Prekarisierung [1. Aufl.] 9783839425664

»Precarization« has become a key term in sociological diagnosis of time and social criticism. Strictly speaking, it aims

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Prekarisierung [1. Aufl.]
 9783839425664

Table of contents :
Inhalt
I. Einleitung
1. Was ist und wird für wen prekär?
2. Vom versorgenden zum aktivierenden Sozialstaat
3. Von Exklusion zu Prekarisierung?
4. Prekarität, Prekärsein und Gouvernementale Prekarisierung
II. Prekarisierung in der Arbeitsund Industriesoziologie
1. Ausgangspunkt
2. Impulse aus Frankreich
2.1 Prekäre Lohnarbeit und die Soziale Frage – Robert Castel
2.2 Prekarität als disziplinierende Herrschaftsform – Pierre Bourdieu
2.3 Pragmatische Kritik am Kapitalismus – Luc Boltanski
3. Strukturwandel der Erwerbsarbeit
3.1 Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung
3.2 Atypische Beschäftigung und das Normalarbeitsverhältnis
3.3 Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
3.4 Das Integrationsparadoxon prekärer Erwerbsarbeit
3.5 Im Hilfsbezug
3.6 Leiharbeit
3.7 Prekäre (Solo-)Selbstständige
4. Diskussion
III. Prekarisierung in der Geschlechterforschung
1. Ausgangspunkt
2. Theoretische Grundlagen
3. Erwerbsarbeit und Geschlecht
3.1 Geschlechterdifferente Arbeitsmarktsegregationen
3.2 Erwerbsarbeit, Migration und Geschlecht
4. Sozialpolitische Aktivierung und Geschlecht
4.1 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik und Geschlecht
4.2 Aktivierende Familienpolitik und das neue Elterngeld
4.3 Nach dem Ernährermodell?
5. Prekäre Care- und Haushaltsarbeit
5.1 Prekäre Beschäftigung im Privathaushalt
5.2 Prekäre Selbstsorge
6. Prekäre Familien- und Haushaltsformen
6.1 Familienernährerinnen
6.2 Prekarität im Lebenszusammenhang
7. Prekarisierung von Geschlechternormen?
7.1 Prekäre Männlichkeiten?
7.2 Prekarisierung von Heteronormativität?
8. Diskussion
IV. Prekarisierung in postoperaistischen Ansätzen
1. Ausgangspunkt
2. Das Prekariat Rebelliert! EuroMayDay
3. Immaterielle Arbeit
4. Biopolitische Produktionsweise und Multitude
5. Prekarität, Sorgestreik und Sorgegemeinschaft
6. Diskussion
V. Kritik an Prekarisierung – Politik der Ent_Prekarisierung. Resümee und Ausblick
1. Politik der Entprekarisierung oder Politik der Prekarisierung?
2. Jenseits des Eurozentrismus – weiterführende Perspektiven auf Prekarisierung und Prekarität
Anmerkungen
Literatur

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Mona Motakef Prekarisierung

2015-01-21 10-26-28 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 03e2388235557552|(S.

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2) TIT2566.p 388235557560

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2015-01-21 10-26-28 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 03e2388235557552|(S.

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2) TIT2566.p 388235557560

Inhalt I. Einleitung  5 1. Was ist und wird für wen prekär?  6 2. Vom versorgenden zum aktivierenden Sozialstaat  12 3. Von Exklusion zu Prekarisierung?  13 4. Prekarität, Prekärsein und Gouvernementale Prekarisierung  16 II. Prekarisierung in der Arbeits- und Industriesoziologie  21 1. Ausgangspunkt  21 2. Impulse aus Frankreich  24 2.1 Prekäre Lohnarbeit und die Soziale Frage – Robert Castel  24 2.2 Prekarität als disziplinierende Herrschaftsform – Pierre Bourdieu  30 2.3 Pragmatische Kritik am Kapitalismus – Luc Boltanski  36 3. Strukturwandel der Erwerbsarbeit  43 3.1 Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung  43 3.2 Atypische Beschäftigung und das Normalarbeitsverhältnis  47 3.3 Prekäre Beschäftigungsverhältnisse  50 3.4 Das Integrationsparadoxon prekärer Erwerbsarbeit  54 3.5 Im Hilfsbezug  57 3.6 Leiharbeit  60 3.7 Prekäre (Solo-)Selbstständige  63 4. Diskussion  66 III. Prekarisierung in der Geschlechterforschung  70 1. Ausgangspunkt  70 2. Theoretische Grundlagen  73 3. Erwerbsarbeit und Geschlecht  78 3.1 Geschlechterdifferente Arbeitsmarktsegregationen  80 3.2 Erwerbsarbeit, Migration und Geschlecht  83 4. Sozialpolitische Aktivierung und Geschlecht  85 4.1 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik und Geschlecht  85

4.2 Aktivierende Familienpolitik und das neue Elterngeld  88 4.3 Nach dem Ernährermodell?  92 5. Prekäre Care- und Haushaltsarbeit  92 5.1 Prekäre Beschäftigung im Privathaushalt  94 5.2 Prekäre Selbstsorge  96 6. Prekäre Familien- und Haushaltsformen  98 6.1 Familienernährerinnen  99 6.2 Prekarität im Lebenszusammenhang  102 7. Prekarisierung von Geschlechternormen?  104 7.1 Prekäre Männlichkeiten?  105 7.2 Prekarisierung von Heteronormativität?  111 8. Diskussion  115

IV. Prekarisierung in postoperaistischen Ansätzen  118 1. Ausgangspunkt  118 2. Das Prekariat Rebelliert! EuroMayDay  120 3. Immaterielle Arbeit  122 4. Biopolitische Produktionsweise und Multitude  125 5. Prekarität, Sorgestreik und Sorgegemeinschaft  126 6. Diskussion  130 V. Kritik an Prekarisierung – Politik der Ent_Prekarisierung. Resümee und Ausblick  133 1. Politik der Entprekarisierung oder Politik der Prekarisierung?  134 2. Jenseits des Eurozentrismus – weiterführende Perspektiven auf Prekarisierung und Prekarität  137 Anmerkungen  146 Literatur  150

I.  Einleitung Oh Schützende Santa Precaria, Schutzherrin für uns alle, Prekarisierte dieser Welt! Gib finanzielle Sicherheit uns allein stehenden Müttern. Schutz den pflegenden Engeln in der Illegalität, schütz auch uns Agents der Call Center, trag Sorge für die PraktikantInnen, die LeiharbeiterInnen, uns Atypische, balancierend immer am schmalen Grat. [...] (Plattform der Freunde der Santa Precaria 2008) Der Schutzheilige San Precario trat das erste Mal 2004 in Mailand in Erscheinung, als Aktivist_innen1 der EuroMayDay-Bewegung auf der Eröffnungsfeier einer Supermarktfiliale eine »Pseudo-Prozession« (Foti 2005: 3) veranstalteten, um gegen prekäre Arbeitsbedingungen zu protestieren. Der Schutzheilige in Teilzeit ist seitdem zu einer wichtigen Symbolfigur globaler Protestbewegungen geworden, für die Prekarisierung einen zentralen Bezug darstellt. Der obige Gebetsauszug ist aber an Santa Precaria gerichtet. Sie wurde erstmals 2008 in Wien gesichtet. Mit Santa Precaria wurde eine weibliche Schutzheilige an San Precarios2 Seite gestellt, da die Wiener Aktivist_innen darauf aufmerksam machen wollten, dass sich vor allem Frauen in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen befinden. Was aber heißt Prekarisierung und was bedeutet prekär? Der Duden (2006) definiert prekär mit »durch Bitten erlangt; widerruflich« sowie »misslich, schwierig, heikel«. Zudem findet sich ein Hinweis auf das römische Recht: Das Prekarium umfasst eine »auf Bitte hin erfolgende Einräumung eines Rechts, das keinen Rechtsanspruch begründet«. Doch wie wird Prekarisierung heute verwendet? Mit den Begriffen Prekarisierung und Prekarität gelang nach der Jahrtausendwende die Mobilisierung vielfältiger Protestbewegungen in Europa, wie sie etwa unter dem Namen EuroMayDay bekannt wurden. Dass es heute in der Öffentlichkeit eine breite Sensibilisierung für prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse gibt, geht vor allem auf diese Bewegungen zurück (Neilson/Rossiter 2008). 5

1. Was ist und wird für wen prekär? Als zentrale Impulsgeber der soziologischen Prekarisierungsforschung gelten Robert Castel (1933-2013) und Pierre Bourdieu (19302002), die beide überwiegend an französischen Universitäten forschten und lehrten. ›Prekarität ist überall‹ lautet der Titel eines programmatischen Vortrages von Bourdieu, der in seiner Aufsatzsammlung Gegenfeuer (2004) publiziert wurde. Unsichere Erwerbsarbeitsverhältnisse haben sich im privaten wie im öffentlichen Sektor derart verbreitet, so dass sie für viele zu einem Dauerzustand geworden seien. Bourdieu interpretierte Prekarität als neue Herrschaftsform, da die fundamentalen Unsicherheiten aus der Erwerbssphäre in die Sozialbeziehungen eindringen und biografische Zukunftsentwürfe und politische Utopien verhindern. Castels Studie Die Metamorphosen der sozialen Frage (2000) avancierte schnell zum Standardwerk der neu entfachten Prekarisierungsforschung. Castel entfaltet darin die Argumentation, dass die Gegenwart durch den neoliberalen Umbau der Wohlfahrtssysteme von unsicheren Beschäftigungs- und Lebenslagen gekennzeichnet ist, die seit dem Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit als überwunden schienen. In historisch neuem Ausmaß sind es die Mittelschichten, die zunehmend von einem sozialen Abstieg bedroht sind. Im Angesicht von prekären Arbeitsverhältnissen werden aber auch jene Gruppen verunsichert, die sich zumindest objektiv in materieller Sicherheit befinden, wie etwa die Stammbelegschaft von Industrieunternehmen, die gleichzeitig Leiharbeiter beschäftigen. Zur Beschreibung der Arbeitsgesellschaft schlägt Castel ein Modell vor, dass vier Zonen unterscheidet: Erstens die Zone der Integration, zweitens die Zone der Prekarität und Verwundbarkeit, drittens die Zone der Fürsorge und schließlich viertens die Zone der Exklusion und Entkopplung. Castel beunruhigten die Prekarisierungsprozesse zutiefst, da er im Anschluss an Émile Durkheim den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die soziale Integration, in Gefahr sah. Doch wenn Prekarisierung allgegenwärtig ist, wie die beiden prominenten Vertreter der französischsprachigen Soziologie behaupten, wie kann sie dann bestimmt werden? Wie kann das »Problem der Grenzziehung« (Marchart 2013: 13) gelöst werden: Was wird und was wird nicht prekär? Ein Forschungsteam um Klaus Dörre nimmt die Prekarisierungsthese auf und überträgt sie 6

auf den deutschsprachigen Kontext. Sie schlagen vor, die Begriffe Prekarisierung und prekäre Beschäftigung zu differenzieren, so dass die Provokation der weiten Konzeption von Castel und Bourdieu nicht vergessen wird, aber dennoch eine empirische Analyse, für die es einer präzisen Grenzziehung bedarf, möglich wird (Brinkmann/Dörre/Röbenack et al. 2006). Demzufolge ist ein Beschäftigungsverhältnis prekär, wenn »die Beschäftigten aufgrund ihrer Tätigkeiten deutlich unter ein Einkommens-, Schutz- und soziales Integrationsniveau sinken, das in der Gegenwartsgesellschaft als Standard definiert und mehrheitlich anerkannt wird. Und prekär ist Erwerbsarbeit auch, sofern sie subjektiv mit Sinnverlusten, Anerkennungsdefiziten und Planungsunsicherheit in einem Ausmaß verbunden ist, das gesellschaftliche Standards deutlich zuungunsten der Beschäftigten korrigiert« (ebd.: 17). Mit dem Einsetzen der Prekarisierungsdebatte in der Arbeitsund Industriesoziologie wird unter dem Begriff Prekarisierung fortan das Phänomen einer Erosion des männlichen Normalarbeitsverhältnisses und einer gleichzeitigen Ausweitung atypischer Beschäftigungsformen diskutiert. Das Normalarbeitsverhältnis wird definiert als zeitlich unbefristete und kontinuierliche Vollzeitbeschäftigung bei einem Arbeitgeber, die eine hohe sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung garantiert (Mückenberger 1985, 2010). Atypisch weist auf Beschäftigungsverhältnisse hin, die vom männlichen Normalarbeitsverhältnis abweichen. Die Geschlechterforschung hat die Auseinandersetzung mit Prekarisierung, die Erwerbsarbeit ins Zentrum stellt, umfassend kritisiert. Brigitte Aulenbacher (2009) erhebt an Castels Analyse den Vorwurf des Androzentrismus, denn unsichere Beschäftigung wird von Castel erst als ein Problem formuliert, seit es zunehmend auch Männer betrifft. Damit wird nicht nur ein Arbeitsbegriff zugrunde gelegt, der Arbeit auf männliche Lohnarbeit reduziert. Verschleiert wird zudem, dass sich Frauen bereits im männlichen Ernährermodell in prekären Lebenslagen befanden. Mit dem Ernährermodell ging eine familiäre Arbeitsaufteilung zwischen Frauen und Männern einher, in denen Männern die Erwerbssphäre und Frauen die Reproduktionssphäre – unbezahlte Hausarbeit, die Erziehung von Kindern und die Versorgung von Kranken – zugewiesen wurden. Frauen waren entweder gar nicht oder geringfügig beschäftigt. Seit den 1970er Jahren erodiert das 7

männliche Ernährermodell – zumindest in Westdeutschland. Frauen werden dort häufiger erwerbstätig, allerdings überwiegend in atypischen Beschäftigungsformen wie Teilzeit. Somit findet gegenwärtig eine Ausweitung von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen statt, die historisch Frauen zugewiesen wurden. Wenn Prekarisierung auf das Unsicherwerden männlicher Lohnarbeit verengt wird, wird zudem verschleiert, dass Prekarisierung auch eng mit Rassifizierungsprozessen und Migrationsregimen verwoben ist. Der Erziehungswissenschaftler Paul Mecheril (2003) weist in dem Konzept der prekären Zugehörigkeit (2003: 301) aus, dass sich viele Menschen nicht als deutsch und eben zugehörig, sondern als anders und fremd wahrgenommen und behandelt fühlen und dies auch, wenn sie über eine deutsche Staatsbürgerschaft verfügen. Ihre Zugehörigkeit ist prekär, weil sie nicht als ›weiß‹ wahrgenommen werden, ›Deutschsein‹ aber eng mit ›Weißsein‹ verknüpft wird. Encarnación Gutiérrez Rodríguez (2014a) geht mit Anibal Quijanos (2008) Konzept der Kolonialität von Arbeit davon aus, dass der Kolonialismus ein Denksystem errichtet hat, in dem Wert mit ›Rasse‹ verknüpft wurde. Dieses koloniale Denksystem ist in der Gegenwart nicht überwunden, so basiert etwa die EU-Migrationspolitik auf der Differenz von Bürger_Innen und Fremden (Lewis/Dwyer/Hodkinson et al. 2014). Lebenslagen von Migrant_innen sind aus vielfältigen Gründen überproportional häufig prekär (Jungwirth/Scherschel 2010). Sie basieren etwa auf einem restriktiven Zuwanderungsgesetz, dass den Zugang zu Erwerbsarbeit an Aufenthaltstitel knüpft. Wer etwa in Deutschland Asyl beantragt, darf im ersten Jahr gar nicht erwerbstätig werden und erst nach einem Jahr einen Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen (Foda/Kadur 2005, Scherschel 2008). Neben Zugangsrestriktionen zum Arbeitsmarkt werden Migrant_innen auch deshalb in prekäre Lebenslagen forciert, weil ihre Bildungstitel häufig nicht anerkannt werden, wenn sie nicht in Deutschland und der EU erworben wurden (Gutiérrez Rodríguez 1999, Nohl/Schittenhelm/Schmidtke et al. 2010, Weiß 2010). In der Migrationsforschung ist aus diesem Grund gut belegt, dass Migration in sogenannte unqualifizierte Tätigkeiten nicht bedeutet, dass Migrant_innen unqualifiziert sind (Kofman 2000). Schließlich haben aber auch Migrant_innen mit sicheren Aufenthaltstiteln große Schwierigkeiten, eine qualifikationsadäquate und sichere 8

Beschäftigung zu finden, auch wenn ihre Bildungstitel in Deutschland erworben sind. So müssen sich zum Beispiel Bewerber mit türkischem Namen in Deutschland für den Ausbildungsberuf des KfZ-Mechatronikers 1,5 Mal so häufig bewerben wie Bewerber mit einem deutschen Namen (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2014: 4). Wie deutlich wird, ist es wichtig, bei Prekarisierungsprozessen auch rassistische (institutionelle) Diskriminierungen im Zugang zum Arbeitsmarkt und zu gesellschaftlicher Teilhabe zu berücksichtigen. Schließlich bildet Sexualität eine weitere Dimension, die in der Engführung von Prekarisierung auf männliche Normalarbeit aus dem Blick gerät (Gutiérrez Rodríguez 2014b, Hark/Laufenberg 2013, Woltersdorff 2010). Dem männlichen Ernährermodell lag ein spezifisch heterosexuelles Arrangement zugrunde: Mit dem männlichen Ernährermodell wurde seit den 1950er Jahren die bürgerliche Kleinfamilie als eine spezifische Familienform dominant. An die Stelle der ökonomischen Verwiesenheit der früheren Haushaltsmitglieder (Bock/Duden 1976) tritt in der bürgerlichen Kleinfamilie das Ideal der romantischen Liebe als kulturelles Leitbild (Peuckert 2008). Die romantische Liebe basiert auf Exklusivität und Dauerhaftigkeit. In der Verknüpfung von Liebe und (Hetero-)Sexualität findet die romantische Liebe ihren Ausdruck in der monogamen Beziehung zweier gegengeschlechtlicher Menschen, die sich zu einem verheirateten Ehepaar verschmelzen und mit leiblichen Kindern zusammen leben. Heterosexualität bildete somit eine Norm, die als solche nicht markiert werden musste. Alternative Lebensformen zur Ehe wurden, wenn überhaupt, als »Notlösungen toleriert oder sogar diskriminiert« (ebd.: 20). Damit waren (und werden) alle Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht in einem Ernährermodell lebten, von den sozialpolitischen Privilegien der Ehe ausgenommen, was sie in materieller und rechtlicher Hinsicht in eine prekäre Lage bringen konnte. Hier stellt sich die Frage, was das Brüchigwerden des männlichen Ernährermodells für die Norm der Heterosexualität bedeutet: Wird sie ebenfalls prekär? Wenn Prekarisierung auf männliche Normalarbeit enggeführt wird, gerät schließlich in Vergessenheit, dass für viele selbstständige Berufsgruppen unsichere Erwerbsverhältnisse immer die Regel waren (Pieper 2008), wie etwa für Kulturschaffende und 9

Kreative (Manske/Merkel 2009) oder Tätige in der Sex-Arbeit. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint Prekarisierung nur für eine begrenzte Gruppe als ein Begriff, der einen Verlust artikuliert. Wenn man schließlich die Perspektive historisch und global erweitert, wird deutlich, dass prekäre Arbeits- und Lebenslagen nur dann als besondere Phänomene erscheinen können, wenn sie auf der Folie spezifischer Normalitätskonstruktionen betrachtet werden. Männliche Normalarbeit oder die Normalfamilie müssen aber als situiertes Wissen (Haraway 1996) verstanden werden, womit sie als spezifisch westdeutsch oder westeuropäisch erscheinen. Ist die Prekarisierungsdebatte somit ein eurozentrischer Diskurs? In global und historisch erweiteter Blickrichtung bildet die als fordistisch bezeichnete Phase, in der das Normalarbeitsverhältnis und die Normalfamilie als Standard galten, eine Ausnahme, während prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse immer die Regel kapitalistischer Formen von Vergesellschaftung waren und sind (Mitropoulos 2011, Neilson/Rossiter 2008). Prekarisierung und Prekarität bilden somit keine Begriffe, die zwangsläufig einen eurozentrischen Diskurs bedienen müssen. Schließlich werden mit diesen Begriffen, wie im Folgenden noch deutlich wird, auch Bündnisbildungen möglich. Aber es wird erklärbar, warum in Westdeutschland und Westeuropa weniger von Prekarität als von Prekarisierung gesprochen wird (Aulenbacher 2014): Es geht eher um Prozesse der Entsicherung als um einen status quo des Mangels. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob mit Prekarisierung eine Debatte geführt wird, die Erfahrungen der Unsicherheit einer bestimmten Gruppe als lösungsbedürftiges Problem erhebt, während unsichere Lebenslagen anderer als weniger drängend erscheinen. Diese Frage bildet den Ausgangspunkt der US-amerikanischen Philosophin und Queer-Theoretikerin Judith Butler. Sie fragt »warum wir nicht jedes Leid beklagen« (2010: 10). Butler schlägt vor, »nach den Bedingungen zu fragen, die es uns ermöglichen, ein Leben oder eine bestimmte Gruppe von Leben als gefährdet wahrzunehmen oder die uns diese Wahrnehmung umgekehrt erschweren oder unmöglich machen«. Der Literaturwissenschaftler und Queer-Theoretiker Volker Woltersdorff (2011: 212) nimmt Butlers Faden auf: Die »Verletzbarkeit der überwiegend männlichen Opelbelegschaft« ist »spektakulärer als jene der über10

wiegend weiblichen Karstadt-Belegschaft [...]. Die Erfahrung der Verletzbarkeit unseres Banken- und Währungssystems scheint weniger hinnehmbar als die Erfahrung der Verletzbarkeit unseres Gesundheits- und Bildungssystems«. In der Auseinandersetzung mit Prekarisierung ist Vorsicht vor Strategien der »Resouveränisierungen« (Forster 2006: 193) geboten, da sich die Frage stellt, ob die »Skandalisierung von Verhältnissen als ›prekär‹ nicht unterschwellig einer heteronormativen, patriarchalen und rassistischen Logik folgt, kurzum: auf die Abstiegsängste männlicher weißer heterosexueller Erwerbsarbeiter bezogen ist, die um ihre Privilegien fürchten« (Woltersdorff 2010: 228). Die bisher skizzierten Überlegungen sollen zu einer Argumentation gebündelt werden, die der vorliegenden Einführung zugrunde liegt: Die Prekarisierungsdebatte ist ein machtvoller und umkämpfter Ort, in dem um Hegemonie darüber gerungen wird, was prekär war, ist und sein wird. In der Bestimmung dessen, was prekär war, ist und sein wird, wird immer auch die Illegitimität und Legitimität von sozialen Ungleichheiten verhandelt (Freudenschuss 2013). In der Auseinandersetzung darüber, was prekär wird und wie dieses Brüchigwerden zu bewerten ist, kann die Prekarisierungsdebatte auch als eine Auseinandersetzung darüber verstanden werden, was heute und in Zukunft als Normalität und als soziale, politische und rechtliche Norm bestimmt werden sollte und für wen diese Normen wiederum Gültigkeiten haben sollten (Hauer 2007). Vor diesem Hintergrund bilden ›prekär‹ und ›normal‹ die zentralen Koordinaten der deutschsprachigen Prekarisierungsdebatte. Prekarisierung wird somit konsequent weit gefasst und nicht auf Erwerbsarbeit reduziert. Nachdem das Augenmerk bisher auf den Aus- und Anschlüssen der Prekarisierungsdebatte lag, sollen im Folgenden jene Sphären im Zentrum stehen, die häufig als Kernthemen der Prekarisierungsforschung wahrgenommen werden. Auch wenn notorisch umstritten und umkämpft ist, was unter Prekarisierung zu fassen ist, besteht doch Konsens darin, dass die skizzierten Erosionsprozesse durch sozialpolitische Veränderungen – der Wandel von einem versorgendem zu einem aktivierenden Sozialstaat (Dingeldey 2006, Lessenich 2008) – und damit eng verstrickt, einem Wandel der Erwerbssphäre forciert werden. 11

2. Vom versorgenden zum aktivierenden Sozialstaat Eine Gemeinsamkeit westlicher wohlfahrtstaatlicher Regimetypen3 besteht darin, dass sie darauf abzielten, Risiken wirtschaftlicher Prozesse abzufedern (Esping-Andersen 1999). Das sozialpolitische Leitbild, dass in der Nachkriegszeit in Westeuropa etabliert wurde, bildete der versorgende Wohlfahrtsstaat, der Freiheit als Abwesenheit von »materieller Not« und Erwerbszwang sowie Gleichheit in den materiellen Lebensverhältnissen erwirken sollte (Dingeldey 2006: 4). In dieser Zeit wurde das männliche Familienernährermodell etabliert, mit dem die sogenannte fordistische Trias – Wohlfahrtstaat, Normalarbeit und Normalfamilie – institutionalisiert wurde. Noch stärker als in anderen Ländern entwickelte sich in Westdeutschland ein umfassendes System an sozialen Rechten, dass an Erwerbsarbeit geknüpft wurde und, wie erwähnt, als männliches Normalarbeitsverhältnis bezeichnet wird. Seit Anfang der 1980er Jahre gerät der versorgende Wohlfahrtsstaat massiv in die Kritik. Mit seiner nationalen Ausrichtung sei er nicht imstande die Internationalisierung und Globalisierung wirtschaftlicher Prozesse zu bewältigen. Sein System an sozialen Rechten wird als überbordend kritisiert. Er fördere den Müßiggang von Langzeitarbeitslosen, als dass er diese zur Aufnahme in Beschäftigung motivieren könne. Um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Mitgliedsstaaten auszubauen, ruft die Europäische Union im Rahmen ihrer Lissabon-Strategie ein neues Leitbild aus: Aus dem männlichen Familienernährer-Modell soll ein Adult-Worker-Model (Lewis 2002, 2004) werden. Jeder und jede Erwachsene soll erwerbstätig sein. Neue Steuerungsmodelle, die in Großbritannien erprobt werden, sollen auch in Deutschland Einzug finden. Der von 1998 bis 2005 amtierende Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein britischer Kollege Tony Blair implementieren den Paradigmenwechsels: Aus dem versorgenden wird der aktivierende Sozialstaat (Dingeldey 2006, Lessenich 2008). Sozialpolitische Regelungen der Familien- und Arbeitsmarktpolitik orientieren sich fortan zunehmend am Leitgedanken des Förderns und Forderns. Die Eigeninitiative und Autonomie jedes Einzelnen soll unterstützt werden (Lessenich 2008). Freiheit wird im aktivierenden Sozialstaat nicht mehr als Abwesenheit von »materieller Not«, sondern von »Wohlfahrtsbürokratie« konzipiert, um »Selbstmanagement« 12

zu ermöglichen (Dingeldey 2006: 8). Ein schlanker Staat soll sich auf wesentliche Politikziele konzentrieren. Mit Gleichheit wird nicht mehr die Gleichheit an »materiellen Lebensverhältnissen« assoziiert, sondern die Gleichheit der »sozialen Teilhabemöglichkeiten« (ebd.). Aus standardisierten Leistungen, die als universale Rechtsansprüche vermittelt wurden, werden individuell abgestimmte Minimalleistungen, die nur auf nachweislicher Eigeninitiative erfolgen. Der Erwerbsarbeitsmarkt wird flexibilisiert: Immer weniger Normalarbeitsverhältnisse werden geschaffen und Formen von Beschäftigung, die von diesem abweichen, sogenannte atypische Formen weiten sich aus (Keller/Seifert 2013). Mit der Einführung der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt seit 2003, besser bekannt als Hartz-Gesetze, werden Aktivierung, Flexibilisierung und Selbstverantwortung zu neuen Leitmaximen. In einem neuen Ausmaß gelten Mittelschichten als verunsichert (Bude 1998, Burzan/Berger 2010, Mau 2012, Vogel 2009). Markus Grabka und Joachim Frick (2008: 101) zeigen, dass mittlere Einkommen sukzessive weniger geworden sind, wobei die »Abwärtsmobilität« stärker ausgeprägt ist als der »Aufstieg« in höhere Einkommensklassen. In Zahlen gesprochen lag der Anteil an mittleren Einkommen in Deutschland im Jahr 2000 bei 62 Prozent, während es im Jahr 2006 nur noch 54 Prozent waren (ebd.).

3. Von Exklusion zu Prekarisierung? In der Auseinandersetzung mit Prekarisierung wird eine Debatte weitergeführt, die mit dem Konzept der Exklusion (Luhmann 1996) in der Ungleichheitssoziologie ihren Anfang nahm. Ähnlich wie Prekarisierung ist auch Exklusion ein schillernder Begriff. Während Prekarisierung und Prekarität Begriffe sind, die soziale Protestbewegungen in die Öffentlichkeit trugen, fand der Exklusionsbegriff zunächst auf (sozial-)politischer Ebene und anders als hierzulande, in Großbritannien, Frankreich und auf Ebene der Europäischen Union Verwendung, bis er in der sozialwissenschaftlichen Forschung, auch im deutschsprachigen Raum, aufgegriffen wurde. In Frankreich, wo die soziologische Debatte bereits in den 1980er Jahren einsetzt, wird mit Exklusion im Anschluss 13

an Durkheim der republikanische Gedanke einer Gefährdung von sozialem Zusammenhalt und Solidarität zum Ausdruck gebracht (Paugam 1996). In der englischsprachigen Debatte werden vor allem Isolationsrisiken großstädtischer Armutszonen untersucht (Underclass) (Wilson 1987). In der deutschsprachigen Soziologie trat Exklusion mit dem Anspruch auf, Phänomene der Ausgrenzung benennen zu können, die mit den Kategorien und dem Instrumentarium der herkömmlichen Ungleichheits- und Armutsforschung bisher noch nicht sichtbar gemacht werden konnten (Bude/Willisch 2006, 2008, Castel 2008, Kronauer 2002). Mit Exklusion wird nicht mehr nur die in der Ungleichheitsforschung weitgehend etablierte Spaltung in arm und reich angenommen, sondern vielmehr eine Spaltung des Sozialen an sich konstatiert. Es geht nicht mehr vorrangig um oben oder unten, sondern um drinnen oder draußen (Bude 1998). Häufig wurden bestimmte Gruppen als Prototypen der Exklusion entworfen, etwa Langzeitarbeitslose und Obdachlose. In Form von knappen Sozialreportagen wurden häufig Portraits vorgenommen (Bude/Willisch 2006), die Klischees über arme Menschen bedienten. An dieser Version der Exklusionsthese entfachte sich Kritik: Sabine Hark (2007) forderte eine umfassende Repräsentationskritik. Anstatt eine Gruppe an Ausgegrenzten, Entbehrlichen, Überflüssigen, so der Untertitel der Arbeit von Bude und Willisch (2006b) zu erfinden und sie als solche zu fixieren, sollte die Soziologie vielmehr die Prozesse der Ausgrenzung, des Entbehrlich- und Überflüssig-Werdens rekonstruieren. Die Soziologie sollte sich befragen, ob sie mit ihren Kategorien, die schließlich auch in die öffentliche Debatte treten, zur Aufklärung oder Verschleierung beiträgt. Nicht zuletzt laufe die Soziologie Gefahr, Argumente zu liefern, die den Abbau sozialstaatlicher Transfers legitimieren können (ebd.). Martin Kronauer (2006: 29) schlug vor, mit dem Konzept der Exklusion nicht die Binarität eines Drinnens und Draußens zu propagieren, sondern vielmehr die Frage nach der »Ausgrenzung in der Gesellschaft« zu bearbeiten. Das Potenzial einer »kritischen Wendung« des Begriffs besteht somit darin, dass Exklusion nicht als »Randgruppentheorie« (ebd.: 30) weiter entwickelt wird, sondern dass mit dem Begriff das Verhältnis von Rand und Zentrum in den Fokus gerät. 14

Ein weiterer Einwand gegen die Exklusionsthese lautet, dass sie ungeeignet ist, die neuen Problemlagen der sozialen Mitte zu rekonstruieren. Mit der Erosion des Normalarbeitsverhältnisses und der Ausweitung atypischer Beschäftigung stellt sich ja gerade die Frage, ob Risiken, die bislang auf untere soziale Lagen begrenzt waren, sich nicht auch auf mittlere Lagen ausweiten (Burzan/Berger 2010, Vogel 2006). In Dörres’ Worten: »Durch die Überbetonung der Ausgrenzung gerät jedoch die Brisanz von Prekarisierungsprozessen im Innern der Arbeitsgesellschaft aus dem Blick« (2006b: 189). Alle, die nicht der Zone der Exklusion zugeordnet werden, erscheinen als privilegiert, nur weil sie in Erwerbsarbeit eingebunden sind (Vogel 2006, 2010). In dieser Perspektive wird die Prekarisierungsdebatte einerseits als eine Weiterentwicklung und Erweiterung der Exklusionsforschung gelesen (Dörre 2009c, Vogel 2006, 2009). Soziale Ungleichheit wird nicht mehr über die These eines Drinnens und Draußens verhandelt, vielmehr wird mit Castel davon ausgegangen, dass sich die Arbeitswelt in verschiedene Zonen aufspaltet. Auf der anderen Seite kann die Exlusionsperspektive aber auch als wichtiges Korrektiv der Prekarisierungsdebatte bezeichnet werden, insofern diese Gefahr läuft, mit ihrer These einer schwindenden Mittelschicht, Armutsphänomene zu verzerren. Wie empirische Studien belegen, entgrenzt sich Armut gerade nicht in großem Maße bis in die Mitte hinein, sondern verhärtet sich vielmehr am unteren Rand. Wie Olaf Groh-Samberg (2010) zeigt, tragen weiterhin die Kinder von Arbeiter_innen das größte Armutsrisiko, während die Armutsraten von Mittelklassen nur »moderat« steigen (ebd.: 151). Als in den Printmedien 2006 der Begriff des abgehängten Prekariats auftauchte, fand schließlich eine missliche begriffliche Überlappung zwischen Exklusion und Prekarisierung statt: Die Friedrich-Ebert-Stiftung (Müller-Hilmer 2006) führte diese Bezeichnung in einer Studie zu politischen Wertevorstellungen ein, in der verschiedene politische Milieus rekonstruiert wurden. Das abgehängte Prekariat bildete hier eines von mehreren Typen. In den anschließenden medialen Debatten wurde dieser Begriff aber nicht mehr zur Bezeichnung eines Milieus verwendet, sondern in denunziatorischer Weise zur Bezeichnung einer neuen Unterschicht, der unterstellt wurde, dass ihr der Aufstiegs- und Leis15

tungswille abhanden gekommen sei (kritisch etwa Altenhain/ Danilina/Hildebrandt 2008, Hark 2007). Hier wurde auf eine Rhetorik der Prekarisierung zurückgegriffen, wo eine polarisierende und denunziatorische Version der Exklusionsthese intendiert wurde. Spätestens an diesem Beispiel wird sehr deutlich, dass Exklusion und Prekarisierung keine einfach beschreibenden Begriffe sind. Die Soziologie ist vielmehr immer auch selbst Teil des zu analysierenden Geschehens, in dem sie mit ihren Begriffen und Perspektiven die Wahrnehmung und Vergegenwärtigung von sozialen Ungleichheiten beeinflusst (Barlösius 2005, Hark 2007). Für die Prekarisierungsforschung stellt sich somit die Erfordernis, ihre eigenen Erkenntnisse repräsentationskritisch zu reflektieren: Wer spricht aus welchen sozialen Positionierungen heraus über wen (Spivak 2007)?

4. Prekarität, Prekärsein und Gouvernementale Prekarisierung







Weitere zentrale Impulse zur Prekarisierungsdebatte halten sogenannte poststrukturalistische Ansätze im Anschluss an Butler und den französischen Sozialphilosophen Michel Foucault (19261984) bereit. Anders als die Arbeits- und Industriesoziologie führen sie die Durkheim’sche Prämisse, Gesellschaft lasse sich als soziale Integrationsordnung beschreiben, dessen soziale Kohäsion durch Prekarisierung in Gefahr gerät, nicht weiter (Lorey 2012). Butler legt demgegenüber Überlegungen vor, Prekarität nicht als Bedrohung zu begreifen. Für sie bilden Prekärsein und Prekarität vielmehr Ausgangspunkte, von denen aus nach Bündnissen gesucht werden kann. Butlers Überlegungen zu Verletzbarkeit, sie spricht von Prekärsein und Prekarität, nehmen in Gefährdetes Leben (2005), im englischen Original Precarious Life, ihren Anfang. Vor dem Eindruck der US-amerikanischen Kriege als Reaktion auf die Attentate des 11. Septembers 2001 sucht Butler nach antimilitaristischen und queerpolitischen Alternativen, Verletzbarkeit zum Thema zu machen. Die US-amerikanischen Kriege interpretiert Butler (2008) als Bemühen, maskulinistische Subjektpositionen wiederzubeleben, die sich durch Unverwundbarkeit, 16

Autonomie und Gewalt auszeichnen. Wie kann aber aus diesen Erfahrungen der Verwundbarkeit und des Verlustes etwas anders resultieren als Krieg? Butlers Anliegen ist es, Bündnisbildungen gegen (staatlichen) Zwang und Gewalt denkbar zu machen, die keine identitätspolitischen Kategorien (Schwule, Lesben, Einwanderer etc.) zur Grundlage haben, da sie diese als festschreibend ablehnt (Butler 2009b). Schließlich betont sie das Angewiesensein des Einzelnen auf andere. Butler will Verwundbarkeit nicht überwinden. Sie beklagt vielmehr eine »ungleichmäßige Verteilung von Betrauerungswürdigkeit«, die »darüber entscheidet, welche Art von Subjekt zu betrauern ist und betrauert werden muß und welche Art nicht betrauert werden darf« (Butler 2005: 10). Dies wiederum dient »der Erzeugung und Erhaltung bestimmter ausschließender Vorstellungen, die festlegen, wer der Norm entsprechend menschlich ist: Was zählt als ein lebenswertes Leben und als ein betrauernswerter Tod?« (ebd.). Mit einem solch weiten Verständnis gelingt es aber nicht, graduelle Unterschiede zu erfassen, weswegen Butler (2010) die Unterscheidung von precariousness und precarity einführt.4 Mit Prekärsein ist keine unsicher gewordene Arbeits- und Lebenslage gemeint. Prekärsein wird vielmehr grundlegend als eine Bedingung menschlichen und auch nicht-menschlichen Lebens verhandelt. Prekärsein geht von der Verwiesenheit und Sozialität von Körpern aus. Wir kommen nicht auf die Welt und werden irgendwann verwundbar, vielmehr wird das Prekärsein mit der Geburt »koextensiv« (ebd.: 22). Das heißt, mit der Geburt ist unser Überleben von anderen abhängig, wir sind auf andere angewiesen, weil wir körperliche und soziale Wesen sind. Prekarität bestimmt Butler als politischen Begriff, der auf Prekärsein verweist. Während alle Menschen mit dieser Verletzbarkeit leben, kann diese durch soziale und politische Bedingungen gesteigert werden. In dieser Überschneidung eines anthropologischen und eines sozio-ökonomischen Begriffs sieht Butler das Potenzial, politische Allianzen jenseits einer starren Identitätspolitik denkbar zu machen, die queere, antimilitaristische Kämpfe verbinden könnten. Bei Butler findet sich der am weitesten gefasste Begriff von Prekarisierung, der eben nicht Merkmale einer Gruppe umfasst, sondern das Verhältnis zwischen Menschen beschreibt, die in Machtverhältnisse eingebettet sind. 17

Die Politikwissenschaftlerin Isabell Lorey (2012) schlägt vor, neben Prekärsein und Prekarität eine dritte Dimension einzuführen, die sie mit Michel Foucaults (2006a, 2006b) Spätwerk als gouvernementale Prekarisierung benennt. Foucault schlug mit dem Begriff der Gouvernementalität eine Forschungsperspektive vor, die Regierungsweisen ins Zentrum stellt und mit der die wechselseitige Formierung des modernen Staates und des modernen Individuums verknüpft wird (Bröckling/Krasmann/Lemke 2000). Foucault rekonstruierte, dass sich seit dem 18. Jahrhundert Regierungsmethoden grundlegend änderten. Es ging nicht mehr um die Unterwerfung unter einen Souverän, vielmehr wurde mit dem Aufkommen des Liberalismus die Bevölkerung als Regierungssubjekt entdeckt. Um etwa die Gesundheit der Bevölkerungssubjekte zu verbessern und Seuchen abzuwehren, wurde die aktive Teilnahme, die Selbstregierung der Subjekte zu einer Grundvoraussetzung. Selbstregierungen bedeuteten zudem einen besonderen Zugriff auf Körper, die ebenfalls gestaltet und optimiert werden konnten und – so die Pointe – allerdings auch mussten. Lorey erklärt, dass Individuen im Zuge der politischen Ökonomie des Liberalismus lernten, zu ihrem Prekärsein in Beziehung zu treten, ihr Prekärsein als etwas anzunehmen, das gestaltet werden kann. Für Lorey bilden diese liberalen Selbstregierungen die Grundlage für Phantasien einer »möglichst souveräne Beherrschung des ›eigenen‹ Prekärsein[s]« (2012: 42). Während aber für eine als national gefasste Gesellschaft versucht wurde, Sicherheiten durchzusetzen, werden Andere »an den ›Rändern‹ gerastert und positioniert« (ebd.: 57). Alle, die nicht einer männlichen und weißen Norm entsprachen, wurden als Gefahr konstruiert und waren dadurch prekarisiert. Prekarität kann in dieser gouvernementalitätstheoretischen Lesart als ein Produkt liberaler Regierungsweisen verstanden werden, da durch sie Ungleichheitsverhältnisse etabliert wurden, die in sexualisierenden und rassifizierten Hierarchisierungen ihren Ausgangspunkt nahmen. Doch was zeichnet die Gouvernementalität der Gegenwart, also neoliberale Regierungsweisen von Prekarität aus? Die im Anschluss an Foucault etablierte Gouvernementalitätsforschung legt zu dieser Frage vielfältige Perspektiven vor (Bröckling/Krasmann/ Lemke 2000, Legnaro/Birenheide 2008, Lemke 2004, Rose/ Miller 1992). Anders als liberale Regierungsrationalitäten geht es 18

nicht mehr ausschließlich um die Regulierung identitärer Differenzen: Es werden nicht mehr grundsätzlich Frauen ausgeschlossen oder Migrant_innen als Gefahr konstruiert. Prekäre Arbeitsund Lebensverhältnisse normalisieren sich. Der Staat zieht sich nicht grundsätzlich zurück, sondern reduziert sein Handeln auf wenige polizeiliche und militärische Praktiken der Kontrolle und Überwachung (Lorey 2012). Je mehr sozialpolitische Leistungen abgebaut werden und Prekarität normalisiert wird, desto mehr wird innenpolitische Sicherheit zu einem Regierungsziel. Von Migrant_innen wird etwa regelmäßig ein Bekenntnis zur deutschen Erwerbsarbeitsgesellschaft erwartet, ansonsten droht ihnen als »Sicherheitsrisiko« diffamiert zu werden (Lorey 2012: 86). Unsicherheiten werden somit nicht abgebaut, diese werden vielmehr zur Grundlage von Regierungsweisen.

Die Prekarisierungsdebatte Die vorliegende Einführung zu Prekarisierung hat in der Soziologie ihren Ort. Wie bereits deutlich geworden ist, bilden Prekarisierung, Prekarität und prekär hier schillernde Begriffe. Mit der Einführung wird zum einen das Ziel verfolgt, das mittlerweile unübersichtlich gewordene Dickicht der soziologischen Prekarisierungsdebatte zu systematisieren. Vorliegende Forschungsperspektiven werden auf ihre Potenziale und Fallstricke abgeklopft, um eine vertiefende Lektüre und ein weiterführendes Nachdenken zu initiieren. Die Einführung soll zum anderen aber auch an der Herausforderung gemessen werden, die Auslassungen der gegenwärtigen Prekarisierungsdebatte zu problematisieren und zentrale weiterführende Anschlüsse zu markieren, die bisher noch nicht prekarisierungstheoretisch gedeutet wurden. Der Wandel der Erwerbsarbeit und des Wohlfahrtsstaates werden in der Einführung zwar als zentrale Forcierer von Prekarisierung verstanden. Mit Blick auf die gesamte fordistische Trias, Migrationsregime, Care-Arbeit, Sexualitäten etc. wird das Feld der Prekarisierungsdebatte jedoch konsequent weit gefasst, womit persistente oder veränderte Ungleichheitsverhältnisse und – wie am Beispiel von Sexualitäten bereits angedeutet wurde – auch prekär gewordene Gewissheiten und soziale Normen ins Zentrum geraten. 19

*** Diese Einführung ist nicht ein Produkt einsamer Schreibtischarbeit, sondern das Ergebnis eines lebhaft-kontroversen Diskussionszusammenhangs. Vor diesem Hintergrund bin ich den Studierenden aus Duisburg-Essen und Tübingen und dem gesamten Team des Lehrbereichs ›Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse‹ an der Humboldt-Universität zu Berlin – vor allem Almut Peukert und Ellen Ronnsiek – zu großem Dank verpflichtet. Hervorheben möchte ich insbesondere Christine Wimbauer, aber auch Julia Teschlade – mit ihnen wurden einige Ideen gemeinsam entwickelt.

