Pressevertrieb und Kartellrecht: Eine Darstellung des Presseabsatzsystems in der Bundesrepublik Deutschland und der kartellrechtlichen Problemlagen im Vertriebsmarkt [1 ed.] 9783428453962, 9783428053964

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Pressevertrieb und Kartellrecht: Eine Darstellung des Presseabsatzsystems in der Bundesrepublik Deutschland und der kartellrechtlichen Problemlagen im Vertriebsmarkt [1 ed.]
 9783428453962, 9783428053964

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MICHAEL ROGGEN

Pressevertrieh und Kartellrecht

Schriften zum Wirtschaftsrecht

Band 46

Pressevertrieh und Kartellrecht Eine Darstellung des Presseabsatzsystems in der Bundesrepublik Deutschland und der kartellrechtlichen Problemlagen im Vertriebsmarkt

Von

Dr. Michael Roggen Rechtsanwalt in Düsseldorf

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Roggen, Michael: Pressevertrieb und Kartellrecht: e. Darst. d. Presseabsatzsystems in d. Bundesrepublik Deutschland u. d. kartellrechtl. Problemlagen im Vertriebsmarkt / von Michael Roggen. - Berlin: Duncker und Humblot, 1983. (Schriften zum Wirtschaftsrecht; Bd. 46) ISBN 3-428-05396-6

NE:GT

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 42805396 6

Vorwort Eine Veröffentlichung, deren Gegenstand kartellrechtliche Fragen im Pressevertriebsmarkt sind, ist ein Wagnis. Die Interessengegensätze der Marktteilnehmer und notwendigerweise auch deren Verbände führen dazu, daß schon bei der Beurteilung der bestehenden Marktverhältnisse unterschiedliche Argumente zu bewerten sind. Auch die kartellrechtliche Auseinandersetzung ist in weiten Bereichen von den jeweiligen Interessen geprägt. Ziel dieser Arbeit war es, die Diskussion zusammenzufassen und Lösungswege aufzuzeigen. Den "Insidern" wird eine Untersuchung zur Verfügung gestellt, die den kartellrechtlichen Rahmen für die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen aufzeigt, und in die kartellrechtliche Diskussion können durch die Darstellung eines fest strukturierten Marktes zusätzliche Gesichtspunkte eingeführt werden. Grundlage der Veröffentlichung ist eine bei der Eberhard-KarlsUniversität zu Tübingen im Jahre 1982 vorgelegte Dissertation, und ich danke Herrn Professor Dr. Wernhard Möschel für die Betreuung der Arbeit. Zu danken habe ich auch all denen, die mir Informationen über die Marktverhältnisse gegeben haben und bereit waren, die von unterschiedlichen Interessenlagen her bestehenden Argumente zu diskutieren. Düsseldorf, im März 1983

DT. Michael Roggen

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung 1. Der Untersuchungsgegenstand ..................................

15

2. Der Ablauf der Darstellung ....................................

16

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutsdlland I. Der Medien- und Pressemarkt

17 17

1. Definitionen und überblick 2. Die Objekte im Pressemarkt .................................... 3. Die Verlage .................................................... 4. Das Presseprodukt als Handelsobjekt ..........................

21 23 25

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler ............................

26

1. Verlagseigene Absatzwege ...................................... a) Verlagsabonnement .......................................... aal Zustelldienst ............................................ bb) Postzeitungsdienst ...................................... cc) Sonderformen ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige verlagseigene Absatzwege ..........................

26 26 27 27 28 29

2. Die National Distributoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Abgrenzungen ..............................................

29 29 31 32

3. Der Absatz über das Presse-Grosso ............................ a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die Vertragsbeziehungen .................................... aal Grosso-Verlag .......................................... bb) Grosso-Einzelhandel .................................... c) Die geschichtliche Entwicklung des Presse-Grosso und die Gebietsabgrenzung .......................................... d) Aufgaben und Leistungen des Presse-Grosso ................

33 33 34 34 35

4. Der Bahnhofsbuchhandel ...................................... a) Grundlagen

40 40

37 38

Inhaltsverzeichnis

8

b) Struktur des Bahnhofsbuchhandels .......................... 43 c) Der Bahnhofsbuchhandel als Einzelhandel .................... 44 d) Das Verhältnis des Bahnhofsbuchhandels zur Deutschen Bundesbahn .................................................... 45 aal Die Pachtregelung ...................................... 45 bb) Neuverpachtungen ...................................... 47 5. Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel (WBZ) . . . . . . . . . . . . . . .. a) Aufgaben und Marktstellung ................................ b) Besonderheiten und Problembereiche ........................

47 47 49

6. Der Lesezirkel................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur und Geschichte .................................... b) Die Marktstellung ..........................................

50 50 51

7. Der Einzelhandel .............................................. a) Die Struktur ................................................ b) Problembereiche und Entwicklungstendenzen ................ c) Die Direktbelieferung des Einzelhandels ......................

52 52 53 54

111. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems ..................

56

1. Die sogenannte "überall-Erhältlichkeit" ........................ 2. Die Marktabgrenzung .......................................... 3. Die Preisbindung .............................................. 4. Das Dispositionsrecht .......................................... a) Die Bezugsregulierung der Verlage hinsichtlich Titel und Menge b) Die Bezugsregulierung zwischen Grosso und Einzelhandel.... 5. Das Remissionsrecht ............................................ 6. Die Neutralität der Absatzmittler ..............................

56 57 59 60 61 62 64 66

c.

Die Vertriebs- und VerwendungsbindUlll"en im Presseabsatzsystem

I. Definition und Typologie ..........................................

69

11. Inhalt der Bindungen ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

72

1. Bindungen zwischen Verlag und National Distributor ............

Verhältnis Verlag - Presse-Grosso .............. Bahnhofsbuchhandels . .. . . ...... ... . .. ... . . .. . ... WBZ und Lesezirkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelhandels ..................................

72 73 74 75 75

111. Die Vereinbarung der Vertriebs- und Verwendungsbindungen ......

76

IV. Abgrenzungen und Zusammenfassung..............................

79

2. 3. 4. 5.

Bindungen Bindungen Bindungen Bindungen

im des des des

Inhaltsverzeichnis

9

D. Die Wettbewerbsverhiltnisse im Presseabsatzmarkt I. Definitionen des Wettbewerbsbegriffs ..............................

85

11. Die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt .. ..

88

1. Wettbewerb zwischen den Verlagen um die Leser. . . . . . . . . . . . . . ..

88 88 89

a) Der Preiswettbewerb ........................................ b) Der Inhalts- und Aktualitätswettbewerb ....................

2. Wettbewerb der Verlage um die Absatzmittler und deren Leistungen ........................................................ 89 a) Verlage und Grosso-Unternehmen .......................... 89 b) Verlage und Bahnhofsbuchhandel ............................ 91 c) Sonstige Absatzmittler ...................................... 92 3. Wettbewerb im Bereich der Absatzmittler ...................... a) National Distributoren ...................................... b) Grosso-Unternehmen ........................................ c) Wettbewerb zwischen anderen typgleichen Absatzmittlern .... d) Wettbewerb zwischen typungleichen Absatzmittlern ..........

93 93 94 94 95

E. Die Anwendung des § 1 GWB auf die Vereinbarung der Vertriebs- und Verwendungsbindungen I. Grundlagen

98

11. Vereinbarungen von Gebietsgrenzen zwischen den Grossisten ...... 100 IH. Vereinbarungen und "Erwartungen" über Leistungen und Anforderungen an die Absatzmittler ...................................... 103 1. Vereinbarungen zwischen Verbänden .... '" ..................... 105 2. übereinstimmende Leistungsanforderungen der Verlage an die Absatzmittler .................................................. 109

F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen und ihre Bewertung nam § 18 GWB I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

111

1. Zweck der Vorschrift .......................................... 111 2. Tatbestände und Eingriffsvoraussetzungen ...................... 114

a) Die unbillige Einschränkung der Wettbewerbs freiheit (§ 18 Abs. 1 Lit. a) GWB) .......................................... b) Die unbillige Marktzutrittsbeschränkung (§ 18 Abs. 1 Lit. b), § 18 Abs. 2 GWB) ............................................ c) Die wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs (§ 18 Abs. 1 Lit. c) GWB) ................................................ 3. Rechtsfolgen und das Problem des Antragsrechts ................

115 120 127 133

10

Inhaltsverzeichnis a) Kartellbehördliche Möglichkeiten ............................ 133 b) Das Antragsrecht ............................................ 135

11. Bindungsverstöße und ihre Auswirkungen auf die Beurteilung der Billigkeit der Bindungen .......................................... 137

G. Die Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB im Presseabsatzmarkt 1. Grundlagen

............. '" .......... " .......................... 142

1. überblick ...................................................... 142

2. Der Normzweck des § 26 Abs.2 GWB .......................... 144 3. Die Konkurrenz zwischen § 26 Abs.2 und § 18 GWB ............ 147 11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs.2 GWB .............. 150 1. Die Normadressaten ............................................ 150

a) b) c) d) e)

Die Verlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . •. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die National Dristributoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Grossisten .............................................. Bahnhofsbuchhandel ........................................ Sonstige Absatzmittler ......................................

151 155 157 162 164

2. Die gleichartigen Unternehmen im Presseabsatzmarkt .......... a) Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Gleichartigkeit der Presse-Grossisten ........................ c) Gleichartigkeit bei anderen Absatzmittlern .................. aal Spezialverkaufsstellen .................................. bb) Montanus-aktuell

166 166 167 171 172 173

3. Der üblicherweise zugängliche Geschäftsverkehr im Presseabsatzmarkt .......................................................... a) Auslegungsgrundsätze b) Die allgemeine übung ...................................... c) Die natürliche wirtschaftliche Entwicklung .................. d) Die in Betracht kommenden Kreise ..........................

175 175 177 180 184

4. Behinderung und unterschiedliche Behandlung .................. 187 a) Definitionen und Abgrenzungen .............................. 187 b) Fallgruppen ................................................ 190 5. Unbilligkeit; Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes .... a) Auslegungsgrundsätze, Interessenabwägung .................. b) Einzelfälle .................................................. aal Wettbewerberbehinderungen durch Verlage .............. bb) Belieferungsverweigerungen der Verlage gegenüber Absatzmittlern .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

193 193 198 198 200

Inhaltsverzeichnis

11

ce) Ungleichbehandlung der Absatzmittler durch diE' Verlage hinsichtlich Belieferung und Rabatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 207 dd) Abnahme- und Abschlußverweigerungen des Großhandels gegenüber den Verlagen ................................ 208 ee) Belieferungsverweigerungen und Leistungsdifferenzierungen des Presse-Gros so gegenüber dem Einzelhandel ...... 210 111. Rechtsfolgen des § 26 Abs.2 GWB ................................ 212 1. Ermächtigung für die Kartellbehörden .......................... 212 2. Zivilrechtliche Ansprüche betroffener Unternehmen ............ 213

H. Folgerungen und Ausblick 1. Marktstrukturentwicklung unter dem Einfluß des GWB .......... 217 2. Entwicklungstendenzen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 218 3. Das mittelbare Sanktionsrisiko ................................ 220

Literaturverzeicbnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 223

Ahkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. AcP AfP AG AGBG Anm. Aufl.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Amtsgericht; Die Akiengesellschaft (Zeitschrift) Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anmerkung Auflage

BB Bd. BGB BGBl BGH BGHZ BKartA BKO BT-Drucks. bzw.

Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskartellamt Bezugsregulierungs-Verfahren für kleinauflagige Obj ekte Drucksachen des Deutschen Bundestages beziehungsweise

DB ders. DNV

=

Der Betrieb (Zeitschrift); Deutsche Bundesbahn derselbe Der neue Vertrieb, Hamburg (Zeitschrift)

Einzelhandelsstrukturanalyse EHASTRA = Vertrag zur Gründung der Europäischen WirtschaftsgemeinEWGV schaft f., ff. FAZ Fn.

folgende, fortlaufende Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote

ggf. GRUR GWB

gegebenenfalls Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

h.M.

herrschende Meinung

i. S. i. V.

im Sinne in Verbindung

JuS JZ

Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung

KG KR

Kammergericht körperlose Remission

Abkürzungsverzeichnis LG Lit. LKartB

Landgericht Buchstabe Landeskartellbehörde

MA MBR m.E. m.w.N.

Der Markenartikel (Zeitschrift) Marketing-orientierte Bezugsregulierung meines Erachtens mit weiteren Nachweisen

ND NJW Nr.

National Distributor Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer

OLG o.V.

Oberlandesgericht ohne Verfasserangabe

Rdnr.

Randnummer

S. s. s. a.

s.o. StGB str. s.u.

Seite siehe siehe auch siehe oben Strafgesetzbuch streitig siehe unten

Tz.

Textziffer

u.a.

unter anderen(m) unter anderen (m) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

UWG WRP WuW WuW/E z.B. ZHR ZPO ZRP ZV+ZV

13

Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der WuW, untergliedert nach BGH, OLG, LG/ AG, BKartA, LKartA, BWM, EWG/MUV, EV zum Beispiel Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik = Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag (Zeitschrift)

A. Einleitung 1. Der Untersuchungsgegenstand Die kartellrechtliche Diskussion beschäftigt sich in den letzten Jahren immer mehr mit dem Medienmarkt. Nicht nur die technischen Möglichkeiten für die Einführung neuer Medien, sondern auch die bestehende Struktur des Marktes werden unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten beobachtet und geprüft. Die Problembereiche sind vielfältig. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, sind hier nur die Fusionskontrolle im Verlagsbereich, die Struktur der öffentlich-rechtlichen Medien und das Presseabsatzsystem zu nennen. Gegenstand dieser Untersuchung ist das Vertriebssystem für die sogenannten Printmedien, wobei insbesondere das Absatzsystem für Zeitungen und Zeitschriften dargestellt wird. Es geht darum, dieses System unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Der Pressevertriebsmarkt ist durch viele Besonderheiten, die darzustellen sind, gekennzeichnet. Dieser Markt ist in seiner Entwicklung und Struktur nicht autonom. Er war und ist abhängig von den Verlagen, die das "Handelsobjekt" Presse herstellen. Es sind daher auch diese Interdependenzen mit in die Darstellung einzubeziehen. Im übrigen ist der Verlagsbereich und hier insbesondere die Fusionskontrolle nicht Gegenstand dieser Untersuchung1 • Vielmehr ist auf die Absatzmittler einzugehen. Diese sind im wesentlichen das Pressegrosso, der Bahnhofsbuchhandel, der werbende Buchund Zeitschriftenhandel und der Lesezirkel. Hinzu kommen das Verlagsabonnement und noch einige Sonderformen. Ziel dieser Untersuchung ist, festzustellen, inwieweit das Absatzsystem durch das Kartellrecht beeinflußt wird. Als Anknüpfungspunkt für die kartellrechtliche Bewertung werden die Vertriebs- und Verwendungsbindungen genommen, die im gesamten Bereich des Presse absatzsystems wesentliche Bedeutung für die Struktur und die Wettbewerbsverhältnisse haben. Es wird hierbei ein weitgefaßter Begriff der Vertriebs- und Verwendungsbindung zugrunde gelegt. Umfaßt werden von diesem Begriff, unabhängig von der Form der Vereinbarung und der 1 Hierfür wird hingewiesen auf: MöscheI, Wernhard: "Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz" , Tübillgen 1978; Mestmäcker, Ernst-J oachim: "Medienkonzentration und Meinungsvielfalt" , Baden-Baden 1978.

16

A. Einleitung

Art der Durchsetzung, alle Beschränkungen, Auflagen und Bindungen, die an den Vertrieb des Handelsobjekts Presse über die Handelsstufen an den Endverbraucher geknüpft werden.

2. Der Ablauf der Darstellung Um die kartellrechtlichen Konsequenzen ermitteln zu können, wird zunächst das Presseabsatzsystem in seinen rechtlich relevanten Strukturen darzustellen sein, um die Struktureigenheiten zu ermitteln. Hierbei ist nicht jeder Verästelung zu folgen und nicht Ziel der Arbeit, absolute Vollständigkeit zu erreichen 1 • Vorzustellen sind aber die Marktbeteiligten mit ihrer jeweiligen Funktion, ihren Anteilen und ihren branchentypischen Problemlagen. Anschließend werden die Vertriebsund Verwendungsbindungen dargestellt und ihre Funktion für die Erhaltung der derzeitigen Struktur des Presseabsatzsystems untersucht. Hier sind insbesondere die Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse zu prüfen und die relevanten Märkte abzugrenzen. Die Darstellung der kartellrechtlichen Vorschriften umfaßt insbesondere die für den zu untersuchenden Markt wesentlichen Vorschriften der §§ I, 18 und 26 Abs. 2 GWB. Weitere kartellrechtliche Vorschriften werden jeweils im Zusammenhang bei einzelnen Problemlagen heranzuziehen sein. Insbesondere die Problematik des Marktzuganges verdient besondere Beachtung, weil sie für die Wettbewerbsverhältnisse und die Strukturerhaltung wesentlich ist und hieran die Auswirkungen des Kartellrechtes auf die Marktstrukturentwicklung beispielhaft aufgezeigt werden können. Die Untersuchung, ob sich aus dieser Anwendung des Kartellrechts auf den besonderen Markt Rückwirkungen für die Auslegung der Vorschriften ergeben, ist Zweck dieser Arbeit. Womit sich - anders formuliert - das Untersuchungsziel darstellt als der Versuch, anhand eines in seiner Struktur und Entwicklung einzigartigen Marktes festzustellen, wie die Marktverhaltensweisen durch die kartell rechtlichen Vorschriften mittelbar und unmittelbar bestimmt werden, welche Verhaltensalternativen verbleiben und wie die kartellrechtlichen Vorschriften in einem fest strukturierten Markt sachgerecht angewandt werden können.

1 Eine umfassende Darstellung des Systems bietet Dreppenstedt, Enno: ..Der Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt", Hamburg 1969.

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

I. Der Medien-und Presse markt 1. Definitionen und überblick Der Bereich der Presse ist ein Teil der Massenmedien und wirkt mit bei der Bildung der sogenannten "öffentlichen Meinung" 1. Das Wesen der Massenmedien, zu denen außer der Presse auch Film, Hörfunk, Fernsehen und Schallplatte zählen, bestimmt einerseits das technische Mittel der Massenvervielfältigung, andererseits der allen Medien gemeinsame Adressat, die anonyme Masse 2 • Die Zielrichtung aller Medien besteht darin, daß auf namentlich nicht bekannte Personen, möglicherweise aber auf bestimmte Gruppen, versucht wird, Einfluß zu nehmen, Meinung zu bilden und Informationen zu vermitteln. Als solche sind die Medien in ihrer Institution von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Die Meinungsbildungsfunktion ist die wichtigste der Medien und insbesondere der Presse3• Der Begriff "Presse" ist ein Sammelbegriff, er umfaßt das Pressewesen in seiner Gesamtheit. Hierzu gehören sowohl die in der Presse tätigen Personen als auch die Organisationseinheiten und insbesondere das Presseerzeugnis4 • Der verfassungsrechtliche Schutz der Presse bezieht sich auf das Herstellen, Vervielfältigen und Verbreiten des Presse-Erzeugnisses, des Druckwerks. Darüber, ob unter Verbreiten auch der Vertrieb des fertigen Produktes in seiner organisatorischen und technischen Durchführung durch selbständige Absatzmittler zu verstehen ist, ist Streit ausgebrochen5 • Dieser kann hier zunächst dahinstehen, festzuhalten ist aber, daß mit der Presse eben nicht nur das fertige Produkt, sondern auch die Herstellung und Verbreitung des Produktes verfassungsrechtlich geschützt wird, da andernfalls die Pressefreiheit durch Vertriebsbeschränkungen ausgehöhlt werden könnte. 1 Löffler, Martin / Ricker, Martin: "Handbuch des Presserechts" , 1. Aufl., München 1978, S. 4, Rdnr. 18. 2 Löffler / Rickert, S. 3, Rdnr. 14. a s. a. BVerfGE 20,175. , Löffler / Rickert, S. 2, Rdnr. 6. 6 Für eine Ausdehnung des Verfassungsschutzes hinsichtlich des Pressegrossos: Kaiser, Josef H.: "Das Recht des Presse-Grosso", Baden-Baden 1979, insbesondere S. 78 ff.; Auseinandersetzung hiermit und gegen eine Konsti-

2 Roggen

18

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Bei dem Begriff des Presseproduktes soll eine Einschränkung für diese Arbeit insoweit getroffen werden, als nur der Vertrieb von periodischen Druckwerken behandelt wird. Diese werden von den Landespressegesetzen6 einheitlich definiert als Zeitungen, Zeitschriften und andere in ständiger, wenn auch unregelmäßiger Folge und im Abstand von nicht mehr als 6 Monaten erscheinende Druckwerke. Diese presserechtliche Definition ist nicht unmittelbar auch für die kartellrechtliche Untersuchung zu übernehmen. Die kartellrechtliche Definition7 erfolgt herstellerbezogen. Es werden bei der kartellrechtlichen Betrachtung auch Abgrenzungsprobleme zu beachten sein, da vornehmlich die Wettbewerbsverhältnisse und die Austauschbarkeit der Produkte Bezugspunkte der Definition sind. Hierbei ist insbesondere problematisch geworden, inwieweit die neuen Formen gedruckter lokaler PublizistikS und die Anzeigenblätter unter die Begriffe Zeitung und Zeitschrift zu fassen sind. Zeitungen werden definiert als periodisch abzusetzende Druckerzeugnisse von unterschiedlicher, aber relativ hoher Aktualität, einem durchschnittlich vielseitigen Informationsangebot und -anspruch, die gegen Entgelt gekauft werden9 • Das Erfordernis der Entgeltlichkeit findet sich in anderen Definitionen nicht. So stellt LöffleriO ausschließlich auf die fortlaufende Berichterstattung über aktuelle Vorgänge ab, rechnet aber die kostenlosen Anzeigenblätter ebenfalls nicht zu den Zeitungen im Rechtssinne, da es an eben dieser fortlaufenden Berichterstattung fehlell. Wettbewerbsrechtlich hingegen ist zu beachten, daß es nicht nur einen Markt für die Berichterstattung, also für den Leser gibt, sondern außerdem einen Markt für Anzeigen. Auf dem Boden des Bedarfstutionalisierung des Grosso: Ipsen, Hans-Peter: "Presse-Grosso im Verfassungsrahmen", Berlin 1980; Börner, Bodo: "Der Vertrag zwischen Verlag und Pressegrossisten; Zivilrecht - Kartellrecht - Verfassungsrecht" , Berlin 1981, S. 69 ff., insbesondere S. 78 ff. e Siehe z. B. § 7 Abs. 4 PresseG NRW. 7 § 16 GWB "Verlagserzeugnis"; s. a. Böck, Max: "Die Auswirkungen neuer Markt- und Vertriebsformen auf Preisbindung und Sortiment", München 1980 (Schriftenreihe rechtswissenschaftliche Forschung und Entwicklung, Bd. 9), S. 26 ff. S s. a. Dorsch, Petra E.: "Medien im Aufwind", Bertelsmann-Briefe Heft 98, 1979; Dorsch, Petra E.: "Gegenöffentlichkeit - und wie man sie macht", in: FAZ v. 10.11.1980, S. 9 mit dem Hinweis, daß ca. 1229 Zeitungen täglich erscheinen und daneben ca. 20 000 Produkte ortsbezogener Kommunikation existieren. D So Sondermann, Gerhard: "Der Pressevertrieb im Rahmen der medienpolitischen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland", unveröffentlichtes Gutachten der Arbeitsgruppe Pressevertrieb im Rahmen des kommunikationspolitischen Forschungsvorhabens der Bundesregierung, 1973, S. 7. 10 Löffler / Rickert, S. 4, Rdnr. 16. 11 Darauf, daß auch Anzeigenblätter einen redaktionellen Anteil von ca. 50 Ofo haben, weist hin: Dorsch, Petra E.: "Medien im Aufwind", S. 17.

I. Der Medien- und Pressemarkt

19

marktkonzeptes, nach dem die Märkte wesentlich nach den vorhandenen oder nicht gegebenen Ausweichmöglichkeiten zu bestimmen sind, muß zwischen Lesermarkt und Anzeigenmarkt getrennt werden12 • Auf dem Anzeigenmarkt und hier insbesondere im lokalen und sublokalen Bereich besteht zwischen Zeitungen und kostenlosen Anzeigenblättern Wettbewerb 13 • Kartellrechtlich sind also dem Begriff Zeitungen auch diese Objekte einzugliedern14. Dieses Ergebnis ist auch durch einen Vergleich zwischen den Erlösen der Verlage aus dem Anzeigengeschäft und dem Vertrieb zu stützen. So betrug z. B. im Jahr 1977 der Gesamtumsatz der deutschen Tages-, Sonntags- und Wochenzeitungen 6 Mrd. DM15. Der Vertriebserlös machte davon etwa ein Drittel, also etwa 2 Mrd. DM aus. Allein bei den Tageszeitungen (Titelanzahl 1978: 410; 1968 noch: 516) betrug der Anzeigenerlös 1978 4,4 Mrd. DM, der Vertriebserlös erreichte ca. 30 Ufo (2,0 Mrd. DM)16. Es können somit 2/3 der Erlöse bei Zeitungen dem Anzeigengeschäft zugeordnet werden17 • Der Anzeigenmarkt stellt also bei den Zeitungen die größte Einnahmequelle dar, und es ist daher wettbewerbsrechtlich dieser Markt gesondert zu erfassen1s . Die Abgrenzung zwischen Zeitung und Zeitschrift stellt darauf ab, daß bei der Zeitschrift die tagebuchartige, fortlaufende Berichterstattung fehlt, sich die Zeitschrift vielmehr auf ihrem speziellen Gebiet der Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft u. a. nur mit bestimmten, besonderen Fragen und Vorgängen befaßt19 • Diese Abgrenzung ist aber schwierig und in Randbereichen kaum zu vollziehen, da auch die sogenannten Illustrierten mehr zu fortlaufender, insbesondere politischer 12 Möschel, Wernhard: "Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz" , Tübingen 1978, S. 83. 13 WuW/E BGH 1685 ff. "Springer-EIbe-Wochenblatt" = AfP 1980, S. 94, 97. 14 s. a. o. V., "Anzeigenblätter sind Zeitungen", Hinweis auf Urteil des KG Berlin v. 22.10.1980 in: FAZ v. 8.11. 1980, S. 17; o. V., "Was sind eigentlich Anzeigen-Blätter", in: Handelsblatt v. 23. 10. 1980, S. 4; Mestmäcker in: Immenga / Mestmäcker, § 23, Rdnr. 101. 15 o. V., Notiz in: DNV 1978, Heft 5, S. 54. 18 o. V., Stichwort "Tageszeitung", in: DNV 1979, Heft 7, S. 16. 17 So auch Möschel, Wernhard: "Pressekonzentration" , S. 84; bei den Zeitschriften ist dies anders: 40 - 60 Ofo der Erlöse werden im Anzeigengeschäft erzielt. Z. B. Verlag Gruner und Jahr (keine Zeitungen, nur Zeitschriften) 1978: Gesamtumsatz 1 012 Mill. DM, Vertrieb 408 Mill. DM, Anzeigen 430 Mill. DM. Quelle: o. V., FAZ v. 28.3.1979, S. 15. 18 Anzeigenerlöse 1978 (prozentuale Steigerung zu 1974): Tageszeitungen 4,4 Mrd. DM (+ 57 Ofo); Publikumszeitschriften 1,8 Mrd. DM(+ 73 Ofo); Fernsehwerbung 1,0 Mrd. DM (+ 35 Ofo); Funkwerbung 0,3 Mrd. DM (+ 38 Ofo); Quelle: DNV 1979, Heft 7, S. 17; 2386 Verlagsunternehmen erzielten 1979 einen Gesamtumsatz von 20,3 Mrd. DM, davon 9,3 Mrd. DM im Anzeigengeschäft, Quelle: o. V., "Täglich 25 Mill. Zeitschriften", in: FAZ v. 23.9.1981,

S.13. 19

2'

Löffler / Rickert, S. 4, Rdnr. 17.

20

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Berichterstattung übergehen. Eine grobe Abgrenzung zwischen Zeitung und Zeitschrift läßt sich m. E. mit Einschränkungen auch aus der Form und der Aufmachung der Objekte gewinnen. Vorliegend soll ausreichen, die im wesentlichen in Tiefdruck auf Glanzpapier hergestellten Objekte, jedenfalls nach ihrem äußeren Erscheinungsbild, den Zeitschriften zuzuordnen. Eine Abgrenzung nach dem Inhalt ist aufwendig und bringt wenig Gewinn. Vielmehr erscheint es sinnvoller, die Einteilung der Zeitschriften in Untergruppen vorzunehmen, um auf diese Weise feststellen zu können, ob ein gedrucktes Objekt überhaupt in eine dieser Gruppen paßt oder ob es dem Begriff "Presse" als Informationsvermittlungsmedium überhaupt nicht unterfällt. Zusammen mit der Entwicklung der Zeitungen - die erste deutsche Zeitung erschien unter dem Titel "Aviso" im Jahre 1609 in Wolfenbüttel, die erste täglich erscheinende Zeitung erschien 1660 in Leipzig20 ist die Gattung der Zeitschriften im 17. Jahrhundert entstanden. Sie entwickelte sich zunächst als wissenschaftliche Zeitschrift und ist daher wahrscheinlich aus dem Buch hervorgegangen, um den Informationsaustausch insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich zu beschleunigen und vereinfachen zu können. Die Geschichte der modernen Illustrierten begann 1891 mit der "Berliner Illustrierte" von Leopold Ullstein 21 , und heute sind dieser Gruppe ca. 6000 - 6500 Publikationen zuzuordnen22 • Allein auf die Publikumszeitschriften entfielen 1978 234 Titel mit einer durchschnittlichen Gesamtauflage von 350000 23 . Die Entwicklung geht aber zukünftig wohl mehr in den Bereich der Spezialzeitschriften. Die Märkte Gesundheit und Sicherheit, Bildung und Freizeit, Wohnen und Kommunikation wachsen weiter. Außerdem werden die Hobby-Zeitschriften bei größerer Verfügbarkeit von freier Zeit und die Zeitschriften für immer speziellere und kleinere Zielgruppen auch bei Einführung neuer Medien und Ausweitung des Fernsehangebots weiter wachsen. Die bisherige Entwicklung wird durch folgende Zahlen gekennzeichnet: Die Einzelhandelsumsätze mit Zeitungen und Zeitschriften betrugen 1960 0,7 Mrd. DM; 1965 1,7 Mrd. DM; 1970 1,6 Mrd.; 1975 2,8 Mrd. DM; 1976 3,1 Mrd. DM; 1978 3,6 Mrd. DM24. Die monatlichen Ausgaben für 20 o. V., "Presse und Presse-Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland", in: DNV 1964, S. 280. 21 o. V., "Presse und Presse-Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland", in: DNV 1964, S. 286. 22 s. a. o. V., "Täglich 25 Millionen Zeitungen", FAZ v. 23.9.1981, S. 13, mit Hinweis auf Pressestatistik 1979. 23 o. V., "Welche Zukunft haben Zeitschriften?", DNV 1979, Heft 12, S. 48. 24 Quelle: o. V., "Auf dem Markt zählt die Leistung", Veröffentlichung des Verlages Gruner und Jahr 1979, S. 7.

1. Der Medien- und Pressemarkt

21

Zeitungen und Zeitschriften lagen 1978 je nach Haushaltstyp zwischen 15,- und 23,- DM25. Die Zahl der Druckmedien pro Haushalt kann auf etwa 6 geschätzt werden26 .

2. Die Objekte im Pressemarkt Die Vielfältigkeit der Presseobjekte könnte als unübersehbar gewertet werden und eine Darstellung daher schon im Versuch zur Resignation verleiten. Dennoch aber soll ein kurzer überblick gewagt werden, um die Handelsobjekte der Vertriebsbereiche nicht zu übergehen. Gesamtzahlen über die Anzahl der Verlage und Objekte exakt zu ermitteln1 ist für diese Arbeit nicht notwendig. Wichtige Teilbereiche des Gesamtmarktes werden abgedeckt durch die Statistiken der IVW2, der die wichtigsten Zeitungen und Zeitschriften angeschlossen sind. Die IWV wurde 1949 errichtet in der Erkenntnis, daß Käufer und Verkäufer von Werberaum ein gemeinsames Interesse an vergleichbaren und objektiv ermittelten Unterlagen über die Verbreitung eines Werbemittels haben. Hinsichtlich der Zeitung empfiehlt sich eine Gruppeneinteilung nach Erscheinungszeit und regionaler Verbreitung. Die Marktabgrenzung und die Feststellung von Wettbewerbsverhältnissen ist nur auf diese Weise möglich 3• Nimmt man den Gesamtvertriebsumsatz der folgenden Zeitungsgruppen mit 100 % an, so ergeben sich ungefähr folgende Marktanteile4 : Die Tages-Kaufzeitungen oder auch Straßen-Verkaufszeitungen5 haben einen Marktanteil von ca. 20 Ofo. Diese Zeitungsgruppe ist durch einen hohen Einzelverkaufsanteil gekennzeichnet. Das Abonnement tritt demgegenüber zurück und ist teilweise ganz ausgeschlossen. Hingegen ist die regionale Tagespresse6 durch einen hohen Abonnementsanteil gekennzeichnet. Diese Zeitungsgruppe erzielt eine Verbreitung von ca. 65 Ofo. Das bedeutet, daß 2 von 3 Bundesbürgern an einem durchschnittlichen Tag eine regionale Abonnementzeitung lesen 7 • Die Haushaltsabdeckung der regionalen Tagespresse ist außergewöhnlich hoch. Quelle: s.o., Fn. 26. o. V., "Welche Zukunft haben Zeitschriften?", DNV 1979, Heft 12, S. 48. 1 Die Pressestatistik weist für 1979 aus: 2386 Unternehmen verlegen 1217 Zeitungen und 6042 Zeitschriften, F AZ v. 23.9. 1981, S. 13. 2 Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V., Sitz: Bad Godesberg. 3 s. a. Mestmäcker in: Immenga / Mestmäcker: Vor § 23, Rdnr.47. , Eigene Berechnungen. 5 z. B. Bild-Zeitung. e z. B. WAZ, Hamburger Abendblatt, Stuttgarter Zeitung u. a. 7 So auch o. V., Stichwort "Tageszeitung", in: DNV 1979, Heft 7, S. 16. 25

!8

22

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Einige Regionalzeitungen erreichen 80 - 85 % der Haushalte in speziellen KreisenB. Die überregionale Tagespresse9 erreicht ebenfalls einen hohen Abonnementanteil, wird aber auch im Einzelverkauf vertrieben. Der Marktanteil am Gesamtmarkt kann mit ca. 5 % angesetzt werden. Als weitere Untergruppen sind noch die überregionalen Sonntagszeitungen10 (Anteil ca. 6 Ofo) und die Wochenzeitungenll (Anteil ca. 3 Ofo) anzuführen. Bei der ersten Gruppe überwiegt der Einzelverkauf, bei der zweiten eher das Abonnement. Alle Zeitungs gruppen sind auf die bestehenden Vertriebswege angewiesen. Die Verbreitung und die Auflage können bei den Zeitungen als im wesentlichen an der oberen Grenze befindlich angesehen werden. Eine Sättigung des Zeitungsmarktes kann zur Zeit wohl unterstellt werden. Strukturveränderungen ergeben sich insbesondere durch die übernahme und Zusammenlegung im Bereich der regionalen Tageszeitungen. Die Zahl der der sogenannten "Ein-Zeitungs-Kreise" ist noch im Steigen begriffen. Auch bei dem Erhalt von publizistischen Einheiten bei Zusammenlegung der Verlage, entweder durch Fusionen oder Kooperationen, geht dennoch teilweise der lokale und sublokale Zug der Zeitung zumeist verloren. Hierdurch werden sicherlich neue Arten der lokalen Publizistik gefördert, ohne aber die Tageszeitung zu ersetzen oder in ihrer Existenz zu gefährden12 • Der Bereich der Zeitschriften ist eher noch unübersichtlicher als der dargestellte Zeitungsmarkt. Gekennzeichnet wird der Zeitschriftenbereich zum einen durch eindeutig marktführende Objekte, deren Auflagen stetig weiter steigen, zum anderen aber durch eine ständige Vermehrung der Objekte. Diese richtet sich insbesondere auf immer kleinere Zielgruppen, auf Fachgebiete und Spezialthemen. Einen großen Anteil an der zu beobachtenden Titelvermehrung haben auch die Sonderhefte. Diese erscheinen zumeist nicht periodisch, sondern als Partworks oder aber etablieren sich bald als in zeitlich großem Abstand folgende Spezialzeitschriften für eine ausgewählte Zielgruppe. Die Publikumszeitschriften als der wesentliche Teil des Zeitschriftenmarktes 13 können gewertet werden als Freizeit-Konsumgüter. In dieB z. B. Nord-West-Zeitung 85 Ofo im Landkreis Ammerland, Quelle: s. o. Fn.7. o z. B. F AZ, Die Welt u. a. 10 z. B. Bild am Sonntag, Welt am Sonntag. 11 z. B. Die Zeit. 12 Dorsch: "Medien im Aufwind", S. 17. 13 Sie stellen 2,5 Ofo der Titel, aber mehr als 40 Ofo der Gesamtauflage, s. Menke-Glückert, Peter: "Der Medienmarkt im Umbruch", Frankfurt 1978, S.80.

I. Der Medien- und Pressemarkt

23

sem Bereich lassen sich Untergruppen bilden, zum einen nach dem Anzeigenaufkommen. So sind die anzeigenorientierten Zeitschriften (Anteil der Anzeigenerlöse 60 - 80 0/0) von den vertriebsorientierten Zeitschriften (Anzeigenerlös unter 50 Ofo) zu trennen. Es ergeben sich aus dieser Unterscheidung Besonderheiten bei der Inanspruchnahme der Vertriebswege14 , aber auch die Auflagenstruktur, die Deckungsbeiträge der Anzeigen- und Vertriebserlöse und die Herstellungskosten15 werden hierdurch tangiert. Eine weitere Systematisierung der Publikumszeitschriften läßt sich nach dem Inhalt und der Zielgruppe treffen. So verfährt auch die IVW, die folgende Hauptgruppen bildet: Illustrierte und Magazine; Programmzeitschriften; höherpreisige Frauen- und Modezeitschriften; solche niedrigpreisig; Kinder-, Jugend-, Eltern-; Motor-Presse; Bauen, Wohnung, Garten und sonstige. Bei einer allgemein zu beobachtenden geringen Auflagensteigerung in allen Bereichen wird der Markt insbesondere durch die Einführung neuer Titel und Objekte in Bewegung gebracht. Steigerungen sind in den letzten Jahren vornehmlich durch Neueinführungen erzielt worden16 • Diese neuen Objekte, die teils von etablierten Verlagen, teils aber auch von neuen Verlagen in den Markt eingeführt wurden, weisen erstaunliche Erfolge auf17 • Wenn sich neue Objekte nicht auf dem Markt behaupten konnten18 , so lag dies wohl eher an der Konzeption des Objekts als an den Presseabsatzmittlern, deren Mitwirkung und Förderung bei Neueinführungen von wesentlicher Bedeutung ist.

3. Die Verlage Die Lieferanten der Absatzmittler sind keine homogene Gruppe. Eine Vielzahl von Verlagen unterschiedlicher Größe betätigt sich auf dem Pressemarkt der Bundesrepublik. Zusammengeschlossen sind die Zeitschriftenverlage im Verband deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ) mit Sitz in Bann. Die Zeitungsverleger vertreten ihre gemeinsamen Interessen durch den Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger e. V. (BDZV), ebenfalls mit Sitz in Bonn1 • Im Zeitschriftenverlagsbereich sind die sogenannten "Großen Vier" zu erwähnen. Diese haben bei der Entwicklung der Vertriebswege eine maßgebliche Rolle gespielt s. unten Kap. B 11. May, Klaus: "Auflagenstrukturen" , in: DNV 1979, Heft 9, S. 89. 18 überblick in: o. V., ,,10 Jahre Innovationen", DNV 1980, Heft 9, S. 86 ff. 17 s. a. o. V., "Null mit Anlauf", in: Spiegel 1979, Nr. 16, S. 92 f. 18 z. B. "Leute", das im Frühjahr von dem Verlag Gruner und Jahr eingeführt und nach einem Verlust von 14 Mil!. DM eingestellt wurde. 1 Mitgliederzahlen: VDZ, 6 Landesverbände mit insg. ca. 350; BDZV ca. 320. 14 15

24

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

und bei der Durchsetzung ihrer Interessen die Entwicklung der gesamten Branche geprägt2 • Die kleineren Verlage haben sich im wesentlichen der Markterschließung durch die Großen angeschlossen. Springer ist mit 2 Mill. DM Umsatz eines der größten Verlagshäuser3 • Mit seinen Objekten "Bild", "Welt", "Bild am Sonntag", "Welt am Sonntag" und weiteren regionalen Zeitungen hält er eine führende Position auf dem Zeitungsmarkt, insbesondere bei den Tages-Kaufzeitungen. Auch auf dem Zeitschriftensektor hat Springer mit seinen beiden Programmzeitschriften "Hör zu" und "Funk Uhr" einen Marktanteil von ca. 46 0/0. Die Axel Springer Gesellschaft für Publizistik KG Berlin erzielt mit den Verlagen Axel Springer AG (hierzu gehören auch: Koralle Verlag GmbH und Cora Verlag) und Ullstein GmbH, Berlin weitere erhebliche Marktanteile im Bereich der Unterhaltungsund Freizeitliteratur. Der Verlag Gruner und Jahr mit den Objekten "Stern", "Brigitte", "Capital", "Geo" u. a. überschritt 1978 die Milliarden-Umsatzmarke4 und erzielte im Geschäftsjahr 1980/81 einen Umsatz von 1,16 Milliarden DM (hiervon 354 Millionen im Ausland)5. Das Anzeigengeschäft überstieg 1980/1981 mit 498 Mill. DM die Vertriebs erlöse von 344 Mill. DM für die eigenen (und 179 Mill. DM für fremde, vertriebsbetreute) Objekte. Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens ist mit 74,9 % die Bertelsmann AG. Dieser Medienkonzern erzielte im Geschäftsjahr 1979/80 einen Gesamtumsatz von knapp 4 Mrd. DM' und ist in allen Medienbereichen tätig. Die Verlagsgruppe Bauer erzielte 1979 einen Umsatz von ca. 1,4 Mrd. DM, hiervon entfielen auf den Verlagsbereich 825 Mill. DM7. Bei den Programmzeitschriften hält Bauer einen Marktanteil von ca. 38 %. Der Verlag ist außerdem auf den Gebieten Illustrierte, Jugend- und Frauenzeitschriften tätig 8 • Der vierte der "Großen Vier" ist der Burda-Verlag9 , der mit der Illustrierten "Bunte" im Markt seit 1948 vertreten ist und insbesondere 2

3

Ähnlich Kaiser, Josef H.: "Das Recht der Presse-Grosso", S. 26 f. s. a. o. V., "Löst Burda die Nachfolgesorgen von Springer?" in: FAZ v.

30.6. 1981, S. 11.

, o. V., "Gruner und Jahr ist jetzt Umsatz-Milliardär", in: FAZ v. 28.3.

1979, S. 15. 5

o. V., G. u. J.: "In fünf Jahren Umsatz verdoppelt", in: FAZ v. 6.ll.1r81,

S.16.

S Quelle: Geschäftsbericht der Bertelsmann-AG 1979/80; der Umsatz im Kalenderjahr 1980 betrug über 5 Mrd. DM bei ca. 30000 Mitarbeitern, Quelle: o. V., "Reinhard Mohn legt die Geschicke von Bertelsmann in jüngere Hände", in: FAZ vom 12.2. 1981, S. 13. 7 Quelle: o. V., "Wie das Gericht es befahl", in: F AZ v. 11.6. 1981, S. 15. 8 z. B. Neue Revue, Bravo, Das neue Blatt.

I. Der Medien- und Pressemarkt

25

bei Unterhaltungszeitschriften, bei Programmzeitschriften, im Anzeigenmarkt und im Bereich des Tiefdrucks über erhebliche Marktanteile verfügt. Diese vier Verlage erzielen im Bereich der Publikumszeitschriften einen Marktanteil von ca. 600/010, bei den Programmzeitschriften einen Anteil von ca. 900/011. Im gesamten Verlagsbereich ist ein Trend zu größeren Einheiten festzustellen l2 • Außerdem sind die gegenseitigen Beteiligungsverhältnisse ausgesprochen vielschichtig. Obwohl die Anfang der siebziger Jahre zu beobachtende Tendenz, Verlagsanteile wie Handelswaren häufig hin und her zu schieben, wohl als abgeflacht angesehen werden kann, ist der Beteiligungserwerb ungebrochen. Er verändert das Bild der Verlagslandschaft ständig und ergreift nicht nur den Zeitschriftenbereich, sondern auch die Taschenbuch- und Buchverlage. Statischer verläuft die Entwicklung im Bereich der Spezial- und Fachzeitschriftenverlage, die wesentliche Teile ihres Verlagsprogramms über das Abonnement vertreiben und auf dem Vertriebsmarkt im Einzelhandel nur teilweise in Erscheinung treten. Ein weiterer großer Bereich des Verlagssektors, der auch über die Presseabsatzmittler vertreibt, wird repräsentiert von den Verlagen für Roman- und Rätselhefte, die sich überwiegend auch in den Taschenbuchbereich hinein entwickeln. Umsatzerhöhungen werden durch immer neue Objekte und Reihen vorangetrieben. 4. Das Presseprodukt als Handelsobjekt Die Zeitung oder Zeitschrift ist Meinungsträger. Sie ist darauf angewiesen, möglichst überall gleichzeitig erhältlich zu sein. Der Anspruch auf Aktualität bedingt eine Vertriebsform, die schnell und kostengünstig die Zeitung vom Herstellungsort an den Verbraucher, den Leser, bringt. Die Frage, ob es sich bei dem Pressemarkt um einen Hersteller- oder Verbrauchermarkt handelt, ist sicherlich nur hinsichtlich der einzelnen Objekte und nicht allgemein beantwortbar. Feststellbar ist aber, daß der Käufer einer Zeitung sowohl durch Angebot des Objekts in einem Geschäft spontan zum Kaufentschluß gebracht werden kann, daß aber andererseits der Käufer erwartet, in erreich9 Umsatz 1980: 1 Mrd. DM, FAZ v. 30. 6.1981, S. 11. 10 Menke-Glückert, S. 80. U Presse-Information des BKartA in: WRP 1979, S. 192: Springer: 45 0/0, Bauer: 35 fl/o, Burda: 10 Al/o• 12 z. B. WAZ-Gruppe (Brost / Funke) Jahresumsatz 600 Mill. DM mit u. a. 5 Zeitungen im rheinischen Raum, s. o. o. V., "Bewegungshelfer" , in: Capital 1981, Heft 9, S. 209 ff.

26

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

barer Nähe bestimmte Objekte der Zeitungs- und Zeitschriftengattung auf Nachfrage jederzeit zu erhalten. Der Markt wird daher im Vertriebsbereich durch ein stetiges überangebot geprägt, da der Käufer nicht täglich am gleichen Ort das gleiche Objekt erwirbt. Dieses überangebot wird für die Absatzmittler ausgeglichen durch ihr Recht, nicht verkaufte Exemplare an den Verlag gegen Gutschrift des Einkaufspreises zurückzureichen. Auf dieses sogenannte "Remissionsrecht" wird später zurückzukommen sein. Die folgende Darstellung der Vertriebswege hat als Leitbild den Weg der Zeitung oder Zeitschrift vom Verlag an den' Leser. Die Spezialund Fachzeitschriften werden hierbei nur am Rande in die Betrachtung einzubeziehen sein, um klare Strukturen nicht zu verästeln. Festzuhalten bleibt aber, daß das Presseprodukt eben nicht nur Handelsware, sondern als Meinungs- und Informationsträger gleichsam Grundlage für eine funktionierende Demokratie ist. Dies soll auch dann nicht in Vergessenheit geraten, wenn das Presseprodukt vorliegend mehr als Handelsware zu betrachten sein wird.

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler 1. Verlagseigene Absatzwege a) Das Verlagsabonnement

Der wesentliche Teil der regionalen Tageszeitungen1 wird im verlagseigenen Abonnement vertrieben. Ebenfalls überwiegt bei den überregionalen Tageszeitungen der Abonnementverkauf2 im Verhältnis zum Einzelverkauf über das Pressegrosso und den Einzelhandel. Von den Publikumszeitschriften wird ca. ein Drittel im Abonnement abgesetzt3 • Gekennzeichnet wird dieser Vertriebsweg bei allen Unterschieden der technischen Durchführung4 von der Tatsache, daß in diesem Bereich der Verlag ohne zwischengeschaltete Absatzmittler direkt an den Endverbraucher liefert. Es wird durch den Abonnementvertrag eine auf längere Dauer angelegte Bindung des Kunden an das Objekt ca. 80 Ofo der Auflage. z. B. Die Welt, Abo-Anteil 80 Ufo, von Ehren, Hans-Joachim: "Logistik einer überregionalen Tageszeitung", Referat, abgedruckt in: DNV 1980, Heft 2, S. 12 ff. sKaiser, S. 22. Die Bandbreite ist hier aber erheblich und einen Mittelwert für die bedeutenden Verlage zu ermitteln, ist mangels Aussagekraft nicht erforderlich. Beispielhaft kann der Verlag Gruner und Jahr angeführt werden. Das im wesentlichen Publikumszeitschriften umfassende Verlagsprogramm wird zu ca. 16 Ufo im Verlagsabonnement vertrieben; "Auf dem Markt zählt die Leistung", a.a.O., S. 39. 4 Postzeitungsdienst, Zustelldienst, Abholverfahren, Gutscheinsystem. 1

2

II. Die Absatzwege und die Absatzmittler

27

erzielt, und überwiegend liegt der Abonnementpreis unter dem Einzelverkaufspreis 5 • Diese Preisvergünstigung für den Kunden wird durch die längere Bindung gerechtfertigt. Problematisch wird aber die bei einigen Verlagen zu beobachtende Tendenz, Abonnementverträge abzuschließen, die eine jederzeitige und fristlose Kündigung durch den Leser ermöglichen. Hier ergeben sich Bedenken im Hinblick auf die Lückenlosigkeit der Preisbindung. Würde nämlich der Einzelverkaufspreis durch einen Abonnementpreis unterboten, enthält aber der Vertrag nicht die den Abonnementvertrieb kennzeichnenden Elemente, so könnte es sich ggfs. um ein Unterlaufen der eigenen Preisbindung handeln. Fälle dieser Art sind, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung noch nicht zur Entscheidung gekommen. Es bleibt aber festzuhalten, daß typische Abonnementverträge als Dauerschuldverhältnis6 durch eine vereinbarte Kündigungsfrist gekennzeichnet sein müssen.

aa) Zustelldienst überwiegende Art der technischen Durchführung des Verlagsabonnements der regionalen und überregionalen Tageszeitungen ist der Zustelldienst über verlagseigene Agenturen. Die Zustellung erfolgt über Träger, die mit den Agenturen vertraglich verbunden sind und als nicht angestellte Mitarbeiter nebenberuflich zumeist täglich nur stundenweise Abonnenten beliefern7 • Im Zustell dienst sind Kooperationen der Verlage zu beobachten, die dadurch begünstigt werden, daß ein Wettbewerbsverhältnis zwischen regionaler und überregionaler Tageszeitung auf dem Lesermarkt in der Regel nicht besteht8 •

bb) Postzeitungsdienst Ein Zustelldienst wird in der Regel nur in Gebieten mit hoher Bevölkerungs- und Abonnentendichte aufrecht zu erhalten sein. Für die Publikumszeitschriften, die überregionalen Tageszeitungen und insbesondere die Fachzeitschriften ist der Postzeitungsdienst daher wesentlich Voraussetzung für die Belieferung der Abonnenten. Die Zulassung zum Postzeitungsdienst erfolgt durch Aufnahme in die Post6 Zur Unwirksamkeit bestimmter Preiserhöhungsklauseln nach § 11 Nr. 13, 9 AGBG s. BGH NJW 1980, 2518 f. • Zur rechtlichen Einordnung des Abonnementvertrages als Kaufvertrag und zur Unwirksamkeit einer Haftungsfreizeichnung bei Nichtlieferung s. Schmied, Hans-Dieter: "Arbeitskampfklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Zeitungsbezugsvertrages, NJW 1979, S. 15 ff. 7 Ausführliche Beschreibung bei Dreppenstedt, Enno: S. 212. 8 z. B. Zustellkooperationen der "Welt", s. von Ehren: DNV 1980, Heft 2, S. 17; Kooperationen als praktisch selten beobachtet noch Sondermann, S.296.

28

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

zeitungsliste auf förmlichen Antrag des Verlegers hin D• Die materiellen Zulassungsvoraussetzungen ergeben sich aus § 13 Abs. 1 Ziff. 3 PostO und § 6 PostZtgO lO • Sowohl an die äußere Gestalt, das Gewicht, als auch an den Inhalt werden bestimmte Anforderungen gestelItlt, bei deren Erfüllung die Post zur Beförderung der Zeitung oder Zeitschrift verpflichtet ist (§ 8 PostG). Dem gegenüber unterliegt die Presse nicht dem Postzwang, da sich das Beförderungsmonopol der Post nicht auf Presseartikel erstreckt. Zum 31. Dezember 1978 sind diese besonderen Dienste der Post hinsichtlich Verpackung, Beanschriftung und Einziehung des Bezugsgeldes entfallenl2 • Nur den überregionalen Tageszeitungen ist die Einlieferung unbeanschrifteter Postvertriebsstücke noch möglich. Der Grund für den Wegfall der besonderen Dienste liegt in der erheblichen Kostenunterdeckung in diesem Bereich, den die Post mit 500 bis 600 Mill. DM angibt13 • Der Postzeitungsdienst ist für das verlagseigene Abonnement eine wichtige Voraussetzung und ermöglicht gerade speziellen Fachzeitschriften eine relativ kostengünstige Verteilung. Die Ansicht Kaisers l4 , es handele sich bei dem Postzeitungsdienst um einen mit dem Presse-Grosso konkurrierenden Vertriebsweg, erscheint bedenklich. Ein Wettbewerb zwischen diesen Bereichen findet nicht statt, vielmehr handelt es sich hier nur um die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Einzelverkauf und Abonnement. Der Postzeitungsdienst ist kein eigener Vertriebsweg, sondern nur eine Art der technischen Durchführung des Abonnementvertriebs.

ce) Sonder/armen Weitere Arten technischer Abwicklung sind ebenfalls zu erwähnen. Hierzu zählt das Gutscheinverfahren, bei dem der Abonnent Einzelgutscheine für seine Zeitung oder Zeitschrift erhält, die er dann beim Presse-Einzelhandel einlösen kann. Die Abrechnung der Gutscheine erfolgt durch den Bahnhofsbuchhandel direkt mit dem Verlag, der übrige Einzelhandel rechnet über das Grosso ab. Da die Absatzmittler hierbei die sonst üblichen Handelsspannen erhalten, handelt es sich um eine Mischform zwischen Abonnementvertrieb und Vertrieb über Absatzmittler. Die von Sondermann15 aufgezeigte Möglichkeit, das Presse9

§§ 10, 15 PostZtgO.

s. Löffler / Rickert, S. 392, 393, die insbesondere auf S. 393, entgegen BVerfGE 18, 310 in der materiellen Prüfung einen Verstoß gegen Art. 10 und 5 GG sehen, da die Postordnung lediglich eine Rechtsverordnung sei. 11 s. hierzu und auch zu den Gebühren: o. V., "Postzeitungsdienst 1978/79", in: DNV 1978, Heft 1, S. 20 ff. 12 s.o., Fn. 66. 13 Kaiser, S. 23; o. V., "Postzeitungsdienst 78/79", in: DNV 1978, Heft 1, S. 24. U Kaiser, S. 23. 15 Sondermann, S. 312. 10

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

29

Grosso in ein umfassendes Abonnementvertriebssystem einzubeziehen und den Einzelhandel als Abholstelle für Abonnementstücke einzusetzen, hat sich in der Praxis nicht durchsetzen können und wird soweit ersichtlich - auch nicht angestrebt. Dies folgt wohl aus der Unterschiedlichkeit des langfristigen Abonnements und des Einzelverkaufs. Der Abonnenent will eben nicht die bestellte Zeitung oder Zeitschrift holen oder besorgen müssen. Aufgehoben würde hierdurch auch die dem Abonnementvertrag wesentliche Vereinbarung einer Bringschuld. Eher sind Kooperationen zwischen den Verlagen festzustellen, die darauf hinzielen, daß die Zusteller Objekte mehrerer Verlage gleichzeitig austragen. b) Sonstige verlagseigene Absatzwege

Unter verlagseigenen Absatzsystemen sind nur solche zu fassen, bei denen der Verlag direkt ohne Zwischenschaltung eines Absatzmittlers sein Objekt an den Leser liefert und mit diesem auch direkt vertraglich verbunden ist. Unter diese Gruppe sind daher nicht die Fälle der Direktbelieferung des Einzelhandels zu fassen, da auch hier noch mindestens ein Absatzmittler eingeschaltet ist. Auch eine Beteiligung des Verlages an GrossoUnternehmen oder Gründung eines verlagseigenen Grossol 6 führt nicht dazu, einen verlagseigenen Absatzweg festzustellen. Nicht die Inhaberschaft der verschiedenen Handelsstufen ist für diese Einordnung erheblich, sondern die Funktion. Eine Direktbelieferung des Lesers durch den Verlag erfolgt außer im Abonnementbereich in der Regel nicht. Einige Ausnahmen wie der Versand von Einzelobjekten oder der Verkauf über Verlagsagenturen sind selten und können sowohl von ihrem Umfang als auch ihrer Bedeutung her vernachlässigt werden. 2. Die National-Distributoren a) Grundlagen

Zwischen den Verlagen und den Absatzmittlern Grosso und Bahnhofsbuchhandel stehen teilweise die sogenannten "National-Distributoren" (ND). Grundsätzlich handelt es sich bei den Aufgaben dieser Firmen um ausgelagerte Verlagsfunktionen. So wurden auch die National-Distributoren als Tochterfirmen der Großverlage gegründet. IPW (Inland-Presse-Vertrieb) ist eine Tochter von Gruner und Jahr l . Die 10 Verlagsbeteiligungen im Grosso-Bereich in Hamburg, Berlin und Saarbrücken. 1 s. auch Kaiser, S. 16, dort Fn. 15.

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

30

Firma Verlags-Union ist abhängig vom Heinrich Bauer-Verlag, ebenso die Firma Pabel, die außer als Verlag als National-Distributor im Markt tätig ist. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit sind noch die IP-Frankfurt und der MZV-München2 zu erwähnen. Diese Firmen übernehmen von den Verlagen den wesentlichen Teil der Auflage eines oder mehrerer Objekte und beliefern ausschließlich den Groß- und Bahnhofsbuchhandel. Der Verlag liefert an diese Firmen selbst nicht mehr. Zunächst übernahmen die National-Distributoren die kleinauflagigen Objekte ihrer Mutterfirmen, dann aber auch den Vertrieb für die Objekte kleinerer Verlage, die teilweise ohne eigene Vertriebsabteilungen die gesamte Auslieferung auf den ND übertragen haben. Die Entwicklung des ND hat ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten. Dort liefern im wesentlichen alle Verlage über den ND an das Gross0 3 • Ein kurzer Überblick über den amerikanischen Vertriebsmarkt erklärt die Entwicklung und die Stellung der ND's in der Bundesrepublik und deren Unterschiede. Der Pressevertriebsmarkt der Vereinigten Staaten von Amerika wird geprägt durch die National-Distributoren und das Grosso. Von 13 ND's gehören einige den Zeitschriftenverlagen4 , andere sind unabhängig5 ,6. Den National-Distributoren stehen ca. 500 Grossisten gegenüber, die zwar keine Alleinvertriebsverträge haben7 , aber dennoch ein faktisches Monopol in ihrem Auslieferungsgebiet besitzen8 • Die Aufgaben der ND's sind im Vergleich zum deutschen Markt umfassender. So fungieren sie teilweise als Bankiers und stellen den Verlagen bereits vor Verkaufsbeginn einen bestimmten Prozentsatz des erwarteten Verkaufserlöses zur Verfügung, was in der Bundesrepublik nicht üblich ist. Der ND übernimmt von den Verlagen die gesamte Verwaltung des Einzelverkaufs und unterhält einen eigenen Außendienst, der die Plazierung der Objekte im Einzelhandel, dessen Kontinuation und die Aufnahme neuer Objekte überwacht. Außerdem ist der ND Mittler zwischen Verlag und Grossist, um auch bei dem Grossisten die Aufnahme neuer Objekte zu erreichenD. Kobak1o beobachtet auf dem nord amerikanischen Markt, daß die ND's wenig Macht gegenüber den Grossisten haben und für das Schicksal eines einzelnen Abhängig von der Gruppe Brost / Funke (WAZ u. a.). s. Kaiser, S. 41. 4 International Circulation Distributors, Triangle, Dell, Capital. 5 Curtis, Kable, Publisher's Distributing Corp. e Kobak, James B.: "Kritisches zum US-Vertrieb", Teilabdruck in: DNV 1980, Heft 9, S. 94; anders Kaiser, S. 41. 7 Kaiser, S. 41. 8 Kobak, S. 94; o. V., "US-Zeitschriften im Einzelhandel", DNV 1980, Heft !

3

8, S. 36. g 10

s. o. V., "US-Zeitschriften im Einzelhandel", S. 34 ff.; Kobak, S. 94 ff. s. Fn.6.

II. Die Absatzwege und die Absatzmittler

31

Titels auch im Einzelverkauf nicht viel tun können. Kaiser hingegen sieht den ND in der dem Grosso gegenüber stärkeren Position, da er beim amerikanischen Grosso nur eine Verteilfunktion beobachtet und alle weiteren wesentlichen Grosso-Funktionen wie Disposition und Verkaufssteuerung auf den ND verlagert sieht. Wer der marktstärkere Partner ist, Grosso oder ND, wird nach der jeweiligen Stellung des Beobachters unterschiedlich beantwortet. Der ND sieht mehr Macht beim Grosso, da diese Firmen mit allen ND's zusammenarbeiten. Die Grosso-Betriebe verweisen auf die MarktsteIlung der National-Distributoren. Letztlich kann die Beantwortung dieser Frage für den amerikanischen Markt dahingestellt bleiben. Festzuhalten ist, daß eine Vermittlerfunktion zwischen Verlag und Grosso in den Vereinigten Staaten durch die National-Distributoren ausgeübt wird und eine Direktbelieferung des Grosso oder Einzelhandels in der Regel nicht erfolgt. Auf dem bundesrepublikanischen Markt ist zu beobachten, daß die ND's in den letzten 10 Jahren sowohl nach Zahl als auch Geschäftsumfang erheblich gewachsen sind, ohne jedoch das bestehende Vertriebssystem entscheidend geändert zu haben. b) Die Funktionen

Ob es sich bei den National-Distributoren um eine neue Handelsstufe handelt oder nur um eine Auslagerung und Verselbständigung von Verlagsfunktionen, die nicht zur Bildung einer neuen Handelsstufe führt, ist eine offene Fragell. Für die Verlagsfunktion spricht, daß der ND anstelle des Verlages mit dem Grosso und dem Bahnhofsbuchhandel die Verhandlungen führt, Konditionen festlegt und Vertriebs abläufe plant. Eine neue Handelsstufe könnte dadurch entstanden sein, daß der ND selbst die gesamte Auflage eines Objektes von dem Verlag übernimmt, in eigenem Namen mit dem Abnehmer verhandelt und auch die Handelsspannen teilweise unabhängig vom Verlag festzulegen in der Lage ist. Sondermann12 sieht in den ND's eine alternative Vertriebsform, die durch ihre Kenntnis und MarktsteIlung insbesondere den kleineren Verlagen gegenüber dem Grosso nützlich sein können und ordnet ihnen folgende Funktionen ZU 13 ; Beratung der Verlage bei Objektherausgabe; Vereinbarung eines Leistungskataloges mit dem Grosso; Kontrolle des Grossos; Finanzierung kleinerer Verlage durch vorzeitige Zahlungen und Bürgschaft; Marktgegengewicht zur Verhinderung unangemessener Rabattforderungen des Grossos. 11 12

13

Kaiser, S. 16 bezeichnet ihn als eine Art "Zwischengroßhändler" . Sondermann, S. 31/70. Sondermann, S. 334.

32

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Die Entwicklung nach diesem 1973 erschienenen Gutachten zeigt, daß diese Funktionsbeschreibung sich nicht in der Praxis verwirklicht hat. Die nationalen Vertriebsfirmen sind vielmehr ein selbständiger HandeIsbereich geworden, der den Verlagen Funktionen abnehmen konnte, der sich aber nicht zu einer alternativen Vertriebsform entwickelt hat. Es ist sicherlich richtig, daß über die ND's viele kleinere Verlage den Zugang zum Markt finden konnten. Daß dies ohne ND's nicht auch der Fall gewesen wäre, ist eine theoretische Frage, deren Beantwortung offenbleiben muß. Zwischen den nationalen Vertriebsfirmen bestehen Wettbewerbsverhältnisse um neue Objekte. Gerade kleinere Verlage versuchen, die ND's gegeneinander auszuspielen und ihr Objekt dem anzuvertrauen, der die größte Vertriebsaktivität verspricht. Dieses Wettbewerbsverhältnis läßt es für diese Untersuchung 14 notwendig erscheinen, die ND's als selbständige Handelsstufe einzuordnen. c) Abgrenzungen

Vergleichbarkeiten bestehen zwischen den nationalen Vertriebsfirmen und den Importfirmen. Auch diese liefern, ohne selbst Presseobjekte herzustellen, direkt an die Absatzmittler Grosso und Bahnhofsbuchhandel. Marktführend auf dem Presse-Importmarkt ist in Deutschland die Firma Saarbach, Köln, eine Tochter des französischen MedienKonzerns Hachette 15 • Auch die Import-Firmen treten mit einer Vielzahl von Objekten an die anderen Handelsunternehmen heran und organisieren zentral den Vertrieb auf dem gesamten deutschen Markt. Ein wesentlicher Unterschied liegt aber in der Gewinnschöpfung der Import-Firmen und der ND's. So erhalten die Import-Firmen, wie auch z. B. die US-amerikanischen National-Distributors16 einen Prozentsatz des Copy-Preises für die endgültig verkauften Exemplare. Also erst nach Remissionsrücklauf wird der Ertrag der Handelsfirma festgelegt. Hingegen finanzieren sich die National-Distributoren auf dem bundesrepublikanischen Markt nach bewegter Menge. Ihr Ertrag bemißt sich also allein nach der Menge der Zeitschriften, die sie an die Firmen des Grosso oder Bahnhofsbuchhandels ausliefern. Vorteilhaft mag hierbei sein, daß eine einfache Berechnung des Leistungsentgelts vor dem endgültigen Verkauf des Objektes und dem Remissionsrücklauf möglich s. u. Kap. D. "Just ab out the only important french printed matter that Hachette does not distribute is the telephone book", zitiert bei Dreppenstedt, S. 220, nach: France's Giant in: Time (Atlantic Edition), Amsterdam, v. 8.11. 1963, S. 60, 61; Umsatz 1979: 6,3 Frd. FF, 23000 Mitarbeiter; im Dezember 1980 von Matra mehrheitlich erworben, o. V., "In Frankreich wächst ein neuer Kommunikationskonzern" und "Die Hachette-Gruppe" mit einer Zusammenstellung der Aktivitäten im Pressebereich (Herstellung und Vertrieb), in: FAZ v. 11.12. 1980, S. 13. 18 o. V., "US-Zeitschriften im Einzelhandel", DNV 1980, Heft 8, S. 36. 14

15

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

33

ist. Nachteilig wirkt sich dies aber dadurch aus, daß nunmehr der National-Distributor in erster Linie an einer hohen Auslieferung interessiert sein muß und so auch eigentlich kleinauflagige Objekte in großen Mengen in die Handelsfirmen gebracht werden. Remissionsquoten von weit über 50 Ofo sind hier zu beobachten, und es besteht die Gefahr, die "Vertriebskanäle" praktisch zu verstopfen, da die Mengendisposition zwischen dem Handel und den ND's sich wegen des unterschiedlichen Leistungsentgeltsystems 17 schwierig gestaltet.

3. Der Absatz über das Presse-Grosso a) Allgemeines

Die im Verhältnis zu anderen Absatzmittlern umsatzstärkste Gruppe ist das Presse-Grosso. Ca. 50 Ofo der verkauften Auflage der Publikumszeitschriften gelangen auf dem Weg vom Verlag über den Presse-Großhandel und den Einzelhandel an den Käufer 1 • Innerhalb der einzelnen Zeitungs- und Zeitschriftengruppen ergeben sich zwar erhebliche Abweichungen des Grosso-Anteils durch die aufgezeigten2 unterschiedliche Abonnementanteile. Von den absoluten Umsatzzahlen her ist aber der Marktanteil des Presse-Grosso mit ca. 50 Ofo zutreffend angegeben 3 • Der Umsatz von ca. 3,1 Mrd. DM wird von 83 Unternehmen erzielt. Es ergibt sich somit ein Durchschnittsumsatz von ca. 37 Mil!. DM je Betrieb. Die durChschnittliche Beschäftigtenzahl je Betrieb wird mit ca. 100 angegeben4 • Bei einigen Unterschieden zwischen den einzelnen Betrieben ist dennoch zu beobachten, daß die Abweichungen vom Umsatzund Beschäftigtendurchschnitt im Vergleich zu anderen Großhandelsbranchen gering sind. Dies führt dazu, daß der Presse-Großhandel als homogene Gruppe mit gleich gelagerten Interessen auftreten kann. Die gemeinsamen Interessen werden durch den Verband "Presse-Grosso, Verband deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e. V." mit Sitz in Köln vertreten6 • Die 83 Firmen des Presse-Grosso beliefern ca. 85000 stationäre Zeitungs- und Zeitschriften-Verkaufsstellen und 17 Das Leistungsentgelt des Grosso und des Bahnhofsbuchhandels richtet sich nach der verkauften Menge. Die Remissionsabwicklung berührt das Leistungsentgelt nicht. 1 Kaiser, S. 13; Mende, Hans: "Presse-Grosso, Skizze eines unbekannten Marktes", Merkur-Texte 6, Frankfurt 1978. ! s. o. Kap. B I. 2. 3 Der Umsatz der Presse-Grosso betrug 1979 ca. 3.1 Mrd. DM, Quelle: Geschäftsbericht des Verbandes Presse-Grosso für das Jahr 1980, S. 16. , Kaiser, S. 14; Mende, S. 9. 6 Dem Verband gehören 78 Unternehmen an. 5 Unternehmen sind nicht angeschlossen, da sie verlagsabhängig sind und daher satzungsgemäß nicht in den Verband aufgenommen werden können. s. hierzu OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 981; BGH WuW/E BGH 1061.

3 Roggen

34

B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

mehr als 10 000 ambulante Händler8 • Die Umsätze, Struktur und Sortimentsbreite der einzelnen Verkaufsstellen schwanken stark. Die vornehmliche Leistung des Presse-Grosso besteht daher darin, die von dem einzelnen Verlag7 erhaltene Gesamtmenge zu verteilen und dafür zu sorgen, daß in jedem belieferten Einzelhandelsgeschäft die bedarfsgerechte Menge und Titelanzahl zum vom Lieferanten vorbestimmten Termin erhältlich ist. b) Die Vertrapbezlehungen

aa) Grosso-Verlag Zwischen den Lieferanten, d. h. den Verlagen und den ND's einerseits und den Firmen des Presse-Grosso andererseits bestehen überwiegend schriftliche Verträge. Zwar liefern die Verlage in der Regel nur zu ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen die wesentlichen Liefer- und Zahlungsmodalitäten festgelegt sind8 , diese Geschäftsbedingungen regeln aber nicht die gesamten gegenseitigen Leistungsverpflichtungen zwischen Grosso und Verlag. Auch die nach § 16 GWB vereinbarte Preisbindung, die im allgemeinen durch ein Preisbindungsrevers erfolgt, regelt nicht die über die Preisbindung hinausgehenden Vertragspflichten. So treffen außer den später im einzelnen zu behandelnden Vertriebs- und Verwendungsbindungen9 den Grossisten viele Verpflichtungen, die teils schriftlich, teils als Handelsbrauch, aber auch durch Vereinbarung zwischen den jeweiligen Interessenverbänden als Leistungspflichten des Grosso anzusehen sind. Ausgangspunkt für die Betrachtung der Vertragsverhältnisse ist der Kaufvertrag über die Ware. Durch Bestellung oder schlüssige Annahme eines Vertragsangebotes kommt zwischen dem Lieferanten und dem Grosso-Betrieb ein Kaufvertrag zustande mit dem für die Branche typischen Recht, Exemplare, die nicht über den Einzelhandel an den Endverbraucher weiter veräußert werden, gegen Gutschrift des Kaufpreises an den Lieferanten zurückzugeben. Die Rückgabe erfolgt hierbei auf verschiedene Weise. Entweder wird das ganze Objekt oder nur die Kopfleiste der Zeitung oder Zeitschrift zurückgegeben. Insbesondere im Grosso-Bereich ist die sogenannte "körperlose Remission" (KR) weit8 Quelle: Einzelhandelsstrukturanalyse EHASTRA 1977/78: 84 366 Einzelhandelsverkaufsstellen, 1980: 85736. 7 Die Zahl der Lieferanten wird mit ca. 300 angegeben, Kaiser, S. 60 im Text und in Fn. 13. B Eigene Umfrage bei einer ausgewählten Zahl von Verlagen mit dem, überraschenden Ergebnis, daß teilweise ..Allgemeine Geschäftsbedingungen" für den Vertrieb nicht vorhanden sind. 9 s. u. Kap. C 1.

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

35

gehend vereinbart10 , bei der die Remission nur zahlenmäßig erfaßt wird und eine tatsächliche Rücklieferung nicht erfolgt. Über diese, das eigentliche Liefergeschäft betreffende Vereinbarung hinaus ist problematisch, inwieweit ein einheitliches Vertragsverhältnis zwischen Verlag und Grosso feststellbar ist. Die auf Dauer angelegte Verbindung mit Elementen des Kauf-, Werk-, Dienst- und Geschäftsbesorgungsvertrages wird teilweise als Wiederkehr-Schuldverhältnis11 , teilweise als Sukzessiv-Lieferungsvertrag1! gewertet. Auswirkungen dieser unterschiedlichen Einordnung sind insbesondere bei der Frage festzustellen, inwieweit der Verlag die Lieferung einstellen kann. Es geht hierbei darum, ob der Lieferant erst und mit Frist dem Grossist die Geschäftsbeziehung kündigen muß, bevor er die Belieferung einstellt. Der Streit um die Einordnung des Rahmenvertrages als Wiederkehr-Schuldverhältnis oder Sukzessiv-Lieferungsvertrag ist m. E. obsolet. Nicht die Bezeichnung mit dem rechtstechnischen Begriff, sondern die Gesamtbetrachtung der vertraglichen Beziehungen und Leistungspflichten führt zur angemessenen Problemlösung. Unabhängig von der kartellrechtlichen Problematik einer Belieferungseinstellung ist sicherlich der unbegründete, unangemessene Abbruch einer laufenden Geschäftsbeziehung rechtlich nicht zulässig13 und verpflichtet ggf. zum Schadensersatz. bb) Grosso-Einzelhandel

Die Vertragsbeziehungen zwischen dem Grosso und den Betrieben des Einzelhandels werden dadurch gekennzeichnet, daß zunächst der Grossist darüber entscheidet, welches Einzelhandelsgeschäft beliefert wird. Außerdem hat der Grossist dem Einzelhändler die Preisbindung aufzuerlegen. Auch dem Einzelhändler steht das Remissionsrecht zu, wobei aber hier eine körperlose Remission aufgrund der Anforderun10 Zur KR zugelassen 1979 56, 1980 69, somit 85 Ofo aller Grosso-Betriebe. Mitte 1981 waren 94 Ofo der Grossisten zum KR-Verfahren zugelassen, Quelle: Geschäftsbericht des Verbandes Presse-Grosso 1981, S. 75. U LG Köln in: DNV 1951, 222; Brugger: "Das Rechtsverhältnis zwischen Verleger und Grossist unter Berücksichtigung des Kartellgesetzes", in ZV und ZV 1960, S. 836, 878; Börner, S. 12, 13 ff. betont die Elemente des Werkund Geschäftsbesorgungsvertrages. I! Kuner, Wolf-Dieter: "Das Rechtsverhältnis zwischen Verleger und Grossist", in: DNV 1957, S. 878, 889; Mehlhorn: "Die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses Verleger - Grossist", in: DNV 1967, S. 760, 761; zutreffend weist Börner, S. 64, darauf hin, daß es sich um eine falsche Fragestellung handelt. 13 Siehe dazu Müller-Graff, Peter-Christian: "Rechtliche Auswirkungen einer laufenden Geschäftsverbindung im amerikanischen und deutschen Recht", 1974, mit einer Herleitung aus § 242 BGB. Zur Beendigung von Geschäftsbeziehungen und den aus § 242 BGB begründbaren Rechten s. a. Ebenroth, Carsten-Thomas: "Absatzmittlungsverträge im Spannungsverhältnis von Kartell- und Zivilrecht, Konstanz 1980, S. 184 ff.; Börner, S. 66, gelangt über § 89 b HGB analog zu einem Ausgleichsanspruch.

