Predigten und Reden [Zweite wohlfeile Ausgabe. Reprint 2020 ed.] 9783112333945, 9783112333938

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Predigten und Reden [Zweite wohlfeile Ausgabe. Reprint 2020 ed.]
 9783112333945, 9783112333938

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Predigten und Äeden von

D. H. A. KöstLin Geh. Kirchenrat und Professor der Theologie

Zweite wohlfeile Ausgabe

Alfred Töpelmann (Dorrn. I. Ricker'sche Verlagsbuchhandlung)

Gießen 1905

Alle Rechte Vorbehalten

Diese Ausgabe bietet den unveränderten Text der ersten Ausgabe von 1900

Den teuren Freunden im Amte zur Erinnerung an die gemeinsame Arbeit in Friedberg, Darmstadt, Gießen

gewidmet

vom Verfasser.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Vorwort..................................................................................................................... Eingang. Pastorale Geleitsworte.

I. II.

III. IV.

VII

„Wir möchten Jesus sehen." Joh. 12, 20—21.................. Tas Evangelium Jesus' und das Evangelium von Jesus. Matth. 11, 28—30 ....................... .'...................................

6

Das Grundgebot der Liebe. Luk. 10, 29. 36 ...................... Der Schriftgelehrte, zum Himmelreich gelehrt. Matth. 13, 52

8 II

3

V. Glaube und Forschung. Hcbr. 1, 1—3..........................................14 VI. Neujahrsbitte und Ncujahrovorscch.................................................. 17 VII. Priester und Glaube. Ap.-Gesch. 6, 7 .... 20 VIII. Sei wahr! Joh. 18, 37 b............................................................... 23 1. Predigt am Adventsfcst. Matth. 21, 1—9 (Darmstadt 1893) . 29 2. 3.

Predigt am Wcihnachtsfest I. Luk. 2, 15—20 (Darmstadt Predigt am Weihnachtsfest II. Hebr. 2, 14. 15 (Friedberg

1891) 1886)

36 44

4. 5.

Predigt am Karfreitag I. Luk. 23, 46 (Darmstadt 1895) ... Predigt am Karfreitag II. Joh. 19, 17 a (Friedberg 1886) . .

50 57

6. 7.

Predigt am Osterfest. Joh. 11, 25. 26 (Darmstadt Predigt am Himmelfahrtsfest. Ap.-Gesch. 1, 4—11

. .

63 68

8. 9.

Predigt am Pfingstfest. Der Glaube ist Kraft.

Joh. 14, 23—31 (Friedberg 1886) . . Predigt über Nöm. 1, 16 (Gießen 1896)

75 82

10. 11.

Des Glaubens Verheißung. Predigt über Joh. 6,47 (Gießen 1898) Mit Jesus darf man Großes wagen. Predigt über Luk. 5,

88

1—11 (Gießen 1896)................................................................... Gebet Gott, was Gottes ist! Predigt über Matth. 22, 15—22

95

12.

13.

(Gießen 1895)................................................................................... |02 Feierstunden und Leidensstunden. Predigt über 2. Kor. 12, 1—10

14.

Wir wissen.... Predigt über Röm. 8,18—26 (Darmstadt 1895) 117

1895). . (1876) .

(Darmstadt 1895)...........................................................................

109

Joh. 6, 48 (Friedberg 1890) ... 123

15.

Predigt am Erntedankfest.

16. 17.

Predigt am Totenfest. Röm. 8, 38. 39 (Friedberg)..................... 130 Predigt am Reformationsfest. Ps. 116, 10 (Gießen 1896) . . 137

VI ©eite 18.

Predigt ant Jahrcsfest einer Bibelgesellschaft. 2. Tim. 3, 15—17

19.

Predigtbeider50. Jahresfeier des lvürttembergifchen Haupt-Vereins

20.

Festpredigt bei der 50. Hauptversammlung

(Frankfurt a/M. 1885)................................................................... 114

der Gustav-Adolf-Stiftung. Jes. 43, 70 (Stuttgart 1893) . 152 des Evangelischen

Vereins der Gustav - Adolf - (Stiftung zu Berlin. Luc. 10, 38—42. 1897 ........................... 160

21.

Predigt an einem Jahressest der Inneren Mission. Joh. 13, 1.

22.

(Gießen 1887)................................................................................ 169 Predigt zur 25jährigen Jubelfeier einer freiwilligen Sonntags­

23.

Festpredigt am 3. deutsch - evangelischen Kirchengesangvereinstag

24.

(Halle a/S. 1884)........................................................................... 182 Predigt ant Jahresfest des Evang. Protest. Missions-Vereins

25.

(Frankfurt a/9)L 1898).................................................................. Predigt am Missionsfest (Gießen 1899).............................................

schule (Kindergottesdienst).

26.

27.

28. 29.

30.

Luc. 2, 49 (Darmstadt 1891

. 176

189 199

Predigt bei der Trauerfeier für S. K. Hoheit den Großherzog Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein (Darmstadt 1892)

Ps. 39, 2 ......................................................................................... Predigt bei der erstmaligen Feier des Geburtssestes S. K. Hoheit des Großherzogs Ernst Ludlvig (Darmstadt 1892) Ps. 84, 12 Predigt am Nationalfcst. Mark. 7, 31—36 (Gießen 1897) . . Predigt zur Feier der Kaiserproklamation. 2. Cor. 5,17 (Villiers für Marne vor Paris 1871)..................................................... Predigt

bei

der

erstmaligen

Geburtstagsfeier

des

206 212 217

225

Deutschen

Kaisers Wilhelms I. Ps. 21, 2. 3 (Rheims 1871) , ... 233 Rede bei der 25 jährigen (Gedächtnisfeier der Wiederattsrichtung des Deut­ schen Reichs (Gießen 1896).................................................................. 239 Rede bei der Feier des hundertjährigen Geburtstages Kaiser Wilhelms I. (Gießen 1897)..................................... '......................................... 247

Gedächtnisrede auf Philipp Melanchthon zum 400jährigen Geburtstag desselben (Gießen 1897)............................................