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II.  Prekarisierung in der Arbeits- und Industriesoziologie

1. Ausgangspunkt Die Arbeits- und Industriesoziologie avancierte in den 1980er Jahren zu einer soziologischen »Schlüsseldisziplin« (Kratzer/Sauer 2007: 235), da sie den Wandel der Erwerbssphäre mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen in Verbindung brachte. Heute wird sie häufig als der zentrale Ort der soziologischen Prekarisierungsdebatte wahrgenommen. Mit Prekarisierung wird hier vor allem die Erosion des männlichen Normalarbeitsverhältnisses beschrieben, womit männliche Industriearbeit ins Zentrum gerät. Die Prekarisierungsdebatte erfolgt hier häufig in kapitalismuskritischer Absicht, in der die Frage nach der Reproduktion alter und neuer Ungleichheiten einen großen Stellenwert erhält. Der Sphäre der Erwerbsarbeit wird eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung zugeschrieben, da mit Durkheim davon ausgegangen wird, dass Individuen über Erwerbsarbeit in Gesellschaft eingebunden werden. Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre wird diskutiert, dass durch wirtschaftliche und technologische Entwicklungen eine hohe Produktivitätssteigerung möglich geworden ist, die ohne einen Ausbau von Beschäftigungsverhältnissen einhergeht. Es gibt demnach immer weniger Erwerbsarbeit. Gleichzeitig wird eine Krise des Normalarbeitsverhältnisses konstatiert (Mückenberger 1985). Diese Entwicklungen wurden als Ende der Arbeitsgesellschaft (Offe 1989) interpretiert. Erwerbsarbeit, so die These, würde an sozialstrukturprägender Kraft verlieren. Wenn Arbeit auszugehen droht, kann dies bedeuten, dass zukünftig Teilhabe und Lebenschancen nicht mehr vorrangig über Erwerbsarbeit vermittelt werden. Aus heutiger Perspektive lässt sich aber resümieren, dass Erwerbsarbeit zwar prekär geworden ist, ein Ende der (Erwerbs-) Arbeitsgesellschaft ist aber nicht in Sicht. Dies liegt nicht an dem Befund einiger auf die Krisendiagnostik folgender Studien, dass das Normalarbeitsverhältnis, anders als behauptet wird, nicht krisenanfällig sei (hierzu ausführlich Erlinghagen 2004), sondern vielmehr durch eine große Stabilität charakterisiert werden kann. Vielmehr erweist sich die Zentralstellung von Erwerbsarbeit trotz 21

Prekarität als ungebrochen. Erwerbsbeteiligungen bestimmen über die materielle Existenz von Individuen und Familien, ihre soziale Sicherung, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und damit verbunden auch ganz grundlegend über ihre Anerkennung als bürgerliche, vergeschlechtlichte und sexuelle Subjekte. Doch auch wenn sich kein Ende der (Erwerbs-)Arbeitsgesellschaft abzeichnet, sind sich die soziologischen Stellungnahmen darin einig, dass sich die Erwerbssphäre in einem grundlegenden Strukturwandel befindet. Die arbeits- und industriesoziologische Auseinandersetzung mit Prekarisierung ist des Weiteren von Klassikern inspiriert, bei denen die Erforschung der Wechselwirkungen von Kapitalismus, Erwerbsarbeit und Ungleichheiten bereits fest verankert ist. Ein prominentes Beispiel bildet der Trierer Philosoph, Gesellschaftstheoretiker und Ökonom Karl Marx (1818-1883), der in seinen Grundrissen (1953) argumentierte, dass das Fehlen einer Existenzsicherung konstitutiv für kapitalistische Gesellschaften ist. Er unterschied die Klasse der Kapitalisten, die über die Produktionsmittel verfügten, von den Lohnarbeitern, die nur ihre Arbeitskraft besaßen. Lohnarbeiter sind davon abhängig, dass der Verkauf ihrer Ware Arbeitskraft gelingt. Als Marx 1857 an seinem berühmten Manuskript schrieb, war er davon überzeugt, dass Lohnarbeitsverhältnisse Pauperismus begründen, also Formen von Armut, die auf dem Fehlen von Eigentumsgarantien basieren. Marx sprach zwar nicht von Prekarität, seine Analysen lassen aber keine Zweifel daran, dass Prekarität eine normale Begleiterscheinung und keine Ausnahme kapitalistischer Gesellschaften bildet. Ein weiterer Klassiker, dem in der Prekarisierungsdebatte viel Beachtung geschenkt wird, ist der bereits erwähnte französische Ethnologe und Soziologe Émile Durkheim (1858-1917), der auch als Gründungsvater der soziologischen Disziplin gilt. Ihn trieb die Frage nach den Möglichkeiten sozialer Ordnung und dem inneren Zusammenhalt der modern gewordenen Gesellschaft um: »Wie geht es zu, dass das Individuum, obgleich es immer autonomer wird, immer mehr von der Gesellschaft abhängt?« (1992). Diese Frage elaborierte Durkheim am Beispiel des Verhältnisses von gesellschaftlicher Arbeitsteilung und Solidarität, worunter er einen Modus von sozialen Beziehungen verstand. Durkheim zelebrierte 22

diese durch Arbeitsteilung funktional differenzierte Gesellschaft nicht als Fortschritt, sondern verwies auf ihre großen inneren Ambivalenzen. Er ging davon aus, dass Individuen durch gemeinsam geteilte Werte und Normen in Gesellschaft integriert werden. Diese werden durch Gruppenzugehörigkeiten (Familie, Kirche, Berufsverband, Gewerkschaften) und durch Sozialisationsinstanzen (Schule, Ausbildung, Militär) vermittelt. Die soziale Arbeitsteilung kann in ökonomischen Krisenzeiten, aber auch in Phasen der Prosperität aus den Fugen geraten, so dass Individuen ihre sozial-moralischen Bindungen verlieren. Durkheim benannte dies als soziale Desintegration. Anomie steht hier für eine Extremform, nämlich für die Abwesenheit von sozialer Ordnung. Soziale Normen verlieren an Geltungskraft und an ihre Stelle tritt Regellosigkeit. Die Prekarisierungsdebatte, die sich auf Durkheim bezieht, nimmt seine anomietheoretischen Überlegungen auf und bestimmt die Ausweitung prekärer Beschäftigung als Problem der sozialen Integration. Eine weitere wichtige Referenz der arbeits- und industriesoziologischen Prekarisierungsdebatte bilden schließlich die Überlegungen des österreichisch-ungarischen Wirtschafts- und Sozialwissenschafters Karl Polanyi (1886-1964). In seiner wirtschaftshistorischen Untersuchung The Great Transformation (1978), im Original 1944 erschienen, skizzierte er am Beispiel Englands den Übergang einer auf Reziprozität basierenden bäuerlichen Gesellschaft zu einer Marktgesellschaft, die das Prinzip Angebot und Nachfrage zur Grundlage hat. In diesen Marktgesellschaften werden alle Produktionsfaktoren wie Boden, Arbeit und Geld zu Waren. Polanyi bezeichnete diese Prozesse der Vermarktlichung von Arbeitskraft als Kommodifizierung. Er betrachtete diese Prozesse mit großer Skepsis, die »Idee eines selbstregulierenden Marktes« bezeichnet er als »krasse Utopie« (ebd.: 19). Die Herausbildung der Marktwirtschaft habe zu einer Entbettung und Verselbstständigung der Ökonomie gegenüber der Gesellschaft geführt. Vor dem Eindruck des zweiten Weltkrieges resümierte Polanyi, dass diese Großen Transformationen für die Zerstörung der Zivilisationen des 19. Jahrhunderts verantwortlich waren. Arbeitskraft müsse geschützt werden, sie sei keine Ware wie jede andere auch, so seine drängende Mahnung. Auf Polanyi wird in der Prekarisierungsdebatte Bezug genommen, wenn die destruktiven Potenziale des Kapita23

lismus und die sozialen Folgen geschwächter Sozialstaaten betont werden. Marx, Durkheim und Polanyi geben hier bereits eine Stoßrichtung vor, die auch in der gegenwärtigen arbeits- und industriesoziologischen Forschung zu Prekarisierung vorherrscht: Der Blick richtet sich auf die zerstörerischen und anomischen Dynamiken von kapitalistischen Ökonomien. In einem engen Verständnis hat sie aber in der französischen Soziologie der Gegenwart ihren Ursprung, wie etwa im Werk von den bereits eingeführten Autoren Castel und Bourdieu.

2. Impulse aus Frankreich

2.1 Prekäre Lohnarbeit und die Soziale Frage – Robert Castel Robert Castel wendet sich seit Mitte der 1990er Jahre dem Wandel der Lohnarbeit zu (Castel 2000, 2011). Seine Arbeit Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit (2000) avanciert schnell zu einer wichtigen Referenz der noch jungen Prekarisierungsdebatte. Castel sieht die Gegenwart von Massenarbeitslosigkeit, unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und dem Verlust von sozialen Sicherungen gekennzeichnet. Welche Kontinuitäten und Brüche zeigen sich zu früher? Was hat der Vagabund des vorindustriellen Zeitalters mit Langzeitarbeitslosen von heute gemein? Um diese Fragen zu beantworten, entwickelt Castel eine sozialhistorische Perspektive auf Lohnarbeit. Auch wenn die gesellschaftlichen Ränder in seiner Untersuchung im Fokus stehen, geht es ihm doch vor allem darum, die Verwiesenheiten der gesellschaftlichen Ränder und Zentren herauszuarbeiten. Diesen Zusammenhang fasst Castel mit Durkheim als Soziale Frage. Castels Analyse setzt bei Formen unmittelbarer Sozialbeziehungen um das 12. Jahrhundert ein. In den engen Familienstrukturen auf den Dörfern waren die Menschen in ihrem Überleben unmittelbar voneinander abhängig. Aus der gegenseitigen Abhängigkeit erfolgte auch die Versorgung derer, die auf Hilfe angewiesen waren. Schließlich entstand bereits im 12. Jahrhundert die 24

Armenfürsorge, die bereits in ihrer frühen Form den Erhalt von Fürsorge an zwei heute immer noch gültige Kriterien bindet: ein fester Wohnsitz und nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit. Mit dem Auftauchen von Armen, die keine Arbeit finden, vollzieht sich im 14. Jahrhundert ein Wandel. Es entsteht die Sozialfigur des Überzähligen, den Castel als »Ahnherren der Überzähligen von heute« (ebd.: 64) bezeichnet. Nachdem ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung an Pest stirbt, wird in England im 14. Jahrhundert ein Arbeitsgesetz eingeführt, das vorsieht, dass jeder arbeitsfähige Bettler ins nächste Gefängnis gebracht wird. Castel interpretiert diese Maßnahme als Versuch der Abschreckung. Sie richtete sich in disziplinierender Weise an alle, die im Zunfthandwerk beschäftigt waren oder einem Herrn dienten. Seit der industriellen Revolution wird in einem liberalen Verständnis Lohnarbeit mit der Existenz von Freiheiten in Verbindung gebracht. Dieses Verständnis ist aber Ausdruck eines lang andauernden Wandels. Vor der industriellen Revolution bildete Lohnarbeit ein unwürdiges Arbeitsverhältnis in Vormundschaft. Castel beschäftigt die Frage, wie es zu diesem Wandel gekommen ist. Dazu rekonstruiert er zum einen eine Bewusstwerdung der massenhaften Verwundbarkeit. Bisher wurden Vagabunden und arbeitsunfähige Arme als jenseits einer gesellschaftlichen Ordnung betrachtet. Neu ist nicht die Erkenntnis der Existenz von Armut, sondern vielmehr die Annahme einer massenhaften Verwundbarkeit. Zum anderen verändert sich die Auffassung von Arbeit, denn in der liberalen Moderne wird sie zur »Quelle gesellschaftlichen Reichtums« (ebd.: 151). Zudem wird die »Notwendigkeit der Freiheit der Arbeit« (ebd.: 155, Herv. i.O.) entdeckt. Nach den Erkenntnissen der neuen politischen Ökonomie wird Arbeit reorganisiert: Die Arbeit gilt fortan als eine Ware, die auf einem Markt im Rahmen eines Vertrages getauscht werden kann. Dies beinhaltet auch die Vernichtung der Zwangsarbeit. Da Freiheit der Arbeit nach Adam Smith (1723-1790) auch Freiheit des Tauschs voraussetzt, wird auch die Lohnarbeit liberalisiert. Arme sollen fortan nicht auf Wohltätigkeit oder Mitgefühl angewiesen sein, sondern soziale Rechte erhalten. Arbeitsfähige Arme sollen nicht bestraft, ihnen sollen Arbeitsgelegenheiten eröffnet werden. Der Müßiggang von Vagabunden ist vor diesem Hintergrund von einem rechtlichen Verbrechen zu einem »Gesellschaftsdelikt« (ebd.: 167, Herv. i.O.) geworden. 25

Castel setzt nun bei den industriellen Revolutionen des 19. Jahrhunderts an. Die Industrialisierung und Liberalisierung der Arbeitsmärkte haben gleichermaßen einen großen Reichtum wie eine große Armut zur Folge. Der Pauperismus stellt eine große Bedrohung für die gesellschaftliche Ordnung dar. Mit der massenhaften Verwundung und Schutzlosigkeit der Lohnarbeiter kommt es zu Formen der Vormundschaft: In Frankreich entsteht das Prinzip der Patronage, die den Staat in Arbeitsverhältnissen außen vor lässt. Parallel entwickeln sich aber auch Formen der Wohltätigkeit, wie etwa Unterstützungs- und Versicherungsvereine. Die Entwicklung der heute prekär gewordenen Lohnarbeitsgesellschaft basierte auf fünf Voraussetzungen: Erstens musste die Erwerbsbevölkerung erfasst werden, so dass zwischen denen, die arbeiteten und jenen, die nicht arbeiteten, differenziert werden konnte. Zweitens bedurfte es einer Bindung des Arbeiters an seinen Arbeitsplatz sowie die Rationalisierung von Arbeitsprozessen im Zuge einer präzise bestimmten Zeitverwendung. Drittens sollte der Lohn den Arbeitern und seinen Familien die Teilhabe an Konsum ermöglichen, so dass sie ebenfalls zu Nutznießern der Massenproduktion werden konnten. Viertens wurde ihre Teilhabe an öffentlichen Dienstleistungen, wie Gesundheit, Bildung und Wohnung benötigt. Fünftens musste ein Arbeitsrecht begründet werden, das den Arbeiter als Mitglied eines Kollektivs anerkannte. Aus einem individuellen Vertragsverhältnis wurde somit sukzessive ein gesellschaftlicher Status. Dieser Status wurde für die soziale Integration immer wichtiger, während Vergemeinschaftungen über Primärbeziehungen allmählich an Bedeutung verloren. Castel referiert nun die Etappen, durch die Lohnarbeit in Frankreich zu dem geworden ist, was wir heute darunter verstehen: 1936 gelang es Arbeitern in Frankreich, bezahlten Urlaub zu erstreiken. Für Castel symbolisiert dies eine erste Annäherung an bürgerliche Lebenslagen. Schließlich waren es Ingenieure, die die erste bürgerliche Berufsgruppe bildeten und die im gleichen Jahr Lohnarbeitsverhältnisse für sich einforderten. Anfang der 1950er Jahre existierte bereits eine komplexe »lohnabhängige Mittelklasse« (ebd.: 311). Spätestens in der Nachkriegszeit wurde der Staat zu einer Steuerungsinstanz der Wirtschaft, es ging um Wiederaufbau und eine Modernisierung der Gesellschaft. Mit der Einführung eines Mindestlohns im Frankreich der 1950er Jahre wurde der 26

Staat schließlich zu einem Mittler zwischen den Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Für die drei Nachkriegsjahrzehnte, die Frankreich in einem bis dahin ungekannten Ausmaß Wohlstand, Bildung und Stabilität brachten, resümiert Castel: »Die soziale Frage schien sich im Glauben an einen unbegrenzten Fortschritt aufzulösen.« (Ebd.: 335) Schließlich kommt Castel auf die Gegenwart zu sprechen. Wenn man seine Argumentation als Wandel von Integrationsmodi versteht, erfolgte erst ein Wandel von der familialen und dörflichen Vergemeinschaftung zu einer Integration durch Arbeit, die mit einem sozialen Status verbunden ist. Das Neue der Sozialen Frage der Gegenwart besteht für Castel nicht vordergründig in dem Rückgang des Wirtschaftswachstums oder dem Ende der Vollbeschäftigung. Neu ist vielmehr die Wiederkehr von Überzähligen. Heute ist der unbefristete Vertrag seltener geworden und atypische Beschäftigungsformen sind verbreitet. Castel betont, dass diese Prekarisierung von Arbeit ein ähnlich bedeutsames Phänomen darstellt wie der Anstieg an Arbeitslosigkeit. Die neuen sogenannten atypischen Beschäftigungsformen ähneln wieder den frühen Formen von Beschäftigung. Die Beschäftigten werden in ihrer Qualifikation dem technologischen Wandel angepasst, was dazu führt, dass zum Beispiel Ältere für den Arbeitsmarkt unattraktiv werden. Das Qualifikationsniveau in den Betrieben ist des Weiteren zwar gestiegen, häufig arbeiten aber überqualifizierte Personen auf Stellen und die eigentlich Qualifizierten sind arbeitslos. In der Politik will man das Beschäftigungsproblem in der Regel dadurch lösen, dass das Bildungsniveau erhöht wird. Für Castel stellt dies aber keine überzeugende Maßnahme dar, da man »Gefahr« läuft, »anstatt einen Abbau der Arbeitslosigkeit nur eine Erhöhung des Bildungsniveaus der Arbeitslosen zu bewirken« (ebd.: 353). Castel rekonstruiert drei Kristallisationspunkte prekärer Arbeitsgesellschaften: Erstens findet eine »Destabilisierung des Stabilen« statt (ebd.: 356). Anders als in der Konsolidierungsphase der Lohnarbeit kommt es erstens nicht nur zu einer Destabilisierung an den Rändern, vielmehr ist die Mittelschicht vom Absturz bedroht. Zweitens lässt sich die gegenwärtige Situation vieler Menschen als ein »Sich-Einrichten in der Prekarität« (ebd.: 357) bezeichnen, Castel spricht auch von »Neopauperismus« (ebd.: 358). Schließlich ist es 27

vielen nicht möglich, eine Zukunftsperspektive zu entwerfen, sie leben sprichwörtlich von der Hand in den Mund. Sie sind gefangen in der »Kultur des Zufalls« (ebd.: 358). Drittens konstatiert Castel das Wiederauftauchen der Sozialfigur des Überzähligen. Während Arbeiter aber Arbeiterkämpfe ausfochten, Berufsidentitäten ausbildeten und somit die Vorstellung eines Kollektivs und Zukunftsentwürfe teilten, fehlt dies den Überzähligen der Gegenwart. Um die prekäre Arbeitsgesellschaft analysieren zu können, schlägt Castel als Heuristik ein Zonenmodell vor, das in der Prekarisierungsdebatte viel rezipiert wird: »Ich habe eine allgemeine Hypothese vorgeschlagen, die der Komplementarität zwischen dem, was sich auf einer Achse der Integration durch Arbeit – stabile Beschäftigung, prekäre Beschäftigung, Ausschluss aus Arbeit – und durch die Dichte der Integration in den Beziehungsnetzwerken [...], Brüchigwerden der Beziehungen, soziale Integration – abspielt. Das so aufgespannte Koordinatensystem umfasst Zonen unterschiedlicher Dichte der sozialen Verhältnisse, die Zone der Integration, die Zone der Verwundbarkeit, die Zone der Fürsorge und die Zone der Exklusion oder viel mehr der Entkoppelung.« (Ebd.: 360f.)5 Familien sind in hohem Maß verwundbar geworden: Es gibt nicht mehr nur die Autorität des Vaters und elterliche Paarbeziehungen werden auf Bewährungsproben gestellt. Die Konsistenz der Familie hängt von der Qualität ihrer Beziehung ab, die von der Familie fortwährend selbst erarbeitet werden muss. Zudem muss man die Verwundbarkeit von wirtschaftlich prekären Familien in den Blick nehmen. Wie könnte es weitergehen? Würde der Markt weiter an Hegemonie gewinnen und Sozialpolitik an Bedeutung verlieren, hätte dies tatsächlich anomische Folgen. Denkbar wäre aber auch, dass Sozialpolitik weiter ausgebaut würde oder Erwerbsarbeit als Integrationsprinzip an Bedeutung verliert. Was wäre dann aber eine Alternative zu Erwerbsarbeit? Schließlich wäre auch denkbar, dass Arbeit umverteilt würde. Schließlich war die Geschichte der Arbeit immer auch eine Geschichte emanzipativer Bewegungen. Auch wenn Castel diese Alternativen benennt, gibt es für ihn aber noch keine überzeugenden Alternativen zur Lohnarbeitsgesellschaft. Es bedarf politischem Willen, den sozialen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten. Sozialer Zusammenhalt ist aber ohne soziale 28

Sicherungen nicht denkbar, so gilt Castels Plädoyer einem »schützenden Staat« (ebd.: 413).

Rezeption und Wirkung Die Veröffentlichung von Castels Thesen einer überwunden geglaubten Wiederkehr sozialer Ungleichheit treffen in Deutschland auf die Exklusionsdebatte (siehe Kap. I/3). Castels Studie stellt diesbezüglich eine Provokation dar, da mit dem Zonenmodell behauptet wird, dass soziale Verwundbarkeiten nicht nur das Außen einer Gesellschaft betreffen, sondern bis in die Mittelschichten reichen können. Durch seine sozialhistorische Anlange gelingt es Castel schließlich aufzuzeigen, dass unsichere Arbeitsplätze keine alternativlosen Begleiterscheinungen globaler Märkte sind, sondern Ergebnisse sozialpolitischer Weichenstellungen. Soziale Rechte, so zeigt die Studie überzeugend auf, sind Errungenschaften, also Produkte sozialer Kämpfe, womit sich die Frage stellt, wie wirksame sozialpolitische Regelungen aussehen könnten. Am meisten Aufmerksamkeit erhält Castel aber für die wenigen Zeilen, in denen er sein Zonenmodell entfaltet, das trotz oder wegen seiner Holschnittartigkeit zahlreichen empirischen Arbeiten als Forschungsheuristik zugrunde liegt (Brinkmann/Dörre/ Röbenack et al. 2006, Dörre/Scherschel/Booth et al. 2013, Holst/ Nachtwey/Dörre 2009). Rückblickend betrachtet, besteht die große Stärke der Studie darin, dass sie – soweit die Gegenwart verhandelt wird – weitaus mehr Fragen aufwirft als dass diese beantwortet werden (Kronauer 2006). Schließlich sind es auch die Schwächen und hier vor allem die Auslassungen der Studie, die das Nachdenken über Prekarisierung in den letzten beiden Jahrzehnten maßgeblich befeuert haben. Da sie in den jeweiligen Abschnitten ausführlich vorgestellt werden, an dieser Stelle nur zusammenfassend: In geschlechtersoziologischen Arbeiten wird an Castel der Vorwurf des Androzentrismus erhoben, da er unsichere Beschäftigung historisch erst zu einem Problem bestimmt, an dem Männer unsicher beschäftigt werden (Aulenbacher 2009). Damit wird nicht nur ignoriert, dass Frauen im Ernährermodell immer unsicher in die Erwerbssphäre eingebunden waren, Castel führt auch einen reduzierten Arbeitsbegriff fort, der – auf Lohnarbeit verengt – den gesamten Bereich der Reproduktionsarbeit aus dem Blick verliert, eben jener Bereich, 29

der von Frauen dominiert wird. Indem er soziale Integration über Erwerbsarbeit bestimmt, kann er des Weiteren nationalstaatliche Steuerungen nicht fassen, die Migrationsregime regulieren (Jungwirth/Scherschel 2010). Schließlich zeichnet Castel ein passives Bild jener Gruppe, die er als überzählig bezeichnet (Bescherer 2013). Diese anomische Interpretation kann aber nicht erklären, wie es in der Geschichte überhaupt zu widerständigen Protestformen, wie der Arbeiterbewegung, kommen konnte.

2.2 Prekarität als disziplinierende Herrschaftsform – Pierre Bourdieu Pierre Bourdieu gilt heute, auch nach seinem Tod, als einer der einflussreichsten Vertreter der Soziologie. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen eine Breite an soziologischen Feldern, wie etwa Bildung, Kultur, Ungleichheiten, Arbeit und Geschlecht. Bourdieu kann bereits aufgrund seiner zahleichen ungleichheitssoziologischen Konzepte (Habitus, doxa, männliche Herrschaft, Kapitalsorten) als zentraler Impulsgeber der Prekarisierungsdebatte verstanden werden.6 In einem engeren Sinne sind für die deutschsprachige Prekarisierungsdebatte aber zwei Beiträge zentral, die sich zunächst dadurch auszeichnen, dass sie als Anklagen des neoliberalen gesellschaftlichen Umbaus formuliert sind: Die mit einem Team publizierte Arbeit Das Elend der Welt (2008) sowie sein knapper Vortrag Prekarität ist überall (Bourdieu 2004).

Das Elend der Welt Das monumentale Werk Das Elend der Welt (2008) bildet das Gemeinschaftswerk einer Gruppe von 18 Autor_innen aus Bourdieus Umfeld und ist in der Form einer Collage gehalten. Transkripte aus mehr als 40 Gesprächen mit Einzelnen, Paaren und Gruppen sind einführende und erläuternde Kommentare sowie methodische Ausführungen vor- und nachgestellt. Die Inhalte der Interviews reichen von beruflichen und familiären Perspektiven, Erwartungen, Enttäuschungen und Zukunftswünschen. Die Interviews werden maximal offen geführt, es gibt auch keine alle Interviews verbindende Eingangsfrage. Die soziologische Perspektive des Kollektivs wird durch einen verstehenden Zugang fundiert, der Spinozas Formel »nicht bemit30

leiden, nicht auslachen, nicht verabscheuen, sondern verstehen« zur Orientierung nimmt (ebd.: 13). Es geht aber nicht um einen »subjektivistischen Relationalismus« (ebd.: 18), vielmehr sollen die Interviewten, weil sie sich verstanden fühlen, zu Selbstreflexion angeregt werden. Dadurch sollen die sozialen Mechanismen offengelegt werden, die das vermeintlich individuelle Leid bedingen. In Bourdieus Worten geht es darum, ein »generelles und genetisches Verständnis der Existenz des anderen anzustreben, das auf der praktischen und theoretischen Einsicht in die sozialen Bedingungen basiert, deren Produkt er ist« (Bourdieu et al. 2008: 786, Herv. i.O.). Bourdieu und das Team setzen auf eine anspruchsvolle informierte und emphatische Interviewführung. Um etwa einen Arbeiter der Peugeotwerke verstehen zu können, ist es unerlässlich, dass die Interviewer_innen die komplexe Lebenswelt der Arbeiter kennen. Die Interviewer Beaud und Pialoux greifen hier auf ihre langjährige Forschung zu den Arbeitern der Peugeotwerke zurück (Beaud/Pialoux 2004). Neben der hohen Informiertheit der Interviewer_innen wird zudem ein bereits bestehendes Vertrauensverhältnis als Voraussetzung für ein Interview gesetzt. Die Interviewten wurden überwiegend aus dem persönlichen Umfeld der Forscher_innen rekrutiert – eine Sampling-Strategie, die in der qualitativen Sozialforschung mehr als ungewöhnlich ist. Den Leser_innen werden keine fertigen Interpretationsangebote präsentiert, sie stellen aber in ihren analytischen Kommentaren ein soziologisches Rüstzeug zur Verfügung. Die Interpretationsarbeit soll aber tatsächlich von den Lesenden – soziologisch vorgebildet oder auch nicht – vorgenommen werden. Eine Strategie, dies zu erreichen, besteht in der mosaikhaften Aneinanderreihung der Portraits, die dazu beitragen sollen, die Positionsbedingtheit der Portraits zu offenbaren. Das Elend der Welt gliedert sich in sieben Kapitel, in denen verschiedene thematische Akzente vorgenommen werden. So präsentiert das Kapitel Abdankung des Staates etwa Einblicke in das Leben von Beschäftigten aus Gerichten, der Sozialarbeit und der Polizei. Sie bringen deutlich zum Ausdruck, dass sie sich in ihrem Arbeitsalltag im Stich gelassen fühlen. Paradox erscheint ihnen ihr Berufsalltag, in dem sie ohne entsprechende finanzielle Mittel Auswirkungen neoliberaler Umstrukturierungen individuell bewältigen sollen. 31

Das Kapitel Abstieg und Niedergang beginnt in einer eindrücklichen Streikszene in einem Automobilwerk. Pialoux und Beaud dokumentieren eine tiefe Kluft, die sich zwischen den älteren »in der Aktivistenkultur geformten« (ebd.: 316) Stammbelegschaften und den jungen Leiharbeitern aufmacht. Für die ältere Stammbelegschaft symbolisieren die jungen Leiharbeiter ihre eigene »Deklassierung, die Entwertung ihres Wissens, und Könnens«, da sie »das lebende Beispiel« für ihre Austauschbarkeit sind (ebd.: 313). Pialoux und Beaud beschreiben das Brüchigwerden der »Arbeiteridentität« (ebd.: 317), das in der Konfrontation der beiden Generationen deutlich zu Tage tritt. Die jungen Leiharbeiter identifizieren sich nicht mehr mit der Fabrik, da sie für sie nur eine »Durchgangsstation« bildet (ebd.: 339). Die Ausschlussmechanismen des Bildungssystems bilden schließlich die verbindende Klammer der Kapitel Die intern Ausgegrenzten und Widersprüche des Erbes. In diesen Kapiteln werden die Desillusionierungen darüber verhandelt, dass die erhoffte Demokratisierung von Schule ausgeblieben ist. Prägnant wird beschrieben, wie Ausgrenzungen in der Schule als individuelles Scheitern vermittelt und erlebt werden. Das Buch verzichtet weitgehend zugunsten einer literarischbilderreichen Rhetorik auf eine soziologische Fachsprache. Bourdieu bezeichnet die Interviews beispielsweise auch als »kleine Novellen« (ebd.: 13). Dieses in der Soziologie unkonventionelle Vorgehen verfolgt das Ziel, eine »Pluralität der Perspektiven« (ebd.: 17) der Interviewten abbilden zu können und damit auch den vermeintlich »göttlichen Standpunkt« (ebd.) des Beobachters aufzugeben. Diese Expertise schreibt er provokanterweise nicht seinem Fach zu, sondern vor allem den großen Romanciers der Weltliteratur wie William Faulkner, James Joyce und Virgina Woolf. Wie bereits deutlich geworden ist, werden nicht, und anders als der Obertitel Das Elend der Welt suggeriert, Menschen befragt, deren Leben durch Hunger oder Krieg existenziell gefährdet ist. Das Team um Bourdieu operiert zudem auch nicht mit der für die Ungleichheitsforschung üblichen Unterscheidung von relativer und absoluter Armut. Befragt werden überwiegend Personen, die Beschäftigung haben und Angehörige der Mittelschicht sind. Bourdieu spricht hier von »situationsbedingtem Elend« (ebd.: 19) und plädiert dafür, gerade nicht die »große Not« (ebd.) zum 32

Maßstab zu erheben. Die Sozialforschung würde sich gegenüber einem »ganzen Teil der Leiden« versperren, die »für eine soziale Ordnung charakteristisch sind, die gewiß die große Not zurückgedrängt hat (allerdings weniger als zuweilen behauptet wird), im Zuge ihrer Ausdifferenzierung aber auch vermehrt soziale Räume [...] und damit Bedingungen geschaffen hat, die eine beispiellose Entwicklung aller Formen kleiner Nöte begünstigt haben« (ebd.). Bourdieu und sein Team vermuten, dass eine »unbedeutende Stellung innerhalb eines prestigereichen [...] Universums« umso »schmerzhafter sein dürfte, je weiter oben« man angesiedelt ist (ebd.). Das Elend der Welt liest sich als deutliche Kritik am Versagen der Politik und der kapitalistischen Regulation der Ökonomie. Mit der Perspektive auf das sozial bedingte Leid wird Gesellschaftsund Kapitalismuskritik geübt, da vermeintlich individuelles Leiden als sozial bedingt eröffnet wird. Bourdieu nimmt auch deutlich politische Entscheidungsträger in die Pflicht, wenn er erklärt: »Wenn es stimmt, daß die den schlimmsten Formen des Leidens zugrunde liegenden ökonomischen und gesellschaftlichen Mechanismen [...] nur schwer zu hemmen oder gar zu verändern sind, so gilt auch, daß jedwede Politik, die die vorhandenen, mit Unterstützung der Wissenschaft aufzeigbaren, wenn auch noch so bescheidenen Handlungsmöglichkeiten nicht vollumfänglich ausschöpft, der unterlassenen Hilfeleistung an Personen in Not bezichtigt werden darf.« (Ebd.: 826) Das Genre von Das Elend der Welt lässt sich nur schwer bestimmen: Es fordert die Grenzziehung zwischen Soziologie und Literatur und Soziologie und Politik heraus. In seiner Komposition ist es von einer theoretischen Dichte, dass es sich nicht auf eine politische oder literarische Sozialreportage reduzieren lässt. Schließlich verfolgt die Arbeit methodisch und methodologisch-soziologisch ambitionierte Ziele. Mit der Entscheidung, Interviewauszüge mit Kommentierungen abzudrucken und in die Interpretationen die Leser_innen einzubinden, überschreitet es wiederum das Format der wissenschaftlichen Studie. In dieser kompositorischen Zwitterhaftigkeit stand das Elend der Welt schließlich Pate für viele ähnliche Dokumentationen der prekären Arbeitsgesellschaft (Honegger/Rychner 1998, Honegger/Bühler/Schallberger 2002, Katsch33

nig-Fasch 2003, Schultheis/Schulz 2005, Schultheis/Vogel/Gemperle 2010, Schultheis/Vogel/Mau 2014).

Prekarität ist überall Der knappe Text Prekarität ist überall basiert auf einem Vortrag, den Bourdieu auf dem Europäischen Treffen gegen die Prekarität im Dezember 1997 im französischen Grenoble gehalten hat. Die Prekarisierungsdebatte befindet sich erst noch in ihren Anfängen, aber Bourdieu bündelt hier bereits die zentralen Argumente. Der Titel lässt, was die Reichweite von Prekarisierung betrifft, keine Frage offen: Prekarität wird von Bourdieu als ein allgegenwärtiges Phänomen benannt. Bourdieu skizziert die vielfältigen Orte, die in der Arbeitswelt unsicher geworden sind und verweist auf tiefschürfende Auswirkungen in den individuellen Biografien. Es geht deutlich nicht nur um den Verlust von materieller Sicherheit, sondern um den gesamten biografischen Entwurf. Prekarität verhindert nicht nur die »rationale Vorwegnahme der Zukunft« (ebd.: 108). Weil sie den Individuen ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft beraubt, verhindert sie auch Formen von Protest und Solidarisierung. Bourdieu zieht hier Parallelen zur seiner eingangs erwähnten Algerien-Studie. Prekarität ist deshalb überall, weil sie nicht nur die direkt von unsicheren Arbeitsverhältnissen Betroffenen beeinträchtigt. Sie erzeugt vielmehr für alle eine »Furcht« (ebd.: 110), die wiederum instrumentalisiert werden kann. Deshalb bildet Prekarität einen »Teil einer neuartigen Herrschaftsform«, so Bourdieus zentrale These, »die auf der Errichtung einer zum allgemeinen Dauerzustand gewordenen Unsicherheit fußt und das Ziel hat, die Arbeitnehmer zur Unterwerfung, zur Hinnahme ihrer Ausbeutung zu zwingen« (ebd.: 111, Herv. i.O.). Des Weiteren lässt sich eine neue Ausbeutung beobachten, die auf der Spaltung einer nicht arbeitenden und einer kleinen, immer mehr arbeitenden Gruppe basiert. Ähnlich wie in Das Elend der Welt plädiert Bourdieu dafür, die Umwälzungen der Wirtschaft nicht als alternativlos zu begreifen, sondern sie als politisch gewollt und damit auch als veränderbar zu verstehen. Bourdieu regt schließlich einen »politische[n, M.M.] Kampf« an (ebd.: 112): »Und er kann sich, ähnlich wie karikative oder militant-karikative Bewegungen, zunächst zum Ziel setzen, die Opfer der Ausbeutung, all die gegenwärtig oder potentiell Prekarisierten zu ermutigen, 34

gemeinsam gegen die zerstörerischen Wirkungen der Prekarität anzugehen (indem man ihnen hilft zu leben, ›durchzuhalten‹, einen aufrechten Gang und Würde zu bewahren, der Zersetzung und dem Verfall ihres Selbstbildes, der Entfremdung zu widerstehen)«. Schließlich plädiert Bourdieu für internationale Bündnisse, in denen die Umverteilung von Arbeit auf die Agenda gesetzt wird. Das Verhältnis von Arbeit und Leben müsse grundlegend neu ausgehandelt werden. Vier Jahre nach seiner Rede und ein Jahr nach seinem Tod, werden im italienischen Mailand Bündnisbildungen initiiert, um den zersetzenden Wirkungen von Prekarität zu begegnen (siehe Kap. IV.2). Diese Geister, die Bourdieu 1997 rief, sollen in der internationalen sozialen Bewegung EuroMayDay Gestalt annehmen.

Rezeption und Wirkung Bourdieu hat, rückblickend betrachtet, mit seinen Arbeiten zentrale Weichen für die gegenwärtige Prekarisierungsdebatte gestellt, weil er erstens mit der Konzeption von Elend, zusammen mit Castels Überlegungen, die bislang vorherrschende Binarität von arm und reich und drinnen und draußen überschreitet und dadurch die (Erwerbs-)Arbeitsgesellschaft sui generis als prekär geworden kennzeichnet. Zweitens demonstriert er eine verstehende Perspektive, die subjektive Perspektiven zum Ausgangspunkt setzt und diese wiederum auf ihre sozialen Bedingtheiten abklopft. Drittens rahmt er Prekarisierung macht-, kapitalismus-, und gesellschaftskritisch als eine Herrschaftsform und zeigt auf, dass die Furcht, die mit ihr in Verbindung steht, allumfassende destruktive Konsequenzen nach sich zieht. Bourdieu et al. gehen in Das Elend der Welt des Weiteren über bisherige Studien der Arbeits- und Industrieindustrie hinaus, in dem sie nicht nur die Erwerbssphäre, sondern den prekär gewordenen Lebenszusammenhang in den Blick nehmen. Auch wenn noch nicht von Prekarisierung gesprochen wird, markiert Das Elend der Welt den Übergang von einer Armuts- zu einer Prekarisierungsforschung (Candeias 2008b). Bourdieu erhielt von der Fachwelt genau für diese beiden Beiträge zunächst ambivalente bis negative Reaktionen. Zwar würdigen Einige den politisch engagierten Bourdieu, für Andere setzte der 35

politische Intellektuelle seine Reputation als großer wegweisender Soziologe aufs Spiel. Bourdieu wird aus diesem Grund auch häufig als Autor präsentiert, der seit den 1980er Jahren eine Wende von einem distanzierten zu einem engagierten Intellektuellen unternommen hat. Diese Darstellung ist in ihrer Polarität nicht zutreffend, schließlich verfolgt Bourdieu in Das Elend der Welt politische und soziologische Ziele (Barlösius 2006). Zudem sind auch seine früheren Studien, die strengen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen, ebenfalls von politischer Brisanz und seine politischen Beiträge in Gegenfeuer (2004) lassen sich durchaus immer auch als theoretische Verdichtungen lesen. Es ist aber dennoch zutreffend, dass sich Bourdieu (2004) rückblickend vom Gebot der Werturteilsfreiheit distanziert, zu dem er sich einst bekannte. Rückblickend erscheinen sie ihm als »Weltflucht im Namen der Wertfreiheit« (2004: 17). Hier wird vorgeschlagen, nicht von einer strikten Trennung eines wissenschaftlichen und eines politischen Werkes Bourdieus auszugehen. Diese Arbeiten erschließen sich vielmehr, so auch Franz Schultheis, als »untrennbare Seiten der gleichen Medaille« (2004: 13).

2.3 Pragmatische Kritik am Kapitalismus – Luc Boltanski Luc Boltanski ist ein ehemaliger Schüler und Mitarbeiter von Bourdieu. Auch Boltanskis Studien bedienen vielfältige soziologische Schwerpunkte, wie etwa die Soziologie der Professionen, der Medien, der Kultur und des Wissens. Seit den 1970er Jahren wendet Boltanski sich zunehmend von seinem Lehrmeister ab und begründet zusammen mit Laurent Thévenot die bis heute bestehende Groupe de Sociologie Politique et Morale (GSPM), im Zuge dessen sie den in Frankreich und zunehmend auch in Deutschland vielbeachtete Ansatz einer Pragmatischen Soziologie der Kritik (2007) entwickeln. Bourdieus Entwurf der Herrschaftskritik geht von Verblendungs- und Verschleierungsprozessen aus, wobei der soziologischen Beobachtung die Aufgabe zukommt, Illusionen zu dechiffrieren. Bourdieu stellt sich wie Castel in die Tradition von Durkheim, der bereits einen Bruch der Soziologie mit dem Alltagsverstand der Akteure als soziologisches Programm propagierte. Damit geht auch Bourdieu von einem Akteur aus, der 36

in Verblendungszusammenhänge verstrickt ist und der soziologischer Aufklärung – qua Geburtshilfe – bedarf.7 Demgegenüber begründet Boltanski mit Thévenot einen Akteursbegriff, der nicht von verblendeten, sondern von kompetenten Individuen ausgeht, die durchaus über reflexive Fähigkeiten verfügen. Ihnen geht es, mit Bruno Latour, gesprochen darum, den Akteuren zu folgen: »Es genügt nicht länger, Akteure auf die Rolle von Informanten zu beschränken, die als Fälle einiger gut bekannter Typen dienen. Den Akteuren muss die Fähigkeit zurückgegeben werden, ihre eigenen Theorien darüber aufzustellen, woraus das Soziale besteht.« (Boltanski/Thévenot 2007: 27) In Abgrenzung zu einer Soziologie, die sich als aufklärende Herrschaftskritik versteht, begründen sie eine Soziologie der Kritik, die sie als eine spezifische soziale Praxis begreifen. Zwar räumen sie durchaus Differenzen zwischen alltäglichen und soziologischen Kritiken ein. Diese Differenzen bestehen aber nicht bezüglich ihres Status’. Kritik wird in diesem Verständnis, als soziale Praxis verstanden und nicht als »von der Praxis herausgelöstes Projekt« (Celikates 2009: 153). In der Prekarisierungsdebatte wird Boltanski vor allem mit dieser Perspektivierung von Kritik sowie als Autor der gemeinsam mit Ève Chiapello vorgelegten Studie der Neue Geist des Kapitalismus (2003) wahrgenommen. Mit diesen Arbeiten befeuern Boltanski und Chiapello die spätestens nach den Finanzkrisen auch hierzulande wieder entfachte Auseinandersetzung zum Verhältnis von Kapitalismus und Kritik. Der Anspruch, Kritik an kapitalistisch-gesellschaftlichen Verhältnissen zu üben, war zwar nie verschwunden, war in den vergangenen zwei Jahrzehnten aber deutlich in den Hintergrund geraten. Hand in Hand mit der beginnenden Prekarisierungsforschung mehren sich seit wenigen Jahren die Stimmen, die für eine Rückkehr der Kritik in die Soziologie plädieren (Boltanski 2010, Dörre/ Lessenich/Rosa 2009, Lessenich 2014). Vor diesem Hintergrund, aber auch vor dem Eindruck der Finanz- und Wirtschaftskrise seit spätestens 2007, wächst auch das Interesse an Kapitalismusanalysen und -kritik, für das man sich in der Soziologie noch bis vor wenigen Jahren des Verdachts des »intellektuellen Hinterwäldlertums« ausgesetzt hätte (Deutschmann 2008b: 127).

