortheilhaften Markt für ihre Fabricate und sonstigen Waaren verschafft.

Der Freiherr von Reden liefert

unS in seinem umfangreichen Werke „das Kaiserreich Ruß­ land. Statistisch - geschichtliche Darstellung seiner Kulturverhältnisse, namentlich in landwirthschaftlicher, gewerblicher und kommerzieller Beziehung. Berlin, 1843" zahlreiche Beläge für diese hier gemachten Behauptungen und für die Erkenntniß der Umgestaltungen, welche die BerkehrSverhältniffe de» ehe­ maligen Königreichs Polen in Folge der politischen Umgestal­ tungen erfahren haben.

AuS denselben geht so z. B. hervor,

daß der Handel mit Rußland für Polen bis zur Revolution von 1830 von vortheilhaftcr Bilanz war, so daß in den Jah­ ren 1824 bis 1829 Rußland jährlich im Durchschnitt 1,800,000 Rubel Assig. (555,000 Thlr.) mehr auS Polen importirte, al» e» nach Polen einführte.

Allein schon im Jahre 1831 stellte

sich das Verhältniß völlig umgekehrt, indem Polen von Ruß­ land für 10,232,106 Rub. Assig. bezog und nur für 6,239,880 Rubel dorthin ausführte. Gleich ungünstig ist das Verhältniß für Polen denn auch bis auf die neueste Zeit geblieben: denn

184 Rußland verfolgte seit dieser Zeit mit

bekannter Konsequenz

da- System, Polen von dem Handel mit dem sonstigen Aus­ lande möglichst abzuziehen, die Versorgung deS polnischen Mark­ te- möglichst den russischen Fabrikanten und Händlern zuzu­ wenden; während cs gleichzeitig den polnischen Producten und Fabrikaten den Absah nach Rußland erschwerte, und nament­ lich seine Tuchfabriken gegen die weit vorgeschrittenen polni­ schen, die sonst sehr bedeutende Quantitäten Tuch nach Ruß­ land abgesetzt hatten, schützte.

Natürlich mußten denn auch

die angrenzenden preußischen Landestheile bei der Verfolgung solcher egoistischen Pläne Rußlands außerordentlich leiden. ES stehen unS über den Gesammtverkehr Polens

mit Preußen

leider nur statistische Nachweistingen bis zum Jahre

1832

zu

Gebote; allein aus vereinzelten, bis zur neuesten Zeit reichen­ den Angaben erhellt doch zur Genüge, daß, während die Aus­ fuhr an Getreide, namentlich Weizen, wie an Bau- und Brenn­ holz und Zink auS Polen nach Preußen noch immer eine bedentende Höhe erreichte, der Import auS Preußen nach Polen im stetigen Abnehmen verblieb. Mit der Ausführung des oben besprochenen Planes, nämlich der Aufhebung der Zollgrenze zwischen Polen und Rußland und der Ausdehnung aller rus­ sischen Zoll- und HandelSmaaßregeln auf Polen, wird dem Handel Preußens nach dem Königreiche Polen der letzte Stoß gegeben, und zu den vielen anderen Ursachen für die Verar­ mung unserer östlichen Grenzprovinzen eine neue hinzugefügt werden.

Denn von nun an wird dem preußischen Staate dir

185 Einfuhr von 98 Artikeln nach Polen gänzlich verboten sein. während die meisten andern sehr hoch besteuert werden. Unter diesen gänzlich verbotenen Artikeln befinden sich aber viele, die gerade für den preußischen Handel von sehr großer Wichtig­ keit sind. lich:

Wir wollen nur einige davon hervorheben, näm­

Roh-, Stab- und Gußeisen, alle bedruckte Baumwollen-

zeuge und Fabricate, genähte und besäumte Wäsche, Galante­ riesachen, alle Arten von Fußbekleidung, Porzellan, Equipagen u. s. w. u. s. w.

Kurz wir glauben auch

ohne eine specielle

Darlegung der Aenderungen, die nothwendig in Folge der be­ sprochenen Maaßregel in den Zollsätzen und den Handelsbe­ ziehungen Preußens zu Polen eintreten müssen, die Annahme durch die vorhergehenden Bemerkungen als erwiesen erachten zu können: daß Preußen bei dieser Gelegenheit wiederum von einem Lande, welches als den treuesten Verbündeten anzusehen man bisher vielfach gewohnt war, neuen Schaden zugefügt er­ halten wird. 6) nen,

Wir benutzen vor Allem diesen Platz, um zu erwäh­

daß wir oben im Terte die unbedeutenden Abänderun­

gen, welche der dänisch-preußische Vertrag im vorigen Jahre erfahren hat,

übergangen haben,

weil sie uns in der That

so winziger Natur scheinen, daß wirkliche Erleichterungen für unsere Schiffahrt daraus

nimmermehr

folgen können.

Wer

sich aber von dem völlig widerrechtlichen Zustande überzeugen will, in dem Dänemark uns gegenüber bis zu dieser Stunde verharrt, von den zahllosen Veratiynrn und llebervortheilun-

186 gen, denen unsere Schiffahrt vor wie nach ausgesetzt bleibt: dem empfehlen wir angelegentlich das Buch des Herrn Sche­ rer: „Der Sundzoll, seine Geschichte, sein jetziger Bestand und seine staatsrechtlich - politische Lösung. Humblot."

Berlin.

Tuncker und

Man wird säst keine Seite darin lesen können,

ohne den Unwillen zu empfinden, den jedes gegen Recht, Bil­ ligkeit und Vernunft streitende Verfahren einflößen muß;

zu­

mal wenn, wie dies hier geschieht, ein kleiner Staat seinem mächtigen Nachbarn in dieser Weise trotzen zu dürfen glaubt. 7) Ein Industriezweig, der in neuester Zeit große Fort­ schritte gemacht hat, ist die Auckersabrication aus Runkelrüben. Ihren

jetzigen

Aufschwung

dankt

sie

den

vereinigten

und

glücklichen Anstrengungen der Wissenschaft und der practischen Behandlung,

sowie der Vervollkommnung der zu dieser Fa-

brication erforderlichen Apparate. Bis jetzt war die Meinung sehr

verbreitet, diese Fabrication könne sich nur unter dem

Schutz der hohen Eingangszölle auf Zucker

kümmerlich erhal­

ten, müsse aber in demselben Augenblick ausgegeben werden, wo dieser Schutz aufhöre. Ganz

bekannt ist der lange Kamps in den französischen

Kammern zwischen den Zuckerprodncenten deS Inlandes und der Colonien, welcher damit geendet hat, daß auch der inlän­ dische Zucker einer hohen Steuer unterzogen wurde.

Nachdem

man sie bereit- für verloren hielt, ist diese Fabrication uncrwarteterweise dort in beständigem Zunehmen geblieben.

Auch bei

tinS ist die Runkelrübentuckerfabrication, da, wo sic mit großer

187 Intelligenz lind bedeutendem Kapital betrieben wird, bereitauf den Punct gekommen, daß sie mit dem indischen Zucker fast die Concurrenz zu bestehen vermag; aber nur da, wo sich der Boden ganz zum Rübenbau eignet, mithin eine so bedeutende Masse Rüben von der Fläche producirt. werden, daß damit eine hohe Bodenrente erzielt wird. Wollte jedoch die Regierung jetzt schon auf die Auckerfabrication eine so hohe Steuer legen, als diese allenfalls tra­ gen könnte, so würde sie sehr unrecht thun. Die Zuckerfabrication ist eine der wichtigsten für die länd­ liche Industrie; sie kann und wird, wenn man sie sich ent­ wickeln läßt, Deutschland einen jährlichen Tribut von 20 bi22 Millionen Thalern sparen, welchen dieses jetzt den Tro­ penländern entrichtet *).

Soll aber ein so glücklicher Erfolg

eintreten, so muß der Gewinn, den jetzt die Fabrikherren ma­ chen, ihnen nicht mißgönnt werden. Um so besser ihr Geschäft sich rentirt, um so mehr Un­ ternehmer werden sich finden, die ihr Kapital und ihre Thä­ tigkeit dieser Fabrikation widmen. Soll aber der Zweck erreicht werden, um den Nationalwohlstand zu vermehren, so muß sich schon eine größere Zahl solcher Fabriken etablirt haben, die in Folge rer Prämien, die sie genossen haben, die Mittel und die Lust behalten, die Fabrication auch noch fortzusetzen, nachdem sich ihr Gewinn vermindert haben wird. *) Tie Einfuhr betrug im Durchschnitt in den Jahren 1840 bis 1842 nach preußischen Pfunden 108,005,150.

188 Inzwischen fürchten die großen Zuckerfabricanten, tie selbst zugeben, daß sie in Zukunft auch ohne Zollbegünstigung fort­ bestehen können, nichts mehr, als daß ihnen mit der Abgabe auch eine lästige und störende Controlle auferlegt werde. Wir kön­ nen im allgemeinen Interesse nur wünschen, daß dies nicht geschehe; renn nichts ist tödtender, als Mangel an freier Bewegung. 8) Wir haben oben versprochen, aus dein eben erschiene­ nen Werke:

„Tie Aufgabe der Hansestärte gegenüber dem

deutschen Zollverein,

sowie

in Bezug

auf eine gemeinsame

deutsche Handelspolitik" einige Auszüge zu liefern, um zu be­ weisen, wie sich in den Hansestädten die Stimmen in Bezug auf den Anschluß an den Zollverein auSsprechcn.

