Praxisguide App-Marketing: Grundlagen zur Akquise, Aktivierung, Bindung und Monetarisierung von App-Nutzern (German Edition) [1. Aufl. 2023] 3658429801, 9783658429805

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Praxisguide App-Marketing: Grundlagen zur Akquise, Aktivierung, Bindung und Monetarisierung von App-Nutzern (German Edition) [1. Aufl. 2023]
 3658429801, 9783658429805

Table of contents :
Geleitwort Niklas Lewanczik
Geleitwort Carsten Giebe
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Zusammenfassung
Literatur
2 Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren und organisatorische Verortung
Zusammenfassung
2.1 Erfolgsfaktoren von Apps
2.2 Begriffsdefinition „App-Marketing“
2.3 Ziele des App-Marketings
2.4 Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix
2.4.1 Product – Produktpolitik im Kontext des App-Marketings
2.4.2 Price – Preispolitik im Kontext des App-Marketings
2.4.3 Place – Distributionspolitik im Kontext des App-Marketings
2.4.4 Promotion – Kommunikationspolitik im Kontext des App-Marketings
2.5 App-Marketing in der Unternehmensorganisation
2.6 Ausgewählte Trends und Entwicklungen
Literatur
3 Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern
Zusammenfassung
3.1 Ausgewählte Marktdaten
3.2 Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps
3.2.1 Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen
3.2.2 Erlösmodelle im App-Kontext
3.2.3 Externe vs. Inhouse-Entwicklung
3.3 Technologische Grundlagen
3.4 Charakterisierung von Apps
3.5 Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern
3.5.1 Methoden zur Erhebung von Nutzererwartungen
3.5.2 Funktionale Anforderungen
3.5.3 Nicht-funktionale Anforderungen
3.5.4 Methoden zur Nutzer-orientierten App-Entwicklung
3.5.5 Methoden und Instrumente zur Erhebung der Nutzerzufriedenheit
Literatur
4 App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen
Zusammenfassung
4.1 Einführung
4.2 Definition von Zielgruppen
4.3 Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung
4.3.1 Feature-bezogene Vermarktungsansätze
4.3.2 Content-bezogene Vermarktungsansätze
4.3.3 Monetäre Anreize
4.4 Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung
4.4.1 App Store Optimization (ASO)
4.4.2 Bezahlte Werbung im App Store & Play Store
4.4.3 Website/Onsite
4.4.4 E-Mail-Marketing & Newsletter
4.4.5 Social Media & Influencer
4.4.6 Display Advertising
4.4.7 Pre-Installs
4.4.8 Affiliate-Marketing
4.4.9 Search (SEA/Paid)
4.4.10 Direktwerbung/(Print-) Dialogmarketing
4.4.11 Point-of-Sale
4.4.12 TV/Fernsehen
4.4.13 Radio
4.4.14 Pressearbeit/Public Relations
4.5 Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung
4.5.1 Technische Grundlagen des Trackings
4.5.2 Ausgewählte Metriken und KPIs
Literatur
5 App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden
Zusammenfassung
5.1 Einführung
5.2 Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements der App-Nutzer
5.2.1 Hygienefaktoren
5.2.2 Onboarding
5.2.3 Aktueller Content
5.2.4 Personalisierung
5.2.5 Gamification
5.2.6 Soziale Komponenten
5.2.7 Nutzerfeedback
5.2.8 Tracking und Erfolgsmessung
5.3 Kommunikationsbasierte Steigerung des User Engagements durch Push Notifications
5.3.1 Abgrenzung von Push Notifications, In-App Messages & Benachrichtigungscenter
5.3.2 Opt-In, Opt-Out und Opt-Down
5.3.3 Konzeptionelle Überlegungen – Inhalte, Gestaltung & Linkziele
5.3.4 Konzeptionelle Überlegungen – Versandzeitpunkt & Frequenz
5.3.5 Konzeptionelle Überlegungen – Segmentierung & Personalisierung
5.3.6 Konzeptionelle Überlegungen – Location-Based Marketing
5.3.7 Konzeptionelle Überlegungen – Marketing Automation
5.3.8 Optimierung durch A/B-Testing
5.3.9 Tracking und Erfolgsmessung
Literatur
6 Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassung
Stichwortverzeichnis