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Der Neue Geist des Kapitalismus Ausgangspunkt von Boltanskis und Chiapellos Studie bildet die Feststellung, dass gleichermaßen ein Widererstarken des Kapitalismus zu beobachten ist wie eine Zunahme an höchst unsicheren Arbeits- und Lebenslagen. Warum regt sich aber eigentlich über diesen Missstand so wenig Kritik? Unter Kapitalismus fassen Boltanski und Chiapello in einer »Minimaldefinition« (Boltanski/Chiapello 2003: 39), »die Forderung nach unbegrenzter Kapitalakkumulation durch den Einsatz formell friedlicher Mittel« (ebd.). Der fordistische Kapitalismus wurde von einem flexiblen Kapitalismus abgelöst, der nicht nur die ökonomischen Kräfte des Marktes zur Grundlage des Wachstums nehmen kann. Denn vielmehr bedarf es auch der Mitwirkung und Unterstützung von Gruppen, die nicht oder zumindest nur kaum vom Wirtschaftswachstum profitieren. Damit der Kapitalismus überhaupt fortbestehen und sich weiter entwickeln kann, bedarf es anderen, in Boltanskis und Chiapellos Verständnis, moralischen Legitimationen. Ein zentraler Bezugspunkt für die Argumentation, dass sich das Verhältnis von Ökonomie und Gesellschaft nicht in einem einseitigen Unterordnungsverhältnis des Sozialen unter das Ökonomische erschöpft, bildet Max Weber (1864-1920). Weber legte 1934 seine heute klassische Studie Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (2006) vor, in der er sich der Frage zuwandte, wieso sich der Kapitalismus vor allem in calvinistischen Gebieten verbreitet hat. Zur Beantwortung dieser Frage verweist Weber auf einen spezifischen calvinistischen Geist: Arbeit wird nicht auf ihren Zweck befragt, sie ist vielmehr zu einer religiösen Berufung geworden. Folgsamkeit und Arbeitsamkeit wurden zu Tugenden, die nicht infragegestellt wurden. Arbeit wurde fortan zu einer Bewährungsprobe für das ewige Leben. Sieben Jahrzehnte nach Weber wollen Boltanski und Chiapello nach den »moralischen Rechtfertigungsmodellen« (Boltanski/Chiapello 2003: 46) des neuen Geistes des Kapitalismus suchen. Anders als bei Weber kann aber nicht mehr das Ethos der Pflichterfüllung oder das Versprechen eines Aufstieges erklären, warum Individuen paradoxerweise bereit sind, die Ökonomisierung nahezu aller Lebensbereiche mitsamt der sich verschärfenden sozialen Ungleichheiten zu akzeptieren. 38

Um diesen neuen Geist rekonstruieren zu können, gehen Boltanski und Chiapello von unterschiedlichen Rechtfertigungslogiken aus, die wiederum als Bewährungsproben institutionalisiert sind. Bewährungsproben verschaffen bestimmten Rangordnungen Legitimität. Individuen greifen in ihren Deutungen und Handlungen auf bestimmte Ordnungen zurück, um ihr Handeln als übereinstimmend mit sozialen Normen zu rechtfertigen. Diese Rechtfertigungsordnungen verändern sich mit den Organisationsformen des Kapitalismus. Diese Gerechtigkeits- und Wertigkeitsordnungen bezeichnen sie, anlehnend an eine frühere Studie von Boltanski und Thévenot (2007) als Polis. Methodische Grundlage ihrer Rekonstruktion des neuen Geistes bildet eine Diskursanalyse, in der sie französische Managementliteratur aus zwei Zeitspannen, nämlich zwischen 1959 bis 1969 und zwischen 1989 bis 1994 vergleichen. Boltanski und Chiapello zeichnen zunächst historische Etappen des kapitalistischen Geistes nach: Im sich dem Ende neigenden 19. Jahrhundert bis in die 1930er Jahre ist der Geist dieses Kapitalismus noch »familienweltlich« geprägt (Boltanski/Chiapello 2003: 57). Die paternalistisch organisierten Unternehmen orientieren sich noch nicht vorrangig an Profitmaximierung. Die Rechtsfertigungsordnung dieses Geistes hat den Glauben in die Wissenschaften und den technischen Fortschritt zur Grundlage. Zwischen 1930 und 1960, in jener Phase, in der die kapitalistische Vergesellschaftungsform als fordistisch bezeichnet wird, steht nicht mehr der Familienunternehmer, sondern das »große, zentralisierte, durchbürokratisierte und gigantomanische Industrieunternehmen« im Zentrum (ebd.: 55). Der Unternehmensleiter wird heroisiert und seine Aufgabe besteht in der Vergrößerung des Unternehmens ins Unermessliche. Am Massenkonsum profitieren breite Bevölkerungsgruppen, die bislang vom Wohlstandswachstum ausgeschlossen waren. Unternehmen zeigen sich verantwortlich, sie bieten nicht nur Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten, sondern engagieren sich auch für die Lebenszusammenhänge der Beschäftigten. An das »industrielle Ordnungsideal« (ebd.: 56) des ersten kapitalistischen Geistes tritt in der Zusammenarbeit von Großunternehmen und Staat das Ideal sozialer Gerechtigkeit. Dieser zweite fordistische Geist wird von Boltanski und Chiapello als »Konzernkapitalismus« bezeichnet (ebd.: 57). 39

In der Managementliteratur der 1960er Jahre verdichtet sich noch das Ideal der »zielgesteuerten Unternehmensführung« (ebd.: 100). In Abgrenzung zum paternalistischen Familienunternehmer der per Vetternwirtschaft Führungsverantwortung verteilt, wird Kritik an der Unternehmensbürokratie formuliert. Sie soll sich fortan an Leistungskriterien orientieren und Seilschaften aufkündigen. In den 1990er Jahren wird ebenfalls Bürokratiekritik betrieben. Allerdings wird hier das starre Großunternehmen grundlegend in Frage gestellt, Unternehmen sollen sich verschlanken und flexibel werden. Auch die Arbeitsformen verändern sich: An die Stelle von formalen Machtstrukturen treten projektförmig zeitlich begrenzte Arbeitszusammenhänge, bei denen sich die Individuen permanent aufs Neue bewähren müssen. Des Weiteren verliert die Figur des Unternehmers an Bedeutung, der für Beschäftigte Verantwortung übernimmt. An seine Stelle tritt die marktgestützte Kontrolle. Durch die Zunahme der internationalen Konkurrenz lagern Unternehmen Geschäftsbereiche aus, die nicht mehr zum Kernbereich gehören. Der Umgang mit Flexibilität, Unsicherheit und Kreativität wird zu einer entscheidenden Qualifikation. Erfolgversprechend erscheinen Eigenschaften wie »Autonomie, Spontaneität, Mobilität, Disponibilität, Kreativität, Plurikompetenz [...], die Fähigkeit, Netzwerke zu bilden und auf andere zuzugehen, die Offenheit gegenüber Anderem und Neuem, die visionäre Gabe, das Gespür für Unterschiede [...]« (ebd.: 143). Seit den 1980er Jahren zeichnet sich ein neuer Geist des Kapitalismus ab. Bislang gültige Gegensätze von Beruf und Persönlichkeit, Arbeit und Freizeit werden aufgelöst. Flexibilität, Mobilität, Selbstverantwortung und Kreativität werden zu den neuen Leitmaximen. Charakteristische Formen von Arbeit bilden Projekt- und Netzwerkarbeit. Boltanskis und Chiapellos Argument ist es nun, dass die traditionelle Sozialkritik durch einen neuen Typus der Kritik überholt wurde, den sie als Künstlerkritik benennen. Die Sozialkritik, die vor allem von der Arbeiterbewegung formuliert wurde, richtet sich gegen soziale Ungleichheiten, Armut und Ausbeutung, gefordert wurde Umverteilung und eine Orientierung an Solidarität. Die Künstlerkritik hat demgegenüber in Intellektuellen- und Künstlerkreisen ihren Ort. In diesem Typus der Kritik wird fehlende Kreativität und »Sinnverlust« bemängelt, es geht 40

um das »verloren gegangene Bewusstsein für das Schöne und Große als Folge der Standardisierung und der triumphierenden Warengesellschaft« (ebd.: 81). Die Ideale der Künstlerkritik bilden Autonomie, Freiheit, Authentizität und Einzigartigkeit. Künstlerund Sozialkritik seien zwar untrennbar miteinander verbunden, unterscheiden sich aber in einigen wesentlichen Aspekten voneinander. Der Clou der Argumentation von Boltanski und Chiapello besteht nun darin, dass sie zeigen, dass es die Kritik selbst ist, die zu einem »wirkungsmächtigen Motoren des Kapitalismus« mutiert ist (ebd.: 86): »Indem die Kritik ihn [den Kapitalismus, M.M.] dazu zwingt, sich zu rechtfertigen, zwingt sie ihn zu einer Stärkung seiner Gerechtigkeitsstrukturen und zur Einbeziehung spezifischer Formen des Allgemeinwohls, in dessen Dienst er sich vorgeblich stellt.« (Ebd.) Der Kapitalismus hat sich seit den 1960er Jahren die Künstlerkritik einverleibt. Demzufolge konnte der Kapitalismus in dieser Phase deshalb so erfolgreich aufsteigen, weil er die Künstlerkritik, wenn auch nicht vollständig, umsetzen konnte. Indem Autonomie und Kreativität zu den zentralen Maximen der Arbeitswelt wurden, verloren sozialkritische Forderungen nach Befreiung aus unwürdigen Arbeitsbedingungen und Ausbeutungsverhältnissen ihren Protestgehalt. Mit den veränderten Organisationsformen, die vor allem auf Mobilität und Flexibilität setzten, wurde es schließlich für die Gewerkschaften immer schwerer, ihre sozialkritischen Forderungen umzusetzen. Auch die Soziologie nehmen Boltanski und Chiapello in die Pflicht. Die Soziologie wandte sich seit den 1970er Jahren zunehmend von der Analyse von Klassen ab. Damit trug sie ebenfalls dazu bei, das Soziale jenseits von Klasse zu denken. Paradoxerweise wurden in der Soziologie Klassenanalysen just zu dem Zeitpunkt verabschiedet, als die als sicher geglaubte Arbeitswelt aus den Fugen geriet. Boltanskis und Chiapellos umfangreiche Studie schließt mit einem Plädoyer für eine Wiederbelegung der Sozialkritik, die auf die Verringerung sozialer Ungleichheiten der »vernetzten Welt« (ebd.: 574) abzielt. Da aber auch die Themen der Künstlerkritik weiterhin aktuell sind, sollten auch ihre Themen aufgenommen werden. Es muss zukünftig vor allem um die richtige Balance der beiden Kritiktypen gehen.

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Rezeption und Wirkung Boltanskis und Chiapellos Studie wird im deutschsprachigen Raum mit großem Interesse wahrgenommen, was u.a. darauf zurückführen ist, dass hierzulande ähnliche Phänomene debattiert werden (unternehmerisches Subjekt, Subjektivierung von Arbeit) und dass sie einen Weg der Bearbeitung finden, mit dem sie »ausgetretene Pfade der Kapitalismuskritik« (Peter 2011: 82) verlassen. Ihre originelle These, dass der Kapitalismus sich weiterentwickelt, in dem er sich Kapitalismuskritik einverleibt, wird intensiv diskutiert (Eickelpasch/Rademacher/Lobato 2008, Hessinger/Wagner 2008). Vor diesem Hintergrund ist das Verdienst der Studie vor allem darin zu sehen, dass sie die Debatte zu Kapitalismuskritik neu befeuert hat. Die Rezeption der Studie wird aber auch durch die Diskussion ihrer theoretisch-konzeptionellen und methodischen Schwächen und Verkürzungen bestimmt, vor dessen Hintergrund ihr Titel vollmundig erscheint: So wird bezweifelt, ob aus einer Diskursanalyse von Managementratgebern solch weitreichende Befunde über Rechtfertigungsordnungen der gesamten Arbeitswelt gezogen werden können (Deutschmann 2008b, Wagner 2008). Die Studie erscheint merkwürdig homogen, wo es erhellender gewesen wäre, jene Widersprüche herauszuarbeiten, die sich offenbaren, wenn man sich der Frage zuwendet, ob und wie sich die Akteur_ innen den neuen Geist aneignen oder eben auch nicht (Koppetsch 2004). Zwar liefern Boltanski und Chiapello Befunde zum neuen Geist des Kapitalismus, sie vernachlässigen aber seine ökonomische Struktur sowie die zentrale, auch symbolische Funktion des Geldes (Deutschmann 2008b). Ihre Analyse blendet zudem Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis aus, da sie die Zuweisung der vergeschlechtlichten Aufgabenteilung in der Produktions- und Reproduktionssphäre ignorieren (Fraser 2009, Holtgrewe 2008). Schließlich ist das Konzept der Künstlerkritik in ihrer Gegenüberstellung zur Sozialkritik unhaltbar (Lazzarato 2007). Der Ansatz einer pragmatischen Soziologie der Kritik fordert die Prekarisierungsdebatte aber vor allem aus dem Grund heraus, weil hier anders als bei den Durkheimianern Castel und Bourdieu von der Handlungsfähigkeit der Akteure ausgegangen wird (Celikates 2009) – ihnen somit nicht unterstellt wird, sie wäre durch Prekarisierung zersetzt worden (Bescherer 2013). 42

3. Strukturwandel der Erwerbsarbeit

3.1 Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung In der Arbeits- und Industriesoziologie wird ein fundamentaler Strukturwandel von Erwerbsarbeit konstatiert. Die Vergleichsfolie vor dessen Hintergrund dieser Wandel konstatiert wird, bildet in der Regel das männliche Normalarbeitsverhältnis. Prekarisierung, hier verstanden als Erosion des männlichen Normalarbeitsverhältnisses, bildet einen Motor des Strukturwandels. Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Strukturwandels wird in der veränderten Bedeutung von subjektiven Potenzialen in Arbeitsprozessen gesehen (Kleemann/Matuschek/Voß 2003, Moldaschl/ Voß 2003), wobei sich die Forschungen vor allem auf Angestellte mit guter bis hoher Qualifikation richten. Unter dem Stichwort der normativen Subjektivierung von Arbeit zeigt etwa Martin Baethge (1990) am Beispiel von gut qualifizierten Angestellten in Dienstleistungsberufen, dass sich eine sukzessive Zunahme von individuellen Ansprüchen, Bedürfnissen und Forderungen an Erwerbsarbeit abzeichnet. Während Baethge veränderte individuelle Ansprüche betont, argumentieren Manfred Moldaschl und G. Günter Voß (2003), dass die Arbeitsorganisationen subjektive Potenziale von den Beschäftigten auch stärker einfordern. Die Subjektivität der Beschäftigten, die in fordistischen Unternehmen noch als Störfaktor des Arbeitsprozesses galt, ist zu einer verwertbaren Ressource geworden. Frank Kleemann et al. (2003) sprechen mit Blick auf die einerseits veränderten Ansprüche nach Selbstverwirklichung und anderseits veränderten Zugriffe der Arbeitsorganisationen auf die ganze Person der Beschäftigten von einer doppelten Subjektivierung von Arbeit. Umfassende Veränderungen in der Erwerbssphäre werden zudem mit dem Begriff der Entgrenzung beschrieben, wobei Entgrenzungen (Döhl/Katzer/Sauer 2000, Kratzer 2003, Voß/Pongratz 1998) sowohl auf Makro-, wie auf Meso-, und Mikroebene beobachtet werden. Voß und Pongratz (1998) unterscheiden verschiedene Dimensionen der Entgrenzung: Die Flexibilisierung von Zeit bedeutet zum Beispiel, dass die Dauer und Länge der Arbeitszeit permanent zur Disposition steht. Mit Blick auf Raum gibt es eine Auflösung der fordistischen Kopplung von Unternehmen und 43

Arbeitstätigkeit, Arbeit findet zunehmend zuhause oder unterwegs statt. Durch die Zunahme an Gruppen- und Projektarbeiten wird die Kontrolle von Arbeit in die Verantwortung der Beschäftigten verlagert. Von den Beschäftigten wird eine hohe fachliche Flexibilität erwartet. Sinnhafte und motivationale Faktoren gewinnen an Bedeutung, Beschäftigten sollen selbst initiativ werden. Schließlich werden in der Dimension Technik zunehmend Eigenleistungen gefordert. Prekarisierung, hier verstanden als Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, kann als ein Motor von Entgrenzungsprozessen betrachtet werden. Schließlich basiert der skizzierte Wandel auch maßgeblich auf der Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse, die spezifische Entgrenzungsrisiken bergen: Wie im Folgenden noch ausgeführt wird, gibt es in der Leiharbeit keine festen Arbeitsorte mehr (siehe Kap. II/3.6) und bei den Solo-Selbstständigen (siehe Kap. II/3.7) entgrenzen sich Arbeits- und Privatsphären in zeitlichen und räumlichen Dimensionen. Neben einer Subjektvierung und Entgrenzung von Arbeit wird des Weiteren auch ein neuer Idealtypus (Max Weber) von Arbeitskraft beobachtet. Voß und Hans J. Pongratz (1998) gehen davon aus, dass die Erosion der fordistischen Strukturen von Erwerbsarbeit zu einer Verbetrieblichung der alltäglichen Lebensführung führte. Wenn aus dem »proletarisierter Lohnarbeiter« ein fordistischer Typus des »verberuflichten Arbeitnehmers« wurde, wird dieser in Zukunft vom verbetrieblichten »Arbeitskraftunternehmer« abgelöst (ebd.: 26). Charakteristisch für das Aufkommen diesen Typus ist, dass die Arbeitenden selbst die Arbeitssteuerung und Kontrolle für ihre Tätigkeiten übernehmen. An die Stelle direkter Vorgaben treten indirekte Steuerungsmechanismen wie etwa Zielleistungsvereinbarungen. Eng mit den Überlegungen zum Arbeitskraftunternehmer verbunden, wird auch die These einer Intensivierung der Nutzung von Arbeitskraft debattiert. Um mit weniger Personal mehr zu leisten, sollen die Beschäftigten in weniger Zeit mehr Leistung erbringen. Eine weitere veränderte Tendenz wird unter dem Begriff der Vermarktlichung (Lohr/Nickel 2005, Moldaschl/Sauer 2000) beschrieben. Vermarktlichung meint die Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Bereichen, eben auch solcher, die vormals außerhalb ökonomischer Kalküle standen. Wenn auch nicht unter dem 44

Begriff der Vermarktlichung wird etwa in den Gouvernementalitätsstudien diskutiert, wie das Unternehmerische in der Gegenwart zu einer Subjektivierungsweise geworden ist. Foucault rekonstruierte in seiner Auseinandersetzung mit dem deutschen Ordoliberalismus eine »Verallgemeinerung der Form des ›Unternehmens‹«, in der das »Leben des Individuums selbst« zu einem Unternehmen geworden ist (Foucault 2006b: 334). Ulrich Bröckling (2007) greift auf Foucaults Überlegungen zurück und zeigt auf Grundlage einer Diskursanalyse von Managementliteratur, wie das Unternehmerische in der Gegenwart zur Leitmaxime geworden ist. Alle werden dazu aufgerufen, sich kreativ, flexibel, eigenverantwortlich und risikobewusst zu verhalten. In allen gesellschaftlichen Bereichen gilt das Diktat der Selbstoptimierung. Bröckling betont dabei, dass die Herausbildung eines unternehmerischen Selbst als Subjektivierungsweise zu verstehen ist, also ein »Subjekt im Gerundivum – nicht vorfindbar, sondern hervorzubringend« (ebd.: 125). Auch wenn damit noch die Frage ausbleibt, wie Individuen mit dieser Adressierung umgehen, stellt Bröckling sehr deutlich das Unbehagen heraus, dass mit dem unternehmerischen Selbst in Verbindung steht: »die Unabschließbarkeit der Optimierungszwänge, die unerbittliche Auslese des Wettbewerbs, die nicht zu bannende Angst vor dem Scheitern« (ebd.: 17). Schließlich bildet die Kehrseite des unternehmerischen Subjektes das erschöpfte Selbst, das müde geworden ist, es selbst zu sein, wie Alain Ehrenberg (2008) in seiner Studie über Depressionen argumentiert (so der Titel des französischen Originals). Mit diesen Konzepten – Subjektivierung von Arbeit, Entgrenzungen, Arbeitskraftunternehmer, Vermartklichung, unternehmerisches Selbst – verweist die Arbeits- und Industriesoziologie auf die Widersprüche und Ambivalenzen der Erwerbssphäre. Prekarisierung kann zum einen als Tendenz beschrieben werden, die diese Entwicklungen, mit der Erosion des Normalarbeitsverhältnis, erst ins Rollen gebracht hat. Andererseits ist diesen Dynamiken immer auch »prekäres Potenzial« (Mayer-Ahuja 2003) inhärent, dass sich je nach Ressourcenlage zu einer prekären Lebenslage verfestigen kann. Bisher ist aber eine prekarisierungstheoretische Deutung dieser Phänomene noch weitgehend ausgeblieben.

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Kritik an den Diagnosen der Subjektivierung und Entgrenzung von Arbeit An diesen Angeboten, die veränderte Erwerbarbeitswelt zu beschreiben, hat sich in der Arbeits- und Industriesoziologie viel Kritik entzündet. Am Entgrenzungsbegriff wird Unschärfe bemängelt, äußerst heterogene Phänomene werden unter einen Begriff homogenisiert (Mayer-Ahuja/Wolf 2005). Die Entgrenzungsthese tritt zwar mit der Behauptung an, die Sphärentrennung zwischen Arbeit und Leben würde erodieren, mit Ausnahme geschlechtersoziologischer Arbeiten (Jurczyk/Voß 2000, Jürgens 2006, Kratzer/Sauer 2007, Wimbauer 2012) richtet sich das Forschungsinteresse aber nahezu ausschließlich auf die Erwerbssphäre und unterschlägt somit das Leben sowie das Wechselverhältnis zwischen Arbeit und Leben (siehe Kap. III/6.2). Entgrenzung und doppelte Subjektivierung von Arbeit werden als allumfassende Tendenzen generalisiert, wobei die Forschungen vielmehr spezifische Gruppen, etwa Hochqualifizierte, oder spezifische Segmente, wie Medienberufe, in den Blick nehmen (Aulenbacher 2005). Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit sind schließlich nicht nur geschlechtsblinde Konzepte (Aulenbacher 2005, Henninger 2005, Lohr/Nickel 2005), die These der Zunahme des Subjektiven, welche die Ansätze proklamieren, korreliert zudem mit einer eigentümlichen Unterbestimmung dessen, was eigentlich das Subjektive, die ganze Person oder das Selbst sein soll (Rau 2010). Subjekte erscheinen in der Subjektivierung von Arbeit-Debatte entweder als »vorgängig existent« oder als »Effekte des Produktionsregimes« (Pieper 2013: 118). Letztlich erweist sich die national begrenzte Ausrichtung als kritikwürdig. In den international ausgerichteten postoperaistischen Debatten werden unter dem Stichwort der immateriellen Arbeit sehr ähnliche Phänomene diskutiert (siehe Kap. IV/3). Hier werden fruchtbare Impulse verschenkt.

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3.2 Atypische Beschäftigung und das Normalarbeitsverhältnis Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre wird auch in Deutschland von einer Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse gesprochen, während Beschäftigungen im Normalarbeitsverhältnis rückläufig sind.8 In Zahlen ausgedrückt: Seit den 1990er Jahren ist der Anteil an atypischen Beschäftigungsformen von 20 Prozent im Jahr 1991 auf 38 Prozent im Jahr 2010 angestiegen, wobei Solo-Selbstständige ausgenommen wurden (Keller/Seifert 2013: 37). Demgegenüber ist die Beschäftigungsquote im Normalarbeitverhältnis von 37 Prozent im Jahr 1985 auf 33,9 Prozent im Jahr 2005 gesunken (Schmid 2008: 358). Die Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse wird häufig als das Kernthema der Prekarisierungsdebatte wahrgenommen, wobei die ab dem Jahr 2003 erfolgte Einführung der HartzGesetze als Motor für die Ausweitung unsicherer Arbeitsplätze verstanden werden. Tatsächlich wurden unsichere Beschäftigungsverhältnisse durch die Arbeitsmarktreformen forciert, allerdings bilden atypische Beschäftigungsverhältnisse kein neues Phänomen, wenn man etwa die Beschäftigungssituation von Frauen und Migrant_innen berücksichtig. Zudem verstärkten die Hartz-Gesetze vielmehr einen sich bereits abzeichnenden Trend (Bosch 2013, Keller/Seifert 2013). Dennoch wird mit den Hartz-Gesetzen ein Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik etabliert. Vor den Hartz-Gesetzen setzte die aktive Arbeitsmarktpolitik auf Prävention und Statussicherung. Sie erachtete Erwerbslosigkeit als Problem, dass einer gesellschaftlichen Problemlösung bedurfte (Scherschel/Booth 2012). Die Hartz-Reformen erheben Aktivierung und Eigeninitiative zu den Maximen der neuen Arbeitsmarktpolitik. Grundgedanke des neuen Paradigmas bildet die Annahme, dass staatliche Unterstützungsleistungen Passivität befördern. Erwerbsarbeitslose müssen zu Eigeninitiative und Eigenverantwortung aktiviert werden. Der Staat soll bei den Bemühungen der Erwerbslosen um Arbeit ansetzen, sie kontrollieren und ihnen individuell passgenaue Programme zur Wiedereingliederung anbieten. Möglichst alle Erwerbsfähigen sollen in Beschäftigung gebracht werden, wobei die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse nachrangig ist. Um die47

ses Ziel zu erreichen, soll der Arbeitsmarkt flexibilisiert werden, so dass möglichst keine Barrieren für Beschäftigungsverhältnisse im Weg stehen. In der Öffentlichkeit wird auch weiterhin der Hilfsbezug vor allem mit Langzeitarbeitslosen in Verbindung gebracht. Tatsächlich ist die Grundsicherung aber längst zu einer Transferleistung für Erwerbstätige geworden. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (2013) sind ein Drittel aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erwerbstätig (Stand September 2013). Eine Folge der Arbeitsmarktreformen besteht darin, dass auch in konjunkturschwachen Zeiten die Arbeitslosigkeit kaum bzw. nicht gestiegen ist und tatsächlich die Anzahl an Langzeitarbeitslosen gesunken ist. Diese Reduzierung ist somit die andere Seite der Medaille, die den Ausbau atypischer Beschäftigung bedeutet. Dörre et al. sehen in dem Aktivierungsregime deshalb auch den Übergang von einer »fordistischen Vollbeschäftigungs- zu einer prekären Vollerwerbsgesellschaft« (2013: 33). Atypisch bezeichnet die Abweichung vom männlichen Normalarbeitsverhältnis. Ulrich Mückenberger (1985, 2010), der diesen Begriff Mitte der 1980er Jahre prägte, benannte folgende Kriterien, die erfüllt sein müssen, so dass ein Normalarbeitsverhältnis vorliegt: Das Beschäftigungsverhältnis ist unbefristet, es wird in Vollzeit ausgeübt, es besteht eine Integration in Sicherungssysteme (Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung), eine Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis liegt vor und zwischen Arbeitnehmer und -geber besteht Weisungsgebundenheit. Schließlich sichert das Entgelt, das erzielt wird, die Existenz der gesamten Familie, weswegen von einem Familienlohn gesprochen wird. Das männliche Normalarbeitsverhältnis bildete in den 1970er Jahren in doppelter Hinsicht einen Standard: Es beschrieb eine statistische Normalität, da zwar niemals alle, aber dennoch die Mehrheit der männlichen Beschäftigten in Arbeitsverhältnissen standen, die den Kriterien des Normalarbeitsverhältnissen entsprachen. Es bildete darüber hinaus aber auch eine Norm, an der sich die Gesetzgebung, Tarifverträge und auch die Sozialversicherung orientierten. Atypisch bezeichnet zunächst die Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis. Der soziologische Sprachgebrauch trägt hier der historischen Begriffsentwicklung Rechnung. In der Realität erscheint es aber paradox: Atypische Beschäftigung ist 48

heute normal, während das Normalarbeitsverhältnis seltener geworden ist. Als atypisch werden in der Regel geringfügige (Mini- und Midijobs) und befristete Beschäftigung, Solo-Selbstständige, Leiharbeit und sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit bezeichnet (Keller/Seifert 2011). Die häufigste atypische Beschäftigungsform in Deutschland bildet Teilzeitarbeit. Die Ausweitung von Teilzeitarbeitsverhältnissen basiert hierbei vorwiegend auf dem Anstieg weiblicher Erwerbsbeteiligung (siehe III/3.1). Neben sozialversicherungspflichtigen Teilzeitverhältnissen ist auch der Anteil an geringfügiger Beschäftigung, vor allem an Minijobs gestiegen, auch hier sind Frauen überrepräsentiert. Geringfügige Beschäftigung wurde bis 2003 als ein Konstrukt diskutiert, dass – zumindest für Männer – entweder eingedämmt oder stärker mit sozialen Absicherungen verknüpft werden soll. Dies hat sich seit den Arbeitsmarktreformen von 2003 grundlegend verändert. Seitdem wird der Minijob, wie die Beschäftigungsform seitdem heißt, als Möglichkeit zur Flexibilisierung der Erwerbsarbeitsmärkte betrachtet (Voss/Weinkopf 2012). Die bis 2003 gültige Arbeitszeitbegrenzung auf 15 Stunden wurde ersatzlos gestrichen und die Geringfügigkeitsgrenze auf 450 Euro angehoben. Bis zu dieser Einkommensgrenze sind von den Beschäftigten keine oder zumindest kaum Steuern zu entrichten. Eine soziale Absicherung ist im Gegenzug ebenso nicht vorgesehen. Minijobs werden in der Arbeitsmarktforschung vor allem dann als problematisch angesehen, wenn sie die einzige Form der Erwerbsarbeit bilden. In Minijobs gelingt nur äußerst selten der Übergang in eine existenzsichernde Beschäftigung. Des Weiteren ist es auch für die Arbeitgeberseite nicht attraktiv, den Minijob in eine sozialversicherungspflichtige Teil- oder Vollzeitstelle zu überführen. Minijobs begründen schließlich Altersarmut, da kaum Alterssicherungsansprüche aufgebaut werden können. Es sind auch vorwiegend atypisch Beschäftigte, die Niedriglöhne beziehen. Hand in Hand mit der Ausweitung der atypischen Beschäftigung hat seit den 1990er Jahren auch Niedriglohnbeschäftigung deutlich zugenommen (Bosch/Weinkopf 2007). Die bundesweite Niedriglohnschwelle, definiert durch zwei Drittel des mittleren Stundenlohns, betrug im Jahr 2012 9,30 Euro (Kalina/ Weinkopf 2014). Im gleichen Jahr arbeiteten 24,3 Prozent aller ab49

hängig Beschäftigten für einen Lohn, der geringer war als diese Niedriglohnschwelle. Die faktische Stundenlöhne im Niedriglohnsektor liegen weit unter der Niedriglohnschwelle. Im EU-Vergleich liegt Deutschland mit dieser Niedriglohnentwicklung auf Platz sieben (hinter Lettland, Litauen, Rumänien, Polen, Estland und Zypern). Im Jahr 2010 bezogen im EU-Durchschnitt 17 Prozent einen Niedriglohn, in Deutschland waren es in diesem Jahr 22,2 Prozent (Schulten 2013). Um der Niedriglohnentwicklung entgegenzutreten, wurde 2015 mit einer Übergangsfrist bis 2017 der bundesweit gesetzliche Mindestlohn von 8.50 Euro eingeführt, wobei noch Ausnahmeregelungen diskutiert werden. Atypische und prekäre Beschäftigungen bilden aber keine Synonyme. Atypische Beschäftigungsverhältnissen wird vielmehr ein hohes Prekaritätsrisiko nachgesagt (Keller/Seifert 2013), gerade mit Blick auf Einkommen und soziale Absicherungen, wobei sich die genannten unterschiedlichen atypischen Beschäftigungsverhältnisse bezüglich ihrer Prekaritätsrisiken stark unterscheiden.

3.3 Prekäre Beschäftigungsverhältnisse Prekäre Beschäftigung ist zunächst ein schillernder Begriff. Es gibt weder im deutschsprachigen Raum noch in internationalen Debatten eine Übereinkunft darüber, was prekäre Beschäftigung ist und wie sie erforscht werden kann. Die Bestimmungen variieren, da der Begriff in unterschiedliche Forschungstraditionen gebettet wird (Armutsforschung in Frankreich, Arbeitsforschung in Deutschland) und sich auch die Kontexte des Arbeitsmarktes und der Sozialpolitik stark unterscheiden. Bourdieu und Castel akzentuieren, wie bereits deutlich wurde, ein maximal weites Verständnis der Begriffe, da es ihr Anliegen war, auf gesellschaftliche Desintegrationsprozesse aufmerksam zu machen. Was für die theoretische Weiterentwicklung von Prekarisierung anregend ist, erweist sich für die empirische Forschung aber als problematisch, da Datenerhebungs- und Auswertungsprozesse erfordern, dass eingrenzbare Gruppen bestimmt werden. Die empirische Forschung ist auf eine präzise Grenzziehung von prekärer und nicht prekärer Beschäftigung angewiesen. Eine der ersten Definitionsversuche im deutschsprachigem Raum stammt von Nicole Mayer-Ahuja (2003: 15). Sie bestimmt die50

se als »Unterschreitung von materiellen Standards, von durch Arbeits- und Sozialrecht, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegten rechtlichen Standards sowie von ›normalen‹ betrieblichen Integrationsstandards, die vor allem in der geringeren Einbindung in kollegiale Strukturen und der eingeschränkten Repräsentanz durch betriebliche und gewerkschaftliche Interessenvertretungen zum Ausdruck kommt.« Hier wird prekäre Beschäftigung als Unterschreitung konzipiert, wobei Interessenvertretungen eine zentrale Rolle erhalten. Eine prominente Definitionsbestimmung stammt zudem vom US-amerikanischen Soziologen Arne L. Kalleberg (2008: 2): »By ›precarious work‹, I mean employment that is uncertain, unpredictable, and risky from the point of view of the worker.« Anders als in der Bestimmung von atypischen Beschäftigungsverhältnissen geht es nicht nur um objektive Strukturen, sondern auch um die subjektive Wahrnehmung des Arbeitsverhältnisses. Von Ullrich Brinkmann, Klaus Dörre und Silke Röbenack (2006) stammt, wie in der Einleitung bereits erwähnt, der Vorschlag, die Begriffe Prekarisierung, Prekarität und prekäre Beschäftigung zu differenzieren, so dass die Provokation der weiten Konzeption von Castel und Bourdieu nicht vergessen aber dennoch eine empirische Analyse möglich wird. Ein Beschäftigungsverhältnis ist demnach prekär, wenn »die Beschäftigten aufgrund ihrer Tätigkeiten deutlich unter ein Einkommens-, Schutz- und soziales Integrationsniveau sinken, das in der Gegenwartsgesellschaft als Standard definiert und mehrheitlich anerkannt wird. Und prekär ist Erwerbsarbeit auch, sofern sie subjektiv mit Sinnverlusten, Anerkennungsdefiziten und Planungsunsicherheit in einem Ausmaß verbunden ist, das gesellschaftliche Standards deutlich zuungunsten der Beschäftigten korrigiert« (ebd.: 17). An ihrer Bestimmung fällt nicht nur auf, dass sie objektive und subjektive Dimensionen berücksichtigen, sie betonen zudem auch die Relationalität prekärer Beschäftigung. Eine Beschäftigung ist somit niemals an sich prekär, ihre Bestimmung als prekär ist »wesentlich von der Definition gesellschaftlicher Normalitätsstandards abhäng[ig]« (ebd.). Schließlich benennen sie drei Dimensionen: eine materiell-reproduktive, eine institutionell-rechtliche und eine sozial-kommunikative Dimension. 51

Mit Castels Zonenmodell gehen die Autor_innen von einer Zone der Prekarität aus, die sich von der Zone der Integration und der Zone der Entkopplung unterscheidet. Prekarisierung steht für den »sozialen Prozess«, »über den die Erosion von Normalitätsstandards auf die Integrierten zurückwirkt« (ebd.). Damit ist gemeint, dass sich Prekarisierung nicht nur in der Zone der Prekarität erschöpft, sondern, mit Castel und Bourdieu gesprochen, sich vielmehr »restrukturierend auf die gesamte Arbeitsgesellschaft« rückwirkt (ebd.). Ein prekäres Erwerbsarbeitsverhältnis kann anders als ein atypisches Beschäftigungsverhältnis nicht negativ über das Normalarbeitsverhältnis bestimmt werden. Auch bildet eine atypische nicht zwingend eine prekäre Beschäftigung. Dies zeigen Alexandra Manske und Janet Merkel (2009) am Beispiel des Kulturbereiches, in dem das Normalarbeitsverhältnis nie einen Referenzpunkt bildete. Demzufolge wäre es unzureichend, Kreative, wie etwa in der Werbe- oder Filmindustrie, als atypisch beschäftigt zu bezeichnen. Gleiches gilt für Selbstständige in der IT-Branche. Vielmehr zeigt sich eine, so Manske (2007), Prekarisierung auf hohem Niveau: Sie haben weder ein stetes Einkommen, noch sind sie sozialrechtlich abgesichert, dafür weisen sie aber eine hohe »arbeitsinhaltliche Identifikation auf« (Manske/Merkel 2009: 300). Vor diesem Hintergrund diskutiert Dörre (2006a) das Verhältnis von flexibler und prekärer Beschäftigung: Zwar sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse immer flexibel, dennoch können sich flexible Beschäftigungsverhältnisse als nicht prekär erweisen. Ähnlich argumentiert Klaus Kraemer (2008), der eine Verbindung von Struktur und Formen der Beschäftigungen vorschlägt. Unter Struktur der Beschäftigung fasst er den Vertrag, das Einkommen, die Existenz eines Kündigungsschutzes und Sozialleistungen. Mit Form sind sinnhaft-subjektbezogene und sozialkommunikative Dimensionen gemeint. Kraemer sieht den Vorzug der Unterscheidung von Struktur und Form darin, dass erklärbar wird, warum die von ihm Befragten hochqualifizierten IT-Experten auch trotz flexibler und befristeter Beschäftigung eine hohe Zufriedenheit mit ihrer Beschäftigung aufweisen, während ebenfalls interviewte Fachverkäuferinnen im Einzelhandel mit unflexiblen und unbefristeten Vertrag sich sehr unzufrieden äußern. 52

Aber auch die Berücksichtigung der Struktur und der Form der Beschäftigung ist noch nicht ausreichend, um Rückschlüsse auf eine prekäre Erwerbslage zu ziehen. Vielmehr bedarf es einer dynamischen Analyse, also der Berücksichtigung von Beschäftigungsstrukturen und -formen im Zeitverlauf. Die IT-Expert_innen können etwa eine stabile Erwerbsbeteilung vorweisen, obwohl sie aufgrund der Projektförmigkeit ihrer Beschäftigung ihre Auftraggeber_innen permanent wechseln und es auch Phasen ohne Aufträge geben kann. Um prekäre Lebenslagen zu erfassen, muss des Weiteren der Haushaltskontext betrachtet werden. Denn eine prekäre Beschäftigungssituation kann in einem Haushalt abgefangen werden, wenn es in dem Haushalt ein weiteres Einkommen gibt. Andererseits kann sich aber auch die prekäre Erwerbslage verschärfen, wenn diese ausbleibt. Durch eine Trennung oder den Tod des Partners kann sich plötzlich die Lebenslage ändern. Die Berücksichtigung der Struktur und der Form von Erwerbsarbeit im Zeitverlauf und im Haushaltskontext liefert Hinweise für das objektive Risiko prekärer Erbwerbsverläufe. Schließlich betont auch Kraemer die subjektive Bewertung der prekären Situation. Der Autor schlägt vor, hierbei von »gefühlter Prekarisierung« (ebd.) zu sprechen, Kraemer und Speidel (2005: 376) schlagen den Begriff »Prekarisierungsängste« vor. Damit wird indiziert, dass die subjektive Wahrnehmung der Unsicherheit durchaus die objektiv beschreibbare Unsicherheit übersteigen kann. Prekarisierungsängste sind deshalb oft latente Emotionen. Dieses Phänomen lässt sich etwa beobachten, wenn die Stammbelegschaft der Automobilindustrie mit Leiharbeitskräften konfrontiert wird. Obwohl das Personal der Stammbelegschaft eine in der Struktur sichere Beschäftigung aufweist, haben auch sie Angst, Sicherheiten zu verlieren. Diese gefühlte Prekarisierung ist vor allem in Mittelklasselagen vorzufinden, während die »erlebte Prekarisierung« in »unterprivilegierten Arbeitsmarktlagen« vorzufinden ist (Kraemer 2008: 88). Einen spannender Anschluss an dieser Stelle stellt eine Studie von François Dubet (2008) dar, der – ebenfalls subjektorientiert – die Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz in Frankreich rekonstruiert. Zwar stellt er nicht prekäre Beschäftigung ins Zentrum seiner Analyse, er konfrontiert die Soziologie 53

aber eindrucksvoll mit der Einsicht, dass nur bestimmte in der Arbeitswelt auftretende Ungleichheiten als ungerecht erlebt werden. Die Bewertung von Ungleichheit am Arbeitsmarkt wird durch die drei Gerechtigkeitsprinzipien Gleichheit, Autonomie und Leistung bestimmt. Das Prinzip der Gleichheit sehen viele Angestellte mit geringer oder mittlerer Qualifikation missachtet, nicht weil sie gering entlohnt werden oder kaum Mitspracherechte besitzen, sondern weil sie sich von ihren Vorgesetzten wie Menschen zweiter Klassen behandelt fühlen. Ob und wenn ja, wie gefühlte und erlebte Prekarisierung hierbei als ungerecht erfahren werden, ist noch eine offene Frage. Hier steht noch die Verknüpfung zur empirischen Gerechtigkeitsforschung aus.

3.4 Das Integrationsparadoxon prekärer Erwerbsarbeit Desintegrationsprozesse in der Erwerbssphäre wurden bislang als Phänomene diskutiert, die mit dem Ausschluss aus Erwerbsarbeit (Arbeitslosigkeit) zusammenhängen. Das Forschungsteam um Dörre fordert die arbeit- und industriesoziologische Forschung mit der These heraus, dass erwerbsarbeitsbezogene Integrationspotenziale nicht nur durch das Fehlen von Arbeit geschwächt werden, sondern auch durch die Ausbreitung prekärer Arbeitsverhältnisse (Brinkmann/Dörre/Röbenack et al. 2006, Castel/Dörre 2009, Kraemer/Speidel 2005). Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse bilden in dieser Hinsicht keine »Randphänomene« der Arbeitsgesellschaft (Dörre 2006b: 181). Vielmehr wird ihre »soziale Integrationskraft« (ebd.) geschwächt, in dem Prekarisierungsprozesse weit in jene Bereiche eindringen, die als gesichert gelten. Zur Entwicklung dieser These nehmen sie Castels Zonenmodell als heuristische Grundlage. Auf diese Weise sollen Erkenntnisse über das Ausmaß und die subjektive Verarbeitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland gewonnen werden. Prekarisierungsprozesse versteht Dörre (ebd., Dörre/Sauer/ Wittke 2012) als Produkte veränderter kapitalistischer Produktionsweisen, wobei der fordistische Modus des Kapitalismus vom Modus des Finanzmarktkapitalismus (Deutschmann 2008a, Windolf 2005) abgelöst wurde. Die Finanzkrisen seit 2007 werden als Zeichen einer Abkopplung von der sogenannten Realwirtschaft und den Finanzmärkten interpretiert. Das bedeutet, dass sich die 54

Geldkreisläufe der Finanzmärkte wegen ihrer hohen Wachstumsraten verselbstständigt haben. Für den Finanzmarktkapitalismus ist charakteristisch, dass er über Aktienmärkte gesteuert wird, auf dem sogenanntes fiktives Kapital, also etwa Wertpapiere, gehandelt werden. Mit der Einführung des Shareholder Value, dem Prinzip, den Unternehmenswert zu erhöhen, wird Profitmaximierung zum obersten Unternehmensziel. Bei den Investmentfonds bündelt sich das Eigentum, das wiederum in hoher Konkurrenz um die höchste Rendite steht. Die Investmentfonds übertragen den Konkurrenzdruck der Finanzmärkte auf die Unternehmen, die wiederum die Marktrisiken nicht abfedern, sondern sie direkt an die Beschäftigten weitergegeben. Auch wenn Unternehmen hohe Renditen erzielen, werden Personalkosten knapp kalkuliert, so dass atypische Beschäftigungsformen für Unternehmen attraktiv werden. Die Durchsetzung eines »flexibel marktzentrierten Produktionsmodells« fördert somit den Ausbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Dörre 2006b: 183), womit sich die Arbeitsgesellschaft in Zonen aufspaltet. Schaubild 1: Die (Des-)Integrationspotenziale von Erwerbsarbeit – eine Typologie Zone der Integration 1. Gesicherte Integration (»Die Gesicherten«) 2. Atypische Integration  (»Die Unkonventionellen« oder »Selbstmanager«) 3. Unsichere Integration (»Die Verunsicherten«) 4. Gefährdete Integration (»Die Abstiegsbedrohten«) Zone der Prekarität 5. Prekäre Beschäftigung als Chance/temporäre Integration  (»Die Hoffenden«) 6. Prekäre Beschäftigung als dauerhaftes Arrangement  (»Die Realistischen«) 7. Entschärfte Prekarität (»Die Zufriedenen«) Zone der Entkopplung 8. Überwindbare Ausgrenzung (»Die Veränderungswilligen«) 9. Kontrollierte Ausgrenzung/inszenierte Integration  (»Die Abgehängten«) Quelle: Brinkmann/Dörre/Röbenack et al. 2006: 55.

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Dörre (2006b) und sein Team differenzieren hierbei das Castel’sche Vier-Zonen-Modell durch neun typische Verarbeitungsformen der (Des-)Integration durch Erwerbsarbeit (Schaubild 1). Empirische Grundlage bilden Interviews quer durch die Zonen der Arbeitsgesellschaft. In der Zone der Integration finden sich Beschäftigte in zumindest formal sicheren Erwerbsarbeitsverhältnissen. Ausnahme bildet Typ 2 (Atypische Integration), hier können sich Selbstständige der Kreativwirtschaft versammeln, die wie im vorherigen Abschnitt argumentiert wurde, flexibel beschäftigt sein können, aber deswegen nicht zwingend auch prekär. Die Unsicherheiten, die aus der Selbstständigkeit erfolgen, können aber wiederum durch die Freiheiten jener Beschäftigungsform kompensiert werden. Der Nine-to-five-Job im Normalarbeitsverhältnis kann für sie als starres Korsett empfunden werden, der Kreativität lähmt. Typus 3 und 4 bezeichnen gefährdete Gruppen. Sie sind zwar durchaus noch sicher beschäftigt, sorgen sich aber mit Blick auf Standortkonkurrenzen und drohende Produktionsverlagerungen um ihr Beschäftigungsverhältnis (Dörre 2007a). In der Zone der Prekarität sind formal atypische Beschäftigungsverhältnisse angesiedelt, wie etwa Leih- und Zeitarbeit, geringfügige Beschäftigung etc. Die Beschäftigten dieser Zone befinden sich in einer »eigentümlichen Schwebelage«: Denn einerseits haben sie den »Anschluss an die ›Zone der Normalität‹ noch immer vor Augen«, andererseits sind »permanente Anstrengungen auch nötig, um einen dauerhaften sozialen Abstieg zu vermeiden« (Dörre 2007a: 49). Im Typus 5 der Hoffenden versammeln sich vor allem jüngere Beschäftigte, die ihre prekäre Erwerbsarbeit als Sprungbrett in sichere Beschäftigung verstehen. Sie erhoffen sich den »Klebeeffekt«, der flexiblen Beschäftigungsformen nachgesagt wird (ebd.). Im Typus 5 und 6 finden sich Bearbeitungsformen, in denen das Bemühen um Verbesserung aufgegeben wurde. Ihnen geht es nur noch darum, ihre Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Phasen der Erwerbsarbeitslosigkeit und der prekären Beschäftigung wechseln sich ab. Einige Frauen ziehen sich auf die traditionelle Aufgabenverteilung zurück und rahmen ihre prekäre Beschäftigung als Zuverdienst. In dieser Gruppe beobachten die Forscher nicht nur materiellen Mangel, sondern »Anerkennungsdefizite« sowie eine 56

»Schwächung der Zugehörigkeit zu sozialen Netzen [...], deren Integrationskraft eigentlich dringend benötigt würde, um den Alltag einigermaßen bewältigen zu können« (ebd.: 49). Unsicherheitsempfinden kann bei Abstiegsbedrohten (Typ 4) in einem größeren Ausmaß ausgeprägt sein als etwa bei Beschäftigten in der Zone der Prekarität (Typ 5 bis 7). Prekarisierungsängste, werden aber nicht größer je weiter die Typenhierarchie nach unten steigt. Die Angst vor Statusverlust ist gerade bei Gruppen sehr präsent, die noch etwas zu verlieren haben. Gerade deswegen beschränken sich Desintegrationserfahrungen nicht auf die Zone der Prekarität. In der Zone der Entkopplung (Typ 8 und 9) richtet sich die Erwerbsorientierung noch immer auf den ersten Arbeitsmarkt. Die Veränderungswilligen versuchen durch das Nachholen von Bildungstitel ihre Chancen auf sichere Beschäftigung zu erhöhen. Nur im Typus 9 wird die Orientierung an Erwerbsarbeit aufgegeben. Allenfalls eine prekäre Beschäftigung erscheint noch als realistisch. Die Bearbeitungsform besteht in dem sich Einrichten in einer Art Parallelgesellschaft, die »vom ständigen Kampf« um Erwerbsarbeit entlastet (ebd.: 50). Kurzum: Nicht trotz, sondern wegen der »noch immer hohen Sicherheitsstandards« führt die Zunahme an prekären Beschäftigungsverhältnissen auch in Deutschland zu »massiven gesellschaftlichen Desintegrationsprozessen« (Dörre 2006a: 7). Dörre spricht hier von einem »Integrationsparadoxon« (2006a: 12): »Prekarität wirkt desintegrierend und zugleich als disziplinierende Kraft« (ebd.). Mit der Herausbildung der Zone der Prekarität hat sich der Integrations- und Herrschaftsmodus verändert. In der Erwerbssphäre werden sicher Beschäftigte über den Markt vermittelt diszipliniert, etwa wenn Stammbeschäftigte mit Leiharbeitern konfrontiert werden. Gleichermaßen wird prekär Beschäftigten die Grundlage für Widerstand genommen.