Schlagen

wir zu dem Behufe Seite 283 auf, wo die Frage ausgewor­ fen ist: hat der Zollverein Ursache, im wohlverstandenen In­ teresse der bislang von ihm verfolgten Zwecke es ;u beklagen, daß die deutschen Hansestädte nicht in der äußeren Lage sind, seinem Tarif sich anschließen zu können? und wo diese Frage dem Wesentlichen

nach

folgcndermaaßen

beantwortet

wird:

Der fiskalische Zweck des Tarifs würde durch den Anschluß der Hansestädte nicht gefördert werden.

Was schon in dem

Fall der Schwesterstadt am Main sich als unabweisbares Ge­ bot der Billigkeit herausstellte



eine Abweichung von dem

üblichen Maaßstab in der Repartition der Zolleinnahme — das würde bei den Hansestädten in noch weit höherem Grade sich

geltend

machen.

In der That nicht allein die Lebens­

weise einer an Entbehrungen nicht eben gewöhnten BeVölke-

189 ruttg, sondern auch alle die Aufwendungen würden recht sehr in Betracht kommen, welche zu Gunsten deS Handels und der Schiffahrt jetzt von den Städten allein bestritten werden. Der industrielle Zweck des Zollvereintarifs, meinen die Verfasser der genannten Schrift ferner, könnte vom Anschluß der Hansestädte nur eben so geringen, wenn nicht noch gerin­ geren Vortheil erwarten.

Nichtdeutschen Waaren, die das

System der Hansestädte weder vom Verbrauch, noch von der Durchfuhr zurückweiset, könnte der Zollverein, wie er es jetzt thut, seinen beliebigen Tarif entgegenstellen.

Wiefern eine

vermehrte Konsumtion deutscher Gewerberzeugnisse in den Hansestädten nach dem Anschluß zu gewärtigen wäre, steht da­ hin: der deutschen Industrie kann eS aber nur erfreulich sein, waS Jeder wahrnehmen mag, daß sie auch ohne ein Interdikt gegen die fremde, der letzteren kräftig auf die Fersen tritt. Wenn indessen einerseits ein Mehrverbrauch deutscher Fabrikate Folge deS Anschlusses sein möchte, so würde eine andere Selbstfolge die Mitbewerbung hanseatischer Fabrikation sein.

Wir

wollen uns bescheiden, dem Urtheil der Industriellen des Zoll­ vereins nicht vorzugreifen, in welchen Zweigen hanseatisches Capital, das bei theilweise verändertem Gang deS Handels auch theilweise sich in neue Bahnen gedrängt sehen würde, mit der Aussicht auf besonderen, den Fabrikanten deS Binnenlandes vielleicht nicht ganz gleichgültigen Erfolg anzulegen sein dürfte. Für diese Zwecke deS Zollvereins — den fiskalischen und industriellen — wird aucb Niemand leicht den Anschluß der

190 Hansestädte begehren. Wohl aber ist derselbe vom vaterländi­ schen Standpunkte aus oftmals und dringend zur Sprache ge­ bracht für einen ferneren Zweck — für den Zweck einer ge­ meinsamen Schiffahrts- und Handelspolitik.

In dieser Be­

ziehung fühlen es aber die Hanseaten vollständig, und die Verfasser obengenannten Buches sprechen eS deutlich und be­ stimmt aus, daß der Zollverein zum Zwecke einer nationalen Schiffahrt-- und Handelspolitik allcidingS der Mitwirkung der deutschen Hansestädte nothwendig bedürfe. Wer den Zweck will, der muß auch die Mittel wollen; und deshalb erscheint eS erklärlich, daß die Hanseaten, im Bewußtsein ihrer Noth­

wendigkeit für den Zollverein, den Anschluß an denselben nicht ohne Rücksicht auf ihre speciellen Interessen zuzusagen gedenken. Fragen wir nun aber den hier in Rede stehenden Bericht der hanseatischen Commission, waS denn die Städte vom Zollverein verlangen, damit sie demselben beizutrcten nicht länger zögern: so finden wir daS ganze lange Register dessen aufge. zählt, was unS noch für sie Entwickelung einer vaterländi­ schen kräftigen Handels- und SchiffahrtSpolitik zu thun übrig bleibt.

Da finden wir auf 50 Seiten alle die Fehler und

Mängel der jetzigen ZollvcreinSverfaffung und Verwaltung auf­ gezählt, deren Abstellung verlangt wird; da finden wir auf fer­ neren 60 Seiten alle die Forderungen: der deutschen Schif­ fahrt, der deutschen Flagge den ihr gebührenden Rang zu verschaffen, den deutschen Interessen durch vereinsländisc-e Eon sulate einen angemessenen Sck'utz angedeihen zu lassen, kurz

191 alle die Mittel angegeben, die wir bereit- oben im Tert als nothwendig für die Erreichung des großen Zwecke-, den der Zollverein stets im Auge behalten muß, durchgegangen haben. Wenn wir nun aber diesen Commission-bericht lesen und den­ selben auch unseren Lesern als einen beachtenSwerthen Beitrag zur Zeitgeschichte empfehlen, und goiy unparteiisch bei der Beant­ wortung der Frage sind: ob wir c- den Hansestädten verden­ ken können, daß sic ihre Forderungen so hoch wie möglich spannen, bis sie wenigsten- erst eine Bürgschaft dafür erlan­ gen, daß man im Zollverein die richtige Erkenntniß de- Zweckeund der Mittel, denselben zu erreichen, habe? — so können wir ihnen nur beistimmen.

Wer da- Gefühl seine- Werthe-

in sich empfindet, der entschließt sich nicht ohne Grund, sich dem anzuschließen, der zwar die Mittel hat groß dazustehen, der aber von diesen Mitteln bi-her noch keinen richtigen Ge­ brauch zu machen verstand.

Dr-Halb sei eS un- hier noch

einmal vergönnt, daraus zurückzukommen, wa- wir oben im Terte bereit- so oft bewiesen haben — daraus nämlich: daß eS hohe Zeit sei, daß der Zollverein von dem Schwanken zu einem festen System übergehe, daß er seine Kraft dem Aus­ lande gegenüber entwickele, daß er seine hohen und wichtig­ sten Interessen nicht länger al- verwahrlost erscheinen lasse. Dann werde» auch die Hansestädte gern und mit offenen Armen ihre eigenen Interessen mit denen de- Zollvereinidentificircn.

Die preusjische Verfassung und

das Patent, die ständischen Einrichtungen betreffend, vom 3. Februar 1847.

An demselben denkwürdigen Tage, dem dritten Februar, an welchem

im Jahre

1813 König Friedrich Wilhelm der

Tritte den Aufnif an sein Volk erließ; an demselben Tage, an welchem der erhabene Monarch Preußens sein Volk auf­ forderte für König und Vaterland die Waffen zu ergreifen, um innigst vereint mit ihrem Könige die schimpflichen Fesseln zu sprengen, welche die Fremdherrschaft Preußen aufgelegt hatte: an demselben Tage hat Friedrich Wilhelm der Vierte das Werk der weiteren Entwickelung der Verfassung begonnen. Betrachten wir dieS als eine gute Vorbedeutung; geben wir unS der Hoffnung hin, daß aus diesem schwachen Keime ein guter Baum erwachse, und ein starker Baum, der Wur­ zeln fassen könne in dem Herzen des preußischen Volks und feststehen in den Stürme», die uns drohen.

193 Der 3. Februar 1813 bildet einen Glanzpunkt in der Geschichte Preußens, weckt in unserer Brust große Erinnerun­ gen. ES war gleichsam der Geburtstag preußischen Patriotis­ mus und Heldenmuths; es war ein Tag, der der Welt be­ wiesen hat, was ein König und ein Volk zu leisten vermögen, die nur einen Willen haben. . Wohl verleihet die Geburt Kronen, aber ihre Kraft kommt vom Volke, und die Liebe der Unterthanen ist der ächte Juwel in denselben, überstrahlt allen äußeren Prunk. Am 3. Februar 1813 war Preußens Lage eine sehr ge­ fahrvolle ; sie ward eS dadurch weniger, weil diese offen vor­ lag, und der König und daS Volk sie nicht verkennen konnten. Die Lage, in welcher sich Preußen den 3. Februar 1847 be­ findet, ist wahrlich nicht minder gefahrvoll. Damals war eS durch äußere Uebel bedroht, jetzt leidet eS an tiefliegenden inneren Krankheiten, die immer bedenklicher werden, jemehr man ihren Umfang verkennt. Damals bedurfte eS nur der Gewalt der Waffen, um sich zu retten, jetzt liegt die Hülfe in einem gemeinschaftlichen, auf Vertrauen gestützten Zusam­ menwirken von König und Volk; und dazu ist letzterem die Hand geboten. Indem wir die Feder ergreifen, die inneren politischen Zustände Preußens zu erörtern, — inwiefern das Patent vom 3. Februar 1847 ausreichend erscheint, die hohen Interessen des Hauses der Hohenzollern und die Wohlsahrt und freie Entwickelung des ihrem Scepter anvertrauten Volkes zu sichern, 13