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Atilla Wohllebe

Praxisguide App-Marketing Grundlagen zur Akquise, Aktivierung, Bindung und Monetarisierung von App-Nutzern

Praxisguide App-Marketing

Atilla Wohllebe

Praxisguide App-Marketing Grundlagen zur Akquise, Aktivierung, Bindung und Monetarisierung von App-Nutzern

Atilla Wohllebe Fachhochschule Wedel Wedel, Deutschland

ISBN 978-3-658-42980-5 ISBN 978-3-658-42981-2  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-42981-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Rolf-Guenther Hobbeling Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.

Geleitwort Niklas Lewanczik

Mobile schafft Freiheit – App-Marketing kann das in Umsatz ummünzen Unsere Nutzungsgewohnheiten im Digitalraum verändern sich fast täglich. In den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts stehen wir vor dem nächsten großen Sprung der Innovationsentwicklung. Das Metaverse mit seinen zahlreichen Potenzialen fasziniert schon jetzt, ehe das Web3 in der Tech-Szene, geschweige denn in der Gesellschaft, wirklich Einfluss genommen hat, Nutzer:innen, Advertiser und Brands zugleich. Der mögliche Schritt ins Metaverse, vielleicht zunächst auch nur in Mixed-Reality-Umgebungen, könnte die logische Fortführung der technischen Befreiung sein, die der vor Jahren – vor allem durch Apple und das erste iPhone – inspirierte Wechsel vom Desktop hin zu Mobile bedeutet hat. Mobile schafft Freiheit: Messaging ist seit vielen Jahren mobil möglich, der Wechsel zu Mobilgeräten bedeutet aber auch, dass wir Werbeanzeigen direkt in Apps erstellen, noch schnell die Newsletter-Kampagne feinjustieren oder an einem digitalen Team Meeting teilnehmen können, selbst wenn wir im Park sitzen (sommers), im Skilift (winters) oder uns womöglich im Transit befinden. Das alles funktioniert dank der Apps, die wir vielfach auf unseren Mobilgeräten installiert haben. Der ganze Alltag bietet Touchpoints zu diversen Apps, sei es bei der Nachrichtenrezeption, der Navigation im Straßenverkehr, Video-Meetings oder Gruppennachrichten, dem Banking, der Reiseplanung, den Social Media Check-ups oder Postings oder einfach im Kontext einer Portion Entertainment, die wir uns gönnen. Da die App-Landschaft das Leben der Menschen bereits umfassend durchdrungen hat, eröffnen sich auch facettenreiche Potenziale des App-Marketings – die im vorliegenden Buch auf unterschiedlichen Ebenen definiert, detailorientiert und praxisbezogen beleuchtet und schließlich zu einer Grundlage für vielfältige moderne Geschäftsmodelle zusammengestellt werden. Dabei bietet das Grundlagenwerk stets eine Rückbesinnung auf zwei korrelierende Leitfragen: 1. Welche Möglichkeiten bietet das App-Marketing in den 2020er-Jahren? 2. Wie können Unternehmen, Marken und Advertiser diese konkret im Sinne der eigenen Geschäftsziele für sich einsetzen?  V