256

Vorwort. Das vorliegende

Büchlein

möchte

als Abschiedsgruß

des

nach 18 jähriger Wirksamkeit im Lehr- und Aufsichtsamt in die Stille zurückkehrenden

älteren

Freundes

an

die

jüngeren

an­

gesehen werden.

Daß ich hiezu gerade Predigten gewählt habe, findet darin seine Erklärung und vielleicht auch Entschuldigung, daß cs mir

in den letzten zwei Jahren nicht mehr vergönnt gewesen ist, meiner Pflicht als Prediger nachzukommen, für den Lehrer der praktischen

Theologie eine Entsagung schmerzlichster Art. Den jungen Freunden glaubte ich durch Darbietung einer möglichsten Mannigfaltigkeit auf beschränktem Raume am meisten dienen zu können.

Deshalb habe ich davon abgesehen, einen

vollen Jahrgang von Predigten zusammenzustellen und die Pre­

digt für besondere Gelegenheiten (innere

und

äußere Mission,

Kirchengesangfest, Gustav-Adolfs-Fest, vaterländische Feste u. a.) be­

rücksichtigen zu sollen.

Daß die Predigten nicht Musterpredigten

sein wollen, brauche ich denen, die mich kennen, nicht zu sagen. Der Professor hat es, wenn er zur Gemeinde zu sprechen berufen

war, für seine höchste Aufgabe gehalten, der Gemeinde als Seel­ sorger zu dienen. Die den Schluß bildenden „Reden" möchten als Predigten

im weiteren Sinne gelten, sofern es zwar die Bolksgemeinde, bezw. die akademische Genossenschaft ist, an die sie sich wenden, aber der Theologe, der evangelische Christ, der darin das Wort

nimmt.

Daß ich den beiden „politischen Predigten" von 1896

VIII und 1897 die entsprechenden, aus der geschichtlichen Situation hervorgewachsenen „Feldpredigten" von 1871 habe vorausgehen lassen, geschah im Blick auf die jüngsten unter meinen Freunden.

Ihnen in erster Linie gelten auch die „Pastoralen Geleits­ worte", die den Eingang bilden.

Es sind dies kurze Betrach­

tungen, mit denen ich int Wintersemester 1900/1901, meinem

letzten, die Zusammenkünfte des homilctisch-katechetischcn Seminares

cinleitetc.

In diesen behandelten wir die Stellung der Predigt

zunt Alten Testament.

Dies wolle bei Nr. V und VIII freund­

lich berücksichtigt werden.

Den Verlagshandlnngcn von Nenther und Reichard-Berlin, H. Friedrich-Berlin, Greiner und Pfeiffer-Stuttgart, welche den

Abdruck einzelner bei ihnen früher erschienenen Predigten gestattet haben, sei hicfür herzlicher Dank gesagt.

Gießen, den 1. Mürz 1901.

pastorale Geleitsworte.

I.

mit* möchten Jesus sehen. Loh. 12, 20—24. Lassen Sie mich unsere gemeinsamen Besprechungen, die wir diesmal hier wie im Familienkreise als eine geschlossene Haus­

gemeinde halten werden, mit einem kurzen Begrüßungsworte er­

öffnen, das ich anschließen möchte an die Worte, die wir im Ev. Joh. 12, 20-24 lesen:

„Es waren aber einige Griechen unter denen, die

hinaufgingcn, anzubeten am Fest;

diese nun kamen zu

Philippus, dem von Bethsaida in Galiläa, und baten ihn also: ,Herr, wir möchten den Jesus sehen!' Geht Philippus und sagt es

dem Andreas,

geht

Andreas mit Philippus und sagen cs Jesus. Jesus aber antwortete ihnen: ,Die Stunde ist ge­

kommen,

daß

des

Menschen

Sohn

verherrlicht

werde.

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn das Weizenkorn

nicht in die Erde fällt und abstirbt, bleibt es eben ein Korn.

Wenn es aber abstirbt, bringt es viele Frucht.'"

Jesus ist mit seinen Jüngern zur Feier des Passahfestes

nach Jerusalem hinaufgereist.

Die Entscheidung steht unmittelbar

bevor. Zum ersten Male hat er es geduldet, daß begeisterte Volks­ massen ihn als den Messias mit Hosiannahruf einholten, und

damit sich als den bezeichnet, in dem die Verheißung der Pro­

pheten zur Erfüllung kommen sollte. Mund.

Sein Name war in aller

Er war recht der Mann des Tages, den einen der Gegen­

stand leidenschaftlichen Hasses, der unter allen Umständen weg

1*

4 mußte, jetzt weg mußte nach jenem doppelsinnigen, unbewußt

weissagenden Schlußwort ihres geistlichen Oberhauptes:

besser, daß Ein Mensch sterbe für das Volk,

„Es ist

denn daß das

ganze Volk zu Grunde gehe!" — den andern der Gegenstand

der Sehnsucht, an dem sie mit hochgespannter Erwartung empor­

schauten. Wir verstehen es, daß jene hellenischen Proselyten Jerusalem nicht verlassen wollen, ohne diesen Mann von Angesicht zu An­ gesicht gesehen zu haben, und daß sie sich an den ihnen bekannten

und zugänglichen Vertrauten wenden mit der Bitte: „Herr, wir möchten den Jesus sehen!" —

„Herr, wir möchten den Jesus sehen!" — drückt sich nicht

darin die Stimmung aus, in der wir Theologen von dem theo­ retischen Studium unserer

so

überaus

vielschichtig gewordenen

Wissenschaft an die praktische Arbeit herantreten,

die nun im

homiletischen Seminar, wenn auch erst in schüchternen Versuchen,

beginnen soll?

Wir sind seinerzeit Theologen geworden nicht um der theo­ logischen Gelehrsamkeit willen.