. 194

Preußen die Stelle in Deutschland und Europa anzuweisen, tu welcher es ein allwaltendes Geschick berufen hat, wenn es dessen Winke versteht, — wollen wir doch zuerst daS preu­ ßische Volk darauf aufmerksam machen, daß, wenn es auch vielleicht mehr gehofft und gewünscht habe, als das Patent ihm zu gewähren scheint, cs doch ein große- und dankbar zu erkennendes Ereigniß sei: daß der König zum ersten Male in der Geschichte Preußens die Vertreter seines Volke- um sich versammelt: welche schöne Hoffnungen knüpfen sich hieran! Aber gleichzeitig müssen wir die Repräsentanten deS preu­ ßischen Staates darauf hinweisen, welche hohe Ausgabe ihnen geworden ist, wie da- künftige Schicksal Preußen- das Re­ sultat ihrer Berathung sein wird, welche Verantwortlichkeit daher auf ihnen ruht; wie eS hoffentlich nur in ihrer Hand liegen wird, daS Band der Liebe, des Vertrauens zwischen König und Volk enger zu knüpfen, als je; wie viel sie durch rin kluge-, Vertrauen erweckende- Benehmen von der Hoch­ herzigkeit ihres Monarchen erwarten können, ohne deshalb die Interessen de- preußischen Volk- und seine Ansprüche an eine seinen Bedürfnissen entsprechende Repräsentation auszugeben. Wir verkennen nicht, daß die Lösung der unS vorgesetz­ ten Aufgabe eine schwierige sei, cs kann «ns dieö jedoch nicht abhalten, ihre Lösung nach besten Kräften zu versuchen. Wir werden unsere Stärke in einer unbefangenen, offenen, mög­ lichst klaren und wahren Darstellung deS Sachverhältnisseö und der Resultate, die daraus hervorgehen, zu schöpfen suchen.

195 Die Verhältnisse, in welchen sich das Land gegenwärtig nach vielen Seiten hin befindet, sind zu ernst, um nicht jede per­ sönliche Rücksicht schwinden zu lassen; und eS sollten sich Alle, die den Muth und die Kraft dazu haben, und denen die Wohlfahrt Preußens und seines erhabenen RegentenhauseS wahrhaft am Herzen liegt, verbinden, um zu rathen und zu helfen, so weit die Einsichten und die Kräfte eines Jeden reichen. In den nächstfolgenden Blättern werden wir unS zuerst bemühen, die Lage der Verhältnisse treu zu schildern, dem­ nächst auf das Patent vom 3. Februar 1847 übergehen und zeigen, welche Hoffnungen dieses in unS erweckt, welche Män­ gel eS enthält, die beseitigt werden müssen.

Unser Bestreben

wird durchweg entschieden dahin gerichtet sein, dem Lande zu beweisen, wie Alles dazu auffordert, bei dem Ausbau der Verfassung mit Aufrichtigkeit auf den Plan drS König- einzugehen und ihn zu unterstützen. Wir werden «S aber auch nicht verschweigen können, daß dem System der Regienmg die Konsequenz fehle, welche allein den Erfolg sichert, daß mithin noch manche Aendemngen ein­ treten müssen, um dem Throne die Stärke zu verleihen, deren er einer so bewegten Zeit gegenüber bedarf, und daß es da­ her nöthig sei, die Aufregung und die Uebel, die damit ver­ bunden sind, auf eine Weise zu beschwichtigen, die gegen künf­ tige Wiederholungen schützt. Wenn wir nun bei den Besprechungen über diese Gegrn13

*

196 stände nicht werden umhin können, auch auf die Fehler hin­ zuweisen, die begangen worden sind, so wie darauf, wie un­ zureichend und unausführbar manche der angewandten Heil­ mittel sind; so werden wir uns dock bei diesen Besprechungen in den gemessensten Schranken halten, und jede Aufregung vermeiden, da wir wohl wissen, daß diese nur zu leicht zu leidenschaftlicher Blindheit führt.

Wir wählen daher auch zu

unserm Motto den Ausspruch : daß nur da, wo Achtung, Liebe und Vertrauen die Krone umschlingt, und von dieser auf das Volk wohlthuend zurückfallt, Segen zu erwarten sei, und eS nur da einen inneren Frieden geben könne. Wenn der Aufruf von 1813 und das Patent von 1847 dasselbe Ziel haben, nämlich die Sicherheit, die Selbstständig­ keit und die Wohlfahrt Preußens, so unterscheiden sie sich je­ doch dadurch, daß Friedrich Wilhelm der Dritte seinem gan­ zen Volk die Waffen zuversichtSvoll in die Hand gab, und es für unmöglich hielt, daß von diesen rin anderer Gebrauch ge­ macht werden könne, als gegen den Feind; daß sich dagegen in dem Patent vom 3. Februar 1847 ein entschiedene- Miß­ trauen auSspricht, indem durch Maaßregeln verschiedener Art dahin gewirkt wird, daß die Wünsche, Bitten und Klagen der Majorität deS preußischen Volks nicht bis zum Ohr deS Mo­ narchen durchdringen. Und dennoch hat, trotz dieses Zeichens von Mißttauen auf der einen Seite, die Hochherzigkeit drKönigS seinem Volke andererseits einen Beweis des größten Vertrauens geschenkt, indem er den vereinigten Landtag zu-

197 fammmberufen hat. Aus den Verhandlungen desselben wird als Resultat hervorgehen, ob die Regierung Grund zum Miss­ trauen, oder der König Ursache zum Vertrauen hat. Die erste Frage, die wir zu untersuchen haben, geht da­ hin: ob in der Vergangenheit Gründe zu einem so großen Misstrauen gegen daS preußische Volk vorhanden seien, die eS nöthig machen, solche Erschwerungen eintreten zu lassen, daß eS fast unmöglich wird, die Bitten bis vor den Thron zu brin­ gen? Wahrlich, eS giebt deren keine, eS darf keine geben, und wenn dergleichen beständen, so wiese dies auf einen un­ rettbaren Zustand hin, so könnte man daS Land nur aufge­ geben. Da eS aber gewiß ist, daß, wenn Mangel an Ver­ trauen sich zwischen König und Volk eindrängt und längere Zeit fortdauert, dann das Uebel unheilbar werden kann, so ist eS hier um so mehr an der Stelle, über diesen Punkt Aufklärung zu erhalten, weil dadurch zugleich am sichersten eine gewisse Befangenheit gehoben wird, die auf beiden Sei­ ten bestehen mag. Wer mit Aufmerksamkeit der Bewegung gefolgt ist, welche in neuester Zeit die Völker ergriffen hat; wer eS weiß, zu welchen Ausgeburten eine geistige Zügellosigkeit nur zu oft führt; wer Zeuge von den vrrhängnißvollen Ereignissen ge­ wesen ist, welche dadurch anderwärts herbeigeführt sind, und eS daher weiß, wohin eS kommen kann, wenn die Lenker der Schicksale der Völker die Zeit verkennen und den rechten Au­ genblick versäumen, sich an die Spitze der Bewegung zu siel,

198 len: der wird, wenn er auf die Zustände blickt, wie sie jetzt in Deutschland und in Preußen bestehen, nicht leugnen kön­ nen, daß im Allgemeinen volle Ursache zum Mißtrauen vor­ handen sei. Da eS recht eigentlich die Aufgabe der Regierung ist, die öffentliche Sicherheit zu überwachen, Vieles aber anderist, als eS sein sollte, so scheint eS gerechtfertigt, wenn sie ein gewisse- Mißtrauen zeigt.

Allein es giebt Verhältnisse, wo

eine begründete Veranlassung vorhanden ist nicht nur zu einem in den Verhältnissen sondern auch zu einem in den Personen begrünbeten Mißtrauen, ja selbst zu beiden, wie eS jetzt wohl der Fall sein möchte. Niemand ist es verborgen, daß sich ein entschiedener, in Preußen nie gekannter Geist der Opposition in allen Theilen der Monarchie, in den neuen wie in den alten Provinzen, rmd mehr oder weniger in den meisten Klas­ sen der Bevölkerung zeigt; wie kann eS vaher fehlen, daß die­ ser der Regierung Besorgnisse einflößt, und zwar um so grö­ ßere, jemehr dieser Geist der Opposition zum Theil eine feind­ liche, destructive Richtung nimmt, und mitunter schon im EommunismuS oder in einem schändlichen PaSquillenwesen den höchsten Gipfel erreicht hat.

Allein eben so begründet erscheint

aus der anderen Seite das Mißtrauen gegen manche Maaß­ regeln der Regierung, wenn man erwägt, daß es noch vor wenigen Jahren kein Volk in Europa gab, welches größere Verehmng, Hingebung und Liebe zu seinem erhabenen Mo­ narchen bezeugte als das preußische, und daß eS noch mit der größten Begeisterung die Thronbesteigung des jetzigen Königs

199 begrüßte; daß mithin eine so beklagen-werthe Umwandlung nicht ohne allen Grund eingetreten sein könne. Worin dieser liege, ob in dem Mangel an einem festen politischen System oder in Verwaltung-mißgriffen, wird aus dem weiteren Ver­ lauf der anzustellenden Untersuchungen vielleicht hervorgehen. Vorläufig kann wohl als feststehend angenommen werden, daß der preußische Monarch ebenfalls Grund zum Mißtrauen ge­ gen die befolgten Maaßregeln der Verwaltung habe. Wir wollen nun ferner untersuchen, ob e- äußere Zei­ chen gebe, welche die Regierung beunruhigen und gegen den guten Geist der Majorität des preußischen Volkes oder seiner Repräsentanten mißtrauisch machen können, oder ob die Gründe dafür nur einzelne Fractionen de- ersteren treffen. Gehen wir auf die früheren Verhandlungen der Landtage zurück, so haben sich die meisten derselben mehr indiffe, »ent gezeigt und, voll Vertra»»en zum .Könige, ihre Wünsche »nd »vaS ihnen sonst »vohl im Bedürfniß des Landes zu lie­ gen schien unterdrückt. Von «»»deren Provinziallandtagen da­ gegen, in welchen daS Bedürfniß einer inneren Kräftigung »vegen der Grenznachbarfchaft gefühlt »vard, und in welchen deshalb auch da- Bedürfniß nach einer Verfassung lebhafter gefühlt »vurde, gelangten wiederholte Anträge auf eine reich-, ständische Verfassuilg und liberalere Jnstittltionen an die Re­ gierung, »velchr dieser mißfielen, weil sie nicht gedrängt sein wollte, und »veil dieselben die Aufregung vermehrten. Allein hierin liegt kein Grund zum Mißtrauen gegen den guten Geist

200 dieser Landrstheilc.