3.5 Im Hilfsbezug Der Hilfsbezug stellt für die Prekarisierungsdebatte eine wichtiges Feld dar. Wie erwähnt, erhalten viele prekär Beschäftigte als Aufstocker_innen Leistungen der Grundsicherung, weil ihr Einkommen zu gering ausfällt. Zudem zeichnen sich die Lebensla57

gen vieler prekär Beschäftigter gerade dadurch aus, dass sich Phasen der Erwerbstätigkeit und der Erwerbslosigkeit ablösen. Grundmaxime der Arbeitsmarktreformen bildete das Prinzip des Forderns und Förderns, womit Instrumente geschaffen wurden, die an der Beschäftigungsfähigkeit der Einzelnen ansetzen. Erreicht werden soll eine effizientere Vermittlung in Beschäftigung. Durch strenge Zumutbarkeitsregeln und Sanktionen wird ein engmaschiges Netz an disziplinierenden und kontrollierenden Maßnahmen angelegt. Für Natalie Grimm, Andreas Hirseland und Berthold Vogel (2013) hat sich mit der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik eine »Zwischenzone der Arbeitswelt« (ebd.: 252) etabliert. Auf Grundlage einer Paneluntersuchung zeigen sie auf, dass über den Zeitraum von 2007 bis 2011 nur 13 Prozent aller Befragten den Weg aus dem Hilfsbezug in sichere Beschäftigung geschafft haben. In jener Zwischenzone gefangen, pendeln die Bezieher_innen der Grundsicherung zwischen Phasen der prekären Erwerbstätigkeit und Phasen der Erwerbslosigkeit. Die Aktivierung führt zwar zu einer »Dauermobilisierung« (ebd.: 258), aber dennoch meist ins Leere, da kaum Chancen auf sichere Beschäftigung geboten werden. Diese Zwischenzone der Arbeitswelt wird auch durchaus auf subjektiver Ebene bedeutsam – Grimm, Hirseland und Vogel sprechen davon, dass sich ein »Zwischenzonenbewusstsein« (ebd.: 259) ausgebildet hat. Damit bringen sie die »Verarbeitungsstrategien der erlebten Unsicherheit« zum Ausdruck (ebd.: 262). Die Befragten identifizieren sich weder eindeutig als »Hartzer« (ebd.: 259) noch als Erwerbstätige über ihre Berufsposition oder ihren Ausbildungstitel. Vor der Drohkulisse ihres sozialen Abstiegs unternehmen sie alles, um in Beschäftigung zu kommen oder ihre unsichere Beschäftigung zu halten. Je nach erwerbsbiografischem Ausgangspunkt unterscheiden sich die Befragten aber erheblich in der Bewertung ihrer Situation: Bei einer langen Phase der Erwerbslosigkeit setzt sich zum Beispiel häufig ein Pragmatismus durch: »besser prekäre Arbeit, als gar keine Arbeit« (ebd.: 260). Andere trägt die Hoffnung, dass sie den Sprung in sichere Beschäftigung schaffen. Jene, die aus vormals sicherer Beschäftig abgerutscht sind, erleben den Hilfsbezug als großen »Schock« (ebd.: 262). Ihnen allen ist gemein, 58

dass sie ein Bewusstsein für ihre Zwischenlage entwickeln, unabhängig ihrer Qualifikation und des Geschlechts. Die Zone der Prekarität und Verwundbarkeit, so ließe sich mit Castel schließen, bildet nicht nur ein Teil eines heuristischen Modells. Im Hartz-IV Bezug wird ein Bewusstsein darüber ausgebildet. Auch Dörre, Scherschel, Melanie Booth et al. (2013) beschäftigen sich mit der subjektiven Verarbeitung im Hilfsbezug. Sie zeigen, dass die aktivierende Arbeitsmarktpolitik deshalb wirkt, weil es gelingt – mit Boltanski und Chiapello gesprochen – die Erwerbslosigkeit als individuelle Bewährungsprobe zu vermitteln. Die Erwerbslosen sollen einerseits dazu aktiviert werden, wie Unternehmer ihrer Beschäftigungsfähigkeit ihr Leben zu gestalten. Dazu gehören etwa Planungsentwürfe für die Zukunft. Auf der anderen Seite wird aber genau dies durch den Hilfsbezug erschwert. Die Erwerbslosen teilen nahezu alle die Zentralität von Erwerbsarbeit. Einige von ihnen wollen sogar »um jeden Preis« (ebd.: 134) erwerbstätig werden, wie auch ein von ihnen rekonstruierter Typus im Hilfsbezug lautet. Andere unternehmen Anstrengungen, um vorzutäuschen, dass sie erwerbstätig sind. In diesem Typus der »als ob-Arbeiterinnen« (ebd.: 159) fassen sie Erwerbslose, die den Schein der Beschäftigung durch bürgerliches Engagement wahren können. Der Typus der »Nicht-Arbeiterinnen« (ebd.: 182) ist zahlenmäßig gering. In diesem Typus realisieren die Erwerbslosen, dass sie der Norm eines Lebens, dass sich an Erwerbsarbeit ausrichtet, nicht entsprechen können und suchen nach alternativen Orientierungen. Eine Abkehr an bürgerlichen Werten wie Leistungsbereitschaft, wie es die Unterschichtendebatte proklamierte, können die Autor_innen aber nicht bestätigen. Es ist paradox: Nahezu alle Erwerbslosen suchen »nicht wegen«, sondern »trotz strenger Zumutbarkeitsregeln« Beschäftigung (ebd.: 40). Anders als Bourdieus (2004) starke These, dass der Entwurf von Zukunftsentwürfen in der Prekarität behindert wird, zeigen sie, dass zwar tatsächlich mit anhaltender Dauer im Hilfsbezug eine langfristige Planung schwierig wird. Die Bezieher_innen sind aber durchaus zur Planung fähig, sie richten sich allerdings nur auf kurze Intervalle und permanente Unbeständigkeit aus. Mit Hartz IV sei eine Art neue Unterschicht entstanden, so Dörre, Scherschel und Booth et al. (2013). Zwar spricht gegen die 59

Verwendung des Klassenbegriffs, dass diese Gruppe sehr heterogen ist. Weil er ökonomische Homogenität unterstellt, ist der Klassenbegriff höchst umstritten. Es kann aber durchaus aufgezeigt werden, dass durch die Hartz-Gesetze eine »sozial heterogene Gruppe Erwerbsloser an oder unter die Schwelle gesellschaftlicher Respektabilität« gedrängt wurde (ebd.: 43). Ihre Lebenslage eint die äußerst knappe und soziale Teilhabe, Erfahrungen mit der Grundsicherung, das Stigma unproduktiv und faul zu sein sowie die biografische Diskontinuität. Die Erwerbslosen bilden, je länger das Ausharren in dieser Zone andauert, einen »Überlebenshabitus« aus, der sich wiederum für »Stigmatisierungen durch die ›Mehrheitsgesellschaft‹« eignet (ebd.).

3.6 Leiharbeit Leiharbeit wird als atypische Beschäftigung bezeichnet, da anders als im Normalarbeitsverhältnis das Beschäftigungs- und Erwerbsarbeitsverhältnis auseinanderfallen (Promberger 2012a). Leiharbeit wird häufig sogar als Prototyp prekärer Beschäftigung betrachtet, insbesondere mit Blick auf sein disziplinierendes und individualisierendes Potenzial. Dies ist allerdings auch verwunderlich, da nur gut 2,5 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse auf Leiharbeit basieren (Keller/Seifert 2013: 33). In der Arbeitsmarktpolitik wird Leiharbeit als Flexibilisierungsinstrument par excellence betrachtet, um Arbeitslosigkeit abzubauen. Mit der Einführung der Hartz-Gesetze, insbesondere Hartz I, setzt sich ab 2004 auch ein »neues Leitbild« in der Leiharbeit durch (Weinkopf/Vanselow 2008: 6): Bisherige Einschränkungen, wie etwa das Wiedereinstellungsverbot sowie die Regelung einer zeitlichen Begrenzung von Leiharbeitseinsätze im selben Entleihbetrieb, wurden aufgehoben. Erst dadurch wurde es möglich, dass Unternehmen eigene Zeitarbeitsfirmen gründen oder dauerhafte Überlassungsverträge mit externen Zeitarbeitsunternehmen abschließen können. Seit den Hartz-Reformen ist die Anzahl an Leiharbeitskräften stark angewachsen. Während die Bundesagentur für Arbeit (2012: 4) im Jahr 2003 noch von 327.789 Leiharbeitskräften ausging, waren es 2012 bereits 822.379 Personen. Leiharbeit wurde lange Zeit vor allem im verarbeitenden Gewerbe wie etwa in der Auto60

mobilbranche eingesetzt. Typischerweise waren Leiharbeitskräfte Schlosser oder Elektriker. Seit wenigen Jahren wird Leiharbeit vermehrt auch in der stark gewachsenen Dienstleistungsbranche eingesetzt, wie etwa im Bankgewerbe und in Krankenhäusern. Aus der früheren Konzentration auf die Einsatzschwerpunkte bei gewerblichen Tätigkeiten ist auch das Geschlechterverhältnis erklärbar: Mit 70 Prozent im Jahr 2013 sind weitaus häufiger Männer in der Leiharbeit beschäftigt als Frauen (Bundesagentur für Arbeit 2014). Zudem kommt Teilzeit, eine vor allem weibliche Beschäftigungsform, in der Leiharbeit kaum vor. Verglichen mit den Beschäftigungsverhältnissen in der Gesamtwirtschaft sind männliche, nicht-deutsche sowie jüngere Beschäftigte in der Leiharbeit überproportional vertreten. Der Anteil an gering Qualifizierten ist in der Leiharbeit nicht wesentlich größer als in der Gesamtwirtschaft, was verwundert, da Leiharbeitskräfte traditionell vor allem Helfertätigkeiten ausführen. Weinkopf und Vanselow (2008) interpretieren dies als Hinweis darauf, dass Leiharbeitskräfte häufig unter ihrem Qualifikationsniveau beschäftigt werden. Schließlich ist in jüngster Zeit auch der Einsatz von Leiharbeitern in qualifizierten Positionen angestiegen (Bellmann/Kühl 2007). Im Anschluss an die Arbeitsmarktreformen wird in der Forschung zu Leiharbeitern erörtert, ob Leiharbeit einen positiven Beitrag zur Beschäftigungssituation leistet, wobei angenommen wird, dass ein Brückeneffekt in sichere Beschäftigung ein solcher positiver Effekt wäre. Empirische Forschungen belegen, dass durchaus Brückeneffekte durch Leiharbeit erfolgen können. Vor allem Langzeitarbeitslose können hier profitieren, da ihre lange Erwerbsarbeitslosigkeit – ungeachtet ihrer Qualifikation – häufig von Personalverantwortlichen als großes Vermittlungshindernis angesehen wird. Da keine langfristige Verantwortlichkeit von Unternehmensseite übernommen wird, sind diese gegenüber ehemals langzeitsarbeitslosen Leiharbeitskräfte weniger voreingenommen (Weinkopf 2004). Der Klebeeffekt, die Übernahme von Leiharbeitskräften in reguläre Beschäftigung in einem Entleihbetrieb, ist dann allerdings relativ gering. Seit den Hartz-Gesetzen hat sich der Einsatz von Leiharbeit verändert. Leiharbeit wird nicht mehr vorrangig genutzt, um Einzelbedarfe abzudecken, so Seifert und Brehmer (2008), sondern vielmehr zur Rekrutierung und Erprobung neuer Beschäftigter 61

oder um einen Teil der Stammbelegschaft durch Parallelbelegschaften zu ersetzen. Hajo Holst, Oliver Nachtwey und Dörre (2009) rekonstruieren auf Grundlage von Intensivfallstudien von Betrieben der Metall- und Elektroindustrie drei Nutzungsstrategien: Im Ad-Hoc Einsatz wird Leiharbeit von den Betrieben eingesetzt, um Personalausfall wegen Krankheit oder Urlaub zu kompensieren. Da keine Zeit zur Einarbeitung bleibt, müssen die Leiharbeiter bezüglich ihrer Qualifikation und Fertigkeiten möglichst passfähig sein. Die zweite, ebenfalls klassische Form der Nutzung, bildet der Flexibilitätspuffer. Leiharbeit wird von den Unternehmen eingesetzt, wenn das Auftragsvolumen steigt und um die »Schwankungen des Auftragsvolumens« abzufedern (ebd.: 11). Die Leiharbeitskräfte verantworten Tätigkeiten, die eine geringe Anlernzeit erfordern – von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Die jüngste Form des Einsatzes ist die strategische Nutzung. Die Nutzungsintensität ist hoch und die Leiharbeitskräfte und Stammbelegschaften verrichten die gleichen Tätigkeiten. Die Leiharbeitskräfte und die Stammbelegschaft unterscheidet sich auch nicht in ihrer Qualifikation: Sie durchlaufen die gleichen betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen, was die Ersetzbarkeit der Leiharbeitskräfte erschwert. Letztlich versuchen die Unternehmen, die Leiharbeitskräfte zu halten, ohne sie formal in die Stammbelegschaft zu integrieren. Das Ziel des strategischen Einsatzes von Leiharbeit ist somit die »Steuerung der Profitabilität« (ebd.: 12). Eine Folge der strategischen Einsatzes ist Konkurrenz: Die Leiharbeitskräfte hoffen auf die Übernahme durch den Betrieb. Aus Angst, wieder erwerbsarbeitslos zu werden, versuchen sie mit Höchstleistung und Anpassung Einfluß darauf zu nehmen, übernommen zu werden. Aus ihren Fallstudien rekonstruieren Holst, Nachtwey und Dörre (2009) im Nutzungsmodus des strategischen Einsatzes zwei Disziplinierungsmechanismen: Zum einen wird ein »›Reservearmeemechanismus‹« (ebd.: 42) etabliert, der auch die Stammbelegschaften an die Absatzmarktrisiken koppelt. Die Spaltung der Belegschaft, wie sie bei der Nutzungsform des Flexibilitätspuffers vorzufinden war, ist hier aufgehoben, da sich die Beschäftigten nicht in ihren Tätigkeiten unterscheiden. Dadurch wird die Stammbelegschaft aber auch austauschbar. Das Übernahmeversprechen der Unternehmen transportiert ein kapitalistisches Leistungsversprechen: Wer hart 62

genug arbeitet, wird belohnt. Dieses Versprechen wird aber gerade nicht eingelöst, da kaum Übernahmen stattfinden. Die Autoren stellen zudem heraus, dass der Verzicht transparenter Kriterien die disziplinierende Wirkung verschärft. Schließlich wird von den Leiharbeitskräften auf Widerstand und kollektive Mobilmachung verzichtet, da Hoffnung besteht, dass die prekäre Lebenslage überwunden werden kann. Diese Disziplinierung kann zudem auf die Stammbelegschaft übergreifen, auch sie überkommt Ungewissheit und sie sehen sich zu erhöhten Anstrengungen gezwungen, um ihre Position zu sichern. Diesen Mechanismus der Disziplinierung finden die Autoren allerdings nur in Betrieben, in denen Leiharbeiter und Stammbelegschaft die gleichen Tätigkeiten verrichten. Wie kommt es aber, um auf die eingangs angeführte Beobachtung zurückzukommen, dass ein zahlenmäßig nur marginales Phänomen in der Prekarisierungsforschung eine solch große Bedeutung zugesprochen wird? Leiharbeit steht prototypisch für das Aufkündigen eines lange Zeit erfolgreichen deutschen Produktionsmodells, so ein Erklärungsvorschlag. Prekär wird männliche Industriearbeit und somit das »Kraftzentrum, die arbeitsmarktpolitische Machtbasis seiner Institutionen von Mitbestimmung, Tarifautonomie und Normalarbeitsverhältnis« (Promberger 2012b: 182f.) Vor dessen Hintergrund erscheinen andere häufigere und schon immer atypische Beschäftigungsformen, wie etwa Teilzeit oder (Solo-)Selbstständige, als wenig spektakulär.

3.7 Prekäre (Solo-)Selbstständige In der arbeits- und industriesoziologischen Prekarisierungsdebatte, wie sie bisher mit Ausnahme des Hilfsbezugs präsentiert wurde, standen stets abhängige Beschäftigungsformen im Zentrum. Was bei dieser Betrachtung von Prekarisierung jedoch aus dem Blick gerät, ist selbstständige Erwerbsarbeit. Spätestens seit den 1980er Jahren wandelte sich selbstständige Erwerbsarbeit und somit auch das Bild des »Normalunternehmers« (Bührmann 2007: 119) grundlegend (Bührmann/Pongratz 2010, Bührmann 2012): Mit der Erosion des Normalarbeitsverhältnis und der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik erfolgen insgesamt mehr Unternehmensgründungen, wobei insbesondere solo-selbstständige Beschäf63

tigungsformen expandieren, die nicht mehr nur ausschließlich in Vollzeit, sondern auch in Teilzeit und somit als Nebenerwerb erfolgen (Betzelt/Gottschall 2005). Selbstständige Erwerbsarbeit muss in ihren frühen wie heutigen Formen aber als äußerst heterogene Beschäftigungsform betrachtet werden. Solo-Selbstständige finden sich in der Kultur- und Kreativwirtschaft, im Transport, in Versicherungen, im Einzelhandel, im Bereich öffentlicher Dienstleistungen wie der Sozialarbeit, aber etwa kaum in der Metall- oder Chemieindustrie (Candeias 2008a). Diese neuen Gründungen erfolgen häufig nicht aus gesicherten Verhältnissen heraus, sondern werden zur Hälfte durch die Arbeitsagenturen gefördert, bei denen Beratungen für Existenzgründungsberatungen zum zentralen Instrument der Arbeitsmarktförderung avanciert sind (Schulze Buschoff 2010). Eine Unternehmensgründung kann hierbei als Alternative zur Erwerbslosigkeit in Betracht gezogen werden und als Befreiung von einem »despotischen Arbeitsverhältnis im Niedriglohnbereich« (Candeias 2008a: 71). Wie sich hier bereits andeutet, verändert sich auch die Sozialstruktur: Häufiger als früher gründen Frauen, etwa nach Phasen familienbedingter Erwerbsarbeitspausen (Betreuung von Kleinkindern, Pflege von Kranken) und Migrant_innen (Bührmann 2010). Während die Unternehmensforschung Migrant_innen häufig unterstellten, sie würden aus Not heraus in die Selbstständigkeit gedrängt, zeigt Andrea Bührmann (ebd.), dass das zentrale Motiv für ihre Gründungen das Versprechen eines Autonomiegewinns ist. Schließlich finden Gründungen in niedrig- und hochqualifizierten Bereichen statt. Solo-Selbstständigkeit erfordert die komplette Eigenorganisation der Arbeitstätigkeit, was sich wiederum in stark entgrenzten Arbeitszeiten spiegelt. Auch räumlich sind Solo-Selbstständige häufig entgrenzt, wenn die Erwerbsarbeit im Privaten stattfindet. Während abhängige Beschäftigte Löhne ausgezahlt bekommen, die Schutzrechte implizieren, erhalten Solo-Selbststände Honorare, aus denen keine Ansprüche abgeleitet werden können. Honorare sind zudem nur Existenz sichernd, wenn es gelingt, ausreichend Aufträge anzuwerben (Candeias 2008a). Während Unternehmensgründungen per definitionem als riskante Handlungen anzusehen sind, insbesondere in der Gründungsphase und bei Marktveränderungen (Pongratz/Simon 64

2010), stellt sich die Frage, worin die spezifische Prekarität (solo-) selbstständiger Beschäftigung besteht. Diese Frage wurde vielfach am Beispiel der Kultur- und Kreativwirtschaft elaboriert. Vor allem in den Großstädten expandiert Solo-Selbstständigkeit von Kreativen als Folge der Privatisierung ehemals öffentlich rechtlicher Kulturinstitutionen (etwa Hörfunk) sowie von Deregulierungsprozessen privatwirtschaftlicher Segmente (Manske 2010). Kennzeichnend für die Kultur- und Kreativwirtschaft ist das Paradox aus einer sehr hohen Qualifikation bei sehr geringem Einkommen (Betzelt/Gottschall 2005) und schließlich geringer institutioneller Einbindung (Manske/Merkel 2009). Kreativität gilt als allumfassendes Prinzip der Arbeitstätigkeit, die häufig in kurzfristigen Projekten erfolgt. Im Anschluss an Boltanski und Chiapello (2003) und Bröckling (2007) wird vor diesem Hintergrund die provokante These debattiert, dass gerade die bislang mit Eigensinnig- und Widerständigkeit assoziierte Figur des Künstlers zur Leitfigur der neuen Arbeitswelt hervortritt (Loacker 2010, Lorey 2007, Manske 2010, McRobbie 2007). Tatsächlich spielt der Gelderwerb gegenüber der kreativen Selbstverwirklichung eine untergeordnete Rolle. Da zwischen Beruf und Hobby nicht getrennt wird, bestimmt die Tätigkeit häufig die gesamte Lebensführung. Mit Subjektivierung von Arbeit wird hier nicht ein Rationalisierungseffekt betrieblicher Reorganisationsstrategien beschrieben, sondern ein Autonomiegewinn bezeichnet. Mit dem Begriff der Selbst-Prekarisierung warnt Lorey (2007) allerdings vor einer Romantisierung kreativer Berufe, dessen Subjektivierungsversprechen sie mit dem Ausblenden von Herrschaftsverhältnissen erklärt. Tatsächlich lehnen einige Solo-Selbstständige abhängige Beschäftigung für sich als kreativitätshemmend und paternalistisch kategorisch ab. Sergio Bologna (2006: 68) gibt hier zu bedenken, dass die »totale Hingabe an den Beruf« auch politisches und soziales Engagement verhindern kann, da droht, dass der »Sinn für das Gesellschaftliche« abhanden kommt. Manske und Merkel (2009) zeigen im Anschluss an Dörre, dass für Solo-Selbstständige in dieser Branche verschiedene Dimensionen von Prekarität zusammentreffen können: In einer materiell-reproduktiven Dimension sind sie deutlich prekär, da sie als Hochqualifizierte erheblich geringere Gehälter erzielen als abhängig Beschäftigte mit Hochschulabschluss. Häufig wird zur mate65

riellen Absicherung ein zweites Standbein aufgebaut, wie etwa durch Beschäftigung im Niedriglohnbereich (Callcenter) oder durch Beteiligung an Projekten, die zwar Einkommen versprechen, aber in ihrer inhaltlichen Ausrichtung abgelehnt werden. In einer institutionell-rechtlichen Dimension zeigen sich große Unsicherheiten, nur die wenigsten Alleinunternehmer_innen sind durch eine Arbeitslosen- oder Krankenversicherung abgesichert. Gewerkschaften sind zwar vorhanden, spielen aber nur eine geringe Rolle. Schließlich sind sie in der sozial-kommunikativen Dimension aber sehr gut in die von ihnen begründeten Netzwerke eingebunden, da das Netzwerkbilden eine über Erfolg und Misserfolg entscheidende Herausforderung ihrer Tätigkeit darstellt. Während Leiharbeiter von dem Versprechen auf Integration zu Leistungsverausgabung angetrieben werden, zeigt sich bei den Solo-Selbstständigen der Kultur- und Kreativbranche eine »Normalisierung von Unsicherheit« (ebd.: 300): Die prekäre Lage wird nicht als vorübergehend interpretiert, was sie als »geduldigen Prekarier« erscheinen lässt (ebd.). Insgesamt müssen diese Arbeitsverhältnisse in ihrer Janusköpfigkeit zwischen »Privilegierung und Prekarisierung« betrachtet werden (Betzelt/Gottschall 2005: 289). Bologna (2006) weist zwar, wie erwähnt, darauf hin, dass soziales und politisches Engagement an Bedeutung verlieren kann, er betont aber auch, dass prekäre Solo-Selbständige immer die zentralen Akteure sozialer Protestbewegungen waren. Da sie nach Alternativen zu den entfremdeten Lohnarbeitsverhältnissen ihrer Väter suchen und dadurch die Frage nach sinngebenden Arbeitsbedingungen (Candeias 2008a) auf die Agenda setzen, können sie einen »neuen Freiheitssinn« (Bologna 2006: 23) schaffen.

4. Diskussion Der hier präsentierten Prekarisierungsforschung ist es gelungen, eine große Wahrnehmung für die Unsicherheiten in der Erwerbssphäre in der Arbeits- und Industriesoziologie zu schaffen. Mit Castel (2000) legt sie Analysen vor, die den Wandel von Erwerbsarbeit systematisch mit dem Wandel der Sozialpolitik verknüpfen und zudem die (finanzmarkt-)kapitalistische Organisation von Arbeit ins Zentrum stellen. Über Castels sozialhistorische Ana66

lysen geht sie hinaus, wenn sie sich dem subjektiven Erfahren von Prekarität zuwendet. Ähnlich wie in Bourdieus (2008) Studie gelingt es, brisante Ungleichheitsphänomene nicht auf ein drinnen und draußen zu reduzieren, sondern vielmehr die Arbeitsgesellschaft als solche als prekär zu konzipieren. Damit geht sie über die in der Arbeitsmarktforschung häufig vorzufindende Tendenz hinaus, lediglich das Ausscheiden aus Erwerbsarbeit oder den Eintritt in den Hilfsbezug in den Blick zu nehmen, sondern vielmehr die sozialpolitisch vernachlässigte Qualität von Beschäftigungsverhältnisse auf die Agenda zu setzen. Nicht zuletzt ist es ihr Verdienst, eine im Erstarken befindende Auseinandersetzung mit dem Begriff der Klasse befeuert zu haben. Wie sich hier bereits andeutet, steht aber noch die Bearbeitung vieler theoretischer Baustellen aus: Neben dem viele Fragen aufwerfenden Klassenbegriff ist etwa das Verhältnis von Prekarisierung und Armut noch kaum geklärt, ähnliches gilt für das Verhältnis von Sozialstruktur und Prekarisierung. Prekarisierung und Armut werden zuweilen synonym verwendet, Prekarität kann aber eher als Schwebezustand zwischen Wohlfahrt und Armut verstanden werden, während Armut einen Schwund von Schutzmechanismen und sozialer Ausgrenzung bezeichnet. Wo liegt aber hier die Grenzziehung? Die Sozialstrukturanalyse bildet für die Prekarisierungsdebatte einen zentralen Bezug, da sie aufzeigen kann, welche Ressource prekäre Lebenslagen verfestigen oder eben auch nicht. Dies verspricht differenziertere Einsichten als Bourdieus (2004) recht plakative These einer Omnipräsenz von Prekarität. Schließlich ist die theoretische Offenheit von Prekarisierung auch problematisch. Wo liegt der analytische Nutzen des Konzepts, wenn alles als prekär bezeichnet wird? Nicht zuletzt ist eine Grenzbestimmung für empirische Forschungen unerlässlich. Schließlich steht noch die systematische Auseinandersetzung mit den rechtlichen Einschränkungen im Zugang zum Arbeitsmarkt, den Entwertungspraxen von nicht in Deutschland erworbener Qualifikationen und nicht zuletzt von rassistischen Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt aus. Neben diesen Potenzialen und zukünftigen Herausforderungen sollen auch weitere konzeptionelle Engführungen und problematische Auslassung angesprochen werden. Böse zugespitzt kann die arbeits- und industriesoziologische Prekarisierungsde67

batte als männliche Nabelschau bezeichnet werden, da sie mit ihrer Themensetzung vor allem jene Bereiche skandalisiert, die die Beschäftigungssituationen von Männern betreffen. Damit soll nicht behauptet werden, dass männliche Industriearbeit bedeutungslos wäre. Mit dieser Perspektivierung wird aber prekäre Beschäftigung immer nur als Verlust von männlichen Privilegien in den Blick genommen, während hingegen die bereits seit der Nachkriegszeit prekären Lebenslagen von Frauen und Migrant_ innen aus dem Blick geraten. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Kontrastfolie des Normalarbeitsverhältnisses als äußerst problematisch: Erstens gerät aus dem Blick, dass für bestimmte Gruppen bereits der Zugang zur Erwerbssphäre prekär ist, weil ein System aus gestuften Aufenthaltstitel die Aufnahme von Beschäftigung verhindert, die eben nicht in Kontrastfolie zum Normalarbeitsverhältnis erfolgt. Zweitens wird ein Arbeitsbegriff fortgeführt, der Arbeit auf (abhängige) Erwerbsarbeit reduziert und somit die meist von Frauen getätigte Reproduktionsarbeit ignoriert. Drittens werden damit Arbeitsverhältnisse ausgeblendet, die von abhängiger Beschäftigung abweichen. So bildete für bestimmte solo-selbstständige Berufsgruppen das Normalarbeitsverhältnis niemals eine Kontrastfolie. Die Neuartigkeit ihrer prekären Lebenslage ergibt sich aus neuen sozialpolitische Regelungen und muss somit erst noch bestimmt werden. Kurzum: Die Gegenüberstellung von normaler und prekärer Beschäftigung ist kaum haltbar. Eng mit diesen Einwänden verknüpft, stellt sich schließlich die Frage nach der sozialtheoretischen Einbettung der arbeits- und industriesoziologischen Prekarisierungsforschung. So kann in Zweifel gezogen werden, dass das an Durkheim anschließende Integrationsparadigma die Dynamik von Prekarisierungsprozessen angemessen abbilden kann (Bescherer 2013, Lorey 2012, Mitropoulos 2011). Welchen Mehrwert hat es, heute an einem sozialtheoretischen Modell festzuhalten, dass fordistisch-kapitalistische Vergesellschaftungen repräsentierte? Prekarisierung kann mit Durkheim schließlich immer nur als Bedrohung einer sozialen Ordnung, als Anomie, in den Blick genommen werden. Lorey (2012) spricht am Beispiel von Castels (2000) Studie von einer immunologischen Logik: Prekarisierung wird wie ein Virus beschrieben, der das Zentrum gefährdet. In dieser Perspektive wird eine 68

immunologische Absicherung notwendig, wodurch aber (männliche, weiße) Herrschaftsverhältnisse verfestigt werden. Wie kann Prekarisierung aber ohne Verklärung des männlichen Ernährermodells gefasst werden? Welche Freiheitsgewinne gehen mit Prekarisierung schließlich auch einher? Wie wird es möglich, Prekarisierung zu denken, ohne die »gerade in solchen Brüchigkeiten entstehenden Potenzialitäten für emanzipatorische gesellschaftliche Veränderungen« (Lorey 2012: 82) zu begrenzen? Welche theoretischen Anschlüsse wären an dieser Stelle weiterführend?

69

III.  Prekarisierung in der Geschlechterforschung

1. Ausgangspunkt Anders als die Arbeits- und Industriesoziologie stellt die geschlechtersoziologische Debatte nicht nur destruktiven Dynamiken heraus, sondern verhandelt Prekarisierung als einen ambivalenten Prozess, dessen Folgen weit über die Erwerbssphäre hinausreichen. Mit Prekarisierung wird zunächst die Erosion des gesamten männlichen Ernährermodells beschrieben. Diskutiert wird, welche Geschlechterungleichheiten aus dem Wandel der Erwerbssphäre, dem Wandel der Sozialpolitik und dem Wandel der Haushaltsund Familienformen resultieren und welche Konsequenzen dies für Care-Arbeit hat. Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse gelten allerdings – anders als in der Arbeits- und Industriesoziologie – nicht als neues Phänomen. Die Frauen- und Geschlechterforschung, die aus der Neuen Frauenbewegung hervorgegangenen war, attackierte das männliche Ernährermodell bereits früh dafür, dass Frauen der Zugang zur Erwerbssphäre weitgehend versperrt wurde und sie auf die unbezahlte und wenig anerkannte Haus- und Fürsorgearbeit verwiesen waren (Gottschall 2000). Das Wechselverhältnis aus unsicherer und unbezahlter Arbeit und sozialen Ungleichheiten bildete bis in die Mitte der 1990er Jahre einen zentralen Forschungsgegenstand. Dies allerdings in einer erweiterten Perspektive: Ein Kernthema der frühen Frauenforschung bildete die Kritik an einem zu engen Arbeitsbegriff. Karl Marx, dessen Thesen bis in die 1980er Jahren noch breit debattiert wurden, habe Arbeit auf Lohnarbeit enggeführt. Eine Folge sei nicht nur die systematische Unsichtbarmachung von Haus- und Fürsorgearbeiten, die im Ernährermodell ausschließlich von Frauen geleistet wurden. Analytisch fällt des Weiteren aus dem Blick, dass nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Reproduktionsarbeit – die Arbeit im Haus, die Erziehung von Kindern und die Pflege von Alten und Kranken – eine zentrale Funktion für die kapitalistische Organisation von Arbeit hat (Dalla Costa/Jones 1973, Federici 2012). Diese Einsichten gipfelten schließlich in der Lohn-für-Hausarbeit-Kampagne, die feministische Bewegungen in Italien, Großbritannien, USA, Schweiz, Kanada und Deutschland miteinander vernetzten. Der 70

weite Arbeitsbegriff, der in diesem Umfeld begründet wurde, wird auch in der geschlechtersoziologischen Prekarisierungsdebatte weitergeführt. Er umfasst somit Erwerbs- und Hausarbeit, Sorgeund Subsistenzarbeit sowie ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement. Die Forderung nach einer Anerkennung und Umverteilung von Sorgearbeit ist dabei heute noch genauso aktuell – wenn auch unter anderen sozialpolitischen Vorzeichen – wie zu Zeiten der Lohn-für-Hausarbeit-Kampagne (Fraser 1996). Die Thematisierung von modernen unsicheren Arbeitsverhältnissen hat somit nicht nur seit etwa Mitte der 1980er Jahren in der Arbeits- und Industriesoziologie ihren Ort, sondern setzt mit der Kritik der auf Ungleichheiten basierenden geschlechterdifferenten Arbeitsteilung in der frühen Frauenforschung ein. Das Interesse der sich langsam etablierenden Frauen- und Geschlechterforschung galt fortan der Überwindung jener androzentrischen Perspektive, die sich ausschließlich auf Männer richtet und diese Befunde zudem als allgemeingültig generalisiert. So wurde gefordert, dass nicht nur von Männern dominierte Segmente des Arbeitsmarktes untersucht, sondern auch die Arbeits- und Lebensverhältnisse von Frauen berücksichtigt werden. In einer berühmten Untersuchung der Arbeits- und Lebensverhältnisse von Fabrikarbeiterinnen räumen Regina Becker-Schmidt, Gudrun-Axeli Knapp und Beate Schmidt (1984) etwa mit dem bis heute wirkmächtigen Vorurteil auf, Frauen hätten keine oder nur eine geringe berufliche Orientierung und ihr Interesse gelte ausschließlich der Reproduktionssphäre. Wie Aulenbacher (2008) argumentiert, war es das Ziel, die bis heute wirksame Gleichsetzung von Männern mit Belangen von allgemeinem und Frauen von besonderem Interesse zu überwinden und damit auch die von Frauen getätigte Haus- und Fürsorgearbeit zu berücksichtigen und anzuerkennen. Vor diesem Hintergrund erscheint Aulenbacher (2009) die Auseinandersetzung mit Prekarisierung, die heute zu einem zentralen Topoi der Arbeits- und Industriesoziologie und der Soziologie der Sozialen Ungleichheiten geworden ist, als verkürzt: Die Soziologie interessierte sich erst für dieses Phänomen, seit es »in historisch neuem Maße Männer betrifft« (2009: 66). Problematisch ist hierbei nicht nur, dass frühere und heutige unsichere Beschäftigungen von Frauen nicht bereits als kritikwürdig erachtet werden, als dass sie in der Forschung eine zentrale Aufmerk71

samkeit verdienen würden. Geschlechtersoziologische Vorläufer werden zudem unsichtbar gemacht, da nicht reflektiert wird, dass die Prekarisierungsdebatte erst mit dem Unsicherwerden von männlicher Beschäftigung einsetzt. Mit der Fortführung des »androzentrische[n, M.M.] Bias« (ebd.: 65) wird die Unterscheidung des Allgemeinen (Männer), für das sich die Soziologie zuständig fühlt und des Besonderen (Frauen), das in die Zuständigkeit der Geschlechterforschung gerät, fortgeführt. Schließlich kommt die Prekarisierungsdebatte zu reduzierten Befunden, wenn sie ihre Ergebnisse ausschließlich aus der Erforschung männlicher Beschäftigungsverhältnisse heraus generalisiert. Beispielhaft zeigt Aulenbacher dies an Castels (2000) Studie auf (siehe II/2.1): Castel begreift Lohnarbeit als Arbeit par excellance und nicht als eine von vielen Formen von Arbeit. Damit unterlässt er nicht nur die Untersuchung der Beziehungen zwischen den Formen der Arbeit, sondern führt die moderne Unterscheidung von Öffentlichkeit und Privatheit fort, wobei er sich ausschließlich der öffentlichen Sphäre von Arbeit widmet. Castel verkennt, dass die Entstehung von Lohnarbeit ein Produkt der modernen Erfindung der Geschlechterdifferenz ist, die Frauen und Männer differente gesellschaftliche Plätze zuwies. Ähnliches gilt für seine Analysen zu Lohnarbeit in fordistischen Konstellationen: Castel blendet aus, dass der fordistischen Kapitalismus nicht nur eine Lohnarbeitsgesellschaft war, sondern die gesamte Trias aus Normalarbeitsverhältnis, Kleinfamilie und Wohlfahrtsstaat zur Grundlage hatte. Wie eingangs erwähnt, stellt die geschlechtersoziologische Forschung die Ambivalenzen von Prekarisierung heraus. Einige Studien widmen sich der Frage, ob die Erosion des Ernährermodells auch das Brüchigwerden von Geschlechternormen umfasst. Mit Geschlechternormen sind meist unhinterfragte geschlechterdifferente Annahmen über Männer und Frauen gemeint, wie etwa, dass sich Frauen qua ihres Geschlechts um Kinder kümmern und Männer Ernährer sind. Diese Annahmen erscheinen als so selbstverständlich, dass sie nicht als solche expliziert werden müssen. Die Prekarisierung von Geschlechternormen wird in zwei Untersuchungsfeldern diskutiert: Zum einen stellt sich die Frage, ob die Erosion des männlichen Ernährermodells auch dazu führt, dass Männlichkeit zu einer prekären Kategorie wird. Zum Anderen 72

wird mit Blick auf Sexualitäten erörtert, ob die Norm der Heterosexualität brüchig wird. Bevor die geschlechtersoziologische Prekarisierungsdebatte nachgezeichnet wird, sollen im Folgenden zunächst in aller Knappheit einige geschlechtertheoretische Grundlagen vermittelt werden.

2. Theoretische Grundlagen Der Untersuchungsgegenstand Geschlecht wird in der Frauenund Geschlechterforschung sowie in der feministischen Kritik mit vielfältigen theoretischen Annahmen und empirischen Zugängen analysiert (siehe etwa Becker/Kortendiek 2004, Hark 2001, Wilz 2008). An dieser Stelle werden lediglich Ansätze vorgestellt, die in der Prekarisierungsdebatte bereits eine große Rolle spielen oder fruchtbare weiterführende Anschlüsse bilden.

Geschlecht als Strukturkategorie Wenn die geschlechtersoziologische Prekarisierungsforschung sich für Geschlechterungleichheiten interessiert, stellt sich zunächst die theoretische Frage, mit welchen Konzepten sie beschrieben werden können. Prononcierte Überlegungen zu diesen Fragen stammen von Regina Becker-Schmidt und Gudrun-Axeli Knapp, deren Positionen als Hannoveraner Ansatz bekannt wurden. Becker-Schmidt und Knapp verorten sich in der Tradition der älteren Kritischen Theorie im Anschluss an Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, deren Androzentrismus und Geschlechtsblindheit sie allerdings scharf kritisieren und deshalb beanspruchen, die Kritische Theorie weiterzuentwickeln. Mit Adorno und Horkheimer teilen sie aber das Anliegen, mithilfe von Gesellschaftstheorien Kritik – eben feministische Kritik (Becker-Schmidt/ Knapp 2000) – an Herrschafts- und Kapitalverhältnissen zu üben. Empirischer Ausgangspunkt ihrer Arbeiten bildet die Ende der 1970er Jahre durchgeführte und bereits erwähnte Studie zum Lebenszusammenhang von Fabrikarbeiterinnen (Becker-Schmidt/ Knapp/Schmidt 1984). Darin rekonstruieren sie die widersprüchlichen Anforderungen, denen Fabrikarbeiterinnen in der Sphäre der Erwerbs- und Hausarbeit ausgesetzt sind. Mit ihrem Titel Eines ist zu wenig, beides ist zu viel indizieren sie, dass die Fabrikarbeite73

rinnen beides wollen: Beruf und Familie. Die Vereinbarkeit der Sphären wird von den Frauen als höchst ambivalent und widersprüchlich erlebt. Schließlich versuchen die Fabrikarbeiterinnen zu vereinbaren, was gesellschaftlich getrennt wird, was BeckerSchmidt und Knapp wiederum mit Adorno als Verdeckungszusammenhang interpretieren. Die Fabrikarbeiterinnen erleben ihre Erwerbstätigkeit als Zugewinn an Anerkennung und Autonomie, auch wenn sie zu spüren bekommen, dass sie Männern gegenüber nicht als gleichwertige Arbeitskräfte anerkannt werden. Die ihnen eintönig erscheinende Hausarbeit bewältigen sie trotz Fabrikarbeit alleine, was sie aber wiederum zermürbt. Diese doppelte Einbindung der Fabrikarbeiterinnen generalisieren die Autorinnen schließlich zu ihrer berühmten These einer doppelten Vergesellschaftung von Frauen. Diese doppelte Vergesellschaftung bedeutet ihre doppelte Diskriminierung: Weil Frauen zur Hausarbeit verpflichtet werden, haben sie einen eingeschränkten Zugang zur Erwerbssphäre. Schließlich ist Erwerbsarbeit von Frauen im Vergleich zu Männern mit geringerer Anerkennung und mit geringerem Einkommen verbunden. Männer erfahren die widersprüchlichen Anforderungen nicht, sie werden von Hausarbeit ausgenommen und haben zur Erwerbssphäre, die ohnehin mehr Anerkennung verspricht, einen privilegierten Zugang (ebd.). Ungleichheitssoziologisch pointiert, bildet Geschlecht eine Strukturkategorie. Vergesellschaftung vollzieht sich immer in »Prozessen der Vergeschlechtlichung« (Becker-Schmidt 2008: 65). Individuen werden als Männer und Frauen vergesellschaftet, wobei alle sozialen Bereiche sich durch Hierarchien zu Ungunsten von Frauen ausweisen lassen (Becker-Schmidt 1993). Im diesem Licht erscheint das Geschlechterverhältnis als Herrschaftsverhältnis. Ähnlich wie im Begriff des Klassenverhältnisses angedeutet, enthält das Konzept des Geschlechterverhältnisses (Becker-Schmidt 1993) die These, dass Frauen und Männer ungleiche soziale Gruppen bilden. Mit dem Begriff Geschlechterverhältnis wird eine Perspektive eingeführt, die Männer und Frauen in Relation zueinander und in Abhängigkeit voneinander begreift. Darüber hinaus ist das Geschlechterverhältnis durch Relationen gesellschaftlicher Sektoren bestimmt, etwa staatliche Institutionen, die Wirtschaft oder der Kulturbereich. Becker-Schmidts These ist es, dass diese beiden Relationalitäten miteinander verstrickt sind, wobei Männer, 74

als »Vertreter der privilegierten Genus-Gruppe« (Becker-Schmidt 2008: 70) in jenen Sektoren dominieren, die mit viel gesellschaftlicher Anerkennung verbunden sind, während Frauen im privaten Bereich überwiegen, der wenig Anerkennung verspricht. Der Modus der Relation ist nahezu durchweg ungleich, denn Männer haben in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft qua ihres Mannseins »Statusvorteile«, die nicht in ihrer Leistung gründen, sondern in der »Höherbewertung ihres Geschlechts« (ebd.: 69). Geschlechterverhältnisse werden aber als historisch veränderbar konzipiert. Spätestens durch Butlers Arbeit Das Unbehagen der Geschlechter (1991) befeuert, setzt seit den 1990er Jahren in der Geschlechterforschung eine intensive Debatte ein, in der bisherige Prämissen der feministischen Kritik, der Frauen- und der neu entstandenen Geschlechterforschung grundlegend hinterfragt werden. So lautet eine Kritik am Konzept des Geschlechterverhältnisses, dass es die Geschlechterdifferenz und -binarität vielmehr bestätigt als kritisch hinterfragt. Wie kommt es aber zu der Zweiteilung von Menschen in Männer und Frauen?