Wir haben uns vielmehr seiner­

zeit entschlossen, uns die theologische Wissenschaft anzueignen, um dadurch in stand gesetzt zu werden, die Menschen zu Jesus zu

führen und mit ihm

bringen.

in eine persönliche Lebensverbindung zu

Das können wir doch nur, wenn wir diesen Jesus selbst

kennen gelernt, wenn wir ihn gesehen haben, gesehen zwar mit

dem Auge des Glaubens, im Umriß, von der Ferne, aber doch

gesehen, wie er ist und wie er gesehen und verstanden sein will. Vielleicht ist es dem einen und andern unter Ihnen beim

Studium mitunter auch so zu Mute gewesen, als wollte ihm die teure Gestalt des Jesus, um deswillen er sich seinerzeit zum

Studium der Theologie hingezogen gefühlt hat, gerade über dem Studium entweichen, als wollte sie ihm in nebelhafte, unerreich­ bare Ferne entschwinden über allen den Fragen der kritischen Forschung,

über

allen

den Versuchen

der Formulierung

und

Organisation, worin die Menschen im Laufe der Geschichte sich

bemüht haben, das, was ihnen an Ihm das Wichtigste war, festzuhalten und in bleibende Gestalt zu bringen.

5 Deshalb thut es jetzt, da wir an die praktische Arbeit heran­ treten, bei welcher es sich darum handelt, das, was uns geworden

ist, weiterzugeben, das,

was wir erkannt haben, auszuwerten,

dringend not, uns recht kräftig und nachdrücklich zum Bewußtsein

zu bringen, daß den Leitstern aller Theologie, auch der kritischen,

ja gerade der kritischen, das Wort bildet:

„Herr, wir möchten

den Jesus sehen!" Denn sie will mit ihrer mühsamen Arbeit ganz

gewiß nicht von ihm ab, sondern näher zu ihm hin führen, ihn selbst uns zeigen und schauen lassen hinter allen den menschlichen

Systemen und Theologumenen, die seine Herrlichkeit wie die Säulen­

gänge eines Tempels umschließen und sehr ost, zuinal für Augen, die gehalten sind, verschließen und verdecken.

Auch die praktischen, sowohl die homiletischen wie die kate-

chctischen Übungen sind nicht um ihrer selbst willen da, sie wollen nur die Mittel an die Hand geben, um das eigene, persönliche Zeugnis von Jesus so zu gestalten, daß es sich homogen an das

Wort Jesus' anfügt, als sein Evangelium, als sein Wort, als dessen Weitergabe ausweist.

Sie haben ihren Wert nicht darin,

daß sie Fertigkeiten sind, sie haben nur Wert in der Hand dessen,

der den Jesus gesehen hat und sein Wort im Geiste trügt.

Was nun Jesus, übermannt von der Bedeutung der Stunde, zu den Jüngern sprach von dem Weizenkorn, das in die Erde

fallen und absterben muß, daß es viele Frucht bringe, das zu erschöpfen fehlt jetzt, bei dieser Gelegenheit, die Zeit.

Von der

Seite aber mag es uns auch jetzt bedeutsam sein, daß es uns erkennen läßt: was Jesus ist und der Menschheit bedeutet, kann

nur er selbst uns erschließen.

Denn was er dort von der Not­

wendigkeit seines Todes zur Erfüllung seiner Mission sagt, das war auch den vertrautesten Jüngern noch verborgen.

Die ver­

trautesten Jünger, geschweige wir Professoren, können Ihnen den Jesus nur zeigen.

Um ihn zu „sehen", müssen Sie ihm selbst

ins Auge schauen. Deshalb gilt Ihnen jetzt, da Sie auf Ihre Berufsarbeit

hinausblicken, mehr noch, als bisher, der Rat: kein Tag ohne

Aufblick zu ihm, kein Tag ohne Umgang mit seinem Wort. Wir wollen mit ihm reden, auch wenn wir ihn zeitweise nicht

6 sehen, an sein Wort uns halten, auch wenn es vielleicht vorerst wenige Worte sind, die wir als wirklich von ihm gesprochen gelten lassen.

Er lebt nicht bloß in den von ihm wirklich gesprochenen

Worten, sondern auch in den Wirkungen, die von ihm ausgehen.

Wer in dem wenigen, das sich ihm während der Universitätsjahre als „echt" und probehaltig erwiesen hat, treu ist, mit den un­

bestrittenen Jesusworten Ernst macht bei sich selbst, der wird

es erfahren: wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe. —

II.

Dao Evangelium Jesus’ und das Evangelium von Jesus. Matth. 11, 28—30. Unsere Stelle ist das Evangelium Jesus' von sich selbst.

Aus ihr erhellt, daß und warum in das Evangelium Jesus' das Evangelium von und über Jesus, in die Frohbotschaft, die Jesus

der Welt zu bringen hat, die Frohbotschaft, die sich auf seine

Person bezieht, notwendigerweise hineingehört, die Verkündigung

des Jesus von der Verkündigung über Jesus schlechthin nicht zu trennen ist.

Gewiß ist das, was Jesus uns sagt, an sich schon etwas

Großes, Gutes.

Seine Verkündigung — denken wir nur an die

Worte der Bergpredigt, an die Gleichnisse! — leuchtet durch sich selbst ein und rechtfertigt sich durch sich selbst vor dem unbe­

stochenen Wahrheits- und Rechtssinn, dem theoretischen und prak­ tischen Gewissen.

Aber die Kraft der Nötigung erhält diese Ver­

kündigung doch erst durch die Persönlichkeit, die hinter den Worten steht.

Zwingende Kraft erhält die Botschaft des Herrn erst durch

seine Botschaft über sich selbst. Jene Botschaft ist eine Frohbotschaft,

ist Evangelium durch ihren Inhalt, durch das, was sie uns in Aussicht stellt.

Aber verbürgt ist dieser Inhalt durch das, was

der Redende von sich selbst aussagt: „Niemand kennet den Sohn,

7 denn nur der Vater, und niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn,

und

wem es

der Sohn will offenbaren".

Diese

Worte lassen uns einen tiefen Blick in das Geheimnis seiner Persönlichkeit thun, sie lassen uns den verborgenen Untergrund und Hintergrund seines Bewußtseins ahnen.

So kann auch der

größte und frömmste Mensch nicht von sich reden. diese

Aber was

wunderbaren Worte zum Evangelium stempelt, zu

einer

Frohbotschaft für uns macht, das ist das helle Licht, in welches

sie die Botschaft, die er uns zu bringen hat, rücken, das Gewicht, welches sie dieser verleihen, indem sie diese Botschaft aus dem

Bereich einer bloß menschlichen Meinung, über die sich doch immer noch diskutieren läßt, zum Rang einer unmittelbaren Offenbarung

Gottes erheben.