Wollte man aber bei Entscheidung die­

ser Frage sich blos an die öffentlichen Manifestationen einzel­ ner Communen und Eorporationen und an den Tenor der meisten Tagesblätter und Flugschriften halten, und daraus auf die allgemeine Stimme dcS ganzen preußischen Volkes schlie­ ßen, so würde freilich dies ein sehr betrübendes Resultat lie­ fern; allein wer dies thun wollte, ist mehr als befangen, ver­ kennt

die

guten

und loyalen Gesinnungen

des preußischen

Volks gänzlich, und es wäre mir zu beklagen, wenn Scheingründe dieser Art zu Verdächtigungen benutzt werden sollten. Diejenigen, die etwa aus Kurzsichtigkeit, aus Unbekannt­ schaft mit den wahren Gesinnungen deS Landes, aus Befan­ genheit oder aus anderen Gründen solche Ansichten bei dem verehrten Monarchen Preußens zu erwecken versuchen wollten, würden daS Herz des um sein Volk bekümmerten Monarchen verwunden, und dem Throne mehr schaden, als alle Scbreier und Bläffer,

so viele

cs deren auch geben mag.

Ta nur

Wahrheit allein wahrhaft nützt, so wollen wir diese nach be­ stem Wissen und Gewissen geben. Richtig ist es, daß im ganzen Lande eine große Miß­ stimmung besteht, daß dazu voller Grund vorhanden ist, und daß jeder, der mit Liebe an König und Vaterland hängt und selbst etwas zu verlieren hat, mit den größten Besorgnissen erfüllt wird: wenn er auf der einen Seite die Maaßregeln der Verwaltung verfolgt, auf der anderen sieht, welche beunruhi­ gende Symptome sich allenthalben zeigen, in welchem Maaße

201 die materielle Wohlfahrt bereit- finkt und di« Verwilderung im Volke zunimmt. Diese Besorgniß steigert sich aber noch dadurch, daß die demokratische Richtung der Zeit und die Macht, die sich in dieser entwickelt hat, verkannt wird, und man eS daher ver­ säumt, ihr eine heilsame Richtung zu geben, daß man die conservativen Elemente zwar protegnen möchte, allein sie immer mehr absterben läßt, daß man in einer solchen Zeit Alleaufregt, aber nicht die rechten Wittel wählt, diese Aufregung zu beschwichtigen, daß die Gesetzgebung und alle inneren Ver­ hältnisse dringend einer Reform bedürfen, daß eS aber an dem Organ fehlt, sie ins Leben zu rufen: mit einem Worte, daß die Regierung eine Ausgabe zu lösen hat, ohne die Mittel zu besitzen, die- zu können. Zu allen genannten Besorgnissen tritt noch die hinzu, daß die mangelhafte Organisation der Verwaltung eS dahin gebracht hat, daß, so unendlich zahlreich sie auch ist, sie doch unter dem Druck der Geschäfte zu Grunde geht, und bei jeder neuen Besetzung höherer Stellen e- an geeigneten Personen fehlt, und daß bei Besetzung derselben oft Rücksichten eintre­ ten, die im ganzen Lande zu großer Beunruhigung die Ver­ anlassung geben. Sehr leicht erklärt e- sich wohl, daß unter solchen Ver­ hältnissen eine Mißstimmung allgemein verbreitet ist, und man trübe in die Zukunft sieht, sowie daß unter solchen Umstän­ den die große Majorität de- Volke- sich ganz passiv bei den

202 Angriffen verhält, welche die Regierung erfährt, da ihr jelc Gelegenheit zur Einwirkung fehlt, und ihr nichts übrig bleibt, als in voller Passivität abzuwarten,

wie sickr das Schicksal

des Landes entwickeln werde. Daß wir im Vorhergehenden die wahre Lage der Verhältniffc und die bestehende Stimmung angedeutet haben, wird man nicht in Abrede stellen können; die nächste Versammlung der Stände wird vielleicht darüber Aufklärung geben. Ein jeder Grund zum Mißtrauen gegen den guten unv gesunven Sinn des preußischen Volks fehlt aber durchweg, und es wird nur darauf ankommen, daß der Monarch fortfährt seinem Volke Vertrauen zu beweisen und ein System zu ver­ folgen, welche- den Thron befestiget,

billigen Anforderungen

des Volkes genügt, so daß in Folge dessen die Barrieren fal­ len, welche jetzt zwischen dem Könige und seinem Volke gezo­ gen sind — und der Mißmuth wird sich in Freude vmvmv dein, alle schlechten Elemente werden ihre Kraft verlieren und in ihr Nichts zurücksinken. Bevor wir nun zur weiteren Prüfung des Patents vom 3. Februar 1847 übergehen — welches jedenfalls, man mag über die einzelnen Punkte urtheilen wie man will, einen we­ sentlichen Fortschritt in der Verfassung verspricht — uns gestattet,

sei cs

unsere Ansicht im Allgemeinen über diejenige

Verfassung offen auszusprechen, welche nach unserer Ueberzeu­ gung dem Throne Sicherheit und Stärke, den Bedürfnissen deS Volkes Befriedigung gewährt.

Wir halten uns dazu im

303 tigenen Interesse verpflichtet; denn Consequenz kann mit Recht von Jedem gefordert werden, der ein politisches System ver­ ficht, und wir hoffen, daß unsere früheren Leser dieselben Grundprincipien, die wir bisher verfochten haben, wieder fin­ den werden. Inzwischen wie man nach Rom auf verschiedenen Wegen reisen kann, so sieht man sich auch im politischen Leben öfters genöthigt, auf einem andern Wege zum Ziele zu gelan­ gen. Die Consequenz, dies wollen wir nur befürworten, liegt daher nicht immer in der Form, sondern in dem Endziel. In unseren früheren publicistischen Schriften haben wir daS System der ständischen Monarchie ausgestellt und uns für ein Einkammersystem ausgesprochen. Der König hat sich für ein andere- erklärt; es bleibt daher nichts übrig, als un- an das Gegebene zu halten und die Form auszusuchen, um den­ noch daö Ziel zu erreichen, welches uns als daS rechte erscheint. Unserer früheren Ueberzeugung getreu, welche sich auch durch die seit vier Jahren eingetretenen äußeren und inneren Umgestaltungen nicht geändert hat, halten wir die monarchi­ sche Regierungösorm ohne Theilung der Gewalt für die für Preußen angemessenste, und mit Rücksicht aus alle Berhältnisse auch die in Bezug auf Deutschland und die Nachbarstaaten für jetzt *) einzig passende. *) Es würde die größte Unkunde der Geschichte der Völker verrathen, eine Verfassung auf ewige Zeiten proklamiren zu wolle». Die beste Verfassung eines Landes kan» nur aus den» Grade der Eivilisation der Nation hervorgehe», und aus den GesamnUverhält-

204 Der Grundsatz ist aber leitend, daß die Regierung, je stärker sie ist, desto unbesorgter dem Volke die möglichst größ­ ten Freiheiten einräumen könne. Eine Monarchie, die, wie Preußen, mit geringen physi­ schen Kräften ihre Unabhängigkeit behaupten und eine Macht ersten RangeS bleiben will, in der muß die ganze Kraft der Regierung concentrirt, das Volk ein kernhafteS sein. wird es aber nimmermehr werden können, wenn

Dies

ihm nicht

eine freie Bewegung gestattet, und die Verwaltung seiner Communalangelegenheiten und politischen Rechte eingeräumt wird. ES besteht bei den Anhängern der constitutionellen Ver­ fassungen die Meinung, eine berathende Kammer habe zu wenig Einfluß der Büreaukratie gegenüber, um die Interessen der Krone und deS Volks (denn diese sind nie zu trennen) ver­ theidigen zu können.

Hierin liegt ein großer Irrthum.

moralische Kraft ist stark genug, um die- zu vermögen;

Die eS

versteht sich dabei aber von selbst, daß die die Nation vertre­ tende Ständeversammlung von so richtigen Ansichten ausgehen müsse, daß

die einzelnen Stände sich nicht einander eifersüch­

tig bekriegen und die Verwaltung dann den Ausschlag nach der Seite hin zu geben vermag, nach der sie sich lenkt. Daß den Ständen zwar int Allgemeinen nur eine bera­ thende Stimme, jedoch bei den Steuern und der Eontrahirung

niffrn, in welchen sich da- Land

bei Ertheilung derselben befindet,

und muß daher jeder weiteren Entwicklung geöffnet bleiben.