Geschlecht als Prozesskategorie Diese Frage bildet den Ausgangspunkt von Studien, die Geschlecht nicht als Struktur-, sondern als Prozesskategorie in den Blick nehmen. Seit den 1970er Jahren wurde in der englischsprachigen Frauenforschung eine Unterscheidung eingeführt, die der deutsche Begriff Geschlecht nicht zulässt: Um die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern präziser zu benennen und ihnen ihren Anschein der Natürlichkeit zu nehmen, wurde zwischen einem biologischen Geschlecht (sex) und einem sozialen Geschlecht (gender) unterschieden. Mit dieser Unterscheidung konnte gezeigt werden, dass beispielsweise die Diskriminierung von Frauen kein Ergebnis ihrer Natur ist, sondern eine Folge geschlechterdifferenter Machtverhältnisse. Das Konzept von Geschlecht als Prozesskategorie hinterfragt aber bereits die Vorstellung, dass es überhaupt ein biologisches Geschlecht gibt und Männer und Frauen von Natur aus verschieden seien. Geschlecht wird in diesem Ansatz nicht als vermeintlich natürlicher Ausgangspunkt gesetzt, sondern als Ergebnis sozialer Prozesse und als soziale Konstruktion verstanden (Gildemeister/Wetterer 1992, 75

Gildemeister 2008). Es wird angenommen, dass Geschlecht in Interaktionen hervorgebracht wird, womit auch Veränderungen im Geschlechterverhältnis rekonstruierbar werden. Diese interaktionstheoretische Perspektive auf das Vollziehen von Geschlecht wird als doing gender bezeichnet. Allerdings ist zu beachten, dass es sehr vielfältige konstruktionstheoretische Perspektiven auf Geschlecht gibt, wie etwa ethnomethodologische (Hirschauer 1993), diskurstheoretische (Butler 1991) oder praxeologische Zugänge (Dölling/Völker 2008, Völker 2013). Die breite Rezeption konstruktivistischer Perspektiven beginnt aber vor allem mit der großen Aufmerksamkeit, die die Sprachphilosophin Butler (1991, 1995) u.a. für ihr Infragestellen eines den Diskursen vorgelagerten vermeintlich natürlichen Geschlechts sowie der Heterosexualität als Norm zuteil wird. Sozial konstruiert aber heißt nicht – wie vielfach fälschlicherweise unterstellt wurde – dass ein sozialer Zusammenhang beliebig veränderbar sei. Vielmehr wird aufgezeigt, und hierin bestehen ungleichheitssoziologische Anschlüsse, wie soziale Strukturen »›erhärten‹ – objektivieren und wie diese objektivierte gesellschaftliche Wirklichkeit ihrerseits auf menschliches Handeln zurückwirkt« (Gildemeister 2008: 186). Ein zentrales Thema der Auseinandersetzung besteht in der Frage nach der Omirelevanz von Gender. So fragen Candace West und Don H. Zimmerman: »Can we ever not do gender?« (1987: 137). In einigen soziologischen Stellungsnahmen wird die Omnirelevanzthese in Zweifel gezogen: Zum Einen aus der Einsicht heraus, dass Geschlecht niemals allein, sondern nur im Zusammenhang und in Wechselwirkungen mit Klasse und Ethnizität/›Rasse‹ und durchaus auch situativ an Bedeutung verlieren kann (West/Fenstermaker 1995). Zum Anderen weil neben doing gender- auch undoing gender-Prozesse denkbar sein müssten (Hirschauer 1994).

Intersektionalität Vielfach wurde bereits erwähnt, dass die Geschlechterforschung der arbeits- und industriesoziologischen Prekarisierungsforschung eine Reihe von Auslassungen vorwirft. Allerdings findet auch innerhalb der Geschlechterforschung eine lebhafte Debatte über Auslassungen statt. Die Frauen- und Geschlechterforschung 76

hat zwar seit Beginn an eine Sensibilität für Differenzen zwischen Frauen, etwa mit Blick auf Staatsbürgerschaft und sexuelle Orientierung entwickelt (Knapp/Klinger 2008, Lenz 2008). Es waren aber vor allem »Schwarze und postkoloniale Feministinnen«, die darauf beharrten, dass häufig implizit Erfahrungen »›weißer, heterosexuell lebender Mittelschichtsfrauen‹« generalisiert würden, womit die »Erfahrungen, Kämpfe und Theorien minorisierter Frauen« unsichtbar werden (Gutiérrez Rodríguez 2004: 241). Mit dem Begriff der Intersektionalität wird heute in der Geschlechterforschung ein Paradigmenwechsel konstatiert, in dem die systematische Berücksichtigung der Wechselwirkungen von Geschlecht, ›Rasse‹ und Klasse etc. propagiert wird (Lutz/Vivar/ Supik 2010, Walgenbach/Dietze/Hornscheidt et al. 2007). Zentraler Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung bildet der US-amerikanische Schwarze Feminismus (Hooks 1987). Im Black Feminist Statement des Combahee River Collective (1981: 210) fordern die Autorinnen, die sich als schwarz, lesbisch und sozialistisch positionieren, die Entwicklung einer »integrated analysis and practice based upon the fact that the major systems of oppression are interlocking. The synthesis of these oppressions creates the conditions of our lives. As Black women we see Black feminism as the logical political movement to combat the manifold and simultaneous oppressions that all women of color face«. In einem engen Sinne geht der Begriff auf die Arbeiten der Schwarzen US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw (2010: 38) zurück, die Intersektionalität mit der Metapher einer Straßenkreuzung einführte: »Nehmen wir als Beispiel eine Straßenkreuzung, an der der Verkehr aus allen vier Richtungen kommt. Wie dieser Verkehr kann auch Diskriminierung in mehreren Richtungen verlaufen. Wenn es an einer Kreuzung zu einem Unfall kommt, kann dieser von Verkehr aus jeder Richtung verursacht worden sein – manchmal gar von Verkehr aus allen Richtungen gleichzeitig. Ähnliches gilt für eine Schwarze Frau, die an einer ›Kreuzung‹ verletzt wird; die Ursache könnte sowohl sexistische als auch rassistische Diskriminierung sein.« Aber auch hierzulande wurden und werden ähnliche Forderungen von Schwarzen Frauen (El-Tayeb 2001, Kraft 1990), Jüdinnen (Gelbin 1999) oder Frauen mit Behinderungen (Ewinkel/Degener 1992, Köbsell 1994) erhoben und ausgearbeitet, die in der heu77

tigen Intersektionalitätsforschung, wie auch kritisiert wird, allerdings nur wenig Beachtung finden (Erel/Haritaworn/Rodríguez et al. 2007). Ein zentrales Thema der derzeitigen Intersektionalitätsforschung bildet die Frage, wie die Herausforderung, intersektional Komplexität abzubilden theoretisch, methodisch und methodologisch bewältigt werden kann (McCall 2005). Wie können Herrschafts- und soziale Ungleichheitsverhältnisse benannt werden, ohne hinter die Erkenntnisse der linguistischen Wende – dem Infragestellen von Kategorien, der Skepsis gegenüber Festschreibungen – zurückzufallen? Anstatt von Intersektionalität auszugehen und Gefahr zu laufen, Herrschaftsverhältnisse zu fixieren, werden schließlich auch alternative Konzepte diskutiert.9

3. Erwerbsarbeit und Geschlecht Der Aufbau der Sozialstaaten bedeutete für Frauen und Männer die Institutionalisierung unterschiedlicher und ungleicher Lebensläufe. In den Termini der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung gesprochen, wurden Frauen familiarisiert. Zu dem Normalarbeitsverhältnis trat im männlichen Familienernährermodell die Normalbiografie, die für Männer die Abfolgen Ausbildung, Berufseintritt, Eheschließung, Familiengründung und Berufsaustritt normierte. Durch den Familienlohn und weitere sozialstaatliche Transfers wurde die Erziehung von Kindern, die Pflege von Kranken und die Haushaltsführung zuhause vollzogen. Frauen waren somit in ihrem Status als Ehefrauen und nicht als Erwerbstätige in das fordistische Produktionsregime eingeschlossen. Wie zahlreiche feministische Autorinnen kritisierten, erhielten sie für ihre Haus- und Fürsorgearbeit keinen Lohn, sie tätigten ihre Aufgaben, so die Logik, aus Liebe. Auf diese Weise wurden im männlichen Ernährermodell die bestehenden Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern verschleiert (Bock/Duden 1976). Auf dem stark nach Geschlechtern segregierten Erwerbsarbeitsmarkt war Erwerbsarbeit für Frauen auch nicht attraktiv. Frauen der Mittelschicht waren entweder gar nicht oder nur phasenweise erwerbstätig. Traditionell frauentypische Berufe, wie Krankenschwester oder Haushälterin, boten nur geringe Löhne und Kar78

riereaussichten. Zudem würde bei Erwerbstätigkeit der Frau ein Verlust des Ehegattensplittings in Kauf genommen. Wenn Frauen geringfügig erwerbstätig waren, etwa in der »klassische[n, M.M.] ›Halbtagstätigkeit‹ verheirateter Frauen am Vormittag« (Sachverständigenkommission 2011: 92) bedeutete dies mit Blick auf den gesamten Haushalt – das Einkommen des Partners mit einbezogen – nicht zwingend, dass sie in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen lebten. Allerdings muss wieder einschränkend darauf hingewiesen werden, dass dies vor allem verheiratete Frauen der Mittelschicht betraf, deren Lebenslage, ähnlich wie bei den Männern, diesmal für alle Frauen zum Maßstab gesetzt wurde. Frauen, ob alleinstehend, nicht-heterosexuell, nicht-weiß oder der Unterschichten zugehörig, waren darauf angewiesen, Einkommen auf dem stark nach Geschlecht segregierten Erwerbsarbeitsmarkt zu erzielen. In der DDR wurde hingegen bereits in den 1950er Jahren die Förderung der Frauenerwerbstätigkeit als staatspolitisches Ziel formuliert. Als 1989 die Mauer fiel, war die Angleichung der weiblichen und männlichen Erwerbsquote nahezu erfüllt (Bothfeld/ Klammer/Klenner et al. 2005). Die Löhne der Männer waren zudem auch geringer als im Westen, so dass sie sich nicht als Familienlöhne qualifizierten (Budde 1997). Das männliche Ernährermodell verlor in der DDR damit bereits sehr früh an Legitimität. Das bedeutete aber nicht, dass es in der DDR keine Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis gab: Frauen erzielten geringere Löhne als Männer, sie waren auf Führungspositionen unterrepräsentiert (Dölling 2003, Nickel 1993) und die Aufteilung der Haus- und Familienarbeit blieb traditionell (Klenner 1990). Als nach 1989 das westdeutsche konservative wohlfahrtsstaatliche Regime, das auf dem männlichen Ernährermodel basierte, auf Ostdeutschland generalisiert wurde, wurde diskutiert, ob dies eine Traditionalisierung der Geschlechterarrangements in Ostdeutschland zur Folge haben würde. Wie Christina Klenner (2009) zeigt, ist diese Prognose nicht eingetroffen, die Leitbilder sind vielmehr noch egalitärer geworden. Die Frauenerwerbstätigkeit ist in Ostdeutschland weiterhin höher und das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern niedriger.

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3.1 Geschlechterdifferente Arbeitsmarktsegregationen Ein wichtiger Ausgangspunkt der geschlechtersoziologischen Prekarisierungsforschung besteht in dem Befund, dass Frauen in allen atypischen Beschäftigungsformen, mit Ausnahme der Leiharbeit, im Vergleich zu Männern überproportional häufig vertreten sind. Aber auch unabhängig von der Beschäftigungsform sind in der Frauen- und Geschlechterforschung geschlechterdifferente Ungleichheiten von Frauen auf vielfältigen Ebenen des Arbeitsmarktes gut belegt. Im Folgenden sollen dazu ausgewählte Befunde vorgestellt werden. Spätestens seit Anfang der 1990er Jahre ist der Anteil weiblicher Beschäftigter stark angewachsen. Wenn nicht zwischen Ostund Westdeutschland differenziert, sondern die gesamtdeutsche Entwicklung betrachtet wird, ist der Anteil von Frauen an den Beschäftigten von 44 Prozent im Jahr 1991 um 5,7 Prozent im Jahr 2010 angestiegen, so dass im Jahr 2010 bereits die Hälfte aller Beschäftigten weiblich war (Wanger 2011: 1). Für den Anstieg der weiblichen Erwerbsbeteilung werden viele Faktoren benannt: Der Ausbau der überwiegend weiblichen Dienstleistungsbranche, die gestiegene Bildungsbeteiligung von Frauen, der Wertewandel, im Zuge dessen die Zuweisung von Frauen in die Sphäre des Haushalts an Legitimität verlor und Frauen materielle Unabhängigkeit anstrebten. Schließlich spielten aber auch ökonomische Notwendigkeiten eine bedeutende Rolle: Mit dem erhöhten Scheidungsrisiko, einer veränderten Unterhaltsregelung und nicht zuletzt der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik ist eine biografische Orientierung von Frauen jenseits der Erwerbssphäre oft nicht mehr realisierbar. Auch heute ist in Ostdeutschland die Erwerbstätigkeit von Frauen höher, gleiches gilt für den Anteil von Frauen an Führungspositionen (Kleinert 2011). Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass Mütter in Ostdeutschland ihre Erwerbstätigkeit für eine kürzere Zeit unterbrechen und dann auch seltener in Teilzeitbeschäftigungen arbeiten als Frauen im Westen. In Ostdeutschland ist die Betreuungsinfrastruktur zudem auch weiterhin besser ausgebaut und Frauen bekommen in der Regel zu einem jüngeren Alter Kinder. In der karriereintensiven Phase sind die Kinder ostdeutscher Frauen oft bereits in einem weniger betreuungsintensiven Alter, 80

während hingegen Frauen in Westdeutschland erst spät und somit in der karriereintensiven Phase Kinder bekommen (ebd.). Der Anstieg der weiblichen Erwerbstätigkeit insgesamt sagt allerdings nur begrenzt etwas über ihre faktische Teilhabe am Arbeitsmarkt aus. Wenn man das von Frauen geleistete Arbeitsvolumen betrachtete, fällt auf, dass die Zunahme der weiblichen Erwerbstätigkeit sich auf Teilzeit- und geringfügige, wie eingangs erwähnt, prekäre Beschäftigungsverhältnisse beschränkt. Seit 1991 stieg die Zahl der weiblichen Beschäftigten um 16 Prozent, das von ihnen geleistete Volumen, mathematisch gesprochen das Produkt aus Personen und geleisteter Arbeitszeit, ist nur um 4 Prozent gestiegen (Wanger 2011: 1).10 Das Volumen der von Frauen geleisteten Erwerbsarbeitsstunden hat sich somit nicht merklich verändert, es verteilt sich heute »lediglich auf mehr (weibliche) Schultern« (Sachverständigenkommission 2011: 91). Aus der atypischen Beschäftigung heraus entwickelt sich häufig eine Kumulation von Risiken: Erwerbsunterbrechungen führen zu Einschränkungen im beruflichen Aufstieg und zu weniger Rente. Teilzeitbeschäftigung erscheint Personalverantwortlichen häufig – wider bestehender erfolgreicher Beispiele – als unvereinbar mit Führungsaufgaben. Schließlich zeigen Studien, dass Frauen oftmals in Teilzeit beschäftigt sind, obwohl sie sich Vollzeitbeteiligungen wünschen (ebd.). Wenn man eine Perspektive auf den Lebensverlauf einnimmt, kann man zeigen, dass Frauen in fast allen Altersstufen deutlich weniger erwerbstätig sind als Männer. Ihre Erwerbstätigkeit differiert allerdings stark nach Alter: Während sie sich in der Altersgruppe der 20 bis 24-Jährigen kaum unterscheiden, arbeiten in der Altersgruppe der 30 bis 39-Jährigen deutlich mehr Männer als Frauen, was sich auf die Einbindung von Frauen in die Erziehung von Kinder zurückführen lässt. Ähnliches gilt für die Altersgruppe der über 55-Jährigen.11 Bei dieser Altersgruppe handelt es sich um Frauen, die nach der Familienphase nicht mehr erwerbstätig werden konnten (Sachverständigenkommission 2011: 90). Geradezu spiegelbildlich weisen Männer im mittleren Alter und im rentennahen Alter hohe Erwerbsbeteiligungen auf (ebd). Unterschiede gibt es auch nach Qualifikation: Hochqualifizierte Frauen unternehmen kürzere Familienpausen als Frauen mit wenig Qualifikation (ebd.). 81

Neben der ungleichen Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männer wird in der Geschlechterforschung auf die geschlechterdifferente Segregation des Arbeitsmarktes verwiesen (Heintz/Nadai/ Fischer et al. 1997). Die US-amerikanische Organisationssoziologin Joan Acker (1990) formulierte hierbei die viel beachtete These, dass Organisation vergeschlechtlicht sind (gendered organization): Die unterschiedliche Verteilung von Einkommen, Hierarchien und Tätigkeitsfeldern bei Frauen und Männern ist kein Zufall, sondern Ausdruck von Annahmen über die gesellschaftliche Aufteilung in die männliche Produktions- und weibliche Reproduktionsarbeit, die sich in Organisationen auf allen Ebenen einschreiben. Mit dem Begriff der vertikalen Segregation wird beschrieben, dass Frauen und Männer auf unterschiedliche Hierarchieebenen des Arbeitsmarktes verteilt sind. Ein Beispiel bildet der ungleiche Zugang von Frauen und Männern im Zugang zu Spitzenpositionen (Kleinert/Kohaut/Brader et al. 2007). Trotz gleicher Qualifikation sind Frauen in Spitzenpositionen seltener anzutreffen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Ein Grund wird in Geschlechterstereotypen und geschlechterdifferenten Zuweisungen gesehen, so dass Personalverantwortlichen bei Frauen grundsätzlich, auch wenn sie nicht Mütter sind, annehmen, sie seien aufgrund ihrer (potenziellen) doppelten Verantwortung für Erwerbs- und Sorgearbeiten weniger verfügbar und einsatzbereit als männliche Bewerber. Dieses Phänomen wird als statistische Diskriminierung bezeichnet, wobei statistisch indiziert, dass Bewerberinnen wahrscheinlichkeitstheoretische Eigenschaften von Gruppen unterstellt werden, wie eben Schwangerschaften bei Frauen im jungen bis mittleren Alter. Mit dem Begriff der horizontalen Segregation wird demgegenüber die ungleiche Verteilung von Frauen und Männern in verschiedene Berufe bezeichnet. Die Existenz von Frauen- und Männerdomänen hat weitreichende Folgen, da typische Frauenberufe, etwa in der Dienstleistungsbranche, schlechter bezahlt werden als typische Männerberufe, wie etwa im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Unter dem Begriff des Gender Wage Gap (Holst/ Busch 2009) werden schließlich Lohndiskriminierungen beschrieben, denn auch wenn Männer und Frauen gleich qualifiziert sind und in Unternehmen gleiche Positionen bekleiden, erzielen 82

Männer höhere Einkommen als Frauen. Auch dieser Gender Wage Gap beeinflusst die familiäre Aufgabenteilung, da er verstärkt, dass Frauen häufiger als Männer Erwerbsarbeiten unterbrechen.

3.2 Erwerbsarbeit, Migration und Geschlecht Während in der soziologischen (deutschsprachigen) Prekarisierungsforschung Migrationsregime und Rassifizierungsprozesse noch unzureichend berücksichtigt werden, gab es auch in der Migrationssoziologie lange Zeit nur wenig geschlechterdifferente Befunde. Auch in der Geschlechterforschung spielte zwar Arbeit immer ein zentrales Thema, wie Sedef Gümen (2003) ausführt, blieb aber häufig unberücksichtigt, dass Deutschland faktisch eine Einwanderungsgesellschaft ist. Grundsätzlich wurden seit den 1970er Jahren zum Themenfeld Erwerbsarbeit, Migration und Geschlecht vor allem defizitorientierte Perspektiven eingenommen, die häufig pauschal und undifferenziert eine Kulturdifferenz und Kulturkonflikt-These annahmen. So wurde etwa eine vermeintliche Rückständigkeit von eingewanderten türkischen Frauen und Männern behauptet, während sogenannte mehrheitsdeutschen Frauen und Männer als emanzipiert und fortschrittlich entworfen wurden. Für Umut Erel übernahmen diese Studien die Funktion, ihre »Abgrenzung [...] aus einer vermeintlich egalitären deutschen Gesellschaft zu rechtfertigen« (2003: 154). Seit den 1990er Jahren geraten in kritischer Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten stärker die Ressourcen von Frauen ins Zentrum und die Frage verschiebt sich von den individuellen vermeintlichen Defiziten hin zu den Ausgrenzungsprozessen der Einwanderungsgesellschaft (Granato/Schittenhelm 2003). Diese noch wenigen Studien zeigen deutlich, wie sich prekäre Lebenslagen durch rassifizierte und vergeschlechtlichte Stereotype verfestigen können, verdeutlichen aber auch die Handlungspotenziale der Migrantinnen. Eine der ersten Studie zu diesem Thema legt Gutiérrez Rodríguez (1999) vor. Sie beschäftigt sich mit Bildungsaufsteigerinnen, deren Eltern als Arbeitsmigrant_innen nach Deutschland kamen. In ihrer biografieanalytischen Untersuchung kann sie zeigen, dass diese Frauen nicht nur durch die nationalstaatlichen Anrufungspraxen als »Ausländerinnen« ethnisch 83

konstituiert werden, sondern auch auf »Ebene der leiblichen Erfahrung der Ausschließung« (ebd.: 242). Erel (2003) zeigt in ihrer Studie, die auf lebensgeschichtlichen Interviews mit qualifizierten Migrantinnen aus der Türkei beruht, die nach Deutschland und Großbritannien eingewandert sind, dass Zugänge zum Arbeitsmarkt nicht nur von formalen Qualifikationen abhängen, sondern von sozialen Netzwerken. Sie hinterfragt, dass in der Migrationssoziologie häufig das soziale Kapital der ethnischen Gemeinschaft und das der Mehrheitsgesellschaft als in sich geschlossen gegenüber gestellt wird und zeigt anhand der Lebensgeschichte einer Alleinerziehenden auf, wie in der Migration alternative Netzwerke entstehen können. Der Alleinerziehenden gelingt es, durch ihre Netzwerke eine Ausbildung und später eine Anstellung als Erzieherin zu finden, in der sie ihr Ideal der Mehrsprachigkeit realisieren kann. Mit dieser Perspektive auf soziales und kulturelles Kapital gelingt es Erel, Migrantinnen trotz bestehender Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt nicht als Opfer ihrer Verhältnisse festzuschreiben, sondern ihre Beteiligung in der »Konstruktion und Konstitution neuer Formen sozialen Kapitals« (ebd.: 181) zu markieren. Ingrid Jungwirth (2011), die sich mit der Einwanderung von hochqualifizierten Migrantinnen aus den postsozialistischen Staaten nach Deutschland beschäftigt, verweist darauf, dass es in den Herkunftsländern der Migrantinnen häufig akzeptierter ist, dass Frauen einen technischen oder wissenschaftlichen Beruf ausüben. In der Migration erfahren die hochqualifizierten Frauen häufig eine Entwertung, die Jungwirth damit in Verbindung bringt, dass ihnen – weil sie Frauen sind – Kompetenzen in den Naturwissenschaften oder Technik abgesprochen werden. Hier greifen Prozesse, die Jungwirth als »Vergeschlechtlichung« (ebd.: 192) bezeichnet: Den hochqualifizierten Frauen werden Beschäftigungsverhältnisse in Bereichen angeboten, die in Deutschland als typisch weiblich assoziiert werden (Bürotätigkeit, Pflege etc.), was für die Migrantinnen nicht nur die Entwertung ihrer Bildungstitel und Berufserfahrung bedeutet, sondern auch, dass sie auf prekäre Beschäftigungssegmente festgeschrieben werden.

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4. Sozialpolitische Aktivierung und Geschlecht Neben der Erwerbssphäre bildet der Sozialstaat eine weitere zentrale Institution, die sich im Zuge der Erosion des männlichen Ernährermodells im Wandel befindet. Wie erwähnt, waren im männlichen Ernährermodell sozialpolitische Leistungen zur Anerkennung von Sorgearbeit vorgesehen, wobei die Reproduktionsarbeit von Frauen weniger Anerkennung bedeuteten als die männliche Produktionsarbeit. Der Preis, den Frauen für dieses Modell zahlen mussten, war ihre Autonomie – sie befanden sich in ökonomischer Abhängigkeit von ihren Partnern. Die Erosion des männlichen Ernährermodells ist eng verstrickt mit der feministischen Forderung nach Unabhängigkeit und Teilhabe und tatsächlich ist es heute ein Wunsch vieler junger Frauen, Erwerbsarbeit und Familie zu vereinbaren (Allmendinger 2009). Das männliche Ernährermodell befindet sich aber nicht aus gleichstellungspolitischen Gründen in Auflösung. So diskreditierte Esping-Andersen den Familialismus des männlichen Ernährermodell als sozialpolitische Maßlosigkeit, die schlichtweg zu teuer geworden ist: »Ideological predilections aside, it should be evident to all that we cannot afford not to be egalitarians in the advanced economies of the twenty-first century.« (2002: 3, Herv. i.O.) Die potenziellen Arbeitsmarkterträge von Frauen würden zur Aufrechterhaltung der Sozialsysteme dringend benötigt. Das männliche Ernährermodell ist vielmehr auf Grundlage des sozialpolitischen Paradigmenwechsel vom versorgenden zum aktivierenden Sozialstaat erodiert. Im neuen Leitbild des Adult-Worker-Model (Lewis 2002, 2004) sollen alle Beschäftigungsfähigen in allen Lebensphasen erwerbstätig werden und somit auch Mütter kleiner Kinder. Anders als das Familienernährermodell werden Frauen im Adult-Worker-Model als Erwerbsbürgerinnen systematisch einbezogen. Welche Weichen werden durch die aktivierende Arbeitsmarktund Familienpolitik für prekäre Lebenslagen gestellt?

4.1 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik und Geschlecht Durch die aktivierende Arbeitsmarktpolitik wurden prekäre Beschäftigungsverhältnisse forciert. Ein ausgewiesenes Ziel der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik bildete allerdings auch die »Gleich85

stellung von Männern und Frauen [...] als durchgängiges Prinzip«, wie es im Sozialgesetzbuch heißt. »Geschlechtsspezifischen Nachteilen« soll entgegengewirkt und »familienspezifische Lebensverhältnisse« berücksichtigt werden (§ 1 SGB II). Zudem soll eine Frauenförderquote etabliert werden. Was bedeuten die Arbeitsmarktreformen für das Geschlechterverhältnis? Zunächst ist auffällig, dass lediglich die Frauenförderquote eine konkrete Zielvorgabe darstellt (IAQ/FIA/GendA 2009). Wie die Gesetzgebung das Ziel der Gleichstellung ansonsten umsetzen will, bleibt weitgehend unklar. Bezüglich der Frauenförderquote lässt sich deutlich belegen, dass diese, vor allem in den westdeutschen Bundesländern, weit verfehlt wird. Die sogenannten Eingliederungsleistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung werden zudem als Ermessensleistungen vermittelt, es besteht kein Rechtsanspruch auf Förderungen. In der Gesetzgebung werden arbeitslose Mütter und Väter von Kindern unter drei Jahren zunächst von der Pflicht zur Arbeitssuche ausgenommen. Ihnen wird zuerkannt, dass sie Sorgeleistungen erbringen und nicht erwerbstätig sein können. Ab dem dritten Lebensjahr wird davon ausgegangen, dass mit dem Rechtsanspruch auf einen Halbtagskindergartenplatz die Betreuung gewährleistet ist. Eltern von Kindern über drei Jahren gelten pauschal als für den Arbeitsmarkt verfügbar. Die Fachkräfte in den Grundsicherungsstellen berücksichtigen in der Regel die Verfügbarkeit von Betreuungsangeboten, die regionalen Besonderheiten der Erwerbsarbeitsbeteiligungen, die Erwerbsbiografie sowie die Nachfragesituation am Arbeitsmarkt. Diese Faktoren können je nach Region, Alter etc. sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, konkrete Vorgaben bilden sie nicht (Jaehrling 2010). Empirische Studien belegen deutlich die Wirksamkeit von Geschlechterstereotypen in der Beratungspraxis: Fachkräfte akzeptieren eher bei Müttern in Partnerschaften und auch bei Alleinerziehenden zeitliche Einschränkungen, die sie aus fehlenden Betreuungsangeboten ableiten, als dass sie diese zum Anlass für Hilfestellungen nehmen. Mütter werden deswegen auch häufiger in Minijobs vermittelt (Lenhart 2009). Vätern ist es dagegen kaum möglich, Sorgeverantwortung geltend zu machen (IAQ/FIA/GendA 2009). Schließlich werden Männer häufiger als Frauen beraten, sie schließen häufiger Eingliederungsvereinbarungen ab, 86

sind häufiger in Maßnahmen vertreten (IAQ/FIA/GendA 2009) und bewerten diese auch positiver als Frauen (Betzelt 2008). Frauen mit geringer bis mittlerer Qualifikation werden zudem seltener in Maßnahmen weitergebildet als Frauen mit hoher Qualifikation (Lenhart 2009). Tatsächlich bilden Lücken in der Kinderbetreuung, vor allem am Nachmittag einen Grund dafür, warum Mütter seltener in Erwerbsarbeit vermittelt werden. Frauen nehmen aber auch dann seltener an Maßnahmen teil, wenn sie über eine ausreichende Versorgung verfügen (Jaehrling 2010). Für diese Ungleichheiten sind nicht nur Geschlechterstereotype verantwortlich, die in den Interaktionen in der Beratungspraxis wirksam werden, sondern auch strukturelle Faktoren. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass traditionelle Geschlechterarrangements gestützt werden, wie etwa das Fehlen von Betreuungsangeboten in den westdeutschen Bundesländern sowie ein weiterhin stark nach Geschlecht segregierter Arbeitsmarkt (siehe Kap. III/3), der vor allem Frauen kaum oder nicht existenzsichernde Beschäftigung zuweist. Fachkräfte in westdeutschen Grundsicherungsstellen betonen zum Beispiel häufig, dass auf dem Arbeitsmarkt häufig keine Stellen für Mütter existieren, die nur auf den Vormittag beschränkt sind. Deswegen werden Frauen mit Kindern im schulpflichtigen Alter häufiger in geringfügige Beschäftigungen vermittelt als in Arbeitsplätze mit höherem zeitlichen Umfang. Eine Verschlechterung der Situation von erwerbslosen Frauen bildet schließlich die Einführung des Rechtskonstrukts der Bedarfsgemeinschaft. Anders als bei der vorherigen Arbeitslosenhilfe wird nicht die individuelle Bedürftigkeit berücksichtigt, sondern die des Haushaltes. Ob jemand leistungsberechtigt ist oder nicht, wird somit vom Partnereinkommen abhängig gemacht. Dies hat vor allem für Frauen weitreichende Folgen: Sobald ihre Partner ein bedarfsdeckendes Einkommen erzielen, verlieren sie Ansprüche auf das bedarfsgeprüfte Arbeitslosengeld II, auf Vermittlung, Beratung und Förderung und wenn sie über keine Familienversicherung verfügen, ebenfalls ihren Krankversicherungsschutz (Betzelt/Schmidt 2010). Das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft erscheint zwar zunächst als geschlechtsneutral, auch Männer könnten im Falle eines entsprechenden Gehaltes ihrer Partnerin Ansprüche verlieren. Aufgrund der weiterhin höheren Löhne von 87

Männern, ist aber vor allem die Gruppe der arbeitslosen Frauen angewachsen. Zu der Gruppe der Nichtleistungsbeziehenden (Betzelt/Schmidt 2010) gehören neben Frauen in Paarbeziehungen zudem erwerbsarbeitslose Erwachsene unter 25 Jahren, die auf ihre Eltern verwiesen werden und damit keinen Anspruch auf Gründung eines eigenen Haushaltes haben. Das geschlechtersoziologische Fazit fällt hier eindeutig aus: Das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft verstärkt familiale Abhängigkeiten und überantwortet vormals staatliche Pflichten in die privaten Sorgegemeinschaften. Es drängt geradezu Familien, in denen Frauen wenig oder kein Einkommen erzielen, in das männliche Ernährermodell (Betzelt 2008). Die aktivierende Arbeitsmarktpolitik baut Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nicht ab, sondern verstärkt sie vielmehr. Am Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft ist schließlich bemerkenswert, dass es nicht nur die heterosexuelle Kleinfamilie als Sorgegemeinschaft anerkennt, sondern auch homosexuelle Lebenspartnerschaften sowie weitere alternative Lebensgemeinschaften, die bisher von sozialpolitischen Privilegien weitgehend ausgenommen werden. Hier erweist sich Prekarisierung, wie Woltersdorff (2010) argumentiert als »historische Bedingung« (ebd.: 244) für die Anerkennung auch schwul-lesbischer Lebensformen. Staatliche Anerkennung für nicht-heterosexuelle Lebensweisen wird somit nur gewährt, »wo es sich für den Staat auszahlt« (ebd.). Hier scheint die Arbeitsmarktpolitik, so Woltersdorff, folgender Devise zu folgen: »Du darfst so leben, wie du willst, wenn du damit erfolgreich bist und selbst dafür die Verantwortung übernimmst.« (Ebd.) Wer ausreichend Einkommen hat, kann sich Freiheiten und Egalität in der Aufgabenverteilung leisten, wer dies nicht vorweisen kann, wird auf die familiale Sorgegemeinschaft verwiesen.

4.2 Aktivierende Familienpolitik und das neue Elterngeld In diesem Abschnitt wird am Beispiel des Elterngeldes gezeigt, dass auch die aktivierende Familienpolitik prekäre Lebenslagen weiter verschärft. Auch Familienpolitik wird unter dem Leitprinzip der Aktivierung neu ausgerichtet. Sie setzt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf ihre Agenda. Dies soll u.a. über den 88

Ausbau der Kinderbetreuungsstruktur erfolgen, wie es 2007 die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Betreuungsausbau beschloss. Damit sollen Frauen defamiliarisiert werden. Im Rahmen einer nachhaltigen Familienpolitik, die unter der Familienministerin Renate Schmidt (2002 bis 2005) begründet wurde, halten auch erstmals demografische Ziele Einzug in politische Programme, womit das Aktivierungsgebot auch auf Geburtenraten ausgeweitet wird. Entgegen gewirkt werden soll einer Alterung der Gesellschaft, in dem die Erhöhung der Frauenerwerbsquote mit dem Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur verbunden wird (Winker 2008). Mit der staatlichen »›Gebär-Aktivierung‹« (Henninger/Wimbauer/Dombrowksi 2009: 23) vollzieht sich ein deutlicher Bruch, denn nach dem deutschen Faschismus galt die Absicht, mit politischen Maßnahmen auf Geburtenraten Einfluss zu nehmen als Tabu, nur sehr vereinzelt und indirekt wurden bevölkerungspolitische Ziele verfolgt (Schultz 2013). In Zuge der nachhaltigen Familienpolitik wird das »Humanvermögen« (BMFSFJ 2006: 5) entdeckt. Es geht nicht nur darum, die Bevölkerungsanzahl an sich zu steigern, vielmehr werden bestimmte Gruppen zu Realisierung von Elternschaften avisiert. Ihnen wird unterstellt, dass sie bestimmten Kriterien entsprechen, um das Humanvermögen steigern zu können. Wie deutlich wird, sollen nicht soziale Ungleichheiten abgebaut werden, so dass die soziale Herkunft nicht mehr so stark über die weitere Bildungsund Erwerbskarriere bestimmt, vielmehr geht es darum, dass bestimmte Gruppen Kinder bekommen sollen, die die Kriterien zur Erhöhung des Humanvermögens »quasi naturgegeben« bereits mitbringen (Schultz 2013: 545). Damit geraten vor allem kinderlose Akademikerinnen ins Visier, womit es ausschließlich bestimmte Frauen sind, nämlich mittlere bis hochqualifizierte Frauen mit einem mindestens mittleren Einkommen, die Zugang zu den Vorzügen neuer familienpolitischer Leistungen erhalten (Farahat/ Janczyk/Mängel et al. 2006, Henninger/Wimbauer/Dombrowksi 2009, Schultz 2013). Diese Entwicklung wird vor allem an der Reform des Erziehungsgeldes zum Elterngeld deutlich. Worin besteht der Unterschied zwischen dem früheren Erziehungsgeld und dem heutigen Elterngeld? Die Familienpolitik in Deutschland förderte bis in die späten 1980er Jahre das männliche Ernährermodell, in dem es Frauen 89

familiarisierte, wie etwa durch das Ehegattensplitting oder über Rechte, die vom Einkommen des Partners abgeleitet waren. Das alte Erziehungsgeld, 1986 durch das Bundeserziehungsgeldgesetz eingeführt, war als Transferleistung konzipiert, die an eine Einkommenshöchstgrenze gebunden war. Das Erziehungsgeld fiel so gering aus, dass es die traditionelle Arbeitsaufteilung zwischen den Geschlechtern förderte. Entsprechend lag die Quote der Väter, die Erziehungsgeld beantragten, bei knapp über 3 Prozent (Statistisches Bundesamt 2008). Aus feministischer Sicht war das Erziehungsgeld unbefriedigend, da es nicht auf die Umverteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern gerichtet war. Als Transferleistung konzipiert, zielte es auf die Minderung von Armutsrisiken von einkommensschwachen Familien. Mit dem 2007 eingeführten Elterngeld, so der neue Begriff, sollen erstens materielle Einschränkungen für erwerbstätige Eltern in den ersten Monaten nach der Geburt kompensiert werden. Das Elterngeld ist hierbei nicht mehr als eine Transferleistung konzipiert, sondern als ein Einkommensersatz. Mit dieser Konzeption des Elterngeldes als Einkommensersatz wird, wie Annette Henninger, Christine Wimbauer und Rosine Dombrowski (2009) argumentieren, der »Wert der Betreuung« mit dem Einkommen, dass das Elternteil am Arbeitsmarkt erzielt, in eine Beziehung gesetzt (ebd.: 110). Das Elterngeld soll zweitens die Erwerbstätigkeit von Müttern fördern. Hier wird die Orientierung am neuen Leitbild des AdultWorker-Model am deutlichsten. Auch Mütter kleiner Kinder sollen früh wieder erwerbstätig werden und von einer langen Familienpause, wie es im männlichen Ernährermodell vorgesehen war, Abstand nehmen. Damit wird nicht nur die Wahlmöglichkeit zwischen Familienpause und Erwerbsarbeit eingeschränkt. Je nach Qualifikation, Einkommen und Familienstand, also der Verfügbarkeit von Frauen für den Arbeitsmarkt, zeigen sich große sozial differenzierte Wirkungen zwischen Frauen: Frauen mit hohem Einkommen und hoher Qualifikation haben kaum Möglichkeiten in Teilzeit zu arbeiten. Sie können sich aber prinzipiell private Betreuungsformate leisten, wenn ihre Arbeitszeiten nicht mit den Betreuungszeiten kompatibel sind – falls letztere vorhanden sind. Auch Frauen, die im Niedriglohnbereich beschäftigt sind, müssen ihre Arbeitszeiten mit den Betreuungszeiten koordinieren. Sie 90

können sich allerdings Betreuungsangebote nicht leisten, die über die öffentliche Bereitstellung hinausgeht. Drittens soll durch die genannte Regelung der Partnermonate das väterliche Engagement gefördert und eine Umverteilung von Erziehungsarbeit zwischen den Geschlechtern realisiert werden (Trappe 2013). Tatsächlich betrug im Jahr 2012 die Väterbeteiligung fast 30 Prozent, allerdings beziehen mehr als drei Viertel dieser Väter lediglich zwei Monate Elternzeit (Statistisches Bundesamt 2013). Das Elterngeld ist für Paare konzipiert, die erwerbstätig sind und die mittlere und hohe Einkommen erzielen. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, Sorgearbeit unter sich aufzuteilen und sich bis zu vierzehn Monate ohne größere finanzielle Einbußen um ihr Kind zu kümmern. Schließlich sind es diese Paare, die dazu aktiviert werden, Kinder zu bekommen. Farahat et al. (2006) sprechen deswegen von einer exklusiven Emanzipation. Erwerbsarbeitslose Eltern erhalten zwar den Mindestbetrag des Elterngeldes von 300 Euro, dieser wird ihnen allerdings auf das Arbeitslosengeld II angerechnet. Sie werden somit von der Aktivierung ausgenommen. Die sozialpolitische Orientierung am Adult-Worker-Model hat somit einen schichtspezifischen Bias, in dem es Frauen mit mindestens mittleren Einkommen, Unterstützung in der Realisierung von Elternschaft und Erwerbsarbeit verspricht. Einschränkend muss aber angeführt werden, dass auch für diese spezifische Gruppe weitreichende Inkonsistenten und Widersprüche bestehen (Henninger/Wimbauer/Dombrowksi 2009). Denn parallel zum Elterngeld erfolgt etwa mit dem Instrument des Ehegattensplittings oder dem Betreuungsgeld wiederum eine (Re-)Familialisierung von Frauen. Am Beispiel des Elterngeldes wird sehr deutlich, dass durch die aktivierende Familienpolitik bereits bestehende prekäre Lebenslagen verstärkt werden, wobei materiell gesicherte Familien, durchaus die Möglichkeit erhalten, Sorgearbeit umzuverteilen. Die Umverteilung von Sorgearbeit stellt allerdings – zumindest im Westen – noch eher Rhetorik als gelebte Praxis dar (siehe Kap. III/7.2).

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4.3 Nach dem Ernährermodell? Am Beispiel ausgewählter Instrumente der aktivierenden Arbeitsund Familienpolitik wurde deutlich, dass sich die neuen sozialpolitischen Instrumente nicht daran orientieren, den prekären Lebenslagen von Frauen und Männern entgegenzutreten. Den Reformen liegt vielmehr eine schichtspezifische Diskriminierung zugrunde, die dazu führt, dass sich zwischen Frauen Ungleichheiten verstärken und Paare mit niedrigem oder keinem Einkommen sozialpolitisch in das männliche Ernährermodell gedrängt werden, wie etwa am Beispiel des Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft deutlich wurde. Auch das Elterngeld steht für eine Maßnahme, die nur Familien mit mittlerem bis hohen Einkommen die Möglichkeit gibt, Sorgearbeit zu teilen. Deutlich wurde zudem, dass sich eine Orientierung am AdultWorker-Model abzeichnet, die allerdings von großen Widersprüchen und Inkonsistenzen begleitet wird. So wird etwa weiterhin das Ehegattensplitting beibehalten, womit die ungleiche Erwerbsbeteiligung zu Ungunsten von Frauen erhalten bleibt. Auch das Betreuungsgeld ist kein Instrument zur Förderung der Frauenerwerbstätigkeit. Das männliche Ernährermodell ist als Leitbild nicht verschwunden, es konkurriert vielmehr mit graduell unterschiedlichen Zweiverdiener-Modellen (Winker 2010). Der feministischen Forderung nach einer Gleichverteilung von bezahlter und nicht bezahlter Arbeit, eine Umverteilung von Haus- und Fürsorgearbeit, wird auch im neuen Leitbild des Adult-Worker-Models nicht Rechnung getragen (Lewis 2002).

5. Prekäre Care- und Haushaltsarbeit Seit den 1990er Jahren findet die deutsch- und englischsprachige Auseinandersetzung mit Sorgearbeiten unter dem Begriff Care statt (Aulenbacher/Riegraf/Theobald 2014).12 Für die US-amerikanische Theoretikerin Joan Tronto (1993) besteht die gesellschaftliche Funktion von Care in der Schaffung der Voraussetzungen für demokratische Teilhabe. Mit dem Care-Begriff werden damit nicht nur Sorgetätigkeit gesellschaftlich eingebettet, sondern auch Fragen der Gerechtigkeit und somit Forderungen nach Umvertei92

lung, Teilhabe und Anerkennung auf die Agenda gesetzt. Obwohl die hohe gesellschaftliche Bedeutung von etwa wertschätzender Kinderbetreuung oder qualitativ hochwertiger Pflege außer Frage steht, findet Arbeit, die im Privaten verrichtet wird, kaum Aufmerksamkeit. Die Differenz aus produktiver Erwerbsarbeit und reproduktiver (Care-)Arbeit besteht bis heute fort. Care-Tätigkeiten sind Versorgungs-, Betreuungs- und Emotionsarbeiten, die den gesamten Lebenszyklus umfassen. Sie finden in der Regel in einem Subjekt-Subjekt-Verhältnis statt, womit die sorgende und die sorge-empfangende Seite nicht zeitlich und örtlich voneinander getrennt werden kann. Care-Arbeiten zeichnet zudem aus, dass sie zeitintensiv sind. Die Qualität von Care hängt somit maßgeblich davon ab, ob ausreichend Zeit zu Verfügung steht oder nicht (Chorus 2013). Care wird hierbei als Tätigkeit verstanden (to take care), aber auch als emotionales Verhältnis (to care about). Zudem wird auch der Zusammenhang aus der Sorge für andere und für sich selbst vermittelt (take care of yourself) (Chamberlayne 1996). Care-Tätigkeiten können unbezahlt, wie im Ernährermodell, oder auch bezahlt erfolgen, wie etwa, wenn Kinderbetreuung in Anspruch genommen wird. Care-Arbeit wird analytisch von Haushaltsarbeit differenziert – auch Arbeit im Privathaushalt (domestic work) genannt – wobei sich allerdings die Anforderungen und Aufgaben beider Formen von Arbeit stark überschneiden (Gutiérrez Rodríguez 2010a). Mit der Erosion des männlichen Ernährermodells ist der Bedarf an Unterstützung von Care- und Haushaltsarbeit in den letzten Jahrzehnten stark angewachsen. Ein Grund für diese Entwicklung besteht in der gestiegenen Erwerbsbeteiligung von Frauen, die durch ihre Erwerbseinbindung zwangsläufig weniger zeitliche Ressourcen haben, diese Arbeiten zu tätigen. Schließlich sieht das Leitbild des Adult-Worker-Models vor, dass Care möglichst delegiert und kommodifiziert werden soll, so dass Frauen erwerbstätig werden können. Vor diesem Hintergrund wurde etwa der Rechtsanspruch auf Betreuung für unter 3-Jährige (August 2013) beschlossen. Ein weiterer Grund, warum der Bedarf nach CareArbeit in den letzten Jahren erheblich angewachsen ist, besteht darin, dass die Anzahl älterer Menschen angewachsen ist, die zuhause leben und auf Pflegedienstleistungen angewiesen sind. Dieser wachsende Bedarf hat nicht zu einem Ausbau an staatli93

chen Leistungen geführt. Vielmehr werden Care-Leistungen, die bislang staatlich geregelt wurden, zunehmend entlang marktwirtschaftlicher Prinzipien neu organisiert (Riegraf/Theobald 2010). Die neuen Programme der Kostensenkung und Rationalisierung kollidieren dabei auf dramatische Weise mit dem Anspruch der Care-Anbieter_innen, das »Ethos fürsorglicher Praxis« (Senghaas-Knobloch 2008: 229) zu realisieren. Während Care-Arbeit im neuen Leitbild des Adult-Worker-Models an Bedeutung gewonnen hat, wird Haushaltsarbeit, trotz ebenfalls erhöhter Nachfrage, kaum politische Beachtung geschenkt (Gutiérrez Rodríguez 2010a). Die erhöhte Nachfrage wird überwiegend über sogenannte irreguläre Beschäftigung bewältigt, sehr häufig von Migrantinnen. Mit irregulärer Beschäftigung wird im Anschluss an die englische Debatte (undeclared work) die legale Produktion von Dienstleistungen bezeichnet, die auf eine nicht legale Weise hergestellt wird (Gottschall/Schwarzkopf 2010). Gutiérrez Rodríguez (2010a) betont den Zusammenhang zwischen dem Ausbleiben einer systematischen politischen Regulierung von Haushaltsarbeit und der Illegalisierung der Personen, die diese Tätigkeiten bewältigen. Der geringe Wert der Hausarbeit zugemessen wird, muss im Kontext historisch-kolonialer Prozesse verstanden werden, durch die Hausarbeit erst zu einer feminisierten und rassifizierten Arbeit wurde (ebd.).