3"

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

gen der IVW zur Feststellung der verkauften Auflage nicht zugelassen werden kann. Die Grossisten liefern in der Regel zu ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen an den Einzelhandel. Streit besteht darüber, ob der Grossist oder der Einzelhändler das Objekt und die zu liefernde Menge bestimmt. Dieses Dispositionsrecht nehmen die Grossisten für sich in Anspruch, um die optimale Sortimentsbreite im Einzelhandel durchzusetzen14 • Der Einzelhändler hingegen begründet sein Recht der Objekt- und Mengendisposition damit, daß er zur Vorfinanzierung der Lieferungen gezwungen sei und ihm durch die Remission finanzielle Lasten auferlegt werden15 • Ohne das komplexe Problem des Dispositionsrechts hier schon entscheiden zu wollen, bleibt anzumerken, daß die Verlage ebenfalls die Entscheidung über Inhalt und Umfang der Lieferung an das Grosso für sich in Anspruch nehmen16 • Dies wird damit begründet, daß durch das Remissionsrecht das Absatzrisiko allein bei dem Verlag liege. Im Verhältnis zwischen den Grossisten und den Einzelhändlern ist zu trennen zwischen der Mengen- und Objektdisposition. Bezüglich der Menge wird sich aufgrund der dem Grossisten obliegenden Bezugsregulierung mit dem Ziel der Remissionsminimierung der Einzelhändler nicht gegen Lieferkürzungen des Großhändlers wehren können. Hinsichtlich der Objekt disposition ist die Stellung des Einzelhändlers wohl stärker. Er kann grundsätzlich nicht gezwungen werden, bestimmte - nicht gewünschte - Objekte abzunehmen17 • Führt er aber nicht das allgemein übliche Sortiment und verlangt er nur gängige und leicht verkaufliche Objekte, so läuft er Gefahr, daß seine Belieferung völlig eingestellt werden kann, was noch im einzelnen auszuführen sein wird. Vorab ist hier zunächst festzuhalten, daß die Vertragsbeziehung zwischen dem Groß- und Einzelhändler im wesentlichen durch die Geschäftsbedingungen des Grosso geprägt werden. Typischerweise wird zwischen den Parteien ein Rahmenvertrag geschlossen, in Ausführung dessen die einzelnen Lieferungen erfolgen. Zusätzlich übernimmt das Grosso noch weitere Pflichten hinsichtlich der Beratung und Betreuung des Einzelhändlers, zu denen er teils aus eigenem Vertrag mit dem OLG Karlsruhe vom 21. 5.1980, DNV 1980, Heft 7, S. 8 ff.; BGH Urt. v. KZR 37/80. 15 LG Mannheim, WuW /E LG/AG 448; BGH v. 1. 12. 1981- KZR 37/80, S.8. 18 Ipsen, Hans-Peter: "Presse-Grosso im Verfassungsrahmen" , S. 80; s. u. Kap. B III 4. b). 17 Ohne Trennung zwischen Objekt- und Mengendisposition bejaht der BGH das Dispositionsrecht des Pressegrosso: BGH v. 1. 12. 1981 - KZR 37/80 S. 9 ff. 14

1. 12. 1981 -

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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Einzelhandel, teils deswegen verpflichtet ist, weil er dies in seinen Vertragsvereinbarungen mit dem Verlag übernommen hat. c) Die geschichtliche Entwicldung des Presse-Grosso und die Gebietsabgrenzung

Die geschichtliche Entwicklung des Presse-Grosso und die hierbei erfolgte Gebietsabgrenzung und Errichtung von Alleinauslieferungsgebieten ist in ihren Einzelheiten nur schwer nachvollziehbar. Schon vor dem ersten Weltkrieg bestanden die ältesten Grosso-Firmen im Buch- und Zeitschriftenhandel in Leipzig und Stuttgart. Diese Firmen bezeichnen sich in der Mehrzahl als Kommissionäre des Buchhandels 18• Im ersten Weltkrieg entwickelte sich zunächst in den Großstädten der Straßenhandel mit Illustrierten und Extrablättern und damit auch die ersten Ortsgrossisten. Die heutige Form des Grosso entstand in der Weimarer Zeit ausgehend von einer Initiative des Ullstein-Verlages, der sich im Reich ein eigenes Absatzsystem von rund 100 Grossisten schuf19 • In den Verträgen mit diesen Grossisten wurden zuerst Gebietsgrenzen festgelegt, deren überschreitung den Grossisten verboten war20 • Auch andere Verlage betrauten Grossisten mit Alleinauslieferungsrechten. Der Unterschied zum bestehenden Presse-Vertriebssystem bestand aber darin, daß die Auslieferungen nur mit Objekttrennung erfolgten. So hatte ein Grossist nur bestimmte Objekte in seinem Angebot. Der Einzelhändler bezog seine Ware von mehreren Grossisten, von denen nur in geringem Umfang gleiche Objekte angeboten werden konnten. Die Nachkriegsentwicklung ist dadurch gekennzeichnet, daß zumindest bis zur Währungsreform eine große Zahl von Grosso-Firmen gegründet wurden21 , die sich dann nach der Währungsreform schnell verringerte und bei ca. 90 Betrieben mit Alleinauslieferungsgebieten etablierte. In dem Verfahren MAL ./. Bauer22 hielt es der BGH für notwendig, aufzuklären, wie sich die Entwicklung zum Gebiets-Grossisten im Raum Mannheim / Ludwigshafen / Heidelberg vollzogen hat23 • Dieser Aufklä18

289.

o. V., "Presse und Presse-Vertrieb in der Bundesrepublik, DNV 1964,280,

l ' Engholm, Björn: "Medienpolitische Bedeutung des Presse-Großhandels", Vortrag abgedruckt in: DNV 1979, Heft 3, S. 16, 18. 20 Kaiser, S. 25. 21 Schätzungen liegen bei 500, allein 350 in Nordrhein-Westfalen, Kaiser, S.26. 22 s. u. Kap. G I 1. 28 BGH vom 10. 10. 1978, WRP 1979, 35 ff. = WuW jE BGH 1527 "Zeitschriften-Grossisten" .

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

rung hat sich das OLG Karlsruhe24 entzogen, indem es die sachliche Rechtfertigung der Belieferungsverweigerung bejaht hat. Eine Prüfung, ob der Geschäftsverkehr üblicherweise zugänglich ist und sich in natürlicher Weise entwickelt hat, erübrigte sich daher. Sicherlich ist in der Nachkriegsentwicklung des Presseabsatzsystems ein maßgeblicher Einfluß der Verlage feststellbar. Insbesondere die Verlage Springer und Martens legten die Vertriebsgebiete für ihre Objekte fest und betrauten die Grossisten mit Alleinauslieferungsrechten in ihren Gebieten. Diese Gebietsabgrenzungen wurden nur zu einem geringen Teil schriftlich vereinbart, vielmehr handelte es sich im wesentlichen um eine Festlegung der Verlage25 • Festzustellen ist auch, daß sich die kleineren Verlage der Gebietseinteilung der größeren anschlossen. Zu beobachten ist, daß insbesondere den Objekten "Bild-Zeitung" und "Hör Zu" eine Markterschließungsfunktion zukam. So wurden von den Grossisten bei den Auslieferungstouren für diese Objekte andere mitgenommen. Wesentlich wurde dies für die Erschließung von Landverkaufsstellen. Die Einzelheiten der Herausbildung des Gebietsgrossisten mit vollem Sortiment waren in den einzelnen Vertriebsgebieten unterschiedlich. Zum Teil erfolgten auch Zusammenlegungen von Grosso-Betrieben in gesellschaftsrechtlichen Formen unter Beteiligung der früheren Inhaber. Zum Teil sind diese Gesellschaftsgründungen aufgrund der "Anregungen" der Großverlage zustandegekommen. Bis auf die Städte Berlin, Hamburg und Saarbrücken2G hat sich die Einrichtung des alleinigen Gebietsgrossisten durchgesetzt27 • Die Gebietseinteilungen sind im wesentlichen bis zum Anfang der siebziger Jahre abgeschlossen worden. d) Aufgaben und Leistungen des Presse-Grosso

Wesentliche Aufgabe der Unternehmen des Presse-Grosso ist es, die Vielzahl von Objekten zu bestimmten Zeiten den Einzelhandelsbetrieben zum Verkauf zur Verfügung zu stellen. Diese Verteilfunktion, unterteilbar in Zeitüberbrückung und Raumüberbrückung28 , ist in Einzelheiten sehr komplex und wird zunehmend mit Hilfe von EDVOLG Karlsruhe WuW/E OLG 2289 "Zeitschriften-Grossisten". Kaiser, S. 29. 28 Sonderformen in Darmstadt und Dortmund. 27 Mit Bußgeldbescheid vom 21. 7.1977 hat das Bundeskartellamt 17 süddeutschen Grosso-Untemehmen vorgeworfen, Feinabstimmungen der Gebietsgrenzen vereinbart zu haben. Das Verfahren wurde vom Kartellamt des Kammergerichts eingestellt; s. Bechtold: "Bußgeldverfahren ...", DNV, Heft 4 1979, S. 3; Wenzel, Egbert: "Rechtsprobleme des Presse-Grosso, AfP 1979, S. 380,381. 28 So Batzer / Laumer: "Die Aufgaben und Leistungen des Zeitungs- und Zeitschriften-Großhandels und ihre Auswirkungen auf die Kosten- und Spannensituation, DNV 1970, S. 498, 500. !4

15

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

39

Anlagen gesteuert29 • Hinzu kommen die Aufgaben der Remissionsbearbeitung und -verrechnung mit dem Einzelhandel und den Verlagen. Zu diesen Grundfunktionen kommen weitere Leistungen des PresseGrosso hinzu, ohne die eine optimale Verteilung der Objekte nicht möglich ist. Die Markterschließung durch neue Angebotsstellen wird wesentlich von dem Grossisten vorangetrieben. Sowohl die Bestimmung der einzelnen Angebotspunkte, als auch das Warensortiment der einzelnen Angebotsstelle wird beeinflußt durch die gebietsmäßige Bevölkerungsdichte, die Kaufgewohnheiten der Leser, die Pendlerströme und Ortsstrukturen3o • Das Presse-Grosso bestimmt auch im wesentlichen die Sortimentsbreite des Einzelhandels, die mit ca. 300 Titeln durchschnittlich anzusetzen ist. Hierzu vermutet Sondermann31 , die Objektpflege durch das Grosso sei nach Auflagenstärke des vertriebenen Objektes unterschiedlich. Fraglich ist, ob dem zu folgen ist. Es geht hierbei um die Feststellung, ob das Presse-Grosso tatsächlich die von ihm in Anspruch genommene Neutralitätspflicht32 erfüllt. Dies könnte dadurch beeinträchtigt sein, daß im Grosso-Bereich durchschnittlich 1250 Pressetitel geführt werden, davon erbringen weniger als 6 % der Titel rund 80 %. des Gesamtumsatzes, was bedeutet, daß 94 Ofo der Objekte nur rund 20 Ofo des Gesamtumsatzes erzielen33 • Diese Sortimentsstruktur im Grosso-Bereich ist die Konsequenz der schon im Verlagsbereich festgestellten Marktführerschaft bestimmter Objekte. Ob sich dies auf die Neutralität des Grosso hinsichtlich der Objekte und Verlage auswirkt, ist umstritten. Mestmäcker vermutet, daß der Zugang zum Vertrieb für kleinere Verlage erschwert werde 34 und die Großverlage den Großhandel und damit auch die Bedingungen für den Vertrieb von Konkurrenzprodukten kontrollierten35 • Die Verbände der Grossisten und Zeitschriftenverleger haben die Ansicht Mestmäckers in einer Stellungnahme energisch zurückgewiesen und 2D Zu den logistischen Problemen der Verteilung und Mengensteuerung ausführlich Ihde, Gösta B., u. a.: "Der Pressegroßhandel als logistisches System", Gutachten 1978, Abdruck in DNV 1979, Heft 9, S. 30 ff. 30 Als Beispiel einer Marktabdeckung s. o. V., "Marktdurchdringung im Presse-Grosso, DNV 1978, Heft 8, S. 82, für den Raum Krefeld. 31 Sondermann, S. 31/54. 32 o. V., "Der Pressegroßhandel als Garant für Pressefreiheit und Pressevielfalt" , Informationsschrift des Verbandes, 1979, S. 6; Nolte, Eberhard: "Grußwort des 1. Vorsitzenden", DNV 1978, Heft 8, S. 10; Kaiser, S. 47; Ipsen, S. 81. 33 Kaiser, S. 97. U Mestmäcker: "Medienkonzentration und Meinungsvielfalt" , Baden-Baden 1978, S. 180. 3/i Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 184 und Zusammenfassung Nr. 26, S. 224.

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

darin ausgeführt, kleinauflagige Objekte werden von dem Grosso ali':' mentiert aus den Erträgen der Objekte der Großverlage 36 • Zu der Neutralität des Presse-Grosso37 und der Alimentierung wird im einzelnen noch im Zusammenhang Stellung zu nehmen sein, hier kann aber schon festgestellt werden, daß zu den Aufgaben des Grosso zu zählen ist, ein umfassendes Sortiment dem Einzelhandel bereitzustellen und außerdem, daß die Kalkulation des Grosso bezüglich seiner Gewinnerwartung von unterschiedlichen Deckungsbeiträgen der einzelnen Objekte bestimmt wird. Aus diesem Grund entsteht die Diskussion zwischen Grosso und Verlagen über die Handelsspanne bei den preisgebundenen Presseobjekten ständig neu. Außer ner Verteilfunktion, der Remissionsabwicklung und der Markterschließung nimmt der Gross-Bereich noch vielfältige Aufgaben wahr: die Beratung und Betreuung der Einzelhändler38 wird bei der steigenden Zahl der Objekte immer wesentlicher, da der Einzelhandel nicht über den Marktüberblick verfügen kann, der dem Grossisten eröffnet ist. Eine Informations- und Beratungsfunktion des Großhandels besteht aber auch gegenüber den Verlagen. Diese sind über die Marktentwicklung im jeweiligen Vertriebsgebiet, über den Abverkauf der Objekte und die Einzelhandelsstruktur zu unterrichten. Hierfür haben die Verlage und Grossisten die Einzelhandelsstrukturanalyse (EHASTRA) entwickelt, zu der die wesentlichen Daten von den Grossisten bereitgestellt werden39 • Für die Bezugsregulierung und Remissionsminimierung sind von Verlagen und dem Grosso verschiedene Methoden entwickelt worden40 , deren ständige Verfeinerung, ebenso wie die Datenerfassung, zu den Aufgaben der Großhandelsbetriebe zählt. 4. Der Bahnhofsbucbhandel a)

Grundlagen

Im Jahre 1980 erzielte der Bahnhofsbuchhandel einen Netto-Umsatz von ca. 320 Mill. DM. Sein Marktanteil im Pressevertriebsbereich kann s. a. Kaiser, S. 96, 97. Nur als Obliegenheit und nicht als Pflicht verstanden von Ipsen, S. 81, unter Hinweis auf Kuhn: Buchbesprechung in: AfP 1979, S. 377; ebenso Wenzel, Karl-Egbert: "Rechtsprobleme des Presse-Grosso, in: AfP 1979, S. 380, S8 87

387.

s. a. Batzer / Laumer. S. 502. Geschäftsbericht des Verbandes Presse-Grosso 1980, S. 59 ff.; Geschäftsbericht 1981, S. 57 ff. 40 a) MBR = Marketing-orientierte Bezugsregulierung; b) BKO = Bezugsregulierungsverfahren für klein- und mittelauflagige Objekte. 38

30

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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daher mit ca. 15 0/0 1 angesetzt werden. Gekennzeichnet wird der Pressevertrieb über den Bahnhofsbuchhandel dadurch, daß zwischen dem Verlag und dem Endverbraucher nur ein Absatzmittler, der Bahnhofsbuchhandel, geschaltet ist. Damit stellt sich der Bahnhofsbuchhandel als eigener, selbständiger Vertriebsweg dar. Trotz des direkten Bezuges von den Verlagen ist er mit dem Presse-Grosso nicht vergleichbar, seine Leistungen und seine besondere Funktion schließen aus, für das Presse-Grosso gefundene Ergebnisse ohne Begründung auf ihn zu übertragen2 • Geschichtlich hat sich der Bahnhofsbuchhandel nicht aus dem Pressevertrieb heraus entwickelt, sondern aus dem Sortimentsbuchhandel. Es waren Sortimentsbuchhändler, die um 1870 die ersten Bahnhofsbuchhandlungen eröffneten3 • Die erste Eisenbahn fuhr bekanntlich im Jahre 1835 von Nürnberg nach Fürth. Die erste Bahnhofsbuchhandlung wurde 1872 von der Firma Stilke in Berlin eröffnet4 • Ebenso sind die Firmen Schmitt, Heidelberg, und Witwer, Stuttgart, zusammen mit anderen als Wegbereiter des Bahnhofsbuchhandels anzusehen. Bis nach dem ersten Weltkrieg war der Bahnhofsbuchhandel dadurch gekennzeichnet, daß Buchhändler einfach gestaltete Stände mit Zeitschriften-, Zeitungs- und Bücherangebot auf den Bahnhöfen errichteten. Zum Teil wurden auch Bahnsteigverkäufer eingesetzt, die die Versorgung der Reisenden mit Reiselektüre sicherstellen konnten. Im Rahmen der Modernisierung der Bahnhöfe durch die Deutsche Reichsbahn in den zwanziger Jahren wurden auf zahlreichen Bahnhöfen feste Verkaufsstände für den Bahnhofsbuchhandel eingerichtet und es entwickelte sich ein eigenständiger Berufsstand des Bahnhofsbuchhändlers, der nunmehr, auch ohne über Sortimentsbuchhandlungen außerhalb des Bahnhofs zu verfügen, sich als Absatzmittler im Pressemarkt etablierte. Nach dem zweiten Weltkrieg, insbesondere nach der Währungsreform 1948, entwickelte sich der Bahnhofsbuchhandel hin zu einer Spezialverkaufsstelle des Pressehandels mit umfassendem Sortiment. Es entstanden moderne Verkaufsräume'5 mit einem breiten Angebot an Zeitungen, Zeitschriften, Taschenbüchern und Büchern. Die durchschnitt1 Eigene Berechnungen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Möstl, Reinhard: "Der Absatz von Zeitungen und Zeitschriften als KommunikationsmittIerleistung" , Diss., Erlangen - Nürnberg 1974, S. 105. 2 So aber Ipsen, Ergebnis Nr. 9 nach S. 83. 3 o. V., "Presse- und Pressevertrieb in der Bundesrepublik Deutschland, DNV 1964, S. 280, 292. 4 Die Welt, Nr. 7 v. 10.1. 1972, S. 12, zitiert bei Kaiser, S. 20, Fn. 25. 5 Allein in den Jahren 1971 bis 1978 sind 29% der Verkaufsstellen des Bahnhofsbuchhandels neu- oder umgebaut worden, s. "Der Bahnhofsbuchhandel", Spiegel-Verlag, Hamburg 1979, Tabelle 7.

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

liche Sortimentsbreite einer Bahnhofsbuchhandlung mit ca. 800 Zeitungs- und Zeitschriftentiteln6 übertrifft die des vom Grosso belieferten Einzelhandels mit ca. 300 Titeln wesentlich. Durch dieses größere Sortiment ist für den Bahnhofsbuchhandel die Unterscheidung zwischen den sogenannten "Brotobjekten" , den hochauflagigen, marktführenden Zeitschriften und den anderen Objekten nicht so relevant wie im EinzelhandeF. Insbesondere die Objektgruppen Fachzeitschriften, Spezialzeitschriften und Sonderhefte sind im Bahnhofsbuchhandel stark vertreten. Darüber hinaus zeigt sich eine Tendenz hin zum Buch-, insbesondere zum Taschenbuchgeschäft8 • Die Direktbelieferung des Bahnhofsbuchhandels durch die Verlage begründet sich sowohl aus der geschichtlichen Tradition als auch aus den besonderen Leistungen und Funktionen des Bahnhofsbuchhandels9 • Regelmäßig besteht zwischen dem Bahnhofsbuchhändler und der Deutschen Bundesbahn ein privatrechtlicher Pachtvertrag10 , der durch öffentlich-rechtliche Vorschriften ergänzt wird. Grundlage ist § 41 BBahnG, da es sich bei den Bahnhofsbuchhandlungen um Nebenbetriebe der Deutschen Bundesbahn handeltl l . Dies sind Betriebe, die den Bedürfnissen des Eisenbahn- und Schiffahrtsverkehrs der Deutschen Bundesbahn zu dienen bestimmt sind. Insbesondere die Versorgung der Reisenden und hier der über 7 Mill. Pendler mit Presseobjekten wird vom Bahnhofsbuchhandel sichergestellt. Dies schließt nicht aus, daß die Bahnhofsbuchhandlungen auch von anderen Personen in Anspruch genommen werden, insbesondere wegen ihrer zentralen Lage und des umfassenden Sortiments, insbesondere auch in ausländischen Presseerzeugnissen1!. Als Nebenbetriebe der Deutschen Bundesbahn (DB) sind die Bahnhofsbuchhandlungen z. B. von der Gewerbeordnung ausgenommen (§ 41 Abs. 1 BBahnG) und ebenfalls von dem Ladenschlußgesetz (§ 41 Abs. 2 BBahnG i. V. m. § 8 LadSchIG). Außerdem werden die Aufgaben der Bahnhofsbuchhandlungen bestimmt durch die All• Aus eigenen Berechnungen ermittelt, zum Vergleich: Sortimentsbreite Verlagsabonnement: 684, WBZ 39, Lesezirkel 60. 1 So auch Möstl, S. 105. e o. V., "Magazin Bahnhofsbuchhandel", in: Buchreport Nr. 17 v. 20.4.1979, S.46,51. D s. a. Wallenfels, Dieter: "Die Belieferung von Verkaufsstellen mit Zeitungen und Zeitschriften zu Bahnhofsbuchhandelskonditionen" , unveröffentlichtes Gutachten v. 12. November 1974; s. u. Kap. B 11 4. c) u. Kap. G 11 5. b) ce). 10 Möstl, S. 101. 11 Insgesamt 3000 Bahnhofsbetriebe erwirtschafteten 1979 1,3 Mrd. DM Umsatz, 20 Ufo hiervon entfallen auf den Bahnhofsbuchhandel, Venner, Marlot: "Schlucken oder Kündigen", in: Börsenblatt v. 29.4,1980, S. 1017. 11 z. B. Bahnhofsbuchhandlung München: 600 verschiedene ausländische Presseerzeugnisse, Sussmann, Klaus: "Die ganze Welt täglich 17 Stunden lang präsent", in: Buchreport, Heft 17, v. 20.4.1979, S. 57, 60.

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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gemeinen Vertragsbedingungen für Nebenbetriebe der Deutschen Bundesbahn (AVN) und die Besonderen Vertragsbedingungen für Bahnhofsbuchhandlungen (BVB), auf die im einzelnen noch einzugehen sein wird. Festzuhalten ist aber hier, daß die Bahnhofsbuchhändler zwar selbständige Kaufleute sind13 , ihnen jedoch durch die Bundesbahn Auflagen in vielseitiger Form gemacht werden. So setzt nach § 5 Abs. 1 A VN die Bundesbahn die Geschäftszeit nach dem Fahrplan und den örtlichen Bedürfnissen fest. Bestimmte Waren müssen geführt werden (§ 1 Ziff. 2 und 3 BVB), andererseits unterliegt der Bahnhofsbuchhändler einer Sortimentsbeschränkung, er darf nach § 4 Ziff. 2 A VN nur die vertraglich vereinbarten Warenarten führen. Von den weiteren Auflagen und Bedingungen ist noch hervorzuheben, daß der Bahnhofsbuchhändler für jede andere Erwerbstätigkeit nach § 3 Abs. 2 A VN auf die vorherige Zustimmung der Bundesbahn angewiesen ist. Die Betriebe des Bahnhofsbuchhandels sehen sich daher sowohl den Anforderungen der Deutschen Bundesbahn als auch der Verlage gegenüber, die nicht immer in übereinstimmung stehen oder zu bringen sind. b) struktur des BabDhofsbudlhan4els

1980 bestand der Bahnhofsbuchhandel aus insgesamt 130 Pachtobjekten mit 627 Verkaufsstellen auf 357 Bahnhöfen14 • Diese Zahlen beziehen sich nur auf die von der Deutschen Bundesbahn verpachteten Objekte. Die Definition des Bahnhofsbuchhandels kann aber nicht ausschlaggebend danach erfolgen, ob ein Pachtverhältnis mit der Deutschen Bundesbahn besteht. Vielmehr sind unter den Begriff Bahnhofsbuchhandel auch die Betriebe zu fassen, die von anderen Verkehrsunternehmen gleiche oder ähnliche Auflagen oder Beschränkungen auferlegt erhalten, wie dies in den A VB und BVB der Deutschen Bundesbahn erfolgt. Dies ergibt sich daraus, daß nicht auf das formale Vorliegen eip.es Pachtvertrages mit der DB abgestellt werden kann, sondern für die Definition des Bahnhofsbuchhandels dessen Funktion und besondere AufgabensteIlung heranzuziehen ist. Die Funktion, Reisende auf dem Gelände eines Verkehrsbetriebes mit Presseobjekten zu versorgen, wobei besondere, über die Pflichten des sonstigen Presse-Einzelhandels hinausgehende Aufgaben zu erfüllen sind, stellt das sachgerechte Abgrenzungskriterium für den Bahnhofsbuchhandel dar. Die Firmenstruktur innerhalb des Bahnhofsbuchhandels ist dadurch gekennzeichnet, daß die einzelnen Betriebe hinsichtlich Größe, Ausstat13

§ 1 AVN.

Die Erhebung des Spiegel-Verlages "Der Bahnhofsbuchhandel" vom 30.6. 1979 nennt für 1978 insgesamt 989 Angebotsstellen, da die Verkaufsstellen auf Flughäfen, Omnibus-, U- und S-Bahilhöfen hinzugerechnet werden. 14

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

tung und Umsatz sehr unterschiedlich sind. Im Gegensatz zu den Betrieben des Grosso-Bereiches ist hier auch nicht annähernd eine ähnliche Homogenität gegeben. Die Jahres-Umsatzzahlen der einzelnen Betriebe liegen zwischen 300 000 DM und über 200 Mill. DM. Auch hinsichtlich der Anzahl der Filialen sind große Schwankungs breiten feststellbar15 • So hat z. B. die Bahnhofsbuchhandlung München Hauptbahnhof keine, die Bahnhofsbuchhandlung Stuttgart insgesamt 32 Filialen. Ohne die Differenzierung der einzelnen Betriebe näher aufzeigen zu müssen, ergibt sich, daß der Bahnhofsbuchhandel durch die Unterschiede der einzelnen Betriebe und Betriebsgrößen sowohl in seiner Darstellung als auch in seiner Interessendurchsetzung als Gruppe16 auf größere Schwierigkeiten stoßen muß als der Grosso-Bereich. Die Begründung der unterschiedlichen Betriebsstrukturen ergibt sich aus der geschichtlichen Tradition, in der von der Deutschen Reichsbahn und dann von der Deutschen Bundesbahn zunächst jeweils nur einzelne Bahnhofsbuchhandlungen an Pächter vergeben wurden und nur in Ausnahmefällen Filialen außerhalb der jeweiligen Bezirksdirektion der Bundesbahn errichtet werden konnten. Im Gegensatz zu England17 und Frankreich18 begründete die Vergabepolitik der Verpächterin die derzeitigen Strukturunterschiede19 • Für den Absatzmittler Bahnhofsbuchhandel stehen je Ort nur ein oder weniger Angebotsplätze zur Verfügung, und die Umsatzleistungen hängen wesentlich von der Ortsstruktur und der Lage des jeweiligen Bahnhofs ab. c) Der Bahnhofsbucllhandel als Einzelhandel

Der Bahnhofsbuchhandel verkauft Presseobjekte direkt an den Endverbraucher, er ist daher Einzelhandel. Im Gegensatz zum übrigen Einzelhandel bezieht er jedoch seine Waren direkt von den Verlagen. Die Betriebshandelsspanne20 lag 1978 bei 34,8 0/021 und sinkt ständig aufgrund von Spannenkürzungen der Verlage 22 • Die Aufgaben und Lei15 Die von Möstl, S. 102 angegebene Durchschnittszahl von 5 Filialen je Betrieb verschleiert das Bild. 18 Die Interessenvertretung erfolgt durch den Verband Deutscher Bahnhofsbuchhändler e. V. mit Sitz in Frankfurt, 1980 126 Firmenmitglieder. 17 Die meisten Bahnhofsbuchhandlungen werden von der Firma W. H. Smith, London, betrieben. 18 Die Hachette-Gruppe betreibt allein 1 200 Verkaufs stellen in Bahnhöfen und Flughäfen, FAZ v. 11.12.1980, S. 13. 1t Zu Einzelheiten s. u. Kap. B II 4. d) bb). 20 Warenverkauf abzüglich Wareneinkauf = Betriebshandelsspanne / Prozentsatz als Verhältnis zum Brutto-Warenverkauf. 21 Quelle: Betriebsvergleich des Instituts für Handelsforschung, übersicht in: DNV, Heft I, 1980, S. 14. !2 Buchreport v. 20.4.1979, S. 47.

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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stungen des Bahnhofsbuchhandels übersteigen im allgemeinen die des Einzelhandels. Zu den schon dargestellten 23 besonderen Verpflichtungen des Bahnhofsbuchhandels kommen noch weitere Leistungen hinzu, die sich maßgeblich auf die Gewinnerwartungen dieser Branche auswirken. 84 % der Verkaufsstellen öffnen wochentags morgens vor 6 Uhr und 59 Ufo schließen erst nach 19 Uhr24 • Die durchschnittlichen wochentäglichen Öffnungszeiten umfassen den Zeitraum von 5 Uhr bis 21 Uhr. Außerdem ist der größte Teil der Verkaufsstellen samstags und sonntags geöffnet, und zwar durchschnittlich in der Zeit von 6 Uhr bis 21 Uhr samstags und 7 Uhr bis 20 Uhr sonntags 25 • Diese Öffnungszeiten bedingen einen erheblich höheren Personalkostenaufwand als im sonstigen Einzelhandel. Zu den besonderen Leistungen des Bahnhofsbuchhandels ist das umfangreiche Sortiment zu zählen. Es umfaßt bis zu 2000 Titel aus den Objektgruppen in- und ausländische Zeitungen und Zeitschriften26 • Im Bahnhofsbuchhandel werden Spitzen von Auflagen verkauft, die ohne ihn sonst nie den Weg zum Verbraucher finden würden27 • Außerdem stellen die einzelnen Bahnhofsbuchhandlungen für die Verlage insbesondere bei Objekt-Neueinführungen repräsentative und überschaub are Teilmärkte dar. Der Feststellung Kaisers 28 , der wirtschaftlichere Vertriebsweg sei der über das Grosso, ist also nur dann zu folgen, wenn allein die exemplaranteiligen Belieferungskosten zugrunde gelegt werden. Unter Einbeziehung der Leistungen des Bahnhofsbuchhandels unter dem Gesichtspunkt der Kostenoptimierung trifft diese Feststellung Kaisers daher nicht zu. d) Das Verhältnis des Bahnhofsbuchhandels zur Deutschen Bundesbahn

Die Mehrzahl der Betriebe des Bahnhofsbuchhandels ist Pächter der Deutschen Bundesbahn. Zwar steigen die Zahlen von Pachtungen auf dem Gelände anderer Verkehrsbetriebe und eigener Verkaufsstellen auf solchem Gelände, dennoch bleibt die Deutsche Bundesbahn der wichtigste Vertragspartner der Bahnhofsbuchhandlungen. aa) Die Pachtregelung

Zum 1. Januar 1978 sind die Bahnhofsbuchhandlungen von der Deutschen Bundesbahn auf ein neues Pachtsystem umgestellt worden29 • 23

24 25 28

!7

28

s. o. Kap. B 11 4. b). Hierzu "Der Bahnhofsbuchhandel", Spiegel-Verlag 1979, Tabelle lL "Der Bahnhofsbuchhandel" , Tabellen 11 und 13. Buchreport v. 20.4.1979, S. 47. Möstl, S. 106. Kaiser, S. 21.

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte die Pachtfestsetzung nach einer Ertragsberechnung. Aufgrund des bereinigten Betriebsergebnisses (des Rohüberschusses) wurde für jeden einzelnen Betrieb ein Pacht-Prozentsatz nach einer umsatzbezogenen Pachtstaffel festgelegt. Die Pachtzahlung selbst erfolgte dann in alleiniger Abhängigkeit vom Umsatz. Die Deutsche Bundesbahn führte zum Zwecke der Pachtfestsetzung zu meist Betriebsprüfungen durch. Nur die kleineren Bahnhofsbuchhandlungen zahlten Festpachten. Bei Betrieben mit einem Jahresumsatz von über 2 Mill. DM erfolgte eine jährliche Anpassung der Pachtfestsetzung. Zum 1. Januar 1978 wurde zwar ein neues Pachtentgeltsystem eingeführt, nicht aber eine neue Pachtberechnung durchgeführt. Vielmehr wurde der zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Ertragsberechnungssystems bestehende Pachtsatz ungefähr im Verhältnis von 35 % zu 65 Ofo aufgeteilt in einen festen Grundpachtbetrag und einen umsatzbezogenen Pachtanteil so • Grundsätzlich können sich daraus für den Pächter dann Vorteile ergeben, wenn der Umsatz steigt. Nachteilig wirkt sich dieses System, das von der DB ohne Zustimmung der Pächterverbände durchgesetzt wurde3t , dann aus, wenn die Umsatzzuwachsraten stagnieren32 • Außerdem ergibt sich folgende Problematik: Die Pacht zum 1. Januar 1978 war eine Ertragspacht. Die zu diesem Zeitpunkt individuell bestehende Ertragslage wurde für die neue Pachtberechnung zugrunde gelegt. Ertragsveränderungen werden nicht berücksichtigt, vielmehr ist die DB Ende 1979 dazu übergegangen, die Pachten nunmehr linear zu erhöhen. Zum Teil sind diese Erhöhungen mit Kündigungsdrohungen einzelner Bundesbahndirektionen durchgesetzt worden33 • Zu Kündigungen seitens der DB ist es dann bei keinem der 144 Pachtobjekte gekommens4, es ist aber nicht auszuschließen, daß einige Pächter aufgrund überzogener Forderungen resignierten und selbst kündigten. Die lineare prozentuelle Pachterhöhung zum 1. Januar 1980 führte dazu, daß die seit 1977 veränderte Ertragssituation unberücksichtigt blieb. Der Bahnhofsbuchhandel sieht sich daher bei sinkenden Handelsspannen höheren Pachten und Personalkosten gegenüber35 • Für den 1. J anuar 1983 ist eine weitere Änderung des Pachtsystems geplant. Die 2. s. Dembach, Lothar: "Die Antwort der Bundesbahn", in: DNV, Heft 5 a, 1978, S. 37. so Buchreport v. 20.4. 1979, S. 48. at Grauert, Hans Wilhelm: "Nicht ohne Hoffnung ins neue Jahrzehnt", Rede zur Jahreshauptversammlung 1980, in: Börsenblatt, Nr. 36, 1980, S. 1018, 1019. 32 Grauert, S. 1018. sa Grauert, S. 1018. 34 Dernbach, Lothar: Vortrag, abgedruckt in: DNV, Heft 6, 1980, S. 9, 12. 35 Grauert, Hans Wilhelm: "Grundsatzreferat des 1. Vorsitzenden", in: DNV, Heft 5 a, 1978, S. 28.

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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DB will die Pachtfestsetzungen nach statistischen Kriterien vornehmen, wobei die durchschnittliche Pachtbelastung nach Kriterien wie Umsatz, Größe und Betriebsform errechnet werden S01l38. bb) Neuverpachtungen

Nach § 21 Ziff. 1 der AVN wird der Pachtvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, er endet jedoch, wenn der Pächter stirbt. Dies gilt auch dann, wenn der Pachtbetrieb in der gesellschaftsrechtlichen Form einer GmbH organisiert ist 37 • Der frei werdende Betrieb wird dann in der Regel von der DB öffentlich ausgeschrieben. Ein Ersatz des Geschäftswertes durch den Pachtnachfolger erfolgt nicht38 • überwiegend entscheidet die DB über die Neuvergabe nach dem gebotenen Pachtsatz. Zwar berücksichtigt sie in dem Geschäft tätige Familienmitglieder und langjährige Mitarbeiter39 , es ist jedoch festzustellen, daß diese in der Regel entweder nicht das erforderliche Pachtangebot machen können oder aber sich einer völlig neuen Ertragssituation gegenübersehen. Eine entsprechende spätere Pachtanpassung ist im Rahmen des bestehenden Pachtsystems nicht möglich, da die Pacht nicht mehr von Ertragsprüfungen abhängig ist. Es ergibt sich daraus die Konsequenz, daß zum Teil traditionsreiche Familienunternehmen aus dem Bahnhofsbuchhandel herausgedrängt werden können, da ihnen bei Neuverpachtungen im Gegensatz zu anderen Bewerbern die Möglichkeit fehlt, überhöhte Pacht angebote abzugeben und im Bahnhofsbuchhandel erwirtschaftete Verluste mit Gewinnen aus anderen Geschäftsbetrieben zu verrechnen. Die Existenz des selbständigen Bahnhofsbuchhandels erscheint daher gefährdet.

5. Werbender Bucb.- und Zeitsdlriftenhandel (WBZ) a) Aufgaben und MarktsteUunc

Während die Absatzmittler Großhandel und Bahnhofsbuchhandel für alle Presse-Erzeugnisse von Bedeutung sind, tritt der werbende Buchund Zeitschriftenhandel nur für die Zeitschriften und Wochenzeitungen als Vertriebsfaktor in Erscheinung. Der WBZ wirbt Abonnenten, also regelmäßig zahlende Einzelkäufer, die das mit einem festen Abnahmeversprechen für ein halbes oder ein ganzes Jahr bei gleichzeitiger Erhebung einer Zustellgebühr bestellte Objekt ins Haus geliefert erhalDernbach, Lothar: Vortrag, in: DNV, Heft 6,1980, S.9, 13. Venner: "Schlucken oder kündigen", Börsenblatt v. 29.4.1980, S. 1017, 1020. 38 § 22 Ziff. 2 AVN. 3U Dembach, Lothar: Vortrag, in: DNV, Heft 6, 1980, S. 9, 13. se

37

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

ten1 . Er erfüllt also sowohl Werbeleistung als auch Distributionsleistung 2 • Die geschichtliche Entwicklung des WBZ3 begann im vorigen Jahrhundert. Schon im Jahre 1886 haben sich die verschiedenen Verbände zu einem "Central-Verein deutscher Colportage - Buchhändler" zusammengeschlossen. Die Bedeutung, die der WBZ bereits vor Beginn dieses Jahrhunderts erlangt hatte, wird anschaulich dargestellt in einem Artikel, der damals weit verbreiteten "Gartenlaube", Heft 1, 18944 : "Ein großer Teil des deutschen Publikums denkt bei den Worten ,Kolporteur' und ,Kolportage' nur an dunkle Gestalten, welche die Hintertreppen auf- und absteigen und unreifen Jünglingen, naiven Kindermädchen oder sensationslustigen Küchenfeen irgendein von Blut und Grausen erfülltes Machwerk in unbestimmt vielen Lieferungen aufschwatzen. Diejenigen Leser, welche unter anderem auch die ,Gartenlaube' durch den Kolporteur erhalten, wissen es besser ... Vielmehr bestehen 90 Ofo der durch Kolportage im weitesten Sinne vertriebenen Literatur aus durchaus volkstümlichen Schriften und Büchern ... Es gibt in Deutschland verkehrsarme Gegenden, in denen der Kolporteur und vielleicht noch der Buchbinder die einzigen Vermittler literarischer Erzeugnisse bilden." Zu Beginn der Entwicklung des WBZ fielen unter den Begriff Kolportage sowohl der werbende Buch- und Zeitschriftenhandel als auch das später verselbständigte System der Buchclubs. Erst nach der Jahrhundertwende widmete sich der WBZ mehr und mehr dem Abonnementvertrieb von Zeitungen und Zeitschriften und hier insbesondere den Publikums- und Familienzeitschriften. Außerdem vertreibt der WBZ Versicherungen im Bereich der Familien-, Unfall- und Sterbeversicherung. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Versicherungsgeschäft von dem Zeitschriftenabonnement getrennt5 • Die Zahl der Betriebe des WBZ nat sich nach einer stetigen Abnahme nunmehr stabilisiert. Ca. 300 Unternehmen sind in der Bundesrepublik tätig. Sie vertreiben ca. 40 Publikumszeitschriften und halten bei diesen einen Marktanteil von ca. 10 0/0 6 • 1 o. V., "Presse und Presse-Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland", DNV 1964, S. 280, 296. 2 Möstl, S. 108. 3 s. a. Dreppenstedt, S. 263. 4 Zitiert in: "Presse und Presse-Vertrieb in der Bundesrepublik", DNV

1964, S. 280, 294.

fi Jäger, Ludwig: "Strukturwandel des WBZ Sparte Zeitschriften", in: DNV, Heft 5, 1978, S. 26. B o. V., "Auf dem Markt zählt die Leistung" ,Broschüre des Verlages Gruner und Jahr, nennt für die Objekte des Verlages ,,9 0/0"; Möstl, S. 112, gibt den Anteil in seiner Arbeit von 1974 noch mit 12 - 15 Ofo an. Der Anteil ist jedoch gesunken; s. a. "WBZ - Auflagen 1977", Tabelle in: DNV, Heft 2, 1978,

S.36.

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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Größer ist der Marktanteil des WBZ im Bereich der Programmzeitschriften, bei denen er ca. 50 Ofo des Abonnementanteils hälF. Der restliche Teil befindet sich im verlagseigenen Abonnement, mit dem der WBZ teilweise im Wettbewerb steht. Der Wettbewerb mit diesem und untereinander wird aber zum Teil dadurch ausgeschlossen, daß die Firmen des WBZ untereinander und gelegentlich auch mit den Verlagen die Belieferungsrechte tauschen oder verkaufen. Dadurch wird der Lieferbereich der WBZ-Unternehmen, der grundsätzlich unbegrenzt ist, durch räumliche Konzentration rationalisiert8 • b) Besonderheiten und Problembereiche

Wie schon aus dem oben unter B 11. 5. a) zitierten Artikel der "Gartenlaube" aus dem Jahre 1894 erkennbar, liegen vornehmliche Problembereiche des WBZ in der Werbung und dem Verhalten ihrer Außendienstmitarbeiter, die zumeist selbständig arbeiten. Um die Beachtung der "Guten Sitten" im Wettbewerb fördern und zu kontrollieren, wurde im Jahre 1969 die Gründung einer "Arbeitsgemeinschaft Abonnenten-Werbung" beschlossen und diese "AGA" 1971 als Verein eingetragen. Mitglieder dieses Vereins sind die Verlage, vertreten durch den VDZ, die WBZ-Händler, vertreten durch ihren Verband, die Gruppen um Bertelsmann, die mit Werbern Buchgeschäfte betreiben, die Versicherungsgesellschaften, die auch Werber beschäftigen, Lesezirkel und die Werber-Organisationen9 • Die Schwierigkeiten der Arbeit der AGA ergeben sich aus der Vielschichtigkeit ihrer Mitglieder. Zum Teil betreiben die Verlage selbst Abo-Werbung, arbeiten zum Teil aber auch gleichzeitig mit dem WBZ zusammen. Auch die WBZ-Händler betreiben selbst entweder selbst Werbung oder kaufen Aufträge von Werber-Organisationen, diese treten teilweise auch selbst als WBZHändler auPo. Durch eine Schiedsordnung, Richtlinienl l und eine AGAVertreter-Kartei und seit 1977 auch durch ein Schiedsgericht konnte die AGA bedeutende Erfolge bei dem Bestreben erzielen, die Lauterkeit des Wettbewerbs zu erhalten und zu verbessern. Problemlagen ergeben sich für die WBZ ebenfalls aus der Gestaltung der Abgabepreise und Werbekostenzuschüsse der Verlage. Die Staffelung der Rabatte und der Werbekostenzuschüsse an die Zahl der geworbenen Neukunden wurden 1978 in zwei Musterverfahren vom Kaiser, S. 21. Dreppenstedt, S. 268. 9 Mehl, Walter: ,,10 Jahre AGA", in: DNV, Heft 7, 1978, S. 6, 7. 10 Mehl, Walter, S. 8. 11 Die Eintragung der Richtlinien nach § 28 Abs. 2 GWB wird betrieben. o. V., "Arbeitsgemeinschaft Abonnentenwerbung" , in: DNV 1981, Heft 5, S. 3. 7

8

4 Roggen

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Bundeskartellamt aufgegriffen und als Ungleichbehandlung nach § 26 Abs. 2 GWB beanstandet12 • Die Ertragslage des WBZ wird bestimmt von den Gestehungskosten, das sind Provision und anteilige Aufwendungen für Insertionen, Vertreterannahmen, Überbrückungsgelder und Kfz einerseits und dem Laufzeitnutzen, also dem Preis, der Laufzeit und der Handelsspanne andererseits. Im Preis, das ist hier der Umsatz je Liefervorgang, kann teilweise noch eine Zustellgebühr zu dem Objektpreis enthalten sein, diese Gebühr sollte aber zugunsten der Haltbarkeit des Abonnements 10 Ofo des Einzelverkaufspreises des Objektes nicht übersteigen13 •

8. Der Lesezirkel a) struktur und Gesdddlte

Der Lesezirkel ist auch Absatzmittler für Presseobjekte, obwohl er diese Objekte nicht zum Verbrauch an den Kunden abgibt, sondern sie ihm nur vermietet. Die Zeitschrift wird hier bei dem Abnehmer nicht auf Dauer, sondern als Informationsträger für einen bestimmten Zeitraum überlassen. Der Leser gibt die erhaltenen Zeitschriftenmappen nach dieser Zeit an den Lesezirkel zurück, der sie dann an den nächsten Kunden wieder ausleiht. Bis zu 12 Mal, durchschnittlich 8 Mal wird eine Lesemappe hintereinander ausgeliehen. Hierbei ist der Preis für den Leser je niedriger, je älter die Mappe ist. Der geschichtliche Ursprung1 des Lesezirkels liegt schon vor dem Dreißigjährigen Krieg. So hat nach Archiven der Stadt Würzburg im Jahre 1609 der seinerzeitige Postmeister Pankratz Metzker in Kitzingen an 17 Honoratioren der Stadt regelmäßig Journale gegen Entgelt verliehen2 • Auch in anderen Orten bestanden solche Formen des GemeinschaftsIesens, hierfür gab es schon im 17. Jahrhundert sogenannte Verleihbestimmungen, in denen festgelegt war, wie lange jeder Leser die Hefte behalten durfte. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich dann die Verteilung der Lesemappen durch Boten, und Ende des 19. Jahrhunderts existierten ca. 1 300 bis 1 500 Lesezirkel-Betriebe in Deutschland 3 • Diese Betriebe entstanden meist aus dem Buchhandel heraus, und 90 Ofo der Verleihfirmen waren Ende des 19. Jahrhunderts Nebenbetriebe des Buchhandels. Der Zeitschriftenbezug erfolgte hierbei über 12 Fischötter, Werner: .. Zum Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1978", in: WuW 1980, S. 13, 21. 13 Westerhold, Wilfried / Nick, Willy: .. Ein Schritt in die falsche Richtung", in: DNV, Heft 1, 1978, S. 40, 41. 1 Dreppenstedt, S. 248 ff. I SchmidtIer, Fritz: .. Auf Erfolgskurs ins 8. Jahrzehnt", in: DNV, Heft 7, 1978, S. 31, 32. 3 SchmidtIer, S. 32.

11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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den Grossisten. Erst seit der Zeit um 1920 werden die Lesezirkel-Betriebe von den Verlagen direkt beliefert. Sie sind inzwischen eine eigenständige Sparte des Presse-Vertriebes. Die gemeinsamen Interessen werden durch den 1950 konstituierten Verband deutscher Leserzirkel e. V., Düsseldorf, vertreten4 • Im Jahre 1980 existierten in der Bundesrepublik-Deutschland ca. 300 Lesezirkel-Firmen, die ungefähr 200000 Erstmappen pro Woche verteilen. Die Anzahl der Firmen hat sich weitgehend stabilisiert, nachdem in den letzten Jahrzehnten ein stetiger, starker Rückgang festzustellen warli. Hierbei war jedoch zu beobachten, daß die Erstmappen-Zahl nicht absank. Außerdem hat sich die Verringerung in der Betriebszahl im wesentlichen durch übernahme kleinerer durch größere Betriebe vollzogen'. Der Konzentrationsprozeß gilt als noch nicht völlig abgeschlossen. b) Die MarktsteU1UlI'

Der Marktanteil des Lesezirkels wird dadurch bestimmt, daß nur ein Teil der Zeitschriften vom Lesezirkel vertrieben wird. 1979 wurden 56 verschiedene Zeitschriften in den Lesemappen angeboten7 • Insbesondere die Objektgruppen Illustrierte und Magazine, Frauenzeitschriften und unterhaltende Wochenzeitschriften sind im Lesezirkel vertreten. Der Marktanteil im Gesamtmarkt liegt bei ca. 5 Ufo und erreicht bei den Illustrierten einen Auflagenanteil von ca. 15 Ufo8. Bestimmend für die Bedeutung des Lesezirkels ist aber nicht dieser Auflagenanteil, sondern die Reichweite der Lesemappen. Nach der Media-Analyse 19798 konnte für die Reichweite ein Wert von 15,9 Ufo ermittelt werden, wobei die norddeutschen Regionen überdurchschnittliche, die süddeutschen und Berlin unterdurchschnittliche Leserzahlen aufweisen. Im Ergebnis wird festgestellt, daß die einzelne Mappenausgabe von ca. 7,2 Mill Lesern mindestens durchgeblättert wird 1o • Eine Lesezirkel-Mappe enthielt 1980 durchschnittlich etwa 11 Zeitschriftenl l • Durch die öffentliche Auslage der Mappen und die dadurch bedingte Reichweite stellt der Lesezirkel einen für das Anzeigengeschäft der Verlage bedeutenden Werbeträger dar. Außerdem kann der Lesezirkel 4 Vorläufer dieses Verbandes war der Verband deutscher Lesezirkel-Besitzer, der 1908 in Leipzig gegründet wurde. 5 1964: ca. 600 Betriebe; 1969: ca. 470. 8 Schmidtler, Fritz: "Mehr als ein Rückblick", in: DNV, Heft 6, 1979, S. 8. 7 o. V., "Auflagen im Lesezirkel", in: DNV, Heft 5 a, 1980, S. 8. 8 Quelle: eigene Berechnungen. • In: DNV, Heft 7, 1980, S. 20 f. 10 Media-Analyse 1979, in: DNV, Heft 7, 1980, S. 20. 11 o. V., "Auflagen im Lesezirkel", DNV, Heft 5 a, 1980, S. 8, 12.



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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

die Einführung neuer Presseobjekte durch die Aufnahme in seine Mappen erheblich fördern. Der Bekanntheitsgrad neuer Zeitschriften wird hierdurch erheblich gesteigert. So hat der Lesezirkel teilweise Zeitschriften aufgenommen, bevor diese im Einzelhandel erfolgreich abgesetzt werden konnten. Im Jahre 1953 z. B. hatte der "Spiegel" rund 70 % seiner gesamten Auflage im Lesezirkel und die "Bunte Illustrierte" im gleichen Jahr über 66 %12.

7. Der Einzelhandel a) Die Struktur

Der Einzelhandel bezieht die Presse-Erzeugnisse fast ausschließlich von den Unternehmen des Presse-Grosso, ca. 92 % der Einzelhändler werden von nur einem Grossisten beliefert, die restlichen ca. 8 0J0 beziehen von zwei Grossisten1 • Insgesamt wurden 1981 85736 stationäre Einzelhändler beliefert. Der Gesamtumsatz des stationären Einzelhandels lag im Jahre 1980 bei ca. 4 Mrd. DM. Rein rechnerisch ergibt sich, daß auf ca. 730 Einwohner im Bundesgebiet eine Angebotsstelle kommt, wobei aber festzuhalten ist, daß in den Großstädten eine höhere Dichte erreicht wird. Aber auch in den ländlichen Gegenden ist durch eine intensive Markterschließung die Angebotsdichte befriedigend, so befinden sich ca. 3,6 % der Angebotsstellen, ca. 3 800, in Orten mit unter 1 000 Einwohnern. Die Struktur der Angebotsstellen insgesamt ist vielschichtig und unterschiedlich. Durch die von den Verlagen und dem Großhandel erstellte Einzelhandelsstrukturanalyse (EHASTRA) wird aber eine außerordentlich hohe Markttransparenz erzielt. Die einzelnen Angebotsstellen verteilen sich auf: Lebensmittelgeschäfte mit weniger als 200 qm (ca. 24,5 %); ca. 10 % sind Gemischtwarengeschäfte; 10,2 0J0 der Angebotsstellen sind Schreib- und Papierwarengeschäfte. Die Zahl der speziellen Zeitungs- und Zeitschriftengeschäfte sinkt immer noch, ca. 4,1 % der Geschäfte fallen in diese Gruppe, die absoluten Zahlen belaufen sich auf ca. 3500 Geschäfte im Jahre 1981, nach ca. 3900 im Jahre 19782 • Die Verringerung der Anzahl der Zeitschriften-Fachgeschäfte ist wohl auch auf die Stadtplanung der Gemeinden zurückzuführen, die den typischen Zeitschriften-Kiosk nicht mehr fördert. o. V., "Trend zur Spezialzeitschrift?" , in: DNV, Heft 5 a, 1978, S. 20, 24. Quelle: EHASTRA 1980/81, veröffentlicht im Geschäftsbericht des Verbandes Presse-Grosso, 1981, S. 57. 2 Quelle: EHASTRA 1977/78, veröffentlicht im Geschäftsbericht des Verbandes Presse-Grosso, 1978, S. 100 - 105; EHASTRA 1980/81, S. 57. 12

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11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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Auch die Umsätze der einzelnen Angebotsstellen sind sehr unterschiedlich, so liegt der durchschnittliche Wochenumsatz bei ca. 600,- DM. Mehr als 65 % der Angebotsstellen unterschreiten diesen Durchschnitt, so erreichen ca. 20 % nur einen Wochenumsatz unter 100,- DM. überschreitungen des Durchschnittsumsatzes liegen nur bei ca. 25 % der Angebotsstellen vor 3 • Die Rechtsbeziehungen des Einzelhandels zu seinen Lieferanten werden im wesentlichen durch einen zwischen dem Grosso-Betrieb und dem Einzelhändler geschlossenen Rahmenvertrag bestimmt, auf dem dann die einzelnen Kaufgeschäfte beruhen. Die Rahmenverträge beinhalten regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen hinsichtlich der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen. Grundsätzlich steht dem Einzelhandel das Remissionsrecht zu, und er wird von dem GrossoBetrieb zur Einhaltung der Preisbindung verpflichtet. Hinsichtlich des Dispositionsrechts bestehen in den Geschäftsbedingungen Unterschiede. Teilweise wird vom Dispositionsrecht des Grosso ausgegangen, eingeschränkt durch die Branchenüblichkeit und gewisse Rechte des Einzelhandels. Andere Geschäftsbedingungen gehen von einem Dispositionsrecht des Einzelhändlers aus, das allerdings in wesentlichen Punkten zugunsten des Grossisten eingeschränkt wird. Die Sortimentsbreite in den Einzelhandelsgeschäften liegt bei durchschnittlich 300 Titeln, schwankt aber stark, je nach Art und Ausrichtung des Geschäftes. Sie liegt am höchsten bei den speziellen Zeitschriften-Kiosken und zum Teil auch bei den Kaufhäusern. Niedriger ist sie bei den kleineren Lebensmittelgeschäften, Tankstellen, Buchhandlungen u. a. anzusetzen. b) Problembereiehe und Entwieklungstendenzen

Der Einzelhandel trägt durch das Remissionsrecht kein Absatzrisiko. Er kann alle nicht verkauften Zeitungen und Zeitschriften gegen Gutschrift des Einkaufspreises an das Grosso zurückgeberi. Fraglich ist, ob dennoch der Einzelhandel ein Risiko trägt dadurch, daß er die Remission möglicherweise zwischenfinanzieren und bearbeiten muß. Die Remissionsquote liegt beim Einzelhandel durchschnittlich bei 35,5 %4, wobei die Remission im Fachhandel (Kioske, Tabak- und PBS-Läden5) höher liegt als beim Sortimentshandel6 • Da grundsätzlich der Einzelhändler alle gelieferten Exemplare zunächst zu bezahlen hat und die Eigene Auswertungen der EHASTRA. Quelle: EHASTRA 1980/81. 5 Fachhandel für Papier-, Büro- und Schreibwaren. s o. V., "Das Zeitungs- und Zeitschriftensortiment" , Untersuchung der RGH, 1977, S. 31. 3

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Remissionsgutschrifterteilung erst nach der Remissionsabrechnung erfolgt, trägt der Einzelhandel die Last einer gewissen Vorfinanzierung und der Bearbeitung. Die Feststellung von Ihde 7 , daß das Grosso die von ihm belieferten Einzelhändler kreditiert, da diese die gelieferten Objekte erst nach Ablauf der Angebotsperiode bezahlen müssen, mag für die Modellsimulation Ihdes zutreffen, kann aber nicht verallgemeinert werden. Eine Kompensation der Vorfinanzierung durch den Einzelhandel erfolgt teilweise dadurch, daß ihm nur wöchentlich der Gesamtbetrag in Rechnung gestellt wird. Dadurch bedingt, kann der Einzelhandel einige - insbesondere hochauflagige - Objekte schon absetzen, bevor er sie selber bezahlen muß8. Hierdurch erfolgt ein Ausgleich der Vorfinanzierung, dies aber mit erheblichen Unterschieden im Einzelfall aufgrund der Geschäftsart, Umsatzgröße und Sortimentsstruktur. Problematisch ist auch, inwieweit der Einzelhandel einen Belieferungsanspruch grundsätzlich und in Bezug auf einzelne Objekte gegenüber dem Grossisten durchsetzen kann. Hierauf wird im Zusammenhang einzugehen sein'. Vorab kann aber schon festgestellt werden, daß eine gewisse Tendenz zur Ausweitung der Angebotsstellen besteht. So werden insbesondere auch neue Angebotsmöglichkeiten dem Einzelhandel dadurch erschlossen, daß Spezialverkaufsstellen beliefert werden. Dies sind z. B. Fachgeschäfte für Autozubehör, Sportartikel, Drogerien, Blumengeschäfte u. a., die nur mit bestimmten Fachzeitschriften beliefert werden10 • Die Belieferung solcher Spezialverkaufsstellen ergibt für das Presse-Grosso Probleme hinsichtlich der Umsatzgröße und Belieferungsrentabilität der Geschäfte. Es ist aber nicht zu verkennen, daß grundsätzlich eine Tendenz besteht, die Fachzeitschriften den Kunden auch in den betreffenden Fachgeschäften anbieten zu können, wobei teilweise grossofremde Spezialfirmen neue Märkte erschlossen haben. c) Die Dlrektbelleferung des EInzelhandels Der Einzelhandel wird grundsätzlich durch den zuständigen Gebietsgrossisten beliefert. Nur in Sonderfällen erfolgt eine Belieferung durch den Verlag. Zu diesen Sonderfällen ist hier nicht der Bahnhofsbuchhandel zu zählen, da seine Direktbelieferung sich aus der besonderen Aufgabe und Leistung begründet l l . Ihde, S. 30, 54. OLG Karlsruhe vom 21. 5.1980, DNV, Heft 7, 1980, S. 8, 13. D s. u. Kap. G 11 5. b) ce). 10 Treek, Hans van: "Belieferung von Spezialverkaufsstellen" , in: DNV, Heft 3, 1980, S. 22, 26. 11 s. dazu oben Kap. B 11 4. 7

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11. Die Absatzwege und die Absatzmittler

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Hier geht es daher um die Fälle, in denen der typische Einzelhandel von den Verlagen direkt beliefert wird. Solche Direktbelieferungen erfolgen bisher nur in einem anteilig geringen Umfang. Sie sind teilweise bei der Belieferung von Spezialverkaufsstellen zu beobachten, da sich das Presse-Grosso zunächst auf den Standpunkt gestellt hatte, daß durch die Einzelhandels-Struktur und -Dichte das Absatzpotential auch von Spezialverkaufsstellen weitestgehend ausgeschöpft werde und damit die Akquisition und Belieferung von diesen Angebotsstellen über das Grosso wirtschaftlich nicht vertretbar seien. Aus diesem Grund haben einige Verlage den Weg der Direktbelieferung beschritten1!. Diese Fälle von Direktbelieferung werden aber wahrscheinlich dadurch zahlenmäßig noch geringer werden, daß das Presse-Gros so auch hier eine Markterschließung in Zusammenhang mit den Verlagen leistet. Bedeutender ist der Fall der Filialkette Montanus-aktuell. Es handelt sich hierbei um eine Gründung des Frankfurter Bahnhofsbuchhändlers Hermann Montanus aus dem Jahre 1969. Die Montanus-aktuell GmbH & Co. KG entstand unter Beteiligung der internationalen Finanzholding General Shopping13 und unterhielt im Jahre 1979 73 unselbständige Filialen und zwei Franchise-Geschäfte. 1979 veräußerten die Anteilsinhaber Hermann Montanus, Constanze-Verlag John Jahr KG, Emil Haering und Manfred Guth insgesamt 75 0/0 der Anteile an die branchenfremde Hussel Holding AG, Hagen, die 1979 mit ca. 500 Geschäften in der Bundesrepublik einen Umsatz von ca. 1,3 Mrd. DM erzielte 14 • Dies in den Bereichen Parfümerien, Drogerien, Süßwaren und Schmuck. Die verbleibenden 25 010 hält weiterhin der Constanze-Verlag. Die Filialkette Montanus-aktuell erzielte 1979 einen Umsatz von ca. 50 Mill. DM mit 350 Mitarbeitern. Die Firma wurde von dem Verlag Gruner & Jahr, Hamburg, zunächst direkt beliefert. Die Direktbelieferung wurde jedoch dann ab dem 1. Juli 1976 eingestellt, und der Verlag verweigerte alsdann wie 14 andere Verlage, darunter die Großverlage, die Direktbelieferung. Montanus-aktuell beantragte gegen Gruner & Jahr beim Bundeskartellamt eine Untersagungsverfügung und erreichte zunächst, daß der Verlag im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Weiterbelieferung Treek: "Belieferung von ...", S. 22. o. V., "Hussel steigt bei Montanus-aktuell ein", FAZ v. 16.7.1979, S. 15; o. V., "Bonbons, Parfum und Bücher", in: Wirtschaftswoche, Nr. 25 v. 18.6. 1979, S. 73. U FAZ v. 16.7.1979, S. 15, s. o. Fn. 13; Umsatz 1982: 1,058 Mrd. DM nach Übernahme von 75 Ofo der Bahnhofsbuchhandelskette Stilke, Hamburg (Umsatz: 141 MUl. DM). 11

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

verpflichtet wurde 16 • Mit Schreiben vom 5. Juni 1978 16 hat das Bundeskartellamt das Verfahren mit dem Ergebnis eingestellt, daß für die Firma Montanus-aktuell gegenüber dem Verlag Gruner & Jahr kein Anspruch auf Wiederaufnahme der Direktbelieferung mit den Objekten des Verlages bestehe, es den Verlagen aber freistehe, eine Direktbelieferung vorzunehmen. Auf die sich hieraus ergebenden kartellrechtlichen Probleme wird später einzugehen sein. Für das Presseabsatzsystem insgesamt stellt sich aufgrund des vorbezeichneten Verfahrens die Frage, inwieweit das bestehende System zukünftig erhalten werden kann, wenn Direktbelieferungen des Einzelhandels in erheblichem Umfang erfolgen. Nach dem Beschluß des Bundeskartellamtes können die Verlage zwar nicht zur Direktbelieferung gezwungen werden, diese wird aber auch nicht verboten. Die These von Ipsen17 , die Verleger hätten die verfassungs rechtliche Freiheit zur Gestaltung der Vertriebsorganisation, und dies unter Disposition über Mengen und Orgnisationsstrukturen, erscheint zwar zu weitgehend und läßt einige Marktbesonderheiten außer Betracht, sie zeigt aber, daß das bestehende Absatzsystem durchaus nicht statisch ist, sondern auch geändert werden kann. Bevor die Frage der Systementwicklung unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden kann, ist es erforderlich, die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems in ihren Schwerpunkten zusammenzufassen und auf besondere Einzelaspekte im Zusammenhang einzugehen.

III. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems 1. Die sogenannte "Vberall-Erhältlichkeit"

Der Pressemarkt der Bundesrepublik Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Vielzahl von Objekten dem Leser ständig angeboten wird. Dieses Angebot erfolgt von allen Absatzmittlern jeweils im Rahmen ihrer besonderen Aufgaben. Daraus folgt, daß es dem Leser, d. h. dem potentiellen Käufer eines Presseobjektes, grundsätzlich möglich ist, das von ihm gewünschte Objekt ohne besondere Mühe schnell und leicht zu erhalten. Die Vielzahl der Angebotsstellen, deren Streuung über die Gesamtfläche der Bundesrepublik und die Sortimentsstruktur führen zu dem Begriff der sogenannten "überall-Erhältlichkeit" der Presseobjekte. Eine solche ist wohl grundsätzlich und strukturbedingt gegeben. Das bedeutet aber nicht, daß die Absatzmittler verpflichtet wären, ständig Kaiser, S. 105. Schreiben des Bundeskartellamts - 6. Beschlußabteilung 1978, Gesch.-Nr. B 6-745100-V-125/77, WRP 1979, S. 582. 17 Ipsen, Teil E (Ergebnisse), Ziff. (6). 16 1S

vom 5. 6.

III. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems

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in allen Angebotsstellen ein volles Sortiment vorzuhalten. Hier sind Einschränkungen gemäß den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten zu machen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt jedem das Recht, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Dies bedingt zwar, daß der Zugang zu den Informationsquellen nicht behindert werden darf, das Grundrecht macht es aber weder den Verlagen noch den Absatzmittlern zur verfassungsrechtlichen Pflicht, Presseobjekte herzustellen, vorzuhalten und zu vertreiben!. Die "Überall-Erhältlichkeit" der Presse zu ermöglichen ist somit keine verfassungsrechtliche Pflicht der Absatzmittler, sondern entweder eine vertragliche Verpflichtung oder eine sich aus der Funktion ergebende Obliegenheit. In den Bereichen Bahnhofsbuchhandel und Grosso-EH bedeutet "Überall-Erhältlichkeit" sowohl die Markterschließung nach Ort und Angebotsstelle als auch nach der Sortimentsstruktur. Im Bahnhofsbuchhandel ist die Sortimentsbreite zwar höher, jedoch sind die Angebotsstellen von geringerer Zahl. Eine weitere Verringerung der Angebotsstellen ist zu beobachten, da sowohl die Streckenplanung der Deutschen Bundesbahn als auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten auf kleinen Bahnhöfen dazu führen, daß sich der Bahnhofsbuchhandel auf weniger Orte konzentriert. Das Presse-Grosso nimmt für sich in Anspruch, zugunsten der "Überall-Erhältlichkeit" auf die Selektion unrentabler Kunden, also Einzelhandelsstellen, zu verzichten2 • Richtig ist, daß die Belieferung von Angebotsstellen mit geringen Umsätzen, insbesondere in ländlichen Gebieten, zu überdurchschnittlichen Bearbeitungs- und Transportkosten führt. Hingegen ist aber im Pressemarkt, ebenso wie in anderen Warenmärkten, das Vorhalten der Ware auch an Stellen, die für sich allein nicht kostendeckend sind, erforderlich, um im Gesamtabsatzgebiet Kostendeckung erzielen zu können. Außerdem führt die im Grosso-Bereich gegebene Gebietsabgrenzung dazu, daß entweder der einzelne Grossist flächendeckend anbietet oder in Teilen seines Gebietes sich ein neuer Presse-Grossist etablieren könnte. 2. Die Marktabgrenzung

Eine Abgrenzung des Marktes und Aufteilung der Käufer ergibt sich zwischen den einzelnen Absatzmittlern schon aus ihrer Funktion. Über die Funktionsverschiedenheit hinaus haben sich aber noch weitere Marktaufteilungen entwickelt. Zunächst ist hier die Gebietsabgrenzung im Grosso-Bereich anzuführen, mit der erreicht wurde, daß im wesent1 2

Ipsen, S. 53. Mende: "Presse-Grosso", Merkur-Texte 6 v. 21.12.1977, S. 18.

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

lichen nur ein Grossist in einem bestimmten Gebiet Presseobjekte anbietet. Soweit mehrere Grossisten im selben Gebiet tätig sindt, erfolgt dies mit Objekttrennung, d. h. die nebeneinander bestehenden GrossoBetriebe bieten den Einzelhändlern verschiedene Objekte an. Eine Kundentrennung oder Händlertrennung, d. h. Grossisten beliefern in einem Gebiet nebeneinander verschiedene Händler mit dem gleichen Objekt, wird in der Bundesrepublik nicht praktiziert. Die Gebietsabgrenzung im Grosso-Bereich bewirkt, daß in der Regel Grossisten nicht in fremde Gebiete liefern. Hier besteht eine räumliche Marktabgrenzung, die sowohl von den Verlagen als auch von den Grosso-Betrieben im wesentlichen strikt eingehalten wird. Innerhalb des Bahnhofsbuchhandels ist ebenfalls eine Marktabgrenzung insoweit festzustellen, als auf einem Bahnhof nur ein Bahnhofsbuchhändler Presseobjekte anbietet. Ausnahmen sind nur in wenigen Einzelfällen gegeben. Da die Bahnhofsbuchhändler durch einen Pachtvertrag mit der DB gebunden sind und jeweils ein Bahnhof oder mehrere an einen Pächter abgegeben werden, kommt es zu dieser Marktabgrenzung. Sie ist auch wesentlich für die Funktionserfüllung des Bahnhofsbuchhandels wegen der bereits dargestellten besonderen Leistungsanforderungen. Zwischen dem Grosso-Bereich und dem Bahnhofsbuchhandel besteht eine Marktabgrenzung insoweit, als der Bahnhofsbuchhandel grundsätzlich nicht grossieren darf. Gebiets- oder Marktabgrenzungen bestehen innerhalb des WBZ und des Lesezirkels in der Regel nicht, wobei jedoch regional von den einzelnen Firmen Schwerpunkte ihrer Tätigkeit und Akquisition gesetzt werden. Zwischen den Firmen des WBZ und dem verlagseigenen Abonnement besteht teilweise Funktionsgleichheit. Eine Marktabgrenzung ist aber auch hier nicht durchgehend feststellbar, vielmehr besteht zwischen den Verlagen und den Firmen des WBZ eine Zusammenarbeit, da teilweise die Abonnementverträge verkauft werden und die Verlage die Abonnementbetreuung dem WBZ übertragen können. Auch der WBZ veräußert teilweise an Kollegenfirmen oder an die Verlage erworbene Abonnements. Zusammenfassend ergibt sich hinsichtlich der Marktabgrenzung im Pressevertriebsbereich, daß den einzelnen Absatzmittlern für jedes Presseobjekt nur ein Anbieter zur Verfügung steht. Auch bei den National Distributoren wird allein eine Firma von dem Verlag mit dem Vertrieb bestimmter Objekte betraut. Der Verlag enthält sich dann selbst des Vertriebes. Jeweils nur ein Grossist kann dem Einzelhandel Presseobjekte anbieten. Soweit die Absatzmittler direkt von den Ver1

Kaiser, S. 131: Berlin, Hamburg, Saarbrücken, Dortmund und Darmstadt.

III. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems

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lagen beziehen, tritt ihnen ebenfalls nur ein Anbieter gegenüber. Erst dem Endverbraucher, dem Käufer eines Presseobjektes, stehen mehrere Anbieter und Bezugsmöglichkeiten zur Verfügung.

3. Die Preisbindung Nach der Aufhebung der Preisbindung für Markenwaren durch die zweite Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen1 sind ausschließlich nur noch bei Verlagserzeugnissen Preisbindungen zulässig. Grundsätzlich werden alle Endverkaufspreise von Presse-Erzeugnissen gebunden. Diese Preisbindung erfolgt durch die Verlage in übereinstimmung mit § 16 GWB dadurch, daß die Absatzmittler gebunden werden, ihre Abnehmer zu bestimmten Preisen zu beliefern2 • Hierdurch erfolgt von der Verlagsseite auch die Festlegung der Handelsspannen, zumindest bei den Objektgruppen Zeitschriften und Zeitungen. Die Ausnahmen im Bereich des Taschenbuchvertriebs und des Vertriebs von Romanheften, Comics und Rätselheften sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Soweit die Presse-Erzeugnisse über mehrere Handelsstufen an den Endverbraucher gelangen, werden die Absatzmittler verpflichtet, ihrem jeweiligen Abnehmer die Preisbindung vertraglich aufzuerlegen. In der Praxis erfolgt dies zumeist durch ein entsprechendes Revers-Systems. Die Preisbindung ist zulässig für Verlagserzeugnisse. Hierunter fallen zunächst die auf grafischem und fotomechanischem Wege hergestellten Waren des klassischen Buchhandels, die seit jeher am Gesamtsystem des buchhändlerischen Vertriebs- und Abrechnungsvorgangs teilhaben4 • Außerdem sind zu den Verlagserzeugnissen noch die PresseErzeugnisse zu rechnen. Die Schwierigkeit der Definition der Begriffe Presse-Erzeugnis, Zeitschrift und Zeitung, wurde bereits dargestellt5 • Ohne hier die Grenzbereiche wie Poster, Hängekalender und z. B. Briefmarken-Alben abklären zu müssen', kann festgestellt werden, daß grundsätzlich die über das Presseabsatzsystem vertriebenen VerlagsGesetz vom 3.8.1973, BGB11973, Teil I, S. 917. Konsequent aber irrig versteht Bömer, S. 29, die Preisbindung als ein Weisungs recht, das auch ohne Freistellung nach § 16 GWB zulässig ist. s. Zulässigkeit umstritten, aus praktischen Gründen aber zu bejahen, ablehnend Emmerich in: Immenga / Mestmäcker, § 16, Rdnr. 42, 43. , BGH WuW/E BGH 1463 ff.; Böck, Max: "Die Auswirkungen neuer Marktund Vertriebsformen auf Preisbindung und Sortiment", München, Florenz 1980 (Schriftenreihe Rechtswissenschaftliche Forschung und Entwicklung, Bd. 9), S. 26 ff. s s. o. Kap. B I. 1. • s. hierzu: Franzen / Schwartz: "Preisbindungsfibel für den Buchhandel", 1966. 1 t

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

erzeugnisse preisbindungsfähig sind. Die Abgrenzung der Bindungsfähigkeit in Randbereichen hat von dem materiellen Inhalt der Objekte und der Zielsetzung des Preisbindungsprivilegs auszugehen. Der Zweck dieses Privilegs ist kulturpolitischer ArF. Der Gesetzgeber wollte hierdurch sowohl die Existenzgrundlage des herkömmlichen Buchhandels sichern als auch die Literaturvielfalt und Pressevielfalt und damit deren Funktion für die Meinungsfreiheit erhalten. Die Preisbindung verhindert den sogenannten Intrabrand-Wettbewerb, also den produktinternen Wettbewerb zwischen Anbietern der selben Ware8 • Sie schließt den Preis als Wettbewerbsmittel der Händler aus. Sie ermöglicht daher bei Presse-Erzeugnissen den Vertrieb von Titeln mit geringer Auflage. Ohne die Preisbindung würde sich der Handel bei intensivem Preiswettbewerb auf den Vertrieb der Objekte mit hohen Handelsspannen oder Auflagen konzentrieren. Die Preise der Presseobjekte würden sich regional unterscheiden und daher die ländlichen Gebiete wegen höherer Transportkosten benachteiligt werden. Ohne auf die Konsequenzen einer Aufhebung der Preisbindung im einzelnen hier eingehen zu können, kann zusammenfassend festgestellt werden, daß durch einen Preiswettbewerb eine tiefgreifende Einschränkung der Pressevielfalt herbeigeführt werden würde. Derzeit erscheint das Preisbindungsprivileg für Verlagserzeugnisse unangetastet. Absichten, die Preisbindung für Verlags- oder Presse-Erzeugnisse aufzuheben, sind trotz einiger kritischer Stimmen derzeit in der Bundesrepublik nicht feststellbar 9 •

4. Das Dispositionsrecht Bei dem Dispositionsrecht geht es um das Problem der Bezugsregulierung nach Art und Menge, wobei noch nicht als erklärt angesehen werden kann, ob und in welchem Umfang Rechte und Ansprüche einzelner Marktbeteiligter bestehen, ihre Vorstellungen hinsichtlich eines optimalen Bezugs gegenüber dem Lieferanten oder Abnehmer durchzusetzen1 . Die Problematik der Bezugsregulierung ist zunächst eine praktische, rechtlich liegt der Schwerpunkt bei der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen und den kartellrechtlichen Vorschriften. 7 Bericht des Wirtschaftsausschusses vom 13.6. 1973, BT-Drucksache VII/ 765, S. 4. 8 Ebenroth, S. 17; Ulmer, Peter: "Zur Problematik vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen und zum Schutz des Intrabrand-Wettbewerbs", ZHR 130 (1967/68), S. 164, 188 ff. t Kartte, Wolfgang: "Preisbindung verdienen", Rede, zusammenfassend veröffentlicht in: DNV, Heft 8, 1978, S. 68. 1 Für das Verhältnis Grosso - Einzelhandel s. LG Mannheim v. 8.2. 1979, in: WuW/E LG/AG 448 ff.; OLG Karlsruhe v. 21. 5.1980, WRP 1980, 640 ff.

IU. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems

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Vor einer rechtlichen Prüfung der einzelnen Fallkonstellationen ist es erforderlich, zunächst die Interessenlage der einzelnen Marktbeteiligten und außerdem die im Pressevertriebsmarkt angewandten praktischen Lösungswege darzustellen. a) Die Bezugsregulierung der Verlage hinsichtlich Titel und Menge

Die Bezugsregulierung der Verlage verfolgt gegenüber den Absatzmittlern grundsätzlich folgende Ziele: Das einzelne Objekt soll im Einzelhandel ständig in ausreichender Menge vorhanden sein, wobei Auflagensteigerungen nur zuzulassen sind, wenn dies aus Vertriebssicht wirtschaftlich und/oder unter Anzeigenaspekten wünschenswert erscheint 2 • Die Remissionsquote soll gering sein. Das Angebot im Einzelhandel soll nachfragedeckend sein und diese außerdem anregen. Bei neuen Objekten besteht das Ziel, die vorgeschätzte Startauflage vollständig in den Markt zu bringen. Verlagsseitig erfolgt gegenüber den National Distributoren eine Bezugsregulierung nicht. Diese übernehmen den gesamten, für den Einzelhandelsverkauf bestimmten Anteil. Mit den Betrieben des PresseGrosso besteht zumindest bei den Groß verlagen ein ständiger Datenaustausch der ermittelten Verkaufszahlen. Die Regulierung der Gesamtbezugsmenge eines Grosso-Betriebes ist bei eingeführten Objekten dadurch erleichtert, daß der Grosso-Betrieb innerhalb seines Betriebsgebietes Nachfrageschwankungen ausgleichen kann. Schwieriger gestaltet sich die Bezugsregulierung bei neuen Objekten, bei diesen erfolgt die Festlegung des Bezugs für das Presse-Grosso und den Bahnhofsbuchhandel meist durch den Verlag anhand eigener Vorausschätzungen. Eine Korrektur dieser Bezugsmengen erfolgt dann entweder durch die Absatzmittler aufgrund eigener Markteinschätzung oder anschließend aufgrund der angefallenen Remissionen. Von den Verlagen werden Vereinbarungen mit den Absatzmittlern Grosso und Bahnhofsbuchhandel angestrebt, in denen sich diese verpflichten, bei neuen Objekten den verlagsseitig festgesetzten Bezug für bestimmte Zeiten, unabhängig von den angefallenen Remissionen, im Angebot zu halten. Nach Ipsen3 überantwortet derjenige, der das Remissionsrecht in Anspruch nimmt, dem Vorlieferanten die Entscheidung über Inhalt und Umfang der Lieferung. Dies wird von Kaiser' für die Bestimmung der Menge bei Neueinführungen und während einer angemessenen Einführungsphase anerkannt. Im übrigen aber ordnet Kaiser das Dispositionsrecht dem Grosso-Bereich zu. 2 May, Klaus: "Auflagenstrukturen" , DNV, Heft 9, 1979, S. 89. alpsen, S. 80. 4 Kaiser, S. 70.