205 von Staatsschulden eine entscheidende zustehe, sowie, dass ihre Gmehmigung zur Abänderung der Verfassung und aller Ge­ setze, aus welchen bereits persönliche und dingliche Rechte er, wachsen sind, erfordert werden müsse, sind Grundbedingungen deS Systems, zu dem wir uns bekennen.

Kommen wir nun

in

diesem unserm politischen GlaubenSbrkenntniss zu dem so

oft

vielfach

verschieden

gedeuteten Punkt deS Absolutismus,

so wollen wir um so weniger Bedenken tragen, unö auch über diesen auSzusprechrn, weil er so häufig zu Missverständnissen führt.

Der Absolutismus (zu deutsch die Willkürhrrrschaft),

der früher in Europa ganz unbekannt war, kann seiner Na­ tur nach auf keinen Rechtötitel Anspruch machen, sondern besteht immer nur faktisch.

Daß der Absoluti-mu- anti-

germanisch sei, bedarf als feststehend keines Beweise-, und eben so wenig, daß er antichristlich sei;

denn wie ist eS mit den

Lehren drö Christenthum- vereinbar, daß viele Millionen Men­ schen, die vor Gott alle gleich sind, der Willkür eine- Ein­ zigen anheimfallen sollten"). Inzwischen kann von diesem Absoluti-mu» auch wohl in Preußen nicht die Rede sein; dagegen werden aber die Be­ griffe

von absoluter Monarchie und von Absolutismus sehr

häufig mit einander verwechselt. DaS Wort Monarch deutet auf Alleinherrschaft, der Zu-

*) Diejenige», die sich mit unS zur Ansicht eines christlich» grrma'iischen Staate- bekennen, werden uns unbedingt beipflichten müssen.

206 sah absolut wird uneigentlich häufig für uneingeschränkte Herr­ schaft, der beschränkten Herrschaft gegenüber gebraucht.

Ter

Absolutismus bezeichnet, wie gesagt, Willkürherrschast; die mo­ narchische Verfassung seht die Herrschaft der Gesetze voraus; darauf deuten schon die Attribute hin, die ihr beigelegt sind. Tiefe bestehen in der gesetzgebenden, rrecutiven und oberrich­ terlichen Gewalt, welche letztere sich dahin erstreckt, daß der Monarch

allein die TodeSnrtheile unterschreibt und die Be-

gnadigungsbefugniß

ausübet ').

Wenn diese drei Gewalten

sich vereint in der Hand des Monarchen befinden, so weiset dies auf eine rein monarchische Verfassung hin, und diese ist eS, die Preußen hat und zum Wohl deS Landes behalten muß. Ganz unrichtig ist daher die zuweilen geäußerte Ansicht, der König vergebe etwas von den Rechten der Krone, wenn er seinem Volke eine Verfassung ertheile; nicht durch daS Wort Verfassung vergiebt er der Krone Rechte, sondern nur dann, wenn er in dieser einö der drei vorhin bezeichneten, der rein monarchischen Verfassung anklebenden, Rechte abtreten wollte. Durch

ein Grundgesetz

werden in politischer Beziehung die

Pflichten und Rechte der Unterthanen und der Stände unter

*) Man hat behaupten

wollen, daß

der Monarch vermöge

seiner oberrichterliche» Gewalt auch selbst erkennen könne; dies ist eine Lehre, dir sehr gefährlich ist und den gesetzlichen Zustand, das Fundament der Gesellschaft

bedroht.

In den geordneten monar­

chischen Staaten ist die richterliche Gewalt den Gerichtshöfen über­ tragen und kann nur von diesen geübet werden.

Carl der Große

sprach in Person Reckt, weil es danial-i noch keine Gerichtshöfe gab.

207 sich festgesetzt.

Es ist die- für den künftigen inner» Frieden

von der höchsten Wichtigkeit und die Krone dabei am meisten betheiligt, denn sie hat in Zeiten, wie den jetzigen und viel­ leicht bei jeder künftigen Thronbesteigung viel mehr Grund zu Besorgnissen, daß man ihre Rechte anzutasten versuche, als eS umgekehrt der Fall sein wird;

daher scheint eS nöthig, die

Verhältnisse so gründlich wie möglich definitiv zu ordnen. So viel steht aber jedenfalls unumstößlich fest, daß der preußische Monarch durch Ertheilung einer Verfassung

(eines

Grundgesetzes)

den

Rechten

der

Krone nicht ein Haarbreit vergiebt. Vorhin ist gesagt, daß unserer Ansicht nach Preußen nur einer blos berathenden Versammlung bedürfe;

eine solche ist

von andern Seiten her für zu schwach gehalten worden, um die Interessen des Volks zu wahren. Die Rathgeber der Krone sind dieser Meinung nicht ge­ wesen, denn daS Patent vom 3. Februar 1847 beweiset durch die große» Einschränkungen, welche dem Prtitionsrecht gegeben werden, daß man den Thron noch nicht für hinlänglich ge­ schützt halte, wenn dem Volke ein

freies Petitionsrecht ein­

geräumt werden sollte. Wir bekennen uns in dieser Beziehung theils für, theils gegen die Ansicht der Minister: gegen die Anficht, weil es unmöglich ist, daß man den Stän­ den eines großen Reichs, Fürsten,

weniger

den Kindern eines deutschen

einräumen

kann,

als das Recht,

die Bitten ver Majorität deS Volks zur Kenntniß

208 de- König- bringen zu dürfen, ein Recht, welches je­ dem Bürger in Preußen und in allen rivilisirten Ländern der Welt zusteht.

Für die Ansicht der Minister sind wir insofern,

weil auch wir von der Ueberzeugung ausgehen, daß der Thron, selbst einer einzigen nur mit dem Petitionsrecht ausgestatteten allgemeinen Ständeversammlung gegenüber, der Stärkung be­ darf.

Allein wir glauben, daß diese nur in einer zeitgemäßen

organischen Institution zu finden sei, in einem Zweikammer­ system, wo die eine Kammer nicht hemmend, sondern hülsreich neben der andern steht *). Schon vorhin ist gesagt worden, daß die Demokratie und die geistige Macht, die sich immer größere Geltung zu ver­ schaffen weiß,

die volle Beachtung

ES kann nicht oft

genug

daran

der Regierung

erinnert werden,

verdiene. daß

die

Demokratie, welche die Bewegung repräsenlirt, ebenso heilsam als zerstörend werden kann: konservative Elemente

heilsam, wenn sie durch starke

einem Strome gleich, der durch

daS

Land fließt, in ihrem Bett gehalten wird, und dann wie die­ ser Segen über daS Land verbreitet! zerstörend, wenn man den Lauf des Stromes, der nicht aufzuhalten ist, durch Schleu-

*) Wenn wir uns früher gegen ein Zweikammersystem aus­ gesprochen haben und e- jetzt befürworte», so liegt dies nicht in einer Aenderung deS Systems,

sondern

darin, daß,

wie

wir uns

oben ausdrückten, es mehrere Wege nach Rom giebt, und daß wir den, auf welchen wir angewiesen sind, verfolgen müssen.

109 feit schließen wollte: unzweifelhaft würde er diese durchbrechen und die Fluren verheeren. Doch wir haben hier nur dem Leser in wenigen Wor­ ten unsere politischen Ansichten über die VersassungSform selbst entwickeln wollen, damit er wisse, woran er mit unS sei; die Ausführung behalten wir unS im weiteren Tert dieser Schrift vor. In den fünf Jahren, seitdem wir uns zuerst über die preußische Verfassung vernehmen ließen, sind in den inneren politischen Zuständen und in den Ansichten der Einzelnen wichtige Veränderungen vorgegangen. Ueber die unerfreu­ liche Seite derselben haben wir schon oben und in den ftüheren Abschnitten dieses Buches manche Andeutungen gege­ ben; jetzt wollen wir uns mit einer mehr erfteulichen un­ terhalten. Als Preußens Monarch gleich nach seiner Thronbestei­ gung hochherzig der ständischen Provinzial-Versassung neues Leben ertheilte, stand die politische Entwickelung in Preußen aus einer sehr niedrigen Stufe, und der Antheil, den die Stände an ihren politischen Rechten nahmen/ war in Folge der Unbedeutenheit derselben, nur mit Ausnahme von Preußen und der Rheinprovinzen, kaum nennenSwerth. Da die Censur eS der periodischen Presse seit vielen Jah­ ren nicht gestattet hatte, sich mit VersassungSsragen und über­ haupt mit Politik zu beschäftigen, so waren eS die fron« zöfifchen und englischen Zeitungen, welche eS übernahmen, unS 14

210 Deutsche in der Politik zu unterrichten. Damals bestanden in den Köpfen derer, die sich mit dem Gegenstände beschäftigt hatten, wahrlich die allerunklarsten und konfusesten Ansichten. Dazu kam, daß vielleicht die Mehrzahl keine Verfassung haben wollte, und wünschte, daß die Regierung der materiellen Wohl­ fahrt mehr Aufmerksamkeit schenken imb durch eine zweckmäßige Organisation der Verwaltung die vielen Beschwerdeu entfer­ nen möchte, die über den langsamen Gang der Geschäfte im­ mer lauter wurden. Inzwischen gab es noch eine Rücksicht, weshalb sich viele gegen eine Verfassung erklärten. Immer mehr und mehr ward daS Bedürfniß empfunden, daß in der Gesetzgebung und in so vielen auf die bürgerliche Gesellschaft bezüglichen Verhält­ nissen recht bald wesentliche Veränderungen vorgenommen wür­ den, und mail besorgte, daß in dieser Beziehung die ständische Verfassung hemmend wirken könne. Wenn daher zu jener Zeit eine Fortbildung der Verfassung verlangt wurde, so kann man mindrstenK behaupten: daß die politische Vorbildung größtentheilS fehlte, daß die Wichtigkeit einer Verfassung und die Vortheile, die sie dem Volke versprach, keineswegs begrif­ fen wurden; daß sie mithin damals, wenn wir auf die große Masse sehen, noch nicht an der Zeit war. Eine sehr wesent­ liche Veränderung ist aber in dieser Beziehung seit jener Zeit eingetreten, sowohl in den politischen Ansichten, als in Hinsicht deS Bedürfnisses. Viele Ursachen haben zu dieser Umwandlung beigetragen,