Was diese Botschaft Jesus' von ihm selbst für

uns zum Evangelium macht, das ist also nicht ihr dogmatischer Wert, so sehr dieser zu betonen ist, sondern ihr religiöser Wert, ihre Bedeutung für das Gewicht, den Nachdruck, die Tragweite, die sie seiner Hcilandsverkündigung verleiht.

Wer das von sich

sagen kann, was Jesus hier von sich sagt, der muß Ernst ge­ nommen werden, dem darf man zutrauen, daß das, was er ver­

spricht, nicht haltlose Redensart, nicht ein menschliches Programm ist, über dessen Durchführbarkeit man streiten kann, sondern An­

kündigung dessen, was er wirklich bieten kann, wirklich leistet und durchführt. „Ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen!"

Es ist der

höchste und letzte Wunsch der Menschenseele, dem Jesus damit

Erfüllung zusagt.

Denken Sie an Augustins Wort: „cor nostrum

inquietum est, donec requiescat in te!“

Für den künftigen

Seelsorger hat er ganz besonderes Gewicht. Wer andern ein Führer,

ein Ratgeber, ein Halt, eine Zuflucht sein will, der muß selbst jene Ruhe der Seele in sich tragen, die von Jesus ausströmt,

die seine Lebensworte atmen.

Wem wird sie?

„Nehmet auf euch

mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von

Herzen demütig.

So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen."

Sein Joch auf sich nehmen heißt: sich als sein Jünger willig in

seine Führung begeben, sich von ihm weisen lassen; nicht bloß sich von ihm passiv lenken lassen, sondern von ihm lernen, d. h. nicht

8 bloß spielend ihni etwas absehen, sondern mit Anstrengung des

Geistes, des Willens, lernen; lernen, was das Geheimnis seiner überlegenen Ruhe und Seelenstille ist, also lernen die Sanftmut

und herzliche Demut, wie sie aus dem Gethsemanewort spricht: „Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst".

Aus ihr

quillt dies Bewußtsein seliger Geborgenheit in Gott. Sie ist nicht

die unmittelbare Folge seiner Gottes-Sohnschaft, seiner „göttlichen

Natur",

sondem

seines

Kindseins,

seines

Eingehens

auf

die

Sohnesstellung, seines Charakters, etwas Erworbenes (Phil. 2,6), also das an ihm, was wir von ihm lernen können.

Wir wollen das nicht vergessen über dem, was wir über

ihn lernen! —

III.

Das Grundgebot der Liebe. Luk. 10, 29 und 36. Keines ist uns geläufiger.

Fast keine Kandidatenpredigt be­

kommt man zu hören, die es nicht an irgend einer Stelle bringt.

Auch das Gleichnis, an dem es der Herr veranschaulicht, ist eines

der am meisten im Unterricht und in der Predigt verwerteten Stücke.

Wir wollen jetzt nicht darauf eingehen.

Ich möchte Ihre

Aufmerksamkeit jetzt nur einen Augenblick auf die Form der Frage

des Schriftgelehrten und der Gegenfrage Jesus' hinlenken. Die Frage des Schriftgelehrten lautet: „Wer ist denn mein

Nächster?"

Die Antwort auf die in dieser Form gestellte Frage

giebt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter V. 30—35 in aller Vollständigkeit und Deutlichkeit.

Dein Nächster, dem du „die

Barmherzigkeit erzeigen", dem du dich mit deiner Kraft und Gabe zur Verfügung stellen, zu Dienste sein sollst, das ist immer der­ jenige Mensch, der — er sei sonst, wer er wolle — im gegebenen

Falle auf dich angewiesen ist, so daß, wenn du vorübergehst und ihm die Hilfe versagst, deren er bedarf und die du ihm leisten

kannst, du die Verantwortung trägst, wenn er darüber zu Grunde

8 bloß spielend ihni etwas absehen, sondern mit Anstrengung des

Geistes, des Willens, lernen; lernen, was das Geheimnis seiner überlegenen Ruhe und Seelenstille ist, also lernen die Sanftmut

und herzliche Demut, wie sie aus dem Gethsemanewort spricht: „Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst".

Aus ihr

quillt dies Bewußtsein seliger Geborgenheit in Gott. Sie ist nicht

die unmittelbare Folge seiner Gottes-Sohnschaft, seiner „göttlichen

Natur",

sondem

seines

Kindseins,

seines

Eingehens

auf

die

Sohnesstellung, seines Charakters, etwas Erworbenes (Phil. 2,6), also das an ihm, was wir von ihm lernen können.

Wir wollen das nicht vergessen über dem, was wir über

ihn lernen! —

III.

Das Grundgebot der Liebe. Luk. 10, 29 und 36. Keines ist uns geläufiger.

Fast keine Kandidatenpredigt be­

kommt man zu hören, die es nicht an irgend einer Stelle bringt.

Auch das Gleichnis, an dem es der Herr veranschaulicht, ist eines

der am meisten im Unterricht und in der Predigt verwerteten Stücke.

Wir wollen jetzt nicht darauf eingehen.

Ich möchte Ihre

Aufmerksamkeit jetzt nur einen Augenblick auf die Form der Frage

des Schriftgelehrten und der Gegenfrage Jesus' hinlenken. Die Frage des Schriftgelehrten lautet: „Wer ist denn mein

Nächster?"

Die Antwort auf die in dieser Form gestellte Frage

giebt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter V. 30—35 in aller Vollständigkeit und Deutlichkeit.

Dein Nächster, dem du „die

Barmherzigkeit erzeigen", dem du dich mit deiner Kraft und Gabe zur Verfügung stellen, zu Dienste sein sollst, das ist immer der­ jenige Mensch, der — er sei sonst, wer er wolle — im gegebenen

Falle auf dich angewiesen ist, so daß, wenn du vorübergehst und ihm die Hilfe versagst, deren er bedarf und die du ihm leisten

kannst, du die Verantwortung trägst, wenn er darüber zu Grunde

9 Nicht das ist maßgebend, was der unter die Mörder Ge­

geht.

fallene ist, welchem Volke,

welchem Stande, welcher Religion,

welcher kirchlichen oder politischen Richtung und Partei er an­ gehört, ob er in irgend welcher Beziehung zu dir steht und in

welcher, ob er mit dir verwandt ist, ob ein Volks-, Glaubens-, Parteigenosse, sondern ganz allein der Umstand, daß er in Not

ist, daß dich dein Weg mit ihm zusammenführt, daß du der­ jenige bist, der ihm helfen, ihm gerade die Hilfe gewähren kann,

deren er bedarf.