5.1 Prekäre Beschäftigung im Privathaushalt Grundsätzlich gilt weltweit wie auch in Deutschland, dass der Privathaushalt das Arbeitsmarktsegment mit dem höchsten Anteil an ungeschützten Arbeitsverhältnissen ist. Wenn in Deutschland Arbeit im Privathaushalt nachgefragt wird, dann handelt es sich häufig um Bedarfe in der Pflege und in der Haushaltsarbeit. Hausarbeiterinnen in Deutschland stammen häufig aus osteuropäischen Ländern, die nicht zur EU gehören oder aus Lateinamerika. Die Prekarität dieser Form von Arbeit wird maßgeblich durch Regelungen des Zuwanderungsgesetztes forciert, die Aufenthaltstitel und Zugänge zu Arbeit aneinander binden. Oftmals reisen die Haushaltsarbeiterinnen mit einem Visum für Touristen oder zu Studienzwecken ein und geraten nach dessen Ablauf in die Illegalität. Mit dem illegalen Aufenthalt liegt in Deutschland 94

ein Strafbestand vor. Ohne Papiere haben sie zudem keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, zu Beratungsstellen der Sozialarbeit oder zu Bildungseinrichtungen, da auch diese Stellen gezwungen sind, Menschen ohne Papiere zu melden (Lutz 2008). In der Regel werden keine Arbeitsverträge abgeschlossen, sondern mündliche Absprachen auf Vertrauensbasis getroffen. Viele pendeln zwischen ihren Familien und den Privathaushalten, in denen sie tätig sind, in einem Dreimonatsrhythmus (Lutz 2008). Sie brechen sozusagen von zuhause auf, um dann zuhause bleiben zu können (Morokvasic 1994). In sogenannten Live-In-Lösungen wohnen sie in den Haushalten, in denen sie arbeiten, was von ihnen als sehr ambivalent erlebt wird: Zwar sparen sie Kosten für die eigene Unterkunft und der Haushalt bietet Schutz vor den Behörden, vor denen irregulär beschäftige Migrantinnen sich verstecken müssen. Die permanente Verfügbarkeit führt aber zu einer maximal entgrenzten Arbeitszeit und sozialer Isolation (Karakayali 2010). Seit 2005 regelt das Zuwanderungsgesetzt, dass Haushalte mit mindestens einer pflegebedürftigen Person von der Zentralen Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) eine Haushaltshilfe aus den neuen EU-Ländern vermittelt bekommen dürfen. Diese Haushaltshilfen dürfen allerdings nicht pflegerisch tätig werden. Die Regelung wird u.a. deshalb, sowie aufgrund höherer Löhne und der hohen Bürokratie kaum nachgefragt (Karakayali 2010, Lutz 2007, Shinozaki 2009). Haushälterinnen verfügen im Vergleich zu früher über ein höheres Alter, weswegen sie häufig selbst eine Familie haben, die sie zurücklassen. Die US-amerikanische Soziologin Arlie R. Hochschild (2000) hat hierbei den Begriff Global Care Chain geprägt, mit dem sie das Phänomen beschreibt, dass Migrantinnen, die ins Ausland gehen, um dort Care-Arbeit zu übernehmen, in ihren Herkunftsländern eine Care-Lücke hinterlassen. In der Forschung wird mit Blick auf diese Phänomene von transnationalen Haushalten und transnationalen Mutterschaftsarrangements (Phoenix 2009) gesprochen. Die Einführung des Adult-Worker-Models als neues Leitbild hat tatsächlich zu einer Umverteilung von Care und Haushaltsarbeit geführt. Allerdings anders als in den Forderungen der frühen feministischen Debatten wird Care und Haushaltsarbeit nicht 95

zwischen den Geschlechtern aufgeteilt, sondern zwischen einheimischen Frauen der Mittelschicht, die erwerbstätig werden können und Migrantinnen, die nach Deutschland kommen, um für ihre Familien in deutschen Haushalten Einkommen zu erzielen und dafür maximal prekäre Arbeitsverhältnisse in Kauf nehmen.

5.2 Prekäre Selbstsorge Nachdem bisher Care als Sorge für andere im Zentrum stand, soll im Folgenden gefragt werden, wie es um die Sorge um sich selbst in Prekarisierungsprozessen bestellt ist. In der geschlechtersoziologischen Prekarisierungsdebatte wird zwar häufig auf Selbstsorge rekurriert, allerdings wird Selbstsorge nicht als eigener Care-Bereich ausgewiesen. Vielmehr gerät Selbstsorge in den Strudel, der den gesamten Care-Bereich erfasst. Selbstsorge ist demzufolge prekär, weil Arbeits- und Lebensverhältnisse unsicher geworden sind. Doch was ist das Spezifikum der Selbstsorge? Die wenigen Studien, die sich der Selbstsorge widmen, sind im Umfeld der Debatten zur Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit entstanden. In dieser Hinsicht können subjektivierte Arbeitsverhältnisse zu prekären Lebenslagen führen, weil die Grenzziehung zwischen Leben und Arbeit pathologische Formen annimmt. Für Kerstin Jürgens bildet Selbstsorge das »individuelle Vermögen« sowie die »Praxen des Erhalts der eigenen Arbeits- und Lebenskraft« (2008: 195). Lebenskraft versteht sie als Erweiterung der Marx’schen Perspektive, der unter Reproduktion lediglich die Wiederherstellung von Arbeitskraft fasste. Die Reproduktion der Lebenskraft »umfasst solche Tätigkeiten, die zur physischen und psychischen Stabilisierung der Person sowie der Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen dienen« (2008: 200f.). Da die Grenze zwischen Arbeit und Leben nicht mehr selbstverständlich besteht, wird diese Grenzziehung eine Aufgabe, die von den Einzelnen selbst zu bewältigen ist. Selbstsorge ist somit eine »Leistung der Person« (2008: 213). Eine empirische Untersuchung zu Selbstsorge bietet Sabine Flick (2013), die Beschäftigte im Finanzdienstleistungssektor befragt. Diese sind zwar nicht in einer materiellen Hinsicht prekär. Vor dem Hintergrund ihrer entgrenzten und stark subjektivierten Arbeits- und Lebensverhältnisse kann aber ihre Selbstsorge als 96

prekär bezeichnet werden. Mit Honneths Anerkennungstheorem bestimmt Flick Selbstsorge als »Praxis der Aneignung des eignen Lebensvollzugs gemäß eigener Vorstellungen« (ebd.: 281, Herv. i.O.). Selbstsorge umfasst somit immer ein relationales Verhältnis, weswegen »Bindung, persönliche Beziehungen und Anerkennung« zentrale Aspekte von Selbstsorge darstellen (ebd.: 280, Herv. i.O.). Flick verweist in ihrer Studie sehr deutlich auf die Zentralität der Erwerbsarbeit (Leistung) als Quelle für Anerkennung, während die Bedürftigkeit und Verwiesenheit auf andere marginalisiert wird. Die Beschäftigten sehnen sich vielmehr danach, auch in ihren Beziehungen als leistungsstark anerkannt zu werden, was wiederum ihre Abhängigkeit von der Erwerbssphäre verstärkt (siehe auch Wimbauer 2012). Die Paarbeziehung wird als Ort der Selbstsorge bedeutsam, da sich die Beschäftigten hier als authentisch erleben können, gleichzeitig wird aber vor allem die hohe Bedeutung von Freundschaften als Quelle von Anerkennung betont. Paradoxerweise werden aber durch die Zentralität der Paarbeziehungen andere Beziehungen untergeordnet und auch die Paarbeziehung erweist sich vor dem Hintergrund der entgrenzten Arbeitsverhältnisse als permanent vom Scheitern bedroht. Schließlich bietet die Gouvernementalitätsforschung wichtige Hinweise, da sie die Arbeit am Selbst als neuen allumfassenden Imperativ des unternehmerischen Subjekts (Bröckling 2007) erkennt. Hier geht es weniger um die Orte, an denen Individuen selbst sein können, als vielmehr um die Rationalitäten der Aufforderung, man selbst sein zu müssen (Cruishank 1996). So zeigt etwa Monica Greco (1993), wie Gesundheit und Krankheit zu einem Ausdruck eines inneren Willens geworden sind, an sich selbst zu arbeiten. Schließlich bildet die Kehrseite des unternehmerischen Subjektes das erschöpfte Selbst (Ehrenberg 2008). Gouvernementalitätstheoretisch betrachtet, ist Selbstsorge somit nicht das »ganz andere« und ein »reiner Schutz gegenüber der neoliberalen Programmatik« (Rau 2011: 46), sondern vielmehr Ausdruck der Arbeit am Selbst des unternehmerischen Subjekts.

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6. Prekäre Familien- und Haushaltsformen Nach den Ausführungen zu ausgewählten Aspekten des Wandels der Erwerbssphäre, der Sozialpolitik sowie zu Care-Arbeit soll in diesem Abschnitt der Wandel der Familien- und Haushaltsformen im Zentrum stehen. In diesem Abschnitt wird die Argumentation entfaltet, dass bestimmte Familien- und Haushaltsformen u.a. in materieller Hinsicht besonders häufig prekäre Lebenslagen aufweisen, was wiederum darin begründet ist, dass sich sozialpolitische Sicherungsleistungen immer noch an der bürgerlichen Kleinfamilie und damit am männlichen Ernährermodell orientieren. Der Wandel der Familien- und Haushaltsformen setzt früh ein, bereits in den 1960er Jahren verliert die bürgerliche Kleinfamilie als Lebensmodell maßgeblich an Geltungskraft (Peuckert 2008). Dieser Wandel wird auch als »Pluralisierung familialer und nichtfamilialer Lebensformen« (ebd.: 23) charakterisiert, denn neben die bürgerliche Familie sind vielfältige Familienformen getreten, wie etwa Alleinerziehende, Singles, Stiefkind- und Adoptivfamilien, Doppelkarrierepaare, Wohngemeinschaften, gleichgeschlechtliche und binationale Familien, polyamoröse Beziehungen etc. Selbstverständlich resultiert aus der Abweichung von der bürgerlicher Kleinfamilie nicht automatisch eine prekäre Lebenslage, da zum Beispiel Einschränkungen in sozialpolitischen Privilegien durch hohe Einkommen kompensiert werden können. Wenn man aber von materieller Prekarität absieht, können andere Prekaritätsrisiken benannt werden. Gleichgeschlechtliche und sogenannte Queer-Familien13 sind zum Beispiel von einer Reihe von Bürgerrechten ausgenommen, weil diese der Ehe vorbehalten sind. Für die Prekarisierungsforschung stellt sich die Frage, wie diese Verantwortungsbeziehungen abgesichert werden können. Diese Fragen werden in der englischsprachigen Forschung unter dem Stichwort von Intimate Citizenship (Plummer 2003) debattiert. An dieser Stelle kann bereits deutlich gemacht werden, dass es eines soziologischen Familienbegriffs bedarf, der unter Familie nicht nur die heterosexuelle Kleinfamilie fasst. Über die Prekarität, aber auch die Rolle und Bedeutung von Verantwortungsbeziehungen, die von der bürgerlichen Kleinfamilie abweichen, wie sie etwa auch Freundschaften bilden, ist im deutschsprachigen Raum nur wenig bekannt. Einerseits wird eine Zentralität von 98

Paarbeziehungen konstatiert, so dass sich Einzelne ohne Paarbeziehung als unvollständig erleben (Flick 2013). Häufig werden aber andererseits intime und verlässliche Beziehungen auch oder sogar eher in Freundschaften gelebt (Roseneil 2004, Roseneil/Budgeon 2005). Die Prekarisierungsforschung, die sich für Familien- und Haushaltsformen interessiert, ist aufgerufen, zu reflektieren, ob die Norm einer (heterosexuellen) Paarbeziehungen (siehe III/7.2) weitergeführt wird oder nicht. Wenn man sich anschaut, wie sich die Häufigkeiten der Familienformen auf die Haushalte verteilen, erhält man folgendes Bild, allerdings wird in den Zahlen Sexualität und Migration nicht weiter beachtet. Ein Drittel aller Haushalte sind Single-Haushalte, in denen eine eigene Existenz erwirtschaftet wird (Brehmer/ Klenner/Klammer 2010: 14). Bei den Paarhaushalten gibt es große Unterschiede zwischen den west- und ostdeutschen Bundesländern. In den westdeutschen Bundesländern ist das dominante Modell das modernisierte Zuverdiener-Modell. Es gibt einen, meist männlichen, Haupternährer, während die Frau in Teilzeit beschäftigt ist. Bei Paaren mit Kindern beträgt der Anteil 47,5 Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern ist das Zweiverdienermodell mit 37 Prozent (bei Paaren mit Kindern) am häufigsten. In diesem Modell arbeiten beide in Vollzeit. Im Folgenden soll die Familienform der Familienernährerin besondere Berücksichtigung erhalten. Diese Gruppe ist nicht nur im Vergleich zu den 1960er Jahren häufiger geworden, sondern kann geradezu als Prototyp einer prekären Familien- und Haushaltsform bezeichnet werden.

6.1 Familienernährerinnen Familienernährerinnen können in Paarhaushalten mit und ohne Kinder leben sowie als Alleinerziehende (Klammer/Neukirch/ Weßler-Poßberg 2012, Klenner/Menke/Pfahl 2012). Als Familienernährerinnen werden Frauen bezeichnet, die überwiegend oder ausschließlich das Einkommen für ihre Familie erwirtschaften (ebd.). In Deutschland kommt diese Konstellation in jedem fünften Mehrpersonenhaushalt vor, wobei große Unterschiede zwischen Ost- (24 Prozent) (Klenner/Menke/Pfahl 2012) und Westdeutschland (10 Prozent) bestehen (Klammer/Neukirch/Weßler-Poßberg 2012). 99

Haushalte von Familienernährerinnen sind nur zu einem geringen Teil solche, in denen die Frauen »gut etablierte Karrierefrauen« sind (ebd.: 52). Es überwiegen prekäre Lebenslagen, also Familien bei denen etwa der Partner arbeitslos geworden ist und nur geringfügig beschäftigt ist. Entsprechend wird in der Forschung auch von einem hohen gesundheitlichen Belastungsniveau gesprochen. Es gibt eine hohe Unzufriedenheit über die strukturellen Barrieren der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie sowie einer hohen Anspannung, die finanzielle Existenz der Familie sichern zu können (ebd.). Besonders prägnant zeigt sich dies bei Alleinerziehenden und Vollzeitbeschäftigten. Bei Familienernährerinnen handelt es sich somit nicht um ein »Ernährermodell mit umgekehrtem Vorzeichen«, Frauen ernähren ihre Familie vielmehr unter anderen Bedingungen, als dies Männern tun (ebd.: 62). Dies lässt sich deutlich an westdeutschen Einkommensunterschieden aufzeigen: Familienernährer in Paarhaushalten erzielen deutliche höhere Durchschnittseinkommen (1945 Euro) als Familienernährerinnen in Paarhaushalten (1735 Euro) sowie als Alleinerziehende (1127 Euro) (ebd.: 69). Vor allem in Ostdeutschland ist die Arbeitslosigkeit des Partners häufig der Grund für die Übernahme der Rolle der Familienernährerin. Neben diesen materiellen Unterschieden lässt sich dies auch an der Selbstwahrnehmung und den Beziehungsleitbildern in den Familienernährerinnen-Haushalten aufzeigen. Auch wenn Familienernährerinnen es als Belastung erleben, verunsichtbaren sie ihren Familienstatus häufiger, als dass sie ihn vor sich, im Paar und auch nach außen als solchen markieren. Dies hat wiederum Folgen für die Arbeitsaufteilung im Paar, denn trotz der geringen Erwerbsbeteiligungen der männlichen Partner bleiben Haushalts- und Sorgearbeiten nahezu unverändert in weiblicher Verantwortung (Klammer/Neukirch/Weßler-Poßberg 2012). In den wenigen Konstellationen, in denen die Familienernährerinnen nicht die Hauptverantwortung für Haus- und Sorgearbeiten übernehmen, werden diese Tätigkeiten an andere weibliche Verwandte oder irregulär beschäftigtes Personal delegiert (ebd.: 187). Bei den ostdeutschen Haushalten findet sich hingegen eine »leichte Tendenz« in Richtung Enttraditionalisierung (Klenner/Menke/Pfahl 2012: 138): Es kommt zu einer Neuverhandlung der Haus- und

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Fürsorgearbeit, vor allem wenn Frauen nicht nur vorübergehend Familienernährerinnen sind. Für alleinerziehende Familienernährerinnen ergibt sich die besondere Herausforderung, dass die Aufgabe, die materielle Absicherung zu erwirtschaften, das Kind oder die Kinder zu betreuen sowie weitere Sorgearbeiten zu tätigen, sich auf eine Person konzentrieren. Barbara Rinken (2010) legt eine qualitative Studie vor, in der sie die Ambivalenzen des Alleinerziehens deutlich hervorhebt: Die Alleinerziehenden ziehen aus ihrer besonderen Verantwortung ein »erstarktes Selbstbewusstsein« (ebd.: 329), gleichzeitig erleben sie ihre Familienform im Vergleich zu anderen aber auch als »defizitär« (ebd.). Vor allem beklagen sie aber den Mangel an Zeit, der für ihre Kinder bleibt. Alleinerziehende gelten als die Gruppe mit den höchsten Armutsraten. Über 40 Prozent aller Haushalte von alleinerziehenden Familienernährerinnen in Deutschland gelten als relativ arm. Wenn das jüngste Kind in einem Haushalt unter drei Jahre alt war, beträgt die Quote sogar 50 Prozent (Grabka/Frick 2010: 2). Im Jahr 2012 lebten etwa 2,2 Millionen Kinder in Haushalten von Alleinerziehenden, womit jede fünfte Familie mittlerweile alleinerziehend ist. Während Haushalte mit Kindern insgesamt stagnieren, ist ihr Anteil seit den 1990er Jahren deutlich gestiegen. In den meisten Fällen wohnen Mütter mit ihren Kindern zusammen, nur in jedem neunten Alleinerziehendenhaushalt kümmert sich ein Vater um seine Kinder (Lenze 2014). Die Kinder in den Haushalten von alleinerziehenden Vätern sind zudem wesentlich älter als die Kinder bei alleinerziehenden Frauen und alleinerziehende Männer erzielen auch höhere Einkommen als alleinerziehende Frauen. Auch in der Grundsicherung überwiegen Alleinerziehende. Ihre Haushalte machen mehr als die Hälfte aller Bedarfsgemeinschaften im SGB II-Bezug aus. Vor allem wenn die Kinder jünger als drei Jahre alt sind, ist die Verweildauer hoch (Lietzmann 2009). Schließlich ist die Qualifikation entscheidend: Akademikerinnen, die alleinerziehend sind, weisen kürzere, Alleinerziehende ohne Ausbildung die längsten Verweildauern an (ebd.). Wenn Alleinerziehende im Rahmen des Hilfsbezugs in Maßnahmen vermittelt werden, dann häufiger in wenig effiziente Programme, wie EinEuro-Jobs, die in der Regel kaum Perspektiven bieten. Entspre101

chend werden sie seltener in aussichtsreichere betriebliche Maßnahmen vermittelt, die allerdings auch zeitintensiver sind und damit die Frage nach Betreuungsangeboten aufwerfen (Zabel 2011). Alleinerziehenden wird eine deutlich höhere Erwerbsneigung nachgesagt: Sie sind deutlich häufiger erwerbstätig als Mütter in Paarbeziehungen. Wenn ihre Kinder älter als drei Jahre alt sind, arbeiten sie zudem häufiger als Frauen in Paarbeziehung in Vollzeit. Wie die Rechtswissenschaftlerin Anne Lenze (2014) zeigt, haben Alleinerziehende, um keine Grundsicherung zu beziehen, oftmals keine Wahl, ob sie eine Teil- oder Vollzeitbeschäftigung aufnehmen wollen. Denn da das Steuer- und Sozialversicherungssystem auf die Absicherung der Ehe gerichtet ist, werden Alleinerziehende hier stark benachteiligt. So werden sie mit der Abschaffung des Haushaltsfreibetrags im Jahr 2003 zum Beispiel nicht wie Familien, sondern nahezu wie Singles besteuert (ebd.). Mit der Reform der Unterhaltsreform im Jahr 2008 haben Alleinerziehende, deren Kinder älter als drei Jahre alt sind, oftmals keinen Anspruch auf Betreuungsunterhalt des Expartners. Wenn eine Kinderbetreuung zur Verfügung steht, wird von ihnen eine Vollzeiterwerbstätig erwartet (ebd.). Die Prekarität ihrer Lebenslage ergibt sich nicht nur aus ihrer Erwerbslage und der Betreuungsinfrastruktur, sondern auch aus dem Steuerrecht (ebd.).

6.2 Prekarität im Lebenszusammenhang Wie bereits mehrfach deutlich geworden ist, ist es unzureichend, wenn die Prekarität einer Lebenslage nur über die Einbindung in die Erwerbssphäre erfolgt. Zwar wird auch in der Arbeits- und Industriesoziologie eingeräumt, dass immer der gesamte Haushalt berücksichtigt werden muss, wenn Rückschlüsse auf prekäre Lagen gezogen werden sollen. Hier bezieht sich das Konzept des Haushalts aber meist auf das Einkommen und somit auf die Frage, ob Prekaritätsrisiken, die durch ein geringes Einkommen bedingt sind, durch das Einkommen des Partners abgefedert werden können (Kraemer 2008). Doch auch unabhängig vom Einkommen stellt sich die Frage, wie die Mitglieder eines Haushaltes in ihrer »familialen Lebensführung« aneinander gebunden sind (Jürgens 2001: 33). Vor diesem Hintergrund wird das Konzept der Prekarität im Lebenszusammenhang (Klenner/Pfahl/Neukirch et al. 2011) vorgeschlagen. Die Pers102

pektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang stellt somit nicht die Frage nach Unsicherheiten in der Erwerbssphäre ins Zentrum, sondern vielmehr die Unsicherheiten, welche die »Ermöglichung der familialen Lebensführung« (Klenner/Menke/Pfahl 2012: 217) erschweren. Vor dem Hintergrund ihrer Forschungen zu Familienernährerinnen schlagen Klenner, Menke und Pfahl (2012: 218) folgende Definition vor: »Wir verstehen unter Prekarität im Lebenszusammenhang eine Gefährdungs- und Unsicherheitslage, die neben der Fragilität der individuellen auch die familiale Lebensführung erfasst sowie einen Verlust an Zukunft und Handlungsfähigkeit – möglicherweise für mehrere Personen – mit sich bringt«. (Herv. i.O.) Damit werden vier Aspekte benannt, die in vielfältigen Kombinationen zusammentreffen können: Erstens werden Planungsund Gestaltungsunsicherheiten virulent, zweitens werden Normalitätsstandard unter- und ein Ausmaß an alltäglichen Belastungen überschritten, drittens fehlen rechtliche Ansprüche auf Sicherheiten, was wiederum Abhängigkeiten zu Eltern oder Partnern zur Folge hat, die jederzeit kündbar sind und viertens ist die Handlungsautonomie durch Ohnmachts- und Diskriminierungserfahrungen sowie durch widersprüchliche Anforderungen eingeschränkt. Diese Prekarisierungstendenzen können aber durch Ressourcen abgemildert werden. Mit dem Konzept Prekarität im Lebenszusammenhang könnten schließlich ähnlich wie in Becker-Schmidts Konzept der doppelten Vergesellschaftung die Relationen der und Wechselwirkungen zwischen den Lebensbereichen erfahrbar werden. Diese Wechselwirkungen bilden zwar noch ein Forschungsdesiderat, allerdings bietet Wimbauer (2012) in ihrer anerkennungstheoretischen Studie zu Doppelkarrierepaaren Anregungen: Als Doppelkarrierepaare werden Paare gefasst, die eine hohe Bildung und eine hohe Karriereorientierung aufweisen und die eine egalitäre Aufgabenteilung von Erwerbs- und Haus- und Sorgearbeit anstreben (Solga/ Wimbauer 2005). Wimbauer (2012) zeigt auf, dass hochqualifizierte und materiell abgesicherte Beschäftigte gerade wegen ihrer Karriereorientierung in eine prekäre Lebenslage geraten können, wie etwa, wenn ein Partner ausschließlich in der Erwerbssphäre Liebe sucht und diese durch Leistungssteigerung zu erzielen sucht. Diese »Verschmelzung des Einzelnen mit Erwerbsarbeit« (ebd.: 327) bezeichnet Wimbauer als »›Anerkennungsfalle‹ sub103

jektivierter Arbeit« (ebd.: 323), da das Subjektivierungsversprechen von Arbeit eine »immer weitergehende Steigerungslogik« befeuern kann. Laufen aber nur Hochqualifizierte Gefahr, in diese Anerkennungsfalle zu laufen? Wie sich die Wechselverhältnisse von Liebe und Leistung bei Paaren oder auch bei Individuen ohne Paarbeziehungen gestalten, die nicht hochqualifiziert sind, ist noch eine offene Frage.14

7. Prekarisierung von Geschlechternormen? Bisher stand die Frage im Zentrum, wie sich durch Prekarisierungsprozesse Geschlechterungleichheiten verändern. Ausgangspunkt bildete die Diagnose einer Erosion des männlichen Ernährermodells. Vor diesem Hintergrund wurde gefragt, welche Geschlechterungleichheiten aus dem Wandel der Erwerbssphäre, der Sozialpolitik und der Familien- und Haushaltsformen resultieren. Aus geschlechtersoziologischer Sicht bildet Prekarisierung einen ambivalenten Prozess, denn auch wenn zahlreiche Geschlechterungleichheiten im Leitbild des Adult-Worker-Model fortbestehen, gibt es aus feministischer Perspektive keinen Anlass, das männliche Ernährermodell nostalgisch zu verklären. In diesem Abschnitt wird ein weiterer Faden der geschlechtersoziologischen Argumentation aufgenommen: Denn mit der Erosion des männlichen Ernährermodells stellt sich die Frage, ob Geschlechternormen brüchig werden. Hier wird die Argumentation vorgeschlagen, dass die Geschlechterforschung – und insbesondere die Queer Studies – selbst das Prekärwerden von vermeintlichen Alltagsgewissheiten über Geschlecht forcier(t)en. Indem sie etwa die Norm von Männlichkeiten und von Heterosexualität zur Diskussion stellen und Geschlecht als soziales Konstrukt entlarven (siehe Kap. III/2), werden zunehmend auch Männlichkeit und Heterosexualität zu etwas Benennbarem, was vorher ausschließlich für das Weibliche und das Homosexuelle galt. Nicht von ungefähr bezeichnet Nina Degele (2003) die Geschlechterforschung deshalb als Verunsicherungswissenschaften.

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7.1 Prekäre Männlichkeiten? Wenn das Ernährermodell erodiert, stellt sich die Frage, was dies für Männer und für Männlichkeitskonstruktionen bedeutet. Bröckelt die Vormachtstellung, die gesellschaftlich dem Männlichen zugewiesen wird, wie die Männlichkeitsforschung (Wedgwood/Connell 2008) mit ihren prominenten Konzepten, wie den Konzepten der hegemonialen Männlichkeit (Connell 2000) oder der männlicher Herrschaft (Bourdieu 2005) zum Ausdruck bringt? Mit dem Ernährermodell bildete sich eine spezifische Konstruktion von Männlichkeit heraus, die Michael Meuser (2004) als industriegesellschaftliche Männlichkeit bezeichnete. Charakteristisch ist die Ausrichtung auf eine Erwerbsarbeit im Normalarbeitsverhältnis und eine hohe Identifikation mit der Tätigkeit und dem Unternehmen. Männlichkeit wird in dieser Variante über die Einbindung in Erwerbsarbeit bestimmt und nicht oder zumindest nicht primär über Vaterschaft und gar nicht über Hausarbeit. Die australische Männlichkeitenforscherin Rawyn Connell (2000) schlug im Rückgriff auf Gramscis Hegemoniebegriff vor, das Orientierungsmuster, das in einer spezifischen historischen und lokalen Situation sozial anerkannte Männlichkeit ausweist, als hegemoniale Männlichkeit zu bezeichnen. Um als Mann anerkannt zu werden, ist es für Individuen unerlässlich, sich in Relation zu dieser Konstruktion von Männlichkeit in Beziehung zu setzen.15 Diese industriegesellschaftliche Form von Männlichkeit kann als hegemonial für eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort bezeichnet werden. Sie »bildet die Normalitätsfolie männlicher Lebenslagen, ist die Basis männlicher Suprematie und stellt die zentrale Rahmung der männlichen Biografie dar« (Lengersdorf/Meuser 2010: 90). Bourdieu hat die Hegemonie des Männlichen als männliche Herrschaft (2005) bezeichnet. Mit diesem Begriff weist er eine symbolische Ordnung geschlechterdifferenter Herrschaftsverhältnissen aus. Die Reproduktion dieser symbolischen Ordnung resultiert aus der Sozialisation, in der wiederum ein geschlechterdifferenter Habitus ausgebildet wird. Als symbolische Ordnung gefasst, erscheint männliche Herrschaft, so Bourdieus Pointe, als selbstverständlich und selbstevident, was er in dem Begriff der Doxa ausweist. In Bourdieus Worten bezeichnet die Doxa die »ge105

wohnheitsmäßige Verwurzelung mit der alltäglichen Ordnung des Ungefragten und Selbstverständlichen« (ebd.: 668), [...] die »Verhaftung an Ordnungsbeziehungen, die [...] als selbstverständlich und fraglos hingenommen werden« (ebd.: 734). Tatsächlich wird diese industriegesellschaftliche Männlichkeit von Prozessen herausgefordert, die unter dem Stichwort des Wandels der Erwerbssphäre bereits vielfach erwähnt wurden. Mit dem Unsicherwerden männlicher Berufsbiografien beginnen sich männliche Lebensverläufe weiblichen Lebensverläufen zu nähern, womit Männer, so Meuser (2004), das zentrale Distinktionsmerkmal gegenüber Frauen verlieren. Der berufliche Aufstieg in einer männlichen Berufskarriere verliert an Selbstverständlichkeit (Kreher 2007). Mit der Projektförmigkeit von Arbeitsbeziehungen (Boltanski/Chiapello 2003) geraten, so Meuser und Lengersdorf (2010), permanent neue Kollegen und auch Kolleginnen an die Stelle der vormals engen homosozialen industriegesellschaftlichen Gemeinschaft. Zudem findet die Ausübung von Erwerbsarbeit immer seltener an einem Ort und zu einer geregelten Zeit statt, was ebenfalls die Ausbildung verbindlicher homosozialer Gemeinschaften erschwert. Homosoziale Gruppen sind aber für den Entwurf von Männlichkeiten fundamental, da der männliche Habitus, so Bourdieu (2005), in den ernsten Spielen des Wettbewerbs ausgebildet wird. In den Wettkämpfen von Männern werden diese zwar zu Rivalen, die Wettkämpfe stiften aber auch Solidarität, die etwa in berühmt-berüchtigten old boys’ networks zu einer zentralen Ressource in der Erwerbssphäre werden können. Frauen sind nach Bourdieu nicht nur von den ernsten Spielen des Wettbewerbs ausgeschlossen, ihre Aufgabe ist es, Männer emotional zu unterstützen und wie ein »schmeichelnder Spiegel« wie Bourdieu (1997: 203) mit einem Bild von Virgina Woolf formuliert, eine Vergrößerung des männlichen Selbst zu projizieren, dem Männern sich nähern wollen, aber auch sollen. Mit dem Eintreten von Frauen in vormals ausschließlich männliche Segmente von Erwerbsarbeit geraten Männer in Wettbewerbssituationen, in denen sie auch mit Frauen konkurrieren. Mit der Tendenz einer Subjektivierung von Arbeit könnten schließlich Kompetenzen an Bedeutung gewinnen, die traditionell eher Frauen zugesprochen werden (Lohr/Nickel 2005).16 Da Männlichkeit zunehmend nicht mehr institutionell abgesichert wird, wird der Entwurf einer gelungenen 106

Männlichkeit zu einer zu bewältigenden Aufgabe. Männlichkeit hat somit vor allem an Selbstverständlichkeit verloren (Meuser 2004), womit dem Männlichen der »Nimbus des Sachlichen Neutralen entzogen« (ebd.: 85) wird. Auch Männer, so Meuser, werden zu einem »geschlechtlichen Besonderen als das Frauen schon immer gesehen wurden« (ebd.). Eine Reihe von Studien belegen, dass Erwerbsarbeit für Männlichkeitskonstruktionen nicht an Bedeutung verliert, auch wenn Erwerbsarbeit unsicher wird. In diesen Studien stehen Männer mit niedriger oder mittlerer Qualifikation im Zentrum. Sylka Scholz (2004) interviewte Männer in Ostdeutschland, deren Berufskarrieren durch die politischen Transformationen nach 1989 große Diskontinuitäten aufweisen. Sie partizipieren trotz Phasen der Erwerbsarbeitslosigkeit ungebrochen an der Zentralität von Erwerbsarbeit. Den Verlust der Ernährerrolle erfahren sie als fundamentale »Verunsicherung von männlicher Identität« (Scholz 2009: 85). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt Thomas Kreher (2007), der mit jungen Männern in Ostdeutschland spricht, die mit großen Anstrengungen versuchen, Übergänge in Ausbildung und Beschäftigung zu bewältigen. Sie wollen sich in der Erwerbssphäre bewähren, empfinden dies aber als große Herausforderung. Schließlich bekräftigen auch Männer mit Hafterfahrung die Gültigkeit einer männlichen Normalbiografie auch oder gerade weil sie sich von deren Realisierung weit entfernt wissen. Zudem wird ihnen diese Orientierung auch durch den Erziehungsauftrag der Haftanstalt nahegelegt (Bereswill 2006). Diese Studien lassen sich als Beleg für die These interpretieren, dass industriegesellschaftliche Männlichkeit weiterhin die hegemoniale Form von Männlichkeit bildet, auch wenn sie immer seltener realisiert werden kann. In einer Studie zu weitgehend männlichen Leiharbeitern in der Automobilindustrie rekonstruiert Dörre ein Phänomen, dass er als »Zwangsfeminisierung« (2007b: 297) benennt: Er berichtet von einem Leiharbeiter, der, weil er keine Familie ernähren kann, sich nicht als »richtiger Mann« fühlt (ebd.: 297). Auch seine Tätigkeit, die weniger Kompetenz erfordert als es seine Qualifikation erlauben würde, erlebt er als unwürdig für einen Mann: »›Man verweichlicht halt. Man sehnt sich nach etwas Größerem, wo man sieht, was man machen kann‹« (ebd.). Dörre findet das Phäno107

men eines unfreiwilligen Geschlechtsidentitätsverlusts auch bei ostdeutschen Verkäuferinnen, die aufgrund der Verfügbarkeitsansprüche im Einzelhandel nicht ihrem biografischen Entwurf als zuverdienende fürsorgliche Mutter und Hausfrau realisieren können. Sie fühlten sich entweiblicht, so Dörres Interpretation (ebd.: 296). »Entweiblichung« und »Zwangsfeminisierung« (ebd.) bilden für Dörre zwei hervorstechende Verarbeitungsmuster. Aus der Prekarisierung von Beschäftigung resultiert die Retraditionalisierung des Geschlechterverhältnisses, so Dörre. Ein anderes Interpretationsangebot bieten Autor_innen, die an sogenannte praxeologische Ansätze anschließen. Aus praxeologischer Perspektive wird kritisiert, dass gegenwärtige Erosionsprozesse in Kategorien beschrieben werden, die zum analytischen Inventar des fordistischen Ernährermodells gehören. So ist es schlichtweg verzerrend, dass in Teilzeit beschäftigten Frauen in Ostdeutschland in empirischen Untersuchungen eine Bewältigungsstrategie der Retraditionalisierung unterstellt wird, da das männliche Ernährermodell in der DDR gar nicht traditionell verankert war (Dölling/Völker 2008). Die von Dörre vorgenommene Rekonstruktion erscheinen Egert et al. (2010) vor diesem Hintergrund vielmehr als Strategie der »Abwehr verstörender Erfahrungen über Reessentialisierung« (ebd.: 206). Die Soziologie ist vielmehr angehalten, den »wissenschaftlichen Blick für Öffnungen, die sich aus der Auflösung fordistischer Institutionalisierungen ergeben (können)« nicht zu vernebeln (Dölling/Völker 2008: 58). Der geschlechtersoziologische Blick sollte sich auf die »eigenlogische kulturelle Dimension alles Sozialen bzw. die (ambivalente, paradoxale) Verknüpfung ökonomischer, politischer und kultureller Prozesse« (ebd.: 58) richten. Dies würde bedeuten, dass eine größere Sensibilität für Phänomene der Erschöpfung (Dölling/Völker 2008, Trinkaus/Völker 2007) bisheriger Institutionalisierungen entfaltet werden muss. Die methodische Konsequenz dieser Forderung besteht in qualitativen Untersuchungen, die im Anschluss an Bourdieu, die »Reibung zwischen (vergeschlechtlichten) Habitus und in Veränderung/Auflösung begriffenen Bedingungen und Figurationen alltäglichen Handelns« befragen (Dölling/Völker 2008: 59). Völker (2011) rekonstruiert in ihrer Studie zu männlichen Beschäftigten im ostdeutschen Einzelhandel zwar auch Praxisformen, die sie als orthodoxe Klassifizierungen benennt. Gemeint sind 108

traditionelle Männlichkeitsentwürfe, die sie als (Re-)Stabilisierungen interpretiert, um den Verlust der Ernährerrolle zu kompensieren. Sie kann darüber hinaus aber auch aufzeigen, dass traditionelle Geschlechterarrangement erschöpft werden, da sie sich in der praktischen Lebensführung nicht bewähren. Vor dem Hintergrund von Erfahrungen des Arbeitsplatzverlusts rekonstruiert sie, dass Beschäftige in ihren Paarkonstellationen sehr flexible Arrangements treffen, die einzig aus der pragmatischen Einsicht resultieren, dass das Einkommen eines Partners oder einer Partnerin jederzeit wegbrechen könnte. Schließlich können Unsicherheitserfahrungen als Ressource genutzt werden, wie Völker am Beispiel eines Falles zeigt, in dem erwerbsbezogene und biografische Verwundbarkeiten sich dramatisch verdichten. Wo ohnehin keine gefestigten Positionen im sozialen Raum bestehen, kann – allerdings um den Preis der Selbstsorge sowie der Sorge für andere – auch eine prekäre Beschäftigung, eine »Chance« darstellen (Völker 2011: 427): »Hier, in der Ungewissheit der entsicherten Arbeitsverhältnisse, ist mehr möglich als in einer fest gerahmten, marginalisierten Randlage der vergangenen, hoch integrierten fordistischen Arbeitsgesellschaft.« (Ebd.) Die Geschlechterdifferenz und damit das Regulativ der industriegesellschaftlichen Männlichkeit verliert in den Praktiken der Instabilität (Völker 2006) an Bedeutung. Auch Gerko Egert et al. (2009, 2010) können in ihrer Untersuchung, in der sie im ländlichen Raum Ostdeutschlands Gruppenwerkstätten mit EinEuro-Jobber_innen, einer Anti-Hartz IV-Gruppe und einer Schwulen-Gruppe zeigen, dass Männlichkeit als Ordnungskategorie an Bedeutung verlieren kann. Da sie in ihrer Lebensführung permanent mit dem Scheitern der sozialen Erwartungen, die an sie als Männer und auch als Frauen gerichtet werden, konfrontiert sind, brechen dominante Männlichkeitsvorstellungen allmählich auf. Männliche Herrschaft wird somit nicht zwangsläufig permanent reproduziert, vielmehr stoßen sie auch auf »Praktiken der Nichtmännlichkeit« (Egert/Hagen/Powalla et al. 2009: 12). Das »›Prekär-Werden‹ dieser Ordnung« interpretieren sie als »›Prekär-Werden des Männlichen‹« (Egert/Hagen/Powalla et al. 2010: 199). Mit Bourdieu gesprochen vollzieht sich Prekarisierung hier in der »Irritation der doxischen Erfahrung« (ebd.: 188) männlicher Herrschaft. 109

Prekäre Männlichkeiten und Care Welche Konsequenzen hat dies für männliches Engagement in Care-Arbeiten? Kann Care für Männer an die Stelle von Erwerbsarbeit treten? In den vorherigen Abschnitten wurde ja eher deutlich, dass Männer weitgehend abwesend sind, wenn es um die Bewältigung von Care-Arbeit geht, wobei väterliches Engagement eine Ausnahme bildet. Während in der westdeutschen Konstruktion industriegesellschaftlicher Männlichkeit aktive Vaterschaft, oder überhaupt Engagement außerhalb der Erwerbssphäre nicht enthalten und der fürsorgliche und liebevolle Umgang mit Kindern Frauen vorbehalten war, hat sich in den vergangenen Jahren das »Ideal der aktiven Vaterschaft« (Scholz 2009: 92) herausgebildet, was mit der Reform des Elterngeldes auch sozialpolitisch gefördert wird (siehe Kap. III/4.2). Anders als im Westen, galt in der DDR väterliches Engagement dagegen als Selbstverständlichkeit, aus welchem Grund das Konstrukt der neuen aktiven Väter als spezifisch westdeutsch bezeichnet werden muss (Behnke/Lengersdorf/Meuser 2011, Scholz 2012). Wie bereits mit den Hinweisen zur männlichen Nutzung des Elterngeldes gezeigt wurde, sind aktive Väter allerdings noch eher ein »diskursives Phänomen denn alltägliche Praxis« (Meuser 2011: 77). Studien zu Vätern, die um für ihre Kinder da zu sein, ihre Erwerbstätigkeit reduzieren wollen oder planen, länger als die zwei Monate in Elternzeit zu gehen, verweisen darauf, dass die Väter häufig auf wenig Verständnis bei ihren Vorgesetzen stoßen (ebd., Wimbauer 2012). Aktive Vaterschaft kollidiert schließlich mit den umfassenden Verfügbarkeitsansprüche der Unternehmen. Meuser und Behnke (2012) berichten, dass Väter, die ihre Erwerbstätigkeit reduzieren, diese häufig als Ausdruck männlicher Stärke inszenieren. Offenbar befürchten sie als Verlierer dastehen zu können (ebd.). Schließlich wird in der bereits eingeführten Studie zu Familienernährerinnen in Ostdeutschland aufgezeigt, dass Männer Fürsorgeverantwortung übernehmen, wenn sie mittel- bis langfristig nicht erwerbstätig werden können, wie etwa bei Langzeitarbeitslosigkeit oder Erwerbsunfähigkeit (Klenner/Menke/Pfahl 2012). Wenn Männer ihre Erwerbsarbeit reduzieren und sich um ihre Kinder kümmern, entstehen für Männer erstmals Sorgekonflikte die bislang nahezu ausschließlich weibliche Biografien prägten: So laufen sie genauso 110

wie Mütter Gefahr, nach der Familienpause nicht mehr in ihren Beruf zurückkehren, da sie die Zeiten der Kindereinrichtung und die ihrer Erwerbsarbeit nicht synchronisieren können (Klenner/Menke/Pfahl 2012). Ein stärkeres Engagement als Vater kann durchaus eine prekäre Lage – zumindest in materieller Hinsicht – verschärfen. Scholz (2009) zeigt darüber hinaus aber auf, dass es für Männer, vor allem mit niedriger Qualifikation in Ostdeutschland, immer schwieriger wird, überhaupt einen Kinderwunsch zu realisieren. Weil sie sich nicht in der Lage sehen, eine Familien zu ernähren und ihr unsicherer Erwerbsstatus auch die Konsolidierung einer Partnerschaft verhindern kann, bleiben diese Männer häufig ungewollt kinderlos. Und auch wenn sie Kinder haben, können sie nicht mehr von einer lebenslangen Verbindung zu ihren Kindern ausgehen (Scholz 2012). Schließlich leben Kinder im Falle von Trennungen sehr viel häufiger bei Müttern. Dies liegt auch an der Rechtssprechung, die mit Blick auf Elternschaft Frauen traditionell die fürsorgliche Rolle zuweist. Für diese Männer resultiert aus ihrer prekären Lage auch ein prekärer Zugang zu Elternschaft. Eine große Forschungslücke im deutschsprachigen Raum bilden zudem Kinderwünsche und Zugänge zu Elternschaften von schwulen Männern. Neben diesem Desiderat liegen mit wenigen Ausnahmen (Bereswill/Neuber 2010, Thielen 2012) schließlich kaum intersektionale Analysen zu Männlichkeiten in Prekarisierungsprozessen vor. Im Folgenden soll ein weiteres Untersuchungsfeld im Zentrum stehen, in dem die These der Prekarisierung von Geschlechternormen diskutiert wird. Hier handelt es sich um das Feld der Sexualitäten.