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Richtig ist, daß durch das Remissionsrecht das Absatzrisiko weitgehend auf den Verlag verlagert wird. Außerdem bietet das System des Allein-Grossisten dem Verlag nur einen einzigen Abnehmer für neue Objekte, die im typischen Einzelhandel verkauft werden sollen. Hingegen sind diese Gegebenheiten nicht auf andere Absatzmittler als den Grosso übertragbar. Außerdem ergeben sich hinsichtlich Art und Menge von Lieferungen rein praktische und technische Probleme der Verarbeitung in den Absatzmittlerstufen. Eine optimale Bezugsregulierung wird somit nur aufgrund gemeinsamer Absprachen der Beteiligten im Einzelfall möglich sein, bei der die Verlage einerseits und die Betriebe des Grosso und Bahnhofsbuchhandels andererseits jeweils ihre Marktkenntnis einbringen. Eine einseitige Zuordnung des Dispositionsrechts auf einen Vertragspartner kommt nicht in Betracht, da hierdurch marktbeherrschende Stellungen erheblich verstärkt wurden. b) Die Bezugsregulierung zwischen Grosso und EInzelhandel

Die für die Bezugsregulierung zwischen Presse-Grosso und Einzelhandel entwickelten Methoden werden als MBR und BKO bezeichnet. Bei der marketing-orientierten Bezugsregulierung (MBR) werden aufgrund der bisherigen Verkäufe und Remissionen statistische Verkaufsvorhersagen getroffen. Berücksichtigt werden bei der Mengenfestlegung im einzelnen Zuschlagsbegrenzungen, Sonderzuschläge, Mindestbezüge, saisonale Schwankungen u. ä. Ziel des Systems ist die Nutzung möglichst aller Verkaufschancen und die Minimierung überflüssiger Auslieferungen mit der Folge von Remissionen. Durchschnittlich werden in den Großhandelsbetrieben die Einzelhandelsbezüge von ca. 150 Titeln permanent mit dem MBR-System reguliert. Weitere Titel werden im sogenannten BKO-Verfahren (Bezugsregulierung kleinauflagiger Objekte) reguliert. Dieses Verfahren dient dazu, mit relativ geringem Aufwand bei klein- und mittelauflagigen Objekten zu einer verkaufsgerechten Marktabdeckung bei gleichzeitiger Reduzierung der Remissionen zu gelangen. Bei der BKO werden sowohl Verkaufsergebnisse mehrerer Folgen zusammengefaßt, um regulierungsfähige Einheiten zu erhalten als auch Objektgruppen in einen gemeinsamen Wert einbezogen. Beide Methoden der Bezugsregulierung sind in gemeinsamer Arbeit der Verlage und des Presse-Gros so entwickelt worden. Eine weitere Verfeinerung der statistischen Methoden erfolgt sändig, auch wird eine Ausweitung der Bezugsregulierungsverfahren auf weitere Objekte angestrebt. Fraglich ist aber, wie der Presse-Grosso-Betrieb die von ihm errechnete Bezugsmenge bei dem jeweiligen Einzelhändler durchsetzen kann.

IH. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems

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Dies ist zum einen eine kartellrechtliche Frage, die im Zusammenhang darzustellen sein wird, zum anderen eine Frage der Inhaltskontrolle von Verträgen nach dem AGB-Gesetz, da die Abnahmepflichten des Einzelhandels regelmäßig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Grossisten festgelegt werden. Außervertraglich besteht keine generelle Pflicht eines Einzelhändlers, genau die Titel und die Menge abzunehmen, die ihm von dem Grossisten zugeteilt wird. Die Dispositionsrechte des Grossos müssen daher vertraglich vereinbart werden. Das Landgericht Mannheim hat mit Urteil vom 8. Februar 19795 folgende Klausel der Geschäftsbedingungen eines Grosso-Unternehmens gemäß § 9 AGB-Gesetz als nichtig erachtet: "Der Einzelhändler erklärt sich bereit, ständig im Rahmen seiner Möglichkeiten das volle Sortiment zu führen. Dabei ist insbesondere die sich aus Art. 5 des Grundgesetzes ergebende Forderung des freien Zugangs zum Markt für jedes Presse-Erzeugnis zu beachten. Bei der Ausübung des Dispositionsrechts für Presse-Erzeugnisse unterliegt der Grossist folgenden Einschränkungen: Die Branchenüblichkeit sowie die Richtlinien der Verlage und die von ihnen vorgegebenen Remissionsquoten sind zu beachten; allerdings sind dem Einzelhändler nur so viele Exemplare zu liefern, daß die Gesamtremission aller Objekte im Jahresdurchschnitt nicht unangemessen hoch ist. Die Angemessenheit der Remissionshöhe bestimmt sich aus der Umsatzgruppe des Kunden und der Schwankungsbreite des Verkaufs beim jeweiligen Objekt." Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß das Presseabsatzsystem der Bundesrepublik die Gefahr in sich berge, daß schließlich wenige Großverlage den Markt beherrschen. Der GrossoBereich sei der verlängerte Arm der Verlage und daher könne das Verteilungssystem nicht als Handelsbrauch anerkannt werden, da es auf einer Fehlentwicklung beruhe. Die Remissionsquote niedrig zu halten, hat das Gericht nicht als Rechtfertigung für die zitierte Klausel anerkannt. Im Ergebnis kommt das Gericht zur Unzulässigkeit der Klausel, indem es die kartellrechtliche Argumentation mit der Subsumption des § 9 AGB zusammenfaßt, ohne erkennen zu lassen, worauf die Entscheidung letztendlich gestützt wird. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 21. Mai 1980 6 die Entscheidung des Landgerichts auf die Berufung des beklagten Grosso-Betriebs hin aufgehoben. Es hat entschieden, daß dieser die Weiterbelieferung des klagenden Einzelhändlers davon abhängig machen kann, daß die oben genannte Klausel der Geschäftsbedingungen anerkannt wird, da sie nicht nach § 9 Abs. 1 i. V. mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam sei. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 9 AGBG hat das OLG bejaht. Es hat die Klausel aber nicht für S I

WuW/E LG/AG 448 ff. OLG Karlsruhe, WRP 1980, 640 ff.

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

unwirksam gehalten, da das Dispositionsrecht des Lieferanten der wirtschaftlich gebotene Ausgleich für das Remissionsrecht der Abnehmer sei. Das Remissionsrecht sei im Pressevertrieb Handelsbrauch und begrenze das Geschäftsrisiko des Großhandels wie des Einzelhandels auf die Handelsspanne und den Zwischenzins, während es den Verlagsunternehmen das volle Absatzrisiko überbürde. Außerdem sei die Klausel nicht unwirksam, da der Spielraum, in welchem die Beklagte ihr Dispositionsrecht willkürlich handhaben könnte, soweit als möglich eingeschränkt sei. Hierfür beruft sich das Oberlandesgericht unausgesprochen auf die bereits dargestellten Bezugsregulierungsverfahren. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 1. 12. 198F die Revision gegen das Urteil des OLG zurückgewiesen und dies im wesentlichen damit begründet, das durch die Geschäftsbedingungen dem Großhandel eingeräumte Dispositionsrecht weiche zwar i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab 8 die Bestimmung stelle aber keine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Einzelhändlers dar. Als Ausgleich werde durch das Remissionsrecht das Risiko von Fehldispositionen auf den Großhändler verlagert9 • Dem BGH ist insoweit zuzustimmen, daß der Vorteil des Remissionsrechtes die Nachteile des Dispositionsrechtes des Grossisten weitgehend ausgleicht. Die dargestellte Klausel ist also nicht unwirksam, da die Grenzen der Ausübung auch hinreichend bestimmt sind. Diese Grenzen werden im Einzelfall an Hand der branchenüblichen Bezugsregulierungsverfahren zu bestimmen sein, was der BGH m. E. nach nicht hat ausreichend deutlich werden lassen, da er nur die allgemeine Willkürgrenze heranzieht1o •

5. Das Remissionsrecht Das vertragliche Remissionsrecht beinhaltet, daß die Absatzmittler Grosso, Einzelhandel und Bahnhofsbuchhandel alle nicht verkauften Objekte gegen Gutschrift des Bezugspreises an den Verlag zurückgeben können. In den Bereichen WBZ (Festbezug) und Lesezirkel (Vermietung) kann wegen der besonderen Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse ein Remissionsrecht nicht gewährt werden. Auch bei den National Distributoren ist das Remissionsrecht nur von geringer Bedeutung, da das Entgelt des ND nach der bewegten Menge berechnet wird. Entweder wird die Auslieferung der Auflage allein bezahlt, oder das Entgelt setzt sich zusammen aus der Bearbeitung der Auslieferung und der 1

8

b)

g

BGH v. 1. 12. 1981 - KZR 37/80 -, BB 1982, 461 ff. BGH BB 82, 461, 462. BGH BB 82, 461, 462; zu den kartellrechtlichen Fragen s. u. Kap. G 11 5.

ee).

10

BGH BB 82, 461, 463.

111. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems

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Remissionen. Ein eigenes Remissionsrecht des ND an den Verlag hat also keinen Einfluß auf die Ertragssituation. Das Absatzrisiko verbleibt in jedem Fall bei dem Verlag. Das vertragliche Remissionsrecht ist eine Besonderheit des Presseabsatzes. Die Vorschriften der §§ 346 ff. BGB können teilweise direkt oder analog herangezogen werden. Die Konstruktion einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB wird den Besonderheiten des Remissionsrechtes nicht gerecht. Die Auswirkung des Remissionsrechts besteht darin, daß das Absatzrisiko auf den Hersteller verlagert wird. In anderen Märkten bestehen zwar in einzelnen Fällen Rücklieferungs- und Rückgaberechte des Absatzmittlers. Diese werden dann aber auf einzelne Lieferungen bezogen und jeweils für den Einzelfall vereinbart. So gewähren z. B. im Buchmarkt die Verlage teilweise solche Rückgaberechte. Diese stellen aber eine Ausnahme dar, da grundsätzlich der Buchhändler das Absatzrisiko hinsichtlich Titel und Anzahl trägt. Auch im Taschenbuchbereich werden teilweise Remissionsrechte eingeräumt, diese stellen sich aber zumeist als Umtausch-Vorbehalt, somit als Ersetzungsbefugnis des Käufers hinsichtlich der Ware dar. Diese Vertragskonstruktion findet sich beim sogenannten "Rack jobbing". Hierbei wird das Taschenbuchangebot im Einzelhandel von dem Verlag oder dem Grossisten selbst betreut1 • Die im Angebot befindlichen Taschenbücher werden ständig ergänzt und unverkäufliche Exemplare gegen neue ausgetauscht. Zweck des Remissionsrechts ist es, ein bedarfsgerechtes Angebot dem Einzelhandel jederzeit vorhalten zu können, um jede Verkaufschance zu nutzen. Der Einz·elhandel und auch die anderen Absatzmittler können aufgrund des Remissionsrechts Überangebote vorhalten, ohne daß hiermit ein Absatzrisiko verbunden wäre. Würde im Presseabsatzbereich das Remissionsrecht nicht gewährt, so müßten die Absatzmittler von ihren wirtschaftlichen Interessen her dafür sorgen, jeden Titel ständig auszuverkaufen, um nicht für nach kurzer Zeit wertlose Presseobjekte den Einkaufspreis als Verlust zu tragen. Das Remissionsrecht begründet sich also ursächlich aus der schnellen "Verderblichkeit" von Presseobjekten. Es wird daher in fast allen Nationen Kontinentaleuropas eingeräumt. Nur in Großbritannien gehört die endgültige Abnahme zum Handelsbrauch2 • In der Bundesrepublik Deutschland wird für alle Zeitungen und Zeitschriften das Remissionsrecht gewährt und ist daher als Handelsbrauch im Sinne des § 346 HGB anzusehen3 • 1

o. V., "Taschenbücher - in Krefeld und Koblenz", in: DNV, Heft 8, 1978,

!

Wenzel, Egbert: "Rechtsprobleme des Presse-Grosso", AfP 1979, S. 380.

S.26.

5 Roggen

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

Ipsen4 bezweifelt, ob die Absatzmittler einen Anspruch auf die Gewährung des Remissionsrechts haben. Dieser Anspruch ist aber aus dem anerkannten Handelsbrauch ableitbar, wenn keine gesonderten vertraglichen Vereinbarungen getroffen werden. Ipsen verkennt, daß die Verlage das Remissionsrecht auch aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen gewähren. Die übernahme des vollen Absatzrisikos durch die Verlage ist pressespezifisch. Da Informationen und Meinungen an eine unbestimmte Menge von Adressaten vermittelt werden, ist ein ständiges überangebot erforderlich, um alle potentiellen Adressaten erreichen zu können. Ziel jeder Informations- und Meinungsvermittlung ist es, eine möglichst große Zahl von Adressaten ständig zu erreichen. Dies gilt nicht nur für die redaktionelle Arbeit, sondern auch für die Informationsvermittlung durch Anzeigen. Hier kommt die Besonderheit hinzu, daß sich der Anzeigenpreis für jedes Presseobjekt nach dessen verkaufter Auflage richtet. Würde den Absatzmittlern das Absatzrisiko übertragen, so wäre damit eine Auflagensenkung und damit auch ein Einnahmeverlust der Verlage aus dem Anzeigengeschäft verbunden5• Das Remissionsrecht ist somit auch wesentlich für das wirtschaftliche Ergebnis eines Presseobjektes. Grundsätzlich erhalten die Absatzmittler keine besondere Vergütung für die Bearbeitung der Remissionen, diese ist mit der Handelsspanne für die verkauften Exemplare abgegolten'. Nur mit den National Distributoren treffen einige Verlage Entgeltsvereinbarungen für die Remissions bearbeitung.

6. Die Neutralität der AbsatzmittIer Als Struktureigenheit des Presseabsatzmarktes wird außerdem die sogenannte "Neutralität der Absatzmittler" angesehen. Kaiser1 stellt hierzu fest, das Grosso sei neutral gegenüber dem gesamten ZZ-Angebot der Verlage. Er kommt zu dem Ergebnis2 , daß das Presse-Grosso keinem Objekt den Zugang zum Markt verwehre, weil es zu niedrige Stückerträge liefere oder zu hohe Remissionen im Verhältnis zum Rabatt habe. Diese bis tief in den Bereich der Gesamtwirtschaftlichkeit durchgehaltene Neutralität gegenüber allen Objekten habe zur Voraussetzung, daß das Presse-Grosso die Objekte, deren Verteilung unwirtSo auch OLG Karlsruhe v. 21. 5. 1980, WRP 1980, 640. Ipsen, S. 66 m. Fn. 155, S. 67. 5 Börner, S. 24, schätzt den Verlust des Lieferwertes bei Abschaffung des Remissionsrechtes auf ca. I/S• o Batzer / Laumer, S. 498, 504. 1 Kaiser, S. 91. 2 Kaiser, S. 92. 3

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III. Die Struktureigenheiten des Presseabsatzsystems

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schaftlich sei, Kaiser nennt 80 %, aus den Erträgen der restlichen 20 Ofo alimentiere. Ipsens sieht in der Neutralitätspflicht des Grosso allenfalls eine Obliegenheit und stellt fest, diese ergebe sich als schlichte Rechtsfolge aus der Alleinstellung des Grosso. Das Problem der Neutralität der Absatzmittler ist vielschichtig und wird von den jeweiligen Verbänden zur Begründung konträrer Standpunkte herangezogen. Das Presse-Grosso begreift diese Neutralität als Berufsethos und führt sie in die Diskussion über die angemessene Handelsspanne ein. Die Verlage fordern die Neutralität des Presse-Grosso, da dieser Gebietsschutz genieße und daher die Verlage zur Zeit keine andere Möglichkeit hätten, den Einzelhändler zu erreichen. Sie wenden sich dagegen, daß das PresseGrosso aus dem Neutralitätsargument Ansprüche auf bestimmte Handelsspannen herleitet. Tatsächlich heißt Neutralität, daß die Absatzmittler die einzelnen Presseobjekte unabhängig von ihrem Inhalt und der Herkunft aus bestimmten Verlagen gleich behandeln, jedem Objekt also die angemessene Leistung und Förderung zukommen lassen. "Die Händler sind nicht die Leser des Blattes und äußern durch den Vertrieb keine eigene Meinung4 ." Dieser Satz Arndts bezeichnet einen wesentlichen Teil des Neutralitätsanspruchs an die Absatzmittler. Dieser besteht zunächst in dem Erfordernis der Lieferanten-Neutralität. Diese wird von Mestmäcker bei den Grossisten teilweise bezweifelt6 • Er vermutet, daß sich die Groß verlage im Presse-Grosso neben der Kontrolle des Absatzes der eigenen Erzeugnisse auch den Einfluß auf die Bedingungen sichern, unter denen Konkurrenzprodukte vertrieben werdenS. Richtig ist zwar, daß die Großverlage insoweit Einfluß auf das Presseabsatzsystem nehmen, als sie dessen Gestaltung durch ihre Vertriebsentscheidungen wesentlich bestimmen. Anderen Verlagen bleibt es meist nur, sich diesen grundsätzlichen Vertriebsentscheidungen entsprechend zu verhalten. Eine Bevorzugung der Großverlage durch die Absatzmittler zu Lasten der anderen Verlage und Objekte kann aber tatsächlich wohl nicht festgestellt werden. Jedenfalls sind Fälle, in denen die Großverlage gezielt auf die Vertriebsbedingungen der Absatzmittler für kleinere Verlage und Objekte entscheidenden Einfluß genommen hätten, nicht bekannt geworden7 • Ob von dem Presse-Grosso den GroßIpsen, S. 81. Arndt, Adolf: "Umwelt und Recht", in: NJW 1964, S. 23, 24. 5 Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 180, 181. 8 Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 184. 7 Kübler u. Simitis: "Presse und Wettbewerb", in: JZ 1969, S. 445, 449 zitieren den Fall, daß das Grosso sich weigerte, eine "Pardon"-Ausgabe mit dem Titel "Krieg gegen Axel Springer" auszuliefern. Sie führen hierzu aus, es 3

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B. Das Presseabsatzsystem in der Bundesrepublik Deutschland

verlagen über deren Umsatzanteil hinaus besondere, zusätzliche Leistungen zu Lasten anderer Objekte gewährt werden, ist im einzelnen nicht feststellbar. Zwar werden die Leistungsanforderungen, die von den Verlagen an das Presse-Grosso und den Bahnhofsbuchhandel gestellt werden, im wesentlichen von den Großverlagen bestimmt, daß die geforderten Leistungen aber nur diesen zugute kämen, ist nicht ersichtlich. Neben dieser Verlagsneutralität sind die Absatzmittler zur Inhaltsneutralität verpflichtet. Der Vertrieb eines Objektes darf nicht von der politischen, religiösen oder weltanschaulichen Einstellung des Händlers abhängig gemacht werden. Nur die Vorschriften des "Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften" (GjS) schränken den Vertrieb von Objekten teilweise ein. § 4 Abs. 1 GjS schränkt den Vertrieb der Objekte ein, die in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen sind. Nach § 4 Abs. 2 GjS richtet sich das Verbot auch gegen Zwischenhändler. Auch die Tathandlungen des § 184 StGB können von allen Absatzmittlern begangen werden. Den Absatzmittler trifft eine eigene Prüfungspflicht, von der ihn die Lieferanten nicht befreien können8 •

habe sich "um eine spontane Reaktion aus Furcht vor dem Unwillen des Hauptlieferanten" gehandelt. 8 Zu den Risiken der Absatzmittler: Kaiser, Joseph H. / Claaßens, Manfred: "Im Dilemma von Schutz und Freiheit", in: DNV, Heft 11, 1980, S. 16 ff.

c. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen im Presseabsatzsystem

I. Definition und Typologie Die dargestellte Marktstruktur des Presseabsatzsystems, die Einbindung der Absatzmittler in dieses System und die Abgrenzung der Absatzwege untereinander wird gesichert und durchgesetzt mit den zwischen den Marktbeteiligten vereinbarten oder tatsächlich befolgten Vertriebs- und Verwendungsbindungen. Unter diesen wird hier das umfassende Bindungssystem verstanden, das es ermöglichen soll, die Marktbeteiligten dar an zu hindern, sich systemwidrig zu verhalten. Spezielle Einzelaspekte des hier verwendeten Oberbegriffs Vertriebsund Verwendungsbindungen sind gesetzlich definiert in § 18 Abs. 1 GWB. Die Vertriebsbindung wird in § 18 Abs. 1 Ziff. GWB bezeichnet als eine Beschränkung, gelieferte Waren an Dritte abzugeben. Diese Vertriebsbindung dient dem Hersteller dazu, bestimmte Absatzwege für seine Ware über die Handelsstufe hinweg bis zum Verbraucher festzulegen 1 • Der Absatzmittler wird in der Abgabe der vom Bindenden gelieferten Ware an Dritte beschränkt. Diese Waren müssen von dem Bindenden geliefert sein, es werden also Waren von nicht bindenden Lieferanten nicht betroffen2 • Das Wesen dieser Vertriebsbindung besteht darin, daß der Hersteller mit ihr auf Lieferverträge Einfluß nimmt, die der von ihm gebundene Händler sonst nach eigenem Belieben mit Dritten abschließen könnte 3 • Solche Vertriebsbindungen treten vornehmlich auf dem Markt für Markenartikel auf und sind insoweit häufig Gegenstand betriebswirtschaftlicher und kartellrechtlicher Untersuchungen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, daß Vertriebsbindungen meist dort auftreten, wo Hersteller keinem heftigen Wettbewerb ausgesetzt sind oder aus anderen Gründen eine starke 1 Lehmpfuhl, Rolf-S.: "Vertriebsbindung als Mittel der Absatzpolitik" , in: MA 1967, S. 383: ! Müller, Heinz / Giessler, Peter: "Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz)", 3. Aufl., 1974 mit Austauschlieferungen, Frankfurt 1974 und später (zitiert im folgenden: Müller / Giessler: "Kommentar zum GWB"), Rdnr. 26 zu § 18 GWB; Emmerich, in: Immenga / Westmäcker: "Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen" , München 1981, Rdnr. 127 zu § 18 GWB. 3 Lehmpfuhl, MA 1967, S. 383.

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c. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Stellung gegenüber ihren Abnehmern haben4 • Außerdem dienen Vertriebsbindungen dem Hersteller dazu, Absatzkanäle von unerwünschten Absatzmittlergruppen freizuhalten, und sie werden zur Sicherung von Preisbindungssystemen eingeführt5 • Die Vertriebsbindung begrenzt lediglich die Auswahl Dritter, hingegen wird bei der weitergehenden Ausschließlichkeitsbindung jeglicher Geschäftsverkehr mit Dritten ausgeschlossene. AusschließIichkeitsbindungen werden von § 18 Abs. 1 Ziff. 2 GWB als eine Beschränkung, andere Waren oder gewerbliche Leistungen von Dritten zu beziehen oder an Dritte abzugeben, definiert. Die Vertriebsbindung ist, wie dargelegt, eine Absatzbindung; die Ausschließlichkeitsbindung kann dagegen sowohl Absatzbindung als auch Bezugsbindung sein. Bei der Bezugsbindung wird dem AbsatzmittIer die Verpflichtung auferlegt, keine Konkurrenzerzeugnisse zu führen, oder der bindende Hersteller behält sich ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des nicht konkurrierenden Sortiments vor 7 • Die Ausschließlichkeitsbindung braucht nicht total zu sein, sondern kann räumlich, zeitlich, sachlich oder personell beschränkt werdenS. Bei der Absatzbindung bestehen verschiedene Möglichkeiten, eine AusschließIichkeitsbindung zu erreichen. Überwiegend ist die Absatzbindung aber als eine Verpflichtung des Lieferanten ausgestaltet. In dieser Fallkonstellation bindet der Absatzmittler den Lieferanten, oder dieser bindet sich selbst. So wird das Alleinverkaufs- oder -vertriebsrecht als eine Ausschließlichkeitsbindung in der Form der Absatzbindung des Lieferanten verstanden, wenn dieser sich verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Gebietes nur an einen Abnehmer bestimmte Waren zu liefern, d. h. dem Abnehmer wird für sein Gebiet ein sogenanntes Alleinverkaufsrecht eingeräumt'. Im Gegenzug verpflichtet sich der Abnehmer, die gelieferte Ware nur innerhalb seines Gebietes abzusetzen. Dieses Grundmodell kann unter Hi~uIlahme einer ausschließlichen Bezugsbindung, bei der sich der Abnehmer verpflichtet, keine gleiche oder ähnliche Ware von Dritten zu beziehen, zu dem sogenannten "Alleinvertriebsabkommen" erweitert werden, das z. B. im Automobilhandel weit verbreitet isVo. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Ausschließlichkeitsbindung im Gegensatz , Busch: "Die allgemeine Wettbewerbssituation in der Konsumgüterindustrie" , in: 10 Jahre Bundeskartellamt, Köln u. a., 1968, S. 171. 6 Rittner: "Die Ausschließlichkeitsbindungen in dogmatischer und rechtspolitischer Bedeutung", Düsseldorf 1957, S. 48. . e Niens: "Vertriebs- und Verwendungsbindungen", 1968, S. 17. 7 Niens, S. 17; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 127. 8 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 80. D Niens, S. 18. 10 s. hierzu Schmidt, Jost: "Selektiver Vertrieb und Kartellrecht", Stuttgart 1975.

I. Definition und Typologie

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zur Vertriebsbindung auch als Einzelvertrag funktioniert l1 und in beiden Richtungen, sowohl gegenüber dem Lieferanten als auch dem Abnehmer, wirkt. Die Vertriebsbindung wirkt hingegen nur in einer Richtung, also z. B. vom Produzenten über den Großhandel zum Einzelhändler und ist nur als Gruppenvertrag durchsetzbar, in den jeder Händler einbezogen wird. Eine Verwendungsbindung wird in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 GWH dahingehend definiert, daß der Abnehmer in der Freiheit der Verwendung der gelieferten Waren, anderer Waren oder gewerblicher Leistungen beschränkt wird. Diese Beschränkung zielt also hauptsächlich auf den Gebrauch der Waren oder Leistungen durch den Abnehmer. Sie kann sowohl die von dem bindenden Hersteller als auch die von anderen Herstellern gelieferten Waren betreffen. Niens12 sieht als vertriebspolitisches Ziel der Verwendungsbeschränkung die Verhinderung von Vertragsbeziehungen zu Dritten. Dies muß nicht durchgehend zutreffen, jedenfalls ist hier zunächst festzuhalten, daß der Gebrauch von Waren und Leistungen eingeschränkt wird. Dies betrifft auch die Art und Weise des Vertriebs, soweit nicht die Person des Abnehmers oder dessen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe entscheidend ist, da es sich insoweit um Ausschließlichkeits- oder Vertriebsbindungen handelt. Unter den Oberbegriff Vertriebs- und Verwendungsbindung fallen außerdem die sogenannten Koppelungsverträge nach § 18 Abs. 1 Ziff. 4 GWB. Dies sind Verträge, bei denen sich der eine Teil verpflichtet, sachlich oder handelsüblich nicht zugehörige Waren oder gewerbliche Leistungen mit abzunehmen, unabhängig davon, ob er einen Nutzen davon hat1 3 • Was als zugehörig zu betrachten ist, entscheidet nicht das Interesse des Herstellers oder des Absatzmittlers, sondern allein die Verkehrsauffassung. Im Presseabsatzmarkt werden daher unterschiedliche Objekte und die Objekte eines Verlages gegenüber den Objekten eines anderen Verlages jeweils nicht als zugehörig zu betrachten sein, da Objekte eines Verlages gegenüber den Objekten eines anderen Verlages einen eigenen Markt bilden14 • Auch handelsüblich sind nicht verschiedene Presseobjekte als zusammengehörig anzusehen. Es können daher im Pressevertriebsmarkt auch Koppelungsverträge hinsichtlich mehrerer Objekte geschlossen werden.

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So auch Lehmpfuhl, MA 1967, S. 383, 386. Niens, S. 2l. Niens, S. 22. OLG Karlsruhe, WuW /E OLG 1268, 1269 "Abbuchungsermächtigung" .

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c. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

über die in § 18 Abs. 1 GWB getroffenen Differenzierungen hinaus sind noch weitere Beschränkungen des Vertriebs von Presseobjekten denkbar und werden auch tatsächlich vereinbart. Soweit im Presseabsatzmarkt Vertriebs- und Verwendungsbeschränkungen auftreten, sollen diese im folgenden kurz bezeichnet und, soweit als möglich, den vorbezeichneten Typisierungen des § 18 Abs. 1 GWB zugeordnet werden.

11. Inhalt der Bindungen Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen gehören begrifflich zu den Geschäftsbedingungen1 , sie sind aber in § 18 GWB speziell geregelt und unterfallen daher keinesfalls der Nichtigkeitsfolge des § 15 GWB. Bei der Darstellung der Inhalte der Vertriebs- und Verwendungsbindungen kann auf die Abgrenzung zu § 15 GWB daher verzichtet werden. Die einzelnen Beschränkungen und Bindungen, die die Marktbeteiligten sich untereinander auferlegen, sind teilweise gesondert vereinbart, teilweise in den Allgemeinen Geschäfts- und Lieferungsbedingungen enthalten2 •

1. Bindungen zwiscl1en Verlag und National Distributor Die Vereinbarungen zwischen den Verlagen und den National Distributoren enthalten Bestimmungen darüber, wer mit den Objekten zu beliefern ist (Vertriebsbindung). Der National Distributor wird zumeist dahingehend gebunden, daß er nur den Großhandel, den Bahnhofsbuchhandel und bestimmte Einzelhändler direkt beliefern darf. Die Direktbelieferung des allgemeinen Einzelhandels wird teilweise ausdrücklich ausgeschlossen, überwiegend aber in der Vertriebsbindung nicht erwähnt. Die Belieferung des WBZ und Lesezirkels behalten sich die Zeitschriftenverlage zumeist ausdrücklich vor. Ebenfalls wird den ND's die Einrichtung eines eigenen Abonnements untersagt. Zugelassen wird aber teilweise der Export der bezogenen Zeitschriften. Die Vereinbarungen zwischen den Verlagen und den ND's enthalten außerdem Bestimmungen darüber, inwieweit der Verlag selbst noch an das Presse-Grosso und den Bahnhofsbuchhandel ausliefern darf (Ausschließlichkeitsbindung als Absatzbindung des Lieferanten). überwiegend wird eine eigene Vertriebstätigkeit des Verlages für das Objekt, dessen Vertrieb dem ND übertragen wurde, ausgeschlossen.

1 König, Dieter: "Vertikale Preis- und Konditionenbildung nach deutschem und EWG-Kartellrecht", Berlin / Frankfurt 1965, S. 24. 2 Grundlage der nachfolgenden Darstellung ist eine eigene Umfrage bei Verlagen und Verbänden, deren Ergebnisse hier zusammengefaßt werden.

11. Inhalt der Bindungen

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2. Bindungen im Verhältnis Verlag - Presse;..Grosso Die Vertriebs- und Verwendungsbindung des Presse-Grosso enthält meist folgende Bestimmung: "Die Lieferungen des Verlages sind ausschließlich für die Belieferung des Einzelhandels (Ausnahme: Bahnhofsbuchhandel) in dem festgelegten Auslieferungsgebiet bestimmt." Die Formulierung dieser Bestimmung ist unterschiedlich, teilweise verzichten die Verlage auch auf eine ausdrückliche Bindung in der begründeten Annahme, daß die Unternehmen des Presse-Grosso die ihnen von anderen Verlagen, vornehmlich von den großen Verlagen gesetzten Gebietsgrenzen einhalten. Die Gebietsgrenzen werden meist auf Karten festgelegt, die bei der vertraglichen Vereinbarung zum Vertragsinhalt werden. Die Gebietsabgrenzung (Vertriebsbindung) erfolgt für alle Grossisten, dies auch in den Fällen, in denen in einem Vertriebsgebiet mehrere Grossisten tätig sind. Außer der Bindung an das Vertriebsgebiet erfolgt eine Vertriebsbindung in der Form, daß nur der Einzelhandel beliefert werden darf. Lieferungen an andere Grossisten und an Exporteure oder ausländische Kunden dürfen nicht erfolgen. Die Belieferung von ausländischen Einzelhändlern in Grenzgebieten ist daher aufgrund der Gebietsabgrenzung des Grossisten ausgeschlossen. Die Vertriebsbindung untersagt es dem Grossisten in jedem Fall, den WBZ oder den Lesezirkel zu beliefern. Hinsichtlich des Bahnhofsbuchhandels bestehen Unterschiede, die Belieferung wird teilweise ausgeschlossen, überwiegend wird die Belieferung von der vorherigen Zustimmung des Verlages abhängig gemacht. Ebenfalls wird den GrossoUnternehmen grundsätzlich untersagt, den Endverbraucher zu beliefern. Soweit also die Grosso-Unternehmen Bahnhofsbuchhandlungen und andere Einzelhandelsunternehmen betreiben, ist eine klare Trennung der Betriebe erforderlich. Werden keine gesellschaftsrechtlichen Verselbständigungen durchgeführt, so verlangen die Vertriebsbindungen zumindest getrennte Betriebsabrechnungen. Als Vertriebsbindungen sind auch die Bindungen zu verstehen, die dem Presse-Grosso von den Verlagen mit der Pflicht auferlegt werden, sie an den Einzelhandel weiterzugeben und sie dort durchzusetzen. Es handelt sich hier um vertikale Vertriebsbindungen, die vom Verlag an das Grosso und von diesem an den Einzelhandel aufgrund eigener Verpflichtung gegenüber dem Verlag weitergegeben werden. So hat das Presse-Grosso den Einzelhändler nicht nur zur Einhaltung der Preisbindung zu verpflichten, sondern außerdem dazu, daß der Einzelhändler nur an Endverbraucher veräußert, das Presseobjekt weder verleiht noch vermietet, noch den Verkauf behindert. Dies sind zwar Bindungen des Einzelhändlers, doch der Presse-Grossist wird insoweit gebunden, als er diese Bindungen dem Einzelhändler auferlegen muß.

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C. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Verstößt der Einzelhändler gegen diese Bindungen oder hält er sie nicht ein, so kann der Presse-Grossist aufgrund seiner Bindung gegenüber dem Verlag verpflichtet sein, die Belieferung einzustellen. Ein Verstoß des Einzelhändlers aktualisiert also eine Verwendungsbindung des Presse-Grosso. In den Vereinbarungen zwischen den Verlagen und dem PresseGrosso sind außerdem Ausschließlichkeitsbindungen in der Form der Absatzbindung des Lieferanten feststellbar. Die Verlage verpflichten sich, keinen anderen Grossisten in dem Gebiet des Grosso-Betriebes zu beliefern. Diese Absatzbindung des Verlags erfolgt immer, wenn nur ein Grossist in dem betreffenden Vertriebsgebiet tätig ist, aber auch dann, wenn mehrere Grossisten nebeneinander in einem Gebiet tätig sind, da dann Objekttrennung vorliegt. Die Einzelhändler in Berlin, Hamburg, Saarbrücken, Dortmund und Darmstadt werden zwar jeweils von mehreren Grossisten beliefert, dabei aber von jedem Grossisten mit anderen Objekten. Die Verlage verpflichten sich demnach, daß keine Parallel-Lieferungen an einen zweiten Grossisten im gleichen Gebiet erfolgen. Bindungen, andere AbsatzmittIer oder Einzelhändler nicht oder nicht direkt zu beliefern, gehen die Verlage nicht ein. Als zeitliche Vertriebsbeschränkung ist die Bindung des Grossisten anzusehen, die vom Verlag festgesetzten Erstverkaufstage einzuhalten.

3. Bindungen des Bahnhofsbuchhandels Als selbständiger Absatzweg für Presseobjekte wird der Bahnhofsbuchhandel von den Verlagen ebenfalls. besonderen Bindungen unterworfen. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen des Bahnhofsbuchhandels begründen sich insbesondere aus der in diesem Bereich üblichen Direktbelieferung der Verlages. Die Direktbelieferung erfolgt aufgrund der besonderen Leistungen und Verpflichtungen des Bahnhofsbuchhandels und kann daher nicht, wie Schmahl dies meinte, als anachronistisch angesehen werden. Die Besonderheiten des Absatzes über den Bahnhofsbuchhandel, die die Direktbelieferungen rechtfertigen, bestehen aber nur dann, wenn der Bahnhofsbuchhandel die Presseobjekte auf dem Gelände eines Verkehrsbetriebs vertreibt und hierbei besonderen Auflagen unterworfen ist. Die Vertriebsbindung des Bahnhofsbuchhandels muß daher ausdrücklich oder incidenter die Bestimmung enthalten, daß die gelieferten Presseobjekte nur in den Geschäften des Bahnhofsbuchhandels an die Endverbraucher veräußert werden dürfen. Die Vertriebsbindung schränkt also den Absatz insoa s. o. Kap. B 11. 4. 4 Schmahl, Willi: "Das Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 S. 1 GWB", in: WRP 1979, S. 513, 515.

11. Inhalt der Bindungen

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weit ein, daß nur an räumlich begrenzten Standorten die bezogene Ware angeboten werden darf. Für den Fall also, daß der Inhaber einer Bahnhofsbuchhandlung weitere Presseabsatztätigkeiten ausübt, indem er entweder ein Grosso-Unternehmen oder weitere Einzelhandelsgeschäfte betreibt, die nicht zum Bahnhofsbuchhandel gehören, ist es ihm untersagt, für die Bahnhofsbuchhandlung erhaltene Ware in anderen Einzelhandelsgeschäften zu veräußern oder damit zu grossieren. Der Bahnhofsbuchhandel wird wie der übrige Einzelhandel verpflichtet, die Erstverkaufstage einzuhalten5 • Bei dieser Verpflichtung handelt es sich um eine zeitliche Beschränkung des Vertriebs im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 GWB. Sie wirkt sich auf den Wettbewerb zwischen den Absatzmittlern aus. So schaltet die Festsetzung eines Erstverkaufstages den Wettbewerb zwischen dem Großhandel und dem Bahnhofsbuchhandel insoweit aus, als durch die Schnelligkeit der Auslieferung oder durch Standort- bzw. Bezugsvorteile kein Vorsprung bei dem Absatz an den Endverbraucher erzielt werden kann.

4. Bindungen des WBZ und Lesezirkels Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen des werbenden Buchund Zeitschriftenhandels und des Lesezirkels haben die Gemeinsamkeit, daß die Belieferung ausschließlich zur Eigenverwendung erfolgt. Beim WBZ wird die Weiterveräußerung im Abonnement vorgeschrie~ ben. Der Lesezirkel wird verpflichtet, daß er die erhaltenen Objekte vermietet und nicht an den Endverbraucher verkaufen darf. Während dem Großhandel und dem Bahnhofsbuchhandel das Absatzgebiet und die Abnehmer vorgeschrieben werden, erfolgen Bindungen des Lesezirkels und des WBZ hinsichtlich der Art der Verwendung. Gebietsabgrenzungen werden nicht vereinbart.

5. Bindungen des Einzelhandels Die Bindungen des Einzelhändlers werden diesem von dem Grossisten auferlegt. Die Verwendungsbindung für den Einzelhandel bestimmt allgemein, daß dieser die Verlagsobjekte nur an Endabnehmer verkaufen und sie weder verleihen noch vermieten darf. Darüber hinaus ist im Einzelhandel noch eine zusätzliche, wesentliche Verwendungsbeschränkung feststellbar. Der Einzelhandel darf die Presseobjekte nur in dem Geschäft verwenden, für das die Lieferung erfolgt ist. 6 Einordnung als Vertriebsbindung auch bei: Müller-Henneberg / Schwartz, Gustav: "Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen" , Köln, 3. Aufl., mit Fortsetzungslieferungen (i. f. zitiert: Autor im Gemeinschaftskommentar), Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, Anm. 51 zu § 18; OLG Stuttgart 1958, WuW/E OLG 225.

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C. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Dies bedeutet, er darf die erhaltene Ware nicht an andere Einzelhandelsgeschäfte weitergeben oder, wenn er selbst als FiIialist über mehrere Geschäfte verfügt, die Ware nicht auf diese Geschäfte nach seinem Belieben verteilen. Die im Bahnhofsbuchhandel gegebene Möglichkeit der Veräußerung der Objekte in FiIialbetrieben besteht somit im Einzelhandel nicht. Dieses Weitergabe-Verbot für den Einzelhandel 6 begründet sich darin, daß die Bezugsregulierung mit dem Ziel, die Remissionen niedrig zu halten, grundsätzlich durch den Grossisten erfolgt. Hierfür ist erforderlich, ständig einen umfassenden Marktüberblick zu erhalten. Es bedarf dabei der Kontrolle, wieviele von den an die einzelne Verkaufsstelle gelieferten Objekten tatsächlich verkauft werden. Eine Weitergabe innerhalb eines FiIialbetriebes würde dazu führen, daß der Grossist von einer Filiale Objekte als Remissionen erhält, die dieser nicht geliefert wurden. Außerdem ist das Weitergabe-Verbot dann relevant, wenn der Grossist prüft, ob ein neuer Einzelhändler zusätzlich zu den bestehenden Verkaufsstellen beliefert werden soll. Ob in einem umgrenzten Absatzgebiet ein weiterer Einzelhändler beliefert werden kann - und ggf. muß - , ist nur dann feststellbar, wenn in dem relevanten Gebiet nur Presseobjekte verkauft werden, die auch tatsächlich in dieses Gebiet geliefert wurden. Auch für die Prüfung von Belieferungswünschen ist daher die Verwendungsbeschränkung, gelieferte Ware nicht weiterzugeben, erforderlich. So erfolgt grundsätzlich die Belieferung von Kaufhäusern und Handelsketten von dem PresseGrosso nicht an die Zentrale, sondern jeweils an die einzelne Verkaufsstelle, die dann die erhaltene Ware nicht weitergeben darf. Der Ausgleich von Bedarfsschwankungen in einzelnen Verkaufsstellen kann demnach nur ausschließlich über den Grossisten erfolgen.

IH. Die Vereinbarung der Vertriebs" und Verwendungsbindungen Der vorstehend dargestellte Inhalt der Bindungen wurde durch eine Umfrage bei Verlagen und Verbänden ermittelt. Bei dieser Umfrage stellte sich ebenfalls heraus, daß zwar überwiegend, aber nicht allgemein schriftliche Bindungsvereinbarungen bestehen. Nach § 34 GWB ist es erforderlich, daß Verträge, die Beschränkungen der in § 18 GWB bezeichneten Art enthalten, schriftlich abzufassen sind. Diese Schriftform wird bei der Vereinbarung der Preisbindung im Presseabsatzmarkt in der Regel durch Sammelrevers-Systeme gewahrt. Die Ver• Kuner, Wolf-Dieter: "Grosso-Probleme in kartellrechtlicher Sicht", in: DNV, 1969, S. 736, 750; Schmahl: "Kartellrechtliche Fragen des Pressevertriebs" , in: DNV, 1969, S. 81, 114.

111. Die Vereinbarung der Vertriebs- und Verwendungsbindungen

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einbarungen im Sinne des § 18 GWB erfolgen nur teilweise durch ein entsprechendes Revers-System. Nach § 34 GWB i. V. m. § 125 BGB sind Verträge, bei denen die Schriftform nicht eingehalten wurde, nichtig. Das Schriftformerfordernis wird auch nicht durch Handelsbrauch oder langjährige Geschäftsbeziehungen überflüssig1 • Zwar kann der Inhalt des zwischen den Verlagen und den Absatzmittlern bestehenden Rahmenvertrages nach Handelsbrauch und Verkehrssitte bestimmt werden!, eine durchsetzbare Vertriebsbindung setzt aber Schriftform voraus. Dennoch aber könnten Vertriebsbindungen auch ohne schriftliche Vereinbarung wirksam sein, wenn auf sie die sogenannte "ImmanenzTheorie" anwendbar wäre 3 • Diese für Handelsvertreter-Verträge entwickelte Theorie besagt, daß § 18 und § 34 GWB nicht auf solche Beschränkungen anwendbar sind, die sich aus der "Natur" des Vertragsverhältnisses ergeben4 oder in diesen wesensmäßig angelegt sind. Fraglich ist, ob sich die aufgezeigten Beschränkungen gleichsam aus der "Natur" der Verträge zwischen den Absatzmittlern ergeben, daß also das Presseabsatzsystem ohne diese Beschränkungen nicht denkbar wäre. Eine solche Systemimmanenz der Vertriebs- und Verwendungsbeschränkungen scheint mir nicht feststellbar zu sein. Eine übertragung der für die Handelsvertreter-Verträge entwickelten Theorie kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil es an der speziellen Weisungsgebundenheit und Abhängigkeit des Absatzmittlers von seinen Lieferanten fehlt 5 • Die Abhängigkeit könnte sich allenfalls aus der Verlagerung des Absatzrisikos auf den Hersteller ergeben. Diese erfolgt durch das Remissionsrecht, das als systemprägend anzusehen ist. Die weiteren Vertriebsbindungen sind zwar durch das System bedingt, da ohne sie die Remissionssteuerung, Bezugsregulierung und Bedarfsdeckung in der derzeitigen Form nicht möglich wäre, dennoch ist meines Erachtens eine Freistellung von den Erfordernissen des § 34 GWB nicht möglich. Die Systemimmanenz der Vertriebsbindungen kann nur dann zu der Freistellung von dem Schriftformerfordernis führen, wenn eine Wett1 Nöcker, Klaus: "Das Erfordernis der schriftlichen Abfassung nach § 34 GWB bei Ausschließlichkeitsbindungen im Sinne des § 18 GWB", in: WRP 1980, S. 317, 318. I So für das Vertragsverhältnis Verlag - WBZ: BGH JZ 1969, S. 70, 71. a Zur Immanenz-Theorie s. Ebenroth: "Absatzmittlungsverträge ...", S. 68, 78; v. Brunn: "Das Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters bei Fehlen einer Vereinbarung", AcP 163 (1964), S. 487,496; Müller / Giessler, GWB § 15, Rdnr. 26 ff.; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 32; Biedenkopf, Kurt: "Vertragliche Wettbewerbsbeschränkungen und Wirtschaftsverfassung. Die Ausschließlichkeitsklausel als Beispiel", Heidelberg 1958, S. 233. 4 OLG Stuttgart, WuW/E OLG 1302, 1303 "Getränkegroßhändler" ; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 29. S a. A. Börner, S. 20.

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C. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

bewerbsfreiheit systembedingt nicht besteht, eine solche somit auch nicht durch Bindungen nach § 18 GWB eingeschränkt werden könnte. Für diesen Fall allein ergibt sich durch Auslegung der §§ 18 und 34 GWB ggf. eine Einschränkung des Schriftformerfordernisses. Entscheidend ist daher, ob im Presseabsatzsystem trotz der bestehenden Struktur noch eine Wettbewerbsfreiheit besteht, die durch die Vertriebsbindung eingeschränkt wird. Im Presseabsatzmarkt greifen die Vertriebs- und Verwendungsbindungen weiter, als es allein für die Abwicklung der Remissionen und die Bezugsregulierung erforderlich wäre. über die technischen Erfordernisse hinaus werden die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Absatzmittlern beschränkt6 • Allein durch eine übertragung der sogenannten "Immanenz-Theorie" auf das Presseabsatzsystem kann daher das Schriftformerfordernis nicht ausgeschlossen werden7 • Die Voraussetzungen des § 34 GWB sind nur dann erfüllt, wenn der gesamte Vertrag, und nicht nur die Beschränkungen schriftlich niedergelegt werdenS. Hiervon ist aber insoweit eine Ausnahme zu machen, als das Schriftformerfordernis sich nicht auf vertragliche Nebenpflichten bezieht9 • Maßgeblich für die Abgrenzung dieser Nebenpflichten zu den formbedürftigen Vereinbarungen ist dabei, ob sich die Bindung aus den Umständen ergibt, die im schriftlich niedergelegten Vertrag ihren Ausdruck gefunden haben. Hieraus ergibt sich für den Presseabsatzmarkt, daß die Schriftform dann als gewahrt anzusehen ist, wenn die Vertragsparteien die wesentlichen Vereinbarungen schriftlich getroffen haben10 , hierzu zählt die Funktion des einen Vertragspartners als Absatzmittler, ggf. die Gebietsabgrenzung und die Bezeichnung derjenigen Abnehmerkreise, an die Weiterlieferungen erfolgen dürfen. Einzelheiten, die sich aus der Funktion ergeben, sind daher nicht jeweils schriftlich festzuhalten, sie können, da allgemein üblich, als von der Funktionsbeschreibung umfaßt angesehen werden. Der Zweck des Schriftformerfordernisses, die Beweismöglichkeiten für Abschluß und Inhalt wettbewerbsbeschränkender Verträge zu sichern und den Kartell behörden die Feststellung und Prüfung zu erleichternl l , wird dadurch erreicht. So können außerdem die gebundenen Objekte außerhalb des Vertrages jeweils festgelegt werden, wenn in dem Vertrag bee s. u. Kap. D. 7 Zu der Begründung im einzelnen Kap. C 4. S Müller / Giessler, GWB, § 18, Rdnr. 13; WuW /E BGH 1280, 1281 "Großkücheneinrichtung" . 9 Schmitt, Jost, S. 196; WUW/E BGH 1773 ff. "Pockinger Hof". 10 BGH NJW 1981, S. 343, 344; BGH NJW 1980, S. 1529. 11 Rauschenbach: "Die Entwicklung des deutschen Kartellrechts im Jahre 1978", in: NJW 1979, S. 737.

IV. Abgrenzungenund Zusammenfassung

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stimmt ist, daß die gebundenen Waren sich aus den jeweils gültigen Produktlisten ergeben 12 • Soweit die Vertriebs- und Verwendungsbindungen nicht schriftlich vereinbart sind, sind sie zivil rechtlich unwirksam und daher nicht gerichtlich durchsetzbar. Dennoch aber können sie praktiziert werden. Setzen sich die Vertragsparteien über die Formnichtigkeit hinweg, so liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht vor, wenn die Kartellbehörde die Bindung nicht für unwirksam erklärt hat 13 . Solange eine Unwirksamkeitserklärung also nicht ausgesprochen ist, können auch mündliche Vereinbarungen praktiziert werden. Soweit die Bindungen im Presseabsatzmarkt nicht schriftlich vereinbart sind, werden sie von den Marktbeteiligten dennoch tatsächlich so eingehalten14 , als wären sie durchsetzbar.

IV. Abgrenzungen und Zusammenfassung Die Bindungen der Absatzmittler im Pressevertriebsmarkt sind umfassend und verbieten einen Ausbruch jedes Absatzmittlers aus der ihm zugeteilten Funktion. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Besonderheiten des Presseabsatzmarktes die einzelnen Absatzmittler in einer tatsächlichen und rechtlichen Stellung erscheinen lassen, die in einer vergleichbaren Form auf anderen Märkten nicht besteht. Klarzustellen ist, daß hier unter dem Begriff des Absatzmittlers jeder Zwischenhändler verstanden wird. Absatzmittler ist nach dieser weiten Definition also eine Firma oder Person, die eine Ware oder Dienstleistung auf dem Weg vom Hersteller zum Endverbraucher entweder selbst erwirbt und weiter veräußert oder den Verkauf von einer Handeisstufe zu einer anderen vermittelt. Ebenroth1 definiert die Absatzmittler als Vertriebsorgane mit eigenem Gewerbebetrieb und engt für seine Untersuchung den Kreis der Absatzmittler auf die Handelsvertreter, die Kommissionsagenten und Vertragshändler ein2 • u WUW/E OLG 2195 "AEG-Vertriebsbindung"; zur Möglichkeit der Festsetzung druch einen Vertragspartner nach §§ 315, 316 BGB ohne Bezugnahme auf Listen: BGH NJW 1981, S. 343. 13 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, Rdnr. 18 zu § 18; Frankfurter Kommentar, Rdnr. 91 zu § 18; Müller / GiessIer, GWB, § 18, Rdnr. 13. U Seeliger, Hans: "Es gibt keinen Kontrahierungszwang für die Presse", in: ZV + ZV, Heft 11, 1967, S. 367, stellt fest, die AlleinbeUeferung eines Gebietsgrossisten sei ein faktischer Vorgang ohne schriftliche und rechtliche Bindung. 1 Ebenroth, S. 22, 23 u. S. 62. 2 So auch Ulmer: "Der Vertragshändler, Tatsachen und Rechtsfragen kaufmännischer Geschäftsbesorgung beim Absatz von Markenwaren", München 1969, S. 40.

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c. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Eine Einengung des Begriffs des Absatzmittlers erscheint im Hinblick auf den Presseabsatzmarkt nicht möglich, vielmehr ist für diesen Markt von dem wirtschaftswissenschaftlichen Begriff des Absatzmittlers auszugehen. Mit diesem Begriff wird die wirtschaftliche Funktion angesprochen. Es kommt daher auch nicht auf eine möglicherweise bestehende Interessenwahrungspflicht des Absatzmittlers an. Auch selbständige Händler ohne besondere Bindung an den Hersteller sind nach der hier verwendeten Definition Absatzmittler. Gerade die Eingrenzung des Begriffs bei Ebenroth zeigt, daß in der rechtlichen Diskussion die Problematik der Vertriebs- und Verwendungsbindungen meist mit dem Blick auf den Absatz von Markenartikeln und Automobilen behandelt wird. Die dargestellten Funktionen und Bindungen der Absatzmittler im Pressevertriebsmarkt zeigen aber, daß diese Handelsbetriebe nicht mit den Handelsformen im Markenartikelbereich und anderen Märkten vergleichbar sind. So ist der Grossist mit Gebietsalleinstellung kein HandelsvertreterS, da er in eigenem Namen handelt und außerdem selbst alle sachgebundenen Handelsaufgaben wahrnimmt'. Auch ist der Grossist kein Kommissionär nach § 383 HGB, da er im Gegensatz zu diesem ständig für die Verlage tätig ist und nicht nur im Einzelfall Kommissionsgut erhält. Problematisch und für die kartell rechtliche Beurteilung möglicherweise vorgreiflich ist aber die Frage, ob die Presse-Grossisten rechtlich als Kommissionsagenten oder Vertragshändler einzuordnen sind. Der Absatzmittlertyp des Kommissionsagenten ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich um eine Mischform zweier Typen von Hilfspersonen des Kaufmanns. Teilweise werden die Vorschriften über die Handelsvertreter herangezogen, da der Kommissionsagent von einem anderen Unternehmer ständig damit betraut ist, für dessen Rechnung Verkäufe zu tätigen 5 • Identität mit dem Kommissionär besteht insoweit, als er in eigenem Namen handelt. Als Kommissionsagenten wird danach die Gruppe von Hilfspersonen des Kaufmanns bezeichnet, die ständig betraut, in eigenem Namen für fremde Rechnung handelt 6 • Der Kommissionsagent s Ipsen, S. 69. , Ebenroth, S. 25, zählt hierzu die Lager-, Transport- und Warenfunktionen. 5 Ebenroth, S. 30; Börner, S. 18 ff. mit der Ansicht, die Pressegrossisten seien Kommissionsagenten. 8 Ulmer: "Vertragshändler", S. 194; Ebenroth, S. 29; BGH BB 1964, S. 823; Börner, S. 18.

IV. Abgrenzungen und Zusammenfassung

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handelt demnach in verdeckter Stellvertretung7 , wobei er im Unterschied zum Handelsvertreter selbst für die Erfüllung seiner Funktionen einzustehen hat, der Geschäftsherr jedoch im Innenverhältnis das Geschäftsrisiko übernimmt8 . Diese übernahme des Geschäftsrisikos könnte sich im Verhältnis zwischen Verlag und Presseabsatzmittlern daraus ergeben, daß grundsätzlich ein Remissionsrecht gewährt wird. Durch das Remissionsrecht wird, wie bereits dargestellt 9 , das Absatzrisiko teilweise auf den Verlag verlagert. Es könnte daher in Betracht kommen,in dem Remissionsrecht eine Risikoverlagerung in der Weise zu sehen, daß der Absatzmittler auf Rechnung des Verlages handelt. Diese weitgehende Wertung nimmt Börner vor und kommt zu dem Ergebnis, daß der Absatzmittler, der ein Remissionsrecht hat, als Kommissionsagent einzuordnen sepo. Wenn man zunächst unterstellt, das Remissionsrecht verlagere die Risiken in vollem Umfang auf den Verlag, so würde sich aber im Presseabsatzmarkt noch kein Handeln auf fremde Rechnung ergeben, wie es Börner annimmt. Ebenrothl l stellt fest, daß nach zivilrechtlicher Vorstellung ein KommissionsagenturVerhältnis nur dann anzunehmen ist, wenn der Absatzmittler ohne Einsatz von Sachwerten und Kapital seine Tätigkeit ausübt. Dies ist im Presseabsatzmarkt nicht der Fall. Der Presseabsatzmittler ist sowohl für seine Betriebseinrichtung als auch für seine Geschäftsabwicklung allein verantwortlich. Das Remissionsrecht entlastet ihn zwar von einem gewissen Mengenrisiko, nicht aber von seinem Geschäftsrisiko überhaupt. So werden an die Remissionen Anforderungen hinsichtlich Frist und Durchführung gestellt, für deren Erfüllung der Absatzmittler allein verantwortlich ist. Hinzu kommt noch, daß er nicht zur Remission verpflichtet ist, sondern nur das Recht hierzu hat, wovon er aus wirtschaftlichen Gründen tatsächlich Gebrauch machen wird. Auch erhält der Grossist keine Provisionen und Aufwendungsersatz, sondern er erzielt seinen Gewinn aus der Handelsspanne. Aus dem Remissionsrecht ein Handeln auf fremde Rechnung abzuleiten, ist daher meines Erachtens nicht zutreffend. Die Konsequenz dieser Ansicht wäre, daß jede Teilübernahme des Mengenrisikos durch den Hersteller den Absatzmittler zum Kommissionsagenten hinabdrücken würde. Wenig überzeugt das "Speiseeis-Argument" Börners 12 , daß Zeitungen und Zeitschriften bei der Remission veraltet seien und daher eine Vergleichbarkeit mit Rückgaberechten in anderen Branchen nicht bestehe. Der Ulmer, S. 44. Ebenroth, S. 30. • s. o. Kap. BIll. 5. 10 Bömer, S. 19. 11 Ebenroth, S. 3. I! Bömer, S. 20. 7

8

6 Roggen

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C. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Wertverlust eines Presseproduktes ist objekttypisch, und es besteht daher schon per se das Herstellerrisiko hinsichtlich der Verkäuflichkeit. Vertretbar ist allenfalls, bestimmte Vorschriften des Rechts der Handelsvertreter und Kommissionsagenten in vorsichtiger Analogie auf die Absatzmittler im Presseabsatzmarkt anzuwenden13 • Die Absatzmittler tragen selbst unternehmerisches Risiko und handeln trotz des eingeräumten Remissionsrechts auf eigene Rechnung, da sie die Presseobjekte zunächst selbst erwerben und dann weiter veräußern. Der Zeitpunkt der Zahlung ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Börner müßte in konsequenter Weiterführung seines Ansatzes alle Absatzmittler, denen ein Remissionsrecht eingeräumt wird, als Kommissionsagenten einordnen. Die von ihm analog § 89 b HGB festgestellten Ausgleichsansprüche 14 wären daher allen - auch den Einzelhändlern zuzuerkennen, wobei die Problematik der Belieferungseinstellung durch einen Verlag wohl unlösbar wäre. Jedoch wird bei dem Ansatz Börners übersehen, daß nicht die Risikoverlagerung auf den Hersteller allein dazu führt, einen handelsrechtlichen Kommissionsagenturvertrag zu begründen. Da die Absatzmittler somit auf eigene Rechnung handeln, käme noch in Betracht, sie als Vertragshändler einzuordnen. Ein VertragshändlerVertrag liegt nach Dlmer16 dann vor, wenn es sich um eine auf Dauer angelegte vertragliche Verbindung handelt, der Händler zum Vertrieb der vereinbarten Waren und zur Absatzförderung verpflichtet wird und hierauf seine Funktionen und Risiken ausgerichtet werden. Außerdem führt DImer das Merkmal an, daß der Vertragshändler den Markenwarencharakter und die Marke des Herstellers herauszustellen hat. Diese auf den Markenartikelmarkt ausgerichtete Beschreibung könnte auf die Presse-Grossisten dann entsprechend angewendet werden, wenn man die dem Grossisten auferlegten Bindungen als eine Eingliederung in die Absatzorganisation der Verlage bewerten würde. Außerdem wäre auf das allgemeine Abgrenzungsmerkmal, daß der Vertragshändler typischerweise ausschließlich für einen Hersteller tätig ist1 6 , zu verzichten. Es trifft zu, daß die Presseabsatzmittler durch die dargestellten Bindungen sowohl in ihrer Funktion als auch in ihren Verhaltenswei13 So für die Presse-Grossisten: Bechtold, Rainer: "Rechtsprobleme des Presse-Großhandels", unveröffentlichtes Gutachten, September 1978, S. 9, wobei ein Weisungsrecht des Verlages gegenüber dem Grossisten insoweit begründet wird, als dies der Minimierung des Absatzrisikös des Verlages dient. 14 Börner, S. 66 f. 1& Ulmer, S. 206. 18 Ebenroth, S. 37.

IV, Abgrenzungen und Zusammenfassung

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sen im Markt wesentlich beschränkt werden17 • Hierdurch erfolgt aber keine Eingliederung in die Absatzorganisation der Verlage. Alle Absatzmittler sind für eine Vielzahl von Verlagen tätig. Man könnte eine Eingliederung also nur in ein gesamtes Presseabsatzsystem erkennen. Eine solche liegt, wie beschrieben, tatsächlich vor. Nicht jedoch erfolgt diese Eingliederung durch vertragliche Vereinbarungen mit einem Verlag, sondern sie ergibt sich aus der bestehenden Marktstruktur und einer Vielzahl von Verträgen. Ein Verzicht auf das Merkmal der Eingliederung des Absatzmittlers in die Absatzorganisation eines Herstellers erscheint bei der Definition des Vertragshändlers nicht möglich. Die Vertragshändler sind typischerweise von einem Hersteller abhängig und weisungsgebunden. Außerdem treten bei den Vertragshändlern zusätzliche Bindungen sowohl des Händlers als auch des Lieferanten auf. Diese Bindungen, z. B. Markenpflege, sind überwiegend produktbezogen. Hingegen sind die Bindungen der Absatzmittler tätigkeitsbezogen. Nach der Abgrenzung von Ebenroth18 sind daher alle Absatzmittler im Pressevertrieb nicht als Vertragshändler einzuordnen. Sie sind aber auch keine "reinen Umsatzhändler"lD, die als unabhängige Händler die Waren irgend eines Herstellers aus eigenem Antrieb frei am Markt erwerben könnten, um sie im Rahmen ihres Sortiments zum Weiterverkauf anzubieten. Die Absatzmittler im PresseBereich sind grundsätzlich mit den Verlagen auf Dauer vertraglich verbunden, ohne in die Absatzorganisation der Verlage eingegliedert zu werden20 • Eingliederungen in die Absatzorganisation eines Verlages kommen ausschließlich im Bereich der National Distributoren vor, und dies nur unter der Voraussetzung, daß der betreffende National Distributor ausschließlich für einen Verlag tätig würde. In diesem Fall erfüllt er die Merkmale eines Vertragshändlers. Einwendungen gegen das gefundene Ergebnis, daß die Absatzmittler nicht in die Absatzorganisation der Verlage eingegliedert sind, ergeben sich hinsichtlich des Presse-Grosso bei Ipsen21 und wohl auch bei Kaiser22 • Insbesondere die Abhängigkeit von den Verlagen und die Verlagerung des Absatzrisikos auf die Verlage könnten dazu führen, eine Fremdbestimmung des Presse-Grossisten anzunehmen. Jedoch verbleiben den Presse-Großhändlern trotz teilweiser Fremdbestimmungen die wesentlichen Unternehmensfunktionen. Insbesondere treten die Ipsen, S. 69; Kaiser, S. 26. Ebenroth, S. 36. 18 Begriff bei Ebenroth, S. 36, Definition: S. 22. 10 a. A. Ipsen, S. 68. u Ipsen, S. 68 ff. II Kaiser, S. 70. 11 18

c. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

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Presse-Großhändler den Verlagen als Nachfrager der Marktgegenseite gegenüber. Dies ist bei einem Vertragshändler nicht der Fa1l23 • Die Presse-Großhändler sind eine eigenständige Handelsstufe, die Nachfrage des Endverbrauchers bzw. des Einzelhandels wird nicht direkt beim Hersteller wirksam, sondern der Presse-Großhändler ist für seinen Bereich alleiniger Nachfrager nach den Presseobjekten. Somit ergibt sich, daß auch die Presse-Großhändler nicht als Kommissionsagenten oder Vertragshändler anzusehen sind.

!3

Ulmer, S. 229; Ebenroth, S. 33.

D. Die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

J. Definitionen des Wetthewerhshegriffs Nach der Aufhebung der Preisbindung für Markenartikel ist der Pressevertriebsmarkt der einzige, auf dem der Preis als Wettbewerbsparameter ausgeschlossen ist. Die Darstellung der Wettbewerbsverhältnisse hat sich daher insbesondere damit zu beschäftigen, welche Wettbewerbsparameter und Verhaltensalternativen für die Marktbeteiligten verbleiben. Eine Definition des Wettbewerbsbegriffs ist im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht vorhanden. Das GWB setzt den Begriff "Wettbewerb" seinerseits voraus 1 • Es verwendet diesen Begriff teilweise mehrdeutig!, je nach dem, in welchem Zusammenhang er gebraucht wird 3 • Eine in die Einzelheiten gehende und die wirtschaftswissenschaftlichen und rechtswissenschaftlichen4 Begriffsdefinitionen berücksichtigte Darstellung des Wettbewerbsbegriffs erübrigt sich für den vorliegenden Untersuchungszweck. Hier soll es nur auf die Feststellung ankommen, durch welche Verhaltensweisen im Markt die Anbieter und Nachfrager Vorteile erstreben. Müller / Giessler5 definieren den wirtschaftlichen Wettbewerb verhaltensbezogen. Danach ist wirtschaftlicher Wettbewerb: "das selbständige Streben von Unternehmen (Anbietern und Nachfragern) nach Geschäftsabschlüssen mit Unternehmen der Marktgegenseite durch In-Aussicht-Stellen günstig erscheinender Geschäftsbedingungen, wenn das einzelne Unternehmen dabei in seinem Geschäftserfolg oder zumindest in seinem Marktverhalten (z. B. Preisstellung, Festlegung von Konditionen, Qualität oder Menge eines Gutes, Werbung) von dem aktuellen oder potentiellen Verhalten anderer Unternehmen einseitig oder gegenseitig abhängig ist, die ihm als Einzelunternehmen oder als Gruppe zur Seite stehen". Die Definition erscheint trotz der auf die volkswirtschaftliche Theorie bezogenen ausführlichen Fassung dennoch zu eng, da sie auf die "Gel Müller / Giessler, Kommentar zum GWB, § 1, Rdnr. 72, Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 191. ! Frankfurter Kommentar zum GWB, § 1, Tz. 20. a Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 197; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 1, Rdnr. 33. , s. Müller / Giessler, § 1, Rdnr. 72 ff. 5 Müller / Giessler, § 1, Rdnr. 74.

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D. Die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

schäftsabschlüsse mit Unternehmen der Marktgegenseite" beschränkt ist. Die Wettbewerbshandlungen in Hinblick auf Einzelpersonen, die Verbraucher, sind unter diese Definition nicht zu fassen. Langen6 stellt fest, daß "Wettbewerb" in Wirklichkeit nichts weiter ist, als eine aus sehr unbestimmten Lebensbegriffen heraus destillierte Arbeitshypothese. "Wettbewerb" ist danach eine Lebenserscheinung und kein definierbarer Rechtsbegriff1. Für den Verzicht auf eine Definition spricht sich auch Köhler ausS und plädiert dafür, diesen Begriff durch Konkretisierungsarbeit am Sachverhalt auszufüllen. Damit bestünde die Möglichkeit, der Gefahr der Verengung und vorzeitigen Schließung des Wettbewerbsbegriffs zu begegnen, wie es insbesondere Mestmäcker hervorhebt'. Auch die Bemühungen Sandrocks 10 , eine rechtliche Definition des Wettbewerbs zu formulieren, stößt dadurch auf Schwierigkeiten, daß nur bestimmte Marktgegebenheiten berücksichtigt werden können. Diese Definition ist daher weder für alle sachlichen Gegebenheiten, noch für die Vorschriften des GWB insgesamt zutreffendl l . Die Definition Sandrocks12 ist im wesentlichen Grundlage der bereits im Wortlaut zitierten Definition von Müller / Giessler, bezieht aber das Streben VOn Unternehmen nach Geschäftsabschlüssen mit Kunden und Lieferanten ein, berücksichtigt also auch den Endverbraucher. Wettbewerb liegt nach Sandrock dann vor, wenn sich ein Unternehmen nach dem Verhalten der anderen Unternehmen, zu denen auch potentielle Rivalen gerechnet werden, richtet oder richten muß, weil es von dem Marktverhalten dieser Unternehmen abhängig ist. Der Frankfurter Kommentar13 definiert den Wettbewerb marktbezogen. Wettbewerb liegt demnach nur dann vor, wenn Unternehmen gleiche oder gleichartige Güter anbieten und sich die Angebote gegenseitig beeinflussen können, da sich die Unternehmen auf einem gemein8 Langen, Eugen: .. Kommentar zum Kartellgesetz", 4. Aufl., 1967, Einführung, Rdnr. 13. 7 Langen: .. Kommentar zum Kartellgesetz", 4. Aufl., § 1, Rdnr .. 43; so auch Langen, Eugen / Niederleithinger, Ernst / Schmidt, Ulrich: ..Kommentar zum Kartellgesetz", 5. Aufl., 1977, Neuwied, § 1, Rdnr. 33 mit dem Hinweis, daß eine rechtliche Definition nur unter Verzicht auf Praktikabilität möglich ist; ähnlich Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 194. 8 Köhler, Helmut: ..Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager" , München 1977, S. 18, 19. D Mestmäcker, Ernst-Joachim: ..Europäisches Wettbewerbsrecht", München

1974, S. 52, 169.

10 Sandrock, Dtto: .. Grundbegriffe des· Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen", München 1968, S. 102 ff. 11 Langen / Niederleithinger / Schmidt, 5. Aufl., § 1; Rdnr. 33. 12 Sandrock, S. 129. 13 Frankfurter Kommentar zum GWB, § 1, Tz. 20, 21.

L Definitionen des Wettbewerbsbegriffs

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samen Markt begegnen können. Ohne den Marktzugang in die Definition einzubeziehen, sondern nur auf die gegenseitige Erfolgsabhängigkeit bezogen, definiert Fikentscher den Wettbewerb im Sinne des GWB14 als: "das··selbständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender der Anbieter. oder Nachfrager (Mitwettbewerber) nach Geschäftsverbindungen mit Dritten (Kunden oder Lieferanten) durch In-Aussicht-Stellen günstiger erscheinender Geschäftsbedingungen". Fikentscher15 geht von einem einheitlichen Wettbewerbsbegriff des GWB und UWG aus und betont, daß die Auslegung des Wettbewerbsbegriffs in § 1 GWB sich nach dem wirtschaftlichen Wettbewerb im Sprachsinne ausrichten muß, wie sie ihn die Kaufleute und die Verbraucher in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht verstehen18. Dies erscheint mir der richtige Ansatz, um die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Presseabsatzmarkt darzustellen. Hinzuzufügen ist, daß auf diesem Markt - bedingt durch die zugelassene Preisbindung Wettbewerbsparameter entscheidend sind, die mit dem Faktor "Qualität" zusammenfassend beschrieben werden können 17. Ein Qualitätswettbewerb kann isoliert von einem Preiswettbewerb auftreten18. Dies bedeutet für den Pressevertriebsmarkt, daß neben den Preisen und Handelsspannen bei den jeweiligen WettbewerbsverhäItnissen zu untersuchen ist, welche Leistungs- und Funktionsunterschiede der Marktbeteiligten bestehen. Vornehmlich die Leistungsunterschiede können Wettbewerbsverhältnisse begründen dadurch, daß die Leistung eine andere Qualität aufzeigt. Somit ergeben sich für die Feststellung der WettbewerbsverhäItnisse auf dem Presseabsatzmarkt folgende Koordinaten: -

Austauschbarkeit der Güter oder Leistungen Abhängigkeit vom MarktverhaIten anderer Unternehmen VerhaItensaIternativen der Marktbeteiligten Möglichkeiten der Einflußnahme auf dieses Verhalten (Wettbewerbsparameter).

14 Fikentscher, Wolfgang: "Neuere Entwicklungen der Theorie zum Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsbeschränkung § 1 GWB", in: WuW 1961, 5.788,798 . . 15 Fikentscher, WuW 1961, S. 788, 795. 18 So auch Herbst, Hans-Jürgen: "Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkungen bei Ausschreibungen", Köln u. a. 1965, S. 13. 17 Siehe zum Qualitätswettbewerb: Abott, L.: "Qualität und Wettbewerb", München 1958, S. 126, 129. 18 Herbst, S. 13.

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D. Die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

11. Die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt 1. Wettbewerb zwischen den Verlagen um die Leser a) Der Preiswettbewerb

Die Feststellung von Wettbewerbsverhältnissen zwischen den Verlagen erscheint einfach, jedoch sind die relevanten Märkte im Einzelfall zum Teil schwierig abzugrenzen. Die Marktabgrenzung erfolgt nach der Austauschbarkeit der Güter oder Leistungen. Hierbei ist für die Verlage zunächst der Anzeigenmarkt von dem Lesermarkt zu trenneni, dann sind die regionalen und überregionalen Märkte zu differenzieren und letztlich die Austauschbarkeit der einzelnen Objekte festzustellen!. Dies führt im Ergebnis zu der Feststellung, welche Objekte miteinander im Wettbewerb stehen. Die Abhängigkeit der Verlage vom Marktverhalten anderer zeigt sich bei der grundsätzlich autonomen Preisfestsetzung der Verlage. Für jede Objektgruppe bestehen jedoch tatsächlich bestimmte Preisrahmen, innerhalb derer die Verlage sich halten müssen, wollen sie nicht den Verlust der Leserschaft als Folge einer Preisneufestsetzung. Als Beispiel mag hier der Markt für Programmzeitschriften dienen. Der überwiegende Teil der Programmzeitschriften kostete 1981 1,50 DM. Eine Preisanhebung für ein Objekt über 2,- DM würde sicherlich zum Verlust eines großen Teils der Käufer führen. Eine Preissenkung, z. B. unter 1,- DM würde unter der Voraussetzung, daß Inhalt und Qualität gleich bleiben, zu einer Verlagerung der Nachfrage auf dieses Objekt führen 3 • Auch in anderen Zeitungs- und Zeitschriftengruppen ließen sich solche Preisrahmen feststellen. Sowohl bei den aktuellen Frauenzeitschriften als auch bei den Publikumszeitschriften bewegen sich die Preise konkurrierender Objekte innerhalb eines engen Rahmens. Zweck der Preisbindung im Pressebereich ist die Aufrechterhaltung der Pressevielfalt und eine Einschränkung des Preiswettbewerbs. Durch die Preisbindung wird der Intraband-Wettbewerb, nicht aber der Preiswettbewerb zwischen den Verlagen um den Käufer Möschel: "Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz" , S. 83. s. dazu oben die Gruppierung der Presseobjekte: Kap. B I. 2.; OLG Karlsruhe, WUW/E OLG 1268, 1269 "Abbuchungsermächtigung": Objekte eines Verlages bilden gegenüber denen eines anderen einen eigenen Markt; Mestmäcker in: Immenga / Mestmäcker, Vor § 23, Rdnr. 47; KG WuW/E OLG 2228,2230 "Zeitungsmarkt München". a s. hierzu das Bußgeldverfahren wegen Preisabsprachen bei Programmzeitschriften: Presseinformationen des Bundeskartellamtes: 26,6 Mil!. DM Bußgeld, in: WRP 1979, S. 192; o. V., "Das Kammergericht verurteilt Springer und Bauer", in: FAZ v. 8. 11. 1980, S. 17; KG WuW /E OLG 2369 ff. "Programmzeitschriften"; o. V., "Springer und Bauer verzichten auf Bußgeld-Beschwerde", WuW-Kurzinformation, WuW 1981, S. 243 u. FAZ v. 6.3.1981, 1

2

S.12.

11. Die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

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ausgeschlossen. Konkurrierende Objekte, das sind solche, die sich an die selben Käuferschichten wenden, stehen im Preiswettbewerb. Dieser wird durch die Preisbindung nur auf die Verlage direkt bezogen. Die Handelsstufen haben hierauf keinen Einfluß. Die Verhaltensalternativen der Endverbraucher bestehen darin, dieses oder ein anderes Objekt zu erwerben. Der Wettbewerbsparameter "Preis" wird durch die Preisbindung also nicht ausgeschlossen. b) Der Inhalts- und AktuaUtitswettbewerb

Der Wettbewerb auf dem Lesermarkt ist aber nicht nur als Preiswettbewerb anzusehen. Bedeutender ist der sogenannte Inhaltswettbewerb. Gerade dieser soll durch die Preisbindung gefördert werden. Die inhaltliche Ausgestaltung, d. h. die redaktionelle Bearbeitung und Aufmachung, ist und soll der vornehmliche Wettbewerbsparameter sein. Auch für den Inhaltswettbewerb sind die Märkte nach den Objektgruppen abzugrenzen. Insbesondere die Heranziehung der Zielgruppen der einzelnen Objekte ermöglicht klare Marktabgrenzungen. Innerhalb der einzelnen Zielgruppe sind die Objekte teilweise austauschbar. Anders ist es bei dem sogenannten Aktualitätswettbewerb. Die Aktualität eines Presseobjektes hängt einerseits von der inhaltlichen und redaktionellen Ausgestaltung ab, andererseits berührt sie aber auch die Frage nach der Schnelligkeit der Bereitstellung des Objektes für den Leser. Die Aktualität der Meldungen und Berichte ist ein Teil des sogenannten Inhaltswettbewerbs. Dieser besteht uneingeschränkt. Eingeschränkt hingegen wird die zeitliche Erhältlichkeit der Presseobjekte durch die Erstverkaufstage4 • Die Schnelligkeit der Bereitstellung der Ware wird hierdurch als Wettbewerbsparameter ausgeschlossen. Unabhängig von Transportwegen und -kapazitäten sind die einzelnen Objekte erst zu den von den Verlagen festgesetzten Tagen im Handel erhältlich. 2. Wettbewerb der Verlage um die Absatzmittler und deren Leistungen a) Verlage und Grosso-Untemehmen

Die Feststellung der Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt bedingt die Untersuchung, ob gemäß den dargestellten Koordinaten1 zwischen den Verlagen ein Wettbewerb um die Grosso-Unternehmen bzw. deren Leistungen besteht. Vorab ist festzuhalten, daß die Grossisten aufgrund ihrer Gebietsabgrenzung innerhalb des Gebietes Mono, s. auch OLG Stuttgart, WuW jE OLG 225. 1 s. o. Kap. D 1.