Wer dein Nächster ist, brauchst du im gegebenen

Falle gar nicht erst zu fragen!

Darum höchstens kann es sich

noch handeln, welches die rechte Hilfe sei, mit der ihm auch wirklich

gedient ist.

Darüber nur brauchst du dich zu besinnen, wie du es

angreifen mußt, damit die Hilfe eine wirkliche und nachhaltige sei (beachte V. 35!).

Wie lautet nun aber die abschließende Gegenfrage Jesus'? Sie lautet nicht, wie man nach V. 29 erwarten könnte: „Wein war dieser Unglückliche der Nächste?"

Welcher von den Dreien

war derjenige, der am ersten verpflichtet und berufen war, ihm

beizuspringen?

Die Antwort hätte vielleicht gelautet: zuerst der

Priester, nicht bloß, weil er der erste war, der des Weges kam,

sondern schon um seines Berufes willen, als Priester, der als solcher auch Arzt war; nach dem Priester dann mindestens der

Levit, schon als Volksgenosse und als Diener am Heiligtum, zuletzt jedenfalls der Samariter — was ging den ein Jude an,

der am Wege verkam?

Samariter und Juden waren ja Feinde.

Aber der Herr fragt: „Welcher dünkt dich, der unter diesen dreien der Nächste sei gewesen dem, der unter die Mörder gefallen

war?"

Welcher von den dreien hat — nicht „den unter die Mörder

Gefallenen als seinen Nächsten betrachtet, anerkannt als einen, dem er zur Hilfe verpflichtet sei", sondern — sich als den Nächsten

betrachtet, auf den dieser angewiesen war, rechnen durfte, rechnen mußte?

Welcher unter den dreien hat sich als dessen Nächsten

nicht bloß gefühlt, sondern erwiesen, indem er die Barmherzigkeit an ihm that, ihm die Hilfe leistete, die ihm not that?

Will der Herr durch die Form der Gegenfrage nicht vielleicht

daran erinnern, daß die Fragestellung: wer ist mein Nächster?

10 schon eine solche ist, die uns, als seinen Jüngern, überhaupt nicht ziemt?

„Wer ist mein Nächster?" so ins Blaue hinein fragt

der Christ, der Jesusjünger überhaupt nicht.

„Wem bin ich der Nächste?

Der Christ fragt:

Wer ist der, der meiner, gerade

meiner, gerade des Dienstes, den ich, vielleicht im gegebenen Falle nur ich, leisten kann, bedarf?" So hat der Samariter gefragt.

Er hat im Geiste Jesu,

er hat im Sinne Gottes gefragt, darum auch sofort, ohne Be­

sinnen gehandelt, die Barmherzigkeit gethan. Bedürfen nicht auch wir dieses zarten Winkes?

Muß nicht

auch uns zu allererst die falsche Fragestellung von dem Herrn ver­

wiesen werden?

Fragen nicht auch wir so oft nur: „Wer ist mein

Nächster und hat als solcher ein Recht an mich?"

Und schränken

wir dann nicht unser Interesse, unsere Liebe, unsere Hilfsbereit­

schaft auf den Kreis der uns am nächsten Stehenden ein? auf die

„Erweckten" oder auf die „Liberalen", auf die „Kirchlichen" oder auf die „Gemcinschaftsleutc", auf die, welche unserer Richtung oder Partei angehören?

Schieben wir nicht in unserem Thatendrang

die rechte Fragestellung von uns ab, indem wir hinausgrcifen in die Weite, in die Ferne, den engsten Kreis aber vernachlässigen? auf alle Konferenzen und Versammlungen reisen, die eigene Ge­

meinde, die eigenen Hausgenossen darben lassen (1. Tim. 5, 8!)? Gewiß sind die armen Heiden in der Ferne, die niedergetretencn

Armenier, die Stiefkinder des vierten Standes, die Armen, Ver­

kürzten, Verlorenen „unsere Nächsten", und wessen Herz von der Liebe Jesu berührt ist, der kann es diesen allen nicht verschließen,

der muß cs ihnen aufthun, für sie wirken, wo immer und wie

immer er kann, nach dem Maße seiner Gabe, seiner Kraft, seiner Mittel.

Aber du bist der Nächste zu allererst demjenigen, der von

Gott auf deine Treue angewiesen ist: das ist deine Gemeinde, dein Haus, dein Freund.

Man bildet sich oft ein, man möchte in über­

wallendem Empfinden der Bruderliebe die „Millionen umschlingen, die ganze Welt küssen", damit man leichter an dem vorüberkommt,

den uns Gott vor die Thüre gelegt hat.

Man bildet sich auch

oft ein, man dürfe sich auf dieses oder jenes, was die Situation

einer Gemeinde z. B. in sozialer Hinsicht unbedingt von ihrem

11 Pfarrer fordert, nicht einlassen, weil es der „Dienst" nicht erlaubt,

während die Unterlassung doch den Dienst lähmt, die Kraft des Auch der Priester und der Levit

Wortes unterbindet (Jak. 2,16).

waren auf einem „Dienstgange".

Hinderte sie das an der Er­

füllung der Liebespflicht? Also nicht ins Blaue hinein fragen: „Wer ist denn mein Nächster?" sondern gewissenhaft sich besinnen: wem bin ich mit

meiner Gabe und Kraft der Nächste?

Der Nächste auch im Kreise

der Kommilitonen, der Nächste, auf dessen Hilfe einer vielleicht angewiesen ist, so daß seine ewige Rettung an dem Worte hängt,

das ich sprechen muß, an der That, dem Eingriff, der mir zusteht und von mir erwartet werden kann?

IV.