VI

Geleitwort Niklas Lewanczik

Die Frage nach der Relevanz dürfte bei der Mehrheit der Digital-User schon mit einem Blick auf das eigene Mobilgerät beantwortet werden können, lässt sich aber ebenso mit Zahlen untermauern. Über 95 % der Android Apps sind kostenfrei verfügbar, bei iOSApps sind es über 93 %. Da laut einem Report des Mobile-Analytics-Unternehmens App Annie 2021 die Konsument:innen aus 30 untersuchten Mobile-first-Märkten weltweit im Schnitt 4,8 Stunden täglich in Apps zugebracht haben, liegen die Potenziale zur Nutzung des Interesses auf der Hand. Die Ausgaben für In-App-Marketing wachsen Jahr für Jahr beträchtlich, allein 2021 sind laut App Annie pro Minute 320.000 US-Dollar von Konsument:innen in den App Stores investiert worden. Für In-App-Käufe, Abonnements und Co. gaben die Nutzer:innen im Jahr 2021 laut Analyseunternehmen SensorTower 133 Milliarden US-Dollar aus – deutlich mehr als in den Vorjahren. Während unweigerlich viele der Ausgaben auf populäre Mobile Games wie Honor of Kings oder Trend-Apps wie TikTok, YouTube oder Tinder entfallen, sind die Monetarisierungsmöglichkeiten in Apps so vielfältig wie die App-Landschaft selbst. Advertiser können beispielsweise App Install-Kampagnen bei TikTok oder YouTube Shorts schalten, um überhaupt auf ihre Apps aufmerksam zu machen. Brands wiederum haben zum Beispiel dank Metas WhatsApp Business Platform und der im Mai 2022 gelaunchten WhatsApp Business API die Option, Geschäftslösungen im Mobile Marketing direkt über die weltweit so populäre App zu entwickeln. Aber auch in der eigenen App sind Branding- und Monetarisierungsansätze vielversprechend. Denn zur Finanzierung einer kostenlosen App können verschiedene Werbeformate – vom Interstitial bis zur Native Ad (beliebt auch mit Reward Incentives) – integriert werden, um einen höheren durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer:in (ARPU) zu erzielen und auf In-App-Käufe zu verweisen. In-App-Marketing bietet darüber hinaus die Chance, dank der Angaben der User ein granulares Targeting umzusetzen, das als Grundlage für hohe Click-Through-Rates dienen kann – die wiederum ein wichtiges Ziel der meisten Kampagnen darstellen. Und: Im Bereich Customer-Relationship-Management (CRM) bieten Apps aufgrund ihrer intuitiven Nutzungsoptionen und der oft hohen Verweildauer der Nutzer:innen einen hochwertigen Touchpoint zur dauerhaften Bindung zwischen Unternehmen und potenziellen Kund:innen; den bewährten Push-Nachrichten kann in diesem Kontext eine enorme Bedeutung beigemessen werden, wenn sie richtig eingesetzt werden. Es gibt viele Wege, das Inventar gewinnbringend zu nutzen – wobei auch Möglichkeiten wie ein kostenpflichtiges Abonnementmodell oder Spendenaufrufe zur Monetarisierung genutzt werden können. Apps zahlen also unmittelbar sowie mittelbar auf den Geschäftserfolg ein, können zugleich als Branding-Instrument und Traffic-Magnet, als Creator Hub und attraktives Inventar für Advertiser und letztlich als Kumulationsumfeld von Mobile-Marketing-Potentialen fungieren. Letztere sollten allerdings strategisch in Augenschein genommen werden, denn bei all der Verheißung des In-App-Marketing gibt es auch Stolpersteine zu beachten, nicht zuletzt Apples App Tracking Transparency und Googles Einschränkungen im Bereich App Tracking. Auch das sensible Thema Ad Fraud hat im Mobile-Bereich seit jeher viel Gewicht.

Geleitwort Niklas Lewanczik

VII

Für Entwickler:innen, Big Brands und KMU, Advertiser, Publisher und Co. gilt es zu determinieren, ob der Einsatz von eigenen oder Apps Dritter zum Unternehmenserfolg beitragen kann, welche Art der Monetarisierung und Werbung in diesem Kontext zielführend ist und wie im Rahmen einer langfristig orientierten App-Marketing-Strategie Engagement sowie User-Bindung geschaffen und schließlich ein Brand- oder gar Kaufinteresse und damit mehr Umsatz hervorgerufen werden können. Mit dem vorliegenden Buch kannst du Seite für Seite und Kapitel für Kapitel die Relevanz und das Potenzialspektrum des App-Marketings nachvollziehen. Dich erwarten handfeste Grundlagen wie die Erfolgsfaktoren von Apps, die Festschreibung von Zielen im App-Marketing sowie Überlegungen zur Verortung des App-Marketings in der Organisationsstruktur. Du lernst, wie du Nutzer:innen aktivierst, dein Brand Image stärkst, dein Inventar sowie deine Inhalte monetarisierst und vieles mehr – in deiner eigenen App, in Dritt-Apps oder mithilfe weltbekannter Applikationen, jeweils im Kontext von iOS und Android. Faktenbasiert und mit spezifischem Know-how angereichert, bietet das vorliegende Buch die solide Basis für jedwede App-Marketing-Entscheidung, die du zu treffen gedenkst. Das Marketing mithilfe von und in Apps bietet so reichhaltige Möglichkeiten und Verzweigungen, dass dieser ratgebende Guide immer wieder behilflich sein wird – im Vorwege der Entscheidung, im Entscheidungsprozess und in der Analyse. Denn Mobile schafft Freiheit; aber im Business-Kontext lässt sie sich nur mit dem relevanten Wissen und Know-how für nachhaltige Erfolge nutzen. Wir alle tragen unsere Mobilgeräte tagtäglich mit uns herum, fast überallhin, und bilden mit den zahlreichen Apps darauf den kumulierten Super-Touchpoint für eine der wichtigsten Werbedisziplinen unserer Zeit. Niklas Lewanczik Redaktionsleiter, OnlineMarketing.de