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D. Die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

polisten sind. Auch bei mehreren Grossisten ergibt sich eine MonopolsteIlung durch die eingehaltene Objekttrennung. Zunächst ist fraglich, ob die Leistungen des Grossisten austauschbar sind, ob also die Grosso-Leistungen einen eigenen Markt darstellen, auf dem die Verlage für sich Vorteile erzielen können. Grundsätzlich sind die Leistungen des Grossisten nicht austauschbar. Der Verlag kann in der derzeitigen Struktur des Presseabsatzsystems in einem Gebiet keinen anderen Grossisten mit dem Vertrieb seiner Objekte betrauen, ohne das Systeni grundlegend zu verändern. Ein Verlag kann also nur erreichen, daß jeweils der bestehende Allein-Grossist ihm bessere oder höhere Leistungen als anderen Verlagen einräumt. Als Mittel des Verhaltens im Wettbewerb stehen hierzu den Verlagen die Festsetzung der Handelsspannen und Sonderleistungen zur Verfügung. Die Möglichkeiten der Einflußnahme müßten darauf abzielen, die Marktgegenseite, die Grosso-Betriebe zu bestimmten Verhaltensalternativen zu bewegen. Diese Verhaltensalternativen bestehen für die Grosso-Betriebe trotz ihrer Gebietsalleinstellung, da sie einen Teil ihrer Leistungen nach den eingeräumten Konditionen differenzieren können2 • Nicht differenzierbar sind wohl die Leistungen des Grosso, die sich direkt auf die Nachfragebefriedigung durch den Einzelhandel beziehen. Diese Vertriebsleistungen sind überwiegend nicht differenzierbar, da der Grossist die Bestellungen des Einzelhandels aufgrund seiner Alleinstellung nicht ohne besondere Gründe ablehnen kann. Differenzierungsmöglichkeiten bestehen für die Grossisten hinsichtlich der Sonderleistungen. Bei diesen Leistungen, wie Markterschließung, Datentransparenz, Sonderveranstaltungen u. a. ist feststellbar, daß der Grossist nach den besonderen Leistungen oder Vergünstigungen der Verlage differenzieren kann. Bei den Objekten, bei denen die Abgabepreise an den Einzelhandel nicht gebunden werden - teilweise im Bereich Romane/Comics/Rätsel - kann auch ein Preiswettbewerb der Verlage mit dem Ziel bestehen, daß der Grossist durch ejne höhere Handelsspanne veranlaßt wird, das entsprechende Objekt besqnders zu. fördern. Abgesehen von diesen Ausnahmebereichen werden die Wettbewerbsparameter von dem Preis auf besondere Leistungen und VergünstigUngen verlagert. Einzelne Verlage können durch Umsatzrabattsysteme, Sonderleistungen, Werbernittel u. ä. das Verhalten des einzelnen Grossisten zu ihrem Vorteil verändern. Somit ist ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Verlagen um die Leistungen des einzelnen Grossisten feststellbar.

2

Bömer, S. 58.

11. Die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

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b) Verlage und Bahnhofsbudlhandel

Die Verlage stehen auch im Wettbewerb um die Leistungen des Bahnhofsbuchhandels. Die Aufnahme eines Objektes in das Sortiment der einzelnen Bahnhofsbuchhandlung und die Mengendisposition des Bahnhofsbuchhandels wirkt sich unmittelbar auf das Presse-Angebot aus. Ziel der Verlage ist es daher, mit ihren Objekten im Bahnhofsbuchhandel in ausreichender AI1zahl und an guten Verkaufsplätzen vertreten zu sein. Die Nachfrage des Bahnhofsbuchhandels nach Presseobjekten ist durch den örtlichen Einzelhandel aufgrund der unterschiedlichen Sortimentsstruktur nicht in vollem Umfang substituierbar. Als Wettbewerbsparameter für den Wettbewerb zwischen den Verlagen um die Leistungen des Bahnhofsbuchhandels kommen die Handelsspanne, Sonderleistungen und Ausgestaltungen der Geschäftsbedingungen in Betracht. Die Verhaltensalternativen des Bahnhofsbuchhandels stellen sich wie folgt dar3 : Aufnahme eines Objektes in das Sortiment; Plazierung einzelner Objekte; Sonderaktionen zur Förderung bestimmter Titel; Länge der Angebotsdauer bei neuen, zunächst schwer verkäuflichen Titeln u. a. Die Verhaltensalternativen sind nicht abschließend aufgezählt, jedoch zeigt sich, daß der Bahnhofsbuchhandel verschiedene Möglichkeiten hat, auf Einflußnahmen des Verlages entsprechend der Wettbewerbsparameter zu reagieren. Die dargestellten Koordinaten für ein Wettbewerbssystem sind danach erfüllt. Hiervon unabhängig ist die Frage, ob die Verlage diese Wettbewerbsmöglichkeiten auch nutzen. Die bereits beschriebenen Leistungserwartungen der Zeitschriften-Verlage im VDZ sprechen eher dagegen. In diesen Leistungserwartungen werden die Aufnahme neuer Objekte, die Angebotsdauer hierfür, die Mengendisposition und die Sonderleistungen, wie Statistik und Datenübermittlung, für alle Bahnhofsbuchhandlungen einheitlich beschrieben. Dies könnte zu der Vermutung führen, daß durch die dargestellte Verhaltenskoordination der Verlage ein Wettbewerb zwischen ihnen um die Leistung des Bahnhofsbuchhandels nicht stattfindet. Durch gleichgelagerte "Erwartungen" würde die Abhängigkeit vom Marktverhalten der anderen Verlage entfallen und damit ein· Wettbewerbsverhältnis nicht bestehen. Diese Konsequenz zu ziehen, erscheint mir aber voreilig. Zunächst sind nicht alle im Bahnhofsbuchhandel vertretenen Verlage im VDZ zusammengeschlossen, außerdem wurden die "Leistungserwartungen" vornehmlich von den Großverlagen aufgestellt~ Die Einflußnahme auf die Formulierung durch Verlage, die dem VDZ nicht angeschlossen sind und durch kleinere Verlage, kann als gering angesehen werden. Die Leistungserwartungen werden 3 s. a. o. V., "Wie der Bahnhofsbuchhandel seine Zukunft gestaltet", Interview, in: Buchreport Nr. 17 v. 20.4.1979, S. 46, 47.

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D. Die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

daher noch hinsichtlich ihrer wettbewerbsbeschränkender Wirkung zu überprüfen sein. Für die hier vorzunehmende grobe Feststellung der Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt reicht das Ergebnis aus, daß ein Wettbewerb zwischen den Verlagen um die Leistungen des Bahnhofsbuchhandels besteht. c) Sonstige Absatzmlttler

Zwischen den Verlagen ist ebenfalls ein Wettbewerb feststellbar mit dem Ziel, daß ihre Objekte in die Mappen des Lesezirkels aufgenommen werden. Wegen des begrenzten Umfangs des Mappeninhalts ist dieser Wettbewerb, gerade auf dem Sektor der wöchentlich erscheinenden Frauenzeitschriften, intensiv. Zumeist enthalten die Mappen nur eine Zeitschrift dieser Gruppe, so daß die Verlage darauf angewiesen sind, durch Konditionen und sonstige Leistungen den Lesezirkel zu bewegen, bestimmte Objekte in die Mappen aufzunehmen. Gerade wegen der Steigerung der Verbreitung eines Objektes durch die Lesezirkel-Auflage und die dadurch erhöhte Werbewirksamkeit ist die Aufnahme eines Objektes im Lesezirkel für die Rendite des betreffenden Verlages insbesondere dann von erheblicher Bedeutung, wenn die Einzelverkaufsauflage im Verhältnis zu Konkurrenzobjekten niedrig ist. Hingegen ist ein Wettbewerbsverhältnis der Verlage um den werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel in diesem Umfang nicht feststellbar. Der WBZ steht teilweise in Konkurrenz zu den verlagseigenen Abonnements4 • Zwischen den Verlagen aber ist ein Wettbewerb um den WBZ nur selten feststellbar. Die Verlage geben zumeist selbst den Anstoß zur Abonnentenwerbung 5 • Die geworbenen Abonnenten, sei es durch den Verlag, den WBZ oder freie Werbergruppen, werden dann von dem Verlag oder WBZ aufgrund von Vereinbarungen oder Verkäufen verwaltet'. Wettbewerb der Verlage findet also nur hinsichtlich der Endverbraucher, der Abonnenten, statt. Wettbewerb um den WBZ käme nur für den Fall in Betracht, daß der Verlag kein verlagseigenes Abonnement betreiben kann. Er wäre dann allein auf den WBZ angewiesen und könnte um dessen Leistung im Wettbewerb mit anderen Verlagen stehen. Aber auch dieser Modellfall führt nicht dazu, ein Wettbewerbsverhältnis zu bejahen, weil der WBZ nach Abschluß eines Abonnements nur dessen Verwaltung und den Versand der Zeitschriften übernimmt. Die Kunden- und Objektpflege des WBZ wirkt sich zwar bei den Abonnenten aus, nicht aber gegenüber den Dreppenstedt, S. 266. Jäger, Ludwig: "Strukturwandel des WBZ - Sparte Zeitschriften", in: DNV, Heft 5,1978, S. 26, 27. • s. a. Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 176. 4

5

11. Die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

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Verlagen. Es ist kein Fall denkbar, in dem der WBZ für einen Verlag auf Kosten des anderen mehr tun könnte, wenn einmal das Abonnement abgeschlossen ist. 3. Wettbewerb im Bereich der Absatzmittler a) National Distributoren

Ein ausgeprägter Wettbewerb findet zwischen den National Distributoren statt. Dieser Wettbewerb um die Verlage, d. h. die übertragung von Vertriebsrechten des Verlags auf den ND, wird durch die Verwendungsbindungen nicht berührt. Sowohl mit den Leistungen im Vertriebsbereich, den Entgeltsforderungen, als auch der Objektbetreuung wirbt der ND in Konkurrenz zu anderen bei den Verlagen um das Vertriebsrecht. Die Abhängigkeit der ND's von ihren Muttergesellschaften beeinträchtigt diesen Wettbewerb nur teilweise. Zwar wird jeweils die als selbständige oder unselbständige Tochter auftretende ND-Firma mit dem Vertrieb mehrerer Objekte der Muttergesellschaft betraut, ein Wettbewerb der anderen ND's um diese Vertriebsrechte tritt also nicht ein, aber die zahllosen freien Objekte und insbesondere die kleineren Verlage mit einem oder wenigen Objekten können sich eines ND's ihrer Wahl bedienen. Die Austauschbarkeit der Leistungen der ND's ist gegeben, da alle diese Firmen grundsätzlich gleiche Funktionen erfüllen. Die Abhängigkeit vom Marktverhalten der anderen liegt vor, da jeder ND durch die Geschäftsabschlüsse der anderen in seinem Erfolg beeinflußt wird. Die Verhaltensalternativen der Verlage bestehen darin, entweder mit dem einen oder dem anderen ND abzuschließen. Die Möglichkeiten der Einflußnahme auf dieses Verhalten der Verlage liegen darin, die Festsetzung des Entgeltes zu variieren, unterschiedliche Leistungen bei der Objekt- und Kundenbetreuung anzubieten u. a. Ein noch besonders darzustellender Wettbewerbsparameter ist die Zusage des ND an den Verlag, eine bestimmte Menge des Titels in die Vertriebswege Grosso und Bahnhofsbuchhandel zu bringen. Diese Zusage erfolgt zumeist hinsichtlich der Startauflage bei neuen Objekten. Der ND tritt dann den anderen Absatzmittlern in der Rolle des Verlages gegenüber und beansprucht für sich das Recht, die Menge zu disponieren. Dies führt teilweise zur überlastung der Kapazitäten der anderen Absatzmittler und bewirkt, daß nicht über den ND ausliefernde kleine Verlage, die sich direkt an Groß- und Bahnhofsbuchhandel wenden, dort keine Kapizität und keinen Platz für ihre Objekte mehr vorfinden. Sie müssen dann ggfs. abgewiesen werden. Zur Stärkung ihrer Marktchancen sind die kleineren Verlage dann teilweise darauf

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D. Die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

angewiesen, ebenfalls über einen ND den Absatzmittlern gegenüberzutreten. b) Grosso-Untemebmen Zwischen den 'Grosso-Unternehmen besteht ein Wettbewerbsverhältnis bei dem Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften nicht!. Durch die Gebietsabgrenzung und die Vertriebsbeschränkung, gelieferte Objekte nur innerhalb dieses Gebiets zu vertreiben, wird der Wettbewerb der Grossisten untereinander völlig ausgeschlossen. Soweit in einem Gebiet zwei Grossisten mit Objekttrennung tätig sind, findet ein Wettbewerb nur insoweit statt, als ein Grossist auf Kosten des anderen mit dem Vertrieb für ein bestimmtes Objekt betraut werden will. In diesen Gebieten findet ein Objektaustausch aber nur selten statt. Um bestehende Vertriebsrechte besteht daher kein Wettbewerb. Kaiser2 leitet daraus die Feststellung ab, daß es in der Bundesrepublik Wettbewerbsgrossisten nicht gebe. Diese Feststellung ist zutreffend, da in Gebieten mit zwei Grossisten3 zumeist einer verlagsabhängig oder verlagsgebunden ist. Er vertreibt dann vornehmlich die Objekte des betreffenden Verlages' oder der an der jeweiligen Grosso-Firma beteiligten Verlage. Fälle, in denen in einem der fünf relevanten Gebiete ein Grossist durch Wettbewerbsverhalten dem anderen die Vertriebsrechte für ein bestimmtes Objekt abgeworben hätte, sind in den letzten Jahren nicht bekanntgeworden oder nachweisbar. c) Wettbewerb zwischen anderen typgleichen Absatzmittlem

Zwischen den Bahnhofsbuchhändlern besteht kein Wettbewerbsverhältnis, da sie räumlich getrennt tätig sind und auf einem Bahnhof überwiegend nur ein Bahnhofsbuchhändler tätig werden kann. Ausnahmen von dem mit der DB vereinbarten Ausschließlichkeitsrecht bestehen nur in geringem Umfang, so z. B. auf dem Hauptbahnhof Essen, auf dem zwei Bahnhofsbuchhändler selbständige Firmen betreiben. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahme der Deutschen Bundesbahn von § 1 Ziff. 1 ihrer Besonderen Vertragsbedingungen für Bahnhofsbuchhandlungen, die dem Pächter das alleinige Recht geben, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, andere Druckschriften und sonstige Gegenstände des Buchhandels im Bahnhof zu verkaufen. Soweit ersicht1 Anders teilweise im Taschenbuchvertrieb, der nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. Die Vereinbarungen von Gebietsgrenzen erfolgen im Taschenbuch-Vertriebsbereich überwiegend nicht. 2 Kaiser, S. 133. 3 Berlin, Hamburg, Saarbrücken, Dortmund und Darmstadt. 4 So vertreibt z. B. in Darmstadt die Firma Buch- und Zeitschriften-Großvertrieb Heinrich Brümmer KG vornehmlich die Objekte des Heinrich Bauer Verlages.

11. Die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

95

lich, sind die. Ausnahmen von dem alleinigen Vertriebsrecht des Bahnhofsbuchhändlers auf "seinem" Bahnhof zur Zeit selten. Eine bei der Deutschen Bundesbahn zu beobachtende Tendenz, mehrere Bahnhofsbuchhändler auf einem Bahnhof zuzulassen, würde die Struktur der Branche auf Dauer verändern und ggf. die Existenz der selbständigen Betriebe gefährden. Wettbewerbsverhältnisse existieren aber jeweils zwischen den Firmen des Lesezirkels und des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels. Dies ergibt sich schon daraus, daß Gebietsabgrenzungen nicht vereinbart werden. Die Einzelhändler in räumlicher Nähe stehen ebenfalls untereinander und ggf. mit den Bahnhofsbuchhändlern in Wettbewerb. Wettbewerbsparameter sind hierbei wegen der Preisbindung vornehmlich der Kundenservice, die Sortimentsstruktur, die sonstigen Leistungen im übrigen Sortiment und die Ausstattung und Führung des Geschäfts. d) Wettbewerb zwischen typungleichen Absatzmlttlem

Ob ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den typungleichen Absatzmittlern besteht, ist danach zu beurteilen, ob für die Abnehmer, die Kunden, eine Austauschbarkeit der Leistungen der Absatzmittler besteht. Festgestellt wurde dies schon für das Verhältnis Bahnhofsbuchhandel und Einzelhandel. Hieraus folgt, daß trotz der verschiedenen Absatzmittler-Stufe auch ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem Bahnhofsbuchhandel und dem Presse-Grosso bestehen kann. Der Teil der Nachfrage, die im Bahnhofsbuchhandel wirksam wird, fällt für den Grosso-Bereich im Einzelhandel aus. Das Wettbewerbsverhältnis zwischen Bahnhofsbuchhandel und Grosso ist deswegen schwierig darzustellen, weil der Abnehmerkreis ein anderer ist. Der Bahnhofsbuchhandel veräußert an den Endabnehmer, das Presse-Grosso an den Einzelhandel. Die Tätigkeit und Verhaltensweise des Grossisten wird bei dem Absatz an den Endverbraucher also nur mittelbar über den Einzelhandel· wirksam. Da es sich um unterschiedliche Vertriebswege handelt, könnte aus der Sicht des Letztabnehmers die Austauschbarkeit5 der Leistungen des Bahnhofsbuchhandels und des PresseGrossos und daher hier ein Wettbewerbsverhältnis fehlen. Das Ziel der Vertriebs- und Verwendungsbindungen, Wettbewerbsverhältnisse auszuschließen', könnte dadurch erreicht sein. Es bliebe dann nur noch der Wettbewerb um den allgemeinen Anteil am Sozialprodukt7, dieser 5

s. a. Barnickel: "Der relevante Markt", WuW 1961, S. 246, 254.

7

s. dazu SaUer, Arno: "Der Stufenwettbewerb", in: MA 1967, S. 342, 343.

e Ebenroth, S. 16, 17.

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D. Die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

jedoch ist nach den dargestellten Koordinaten kein Wettbewerbsverhältnis in dem hier verstandenen Sinn. Kaiser stellt hingegen fest, daß die verschiedenen Vertriebswege, der Einzelverkauf über Presse-Grosso und Einzelhandel, daneben der Bahnhofsbuchhandel und schließlich die übrigen Absatzformen - vor allem der Abonnementsvertrieb - in ständigem und intensivem Wettbewerb miteinander stünden8 • Auch das Presse-Grosso9 stellt einen immer härter werdenden Wettbewerb zwischen konkurrierenden Vertriebswegen fest und verweist hierfür vor allem auf die Aktivitäten einiger Verlage im Abonnement-Geschäft und die Unterschiede im Abonnement- und höheren Einzelverkaufspreis. Die These, daß die Absatzwege miteinander konkurrieren und daher im Wettbewerb stehen, ist hinsichtlich der einzelnen Absatzmittler zu überprüfen. Für den Letztverbraucher besteht eine Austauschbarkeit hinsichtlich des Kaufs im Bahnhofsbuchhandel oder im übrigen Einzelhandel. Ebenfalls ist der Erwerb von Presseobjekten im direkt belieferten Einzelhandel für den Käufer ohne Konsequenzen, d. h. nicht mit der übernahme sonstiger Verpflichtungen verbunden. Der Erwerb im Abonnement verpflichtet hingegen zum längerfristigen Bezug. Bei dem l!..esezirkel wird dem Käufer nur der Gebrauch der Presseobjekte für eine bestimmte Zeit eingeräumt. Die den einzelnen Absatzmittlern auferlegten Vertriebsbindungen verhindern Querlieferungen und Lieferungen ohne die funktionsbezogenen Bindungen des Abnehmers. Verlagseigenes Abonnement, WBZ und Lesezirkel treten daher insoweit nicht in Wettbewerb zum Einzelhandel, da die Leistungen andersartig und nicht austauschbar sind. Die Absatzwege über Bahnhofsbuchhandel und Grosso-Einzelhandel stehen hingegen in direktem Wettbewerb um den Letztverbraucher . Zwischen den übrigen Absatzwegen besteht aber trotz des Wettbewerbsausschlusses durch Funktionsverschiedenheit ein Wettbewerb dahingehend, welcher Teil der Auflage oder der Auflagenzuwächse eines Objektes über den jeweiligen Vertriebskanal abgesetzt wird. Zwischen Einzelverkauf und Abonnement findet hier auch ein Preiswettbewerb statt, da die Abonnementpreise und Einzelverkaufspreise unterschiedlich sind. DieWettbewerbsparameter des Lesezirkels liegen im Kundenservice und Mappeninhalt. Das Verlagsabonnement und auch der WBZ werben außerdem mit Zusatzleistungen, Vermittlungsprämien u. a. Ziel dieser Maßnahmen ist es, für den einzelnen Absatzweg 8 8

Kaiser, S. 23. o. V., "Keine Angst vor neuen Medien", in: FAZ v. 27.9. 1979, S. 11.

11. Die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt

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und Absatzmittler einen möglichst großen Teil der Auflage, also Leserkapazität, für sich zu erhalten oder zu erwerben. Zwischen den Absatzmittlern besteht aber auch eine Abhängigkeit von dem Marktverhalten der typverschiedenen Absatzmittler. Jede Leistungssteigerung oder besondere Initiative in einem regionalen Markt, die ein AbsatzmittlerTyp vornimmt, führt zu Nachfrageausfällen bei den anderen Absatzmittlern. Jedes geworbene Abonnement z. B. führt zum Verlust des Abonnenten als Nachfrager bei den anderen Absatzmittlern für die Dauer des Abonnements. Die Feststellung, daß zwischen den Absatzwegen Wettbewerbsverhältnisse bestehen, ist daher teilweise zutreffend.

7 Roggen

E. Die Anwendung des § 1 G WB auf die Vereinbarung der Vertriebs- und Verwendungsbindung I. Grundlagen § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB erklärt Verträge, die Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen zu einem gemeinsamen Zweck schließen und Beschlüsse von Vereinigungen von Unternehmen für unwirksam, soweit sie geeignet sind, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen. Die Bestimmung betrifft vornehmlich die horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen1 • Sie erklärt also solche Verträge und Beschlüsse für unwirksam, die zwischen gleichstufigen Herstellern oder Absatzmittlern im Verhältnis zu den Mitbewerbern die Freiheit des Wettbewerbs beeinträchtigen können2 • Die Verhinderung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen ist Ziel des GWB insgesamt, § 1 GWB betrifft speziell die vertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen3 • Die Auswirkungen einer nach § 1 GWB unwirksamen Vereinbarung können sowohl direkt auf der benachbarten Marktstufe auftreten als auch erst bei der nächstfolgenden4 • Es kann danach z. B. bei einer Vereinbarung zwischen Verlagen, die über das Grosso an den Einzelhandel liefern, dann eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 1 GWB eintreten, wenn diese erst auf der Handelsstufe Einzelhandel relevant wird.

Es sind demnach alle Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern gleicher Handelsstufen oder deren Verbänden an § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB zu messen, unabhängig davon, ob sie sich direkt auf die nächstgelegene Handelsstufe auswirken. Die dargestellten Wettbewerbsverhältnisse5 sind durch Verträge im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB beschränkbar. Alle Marktbeteiligten im Presseabsatzsystem sind Unternehmen im Sinne des § 1 GWB. Die Betriebe des Presse-Grosso sind trotz der dargestellten Abhängigkeit und Weisungs gebundenheit von den Verlagen Unternehmen gern. § 1 GWB, da eine eventuelle Weisungsgebundenheit 1 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 1, Rdnr. 19; zu vertikalen Verträgen s. Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 39, 40. I s. a. Löffler / Ricker, S. 373. a Weitergehend Sch.midt, K.: "Kartellverfahrensrecht" , S. 11 ff. , Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 95. 5 s.o.: Kap. D.

I. Grundlagen

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für den Unternehmensbegriff des § 1 GWB ohne Bedeutung ist8 , wenn das Unternehmen selbständig im geschäftlichen Verkehr tätig ist7. Die Verträge zwischen dem einzelnen Verlag und dem jeweiligen Absatzmittler unterfallen nicht § 1 GWB, da die Vertragspartner wirtschaftlich auf verschiedenen Stufen stehen8 • So sind die Presse-Großhändler und Bahnhofsbuchhändler jedenfalls dann nicht Konkurrenten der Verlage, wenn diese nicht in erheblichem Umfang den Einzelhandel direkt beliefern. § 1 GWB ist also grundsätzlich nur anwendbar, wenn die Verlage sich untereinander verpflichten, gleichlautende Verträge mit den Absatzmittlern abzuschließen und in dieser Vereinbarung der Verlage Wettbewerbsbeschränkungen enthalten sind. Ebenfalls können Verträge der Absatzmittler untereinander und zwischen deren Verbänden Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, wobei es hier nicht darauf ankommt, auf welcher Handelsstufe die Verbände stehenD. Bei der grundsätzlichen Möglichkeit, alle aufgezeigten Wettbewerbsverhältnisse entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB zu beschränken, sind im Presseabsatzmarkt vornehmlich zwei Fallgruppen von Vereinbarungen kartellrechtlich bedeutsam. Zum einen geht es um die Gebietsabgrenzungen innerhalb des Grosso-Bereichs. Diese können entweder zwischen den Grosso-Unternehmen vereinbart werden lO oder aber sie können durch eine Vereinbarung der Verlage untereinander festgesetzt werden. Dies sollen zunächst nur theoretisch denkbare Verfahren sein, ohne die Behauptung aufstellen zu wollen, es wären in dieser Weise Vereinbarungen getroffen worden. Kundenschutz- und Gebietskartelle mit dem wechselseitigen Verzicht auf Abwerbung von Kunden und jede Auf teilung der potentiellen Abnehmerschaft nach irgendwelchen Gesichtspunkten wirken per se wettbewerbsbeschränkend l l . Diesem Gesichtspunkt hat der BGH in seinem Urteil vom 10. Oktober 197812 mit der Ausführung Rechnung getragen, das Berufungsgericht 13 habe festgestellt, die Einführung des Systems des alleini• Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 1, Rdnr. 6; WuWu/E BGH 1061, 1062 "Zeitungsgroßhandel 11", Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 5. 7 Immenga in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 44 f. 8 Entsprechend Ebenroth, S. 63. , Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 39. 10 Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 1977, BT-Drucksache 8/1925, S. 76: Bußgeldbescheid gegen 17 Presse-Großhändler und 13 geschäftsführende Gesellschafter; Verfahren wurde vom Kammergericht am 9. März 1979 eingestellt, Bechtold, Rainer: "Bußgeldverfahren gegen 17 Presse-Grossisten eingestellt", in: DNV, Heft 4, 1979, S. 3, 77. 11 Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, Vorbem. zu § I, Rdnr. 10. t! WuW /E BGH 1527 "Zeitschriften-Grossisten". 13 OLG Karlsruhe v. 25.5.1977, in: WRP 1977, S. 656 = DB 1977, S. 1112 mit Anmerkung Bechtold.

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E. Die Anwendung des § 1 GWB

gen Gebiets-Grossisten beruhe auf einer Gebietsabgrenzung der jeweils beteiligten Grossisten unter Mitwirkung der Großverlage14, hierin könne eine kartell rechtswidrige Absprache gern. § 1 GWB liegen15 • Diese würde dann ausschließen, daß die Einführung des Systems alleiniger Gebiets-Grossisten und die Gebietsaufteilung als eine natürliche wirtschaftliche Entwicklung und eine übliche, von den beteiligten Wirtschaftskreisen gebilligte Vertriebsregelung angesehen werden kann. Gebietsabsprachen unter Presse-Grossisten und benachbarten Zeitungsverlagen hält auch Löffler16 für die typischen Absprachen im Pressebereich, die unter die Unwirksamkeitsklausel des § 1 GWB fallen. Die zweite, im Presseabsatzmarkt problematische Fallgruppe bilden die Vereinbarungen zwischen Verlagen und Verbänden über einheitliche Verträge zwischen den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen. Es geht hierbei darum inwieweit die Verlage darüber Vereinbarungen treffen dürfen, welche Geschäftsbedingungen und Leistungsanforderungen sie übereinstimmend den Absatzmittlern auferlegen. Hierbei sind insbesondere die Verbände der Verlage und der AbsatzmittlerGruppen an Verhandlungen und Vereinbarungen beteiligt. Ob solche Verträge nach § 2 GWB legalisierbar sind17 , soll hier außer Betracht bleiben. Ziel dieser Untersuchung ist, die von § 1 GWB solchen Vereinbarungen gesetzten Grenzen aufzuzeigen.

11. Vereinharungen von Gehietsgrenzen zwischen den Grossisten Mit Bußgeldbescheid vom 21. Juni 1977 1 hat das Bundeskartellamt wegen Verstoßes gegen § 1 GWB - Gebietsabsprache - 17 süddeutschen Presse-Grossisten und 14 geschäftsführenden Gesellschaften ein Bußgeld in Höhe von insgesamt DM 853 000,- auferlegt. Obwohl das Kammergericht am 9.3.1979 das Verfahren eingestellt hat2 und das Bundeskartellamt erklärt haben soll, gegen die Einhaltung der inzwischen zur Realität gewordenen Gebietsgrenzen nicht erneut einschreiten zu wollen3 , bleibt dennoch die Frage offen, inwieweit eine Vereinbarung zwischen Grossisten über eine Gebietsaufteilung oder NeueinteiWuW /E BGH 1527, 1528 "Zeitschriften-Grossisten". WuW/E BGH 1527, 1529 "Zeitschriften-Grossisten". 11 Löffler / Ricker, S. 374. 17 s. Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 1972, BT-Drucksache 7/986, S.83. 1 Az. B 4-745200-A-195/75. ! Bechtold: "Bußgeldverfahren ...", DNV, Heft 4, 1979, S. 3; Wenzel: "Rechtsprobleme des Presse-Grosso", AfP 1979, S. 380, 381. 8 Wenzel, S. 381, unter Berufung auf einen unveröffentlichten Bericht Bechtolds. 14 15

11. Vereinbarungen von Gebietsgrenzen zwischen Grossisten

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lung nach § 1 GWB wirksam oder unwirksam ist. Zwar wurde bereits aufgezeigt, daß die Presseobjekte insbesondere von den größeren Verlagen mit der schriftlichen oder schlüssig erteilten Vertriebsbindung geliefert werden, daß der Grossist sie nur in seinem Gebiet vertreibe, damit ist die Frage nach einer zulässigen Neuaufteilung von Gebieten und Grenzänderungen jedoch noch nicht beantwortet. Soweit die Verlage die Belieferung mit Objekten mit der Auflage verbinden, nunmehr andere Grenzen einzuhalten, ist dies wohl zulässig. Die Verlage haben das Recht, den Vertrieb und Vertriebsweg ihrer Ware selbst zu bestimmen4 • Dieses Recht eines jeden Herstellers ist unstreitig. Unzulässig sind jedoch Vereinbarungen der Verlage untereinander und mit den Absatzmittlern, die das Recht der Verlage zur Belieferung gewisser Abnehmer-Kategorien ausschließen, insbesondere darf nicht auf die Freiheit, den Absatzweg selbst zu bestimmen, verzichtet werdens. Ob die Grosso-Betriebe untereinander wirksame Vereinbarungen über die Grenzen ihrer Vertriebsgebiete treffen können, ohne gegen § 1 GWB zu verstoßen, entscheidet sich danach, ob eine solche Vereinbarung geeignet ist, die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen. Die Problematik der rechtlichen Würdigung liegt darin, daß im derzeitigen Presseabsatzmarkt ein Wettbewerb zwischen Grossisten nicht stattfindet. Diese sind keine Konkurrenten, da z. Zt. überwiegend Gebietsaufteilung besteht und - wenn nicht zumindest Objekttrennung vorliegt. Eine Gebietsvereinbarung der Grossisten untereinander ist grundsätzlich eine Wettbewerbsbeschränkung, durch welche mindestens einer der Beteiligten auf die Entscheidungsfreiheit darüber verzichtet, mit wem und in welchen Gebieten er Geschäfte abschließen will 8 • Fraglich ist aber, ob der Grossist diese Entscheidungsfreiheit aufgrund seiner vertraglichen Bindung an die Verlage überhaupt hat und ob auch eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkend im Sinne des § 1 GWB sein kann, wenn tatsächlich in dem entsprechenden Markt kein Wettbewerb stattfindet. Eine Entscheidungsfreiheit der Grossisten, in welchen Gebieten sie die Presseobjekte vertreiben, besteht praktisch derzeit nicht. Dies ergibt sich daraus, daß aufgrund der dargestellten Struktureigenheiten 4 Kaiser, S. 88; Wenzel, S. 381; BGHZ 38, 90, 102; WuW /E BGH 1527, 1530 "Zeitschriften-Grossisten"; BGH NJW 1972, S. 483, 485; WuW/E BGH 1429, 1432 "Asbach-Fachgroßhändlervertrag" . 5 Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 85. e Entsprechend Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 82; Immenga, in: Immenga / Mestrnäcker, § 1, Rdnr. 285; WUW/E BGH 1353 "Schnittblumentransport" ; WuW/E BGH 1293 "Platzschutz" ; WuW /E BGH 1587 "Erbauseinandersetzung".

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E. Die Anwendung des § 1 GWB

des Pressevertriebsmarktes (z. B. Remissionsrecht, Bezugsregulierungsverfahren u. a.) die Belieferung gebietsfremder Verkaufsstellen und Abnehmer weder ökonomisch sinnvoll noch tatsächlich durchführbar ist, wenn nicht die marktführenden Verlage die Bindungen insoweit aufgeben. Entscheidungsfreiheit entsteht nur für den Fall, daß ein Gebiets-Grossist ausfällt, also ein freies Gebiet entsteht. Diesen Fall konnten die Grossisten und ihr Verband bisher vermeiden. Der von Kaiser7 angeführte Fall Lübeck, in dem ein Grosso-Betrieb in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, wurde nicht allein durch Veräußerung an "unternehmensfremde, junge Unternehmer", sondern insbesondere dadurch bereinigt, daß zunächst der Geschäftsführer des Verbandes die Leitung des Unternehmens ausübte und dann der Betrieb an zwei unternehmensfremde, nicht aber gros so-fremde Personen übertragen wurde 8 • Dieser Fall und auch andere Fälle der Beteiligung von Grosso-Unternehmen untereinander zeigen, daß eine Entscheidungsfreiheit bestehender Grosso-Firmen, ihre Gebietsgrenzen zu erweitern, praktisch nur selten auftreten kann. Eine Vereinbarung über Grenzänderungen unterfällt dann § 1 GWB, wenn auch ein tatsächlich nicht bestehender Wettbewerb durch Vereinbarungen beschränkbar ist. Müller-Henneberg9 ist der Ansicht, die Vereinbarung müsse effektiv und unmittelbar den Wettbewerb beschränken. Es reiche nicht aus, daß sie nur geeignet sei, eine Wettbewerbsbeschränkung herbeizuführen. Diese Ansicht könnte dafür herangezogen werden, daß nur bei bestehendem Wettbewerb eine Vereinbarung an § 1 GWB zu messen sei. Auch Langen lO sieht keine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des § 1 GWB, wenn ein Beteiligter sich nur verpflichtet, zu unterlassen, was er ohnehin nicht tun könne l l . Eine Vereinbarung zwischen Grossisten ist also dann nicht wettbewerbsbeschränkend, wenn sich der eine gegenüber dem anderen verpflichtet, nicht in dessen Gebiet zu liefern, wenn ihm dies von seinem Lieferanten schon untersagt ist. Aber für das zukünftige Verhalten und für Gebietstausch-Vereinbarungen lassen sich diese Ergebnisse m. E. nicht übertragen. So wird das bisherige Verhalten von Vertragsparteien dann für bedeutungslos gehalten, wenn sie nur wenigstens in die Lage kommen können, sich anders als vertraglich geregelt zu verhalten12 • Unter der Voraussetzung, Kaiser, S. 150, Fn. 69. Kaiser, zutreffend auf S. 136. e Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 100. 10 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 1, Rdnr. 39. 11 So auch KG WUW/E OLG 1377; 1380,1381 "Starkstromkabel". 11 Ähnlich BKartA WuW /E BKartA 846, 848 "Hydromechanik".

1

8

111. Vereinbarungen,über Leistungen und Anforderungen

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daß ein Verlag oder mehrere nicht auf der Einhaltung der Gebietsgrenzen durch den Grossisten bestehen und dann Vereinbarungen zwischen den Grosso-Unternehmen getroffen werden mit dem Ziel, die Gebietsgrenzen zu erhalten oder neu .festzulegen, so liegt eine gegen § 1 GWB verstoßende Wettbewerbsbeschränkung vor. Die Möglichkeit, gegenseitig in Wettbewerb zu treten, kann ebenfalls durch Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Die Frage der Geeignetheit von Verträgen, Marktverhältnisse zu beeinflussen, ist objektiv zu entscheiden. Die Marktbeeinflussung braucht nicht tatsächlich einzutreten13 • D. h., daß auch zukünftig möglicher Wettbewerb beschränkt werden kann14 • Es sind also Gebietsvereinbarungen zwischen Grossisten nicht danach zu beurteilen, ob sofort eine Änderung der Marktverhältnisse eintritt, sondern danach, ob ein an sich möglicher Wettbewerb ausgeschlossen wird. Eine solche Möglichkeit besteht derzeit nicht und kann nur für den Fall auftreten, daß ein Vertriebsgebiet frei wird und die Verlage nicht mit der gebietsmäßigen Vertriebsbeschränkung ihre Objekte an das Presse-Grosso liefern. Die bestehenden Strukturen und deren Ursache, ob allein durch die Verlage festgelegt oder auch durch Vereinbarung der Grossisten untereinander, werden daher folgerichtig vom Bundeskartellamt nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des § 1 GWB aufgegriffen. Jedoch werden Gebietsänderungen durch die Grossisten, die nicht von den liefernden Verlagen bestimmt werden, als unzulässig nach § 1 GWB zu beurteilen sein. Halten die Verlage nicht an der als Vertriebsbindung auferlegten Gebietsabgrenzung fest, so wird durch die Vereinbarung zweier benachbarter Grossisten, nicht in das jeweils andere Gebiet zu beliefern, ein möglicher Wettbewerb beschränkt15 •

111. Vereinbarungen und "Erwartungen" über Leistungen und Anforderungen an die Absatzmittler ' Die dargestellte Struktur des Presseabsatzmarktes ist gefestigt, und es sind gegenwärtig auf keiner Seite Interessen an einer grundsätzlichen Änderung des Systems feststellbar 1 • Dennoch sind die Beziehungen zwischen den Verlagen und den Absatzmittlern einem ständigen Wandel und Fortschritt hinsichtlich der Funktionserfüllung und LeiMüller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar. § 1, Rdnr. 101. Immenga in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 198 ff.; WuW/E BGH 363 "Glasglühkörper"; WUW/E BGH 1460 "Fertigbeton". 15 Teilweise anderer Ansicht: Bechtold, Rainer: "Rechtsprobleme des PresseGrosso" • unveröffentlichtes Gutachten, S. 7 ff., der Teilgebietsabtretungen und Gebietsaustausch-Vereinbarungen nach den Vorschriften der Fusionskontrolle und nicht nach § 1 GWB beurteilen will; s. a. Bechtold, Rainer: "Die Anwendbarkeit des § 1 GWB auf Zusammenschlüsse des § 23 Abs. 2 Nr. 1 - 4 GWB (mit Ausnahme der Gemeinschaftsunternehmen)", in: WuW 1977, 5.460 ff. 1 Wenzel, AfP 1979, S. 380, 389. 18

l'

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E. Die Anwendung des § 1 GWB

stungserwartung unterworfen. Insbesondere der Verband VDZ ist bestrebt, durch Vereinbarungen oder Anforderungskataloge das Leistungsbild der Absatzmittler zu verbessern. Hierbei ist nicht zu verkennen, daß insbesondere die Großverlage aus Gründen der Remissionsminimierung die Entwicklung vorantreiben. Die zweite für § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB relevante Fallgruppe ergibt sich aus diesen angestrebten oder abgeschlossenen Vereinbarungen. Auch Vereinbarungen zwischen den Verbänden der im Presseabsatzmarkt Beteiligten können § 1 GWB unterfallen, da die Verbände ebenfalls Normadressaten des § 1 GWB sind. Die Bezeichnung "Vereinigung von Unternehmen" umfaßt nicht nur die Vereinigungen, die selbst Unternehmen sind, sondern auch Verbände, die, ohne sich selbst unternehmerisch zu betätigen, die Interessen ihrer Mitglieder fördern 2 • Alle Verbände innerhalb des Presseabsatzmarktes sind gemäß ihren Satzungen solche Vereinigungen. Unabhängig davon, ob Verträge zwischen den Verbänden der Verlage und den Verbänden der Absatzmittler für die jeweils einzelnen Mitglieder verpflichtend sind, oder ob es sich um Empfehlungen handelt, stellt sich somit die Frage, ob die Verbände wirksame Vereinbarungen darüber treffen können, welche Leistungen die Absatzmittler zu erbringen haben. Der Tätigkeitsbericht 1972 des Bundeskartellamtes3 schildert den Fall, daß die Interessenverbände der Grossisten und Verleger aufgrund von Verhandlungen einen "Grosso-Rahmenvertrag" ausgearbeitet haben, der als Vertragsmuster für den Abschluß von Einzelverträgen zwischen Verlegern und Grosso-Unternehmen dienen sollte. Diese Verhandlungen standen im Zusammenhang mit der Tatsache, daß Großverlage durch Beteiligungen an Grosso-Unternehmen in die Vertriebsstufe des Zeitungs- und Zeitschriftenmarktes vordrangen. Hieraus ergab sich das Bestreben des verlagsunabhängigen Großhandels, die Geschäftsbeziehungen mit den Verlagen durch Verträge zu regeln, die den Großhändlern mehr Sicherheit boten. In dem "Rahmenvertrag" wurden bestimmte Kündigungsfristen festgelegt, außerdem eine befristete Garantie der Handelsspanne. Das Bundeskartellamt stellte fest 4 , daß durch diesen "Rahmenvertrag" wettbewerbserhebliche Vertragsbedingungen für den Inhalt der zwischen den Verbandsmitgliedern beider Marktseiten abzuschließenden Einzelverträge auf Verbandsebene und daher zu einem gemeinsamen Zweck einheitlich festgelegt wurden. Das Vorhaben wurde daher von den Verbänden aufgegeben. ! Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 25; Immenga in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 102 ff. aBT-Drucksache 7/986, S. 83. 4 Tätigkeitsbericht 1972, BT-Drucksache 7/986, S. 83.

III. Vereinbarungen über Leistungen und Anforderungen

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Nicht nur im Verhältnis zwischen Verlagen und Grossisten sind diese Bestrebungen nach einheitlichen Verträgen erkennbar geworden. Die Verlage, insbesondere die im VDZ zusammengeschlossenen Zeitschriftenverlage, haben ebenfalls mit dem Verband der deutschen Bahnhofsbuchhändler Gespräche über einheitliche Leistungsanforderungen geführt. Eine Vereinbarung zwischen den Verbänden wurde aufgrund einer Stellungnahme des Bundeskartellamtes, die Bedenken hinsichtlich § 1 GWB enthielt, nicht getroffen. Im Jahr 1981 hat daraufhin der VDZ einseitig einen Katalog von "Leistungserwartungen an den Bahnhofsbuchhandel" vorgelegt. Dieser Katalog enthält u. a. die Regelung, daß das Dispositionsrecht hinsichtlich Titel und Menge im wesentlichen den Verlagen zustehe. Außerdem werden Anforderungen an die technische Abwicklung für Bezugsregulierung, Remmissionsbearbeitung und Rechnungsbegleichung gestellts. Fraglich ist, inwieweit es nach § 1 GWB zulässig ist, daß Verbände Vereinbarungen über Leistungsanforderungen treffen oder ein Verband nach interner Absprache für seine Mitglieder gleichlautende Forderungen und Anforderungen an die einzelnen Absatzmittler der Marktgegenseite stellt.

1. Vereinbarungen zwischen Verbänden Vereinbarungen zwischen Verbänden verschiedener Marktstufen sind dann nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB unzulässig, wenn sie zu einem gemeinsamen Zweck geschlossen werden und sie geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken. Das Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Zweckes ist bei solchen Vereinbarungen problematisch, da die Verbände verschiedener Marktstufen von ihrer Interessenlage her grundsätzlich gegenläufige Zwecke verfolgen. Die überwiegende Meinung verlangt das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses oder doch eines gesellschaftsartigen Verhältnisses', andere Meinungen halten geringere Anforderungen für ausreichend 7 • Der gemeinsame Zweck als ein gleichsam gesellschafts ähnliches Verhältnis wird aus den Verträgen nur schwer zu ermitteln sein. Bei der Vereinbarung von LeistungsbiIdern verfolgt grundsätzlich jeder Verband eigene Zwecke, ohne sich diejenigen der Gegenseite zu eigen zu machen. Andererseits betreffen die Vereinbarungen der Verbände aber Hinze, Franz: "Eine Minute vor zwölf?", in: DNV Heft 12, 1981, S. 34 f. WUW/E BGH 359, 361 "Gasglühköper"; Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 35; OLG Stuttgart, WUWu/E OLG 699, 700; KG WuW/E OLG 1253, 1255 "Tubenhersteller 11". 7 Lukes: "Der Kartellvertrag", München, Berlin 1959, S. 117, 127; Fikentscher, Wolfgang: "Zu Begriff und Funktion des ,gemeinsamen Zweck' im Gesellschafts- und Kartellrecht" , in: Festschrift für H. Westermann, 1974, S. 87 ff.; Ballerstedt, Kurt: "Der gemeinsame Zweck als Grundbegriff des Rechts der Personengesellschaften" , in: JuS 1963, S. 253, 262. 5

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E. Die Anwendung des § 1 GWB

auch nicht nur den Austausch von Leistung und Gegenleistung. Insbesondere Müller-Henneberg8 sieht diese Feststellung eines Austauschvertrages als Abgrenzungsmöglichkeit zu den Verträgen mit gemeinsamem Zweck im Sinne des § 1 GWB. Hierdurch werden Verträge über Lieferungen und Leistungen grundsätzlich von § 1 GWB ausgenommen. Anders ist es aber bei den Vereinbarungen zwischen den Verbänden. Hierin werden Grundlagen für die später zwischen einzelnem Verlag und Absatzmittler zu schließenden Austauschverträge festgelegt. Die Verbandsvereinbarungen gehen daher über den Inhalt von Austauschverträgen hinaus. Sinn dieser Vereinbarungen ist es ihrem Wesen nach, das Verhältnis zwischen Verlag und Absatzmittler grundsätzlich zu regeln. Hierfür ist es erforderlich, daß jeder Verband sich die Zielvorstellungen des anderen zwar nicht zu eigen macht, dennoch aber einen gemeinsamen Zweck fördert'. Bei solchen Verträgen stellt Müller-Henneberg10 fest, daß im allgemeinen jede der Zweckvorstellungen - gleichgültig, auf welcher Stufe der Aufeinanderfolge - geeignet sei, Ziel eines gemeinschaftlichen Strebens und Basis eines Gesellschaftsverhältnisses zu sein. Es muß nicht jeder mit der Vereinbarung verfolgte Zweck ein gemeinschaftlicher sein, es genügt, daß ein dem Endzweck dienendes Mittel gemeinschaftlich istl l . Dies scheint mir der richtige Ansatz zu sein, das Problem, ob ein Gesellschaftsverhältnis vorliegen muß, zu lösen. Die Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes muß nicht durchgehend in der gesamten Vereinbarung enthalten sein, vielmehr reicht es aus, wenn ein Teil dieser oder einzelne Maßnahmen gemeinschaftlich einen Erfolg erstreben, den die Vertragsparteien übereinstimmend wollen. Soweit ein Gesellschaftsverhältnis verlangt wird, werden hieran geringe Anforderungen zu stellen sein. Es wird schon aus Teilen der Vereinbarung zu ermitteln sein, soweit diese mehr regeln als den reinen Leistungsaustausch. Im Ergebnis wird man daher in Vereinbarungen zwischen den Verbänden verschiedener Marktstufen einen gemeinsamen Zweck i. S. des § 1 GWB erkennen müssen. Streitig ist hingegen, ob dieser gemeinsame Zweck i. S. § 1 GWB darauf gerichtet sein muß, durch Wettbewerbsbeschränkung den Markt zu beeinflussen1!, oder ob ein beliebiger, wettbewerbsneutraler Zweck 8

Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § I, Rdnr. 35.

e Entsprechend OLG Celle, WuW /E OLG 355, 356. 10 11

Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § I, Rdnr. 36. BGH NJW 1951, 3081; Jmmenga in: Immenga / Mestmäcker, § I, Rdnr.

188 f. 11 s. Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § I, Rdnr. 36; Müller / Giessler, Kommentar zum GWB, § I, Rdnr. 62; Frankfurter Kommentar zum GWB, § I, Rdnr. 8.

III. Vereinbarungen über Leistungen und Anforderungen

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genügt1 3 • Die Rechtsprechung des BGH zu diesem Problemkreis wird von Steindorff14 dahingehend zusammen ge faßt, daß der gemeinsame Zweck des § 1 GWB bei Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Vertragspartnern zu bejahen sei, wenn die Beschränkung allen Vertragspartnern laufend Vorteile beschert (= gleichgerichtetes Interesse), sei dies auch nur mittelbar (= Beteiligung eines Partners am Gewinn des anderen), er sei hingegen zu verneinen, wo die Beschränkung (meistens nur eines Partners) im Austauschverhältnis zur Gegenleistung für die empfangene einmalige Leistung gehört15 • Außerdem ist nach der Rechtsprechung auch ein gesellschaftsähnliches Verhältnis ausreichend, was Steindorff dazu veranlaßt, eine "sowohl-als-auch"-Theorie der Rechtsprechung festzustellen 18 • Diese weite Auslegung des § 1 GWB erlaubt, alle Fälle zu erfassen, in denen Vertragspartner den aktuellen oder potentiellen Wettbewerb untereinander beschränken17 • Die Frage, ob die Wettbewerbsbeschränkung gemeinsamer Zweck sein muß, ist eng mit dem Theorienstreit zu § 1 GWB verknüpft, ob die Wettbewerbsbeschränkung Gegenstand, Zweck oder Folge des Vertrages oder der Vereinbarung sein müsse18 • Die "strenge Folgetheorie" läßt die bloße Kausalität des Vertrages zu einem gemeinsamen Zweck für die Eignung zur Marktbeeinflussung durch Wettbewerbsbeschränkungen ausreichen; die "eingeschränkte Folgetheorie" verlangt zusätzlich, daß die Wettbewerbsbeschränkung für die Beteiligten objektiv vorhersehbar sein müsse. Die "Zwecktheorie" fordert, daß die Wettbewerbsbeschränkung, wenn nicht Inhalt, so doch mindestens gemeinsamer Zweck im Sinne einer gemeinsamen Geschäfts- oder Wertungsgrundlage sein müsse. Gemäß der "Gegenstandstheorie" sind Wettbewerbsbeschränkungen nur dann beachtlich, wenn sich die Parteien vertraglich zu ihrer Herbeiführung verpflichtet haben19 • Dieser Theorienstreit kann jedoch für die zu untersuchende Frage, ob die Verbände Vereinbarungen über Grundlagen und Konditionen für 13 WUW/E BGH 359, 363; WuW/E OLG 1083, 1086 "Fahrschulverkauf"; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 1, Rdnr. 30; BGH GRUR 1962, 1955; differenzierend: Köhler, Helmut: "Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager", München 1977, S. 72. 14 Steindorff, Ernst: "Bezugsbindungen und gemeinsamer Zweck in § 1 GWB", BB 1981, S. 377, 379. 15 Steindorff, BB 1981, S. 377 beruft sich hierfür auf: BGH WuW /E 359; WuW/E BGH 1353, 1354 "Schnittblumentransport"; WuW/E BGH 1709 "Sortimentsabgrenzung"; WUW/E BGH 1458 "Fertigbeton"; WUW/E BGH 1597 "Erbauseinandersetzung" . 18 Steindorff, BB 1981, S. 379. 17 Steindorff, BB 1981, S. 380. 18 Zusammenfassend: Fikentscher: "Zu Begriff und Funktion ...", S. 87 ff. 19 Zur Abgrenzung der Theorien 9. a. Köhler, S. 141, 142.

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E. Die Anwendung des § 1 GWB

die Leistungsabwicklung zwischen Verlag und Absatzmittler wirksam treffen können, dahinstehen, wenn sich aus diesen Vereinbarungen in jedem Fall eine Wettbewerbsbeschränkung ergibt, die entweder als Folge oder als Zweck20 des Vertrages anzusehen ist und es den Verbänden bewußt ist oder sein muß, daß Wettbewerbsbeschränkungen eintreten. Es ist daher danach zu fragen, welcher Wettbewerb durch diese Vereinbarungen beschränkt wird. Zunächst wird der Absatzwettbewerb zwischen den Verlagen dann beschränkt, wenn die Absatzmittler auch in den noch bestehenden Wettbewerbsparametern gleichgeschaltet werden. So sind insbesondere die Verpflichtungen zu Zusatzleistungen grundsätzlich von Gegenleistungen des einzelnen Verlages abhängig zu machen. Eine Verpflichtung der Absatzmittler durch Vereinbarung der Verbände, jedem Mitglied des Verlegerverbandes gleiche und/oder besondere Leistungen zu erbringen, beschränkt den vertikalen Wettbewerb zwischen den Verlagen um die Leistungen des Handels. Ebenfalls wird der sogenannte Außenseiter-Wettbewerb auf der Verlagsseite beschränkt. Den Verlagen, die mangels Verbandsmitgliedschaft oder aus sonstigen Gründen nicht an den Vereinbarungen beteiligt sind, wird der Marktzutritt zu den Absatzmittlern ggf. dadurch erschwert, daß sich die beteiligten Verlage durch die Vereinbarungen besondere Leistungen und Dispositionsbefugnisse versprechen lassen, die die Leistungsmöglichkeiten und Kapazitäten der Absatzmittler begrenzen oder erschöpfen. Hierbei kommt in Betracht, daß die Absatzmittler ihre Leistungen den anderen - nicht beteiligten - Verlagen gegenüber kürzen oder verweigern müssen. Die Beschränkung des Marktzugangs für Außenseiter ist ebenfalls eine nach § 1 GWB unzulässige Wettbewerbsbeschränkung21 • Dies ergibt sich schon daraus, daß der sogenannte "Drittwettbewerb" und die Verhinderung, daß er beschränkt wird, ebenfalls von § 1 GWB umfaßt wird, weil das Ziel des GWB darin besteht Wettbewerbsverhältnisse zu erhalten und die Märkte offen zu halten. Auch das Bundeskartellamt22 sieht Vereinbarungen zwischen Produzenten- und Händlerverbänden als Verträge gern. § 1 GWB an, wenn diese z. B. festlegen, daß die Händlerverbände berechtigt sind, an der Festsetzung von Handelsspannen mitzuwirken. Die Festlegung von Leistungsanforderungen ist dieser Fallgruppe im 20 Die Gegenstandstheorie kann nach der ZVN-Entscheidung des BGH in WuW /E BGH 1367 = NJW 1975, 1837 als überholt bezeichnet werden; s. Möschel, Wernhard: "Abschied von der Gegenstandstheorie in § 1 GWB", in: NJW 1975, S. 94; Immenga in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 315, 316. 21 LG Düsseldorf, WUW/E AG/LG 146, 149 "Filmtransport"; Hoppmann, Erich: "Die sogenannten Bagatellkartelle der ,neuen Wettbewerbspolitik'" , in: DB 1970, S. 93, 94/95; Köhler, S. 96; Immenga in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 235, 236; a. A. KG WuW/E OLG 1377/1380 "Starkstromkabel" . 22 WuW /E BKartA 953, 955 "Sisalkordel" .

IU. Vereinbarungen über Leistungen und Anforderungen

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Hinblick: auf die Außenseiter gleichzustellen. Als gemeinsamer Zweck: ergibt sich bei diesen Vereinbarungen die "Befriedung und Ordnung des Marktes"23. Die Marktverhältnisse werden durch solche Verträge dadurch beeinflußt, daß die Marktchancen für beide beteiligten Wirtschaftsstufen zu Lasten der nicht am Vertrag beteiligten Außenseiter und ggf. der anderen Absatzstufen oder -formen verbessert werden2'. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Verträge zwischen den Verbänden der Verlage und der Absatzmittler dann nach § 1 GWB unwirksam sind, wenn wesentliche Elemente des sonst zwischen einzelnem Verlag und einzelnem Absatzmittler auszuhandelnden Vertrages hierdurch vorweggenommen und vereinheitlicht werden.

2. übereinstimmende Leistungsanforderungen der Verlage an die Absatzmittler Anders stellt sich das Problem rungen dar, wenn keine Verträge werden, sondern sich die Verlage Stufe untereinander verpflichten, nächste Handelsstufe zu stellen.

der gemeinsamen Leistungsanfordezwischen den Verbänden geschlossen oder auch die Absatzmittler gleicher gleichlautende Anforderungen an die

Ein Vertrag zu einem gemeinsamen Zweck: kann auch dann vorliegen, wenn mehrere Unternehmen "horizontal gebündelte vertikale Separat-Verträge" mit einem anderen, für alle identischen Partner abschließen 25 . Dies wird allgemein als sogenannter "Sternvertrag" bezeichnet, wenn die Einzelverträge in dem Bewußtsein und aufgrund der horizontalen Abstimmung geschlossen werden, daß mit den anderen Mitgliedern gleichlautende Verträge abgeschlossen werden26 . Ebenroth27 will einen solchen "Sternvertrag" nur dann § 1 GWB unterwerfen, wenn der Hersteller sich verpflichtet, mit anderen Absatzmittlern gleichlautende Verträge abzuschließen. Dies würde, auf den Presseabsatzmarkt übertragen, bedeuten, daß ein wettbewerbsbeschränkender Sternvertrag nur dann vorliegt, wenn sich ein Verlag gegenüber einem Absatzmittler vertraglich verpflichtete, mit den anEntsprechend WuW/E BKartA 953, 955 "Sisalkordel" . s. a. Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr. 39. 25 Köhler, S. 180; Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1, Rdnr.38. 21 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 1, Rdnr. 20; Immenga in: Immenga / Mestmäcker, § 1, Rdnr. 183, 184; WuW /E BGH 1367, 1369 "Zementverkaufsstelle Niedersachsen"; OLG Stuttgart WuW/E OLG 1083 "Fahrschulverkauf". !7 Ebenroth, S. 64. 23

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E. Die Anwendung des § 1 GWB

deren Absatzmittlern gleichen Typs gleichlautende Verträge abzuschließen. Diese Ansicht ist m. E. zu eng. Sie gilt nur für einen Teil der Fälle, nämlich dann, wenn ein Hersteller mit mehreren Absatzmittlern kontrahiert. Im Presseabsatzmarkt stellt sich das Problem aber anders, nämlich in der Form, daß mehrere Verlage gleichlautende Verträge mit einem Absatzmittler abschließen. Wenn mehrere Hersteller gleichlautende Erklärungen gegenüber einem Absatzmittler abgeben, so sind diese Erklärungen wechselbezogen28 • Schließen demnach die Hersteller und Absatzmittler gleichlautende Verträge, so kann durch diese Mehrzahl einzelner Verträge die Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zieles festgestellt werden, das als gemeinsamer Zweck i. S. des § 1 GWB anzusehen ist 29 • Die Einzelverträge sind hierbei nicht isoliert zu betrachten, sondern das übergeordnete Gesamtsystem ist wettbewerbsrechtlich zu überprüfen. Ein weiterer Aspekt der einseitigen Leistungsanforderung ergibt sich, unabhängig von den darauf beruhenden Einzelverträgen, aus der Tatsache, daß die einzelnen Anforderungen unter denen, die die Anforderungen stellen, horizontal vereinbart oder abgestimmt werden müssen. Vereinbarungen aber, die Hersteller oder gleichstufige Absatzmittler untereinander darüber treffen, welche Anforderungen und Leistungserwartungen an die nachgelagerte Handelsstufe zu stellen sind, verstoßen entweder gegen § 1 GWB oder gegen § 15 GWB. Die Abgrenzung dieser beiden Vorschriften untereinander hat danach zu erfolgen, ob ein gemeinsamer Zweck und eine Eignung zur Marktbeeinflussung vorliegt. Für diesen Fall ist § 1 GWB anwendbar, andernfalls § 1530. Soweit keine vertraglichen Vereinbarungen vorliegen, wird § 25 Abs. 1 GWB heranzuziehen sein. § 1 GWB wird auf gemeinsame Leistungserwartung, über die nur innerhalb der Marktbeteiligten einer Stufe eine vertragliche Vereinbarung getroffen wird, überwiegend anwendbar sein, da auch hier die .. Befriedung und Ordnung des Marktes" als gemeinsamer Zweck festzustellen sein wird. Außerdem wird auch durch Vereinbarungen innerhalb einer Marktstufe darüber, welche Leistungen von den Mitgliedern der nachgelagerten Stufe erwartet werden, der Marktzutritt von Außenseitern aus den schon oben unter a) dargestellten Gründen beschränkt.

28 Biedenkepf, Kurt: .. Zur Selbstbeschränkung auf dem Heizölmarkt" , in: BB 1966, S. 1113, 1117. zt OLGStuttgart WUW/E OLG 1083, 1087 "Fahrschulverkauf". 30 Ebel, Hans-Rudelf: .. Der gemeinsame Zweck in § 1 GWB und Austauschverträge", in: WuW 1979, S. 792.

F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen und ihre Bewertung nach § 18 GWB

J. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB 1. Zweck der Vorscl:uift § 18 GWB erlaubt, Wettbewerbsbeschränkungen vertikal einzurichten, die nach § 1 GWB horizontal zwischen den Absatzmittlern nicht vereinbart werden dürften. Anders als nach den Dekartellierungsgesetzen 1 sind Vertriebs- und Verwendungsbindungen grundsätzlich zulässig 2 • Die Bindungen werden aber durch § 18 GWB der Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörden unterworfen, sofern durch die Beschränkungen die Wettbewerbsfreiheit einer erheblichen Zahl von Unternehmen unbillig eingeschränkt, der Marktzutritt unbillig beschränkt oder der Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt wird. Zweck der Vorschrift ist die Sicherung der Offenhaltung der Märkte3 • § 18 GWB schützt außerdem den Wettbewerb als Institution; er bezweckt insbesondere den Schutz derjenigen, die nicht dem Bindungssystem angehören, also die außenstehenden Dritten. Dies hat vor der Novellierung der Vorschrift 1973 zu der überwiegenden Meinung geführt, daß ein Schutz der Gebundenen selbst nicht aus § 18 GWB herleitbar war'. Auch nach der Novellierung und Einführung des § 18 Abs. 1 Lit. a) wird § 18 GWB nicht als ein Schutzgesetz i. S. des § 35 GWB angesehen, solange nicht eine Aufhebung der entsprechenden Bindung durch die Kartellbehörde erfolgt ist5 • Den Vorrang der Prüfung von Verträgen i. S. des § 18 GWB im öffentlichen Interesse vor dem Individualinteresse des Vertragspartners betont auch der BGH6 für den Fall, in dem Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 10. Lehmpfuhl, Rolf-S.: "Vertriebsbindungen, ihre Formen, Funktionen sowie wettbewerbs- und kartell rechtliche Bedeutung", Köln u. a. 1965,S. 53. 3 Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 5; Schmitt, Jost, S. 162. , Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 4. 5 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 98; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 190; Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 14; a. A. wohl Mestmäcker: "Das Verhältnis des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen zum Privatrecht"; in: DB 1968, S. 787, 790. • WuW/E BGH 1515 ;,Rhenania Pilsener". 1

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

der Gebundene gegen die Untätigkeit der Kartellbehörde in der Mißbrauchsaufsicht nach § 18 geklagt hatte. Der BGH7 verneint ein Antragsrecht der Vertragsbeteiligten auf Einschreiten der Kartellbehörde in Fällen, in denen das Gesetz kein solches Recht bestimmt, sondern das Tätigwerden dem Ermessen der Kartellbehörde überläßt8 . Der individuell Betroffene wird also, wenn er sich mißbräuchlichem Verhalten i. S. des § 18 GWB ausgesetzt sieht, auf den Zivilrechtsweg verwiesenD. Insbesondere Sonntag10 betonte in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf 1970, daß der Individualschutz eine ausschließlich zivilrechtliche Angelegenheit ~nd Schutzobjekt des GWB der Wettbewerb in seiner Funktion sei, der Individualschutz des Gesetzes setze nur dann ein, wenn die Kontrollmechanismen des Wettbewerbs gestört seien und dann dieser Schutz gleichsam als Rechtsreflex entstehe l l . Dies begründet er damit, daß Bindungsverträge an sich wettbewerbsneutral seien und sich erst in ihrer Zusammenfassung auf den Wettbewerb auswirken12 • Dieser Rechtsreflex zugunsten des Individualschutzes führt insbesondere nach der Novelle von 1973 zu der Feststellung von Schwartz13 , § 18 GWB enthalte sowohl ein Element des Individualschutzes als auch des Institutionenschutzes14 • Dieser Individualschutz wird aber auch von Schwartz nicht in der Weise verstanden, daß das einzelne Unternehmen ein Antragsrecht oder Klagerecht auf ermessensfehlerfreies Einschreiten der Kartellbehörde hätte, vielmehr ergibt sich der Individualschutz daraus, daß die Kartellbehörde bei ihrem Einschreiten nach § 18 GWB zugleich mit dem Schutz der Institution Wettbewerb Gebundene und Drittbetroffene (Außenseiter) vor Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit schützt. Emmerich16 weist mit Recht darauf hin, daß die Institution Wettbewerb immer nur über die Öffnung der Märkte und damit über den Schutz der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit aller Marktteilnehmer geschützt werden kann. WuWJE BGH 995. So auch Müller J Giessler, § 18, Rdnr. 75; a. A. Emmerich, in: Immenga J Mestmäcker, § 18, Rdnr. 246; Venrooy, Gert J. van: "Vertrag und Unwirksamkeit bei § 18 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)", Berlin 1980, Schriften zum Wirtschaftsrecht Bd. 34, S. 164; siehe zu dem Problem des Antragsrechts im einzelnen unten Kap. F. I. 3. b). , Rauschenbach: "Die Entwicklung des deutschen Kartellrechts im Jahre 1978", in: NJW 1979, S. 737, 738. 10 Sonntag, Peter-Michael: "Ausschließlichkeitsverträge Individualschutz und Wettbewerbsschutz -, in: WRP 1970, S. 229, 233. 11 Sonntag, S. 235. lZ Sonntag, S. 234. 13 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 10 u. 84. 14 So auch Emmerich, in: Immenga J Mestmäcker, § 18, Rdnr. 29. 16 Emmerich, in: Immenga J Mestmäcker, § 18, Rdnr. 29. 7

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1. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

113

Da der Individualschutz somit zumeist nur als Reflexwirkung des kartellbehördlichen Eingreifens besteht, hat sich die Konsequenz ergeben, daß die Individualinteressen eher über § 26 GWB als über § 18 GWB verfolgt werden. § 18 GWB ist, da teilweise gleichgelagerte Sachverhalte zugrundeliegen, in der Anwendung hinter § 26 GWB zurückgetreten. Dies begründet sich schon daraus, daß nach § 18 GWB Bindungsvereinbarungen solange rechtswirksam und weder anmeldenoch erlaubnispflichtig sind, bis die Kartellbehörden sie eventuell für unwirksam erklärt haben. Diese gesetzestechnische Lösung beruht darauf, daß Verträge i. S. des § 18 GWB unentbehrlich sind 16 • § 18 GWB läßt dem Lieferanten und Hersteller grundsätzlich die Freiheit in der Gestaltung der Absatzwege17 • Auf die Vertriebsbindung bezogen, stellt hierzu LehmpfuhPs fest, daß, sobald der Hersteller Absatzmittler einschaltet, ein Vertragswerk erforderlich sei, daß dem Handel die Befolgung der Vertriebsvorstellungen des Herstellers zur Pflicht mache. Sowohl die Selektion der Absatzmittler als auch die Sicherung von Alleinvertriebsrechten ist ohne die Verträge nach § 18 GWB nicht möglich. Da es grundsätzlich der freien Entscheidung des Herstellers obliegt, wie und über welche Absatzmittler er seine Ware vertreibt, wird daher § 18 GWB in einer Form wirksam, die der verwaltungsrechtlichen "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" vergleichbar ist. Ausschließlichkeits- und Bezugsbindungen können auf der Grundlage eines Einzelvertrages oder eines Vertragssystems den höchsten Grad einer Wettbewerbsbeschränkung erreichen 19. Vertriebsbindungen beeinflussen den Vertriebsweg durch Beschränkung der Handlungsfreiheit des gebundenen Händlers bei der Auswahl seiner Vertragspartner und durch die Begrenzung seines Vertragsgebietes 20 • Dieser Gefahr für den Wettbewerb und für die Marktzutrittschancen für Außenseiter soll § 18 GWB Rechnung tragen. überall dort, wo die Kumulierung von Bindungen sich als einzelwirtschaftlich nutzlos erweist, aber einen erhöhten MarktzugangsbeschränkungsEffekt bewirkt, muß auf die Bindung verzichtet werden, deren Beitrag zur sinnvollen absatzpolitischen Gestaltung in keinem Verhältnis zum marktbeschränkenden Effekt steht21 • Verträge im Sinne des § 18 GWB dürfen nicht über die sinnvolle Ordnung der eigenen Absatzwege hinSchwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 11. Ebenroth, S. 68. 18 Lehmpfuhl, S. 24. 18 Ebenroth, S. 17. 20 Lehmpfuhl: "Verträge nach § 18 GWB und Diskriminierungsverbot", in: GRUR 1978, S. 625; hinsichtlich der Vertragspartner: WuW /E BGH 1829 ff. "Original-VW-Ersatzteile 11". 21 So auch Schmitt, S. 162. 18 17

8 Roggen

F; Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

114

ausgehend dazu dienen, andere Unternehmen vom Markt fernzuhalten oder die Wettbewerbsfreiheit oder den Wettbewerb auf dem entsprechenden Markt zu beseitigen.

2. Tatbestände und Eingrüfsvoraussetzungen Die einzelnen Tatbestände des § 18 Abs. 1 Nr. 1- 4 GWB wurden bereits dargestellt. Für die Unterschiede zwischen Verwendungsbeschränkung, Ausschließlichkeitsbindung, Vertriebsbindung und Koppelungsvereinbarung und die Zuordnung der Bindungen im Presseabsatzmarkt zu diesen Tatbeständen kann auf die früheren Ausführungen verwiesen werden1 . Koenigs 2 vertritt die Auffassung, unter § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB fielen auch wirtschaftliche Bindungen, die sich nicht aus einem Vertrag ergäben, also auch solche Beschränkungen, die ohne eine Willenseinigung der Beteiligten von der einen Partei durch wirtschaftlichen Druck, dem sich die andere Partei nicht entziehen könne, wie eine wirksame rechtliche Bindung durchgesetzt werden. Langen / Niederleithinger / Schmidt3 kommen zu dem Ergebnis, diese Auslegung entspreche nicht dem Gesetz. Schwartz4 verweist für dieses Problem auf § 25 Abs. 2 GWB und § 38 Abs. 1 Nr. 11 u. 12 GWB, wonach wirtschaftlicher und tatsächlicher Druck verboten seien. Durch Verhaltensveranlassung und wirtschaftlichen Druck i. S. des § 25 Abs. 2 GWB erreichte Bindungen, die denjenigen des § 18 GWB entsprechen, werden aber nur dann von § 25 Abs. 2 GWB verboten, wenn bereits eine entsprechende Untersagungsverfügung der Kartellbehörden nach § 18 GWB vorliegt. Ohne eine solche werden wirtschaftliche Bindungen von § 25 Abs. 2 GWB nicht erfaßt. Die Einbeziehung der wirtschaftlichen Bindung in § 18 GWB durch Koenigs6 wäre also durchaus geeignet, diese Sonderform der Bindung kartell rechtlich besser zu erfassen. Der Wortlaut des § 18 GWB nennt aber als Voraussetzung das Vorliegen eines Vertrages, und auch die überschrift des 2. Abschnittes des GWB "Sonstige Verträge" deutet darauf hin, daß § 18 GWB nur vertragliche Vereinbarungen zu unterwerfen sind. Dies heißt jedoch nicht, daß nicht auch wirtschaftliche Bindungen in die Regelung des § 18 GWB einbezogen werden können, wenn diese nur auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhen. Diese vertragliche 1

s. o. Kap. C.

Koenigs, Folkmar: "Einige Probleme des § 18 GWB"; in: Wettbewerb als Aufgabe, Nach 10 Jahren GWB, Bad Homburg u. a. 1968, S. 313. a Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 50. , Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 17. 6 Koenigs, S. 313; ihm folgt Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr.58. !

I. Gnmdzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

115

Vereinbarung muß nicht der Vertrag sein, der den Leistungsaustausch betrifft, sondern kann auch in einem vorherigen Rahmenvertrag oder Erstvertrag gesehen werdens. So kann eine wirtschaftliche Bindung, die als vertraglich i. S. des § 18 GWB dessen Beschränkungen unterliegt, dann gegeben sein, wenn es dem Gebundenen rechtlich freigestellt bleibt, welche Preise und Bedingungen er mit seinem Kunden vereinbart, ihm aber im Rahmenvertrag bei der Vereinbarung der festgelegten Preise oder Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Vergünstigungen bzw. bei Nichteinhaltung wirtschaftliche Nachteile in Aussicht gestellt werden7 • Als Ergebnis bleibt somit hier zunächst festzuhalten, daß von § 18 GWB nur rechtliche Bindungen erfaßt werden, wirtsc4aftliche aber dann, wenn ihnen eine vertragliche Vereinbarung zugrunde liegt. Diese kann sich auch aus einem dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Rahmenvertrag ergeben. Soweit also die Vertriebs- und Verwendungsbindungen im Presseabsatzmarkt weder vertraglich vereinbart sind noch sich auf einen Rahmenvertrag zwischen dem Verlag und dem Absatzmittler stützen, ist keine Eingriffsmöglichkeit der Kartellbehörden nach § 18 GWB gegeben. Jedoch wird sich überwiegend im Presseabsatzmarkt eine vertragliche Vereinbarung der Parteien finden, die dem Geschäftsverkehr zugrunde liegt. Soweit jedoch diese Verträge i. S. des § 18 GWB nicht schriftlich abgeschlossen sind, sind sie nach §§ 34 GWB i. V. mit 125 BGB nichtig. Aber auch schon aus diesem Grunde nichtige Verträge können durch die Kartellbehörde noch aufgehoben werden, denn eine Unwirksamkeitserklärung nach § 18 GWB wirkt für und gegen alle und ist deshalb im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erwünscht8 • Die vertraglich vereinbarten Bindungen können unter den alternativen Voraussetzungen der Lit. a), b), c) des § 18 GWB von den Kartellbehörden für unwirksam erklärt werden. Die Voraussetzungen sind nachfolgend im einzelnen darzustellen, wobei versucht wird, die jeweils für den Presseabsatzmarkt relevanten Auslegungskriterien herauszuarbeiten. a) Die unbillige EiDsdtränkung der Wettbewerbsfreihelt (§ 18 Abs. 1 Llt. a) GWB)

Das Tatbestandsmerkmal des § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB wurde durch die Kartellgesetznovelle 1973 neu eingefügt. Die Ziel richtung dieser kartellbehördlichen Eingriffsbefugnis geht nicht nur auf den Schutz e WUW/E BGH 256, 257,,4711". WuW /E BGH 256, 257 ,,4711". 8 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 18, Rdnr. 63; WuW/E BGH 1781, 1792 "Identteile". 7

116

F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

des Wettbewerbs als Institution, sondern auch in Richtung eines Individualschutzes der gebundenen Vertragsbeteiligten9 • Die verfassungsrechtlichen Bedenken von Sonntag10 , denen sich Schwartz ll teilweise anschließt, gründen sich darauf, daß der Individualschutz nicht unter die verwaltungsbehördlichen Aufgaben des Kartellamtes falle. Den Bedenken ist jedoch nicht zu folgen, da die Koppelung des Individualschutzes und des Schutzes des Wettbewerbs als Institution dazu führt, daß nur bei Vorliegen beider kumulativer Voraussetzungen ein Eingreifen der Kartellbehörde möglich ist. Die verwaltungsbehördliche Berücksichtigung individuellen Schutzes läßt es nicht als schwer möglich erscheinen12 , rechtsstaatliche Grundsätze und verwaltungsrechtliche Maximen zu wahren, sie ist vielmehr Voraussetzung für einen wirksamen Schutz des Wettbewerbs als Institution13 • Dadurch, daß § 18 Abs.l Lit. a) GWB die Voraussetzung enthält, daß nur die wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeit der Gebundenen im Wettbewerb gegen unbillige Beschränkungen zu schützen ist und außerdem eine für den Wettbewerb auf dem Markt erhebliche Zahl VOn Unternehmen gleichartig gebunden sein muß, ergibt sich der vornehmliche Schutz des Wettbewerbs als Institution. Insbesondere Weyhenmeyer14 weist darauf hin, daß die Neufassung des § 18 nicht nur auf einen verstärkten Individualschutz, sondern auch auf einen verstärkten Schutz der Institution des Wettbewerbs abzielt. Aber auch Weyhenmeyer übersieht, daß die Voraussetzungen des § 18 in seiner Neufassung kumulativ sind, worauf Langen / Niederleithinger / Schmidt15 mit Recht hinweisen. Nur wenn sowohl eine unbillige Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit des einzelnen als auch eine Beschränkung des Wettbewerbs als Institution vorliegt, kann die Kartellbehörde eingreifen. Die Zahl der gleichartig gebundenen Unternehmen muß für den Wettbewerb auf dem relevanten Markt erheblich sein. Diese Voraussetzung wird bei der Anwendung des § 18 GWB auf dem Presseabsatzmarkt unproblematisch sein, da alle Absatzmittler - wenn nicht durch identische 16 , so doch jedenfalls durch gleichartige - Bindungen in ihrer Wettbewerbsfreiheit beschränkt werden. Diese gleichartige Bindung Langen I Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 110. Sonntag, WRP 1970, S. 22~. 11 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 78. t! So aber: Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 78; a. A. Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 110. t3 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 29. l' Weyhenmeyer: "Wettbewerbsrechtliche Auswirkungen eines Individualschutzes nach § 18 der Kartellgesetznovelle" , in: WRP 1971, S. 155, 157. 15 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 110. 18 Dies ist auch nicht erforderlich: Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 74. 8

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I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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für die Absatzmittler besteht innerhalb jeder Absatzmittler-Gruppe. Aber auch die Bindungen der verschiedenen Absatzmittler-Typen weisen. zumindest insoweit übereinstimmungen auf, als durch die Querlieferungsverbote der Wettbewerb untereinander ausgeschlossen wird. Dies führt im Ergebnis dazu, daß für alle gebundenen Absatzmittler eine konforme Wettbewerbslage herbeigeführt wird. Dies reicht aus, um eine gleichartige Bindung festzustellen 17 • Streitig ist aber die Frage, ob es für die Gleichartigkeit der Bindung erforderlich ist, daß das bindende Unternehmen dasselbe ist1 8 oder ob auch solche Bindungssysteme § 18 Abs. 1 Lit. a) unterfallen, die von mehreren Unternehmen ihren gemeinsamen Absatzmittlern auferlegt werden19 • Die Frage stellt sich also dahingehend, ob über diese Vorschrift das Bindungssystem nur eines einzelnen Unternehmens oder das einer ganzen Branche durch die Kartellbehörde aufgehoben werden kann. Schwartz begründet seine auf ein einzelnes bindendes Unternehmen abgestellte Ansicht damit, daß nur auf diese Weise das Merkmal der Unbilligkeit sachgerecht geprüft werden könne20 und daher eine Zurechnung paralleler Bindungssysteme nicht erfolgen dürfe. Die Gegenmeinung stellt auf den Zweck der Vorschrift ab und legt diesen dahingehend fest, als Bindungen erfaßt werden sollen, die für eine ganze Branche oder ihren wesentlichen Teil typisch sind 21 • Anhand des Presseabsatzmarktes läßt sich m. E. die Richtigkeit der letzteren Ansicht nachweisen. Die Auslegung des § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB geht bisher zumeist von den Verhältnissen auf dem Bierlieferungsmarkt aus und zieht diesen dafür heran, gebundene Lösungen anhand eines praktischen Beispiels zu prüfen!!. Aus dieser Betrachtung mag sich das Verbot der Zurechnung fremder Bindungssysteme ergeben können. Für den Presseabsatzmarkt jedoch trifft dies nicht zu. Hier ist systemprägend der Fall feststellbar, daß die Bindungen des einzelnen Lieferanten (Verlage gegenüber Grosso und Bahnhofsbuchhandel; Grosso gegenüber Einzelhandel) gleichartig sind und außerdem die Bindungen der anderen Lieferanten mit diesen übereinstimmen. Hierdurch ergibt sich aus den Bindungen, die Einzelunternehmen ihren Abneh17 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 74;· Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 116. 18. So Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 78; Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 62. 18 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 117.. 20 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 78. 21 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker,.§ 18, Rdnr. 160; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 117. Z! s. z. B.: Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar , § 18, Rdnr. 78; mitentgegengesetztem Ergebnis für den gleichen Markt: Emmerich, in: Immenga / . Mestmäcker, § 18, Rdnr. 159.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

mern auferlegen, ein einheitliches, marktprägendes Bindungssystem. Bei einer Bewertung der Bindungen und insbesondere bei überprüfung der Unbilligkeit kann daher, um dem Zweck des § 18 gerecht zu werden, nicht allein auf die Bindungen eines einzelnen Unternehmens abgestellt werden. Nur eine Gesamtbetrachtung 28 des Presseabsatzsystems kann sachgerechte Ergebnisse aufzeigen. Jeder Absatzmittler ist durch die Bindungen, die ihm von allen seinen Lieferanten auferlegt werden, so in das Gesamtsystem eingegliedert, daß die isolierte Bewertung seiner Beziehung zu nur einem Lieferanten weder die Wettbewerbsverhältnisse erkennbar werden läßt, noch die Prüfung der Billigkeit erlaubt. Da die gleichartige Bindung aller Absatzmittler im Presseabsatzmarkt vorliegt und damit auch die Erheblichkeit, entscheidet sich die Prüfung des § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB danach, ob die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit der Marktbeteiligten unbillig ist oder nicht. Auszugehen ist bei der Unbilligkeitsprüfung davon, daß die Interessen aller Beteiligten, auch die der Letztverbraucher24 - der Leser - , zu berücksichtigen sind. Als Prüfungsmaßstab kann außerdem die Feststellung herangezogen werden, daß eine Bindung dann unbillig ist, wenn sie auf unsachlichen Beweggründen beruht25 oder wenn sie übermäßig und unverhältnismäßig drückend wirkt26 • Langen27 geht bei der Prüfung der Unbilligkeit vornehmlich von einer Interessenabwägung für jedes gebundene Unternehmen aus28 und nennt als Beispiel für die Unbilligkeit ein lückenhaftes Vertriebsbindungssystem, in dem die Bindungsverstöße ungerechtfertigt unterschiedlich verfolgt werden. Primärer Anhaltspunkt für eine Unbilligkeit ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Gebundenen im Wettbewerb 29, dies hebt auch das Bundeskartellamt schon 1959 in seiner .. Melitta"-Entscheidung hervor30 , in dem es betont, es sei für die Unbilligkeit entscheidend, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten dem beschränkten Unternehmen verbleiben31 und ob Ziel der Bindung sei, den Gebundenen von dem Wettbewerb mit dem Bindenden fernzuhalten 82 • Nach Emmerich33 !3 So auch Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 62; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 160. U Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 41. %5 So insbesondere für § 18 Abs. 1 Lit. b): Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 42. 11 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr, 77. 27 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 119 u. 122. 28 Ähnlich Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 41. 11 Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 41. 30 WuW /E BKartA 60, 73 .. Melitta". 31 WuW /E BKartA 60, 64 .. Melitta". 32 WuW /E BKartA 60, 73, 76 .. MeIitta'".

I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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kommt eine echte Interessenabwägung nicht in Betracht, da die unterschiedlichen Interessen im einzelnen überhaupt nicht festzustellen seien. Er beschränkt die Prüfung der Unbilligkeit daher ebenfalls auf die wettbewerblich relevanten Wirkungen der Bindungssysteme. Ein Wettbewerbsausschluß des Gebundenen durch den Bindenden liegt im Presseabsatzmarkt z. B. in den Fällen vor, in denen Grossisten den Einzelhändlern die Bindung auferlegen, nicht selbst zu grossieren. Die Einzelhändler und damit auch die Handelsketten werden durch diese Bindung vom "Grosso-Markt" ferngehalten. Es wird hierdurch verhindert, daß große Einzelhändler in den Grosso-Bereich gleichsam hineinwachsen können. Dieser Ausschluß erfolgt aber nicht allein durch die von den Grossisten auferlegten Bindungen, sondern auch dadurch, daß die Verlage überwiegend die Direktbelieferung von Handelsketten und großen Einzelhändlern verweigern, diese daher schon auf grund der ihnen somit nur vom Grosso eingeräumten Handelsspanne nicht in der Lage sein dürften, wirtschaftlich und finanziell aussichtsreich selbst zu grossieren. Entscheidend für die Bewertung dieser Bindungen des Einzelhändlers als nicht unbillig i. S. des § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB ist das diesen gewährte und für die Branche typische Remissionsrecht. Dieses und die damit zusammenhängende Problematik der Mengendisposition begründet die Notwendigkeit, daß Objekte, die an einen bestimmten Einzelhändler geliefert werden, von diesem nur an den Endverbraucher veräußert werden dürfen. Die zur Remissionsminimierung erforderliche Bezugsregulierung ist nur dann möglich, wenn die von den Grossisten an den Einzelhandel gelieferten Presseobjekte in dem räumlich begrenzten Markt verbleiben und keine Querlieferungen erfolgen. Einschränkungen der Gebundenen im Presseabsatzmarkt in ihrer Bewegungsfreiheit im Wettbewerb sind in vielfältigen weiteren Formen feststellbar. Angeführt seien hier nur die Gebietsbeschränkungen der Grossisten, die Querlieferungsverbote für den Bahnhofsbuchhandel, Lesezirkel und WBZ und die Beschränkungen des Wettbewerbsverhaltens im einzelnen durch Erstverkaufstage, bestimmte Leistungsanforderungen u. ä. 34 • Eine Unverhältnismäßigkeit oder sachliche Unbegründetheit liegt bei diesen Bindungen aufgrund der marktspezifischen Absatzregulierungen nicht vor. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Solange der Presseabsatzmarkt durch die Verlage in der derzeitigen Form erhalten werden soll, ist nicht erkennbar, wie die Remissionsabwicklung, die Bezugsregulierung und auch die Schnelligkeit der Auslieferung und überall-Erhältlichkeit ohne diese Bindungen erreicht werden könnte. 33 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 183. U Für weitere Einzelheiten kann auf das Kapitel C. verwiesen werden.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Die Unbilligkeit aufgrund übermäßiger und unverhältnismäßiger Bindungen35 kommt allenfalls in Randbereichen in Betracht. Einzelne Klauseln von Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurden vom Bundeskartellamt36 in einem Verfahren nach § 22 GWB überprüft. Hierbei wirkte das Bundeskartellamt darauf hin, daß die allgemeinen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen eines Grossisten gegenüber dem Einzelhandel geändert wurden. Die Änderungen bezogen sich auf die Verlängerung des Zahlungsziels, Abschaffung des obligatorischen Bankeinzugsverfahrens, Aufrechnungsmöglichkeiten für Remissionsgutschriften und Bedingungen für Kautionsrückgaben. Alle diese Änderungen betreffen Allgemeine Geschäftsbedingungen und keine Vertriebs- und Verwendungsbindungen. Das Bundeskartellamt hat daher bisher keine Veranlassung gesehen, ein Verfahren nach § 18 GWB einzuleiten. Eine UnbiIligkeitsprüfung der Vertriebs- und Verwendungsbindungen selbst führt wohl derzeit nicht dazu, daß diese aufgehoben werden müßten. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Wettbewerbsverhalten der einzelnen Absatzmittler schon durch die tatsächlichen Gegebenheiten auf diesem Markt beschränkt ist, Verhaltensalternativen bestehen nur in einem geringen Umfang und in Randbereichen. Durch eine Aufhebung der Bindung nach § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB könnten daher weder die Individualinteressen des einzelnen Gebundenen noch der Wettbewerb auf diesem Markt selbst gefördert werden. Zusammenfassend ergibt sich somit zunächst, daß eine UnbiIligkeit nach § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB nicht vorliegt. Dieses Ergebnis ist aber unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, ob das Vertriebssystem lückenlos durchgeführt und überwacht wird. Sollten die Beteiligten des Presseabsatzmarktes zur Zeit oder zukünftig selbst nicht an den Vertriebsoder Verwendungsbindungen festhalten, so könnte sich daraus eine Unbilligkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB ergeben. Diese Frage soll jedoch für alle Eingriffsvoraussetzungen im Zusammenhang untersucht werden 37 • b) Die unbillige Marktzutrlttsbesdlrlnkung (§ 18 Abs. 1 LU. b); § 18 Abs.2 GWH)

§ 18 Abs. 1 Lit. b) GWB bezweckt in erster Linie den Schutz dritter Unternehmen bei dem Marktzugang38 • Er bietet den Kartellbehörden Eingriffsmöglichkeiten für den Fall, daß durch Bindungen oder BinSchwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 77. Tätigkeitsbericht 1976, BT-Drucksache 8/704, S. 85. 37 s. u. Kap. F. 11. 38 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 123; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 196. 35

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I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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dungssysteme für Unternehmen, die nicht in dieses System eingebunden sind, der Marktzutritt - also Teilnahme am Wettbewerb -verhindert wird. Zugang zum Markt ist die Möglichkeit, Waren abzusetzen oder zu beziehen38 bzw. eine gewerbliche Leistung zu erbringen oder zu erhalten40 • Also nicht nur Warenmärkte, sondern auch Märkte für Dienstleistungen unterfallen dem Schutz des § 18 Abs. 1 Lit. b). Es ist jeder Markt in diese Prüfung einzubeziehen, auf dem durch Bindungen der in § 18 Nr. 1- 4 GWB bezeichneten Art der Marktzutritt für neue Unternehmen beschränkt wird. Die Ansicht von Schwartz41 , daß die Wettbewerber des bindenden Unternehmens geschützt werden, soweit sie mit ihrem Angebot auf eine blockierte Nachfrage bzw. mit ihrer Nachfrage auf verstopfte Bezugsquellen stoßen, trifft zwar einen Fall der Marktzutrittsbeschränkung, ist aber dennoch zu eng 42 • Dies ergibt sich daraus, daß nicht nur Wettbewerber des bindenden Unternehmens, sondern auch neue Unternehmen, die bisher nicht auf dem Markt tätig geworden sind, von dem Schutzzweck dieser Vorschrift erfaßt werden". Zunächst werden "Newcomer" geschützt4 4, aber nicht nur diese, da es gleichgültig ist, ob das Unternehmen schon auf dem Markt tätig war oder nicht45 • Somit ist § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB auch dann anwendbar, wenn Unternehmen, die bereits auf dem Markt tätig sind, durch eigene Bindungen oder neu eingeführte Bindungssysteme anderer Marktbeteiligter von dem Markt verdrängt werden48 • Wobei aber zu beachten ist, daß die an den Bindungsverträgen beteiligten Unternehmen von dieser Vorschrift nicht geschützt werden47 • Angewendet auf den Presseabsatzmarkt ergibt diese Auslegung der Vorschrift, daß durch Bindungen, die einzelne Verlage den Absatzmittlern mit der Folge auferlegen, daß diese neue Objekte anderer nicht bindender Verlage nicht mehr oder nur in begrenztem Umfang abnehmen können, andere Verlage in ihrem Marktzutritt beschränkt werden. Dieser Fall kann dann eintreten, wenn Verlage, insbesondere Großverlage, die Absatzmittler insoweit binden, daß bei Bezug einzel31 s. a. Gleiss / Hirsch: "Ausschließlichkeitsverträge nach der Novelle zu § 18 GWB", in: WRP 1966, S. 17, 18. 40 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 134. 4t Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 63. 4! Genauer Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 199. 41 WuW /E BKartA 761, 762 "Elektro-Discount"; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 198. 44 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 130. 46 Gleiss / Hirsch, S. 18. 41 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 131. 47 Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 42.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

ner Objekte zusätzlich auch alle anderen Objekte dieses Verlages in einer Menge abgenommen werden müssen, die die Kapazitäten des Absatzmittlers erschöpft. Hier besteht die Gefahr, daß der Marktzutritt für bereits tätige und neue Verlage erschwert wird. Mit der Voraussetzung, daß jeder Absatzmittler nur über beschränkte und nicht beliebig schnell vermehrbare Kapazitäten verfügt, ermöglicht daher die beschriebene Bindung ein Eingreifen der Kartellbehörde. Aber nicht nur die Marktzutrittsbeschränkung der Verlage, sondern auch eine der Absatzmittler kann dieser Vorschrift unterfallen. Müller / Giessler48 führt das Beispiel an, daß der Marktzugang erschwert wird, wenn ein Händler vom Bezug einer Gruppe von besonders bevorzugten Markenerzeugnissen einer bestimmten Warengattung ausgeschlossen wird, die zur Führung eines vom Verkehr erwarteten Sortiments gehören49 • Auf dem Presseabsatzmarkt kommt diese Fallgruppe in Betracht, wenn Verlage mit großauflagigen Publikumszeitschriften ihre Absatzmittler durch Vertriebs- und Verwendungsbindungen derart in ihrer Freiheit, Verträge mit Dritten zu schließen, einzuschränken, daß bestimmte, sonst mit Presse-Erzeugnissen belieferte Absatzmittler, meist Einzelhändler, nicht beliefert werden dürfen. Werden also Presse-Absatzmittlern wesentliche Sortimentsteile dadurch nicht geliefert, daß die Verlage die belieferten Absatzmittler binden, nicht an bestimmte Absatzmittler-Typen zu liefern, die ein Presse-Sortiment führen, so wäre diese Bindung aufhebbar. Als "Beispielsfall kommt hierfür in Betracht, daß ein von mehreren Verlagen direkt belieferter Einzelhändler nicht zusätzlich vom Grosso mit den Objekten beliefert werden darf, deren Verlage die Direktbelieferung verweigern. Die vertragliche Bindung des Grossisten, nur an Einzelhändler zu liefern, die er auch mit dem übrigen vollen Sortiment versorgt, wäre demnach ebenfalls aufhebbar. Wesentlich für die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB auf den Presseabsatzmarkt ist außerdem, daß bei der Prüfung, ob die Eingriffsvoraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, nicht nur auf den einzelnen Bindungsvertrag abzustellen ist, sondern auf das gesamte System gleichartiger Bindungsverträge des bindenden Unternehmens50 • Außerdem sind auch gleichartige Bindungssysteme anderer Unternehmen mit einzubeziehen61 • Bei der Prüfung der EingriffsvoraussetMüller / Giessler, § 18, Rdnr. 45 a. So auch Frankfurter Kommentar, § 18, Rdnr. 55. 60 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 124; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 59. 61 Str. wie hier: Deringer / Tessin: "Zur Auslegung der Neufassung des § 18 GWB", in: WuW 1966, S. 132, 138; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 124; WUW/E BKartA 1199, 1210 "Kraftfahrzeugpflegemittel"; Müller / 48

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I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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zungen ist dann darauf abzustellen, ob die Wirkung der Gesamtheit der gleichartigen Bindungssysteme die Freiheit des Marktzutritts dritter Unternehmen beschränkt. Jeder Verlag bindet seine Absatzmittler in der Erkenntnis und mit dem Wissen, daß die anderen Verlage gleichartige Bindungen auferlegen. Entgegen Schwartz52 sind daher dem bindenden Verlag parallele Bindungssysteme seiner Wettbewerber zuzurechnen. Müller / Giessler53 weisen mit Recht darauf hin, daß die Zurechnung paralleler Systeme nicht bei der Prüfung des Tatbestands des § 18 Abs. 1 Lit. b) problematisch sei, hier habe sie in jedem Fall zu erfolgen, sondern erst bei der Prüfung der Frage, ob die Kartellbehörde von den Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen darf. Nur bei dieser nachfolgenden Prüfung kann ein Verstoß gegen den GleichheitssatzU in Betracht kommen, der im Ergebnis dazu führen wird, entweder alle gleichartigen Bindungen aufzuheben oder aber allein nach sachlichen Gesichtspunkten auszuwählen. Im Presseabsatzmarkt kommt dann, wenn das Vorliegen der Voraussetzung des § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB bejaht wird, nur eine Aufhebung aller gleichartigen Bindungen in Betracht, da nicht festgestellt werden kann, daß ein Verlag mit seinen Bindungen in besonderem Maße von den üblichen Bindungen anderer abweicht. Marktzugangsbeschränkungen bestehen im Presseabsatzmarkt auf allen Absatzstufen aufgrund der dargestellten Bindungen. Im Marktzutritt wird ein Unternehmen dann beschränkt, wenn es nicht mehr in der Lage ist, durch sein Angebot die Entscheidung der potentiellen Vertragspartner zu beeinflussen, da diese durch rechtliche Vereinbarungen gebunden sind&5. So kann ein neuer Grossist auch mit dem besten Leistungsangebot nicht die Belieferung durch einen Verlag erreichen, wenn dieser sich gegenüber dem Gebiets-Grossisten verpflichtet hat, in diesem Gebiet ausschließlich ihn zu beliefern. Hier liegt die Marktzugangsbeschränkung tatbestandsmäßig vor. Klarzustellen ist für diese Fallgruppe, daß die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Lit. b) nur für neu entstehende Unternehmen eingreift, sie hingegen nicht den Schutz der bereits im Markt tätigen Grossisten bezweckt, wenn diese ihr Vertriebsgebiet erweitern, also auf einem anderen räumlichen Teilmarkt tätig werden wollen. Dies folgt daraus, daß die Grossisten selbst gebunden sind und der Schutz der Gebundenen nicht Zweck des § 18 Giessler, § 18, Rdnr. 67; a. A. Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 66; Gleiss / Hirsch, a.a.O., S. 18. 11 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, .Rdnr. 65. 53 Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 62. U WuW /E BKartA 1199, 1212 "Kraftfahrzeugpflegemittel". 55 Frankfurter Kommentar, § 18, Rdnr. 53.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Abs. 1 Lit. b) GWB, sondern ausschließlich des § 18 Abs. 1 Lit. a) ist68 • Marktzugangsbeschränkungen sind auch hinsichtlich der anderen Absatzmittler-Typen feststellbar. Unter der bereits dargestellten Voraussetzung, daß neben dem Absatzmarkt für Presseobjekte ein eigener, abgrenzbarer Markt für Presse-Absatzmittler-Leistung besteht, ergibt sich aus den dargestellten Absatzbindungen und Querlieferungsverboten, daß auf diesem Markt nur dann neue Unternehmen tätig werden können, wenn andere gegen die ihnen auferlegten Bindungen verstoßen oder die Hersteller von Presseobjekten selbst aus diesem System ausbrechen und neue Absatzmittler beliefern. Ein von den Vertriebs- und Verwendungsbindungen unberührter Marktzugang besteht teilweise nur bei dem Einzelhandel und in den Bereichen WBZ und Lesezirkel. Während im WBZ und Lesezirkel das Eindringen neuer Unternehmen in den Markt nicht durch rechtliche Bindungen der Marktbeteiligten ausgeschlossen wird, sondern nur tatsächlich nicht erfolgt, da wirtschaftliche und finanzielle Gesichtspunkte Neugründungen verhindern, ist dies im Bereich des Einzelhandels anders zu beurteilen. Die Grosso-Betriebe werden durch die ihnen auferlegten Vertriebs- und Verwendungsbindungen nicht gehindert, neue Einzelhändler zu beliefern. Sie werden vielmehr durch die Verlage dazu angehalten, neue Angebotsstellen zu erschließen und eine optimale Marktabdeckung zu erzielen. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen wirken sich auf diese Markterschließung nur insoweit aus, als der Grossist gebunden wird, nur solche Einzelhändler zu beliefern, die für sich die Bindungen akzeptieren, die der Grossist ihnen gemäß seiner eigenen Verpflichtung gegenüber den Verlagen auferlegen muß. Der Marktzutritt im Einzelhandel wird also nicht wettbewerbswidrig beschränkt, sondern nur an bestimmte Bedingungen und Voraussetzungen geknüpft, die systemkonform sind. Die dem Einzelhandel aufzuerlegenden Bindungen dienen der Sicherung der von den Verlagen gewählten Absatzstruktur und sind daher nicht als eine unbillige Marktzutrittsbeschränkung zu bewerten. Somit verbleiben für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB vornehmlich die Probleme des Marktzutritts neuer Verlage oder neuer Objekte zum Lesermarkt über Grosso und Einzelhandel und die des Entstehens neuer Grossisten. Hinsichtlich des Marktzutritts kleinerer Verlage und Newcomer führt Mestmäcker57 aus, das bestehende Großhandelssystem sichere den Großverlagen neben der Kontrolle des Absatzes der eigenen Erzeugnisse den Einfluß auf die Bedingungen, unter denen Konkurrenzprodukte vertrieben werden. Außerdem sei es dar58 57

Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 42~ Mestmäcker: "Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, S. 184.

I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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über hinaus für kleinere Verlage und Newcomer im Ergebnis unmöglich, einen von den Großverlagen unabhängigen Zugang zum Markt zu finden. Aber auch unter der Voraussetzung, daß die Beobachtung von Mestmäcker zutreffen würde, bestünde die Marktzugangsbeschränkung nicht aufgrund einer Bindung i. S. des § 18 GWB. Eine Beschränkung i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 - 4 GWB muß durch rechtliche Bindungen erfolgen, ein wirtschaftlicher Druck allein ist bei § 18 GWB erst nach der Feststellung rechtlicher Bindungen bei der Prüfung der Billigkeit zu berücksichtigen. MestmäckerS8 stellt selbst keine rechtlichen, sondern faktische Bindungen und Kontrollen fest und führt die Marktzutrittsbeschränkung auf die wirtschaftliche Macht der Großverlage zurück. Diese Marktzutrittsbeschränkungen beruhen daher nicht unmittelbar auf rechtlichen Bindungen, sondern nur mittelbar, da das gesamte System, dessen Auswirkungen Mestmäckter rügt, aus vertraglichen Vereinbarungen entstanden ist. Aber auch wenn unterstellt wird, die Marktzutrittsbeschränkungen bestünden in dem von Mestmäcker behaupteten Umfang, so wären vertragliche Bindungen nicht kausal für die Beschränkungen, die Mestmäcker rügt. Es ist nicht ersichtlich, daß die Grossisten vertraglich von Großverlagen gebunden würden, die Aufnahme neuer Verlage oder Objekte abzulehnen. Die Bindung beinhaltet nur, daß der Grossist seine Gebietsgrenzen bei der Auslieferung von Zeitungen und Zeitschriften nicht überschreiten darf. Von dem bindenden Verlag wird ihm aber nicht auferlegt, ausschließlich seine Objekte zu vertreiben oder andere abzulehnen. Vielmehr muß der Grossist, schon um seine Gebietsalleinstellung erhalten zu können, daran interessiert sein, möglichst alle Objekte aufzunehmen. Sollten also Marktzutrittsbeschränkungen für kleinere Verlage zu dem Lesermarkt bestehen, so beruhen diese auf einem systemwidrigen Verhalten des Grossisten, nicht aber auf den Vertriebs- und Verwendungsbindungen. Eine Eingriffsbefugnis der Kartellbehörden . ist also nach § 18 Abs. 1 Lit. b) insoweit nicht gegeben. Bei der Prüfung, ob für neue Presse-Grosso-Unternehmen Marktzutrittsbeschränkungen i. S. des § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB bestehen, kommt es entscheidend darauf an, ob ein Zugang zu diesem Markt für Absatzmittler-Leistungen überhaupt möglich ist. Die Tatsache, daß ein neuer Presse-Grossist sich nicht im Markt etablieren kann, beruht auf einer rechtlichen Bindung der überwiegenden Zahl der Verlage, in der sich diese verpflichtet haben, in einem bestimmten Gebiet nur einen Grossisten zu beliefern. Das Geasmtsystem beruht auf dieser Bindung der Verlage und schließt das Auftreten neuer Grossisten aus. Diese Bindungen beschränken aber dann nicht. den Marktzutritt i.S. des S8

Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 181, 184.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

§ 18 Abs. 1 Lit. b), wenn es für ein neues Unternehmen wirtschaftlich, finanziell oder aus anderen faktischen Gründen nicht möglich ist, in diesem Markt tätig zu werden69 • Es stellt sich also, anders formuliert, die Frage, ob der Marktzutritt dann erfolgen könnte, wenn die Kartellbehörden die entsprechenden Bindungen aufheben. Dies erscheint zweifelhaft, da die Verlage derzeit auch ohne rechtliche Bindung an den wesentlichen Systemelementen festhalten. Neben den rechtlichen Bindungen besteht also eine Systemimmanenz, die das Eintreten neuer Grossisten in den Markt schon wirtschaftlich unmöglich macht. Auf diese Begründung stützt sich auch der Beklagten-Vortrag in dem "MAL-Verfahren" vor dem Landgericht Mannheim1o • Hier wird ausgeführt, das durch Remissionsrecht, Auflagen- und Bedarfssteuerung und die Bezugsregulierung geprägte Presseabsatzsystem setze den alleinigen Gebiets-Grossisten denknotwendig voraus. Wenn dies richtig ist, so besteht für das System des alleinigen Grossisten derzeit eine Branchennotwendigkeit, die zur Rechtfertigung und Anerkennung des Systems führen kann'1.

Es mag zweifelhaft sein, ob die genannten Besonderheiten des Presse"' absatzsystems den alleinigen Gebiets-Grossisten denknotwendig voraussetzen'!, jedenfalls können sie die Beschränkung des Marktzutritts für neue Absatzmittler-Unternehmen rechtfertigen, solange die Hersteller von Presseobjekten an dem bestehenden System festhalten. Diesen steht es, wie jedem anderen Hersteller von Waren, grundsätzlich frei, über den Absatzweg ihrer Ware und über die Art und Organisation ihres Vertriebssystems selbst zu bestimmen. Bei diesem Bestimmungsrecht jedoch ist zu berücksichtigen, daß Marktzutrittsbeschränkungen für Dritte dann unbillig sind, wenn in erster Linie wettbewerbsbeschränkende Zwecke verfolgt werden'3. Es kommt daher auf die Zielrichtung der auferlegten Bindung an. Dienen sie, wie aufgezeigt, den sachlich begründete!! und technisch notwendigen Absatzinteresse, so kann die Marktzugangsbeschränkung hingenommen werden. Eine solche kann zwar nur in Ausnahmefällen durch ganz dringende Interessen des bindenden Unternehmens gerechtfertigt werden'4. Der Presseabsatzmarkt ist zur Zeit eine solche Ausnahme. Die Gebietsabgrenzungen im Grosso-Bereich sind wettbewerbsrechtlich bedenklich, können 60 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 134; Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 43; Deringer / Tessin, S. 132, 137.

LG Mannheim, WRP 1976, S. 410, 411. Gleiss / Hirsch, S. 17, 19. I! Dies verneinen: Krüger, Manfred / Wanner in dem Gutachten "AlleinGrossisten oder Wettbewerbs-Grossisten", unveröffentlicht, München 1976, so

81

S. 16,27.

ea Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 210. Emmerich, in: Immenga I Mestmäcker, § 18, Rdnr. 208.

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I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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aber gerechtfertigt werden mit den Besonderheiten dieses Absatzsystems. Die Beschränkung des Marktzutritts für neue Presse-Grossisten kann aber nur so lange hingenommen werden, als die im Markt tätigen Unternehmen den Gebietsschutz zur technischen Durchführung des Absatzes und der Bezugsregulierung benötigen, die Marktzutrittsbeschränkung aber nicht allein zum Erhalt der Marktpositionen aufrecht erhalten wird. Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, ob der den Marktzutritt erstrebende Dritte über die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten verfügt, die gleichen oder bessere Leistungen zu erbringen wie die bereits im Markt tätigen Absatzmittler. Marktzutrittsbeschränkungen für Dritte bieten derzeit den Kartellbehörden keine Eingriffsmöglichkeit nach § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB, da sie aufgrund der markttypischen Gegebenheiten unvermeidbar sind. c) Die wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs (§ 18 Abs. 1 Lit. c) GWB)

Durch die Eingriffsermächtigung des § 18 Abs. 1 Lit. c) GWB wird allein der Wettbewerb als Institution geschützt65 , wobei die Auswirkung dieses Schutzes sich reflexartig auf die individuelle Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten des bindenden Unternehmens und der Gebundenen erstreckt". Es ist bei der Prüfung dieser Vorschrift daher erforderlich, die Wettbewerbsverhältnisse auf dem zu bestimmenden Markt umfassend zu ermitteln. Diese Marktfolgenprüfung hat alle bestehenden Bindungen zu berücksichtigen67 , es sind daher nicht nur die einzelnen Bindungsverträge zwischen dem bindenden und dem gebundenen Unternehmen heranzuziehen, sondern die Beschränkungen durch Andere und Dritte mit zu berücksichtigen. Bei der Auslegung dieser Bestimmung geht auch die herrschende Meinung davon aus, daß eine Bündelung der Bindungen zu berücksichtigen ist und eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen hat68 • Wie hier schon für die beiden anderen Eingriffsermächtigungen vertreten, ist dieser Meinung zu folgen, da nur eine Berücksichtigung aller Bindungen und der parallelen Bindungssysteme marktgerechte Bewertungen ermöglicht. Erst in Kenntnis des Zusammenwirkens der Bindungen es Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 150; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 66; Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 53. tt Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 66; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 216. 87 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 224; Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 53. 18 Langen / Niederleithinger, Schmidt, § 18, Rdnr. 151; Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 53; Gleiss / Hirsch, S. 19; WuW /E BKartA 1199, 1207 "Kraftfahrzeugpßegemittel"; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 66; a. A. Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, S. 57.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

sind die Folgen für den Wettbewerb feststellbar. § 18 Abs. 1 Lit. c) verlangt, daß der Wettbewerb beeinträchtigt, also beschränkt wird, eine bloße Eignung genügt hier - im Gegensatz zu § 1 GWB - nicht89 • Dies bedeutet jedoch nicht, daß das Bundeskartellamt in jedem einzelnen Fall überprüfen müßte, ob die vertraglichen Bindungen auch eingehalten und durchgesetzt werden70 • Das Bundeskartellamt begründet seine Ansicht damit, daß die Beweiserleichterung des § 34 GWB zunichte gemacht würde, wenn es die tatsächliche Einhaltung der Bindungen überprüfen müßte 71 • Im übrigen müsse sich das bindende Unternehmen an den geschlossenen Verträgen solange festhalten lassen, bis es diese geändert habe. Bindungssysteme können also aufgehoben werden, ohne daß im einzelnen nachzuprüfen ist, ob die Marktbeteiligten sich an diese Bindungen halten72 • Dies ergibt sich nach der richtigen Ansicht des Bundeskartellamtes daraus, daß Untersagungsverfügungen nach § 18 Abs. 1 Lit. c) GWB nicht gegen faktisches Verhalten, sondern gegen konkrete vertragliche Bindungssysteme gerichtet sind73 • Hervorzuheben ist bei der hier vorzunehmenden Darstellung der Vorschrift, daß die Wettbewerbsverhältnisse, deren Beeinträchtigung zu prüfen ist, unterschieden werden müssen sowohl nach dem räumlich relevanten Markt74 als auch danach, auf welchen Absatzmittler-Stufen der Wettbewerb stattfindet75 • Der BundesgerichtshoFS führt hierzu aus, für die Marktabgrenzung unter dem Gesichtspunkt der Bedarfsdeckung sei nicht allein die Beschaffenheit der Ware maßgebend, sondern es sei jeweils vom Bedarf der Marktgegenseite auszugehen, der je nach Wirtschaftsstufe, der die Nachfrageseite angehöre, verschieden sein könne. Auch das Bundeskartellamt geht in seiner Entscheidung "Kraftfahrzeugpflegemittel"17 davon aus, daß die Märkte Einzelhandel/Privater Verbrauch und Handel/Einzelhandel getrennt auf ihre Wettbewerbsverhältnisse zu untersuchen sind, wobei es für die Anwendung des § 18 GWB ausreiche, wenn auf einem dieser Märkte der Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt werde. 81 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 69; Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 53; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 160.

WuW!E ;BKartA 1199, 1208 "Kraftfahrzeugpflegemittel". WuW /E BKartA 1199, 1209 "Kraftfallrzeugpflegemittel". 7t Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 222. 73 WuW /E BKartA 1199, 1209 "Kraftfahrzeugpflegemittel" . . 74 Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 55; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 156. 75 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 66 . . 78 WuW /E BGH 1238, 1241 "Registrierkassen". 77 WuW /E BKartA 1199, 1207. 70

71

I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

129

Wesentlich ist die Wettbewerbsbeschränkung dann, wenn sie auf die Funktion des Wettbewerbs als Marktordnungsfaktor eine fühlbar nachteilige Wirkung ausübt78 , wobei nicht erforderlich ist, daß der Wettbewerb ganz oder nahezu ausgeschaltet wird79 • Die Voraussetzungen der Lit. c) des § 18 Abs. 1 GWB sind nur schwer nachzuweisen, und dieser Tatbestand hat daher bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt80 • Unwirksamkeitserklärungen, die ausschließlich auf die Lit. c) gestützt wurden, sind von den Kartellbehörden daher bisher nicht ausgesprochen worden. Zumeist werden Verfügungen nach § 18 auf alle drei Eingriffsermächtigungen gestützt. Dies ist auch sinnvoll, da sich die drei Tatbestände in vielen Bereichen überschneiden 81 • Dennoch soll hier versucht werden, die im Presseabsatzmarkt nach diesem Tatbestand zu bewertenden Beeinträchtigungen darzustellen. Es ist im Ausgangspunkt dieser überlegung danach zu fragen, welche Unternehmen in ihrem Markt- bzw. Wettbewerbsverhalten beschränkt werden und welche Wettbewerbsverhältnisse dadurch beeinträchtigt werden. Wie bereits oben82 dargestellt, werden die Wettbewerbsverhältnisse im Presseabsatzmarkt durch die Vertriebs- und Verwendungsbindungen beschränkt, ohne daß der Wettbewerb jedoch völlig ausgeschlossen wird. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs der Verlage um die Leistungen der Absatzmittler kann darin erblickt werden, daß die Verlage in ihrer Gesamtheit den Absatzmittlern die gleichen Bindungen auferlegen, was dazu führt, daß die Absatzmittler einzelnen Verlagen nur in engen Grenzen Sonderleistungen und Vergünstigungen gewähren können. Die Begünstigung eines einzelnen Objektes findet ihre Grenze dort, wo sie sich zu Lasten anderer Objekte auswirken würde. Dieser Grundsatz kann als Verpflichtung zur Gleichbehandlung oder auch als Neutralitätsverpflichtung verstanden werden. Unabhängig davon, ob er aus dem Berufsethos der Absatzmittler83 , dem Eigeninteresse8' oder als Rechtfolge aus der Alleinstellung85 abgeleitet werden kann, bleibt festzuhalten, daß der einzelne Absatzmittler, insbesondere der Grossist und Bahnhofsbuchhändler, hierzu deswegen verpflichtet ist, weil ihm von allen Lieferanten die gleichen Vertriebs- und Verwendungsbindungen auferlegt werden. Die Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 56. Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 225; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 162. 80 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 215. 81 So ebenfalls Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 217. 8Z s. o. Kap. D. 11. 83 Kaiser, S. 91. M Bundeskartellamt im Tätigkeitsbericht 1976, BT-Drucksache 8/704, S. 96. 85 Ipsen, S. 81; Kuner, AfP 1979, S. 377. 78

79

9 Roggen

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Bündelung der Bindungen führt dazu, daß Kollisionen nur durch Gleichbehandlung vermieden werden können. Ein Wettbewerbsausschluß auf dem Markt der Absatzmittler-Leistungen erfolgt also nur insoweit, als der vorbezeichnete Gleichbehandlungsgrundsatz dadurch verletzt werden könnte, daß der einzelne Absatzmittler aufgrund besonderer Vergünstigungen Sonderleistungen für ein Objekt zu Lasten anderer erbringt. Die gebündelten Bindungen bewirken daher nur eine teilweise Wettbewerbsbeeinträchtigung im Kollisionsfall. Dies ist m. E. kein hinreichender Sachverhalt, um ein Eingreifen der Kartellbehörden nach § 18 Abs. 1 Lit. c) für angezeigt zu halten. Ohne die auferlegten Vertriebs- und Verwendungsbindungen würden sich die Kollisionsfälle ebenfalls nur allein nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung lösen lassen, da andernfalls die von einzelnen Verlagen erzielbaren Wettbewerbsvorteile zu Lasten des Vertriebs anderer Objekte die Funktion der Absatzmittler und auch die Pressevielfalt gefährden würden. Eine Aufhebung der gebündelten Bindungen könnte im Ergebnis daher den Wettbewerb der Verlage um die Absatzmittler-Leistungen nicht steigern. Wettbewerbsbeschränkungen i. S. des § 18 Abs. 1 Lit. c) GWB sind aber nicht nur auf dem Markt für Absatzmittler-Leistungen, sondern insbesondere im Bereich des Presse-Gros so feststellbar. Es wurde bereits dargestellt, daß unter den Presse-Grossisten kein Wettbewerb bestehtS6 • Der jeweilige Gebiets-Grossist hat aufgrund der Vereinbarungen i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 GWB ein Nachfragemonopol gegenüber den Verlagen und ein Angebotsmonopol gegenüber dem Einzelhandel in seinem Gebiet. Diese Feststellung allein begründet aber nicht den Schluß, daß die entsprechenden Bindungen nach § 18 Abs. 1 Lit. c) GWB aufzuheben seien. Die zu § 18 Abs. 1 Lit. b) gefundenen Ergebnisse würden hierzu in Widerspruch stehen. Nun enthält aber Lit. c) nicht, wie Lit. b), das Korrektiv der Billigkeit, aus dem die Rechtfertigung der Bindungen abgeleitet werden könnte. Nur das Tatbestandsmerkmal der "wesentlichen" Beeinträchtigung läßt bei Lit. c) Wertungsmöglichkeiten offen. Diese Frage der Wesentlichkeit führt aber nicht zu der nach Lit. a) und b) möglichen Interessenabwägung. Somit könnte bei gleicher Wettbewerbslage jeweils die Lit. c) nach § 18 GWB das ausschlaggebende Bewertungskriterium sein, da hier keine Rechtfertigung durch Billigkeitserwägung möglich wäre. Für das Presse-Grosso würde dies bedeuten, daß auch bei begründeter 88

s. o. Kap. D. H. 3. a).

I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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Rechtfertigung und Monopolstellung nach Lit. a) und b) letztlich doch aufgrund der Lit. c) diese MonopolsteIlung durch Unwirksamkeitserklärung der Bindungen fallen müßte. Das abstrakte Problem dieser Eingriffsvoraussetzung wird, von van Venrooy87 erkannt, der versucht, für die drei Eingriffstatbestände gleiche Voraussetzungen zu begründen, indem er Abs. 2 des § 18 GWB gleichsam eine Klammerfunktion zuerkennt, die entgegen dem Wortlaut für alle drei Tatbestände zu gelten habe. Venrooy88 führt hierzu aus, die Unbilligkeit werde in Abs. 2 als Wesentlichkeit definiert, und daher bedeute das "wesentlich" in Lit. c) das gleiche wie "unbillig" in Lit. a) und b). Durch diese Definition wird zwar eine einheitliche Auslegung der Begriffe des § 18 GWB erzielt, das vorliegende Problem ist aber deswegen noch nicht gelöst, weil mit der Definition von Venrooy nur erreicht wird, daß "unbillige" Beschränkungen nicht für unwirksam zu erklären sind, wenn diese Beschränkungen nicht "wesentlich" sind, also den einheitlichen Quantitätsbegriff89 nicht erfüllen. Im Bereich des Presse-Grosso stellt sich das Problem aber anders. Hier liegt eine wesentliche Wettbewerbsbeeinträchtigung vor, und es fragt sich, ob sie bestehen bleiben kann, weil sie ggf. nicht unbillig ist. Die Lösung ergibt sich m. E. schon· aus dem Zweck des § 18 GWB. Diese Vorschrift setzt voraus, daß Vertriebs- und Verwendungsbindungen grundsätzlich erlaubt sind und praktiziert werden dürfen, wenn nicht besondere, im einzelnen in Lit. a) bis b) aufgeführte Gründe vorliegen. Die MonopolsteIlung des Presse-Grosso ist eine zwingende Folge der an sich erlaubten Bindung. Da jede Vertriebsbindung zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen führen muß, würde eine strenge, allein am Wortlaut orientierte Auslegung der Lit. c) dazu führen, daß alle Vertriebsbindungen per se aufhebbar wären. Dies jedoch widerspricht dem Grundsatz, daß der Hersteller einer Ware den Vertriebsweg frei wählen kann. Somit ergibt sich, daß die Auslegung der Lit. c) davon auszugehen hat, daß Wettbewerbsbeschränkungen dann zulässig sind, wenn sie nicht das für die Aufrechterhaltung des gewählten Vertriebsweges erforderliche Maß überschreiten. Die Auslegung der "Wesentlichkeit" hat sich also sowohl an dem zu untersuchenden Markt als auch an der Funktion der Marktbeteiligten zu orientieren und kann daher für versChiedene Märkte nicht einheitlich vorgenommen werden. Die Feststellung der MonopolsteIlungen des Presse-Grossisten reicht allein somit nicht dazu aus, die Voraussetzungen der Unwirksamkeitserklärung zu bejahen. Entscheidend ist hierbei, daß das derzeit beste87 Venrooy, S. 59. 88

8.



Venrooy, S. 94. Venrooy, S. 94.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

hende Presse-Vertriebssystem nur dann praktiziert werden kann, wenn die beschriebenen Monopolstellungen der Grossisten bestehen. Lehmpfuhl90 meint sogar, eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch ein Vertriebsbindungssystem würde nur in Ausnahmefällen gegeben sein, da in aller Regel die bindenden Unternehmen selbst in schärfstem Wettbewerb miteinander stünden. Diese These trifft aber nur für einen Teil der durch Vertriebsbindungssysteme betroffenen Märkte zu. Lehmpfuhl verkennt, daß neben dem Herstellermarkt noch ein eigener Markt der Absatzmittler-Leistungen besteht und auf diesem der Wettbewerb ebenfalls beschränkt werden kann. Richtig ist, daß die Auswirkungen der Alleinstellung der Grossisten eher den Absatzmittler-Wettbewerb als den Wettbewerb der Verlage beeinträchtigen. Im Rahmen des § 18 GWB muß diese Wettbewerbsbeeinträchtigung solange hingenommen werden, als die Verlage ausschließlich von ihrem Recht auf freie Kundenwahl Gebrauch machen. Die Beweggründe der bindenden Verlage für die Erhaltung der Gebietsalleinstellung der Grossisten können nicht nach § 18 Abs. 1 Lit. c) als wettbewerbswidrig angesehen werden, sie dienen letztlich dem schnellen und kostengünstigen Absatz der Presseobjekte. Die Absicht, das bestehende System nur deswegen zu erhalten, um neue, auf den Absatzmittler-Markt drängende Grossisten auszuschließen, ist derzeit nicht erkennbar. Gegen die Möglichkeit der Kartellbehörde, nach § 18 Abs. 1 Lit. c) GWB die Alleingebietsstellung der Grossisten aufzuheben, läßt sich aber noch ein weiteres Argument anführen. Die Aufhebung der Vertriebsbindung der Grossisten (Gebietsbindung) und der Ausschließlichkeitsbindung der Verlage (ein Grossist je Gebiet) führt nicht per se zu einem Wettbewerb auf dem Absatzmittler-Markt. Die Aufhebung könnte nicht zur Eröffnung oder Steigerung des Wettbewerbsverhältnisses führen, da sie allein nicht bewirkt, daß ein neu in den Markt drängender Grossist beliefert werden müßte oder die bestehenden Grosso-Firmen ihre Gebietsgrenzen überschreiten würden. § 18 GWB gibt den Kartellbehörden keine Befugnis zu gestaltenden Eingriffen91 mit dem Ziel, Wettbewerb zu eröffnen, sondern bietet ausschließlich die Möglichkeit, bestehende Bindungssysteme für unwirksam zu erklären. Auch nach einer Unwirksamkeitserklärung könnten die Verlage nach § 18 GWB nicht gezwungen werden, neue Grossisten zu beliefern. Zwar könnten Schadensersatzansprüche nach § 35 GWB in Betracht kommen92 , wenn nach einer Unwirksamkeitserklärung neue, gleichartige Bindungen auferlegt würden. Ein solcher Schadensersatzanspruch würde aber

s. 58. Enunerich, in: Inunenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 234. s. dazu auch: WuW/E OLG 1952, 1953 "Objektschutz".

I. Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, 11 11

I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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weder zu einem Belieferungsanspruch eines neuen Grossisten führen, noch könnte ein etablierter Grossist auf diesem Weg gezwungen werden, seine Gebietsgrenzen zu überschreiten. Die Verneinung der Eingriffsvoraussetzung läßt sich auch noch mit der Erwägung stützen, daß ein Wettbewerb zwischen den Grossisten auch dann nicht zwingend eingeführt würde, wenn die Alleingebietsstellung aufgehoben würde. Vielmehr wäre zu erwarten, daß dann die in einigen Gebieten bereits bestehende Objekttrennung eingeführt würde. Die Verlage können gegen die von ihnen für vorteilhaft gehaltene Belieferung nur eines Grossisten in einem bestimmten Gebiet aufgrund der ihnen zustehenden freien Kundenwahl nicht durch eine Bindungsaufhebung veranlaßt werden, mehrere Grossisten in einem Gebiet mit den gleichen Objekten zU beliefern. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß § 18 Abs. 1 Lit. c) GWB zur Zeit den Kartellbehörden keine Möglichkeit gibt, über eine Unwirksamkeitserklärung die Marktstruktur zu ändern.

3. Redltsfolgen und das Problem des Antragsrechts a) Kartellbeh6rdlldle M6gHdlkelten

Aufgrund der dargestellten Ergebnisse zu der Anwendung des § 18 GWB erübrigt sich eigentlich eine Darstellung der Rechtsfolgen des § 18 GWB. Jedoch kann hierauf nicht verzichtet werden, da die Einschränkung zu machen war, daß sich dieses Ergebnis nur auf die derzeitige Marktstruktur bezieht. Sowohl die Vereinbarung neuer - z. T. in der Diskussion befindlicher - Bindungen als auch die mögliche Änderung des Marktverhaltens einzelner im bestehenden System läßt eine kurze Darstellung der Rechtsfolgen des § 18 GWB unverzichtbar erscheinen. Die Unwirksamkeitserklärung kann von der Kartellbehörde sowohl mit sofortiger Wirksamkeit als auch auf einen zukünftigen Zeitpunkt bezogen ausgesprochen werden. Außerdem haben die Kartellbehörden die Möglichkeit, die Anwendung neuer, gleichartiger Bindungen zu verbieten, wobei diese nicht im einzelnen genannt werden müssen, da sie ohnehin im Regelfall nicht bekannt sein dürften1 . Die Möglichkeit, sowohl einzelne Bindungen als auch das gesamte System dadurch aufzuheben, daß die wesentlichen Vertragsgrundlagen entzogen werden, gibt der Kartellbehörde einen weitgehenden Ermessensspielraum und 1 WuW/E BKartA 1199, 1211 "Kraftfahrzeugpflegemittel"; WuW /E BKartA 761, 765 "Elektro-Discount"; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr.239.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

erlaubt eine flexible, an den Marktverhältnissen ausgerichtete Handhabung der Vorschrift. Insbesondere die Möglichkeit, die Unwirksamkeitserklärung auf einen zukünftigen Zeitpunkt zu beziehen, erlaubt den Betroffenen Systemumstellungen mit übergangsfristen, die erhebliche wirtschaftliche Verluste ausschließen können. Gerade im Presseabsatzmarkt, in dem die Bindungen langjährig bestehen und praktiziert werden, dürften solche übergangsfristen erforderlich sein, damit das Vertriebssystem insgesamt angepaßt werden kann, ohne die Bereitstellung der Presseobjekte für den Endverbraucher zu gefährden. Bei der Unwirksamkeitserklärung der Kartellbehörde handelt es sich um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt, der die Wirksamkeit des Vertrages mit Wirkung für und gegen jedermann für die Zukunft beendet!. Diese Beendigung tritt mit der Rechtskraft der behördlichen Verfügung ein und bezieht sich auf die in der Verfügung enthaltene Bindung i. S. des § 18 GWB. Im Presseabsatzmarkt ist von besonderer Bedeutung, welche Folge die Aufhebung einzelner Bindungen auf den übrigen Vertrag hat, der Grundlage der Geschäftsbeziehung der AbsatzmittIer ist. Nach § 19 Abs. 1 GWB bestimmt sich die Gültigkeit der übrigen vertraglichen Vereinbarungen nach den allgemeinen Vorschriften. Diese Verweisung auf § 139 BGB führt in der Regel zur vollständigen Nichtigkeit, da bei der prägenden Funktion, die die dargestellten Vertriebs- und Verwendungsbindungen für das Presseabsatzsystem haben, nicht anzunehmen ist, daß ohne die Bindungen die Verträge so abgeschlossen worden wären, wie sie sich ohne den nichtigen Teil darstellen würden. Die Aufhebung einer einzelnen Bindung nach § 18 GWB wird daher im Presseabsatzsystem in der Regel zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen und damit bewirken, daß die gesamte Systemstruktur weitgehend aufgelöst wird. Die Verknüpfung der einzelnen Bindungen untereinander und die Abhängigkeit der Bindenden und Gebundenen davon, daß ihre jeweiligen Wettbewerber das gleiche Bindungssystem anwenden, würde schon bei Unwirksamkeit einer Bindung zur Instabilität des gesamten Systems führen. Beispielhaft ist dies an den Bindungen zwischen Verlag und Grosso-Unternehmen darstellbar. Wird die Vertriebsbindung des Grossisten an sein Gebiet aufgehoben und kann dieser daher in fremde Vertriebsgebiete liefern, so würde konsequenterweise der gesamte Absatzweg über das Presse-Grosso wesentlich verändert werden und eine Umstellung der Bezugsregulierungs- und Remissionsmechanismen erforderlich werden. Das Bundeskartellamt !

Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 231.

I. Grundzüge; Tatbestände und Rechtsfolgen des § 18 GWB

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würde daher gegebenenfalls von den Möglichkeiten des § 19 Abs. 2 GWB Gebrauch machen müssen. b) Das Antragsrecht

Fraglich ist, ob die Kartellbehörde dazu gezwungen werden kann, die Marktverhältnisse im Presseabsatzsystem nach § 18 GWB zu überprüfen und ggf. einzelne Bindungen oder das gesamte System für unwirksam zu erklären. Die Frage, ob dem Gebundenen und/oder Dritten ein Antragsrecht für ein Verfahren nach § 18 GWB zusteht, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Die Rechtsprechung lehnt ein Antragsrecht grundsätzlich ab 3 und begründet dies zum einen mit der Gesetzgebungsgeschichte', zum anderen mit dem sogenannten Opportunitätsprinzip, nach dem es im pflichtgemäßen Ermessen der Kartellbehörde liege, ob sie unter den Voraussetzungen des § 18 GWB gegen die dort genannten Verträge einschreiten wolle5 • Grundsätzlich leiten die Kartellbehörden nach § 51 Abs. 1 GWB ein Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag ein. Der Wortlaut des § 18 GWB sieht aber ein Antragsrecht nicht vor. Damit begründen Langen / Niederleithinger / Schmidt8 im wesentlichen ihre Ablehnung eines Antragsrechts. Schwartz7 stellt mit der Rechtsprechung auf das Opportunitätsprinzip ab. In der neueren Literatur mehren sich hingegen die Stimmen, die ein Antragsrecht bejahen. Gegen die Wortlautinterpretation führt K. Schmidt beachtliche Argumente ans. Emmerich9 begründet ein Antragsrecht, das mit der Untätigkeitsbeschwerde nach § 62 Abs. 3 GWB durchsetzbar sein soll, im wesentlichen damit, daß es rechtsstaatlich nicht nachzuvollziehen sei, wenn die Kartellbehörden schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen der in § 18 GWB bezeichneten Art schlicht tatenlos dulden. Er stützt diese Argumentation damit, daß der Gesetzgeber schon darauf verzichtet habe, die Bindung nach § 18 GWB ipso jure für unwirksam zu erklären und es daher der mindeste Schutz der Unternehmen sei, daß sie die Kartellbehörde zur Mißbrauchsaufsicht zwingen könnten lO • 3 WuW /E BGH 1515 "Rhenania Pilsener"; OLG Düsseldorf, WuW /E OLG 1801,1802 "Rhenania Pilsener". , WuW /E BGH 1515 f. "Rhenania Pilsener". 5 OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 1801 ff. "Rhenania Pilsener". • Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 171. 7 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 84. 8 Schmidt, Karsten: "Kartellverfahrensrecht Kartellverwaltungsrecht Bürgerliches Recht", Köln u. a., 1977, S. 566. 8 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 247, 248. 10 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 248.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Weniger weitgehend, hält Venrooy nur ein Antragsrecht der gebundenen Unternehmen selbst für erforderlichl l und verweist die nicht gebundenen Außenseiter auf ihre Rechte aus § 26 Abs. 2 GWB12. Venrooy verkennt nicht, daß der Gesetzgeber ausdrücklich auf ein Antragsrecht des Gebundenen verzichtet hat13 , er hält aber eine Rechtsanalogie zu den §§ 17 Abs. 1, 27 Abs. 1 GWB für erforderlich, um eine nach seinem System problemwidrige Lücke zu schließen14 . Zweifelhaft erscheint aber seine Begründung, daß in den Fällen der §§ 17 Abs. 1 und 27 Abs. 1 GWB ein ähnliches individuelles Betroffen-Sein vorläge, wie es im Falle des § 18 GWB anzunehmen seilS. Bei einer vertikalen Preisbindung und der Aufnahme in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung ist die Betroffenheit des Unternehmens individueller und firmenbezogener als bei den Fällen des § 18 GWB. Die alleinige Bestimmung der Handelsspanne durch den Lieferanten und die Aufnahmeverweigerung betreffen die Unternehmen in ihren ist ein anderer. Zwar soll durch diese Vorschrift auch der Individualindividuellen Interessen, ohne daß dadurch eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs bedingt sein müßte. Dies ist als Grund für die Zuerkennung eines Antragsrechtes zu sehen. Der Schutzzweck des § 18 GWB schutz erreicht werden, vornehmlich besteht der Schutz aber im Hinblick auf den Wettbewerb als Institution. übergeordnete Wettbewerbsgesichtspunkte sind daher in § 18 GWB mehr zu berücksichtigen. Die Analogie von Venrooy erscheint daher bedenklich. Entscheidend spricht aber gegen sein Ergebnis, daß die Gebundenen und die Außenseiter nicht gleich behandelt werden. So ist es nicht einsichtig, warum nicht die durch § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB geschützten Unternehmen ebenfalls ein Antragsrecht haben sollten, wenn dieses den Gebundenen schon zusteht. Venrooy begründet dies damit1 6 , es bestünde keine Veranlassung, ihnen ein Antragsrecht zu gewähren, da es für Venrooy um die theoretische Lückenlosigkeit des Bindungssystems gehe, diese aber durch Dritte nicht gestört werden könne. Wenn hingegen der Schutz des Wettbewerbs als Institution und nicht der Systemschutz als entscheidend angesehen wird, so kommt es auf die Abgrenzung Venrooys nicht an. Die Ungleichbehandlung ist daher abzulehnen. Aber in Konsequenz dieser überlegung den Schluß zu ziehen, es stünden den Gebundenen und den Außenseitern ein Antragsrecht zu, erscheint eben11 Venrooy, S. 165. 1! Venrooy, S. 167. 13 Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, S.62, Fn. 15: Streichung durch den wirtschaftspolitischen Ausschuß. 14 Venrooy, S. 164, 165, dort insbesondere Fn. 371. 15 Venrooy, S. 165. 18 Venrooy, S. 166.

11. Bindungsverstöße und ihre Auswirkungen

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falls nicht sachgerecht. Nach der Meinung Emmerichs 17 würden alle Marktbeteiligten des Presseabsatzsystems und auch die (noch) nicht Beteiligten die Kartellbehörden über § 62 Abs. 3 GWB zur umfassenden Marktprüfung und -strukturanalyse zwingen können. Aber nicht nur der Pressevertriebsmarkt, sondern auch die Markenartikelmärkte mit ihren vielfältigen Vertriebs- und Verwendungsbindungen müßten auf Antrag von den Kartellbehörden ggf. gleichzeitig umfassend überprüft werden. Daß dies für die Kartellbehörden weder sachlich noch personell zu bewältigen wäre, ist offensichtlich. Dies ist zwar kein juristisches Argument gegen ein Antragsrecht nach § 18 GWB, es erklärt aber, warum der Gesetzgeber auf ein Antragsrecht verzichtet hat. Zu dem von der Rechtsprechung angeführten Opportunitätsprinzip wäre also noch ein sogenanntes Kapazitätsprinzip hinzuzusetzen. Die Funktion der Unwirksamkeitserklärung nach § 18 GWB besteht darin, Märkte aufzubrechen und Wettbewerb wiederherzustellen. Ähnlich wie kartellrechtlich diskutierte Entflechtungsmodelle können auch Markterschließungen nach § 18 GWB nicht gleichzeitig und auf Antrag eines Betroffenen durchgeführt werden, sondern sind abhängig - sowohl von wirtschafts- als auch gesellschaftspolitischen Prämissen. Die Entscheidung über eine Verfahrenseinleitung hat daher im pflichtgemäßen Ermessen der Kartellbehörden zu verbleiben. Ein mit der Untätigkeitsbeschwerde durchsetzbares Antragsrecht der Gebundenen und Außenseiter besteht demnach nicht. Diese sind auf die Möglichkeit, ein Verfahren anzuregen, beschränkt18 •

11. Bindungsverstöße und ihre Auswirkungen auf die Beurteilung der Billigkeit der Bindungen Vertriebsbindungssysteme sind - wie auch Preisbindungen - nur dann wirksam und durchsetzbar, wenn sie theoretisch und praktisch lückenlos sind1 . Fehlen diese Voraussetzungen, so bedarf es eigentlich keiner Unwirksamkeitserklärung der Kartellbehörde, da die vertraglich vereinbarten Bindungen ohnehin nicht wirksam, jedenfalls nicht durchsetzbar sind. Die theoretische oder gedankliche 2 Lückenlosigkeit eines Bindungssystems ist dann gegeben, wenn der Hersteller alle Abnehmer zur EinhaItung der Bindungen und zur Weitergabe an die nächste Handelsstufe verpflichtet. Praktische Lückenlosigkeit setzt 17 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 248; ebenso K. Schmidt: "Kartellverfahrensrecht", S. 588, 590. 18 Im Ergebnis ähnlich Müller / Giessler, § 18, Rdnr. 8. 1 OLG Stuttgart, WuW /E OLG 225 "Erstverkaufstage 11"; WuW /E OLG 407,408 "Farbfilmvertrieb"; Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, S. 87 ff. 2 So Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, S. 87.

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

voraus, daß die Bindungen auch tatsächlich eingehalten werden, wobei vereinzelte Fehlschläge die Lückenlosigkeit noch nicht aufheben3 • Auf die Begründung des Lückenlosigkeitserfordernisses ist hier im einzelnen nicht einzugehen. Auch bei unterschiedlicher Herleitung Zumutbarkeit4, Systembezogenheit6 oder aus § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB8 - besteht doch Einigkeit darüber, daß die theoretische und gedankliche Lückenlosigkeit für jedes Bindungssystem erforderlich ist, und dies nicht nur für die Anwendung des § 1 UWG oder des § 826 BGB, sondern auch für die Beurteilung der Billigkeit i. S. des § 18 GWB. So sind lückenhaft aufgebaute oder durchgeführte Vertriebsbindungssysteme unbillig i. S. des § 18 Abs. 1 Lit. a) GWB7. Das Bindungssystem im Presseabsatzmarkt und dessen Durchsetzbarkeit ist also davon abhängig, daß alle Abnehmer gebunden werden und sich auch daran halten. Hinsichtlich der Erstverkaufstage hat das OLG Stuttgart 1958 festgestellt 8 , daß in Stuttgart Illustrierte in so erheblichem Umfang von dem Einzelhandel vor dem Erstverkaufstag abgegeben wurden, daß eine lückenlose Durchführung der vertraglichen Verpflichtung zur Einhaltung des Erstverkaufstages nicht zu bejahen sei. Das OLG kam daher aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, daß ein Vorverkauf nicht gegen § 1 UWG verstoße. Die Lückenlosigkeit dieser Vertriebsbindung ist für jeden regionalen Markt gesondert zu beurteilen. In anderen Städten und Zeiten wäre der Fall des Vorverkaufs möglicherweise anders zu entscheiden gewesen. Eine umfassende Untersuchung über die Einhaltung der Erstverkaufstage ist technisch kaum möglich und verspricht auch nur wenig Gewinn, da es sich um ein geringes Teilproblem der gesamten Bindungen handelt. In der zur Vorbereitung dieser Arbeit durchgeführten Umfrage bei Verlagen wurde jedenfalls auch heute noch die Nichteinhaltung der Erstverkaufstage als häufigster Bindungsverstoß genannt. Gerichtliche Verfahren sind daher nach dem genannten Urteil des OLG Stuttgart nicht mehr bekannt geworden. Zumeist werden Vorverkäufe durch die Verlage oder Grossisten mit Ermahnungen an den Einzelhandel unterbunden, wodurch jedoch eine konsequente Einhaltung noch nicht erreicht werden konnte. Eine praktische Lückenhaftigkeit kann aber allenfalls wohl in zeitlich und räumlich begrenzten Teilmärkten festgestellt werden. 3 Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, S. 90; BGH NJW 1970,557,559 (zur Preisbindung). , WuWJE BGH 623, 624 "Grauer Markt". , Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, S. 86. t Venrooy, S. 134. 1 Langen j Niederleithinger j Schmidt, § 18, Rdnr. 112; ihm folgt Emmerich, in: Immenga j Mestmäcker, § 18, Rdnr. 191. 8 WuWJE OLG 225, 226 "Erstverkaufstage" .

11. Bindungsverstöße und ihre Auswirkungen

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Bindungsverstöße der Verlage können dann auftreten, wenn diese entgegen dem mit einem Grossisten vereinbarten Alleinauslieferungsrecht in seinem Gebiet einen weiteren Grossisten beliefern oder das Grossieren anderer Firmen dulden. Eine solche Duldung tritt theoretisch dann auf, wenn ein Verlag große Einzelhändler, Handelsketten und Kaufhäuser direkt beliefert und diese dann die gleiche Verteilfunktion wie das Grosso erfüllen. Da bei der Direktbelieferung in der Regel gleiche Handelsspannen wie bei der Lieferung an das Grosso gewährt werden, kann der belieferte Einzelhandel durchaus in die Lage versetzt werden, selbst zu grossieren. Zur Zeit erfolgen jedoch Direktbelieferungen des Einzelhandels nur in beschränktem Umfang', sollte dies jedoch geändert werden, so würde die Billigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Lit. a) und b) GWB dann zu verneinen sein, wenn tatsächlich festgestellt wird, daß die Verlage das Entstehen neuer Grossisten begünstigen und daher davon auszugehen ist, daß sich die Verlage selbst nicht mehr an das von ihnen maßgeblich geschaffene System des alleinigen Gebiets-Grossisten halten. Die Einhaltung des Vertriebsbindungssystems bei Zeitungen und Zeitschriften stellt sich demnach als Voraussetzung dafür da, daß dieses nach § 18 GWB Bestand haben kann und nach § 1 UWG durchsetzbar ist. Verschiedene systeminkonforme Absatzwege, wie die Belieferung von Sonderverkaufsstellen, teilweise der Taschenbuchvertrieb und die Direktbelieferung beeinträchtigen die Einhaltung des Bindungssystems bei Zeitungen und Zeitschriften grundsätzlich nicht. Erst wenn diese Sonderformen auf den Zeitungs- und Zeitschriftenvertriebsmarkt übertragen werden und so die derzeit bestehende Marktstruktur aufge...; brochen wird, können die vereinbarten Bindungen als systemwidrig und damit als unbillig angesehen werden. Die Rechtfertigung der Marktzutritts- und Wettbewerbsbeschränkung ist somit davon abhängig, daß sich die Partner der Bindungsvereinbarungen an diese halten und mit neuen Partnern die gleichen Bindungen vereinbart werden. Durchbrechungen der theoretischen und praktischen Lückenlosigkeit des Bindungssystems können sich auch durch Bindungsverstöße im Bereich des Grosso ergeben. Nichteinhaltung der vereinbarten Gebietsgrenzen, Belieferung des Endverbrauchers, Sortimentßbeschränkungen und Nichtüberwachung der Einzelhandelsbindungen sind mögliche Verstöße im Grosso-Bereich, die die Lückenlosigkeit des Systems beeinflussen. Die praktische Lückenlosigkeit des Systems kann aber auch dann fehlen, wenn die ernsthafte Möglichkeit von Re-Importen aus dem Ausland besteht. Da Vertriebsbindungen in Frankreich verboten sind und Re-Export- und Re-Import-Verbote in aller Regel gegen Art. 85 t

s. o. Kap. B. 11. 7. c).

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F. Die Vertriebs- und Verwendungsbindungen

Abs. 1 EWGV verstoßen, lassen sich Vertriebsbindungssysteme bei Waren, bei denen ohne weiteres ein grenzüberschreitender Handel in Betracht kommt, kaum mehr durchsetzen1o • Insbesondere bei grenznahen Grosso-Betrieben beinhaltet die Gebietsabgrenzung gleichzeitig ein Exportverbot, das nach Art. 85 Abs. 1 EWGV zu beurteilen ist. Ohne diese Problematik hier vollständig darstellen zu müssen, ist doch ersichtlich, daß in grenznahen Gebieten Systemdurchbrechungen möglich sind, die sich auf die Beurteilung der Billigkeit der Bindungen auswirken können. Grundsätzlich eignen sich Zeitungen und Zeitschriften aber für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EG nur in sehr geringem Maße wegen des jeweiligen Einzugsgebietes des einzelnen Presseobjektes. Eine Aufbrechung des bestehenden Bindungssystems durch grenzüberschreitenden Handel und damit Bindungsumgehung kommt somit nicht in Betracht. Bindungsverstöße im Bereich des Bahnhofsbuchhandels können insbesondere dann auftreten, wenn der Firmeninhaber zusätzlich zu der Bahnhofsbuchhandlung noch Presse-Verkaufsstellen betreibt, die nicht unter die Definition des Bahnhofsbuchhandels fallen l l . Für diese Verkaufsstellen dürfen die direkt gelieferten Presseobjekte nicht verwendet werden, sondern der Bezug hat über das Presse-Grosso zu erfolgen. Verletzungen der auferlegten Vertriebsbindung, nur in den Bahnhofsbuchhandlungen zu veräußern, sind in der zur Vorbereitung dieser Arbeit durchgeführten Umfrage von den Verlagen vereinzelt genannt worden. Gerichtliche Verfahren haben - soweit ersichtlich - bisher nicht stattgefunden, zumeist werden die Verstöße durch Intervention der Verlage und des Grosso beseitigt. Im übrigen hat das in den letzten Jahren verfeinerte System der Bezugsregulierung und der Titelkontrolle im Bahnhofsbuchhandel die Verstöße wohl weitgehend eingedämmt. Einen Umfang, der die Bindung überhaupt in Frage stellen könnte, haben diese Verstöße zu keiner Zeit angenommen. Die Bindung wird auch dann, wenn sie vereinzelt nicht eingehalten werden sollte, nicht als lückenhaft und damit als unbillig angesehen werden können, da sich die Verstöße nur in räumlich kleinen und zeitlich beschränkten Teilmärkten auswirken. Die Billigkeit der Bindungen selbst ergibt sich schon aus der mit ihr zusammenhängenden Gewährung einer höheren Handelsspanne aufgrund besonderer Vertriebsaufgaben12 • Ohne auf die übrigen tatsächlichen und theoretisch möglichen Bindungsverstöße eingehen zu müssen, ergibt sich aus den aufgezeigten 10 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 18, Rdnr. 281; WuW/E OLG 1226, 1227 "Minolta". 11 s. o. Kap. B. 11. 4.; Kap. C. 2. c). 12 s. o. Kap. B. 11. 4.

11. Bindungsverstöße und ihre Auswirkungen

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Beispielen, daß die praktische und theoretische Lück:enlosigkeit des Bindungssystems im Presseabsatzmarkt zur Zeit nicht gefährdet ist. Für den Fall aber, daß sich überwiegend die Verlage oder Absatzmittler nicht an die Bindungen halten sollten oder Absatzsysteme einführen, die nicht den gleichen Bindungen unterliegen, so wird auch die Billigkeit der Bindungen i. S. des § 18 GWB mit der Lück:enlosigkeit zu verneinen sein. Die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit und des Marktzutritts ist nur solange nicht unbillig, wie sie zugunsten und zum Nachteil aller Beteiligten im Presseabsatzmarkt wirkt. Die Marktstruktur hängt also in ihrer Beurteilung nach § 18 GWB davon ab, daß sie eingehalten wird. Die Eingriffsmöglichkeiten der Kartellbehörden nach § 18 GWB bewirken somit allein durch ihre Existenz einen mittelbaren Zwang zu einem systemkonformen und bindungstreuen Verhalten.

G. Die Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 G WB im Presseabsatzmarkt I. Grundlagen 1. tlberblick Der Schwerpunkt der kartellrechtlichen Problematik des bestehenden Absatzsystems im Pressevertriebsmarkt liegt bei der Vorschrift des § 26 Abs. 2 GWB. Die Rechtsprechung hatte sich insbesondere in dem Verfahren zwischen der Firma MAL Einkaufs- und Vertriebsgesellschaft mbH & Co. Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftengroßhandel KG, Ludwigshafen und dem Heinrich Bauer Verlag mit dem kartellrechtlichen Problem des Marktzutritts im Grosso-Bereich und der AIleingebietsstellung auseinanderzusetzen1 • In vier in diesem Verfahren ergangenen Urteilen sind die kartell rechtlichen Probleme der GrossoGebietstrennung und des Marktzutritts in den Grosso-Bereich eingehend gewürdigt. Diese Urteile, die in der Fachwelt2 und in der juristischen Literatur3 große Beachtung gefunden haben, werden im einzelnen darzustellen sein. Die kartell rechtliche Problematik beschränkt sich bei § 26 Abs. 2 GWB aber nicht auf den Grosso-Bereich. Vielmehr sind auch die Abnahme- und Kontrahierungspflichten der anderen Handelsformen und die Problematik des Marktzuganges für Verlage und Objekte zu den einzelnen Absatzmittler-Typen zu untersuchen. Es soll hierbei versucht werden, ausgehend von der Darstellung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 GWB, Lösungswege für die speziellen Sachprobleme aufzuzeigen. Diese Orientierung an den Tatbestandsvoraussetzungen empfiehlt sich deswegen, weil es durch die Dreiteilung der Normstruktur des § 26 Abs. 2 GWB in die Adressatenkri1 LG Mannheim v. 13.2. 1976, WRP 1976, S. 410 ff. = AfP 1976, S. 42; OLG Karlsruhe v. 25.5.1977, WRP 1977, S. 656 ff. = BB 1977, S. 1112 ff. = AfP 1977, S. 411 = WuW/E OLG 1855 "Zeitschriftenvertrieb" ; BGH v. 10.10.1978, WuW / E BGH 1527 "Zeitschriften-Grossisten" = AfP 1979, S. 241 = WRP 1979, S. 35 ff. = GRUR 1979, S. 177 ff.; OLG Karlsruhe v. 23.4. 1980 WuW /E OLG 2289 "Zeitschriftenvertrieb 11" = DNV, Heft 6, 1980, S. 18 ff.; BGH v. 7.4. 1981 (KZR 17/80) WuW/E BGH 1822: Revision nicht nochmals angenommen, da keine grundsätzliche Bedeutung und auch keine Aussicht auf Erfolg. 2 s. z. B. DNV, Heft 2, 1979, S. 5 ff. mit Beiträgen von Scheuer / Koppehele und Bechtold. 3 Schmahl: "Das Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB", in: WRP 1979, S. 513 ff.; Wenzel: "Rechtsprobleme des Presse-Grosso", in: AfP 1979, S. 382 ff.; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 72.

I. Grundlagen

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terien, das Erfordernis eines gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs und die beiden Begehungstatbestände erforderlich ist, bei jedem dieser drei Teile unterschiedliche und voneinander unabhängige Wertentscheidungen zu treffen. Nach der Rechtsprechung des BGH4 dürfen keine Gesichtspunkte und Wertungsentscheidungen bei der Prüfung eines Tatbestandsmerkmals vorweggenommen werden, die erst in einem anderen Zusammenhang bei einem anderen Tatbestandsmerkmal zu treffen sind. Der BGH5 hat daher das erste Urteil des OLGKarlsruhe8 im MAL-Verfahren insbesondere deswegen aufgehoben, weil nach Ansicht des BGH das OLG bei der Prüfung der üblichkeit des möglichen Marktzugangs individuelle Besonderheiten des Presse-Grosso-Systems einbezogen habe, die erst bei der sachlichen Rechtfertigung zu berücksichtigen gewesen wären. Das OLG Karlsruhe hat sich in seinem zweiten Urteil in diesem Rechtsstreit dann der Prüfung der Gleichartigkeit und üblichen Zugänglichkeit enthalten. Es hat diese Frage dahinstehen lassen und allein die sachlich rechtfertigenden Gründe geprüft und - wie schon das LG Mannheim7 festgestellt, daß der Heinrich Bauer Verlag die Belieferung der Firma MAL aus sachlich gerechtfertigten Gründen verweigere. Für die Klageabweisung bei einer Klage auf Belieferung nach §§ 26 Abs. 2, 35 Abs. 1 GWB reicht grundsätzlich die Verneinung eines Tatbestandsmerkmals des § 26 Abs. 2 GWB bzw. allein die Bejahung eines sachlich gerechtfertigten Grundes. Auch werden die Interessenabwägung und die dafür herangezogenen Wertungsgesichtspunkte nicht bei jedem Tatbestandsmerkmal unterschiedlich und deutlich abgrenzbar sein. Eine Vorwegnahme von Wertungsgesichtspunkten wird sich daher in praxi dann nur schwer vermeiden lassen, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 26 Abs. 2 GWB geprüft werden. Wird jedoch der Ansicht des BGH8 gefolgt, so kann es den Instanzgerichten verwehrt sein, allein auf grund der sachlichen Rechtfertigung zu entscheiden, ohne die vorgelagerten Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen. Dies widerspricht zwar dem Grundsatz, daß ein klageabweisendes Urteil allein auf die Verneinung eines Tatbestandsmerkmals. gestützt werden kann, ist aber in einem Verfahren nach § 26 Abs. 2 GWB damit zu begründen, daß die sachliche Rechtfertigung sich in jedem Markt anders darstellt und daher eine genaue Kenntnis des Marktes, der Marktentwicklung , WuWjE BGH 1527, 1530 "Zeitschriften-Grossisten"; WuWjE BGH 1567, 1570 "Nordmende"; . 5 WuWJE BGH 1527, 1530 "Zeitschriften-Grossisten". • WuWJE OLG 1855 "Zeitschriftenvertrieb". 7 LG Mannheim, WRP 1976, 410, 414. 8 WuWjE BGH 1527, 1529 "Zeitschriftenvertrieb".

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

und der Interessen der Marktbeteiligten erforderlich ist. Dies ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn zunächst die vorgelagerten Tatbestandsmerkmale beurteilt werden. Auch dann, wenn dies in einem Urteil nicht ausdrücklich dargelegt wird, so sind doch die den vorgelagerten Tatbestandsmerkmalen zugrunde liegenden Wertungsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Darstellung folgt daher der Normstruktur des § 26 Abs. 2 GWB.