Der öcbriftgelebrte zum Dimmdreicb gdebrt — alte und neue Theologie. Matth. 13, 52. Der Herr stellt in diesen Worten das Ideal eines Schrift­

gelehrten auf. Dieses ist ihm ein Schriftgelehrter, der zum Himmelreich ge­ schult ist (7pa|i|i.aT£'j; |ia&r(T8üTS’.i; ng ßaatXeia töw oopavow — ein«

geschult auf das Himmelreich —), ein Schriftgelehrter, dem die Schriftgelehrsamkeit nicht Selbstzweck ist, sondern das Mittel zu

einem höheren Zweck, und dem dieser höhere Zweck, zu dessen

Erreichung ihm seine ganze Schriftgelehrsamkeit verhelfen soll, nichts anderes,

nichts geringeres ist,

als das Himmelreich; also ein

Schriftgelehrter, der die Schrift studiert und die Schrift treibt

nicht um der Schrift willen,

sondern

um

des Himmelreiches

willen, damit er vermittelst des Schriftstudiums in stand gesetzt

werde, des Himmelreiches selbst teilhaftig zu werden und andere teilhaftig zu machen.

11 Pfarrer fordert, nicht einlassen, weil es der „Dienst" nicht erlaubt,

während die Unterlassung doch den Dienst lähmt, die Kraft des Auch der Priester und der Levit

Wortes unterbindet (Jak. 2,16).

waren auf einem „Dienstgange".

Hinderte sie das an der Er­

füllung der Liebespflicht? Also nicht ins Blaue hinein fragen: „Wer ist denn mein Nächster?" sondern gewissenhaft sich besinnen: wem bin ich mit

meiner Gabe und Kraft der Nächste?

Der Nächste auch im Kreise

der Kommilitonen, der Nächste, auf dessen Hilfe einer vielleicht angewiesen ist, so daß seine ewige Rettung an dem Worte hängt,

das ich sprechen muß, an der That, dem Eingriff, der mir zusteht und von mir erwartet werden kann?

IV.

Der öcbriftgelebrte zum Dimmdreicb gdebrt — alte und neue Theologie. Matth. 13, 52. Der Herr stellt in diesen Worten das Ideal eines Schrift­

gelehrten auf. Dieses ist ihm ein Schriftgelehrter, der zum Himmelreich ge­ schult ist (7pa|i|i.aT£'j; |ia&r(T8üTS’.i; ng ßaatXeia töw oopavow — ein«

geschult auf das Himmelreich —), ein Schriftgelehrter, dem die Schriftgelehrsamkeit nicht Selbstzweck ist, sondern das Mittel zu

einem höheren Zweck, und dem dieser höhere Zweck, zu dessen

Erreichung ihm seine ganze Schriftgelehrsamkeit verhelfen soll, nichts anderes,

nichts geringeres ist,

als das Himmelreich; also ein

Schriftgelehrter, der die Schrift studiert und die Schrift treibt

nicht um der Schrift willen,

sondern

um

des Himmelreiches

willen, damit er vermittelst des Schriftstudiums in stand gesetzt

werde, des Himmelreiches selbst teilhaftig zu werden und andere teilhaftig zu machen.

12 Schriftgelchrte Theologen sein.

in

diesem

Sinne

wollen

wir

Wir studieren vieles und vielerlei.

evangelische Aber alles,

was wir studieren, zielt zuletzt darauf ab, ein imnler volleres Verständnis der heiligen Schrift zu gewinnen.

ist nicht der letzte Zweck.

Und dieses wieder

Es soll uns das aufgeschlossene Ver­

ständnis der Schrift zur vollen Erkenntnis dessen helfen, der das

Wort Gottes in Person ist.

Wir wollen durch die Schrift dazu

gelangen, Jesus zu sehen, ihm Aug' in Auge gegenüberzutreten,

um uns selbst und durch unser Wort von ihm andere mit ihm in eine dauernde Lebensverbindung zu bringen, uns selbst und

die, die uns hören, selig zu machen, oder, was dasselbe ist, ins Himmelreich zu führen.

Wir wollen Schriftgelehrte sein, die zum

Himmelreich, auf das Himmelreich eingeschult sind.

Was

kennzeichnet

zum Himmelreich

solche?

geschult,

ist

„Ein jeglicher Schriftgelehrter,

gleich einem Hausherrn,

einem

Gutsherrn, der aus seiner Vorratskammer holt Neues und Altes",

der als umsichtiger und weitsichtiger Gutsherr darauf hält, daß der Vorrat nach Qualität und Quantität für alle Fälle vorhalte,

der, wenn er für die Bedürfnisse des Haushaltes vom Vorrat abgiebt, immer Neues und Altes von der vorjährigen und von der

diesjährigen Frucht zugleich miteinander abgiebt, der mit der vor­ jährigen Ernte nicht alsbald räumt, wenn die diesjährige eingebracht ist, sondern den Vorrat streckt, damit die alte nicht zu Ende gehe

und es ihm nicht daran fehle, wenn die neue ausgeht und sich nicht halten sollte,

und der auch die neue Ernte nicht sofort

im Haushalt aufbrauchen läßt, damit er, wenn die vorjährige Ernte zu Ende gegangen ist und etwa ein Fehljahr eintreten sollte,

bis dahin alte, abgelagerte, getrocknete Frucht habe, die ihm die bis dahin ausgegangene vorjährige ersetze.

Zweierlei kennzeichnet also den Schriftgelehrten zum Himmel­ reich geschult:

1. daß er stets über einen Schatz, über eine wohlgefüllte Vorratskammer verfüge; 2. daß er bei der Ausgabe das neue, frisch eingebrachte

Korn mit dem alten, vorjährigen vermische; oder, wenn wir das Gleichnis nun auf uns anwenden:

13 1. daß er ein Eigenes, das ihm gewachsen ist, das er

sich erworben hat, das ihm zugehört, besitze; und 2. daß er diesen seinen Schatz, aus dem er den Haus­

halt seiner Gemeinde zu speisen hat, brauchbar und frisch erhalte dadurch, daß er „Altes" und „Neues" miteinander verbindet.