Geleitwort Carsten Giebe

„Digital ist besser“ – Tocotronic, Hamburger Indie Rock Band (1995) Lassen Sie uns im Rahmen dieses Geleitwortes einen Abstecher die Bankenwelt nehmen. Aktuell befindet sich der deutsche Bankensektor durch die Digitalisierung vielleicht vor seiner größten Herausforderung. Das Bankwesen wird durch demografische Veränderungen, Niedrigzinsphasen, Aufsicht und Regulierung und vor allem durch den technologischen Fortschritt radikal beeinflusst. Einsparmaßnahmen durch Filialschließungen, Personalabbau und Fusionen einzelner Kreditinstitute sind reale Auswirkungen. Der Wettbewerb findet nicht nur zwischen den Kreditinstituten, sondern längst auch mit neuen Marktteilnehmern, wie z. B. FinTechs, die „Financial Technology“ (technisch innovative Angebote für Bankkunden) anbieten oder GAFA (Google, Amazon, Facebook und Apple), statt. Ein Beispiel für diese neue Art von Wettbewerb ist N26. Das ehemalige FinTech-Start-up N26 hat als Direktbank eine Möglichkeit der Kontoführung im Angebot, welche sich komplett via App eröffnen und verwalten lässt. N26 stellt ihren Kunden per App ein sog. „Real-time-Banking“ zur Verfügung. So sind sämtliche Transaktionen innerhalb von Sekunden in der App sichtbar. Da N26 ihren Kunden eine Debitkarte zur Verfügung stellt, wird Bankkunden der Besitz eines herkömmlichen Girokontos (mit Online-Zugriff über App und Desktop-Version) suggeriert. Abhebungen und Einzahlungen von Bargeld erfolgen in Filialen kooperierender Einzelhändler. N26 stellt die Standardleistungen aktuell kostenfrei zur Verfügung, der Eingriff in den Markt ist massiv. Mittlerweile hat N26 über 9 Millionen Kunden, die – davon ist auszugehen – vorher bei einer traditionellen Bank ein Girokonto gehabt haben dürften. Neben der veränderten Wettbewerbssituation bietet die digitale Transformation Kreditinstituten aber auch Chancen zur Intensivierung ihrer Kundenbeziehungen. Hierbei wird der Einsatz eines Omni-Channel-Konzepts das Bankgeschäft in Deutschland entscheidend beeinflussen. Beim Omni-Channel-Ansatz werden sämtliche vorhandenen Vertriebskanäle systemisch miteinander verbunden, um Bankkunden über alle Kommunikationskanäle proaktiv erreichen zu können. Als heute in Banken etablierte Vertriebskanäle gelten stationäre Geschäftsstellen für eine „Face to Face“-Beratung, Kunden-Service-Center für eine telefonische Beratung, digitale Vertriebseinheiten für eine