211 und selbst eine bedeutende Annäherung der früher so sehr von einander abweichenden Ansichten ist erfolgt. Wir wollen, um nicht zu weitläufig auf die Sache ein­ zugehen, nur die wesentlichsten Ursachen hervorheben. Als solche lassen sich bezeichnen die auf den letzten beiden Provinzial - Landtagen lebhafter gewordenen Debatten der Stände und die Veröffentlichung derselben. Besonders hat der rheinische Landtag den Beweis der schnellen politischen Bildungsfähigkeit der Deutschen geliefert. Nicht völlig gleichen Schritt mit diesem hat der preußische Landtag gehalten. Beidm möchten wir jedoch vorwerfen, daß sie darnach gestrebt haben, dem Gebäude ein Dach zu geben, ehe eS ein Funda­ ment hatte. Auch die größere Freiheit der Presse, welche seit dem Regierungsantritt des Königs besteht, hat einen entschie­ denen Einfluß auf die Berichtigung der politischen Ansichten und auf daS größere Interesse für die allgemeinen Gegenstände gehabt. Sehr viel hat ferner die Erfahrung, wie wenig acht ifolirte Kammem nützen können, dazu beigetragm, das Bedürf­ niß allgemeiner Stände empfinden zu lassen. Denn zu wie geringm Resultaten habm die Berathungen jener geführt, und wie viel haben sie nicht dazu beigetragen, die Mißstimmung und die Aufregung zu vermehren? Sehr unglücklich war jedenfalls die Stellung der Regie­ rung diesm acht Kammern gegenüber. DaS Mangelhafte der Gesetzgebung bestimmte die Stände eine Menge Petitionen zu übergeben; da die Regierung sich aber verpflichtet hatte, 14'

212 keine allgemeinen Gesetze zu erlasse», ohne die Stande gehört zu haben, allgemeine Stände aber fehlten, so war sie gezwun­ gen, den Standen oft abschlägliche oder ausweichende Antwor­ ten zu ertheilen, was natürlich schmerzlich empfunden ward. Allein auch die Gesetzentwürfe, welche den Provinzialkammern zur Begutachtling vorgelegt wurden, führten oft zu keinem Resultat, sondern blieben demnächst im StaatSrath begraben. Wir wollen unter so vielen anderen zur Unterstützung unserer Behauptung nur ein Beispiel anführe».

Auf dem Landtage

von 1843 wurde den acht Provinzial-Landtagen ein im drin­ gendsten Bedürfniß liegender Gesetzentwurf über die Jagd- und Forstordnung vorgelegt.

Alle acht Landtage erklärten sich da­

mit einverstanden; und nun liegt der Entwurf seitdem in den Acten des Staatsrathö mit so vielen anderen begraben. Es kann sich daher wohl Niemand wundern, daß der langsame Fortgang in der Gesetzgebung, die immer steigende Aufregung im ganzen Lande, die Sorge, daß diese die innere Ordnung ernstlich bedrohe — verbunden mit der geringen Auf­ merksamkeit, welche die Verwaltung den materiellen Interessen schenkt, was die Erschütterung der Geld« mtb Kreditverhältnisse zur Folge gehabt hat — zu der allgemein verbreiteten Ueber­ zeugung geführt haben: daß die Regierung in der Verwaltung allein nicht die Mittel besitze, so viele Uebelstände zu beseiti­ gen, daß diese sich immer höher steigern und die innere Ruhe immer mehr bedrohen werden, wenn sich der Thron nicht mit allgemeinen Ständen umgiebt, auf deren Rathschläge er sich

213 zurückziehen kann und deren Mitwirkung ihn in de» Stand setzt, den mannigfachen Bewegungen im Staat unb in der Kirche entgegenzutreten. Daher haben sich denn auch fast alle Stimmen darüber vereint, daß die Ertheilung einer Verfassung im dringendsten Bedürfniß liege, und daß nur durch sie allein großes Uebel abzuwenden und die Unruhe der Gemüther zu beschwichtigen sei. Wenn nun diese große Veränderung in den Ansichten über die Verfassung ins Auge gefaßt wird, so geht daraus in gerechter Schlußfolge hervor, daß der König den rechten Zeit­ punkt gewählt hat, um mit der weiteren Entwickelung der­ selben vorzugehn, und daß er sehr wohlgethan hat, sich früher nicht drängen zu lassen, sondern den Zeitpunkt abzu­ warten, wo die Nothwendigkeit der Einführung allgemein an­ erkannt würde. Weniger einig möchten die Stimmen über die Verfassung selbst lauten, obgleich auch in dieser Beziehung eine wesentliche Annäherung in Hinsicht mehrerer Hauptpunkte eingetreten ist. Die erste und die entscheidende Stimme ist die des Kö­ nigs: und eS scheint, als wenn seine Ansicht sich in dem Pa­ tente vom 3ten Februar 1847 ausgesprochen habe. Wir sagen: es scheint! denn manche Bestimmungen unter­ liegen einer verschiedenen Deutung und bei andern bleibt ezweifelhast, ob nicht manche Einwirkungen dabei stattgefunden haben. Jeder wird sich leicht davon überzeugen können, daß bei

214 einem so wichtigen Act viele Stimmen gehört werden müssen, und daß in solchen Fällen oft etwa- hinzukommt, anderes fortbleibt, was, so unscheinbar eS auch an und für sich sein mag, oft eine Veränderung in dem Ganzen hervorbringt, die man nicht vorhergesehn hatte. Doch dem mag sein wie ihm wolle: soviel steht fest, daß der Monarch durch die weitere Entwickelung deS ständischen Wesens und der Errichtung eines Herrenstandes einen höher» Zweck ins Auge gefaßt, und seinem Volk eine große Wohl­ that erwiesen hat; und daß, wenn eS sich aus der weitern Beleuchtung des Patents und der ständischen Berathung er­ geben sollte, daß, unbeschadet der Rechte der Krone, manche Modification noch nothwendig sei, um den landeSväterlichen Zweck zu erfüllen, die Zustimmung deS Königs hiezu nicht ausbleiben werde. Eine Bürgschaft für diese Ansicht finden wir in den eigenen wiederholten Anreden deS Monarchen an sein Volk. Wir theilen aus den halboffiziellen Motiven, welche mit'Bezug auf das Patent vom 3ten Februar 1847 die StaatSzeitung vom 5ten Febmar veröffentlicht hat, die sich hierauf beziehende Stelle um so lieber mit, da sie unsere An­ sichten imb Hoffnungen bestätigen; sie lautet: „DaS Ergebniß einer weisen Fürsorge Sr. Majestät deS Hochseligcn Königs ist dahin gegangen, allen Theilen der Monarchie eine Provinzial- und Kreisständische Verfassung zu verleihen." „Sie hat eine auf deutschem Boden wurzelnde geschicht-

815 liehe Grundlage, die Grundlage ständischer Gliederung, wie diese durch die überall berückfichtigten Veränderungen der Zeit gestaltet worden. Sorgsältig ist ein die freie organische Ent­ wickelung hinderndes Abschließen der natürlichen Stände de» Volks auf der einen und ein Zusammenwerfen derselben aus der andern Seite vermieden worden. Unö ist die Ehre zu Theil geworden, an diesem Werke mitzuhelfen, und eö hat von seiner Entstehung an bi- auf diesen Augenblick Unsern lebendigsten Antheil in Anspruch genommen. Die­ se- edle Werk immer treu zu pflegen, einer für da- geliebte Vaterland und für jeden Landestheil immer ersprießlicheren Entwickelung entgegen zu führen, ist Uns, die Wir entschlossen sind, auch in dieser großen Angelegeuheit den von Unserem in Gott ruhenden Herrn Vater betretenen Weg zu verfolgen, eine der wichtigsten und theuersten Pflich­ ten des Königlichen Berufes, den Gottes Fügung Uns aufgetragen hat." Mit der Ansicht deS Monarchen stimmen auch die Wün­ sche der großen Mehrzahl deS Volks überein, daß Preußen eine ständische Vertretung zusage und keine Volks-Repräseutation, und daß das monarchische Princip und die wohlver­ standenen Rechte der Krone unverletzt erhalten bleiben müssen. WaS den letzten Punkt betrifft, so ist nicht zu leugnen, daß sich gegen diesen manche abweichende Stimmen erheben, die von der Ansicht ausgehen, daß eine beschränkte monarchische

216 Form mit einer Verfassung, wie sie in den constitutioncllen Staaten besteht, mehr Kraft und größere Dauer verspreche. Eine noch größere Verschiedenheit der Ansichten zeigt sich über die Form der Repräsentation und über die Vertheilnng der Stimmen unter den verschiedenen Ständen. Da eS inzwischen an einem Maaßstab zum Urtheil fehlt, für welche Ansicht, ob für ein Ein- oder Zweikammer-System und so weiter sich die Majorität ausspricht, so wird es wohl am Besten sein, dies hier aus sich beruhen zu lassen und ju erwarten, wie sich die allgemeinen Stände über die verschie­ denen Gegenstände aussprechcn werden. Nachdem wir bemüht gewesen sind, in den vorstehenden Blättern den Leser mit den Zuständen und politischen Ansich­ ten in Preußen bekannt zu machen — was nöthig schien, nicht blos einer allgemeinen Uebersicht, wegen, sondem auch zur Begründung eines Urtheils über die Wirkung, welche von dem neuen Gesetz aus die künftige Entwickelung der ständi­ schen Verhältnisse zu erwarten ist — werden wir unS jetzt mit dem Patent vom 3ten Februar bekannt machen und mit den verschiedenen organischen Institutionen, die die Huld deö Kö­ nigs dem Lande zugedacht hat.