2. Der Normzweck des § 26 Abs. 2 GWB § 26 Abs. 2 GWB verfolgt, wie auch § 22 GWB, den Zweck, marktrnächtigen Unternehmen durch Beschränkung ihrer Handlungs- und Vertragsfreiheit die Ausnutzung der vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten Handlungsspielräume zu untersagen1 • Durch die Untersagung bestimmter Verhaltensweisen Behinderungen und Diskriminierungen - sollen Störungen des Marktgeschehens unterbunden werden. Hierdurch soll der Wettbewerb als Institution geschützt werden und zwar sowohl auf den Märkten, auf denen der Normadressat tätig ist als auch auf den vor- und nachgelagerten Märkten sowie auf Drittmärktenl!. Aber auch die tatsächlichen und möglichen Wettbewerber sind Schutzobjekte des § 26 Abs. 2 GWB, da diese Vorschrift Schutznorm i. S. des § 35 Abs. 1 GWB ist. Wie in § 18 GWB wird also sowohlInstitutionenschutz als auch Individualschutz bezweckt, wobei in § 26 Abs. 2 GWB beide Schutzrichtungen selbständig nebeneinander stehen. Der Individualschutz wird aber durch den wesentlich wettbewerbsbezogenen Zweck des § 26 Abs. 2 GWB eingeschränkt. Bei der Auslegung dieser Vorschrift und bei den erforderlichen Interessenabwägungen ist immer die auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des GWB zu berücksichtigen3 • Die Freiheit des Marktzugangs soll zwar durch § 26 Abs. 2 GWB geschützt werden', er dient aber nicht dazu, kleinere, wirtschaftlich abhängige Marktteilnehmer vor den Risiken eines Geschäftsabbruchs und damit vor den Risiken des Marktes zu bewahren5 • Baur8 weist überzeugend nach, daß entgegen der zeit1 h. M. WuW /E BGH 863, 870 "Rinderbesamung 11"; WuW/E BGH 1381, 1382 "Rossignol"; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 69; Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, 4. Aufl., 2. Lief. 1981, Köln u. a., Anm. 6 zu § 26 Abs. 2u. 3. I Zu Drittmärkten: WUW/E BKartA 1781, 1783 "Identteile"; WUW/E BGH 407, 410 "Molkereigenossenschaft"; Derleder: "Wirtschaftliche Diskriminierung zwischen Freiheit und Gleichheit", Kiel 1967, S. 144 ff.; (str.). 3 KG WuW /E OLG 2148, 2149 "Sonntag-Aktuell 11", WuW /E BGH 1629, 1632 "Modellbauartikel 11". , WuW/E BGH 1567, 1569 "Nordmende". 5 Baur, Jürgen F.: "Die Funktion des neuen Diskriminierungsverbots nach § 26112 GWB", in: Schwerpunkte des Kartellrechts 73/74, Heft 71 der FIW, S. 45, 50.

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weise im amerikanischen Recht vorgenommenen Auslegung der sect 2. des Clayton-Act in Verbindung mit dem Robinson-Patman-Act von 1936 § 26 Abs 2 GWB nicht als Ausfluß eines sozialen Schutzprinzips verstanden werden darf. Ein an nicht wettbewerblichen Grundsätzen orientiertes allgemeines Diskriminierungsverbot, das ähnlich wie Kündigungsschutzrechte im Arbeits- und Handelsvertreterrecht, Unternehmen davor schützen würde, Geschäftsverbindungen zu verlieren oder Marktrisiken ausgesetzt zu sein, ist von dem Normzweck des § 26 Abs. 2 GWB nicht gedeckt. Nur bei bestimmten Verhaltensweisen, die im folgenden zu umreißen sein werden, kann § 26 Abs. 2 GWB als Reflex einen gewissen Sozial schutz bewirken. Sollten solche Auswirkungen jedoch festgestellt werden, so wird jeweils zu prüfen sein, ob nicht durch die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB gerade das Gegenteil dessen verwirklicht wird, was die Vorschrift bezweckt. Markert7 stellt schon zu Beginn seiner Kommentierung des § 26 Abs. 2 GWB eindringlich dar, daß alle Verhaltensweisen im Markt, auch wenn sie von marktmächtigen Unternehmen angewandt werden, in ihren wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen ambivalent sind8 • Lieferverweigerungen, Wettbewerberbehinderungen und leistungswidrige Vergünstigungen können nicht nur dem Wettbewerb schaden, sondern ihm auch förderlich sein. Die auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des GWB ist daher bei der Auslegung aller Tatbestandsmerkmale des § 26 Abs. 2 GWB zu berücksichtigen, um der Gefahr zu entgehen, mit dem Ziel, Wettbewerber zu schützen, den Wettbewerb selbst zu unterbinden. Der Schutz der Marktteilnehmer birgt ständig die Gefahr in sich, Wettbewerbsverhältnisse zu zementieren und bestehende Marktstrukturen festzuschreiben. § 26 Abs. 2 GWB kann daher nicht unmittelbar zur umfassenden Kontrahierungspflicht führen 9 , andernfalls würde der Wettbewerb ausgeschlossen durch die Erstarrung von Marktbeziehungen1o . Die Vorschrift dient also nicht dazu, die schematische Herstellung wettbewerblicher Chancengleichheit auf den vor- und nachgelagerten Märkten zu bewirken l l und ist kein aus Art. 3 GG und dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteter allgemeiner Gleichheitsgrundsatz für den Privatrechtsverkehr mit markt8 s. Fn. 5, S. 50, 51 und Baur, Jürgen F.: "Die Funktion des Diskriminierungsverbots nach § 26 II 2 GWB", in: BB 1974, S. 1589, 1590. 7 Markert, in: lmmenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 58 - 68. B Markert, in: lmmenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 59. • Greiner, Hans-Peter: "Kontrahierungszwang als Folge des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots" , Regensburg 1975, S. 12, 105, 107 (Begründung: S. 72 ff.). 10 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, Anm. 4 zu § 26 Abs. 2 und 3. 11 Koller, lngo: "Der Gleichheitsmaßstab im Diskriminierungsverbot" , Stuttgart, 1972, S. 24, 33.

10 Roggen

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mächtigen Unternehmen l2 , sondern eine flexible Regelung, die es im konkreten Einzelfall ermöglicht, die unterschiedlichen wettbewerblichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Darum kann auch keine allgemeingültige Feststellung darüber getroffen werden, ob § 26 Abs. 2 GWB i. V. mit § 35 Abs. 1 GWB zu einem Kontrahierungszwang für das diskriminierende Unternehmen zugunsten des diskriminierten führt. Kontrahierungszwang ist nach der Definition Nipperdeys13 "die aufgrund einer Norm der Rechtsordnung einem Rechtssubjekt ohne seine Willensbildung im Interesse eines Begünstigten auferlegte Verpflichtung, mit diesem einen Vertrag bestimmten oder von unparteiischer Seite zu bestimmenden Inhalts abzuschließen". In der Rechtsprechung wird grundsätzlich eine solche Verpflichtungsmöglichkeit nach § 26 Abs. 2, § 35 Abs. 1 GWB anerkannt, jedoch nur vereinzelt auch zugesprochen14 , da die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB verneint wurden. Im Schrifttum wird die Möglichkeit eines Kontrahierungszwanges teilweise bejahtl5 • Andere Autoren lehnen einen Kontrahierungszwang grundsätzlich ab16 mit der Begründung, der Unterlassungsanspruch, der die Grundlage des Kontrahierungszwanges sei, könne im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB nicht zu einer konkreten Handlungspflicht führen 17 oder weil der Diskriminierte durch einen Vertragsschluß mittels Richterspruch mehr erhielt als er ohne Diskriminierung hatte l8 • M. E. kann der auf § 26 Abs. 2 GWB beruhende Schadensersatzanspruch dann zu einem Kontrahierungszwang führen, wenn der Normadressat bereits mit anderen Abnehmern gleichartige Verträge geschlossen hat und eine Gleichbehandlung nur durch Auferlegung von Belieferungspflichten möglich wird, nicht aber durch Abbruch sämtlicher Belieferungen der bisherigen Geschäftspartner. Es muß sich also im Einzelfall herausstellen, daß eine andere Beseitigung der Diskriminierung nicht möglich oder zu erwarMarkert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 71. Nipperdey, Hars Karl: "Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag", Jena 1920, S. 7. 14 BGHZ 42, 318, 320; 36, 91, 100; BGH BB 1970, 416; BGH WuW /E BGH 1028 "Sportartikelmesse 11"; WUW/E OLG 286, 288; WUW/E OLG 1083, 1085 "Fahrschulverkauf"; WUW/E OLG 740, 741; WUW/E BGH 886, 892; WuW/E BGH 1238, 1245 "Registrierkassen"; WUW/E BGH 1391, 1395 "Rossignol"; WUW/E BGH 1587 "Modellbauartikel"; WUW/E BGH 1629, 1634 "Modellbauartikel 11". 15 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, Anm. 68 zu § 26 Abs. 2 und 3; Langen / Niederleithinger I Schmidt, § 26, Rdnr. 157; Belke: "Die Geschäftsverweigerung im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen" , Tübingen 1966, S. 423 ff. 16 Kahrs, Werner: "Zivilrechtliche Ansprüche aufgrund einer Verletzung des Diskriminierungsverbots", Baden-Baden, 1965, S. 171 ff.; Greiner, S. 107. 17 Kahrs, S. 139, 175. 16 Greiner, S. 106, 107. 12 18

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ten ist. Dieses Problem läßt sich daher nicht abstrakt, sondern nur am konkreten Einzelfall lösen. Mit der Rechtsprechung wird hier ein Kontrahierungszwang für grundsätzlich möglich gehalten. Die von § 26 Abs. 2 GWB erstrebte Gleichbehandlung der von den Normadressaten abhängigen Unternehmen verbietet es, die Möglichkeit eines Kontrahierungszwanges von vornherein auszuschließenlU.

3. Die Konkurrenz zwischen § 26 Abs. 2 und § 18 GWH Nach der Darstellung des Normzwecks des § 26 Abs. 2 GWB ergibt sich die Frage, ob nicht die schon zu § 18 GWB gefundenen und dargestellten Lösungen für die Bewertung nach § 26 Abs. 2 GWB übernommen werden können. Es kommt in Betracht, daß bei den vertraglichen Vertriebs- und Verwendungsbindungen, die nach § 18 GWB zu beurteilen sind, diese Vorschrift die Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB gleichsam als lex specialis ausschließt. In dieser Richtung könnte der BGHI zu verstehen sein mit der Bemerkung, auf die "regelmäßigen Auswirkungen" von Ausschließlichkeitsbindungen sei nur § 18 GWB anwendbar. Auch in der kartell rechtlichen Literatur ist die Diskussion über das Verhältnis zwischen § 18 und § 26 Abs. 2 GWB noch nicht beendet2 • Nachdem zunächst die Ansicht vertreten wurde, § 18 GWB sei lex specialis, Ausschließlichkeitsbindungen und Vertriebsbindungen könnten daher niemals durch § 26 Abs.2 GWB verboten sein3 , läßt sich die heute überwiegend vertretene Meinung der Rechtsprechung4 und Literatur5 wie folgt zusammenfassen: § 18 GWB ist kein Spezialgesetz gegenüber § 26 Abs. 2 GWB, beide Vorschriften sind nebeneinander anwendbar, wobei die gesetzliche Wertung des § 18 GWB bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB zu berücksichtigen ist. 1t Zu abschließender Stellungnahme zum Problem des Kontrahierungszwangs s. u. Kap. G. III. 2. 1 WUW/E BGH 509, 513 "Original-Ersatzteile"; WUW/E BGH 1269, 1275 "Femost~Schiffahrtskonferenz" . ! Lehmpfuhl: "Verträge nach § 18 GWB und Diskriminierungsverbot" , in: GRUR 1978, S. 625. 629 ff.; K. Schmidt: "Kartellverfahrensrecht" , S. 236 f.; Schmitt, J., S. 175 ff.; Koller, S. 82; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 268, 310; Ebenroth, S. 87 ff. a Rittner, Fritz: "Beschränkung des Kundenkreises" , in: MA 1958, S. 197; Fikentscher, Wolfgang: "Zum Recht der Diskriminierung im GWB", in: WuW 1958, S. 266; Lehmpfuhl, Vertriebsbindungen, S. 69. « KG WuW/E OLG 2247, 2248 "Parallel-Lieferteile"; WUW/E BGH 509 "Original-Ersatzteile"; WuW/E BGH 1211, 1216 "KFZ-Leasing". 6 Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18, Rdnr. 186; Ebenroth, S. 89; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 268, 310; Baur, J. F.: "Der Mißbrauch im deutschen Kartellrecht" , Tübingen 1972, S. 210; Kracht: "Das Driskriminierungsverbot im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen" , in: NJW 1960, S. 1229, 1233.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

Die Begründung für diese Abgrenzungsformel ergibt sich daraus, daß die Tatbestandsvoraussetzungen, Rechtsfolgen und Normadressaten . unterschiedlich sind. § 18 GWB untersagt den Mißbrauch und bietet ausschließlich den Kartellbehörden eine Eingriffsermächtigung, § 26 GWB hingegen ist eine nach § 38 Abs. 1 Nr. 8 GWB bußgeldbewehrte Verbotsnorm und Schutzgesetz i. S. des § 35 GWB. Jedoch zielen die §§ 18 und 26 Abs. 2 GWB in ihrem Schutzzweck teilweise auf dieselben Tatbestände. Der Institutionenschutz, der Individualschutz und der Zweck, die Märkte offenzuhalten, wird von beiden Vorschriften verfolgt, wobei die Vorschrift des § 18 GWB hinsichtlich der einzelnen Schutzrichtungen differenzierter ausgestaltet ist als § 26 Abs. 2 GWB.

§ 18 Abs. 1 Lit. a) GWB schützt, wie § 26 Abs. 2 GWB, die Marktgegenseite vor der Wirtschaftsmacht des bindenden Unternehmens und den Wettbewerb auf der Handelsstufe. § 18 Abs. 1 Lit. b) GWB zielt auf die Offenhaltung der Märkte, und § 18 Abs. 1 Lit. c) ist mit § 26 Abs. 2 GWB insoweit deckungsgleich, als es um die Erhaltung des Wettbewerbs als Institution geht. Dieselben Tatbestände können daher beiden Vorschriften unterfallen. Es ist jedoch festzustellen, daß in praxi § 26 Abs. 2 GWB häufiger zur Anwendung gekommen ist. In der Tätigkeit des Bundeskartellamtes und damit auch in der Rechtsprechung ist § 18 GWB nur selten allein angewendet wordens, sondern nur in Verbindung mit § 26 Abs. 2 GWB7. Dies ergibt sich auch daraus, daß § 26 Abs. 2 GWB von jedem Marktbeteiligten geltend gemacht und insbesondere in zivilgerichtlichen Verfahren angewendet werden kann, ohne daß schwebende Verfahren nach § 18 GWB das Gericht in einer freien Entscheidung nach § 26 Abs. 2 GWB hindern 8 • Der Gefahr, daß über die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB die Wertung des § 18 GWB, wonach Vertriebs- und Verwendungsbindungssysteme grundsätzlich erlaubt sind, unterlaufen wird, ist dadurch zu begegnen, daß entweder mit der Rechtsprechung8 die "regelmäßigen Auswirkungen" von Ausschließlichkeitsbindungen nur nach § 18 GWB beurteilt werden, oder daß mit der Literatur10 § 18 GWB für die Kons. z. B. WuW /E BKartA 60 ff. "Melitta". KG WuW/E OLG 2247ff. "Parallel-Lieferteile"; WUW/E BKartA 178lff. "Identteile"; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnr. 47 ff. u. 54 ff. WZE/E BGH 1829 ff. "Original-VW-Ersatzteile n". 8 BGH NJW 1972, S. 483, 486. 9 WuW/E BGH 509, 513 "Original-Ersatzteile"; WuW/E BGH 1269, 1275 "Femost-Schiffahrtskonferenz" . 10 Benisch: "Das neugeregeIte Diskriminierungsverbot" , in: MA 1973, S. 543; Belke, RoIf: "Die vertikalen Wettbewerbsbeschränkungsverbote nach der Kartellgesetznovelle 1973", in: ZHR 138, S. 227, 262; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 18, Rdnr. 215, 268. 8

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kretisierung der generalklauselartigen Begriffe des § 26 Abs. 2 GWB herangezogen und bei der Interessenabwägung berücksichtigt wird. Die Schwierigkeit einer Abgrenzung der "regelmäßigen" Auswirkungen von weiteren oder unregelmäßigen ist offenkundig. Die Rechtsprechung verlangt für diese weiteren Auswirkungen eine offensichtlich unbegründete oder willkürliche Handhabung eines Bindungssystems und nimmt dies dann an, wenn ein Verdrängungswille des bindenden Unternehmens nachgewiesen werden konnte l l . In der Literatur wird mit unterschiedlicher Begründung das gleiche Ergebnis erreicht, indem die sachliche Rechtfertigung dann bejaht wird, wenn die Bindungen auf vernünftigen wirtschaftlichen Interessen beruhen!!. Ohne auf die einzelnen Nuancen der verschiedenen Meinungen hier eingehen zu müssen, zeigt sich durch diese Darstellung das Zusammenspiel der beiden Vorschriften, die gleichsam wie zwei sich schneidende, aber nicht deckende Kreise teilweise dieselben Sachverhalte berühren. Sowohl die völlige Ausschließung des § 26 Abs. 2 GWB bei der Prüfung von Absatzbindungssystemen als auch die alleinige Anwendung ohne Berücksichtigung der Wertung des § 18 GWB werden der gesetzlichen Regelung des GWB nicht gerecht. § 18 GWB enthält keine Freistellung von den Verboten des § 26 GWB, andernfalls würden marktstarke Unternehmen, die ein vertragliches Bindungssystem durchsetzen können, einer schwächeren Kontrolle ausschließlich nach § 18 GWB unterliegen als andere Unternehmen, für die Bindungssysteme nach § 18 GWB nicht durchsetzbar sind. Für die Beurteilung des Presseabsatzmarktes nach § 26 Abs. 2 GWB bedeutet dies, daß die Verhaltensweisen der Marktbeteiligten unabhängig davon zu beurteilen sind, ob sie auf vertraglichen Bindungssystemen beruhen oder nicht. Außerdem sind die Bindungen selbst gemäß § 26 Abs. 2 GWB danach zu untersuchen, ob sie auf objektiv vernünftigen wirtschaftlichen Interessen beruhen oder ob es sich in Wirklichkeit nur um getarnte Sperrklauseln gegen unliebsame Konkurrenten handelt. Gerade in einem Markt, der wie der Presseabsatzmarkt durch verfestigte Strukturen und eingeschränkten Wettbewerb gekennzeichnet ist, können diskriminierende Verhaltensweisen schneller die Verbotsschwelle des § 26 Abs. 2 GWB überschreiten als in anderen Märkten. Auf vermachteten Märkten kann die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB dazu dienen, den Restwettbewerb generell gegen weitere machtbedingte Verschlechterungen zu schützen!3. 11 Emmerich, Volker: "Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum neuen Diskriminierungsverbot (§ 26 11 GWB)", in: AG 1976, 5. 57, 58. 12 s. dazu.\lllten Kap. G. 11. 5. 13 50 auch WuW!E BKartA 1817,1824 "Fertigfutter".

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 G WB 1. Die Normadressaten Vier Arten von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen unterliegen dem Verbot des § 26 Abs. 2 GWB: Marktbeherrschende (§ 22 1- III GWB)1, marktstarke (§ 26 Abs. 2 Satz 2 GWB), legalisierte Kartelle und preisbindende Unternehmen. Gehört ein Unternehmen zu einer dieser Gruppen, so ist § 26 Abs. 2 GWB auf jeden Fall anwendbar. Ob sich daraus, daß ein Unternehmen gleichzeitig mehrfach Normadressat ist, Konsequenzen für die Anwendung der Vorschrift ergeben2 , mag hier zunächst dahinstehen, da dies keine Frage der Normadressaten-Eigenschaft sondern - wenn überhaupt - eine der Interessenabwägung ist. Es bedarf also für die Feststellung, ob ein Unternehmen Normadressat ist, nur der Subsumption unter eine der gesetzlich bestimmten Adressatengruppen. Es wird hierbei jedoch zu beachten sein, daß die Feststellung einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung nur dann möglich ist, wenn der relevante Markt in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht abgegrenzt wird. Diese Marktabgrenzung kann auch im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB auf die zu § 22 GWBentwickelten Kriterien zurückgreifen, und die Marktbeherrschungsvermutungen des § 22 Abs. 3 GWB können grundsätzlich angewendet werden3 , wobei jedoch in Bußgeldverfahren die Heranziehung der Vermutungstatbestände in der Regel dazu führen wird, die Schuld des Betroffenen auszuschließen4 • Dies kann jedoch nicht als Begründung für die Ansicht dienen, marktbeherrschende Unternehmen in den zivilrechtlichen Verfahren und in den kartellbehördlichen Ermittlungen und Verfügungen (§ 37 a GWB) als Normadressaten auszuschließen5 , da dies gegen den Wortlaut der Vorschrift verstößt. Soweit erforderlich, kann daher bei der Prüfung, welche Beteiligten des Presseabsatzmarktes Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB sind, auf diese Vermutungen zurückgegriffen werden. 1 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 75; teilweise anders Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 11 u. 13. I Dies verneint Schmahl, Will: "Das Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB", in: WRP 1979, S. 513; wohl a. A. BKartA im Schreiben vom 12.4.1977, Stellungnahme im MAL-Verfahren gern. § 90 GWB, Gesch.-Nr. ZR 1-256200-R-131/76, S. 4, 5 (unveröffentlicht). 8 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 79; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 52; WuW/E BKartA 1781, 1783 "Identteile"; a. A. Müller / Giessler, § 26, Rdnr. 42; OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 1913, 1914 "Allkauf"; nach Emmerich, Volker: .. Kartellrecht", 3. Aufl., München 1979, S. 198, Fn. 11 ist die Anwendbarkeit der Vermutung zu Unrecht streitig. 4 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26, Abs. 2 und 3, Rdnr. 138. S So aber Müller / Giessler, § 26, Rdnr. 42.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs.2 GWB

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a) Die Verlace Insbesondere die vier großen Verlage Bauer, Burda, Springer und Gruner u. Jahr' werden auf Teilmärkten, die mit den jeweils führenden Objekten abgedeckt werden, als marktbeherrschend anzusehen sein. Insbesondere auf den Märkten Programmzeitschriften, wöchentliche Publikumszeitschriften und überregionale Tageszeitungen kann eine marktbeherrschende Stellung festgestellt werden. Auf die Berechnung der Marktanteile im einzelnen wird hier verzichtet 7 , hinzuweisen ist jedoch auf die in § 23 Abs. 1 Satz 7 GWB versteckte Verschärfung der Berechnungsformel für Verlags- und Presseunternehmen. Diese Ver· schärfung ist nach § 22 Abs. 3 Satz 2 GWB als Vermutung für eine marktbeherrschende Stellung bei § 26 Abs. 2 GWB zu berücksichtigen. Im Ergebnis bedeutet dies, daß bei der Berechnung der Umsatz erlöse nach § 22 GWB die Verlagsumsätze mit dem Faktor 20 zu multiplizieren sind. Durch die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 7 GWB jedoch, daß Satz 6 der Vorschrift unberührt bleibe, sind die reinen Vertriebserlöse nur mit 3f4 anzusetzen, der Multiplikator der reinen Vertriebsumsätze beträgt also nur 158 • Ein einfaches Berechnungsbeispiel mag dies verdeutlichen: Die Vermutung des § 22 Abs. 3 Ziff. 1 GWB gilt nicht, wenn das Unternehmen Umsatzerlöse von weniger als 250 Mil!. DM hatte. Ein Verlagsunternehmen überschreitet diese Schwelle schon bei einem Umsatz von 12,5 Mill. DM. Ist der Verlag außerdem im reinen Pressehandel tätig, sind die dort erzielten Umsätze mit 15 zu multiplizieren. Ein Unternehmen also, das 10 Mil!. DM im Verlag und 5 Mill. DM im reinen Pressehandel umsetzt, ist bei der Anwendung des § 22 Abs. 3 Ziff. 1 GWB so zu behandeln, als erziele es insgesamt 275 Mill. DM Umsatz. Die Vermutungsschwellen werden daher von Verlagen zumeist überschritten, es verbleibt dann noch die Marktanteilsprüfung, um eine marktbeherrschende Stellung feststellen zu können. Dies kann letztlich aber dahinstehen, wenn die Verlage schon als preisbindende Unternehmen Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB sind. Die Verlage binden bei Zeitschriften und Zeitungen grundsätzlich sowohl die Endverkaufspreise als auch die Abgabepreise des Großhandels. Die Unterschiede bei dem Taschenbuchvertrieb und dem Vertrieb von Romanen, Rätsel- und Comic-Heften, wo teilweise nur der e s. o. Kap. B I. 3.

7 s. beispielhaft KG v. 7.11. 1980, in: WuWJE OLG 2369 ff. "Programmzeitschriften" . . 8 s. hierzu auch Bechtold, Rainer: "Wettbewerbs-, kartell- und fusionskontrollrechtliche Probleme bei der Zusammenarbeit von Tageszeitungen und Anzeigenblättern" , in: AfP 1981, S. 260, 261.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs.2 GWB

Endabgabepreis gebunden wird; bleiben hier außer Betracht, da diese Vertriebssysteme nicht Gegenstand der Untersuchung sind. Bei den hier zu prüfenden Tatbeständen im Bereich des Zeitungs- und Zeitschriftenabsatzes werden jeweils beide Preise gebunden. Belke9 weist darauf hin, daß die Entstehungsgeschichte des § 26 Abs. 2 GWH nur darüber Aufschluß gebe, daß der Kreis der diskriminierungsfähigen Unternehmen erweitert werden sollte, eine Gleichstellung von marktbeherrschenden und preisbindenden Unternehmen in ihrer Normadressateneigenschaft sei daher unzulässig. Auch Benisch lo bestimmt den Zweck der Einbeziehung der Preisbinder von der Marktgegenseite her. Nur soweit der Wettbewerb auf der nachgelagerten Marktstufe durch den Preisbinder ausgeschlossen werde, sei dessen Lage einem marktbeherrschenden Unternehmen ähnlich. Am weitesten geht Börnerl l mit der Ansicht, die Verlage seien nicht wegen der Preisbindung Normadressaten, da diese nicht vertraglich vereinbart, sondern von den Verlagen den Absatzmittlern als Weisung nach § 665 BGB und § 384 Abs. 1 HGB auferlegt werde. Diese Ansicht ist unzutreffend, da schon der Ausgangspunkt Börners, daß die Grossisten Kommissionsagenten seien, zu widerlegen war12 • Der Bundesgerichtshof1 3 und mit ihm die wohl überwiegende Literaturmeinung14 sieht jedoch den Gesetzeszweck der Einbeziehung der preisbindenden Unternehmen darin, die diesen typischerweise zukommende Marktrnacht zu beschränken. Diese Ansicht wird darauf gestützt, die Möglichkeit der Einführung und Durchsetzung einer Preisbindung sei Ausdruck von Marktstärke15 • Dies trifft m. E. aber nur für den nicht mehr relevanten Markenartikelmarkt zu. Im Presseabsatzmarkt ist die Preisbindung und deren Durchsetzung weder Indiz noch Auswirkung von Marktrnacht, sondern die Inanspruchnahme der gesetzlichen Freistellung. Jeder Verlag kann, unabhängig von seiner Marktstellung, die Preisbindung einführen und durchsetzen. Es erscheint daher zutreffender, die Einbeziehung der Preisbindung in § 26 Abs. 2 GWB damit zu begründen, daß durch die Preisbindung die Wettbewerbsverhältnisse auf den nachgelagerten Marktstufen beschränkt werden. Wegen des Ausschlusses des Preis9 Belke, Rolf: "Die Geschäftsverweigerung im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen. Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen und französischen Recht", Tübingen 1966, S .304. 10 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 18. 11 Börner, S. 32. 12 s. o. Kap. C 4. 13 WuW /E BGH 886, 890 "Jägermeister". 14 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 86; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 68; Müller / Giessler, § 26, Rdnr. 48; Koller, S.38. 15 z. B. WuW /E BGH 886, 890 "Jägermeister".

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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wettbewerbs auf der nachgelagerten Marktstufe wird den dort tätigen Unternehmen der Schutz des § 26 Abs. 2 GWB zuerkannt1 8 , ohne daß im einzelnen noch die Marktmacht des Lieferanten dargelegt werden müßte. Es handelt sich bei § 26 Abs. 2 GWB also um eine Einschränkung des § 16 GWB17, durch die der Wettbewerb auf der nachgelagerten Marktstufe soweit als möglich erhalten werden soll. Hieraus ergibt sich, daß alle preisbindenden Verlage Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB allein schon deswegen sind, weil sie von ihrem Recht aus § 16 GWB Gebrauch machen. Danach unterliegen sie dem Verbot des § 26 Abs. 2 GWB auch im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen mit allen Absatzmittler-Typen I8 • Streitig ist jedoch die Frage, ob sich das Diskriminierungsverbot auch auf die nicht belieferten und ungebundenen Außenseiter auf der Marktstufe, für die die Bindung besteht, bezieht, so daß auch deren Ausschluß von der Belieferung gegen § 26 Abs. 2 GWB verstoßen kann l9 • Im Presseabsatzmarkt präzisiert sich diese· Problemstellung dahingehend, ob Belieferungsklagen eines neuen, bisher nicht belieferten Absatzmittlers auf die Normadressaten-Eigenschaft des Verlages als Preisbinder gestützt werden können. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Preisbindung bezieht sich nicht nur auf die bereits belieferten Händler, sondern auf die nachgelagerte Marktstufe insgesamt. Auch der Ausschluß potentieller Mitbewerber auf dieser Stufe wirkt wettbewerbsbeschränkend. Das preibindende Unternehmen hat nicht allein durch diese Bindung, sondern auch durch die Möglichkeit der Händlerselektion wesentlichen Einfluß auf die Wettbewerbsverhältnisse. Somit ist das Diskriminierungsverbot auch auf die ungebundenen Außenseiter und (noch) nicht belieferten Händler zu beziehen20 , denn deren Ausschluß von der Belieferung kann die Wettbewerbsverhältnisse weitergehend beeinträchtigen. Aus dieser auf die Erhal11 Ähn1ich Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26, Abs. 2 und 3, Rdnr. 18; a. A. wegen Betonung der Marktmacht Markert, in: Immenga / Mestmäkker, § 26, Rdnr. 86 m. w. N. 17 So im Ergebnis auch Belke, S. 309. 18 Hinsichtlich der Lesezirkel s. OLG Karlsruhe, WuW /E OLG 2319 "Lesezirkel", wo es das Gericht abgelehnt hat, im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens einen Lieferpreis festzusetzen. 19 Einerseits Belke, S. 309; WuW/E BGH 1527 "Zeitschriften-Grossisten"; andererseits Völp: "Diskriminierungsverbot und Kontrahierungszwang bei preisbindenden Markenartikeln", in: MA 1961, S. 279, 290, der seine Ablehnung damit begründet, nicht belieferte Händler würden durch die Preisbindung nicht in ihrer Entschließungsfreiheit beeinträchtigt. 20 Im Ergebnis gleich: WUW/E BGH 1584 "Anwaltsbücherdienst"; WUW/E BGH 1527 "Zeitschriften-Grossisten"; WuW /E OLG 827, 828 "Spar-Markt"; teilweise anders und mißverständlich Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26, Abs. 2 und 3, Rdnr. 21, der auf den Beschränkungsbereich der Preisbindung abstellt, ohne die Ungebundenen ausdrücklich zu erwähnen.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

tung des "Restwettbewerbs" gestützten Begründung ergibt sich m. E. schon die Einbeziehung der außerhalb des unmittelbaren vertraglichen Regelungsbereichs stehenden Unternehmen, ohne mit dem BGH21 auf eine vermutete Marktstärke, die sich in verallgemeinernder Betrachtungsweise aus der Einführung und Durchsetzung einer Preisbindung ergeben soll, rekurrieren zu müssen. Nicht zu folgen ist daher der Ansicht von Grupp!2, daß bei preisbindenden Unternehmen die Intensität der Diskriminierung niemals so groß sein kann, daß diese Unternehmen abschlußpflichtig werden. Grupp begründet diese Ansicht damit, daß man § 26 Abs. 2 GWB nur dann gerecht werde, wenn man die Stellung des Normadressaten mit der Intensität der Diskriminierung in ein Verhältnis setze 23 • Außerdem stärke die Preisbindung nicht die Macht des Herstellers bezüglich der Abschlußverweigerung24 . Grupp vermischt die Fragen der Normadressaten-Eigenschaft mit den Problemen der sachlichen Rechtfertigung und der Rechtsfolgen. Entgegen dem Gesetzeswortlaut, der marktbeherrschende Unternehmen und Preisbinder gleichstellt, schränkt er die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB hinsichtlich dieser Gruppen ein. Dies ist auch nicht mit dem Argument der Verfassungswidrigkeit zu begründen25 , da es dem Gesetzgeber durchaus möglich ist, Unternehmen als Äquivalent der Preisbindungsmöglichkeit die Beschränkung des § 26 GWB aufzuerlegen, ohne den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen. Ein preisbindendes Unternehmen ist eben nicht gleich einem Unternehmen, das von diesem Recht keinen Gebrauch macht. Somit kann festgehalten werden, daß die Verlage schon als Preisbinder Normadressaten des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB gegenüber allen Absatzmittler-Gruppen sind. Hinzuzufügen ist jedoch, daß auch die Normadressaten-Eigenschaft nach § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB zumindest bei den führenden Verlagen und Objekten zusätzlich festgestellt werden kann. Die relative Marktmacht gegenüber den Abnehmern ergibt sich schon aus deren Verpflichtung und dem Erfordernis, soweit als möglich ein Vollsortiment zu führen. Aus diesem Grunde dürften Ausweichmöglichkeiten schon apriori ausgeschlossen sein. Sowohl sortimentsbedingte Abhängigkeit26 als auch unternehmensbedingte Abhängigkeit 27 ergeben sich daraus, daß die Abnehmer der Absatzmittler erWuW/E BGH 886, 890 "Jägermeister". Grupp, Hans-Joachim: "Kontrahierungszwang nach dem Kartellgesetz", Diss., Köln 1965, S. 134, 135. !3 Grupp, S. 132 ff. uGrupp, S. 133. !5 So aber Grupp, S. 133, 134. 28 s. zu dieser für den Markenartikelmarkt bedeutenden Fallgruppe: Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 116 ff. m. w. N. 21

2!

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs.'2 GWB

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warten, jedenfalls alle führenden Objekte, z. B. die großen Publikumszeitschriften, bei jedem Absatzmittler vorzufinden. Außerdem haben sich. die Absatzmittler, wie die geschichtliche Entwicklung zeigt28 , auf die langfristigen Vertragsbeziehungen mit den Verlagen eingestellt. b) Die National Dlstrlbntoren

Die Normadressaten-Eigenschaft der National Distributoren29 damit zu begründen, daß sie Preisbinder seien, stellt sich deshalb als problematisch dar, weil nicht eigentlich sie die Preise binden, sondern der beauftragende Verlag. Bei den National Distributaren handelt es sich um eine Zwischenstufe, die vertragsgemäß die vom Verlag festgesetzte Preisbindung an den Groß- und Bahnhofsbuchhandel weitergibt. Ob ein solcher Zwischenhändler ein preis bind endes Unternehmen i. S. des § 26 Abs. 2 GWB ist, wird konträr beurteilt. MarkertSO , Langen / Niederleithinger / Schmidt81 , das Bundeskartellamt32 und andere S3 halten einen lediglich die Preisbindung weitergebenden Zwischenhändler nicht für ein preisbindendes Unternehmen. Anderer Ansicht sind Benischs4 und der Frankfurter Kommentar35 mit der Begründung, wenn die Zwischenstufe die Preisbindung übernehme, so müsse sie auch auf die Startgleichheit der nächsten Stufe in den Rabatten und Bedingungen Rücksicht nehmen". Richtig ist, daß die National Distributaren die Preise nicht selber binden, sondern nur die Preisbindung der Verlage weitergeben. Andererseits besteht für den Groß- und Bahnhofsbuchhandel als Marktgegenseite kein Unterschied darin, ob sie ein Objekt direkt von einem Verlag oder über einen National Distributor beziehen. Der jeweilige Vertragspartner verpflichtet den Absatzmittler zur Einhaltung des festgesetzten Preises. Für den Absatzmittler ergeben sich keine unterschiedlichen Auswirkungen dadurch, daß ihm der National Distributor nicht eine eigene, sondern eine fremde· Preisbinf:1 Definition im einzelnen bei Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr .. 124.ff. 28 s. o. Kap. B 11. tt Zum Begriff und zur Marktbedeutung s. o. Kap. B 11. 2. 30 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 88. 31 Langen / Niederleithinger / Schmidt,§ 26, Rdnr. 69. 32 WuW /E BKartA 649, 652. . U s. a. Lutz-Steiner: "Umfang der Preisbindung und Diskriminierungsverbot" , in: BB 1958, S. 1154, 1156; Hildebrandt, Hans-Ullrich: "Die Anwendung der §§ 22 und 26 Abs. 2 GWB auf das PreSsewesen", Diss., Hamburg 1973, S. 222, 223. . 34 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 18. 35 Frankfurter Kommentar zum GWB, § 26, Tz. 55. 38 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 18.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

dung vertraglich auferlegt. Dies würde dafür sprechen, den ND's die gleiche Normadressaten-Eigenschaft als Preisbinder wie den Verlagen zuzusprechen. Die Besonderheit dieser Absatzstufe liegt darin, daß es sich zwar, wie dargelegt 37 , um eine selbständige Handelsstufe handelt, jedoch die Entstehung der ND's als Prozeß einer Ausgliederung von Verlagsfunktionen anzusehen ist. Die Verlage bleiben als Preisbinder Normadressaten, können aber von der Marktgegenseite nicht nach § 26 Abs. 2 GWB direkt in Anspruch genommen werden, da sie nicht Vertragspartner sind und es für den Fall, daß sie ihre Objekte ausschließlich über einen ND vertreiben, auch nicht werden können. Verlage, die nicht als marktbeherrschend oder marktstark zu bewerten sind, könnten daher allein dadurch, daß sie einen ND als "Zwischengroßhändler" einsetzen, über diesen den Vertrieb ihrer Objekte durchführen, ohne den Beschränkungen des § 26 Abs. 2 GWB zu unterliegen. Ihre eigene Inanspruchnahme durch den Groß- und Bahnhofsbuchhandel könnte durch Verweisung auf den Vertragspartner ausgeschlossen werden. Der ND hingegen wäre als nicht preisbindendes Unternehmen dem § 26 Abs. 2 GWB nicht unterworfen. Dieses Beispiel zeigt, daß die Entscheidung der vorbezeichneten Streitfrage nicht allgemeingültig getroffen werden kann. Vielmehr ist bei der Frage, ob der Zwischenhändler als Preisbinder anzusehen ist, darauf abzustellen, welche Funktion er ausübt. Im Presseabsatzmarkt kann eine solche Abgrenzung nach Verlags- und Vertriebsfunktion sachgerecht durchgeführt werden. Bei der Vertriebsfunktion kommt m. E. eine Normadressaten-Eigenschaft als Preisbinder nicht in Betracht, jedoch sind Unternehmen, die Verlagsfunktionen ausüben, sei es auch als selbständige Handelsform und -stufe, als Preisbinder anzusehen. Begreift man die ND's richtigerweise als rechtlich selbständige Vertriebsabteilungen der Verlage, die dadurch zu einer neuen Handelsstufe geworden sind, weil sie untereinander im Wettbewerb stehen und eigenständige Absatzmittler-Leistungen erbringen, so sind sie in ihrer Funktion den Verlagen zuzuordnen. Diese Verlagsfunktion umfaßt nicht nur die gesamte Auslieferung der Objekte, sondern auch die Objektbetreuung bei den Absatzmittlern und weitgehend auch die Absatzförderung. Der herstellende Verlag selbst tritt gegenüber den Absatzmittlern nicht in Erscheinung. Daher ist es sachgerecht, die ND's aufgrund ihrer Funktion den preisbindenden Verlagen gleichzustellen. Hinsichtlich dieser Absatzmittler-Gruppe ist also der Meinung zu folgen, daß der die Preisbindung an die nächste Stufe weitergehende Zwischenhändler ebenfalls Normadressat des Diskriminierungsverbots als Preisbinder ist. Für die anderen Absatzmitt37

s. o. Kap. B 11. 2. b).

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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ler-Typen wird dies ebenfalls nach ihrer besonderen Funktion abzugrenzen sein. Ob die National Distributoren auch marktbeherrschend oder relativ marktmächtig i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB sind, läßt sich nur objektbezogen beurteilen, worauf hier jedoch wegen der Vielzahl der Objekte verzichtet werden muß. c) Die Grossisten

Hinsichtlich der Normadressaten-Eigenschaft der Unternehmen des Presse-Grosso sind mehrere Differenzierungen erforderlich. Als typischer Zwischenhändler ist der Presse-Grossist gegenüber den Verlagen38 Nachfrager nach Presseobjekten und Anbieter von Vertriebsleistung, gegenüber dem Einzelhandel ist er Anbieter von Presseobjekten. Außerdem erfüllt er für den Einzelhandel noch weitere Funktionen wie Beratung, Betreuung und Bezugssteuerung39 , so daß er diesen nicht nur als Anbieter von Waren, sondern auch von Dienstleistungen gegenübertritt. Der Grossist ist danach sowohl auf Warenals auf Dienstleistungsmärkten tätig. Hinsichtlich der NormadressatenEigenschaft des Grossisten ist wegen seiner Zwischenstellung nach den jeweiligen Vertragspartner, Vertragsobjekt und -gebiet (relevanter Markt) zu differenzieren. Allgemeingültig für alle Vertragsbeziehungen läßt sich jedoch vorab feststellen, daß der Grossist nicht als Preis bind er Normadressat des § 26 Abs. 2 GWB ist. Für die streitige Frage, ob der Zwischenhändler, der eine Preisbindung vertraglich weitergibt, selbst Preisbinder ist40 , wurde bereits das Kriterium der Funktion der Zwischenhändler als entscheidend herausgestellt. Die Funktion des Presse-Grosso beschränkt sich auf Vertriebsleistungen. Verlagsfunktionen, die denen der National Distributoren vergleichbar wären, werden von den Presse-Grossisten nicht wahrgenommen. Auch die Weiterleitung der von den Verlagen festgesetzten Preisbindung an den Einzelhandel führt nicht zu einer anderen Bewertung. Entgegen der Ansicht Benischs41 gilt das Diskriminierungsverbot nicht für jede Zwischenstufe, die die Bindung weitergibt. Die Presse-Grosso-Unternehmen werden vertraglich von den Verlagen verpflichtet42 , mit dem Einzelhandel die Einhaltung der Preisbindung zu vereinbaren. Sie erfüllen daher bei der Preisbindungsvereinbarung mit dem Einzelhandel eine ihnen den Verlagen gegen38

39 (0 (l

(!

Gleiches gilt auch gegenüber den National Distributoren. s. o. Kap. B 11. 3. u. Kap. BIll. 5. b). s. o. Kap. G 11. 1. b) und die dort zitierte Literatur. Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 18. s. o. Kap. C 2. b).

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

über obliegende vertragliche Verpflichtung. Es handelt sich also nicht um eine Preisbindung durch den Presse-Grossisten. Durch die Weitergabe der vom Verlag festgesetzten Preisbindung werden die PresseGrossisten daher nicht selbst Preisbinder i. S. des § 26 Abs. 2 GWB. Das einzelne Grosso-Unternehmen könnte aber eine marktbeherrschende Stellung gegenüber den Verlagen haben, da es in seinem jeweiligen Gebiet eine Alleinstellung innehat, wenn nicht mehrere Grossisten mit Objekttrennung in einem Gebiet tätig sind. Zunächst soll der Fall dargestellt werden, daß in einem Gebiet nur ein Grossist mit Vollsortiment tätig ist. Er tritt dem Verlag als alleiniger Nachfrager nach Presseobjekten für den Absatzweg Grosso-Einzelhandel gegenüber. Ausweichmöglichkeiten ergeben sich für den Verlag theoretisch nur über die Absatzkanäle Bahnhofsbuchhandel, Lesezirkel und WBZ. Außerdem ist der Grossist alleiniger Anbieter der grossotypischen Dienstleistungen43 • Der relevante Markt für eine Nachfragemacht des Grosso ist sachlich aus der Sicht der Verlage danach abzugrenzen, welche angebotenen Objekte austauschbar sind. Bechtold44 nimmt an, praktisch alle Presseobjekte seien zu einem sachlich relevanten Markt zusammenzufassen, da ein Verlag, wolle er einer Nachfrage-Machtposition für ein bestimmtes Presseobjekt ausweichen, ein anderes herstellen und anbieten könnte. Außerdem bestimmt Bechtold den örtlich relevanten Nachfragemarkt nicht nach dem Vertriebsgebiet des einzelnen Grossisten, sondern nach dem Gesamtangebotsgebiet, somit wohl die Bundesrepublik45 • Dieser Marktabgrenzung ist m. E. nicht in vollem Umfang zuzustimmen. Aus der Sicht der Verlage stellt sich der relevante Markt anders dar. Eine Austauschbarkeit von Presseobjekten besteht nicht in der von Bechtold dargestellten Weise. Die Nachfragemacht des Presse-Grosso gegenüber den Verlagen begründet sich gerade daraus, daß ein einzelnes Presseobjekt nicht mit einem anderen oder neu hergestellten austauschbar ist. Der Verlag und hier insbesondere der kleinere Verlag ist darauf angewiesen, ein neu es .oder eingeführtes Objekt in der redaktionellen und technischen Gestaltung in den Markt zu bringen, wie diese vom Verlag gewählt und beim Leserpublikum anerkannt. ist. Eine Austauschbarkeit zwischen Presseobjekten besteht daher nicht. Der relevante Markt ist von der Verwendung der Ware her zu bestimmen'8. 43 Zu den Dienstleistungen s. a. Löffler, Martin: "Unterliegen Grossisten den Verlagen gegenüber einer Kontrahierungspflicht?", in: DNV 1971, S. 1122, 1127; s. o. Kap. B 11. 3. d). . U Bechtold, Rainer: "Rechtsprobleme des Presse-Grosso", unveröffentlichtes Gutachten 1978, S. 39. 46 Bechtold, Rechtsprobleme, S. 40. 41 Barnickel: "Der relevante Markt", in: WuW 1961, S. 246, 254.

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Diese jedoch bestimmt der Letztabnehmer, der Leser. Auch können die Verlage, wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen bei einzelnen Objekten Austauschbarkeit bejaht würde, nicht durch ein neues Objekt Angebotselastizität erzielen, da auch dieses Objekt auf die Nachfrage durch das Presse-Gros so angewiesen wäre. Die Existenz der anderen Absatzwege und die Möglichkeit der Verlage, über eigene Agenturen zu vertreiben oder selbst neue Absatzwege zu installieren47 , führt ebenfalls nicht dazu, die Nachfragemacht des Grosso zu verneinen. Die anderen Absatzwege können als Nachfrager nicht das Presse-Grosso ersetzen. Der Bahnhofsbuchhandel ist örtlich auf einen kleinen Teilmarkt beschränkt. Die arideren Absatzwege sind von ihrer Struktur her zu unterschiedlich, und bedingen, daß dem Leser zusätzliche Verpflichtungen, wie z. B. längerfristiger Bezug, auferlegt werden müssen. Auch ist die Abgrenzung des örtlich relevanten Marktes durchaus nach dem Gebiet eines einzelnen Grossisten vorzunehmen. Die Grosso-Gebiete sind örtlich relevante Teilmärkte, da der Absatz einer Zeitung oder Zeitschrift im Bundesgebiet aufgrund der derzeitigen Grosso-Struktur in diese Gebiete aufgeteilt ist. Ein bundesweit anbietender Verlag ist darauf angewiesen, daß alle Grossisten mit Alleingebietsstellung sein Objekt führen. Im gesamten Bundesgebiet ist der einzelne Grossist zwar nur ein Nachfrager unter vielen, in seinem Gebiet aber ist er der einzige, die Nachfrage durch ihn ist nicht substituierbar, er ist daher marktbeherrschend. Aber auch wenn zwei Grossisten mit Objekttrennung in einem Gebiet tätig sind, wird eine marktbeherrschende Stellung nicht zu verneinen sein. Der einzelne Grossist ist dann zwar nicht mehr nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB ohne Wettbewerber, er wird aber i. S. dieser Vorschrift keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sein oder als Oligopolist i. S. des § 22 Abs. 2 GWB angesehen werden müssen. Um den Einzelhandel stehen die Grossisten nicht im Wettbewerb, allenfalls um die Auslieferungsrechte eines Verlages für ein spezielles Objekt., Bei solchen zusätzlichen Auslieferungsrechten kann es durchaus zu Wettbewerb zwischen zwei Grossisten im gleichen Gebiet kommen. Jedoch wird dieser aus tatsächlichen Gründen weitgehend ausgeschlossen sein, da in den Gebieten, in denen zwei Grossisten tätig sind, zumindest einer verlagsgebunden ist und daher die Objektverteilung schon apriori festgelegt sein wird48 • Für den Fall des marktbeherrschenden 47 Diese Möglichkeit wird überhaupt verneint von Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 184. 48 s. z. B. Hamburg: dort betreut der Buch- und Pressegroßvertrieb Hamburg GmbH und Co. die Verlage Springer, Jahreszeiten, Spiegel, Aenne Burdä u. a.; der Pressevertrieb Nord betreut Bauer, Gruner und Jahr, Burda GmbHu.a.

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Oligopols i. S. des § 22 Abs. 2 GWB ist jedes Oligopol-Unternehmen Normadressat des § 26 Abs. 2 GWB40. Beide Grossisten in einem Auslieferungsgebiet sind demnach Normadressaten, unabhängig davon, welcher von beiden der marktstärkere ist. Es kommt auch bei der Frage der Normadressaten-Eigenschaft nicht darauf an, ob beide oder nur ein einzelnes Unternehmen diskriminierendes Verhalten zeigen50 • Die Grossisten sind demnach als Nachfrager nach Presseobjekten marktbeherrschend i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB, aber auch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB liegen im Grosso-Bereich vor S1 • Ausweichmöglichkeiten der Verlage, die diesen zumutbar und ausreichend wären, bestehen weder in Gebieten mit einem Grossisten noch in Gebieten, wo zwei Grossisten tätig sind. Der Aufbau eines eigenen Vertriebssystems oder die Gründung neuer Grosso-Unternehmen neben den bestehenden wird den Verlagen nicht als zumutbare Ausweichmöglichkeit zur Verfügung stehen. Im übrigen sind sie darauf angewiesen, bei den Vollsortiments-Grossisten vertreten zu sein, wenn sie im Einzelhandel Erfolg erzielen wollen. Hinsichtlich der Marktstellung des Grossisten als Anbieter von Dienstleistungen an die Verlage sind die bereits dargestellten Ergebnisse übertragbar. Insbesondere die Grosso-Unternehmen mit Gebietsalleinstellung und Vollsortiment bringen den Verlagen Dienstleistungen, die nicht substituierbar sind. Aber auch bei zwei Grossisten mit Objekttrennung ist jeder von beiden marktbeherrschend als Anbieter von Vertriebsleistungen, da er den Verlag nicht jeweils auf den anderen Grossisten verweisen kann 52 • Löffler 53 führt hierzu eine gleichsam umgekehrte "Mosaiktheorie"54 an, mit der er zutreffend eine marktbeherrschende Stellung der Grossisten bejaht. Als "Steinchen" sieht er das gleichförmige Verhalten der Grosso-Betriebe hinsichtlich ihrer Handelsspannen und Sondervergütungen, die starke Verbandsaktivität des Verbandes Presse-Grosso und die Tatsache, daß zumeist die Einzelhändler nur von einem Grossisten beliefert werden. Löffler kommt zu dem Ergebnis, daß die Marktbeherrschung von Grossisten sowohl regional in Form einer echten Monopolstellung vorliegen kann als auch überregional in co KG WuW/E OLG 907, 915 "Sportartikelmesse". WuW /E BKartA 1781, 1783 "Identteile"; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 78; a. A. Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 12 mit der Begründung, es fehle am marktbeherrschenden 50

Effekt, wenn nur einer von mehreren Oligopolisten diskriminiere. Wohl unzutreffend, da die OligopolsteIlung die Handlung gerade erst ermöglicht. 51 Börner, S. 46; WuW/E BGH 1635 "Plaza-SB-Warenhaus". 5! Entsprechend WUW/E BGH 1635 "Plaza-SB-Warenhaus"; Börner, S. 46. 53 Löffler, DNV 1971, S. 1122, 1129. 54 KG WUW/E OLG 813,822 "Fensterglas V"; WuW/E BGH 907, 915 "Fensterglas VI".

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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Form eines wettbewerbslosen Oligopols56. Durch die Gebietsabgrenzung ist, wie Löffler richtig darstellt, ein überregionales Oligopol entstanden, in dem ein Wettbewerb nicht festgestellt werden kann56 , dies mag hier letztlich jedoch dahinstehen, da das einzelne Grosso-Unternehmen schon auf einem örtlich relevanten Teilmarkt tätig wird, auf dem eine Marktbeherrschung des Grosso-Unternehmens als Anbieter von Vertriebsleistungen zu bejahen ist. Gegenüber dem Einzelhandel tritt der Presse-Grossist als Anbieter von Waren und Dienstleistungen auf. Auch bei der Tätigkeit mehrerer Grossisten in einem Gebiet ist der Einzelhandel aufgrund der durchgehend praktizierten Objekttrennung auf jeweils einen bestimmten Grossisten angewiesen. Eine marktbeherrschende Stellung als Anbieter67 gegenüber dem Einzelhandel ist daher aus folgenden Gründen zu bejahen: Vornehmlich tritt der Grossist den Einzelhändlern als Anbieter von Waren gegenüber, die auch angebotenen Dienstleistungen, wie Sortimentsbetreuung, "Rack-jobbing", Händlerinformationen u. a. sind so eng mit dem Warenangebot verbunden, daß sie hinter diesem zurücktreten, der Grossist mit dem Einzelhandel also auf einem Warenmarkt tätig ist. Der relevante Markt ist hier nicht auf die einzelnen Presseobjekte zu beschränken, sondern stellt sich als der Gesamtmarkt der Presseobjekte dar, die im Vollsortiment vertrieben werden. Es ist entscheidend für die marktbeherrschende Stellung des Grossisten, daß der Einzelhandel über ihn alle bzw. eine große Vielzahl von Presseobjekten beziehen kann. Die teilweise bestehende Möglichkeit, einzelne Objekte direkt von den Verlagen zu beziehen, stellt daher keine Alternative zu dem Bezug über das Presse-Grosso dar und ändert an dessen marktbeherrschender Stellung gegenüber dem Einzelhandel dann nichts, wenn nicht der Verlag grundsätzlich direkt beliefert. Die Direktbelieferung des Einzelhandels durch Verlage läßt erst dann die marktbeherrschende Stellung des Grosso entfallen, wenn alle oder zumindest ein wesentlicher Teil der Verlage, insbesondere die Großverlage, generell die Direktbelieferung des Einzelhandels als neuen Vertriebsweg aufnehmen sollten. Bei einer solchen, zur Zeit nicht festzustellenden Entwicklung könnte die marktbeherrschende Stellung des Grosso dann entfallen, wenn sie durch Parallel-LieferunLöffler, S. 1129, 1130. s. o. Kap. D 11. 3. b). 57 s. dazu Hildebrandt, S. 192; Kuner, Wolf-Dieter: "Grosso-Probleme aus kartellrechtlicher Sicht", in: DNV 1969, S. 736, 738; Schmahl, Willi: "Kartellrechtliche Fragen des Pressevertriebs" , in: DNV 1969, S. 81, 82; Bechtold: "Rechtsprobleme des Presse-Grosso", S. 108 ff. 55 5S

11 Roggen

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

gen der Verlage an den Einzelhandel einem Wettbewerb ausgesetzt würden. Ob die Marktbeherrschung des Presse-Grossisten auch für die von ihm teilweise geführten Randsortimente feststellbar ist, mag hier dahinstehen, jedenfalls ist auch in diesen Bereichen eine relative Marktmacht nach § 26 Abs. 2 GWB gegeben, wenn diese Sortimentsteile als zugehörig zum Presse-Sortiment gelten und sie anderweitig nicht auf zumutbare Weise bezogen werden können. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Unternehmen des Presse-Grosso sowohl in ihren Beziehungen zu den Verlagen als auch zu dem Einzelhandel Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB sind. d) Bahnhofsbucbhandel

Eine Normadressaten-Eigenschaft der Unternehmen des Bahnhofsbuchhandels58 kommt nur als Nachfrager nach Presseobjekten bei Verlagen in Betracht. Ob der Bahnhofsbuchhandel marktbeherrschend i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB ist, entscheidet sich danach, ob der Verkauf von Presseobjekten auf Bahnhöfen der Deutschen Bundesbahn, S- und U-Bahnhöfen und Flugplätzen ein eigenständiger, relevanter Markt desPresseabsatzes ist. Der relevante Markt ist auch hier aus der Sicht der Verlage abzugrenzen, und es ist dabei zu fragen, ob aus deren Sicht der Absatz über den Bahnhofsbuchhandel ein eigener Markt ist. Dieser Absatzweg kann zur Zeit noch, wenn die Ausnahmen wie Montanus-aktuell und in Randbereichen des Sortiments vernachlässigt werden, mit dem Absatzanteil gleichgesetzt werden, der dem Einzelhandel direkt geliefert wird. Die Kritik Baurs59 , daß die Definition des relevanten Marktes überwiegend vom Ergebnis her erfolgt und daher der relevante Markt "zurecht geschneidert" werde, ist wohl teilweise zutreffend und weist auf die Gefahr hin, die jede Abgrenzung des relevanten Marktes in sich birgt, dennoch ist dies die einzige Differenzierungsmöglichkeit für die Frage, ob der Bahnhofsbuchhandel Normadressat des § 26 Abs. 2 GWB ist. Dafür, daß es sich bei dem Absatz über den direkt belieferten Bahnhofsbuchhandel um einen relevanten Markt handelt, auf dem dieser marktbeherrschend ist, spricht zunächst, daß es sich um einen räumlich begrenzten Teilmarkt handelt. Innerhalb der Städte sind jeweils bestimmte, durch die Definition des Bahnhofsbuchhandels bezeichnete Plätze, diesem vorbehalten. Dagegen spricht aber, daß Bahnhofsbuchhandlungen wie auch andere Einzelhandelsgeschäfte teilweise Zu Struktur und Aufgaben s. o. Kap. B 11. 4. Baur,Jürgen F.: "Rechtliche Fragen der Marktabgrenzung nach der zweiten Novelle zum GWB", in: BB 1973, S. 915, 919; gegen WuW/E BGH 1027 ff. "Sportartikelmesse" und WuW /E BGH 1238 ff. "Registrierkassen". 68

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11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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von Grosso-Unternehmen geführt oder zumindest beliefert werden. Die Sortimentsstruktur, verlängerte Öffnungszeiten und besondere Dienstleistungen des Bahnhofsbuchhandels sind aus der Sicht des Verlages ebenfalls als Argument für die Marktabgrenzung heranzuziehen. Neben dem Bahnhofsbuchhandel sind alle anderen AbsatzmittlerTypen außer dem Einzelhandel direkte Nachfrager bei den Verlagen. Insbesondere die Unternehmen des Presse-Grosso, die bereits als marktbeherrschende Nachfrager zu qualifizieren waren60 , können Nachfrageschwankungen des Bahnhofsbuchhandels teilweise über den belieferten Einzelhandel ausgleichen. Der Bahnhofsbuchhandel steht, obwohl er auf dem Bahnhofsgelände grundsätzlich Gebietsschutz genießt, in direktem Wettbewerb mit dem örtlichen Einzelhandel61 • Seine Nachfrage nach Presseobjekten ist daher in mittelbar durch die Nachfrage . des Presse-Grosso substituierbar. Es fragt sich aber, ob nicht über die örtlichen Grenzen hinaus ein Gesamtmarkt Bahnhofsbuchhandel zu bilden ist, der, ohne Wettbewerb ausgesetzt zu sein, als Nachfrageblock dem einzelnen Verlag gegenübersteht. Dies ist aber deswegen auszuschließen, weil zwischen den einzelnen Bahnhofsbuchhandlungen keine Einkaufsgemeinschaften bestehen und auch keine Koordinierung der Nachfrage erfolgt. Es verbleibt ausschließlich bei der Möglichkeit, einen regionalen Teilmarkt für jede einzelne Bahnhofsbuchhandlung zu bilden. Dies erscheint jedoch nicht sachgerecht. Die Konkurrenz zu dem örtlichen Einzelhandel schließt es aus, das Bahnhofsgebiet als besonderen Teilmarkt anzusehen. Zwar sind die Standortvorteile und die Werbewirksamkeit des Angebots im Bahnhofsbuchhandel teilweise erheblich, und die Sonderstellung als direkt belieferter Einzelhandel läßt ebenfalls wesentliche Differenzierungen zu dem übrigen Einzelhandel erkennen, es handelt sich aber nicht um einen relevanten Teilmarkt, da eine regionale Abgrenzung hinsichtlich der Käuferschichten nicht durchführbar ist62 • Der Bahnhofsbuchhandel ist daher nicht als marktbeherrschend i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB anzusehen. Auch eine relative Marktstärke des Bahnhofsbuchhandels i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB besteht in der Regel nicht, da die Nachfrage des Bahnhofsbuchhandels durch das Presse-Grosso in wesentlichen Bereichen substituiert werden kann, die Verlage also mit Objekten, für die im Bahnhofsbuchhandel keine Nachfrage besteht, zumutbar auf das Presse-Grosso ausweichen können. Fälle, in denen ein Verlag derart von dem Bahnhofsbuchhandel abhäns. o. Kap. G 11. 1. c). s. o. Kap. D 11. 3. d). 82 s. a. Möschel in: Immenga / Mestmäcker, § 22, Rdnr. 34 Stichwort: "Presse". 80 81

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

gig ist, daß er, um wettbewerbsfähig zu bleiben, darauf angewiesen wäre, daß sein Objekt in das Sortiment des Bahnhofsbuchhandels aufgenommen würde, sind nicht feststellbar. Denkbar sind sie allenfalls auf dem Markt für Sonntagszeitungen und speziellen Fachzeitschriften, die nicht im Abonnement verkauft werden. Hinsichtlich der Sonntagszeitschriften hat der Bahnhofsbuchhandel durch seine Öffnungszeiten eine besondere MarktsteIlung. Eine relative Marktmacht i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB wird aber auch hier im Ergebnis nicht feststellbar sein, da den Verlagen ein Ausweichen auf Zustell- und ambulanten Handel möglich und zumutbar ist. Auch auf den Fachzeitschriftenmärkten sind keine unsubstituierbaren Abhängigkeiten vom Bahnhofsbuchhandel feststellbar. Zusammenfassend ergibt sich, daß die einzelne Bahnhofsbuchhandlung nicht Normadressat des § 26 Abs. 2 GWB ist. e) Sonstige Absatzmittler

Im Bereich der übrigen Absatzmittler gestaltet sich die Feststellung der Normadressaten-Eigenschaften schwierig. Sie wird nur aufgrund umfassender empirischer Marktanteils-Prüfungen möglich sein. Innerhalb des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels (WBZ)63 und des Lesezirkels 64 kommt eine Normadressaten-Eigenschaft als Nachfrager i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB nur dann in Betracht, wenn festgestellt werden kann, daß ein einzelnes Unternehmen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 GWB erfüllt. Hinsichtlich des WBZ kommt außerdem hinzu, daß seine Leistungen überwiegend durch das verlagseigene Abonnement ersetzbar sind. Die einzelnen Firmen des Lesezirkels haben außerdem keine vertraglich vereinbarten Gebietsgrenzen einzuhalten. Beide Unternehmenstypen sind auch selbst keine Preisbinder, der WBZ gibt ausschließlich die Preisbindung der Verlage an den Endverbraucher weiter, der Lesezirkel hingegen ist von dieser aufgrund seiner besonderen Funktion überwiegend freigestellt. Eine Darstellung der Marktanteile einzelner Unternehmen dieser Absatzsparten würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, verspräche aber auch wenig Gewinn, da sich daraus allgemeingültige Ergebnisse nicht ableiten ließen65 . Anzumerken ist jedoch, daß auch für diese Absatzmittler-Gruppen die besondere Berechnungsformel des § 23 Abs. 1 Satz 7 GWB gilt, wonach die Vertriebsumsätze mit dem Faktor 15 zu s. o. Kap. B 11. 5. o. Kap. B 11. 6. 85 Die Problematik von Wettbewerbsregeln im WBZ und ähnlichen Sparten wurde bereits oben (B 11. 5. b» dargestellt. Der förmliche Eintragungsantrag für die AGA-Wettbewerbsregeln wurde mit Schriftsatz vom 10.4.1981 beim Bundeskartellamt gestellt, s. dazu o. V., "Arbeitsgemeinschaft Abonnentenwerbung", in: DNV 1981, Heft 5, S. 3, 4; der Text der Wettbewerbsregeln ist abgedruckt in: DNV 1981, Heft 5, S. 53, 54. 83

M S.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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multiplizieren sind66 • Bei den unterschiedlichen Umsatzgrößen der Unternehmen des Lesezirkels und des WBZ können daher die Vermutungen des § 22 GWB teilweise zutreffen. Auch als "marktstarke" Nachfrager nach Presseobjekten können einige Unternehmen dieser Vertriebssparten Normadressaten des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB sein. Die relative Marktmacht einzelner Unternehmen des WBZ und des Lesezirkels kann sich insbesondere daraus ergeben, daß sich ein Verlag, insbesondere ein kleinerer, durch langjährige Geschäftsverbindungen auf die Nachfrage des WBZ oder Lesezirkels eingestellt und seinen Absatz darauf eingerichtet hat, so daß in einer Umstellung des Vertriebs ggf. auf verlagseigenes Abonnement ein zu großes oder nicht kalkulierbares Risiko läge. Diese Frage der Zumutbarkeit des Ausweichens67 auf einen anderen Absatzweg entscheidet sich danach, ob der Verlag in der Lage ist, zu im wesentlichen gleichen Voraussetzungen über andere, typgleiche Absatzmittler zu vertreiben oder den Absatz über andere Absatzwege zu substituieren68 • Soweit ersichtlich, sind diese Ausweichmöglichkeiten für den Absatz über einzelne Unternehmen des Lesezirkels oder WBZ gegeben, da bei entsprechender Lesernachfrage andere typgleiche oder zumindest andere Absatzmittler bereit und in der Lage sind, die Nachfrage auszugleichen. Eine relative Marktmacht einzelner Unternehmen wird daher im Ergebnis nicht feststellbar sein. Die Normadressaten-Eigenschaft einzelner Unternehmen des Einzelhandels scheitert grundsätzlich daran, daß sie verpflichtet sind, von dem jeweiligen Grossisten zu beziehen und sie diesem gegenüber weder marktbeherrschend noch marktstark sind. In Betracht kommen hier nur größere Handelsketten, da aber die Lieferungen des Grossisten grundsätzlich nur für eine bestimmte Filiale erfolgen und Querlieferungen verboten sind, scheiden Abhängigkeiten des Grosso-Unternehmens aus. Zwar ist die Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB auch dann gegeben, wenn beide Unternehmen, der Anbieter und der Nachfrager, marktstark sind69 , jedoch wird durch die Struktur des Presse absatzmarktes ausgeschlossen, daß marktmächtige Einzelhandelsunternehmen auch Normadressten des § 26 Abs. 2 GWB insoweit werden, als sie s. o. Kap. E 2. s. dazu Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 106; Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 20. 88 Entsprechend WuW /E BGH 1620, 1623 "Revell Plastics", wo entschieden wurde, daß Ausweichmöglichkeiten unzumutbar sind, wenn diese nicht zu im wesentlich gleichen Bedingungen und Voraussetzungen in Anspruch genommen werden können. 89 KG WuW /E 1921, 1924 "Thyssen-Hüller". 6e

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

Presseobjekte beziehen. Dies folgt auch aus der breiten Streuung der Angebotsstellen im Einzelhandepo.

2. Die gleichartigen Unternehmen im Presseabsatzmarkt

a) Auslegungsgrundsitze Der Schutz des § 26 Abs. 2 GWB kommt nur gleichartigen Unternehmen zu. Daher ist es für den Presseabsatzmarkt zu prüfen, welche Unternehmen im Hinblick auf einen bestimmten, maßgeblichen Geschäftsverkehr gleichartig sind. Nicht gleichartige Unternehmen können dann von vornherein aus dem Schutzbereich des § 26 Abs. 2 GWB ausgeschlossen werden. Die Rechtsprechung1 und ihr folgend die Literatur2 sehen die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals darin, zunächst eine verhältnismäßig grobe Sichtung vorzunehmen und stellen als Ausgangspunkt für die Prüfung der Gleichartigkeit darauf ab, welche Grundfunktion3 das betreffende Unternehmen ausübt. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die Unternehmen in dem maßgeblichen Geschäftsverkehr gleiche wirtschaftliche Funktionen und unternehmerische Tätigkeiten ausüben. Ob zusätzlich noch weitere Abgrenzungskriterien heranzuziehen sind, ist streitig' und wird anhand konkreter Fallgruppen aus dem Presseabsatzmarkt zu beurteilen sein. Bei der Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals "Gleichartigkeit" ist insbesondere die Zielsetzung des Kartellgesetzes zu berücksichtigen: Schutz des freien Marktzugangs als einer der wesentlichsten Voraussetzungen für einen wirksamen Wettbewerbs. Dies führt dazu, jeweils einer weiten Auslegung den Vorzug zu geben, um auch Neuentwicklungen im Absatzmittler-Bereich in den Schutz der Vorschrift mit einzubeziehen und nicht die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung in das Tatbestandsmerkmal der Gleichartigkeit vorzuziehen. Da die Verlage in ihrer wirtschaftlichen Funktion und unternehmerischen Tätigkeit gegenüber den Absatzmittlern gleichartig sind, kommt s. o. Kap. B 11. 7. BGH WRP 1980, 196; BGH NJW 1979, 2515, 2516. ! Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 153; Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 59. 3 WuW/E BGH 1527 "Zeitschriften-Grossisten"; WuW/E BGH 1027, 1030 "Sportartikelmesse"; WuW/E BGH 1530, 1531 "Faßbier-Pflegekette"; WuW/E BGH 1635, 1637 "Plaza-SB-Warenhaus"; OLG Düsseldorf WUW/E OLG 917, 919 "Partie-Rabatt"; Müller / Giessler, § 26, Rdnr. 66; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 162; teilweise einschränkend: Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 59; a. A. Belke, der darauf abstellt, ob die Unternehmen durch Wettbewerb verknüpft sind (S. 344) und verlangt, daß räumliche überSchneidung vorliege (S. 348). , Grupp, S. 158 will auch Umsatzzahlen heranziehen; Belke, S. 344 zieht die Wettbewerbsbeziehungen heran; ebenso: Keller, S. 86. S Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 153. 70

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11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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für den maßgeblichen Geschäftsverkehr nur eine Abgrenzung hinsichtlich der Waren in Betracht. § 26 Abs. 2 GWB enthält das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "gleichen Ware"6. Es kann daher im Einzelfall in Betracht kommen, daß der Normadressat Presse-Grosso im Geschäftsverkehr mit den Verlagen "Diskriminierungen" vornehmen kann, wenn die angebotene Ware nicht gleichartig ist. Hier sind insbesondere die Randsortimente des Presseabsatzmarktes relevant. Unabhängig von dem Grundsatz des Presse-Grosso, neuen Objekten den Marktzutritt zu gewährleisten7 , kann § 26 Abs. 2 GWB nicht auch dafür herangezogen werden, Objekte in den Markt zu bringen, die der Definition des PresseobjektesS nicht mehr unterfallen. Da diese Untersuchung jedoch das Leitbild des Handels mit Zeitungen und Zeitschriften darstellt, erübrigt sich die Klassifizierung gleichartiger und ungleichartiger Objekte in anderen Bereichen. Im Hinblick auf die Grundfunktion treten alle Verlage den Absatzmittlern als gleichartig gegenüber. Diese Gleichartigkeit ist unabhängig von der Umsatzgröße oder der Objektzahl des einzelnen Verlages. Auch neu in den Markt eintretende Verlage sind im Vergleich zu den bestehenden gleichartige Unternehmen. Im Verlagsbereich ergeben sich somit bei diesem Tatbestandsmerkmal keine Problembereiche. b) Gleiehartigkeit der Presse-Grossisten

Als Nachfrager nach Presseobjekten könnten alle Presse-Grossisten gegenüber den Verlagen gleichartige Unternehmen sein, wenn die Gleichartigkeit nicht dadurch auszuschließen ist, daß die einzelnen Grossisten auf verschiedenen, räumlich relevanten Märkten tätig sind. In entsprechender übertragung der Ansicht des BGH in der Entscheidung "Strombezugspreis"9 könnte bei den Grossisten mit GebietsalleinsteIlung die Gleichartigkeit zu verneinen sein, da es sich um eigenständige, räumlich relevante Märkte handelt. Auch Benisch10 führt aus, eine ungleiche Behandlung gleichartiger Unternehmen außerhalb des räumlich relevanten Marktes verletze das Diskriminierungsverbot nicht. Markert l1 hingegen begründet seine gegenteilige Ansicht damit, daß sich andernfalls Normadressaten durch Aufspaltung des Gesamtmarktes in räumliche Teilmärkte der Beurteilung regionaler Preisdifferen• Koller, S. 100; Grupp, S. 123. s. o. Kap. B IH. 7. 8 S. o. Kap. B I. 1. u. 2. g WuW /E BGH 1299, 1302 "Strombezugspreis" . 10 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 61. 11 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 158.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

zierungen als Form der unterschiedlichen Behandlung entziehen könnten. Nach dieser Auffassung wären Grosso-Betriebe in jedem Fall gleichartig, wenn sie in einem Gebiet mit Objekttrennung nebeneinander tätig sind. Aber auch die übrigen Grossisten sind, trotz Gebietstrennung, gleichartig. Aus der Sicht der Verlage handelt es sich zwar um räumlich getrennte Teilmärkte. Objektiv und in der für dieses Tatbestandsmerkmal erforderlichen generalisierenden Betrachtungsweise ändert die räumliche Trennung der Gebiete nichts an der funktionellen Gleichartigkeit der Grosso-Unternehmen. Es kommt daher - entgegen der Ansicht Belkes 12 - nicht darauf an, ob die Unternehmen im Wettbewerb stehen und sich ihre Absatzmärkte räumlich überschneiden13 • Auch unterschiedliche Umsatzgrößen oder unterschiedliche spezielle Leistungen der einzelnen Grosso-Unternehmen führen nicht dazu, die Gleichartigkeit von bestehenden Grosso-Unternehmen zu verneinen14 • Ausreichend ist die Übereinstimmung der Grundfunktion15 • Alle Grossisten üben funktionell die gleiche Tätigkeit des Waren absatzes an den Einzelhandel in den besonderen Ausgestaltungen des Presseabsatzes aus. Das Landgericht Mannheim16 hat die Gleichartigkeit eines PresseGrosso-Unternehmens für den Fall bezweifelt, daß ein Verlagsunternehmen an ihm beteiligt ist und außerdem die belieferten Einzelhändler als Kommanditisten mittelbar am Gewinn des Unternehmens teilhaben. Das Landgericht hat darin Merkmale einer Einkaufsgemeinschaft gesehen und geht incidenter davon aus, daß bei einer Einkaufsgemeinschaft keine Gleichartigkeit mit dem typischen Presse-Grossisten besteht. Das OLG Karlsruhe17 und der Bundesgerichtshof1 8 haben hierin jedoch kein durchgreifendes Argument dafür gesehen, die Gleichartigkeit zu verneinen. Bechtold19 und Kaiser20 halten einen Presse-Grossisten dann nicht für gleichartig, wenn er mit Verlagen und Einzelhandel integriert ist. Sie sehen eine unterschiedliche Qualität der Funktionserfüllung und bezweifeln, daß ein solches Unternehmen den AnBelke, S. 344, 348. So im Ergebnis auch: Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 110; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 165. 14 Hildebrandt, S. 200 gegen Beyer, Urteilsanmerkung zu OLG München, NJW 1959, 943, 944. 15 WUW/E BGH 1635, 1637 "Plaza-SB-Warenhaus"; WUW/E BGH 1829 "Original-VW -Ersatzteile 11". 11 LG Mannheim, WRP 1976,410,412. 17 OLG Karlsruhe, BB 1977,1112,1113. 18 BGH WRP 1979, 35, 36. 19 Bechtold, Rainer: "Anmerkung zu OLG Karlsruhe", in: BB 1977,1114. 20 Kaiser, S. 103. 12

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11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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forderungen als Mittler zwischen Verlag und Einzelhandel im Interesse der Pressefreiheit und Pressevielfalt genügen kann. Jedoch wird überwiegend die vertikale Integration mit dem Einzelhandel, also die Form eines Einkaufszusammenschlusses, dann für kein Differenzierungskriterium gehalten, wenn die Einkaufszusammenschlüsse selbst unternehmerisch tätig sind!1 und die gleichen Vermittlungsfunktionen wahrgenommen werden. Die Ausübung der Großhandelsfunktion wird erst dann verneint, wenn ein Einkaufszusammenschluß nur Sammelbestellungen aufgibt und unmittelbare Lieferungen an die Mitglieder verlangt22 . Auch die Beteiligung eines Verlagsunternehmens an einem Presse-Grossisten ändert grundsätzlich nichts an der Funktionsgleichheit dieses Unternehmens mit den anderen. Somit könnte zunächst angenommen werden, daß die Gleichartigkeit von Grosso-Unternehmen immer dann zu bejahen ist, wenn sie Presseobjekte von Verlagen beziehen, diese mit Remissionsrecht an den Einzelhandel weiter veräußern und über eine Geschäftsausstattung verfügen, die ihnen die Erfüllung dieser Aufgaben ermöglicht. Nun hat aber der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Faßbier-Pflegekette"23 erstmals zusätzlich darauf abgestellt, ob sich bei der Tätigkeit der zu vergleichenden Unternehmen Unterschiede ergeben, die sich auf den Vertrieb der Ware wesentlich auswirken2'. Dies bedeutet, daß der BGH ein Unternehmen wohl dann nicht mehr für gleichartig ansehen will, wenn sich der Vertrieb über dieses wesentlich anders gestaltet. Dies kommt im Presseabsatzmarkt dann in Betracht, wenn ein Grosso-Unternehmen - wie im MAL-Fall - die Belieferung für den Zweck begehrt, entgegen der bisherigen übung nicht als Allein-Grossist oder mit Objekttrennung, sondern als Wettbewerbs-Grossist tätig zu werden. Die Frage präzisiert sich also dahin, ob ein Unternehmen, das im Wettbewerb vertreiben will, gleichartig einem solchen ist, das keinem Wettbewerb ausgesetzt ist. Die Gleichartigkeit zwischen Allein-Grossist und WettbewerbsGrossist besteht darin, daß beide die gleiche Verteilfunktion erfüllen. Erhebliche Unterschiede bestehen hingegen in den Wettbewerbsbedingungen und auch in den Auswirkungen für die Remissionsabwicklung und die Dispositionsmöglichkeiten. Börner25 verneint die Gleichartigkeit von Wettbewerbs- und Alleinvertriebsgrossisten mit der Begründung, daß bestehende System sei schutzwürdig. Das mag sein, ist aber kein durchgreifendes Argument gegen die Gleichartigkeit. 21 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 62; WuW / E OLG 1856; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 113. 2: Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 62; Belke, S.350. 23 WuW /E BGH 1530, 1531 "Faßbier-Pflegekette". U So auch WUW/E BGH 1587, 1588 "Modellbauartikel". :6 Bömer, S. 37 f.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

Die Auseinandersetzung mit diesen Thesen erübrigt sich hier zunächst26 , da es sich im wesentlichen nicht um Fragen der Gleichartigkeit, sondern um Fragen der sachlichen Rechtfertigung handelt. Börners Folgerungen wären im Ergebnis dann zutreffend, wenn der Ansicht zu folgen ist, daß im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB allein schon die unterschiedliche Stellung im Wettbewerb die Gleichartigkeit der Unternehmen entfallen läßt. Es sprechen jedoch durchgreifende Argumente dagegen, das Merkmal der Gleichartigkeit anhand der Wettbewerbsverhältnisse zu entscheiden. Die von der Rechtsprechung bezweckte grobe Sichtung27 könnte nicht durchgeführt werden, vielmehr müßten die Wettbewerbsverhältnisse umfassend dargelegt und abgewogen werden. Außerdem sind weitere Differenzierungen als die Feststellung der übereinstimmung der Grundfunktion grundsätzlich erst unter dem Gesichtspunkt des sachlich gerechtfertigten Grundes zu prufen 28 • Die Ansicht des BGH in der Entscheidung "Medizinischer Badebetrieb"2u, wonach es auf die etwaigen Unterschiede der zu vergleichenden Unternehmen in den Wettbewerbsbedingungen ankäme, beruht auf nicht verallgemeinerungsfähigen Fallbesonderheiten30 • Diese Unterschiede können allenfalls bei der Frage berücksichtigt werden, ob eine Behinderung unbillig oder eine unterschiedliche Behandlung grundlos ist31 • Würde man der Ansicht folgen, Gleichartigkeit bedeute, daß gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen müßten32 , so käme man zum Ausschluß leistungsfähiger Wettbewerber aus dem Marktgeschehen, auch wenn es nur auf die Marktchancen im Verhältnis zum diskriminierenden Unternehmen ankommt 33 • Ebenroth34 weist zutreffend darauf hin, daß der Wortlaut des § 26 Abs. 2 GWB keinen Anhaltspunkt dafür gebe, daß zwischen den zu vergleichenden Unternehmen ein Wettbewerbsverhältnis in räumlicher und sachlicher Beziehung bestehen müsse. Die im Presseabsatzsystem bestehende "Newcomer"-Problematik ist daher nicht auf die Weise lösbar, daß man einen neuen GrossIsten, der zu den bestehenden in Wettbewerb treten will, als ungleichs. auch Kaiser, S. 19, 49, 130 ff. zr WuW/E BGH 1629, 1631 "Modellbauartikel 11"; WuW/E BGH 863, 867 "Rinderbesamung 11". 18 OLG Karlsruhe WRP 1979, 61, 64. 29 WUW/E BGH 1493 "Medizinischer Badebetrieb"; a. A. Emmerich: "Kartellrecht" , S. 205. 30 Dies bestätigt der BGH ausdrücklich in: WuW /E BGH 1635, 1637 "PlazaSB-Warenhaus" . 11 So Emmerich: "Kartellrecht" , S. 205. 32 So Belke, S. 344, 348. 33 Ebel: "Gleichartigkeit von Unternehmen im Rahmen des Diskriminierungsverbots nach § 2611 GWB", in: DB 1977, S. 1781, 1782. U Ebenroth, S. 207. ZI

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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artig bewertet. Vielmehr wird bei Funktionsgleichheit dieses Tatbestandsmerkmal keine Ausgrenzung ermöglichen35 • Sobald ein neuer Grossist über die entsprechenden Kapazitäten und finanziellen Mittel verfügt, die Grundfunktionen des Presse-Grosso zu erfüllen, ist er den bestehenden Grosso-Unternehmen gegenüber gleichartig. Gleichartigkeit ist auch dann nicht zu verneinen, wenn ein bestehender oder neuer Presse-Grossist neben seiner Hauptfunktion auch Einzelhandel betreibt oder Bahnhofsbuchhandlungen von der Deutschen Bundesbahn pachtet. Eine Betätigung des Großhandels auch als Einzelhändler steht seiner Gleichartigkeit mit "reinen" Großhändlern nicht entgegen36 • c) Gleiehartigkeiten bei anderen Absatzmittlem

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen zu dem Tatbestandsmerkmal der Gleichartigkeit ist die Feststellung unproblematisch, daß typgleiche Absatzmittler grundsätzlich gleichartig i. S. des § 26 Abs. 2 GWB sind. Da ein Wettbewerbsverhältnis zwischen ihnen nicht bestehen muß, sind Bahnhofsbuchhandlungen im Verhältnis zueinander gleichartig. Differenzierungen hinsichtlich der Umsatzgröße, Filialoder Einzelbetrieb u. a. sind im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals unzulässig, da alle Bahnhofsbuchhandlungen die gleiche Grundfunktion erfüllen. Diese Grundfunktion ist Einzelhandel37 , eine Gleichartigkeit mit Grosso-Unternehmen kommt daher nicht in Betracht38 • Auch die typgleichen Unternehmen der Absatzsparten WBZ, Lesezirkel und auch die National Distributoren können, ohne daß eine Problematisierung erforderlich wäre, als gleichartig bewertet werden. Im Einzelfall wird jedoch die Gleichartigkeit von Unternehmen des vom Grosso belieferten Einzelhandels39 zu prüfen sein. Gleichartig sind die typischen Einzelhandelsgeschäfte, die üblicherweise zumeist neben dem Zeitschriftensortiment Tabakwaren, Papierwaren oder Bücher veräußern und teilweise Lotto/Toto-Annahmestellen betreiben. Traditionelle Warenhäuser mit Fachabteilungen sind gleichartig den Facheinzelhändlern40 , Lebensmittelmärkte, Verbrauchermärkte und Selbstbedienungswarenhäuser sind ebenfalls gleichartig41. Für die Ab35 a. A. Bechtold, BB 1977, S. 1114 u. in dem unveröffentlichten Gutachten "Rechtsprobleme des Presse-Grosso", S. 53; Kaiser, S. 103; Bömer, S. 38. 38 Ähnlich Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 113; WuW /E BGH 1429, 1431 "Asbach-Fachgroßhändlervertrag". 37 So auch zutreffend Schmahl, WRP 1979, S. 513, 514. 38 So auch Hildebrandt, S. 200. 31 S. o. Kap. B 11.7. a) u. d), Kap. C 2. e). 40 WUW/E OLG 287, 289 "Spar-Markt"; Müller/Giessler, § 26, Rdnr. 67; Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 64. 41 z. B. WuW /E BGH 1635, 1637 "Plaza-SB-Warenhaus".