IX

X

Geleitwort Carsten Giebe

Videoberatung, Internetfilialen für ein Online-Angebot von Bankdienstleistungen, Briefkommunikation, im Online-Banking integrierte elektronische Postfächer, E-Mails und E-Mail Newsletter, SB-Geräte wie z. B. Geldausgabeautomaten, Kontoauszugdrucker oder multifunktionale SB-Terminals, Social Media Unternehmensauftritte und eben Banking-Apps (auch Mobile Banking genannt). Ein schlüssiges strategisch durchdachtes Omni-Channel-Management wird enorme Auswirkungen auf die Prozesse, die Mitarbeitenden, die Kunden, deren Loyalität und die damit einhergehende Kundenzufriedenheit haben. Bereits vor über 20 Jahren gab es erste Gehversuche im Bereich Mobile Banking. Der Markt offenbart hierbei bankeneigene, aber auch bankenunabhängige Applikationen. Der Leistungsumfang lässt sich beim Mobile-Banking z. B. in (Bank-) Produktangebot, Funktionsumfang, Usability, Sicherheit, aber auch Serviceaspekte bei Anwendungsproblemen oder telefonischen Rückfragen, unterteilen. Die derzeit möglichen Funktionalitäten im Banking sind vielfältig. Durch die PSD2-Schnittstelle wurden dem Wettbewerb in der Bankenbranche reichlich Wasser auf die Mühlen gegossen. Denn somit kann z. B. eine Genossenschaftsbank vom Kunden autorisiert auf die Umsätze einer Fremdbankverbindung (z. B. bei einer Sparkasse) zugreifen und so ihren Kunden rein aus Gründen der Convenience eine komplette Finanzübersicht über alle vorhandenen Konten und Depots ermöglichen. Gleichzeitig erlangt die Hausbank Kenntnis etwaiger Fremdbankprodukte und könnte eigene Kunden so gezielter ansprechen. Als Kern der Nutzung von Banking Apps gilt wahrscheinlich das bequeme Abrufen von Konto- und Kreditkartenumsätzen. Überweisungen sind 24/7 von überall aus über Banking-Apps zu veranlassen. Bankkunden haben auch den Vorteil s.g. Fotoüberweisungen durchführen zu können. Die Kontodaten aus einer Papierüberweisung werden in dem Fall automatisch übernommen. Weitere Funktionalitäten, wie die schnellstmögliche Information über eine erfolgte Zahlung oder den Gehaltseingang via Push-Notification, das Trading von Wertpapieren oder Bezahlfunktionen via Banking App sind etabliert. Auch Aspekte der Kundenbindung finden durch Mehrwert-Services (z. B. Vorteilsprogamme durch Cashbackfunktionen) in eigenen Apps Anwendung. Relevante Inhalte und direkt zugeschnittener Content lassen sich in Banking-Apps als z. B. „App Störer“, als „App-Übersichts-Banner“ oder als „App Logout Banner“, integrieren. Die technologische Weiterentwicklungsgeschwindigkeit ist beachtenswert. Mittlerweile ist z. B. von kurzen und benutzerfreundlichen Ladezyklen bei Banking-Apps auszugehen. Auch in diesem Moment wird sehr wahrscheinlich mit Hochdruck an der Entwicklung von weiteren Features für das Mobile Banking gearbeitet, natürlich unter der Voraussetzung der Customer Centricity. Denn nur das, was die aktuellen Kundenbedarfe trifft, hat die Chance auf einen hohen Nutzungsgrad. Da der Banking & Finance Bereich mit sehr sensiblen Daten umgeht, gilt nach wie vor das Motto „Safety first!“. In der Regel unterliegen Banking-Apps hohen Sicherheitsstandards. Die Autorisierung erfolgt über die bekannten Online-Banking-Zugangsdaten.