Demnächst beabsichtigen wir

die einzelnen Punkte in der Hinsicht zu prüfen, in wiefern sie dem Zweck des Königs und den Interessen des Landes wirk­ lich zusagen können, oder welche Modificationen noch nothwen­ dig scheinen. Zum Schluß werden wir eine Zusammenstellung folgen lassen, welche Form der ständischen Repräsentation gege-

217 den und welche Befugnisse ihr zugetheilt werden können, um einerseits innerhalb der Grenzen zu bleiben, die der König selbst bestimmt hat, und um andererseits ihr eine ihrem Beruf entsprechende, eineö großen Reichs würdige, Organisation zu ertheilen, ebenso geeignet, dem Thron eine größere Kraft zu verleihen, wie dem Volke eine Bürgschaft für die Bewahrung der ihm zugetheilten Rechte und Freiheiten zu gewähren.

Das Patent vom

». Februar 184t, die ständischen Einrichtungen betreffend.

So weit wir davon entfernt sind, auf eine Wortklauberei einzugehen, so können wir eS doch nicht unberührt lasten, wie wenig eine Ueberschrifi passend erscheint für ein Gesetz, durch welche- der König feinem Volke eine allgemeine ständische Re­ präsentation verleihet und die Bildung von drei ständischen Justi« tntionen beabsichtiget. Wahr bleibt eS, daß eS weniger auf den Namen als auf die Sache ankommt; wenn aber diese stän­ dische Einrichtung die Verheißungen des vorigen Königs ersetzen soll, welche in den Gesetzen von 1810, 1812, 1815 und in dem vom 17. Januar 1820 seinem Volke eine Reichs­ ständische Verfassung in Aussicht stellen, so wäre es doch wohl passender gewesen, eine Bezeichnung zu wählen, die der Bedeutung, welche sie hat, mehr entsprochen hätte — und wäre eS auch nur geschehen, um mißwilligen Deutungen vor­ zubeugen.

219 Das Patent selbst tautet: 2Öic re. ic. „ Seit dem Antritt Unserer Regierung haben Wir der Entwickelung der ständischen Verhältnisse Unseres Landes stets Unsere besondere Sorgfalt zugewendet. Wir erkennen in dieser Angelegenheit eine der wichtigsten Aufgaben d«S von Gott Uns verliehenen Königlichen Berufs, in welche» uns da- zwiefache Ziel vorgesteckt ist, die Rechte, dir Würde und die Macht der UnS von Unseren Vorfahren ruhmreichen Andenken- vererbten Krone unversehrt Unseren Nachfolgern in der Regierung zu bewahren, zugleich aber auch den getreuen Ständen Unserer Monarchie diejenige Wirksam­ keit zu verleihen, welche, in Einklang mit jenen Rechten und den eigenthümlichen Verhältnissen Unserer Monarchie, dem Vaterland« eine gedeihliche Zukunft zu sichern geeignet ist. 3» Hinblick hierauf haben Wir, fortbaitend auf den von Unseres in Gott ruhenden Herrn Vater- Majestät gegebene» Gesehen, namentlich auf der Verordnung über da- Staats­ schuldenwesen vom 17. Januar 1820 und auf dem Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände vom 5. Juni 1823 beschlossen, was folgt: 1) So oft die Bedürfnisse des Staats entweder neue Anleihm, oder die Einführung neuer, oder eine Erhöhung der bestehenden Steuern erfordern möchten, «erden wir die Provinzialstände der Monarchie zu einem Bereinigten Land­ tage um Uns versammeln, um fiir Erstere die durch die Der-

220 ordnung über das Staatsschuldenwesen vorgesehene ständische Mitwirkung

in Anspruch

zu nehmen

und zu Letzterer llns

ihrer Zustimmung zu versichern. 2) Den Vereinigten

ständischen

Ausschuß

werden

wir

fortan periodisch zusammenberusen. 3) Dem Vereinigten Landtage und in dessen Vertretung dem vereinigten ständischen Ausschüsse übertragen Wir: a.

in Beziehung auf den ständischen Beirath bei der Ge­ setzgebung diejenige Mitwirkung, welche den Provin­ zialständen durch das Gesetz vom 5. Juni 1823 §. III. Nr. 2., so lange keine allgemeine ständische Versamm­ lungen Statt finden, beigelegt war;

h.

die durch daö Gesetz vom 17. Januar

1820 vorge­

sehene ständische Mitwirkung bei der Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden, soweit solche nicht der ständischen Deputation für

daS Staatsschuldenwcscn

übertragen wird; e.

das Petitionsrecht über innere, nicht bloß provinzielle Angelegenheiten.

Alles

dies nach näherer Vorschrift der

Verordnungen

vom heutigen Tage: über die Bildung des Vereinigten Landtages; über die periodische Zusammcnbcrufung deS Vereinigten ständischen Ausschusses und dessen Befugnisse, und über die Bildung einer ständischen Deputation für daS Staatsschuldenwesen.

221 Indem Wir sonach über die Zusagen Unseres Höchstseligen Herrn VaterS Majestät hinaus, die Erhebung neuer, so wie die Erhöhung der bestehenden ©teuern an die, im Wesen deut­ scher Verfassung begründete Zustimmung der Stände gebun­ den und dadurch Unseren Unterthanen einen besonderen Be­ weis Unseres Königlichen Vertrauens gegeben haben, erwar­ ten Wir mit derselben Zuversicht auf ihre so oft erprobte Treue iittb Ehrenhaftigkeit, mit welcher Wir den Thron Un­ serer Väter bestiegen haben, daß sie Uns auch bei diesem wich­ tigen Schritte getreulich zur Seite stehen und Unsere — nur auf des Vaterlandes Wohl gerichteten — Bestrebungen nach Kräften unterstützen werden, damit denselben unter Gottes gnädigem Beistände das Gedeihen nicht fehle." Urkundlich ic. k. Sehr dankbar muß es anerkannt werden, daß der Kö­ nig seit seiner Thronbesteigung der ständischen Entwickelung eine vorzügliche Aufmerksamkeit geschenkt hat, und jeder Preuße wird gewiß mit Freude die Worte seines Königs vemommm haben, die besagen, daß er eS für eine der wichtigsten Auf­ gaben seines Königlichen Berufs erkenne, den Ständen eine solche Wirksamkeit zu geben, die seinem Volke einen gedeihlichen Zustand sichere. Unzweifelhaft wer­ den die Stände bei ihrer nahen Zusammenkunft sich nicht nur beeilen, dem Monarchen die Gesinnung der Liebe und Ver­ ehrung seines treuen Volkes lebhaft auszudrücken, sondern auch ihrerseits durch ein besonnenes Eingehen auf die Grund-

222 ideen

des Gesetzes

ihre

ganze

Aufmerksamkeit vorzugsweise

dem Hauptgegenstande, nämlich dem Ausbau der Verfassung selbst, zuwenden.

Sehr zu wünschen ist eS, daß sie zugleich

Alles vermelden, was den Gegnern Gelegenheit geben könnte, das leider noch

nicht

entfernte Mißtrauen

von Neuem zu

erwecken. Laut Inhalt des eben mitgetheilten Patents werden drei neue ständische Institutionen inS Leben gerufen; diese sind: 1) die vereinigten Landtage mit besonderen Befugnissen; 2) die periodisch zusammentretenden Ausschüsse, wiederum mit einem gesonderten Wirkungskreis, und 3) die ständische Deputation für daS Schuldenwesen. Zugleich wird bestimmt, daß die beiden jetzt schon beste­ henden Institutionen, die Provinzial-Landtage und die Communal-Landtage fortbestehen sollen. Fünf gesonderte ständische Jnstitlltionen

bestehen

daher

jetzt, und jede hat bald einen gemeinschaftlichen, bald einen gesonderten Wirkungskreis. Die Communal-Landtage beschäftigen sich mit den Commnnalangelegenheiten des Landestheils, für den sie gewählt sind;

sie erfreuen sich in

selbstständigen

mancher Beziehung

Wirkungskreises

und

eines

verwalten

ihre

ziemlich Com-

munalfonds. Die Provinzial-Landtage bleiben nach der neuesten aller­ höchsten Bestimmung eine berathende Behörde für die speciellen