Wer andere zu Jesus bringen, in das Himmelreich weisen will, muß etwas haben, das sein Eigentum ist. Es genügt nicht, daß wir Fremdes, Erborgtes, Angelerntes, Überliefertes einfach

weitergebcn, daß wir nachreden, was andere vor uns gesagt und

meist viel besser und mit mehr Berechtigung — weil aus ihrer

Zeit und für ihre Zeit — gesagt haben.

Wert hat nur, was

von unserem Eigenen geht, wirken kann nur, was aus der Tiefe

persönlichen Erlebens kommt.

Nicht die schönen, wohlgesetztcn

Worte, soviel sie für die augenblickliche Wirkung ausmachen, auch

nicht die Schärfe der Gedanken und der Gedankenordnung, so notwendig sie für das Verständnis des Hörers ist, sondern die Wärme des persönlichen Zeugnisses giebt unserer Verkündigung

die überredende, zwingende Kraft.

das Leben.

Nur am Leben entzündet sich

Ein Schriftgelehrter, zum Himmelreich geschult, wird

nur, wer sich selbst demütig — nicht unter den Machtspruch der kirchlichen Tradition oder der theologischen Schule, sondern —

unter das richtende und beseligende Wort Gottes, unter das Evangelium stellt, sich selbst von ihm weisen läßt.

Wir müssen

die Schrift wissenschaftlich studieren, um an das Wort Gottes, an

das Evangelium möglichst nahe heranzukommen.

Aber was wirkt,

was die Gewissen trifft, die Herzen erquickt, das ist nicht die theo­

retische Erkenntnis, sondern das durch unsere persönliche Erfahrung

hindurchgegangene, zum persönlichen Erlebnis gewordene Wort

Gottes.

Ein einziges Korn davon wirkt mehr und hat mehr

Kraft, als ein Scheffel voll logischer Gründe.

Diese sind wahrlich

nicht zu verachten, aber sie müssen im Dienste des Zeugnisses stehen.

Deshalb gilt es, bei der Verkündigung das Alte immer mit dem Neuen zu verbinden.

An sich gehört der Gegensatz des Alten und Neuen zur Aus­

stattung des Gleichnisses.

Wir haben kein Recht, ihn mit den

14 Kirchenvätern auf den Gegensatz des alten und neuen Testaments

zu beziehen, überhaupt ihn auszudeuten.

Der Herr will mit dem

Gleichnis sein eigenes Verfahren illustrieren, wie er es in den Gleichnisreden geübt und an den Jüngern erprobt hat, das Neue,

noch nicht Bekannte anzuknüpfen an das Alte, Bekannte, Vertraute. Für uns ergäbe sich daraus die Anwendung: 1. Erhalte das Alte frisch, gieb ihm den Reiz des Neuen

dadurch, daß du es jedesmal in die Erfahrungswelt vor allem

deines eigenen Herzens und Lebens hereinstellst, durch dich hin­ durchgehen lässest.

So wird es dir selbst und der Gemeinde

immer wieder neu, auch wenn sie es hundertmal gehört hat.

Es

gewinnt neue Seiten, neues Interesse. 2. Sichere dem Neuen, das dir eben erst aufgegangen ist und

sich erschlossen hat, die Kraft, den Wert des Alten, Erprobten da­ durch, daß du es mit diesem zusammenhältst und verknüpfst, an

ihm zu erweisen suchst als seine echte Fortbildung,

natürliche Frucht, als seine notwendige Folgerung.

als seine

So wird das

Neue, das auf den ersten Blick vielleicht befremdet, überrascht, sich als ein Stück des guten Alten ausweisen und der Gemeinde ein

liebvcrtrautes, wertvolles Besitztum werden. Also: bringe das Alte in dich herein und stelle dein Neues in das Wort Gottes hinein,

unter die

reinigende Zucht des

Evangeliums, so wird das Alte ein ewig Neues und dein Neues

ein ewig Altes, eine Gabe, die sich zu kosten giebt als Gabe dessen, der von sich sagt: „Ich bin das Brot des Lebens" (Joh. 6,35).

V.

Glaube und Forschung. Hedr. 1,1—3.

Glaube ist eine zuversichtliche Voraussetzung — nicht ein für möglich Halten, nicht ein als wahrscheinlich Annehmen, sondern ein als real, als schlechthin wirklich Voraussetzen — von dem, was (zunächst nicht Gegenwart, sondern erst Sache des Hoffens ist)

14 Kirchenvätern auf den Gegensatz des alten und neuen Testaments

zu beziehen, überhaupt ihn auszudeuten.

Der Herr will mit dem

Gleichnis sein eigenes Verfahren illustrieren, wie er es in den Gleichnisreden geübt und an den Jüngern erprobt hat, das Neue,

noch nicht Bekannte anzuknüpfen an das Alte, Bekannte, Vertraute. Für uns ergäbe sich daraus die Anwendung: 1. Erhalte das Alte frisch, gieb ihm den Reiz des Neuen

dadurch, daß du es jedesmal in die Erfahrungswelt vor allem

deines eigenen Herzens und Lebens hereinstellst, durch dich hin­ durchgehen lässest.

So wird es dir selbst und der Gemeinde

immer wieder neu, auch wenn sie es hundertmal gehört hat.

Es

gewinnt neue Seiten, neues Interesse. 2. Sichere dem Neuen, das dir eben erst aufgegangen ist und

sich erschlossen hat, die Kraft, den Wert des Alten, Erprobten da­ durch, daß du es mit diesem zusammenhältst und verknüpfst, an

ihm zu erweisen suchst als seine echte Fortbildung,

natürliche Frucht, als seine notwendige Folgerung.

als seine

So wird das

Neue, das auf den ersten Blick vielleicht befremdet, überrascht, sich als ein Stück des guten Alten ausweisen und der Gemeinde ein

liebvcrtrautes, wertvolles Besitztum werden. Also: bringe das Alte in dich herein und stelle dein Neues in das Wort Gottes hinein,

unter die

reinigende Zucht des

Evangeliums, so wird das Alte ein ewig Neues und dein Neues

ein ewig Altes, eine Gabe, die sich zu kosten giebt als Gabe dessen, der von sich sagt: „Ich bin das Brot des Lebens" (Joh. 6,35).

V.