Geleitwort Carsten Giebe

XI

Die Übertragung der sensiblen Bankdaten wird in einem sicheren Verfahren durchgeführt, z. B. durch die pushTAN, bei der eine TAN (Transaktionsnummer) in einer weiteren App generiert wird (welche wiederum mit einem eigenen Passwort geschützt wird). Bei der Nutzung von Banking-Apps sind Kunden grundsätzlich zu einem sorgfältigen Umgang verpflichtet, so wird empfohlen das Smartphone zusätzlich durch eine PIN, einen Fingerprint oder eine Gesichtserkennung zu sichern. Bei der Nutzung von Banking-Apps sollten Bankkunden öffentliche Netzwerke (z. B. kostenfreies W-Lan im Gastronomiebereich) meiden, um nicht ausspioniert bzw. manipuliert werden zu können. Neben all den Möglichkeiten, die die Digitalisierung im Bankwesen für den Endkunden mit sich bringt, sollten Bankkunden daher regelmäßig ihre Kontobewegungen prüfen. Dafür bietet sich eine Banking-App an, denn so lässt sich sehr schnell und bequem bemerken, wenn eine Zahlung nicht vom Kunden selbst getätigt worden ist. Der nostalgische Gedanke, dass dafür vor Jahren der Besuch einer Bankfiliale zu den geltenden Öffnungszeiten notwendig war, fühlt sich an wie aus dem vorigen Jahrhundert. Mit Big Data Analytics werden Methoden und Verfahren bezeichnet, mit denen in sehr großen Datenmengen etwaige Strukturen, Zusammenhänge und Muster erkennbar sind. Mithilfe dieser Muster können modellbasierte Prognosen für zukünftige Entwicklungen, wie z. B. ein (Bank-) Produktvorschlag oder eine Kündigungswahrscheinlichkeit, getroffen werden. Die Nutzung von Big Data Analytics findet in der deutschen Bankenwelt bereits statt. Banken besitzen traditionell mehr Kundendaten als andere Branchen, manche Quellen berichten von einem wahren Datenschatz. Dies gilt auch speziell für das Mobile Banking. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger nutzt mittlerweile eine Banking-App. Die Daten aus den Banking-Apps (z. B. etwaige „Log Files“) könnten perspektivisch durch Weiterentwicklung bestehender Methoden im Kontext von Big Data Analytics systematisch genutzt werden. In der Bankenbranche stellt sich die Frage der Vermarktung von Banking-Apps nicht. Wie beim Kauf einer Kreditkarte oder beim Abschluss eines Online-Banking Vertrags wird einer Banking-App ein gewisser Vertrauensvorschuss zuteil. Es gehört zum „Menü“ dazu und die Vorteile sind scheinbar deutlich. Zum Jahresende 2022 gab es z. B. eine Sparkassen-App Useranzahl von ca. 13 Mio. (im Gegensatz dazu 20 Mio. Online-Banking-Nutzer). Aus dem Sparkassenlager selbst ist zu vernehmen, dass allein in den nächsten fünf Jahren die Sparkassen-App Useranzahl von 13 auf 23 Mio. steigen soll. Allein diese Zahlen zeigen, welch riesiges Potenzial in der Nutzung von Banking-Apps steckt und dass diese (Erfolgs-) Welle aus meiner Sicht zwingend gesurft werden sollte. Ich wünsche Ihnen viel Freude, Offenheit und Neugier beim Erkunden dieses Buches sowie Kreativität beim Anwenden und Übertragen der Inhalte auf Ihre eigenen Fragestellungen, Herausforderungen und Rahmenbedingungen. Atilla Wohllebe hat ein durch Struktur und Kompaktheit herausstechendes, umfangreiches Werk geschaffen, bei dem nicht zuletzt die Perspektive der Nutzer Berücksichtigung findet. Aufgrund der

XII

Geleitwort Carsten Giebe

Schnelllebigkeit der Materie sowie der Dynamik in der Entwicklung im App-Marketing, wage ich die Behauptung, dass es womöglich nicht bei der einzigen Auflage dieses Werkes bleiben wird, aber das wird die Zeit zeigen. In diesem Sinne, bleiben Sie digital, Ihr Carsten Giebe Senior Referent Data Analytics (im Bereich Banking & Finance), Systemischer Coach (DBVC) sowie freiberuflicher Lehrbeauftragter für Marketing und Wirtschaftspsychologie an verschiedenen Hochschulen in Berlin