7.2 Prekarisierung von Heteronormativität? Mit dem männlichen Ernährermodell wurde das Beziehungsmodell der Ehe zur Norm, dass auf Heterosexualität, Exklusivität und Dauerhaftigkeit ausgerichtet war und Frauen und Männer unterschiedliche Aufgaben zuwies. Alle Lebensformen, die von der Ehe abwichen, erhielten das Stigma von etwas Anrüchigem: Homosexuelle Sexualitäten wurden als pervers und widernatürlich stigmatisiert und unter Verdacht gestellt, die sittliche Ordnung der Gesellschaft zu gefährden. Die selbstverständlich heterosexuelle 111

monogame Sexualität sollte im Privaten stattfinden und wurde weitgehend tabuisiert. Die Neue Frauen-, Lesben und Student_Innenbewegung machte seit den 1970er Jahren Sexualität zu einem Politikum (Lenz 2004, 2008). Eine sexuelle Revolution sollte die autoritären Strukturen der bürgerlichen Kleinfamilie aufsprengen. Dies hatte schließlich auch zur Konsequenz, dass Sexualität zu etwas Verhandelbarem wurde (Lenz 2004). Welche sexualtheoretischen Konsequenzen hat die Erosion des Ernährermodells? Wird mit dieser Erosion die Norm der Heterosexualität brüchig? Seit wenigen Jahren zeichnet sich eine Akzeptanzsteigerung von homosexuellen Lebensweisen ab. Zumindest werden Eingetragene Partnerschaften der Ehe zunehmend gleichgestellt.17 Welche Berührungspunkte gibt es zwischen den parallel verlaufenden Prozessen der Flexibilisierung und Akzeptanzsteigerung sexueller Orientierungen und dem Wandel der Erwerbssphäre und der Sozialpolitik? Die aus der Frauen- und aus sexualpolitischen Bewegungen erwachsene Queer Theory (Jagose 2001) hat zur Analyse der Kritik der heterosexuellen Hegemonie der bürgerlichen Kleinfamilie den Begriff der Heteronormativität (Warner 1991) eingeführt. Mit dem Begriff der Heteronormativität wird das Eingeschriebensein von Heterosexualität als Norm in allen gesellschaftlichen Institutionen und sozialen Beziehungen problematisiert. Der US-amerikanische Literaturwissenschaftler Michael Warner (ebd.) verband mit diesem Begriff das Anliegen, Sexualität zu einer zentralen Dimension von Gesellschaftstheorie zu erheben. Nicht-heterosexuelle Lebenslagen sollen nicht als Abweichung von der Norm in den Blick genommen werden, vielmehr soll die Norm selbst attackiert werden, in dem Heterosexualität als selbstverständliche Grundlage menschlichen Zusammenlebens und damit auch das mit Heterosexualität verknüpfte Monogamiegebot sowie das Prinzip der Zweigeschlechtlichkeit in Frage gestellt wird. Heterosexualität ist vor diesem Hintergrund nicht als eine spezifische Begehrensstruktur und als ein Bündel sexueller Praktiken zu verstehen, sondern vielmehr als eine Perspektive, in der die Aneignung von Welt erfolgt (Wagenknecht 2007). Butler (1991), die im deutschsprachigen Raum als die zentrale Protagonistin der Queer Theory gilt, führt ebenfalls vor diesem 112

Hintergrund den Begriff der heterosexuellen Matrix ein, womit sie Heterosexualität als ein Herrschaftsverhältnis entlarvt. In aller Knappheit kann hier nur ihre Stoßrichtung angedeutet werden: Die Kategorien biologisches Geschlecht, soziales Geschlecht sowie sexuelles Begehren sind wechselseitig aufeinander bezogen und erscheinen deckungsgleich. Im Zuge der diskursiv etablierten Matrix werden Menschen in zwei und nur zwei Geschlechter eingeteilt. Dem Geschlechtskörper wird eine bestimmte soziale Rolle und ein bestimmtes Begehren zugeschrieben, wobei Geschlecht immer als heterosexualisiert erscheint. Diese heterosexuelle Geschlechterordnung kann aber als Zwangssystem beschrieben werden, da Menschen, die der Norm entsprechen, zwar Privilegien genießen. Wer der Norm aber nicht entspricht, erfährt sich als schuld- und fehlerhaft und erfährt gesellschaftliche Sanktionen. An den Begriffen der Heteronormativität und der heterosexuellen Matrix wird kritisiert, dass weitere Herrschaftsverhältnisse aus dem Blick geraten, wie etwa Rassismus oder ökonomische Benachteiligungen. Schließlich erscheint Heterosexualität pauschal als privilegierte Position (Haritaworn 2007).18 Anders als im fordistischen Ernährermodell sind Frauen, Migrant_innen sowie Schwule, Lesben und Queers nicht mehr verwundbar, weil sie von den Privilegien heterosexueller weißer Männer ausgenommen wurden. Boltanskis und Chiapellos (2003) Argument, dass der Kapitalismus sich u.a. durch die Künstlerkritik der Student_innenbewegung erneuern konnte, kann hier sexualitätstheoretisch gedeutet werden: Der Kapitalismus hat auch die Forderungen nach sexueller Autonomie und Anerkennung der Frauen-, Lesben- und Schwulenbewegung vereinnahmen können. Denn während der Fordismus für »normierte Einheit« steht, zelebriert der Neoliberalismus eine »Kultur der Vielfalt und Unterschiedlichkeit, die auch für sexuelle und geschlechtliche Lebensweisen gilt« (Woltersdorff 2010: 232). Vor diesem Hintergrund vertritt Antke Engel (2009: 26) die These, dass die Forderung nach sexueller Autonomie in neoliberalen Diskursen produktiv nutzbar gemacht wird, indem eine »quasi natürliche Stimmigkeit zwischen sexuellem Pluralismus und Marktpluralismus« sowie »sexueller Freiheit und Marktfreiheit« konstatiert wird. Für Woltersdorff (2004: 146) wird in den Medien und in der Politik versucht, »Schwule (und in geringerem Maße auch Lesben) und den ihnen 113

zugeschriebenen gay lifestyle als Musterschüler des Neoliberalismus zu verkaufen und als prestigeträchtige Konsum-Avantgarde in die Mitte der Gesellschaft einzuschreiben«. Steigt Homosexualität vor dem Hintergrund der kapitalistischen Produktivmachung etwa sogar zu einer neuen Norm auf? Für Hark und Mike Laufenberg (2013: 233) vollzieht sich gerade nicht eine »Homosexualisierung von Gesellschaft«, sondern vielmehr eine »Heteronormalisierung nicht-heterosexueller Lebensformen«. Nicht-heterosexuelle Lebensformen werden schließlich nur dann anerkannt, wenn ihnen das heterosexuelle »Passing« (ebd.) gelingt, während etwa Transgender, queere Migrant_innen und viele andere mehr außen vor bleiben. Lisa Duggan (2002) hat für dieses Phänomen den Begriff der Homonormativität eingeführt. Homonormativität umfasst für sie eine Politik, »that does not contest dominant heteronormative assumptions and institutions but upholds and sustains them« (ebd.: 179). Im Zentrum der an Duggan anschließenden Debatte steht die sogenannte Homo-Ehe, die als Begehren nach staatlicher Anerkennung interpretiert wird, um den Preis, andere queere Lebensformen abzuwerten (Butler 2009a). Aber bereits die Institution der Eingetragenen Lebenspartnerschaft kann als »Einladung zweiter Klasse« (Hark/Laufenberg 2013: 229) bezeichnet werden, da die Eingetragene Partnerschaft gerade nicht die gleichen Rechte wie die Ehe umschließt. Mit der Eingetragenen Partnerschaft wird vielmehr die Hegemonie der Ehe zwischen Mann und Frau abgesichert, als dass sich eine Prekarisierung von Heteronormativität vollzieht. Zwar ist Heterosexualität als unhinterfragte Doktrin, als Doxa prekär geworden, nicht aber als soziale Struktur. Jene Lebensgemeinschaften, die nicht als Ehe oder Lebenspartnerschaft abgesichert sind, waren und sind auch weiterhin besonders verwundbar, da ihnen schlichtweg weniger rechtliche Privilegien zukommen, wie etwa im Steuer- und Familienrecht. Wenn man sich nicht nur auf den Wandel der Erwerbssphäre bezieht, sondern auch die Reproduktionssphäre in den Blick nimmt, wird hier schnell deutlich, dass Familien, die sich die Delegation von Care-Arbeiten nicht leisten können, refamiliarisiert werden (siehe Kap. III/4.1). Das Verhältnis von Sexualität, Arbeit und Prekarisierung hat sich aber dahingehend verändert, dass Sexualität anders als in der fordistischen Konstellation nicht mehr das »andere der Arbeit« bil114

det, Sexualität ist vielmehr zu einer »Form der Arbeit am Selbst« geworden (Woltersdorff 2010: 235). Wie Lenz (2004: 19) zeigt, ist sexuelle Aktivität und Akzeptanz sukzessive zu einer neuen Norm »›fortschrittlichen Lebensführung‹« aufgestiegen. Sexualität wird so etwa auch in der Erwerbssphäre auf vielfältige Weise nutzbar gemacht. Renate Lorenz und Brigitta Kuster (2007) sprechen zur Benennung dieser Phänomene von sexueller Arbeit. Dieser Begriff umfasst eine Heuristik, mit dem an die feministische Tradition angeknüpft wird, das Nicht-Sichtbare der Arbeit mitzudenken. Er zielt auf den »Aufwand, den der Prozess der Subjektivierung erfordert« (ebd.: 20) um sich in einem Arbeitsverhältnis als Subjekt einer, mit Butler gesprochen, kohärenten sexuellen und geschlechtlichen Identität zu entwerfen – was, wie ebenfalls Butler gezeigt hat, ein grundlegend prekäre Unterfangen darstellt.

8. Diskussion Der zentrale Verdienst der geschlechtersoziologischen Prekarisierungsfoschung besteht darin, dass sie die vielfältigen Auslassungen und Engführungen der Arbeits- und Industriesoziologie überwindet: Mit dem in der feministischen Theorie erweiterten Arbeitsbegriff wird die Reichweite von Prekarisierung nicht auf Erwerbsarbeit reduziert, sondern systematisch das prekäre Potenzial von Care-Arbeit berücksichtigt sowie Erwerbsarbeit und CareArbeit in ein Verhältnis gesetzt. Prekarisierung wird zudem nicht nur mit Blick auf den Wandel der Erwerbsarbeit und den Wandel des Sozialstaates diskutiert, vielmehr werden auch Veränderungen in den Familien- und Haushaltsformen prekarisierungstheoretisch gedeutet. Mit der Einbeziehung geschlechtersoziologischer Perspektiven wird für die Prekarisierungsdebatte deutlich, dass Frauen im Vergleich zu Männern, mit Ausnahme der Leiharbeit, in allen atypischen Beschäftigungsformen überproportional häufig vertreten sind. Durch die aktivierende Arbeitsmarktpolitik sollen Frauen, auch als Mütter von Kleinkindern Beschäftigung aufnehmen, was die Bewältigung von Care-Arbeit zu einer großen Herausforderung werden lässt. Instrumente der aktivierenden Arbeits- und Familienpolitik verschärfen häufig bereits bestehende prekäre Le115

benslagen und schreiben, etwa durch sozialpolitische Konstruktionen wie die Bedarfsgemeinschaft, erwerbslose Frauen auf den männlichen Ernährerhaushalt fest. Schließlich zeigen Studien zu veränderten Familien- und Haushaltsformen, dass prekäre Potenziale in der Regel in solchen Familien kumulieren, in denen Frauen den Haushaltsvorstand übernehmen, wie etwa bei Alleinerziehenden. Prekarisierung wird in der Geschlechterforschung aber nicht nur als Prozess diskutiert, der ausschließlich destruktive Dynamiken initiiert, vielmehr stehen Ambivalenzen im Zentrum. Vor diesem Hintergrund wird auch debattiert, ob mit der Erosion des männlichen Ernährermodells auch eine Prekarisierung traditioneller Geschlechternormen einsetzt, wie am Beispiel von Männlichkeiten und Heterosexualität gezeigt wurde. Hier wurde gezeigt, dass Männlichkeit und Heterosexualität als Doxa tatsächlich prekär wurde, aber nicht in der Sozialstruktur. Allerdings bestehen noch vielfältige Forschungslücken, wie im Laufe des Kapitels bereits an vielen Stellen deutlich wurde. Diese Forschungslücken betreffen vor allem intersektionale Fragestellungen. So stehen noch Forschungsfragen zum Themenkomplex Migration, Geschlecht und Arbeitsmarkt und somit auch eine stärkere Beachtung von Prozessen der Rassifizierung und seinen Verwobenheiten mit Geschlecht aus. Des Weiteren ist das Konzept von Prekarität im Lebenszusammenhang noch unvollständig erforscht, da über die Wechselwirkungen von Arbeit und Leben nur kaum Erkenntnisse vorliegen. Schließlich kann konstatiert werden, dass Sexualität in der Regel eine nur nachrangige Bedeutung zugewiesen wird, womit zentrale Einsichten, die im Konzepten der Heteronormativität ihren Ausgangspunkt nehmen, verschenkt werden. Die Geschlechterforschung bildet aber nicht nur einen heterogenen Ansatz, der, indem er Engführungen und Auslassungen kompensiert, der Prekarisierungsdebatte zentrale Impulse liefert. Die Prekarisierungsperspektive hält vielmehr auch für die Geschlechterforschung das Potenzial bereit, Ansätze, die bislang als unvereinbar galten, wenn auch nicht miteinander zu versöhnen, so doch zur Konvergenz zu bringen. Dies soll in aller Knappheit ausgeführt werden: Seit den 1990er Jahren wird in der Geschlechterforschung von einer kulturellen oder auch linguistischen Wen116

de gesprochen. Das Forschungsinteresse vieler Forscher_innen richtet sich von sozialen Strukturen und Ungleichheiten ab. Mit konstruktivistischen Perspektiven werden subjekt- und identitätstheoretische Fragen verhandelt sowie die Herstellungsprozesse von Geschlecht rekonstruiert. In dieser Perspektive erhalten nicht nur die Differenzen zwischen Frauen mehr Aufmerksamkeit. Auch die Impulse und Provokation der Queer Theory zu Fragen des Begehrens und Sexualität auch jenseits der monogamen Heterosexualität finden vermehrt Beachtung. Dabei wird mitnichten das etwa von Becker-Schmidt formulierte Anliegen einer kritischen Sozialforschung aufgegeben (siehe Kap. III/2), doch anstatt Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis aufzudecken und diese zu skandalisieren, werden grundlegende geschlechtersoziologische Konzepte hinterfragt, wie etwa die bisher scheinbar fraglose Annahme einer weiblichen Subjektposition (Butler 1991, 1995). Eine Reihe von Geschlechterforscherinnen, die nicht zufälligerweise der älteren Generation zugerechnet werden, würdigt zwar die Weiterentwicklungen seit der kulturellen Wende. Sie beklagen aber, dass das Projekt, gesellschaftstheoretische Reflexionen vorzulegen, weitgehend aufgegeben wurde (Becker-Schmidt 2007, Knapp 2001, Knapp/Wetterer 2001, Knapp/Klinger 2008) und somit zu einem Zeitpunkt, die geschlechtersoziologische Kritik mit der Kritik an Formen des Kapitalismus auseinandergefallen ist, als jene Konvergenz bitter nötig gewesen wäre (Fraser 2009). Die Herausforderung besteht nun darin, nicht hinter einen staus quo ante, also nicht hinter die Erkenntnisse der kulturellen Wende zurückzutreten. In Knapp und Klingers Worten: »Kulturanalyse kann Gesellschaftsanalyse nicht ersetzen, Gesellschaftsanalyse ist aber heute weniger denn je unvollständig ohne Kulturanalyse.« (2008: 12) Auf der anderen Seite wird etwa auch in den Queer Studies eine vielfach konstatierte »kapitalismuskritische Leerstelle« (Woltersdorff 2011: 208) bearbeitet, womit das Verhältnis von Sexualität und Kapitalismus ins Zentrum gerückt wird. Hierin besteht somit das große Potenzial der Prekarisierungsdebatte, da das Konzept der Prekarisierung sich als offen und weit genug erweisen kann, intersektional die geschlechtersoziologische Ungleichheitsforschung mit subjekttheoretischen und -kritischen Ansätzen zu konvergieren.

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IV.  Prekarisierung in postoperaistischen Ansätzen

1. Ausgangspunkt Bei postoperaistischen Ansätzen handelt es sich nicht um eine genuin soziologische Perspektive, sondern um eine theorie-politische Strömung, welche die Analyse und Kritik der kapitalistischen Transformationsprozesse mit dem Entwurf emanzipatorischer Praxen verbindet. Für postoperaistische Ansätze ist charakteristisch, dass politische Wissenschaft und Aktivismus nicht getrennt, sondern eng verknüpft werden. Prekarisierung wird in postoperaistischen Ansätzen als eine verallgemeinerte Erfahrung begriffen, die aus veränderten Produktionsregimen erwachsen ist, die wiederum auf die Produktivmachung des gesamten Lebens zielt. Mit der These einer neuen Form netzwerkartiger und globaler Herrschaft, die der italienische Staatstheoretiker und Linksintellektuelle Toni Negri und sein USamerikanischer ehemaliger Schüler und Literaturwissenschaftler Michael Hardt (2003) als Empire bezeichnen, werden als Charakterista der Prekarisierung neue Formen der Ausbeutung betont. Herrschaft wird in die Subjekte hineinverlagert. Postoperaistische Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie Prekarisierung und Prekarität als durch und durch ambivalent verstehen. So erkennen die hierzulande bekanntesten Vertreter postoperaistischer Ansätze in den neuen Produktionsweisen des Empires auch mächtige emanzipatorische Potenziale, die sie als Multitude benennen (Hardt/Negri 2004). Postoperaistische Ansätze sind aus dem Operaismus (it. operaio, Arbeiter) hervorgegangen, der wiederum in den Arbeiterkämpfen der industriellen Zentren Norditaliens seinen Ausgangspunkt nahm (Birkner/Foltin 2010, Wright 2005). Der Operaismus ist als Versuch entstanden, eine politische Antwort auf die Krise der Arbeiterbewegung in den 1950er Jahren zu finden. Zentral ist die Kritik an einer orthodoxen Lesart von Marx, in der die Entwicklung der Arbeiterklasse immer aus der Entwicklung des Kapitalismus abgeleitet wird (Tronti 1974). Dieser historischen Lesart stellten die Operaisten die Vorstellung entgegen, dass vielmehr die Kämpfe der Massenarbeiter die Krise in den Fabriken erzeugt haben, womit sie eine Autonomie der Arbeiterklasse behaupten. 118

Autonomie bezieht sich hier auf die Selbstständigkeit der Arbeiterklasse gegenüber dem Kapital, gemeint ist aber auch die Autonome der Arbeiterklasse gegenüber ihren formalen Vertretern, wie Gewerkschaften. Wie wissenschaftliche Konzepte grundsätzlich, müssen auch (post-)operaistische Ansätze als in Zeit und Raum verortet (Haraway 1996) verstanden werden. Viele (post-)operaistische Autoren wie Virno und Negri waren in Italien in den 1960er Jahren Mitglieder in teils verbotenen marxististischen Bewegungen und mussten deswegen im Zuge einer massiven Repressionswelle in den späten 1970er Jahre ins Ausland fliehen. Ein großer Teil der Bewegung floh nach Frankreich, eine Reihe von Intellektuellen wie auch Negri und Virno verbrachten zudem viele Jahre im Gefängnis. Der Postoperaismus entstand in den 1970er Jahren im Umfeld der erstarkten sozialen Bewegungen und aus der Einsicht heraus, dass die neuen Produktionsweisen, die vor allem auf Kommunikation und Wissen basieren, mit operaistischen Konzepten nicht mehr ausreichend erfasst werden. Die Figur des Massenarbeiters, dessen Kämpfe sich noch auf den Ort der Fabrik begrenzten, löste der italienische Philosoph Paolo Virno vom gesellschaftlichen Arbeiter ab. In den sozialen Bewegungen der 1970er Jahre richteten sich die Proteste nicht mehr nur gegen die Ausbeutung und Akkordarbeit in den Fabriken, sondern auch gegen autoritäre Strukturen in Familien und im Bildungssystem und gegen disziplinierende Institutionen wie Armeen und Psychiatrien. Auch die im vorigen Kapitel erwähnte Lohn-für-Hausarbeit-Kampagne der Neuen Frauenbewegung ist in diesem Umfeld zu verorten. Auch wenn es nicht mehr um die Autonomie einer Arbeiterklasse geht, wird die operaistische Argumentation einer Autonomie sozialer Kämpfe als zentrale Triebkraft gesellschaftlicher Entwicklungen weitergeführt. Es waren demnach die sozialen Kämpfe der 1970er Jahren, die den Kapitalismus in eine Krise gestürzt haben. Mit dem Konzept der Autonomie der Migration wird etwa die Bedeutung der Kämpfe von Migrant_innen für gesellschaftliche Entwicklungen betont (Moulier-Boutang 2007, Transit Migration Forschungsgruppe 2007). Wie im Folgenden noch deutlich wird, spielen Wortschöpfungen in postoperaistischen Ansätzen eine zentrale Rolle. Dies ist zum einen der Einsicht geschuldet, dass das fordistische Vokabular 119

zur Beschreibung prekärer Arbeits- und Lebensverhältnisse nicht mehr angemessen ist. Zum anderen sollen ja gerade nicht nur die destruktiven Dynamiken der kapitalistischen Transformationen analysiert werden. Neue Begriffe, so die Annahme, können nicht nur ein alternatives Nachdenken über Lebens- und Arbeitszusammenhänge eröffnen, ihnen ist immer auch realitätsschaffendes Potenzial inhärent. Vor dem Hintergrund dieser Stoßrichtung, als »Ausgangspunkt und Anregung, Fragen zu stellen« (Pieper 2013: 129), und nicht als empirisch gesättigte Begriffe, werden einige ausgewählte postoperaistische Konzepte im Folgenden präsentiert. Mit ihrer doppelten Perspektive auf die destruktiven und emanzipatorischen Potenziale von Prekarisierung sind postoperaistische Ansätze auch zu einer zentralen Referenz gegenwärtiger sozialer Protestbewegungen geworden.

2. Das Prekariat Rebelliert! EuroMayDay »Wir sind prekär!« lautete der Aufruf zum ersten EuroMayDayProtesttag am 1. Mai 2001 im italienischen Mailand. In der Verbindung von einer Suche nach Selbstpositionierung und Solidarisierungsaufruf wurde mit dem Bezug auf Prekarisierung die Vernetzung und Mobilisierung einer sozialen Bewegung versucht. »Das Prekariat rebelliert« hieß es bereits zwei Jahre später, die Bewegung firmierte sich (Raunig 2008). Mit der transnationalen Mobilisierung fanden 2006 bereits in zwanzig europäischen Metropolen EuroMayDay-Paraden statt. Die Paraden bilden jährliche Höhepunkte, die Vernetzung zu Diskussionszusammenhängen, in denen Fragen der Prekarisierung im Zentrum stehen, erfolgte aber weit über die Paraden hinaus.19 Nicht zufällig finden die auch heute noch stattfindenden Paraden am ersten Mai statt, am traditionell von den Gewerkschaften veranstalteten Tag der Arbeit. Die EuroMayDay-Paraden intervenieren aber vielmehr in die gewerkschaftlichen Demonstrationen, deren Vorstellungen und Forderungen den Aktivist_innen wie Relikte einer längst vergangenen Zeit erscheinen. Marianne Pieper (2013: 111) erläutert die Skepsis an den Gewerkschaftsprotesten: »Das in diesen Feiern zelebrierte Wunschszenario von Vollbeschäftigung und die dort beschworene Ordnung von Arbeit seien 120

längst von einem Produktionsregime überholt worden, in dem nicht mehr Arbeit und Arbeitslosigkeit die Existenzformen bestimmten. [...] Nicht das Fehlen von Arbeit, sondern ein Übermaß an Arbeit, das das gesamte Leben zu vereinnahmen drohe, kennzeichne die gegenwärtige Situation.« Für die EuroMayDay-Bewegungen werden kreative Repräsentationsformen charakteristisch, die mit konventionellen Protestformen, wie etwa Vorträge auf Podien brechen (Marchart 2013). Die in der Einleitung angeführte Verkündung des neuen Schutzheiligen San Precario auf der »Pseudo-Prozession« anlässlich der Eröffnung einer Supermarktfiliale bildet dafür ein Beispiel (Foti 2005: 3). Ein anderes Beispiel bildet die Stürmung eines Hamburger GourmetSupermarktes von selbsternannten prekären Superheld_innen im Jahr 2006, die wiederum ihre Beute an Champagner und Wildschweinkeulen an Reinigungskräfte einer Hamburger Universität verteilen (Bröckling 2013, Panagiotidis 2007). Efthimia Panagiotidis liest diese Aktion als »Bruch im Kontinuum der Ohnmacht« (2007: 1): »Die prekären SuperheldInnen nehmen sich das Recht, Stärke zu demonstrieren.« (Ebd.) Prekarität und Prekarisierung werden als Schlüsselbegriffe der Proteste nicht nur auf unsichere Arbeitsverhältnisse bezogen, sondern zur allumfassenden Charakteristik postfordistischer Existenzweisen. Oliver Marchart (2013: 180), der eine Diskursanalyse der EuroMayDay-Aufrufe vorlegt, rekonstruiert darin einen Begriff von Prekarisierung als »generalisierte Erfahrung der Mehrheit der Menschen«. In seiner Analyse stellt Marchart auch fest, dass keine nostalgischen Bezüge zu fordistischen Arbeitsverhältnisse hergestellt werden. Vielmehr finden sich in den Aufrufen gleichermaßen positive Bezüge auf Autonomiegewinne wie negative Referenzen auf destruktive Dynamiken. So heißt es im Aufruf Europe 2006: »Nobody wants to be sentenced in the same job for life. But nobody wants to spend her whole day wondering how to pay the next bill, while juggling three jobs.« (Marchart 2013b: 183) Wenn auch erhebliche Unterschiede in den Ressourcen von etwa solo-selbstständigen Kreativarbeiter_innen und Geflüchteten bestehen, wird dennoch eine Dichotomisierung aus einer sehr und einer weniger abgehängten Gruppe konsequent abgelehnt (Marchart 2013, Pieper 2013). Da Homogenisierungen unterbunden werden sollen, wird auch vermieden, in einem Namen 121

zu sprechen. Marchart (2013b) hebt vor diesem Hintergrund hervor, dass EuroMayDay eine postidentitäre Bewegung bildet. Postidentitär zielt darauf ab, dass politische Anliegen nicht an eine Identität geknüpft werden, sondern dass vielmehr, mit Foucault gesprochen, die Subjektivierungsweisen als solche infrage gestellt werden. Hinterfragt werden Arten und Weisen, wie Individuen als bestimmte Subjekte adressiert und – gouvernementalitätstheoretisch gesprochen – regiert werden. Prekärsein und Prekarität werden, wie auch Butler vorschlug, als Ausgangspunkte gesetzt, von dem aus eine Suche nach Gemeinsamen begonnen werden kann. Lorey (2012) betont hierbei, dass aus einem grundsätzlich geteilten Prekärsein kein Gleichheitsverständnis abgeleitet werden kann, demzufolge alle Menschen gleich seien, weil alle prekär sind. Wie das Gemeinsame ist auch das Prekäre nicht etwas, auf das zurückgegriffen werden kann, sondern etwas, das erst im politischen Aushandlungsgprozess entstehen muss. Auch wenn heute weiterhin vereinzelt EuroMayDay-Paraden stattfinden, hat sich die Bewegung eher in anderen Artikulationen des Protests zerstreut. Doch auch dort, wie etwa in den OccupyProtesten (Mörtenböck/Mooshammer 2012), oder den Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum bildet Prekarisierung und Prekarität weiterhin einen zentralen Bezugspunkt. Im Folgenden soll genauer beleuchtet werden, wie in postoperaistischer Perspektive der Wandel von Arbeit diskutiert wird und welche Rolle Prekarität und Prekarisierung hier spielen.

3. Immaterielle Arbeit Postoperaistische Ansätze gehen davon aus, dass das gesamte Leben prekär wird, weil sich Produktionsweisen verändert haben. Eine postoperaistische Grundannahme bildet die Überlegung, dass sich der Ort des Produktionsprozesses aus der Fabrik heraus ausgeweitet hat. Dieses Phänomen beschreiben postoperaistische Ansätze mit dem Begriff der Fabbrica Diffusa (Moulier-Boutang 1998). Ähnlich wie Boltanski und Chiapello (2003) wird davon ausgegangen, dass nicht mehr Disziplin und Gehorsam, sondern Aktivität, Selbstvermarktung, Kreativität und Eigenverantwortung 122

zu den zentralen Anforderungen geworden sind. Damit weiten sich Arbeitsprozesse auf nahezu alle Tätigkeiten des Lebens aus. Im expandierenden Dienstleistungsbereich, der Finanz- und Versicherungsdienstleistung, der IT-Branche oder der Kreativwirtschaft werden nicht vorrangig materielle, sondern abstrakte, intellektuelle Produkte hervorgebracht, nämlich Symbole, Problemlösungen oder Ideen. Es geht darum, »mit Informationen umzugehen« oder darum, eine »horizontale und vertikale Kommunikation einzubeziehen« (Lazzarato 1998: 39). Da die Produkte, die im Arbeitsprozess hergestellt werden, überwiegend nicht materiell sind, wird vom Aufkommen und Hegemonialwerden immaterieller Arbeit gesprochen (Hardt/Negri 2003, 2004, Lazzarato 1998, Moulier-Boutang 1998). Immaterielle Arbeit ist nicht nur im Dienstleistungsbereich oder der Kreativwirtschaft grundlegend, sie gewinnt auch in Industrien an Bedeutung, da es etwa in der Herstellung von Autos zunehmend darum geht, in Abhängigkeit von der Nachfrage zu produzieren (just-in-time-production). Dazu wird eine effiziente Kommunikation zwischen der produzierenden und der konsumierenden Seite unerlässlich. Neben diesem auf Informationen bezogenen Aspekt zeichnet sich immaterielle Arbeit auch durch Tätigkeiten aus, die erst seit Kurzem als Arbeit bezeichnet werden können. Für den in Paris lehrenden Philosophen und Soziologen Maurizio Lazzarato sind dies Tätigkeiten aus Kunst und Kultur, die auf »Moden, Geschmack und Konsumgewohnheiten Einfluss nehmen« (1998: 40). Auch affektive Arbeit summieren Hardt und Negri (2004) unter immaterieller Arbeit. Affektive Arbeit bezeichnet Tätigkeiten, in denen auf körperliches und seelisches Befinden Einfluss genommen wird. Hardt und Negri nehmen hier auf Überlegungen der feministischen Ökonomiekritik Bezug. Affektive Arbeit würde meistens von Frauen getätigt und bringt »Behagen, Befriedigung, Erregung oder Leidenschaft« (Hardt/Negri 2004: 126) hervor, etwa wenn Flugbegleiterinnen dazu angehalten werden Fluggästen mit ihrem Lächeln einen angenehmen Aufenthalt zu eröffnen. Charakteristisch für all diese Formen immaterieller Arbeit ist, so Hardt und Negri, dass Beziehungen geschaffen werden, die außerhalb von Unternehmen etabliert werden. In postoperaistischer Lesart bildet eine Folge aus dem Kampf gegen die Arbeit der 1970er Jahre, dass Subjektivität zu einem zentralen »Einsatz« im Arbeitsprozess wird (Lazzarato 1998: 41), was 123

wiederum deutliche Parallelen zu Forschungen zur These der Subjektivierung von Arbeit (siehe Kap. II/3) aufweist. Ähnlich wie auch in der Sozialfigur des unternehmerischen Selbst wird Subjektivität zu einem Imperativ: »Seid Subjekte, lautet da die Direktive und wird zum Slogan der westlichen Gesellschaften [...]. Man muß sich ausdrücken und sich äußern, man muß kommunizieren und kooperieren.« (Lazzarato 1998: 42f., Herv. i.O.). Während die Arbeits- und Industriesoziologie von einer tendenziellen Entgrenzung von Arbeit und Leben ausgeht, wird in postoperaistischen Ansätzen argumentiert, dass zwischen Arbeit und Leben – da das gesamte Leben produktiv gemacht wird – keine Trennungen mehr bestehen. Die »Einübung in die Prekarität« (Virno 2005: 119) ist zu einer zentralen Anforderung geworden, also etwa die Gewöhnung an permanente Umzüge und die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Diese Anforderungen werden anders als zu den Hochzeiten der Industriearbeit »außerhalb der Arbeit« eingeübt (ebd.: 118). Das Aufkommen immaterieller Arbeit bedeutet aber nicht, dass Industriearbeit abgelöst wurde, vielmehr wird von einem Nebeneinander vielfältiger Produktionsformen ausgegangen, denen aber gemeinsam ist, das Wissen, in Form von Information und Kommunikation, eine zentrale Rolle spielt. Charakteristisch für das postfordistische Produktionsmodell wird damit, dass gesellschaftlicher Reichtum nicht mehr vorrangig in der Arbeitszeit der Einzelnen, sondern durch Wissen entsteht. Für das Phänomen, dass Wissen zu einer zentralen Produktivkraft geworden ist, findet Virno (2005: 40) im Anschluss an Marx den Begriff der Massenintellektualität.20 Damit soll nicht behauptet werden, dass alle Menschen Intellektuelle werden, sondern, dass auch wenig qualifizierte Tätigkeiten auf dem Vermögen basieren, Beziehungen aufzubauen und mit Worten und Informationen umzugehen. Mit dem Aufkommen der immateriellen Arbeit wird Massenintellektualität zur verbindenden und verallgemeinerten Erfahrung der Prekarität: »Es stellt sich die Frage, was Software-EntwicklerInnen, Arbeiterinnen bei Fiat und prekär Beschäftigten gemein ist. Man muss den Mut haben, darauf zu antworten: Kaum etwas, wenn es um die Tätigkeiten, die beruflichen Fertigkeiten und die Charakteristika des Arbeitsprozesses geht. Aber auch: alles, was die Sozialisierung der einzelnen Individuen außerhalb der Arbeit betrifft.« (Ebd.: 150, Herv. i.O.) 124

Mit dem Aufkommen immaterieller Arbeit hat sich auch die Form von Ausbeutung verändert: Während Ausbeutung in der fordistischen Industriearbeit in der Aneignung fremder Arbeit bestand, so die marxistische Lesart, besteht das prekäre postfordistische Ausbeutungsregime darin, sich selbst zum Subjekt und Objekt der Ausbeutung zu machen. Anders als in fordistischer Industriearbeit gibt es auch keine Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit mehr, da permanente Verfügbarkeit zu einer zentralen Anforderung geworden ist.

4. Biopolitische Produktionsweise und Multitude Hardt und Negri bezeichnen die Produktionsweise, die immaterielle Arbeit hervorbringt, als biopolitisch. Mit diesem Begriff bedienen sich die Autoren der Werkzeugkiste Foucaults, der allerdings Biopolitik und Biomacht mit Blick auf sein machttheoretisches Gesamtwerk uneinheitlich akzentuierte (Lemke 2007, Motakef 2014a,b).21 Im Kern von Hardt und Negris Biopolitik-Konzeption steht der Gedanke, dass im eingangs erwähnten Empire, das gesamte Leben produktiv gemacht wird (Pieper/Atzert/Serhat et al. 2007, Pieper/Atzert/Karakayali et al. 2011b). Es werden nicht mehr nur Waren, sondern auch Subjektivitäten, Körper, Intellekte (Massenintellektualität), soziale Beziehungen und Netzwerke hervorgebracht. Die entscheidende Pointe ihrer Überlegungen bildet die Argumentation, dass die Potenziale, die im Zuge der biopolitischen Produktionsweise abgeschöpft werden, niemals vollständig verwertet werden. Da nicht mehr fremde Arbeitszeit abgeschöpft wird, sondern immaterielle Produkte wie Kreativität oder soziale Beziehungen, bringt der Produktionsprozess einen Überschuss hervor, dem Hardt und Negri emanzipatorische Potenziale zuschreiben. Dieser Überschuss enthält ein Freiheitsversprechen, weil immaterielle Produkte überwiegend Produkte sind, in denen Gemeinschaftliches, eben Beziehungen und Netzwerke, hervorgebracht werden. Die biopolitische Produktionsweise bildet mit Foucault gesprochen eine Macht, die Subjektivitäten hervorbringt. Dieser Macht ist, so ebenfalls ein Foucault’sches Argument, immer auch Widerstand immanent, in dem Subjektivität nicht vollständig vereinnahmt werden kann. Die in die biopolitische Pro125

duktion einbezogene immaterielle Arbeit hat als »Biopolitik von unten« (Pieper/Atzert/Karakayali et al. 2011a: 20) schließlich jene emanzipatorischen Potenziale. In genau diesem Gemeinsam-Werden – mit dem französischem Philosophen Gilles Deleuze gesprochen – sehen Hardt und Negri die Bedingungen für das Entstehen der Multitude. Multitude ist ein Begriff der politischen Theorie, der im Werk von Baruch de Spinoza (1632-1677) eine große Rolle spielt. Er kann, wie Virno (2005) zeigt, als Gegenbegriff zum Volk betrachtet werden, der sich im europäischen Entstehungsprozess der Nationalstaaten durchgesetzt hat. Anders als der Homogenität unterstellende Volksbegriff bestimmen Hardt und Negri (2004: 123) die Multitude als einen nicht-identitären Suchbegriff, mit dem sie die Existenz von »Singularitäten, die gemeinsam handeln« denkbar machen wollen. Mit Marx und über Marx hinausgehend, schlagen sie vor, Multitude als eine Klasse zu begreifen, die sich nicht durch Einheit, sondern nur durch gemeinsamen Kampf auszeichnet. Die entscheidende Frage lautet für sie somit nicht, was die Multitude ist, sondern vielmehr, was die Multitude werden kann. Für ihre optimistische Deutung, dass aus den biopolitischen Produktionsweisen neue Demokratisierungsprozesse erwachsen können, haben Hardt und Negri viel Kritik erhalten. Wie es scheinbar zwangsläufig zu einem »spontanen Kommunismus« (Mouffe 2013: 207) kommen kann, bleibt in ihrem theoretischen Entwurf offen. Zudem »verfallen [sie, M.M.] einer Ideologie der direkten Demokratie« (Demirović 2004: 249), indem sie suggerieren, es bräuchte keine institutionellen Regelungen22. Auch Virno (2005) erkennt in der allumfassenden Prekarität emanzipatorisches Potenzial, sein Urteil fällt aber weitaus pessimistischer aus. Der Postfordismus habe sich kommunistischer Positionen bedient und einverleibt. Dies führt aber nicht zu einem Zeitalter der Herrschaft der Multitude, sondern vielmehr zu einem »Kommunismus des Kapitals« (ebd.: 159), das Gemeinsame wird vom Kapitalismus angeeignet.

5. Prekarität, Sorgestreik und Sorgegemeinschaft Auf den ersten Blick scheint die feministische Marx-Kritik an einem nur auf Lohnarbeit bezogenem Arbeitsbegriff in den Kon126

zepten der immateriellen Arbeit und der biopolitischen Produktionsweise Anerkennung gefunden zu haben. Schließlich bildet in Hardt und Negris Überlegungen die überwiegend von Frauen getätigte affektive Arbeit einen wesentlichen Aspekt immaterieller Arbeit. Dennoch sind Hardts und Negris Überlegungen in feministischen Ansätzen bislang auf viel Kritik gestoßen. Für die USamerikanische Philosophin Silvia Federici, die einst Mitinitiatorin der Lohn-für-Hausarbeits-Kampagne in Italien war, reduzieren die beiden Autoren ihr Konzept auf »interkommunikative Aspekte von Arbeitsverhältnissen« (2012: 49), womit aber gerade die in feministischen Kritiken im Zentrum stehende geschlechterdifferente Arbeitsteilung und ihre Bedeutung für die kapitalistische Organisation von Arbeit verschleiert wird (Precarias a la deriva 2007, Eichhorn 2004, Federici 2011). Indem eine Entgrenzung von Produktion und Reproduktion behauptet wird, fällt schließlich die spezifische Prekarität von Frauen aus dem Blick. Mit dem Zusammenschluss Precarias a la deriva (2007, 2011) wird in diesem Abschnitt ein feministisch-postoperaistisches und in Madrid verortetes Projekt vorgestellt, dass das Verhältnis von Sorgearbeit und Prekarität ins Zentrum stellt. Ihr Interesse gilt der spezifischen Prekarität von Frauen, wobei für sie zentral ist, dass sie die heterogenen Lebenslagen von Frauen weder vereinheitlichen noch einem neuen Identitätskonzept zuordnen wollen. Im Juni 2002 riefen spanische Gewerkschaften zu einem Generalstreik aus. Precarias sympathisierten zwar mit den Streikenden, zweifelten aber am Streik als »zentrales Kampfmittel« (2007: 85). Sie kritisieren, dass im Streik die geschlechterdifferente Arbeitsteilung nicht thematisiert wird und Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden und für viele gar nicht als Arbeit angesehen werden, wie etwa Hausarbeit, die Betreuung von Kindern oder Sexarbeit, auch im Streik aus dem Blick geraten. Vielmehr wird eine »Identität der ArbeiterInnen« (2011: 38) beschworen, die für Frauen in der Pflege, der Sexarbeit, im Reinigungsgewerbe oder in Callcentern auf wenig Resonanz treffen kann. Precarias a la deriva geht es nicht darum, wie die Streikenden einen Produktionsprozess anzuhalten, sie wollen vielmehr eine gemeinsame Suche initiieren, die sie unter die Frage »Was ist dein Streik?« (2011: 38) stellen. Precarias plädieren vor dem Hin127

tergrund des Generalstreiks für einen Sorgestreik, der allerdings nicht darin besteht, Sorgetätigkeiten aussetzen, sondern die meist unsichtbare Sorge ins gesellschaftliche Zentrum zu rücken. In (post-)operaistischer Tradition setzen Precarias zu dieser Frage nicht einfach eine Fragebogenerhebung ein, sondern führen die operaistische Methode der militanten Untersuchung (Negri 2003) weiter. In Anlehnung an die Pariser Intellektuellen- und Künstlergruppe der Situationisten der 1960er Jahre initiieren sie, wie sie es auch in ihrem Namen führen, eine Derivé. Gemeint ist ein gemeinsames Umherschweifen durch die Stadt, das zwar einer losen Ansammlung von Orten (Supermarkt, Call-Center etc.), aber keinem Ziel folgt: »Es ging darum, eine Reihe von Rundgängen vorzubereiten und durchzuführen, die die verschiedenen Wege weiblicher Prekarität in der Metropole kreuzen sollten. Wir haben uns damit gegen die gängige Unterscheidung von Arbeit und Leben und für eine Untersuchungspraxis entschieden, die verstehen will, wie der räumlich-zeitliche Zusammenhang der Existenz und die Erfahrung einer doppelten (oder gar multiplen) Präsenz subjektiv übersetzt werden.« (Precarias a la deriva 2007: 89) Precarias berichten von ihrer Suchbewegung, Prekarität und Prekarisierung im Anschluss an Spinoza als Gemeinbegriff einzusetzen, um das Gemeinsame der Prekarität, wie etwa der Sorgearbeiterinnen, erst denkbar zu machen. In ihrer Spinoza-Lesart entstehen Gemeinbegriffe nicht vorrangig durch rationale Aushandlungen, sondern in der affektiven Verbindung von Körpern. Ähnlich wie im Begriff der Multitude versuchen Precarias a la deriva Identitätskonzepte zu hinterfragen, in dem sie von vielfältigen Singularitäten ausgehen. Mit dieser Suchbewegung soll keine neue gemeinsame Identität herauskristallisiert werden. Denn mit der feministischen Philosophin Rosi Braidotti interessieren sie sich weniger für Konzepte des Da-Seins, sondern für Modi der Veränderungen und der Verwandlungen: »Wir beschlossen also die deriva in der ersten Person zu machen, jede sollte den anderen erzählen; so wollten wir gemeinsam zu einer Annäherung an die Unterschiede zwischen uns aber auch zwischen uns und anderen gelangen. Wir wollten auf diese Art Gemeinsamkeiten finden und gleichzeitig Singularitäten potenzieren, eine Herangehensweise, die im Verlauf der Debatten dazu führte, das ursprünglich proklamierte Motto ›Wir sind alle prekär‹ zu modifizieren und nicht 128

länger nach einer von allen geteilten Identität zu suchen, sondern nach Prozessen der (De)Identifizierung.« (Ebd.) Precarias a la deriva benennen zwar deutlich die destruktiven Potenziale von Prekarisierung – die Verletzbarkeit von Körpern, die Unmöglichkeiten längerfristiger Planungen sowie des Aufbaus stabiler Netzwerke. Sie wollen den destruktiven Potenzialen von Prekarität und Prekarisierung aber vor allem etwas entgegensetzen. Prekarität verstehen sie vor diesem Hintergrund nicht als einen Zustand, von dem eine bestimmte Gruppe betroffen ist, sondern als eine »verallgemeinerte Tendenz zur Prekarisierung der Existenz, die die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit angeht« (ebd.: 46). Prekarisierung der Existenz bildet für sie die »›Gesamtheit materieller und symbolischer Verhältnisse, die eine elementare Ungewissheit in Bezug auf einen nachhaltigen Zugang zu jenen Ressourcen bedingen, die für die volle Lebensentfaltung eines Subjekts grundlegend sind‹« (2011: 59). Precarias lösen damit in ihrer Konzeption von Prekarisierung ein, was in der abschließenden Diskussion des Kapitels zur Prekarisierung in der Geschlechterforschung vorgeschlagen wurde: Eine Bestimmung von Prekarisierung, die materielle (Ungleichheiten) und symbolische Dimensionen (Doxa) konvergiert. Ein Schlüssel zum Verständnis von Prekarisierung bildet ihre Konzeption einer Feminisierung von Arbeit. In italienisch- und spanisch-sprachigen feministischen Ansätzen umfasst Feminisierung von Arbeit nicht nur den quantitativen Anstieg weiblicher Beschäftigung, sondern zielt auch auf die Prozesse der Abwertung: »Feminisierung bedeutet demnach die Kennzeichnung von Arbeit, die historisch von feminisierten Subjekten geleistet wird als ›inferior‹« (Gutiérrez Rodríguez 2014a: 77). Precarias betonen mit dem Konzept, dass die vormals von Frauen im privaten-häuslichen Bereich verrichteten Tätigkeiten heute nicht kommodifiziert werden, sondern es vielmehr zu einer neuen kapitalistischen Form der »Aneignung von Arbeit« (Precarias a la deriva 2011: 66) gekommen ist. Dies lässt sich am deutlichsten im Feld der Sorge zeigen, weswegen Precarias Sorgetätigkeiten ins Zentrum ihrer Suche stellen. Sorge ist nicht nur der gesellschaftliche Bereich, der am stärksten von Prekarisierung herausgefordert wird. Indem sie Sorgetätigkeiten betonen, wollen sie zudem der kapitalistischen 129

Akkumulation eine »alternative Logik der Sorge« (ebd.: 67) entgegensetzen. Mit Sorgegemeinschaft (cuidadanía), führen sie eine Wortschöpfung ein, die im Anschluss an feministische Sorgeethiken zwischen Sorge (span. cuidado) und Staatsbürger_innenschaft (ciudadanía) vermittelt (Mennel/Nowotny 2011). Mit dem Begriff der Sorgegemeinschaft wird ein Gemeinbegriff eingeführt, mit dem »Praxen nicht nur des Widerstands, sondern auch der Hervorbringung anderer, zukunftsträchtigerer Lebensformen« (Precarias la deriva 2011: 114) ins Leben gerufen werden sollen. Anders als im Konzept der Bürgerschaft hinterfragen sie die Vorstellung eines Subjekts, das Rechte besitzt, ihnen geht es vielmehr um eine Suchbewegung, die auf das Gemeinsame, das Kollektive, auf Verhältnisse abzielt. Subjektivität soll somit gerade nicht individualistisch gefasst werden, sondern als Relation und als »Resultat intersubjektiver Vermittlungen« (ebd.: 111).