123 Angelegenheiten der Provinz, insofern diese nicht schon zu« Reffort der Communal-Landtage gehören, und den drei neuen Institutionen werden in der Verordnung gewisse Befugnisse und ein Wirkungskreis zugetheilt, der weiterhin näher beleuch» tet werden soll. Abgesehen davon, daß dem Lande aus diesen 5 ständi­ schen Institutionen bedeutende Kosten erwachsen, so muß eine so gesonderte Bearbeitung von Gegenständen, die in der in» nigsten Beziehung zu einander stehen, nothwendig zu vielen Verwickelungen führen, den Gang der Geschäfte erschweren, die Verwaltung übermäßig belästigen und, wenn sie den Be­ dürfnissen gemäß regelmäßig zusammentreten sollen, daS Pubkieum bald nach dieser, bald nach jener Seite hin in einer beständigen Aufregung erhalten. ES spricht sich übrigens in dieser Vervielfachung der stän­ dischen Behörden dieselbe nachtheilige Tendenz aus, welche durch die ganze Verwaltung jetzt schon dmchläuft, und die Ursache der Stockungen wird, die in dem Geschäftsgänge eintreten. Zu den bedeutendsten Leiden, die uns jetzt treffen, ist das zu zählen, daß bei uns nichts fertig wird. Die Regierung hat die beste Absicht, die vielen «t eitern» ten Mängel abzuändern; eine Menge Gesetzentwürfe «erden ausgearbeitet, aber sie ersticken in der Geburt. Bon allen Reformen giebt es keine, die nöthiger ist, als eine Vereinfachung des Geschäftsganges. Sollen Hinfür die

224 verschiedenen Bedürfnisse des Landes durch fünf ständische In­ stitutionen, welche, mit Ausschluß des Communal-LandtageS, nur begutachtende und bittende Befugnisse haben,' berathen werden, so sind noch dürftigere Resultate zu erwarten, als schon gegenwärtig erzielt werden. Die Provinziallandtage sollen sich in Zukunft rein auf die Angelegenheiten der Provinz beschränken, die Ausschüsse alle vier Jahre zusainmkiikommen, die vereinigten Stände, wenn der Monarch es für gut befindet. Es ist abzusehen, daß dann mehrere Menschenalter nicht ausreichen würden, um nur die nöthigsten Reformen Vorzunehmen. Die Nothwendigkeit, daß die Landesrepräsentation einer Vereinfachung bedarf, wird noch schlagender hervortreten, nach­ dem wir die einzelnen, neugeschaffenen Institutionen durch­ gegangen sein werden. Da es die Pflicht des Schriftstellers ist, die Regierung und das Land auf alle wesentlichen Punkte aufmerksam zu machen, welche nachtheilig in ihren Folgen werden können, so halten wir uns vor Allem verpflichtet, auch den Rechtspunkt ins Auge zu fassen; daher können wir auch die Frage nicht übergehen, inwiefern die Bestimmungen deS Patents, die ständischen Einrichtungen betreffend, den jetzigen Status quo in der durch daS allgemeine Gesetz vom 5. Juni 1823 und die Specialgesehe über die einzelnen Pro­ vinzen festgestellten Weise verletzen. In diesen Gesetzen ist das Stimmenverhältniß der ver-

225 schiedenen Stände bestimmt,

und kann ihnen unmöglich »er#

kürzt werden, ohne sie darüber gehört zu haben. Eine solche Verkürzung erfolgt aber durch die Verord­ nungen vom 3. Februar

auf mannigfache Weise,

wie

sich

dies aus der weiteren Beleuchtung der einzelnen Paragraphen ergeben wird.

Die Stände haben daher ein begründetes Recht,

deshalb gehört zu werden. Inzwischen

ist

dieser Mangel

auch

leicht

nachzuholen,

denn da die 8 Provinziallandtage sich zum 11. April in Ber­ lin versammeln werden,

so giebt dies die beste Gelegenheit,

die Ansichten derselben darüber zu vernehmen. eS

höchst

zweckmäßig, daß

UebrigenS ist

die Regierung über verschiedene

Bestimmungen des Patents vom 3. Februar nicht vor dessen Erlaß die Ansichten der Provinziallandtage eingefordert hat, da dies unzweifelhaft zu keinem Resultat geführt haben würde. Gewiß darf man sich der Hoffnung hingeben,

der Monarch

werde billigen Reklamationen sein Ohr nicht verschließen.

Verordnung über die Bildung de- vereinigte« Landtage-. Wir werden der bessern Uebersicht wegen immer einige Paragraphen dieser Verordnung wörtlich mittheilen, und unsere Ansicht über die Bedeutung derselben folgen lassen. „Wir ?t. k. verordnen,

nach vernommenem Gutachten 15

226 Unsere- Staatsministeriums, im Verfolg Unseres, die stän­ dischen Einrichtungen betreffenden Patent- vom heutigen Tage, über die Bildung des vereinigen Landtages, wie folgt:

8. 1. „Wir werden die acht Provinziallandtage Unserer Mon­ archie zu einem Landtage vereinigen, so oft dazu nach Inhalt unseres vorerwähnten Patents vom heutigen Tage ein Bedürf­ niß eintritt, oder wenn wir es außerdem wegen besonders wichtiger Landeöangelegenheiten für angemessen erachten. Ueber den Ort der Versammlung de- vereinigten Land­ tage- und deren Dauer, sowie über die Eröffnung und die Schließung derselben, werden wir für jeden einzelnen Fall besondere Bestimmungen treffen.

8 . 2. Wir ertheilen den Prinzen Unseres Königlichen Hauses, sobald sie nach Vorschrift Unserer HauSgesehe die Großjährig­ keit erreicht haben, Sitz und Stimme im Stande der Fürsten, Grasen und Herren auf dem vereinigten Landtage. Außerdem bilden den Herrenstand desselben: die zu den Provinziallandtagen berufenen vormaligen deutschen Reichs­ stände (Fürsten und Grafen), die schlesischen Fürsten und Standesherren, und alle mit Virilstimmen begabten oder an Collectivstimmen betheiligten Stifter, Fürsten, Grafen und Herren der acht Provinziallandtage. Die Prinzen Unsere- Hause- können für einzelne Ver­ hinderungsfälle einen anderen Prinzen des Hauses mit Füh-

227 rung ihrer Stimmen durch eine von Un- zu genehmigende Vollmacht beauftragen. Von den übrigen Mitgliedern de- Herrrnstande- steht denjenigen, welche sich auf den Provinziallandtagen durch Be­ vollmächtigte vertreten lassen dürfen, diese Befugniß in gleicher Weise auch für den vereinigten Landtag zu. In Ansehung der Organisation und Verstärkung deHerrenstandeS behalten Wir UnS weitere Entschließung vor." Durch die vorstehenden beiden §§. tritt eine sehr bedeu­ tungsvolle Veränderung in der ständischen Repräsentation ein, welche diese in ihrem ganzen Wesen umwandelt und überdem die'Wirkung hat: daß einmal das den einzelnen Ständen zugebilligte Stimmenverhältniß derselben unter sich verändert wird, und daß zum anderen das Stimmenverhältniß der Provinzen zu einander solche Schmälerung erfährt, daß diesen nur übrig bleibt, den Monarchen wegen dieser sie dadurch treffenden Verletzung anzutreten. (Die Allerhöchste Bestimmung, daß dem vereinigten Land­ tage kein periodischer Zusammentritt bewilligt wird, sondern dieser nur dann erfolgen soll, wenn der Monarch sich über­ zeugt erachtet, daß das Bedürfniß dazu eingetreten sei, behal­ ten wir uns vor, beim K. 4. einer näheren Besprechung zu unterziehen.) DaS Gesetz vom 5. Juni 1823 enthält unter Anderem folgende Anordnung:

228 „Wann eine Zusammenberufung der allgemeinen Landstände erforderlich sein wird, unt wie sie dann aus den Provin­ zialständen hervorgehen soll, darüber bleiben die näheren Bestimmungen

Unserer

landesväterlichen Fürsorge

vorbe­

halten." Nach dieser Bestimmung deS Gesetzes vom Jahre 1823 scheint es keinem Zweifel unterworfen,

daß die allgemeinen

Stände nur auS den Provinzialständen hervorgehen können, daß mithin durch den Zutritt deS Herrenstandese),

der sich,

wie wir weiter sehen werden, bald getrennt, bald vereint mit den

Provinjialständen

berathen

soll,

eine

sehr

wesentliche

Veränderung in dem Stimmenverhältniß eingetreten sei, und daher diese beabsichtigte Vereinigung den Bestimmungen deS Gesetzes vom 5. Juni 1823 gemäß zu denen gehört, welche der Berathung der Stände hätten vorgelegt werden müssen ").

*) Der Name Herrenstand, wie er im §. 2 bezeichnet wird, scheint auch nicht gut gewählt, wenigstens könnten sich leicht viele von denen, die sich ganz als pares betrachten, dadurch verletzt fühlen. **) In dem Gesetz vom 5. Juni 1823. III. 2., heißt eS: „So lange keine allgemeine ständische Versammlungen stattfinden, sollen die Entwürfe solcher allgemeinen Gesetze, welche Veränderungen in Personen- und Eigenthumsrechten und in den Steuern zum Ge­ genstände haben, soweit sie die Provinz betreffen, zur Berathung vorgelegt werden"

Dies neue Gesetz trifft nun nicht allein die

Repräsentationsrechte der einzelnen Stände, mithin die persönlichen Rechte, sondern auch die der einzelnen Provinzen, wenn Schlesien 25 Glieder zum Herrenstande sendet und Westpreußen, die Neumark und Hinterpommern kein Einziges

229 Wenn