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

grenzung der Einzelhandelsgeschäfte kann im übrigen auf die schon dargestellte EHASTRA verwiesen werden. Problembereiche ergeben sich im Presseabsatzmarkt bei der Belieferung des Einzelhandels nur hinsichtlich der Spezialverkaufsstellen (aa) und des direkt belieferten Einzelhandels, insbesondere Montanus-aktuell (bb). aa) Spezialverkaujsstellen Spezialverkaufsstellen sind Händler, die nur einzelne Spezialtitel von den Grossisten beziehen wollen und von ihrer Struktur her nicht das sonst übliche Sortiment führen können. Es handelt sich hierbei um Geschäfte, die Presseobjekte zur Ergänzung ihres Hauptsortiments führen wollen, z. B. Friseure: Mode- und Frisurzeitschriften; Blumenhändler: Garten- und Blumenzeitschriften; Fotohändler: Foto-Fachzeitschriften usw. Diese Einzelhändler erfüllen zwar die gleiche Grundfunktion wie die übrigen, könnten aber deswegen als ungleichartig zu bewerten sein, weil sie im Gegensatz zu den anderen nur an bestimmten Sortimentsteilen interessiert sind. Sicherlich sind die jeweiligen Gruppen untereinander gleichartig, ob jedoch die Angehörigen verschiedener Gruppen und die übrigen Einzelhändler untereinander gleichartig sind, ist schwierig zu beantworten. Gegen die Gleichartigkeit sprechen Sortimentsbreite, Dispositionsmöglichkeiten und überwiegend die Unternehmensstruktur. Dafür ist jedoch die Grundfunktion als Einzelhandel anzuführen. Nicht übersehen werden darf jedoch, daß vielfach die Verlage der in Betracht kommenden Spezialzeitschriften eine Belieferung der Spezialverkaufsstellen unter Ausschluß der bestehenden Grosso-Unternehmen durchführen, sich hier also ein eigener Markt und damit auch ein eigenständiger Geschäftsverkehr entwickelt hat. Da die Gleichartigkeit von Unternehmen nur im Hinblick auf einen bestimmten maßgeblichen Geschäftsverkehr beurteilt werden kann4!, könnte die Gleichartigkeit der Spezialverkaufsstellen im Hinblick auf den Geschäftsverkehr zwischen Groß- und Einzelhandel zu verneinen sein. Die Grundfunktion der Spezialverkaufsstellen ist m. E. nicht mit der der übrigen Einzelhandelsverkaufsstellen vergleichbar. Bei dem typischen Einzelhandel sind die Presseobjekte ein eigenes, selbständiges Verkaufssortiment. Für die Spezialverkaufsstellen bildet das eingeschränkte Pressesortiment nur eine "Zugabe" zu den übrigen Leistungen. Es erscheint daher zutreffend, die Spezialverkaufsstellen nicht dem übrigen Einzelhandel als gleichartig zu erachten, sondern sie als eigenen Absatzmittler-Typ zu bewerten. Vorweggenommen werden kann daher schon hier das Ergebnis, daß ein Belieferungsanspruch gegenüber dem Normadressa42

WuW/E BGH 1069, 1071 "Tonbandgeräte".

II. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs.2 GWB

173

ten Presse-Grosso nur dann in Betracht kommen kann, wenn dieser andere, gleichartige Spezialverkaufsstellen beliefert. bb) Montanus-aktuell

Die Entwicklung der Firma Montanus-aktuell GmbH & Co. KG wurde bereits dargestellt 43 • Es handelt sich um die z. Zt. wohl einzige Handelskette, die von einigen Verlagen direkt beliefert wird. Es ist daher zu fragen, ob dieses Unternehmen als gleichartig mit anderen Absatzmittlern anzusehen ist. Die Einordnung stellt sich als schwierig dar, weil innerhalb der Handelskette teilweise Funktionen eines GrossoBetriebes durch die Zentrale wahrgenommen werden, wie z. B. die Sortimentszusammenstellung der einzelnen Filialen, zentrale Remission und Zahlungsregulierung. Andererseits jedoch handelt es sich bei den einzelnen Geschäften um unselbständige Filialen, wodurch ein Handel zwischen Zentrale und Filiale ausgeschlossen ist. Die Zentrale stellt also nicht, wie typischerweise ein Grosso-Unternehmen, eine selbständige Handelsstufe dar. Das Bundeskartellamt44 hat in dem Verfahren Montanus-aktuell gegen Gruner u. Jahr festgestellt, daß Montanus-aktuell nicht den Unternehmen des Presse-Grosso gleichartig sei, da Montanus-aktuell in seiner Grundfunktion Einzelhandel sei45 • Nach den hier dargelegten Grundsätzen für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals ist dies zutreffend. Allein die Tatsache, daß ein Unternehmen direkt beliefert wird und Filialen betreibt, begründet noch keine Grosso-Funktion. Die Grundfunktion als Einzelhandel besteht darin, daß ohne Zwischenstufe direkt an den Endverbraucher veräußert wird. Dies ist bei Montanus-aktuell der Fall. Auch die zentral einkaufenden Warenhäuser, die die erhaltenen Waren auf ihre Filialen verteilen, sind nicht als Großhandel, sondern als Einzelhandel anzusehen'6. Allein aus der Direktbelieferung, die Montanus-aktuell mit dem Großhandel gemeinsam hat, läßt sich daher keine Gleichartigkeit begründen. Dahinstehen lassen hat das Bundeskartellamt in seinem Schreiben vom 5. Juni 197847 , ob Gleichartigkeit zwischen Montanus-aktuell und dem Bahnhofsbuchhandel besteht. Es hat starke Anhaltspunkte dafür gesehen, daß die Grundfunktion als Einzelhandel gleich sei. Jedoch hat das Amt als Unterschiede die besonderen Leistungen und Auflagen des Bahnhofsbuchhandels gesehen, die dieser aufgrund der Verträge mit s. o. Kap. B II. 7. cl. BKartA WRP 1979, 582. 45 s. a. Wenzel, AfP 1979, S. 380, 384. 48 WuW/E BGH 1635, 1637 "Plaza-SB-Warenhaus"; WuW/E OLG 1913, 1914 "Allkauf". 47 BKartA WRP 1979,582. 43 44

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs.2 GWB

der Deutschen Bundesbahn zu erfüllen hat48 . In einer Stellungnahme zum Schreiben des Bundeskartellamtes hat der Rechtsausschuß des VDZ49 ausgeführt, eine Gleichartigkeit zwischen Montanus-aktuell und den Bahnhofsbuchhandlungen bestehe nicht, da diese aufgrund bahnrechtlicher Vorschriften und den Allgemeinen Vertragsbedingungen gezwungen seien, längere Öffnungszeiten mit erheblich höheren Personalkosten, überdurchschnittlich größeres Sortiment und weitere Auflagen zu erfüllen. Es wird in dieser Stellungnahme weiter ausgeführt, daß die höheren Kosten für sich genommen eine Direktbelieferung des Bahnhofsbuchhandels nicht rechtfertigen, weil mit diesem Argument unwirtschaftlich organisierte Betriebe ebenfalls höhere Rabatte verlangen könnten. Beim Bahnhofsbuchhandel sei diese Rechtfertigung jedoch gegeben, weil die höhere Kostenlast zwangsläufig entstehe. Dies ist m. E. aber ein Argument, das auf die sachliche Rechtfertigung einer unterschiedlichen Belieferungspraxis zielt und daher nicht bei dem Tatbestandsmerkmal der Gleichartigkeit der Unternehmen herangezogen werden kann. Die von dem Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Zeitschriften-Grossisten"50 ausgesprochene Feststellung, daß Umstände, die bei der Interessenabwägung im Einzelfall heranzuziehen sind, nicht schon bei der Prüfung der objektiven Tatbestandsmerkmale berücksichtigt werden dürfen51 , verbietet es daher, dieses Argument zu verwenden, um Gleichartigkeit zu verneinen. Vielmehr ist bei diesem Tatbestandsmerkmal auf die objektive Grundfunktion abzustellen, die besonderen Belastungen des Bahnhofsbuchhandels sind erst bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung heranzuziehen. Außer den besonderen Aufgaben des Bahnhofsbuchhandels und seiner Ortsgebundenheit sind keine entscheidenden Ungleichheiten zwischen diesem und der Filialkette Montanus-aktuell erkennbar. Beide sind in ihrer Grundfunktion Einzelhändler, und der Bahnhofsbuchhandel ist trotz der Direktbelieferung gleichartig im Verhältnis zu allen übrigen Einzelhändlern5!. Die Konsequenz dieser "groben Sichtung" besteht darin, daß andere Filialketten und auch Warenhäuser als gleichartig mit dem Bahnhofsbuchhandel und auch Montanus-aktuell anzusehen sind. Es ergibt sich dadurch möglicherweise eine erhebliche Instabilität der bestehenden Struktur des Presseabsatzmarktes, wenn durch vermehrte Aufnahme s. hierzu Kap. B 11. 4. Rechtsausschuß des VDZ v. 31. 1. 1979, Betr.: Direktbelieferung des Einzelhandels durch Verlage, S. 3 (unveröffentlichte Stellungnahme). 50 WuW /E BGH 1527, 1530. 61 s. a. WUW/E BGH 502 "Grote Revers"; BGH NJW 1972,483,485 "Kraftwagen-Leasing" . 5! So auch Schmahl, WRP 1979, S. 513, 514; ihm folgt Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 170. 48

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u. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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von Direktbelieferungen die Verlage bewirken, daß auch das nächste Tatbestandsmerkmal "der üblicherweise zugängliche Geschäftsverkehr" zu bej ahen sein wird.

3. Der üblicherweise zugänglidle Geschäftsverkehr im Presseabsatzmarkt a) Auslegongsgnmc1sltze

Bei dem Tatbestandsmerkmal des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs handelt es sich um eine Einschränkung des Grundsatzes, daß gleichartige Unternehmen auch "gleich" zu behandeln seien. Gerade im Presseabsatzmarkt ist die Frage, ob ein Geschäftsverkehr üblicherweise zugänglich ist, für die Mehrzahl der Fälle entscheidungserheblich. Im MAL-Fall haben das Landgericht1 und das Oberlandesgericht2 dieses Tatbestandsmerkmal verneint. Der BGH3 hingegen hat es als entscheidungs erheblich angesehen, wie sich das Absatzsystem entwickelt hat und welche Auffassung die nachgelagerte Wirtschaftsstufe, der Einzelhandel, hierzu vertrete. Es hat daher das oberlandesgerichtliche Urteil aufgehoben. Obwohl das OLG im zweiten Urteil4 die Frage nach dem üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr hat dahinstehen lassen, erscheint sie doch wesentlich für die kartellrechtliche Würdigung des Presseabsatzsystems. Ob ein Geschäftsverkehr gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, bestimmt sich nach der objektiven Theorie danach, "was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat" . Es kommt daher nicht auf die besonderen Verhältnisse des einzelnen Normadressaten an, sondern nur auf die generelle Situation in dem betreffenden Wirtschaftsbereich5 • Als Mindermeinung kann die sogenannte "subjektive Theorie" angesehen werden, die auf das Verhalten LG Mannheim WRP 1976, 410, 413 f. OLG Karlsruhe v. 25. 5. 1977, BB 1977,1112,1113. 3 WuW /E BGH 1927, 1529 "Zeitschriften-Grossisten". 4 OLG Karlsruhe v. 29.4. 1980, WuW /E OLG 2289 f. 5 h.M.; erstmals WuW/E BGH 647, 651 "Rinderbesamung I"; WUW/E BGH 863, 866 "Rinderbesamung U"; WuW/E BGH 1527, 1528 "Zeitschriften-Grossisten"; WUW/E BGH 1238, 1242 "Registrierkassen"; WuW/ / BGH 1587, 1589 "Modellbauartikel"; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 117; Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26, Abs. 2 und 3, Rdnr. 68; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 174; Koller, S. 92; Kracht, Friedrich: "Das Diskriminierungsverbot im GWB", in: NJW 1960, S. 1229, 1230; Lutz, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 10. 10. 1978 "Zeitschriften-Grossisten", in: GRUR 1979, S. 177, 179; Schmahl, WRP 1979, S. 513,514 f. 1

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

desjenigen abstellt, der den fraglichen Geschäftsverkehr eröffnet hat s. Danach ist die kartell rechtliche Kontrolle darauf beschränkt, daß der Normadressat das von ihm selbst gewählte und eingerichtete Absatzsystem gleichmäßig durchführen muß. Das gewählte Absatzsystem kann in konsequenter Anwendung dieser Ansicht nicht mehr kartellrechtlich infrage gestellt werden, es besteht nur noch die Möglichkeit, über eine allgemeine Willkürgrenze7 das System selbst auf Diskriminierungen zu überprüfen. Der Wortlaut des § 26 Abs. 2 GWB ließe die subjektive Theorie durchaus zu, jedoch würde das Diskriminierungsverbot seine Funktion nicht erfüllen, wenn die übliche Zugänglichkeit allein nach der Handhabung durch den Normadressaten bestimmt würde. Jede persönliche Entscheidung des DiSkriminierenden aufgrund wirtschaftlicher Zweckmäßigkeitserwägungen könnte dazu führen, einen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr zu verneinen8 • Entgegen der nur noch vereinzelt vertretenen subjektiven Theorie ist es aber gerade das Ziel des § 26 Abs. 2 GWB, die subjektiven Vorstellungen des Diskriminierenden bei der Anwendung der Vorschrift unberücksichtigt zu lassen, um den Wettbewerb selbst zu fördern. Es ist daher der objektiven Theorie zu folgen, die im einzelnen noch zu konkretisieren ist. Die Formel "was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat" enthält verschiedene korrespondierende Bestandteile, die hinsichtlich ihrer Gewichtung und Praktikabilität zu differenzieren sind. Schmahl9 weist zu Recht darauf hin, daß vor der Anwendung der dargestellten Formel zunächst zu überprüfen ist, ob der Geschäftsverkehr faktisch zugänglich ist. Soweit dies feststellbar ist, ergeben sich aus diesem Tatbestandsmerkmal keine Abgrenzungsmöglichkeiten. Erst wenn die objektive Zugänglichkeit zu verneinen ist, kommt es auf die Anwendung der vorbezeichneten Formel an. Diesem Gesichtspunkt wird teilweise 10 wohl deswegen keine Bedeutung zugemessen, weil bei objektiv gegebener Zugänglichkeit eine Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB nicht erforderlich ist, da eine Diskriminierung an sich schon nicht in Betracht kommt. Es kann auf dieses objektive Merkmal, daß der Geschäftsverkehr zugänglich sein muß, auch nicht verzichtet werden. Dennoch stellt 8 Frankfurter Kommentar zum GWB, § 26, Tz. 95; früher auch BKartA WUW/E BKartA 497, 500. 7 Frankfurter Kommentar zum GWB, § 26, Tz. 96. 8 Ähnlich Ebenroth, S. 109. t Schm.ahl, WRP 1979, S. 514. 10 s. z. B. Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 174 ff.; Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 68 ff.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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Emmerich l l ausschließlich auf die hypothetischen Wettbewerbsverhältnisse auf dem fraglichen Markt ab. Auch Koller12 und Belke13 abstrahieren von dem Erfordernis einer jedenfalls begrenzten tatsächlichen Öffnung des maßgeblichen Geschäftsverkehrs und kommen damit im Ergebnis zur Überprüfung des "als-ab-Wettbewerbs" und so zu einem Vergleichsmarktkonzept. Dem ist aber nicht zu folgen, da der Gesetzeswortlaut insoweit eindeutig entgegensteht. Der Geschäftsverkehr muß gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich sein. Es kann daher diese Zugänglichkeit nicht allein damit begründet werden, sie bestünde, wenn Wettbewerb herrschen würde. Das bedeutet, daß ein völlig verschlossener Markt nicht mit der Begründung als zugänglich bewertet werden kann, er wäre es, wenn Wettbewerb hergestellt werden könnte. Jedoch sind an die Zugänglichkeit nur geringe Anforderungen zu stellen. Sie ist schon dann gegeben, wenn ein nicht ganz unerheblicher Teil auf der einen Marktseite Geschäftsbeziehungen mit gleichartigen Unternehmen auf der anderen Seite zu unterhalten bereit ist und diese Unternehmen von der Zugangsmöglichkeit in einem nicht unerheblichen Umfang auch tatsächlich Gebrauch machen14 • b) Die allgemeine 'Vbuug

Was im Presseabsatzmarkt "allgemeine Übung" ist, wurde bereits dargestellt15 • Es handelt sich hierbei um ein rein empirisches Kriterium, das danach zu beurteilen ist, wie die Branche in ihren Absatzstrukturen und in ihrer Mtigliedschaft organisiert ist. Es kann daher aufgrund der vorbezeichneten Ausführungen als allgemein üblich angesehen werden, daß die Verlage die Absatzmittler Grosso, Bahnhofsbuchhandel, WBZ und Lesezirkel beliefern. Üblich ist auch, daß das Presse-Grosso (ebenfalls Normadressat16) seine Leistung den Verlagen zur Verfügung stellt, deren Objekte abnimmt und den Einzelhandel beliefert. Problematisch ist die Frage der allgemeinen Übung jedoch in den Fällen, in denen nur ein geringer Teil gleichartiger Unternehmen beliefert wird und bei quantitativen Marktzugangsbeschränkungen. Hinsichtlich der ersten Fallgruppe ist im Presseab11 Emmerich: "Kartell recht" , S. 206; so auch ders.: "Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Diskriminierungsverbot (§ 26 Abs. 2 GWB)", in: AG 1976, S. 57, 61. 11 Koller, S. 96 ff. IS Belke, S. 354. 14 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26, Abs. 2 und 3, Rdnr. 68; KG WQuW/E OLG 2247, 2250 "Parallel-Lieferungsteile"; WuW/E BKartA 1781, 1786 "Identteile"; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 176. 15 s. o. Kap. B. 18 s. o. Kap. G 11. 1. cl.

12 Roggen

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

satzsystem die Direktbelieferung des Einzelhandels von Bedeutung. Auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt wird - abgesehen von den Bahnhofsbuchhandlungen - nur von einigen Verlagen die Filialkette Montanus-aktuell direkt beliefert. Es ist daher zu prüfen, ob dadurch schon der Geschäftsverkehr mit den Verlagen im Wege der Direktbelieferung als allgemeine übung i. S. der dargestellten Formel angesehen werden kann. Im Vergleich zum Gesamtmarkt handelt es sich bei den Fällen der Direktbelieferung nur um einen geringen Anteil. Nur der Sonderfall Bahnhofsbuchhandel könnte dafür herangezogen werden, die Direktbelieferung des Einzelhandels als üblich anzusehen. Zwar ist der direkt belieferte Einzelhandel i. S. des § 26 Abs. 2 GWB gleichartig mit dem Bahnhofsbuchhandel, Direktbelieferung ist aber erst dann allgemein üblich, wenn ein nicht ganz unerheblicher Teil der Verlage hierzu bereit ist17. Diese Abgrenzung zeigt, daß die Verlage durch eigenes Verhalten und durch ihre Vertriebs- und Verwendungsbindungen die allgemeine übung selbst bestimmen. Auch auf der Grundlage der hier vertretenen objektiven Theorie kann also durch das subjektive Verhalten der Marktbeteiligten eine Änderung der empirischen Grundlagen bewirkt werden. Die Verlage können durch Aufnahme von direkten Vertragsbeziehungen mit dem Einzelhandel bewirken,' daß die Direktbelieferung als allgemeine übung anzusehen ist. Es reicht hierfür schon die grundsätzliche Bereitschaft der Verlage, auf den Geschäftsumfang im einzelnen kommt es nur im geringen Maße an. Das Kammergericht hat hierzu in seiner Entscheidung "Parallel-Lieferteile"18 ausdrücklich festgestellt, es reiche die Möglichkeit eines Geschäftsverkehrs, die tatsächliche Praktizierung sei nicht erforderlich. Bei der Direktbelieferung des Einzelhandels fehlt es jedoch zur Zeit schon an der Möglichkeit, den Geschäftsverkehr aufzunehmen. Mit der Ausnahme Bahnhofsbuchhandel wird die Masse der Einzelhändler nicht direkt beliefert. Allein die Tatsache, daß einzelne Verlage bereit sind, die Filialkette Montanus-aktuell mit einigen Objekten zu beliefern, führt noch nicht dazu, die Direktbelieferung als allgemein üblich anzusehen. Nur wenn die Geschäftspraxis der Verlage sich soweit ändern sollte, daß noch weitere Teile des Einzelhandels direkt beliefert werden oder werden können, ließe sich eine allgemeine übung erkennen. Quantitative Marktzugangsbeschränkungen bestehen hinsichtlich des Geschäftsverkehrs zwischen Verlagen und Grossisten. Es entspricht nicht allgemeiner übung, in einem Gebiet mehrere Presse-Grossisten 17 Inensprechender Anwendung der Urteile WUW/E BGH 1211, 1214 "Kraftwagen-Leasing"; KG WuW/E OLG 2247, 2250 "Parallel-Lieferteile". 18 KG WuW/E OLG 2247, 2250.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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mit gleichen Objekten zu beliefern (Wettbewerbs-Grosso), vielmehr wird, mit Ausnahme von fünf Gebieten, jeweils nur ein Grossist beliefert, ansonsten besteht Objekttrennung. Fraglich ist aber, ob sich allein aus dieser empirischen Feststellung schon ergibt, daß es nicht allgemeiner Übung entspreche, neue Presse-Grossisten zu beliefern. In dieser Weise könnte das OLG Karlsruhe mit der Ausführung verstanden werden, das Diskriminierungsverbot greife erst dann ein, wenn auf den dem Hersteller nachgeordneten Wirtschaftsstufen überhaupt ein Wettbewerb bestehe1". Die Newcomer-Problematik allein mit der Feststellung zu lösen, es werde kein Wettbewerber zu dem Geschäftsverkehr zugelasl>en, würde aber bedeuten, wieder entsprechend der subjektiven Theorie allein auf die Geschäftspraxis des diskriminierenden Unternehmens abzustellen. Die mißverständliche Begründung des OLG hat Ebenroth zum Anlaß genommen, dieses Urteil der subjektiven Theorie zuzuordnen20• Jedoch hat schon Bechtold21 auf den Gesamtzusammenhang des Urteils hingewiesen, woraus sich ergebe, daß das Gericht der objektiven Theorie gefolgt sei, es habe nur pronounciert dartun wollen, daß das Diskriminierungsverbot nicht per se dazu diene, Herstellerentscheidungen für ein bestimmtes Vertriebssystem aufzuheben. Allein aus der Tatsache, daß die Verlage üblicherweise keine neuen (Wettbewerbs-)Grossisten beliefern, ergibt sich die Problemlösung also nicht, da auf das subjektive Verhalten der Verlage nicht abzustellen ist. Es ist nämlich allgemein üblich, daß die Verlage PresseGroßhändler beliefern. Nur dies ist entscheidend für die Frage, ob auch ein neuer Grossist sich auf die allgemeine Üblichkeit berufen kann. Weder faktische Beschränkungen durch Kapazitätsgrenzen22 noch systematische Begrenzungen der zum Geschäftsverkehr zugelassenen Unternehmen23 schließen die Üblichkeit aus. Es handelt sich bei diesem Tatbestandsmerkmal um ein verhältnismäßig lockeres, das ersichtlich auf einen groben Durchschnitt abste1lt24 • Daher kommt es bei der allgemeinen Übung auf die objektiven Gegebenheiten an. Entgegen der Ansicht Hildebrandts 25 ist nicht die Branchenüblichkeit entscheidend!8, 18

OLG Karlsruhe, BB 1977, 1112, 1113; s. a. Anmerkung von Bechtold, BB

1977,1114.

20 Ebenroth, S. 109, Fn. 287; so auch Emmerich: "Kartellrecht" , S. 206, Fn.55. !1 Bechtold, Anmerkung zu OLG Karlsruhe, in: BB 1977, S. 1114. 22 WuW/E BGH 1027,1031 "Sportartikelmesse II". !I WuW/E BGH 1200, 1202 "Vermittlungsprovision für Flugpassagen"; WUW/E BGH 1455 "BMW-Direkthändler". !4 WuW /E BGH 863, 867 "Rinderbesamung 11". 25 Hildebrandt, S. 206. 28 So aber OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 2133, 2134 "Premium-Bier"; ebenso Schmahl, S. 516.

12·

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weil die übung gewisser Branchen durchaus diskriminierend und wettbewerbsfeindlich sein kann und Ziel des Gesetzes nicht der Schutz von Branchenpraktiken, sondern der des Wettbewerbs ist27 . Für neue Presse-Großhändler und andere Newcomer im Absatzmittelbereich ist die Möglichkeit des Zugangs zu dem Geschäftsverkehr also nicht mit der Begründung zu verneinen, sie sei branchenüblich. Vielmehr ist der Geschäftsverkehr mit Verlagen für Presse-Großhändler (auch neue) schon deshalb üblich, weil die Verlage mit einer, wenn auch geringen Zahl von Großhändlern, Geschäftsbeziehungen unterhalten. c) Die natürliche wirtschaftliche Entwiddnng

Entsprechend der dargestellten Formel ist es erforderlich, daß sich die allgemeine übung in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung herausgebildet hat. Insbesondere die Geschäftspraktiken der Verlage und Grossisten müssen sich nach Ansicht des BGH28 in einer Weise entwikkelt haben, die nach einem objektiven Maßstab nicht als wettbewerbswidrig anzusehen ist. Der BGH29 hat in seiner Entscheidung "Zeitschriften-Grossisten" eine natürliche wirtschaftliche Entwicklung dann abgelehnt, wenn die Gebiets aufteilung und die Einführung des Systems alleiniger Gebietsgrossisten auf kartellrechtswidrigen Absprachen beruhe. Markert 30 meint, auf diese vom BGH als entscheidend angesehene Frage käme es deshalb schon nicht an, weil die Belieferung von Grossisten allgemein üblich sei und daher auch für einen Newcomer der Geschäftsverkehr aus diesem Grunde schon üblicherweise zugänglich sei. Schmahl31 sieht im Presseabsatzmarkt und insbesondere in der Entwicklung hin zum Gebiets-Grossisten eine natürliche wirtschaftliche Entwicklung und führt außerdem aus 32 , auch ein System, das auf Absprachen beruhe, könne faktisch durchaus Ausdruck und Ergebnis einer natürlichen wirtschaftlichen Entwicklung sein. Der BGH33 rügt das oberlandesgerichtliche Urteil 34 auch deswegen, weil es nicht die Belange und Auffassungen der nachgeordneten Wirtschaftsstufen, also des Einzelhandels, berücksichtigt habe. Hiergegen wendet sich Lutz35 mit der BegrünZutreffend Ebenroth, S. 110. WuW /E BGH 1527, 1529 "Zeitschriften-Grossisten". 29 WUW/E BGH 1527, 1529 "Zeitschriften-Grossisten". 80 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 179. 31 Schmahl, WRP 1979, S. 513, 514. 27

2B

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Schmahl, S. 516.

83 WuW /E BGH 1527, 1529. 34 WuW/E OLG 1855 ff. 85 Lutz, Anmerkung zum Urteil des BGH "Zeitschriften-Grossisten", in: GRUR 1979, S. 177.

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dung, der Einzelhandel sei bei der Beurteilung der Üblichkeit nicht zu berücksichtigen, da er nicht an dem Vertragsverhältnis zwischen Presse-Grosso und Verlag beteiligt sei, allenfalls die Ansichten der kleineren Verlage seien zu berücksichtigen. Hinsichtlich der kartellrechtswidrigen Absprachen hält es Lutz36 für erforderlich zu prüfen, welche Alternativen ohne die Absprachen bestünden oder sich entwikkelt hätten. Das Bundeskartellamt verneint ebenfalls in seiner Stellungnahme nach § 90 GWB im Verfahren MAL./. Bauer Verlag37 die natürliche wirtschaftliche Entwicklung allein mit der Begründung, das System des Alleingebiets-Grossisten sei auf kartell rechtswidrige Absprachen zurückzuführen. Diese kurze Zusammenstellung zeigt schon, wie kontrovers die Frage der üblichen Zugänglichkeit hinsichtlich der Kriterien der geschichtlichen Entwicklung und der Ansichten der beteiligten Verkehrskreise diskutiert wird. Im Presseabsatzsystem ist dieses Tatbestandsmerkmal aber nicht nur hinsichtlich des Marktzutritts für Grosso-Newcomer problematisch, sondern es wird auch relevant für die Prüfung der Fragen, ob Bahnhofsbuchhandlungen direkt, Einzelhandel von den Grosso-Unternehmen und andere Absatzmittler überhaupt und zu welchen Bedingungen beliefert werden müssen. Stellt man sich mit dem BGH auf den Standpunkt, frühere und einmalige kartellrechtswidrige Absprachen lassen das gesamte hierauf beruhende Vertriebssystem als nicht in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung entstanden und als nicht von den beteiligten Wirtschaftskreisen gebilligte Regelung erscheinen, so hat dies weittragende Auswirkungen auf das gesamte Pressevertriebssystem. Zur Lösung dieser Problematik ist zunächst auf den Sinn und Zweck der Abgrenzungsformel zu rekurrieren, die darauf abstellt, "was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat". Sinn dieser auf § 9 KartVG beruhenden Formel ist es, zu einem objektiven Maßstab zu gelangen. Weder die Geschäftspraxis des einzelnen Unternehmens noch eine möglicherweise wettbewerbswidrige Branchengepflogenheit, sondern die Verkehrs anschauung aller am Vertrieb beteiligten Kreise, ggf. einschließlich der Verbraucher, sollen unter Berücksichtigung der Eigenarten der Ware entscheiden, ob ein Geschäftsverkehr angemessen ist. Es kommt daher auf die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der kartellrechtlichen Überprüfung an. Frühere Entwicklungen oder kartellrechtswidrige Absprachen können 38 37

Lutz, GRUR 1979, S. 177, 178. BKartA Schreiben v. 12.4.1977, Gesch.-Nr. ZR 1-256200-R-131/76, S. 3.

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m. E. daher nur dann in die Betrachtung einbezogen werden, wenn sie sich im Zeitpunkt der Prüfung noch wesentlich auswirken und nicht von den beteiligten Verkehrskreisen als üblich und angemessen empfunden werden. Die incidenter vom Bundesgerichtshof ausgesprochene Feststellung, daß einmal unzulässig abgesprochene Vertriebssysteme immer kartellrechtswidrig seien, kann wohl nicht in dieser Form übernommen werden. Dies würde nämlich bei allen Branchen dazu führen, daß, sobald Kausalität zwischen früheren Absprachen und heutigen Marktverhältnissen dargelegt würde, die Gerichte veranlaßt wären, die gesamte Marktentwicklung in der Vergangenheit zu überprüfen. Hierfür würden bei streitigem Vortrag umfangreiche Beweisaufnahmen über weit zurückliegende Sachverhalte erforderlich. Aber nicht nur dieses praktische Argument spricht dagegen, frühere Kartellabsprachen entscheidend zu berücksichtigen. Auch ein System, das auf kartellrechtswidrigen Absprachen beruht, kann durchaus von den beteiligten Verkehrskreisen als angemessen angesehen werden. Es wäre in diesen Fällen jeweils zu fragen, welche Systeme ohne die Absprache existieren würden und ob nicht auch ohne diese zwischenzeitlich das gleiche System aus sachlichen Gründen entstanden wäre. Im Presseabsatzmarkt läßt sich dies beispielhaft an der Alleingebietsstellung der Grossisten verdeutlichen. Bes~ünden diese Alleingebietsstellungen nicht, so wären, wie in einigen Gebieten der Bundesrepublik, die jeweils nebeneinander tätigen Grossisten ausschließlich mit Objekttrennung im Markt vertreten. Bei der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des PresseGross0 38 wurde bereits aufgezeigt, daß unter "Mitwirkung" der Großverlage zunächst die Objekttrennung und dann die Alleingebietsstellung eingeführt wurden. Denkt man nun eine mögliche kartellrechtswidrige Absprache über eine Alleingebietsstellung hinweg, so wäre nunmehr eine Auslieferung mit Objekttrennung im Markt feststellbar. Diese jedoch wegen kartellrechtswidriger Absprachen ebenfalls unberücksichtigt zu lassen, um zu einem faktischen Wettbewerbs-Grosso zu kommen, erscheint aber nicht möglich. Die Besonderheiten des Presseabsatzmarktes mit Remissions- und Dispositionsrechten bedingen, daß ein Wettbewerbs-Grosso-System praktisch erhebliche Schwierigkeiten aufwirft, zumindest jedoch die Verlage nicht dazu gezwungen werden können, ein solches gegen ihre eigenen Interessen und wirtschaftlichen Erwägungen einzuführen oder aufrecht zu erhalten39 • Im übrigen dürfte die Feststellung, ob die Einführung der Objekttrennung auf kartellrechtswidrigen Absprachen beruht, zum einen deswegen nicht möglich sein, weil diese Sachverhalte in den Jahren zwischen 1950 und 1955 38 39

s. o. Kap. B H. 3. cl. s. dazu im einzelnen unten Kap. G H. 5.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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abgeschlossen wurden. Zum anderen sind hier auch theoretisch gegen § 1 GWB verstoßende Absprachen nicht ersichtlich. Die unternehmerische Entscheidung, mit einem Objekt je Gebiet nur einen Absatzmittler zu beliefern, fällt grundsätzlich autonom und wurde zumeist bei Objektneueinführungen vollzogen. Gegen die vom BGH in der Entscheidung "Zeitschriften-Grossisten" erstmalig eingeführte Sperrwirkung einer kartell rechtswidrigen Absprache spricht außerdem, daß hierdurch der objektive Maßstab für die Feststellung des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs praktisch verlassen wird. Zur sachgerechten Korrektur der Ansicht des BGH ist zumindest für erforderlich zu halten, daß die Absprache allein kausal geworden sein muß für die Entwicklung des maßgeblichen Geschäftsverkehrs und daß die beteiligten Kreise diesen zum gegenwärtigen Zeitpunkt für unangemessen halten müssen. Zwar hat sich der BGH zur Begründung seiner Ansicht auf sein Urteil vom 24.5.1962 berufen40 , doch überzeugt dies nicht. In diesem Fall wollte der Kläger das Warenzeichen eines anderen benutzen dürfen. Der BGH hat selbst in seiner Entscheidung festgestellt, daß dies mit der Frage der üblichkeit i. S. des § 26 Abs. 2 Abs 2 GWB nichts zu tun habe. Auch in der Entscheidung "Rinderbesamung II"41 hat der BGH es lediglich für möglich gehalten, daß das Ergebnis eines gesteuerten Verhaltens nicht als "üblich" anzusehen sei. Auch hier ist eine Begründung für die in der Entscheidung "Zeitschriften-Grossisten"42 geäußerte Ansicht nicht gegeben worden, wonach ein durchgesetzter Ausschluß aus dem Geschäftsverkehr allein deswegen nicht angemessen sei, weil er auf kartellrechtswidriger Absprache beruhe. Der BGH verkennt nicht, daß die Frage der Angemessenheit sich nach dem Empfinden der beteiligten Wirtschaftskreise entscheide. Er übersieht aber, daß dieses Empfinden nicht dadurch verändert wird, daß in der geschichtlichen Entwicklung Absprachen stattgefunden haben, wenn die beteiligten Verkehrskreise das gegenwärtige System für angemessen halten. Folgt man dennoch dem BGH insoweit, daß eine kartellrechtswidrige Absprache, z. B. eine Gebietsabgrenzung, keine natürliche wirtschaftliche Entwicklung darstelle, so müßte zumindest hinzugefügt werden, daß dennoch die Möglichkeit besteht, daß die beteiligten Kreise das System als angemessen empfinden. Die bereits mehrfach dargestellte Formel wäre also dahingehend zu berichtigen, daß die Kriterien "natürliche wirtschaftliche Entwicklung" und "als angemessen empfunden" alternativ und nicht kumulativ vorliegen müßten. Diese Möglichkeit hält der 40

41 42

WuW /E BGH 483, 484 "Radkappe". WUW/E BGH 863, 867. WuW/E BGH 1527, 1529.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

BGH selber offen, indem er sowohl auf die Ansichten der Beteiligten abstellt43 als auch auf die wirtschaftliche Entwicklung 44 • Er sagt nichts zu der Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn zu beiden Kriterien gegenläufige Ergebnisse festgestellt würden. Das OLG Karlsruhe hat sich in seinem zweiten Urteil45 zu dieser Problematik nicht geäußert, es hat das Tatbestandsmerkmal des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs dahinstehen lassen und die sachliche Rechtfertigung bejaht. M. E. ist die alternative Anwendung der Kriterien eine sachgerechte Lösung. Sie steht im Einklang mit der allgemeinen Meinung, daß es sich bei der üblicherweisen Zugänglichkeit um ein verhältnismäßig lockeres Tatbestandsmerkmal handeIt46. Außerdem wird so verhindert, jeweils die gesamte Marktentwicklung im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals auf kartellrechtswidrige Verhaltensweisen nach § 1 und § 25 GWB durchforsten zu müssen. Dies ist richtigerweise der Interessenabwägung vorzubehalten, wenn sich die Verhaltensweisen noch so auswirken, daß eine sachliche Rechtfertigung von Diskriminierungen ausgeschlossen werden muß. d) Die In Betracht kommenden Kreise

Für die objektive Bewertung des "allgemein üblichen" und der Angemessenheit" kommt es auf das Urteil der in Betracht kommenden Kreise an. Nicht verkannt werden darf bei der Feststellung der Ansicht der Beteiligten, daß es sich um subjektive Urteile handelt, die als Grundlage für eine objektive Betrachtung herangezogen werden sollen. Auf die Problematik solcher Feststellungen weist Markert4 7 hin, indem er ausführt, eine eingehende Abwägung unterschiedlicher Belange und Auffassungen sei erforderlich und zwinge daher zu einer teilweisen Vorwegnahme der umfassenden Interessenabwägung. M. E. kann diese vorweggenommene Interessenabwägung teilweise dadurch vermieden werden, daß jeweils zuvor die Ansichten der Beteiligten sachgerecht bewertet werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, welche eigenen Interessen tangiert werden, welche Marktbeteiligung besteht und hier auch, ob der entsprechende Beteiligte möglicherweise selbst an einer kartell rechtswidrigen Marktorganisation oder -aufteilung mitgewirkt hat. Fraglich ist jedoch zunächst, wer zu den "in Betracht kommenden Kreisen" zu rechnen ist. Unstreitig dürfte sein, daß jedenfalls die direkt an dem maßgeblichen Geschäftsverkehr durch gegenseitige Vertrags4S 44 4S 48

47

WuW/E BGH 1527, 1528. WuW/E BGH 1527, 1529. WuW/E OLG 2289. WuW/E BGH 863, 867 "Rinderbesamung 11". Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 176.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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beziehungen verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen sind48 • Anderer Ansicht ist - soweit ersichtlich - nur Schmahl49 mit der Begründung, die Einbeziehung der ersten Handelsstufe führe zur "Zementierung" der Absatzwege, da diese den Status quo im Zweifel erhalten wolle. Diese Ansicht würde jedoch die Anwendbarkeit der hier vertretenen Abgrenzungsformel völlig ausschließen. Schmahl50 will als beteiligte Kreise grundsätzlich nur die erste Wirtschaftsstufe, also die Produktionsstufe, anerkennen. Im Presseabsatzmarkt sind dies ausschließlich die Verlage. Zutreffend ist zunächst, daß der BGH51 die kleineren und mittleren Verlage in die Betrachtung einbeziehen will 52 , da gerade diese im bestehenden Presseabsatzsystem entscheidend auf die Tätigkeit der GrossoUnternehmen angewiesen sind. Schmahl53 begründet seine weitergehende Ansicht, die Handelsstufe sei nicht maßgeblich zu berücksichtigen, am Beispiel des Bahnhofsbuchhandels. Da dieser direkt beliefert würde, könne er bei der Frage, ob seine Konditionen dem normalen Einzelhandel gleichzustellen seien, nicht berücksichtigt werden, da man von keiner Handelsstufe erwarten könne, etwas als angemessen zu empfinden, was ihre Interessen berühre oder ihren Besitzstand antaste. Schmahl verkennt hierbei aber, daß sein Beispielsfall davon ausgeht, die Produktionsstufe beabsichtige, den Absatzweg zum Nachteil einer Handelsstufe zu ändern. Bei der Frage aber, ob ein System angemessen ist, kommt es auf die Ansichten der Handelsstufen aber schon deswegen an, weil es um die Wertung des bestehenden Systems geht. Systemänderungen stellen eine völlig andere, hier nicht relevante Problematik dar. Es ist also festzuhalten, daß die Ansichten der vertraglich beteiligten Handelsstufen heranzuziehen sind. Streitig ist noch die Frage, ob auch die nachfolgende Handelsstufe, der Einzelhandel und ggf. die Endverbraucher als beteiligte Kreise anzusehen sind. Der Bundesgerichtshof5 4 will den Einzelhandel in die Betrachtung einbezogen wissen, da dieser durch die Vertriebsregelung auf der Großhandelsstufe unmittelbar betroffen sei. Landgericht" und Oberlandesgericht56 hatten die Berücksichtigung der Ansichten des Einzelhandels ausdrücklich mit der Begründung 48 Benisch, in: Gemeinschafskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 68; Lutz, GRUR 1979, S. 179; Bechtold, Rainer: "Natürliche Entwicklung", in: DNV, Heft 2, 1979, S. 7, 8; Wenzel, AfP 1979, S. 380, 384. 49 Schmahl, WRP 1979, S. 513, 515, 516. 60 Schmahl, WRP 1970, S. 513. 61 WUW/E BGH 1527, 1528 "Zeitschriften-Grossisten". 62 Bechtold, DNV, Heft 2, 1979, S. 8. n Schmahl, S. 515. 54 WuW/E BGH 1527, 1529. 56 LG Mannheim WRP 1976, 410, 413.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

abgelehnt, diese seien an den vertraglichen Beziehungen zwischen Verlag und Grosso-Unternehmen nicht beteiligt und müßten Mißständen, die aufgrund der Grosso-Monopolstellung aufträten, mit rechtlichen Schritten gegenüber ihrem Grossisten begegnen57 • Auch von Lutz58 , Bechtold5~ und Schmahl60 wird der Einzelhandel nicht zu den Verkehrskreisen gerechnet, die bei der Prüfung heranzuziehen sind, ob sich die üblicherweise vorhandenen Zugänglichkeit oder aber Unzugänglichkeit des Geschäftsverkehrs in natürlicher Entwicklung vollzogen hat und als allgemein geübt und angemessen empfunden wird. Die Begründungen stützen sich teilweise auf die ausdrückliche Einbeziehung anderer Unternehmen in § 18 Abs. 1 Lit. b) und b) GWB und darauf, daß die Einzelhändler erst bei der umfassenden Interessenabwägung, die für die sachliche Rechtfertigung erforderlich ist, einzubeziehen seien. Differenzierter bezieht Wenzel 61 Stellung, der folgenden theoretischen Fall bildet: Ein Monopolgrossist zeigt gegenüber dem Einzelhandel ein Verhalten hinsichtlich Lieferbedingungen u. a., dem mit einzelnen rechtlichen Maßnahmen nicht beizukommen ist, dennoch halten die Verlage an der ausschließlichen Belieferung des ungeeigneten Grossisten fest. Für einen solchen Fall hält Wenzel den Belieferungsanspruch eines Konkurrenzgrossisten für gegeben und berücksichtigt daher die Ansichten des Einzelhandels. Dieser Modellfallzeigt, daß die Beurteilung der Absatzstruktur durch den Einzelhandel durchaus entscheidungserheblich werden kann. M. E. ist die Ansicht des BGH, daß der Einzelhandel zu den beteiligten Kreisen zu rechnen ist, zutreffend. Der BGH hat zwar selbst keine Begründung für diese Ansicht gegeben, was insbesondere von Lutz 8Z bemängelt wird, dies ergibt sich jedoch zwingend aus dem Zweck der Abgrenzungsformel und dem Sinn des Tatbestandsmerkmals des üblicherweisen Zugangs zum Geschäftsverkehr. Mit der Formel, daß die Ansichten der Beteiligten zu berücksichtigen sind, wird bezweckt, zu einer objektiven Marktbetrachtung zu kommen. Es soll verhindert werden, daß der übliche Zugang allein nach Tatsachen beurteilt wird, die von dem Diskriminierenden selbst geschafOLG Karlsruhe WRP 1977, 659. s. z. B. OLG Karlsruhe WuW/E OLG 1268 "Abbuchungsermächtigung" . 58 Lutz, GRUR 1979, S. 179. 5~ Bechtold, DNV, Heft 2, 1979, S. 8. eo Schmahl, WRP 1979, S. 516; ders.: "Kontrahierungszwang und Pressevertrieb, Anmerkung zum Urteil des LG Mannheim", in: AfP 1976, S. 67, 68; a. A. Raiser, Günther: "Kontrahierungszwang und Pressevertrieb" , in: AfP 1976, S. 69, 70. 81 Wenzel, AfP 1979, S. 380, 384. e! Lutz, GRUR 1979, S. 179. 61

G7

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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fen wurden. Es kommt darauf an, wie die Betroffenen das System beurteilen. Insbesondere sind plötzliche Brüche oder gleichsam gewaltsame Marktumstrukturierungen aus der Bewertung auszuklammern. Die objektive Beurteilung ist nur möglich, wenn über die direkten Vertragsbeteiligten hinaus auch die Betroffenen einbezogen werden. Bei diesen erst zeigen sich die Auswirkungen der Marktstruktur in der Praxis. Es soll hier nicht die Ansicht vertreten werden, daß alle, wenn auch nur entfernt berührten Interessen zu berücksichtigen seien, vielmehr ist es nur erforderlich, die möglicherweise subjektiven Wertungen der direkten Vertragsbeteiligten dadurch zu objektivieren, daß auch die Bewertung durch die nachfolgende Wirtschaftsstufe herangezogen wird. Schmahl83 irrt, wenn er meint, es müßte in konsequenter Anwendung dieser Grundsätze dann auch diejenigen angehört werden, die bei einem Strukturwandel "auf der Strecke geblieben sind". Er verkennt, daß es auf die Ansichten der Beteiligten nur insoweit ankommt, ob sie das bestehende System für angemessen halten, nicht jedoch sind ihre Bewertungen darüber entscheidend, ob sie das System als für sich selbst wirtschaftlich vorteilhaft oder unvorteilhaft ansehen. Die Einbeziehung der nachfolgenden Handelsstufe ist insbesondere dann erforderlich, wenn eine Durchbrechung der bisher bestehenden übung ohne Rücksicht auf die bisherige überzeugung der beteiligten Kreise erfolgt84 • Erst die nachfolgende Handelsstufe kann als eine Gruppe, die an den Änderungen nicht direkt beteiligt ist, objektiv Auskunft darüber geben, ob eine Änderung als angemessen empfunden wurde oder nicht. Im Ergebnis ist daher die nachfolgende Wirtschaftsstufe, hier der Einzelhandel, zu den beteiligten Kreisen zu rechnen. 4. Behinderung und unterschiedliche BehandlUDg a) Definitionen un4 Abgrenzangen

§ 26 Abs. 2 GWB verbietet Unternehmen unbillige Behinderungen und unterschiedliche Behandlungen ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Die definitorische Abgrenzung zwischen Behinderung und unterschiedlicher Behandlung ergibt sich aus ihrem Begehungstatbestand und der normativen Bewertung. Unter Behinderung ist jede Beeinträchtigung eines anderen Unternehmens in seiner Betätigungsmöglichkeit im Wettbewerb zu versteheni. Diese Begehungsform läßt sich daher grob als "Wettbewerberbehinderung" definieren. Soweit teilweise bei der Definition der Behinderung auf das eingesetzte Mittel

Schmahl, WRP 1979, S. 513, 515. " Beispielhaft WuW/E BGH 863, 867 "Rinderbesamung 11". 1 WUW/E OLG 2247, 2249 "Parallel-Lieferteile"; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 83. 83

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

abgestellt wird, ist dem nicht zu folgen. Benisch2 bezieht das Erfordernis wettbewerbsfremder Maßnahmen in die Definition der Behinderung ein3 • Hierbei wird jedoch zu sehr die auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ausgerichtete Definition übertragen. Dort kommt es tatsächlich auf die Wettbewerbsfeindlichkeit des Mittels an. Im GWB hingegen ist die Behinderung zunächst ein wertneutraler Begriff, der erst durch die normative Bewertung als unbillig konkretisiert wird. Die Bewertung des eingesetzten Mittels ist daher der Beurteilung im Rahmen der Billigkeit vorbehalten. Nicht die Wettbewerbsfeindlichkeit des Mittels ist bei der Definition der Behinderung zu berücksichtigen, sondern die Auswirkung auf die Wettbewerbschancen. Es reicht hierbei nicht die bloße Eignung für eine Beeinträchtigung4 , vielmehr ist eine tatsächliche Beeinträchtigung erforderlich5 , die auch durch ein Unterlassen6 oder mittelbar erfolgen kann 7 • In dem Verbot der unterschiedlichen Behandlung werden den Normadressaten bestimmte, noch näher darzustellende Verhaltensweisen untersagt. Unterschiedliche Behandlungen können sowohl innerhalb bestehender Lieferbeziehungen auftreten, wie z. B. bei den Vertragsausgestaltungen, den Preisen, Rabatten und Konditionen als auch in Bezug auf Unternehmen, die nicht an den bestehenden Lieferbeziehungen beteiligt sind. Die unterschiedliche Behandlung kann bereits darin bestehen, daß der Normadressat das Zustandekommen oder auch Aufrechterhalten einer Lieferbeziehung verweigert, obwohl er entsprechende Verbindungen mit gleichartigen Unternehmen unterhält8 • Das Verbot, gleichartige Unternehmen unterschiedlich zu behandeln, stellt das Diskriminierungsverbot im engeren Sinne dar. Diskriminierung ist die ungleiche, willkürliche Behandlung gleicher Sachverhalte~ 1936 wurde das Diskriminierungsverbot durch den Robinson-Patman-Act der Vereinigten Staaten von Amerika in das Wettbewerbs recht eingeführt. Dieses Gesetz verbietet dem Einzelunternehmen jegliche Preisdiskriminierung, soweit sie geeignet ist, den Wettbewerb unter Käufern oder Verkäufern zu beschränken. Es verfolgt über ein allgemeines DiskriminieBenisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 72. So auch Müller / Giessler, § 26, Rdnr. 71; Frankfurter Kommentar zum GWB, § 26, Tz. 50. , Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26, Abs. 2 und 3, Rdnr. 71; WuWV/E OLG 1520, 1521. G So auch Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 125. e WuW/E BGH 1530 "Faßbier-Pflegekette". 7 Zur Anwendung s. KG WUW/E OLG 2247, 2249 "Parallel-Lieferteile"; WuW/E BGH 1829ff. "Original-VW-Ersatzteile 11". 8 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 187. 2

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11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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rungsverbot 9 einen ausgeprägten Individualschutz, dem teilweise der Vorrang vor dem Schutz des Wettbewerbs als Institution gegeben wird 10 • Auch das französische Recht enthält mit dem Verbot der Verkaufsverweigerung eine ähnliche Regelung l1 • Grundsätzlich wird jedem Hersteller untersagt, bei der Abgabe an Wiederverkäufer unterschiedliche Preise oder Verkaufsbedingungen anzuwenden, wenn diese nicht durch unterschiedliche Selbstkosten bei Lieferungen oder Dienstleistungen gerechtfertigt sind. Jedoch enthält das französische Recht eine Vielzahl von Legalausnahmen, die im Ergebnis eine Annäherung an die deutsche Rechtspraxis darstellen. Im deutschen Recht wurde - auch aufgrund der US-amerikanischen Erfahrung12 kein allgemeines Diskriminierungsverbot geschaffen, sondern bestimmten Marktteilnehmern sachlich unbegründete Verhaltensweisen untersagt. Durch dieses Verbot sollten vor allem die gleichen Marktchancen der Abnehmer und Lieferanten der dem Verbot Unterliegenden gegen eine Beeinträchtigung durch diskriminierende Maßnahmen ihrer Marktpartner geschützt werden l3 . Sowohl die Benachteiligung als auch die Bevorzugung einzelner Unternehmen durch den Diskriminierenden können sich als unterschiedliche Behandlung i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB darstellen l4 , wobei das Verbot sich jedoch nicht unmittelbar gegen die Begünstigung einzelner richtet, sondern gegen sich daraus mittelbar ergebende Beeinträchtigungen der wettbewerbsrechtlichen Chancengleichheit der anderen gleichartigen Unternehmen l5 • Beide Tatbestandsmerkmale, die Behinderung und die unterschiedliche Behandlung, sind in ihrer praktischen Anwendung stark miteinander verflochten, weil sich die Tatbestände weitgehend überschneiden. So wird z. B. jede unterschiedliche Behandlung des benachteiligten Unternehmens dieses auch im Wettbewerb mit seinen bevorzugten Konkurrenten behindern. Eine klare Trennung beider Tatbestandsmerkmale ist daher nicht möglich l6 • • s. dazu Schmidt, Ingo: "US-amerikanische und deutsche Wettbewerbspolitik gegenüber Marktmacht" , Berlin 1973, S. 282, 286. 10 Kahrs, Werner: "Zivilrechtliche Ansprüche aufgrund einer Verletzung des Diskriminierungsverbots" , Baden-Baden 1965, S. 92 ff. 11 s. dazu Belke, S. 37 ff. 12 s. auch Hölzler: "Vom per se-Verbot zur rule of reason", in: WuW 1979, S.105. 13 Emmerich: "Kartellrecht", S. 211. 14 WUW/E BGH 1405, 1410 "Grenzmengenabkommen"; WUW/E BGH 1069, 1072 "Tonbandgeräte". 15 WUW/E BGH 1027, 1032 "Sportartikelmesse n". 11 So auch WuW/E BGH 864,868 "Rinderbesamung 11"; WUW/E BGH 1027, 1031 "Sportartikelmesse n"; Koller, S. 169 ff.; Benisch, in: Gemeinschafts-

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

Die grobe Einteilung danach, daß das Behinderungsverbot der wettbewerblichen Freiheit, das Diskriminierungsverbot hingegen der wettbewerblichen Chancengleichheit dient, mag hier genügen. Eine weitere Differenzierung verspricht wenig Gewinn, da zumeist beide Tatbestände gleichzeitig vorliegen. Auch eine Abgrenzung danach, daß die Unternehmen der gleichen Marktstufe eher durch das Behinderungsverbot, die der vor- und nachgelagerten Stufen eher durch das Verbot der unterschiedlichen Behandlung geschützt werden17 , erscheint nicht sinnvoll. Die mittelbaren Begehungsweisen können bei dieser Abgrenzung nicht sachgerecht eingeordnet werden. Außerdem führt jede Abgrenzung der beiden Tatbestandsmerkmale zu einer einengenden Auslegung, die jedoch nicht notwendig ist, da für beide Begehungsweisen die übrigen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen identisch sind. Es wird daher im folgenden auf eine gesonderte Zuordnung jedes Tatbestandes zu einem der beiden Tatbestandsmerkmale verzichtet und einer einheitlichen Darstellung der Vorzug gegeben. b) FaUrruppen

Behinderungen und Diskriminierungen sind im Wirtschaftsleben in vielfältiger Gestaltung möglich. Zur Konkretisierung dieser Tatbestände werden im folgenden anhand des Pressevertriebsmarktes einzelne mögliche Fallgruppen aufgezeigt, wobei hier die Frage der Unbilligkeit oder sachlichen Rechtfertigung zunächst dahinstehen soll. -

Die Verlage können in Bezug auf ihre Wettbewerber Behinderungen i. S. des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB dadurch bewirken, daß sie mittelbar über die Absatzwege auf die Marktchancen der Konkurrenten Einfluß nehmen. Gezielte Kampfpreisunterbietungen innerhalb einzelner Objektgruppen, wettbewerbswidrige Verdrängungen von Konkurrenten18 und andere Maßnahmen der Behinderung sind möglich, insbesondere dadurch, daß einzelne Verlage das Pressevertriebssystem unter Einsatz ihrer Marktstärke so strukturieren, daß andere Verlage in ihrer Absatztätigkeit behindert werden.

-

Hinsichtlich der Absatzmittler können die Verlage den Diskriminierungstatbestand dadurch erfüllen, daß sie Belieferungen gleichartiger Absatzmittler überhaupt verweigern oder bestehende Geschäftsbeziehungen nicht fortsetzen. Dies gilt für die Absatzmittler-Grup-

kommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 71; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 121. 17 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 71; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 182.

18 s. hierzu Niederleithinger, Ernst: "Die Verfolgung VOll Mißbräuchen von Angebots- und Nachfragemacht" , in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1975/76, Köln 1977, S. 71.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs.2 GWB

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pen Grosso, Bahnhofsbuchhandel, Lesezirkel und WBZ. Bei der Direktbelieferung des Einzelhandels fehlt es derzeit an einem üblicherweisen Zugang zum Geschäftsverkehr. Aber auch innerhalb der einzelnen Absatzmittler-Gruppen sind Diskriminierungen möglich durch Differenzierungen bei Rabatten, Dispositionen und sonstigen Lieferbedingungen. § 26 Abs. 2 GWB verpflichtet die Normadressaten grundsätzlich zur Gleichbehandlung der eingegliederten Absatzmittler19. So hat das Bundeskartellamt in zwei Musterverfahren20 die Gestaltung der Abgabepreise und Werbekostenzuschüsse für den WBZ aufgegriffen. Betroffen waren zwei große Zeitschriftenverlage, deren Vertragsgestaltung nach Ansicht des Amtes typisch für die gesamte Branche war. Im ersten Fall wurde durch die Koppelung der Rabattstaffel und der Werbekostenzuschüsse an die Zahl der geworbenen Neukunden eine Ungleichbehandlung der WBZ-Händler bewirkt, obwohl das Entgelt für die Betreuung des Altstammes keinen funktionalen Zusammenhang mit der Werbung von Neukunden aufweist. Die ungleiche Behandlung der WBZHändler führte auch zu einer unbilligen Behinderung der kleineren Unternehmen im Verhältnis zu den größeren, weil diese ohne größere Aufwendungen höhere Stückgewinne erzielten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz beinhaltet nicht, daß auch typungleiche Absatzmittler - wie Grosso und Bahnhofsbuchhandel gleich zu behandeln sind, da es an der Gleichartigkeit mangelt. § 26 Abs. 2 GWB begründet aber das Verbot, ungleichartige Unternehmen gleich zu behandeln21 . So ist z. B. die Belieferung des Großund Bahnhofsbuchhandels nach einem einheitlichen Preis- und Rabattsystem keine unterschiedliche Behandlung i. S. des § 26 Abs. 2 GWB22. -

Die National Distributoren können hinsichtlich ihrer Wettbewerber, wozu auch die Verlage zu zählen sind und in Bezug auf die Absatzmittler grundsätzlich die gleichen Diskriminierungstatbestände erfüllen wie die Verlage. Insbesondere sind auch bei diesen Normadressaten Maßnahmen der gezielten Marktverstopfung unzulässig.

18 Im Ergebnis gleich: WUW/E BGH 1288, 1291 "EDV-ErsatzteU"; BGH GRUR 1977,49 "BMW-Direkthändler"; WUW/E OLG 2103 "Porsche". 20 s. den Bericht von Fischötter, Wemer, WuW 1980, S. 13, 21. 21 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 84; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 139; BGHZ 65,284, 291 "Wasserpreis"; KG WUW/E OLG 317, 320 "Tapeten"; WuW/E OLG 1615, 1616 "Hefekunden". 22 Für einen anderen Markt s. WuW/E BGH 502, 508 "Treuhandbüro"; Belke, S. 342, 343 mit dem Hinweis, wendige Einzelhändler dem traditionellen Großhandel gleichzustellen, wirke sich positiv auf das Aufkommen neuer Vertriebsformen aus.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB Soweit die National Distributoren Einfluß auf die Rabattgestaltung haben, sind Diskriminierungen der Absatzmittler möglich. Werden die Lieferbedingungen und Rabattgestaltungen durch die Verlage festgesetzt, so sind Diskriminierungen in der Form der mittelbaren Begehungsweise diesen als Auftraggebern zuzurechnen.

-

Die Unternehmen des Presse-Grosso können die Tatbestände des § 26 Abs. 2 GWB sowohl gegenüber den Lieferanten als auch gegenüber den Abnehmern erfüllen. Gegenüber den Verlagen und National Distributoren kommen Abschlußverweigerungen bei einzelnen Objektlieferungen und hinsichtlich der Geschäftsbeziehungen überhaupt in Betracht. Als Normadressat ist der Presse-Grossist grundsätzlich verpflichtet, alle angebotenen Objekte in sein Sortiment aufzunehmen und auch die gleichen Dienstleistungen für jeden Lieferanten zu erbringen. Bevorzugung einzelner Lieferanten und Objekte sind grundsätzlich ebenso unzulässig wie Benachteiligungen. Gegenüber dem Einzelhandel ist der Presse-Grossist ebenfalls Normadressat. Da im Einzelhandel der Geschäftsverkehr mit ihm auch üblicherweise zugänglich ist, kann von einer grundsätzlichen Belieferungspflicht des Grossisten ausgegangen werden. Sowohl für bereits belieferte als auch für neue, die Belieferung begehrende Einzelhändler besteht daher eine Gleichbehandlungsverpflichtung des Grosso-Unternehmens. Diese Verpflichtung erstreckt sich nicht nur auf die Belieferung an sich, sondern auch die Geschäftsbedingungen und daher ebenfalls auf die Art und Weise der Ausübung des Dispositionsrechts. Bei den Vertriebs- und Verwendungsbindungen sind daher einzelfallbezogene Differenzierungen grundsätzlich unzulässig. Fraglich ist, ob innerhalb des Presse-Grosso der Verstoß gegen die eigenen Vertriebs- und Verwendungsbindungen, z. B. die Gebietsüberschreitung, ebenfalls den Tatbestand des § 26 Abs. 2 GWB erfüllen kann. Bei einer Gebietsüberschreitung kommt aber eine Wettbewerberbehinderung nicht in Betracht, da die Grosso-Unternehmen grundsätzlich nicht untereinander in Wettbewerb stehen. Andererseits wird dies in Gebieten mit mehreren Grossisten anders zu beurteilen sein, da es dort durchaus möglich ist, daß ein Grossist den anderen mittelbar behindert. Mittelbare Behinderungen können auch im Verhältnis zwischen Grosso- und Bahnhofsbuchhandel auftreten. Denkbar sind hier Einflußnahmen des Großhandels auf die Verlage hinsichtlich der Direktbelieferung des BahnhofsJ:mchhandels und gezieltes Eindringen in den Bahnhofsbuchhandel durch überhöhte Angebote in Ausschreibungsverfahren der Deutschen Bundesbahn, wenn damit die Absicht verfolgt wird, diese selbständigen Absatzmittler vom Markt zu verdrängen.

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB -

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Die Absatzmittler Lesezirkel, WBZ und Bahnhofsbuchhandel sind grundsätzlich nicht Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB. Behinderungen und Diskriminierungen, die diese Absatzmittler untereinander oder gegenüber den Verlagen begehen, unterfallen daher nicht § 26 Abs. 2 GWB. Soweit im Einzelfall ein Unternehmen aufgrund seiner MarktsteIlung die Normadressaten-Eigenschaft erfüllt, sind die gleichen Fallgruppen wie im Verhältnis zwischen Grosso und Verlagen relevant.

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Auch der Einzelhandel ist grundsätzlich nicht Normadressat des § 26 Abs. 2 GWB. Da § 26 Abs. 2 GWB kein allgemeines Diskriminierungsverbot enthält, sind Behinderungen und Diskriminierungen durch den Einzelhandel nur dann unzulässig, wenn das einzelne Unternehmen die Qualifikation als Normadressat erfüllt. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB kommen in diesen Fällen Behinderungen von Mitwettbewerbern und ggf. des Bahnhofsbuchhandels und Diskriminierungen der Lieferanten in Betracht. In Gebieten mit mehreren Grossisten kann daher die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen mit einem Grossisten dann unzulässig sein, wenn schon Geschäftsbeziehungen mit einem anderen Grossisten hinsichtlich dessen Sortiment bestehen. Mit Ausnahme dieser Sonderfälle besteht für den Einzelhandel keine Abnahmepflicht, die das Presse-Grosso aufgrund § 26 Abs. 2 GWB durchsetzen könnte. Auch die Einführung neuer Objekte und die Dispositionsbefugnisse des Großhandels gegenüber dem Einzelhandel sind nicht mit der Begründung durchsetzbar, bei Nichtannahme diskriminiere der Einzelhandel den Großhandel. Diese Problemkreise sind vielmehr für die Frage relevant, ob es einen sachlich gerechtfertigten Grund für das Presse-Grosso darstellt, einen Einzelhändler nicht zu beliefern, wenn dieser das Dispositionsrecht des Grosso nicht anerkennt.

5. Unbilligkeit; Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes a) Auslegungsgrundsitze, Interessenabwlgung

Behinderungen und unterschiedliche Behandlungen verstoßen nur dann gegen § 26 Abs. 2 GWB, wenn jene unbillig sind oder diese ohne einen sachlich gerechtfertigten Grund vorgenommen werden. Beide Begehungsformen sind aufgrund formaler Kriterien feststellbar. Die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB hängt damit letztlich von den beiden normativen Bewertungsmaßstäben ab. Unbilligkeit oder das Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes läßt sich nicht anhand einer generalisierenden Betrachtungsweise feststellen. Die Besonderheiten des Einzelfalles sind jeweils entscheidend zu berücksichtigen. Da es sich 13 Roggen

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

in der bisherigen Darstellung des § 26 Abs. 2 GWB gezeigt hat, daß die vorgelagerten Tatbestandsmerkmale nur eine "grobe Vorsortierung" bewirken, kommt es nunmehr darauf an, die normativen Bewertungskriterien so auszulegen, daß sowohl der wettbewerbliche Normzweck1 des § 26 Abs. 2 GWB und die Konsistenz mit dem Gesamtsystem des GWB gewahrt bleiben als auch daß die dieser Vorschrift zukommenden Aufgaben voll erfüllt werden können2 • Dies bedeutet, daß zum einen der Gefahr begegnet werden muß, durch eine zu strenge Anwendung des Gleichheitsmaßstabes letztlich Wettbewerbsparameter auszuschließen und so zu einer Erstarrung der Wettbewerbsbeziehungen beizutragen. Andererseits darf die Auslegung der Merkmale "unbillig" und "sachliche Rechtfertigung" nicht so großzügig gehandhabt werden, daß Normadressaten ihre Marktmacht zum Nachteil der Mitwettbewerber oder anderer Marktteilnehmer ungehindert einsetzen können. Die Beurteilung, ob eine Behinderung unbillig ist oder für eine unterschiedliche Behandlung ein sachlich gerechtfertigter Grund fehlt, erfolgt in RechtsprechungS und Literatur' einhellig aufgrund einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Diese Interessenabwägung, die bei beiden Tatbestandsalternativen vorgenommen wird, ist in ihrer praktischen Anwendung wiederum offen. Die Frage, welche Interessen in die Abwägung einzubeziehen sind und welche Gewichtung jeweils vorzunehmen ist, kann grundsätzlich nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Jedoch bedeutet die Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB, daß bei der Interessenabwägung solche Wertungen einzubeziehen sind, die in anderen Vorschriften des GWB oder sonstigen wettbewerbsschützenden Gesetzen, z. B. im UWG, enthalten sind. Die Einbeziehung der Wertungen des § 18 GWB wurde bereits dargestellt5 , aber auch §§ 22, 15, 25 Abs. 2 und ggf. die Freistellungsvorschriften der §§ 3 ff. GWB können bei der Interessenabwägung s. o. Kap. G I. 2. Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 196. a Aus der umfangreichen Rechtsprechung s. beispielhaft: WuW/E BGH 1620,1632 "Modellbauartikel 11"; WuW/E BGH 1391, 1395 "Rossignol"; WuW/ E BGH 1027, 1031 "Sportartikelmesse"; WuW/E BGH 1238, 1243 "Registrierkassen"; WuW/E BGH 1530, 1531 "Faßbier-Pflegekette"; KG WUW/E BGH 2247,2251 "Parallel-Lieferteile"; WuW/E OLG 2163, 2164 "Olbrenner"; WuW/ E OLG 2217, 2219 "Allkauf-Saba"; WUW/E BGH 1829ff. "Original-VWErsatzteile 11". , Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 141; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 196; Müller / Giessler, § 26, Rdnr. 13; Belke, S. 355 ff., 357; Emmerich: "Kartellrecht" , S. 208. 5 s. o. Kap. G I. 3. 1 !

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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berücksichtigt werden'. Andererseits sind Interessen von Unternehmen dann nicht abwägungsfähig, wenn deren Durchsetzung nur unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften in Betracht kommen kann. Belke7 nimmt eine grobe Einteilung der abwägungsfähigen Interessen danach vor, daß persönliche, leistungsbezogene und fachliche Gründe zu berücksichtigen seien. Hingegen könne eine sachliche Rechtfertigung nicht nach jeder kaufmännischen Zweckmäßigkeit, bloßen Geschäftsinteressen und ähnlichen Begründungen bewertet werden. Gegen die Urteile des Landgerichts8 und des Oberlandesgerichts' im MAL-Verfahren ergeben sich daher teilweise Bedenken. Das Landgericht hat ausgeführt, bei der Interessenabwägung sei auf seiten des Verlages jeder Grund sachlich gerechtfertigt, der auf vernünftigen betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Erwägungen beruhe1o • Das Oberlandesgericht führt schon bei dem Tatbestandsmerkmal der üblichen Zugänglichkeit aus, die Beklagte könne nicht gezwungen werden, von dem aus ihrer Sicht zweckmäßigen System des alleinigen Gebiets-Grossisten auf das - unterstelltermaßen - ebenso zweckmäßige System des Wettbewerbs-Grossisten überzugehen. Gegen die Ansicht, jedes Unternehmen sei in der Gestaltung seiner Absatzorganisation völlig frei und einzelwirtschaftliche Unternehmensinteressen seien zu berücksichtigen, haben sich insbesondere Emmerichl l und Sack12 gewandt. Sie halten es nicht für zulässig, daß jeder Grund, der auf vernünftigen kaufmännischen oder betriebswirtschaftlichen Erwägungen des Herstellers beruht, schon als sachliche Rechtfertigung angesehen wird. Die Interessen der nachfolgenden Wirtschaftsstufe würden hier zu wenig berücksichtigt, und kaufmännische Begründungen ließen sich bei einem rational handelnden Unternehmen wohl stets finden 13 • Dieser Ansicht ist insoweit zu folgen, daß beliebige Geschäftsinteressen und Zweckmäßigkeitserwägungen nicht zur Begründung einer sachlichen Rechtfertigung herangezogen werden können. Bei der Interessenabwägung nach § 26 Abs. 2 GWB ist zu berücksichtigen, daß der Normadressat zur Rücksichtnahme auf die wettbewerbliche BetätigungsfreiMarkert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 204. Belke, S. 357. 8 LG Mannheim WRP 1976, 410, 414. • OLG Karlsruhe, BB 1977,1112,113. 10 LG Mannheim WRP 1976, 410, 414. 11 Emmerich: "Kartell recht" , S. 212, 214; ders.: "Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Diskriminierungsverbot" , AG 1976, S. 57 ff. u. 93 ff., insbesondere S. 96 f. 12 Sack, Rolf: "Zur sachlichen Rechtfertigung von Preis-, Rabatt- und Konditionendiskriminierungen", WRP 1975, S. 386, 393. 13 So insbesondere: Emmerich: "Kartellrecht", 5.214; ähnlich Belke, S. 357. 8

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

heit Dritter verpflichtet ist, seine kaufmännischen oder betriebswirtschaftlichen Interessen also durch die Interessen Dritter und das Ziel, die Freiheit des Wettbewerbs als Institution zu erhalten, eingeschränkt werden können. J·edoch sind m. E. kaufmännische und betriebswirtschaftliche Erwägungen nicht grundsätzlich aus der Interessenabwägung herauszunehmen. Solche Gründe können dann die Abwägung beeinflussen, wenn sie sich objektiv als sachgemäß und angemessen erweisen14 • Es kann daher unter Berücksichtigung der Ansicht Emmerichs15 im Ausgangspunkt bei dem von der Rechtsprechung16 vertretenen Grundsatz verbleiben, daß auch die Normadressaten durch § 26 Abs. 2 GWB nicht daran gehindert werden, ihre geschäftliche Tätigkeit und ihr Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie sie dies für sinnvoll und angemessen halten. Jedoch ist, ausgehend von diesem Grundsatz, bei der Abwägung der Interessen die Einschränkung zu machen, daß auch betriebswirtschaftliche Rationalität und kaufmännische Vernunft dort ihre Grenzen finden, wo die Interessen Dritter und die Freiheit des Wettbewerbs beeinträchtigt werden. Ausschließlich betriebswirtschaftliche Gründe können daher in der Regel nicht dazu führen, ungleiche Behandlungen der belieferten Absatzmittler oder Marktzutrittsbeschränkungen für neue, gleichartige Absatzmittler zu rechtfertigen11 • Ob dieses Verständnis der Interessenabwägung jedoch zu der von Emmerich18 erhofften Öffnung traditionell vermachteter Märkte führt, ist zu bezweifeln. Es ist mit Benisch19 davon auszugehen, daß grundsätzlich demjenigen die Wahl und auch die Ausgestaltung des Absatzweges überlassen bleibt, der das Absatzrisiko trägt. Die eingeschränkte Berücksichtigung von ausschließlich kaufmännischen Gründen bei der Interessenabwägung kann daher nicht dazu führen, daß wirtschaftliche Erwägungen des Unternehmens durch solche der Kartellbehörden oder der Gerichte ersetzt werden. Die Einschränkung der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit der Normadressaten bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung kann zwar in den Bereich betriebswirtschaftlicher Rationalität hineinreichen, sie bietet aber keine Ermächtigung dafür, ein Unternehmen zu einem Verhalten zu veran14 Ähnlich WuW /E BGH 1646, 1647 "Vermittlungsprovision für Flugpassagen 11". 15 Emmerich: "Kartellrecht" , S. 212. 18 WUW/E BGH 1527, 1530 "Zeitschriften-Grossisten"; WuW/E BGH 1587, 1590 "Modellbauartikel"; WUW/E BGH 1211, 1215 "Kraftwagen-Leasing". 17 Zu restriktiv daher: OLG Celle WuW/E OLG 254, 259 "Braunkohle"; OLG Düsseldorf WUW/E OLG 917, 923 "Partie-Rabatt"; auch Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 86. 18 Emmerich: "Kartellrecht" , S. 213. 1V Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 94.

H. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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lassen, das nachhaltig gegen vernünftige eigene wirtschaftliche Interessen verstößt. Weiterhin ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, daß die jeweiligen Besonderheiten des Marktes oder des Produktes die Beurteilung der Verhaltensweisen im Markt beeinflussen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe2° hat in seinem zweiten Urteil unter Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts Mannheim21 die Weigerung des Heinrich Bauer Verlages, die Firma MAL zu beliefern, mit der Begründung für sachlich gerechtfertigt angesehen, das Remissionsrecht verlagere das Absatzrisiko weitgehend auf den Verlag, das System des alleinigen Gebiets-Grossisten ermögliche schnellen Vertrieb bei geringeren Vertriebskosten und Remissionsquoten; außerdem sei nicht erkennbar, daß die Bezugsregulierung auch in einem Wettbewerbs-Grosso-System funktioniere, und es bestehe die Gefahr, daß bei einem der Klage stattgebenden Urteil das gesamte Presseabsatzsystem in der bestehenden Form gefährdet werde. Dies sei der Beklagten, dem Verlag, jedoch nicht zuzumuten, da sie mit anderen Großverlagen das Absatzsystem aufgebaut habe. Diese Ausführungen zeigen, daß die Besonderheiten des Presseabsatzmarktes die entscheidenden Wertungen für die Interessenabwägungen darstellen. Die Struktureigenheiten und spezifischen Probleme des Presseabsatzmarktes können aufgrund der Ausführungen in den ersten Teilen dieser Arbeit hier als bekannt unterstellt werden. Auf weitere Einzelheiten und die Frage, ob das Oberlandesgericht zu Recht die sachliche Rechtfertigung bejaht hat, wird noch einzugehen sein. Festzuhalten bleibt hier, daß in die Interessenabwägung nicht nur die jeweiligen Interessen der Vertragsparteien bzw. der Parteien des Rechtsstreits einzubeziehen sind, sondern daß auch die Marktverhältnisse allgemein und die Interessen der Unternehmen einzubeziehen sind, die von dem Verhalten des Normadressaten mittelbar oder unmittelbar betroffen werden2!. Die Interessenlage nicht betroffener Unternehmen oder der Endverbraucher kann - wie schon für das vorgelagerte Tatbestandsmerkmal festgestellt 23 - für die Beurteilung und Gewichtung der Interessen Betroffener herangezogen werden2'. Zu berücksichtigen sind ggf. auch die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen, wie dies das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung "Fernmeldetürme"25 getan hat, wo es

24

WuW jE OLG 2289. LG Mannheim WRP 1976, 410, 414. s. a. WuW jE OLG 2247, 2255 "Parallel-Lieferteile". s. o. Kap. G 11. 3. Sehr klare Abgrenzung: Markert, in: Immenga j Mestmäcker, § 26, Rdnr.

25

WuW jE OLG 2274, 2276 "Fernmeldetürme" .

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28

197,213.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

feststellte, daß die öffentliche Hand bei Vergabe wichtiger Aufträge öffentliche Ausschreibungen durchzuführen habe. Für das Presseabsatzsystem hat das OLG Karlsruhe28 Art. 5 Abs. 1 GG insoweit herangezogen, als es darauf abstellt, das Remissionsrecht ermögliche die Abnahme ausreichender Mengen und kleinauflagiger Titel. Das Remissionsrecht sei daher ein Garant der Pressevielfalt, die ihrerseits wesentliche Voraussetzung der durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährten Informationsfreiheit sei. Das Gericht geht dabei nicht so weit wie Kaiser27 , der aus Art. 5 GG eine Bestandssicherung des Presse-Grosso-Systems herleitet. Hiergegen haben sich bereits ausführlich Kuner 28 und insbesondere Ipsen 29 mit der überzeugenden Begründung gewandt, Ansprüche der Unternehmen des Presse-Grosso gegenüber den Verlagen seien weder direkt noch als Reflex aus verfassungsrechtlichen Vorschriften ableitbar, da der Schutz der Pressefreiheit den Verlagen, nicht aber den Absatzmittlern zukomme 30 , die im Dienst der Presse und nicht innerhalb dieser tätig seien. b) EiDzeUIUe

aa) Wettbewerber behinderungen durch Verlage Mestmäcker3 1 führt in seiner kritischen Stellungnahme zum Ptessevertriebssystem aus, Auflagenkonzentrationen zögen Verdrängungswirkungen im Vertrieb nach sich, und diese Gefahr werde durch das System des Gebiets-Grossisten verstärkt. Außerdem sichere das Großhandelssystem den Großverlagen neben der Kontrolle des Absatzes der eigenen Erzeugnisse den Einfluß auf die Bedingungen für den Vertrieb von Konkurrenzprodukten. Im Ergebnis 32 stellt Mestmäcker daher die Möglichkeit fest, daß der Marktzugang für kleinere Verlage und Newcomer behindert werde. Die Richtigkeit dieser Ausführungen unterstellt, kämen hier Wettbewerberbehinderungen der Verlage untereinander in Betracht, die mittelbar über den Absatzmittler vorgenommen werden. Ob in der Praxis solche Verhaltensweisen auftreten, ist nicht allgemeingültig festzustellen. Im Einzelfall hingegen ist nicht auszuschließen, daß insbesondere große Verlage und auch National Distributaren ihre Umsatzstärke auf eine Weise einsetzen, die sich zum Nachteil der Konkurrenten auswirkt. Beispielhaft mag hier an die "Blinkfüer"WuW/E OLG 2289 "Zeitschriften-Grossisten 11". Kaiser, S. 87 ff. !8 Kuner, AfP 1979, S. 377. zu Ipsen, S. 13 ff., 16 ff., 68 ff. 30 Zur Kritik an Kaiser s. a. Wenzel, AfP 1979, S. 380, 382. 31 Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 181 ff., 184. 3! Mestmäcker: "Medienkonzentration" , S. 224. 18

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II. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erinnert werden33 • Wettbewerberbehinderungen können von Verlagen dadurch bewirkt werden, daß die Absatzchancen der Mitwettbewerber durch sogenannte "Marktverstopfung" nachhaltig gestört werden. Diese Fallgruppe bezieht Verhaltensweisen ein, durch die marktstarke Verlage Absatzmittler veranlassen, ihre Objekte in einer Menge abzunehmen, die die Kapazitäten des Absatzmittlers in einem solchen Umfang ausfüllen, daß andere Objekte nicht mehr in angemessener Stückzahl aufgenommen werden können. Jedoch sind mittelbare Wettbewerberbehinderungen bei der Interessenabwägung nach § 26 Abs. 2 GWB nur selten als unbillig bewertbar. Der objektive Behinderungsbegriff führt dazu, daß auch Verhaltensweisen erfaßt werden, die für den Wettbewerb insgesamt förderlich sind". Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu verhindern, daß wettbewerbskonformes Verhalten durch § 26 Abs. 2 GWB eingeschränkt wird. Vorstoßender Wettbewerb, Preis- und Qualitätswettbewerb und auch Wettbewerb mit Sonderleistungen sind grundsätzlich zulässig. Wettbewerbskonforme Verhaltensweisen dürfen daher im Rahmen der Interessenabwägung nicht als unbillig bewertet werdenU, andernfalls würde der von § 26 Abs. 2 GWB bezweckte Schutz der Wettbewerbsfreiheit in sein Gegenteil verkehrt. Auch marktbeherrschenden Unternehmen sind wettbewerbskonforme Verhaltensweisen nicht verboten, auch wenn dadurch eine Verschlechterung der Absatzchancen der Mitwettbewerber bewirkt wird. § 26 Abs. 2 GWB bietet kleineren Verlagen keinen Schutz davor, daß sie im Wettbewerb mit den größeren Niederlagen erleiden. Den marktmächtigen Großverlagen obliegt auch grundsätzlich keine Marktstrukturverantwortung38. Sie haben aufgrund des Behinderungsverbots nicht die Pflicht, die Betätigungsmöglichkeiten von Wettbewerbern oder Newcomern nicht einzuschränken oder zu fördern. Die Unbilligkeit von Wettbewerbsbehinderungen läßt sich m. E. erst dann bejahen, wenn über die nach § 18 GWB zulässige Struktursicherung der Absatzwege hinaus Großverlage gezielt die Mitwettbewerber von dem Zugang zu den Absatzmittlern ausschließen. Im Presseabsatzmarkt ist daher jede Vereinbarung zwischen Verlag und Absatzmittler unzulässig, in der ein Absatzmittler über die bestehenden Vertriebsund Verwendungsbindungen hinaus zusätzlich die Verpflichtung übernimmt, bestimmte andere Objekte nicht zu vertreiben. Auch wenn dies BVerfGE 25, 256. s. hierzu Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 259. 35 Ähnlich auch WuW /E OLG 2148, 2149 "Sonntag aktuell I". 31 Zur sogenannten Marktstrukturverantwortung s. Möschel; Wernhard: "Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz" , 1978, S. 108 ff. 33 U

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

nicht im Rahmen einer Vereinbarung, sondern durch Marktverhalten der größeren Verlage einseitig bewirkt wird, ist dies unzulässig. Die Besonderheit der dargestellten Vertriebs- und Verwendungsbindungen besteht im Presseabsatzmarkt gerade darin, daß sie parallel von allen Verlagen dem Handel auferlegt werden. Die dadurch bewirkte Neutralität der Absatzmittler ist eine wesentliche Voraussetzung der bestehenden Marktstruktur.

bb) Belieferungsverweigerungen der Verlage gegenüber Absatzmittlern Gegenüber allen Absatzmittlern können Verlage den Diskriminierungstatbestand des § 26 Abs. 2 GWB dadurch erfüllen, daß sie entweder die Belieferung verweigern oder diese abbrechen. Sobald gleichartige Absatzmittler üblicherweise von einem Verlag beliefert werden, liegt in der Verweigerung oder dem Abbruch der Vertragsbeziehung eine unterschiedliche Behandlung. Entscheidend kommt es daher auf das Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes und damit auf die Interessenabwägung an. Die von der Rechtsprechung und der Literatur entwickelten Gesichtspunkte, auf grund derer eine Lieferverweigerung als sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann, lassen sich grob in folgende Gruppen einteilen: -

unternehmerische Grundentscheidungen37 , sachgerechte, systematische Begrenzungen der Art oder Zahl der belieferten Abnehmer38 , individuelle Gesichtspunkte, die allein durch die besonderen Verhältnisse des Abnehmers begründet sind 39 •

Die sachliche Rechtfertigung der Belieferungsverweigerung oder eines Abbruchs der Geschäftsbeziehungen läßt sich zunächst mit persönlichen Verhältnissen des Abnehmers begründen. Ein Verlag kann daher die Belieferung eines Absatzmittlers verweigern oder abbrechen, wenn dieser z. B. durch fehlende Kreditwürdigkeit, schwerwiegende Verletzungen vertraglicher Verpflichtungen oder geschäftsschädige:ndes Verhalten40 die Geschäftsbeziehungen selbst gefährdet. Im Presseab~ satzmarkt ist zu diesen persönlichen Verhältnissen wohl auch die sogenannte "Neutralitätsverpflichtung" zu rechnen. Das bedeutet, daß ein Absatzmittler, der nachhaltig aus sachfremden Gründen bestimmte WUW/E BGH 886 "Jägermeister"; Müller / Giessler, § 26, Rdnr. 86. WUW/E OLG 2217, 2220 "Allkauf-Saba"; WUW/E BGH 1671, 1676 "Robbe"; WuW/E BGH 1530, 1532 "Faßbier-Pflegekette"; WuW/E BGH 1027, 1031 "Sportartikelmesse n". 38 WuW/E BGH 1131 "Lufttaxi n"; WuW/E BGH 1391, 1396 "Rossignol"; WUW/E BGH 1629, 1633 "Modellbauartikel n"; WUW/E BGH 1624, 1625 "BMW Direkthändler In" . 40 s. a. Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 241. 37 38

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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Objekte wegen ihres politischen oder weltanschaulichen Charakters bevorzugt oder benachteiligt, von der Belieferung ausgeschlossen werden kann. Die Belieferung eines Absatzmittlers oder Newcomers kann auch davon abhängig gemacht werden, daß dieser über die persönlichen, finanziellen und technischen Möglichkeiten verfügt, Presseobjekte in großer Zahl und Menge schnell und gleichzeitig zu verteilen. An die Geschäftsausstattung eines Presse-Grossisten können daher höhere Anforderungen gestellt werden als an die der anderen Absatzmittler. Die Einzelheiten dieser persönlichen und sachlichen Differenzierungskriterien sind hier nicht zu vertiefen, es kann im Ergebnis jedoch festgestellt werden, daß eine Belieferungsverweigerung dann gerechtfertigt ist, wenn der Absatzmittler die im Presseabsatzmarkt für seine speziellen Aufgaben erforderlichen Leistungen nicht erbringen kann. Hierbei ist jeweils auf typgleiche Absatzmittler abzustellen, die Branchenstandards sind zu berücksichtigen und die von den Lieferanten langjährig geübte Geschäftspraxis heranzuziehen. So können hinsichtlich der Disposition und Objektbetreuung zwar von allen Grossisten vergleichbare Leistungen verlangt werden, nicht jedoch kann eine Belieferungsverweigerung des Bahnhofsbuchhandels damit gerechtfertigt werden, dieser sei nicht in der Lage, die gleiche Objektbetreuung und Bezugsregulierung zu leisten wie die Unternehmen des Presse-Grosso. Bei der systematischen Begrenzung der Art und Zahl der Absatzmittler ist zu berücksichtigen, daß Abnehmerselektionen ohne quantitative Begrenzungen grundsätzlich zulässig sind 41 • Dies ergibt sich schon aus der grundsätzlichen Zulässigkeit von Vertriebsbindungssystemen nach § 18 GWB. Es kommt hier bei der Interessenabwägung dann darauf an, ob die Qualifikations- und Leistungsanforderungen sachgerecht und angemessen sind. Da diese in erster Linie von der Ware und Funktion abhängig sind, sind im Pressevertriebsmarkt unterschiedliche Anforderungen an die einzelnen Absatzmittlergruppen zu stellen. Dem Einzelhandel, dem eine besondere Objektbetreuung nicht obliegt, dürfen keine übersteigerten Anforderungen auferlegt werden, da diesem nur eine Bereitstellungsfunktion zukommt. Anders hingegen können dem Großhandel wegen der erforderlichen Schnelligkeit der Verteilung, der Bezugsregulierung und Disposition besondere Qualifikationen und technische Ausstattungen abverlangt werden. 41

WUW/E OLG 2217, 2220 "Allkauf-Saba"; WUW/E OLG 2167, 2170 "Nord-

mende".

202

G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

Die Problematik der sachlichen Rechtfertigung von Belieferungsverweigerungen im Presseabsatzmarkt liegt jedoch darin, daß die Abnehmerselektion im Grosso-Bereich quantitativ erfolgt. Im MAL-Verfahren ist bei dem Belieferungsbegehren eines Newcomers diese Problematik deutlich geworden42 . Da grundsätzlich je Gebiet nur ein Pressegroßhändler beliefert wird, wird die Zahl der belieferten Händler stark eingeschränkt, und es besteht daher zur Zeit eine fast absolute Marktverschließung. Die Etablierung eines neuen Presse-Grossisten ist ausgeschlossen, solange alle Gebiete besetzt sind und Belieferungen mehrerer Grossisten in einem Gebiet nur ausnahmsweise - und dann mit Objekttrennung - erfolgen. Bei der Interessenabwägung sind deswegen besonders hohe Anforderungen zu stellen, weil grundsätzlich eine solche Marktverschließung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB entgegensteht. Der "Intrabrand"Wettbewerb ist ausgeschlossen, und der "Interbrand"-Wettbewerb erheblich eingeschränkt43 • Wenzel'4 und, ihm folgend, das OLG Karlsruhe45 begründen die sachliche Rechtfertigung dieser Marktverschließung im wesentlichen mit dem Remissionsrecht und der Feststellung, eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu dem bestehenden Vertriebssystem sei nicht ersichtlich. Das Landgericht Mannheim48 hat erstinstanzlich, ausgehend von der Freiheit der Unternehmer, das Vertriebssystem selbst zu bestimmen, die Gesichtspunkte Datenerfassung, Auflagensteuerung, Gefährdung der Neutralität bei Verlagsbeteiligung, Wettbewerbsverzerrung bei Gewinnbeteiligung der Einzelhändler, Schutzwürdigkeit des Newcomers und des bereits belieferten Grossisten in die Interessenabwägung einbezogen. Die Hervorhebung des Remissionsrechts als sachlich rechtfertigenden Grund hält Raiser47 entgegen, jedes Monopol sei wirtschaftlich optimal. Außerdem bestreitet er, daß das Pressevertriebssystem mit der Remissionssteuerung ausschließlich bei einer Grosso-Alleingebietsstellung, also Objekttrennung, funktioniere, ein Wettbewerbs-Grossist müsse sich hingegen intensiver um jeden Kunden und um jedes Verlagsobjekt kümmern. In einem Gutachten versuchen Krüger / Wanner'8 nachzuweisen, daß die Remissionsabwicklung und damit die Auflagensteuerung auch bei Wettbewerbss. o. Kap. G 1. 1. Zu weitgehend Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 228 mit der Bemerkung, der Interbrand-Wettbewerb werde praktisch völlig beseitigt; s. o. Kap. D II. 2. a}. U Wenzel, S. 380, 382. 45 OLG Karlsruhe WuW /E OLG 2289 "Zeitschriftenvertrieb II". 48 LG Mannheim WRP 1976, 410, 414 ff. 47 Raiser, Günther: "Kontrahierungszwang und Pressevertrieb, Urteilsanmerkung zu LG Mannheim vom 13.2. 1976", in: AfP 1976, S. 69, 70. 48 Kriiger / Wanner, S. 18 ff. 4! 43

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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Grossisten sachgerecht funktioniere. Sie gehen davon aus, daß das MBR-Verfahren unabhängig anwendbar sein muß, ob es sich um einen Wettbewerbs- oder Gebiets-Grossisten handelt, lassen aber offen, wie der Wettbewerbs-Grossist die Basiszahlen bei ständig wechselnden Einzelhandelskunden ermitteln kann und wie die Bezugssteuerung erfolgen soll, wenn entgegen ihrer Annahme ein Einzelhändler von zwei Grossisten mit demselben Objekt beliefert wird. Für diesen Fall dürfte die Bezugsregulierung in der bestehenden Form mangels bekannter Daten der Parallel-Lieferung ausgeschlossen sein. Ein in der Praxis erprobter Modellfall des Wettbewerbs-Grosso-Systems, bei dem die bestehenden Bezugsregulierungsmechanismen angewendet wurden, ist nicht ersichtlich. Soweit in der geschichtlichen Entwicklung Wettbewerbs-Grosso-Systeme bestanden, erfolgten keine vergleichbaren Bezugsregulierungen und Remissionsbegrenzungen. Das bestehende System mit Alleingebiets-Grossisten wird daher überwiegend für das einzig sachgerechte gehalten49 • Ob dies im Rahmen der Interessenabwägung die "Waage" gleichsam zugunsten der Belieferungsverweigerung absinken läßt, bleibt zu prüfen. WenzelfiO verneint eine Belieferungspflicht der Verlage gegenüber Grossisten - seien es tätige Firmen oder Newcomer - im wesentlichen mit der Begründung, daß derjenige, der ein Remissionsrecht in Anspruch nehme, sich den Entscheidungen des Lieferanten darüber beugen müsse, ob, was und wieviel geliefert werde. Wenzel folgerte somit aus der Verlagerung des Weiterverkaufsrisikos auf den Hersteller dessen auch nicht durch § 26 Abs. 2 GWB einschränkbares Recht, allein über den Vertriebsweg zu entscheiden. Deutlich wird dieser Standpunkt in dem Satz, "aus § 26 Abs. 2 GWB kann Ansprüche nur ableiten, wer ohne Remissionsmöglichkeit arbeitet"fil. Wenzel verkennt, daß ein Hersteller, der ein bestimmtes Vertriebssystem installiert oder wählt, sich an seinen Grundentscheidungen festhalten lassen muß, wenn keine besonderen Gründe für eine Abweichung eintreten. Grundsätzlich ist dabei der Hersteller zur Gleichbehandlung der eingegliederten Absatzmittler verpflichtetfi2 . Diesen Grundsatz allein mit dem Argument, es bestehe das Remissionsrecht, aufheben zu wollen, erscheint nicht vertretbar. Richtig ist zwar, daß das Weiterverkaufsrisiko im wesentlichen auf den Hersteller verlagert wird. Ist das Remissionsrecht aber allgemein üblich und liegt 49 Schmahl, AfP 1976, S. 67 ff.; ders. in: WRP 1977, S. 517 f.; Bechtold, BB 1977, S. 1114; Wenzel, AfP 1979, S. 380 ff.; Lutz, GRUR 1979, S. 179 f.; Kaiser, S. 50 ff., 123 ff. 60 Wenzel, S. 382, 383. 51 Wenzel, S. 384 im Zusammenhang mit der Problematik der Direktbelie-

ferung des Einzelhandels. 51 Im Ergebnis gleich: WUW/E BGH 1288,1291 "EDV-Ersatzteile"; WuW/E OLG 2103 "Porsche".

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

es im wirtschaftlichen Interesse der Verlage 53 , so kann allein mit dem Remissionsrecht eine Ungleichbehandlung der Absatzmittler nicht gerechtfertigt werden. Erst wenn gleichen Absatzmittler-Typen zum Teil Remissionsrechte gewährt werden, zum anderen Teil aber nicht, ergeben sich Ungleichheiten, die Differenzierungsmöglichkeiten eröffnen. Werden aber allen Absatzmittlern die Remisssionsrechte eingeräumt, so stellt diese Gewährung kein Differenzierungskriterium mehr dar. Soweit ersichtlich, ist auch bisher nicht die Ansicht vertreten worden, ein Hersteller dürfe einen Kommissionär oder Kommissionsagenten, der den anderen eingegliederten Absatzmittlern gleichartig ist, allein deswegen diskriminieren, weil der Hersteller das Absatzrisiko trage'54. Wird also allen Absatzmittlern das Remissionsrecht gewährt, so sind diese dann nach § 26 Abs. 2 GWB gleich zu behandeln. Die Ansicht, Ungleichbehandlungen wären allein schon wegen Bestehen des Remissionsrechtes zulässig, würde auch dem Zweck des § 26 Abs. 2 GWB widersprechen. Jede Lieferung in Kommission würde so nämlich den Normadressaten von der Pflicht befreien, die belieferten Abnehmer oder gleichartige, denen üblicherweise der Marktzugang offensteht, grundsätzlich gleich zu behandeln. Allein die Zusage eines Lieferanten an den Handel, nicht verkäufliche Ware unter bestimmten Voraussetzungen wieder zurückzunehmen, würde nach der Ansicht Wenzels den Handel aus dem Schutzbereich des § 26 Abs. 2 GWB ausschließen. Allein mit dem Remissionsrecht läßt sich also eine sachliche Rechtfertigung von Belieferungsverweigerungen nicht begründen. Es sind vielmehr weitere Gesichtspunkte in die Interessenabwägung einzubeziehen, denen im Einzelfall unterschiedliches Gewicht zukommen kann. Beispielhaft lassen sich diese Gesichtspunkte wie folgt anführen: Bereitschaft, ein Vollsortiment zu führen; Verlagsbeteiligung an einem Absatzmittler-Unternehmen, wenn dadurch die Neutralität gefährdet wird; Einzelhändler-Beteiligung, wenn nur Sammelbestellungen aufgegeben werden; Funktionsfähigkeit eines Wettbewerbssystems55 • M. E. entscheidet sich die Interessenabwägung bei der Frage, ob ein alternatives Vertriebsmodell praktikabel ist und ob es einem bestimmten Verlag zumutbar ist, von dem bestehenden Vertriebssystem abzuweichen. Die Praktikabilität alternativer Vertriebssysteme ist fraglich. Die Abschaffung des Remissionsrechts kommt aus wirts. o. Kap. D III. 5. Ebenroth, S. 67 ff. in Hinblick auf § 18 GWB und S. 112 ff. zu § 26 Abs. 2 GWB; insoweit zutreffend Börner, S. 35. 55 Zu einzelnen Gesichtspunkten s. a. OLG Karlsruhe WuWJE OLG 2289 ff. "Zeitschriftenvertrieb 11"; LG Mannheim WRP 1976, 414 ff.; Schmahl, WRP 1979, S. 513, 517 f. 53

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11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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schaftlichen und pressespezifischen Gründen nicht in Betracht. Sondermann 56 berechnet für diesen Fall eine Verringerung der Gesamtverkäufe um ca. 30 %. Außerdem dürfte es unstreitig sein, daß eine optimale Bezugsregulierung durch das System des Alleingebiets-Grossisten begünstigt wird. Alternativmodelle unter staatlichem Einfluß57, wie z. B. Vergabe von Gebietskonzessionen, staatliches Verteilnetz, öffentlich-rechtliche Vertriebsgesellschaften u. ä. ändern die hier dargestellten Marktverschließungen auf dem Pressevertriebssektor nicht. Der Vorteil eines Wettbewerbs-Grosso könnte allenfalls darin gesehen werden, daß durch den tatsächlichen Wettbewerb oder die "latente Außenseiterkonkurrenz"58 die Unternehmen des Presse-Grosso zu Verbesserungen der Objektbetreuung und Aufrechterhaltung eines vielfältigen Sortiments gezwungen würden. Da die Presse-Grossisten jedoch als gegenüber den Verlagen marktbeherrschend zu qualifizieren waren und daher die Ablehnung eines Objektes, wie noch darzustellen sein wird, nur aufgrund sachlicher Rechtfertigung zulässig ist, bedarf es zur Aufrechterhaltung der Angebotsvielfalt also des Wettbewerbssystems grundsätzlich nicht. Auch wird bei der Interessenabwägung letztlich ausschlaggebend sein, daß kein Verlag gezwungen werden kann, nachhaltig gegen seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verstoßen, indem er durch die Belieferung von Wettbewerbs-Grossisten das bestehende Vertriebssystem insgesamt gefährdet59 . Das System ist auf der Alleingebietsstellung und der Objekttrennung im Grosso-Bereich aufgebaut. Beliefert nunmehr ein Verlag einen weiteren Grossisten, der mit den bestehenden in Wettbewerb tritt, so ändert sich das bestehende System grundlegend. Die Verlage müßten sowohl die Bezugsregulierung als auch die übrige Geschäftsabwicklung in wesentlichen Bereichen neu organisieren und aufbauen. Vergleichbar wäre dies dem Fall, daß die Verlage die Grosso-Funktionen selbst übernehmen würden. Auch dann wäre eine grundsätzliche Strukturänderung die Folge. Beginnt ein Verlag, gezwungen oder freiwillig, mit der Belieferung eines Wettbewerbs-Grossisten oder baut er einen eigenen Grosso-Bereich auf, so könnten sich hierauf alle potentiellen Marktteilnehmer berufen. Das bestehende Presseabsatzsystem könnte daher durch die nunmehr zu Recht auf den Markt drängenden Außenseiter aufgelöst werden. Die Berücksichtigung der Auswirkung auf den Gesamtmarkt und Sondermann, S. 31/13. 57 s. dazu Menke / Glückert, S. 111. 58 Triebenstein: "Gutachten über die volkswirtschaftliche Bedeutung des ZZ-Großhandels in der BRD", 1969, S. 38. 59 Ähnlich OLG Karlsruhe WuW /E OLG 2289, 2291 "Zeitschriftenvertrieb 11". 58

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

dessen Struktur führt daher dazu, bei der Interessenabwägung die Belieferungsverweigerung gegenüber einem neuen Grossisten als sachlich gerechtfertigt anzusehen. Dies gilt aber nur solange, wie die Verlage an der von ihnen gewählten Struktur des Pressevertriebsmarktes festhalten. Der Abbruch von Geschäftsbeziehungen mit den zur Zeit tätigen Absatzmittlern ist nur dann zulässig, wenn entweder der einzelne Absatzmittler die persönlichen oder sachlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt oder aber ein Verlag sein Vertriebssystem insgesamt umstellt. Entgegen der Ansicht Wenzels 60 ist es nicht mit § 26 Abs. 2 GWB zu vereinbaren, daß ein Verlag in einem Gebiet das Presse-Grosso in Anspruch nimmt, in einem anderen Gebiet jedoch nur im Wege der Selbstauslieferung oder unter Inanspruchnahme eines anderen Vertriebsweges seine Objekte verteilt. Der gleichartige Presse-Grossist könnte in diesem Fall einen Belieferungsanspruch nach § 26 Abs. 2 GWB durchsetzen, da er sich auf die übliche Praxis in anderen Gebieten berufen könnte. Zwar steht den Verlagen die Umgestaltung ihres Vertriebssystems grundsätzlich frei, jedoch dürften Kündigungen der Vertragsbeziehungen mit einer ganzen Branche61 , wie z. B. Presse-Grosso oder Bahnhofsbuchhandel, zu dem Zwecke, den Vertrieb in eigene Regie zu nehmen oder den Wettbewerb zwischen den Absatzmittlern auszuschalten, unzulässig sein6!. Bei Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit einzelnen Absatzmittlern hätte der Verlag den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Kündigung und Beendigung der Vertragsbeziehung kommt nur als letztes Mittel in Betracht6s • Es verstieße daher gegen § 26 Abs. 2 GWB, wenn Verlage dazu übergingen, im Bereich des Bahnhofsbuchhandels nur einen Teil der Unternehmen weiterhin direkt zu beliefern, einen anderen Teil jedoch nicht. Sachliche Rechtfertigungen für solche Differenzierungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind hier die langjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen Verlagen und Bahnhofsbuchhandlungen und deren besondere Funktion im Presseabsatzmarkt zu berücksichtigen. Den Bahnhofsbuchhandlungen steht daher ein Anspruch auf Direktbelieferung zu, wenn diese von einer erheblichen Anzahl von Verlagen vorgenommen wird.

Wenzel, AfP 1979, S. 380, 383; zutreffend Börner, S. 68. s. einen ähnlichen Fall in: KG WuW/E OLG 1499, 1504 "Agip 11". 12 s. hierzu auch Ebenroth, S. 161 ff. 83 WUW/E BGH 1391 "Rossignol"; Emmerich: "Kartellrecht", S. 213; KG WuW /E OLG 1828, 1832; Ebenroth, S. 160 ff. 80 81

11. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs.2 GWB

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cc) Ungleichbehandlung der Absatzmittler durch die

Verlage hinsichtlich Belieferung und Rabatten

Eine Ungleichbehandlung der Absatzmittler nehmen die Verlage grundsätzlich dadurch vor, daß im Bahnhofsbuchhandel höhere Rabatte als im Einzelhandel gewährt werden. Außerdem wird der Bahnhofsbuchhandel direkt beliefert. Die sachliche Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung wurde vom Bundeskartellamt mit Schreiben vom 11. September 1967 bejaht84 • Das Amt sah die Rechtfertigung in der Sortimentsfunktion, den längeren Öffnungszeiten und den zusätzlichen Verteilerleistungen aufgrund der Auflagen der Deutschen Bundesbahn65 • Bestätigt wurde diese Ansicht des Bundeskartellamts in seinem Schreiben vom 5. Juni 1978 in dem Verfahren hinsichtlich der Direktbelieferung von Montanus-aktue1l 88 • Die Unterschiede zwischen dem "normalen" Einzelhandel und dem Bahnhofsbuchhandel wurden bereits dargestellt87 , sie rechtfertigen die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich Rabatten und Belieferungen. Auch die Rechtsprechung hält Rabattdifferenzierungen aufgrund besonderer Funktionen für mit § 26 Abs. 2 GWB vereinbar8s • Im Ergebnis handelt es sich bei den für den Bahnhofsbuchhandel höheren Rabatten um Entgelte für besondere Funktionen, aber auch um den zulässigen Ausgleich besonderer Belastungen und Kosten, die dem Bahnhofsbuchhandel strukturbedingt zwangsläufig entstehen. Rabatt- und Konditionendiskriminierungen typgleicher Absatzmittler sind nur im Rahmen enger Voraussetzungen zulässig89 • Bei Mengenrabatten, die in der Regel mit § 26 Abs. 2 GWB vereinbar sind 70 , ist zu beachten, daß die Rabattstaffel für alle typgleichen Absatzmittler gleich sein muß. Auch die übrigen Geschäftsbedingungen und insbesondere die Vertriebs- und Verwendungsbindungen sind den typ gleichen Absatzmittlern von den Verlagen grundsätzlich einheitlich aufzuerlegen. Die unterschiedliche Handhabung und Durchsetzung von Vertriebsbindungen führt dazu, daß diejenigen, denen die Einhaltung auferlegt wird, gegenüber den anderen benachteiligt werden. So wird sich z. B. eine sachliche Rechtfertigung nur schwer begründen lassen, wenn ein 84 BKartA v. 11. 9. 1967, Gesch-Nr. B 4-745100-V-215/66. es s. o. Kap. B 11. 4. 88 BKartA WRP 1979, 582. 87 s. o. B 11. 4. 88 WUW/E BGH 1429 "Asbach-Fachgroßhändlervertrag"; KG WuW/E OLG 877, 882 "Zigaretten-Einzelhandel"; so auch Keller, S. 135 ff., 146 ff.; Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 115. 88 s. dazu Sack, WRP 1975, S. 385 ff.; Kracht, NJW 1960, S. 1229 ff. 70 WuW/E BGH 502, 508 "Treuhandbüro"; WuW/E OLG 917,922 "PartieRabatt".

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

Verlag einem Großhändler den Vertrieb der erhaltenen Objekte an den Endverbraucher untersagt, dem anderen jedoch nicht. Auch in den Bereichen des WBZ und Lesezirkels sind von den Verlagen grundsätzlich gleiche Bedingungen zu gewähren. Soweit besondere Vergünstigungen den einzelnen Absatzmittler-Unternehmen gewährt werden, müssen diese mit einer bestimmten, besonderen Leistung oder Funktion begründet werden. Allein die Anknüpfung an die Umsatzgröße bei der Gewährung von Werbekostenzuschüssen im Bereich des WBZ ist daher unzulässig, da hierdurch keine besondere Leistung vergütet wird. Auch unterschiedliche Abgabepreise der Verlage an typgleiche Absatzmittler sind grundsätzlich unzulässig. Insbesondere bei erfolgter Preisbindung sowohl des Abgabepreises als auch des Endverkaufspreises kann ein Verlag nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund von seiner eigenen Preisfestsetzung abweichen. Erfüllt daher ein Absatzmittler nicht die gleichen Leistungen wie ein anderer typgleicher, so ist eine Rabattkürzung erst dann zulässig, wenn der Verlag zuerst die entsprechende Preisbindung aufhebt und außerdem nach vorheriger Abmahnung nachweist, daß der betreffende Absatzmittler von den Leistungen der übrigen wesentlich abweicht. Die bisherige Leistungserfüllung und die Branchenstandards sind hierbei vornehmlich zu berücksichtigen.

dd) Abnahme- und Abschlußverweigerungen des Großhandels gegenüber den Verlagen Die Unternehmen des Presse-Großhandels sind als Marktbeherrscher grundsätzlich verpflichtet, die ihnen von den Verlagen angebotenen Objekte abzunehmen. Bei der Ablehnung eines Titels durch das Presse-Grosso wird der jeweilige Verlag im Vergleich zu anderen unterschiedlich behandelt. Sachliche Rechtfertigungen für Abnahmeverweigerungen bestehen wegen der Besonderheiten des Pressevertriebssystems nur in geringem Umfang71 • In Betracht kommen - überschreitung der Kapazitätsgrenzen, - das Presseobjekt verstößt inhaltlich gegen gesetzliche Vorschriften. - die Vertriebsleistung wird nicht angemessen honoriert. Bei der überschreitung von Kap azitätsgrenzen , die Löffler72 noch als "natürliche Rechtfertigung für eine Abnahmeverweigerung des Gros11 s. hierzu auch die sogenannte Neutralitätsverpflichtung der Absatzmittler, 0.: Kap. B III. 7. 72 Löffler, DNV 1979, S. 1122, 1130.

H. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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sisten" angesehen hat, sind wegen der Alleingebietsstellung des Grossisten sehr hohe Anforderungen zu stellen. Ein geringfügiger oder vorübergehender Kapazitätsengpaß dürfte eine Annahmeverweigerung nicht rechtfertigen. Wegen seiner MarktsteIlung ist der Grossist verpflichtet, ggf. auch mit Sonderschichten, Aushilfskräften und zusätzlichen Kosten für eine Kapazitätsausweitung zu sorgen. Als milderes Mittel im Vorfeld der Abnahmeverweigerung kommen auch Quotierungen oder gleichförmige Mengenbeschränkungen hinsichtlich aller vergleichbaren Lieferanten in Betracht. Soweit Wenzel 73 die Ansicht vertritt, die Kontrahierungspflicht gelte nicht nur bezüglich der Titel, sondern auch im Hinblick auf die abzunehmende Menge, ist die Einschränkung zu machen, daß dies nur dann gilt, wenn der anbietende Verlag die Grundsätze der Bezugsregulierung nach den angewandten Verfahren MBR und BKO bei seinem Angebot berücksichtigt. Grundsätzlich ziehen zwar die Verlage und Grossisten, wie WenzeF4 bemerkt, "an einem Strang" bei der Festlegung der Belieferungsmenge; die bei einigen Verlagen und insbesondere bei den National Distributoren zu beobachtende Tendenz, neue Objekte mit weit überhöhten Startauflagen in den Markt zu drücken, ist von dem Grosso aber nur insoweit zu akzeptieren, als sich die Bezugsmenge an vergleichbaren Objekten und Markterfahrungen ausrichtet. Eine Probezeit für die Abnahme neuer Objekte wird den Grossisten in jedem Fall zuzumuten sein. Verstößt ein angebotenes Objekt inhaltlich gegen gesetzliche Vorschriften, so ist die Abnahmeverweigerung sachlich begründet. Insbesondere die Vorschriften des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) und die Bestimmungen der §§ 130 a, 131, 184 StGB sind von den Absatzmittlern zu beachten75 • Da den Handel eine eigene Prüfungspflicht trifft7 6 , sind Fälle, in denen sich der Handel auf die sachliche Rechtfertigung einer Abnahmeverweigerung wegen inhaltlicher Gesetzwidrigkeit berufen muß, der Verlag hingegen die Gefahr einer Pressezensur oder Diskriminierung sieht, nicht vermeidbar 77 .·Das Presse-Grosso wird bei einer Abnahmeverweigerung im Einzelfall eine sachkundige Prüfung des Objektes vornehmen lassen müssen. Differenzierter ist die Frage zu beantworten, ob das Presse-Grosso Objekte deswegen ablehnen kann, weil die eingeräumte Handelsspanne nicht angemessen sei. Löffler ist der Ansicht, eine AbnahmeverweigeWenzel, AfP 1979, S. 385. Wenzel, S. 385. 75 s. dazu Kaiser, S. 112 ff., u. o. Kap. BIll. 6. 78 Zur Kritik an der gesetzlichen Regelung s. Kaiser, S. 116 ff. 77 s. auch Kaiser, Joseph H. / Claaßens, Manfred: "Im Dilemma von Schutz und Freiheit", in: DNV, Heft 11, 1980, S. 16 ff. 73 74

14 Roggen

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

rung sei dann gerechtfertigt, wenn der Grossist nachweise, daß ihm aus dem Geschäft kein Gewinn oder gar Verlust entstehe78 . Auch Hildebrandt79 billigt dem Grossisten das Recht zu, seine Vertriebsleistung von einer angemessenen Handelsspanne abhängig zu machen. Wenzel betont, daß es schon im Eigeninteresse des Grossisten liege, auch verlustbringende Objekte zu vertreiben und vergleicht dies mit Aufwendungen für Werbung und PR8o. Am weitesten geht Kaiser81 mit der Ansicht, auch der Ertrag des Verlages, insbesondere die Anzeigenerlöse, seien in die Berechnung des Rabattes einzubeziehen. M. E. reduziert sich die von Kaiser dargestellte Alimentierungsfunktion des PresseGross0 82 richtigerweise auf die Feststellung, daß jedes ausgelieferte Objekt grundsätzlich einen Deckungsbeitrag zu den Vertriebskosten des Grosso bringt und bringen muß. Die Angemessenheit der Handelsspanne ist also danach zu beurteilen, ob das einzelne Objekt einen Deckungsbeitrag zu den Vertriebskosten bewirkt83 . Außerdem wird darauf abzustellen sein, ob die gewährte Handelsspanne bei vergleichbaren Objekten und allgemein im Pressevertriebsmarkt üblich ist. Die Bewertung der Handelsspanne danach, ob sie branchenüblich ist, kann durch Vergleich mit Objekten, die nach Inhalt, Umfang, Erscheinungsweise und den erforderlichen Vertriebsleistungen ähnlich sind, erfolgen. Bei wesentlichen Abweichungen kann die Abnahmeverweigerung des Presse-Grossisten sachlich gerechtfertigt sein. Jedoch werden vorher zunächst Verhandlungen über die Höhe der Handelsspanne zwischen den Beteiligten erfolgen müssen. Mit anderen Worten darf die Abnahmeverweigerung nicht ohne "Vorwarnung" erfolgen. Auch wird bei der Interessenabwägung im Einzelfall zu berücksichtigen sein, daß dem Vollsortiments-Grossisten die zeitweise Mitnahme verlustbringender Objekte zumutbar ist.

ee) Beliejerungsverweigerungen und Leistungsdijjerenzierungen des Presse-Grosso gegenüber dem Einzelhandel Da jeder Presse-Grossist mit den von ihm allein vertriebenen Objekten und mit seinem Dienstleistungsangebot eine marktbeherrschende Stellung gegenüber den Einzelhändlern in seinem Gebiet innehat, besteht grundsätzlich eine Belieferungspflicht gegenüber dem Einzelhandel aus § 26 Abs. 2 GWB. Belieferungsverweigerungen und auch Leistungsdifferenzierungen gegenüber dem Einzelhandel sind daher 78 78 80 81 8%

83

Löffler, S. 1131. Hildebrandt, S. 221. Wenzel, S. 388, 389. Kaiser, S. 140; dagegen zu Recht Börner, S. 55 f. Kaiser, S. 96 ff. So im Ansatz auch Löffler, S. 1131; zutreffend: Börner, S. 50.

11. Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB

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nur dann zulässig, wenn der Grossist einen sachlich gerechtfertigten Grund geltend machen und ggf. beweisen kann8'. Bei der Interessenabwägung sind für den Grossisten folgende Gründe zu berücksichtigen, die im Einzelfall eine Belieferungsverweigerung oder -einstellung rechtfertigen können: -

Zersplitterung des Einzelhandel-Umsatzes mit der Folge einer Existenzbedrohung für alle oder mehrere Einzelhändler85 , Mindestumsatzgrenzen sind nicht erreichbars6 , der Einzelhändler ist nicht bereit, ein umfangreiches Sortiment zu führen und will sich nur auf verkaufsstarke Objekte beschränken, Verstöße gegen Vertriebs- und Verwendungsbindungen, mangelnde persönliche Voraussetzungen oder unangemessene Geschäftsraumausstattung.

Zu den Kriterien, die eine Belieferungsverweigerung allein nicht rechtfertigen können, sind insbesondere reine Rationalisierungsgesichtspunkte, ausschließlicher Bestandsschutz für bestehende Einzelhandelsfirmen und der Schutz eigener Einzelhandelsgeschäfte zu zählen. In der Praxis wird vielfach die dauerhafte Aufnahme der Belieferung neuer Abnehmer vom erfolgreichen Abschluß einer Probezeit abhängig gemacht. Zu einer solchen Probelieferung besteht zwar grundsätzlich keine rechtliche Verpflichtung des Presse-Grosso, da die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB entweder zu einer Belieferungspflicht führt oder nicht. Für die Feststellung von Umsatzverlagerungen, sachlichen und persönlichen Voraussetzungen bieten Probelieferungen aber eine angemessene Grundlage. Auch das Bundeskartellamt hält Probelieferungen von ca. einem halben Jahr für angemessen87 • Bei Probelieferungen dürfen jedoch keine zu strengen Anforderungen an die in der Anfangszeit erzielten Mindestumsätze oder sonstige, den Marktzugang unverhältnismäßig erschwerende Bedingungen gestellt werdens8 • Im Einzelfall wird entscheidend die Bereitschaft des Händlers zu berücksichtigen sein, das bei Presseobjekten zusammengehörige Sortiment zu führen. Wie das Oberlandesgericht Karlsruhe in der Entscheidung "Allkauf-Saba"89 festgestellt hat, darf der Händler grundsätzlich verpflichZur Beweislast WuW/E BGH 1391, 1395 "Rossignol". Kuner, DNV 1969, S. 736, 744. S8 Zur Zulässigkeit von Mindestumsatzgrenzen WuW /E BGH 1200, 1203 "Vermittlungsprovision für Flugpassagen"; WUW/E BGH 1646, 1647 "Vermittlungsprovision für Flugpassagen 11". 87 BKartA, Tätigkeitsbericht 1974, S. 44, in: BT-Drucksache IV 3752. 88 WUW/E BGH 1200, 1203 "Vermittlungsprovision für Flugpassagen"; WUW/E BGH 1646, 1647 "Vermittlungsprovision für Flugpassagen 11"; Landeskartellbehörde Bayern WuW/E LKartB 202, 204 "Depotkosmetik" . 8. WUW/E OLG 2217,2220 "Allkauf-Saba" 8' 85

14·

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

tet werden, ein zusammengehörendes Sortiment zu führen. Bei Presseobjekten ist die Ertragslage gerade davon abhängig, daß die verschiedenen Einzelhändler sich nicht jeweils einzelne, schnell verkäufliche Objekte auswählen und somit einem Konkurrenten gerade die umsatzstarken Objekte entziehen können9o • Eine unbeschränkte Auswahlmöglichkeit des Einzelhandels würde, worauf Schmahl91 zu Recht hinweist, auch die kleineren und mittleren Verlage benachteiligen und damit den Konzentrationsprozeß im Pressemarkt fördern. Ist also ein Einzelhändler nicht bereit, ein im Presseabsatzmarkt übliches Sortiment hinsichtlich Titel und Menge aufzunehmen, so wird die Belieferungsverweigerung und ggf. auch die Belieferungseinstellung nach vorheriger Abmahnung als sachlich gerechtfertigt anzusehen sein. Die Verlagerung des Dispositionsrechtes von dem Einzelhandel auf das Pressegrosso stellt auch keine unbillige Behinderung des Einzelhandels durch eine diskriminierende Geschäftsbedingung dar, weil die hierdurch begründete Einschränkung der Handlungsfreiheit durch die Vorteile des Remissionsrechtes ausgeglichen wird92 • Es handelt sich also nicht um einen Verstoß gegen § 26 Abs. 2 GWB, wenn sich der Grossist das Dispositionsrecht nach Titel und Menge vorbehält. Es ist jedoch die Einschränkung zu machen, das der Einzelhandel grundsätzlich auch hierbei gleich zu behandeln ist, also eine Ausübung des Dispositionsrechtes nur im Rahmen der branchenüblichen Bezugsregulierungsverfahren erfolgen darf.

111. Rechtsfolgen des § 26 Ahs. 2 GWB 1. Ermächtigung für die Kartellbehörden Verhaltensweisen, die gegen § 26 Abs. 2 GWB verstoßen, kann die Kartellbehörde nach § 37 a Abs. 2 GWB untersagen. Durch § 37 a Abs. 2 GWB wird die Kartellbehörde ermächtigt, durch VerwaItungsakt1 in einem Verfahren nach §§ 51 ff. GWB Behinderungen und Diskriminierungen zu verbieten, wobei die Eröffnung und Durchführung des Verfahrens im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht 2 • Ob sich aus 80 s. dazu auch Schlingmeyer: "Die Belieferung des Einzelhandels mit Zeitungen und Zeitschriften unter Berücksichtigung des § 26 Abs. 2 GWB", in: DNV 1969, S. 1013, 1016. 81 Schmahl, WiIli: "Kartellrechtliche Fragen des Pressevertriebs" , in: DNV 1969, S. 81. 82 BGH, Urteil v. 1. 1. 1981 KZR 37/80 - S. 15. BB 1982, 461 ff. 1 Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 292. 2 s. K. Schmidt: Kartellverfahrensrecht" , S. 631; WuW /E OLG 1813, 1815 "Rhenania Pilsener" .

III. Rechtsfolgen des § 26 Abs. 2 GWB

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der Untersagungsermächtigung auch die Möglichkeit von Gebotsverfügungen durch die Kartellbehörden ergibt, wird zwar von Markert3 in Einzelfällen bei "Ermessensschrumpfung auf Null" für möglich gehalten, von der Rechtsprechung 4 und Literatur 5 aber überwiegend abgelehnt. Dies ergibt sich zutreffenderweise schon daraus, daß dem diskriminierenden Unternehmen im Einzelfall vielfältige Möglichkeiten offenstehen, wie das beanstandete Verhalten abgestellt wird. Dies kann am Beispiel des Pressevertriebsmarktes verdeutlicht werden, auf dem die Verlage ungleiche Behandlungen dadurch beseitigen können, daß sie entweder Vorteilsgewährungen oder Lieferungen auf alle typgleichen Absatzmittler ausdehnen oder aber sie für alle abschaffen. Es werden daher bei den für den Pressevertriebsmarkt aufgezeigten Diskriminierungsmöglichkeiten Gebotsverfügungen der Kartellbehörden nicht in können hingegen untersagt werden 6 , wenn die Kartellbehörde im EinBetracht kommen. Konkrete Verhaltensweisen der Normadressaten zelfall das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB nachweisen kann7 • Die kartellbehördliche Möglichkeit, wegen Zuwiderhandlung gegen das Verbot des § 26 Abs. 2 GWB eine Geldbuße nach § 38 Abs. 1 Nr. 8 GWB zu verhängen, wird wegen des Vorsatzerfordernisses nach § 10 OWiG nur selten in Betracht kommen, da die im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung überwiegend zu vorsatzausschließendem Tatbestandsirrtum führt. In der kartellbehördlichen Praxis sind daher Geldbußen auch nur in wenigen Ausnahmefällen festgesetzt wordens.

2. Zivilrechtliche Ansprüche betroffener Unternehmen Es handelt sich bei § 26 Abs. 2 GWB um ein Schutzgesetz i. S. des § 35 Abs. 1 GWB1. Der Verletzte kann daher Unterlassen, Beseitigung und Schadensersatz verlangen. Unterschiedliche Meinungen werden jedoch zu der Frage vertreten, ob diese Ansprüche auch zu einem Kontrahierungszwang2 , also zu einem Anspruch auf Abschluß eines a Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 293. 4 WUW/E BGH 1345, 1346 "Polyester-Grundstoffe"; KG WuW/E OLG 1507, 1510 "Agip I". 5 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 141. e s. z. B. WuW/E BGH 1435 "Asbach-Fachgroßhändlervertrag". 7 Zur Beweislast Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 296. 8 s. Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 297 (in vier Fällen

haben Landeskartellbehörden Bußgelder verhängt); Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 138, 139. 1 Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 143; Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 299; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 26, Rdnr. 157; WUW/E BGH 886,892 "Jägermeister"; WuW/E BGH 1211,1212 "Kraftwagen-Leasing"; WuW/E BGH 1391 "Rossignol". ! s. o. Kap. G I. 2.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

Vertrages führen. Die Rechtsprechung begründet den Kontrahierungszwang teilweise als Schadensersatz durch Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB3, teilweise aber auch als Unterlassungsanspruch4 • Der Naturalrestitutionsansatz des BGH hat in der Literatur vielfach Kritik gefunden5 • Weitergehend verneint Grupp6 einen Kontrahierungszwang für Preisbinder überhaupt, da er der Ansicht ist, die Stellung des Normadressaten sei mit der Diskriminierung in ein Verhältnis zu setzen. Preisbindende Unternehmen könnten aufgrund ihrer Stellung allenfalls schadensersatzpflichtig werden, die Intensität der Diskriminierung könne aber niemamls so groß sein, daß diese Unternehmen abschlußpflichtig würden7 • Diese Ansicht trifft m. E. nicht zu, da die Differenzierung allein aufgrund der Normadressaten-Eigenschaft unzulässig und vom Gesetz nicht vorgesehen ist. Ob ein Unternehmen als Marktbeherrscher oder Preisbinder die Belieferung verweigert, ist im Ergebnis ohne Bedeutung. Auch Völp8 und Belke9 verkennen, daß es bei der Rechtsfolge des § 26 Abs. 2 GWB nicht mehr darauf ankommt, warum die jeweiligen Unternehmen Normadressaten sind10 , sondern allein, welche gesetzlichen Folgen und Beschränkungen für alle Normadressaten bestehen. Sicherlich ist gerade bei Newcomer-Klagen auf Belieferung die Konstruktion des Kontrahierungszwanges als Naturalrestitution durch den BGH gekünstelt. Die Konstruktion leidet daran, daß die Naturalrestitution grundsätzlich besagt, es sei der Zustand herzustellen, der bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. In diesem Fall würde der Newcomer aber auch nicht beliefert. Markert ll und teilweise die Rechtsprechung12 begründen daher den Kontrahierungszwang aus dem Unterlassungsanspruch13 • Emmerich stützt ihn im wesentlichen auf den Beseitigungsanspruch14 • Der Begrün3 WUW/E BGH 442, 448 "Gummistrümpfe"; WUW/E BGH 1629, 1634 "Modellbauartikel 11"; WUW/E BGH 886, 892 "Jägermeister". , Insbesondere OLG Karlsruhe WUW/E OLG 2217, 2223 "Allkauf-Saba"; KG WuW/E OLG 2210, 2212 "Rote Liste". 5 s. z. B. Belke, S. 423 ff. e Grupp, Hans-Joachim: "Kontrahierungszwang nach dem Kartellgesetz", Diss., Köln 1965, S. 135. 7 Grupp, S. 134. 8 Völp: "Diskriminierungsverbot und Kontrahierungszwang bei preisbindenden Markenartikeln", MA 1961, S. 279. 8 Belke, S. 437. 10 s. o. Kap. G 11. 1. n Markert, in: Immenga / Mestmäcker, § 26, Rdnr. 30I. 11 OLG Karlsruhe WUW/E OLG 2087, 2091 "Multiplex"; OLG Karlsruhe WUW/E OLG 2217,2223 "Allkauf-Saba". 13 Ähnlich Kahrs, Wemer: "Zivilrechtliche Anspruche aufgrund einer Verletzung des Diskriminierungsverbotes" i Baden-Baden 1965, S. 113 ff., 190 f. U Emmerich, in: AG 1976, S. 99.

IH. Rechtsfolgen des § 26 Abs. 2 GWB

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dungsansatz des Bundesgerichtshofes ist aber wohl mit der Erwägung haltbar, daß Naturalrestitution in der Weise verstanden wird, daß das schädigende Ereignis hinwegzudenken ist und hierbei als Schädigung die Belieferungsverweigerung angesehen wird. Im Ergebnis ist jedenfalls davon auszugehen, daß als Rechtsfolge des Diskriminierungsver.. bots prinzipiell auch ein Kontrahierungszwang zu bejahen ist15 • Ohne die Vertragsfreiheit durch einen allgemeinen Kontrahierungszwang einzuengen16 , ist in den Fällen, in denen ein Normadressat gleichartige Unternehmen beliefert und nicht zu erwarten ist, daß diese Belieferungen zur Beseitigung der Diskriminierung eingestellt werden, ein Kontrahierungszwang als Rechtsfolge des § 26 Abs. 2 GWB anzuerkennen. Gerade im Pressevertriebsmarkt, in dem für ein Belieferungsbegehren die Preise, Konditionen, Liefertermine und auch Liefermengen weitgehend nach objektiven oder üblichen Kriterien festgelegt sind, ist der Anspruch auf Belieferung weitgehend konkretisierbar. Der Streit, ob eine Belieferungsklage daher im Wege der Feststellungsklage oder der Leistungsklage zu erheben ist, ist daher im Pressevertriebsmarkt unerheblich17 • Typgleiche Absatzmittler können gegenüber einem die Belieferung verweigernden Verlag sowohl auf Feststellung klagen, daß der Verlag verpflichtet sei, ihn zu den handelsüblichen Bedingungen, wie andere vergleichbare Absatzmittler, zu beliefern. Ebenfalls kann der beklagte Verlag oder auch ein Zwischenhändler im Wege der Leistungsklage mit dem Antrag in Anspruch genommen werden, daß der Beklagte verurteilt wird, auf Bestellungen des Klägers diesen mit den Zeitschriften und Zeitungen aus dem Verlagsprogramm des Beklagten in handelsüblichen Mengen zu den Preisen und Konditionen zu beliefern, die der Beklagte gleichen Absatzmittlern üblicherweise gewährt. So hat die Klägerin im MAL-Verfahren18 zunächst beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, sie mit den von ihr verlegten Presse-Erzeugnissen zu Großhandelskonditionen zu beliefern. Im Berufungsverfahren hat dann die Klägerin den Antrag umgestellt dahingegend, daß die Beklagte zu verurteilen sei, den Antrag der Klägerin auf Abschluß eines Vertrages anzunehmen, durch den die Beklagte verpflichtet wird, zu ihren üblichen Bedingungen die Klägerin 15 s. a. Rasch, Harold: "Marktbeherrschung, Marktmacht und Diskriminierungsverbot", in: BB 1974, S. 1272, 1274; a. A. Greiner, Hans-Peter: "Kontrahierungszwang als Folge des kartell rechtlichen Diskriminierungsverbots?" , Diss., Regensburg 1975, S. 87 f. 1. s. hierzu auch Riesenkampff, Alexander / Sauer, Stephan: "Zum Umfang des Diskriminierungsverbots des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB", in: BB 1974, S. 206, 208. 17 Zu den Klageanträgen im einzelnen s. Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr. 144. 18 LG Mannheim WRP 1976, 410.

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G. Bedeutung und Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB

als Großhändler auf unbestimmte Zeit mit den von ihr verlegten Presse-Erzeugnissen zu beliefern19 • Das Oberlandesgericht konnte daher die Frage der Zulässigkeit des ursprünglichen Feststellungsantrags dahinstehen lassen2o • M. E. ist gerade im Pressevertriebsmarkt die Klage auf Abschluß eines Vertrages möglich, da der Vertragsinhalt weitgehend nach objektiven Kriterien bestimmbar ist. Der Feststellungsantrag wird daher nur noch dann zulässig sein, wenn die erstrebte Belieferung noch nicht konkretisierbar ist. Mit Rechtskraft des Urteils, mit dem der Absatzmittler oder der Verlag zu einem Vertragsabschluß verurteilt wird (§ 894 ZPO), gilt der Vertrag als geschlossen. Aus diesem Vertrag heraus kann dann die entsprechende Belieferung verlangt werden. Soweit auch schon die Belieferungsmenge im Rechtsstreit konkretisierbar ist, wird auch direkt auf Belieferung geklagt werden können. Diese Möglichkeit kommt aber nur in Ausnahmefällen in Betracht. Auch den Verlagen steht gegenüber den Absatzmittlern die Möglichkeit offen, auf Abnahme oder Abschluß eines Abnahmevertrages durch den Absatzmittler zu klagen. Der Klageantrag kann auf Abnahme einer Menge von Zeitungen oder Zeitschriften lauten, die dem Bezug gleichartiger Objekte bei anderen Verlagen entspricht. Soweit der Absatzmittler Normadressat des § 26 Abs. 2 GWB ist, wird daher dem anbietenden Verlag die Klage auf Abnahme von Zeitungen oder Zeitschriften offenstehen21 • Jedoch wird in allen Fällen, in denen auf Abschluß eines Vertrages geklagt wird, zu beachten sein, daß zunächst nur nach § 894 ZPO der Vertrag fingiert wird. Dieser Vertrag ist dann ggf. unter nicht diskriminierenden Bedingungen auch wieder kündbar. Die direkten Belieferungsklagen geben daher möglicherweise dem Kläger mehr, als vergleichbare Absatzmittler-Typen in Anspruch nehmen können. Belieferungsklagen werden daher nur dann in vollem Umfang durchgesetzt werden können, wenn der Beklagte keine Möglichkeit hat, auf andere Weise sein diskriminierendes Verhalten zu beseitigen und wenn der Belieferungsanspruch im einzelnen hinsichtlich Preis, Menge und Konditionen konkretisiert werden kann.

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143.

OLG Karlsruhe BB 1977, 1112 mit Anmerkung Bechtold. OLG Karlsruhe BB 1977, 1112, 1113. Ähnlich Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 26 Abs. 2 und 3, Rdnr.

H. Folgerungen und Ausblick 1. Marktstrukturentwicklung unter dem Einfluß des GWB Die Struktur des Presseabsatzmarktes in der Bundesrepublik Deutschland hat sich in der geschichtlichen Entwicklung stetig mehr verfestigt. Die Zahl und Formen der Absatzmittler und AbsatzmittlerTypen hat sich verringert. Hierbei ist insbesondere der Einfluß der großen Verlage nicht zu übersehen. Marktumstrukturierungen, die im Laufe der Zeit erfolgt sind, danach zu untersuchen, ob es sich hier um Absprachen mit dem Ziel, die Wettbewerbsverhältnisse zu verändern, handelt oder ob es sich um zwangsläufige oder marktbedingte Entwicklungen handelt, erscheint aussichtslos. Es kann jedoch festgestellt werden, daß durch die Existenz und Sanktionen der Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen keine Errichtung von Wettbewerbsverhältnissen erzielt wurde, sondern die Marktentwicklung weiter zu der dargestellten verfestigten Struktur geführt wurde. Auch hat sich gezeigt, daß frühere wettbewerbswidrige Absprachen nicht unbedingt dazu führen müssen, die hierdurch bewirkte Strukturveränderung als unbillig oder unangemessen zu bewerten. Gleichzeitig mit der Verringerung der Zahl der Absatzmittler hat sich die Zahl der im Presseabsatzmarkt tätigen Verlage und auch die Zahl der Einzelhändler vermehrt. Die Zahl der angebotenen Presseobjekte ist gestiegen. Ob dies auch bei einer Vermehrung der Zahl der Absatzmittler im Ergebnis eingetreten wäre, ist eine offene Frage. Es kann jedoch festgestellt werden, daß zumindest die Verlage aus Gründen der Rationalisierung darauf hingewirkt haben, mit möglichst wenigen Vertragspartnern zusammenarbeiten zu müssen. Das Ziel dieser Marktstrukturentwicklung ist auch darin zu sehen, daß die einzelnen Absatzmittler zu leistungsfähigen und zuverlässigen Partnern entwickelt wurden. Die Verringerung der Zahl der Absatzmittler erfolgte zu einer Zeit, in der die Vorschriften des Kartellgesetzes noch nicht wirksam eingreifen konnten. Aber auch nach einer fortschreitenden Praxis mit den kartellrechtlichen Vorschriften konnten die Kartellbehörden und die Marktbeteiligten das Ausscheiden weiterer Marktbeteiligter nicht verhindern. Eine Vermehrung der Zahl der Absatzmittler hat sich nur dadurch ergeben, daß neue Absatzmittler-Typen im Markt installiert wurden. Hierbei handelt es sich um die National Distributoren, die aber vor-

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nehmlich als Töchter der Verlage zu begreifen waren. Nur durch die verlags eigenen Neugründungen der Firmen entstand diese Absatzmittler-Stufe. Es hat sich also auch in diesem Bereich kein Marktzugang Dritter ergeben. Neue Wettbewerbsverhältnisse wurden nur zwischen diesen Absatzmittler-Typen selbst eröffnet. Im Ergebnis war daher festzustellen, daß es sich bei dem Presseabsatzmarkt um einen geschlossenen Markt handelt. Eine vergleichbare Strukturverfestigung im Zwischenhandelsbereich ist auf anderen Märkten kaum feststellbar.

2. Entwicklungstendenzen Die Marktstrukturentwicklung im Presseabsatzmarkt kann überwiegend als abgeschlossen angesehen werden. Insbesondere im Bereich des Presse-Grosso kann davon ausgegangen werden, daß die Zahl der derzeit im Markt tätigen Grosso-Firmen wohl konstant bleibt. Eine Vermehrung der Firmen ist nach den dargestellten Ergebnissen zur Zeit ausgeschlossen. Eine Verringerung wird wohl überwiegend nur dadurch erfolgen, daß bestehende Firmen von anderen Unternehmen des PresseGrosso übernommen werden. Eine übernahme durch Verlage oder durch Dritte erscheint weitgehend ausgeschlossen, da die Unternehmen des Presse-Grosso als homogene Gruppe dies verhindern. In dem Bereich der National Distributoren kann nicht ausgeschlossen werden, daß noch weitere Firmen auf den Markt treten. Die Wettbewerbsverhältnisse unter diesen Absatzmittlern können aber noch zu einer Verringerung der Zahl der Unternehmen führen. Insbesondere die Konkurrenz mit den anderen Verlagen und die von diesen kritisch beobachtete Tendenz, teilweise eine Verstopfung der Absatzkanäle zu bewirken, kann dazu führen, daß im Bereich der National Distributoren einige Unternehmen aus dem Markt ausscheiden werden. Das zunächst begrüßte Aufkommen dieser Firmen wird zunehmend mißtrauischer beobachtet. Zumindest haben diese Absatzmittler-Typen nicht die ihnen zunächst zugedachte Rolle, ein Gegengewicht zu dem Block der Unternehmen des Presse-Grosso zu bilden, erfüllen können. Die Entwicklung in den Bereichen WBZ und Lesezirkel kann ebenfalls als weitgehend abgeschlossen angesehen werden. Es ist weiterhin eher mit einer Verringerung der im Markt tätigen Unternehmen zu rechnen als damit, daß diese Vertriebssparten nach der Zahl ihrer Unternehmen einen erheblichen Aufschwung erleben. Es ist davon auszugehen, daß insbesondere in diesen Bereichen weitere Unternehmenskonzentrationen erfolgen. Eine Marktöffnung für neue Absatzmittler-Unternehmen oder eine Verstärkung des bestehenden Wettbewerbs ist wegen der Enge des Marktes nicht zu erwarten.

H. Folgerungen und Ausblick

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Am ehesten gefährdet scheint der Absatzmittler-Typ Bahnhofsbuchhandel. Die Unternehmen dieser Gruppen weisen nicht die Homogenität auf wie die Firmen des Presse-Gros so oder anderer AbsatzmittlerTypen. Die Durchsetzung von Gruppeninteressen wird dadurch erschwert. Auch sehen sich diese Unternehmen in ihren Ertragsaussichten sowohl durch die Pachtforderungen der Deutschen Bundesbahn als auch durch Spannenkürzungen der Verlage erheblich beeinträchtigt. Insbesondere die finanzielle Lage der Deutschen Bundesbahn hat in den letzten Jahren bewirkt. daß sich die Unternehmen des Bahnhofsbuchhandels Forderungen gegenübersehen, die die Rentabilität der Betriebe gefährden. Es ist auch nicht zu verkennen, daß die Verlage die Firmen des Bahnhofsbuchhandels eher mit dem Presse-Grosso vergleichen als mit dem übrigen Einzelhandel. Es werden daher von einzelnen Verlagen Anforderungen an den Bahnhofsbuchhandel gestellt, die dieser aufgrund seiner Struktur und Aufgabe, aber auch wegen der Ertragslage nicht erfüllen kann. Die teilweise zu beobachtende Tendenz, von den Unternehmen des Bahnhofsbuchhandels gleiche Leistungen wie von dem Presse-Grosso zu verlangen, kann daher diesen Absatzmittler-Typ ebenfalls gefährden. Jedoch ist es nach § 1 GWB unzulässig, daß die Verbände oder die Verlage untereinander Leistungsanforderungen vereinbaren, die für die einzelnen Unternehmen des Bahnhofsbuchhandels verpflichtend wären. Sollte also der These gefolgt werden, daß der Presse-Grosso-Bereich von den Verlagen durch einseitige Leistungsvorgaben, die untereinander abgestimmt wurden, geprägt wurde, so wird unter der Geltung der kartellrechtlichen Vorschriften eine gleiche Marktstrukturierung im Bereich des Bahnhofsbuchhandels durch die Verlage nicht mehr möglich sein. Die langjährige Geschäftspraxis der Verlage, den Bahnhofsbuchhandel direkt zu beliefern und insbesondere die Tatsache, daß üblicherweise die Verlage diese Direktbelieferung vornehmen, führt zu dem Ergebnis, daß sich die Firmen des Bahnhofsbuchhandels nach § 26 Abs. 2 GWB die Direktbelieferung sichern können, solange der wesentliche Teil der Verlage diese vornimmt. Vereinbarungen der Verlage untereinander mit dem Ziel, die Direktbelieferung des Bahnhofsbuchhandels einzustellen, werden nach § 1 GWB unwirksam sein. Auch Vereinbarungen innerhalb der Verbände sind insoweit nicht zulässig. Eine weitere Bestandssicherung erhält der Bahnhofsbuchhandel dadurch, daß er als die im wesentlichen einzige Einzelhandelsform nicht vom Presse-Grosso abhängig ist. Hierdurch bietet er den Verlagen und insbesondere den kleineren Verlagen eine mögliche Alternative zu dem Absatzweg über das Presse-Grosso. Der Bahnhofsbuchhandel bietet Objekten Marktzutrittsmöglichkeiten, die zum Teil im Presse-Grosso-Bereich nicht bestehen. Auch

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durch die besonderen Leistungen des Bahnhofsbuchhandels werden Käuferschichten erreicht, die sonst den Verlagen nicht erschlossen wären. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß dieser Absatzmittler-Typ trotz bestehender Gefährdungen weiterhin im Presseabsatzmarkt in der bestehenden Form existieren wird. Die feste Strukturierung des Presseabsatzmarktes wird zukünftig wohl auch nicht durch alternative Vertriebsmodelle aufgebrochen werden. Die früher diskutierten staatlichen Vertriebsmodelle wurden nicht weiter verfolgt. Die Installierung eines Wettbewerbs-Grosso ist solange nicht zu erwarten, wie sich die am Presseabsatzmarkt beteiligten Unternehmen an die derzeitige Struktur halten. Die breite Streuung von Presseobjekten und die schnelle Bereitstellung werden durch das bestehende Presseabsatzsystem gefördert. Ob ein Wettbewerbs-GrossoSystem für die Pressevielfalt gleich gute Ergebnisse erzielen kann, ist eine offene Frage, die ohne Modellversuche theoretisch nicht beantwortbar ist. Jedenfalls sind alternative Vertriebsmodelle, die zu der Eröffnung von Wettbewerbsverhältnissen im Presseabsatzmittlerbereich dienen können, zur Zeit nicht mit kartellrechtlichen Mitteln durchsetzbar. Vielmehr werden durch die mittelbaren Sanktionsrisiken aufgrund der kartellrechtlichen Vorschriften die Versuche, neue Absatzmittler-Formen zu finden, zumeist verhindert.

3. Das mittelbare SaDktionsrisiko Jeder Versuch der Verlage, neue Absatzmittler-Formen im Markt zu etablieren, wird durch die Existenz der kartell rechtlichen Vorschriften mit einem Sanktionsrisiko belastet. Halten sich die Verlage an das bestehende System, so ist dieses nicht nach § 18 GWB als unbillig bewertbar. Auch wird durch ein Festhalten am bestehenden System verhindert, daß sich ein drittes Unternehmen darauf berufen könnte, der Marktzugang zum Presseabsatzmarkt sei üblicherweise gegeben. Erst wenn z. B. ein Wettbewerbs-Grossist im Markt zugelassen wird, kann sich ein weiteres Unternehmen auf diese Praxis berufen. Solange aus dem bestehenden Presseabsatzsystem kein Unternehmen ausbricht, kann dies durch dritte Unternehmen nicht aufgebrochen werden. Erst wenn neue Formen in nicht geringem Umfang durchgeführt werden, kann sich ein neues Unternehmen mit Erfolg auf eine Marktzutrittsmöglichkeit berufen. Gehen z. B. mehrere Verlage dazu über, den Einzelhandel direkt zu beliefern, so werden Belieferungsklagen des übrigen Einzelhandels oder der Kaufhauskonzerne auf direkte Belieferung nicht abzuweisen sein. Wird außerhalb des bestehenden Absatzsystems ein Geschäftsverkehr eröffnet, so müssen sich die Verlage hieran festhalten lassen. Dies gilt im gleichen Maß auch für die Zwi-

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schenhandelsstufen. Bei jeder Umstrukturierung des Absatzmarktes oder bei der Eröffnung von neuem Geschäftsverkehr muß also derjenige, der ihn eröffnet, damit rechnen, daß sich ein Dritter mit Hilfe der kartellrechtlichen Vorschriften die gleichen Belieferungsmöglichkeiten erkämpft. Nur solange am bestehenden System in seiner verfestigten Form festgehalten wird, sind Außenseiter in jedem Fall abzuwehren. Wird aber das System teilweise aufgebrochen, so bieten die kartellrechtlichen Vorschriften ein Hilfsmittel dazu, die Systemstrukturen weiter zu instabilisieren. Dies stellt einen mittelbaren Strukturerhaltungszwang dar, der durch die Existenz der kartellrechtlichen Vorschriften bewirkt wird. Das Ziel des Kartellgesetzes besteht darin, die Märkte zu öffnen und Wettbewerbsverhältnisse zu erhalten. Jedoch ist die Wirkung bei verfestigten Marktstrukturen, wie hier am Presseabsatzmarkt darzustellen war, eine umgekehrte. Da Marktöffnungen oder Experimente mit neuen Vertriebsformen dazu führen, daß sich andere nunmehr darauf berufen könnten, werden diese Versuche schon im Ansatz unterbunden. So bestünde z. B. für einen Verlag ein unkalkulierbares Risiko darin, eine Kaufhauskette, die Grosso-Funktionen erfüllen könnte, direkt zu beliefern, da sich nunmehr alle anderen vergleichbaren Unternehmen darauf berufen könnten. Würde ein in der Bundesrepublik tätiges Kaufhausunternehmen direkt beliefert, so werden die Ansprüche der anderen aus § 26 Abs. 2 GWB nicht zurückgewiesen werden können. Auch die Aufnahme von direkten Belieferungen weiterer Presse-Grossisten, die mit den bestehenden Unternehmen in Wettbewerb treten wollen, ist mit dem Sanktionsrisiko verbunden, daß das gesamte System instabil wird. Das Alleingebiets-Grosso-System wäre in der bestehenden Form nicht aufrecht zu erhalten. Auch die Beurteilung der Billigkeit i. S. des § 18 GWB ändert sich in dem Fall, daß Unternehmen in ihrer Geschäftspraxis von der bestehenden Marktstruktur abweichen. Die dargestellten Vertriebs- und Verwendungsbindungen sind nur solange aufrecht zu erhalten, wie sich alle Marktbeteiligten daran halten. Dies verhindert ebenfalls neue Formen oder Experimente im Presseabsatzmarkt. Der in dieser Untersuchung dargestellte Presseabsatzmarkt und die Anwendung der einschlägigen kartellrechtlichen Vorschriften auf diesen Markt führt also zu dem Ergebnis, daß ein in seiner Struktur verfestigter Markt nicht mit Hilfe der kartellrechtlichen Vorschriften aufgebrochen werden kann. Vielmehr wird durch deren Existenz mittelbar bewirkt, daß sich die Struktur noch weiter verfestigt, da bei Abweichungen von dem bestehenden System das mittelbare Sanktionsrisiko gegeben ist, daß die Struktur instabil wird. Dieses mittelbare Sanktionsrisiko bewirkt eine weitere Verfestigung und Stabilisierung des Systems.

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H. Folgerungen und Ausblick

Somit führen die dargestellten kartell rechtlichen Vorschriften nicht zur Marktöffnung oder Vermehrung der Marktzutrittsmöglichkeiten, sondern bewirken eine weitere Marktverschließung. Das mittelbare Sanktionsrisiko verhindert daher Experimente und unterbindet das Aufkommen neuer Vertriebsformen außerhalb der bestehenden Absatzstruktur. Das Ziel des Kartellgesetzes, die Märkte offen zu halten und Wettbewerbsverhältnisse zu fördern, verkehrt sich daher im fest strukturierten und verschlossenen Markt in sein Gegenteil.

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