6. Diskussion Zunächst soll angemerkt werden, dass postoperaistische Ansätze im deutschsprachigen Raum bisher zwar durchaus in sozialen Protestbewegungen, weniger aber in der Soziologie und anderen nahestehenden Disziplinen Aufmerksamkeit fanden, was vor allem für die themenverwandte Arbeits- und Industriesoziologie verwundert (Freudenschuß 2011). Mit dem Erstarken der Prekarisierungsdebatte und dem Bemühen, in Prekarisierung auch emanzipatorische Potenziale zu erkennen, wächst in jüngster Zeit aber auch in der hiesigen akademischen Debatte das Interesse (Lorey 2012, Marchart 2013, Pieper/Atzert/Serhat et al. 2007, Pieper/Atzert/Karakayali et al. 2011b, Pieper 2013). Ein Grund für das im internationalen Vergleich auffällig geringere Interesse kann darin gesehen werden, dass Autoren wie Negri und Virno davon absehen, Staatlichkeit als Fluchtpunkt politischer Interventionen zu betrachten. Im Begriff der Multitude vollzieht sich zum Beispiel vielmehr eine »Hinwendung zu einem nichtrepräsentationistischen Denken der Demokratie« (Neundlinger/ Raunig 2005: 14) als zu staatlichen Reformen. Mit dem Begriff des Exodus – so ein weiteres Beispiel – beschäftigt Virno (2010), wie die Multitude eine radikale Form von Demokratie begründen kann, 130

wobei der Exodus für das »massenweise Abfallen vom Staat« (ebd.: 49) steht.23 In der französisch-, italienisch- und englischsprachigen politischen Theorie gilt die Abwendung von liberalen Demokratiemodellen, wie etwa auch in den Werken vielbeachteter Autoren wie Alain Badiou, Georgio Agamben oder Slavoj Žižek als weniger anstößig als in deutschsprachigen Theoriedebatten. Für die Prekarisierungsdebatte besteht eine große Stärke postoperaistischer Ansätze darin, dass Ambivalenzen von Prekarität und Prekarisierung erfahrbar werden und damit nicht nur Freiheitsgewinne, sondern auch Emanzipationspotenziale mitgedacht werden (Demirović/Dück/Becker et al. 2011). Mit ihren Wortschöpfungen gelingt ihnen eine »Analytik des Werdens« (Pieper/Panagiotidis/Tsianos 2011: 202). Die Fruchtbarkeit eines solchen Ansatzes wird vor allem in den wenigen postoperaistisch inspirierten empirischen Arbeiten deutlich: Pieper (2008, 2013) kritisiert etwa Ansätze der Subjektivierung von Arbeit (siehe Kap. II/3) dafür, dass sie ein Subjekt konzipieren, das seine sozialen Bedingungen einfach spiegelt. Indem das Konzept der biopolitischen Produktion empirisch fruchtbar gemacht wird, kann Subjektivität dagegen als verkörperte Erfahrung verstanden werden. Damit kann es gelingen, auch Brüche und Überschüsse dieser Prozesse herauszukristallisieren, wie etwa, wenn Menschen ohne Papiere in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen widerständige Strategien der Sabotage einsetzen (Pieper/Panagiotidis/Tsianos 2011, Pieper 2013). Schließlich wird mit dem Konzept der biopolitischen Produktionsweise auch eine Vorstellung von Körperlichkeit eingeführt, die bisher in der Prekarisierungsdebatte eine große Leerstelle bildete. Aufbauend auf einem zentralen Autonomiebegriff wird des Weiteren konsequent mit Viktimisierungen gebrochen, wie etwa in dem Konzept der Autonomie der Migration. Der starke Autonomiebegriff ist es aber auch, der als Manko bezeichnet werden kann. Indem die Autonomie der Arbeiterkämpfe oder später der immateriellen Arbeiter_innen und Migrant_innen als Triebkräfte historischer Entwicklungen erscheinen, wird suggeriert, als seien die kapitalistischen Transformationen das Ergebnis einer »einzigen Logik« (Mouffe 2013: 208). Dies ist nicht nur eine unterkomplexe Deutung der kapitalistischen Dynamiken, diese Deutung unterschätzt zudem die Bedeutung politischer und 131

ökonomischer Eliten in gesellschaftlichen Transformationsprozessen (Marchart 2013). Zukünftig wäre es last but not least wünschenswert, würden die theoriepolitischen Überlegungen stärker empirisch fundiert. Dadurch könnte gelingen, die Suchbegriffe stärker in der Praxis zu verorten.

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V.  Kritik an Prekarisierung — Politik der Ent_Prekarisierung. Resümee und Ausblick Eine lange Reise durch die vielen Verästelungen der Prekarisierungsdebatte neigt sich dem Ende. Deutlich wurde, dass die Prekarisierung einer bestimmten gesellschaftlichen Konstellation nicht mit ihrer Auflösung einhergeht: Die Prekarisierung von Erwerbsarbeit steht genauso wenig für ein Ende der Arbeitsgesellschaft wie die Prekarisierung von Heteronormativität für den Beginn eines wie auch immer gearteten postgender-Zeitalters. Für die soziologische Beobachtung stellt sich somit auch zukünftig die Herausforderung, die Widersprüche und Ambivalenzen der Erosionen, Persistenzen und Neuformierungen zu beschreiben. Das große Potenzial einer Prekarisierungsperspektive besteht darin, dass mit ihr nur scheinbar divergente Phänomene – die Prekarität von Beschäftigungsverhältnissen und das Brüchigwerden von Heteronormativität als zwei Beispiele – unter einer gemeinsamen Klammer betrachtet werden können. Ohne eine neue grand theory zu behaupten, kann aber durch diese gemeinsame Klammer die Gefahr gebannt werden, dass sich die soziologische Beschreibung den Blick auf das große Ganze verstellt, da sie sich in vielen kleinen dichten Beschreibungen verliert. In dieser großen Klammer können auch Perspektiven zusammengedacht werden, die bislang wenig voneinander wussten. Zudem kann, wie am Beispiel der Geschlechterforschung gezeigt wurde, Prekarisierung in ihren materiellen (Ungleichheiten) und symbolischen (Doxa) Dimensionen beschrieben werden. Am Ende der Reise steht eine, wenn nicht die zentrale Frage aber noch aus. Sie lautet: Welche politischen Notwendigkeiten und Handlungsmöglichkeiten bringen die Erkenntnisse der Prekarisierungsforschung hervor? Politisch ist hier ausdrücklich nicht auf staatliche Institutionen begrenzt, sondern weit gefasst. Wenn sich die verschiedenen Ansätze der Prekarisierungsdebatte nämlich in einem Punkt einig sind, dann in dem Vorhaben, dass sie Kritik an Gesellschaft formulieren wollen, dass sie, mit einem Diktum von Marx aus der Kritik der alten Welt die neue finden wollen. Wie sind die Kritiken dieser Ansätze beschaffen? Wogegen richten sie sich? Welche politischen Horizonte entwerfen sie? 133

1. Politik der Entprekarisierung oder Politik 24 der Prekarisierung?





Die deutschsprachige Prekarisierungsdebatte nimmt ihren Ausgangspunkt in der Einsicht, dass mit dem Wandel der fordistischen Gesellschaftsformation moderne Institutionen brüchig geworden sind. In den mit Prekarisierung befassten Ansätzen der Arbeitsund Industriesoziologie stehen die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses und die Ausweitung unsicherer Beschäftigungsverhältnisse im Zentrum. Mit den stark von Durkheim beeinflussten Autoren wie Castel und Bourdieu werden die destruktiven Potenziale von Prekarisierung nachgezeichnet. Prekarisierung gefährdet hiernach die soziale Kohäsion und Integrationskraft einer Gesellschaft. Ansätze der Arbeits- und Industriesoziologie weisen der Erwerbssphäre wegen ihrer Integrationsfunktion eine Zentralität zu. Dementsprechend bildet die Erwerbssphäre auch den Ausgangspunkt der Kritiken und Politiken, die hier entworfen werden. In der Kritik stehen die ökonomischen, sozialen und politischen Folgen von Prekarisierung. Prekarisierung wird als eine Folge, aber auch als eine »Funktionsbedingung« des Finanzmarktkapitalismus abgeleitet (Brinkmann/Dörre/Röbenack et al. 2006: 11). Vor dem Hintergrund ihrer Kritik am Finanzmarktkapitalismus schlagen Brinkmann, Dörre und Röbenack (2006: 85) eine »Politik der Entprekarisierung« vor. Für eine solche Politik müsste zunächst erst eine größere gesellschaftliche Sensibilisierung und Wahrnehmung für prekäre Lebenslagen erreicht werden, weswegen sie für eine regelmäßige Berichterstattung, ähnlich der Armuts- und Reichtumsberichte, plädieren. Eine Politik der Entprekarisierung müsste des Weiteren immer zusammen mit prekär Beschäftigten erfolgen und auf die Unterstützung ihrer Handlungsfähigkeit gerichtet sein. Staatlichen Institutionen kommt die Aufgabe zu, Teilhaberrechte für prekär Beschäftigte zu schaffen und sie zu verstetigen. Es bedarf des Ausbaus qualifizierter sozialer Dienstleistungen, die Einführung eines einheitlichen Existenz sichernden Mindestlohns sowie der Weiterentwicklung bestehender Standards für Gute Arbeit. Ausgehend von einer geschlechtergerechten Perspektive bedürfe es des Weiteren einer »Neudefinition des Normalarbeitsverhältnisses« (ebd.: 91), so dass auch Raum für männliche Fürsorge entstehen kann. Der Leitgedanke 134

ihrer Politik der Entprekarisierung besteht darin, »flexible Arbeitsformen nicht zu verhindern, sondern ihnen nach und nach ihren prekären Charakter zu nehmen« (ebd.: 93). Die Politik der Entprekarisierung, die hier entworfen wird, richtet sich vor allem auf Sicherungen in der Erwerbssphäre, die Reproduktionssphäre wird aber ebenfalls, wenn auch am Rande, mitgedacht. Geschlechtersoziologische Ansätze nehmen die Folgen der Prekarisierung des männlichen Ernährermodells in den Fokus. Diskutiert werden die Widersprüche und (globalen) Ungleichheiten des neu etablierten Leitbildes des Adult-Worker-Models, wobei anders als in der Arbeits- und Industriesoziologie die Reproduktionssphäre – Hausarbeit und Fürsorge – mit im Zentrum stehen. Feministische und geschlechtersoziologische Kritik richtet sich seit vielen Jahrzehnten auf die Anerkennung und Umverteilung von Sorgearbeiten. Die Prekarisierungsdebatte kann als Neuauflage der Diskussionen um gesellschaftlich notwendige und wertvolle Arbeit, um Ungleichheiten mit Blick auf die Trias aus ›Rasse‹, Klasse und Geschlecht und die Bedeutung von Sorgearbeit im Kapitalismus bezeichnet werden (Aulenbacher/Meuser/Riegraf 2012, Aulenbacher 2013). In geschlechtersoziologischen Ansätzen werden, anders als in der Arbeits- und Industriesoziologie, nicht nur die destruktiven Potenziale von Prekarisierung betont. Denn wenn nicht nur das Normalarbeitsverhältnis, sondern das gesamte männliche Ernährermodell prekär wird, bedeutet dies auch, dass das, was bislang als Normalität galt, verhandelbar und damit angreifbar wird. Mit dem Prekärwerden des männlichen Ernährermodells werden zum Beispiel auch die ökonomischen Abhängigkeiten von Frauen brüchig, die eine Funktionsbedingung dieses Modells darstellten. Vor diesem Hintergrund kann die Erosion des männlichen Ernährermodells für Frauen auch als Chance bezeichnet werden. Auch Männlichkeitskonstruktionen, die sich ausschließlich an der Erwerbssphäre orientieren, können an Selbstverständlichkeit verlieren. Ähnliches gilt für Heterosexualität: Mit der Pluralisierung der Haushalts- und Familienformen bildet die auf Heterosexualität basierende bürgerliche Kleinfamilie nicht mehr die einzige akzeptierte Form des Zusammenlebens. Dies soll nicht bedeuten, dass Männlichkeiten und Heterosexualität grundsätzlich ihre hegemoniale Position verloren haben, wohl aber, dass sie auf Ebene 135

der Doxa brüchig werden. Ihre hegemoniale Position wird verhandelbar. Die Rede von einer Politik der Entprekarisierung muss aus dieser Blickrichtung mit einem Fragezeichen versehen werden. Indem postoperaistische Ansätze Räume für emanzipatorische Potenziale öffnen, gehen sie ebenfalls bei Prekarisierung nicht nur von destruktiven Dynamiken aus. Mit ihrer engen Verknüpfung aus Aktivismus und Wissenschaft und ihren Entwürfen von Gemeinbegriffen findet sich hier das Bemühen, eine »Analytik des Werdens« (Pieper/Panagiotidis/Tsianos 2011: 202) zu etablieren. Da Prekarisierung ähnlich wie Multitude oder Sorgegemeinschaft als Gemeinbegriff eingesetzt wird, werden Prekarisierungsprozesse als Ausgangspunkte verstanden, eine »auf radikale Weise neue Form der Demokratie« (Virno 2010: 15) denkbar zu machen. Postoperaistische Perspektiven sowie poststrukturalistisch inspirierte geschlechtersoziologische Ansätze haben gemein, dass sie Kritik formulieren, die an Regierungsweisen von Subjekten ansetzen. Es geht um die Art und Weise, wie Individuen durch Prekarisierung als Subjekte adressiert und regiert werden. Die Kritik, die etwa von der EuroMayDay-Bewegung formuliert wurde, kann mit Foucault als Einspruch verstanden werden, »nicht dermaßen regiert zu werden« (1992: 12). Wie Butler erklärt, geht Foucaults Konzeption von Kritik aber nicht in einem Einspruch auf. Seine Pointe besteht nicht darin, eine »gegebene Forderung als ungültig zu erachten«, sondern vielmehr darum, »nach der Ordnung zu fragen, in der eine solche Forderung lesbar und möglich wird« (2002: 258). Es geht nicht darum, Butlers Argument anerkennungstheoretisch gewendet, mehr Menschen als bisher in die Gültigkeit bestehender Normen einzubeziehen, vielmehr muss es darum gehen, Verständnis über das Verhältnis von Normen und der Verteilung von Anerkennung zu entwickeln: Wer erhält auf Grundlage welcher Normen Anerkennung, wem wird auf Basis welcher Normen Anerkennung versagt? Wie müssen, so Butler (2010: 14) ähnlich wie Virno, die »Bedingungen der Anerkennbarkeit« beschaffen sein, so dass sie zu »radikaler demokratischen Ergebnissen« (ebd.) führen? Wie eben gezeigt, irritiert die Rede einer Politik der Entprekarisierung, wenn die Erosion des männlichen Ernährermodells oder das Prekärwerden der männlichen und heterosexuellen Doxa betrachtet wird. Auch für postoperaistische Perspektiven muss der 136

Vorschlag einer Politik der Entprekarisierung in Zweifel gezogen werden. Wenn in Prekarisierungsprozessen Bedingungen für das Entstehen einer globalen nicht-identitären Bewegung, der Multitude, verortet werden, was wäre dann das Ziel einer Politik der Entprekarisierung? Auch Butler kann an dieser Stelle so gelesen werden, dass sie das Prekärwerden von Normen begrüßt, insofern es sich um ausgrenzende Normen handelt. Schließlich eröffnet das Prekärwerden von Normen ein Nachdenken über Alternativen. Hier erscheint eher eine Politik der Prekarisierung als Folge der Argumentation, insofern sich Prekarisierung auf die Infragestellung von ungleichheitsproduzierenden Normen bezieht. Auch Lorey kritisiert den Entwurf einer Politik der Entprekarisierung, der in Prekarisierungsprozessen nur eine Bedrohung erkennt und bezeichnet ihn als »Reformulierung traditioneller sozialer Sicherungssysteme« (2012: 19). Zwar lehnt sie eine Politik der Entprekarisierung nicht grundsätzlich ab, sie sei ihres Erachtens aber nur sinnvoll, wenn »hegemoniale soziale und politische Sicherheitslogiken moderner Nationalstaaten problematisiert und durchbrochen« würden (ebd.). Die Politik der Entprekarisierung sollte nicht zum männlichen Ernährermodell zurückführen, vielmehr stellt sich für Lorey mit Butler die Frage, wie auf Grundlage einer »Anerkennung eines nicht hintergehbaren Prekärseins« (ebd.: 20, Herv. i.O.) neue Formen des Schutzes und der Absicherung entwickelt werden können. Die Kritik an einer Politik der Entprekarisierung muss sich somit nicht grundsätzlich gegen Staatlichkeiten richten, durchaus aber gegen sozialpolitische Regulierungen, die Frauen, Migrant_ innen und queere Menschen systematisch benachteiligen. Eine Politik der Entprekarisierung erscheint aber als fundamental, wo es generell um Existenzsicherung sowie um Absicherung von Beschäftigungsverhältnissen geht, die sich aber ausdrücklich nicht auf männliche Beschäftigungsverhältnisse begrenzen darf.

2. Jenseits des Eurozentrismus – weiterführende Perspektiven auf Prekarisierung und Prekarität



Überlegungen zu einer Politik der Entprekarisierung sollen abschließend wieder aufgenommen werden. Im Folgenden werden 137

zunächst sechs Perspektiven gebündelt, die für die Prekarisierungs- und Prekaritätsforschung die zentralen zukünftigen Herausforderungen bereit halten. 1.Theoretische Perspektiven: Auch wenn bereits Vorschläge zu Begriffsbestimmungen vorliegen (Dörre 2006a, Kraemer 2008, Mayer-Ahuja 2003) sind Prekarisierung und auch Prekarität weiterhin schillernde Konzepte, womit sich die Aufgabe einer vertiefenden Arbeit an den Begriffen ergibt. Eng mit Begriffsbestimmungen verbunden, stellt sich die Frage nach der gesellschaftlichen Reichweite der Prekarisierungs- und Prekaritätsthese. Konsens scheint darin zu bestehen, dass sie sich nicht in unsicheren Beschäftigungsformen erschöpfen. Ist aber Bourdieu (2004a) zuzustimmen, der die These vertritt, dass Prekarität überall existiert, sowie Marchart (2013), der angesichts der verallgemeinerten Unsicherheit von einer Prekarisierungsgesellschaft spricht? Wie lassen sich in solch einem breiten Verständnis aber graduelle Unterschiede in Unsicherheitslagen ausweisen? Die Einführung hat keine explizite und einheitliche Theorie der Prekarisierung präsentiert, da für die Prekarisierungsdebatte vielmehr kennzeichnend ist, dass sie die Kombination aus Theorie und Empirie betont. Dennoch lagen den erwähnten Perspektiven auf Prekarisierung und Prekarität vielfältige theoretische Annahmen zu Grunde. Hier muss vor allem der prominente, an Durkheim anschließende anomietheoretische Ansatz von Castel und Bourdieu genannt werden, der Prekarisierung über den Grad der sozialen Integration bestimmt. Die große Aufmerksamkeit, die diesem Ansatz zuteil wurde, richtete sich aber vor allem kritisch auf seine konzeptionellen Auslassungen. Eine gemeinsame Stärke der ebenfalls eingeführten gouvernementalitätstheoretischen, postoperaistischen und pragmatischen Ansätze besteht in ihrem starken Interesse am Subjekt der Prekarisierung, auch wenn unterschiedliche Akzente ausgearbeitet werden. Diese Ansätze weisen aber auch Schwächen auf, die in aller Kürze wie folgt zusammengefasst werden können: Der Gouvernementalitätsforschung wird vorgeworfen, sie rekonstruiert in der Regel nur Programme, mit denen Individuen etwa als unternehmerische Subjekte regiert werden und tendiert schließlich dazu, Programm und Subjekt kurzzuschließen. Sie versäumen es, 138

aufzuzeigen, wie die Programme in der Praxis scheitern können (Motakef 2015). Postoperaistischen Ansätzen wird unterstellt, dass sie einen zu starken Autonomiebegriff enthalten und die Handlungsmacht der Subjekte überschätzen, ohne wiederum aufzeigen zu können, wie Prekarisierung auch durch hegemoniale Kräfte forciert wird (Mouffe 2013). An Ansätzen der pragmatischen Soziologie wird die Kritik gerichtet, dass sie einen naiven Subjektbegriff enthalten und alles, was Akteur_innen sagen, für bare Münze nehmen (Celikates 2009). Die theoretische Aufmerksamkeit hat sich bisher vor allem auf die Kritik anomietheoretischer Auslassungen gerichtet. Um ein mehrdimensionales Bild von Prekarisierung und Prekarität zeichnen zu können, wäre es zukünftig wichtig, würde eine intensivere Diskussion zu den Stärken und blinden Flecken der eben genannten theoretischen Vorschläge einsetzen. Was können sie zum Ausdruck bringen, was nicht? Des Weiteren wären weitere theoretische Anschlüsse zentral: Die Hegemonietheorie hält etwa wichtige Impulse bereit, da sie aufzeigen kann, wie Prekarisierung durch hegemoniale Prozesse forciert wird (Marchart 2013, Mouffe 2013). Zentrale Impulse verspricht auch die Theorie der Anerkennung (Honneth 2010, 2013), da sie in der Kombination der Anerkennungssphären Liebe, Recht und Leistung aufzeigen könnte, wie die institutionalisierte Anerkennungsordnung von Prekarisierung erfasst wird und wie eine prekäre Lebenslage subjektiv als Problem der Anerkennung (Wimbauer 2012) erfahren werden kann. Schließlich stellt sich die theoretische Frage, wie die vielfältigen Phänomene, die unter der Klammer Prekarisierung und Prekarität diskutiert werden, zusammen hängen: Was sind ihre driving forces? Was sind gemeinsame und was sind nicht gemeinsame Triebkräfte? 2. Prekarisierung- und Prekaritätsforschung jenseits des Eurozentrismus: Eben wurde eine stärkere Auseinandersetzung mit den Begrenzungen und blinden Flecken theoretischer Perspektiven gefordert. Eng mit dieser Forderung verknüpft, wird an dieser Stelle das Argument aufgenommen, dass eine zentrale Herausforderung darin besteht, dass die Prekarisierungs- und Prekaritätsforschung ihren Eurozentrismus überwindet. Die Etablierung der Soziologie als Disziplin verlief parallel zur Hochphase des westlichen Imperialismus. Während europäi139

sche Mächte in Afrika und Asien Kolonialreiche errichteten, beschränkte sich die Soziologie in ihrem Entstehungsprozess auf die Beschreibung westlicher Entwicklungen und Erfahrungen. Im Zentrum ihrer klassischen Arbeiten stand die von England ausgehende Industrialisierung, aber nicht die westeuropäische Kolonialpolitik oder die Kapitalakkumulation durch den Sklavenhandel (Costa/Boatcă 2010). Auch die soziale Kohäsion von Gesellschaft, für die Durkheim sich interessierte, war in der Regel nationalstaatlich gefasst. Die Soziologie entstand somit als genuin modernes Projekt. Die Moderne bildete nicht nur den Forschungsgegenstand der Soziologie, vielmehr ist die Soziologie in ihren Kategorien, Theorien, Methoden und Methodologien untrennbar mit modernem Denken verwoben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich in den Wissenschaften eine Arbeitsteilung, die die Erforschung der modernen Gesellschaften der Soziologie (Gesellschaft), der modernen Staaten der Politikwissenschaft (Staat) und den modernen Märkten den Wirtschaftswissenschaften zuwies, während der Ethnologie die Aufgabe zuteil kam, Antworten auf die Frage zu finden, warum der ›Rest‹ nicht modern geworden war und es nicht werden konnte (Wallerstein 2005). Diese disziplinäre Trennung ist bis heute wirksam – und folgenreich. Weit über die Prekarisierungsdebatte hinaus, aber insbesondere auch hier, mehren sich starke Zweifel, ob soziologische Kategorien, die eng mit der Moderne und der kurzen Phase des Fordismus verknüpft sind – Familie, Arbeit, Ernährermodell etc. – heute noch angemessen sind. Aus Perspektive postkolonialer Ansätze (Castro Varela/Dhawan 2005) kann argumentiert werden, dass diese Begriffe auch zu Hochphasen des Fordismus problematisch waren, weil sie koloniale Dynamiken in der Beschreibung von Welt ausblendeten. In postkolonialen Theorien wird Kritik an der eurozentrischen Vorstellung formuliert, westliche Entwicklungen lassen sich in der Beschreibung vom ›Rest‹ der Welt abkoppeln und könnten somit aus sich heraus erklärt werden (Conrad/Randeria 2002b). Auch in Castels (2000) vielbeachteter Studie wird eine Geschichte der westeuropäischen Erwerbsarbeitsgesellschaften erzählt, ohne dass der europäische Kolonialismus eine systematische Bedeutung erhält. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt postkolonialer Ansätze besteht in der ebenfalls eurozentrischen Inszenierung 140

moderner Geschichte als Erfolgsgeschichte. Die einzig denkbare Zukunft für nicht westliche Gesellschaften bestehe demnach in einer fortschreitenden Verwestlichung. In der Prekarisierungsforschung wird zwar das Brüchigwerden moderner Kategorien zu Beschreibung von Gesellschaft verhandelt. Was aber noch weitgehend ausbleibt, ist eine Auseinandersetzung mit dem kolonialen Vermächtnis der Soziologie. Eine Prekarisierungs- und Prekaritätsforschung jenseits des Eurozentrismus (Conrad/Randeria 2002a) müsste sich im Sinne einer globalen Soziologie (Burawoy 2008) den räumlichen und zeitlichen Spezifika ihrer Phänomene stärker zuwenden. Wenn ein universeller Anspruch vermieden werden soll, muss die Prekarisierungs- und Prekaritätsforschung – mit dem US-amerikanischen-bengalischen Historiker Dipesh Chakrabarty (2007) gesprochen – provinzialisiert werden. Zudem müssen die entangled histories (Randeria), also die gobalen historischen Verflechtungen und (post-)kolonialen Dynamiken systematisch berücksichtigt werden. Dies würde auch eine andere soziologische Rezeptionspolitik begründen, denn anstatt ausschließlich Soziologie, die in Westeuropa und den USA beheimatet ist, als relevant zu erachten, bedürfte es einer konsequenten Hinwendung zu Southern Theories und ihren Expertisen zu Prekarität und Prekarisierung (Connell 2007, Gutiérrez Rodríguez/Boatcă/Costa 2010). Zu fragen ist weiter nach der Differenzierung von Prekarität und Prekarisierung. Eine Unterscheidung, dernach Entsicherungsprozesse des globalen Nordens als Prekarisierung beschrieben werden, während Prekarität für Mangellagen des globalen Südens steht, ist in ihrer Gegenüberstellung undifferenziert. Wie können diese Begriffe aber differenziert globale Verflechtungen zum Ausdruck bringen? In Ansätzen postkolonialer Kritik bildet schließlich Subalternität einen Schlüsselbegriff (Spivak 2007). Anders als prekäre sind subalterne Subjektpositionen erst gar nicht in kapitalistische Strukturen eingebunden, wie es etwa für einen Großteil der indischen Landbevölkerung zutreffend ist (Castro Varela/Dhawan 2009). Wie lässt sich vor diesem Hintergrund das Verhältnis von Prekarisierung, Prekarität und Subalternität ausweisen? 3. Subjektorientierte Perspektive: Die Prekarisierungsforschung begegnet, wie bereits gezeigt, theoretisch dem Subjekt der Prekarisierung mit großem Interesse. Auch empirisch liegen einige subjekt141

orientierte Arbeiten vor, die etwa aufzeigen, wie bestimmte Aspekte prekärer Lebenslagen subjektiv erfahren werden. Im Gegensatz zur Arbeits- und Industriesoziologie liegen aus der Geschlechterforschung auch Studien vor, die nicht nur die Erwerbssphäre fokussieren, sondern den gesamten Lebenszusammenhang berücksichtigten. Hier ist aber weitere Forschung notwendig, die prekäre Lebenszusammenhänge in globaler Perspektive in ihrer räumlichen und zeitlichen Spezifik ausweisen: Mit welchen methodischen Werkzeugen ist die Rekonstruktion subjektiver Perspektiven sinnvoll? Wie wird das Verhältnis der Sphären Arbeit und Leben durch Prekarisierung und Prekarität herausgefordert? Weitet sich die Prekarität der Erwerbssphäre im Lebenszusammenhang auch auf Nah- und Paarbeziehungen aus? Oder können Paar- und Nahbeziehungen Prekarität in der Erwerbssphäre abmildern? Welche Unterschiede zeigen sich hier in intimen Partnerschaften und in Freundschaften? Welche Einflüsse haben spezifische sozialpolitische Regulierungen und sozialstrukturelle Faktoren, wie etwa die Qualifikation oder ein Migrationshintergrund? Mikrosoziologisch könnten des Weiteren stärker widerständige Praktiken rekonstruiert werden, mit denen Einzelne und Gruppen den Zumutungen prekärer Lebenslagen begegnen. Mit einer mikrosoziologischen »Analytik des Werdens« (Pieper/Panagiotidis/Tsianos 2011: 201) wäre es folglich möglich, (politische) Veränderungen in den Alltagspraxen aufzuspüren. 4. Körpersoziologische Perspektiven: Am stärksten werden somatische Perspektiven bisher in postoperaistischen Ansätzen berücksichtigt, die den Körper als Ort biopolitischer Produktionsweisen verhandeln (Foltin 2010) sowie bei Butler, die Prekärsein als grundlegende körperliche Verletzbarkeit liest. Darüber hinaus präsentiert die Prekarisierungsdebatte das Soziale weitgehend als geistig. Aus körpersoziologischer Sicht ist dies eine Verkürzung, da Prekarisierung und Prekarität auch als Prozesse verstanden werden können, die körperlich erfahren werden, wofür etwa Burn Out (Neckel/Wagner 2013) und Depressionen (Ehrenberg 2008) stehen. Der Wandel von Arbeit ist zudem ein Wandel des Einsatzes von Arbeitskraft. Wie arbeits- und industriesoziologische und postoperaistische Ansätze vor diesem Hintergrund argumentieren, gewinnt Subjektivität im Arbeitsprozess an Bedeutung. Hier wäre 142

es gewinnbringend, Forschungen einzubeziehen, die zeigen, wie die Arbeit am Selbst eine Arbeit am Körper verlangt (Villa 2008). Spätestens hier wird auch deutlich, dass Körper Orte bilden, an denen Normalitäten verhandelt werden, die eben auch durch Prekarisierungsprozesse herausgefordert werden. Welche Einsichten bieten hier last but not least postkoloniale und globale Perspekiven? 5. Sozial-ökologische Perspektiven: Eng mit der eben geforderten eurozentrismuskritischen bzw. postkolonialen Perspektive verflochten, sollte Prekarisierung und Prekarität zukünftig stärker als soziales und ökologisches Phänomen verstanden werden. Unter Verwendung des Landnahme-Theorems bietet etwa Dörre (2009a, 2009b, 2012) Vorschläge. Unter den Stichwörtern Postwachstumsökonomie (Daly 1997) sowie Postwachstumsgesellschaft25 (Seidl/ Zahrnt 2010) werden Überlegungen angestellt, wie alternative Arbeits- und Lebensformen denkbar werden, die ohne Wirtschaftswachstum auskommen können. Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass der Kapitalismus auf Wachstum basiert, Wirtschaftswachstum aber längst stagniert und natürliche Ressourcen, die Wachstum benötigt, endlich sind. Zudem hat das Wirtschaftswachstum der Industriestaaten massive ökologische Probleme verursacht, die wiederum nicht durch weiteres Wirtschaftswachstum behoben werden können. Es ist eine offene Frage, ob Nachhaltigkeit etwa in Konsumpraktiken durch Prekarisierungsprozesse an Bedeutung verliert (Kraemer 2011). Denn denkbar ist auch, dass u.a. durch Prekarisierungsprozesse eine Hinwendung zu postmateriellen Werten erfolgt, in denen gemeinsame Güter, sogenannte Commons (Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung 2012), an Bedeutung gewinnen. Welche globalen und postkolonialen Perspektiven bestehen zu diesen Postwachstumskonzepten? 6. Politiken der Ent_Prekarisierung: In diesem vorläufig letzten Punkt soll wieder die Diskussion aufgenommen werden, welche Politiken aus den Kritiken an Prekarisierung resultieren sollten. Als Resümee soll an dieser Stelle nicht das Projekt einer Politik der Entprekarisierung verabschiedet werden. Auch Precarias a la deriva liefern hierfür überzeugende Gründe: Für die feministische Aktionsgruppe etabliert sich mit Prekarisierung eine Kultur des Rette sich, wer kann. Dieser Strategie der Abschottung setzen Preca143

rias den Gemeinbegriff der Sorgegemeinschaft entgegen, den sie im Zuge ihres Sorgestreiks propagieren. Diesen Sorgestreik bezeichnen Precarias als »Hebel der Entprekarisierung« (ebd.: 129). Ihnen geht es in dem Begriff der Entprekarisierung um eine Ent-Verunsicherung vor Armut, vor Gewalt und auch vor heteronormen Zwängen, die sie selbst einschränken. Precarias überzeugen mit einem Begriff von Entprekarisierung, der Sicherungen (gegen Armut und Gewalt) mit Verunsicherungen (von traditionellen Sexualnormen) verschränkt. Genauso wenig wie eine Politik der Entprekarisierung aufgegeben werden soll, wird auch eine Politik der Prekarisierung nicht obsolet. Es muss zukünftig vielmehr darum gehen, die Lücke aus einer Politik der Ent_Prekarisierung weiter auszufüllen. Dazu lassen sich einige Gedanken festhalten, die im männlichen Ernährermodell ihren Ausgangspunkt nehmen. Aus der Erosion des männlichen Ernährermodells resultierte auch ein Brüchigwerden ökonomischer Abhängigkeiten von Frauen, deren Erwerbstätigkeit – wenn auch nicht im Arbeitsvolumen – angestiegen ist. Wo Prekarisierung hier als Chance erscheint, ist aber der Ausbau atypischer Beschäftigungsverhältnisse zu kritisieren. An dieser Stelle kann die Forderung abgeleitet werden, Beschäftigungsverhältnisse wieder stärker abzusichern, allerdings nicht um den Preis das männliche Ernährermodells zu reaktualisieren. Je nach Ressourcenlage kann es zudem für bestimme Berufsgruppen, wie etwa Kreative, attraktiv sein, nicht in ein enges Korsett eines sicheren Beschäftigungsverhältnisses eingebunden zu sein. Neben der Erwerbssphäre stellt sich die Frage, was eine Sozialpolitik der Ent_Prekarisierung bedeuten könnte: Mit der feministischen Forderung einer Anerkennung und Umverteilung von Sorgearbeiten erscheint die sozialpolitische Ausrichtung auf Beschäftigung als fragwürdig. Eine Herausforderung besteht darin, die Zentralität der Erwerbssphäre zu prekarisieren (siehe auch Wimbauer 2012) und Sorgearbeiten zum Ausgangspunkt sozialpolitischer Sicherungen zu erheben. Zudem müssten sich sozialpolitische Regelungen stärker am Abbau von Ungleichheiten orientieren. Das Brüchigwerden der bürgerlichen Kleinfamilie birgt das Risiko einer prekären Lebenslage, gleichzeitig aber auch Chancen 144

und Freiheiten, da, um nur ein Beispiel zu nennen, die heterosexuelle Norm der Kleinfamilie ebenfalls prekär wird. Hier stellt sich die Frage, wie Verantwortungsgemeinschaften jenseits der Kleinfamilie stärker sozialpolitisch geschützt werden können. Auch wenn es paradox klingt, sollte es darum gehen, »Bedingungen der Anerkennbarkeit« (Butler 2010: 14) zu schaffen, die auf der Prekarisierung von traditionellen Geschlechternormen gründen, aber trotzdem auf die Absicherung und den Schutz prekärer Lebenslagen gerichtet sind. Die zukünftige Prekarisierungsforschung ist aufgerufen, das hier entstehende Spannungsfeld zwischen Prekarisierung und Entprekarisierung als Experimentierfeld für utopische Gesellschaftsentwürfe fruchtbar zu machen.

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Anmerkungen 1

Ich verwende zwei Schreibweisen, wenn vergeschlechtlichte Subjektpositionen benannt werden: Im Anschluss an Kitty Steffen Herrmanns (2003) Vorschlag soll ein fester Unterstrich die Möglichkeit beinhalten, einen Raum jenseits der Zweigeschlechtlichkeit zu eröffnen. Wenn aber gerade soziale Positionen markiert werden sollen, die innerhalb des Systems der Zweigeschlechtlichkeit verortet werden, verwende ich aus Gründen eines strategischen Essentialismus (Spivak 1988) die konventionelle Schreibweise, wie etwa bei Leiharbeitern oder bei migrantischen Hausarbeiterinnen. 2 An dieser Stelle soll nicht unterschlagen werden, dass San Precario dem Mythos zufolge allerdings zufolge kein Mann, sondern transgender ist (Tarì/Vanni 2005). 3 Eine in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung viel beachtete Differenzierung von Regimetypen legt Gøsta Esping-Andersen (1999) vor: Um das Verhältnis von Markt, Staat und Familie beschreiben zu können, rekonstruiert er den Grad der Dekommodifizierung, der Stratifizierung und der Defamilialisierung von Wohlfahrtsstaatsregimen. Die Dekommodifizierung erfasst das Ausmaß, in dem der Staat die Beschäftigten durch soziale Rechte von ihrer Marktabhängigkeit absichert, Stratifizierung zielt auf das Ausmaß sozialer Ungleichheit und Defamilialisierung bezeichnet den Grad, in dem der Staat Sorgearbeit nicht an die privaten Haushalte delegiert, sondern sie als öffentliche Aufgabe wahrnimmt. Anhand dieser Kriterien differenziert Esping-Andersen liberale (etwa USA, Kanada und Australien), konservativ-korporatistische (etwa Deutschland und Österreich) und sozialdemokratische Wohlfahrtsregime (etwa Norwegen und Schweden). 4 In der deutschen Übersetzung wird Precariousness allerdings mit Gefährdung übersetzt, was den Anschluss an die Prekarisierungsdebatte vernebelt. Um aber gerade diesen Anschluss zu betonen, wird hier anstatt von Gefährdung wie in der deutschen Übersetzung mit Lorey (2012) von Prekärsein gesprochen. 5 Castel benennt vier Zonen, allerdings führt er über die Zone der Fürsorge keine weiteren Überlegungen aus. Auch in der 146

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Rezeption von Castel wird überwiegend auf drei Zonen rekurriert. Bourdieu (2004) selbst erklärte, dass die Prekarisierungsdebatte vor allem vom Studium seiner ethnologischen Algerien-Studien (2000) profitieren könnte, zeigt er darin doch auf, wie in der kolonialen Konstellation Algeriens, die Gestaltungsmacht von Individuen zersetzt wurde. Das Elend der Welt kann im Kontext des Gesamtwerkes Bourdieus als herausstehend betrachtet werden, räumt Bourdieu den Perspektiven der Betroffenen doch im Vergleich zu anderen Studien am meisten Raum ein. Doch auch diese Studie basiert auf der Unterscheidung von subjektiven Zeugnissen und objektiver soziologischer Perspektive. Die These einer Erosion des Normalarbeitsverhältnisses wird allerdings kontrovers diskutiert. Diese Debatte kann an dieser Stelle nicht abgebildet werden (Bosch 2001, Mückenberger 1985, 2010). So schlägt etwa Gutiérrez Rodríguez (2010b: 96) mit der Queertheoretikerin Jaspir Puar den Begriff der Assemblage vor, Völker (2013) geht in ihrem praxeologischen Ansatz (siehe Kap. III/7.2) im Anschluss an die US-amerikanische feministische Wissenschaftsphilosophin Karen Barad (2012, 2013) von Interferenzmustern aus. Im Jahr 2010 waren 52,1 Prozent aller weiblichen Erwerbstätigen in Teilzeit beschäftigt, 1991 waren es 30,7 Prozent. Bei den Männern betrug die Teilzeitquote im Jahr 1991 17,6 Prozent und ist bis 2010 um 13,7 Prozent angestiegen (Wanger 2011: 2). Die Zahlen beziehen sich auf Gesamtdeutschland. In der Altersgruppe der 20 bis 24-Jährigen arbeiten 62 Prozent Frauen und 62,3 Prozent aller Männer. Große Unterschiede gibt es aber in der Altersgruppe der 30 bis 34-Jährigen, hier sind 71,6 Prozent aller Frauen erwerbstätig und 85,5 aller Männer. In der Altersgruppe von 55 bis 59 Jahre sind es 64,6 Prozent aller Frauen und 77,3 Prozent aller Männer (ebd.: 91). Dies bedeutet allerdings auch den Bedeutungsverlust des Reproduktionsbegriffs, der in der feministisch-marxistischen Kritik eine zentrale Rolle spielte. Wie eine Reihe von Kommentatorinnen kritisch einwenden, gerät dadurch u.a. die Funktion der Sorgearbeit für die kapitalistische Organisation 147

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von Arbeit aus dem Blick (Plonz/Haug/Meyer-Siebert et al. 2011). Als Queer-Familien werden häufig Gemeinschaften bezeichnet, die sich aus schwulen und lesbischen Paaren zusammensetzen, die gemeinsam Elternschaften realisieren. Hier wird queer im Sinne einiger queer-theoretischer Ansätze weit gefasst und soll nicht über identitäre Zuschreibungen erfolgen. Demzufolge wären Queer-Familien solche, die eindeutige sexuelle Identitätskategorien infrage stellen. Diesen Fragen widmet sich das DFG-Forschungsprojekt Ungleiche Anerkennung? ›Arbeit‹ und ›Liebe‹ im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter an der Humboldt-Universität zu Berlin. Leitung: Prof. Christine Wimbauer. Neben hegemonialen Männlichkeiten unterschied Connell komplizenhafte, untergeordnete und marginalisierte Männlichkeiten. Vielfach wurde Unschärfe an Connells Männlichkeiten-Konzepts konstatiert. So findet etwa keine Unterscheidung zwischen Praxis und kultureller Norm statt (Scholz 2012). Kritik an dieser These formuliert Rau (2010). Jüngste Belege bilden eine Reihe von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, wie etwa in der Gleichstellung bei der Altersvorsorge im öffentlichen Dienst (2009), der Öffnung für das Ehegattensplitting im Steuerrecht (2013) oder dem Beschluss über die Möglichkeit einer Sukzessivadoption (Februar 2013). Für eine Gleichstellung mit der Ehe steht noch das volle Adoptionsrecht aus. Das Potenzial intersektionaler Studien bei diesen Fragen wird etwa in Marc Thielens (2012) Studie über iranische Männer deutlich, die in der Migration an schwul-lesbischen Communities teilhaben. Der Erziehungswissenschaftler berichtet von den großen Irritationen seiner Interviewpartner, dass sie in der deutschen Szene aufgefordert werden, sich innerhalb einer eindeutigen Identitätskategorie zu verorten. Thielen argumentiert, dass schwule Identitäten im öffentlichen Diskurs häufig als weiß vorgestellt werden. Vor diesem Hintergrund zeigt er auf, wie Rassismus auch in intimen Beziehungen bedeutungsvoll wird. Die Lebenslagen der iranischen Queers werden dadurch erschwert, dass sich ihr hohes kulturelles

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Kapital, dass sie im Iran erworben haben, in der Migration als wertlos erweist. In der Migration stehen die nur begrenzten sozio-ökonomischen Ressourcen der Verwirklichung einer schwulen Lebensform schließlich im Weg, da sich hegemoniale Formen schwuler Männlichkeit durch eine hohe Kaufkraft und Konsumfreudigkeit auszeichnen. 19 Neben dem Internet bilden Zeitschriften mit gesellschaftskritischer Ausrichtung zentrale Orte der Wissensproduktion. Häufig sind sie zwischen Wissenschaft, Kunst und Bewegungsaktivismus verortet. Beispiele bildet der Online-Auftritt des Europäischen Instituts für progressive Kulturpolitik http://eipcp.net/ sowie die deutschsprachigen links-politischen Magazine analyse & kritik, arranca, Fantomas, fiberculture, Grundrisse, kulturrisse, mute, republica.net und transversal. 20 Massenintellektualität ist das Ergebnis einer postoperaistischen Lesart des sogenannten Maschinenfragments, das Marx in seinen Grundrissen einführt. Marx formuliert darin die Vision, dass zukünftig zur Produktion notwendige Arbeit marginal und abstraktes Wissen zur grundlegenden Produktivkraft wird. 21 An dieser Stelle soll auf die Elaboration der Rezeption von Hardt und Negri auf Foucaults Überlegungen zur Biopolitik und Biomacht verzichtet werden. Sie stehen aber im Zentrum der Beiträge von Pieper/Atzert/Serhat et al. (2007) und Pieper/Atzert/Karakayali et al. (2011b). 22 Kritisiert werden des Weiteren der Andro- (McRobbie 2010) und Ethnozentrismus (Conrad/Randeria 2002b), der ihren Arbeiten zugrunde liegt, sowie zahlreiche theoretische Inkonsistenzen, die Brieler (2010) zusammenfassend diskutiert. 23 »Der Exodus ist die Gründung einer Republik. Aber diese Idee der ›Republik‹ erfordert den Abschied von der staatlichen Ordnung. Wo Republik ist, kann kein Staat sein. Die politische Handlung des Exodus besteht daher in einem offenen Entzug.« (Ebd.: 50) 24 Ausschnitte vorliegender Überlegungen basieren auf Motakef/ Teschlade/Wimbauer (2014). 25 Siehe auch das Forschungskolleg Postwachstumsgesellschaften, das von Klaus Dörre, Stephan Lessenich und Hartmut Rosa an der Friedrich-Schiller Universität-Jena geleitet wird. 149

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