Glaube und Forschung. Hedr. 1,1—3.

Glaube ist eine zuversichtliche Voraussetzung — nicht ein für möglich Halten, nicht ein als wahrscheinlich Annehmen, sondern ein als real, als schlechthin wirklich Voraussetzen — von dem, was (zunächst nicht Gegenwart, sondern erst Sache des Hoffens ist)

15 gehofft wird, genauer, um den Nerv im Wesen des Glaubens bloßzulegen, das zu fixieren, was den Glauben als solchen aus­ macht, eine innere Gewißheit, ein schlechthiniges Überführtsein von

der Realität dessen, was der Möglichkeit des Sehens entrückt ist (seiner Natur nach). Korrelat des Glaubens ist das auf dem Wege der exakten Beobachtung und Prüfung seiner Natur nach nicht

Erreichbare, dem Bereich der Forschung Entrückte. Gerade weil cs das ist, niemals Gegenstand des exakten Wissens werden kann, ist es Gegenstand und Sache des Glaubens.

Korrelat des Wissens

ist das „Sichtbare" und was Bedingung des in die Erscheinung

Tretens (cpawsabat) ist, also auch dasjenige Unsichtbare, was zwar nicht mit dem Auge gesehen werden kann, was aber mit dem Ver­ stand aus dem Sosein des Sichtbaren mit Notwendigkeit als dessen

Daseins- und Entwickelungsgesetz erschlossen werden muß, zur Sicht­ barkeit gehört, von ihr nicht abzutrcnncn ist.

das Naturgesetz.

Dazu gehört z. B.

Es ist nicht sichtbar, aber es ist Bedingung für

das Sein des Sichtbaren, notwendig mit ihm verbunden, unab­ trennbar

mit

ihm

verbunden,

muß

mit

ihm gedacht werden.

Korrelat des Glaubens ist das Unsichtbare, dessen Realität mit dem Sichtbaren nicht unmittelbar gegeben und gefordert ist, dessen

Annahme nicht der logische Verstand fordert, sondern aus einem Bedürfnis des Gemüts (des voü;?) beruht.

Sache des Glaubens

also ist das, worauf die wissenschaftliche Betrachtung des Sicht­ baren an sich überhaupt nicht oder nicht mit zwingender Not­

wendigkeit führt, der für die Forschung unzugängliche Hinter­ grund der Dinge, die religiöse Deutung des Sichtbaren.

Sie

ist nur demjenigen Bedürfnis, der Religion hat, auf Glauben organisiert ist. nicht abhängig.

Sie ist von den Ergebnissen der exakten Forschung Es kann einer bezüglich der Entwickelungslehre

ebensogut Atheist, Materialist als Christ sein.

Ob er das eine

oder das andere ist, darüber entscheidet nicht die logische Funktion,

sondern die religiöse.

Die Quelle des religiösen Verständnisses

der Dinge, der Deutung derselben für unsere Stellung zu Gott, die Kraft, vermöge deren wir sie sub speeie aeternitatis schauen

und an ihnen das wahrnehmen, was der Sichtbarkeit sich entzieht, die Kraft, vermöge deren wir den Lichtglanz inne werden, der

16 über ihnen von der Berührung durch Gottes Hand liegt, ist der Glaube.

„Auf Grund des Glaubens erhielten die Vorfahren ihr Zeug­ nis (in der Schrift)": was sie erlebt haben, von ihnen bezeugt

wird, was sie selbst bezeugen, beruht auf Glauben ihrerseits, hat

Wert nur für Glauben, findet Verständnis und Interesse nur beim Glauben, und was daran den Glauben interessiert, das ist

eben nicht das Sichtbare daran, der Hergang, die Kette der Er­

eignisse und anderes, sondern der durchscheinende Geist Gottes, Verheißung, Führung, Gnade, Liebe Gottes.

„Kraft Glaubens merken wir, werden wir inne, daß die

aitovsc, d. i. die Welt in ihrer Entwickelung durch Gottes Wort

hergestellt ist, damit nicht aus Erscheinendem das Sichtbare ge­ worden ist. Die Quelle der Überzeugung, daß die Schöpfung Gottes That ist, bildet nicht das auf Einsicht beruhende Wissen, sondern Glaube, ist nicht eine wissenschaftliche, sondern eine reli­ giöse Überzeugung.

Worauf es dieser, dem Glauben, ankommt, das ist, daß die «uövec poliern to5 frsoü hergestellt sind, daß es das Wort, der Wille, der Geist Gottes sei, der in dem Naturgesetz sich bekundet; daß

das Naturgesetz die Funktion des Gottesgeistes, nicht dieses der Anfang sei, sondern das Sprechen Gottes, sein Schöpfer-Gedanke

und Wille.

Zweifellos liegen dem Verfasser von Gen. 1, Iff. wie dem

des Hebräerbriefes Bedenken in betreff des Schöpfungsbcrichtes trotz des Widerspruchs von Gen. 1

mit Gen. 2 völlig ferne.

Zweifel in dieser Hinsicht fallen außerhalb ihres Gesichtskreises.

Der Verfasser will auch keine Aussage über die Schöpfung, über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Schöpfungsberichtes machen.

Er betont nur: kraft Glaubens gewinnen wir Verständnis für die aiüivsq, wie sie sich uns darbieten.

Nur Glaube hat ein Inter­

esse an dem, was dieser Bericht geben will, worauf es ihm an­

kommt. Nur Glaube versteht ihn, weiß ihn zu würdigen, zu werten. Uns sei das ein Wink, im Auge zu behalten, was dem

Glauben an dem Schöpfungsbericht das Wesentliche ist: daß die Welt durch das pfywt iteoi fertig ist, also die Schöpfung als

17 Gottes Werk, als Wirkung seines Wortes, als Ausdruck seines

Geistes.

Gegenstand des Glaubens daran ist nicht das Sichtbare,

der Hergang, der Aufbau, sondern das Unsichtbare, die «ÜToü Sivafiti; zal &ewTr(q, die wir an den Werken wahrnehmen

(vosta^at), das zu Hoffende, das aus der Schöpfung sich entwickelt, ihr göttliches Ziel (1. Kor. 15, 28. 6 &so