Vorwort

Eine der ersten Apps auf einem Smartphone, an die ich mich erinnern kann, war eine App, die, wenn man das Smartphone schnell genug hin und her bewegte, das Geräusch einer Peitsche abspielte. Die App war nicht mehr als ein Gag und wurde doch immer wieder genutzt, um (mehr oder minder eindrucksvoll) zu demonstrieren, dass Smartphones so viel mehr konnten als einfache Handys – nämlich zum Beispiel Beschleunigung erkennen. Wie weit diese Entwicklung binnen weniger Jahre reichen würde, war damals kaum abzusehen, denn seitdem ist viel passiert. Im Internet surfen, mit Freunden chatten, das berufliche Netzwerk pflegen, Bankgeschäfte erledigen, navigieren, Videos ansehen, Musik und Podcasts anhören, shoppen, fotografieren, Essen bestellen, Pakete verschicken und Briefmarken kaufen, Staubsaugerroboter steuern, die Wettervorhersage checken – kaum etwas geht heute nicht per App und ohne App geht kaum noch was. Längst ist die App-Entwicklung eine ganze Industrie geworden, die sich weltweit professionalisiert. Jeden Tag werden hunderte, wahrscheinlich tausende neue Apps bei Google Play und im Apple App Store veröffentlicht, die um die Aufmerksamkeit vieler Milliarden Menschen weltweit buhlen. Und so braucht, wer heute eine (Peitschen-) App veröffentlicht, auch längst nicht mehr damit zu rechnen, dass sich dieser Gag von selbst verbreitet. App-Publisher sind gefordert, sich bewusst mit dem App-Marketing und damit mit der Frage auseinanderzusetzen, wie neue App-Nutzer gewonnen und aktiviert und bestehende App-Nutzer gebunden und schließlich monetarisiert werden können. Trotz der offensichtlichen Relevanz des App-Marketings für die App Economy ist das App-Marketing noch immer ein diffuses Feld. Geht es lediglich um die Frage, wie neue Nutzer gewonnen werden können – oder erstreckt sich der Begriff auch über die Bindung der Nutzer? Umfasst das App-Marketing auch die App-Entwicklung beziehungsweise wirkt in diese hinein – oder lässt sich das App-Marketing gar auf App Store Optimization (ASO) beschränken? Als eines der ersten deutschsprachigen Bücher überhaupt widmet sich dieses Werk deshalb dediziert dem App-Marketing. Es bietet eine umfassende Einführung in die Disziplin und beansprucht, diese in ihrer gesamten Breite darzustellen. Dozierende und

XIII

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Vorwort

Studierende, insbesondere der Betriebswirtschaft, des Marketings und der Wirtschaftsinformatik, sowie Praktiker, etwa Online-Marketing-Manager oder App-Marketing-Manager aus werbetreibenden Unternehmen und Agenturen sowie Consultants der Digitalberatung erhalten mit diesem Buch nicht nur fundiertes Grundlagenwissen im App-Marketing. Immer wieder erfolgt dabei der Schulterblick in Richtung Wissenschaft, wenn die praxisnahen Schilderungen um aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung ergänzt werden. Der Anspruch an die hohe Praxisrelevanz dieses Buches ergibt sich nicht nur aus den Beispielen aus mehr als achtzig Unternehmen, die in diesem Buch Erwähnung finden und die dabei helfen, die theoretischen Überlegungen in der eigenen Unternehmenspraxis umzusetzen: Bevor ich im Oktober 2022 die Stelle als Professor für E-Commerce und digitale Geschäftsmodelle und Studiengangsleiter der E-Commerce-Studiengänge im Bachelor und Master an der Fachhochschule Wedel bei Hamburg antreten durfte, habe ich gemeinsam mit großartigen Kolleginnen und Kollegen an der hagebau-App und an der OTTO-App arbeiten dürfen. Als Senior App Marketing Manager bei der hagebau connect habe ich an der Transformation der hagebau-App vom Replikat des Online-Shops hin zu einem Cross-Channel-Instrument mitwirken dürfen. Dabei durfte ich das App-Marketing ganzheitlich – von Akquise und Aktivierung über Bindung bis zur Monetarisierung – und auf allen Kanälen – ASO, Website, E-Mail, Social Media, Display, Pre-Install, SEA, TV, Push, In-App Messaging – aufbauen, steuern und verantworten. Bei OTTO hatte ich zuvor als Marketing Manager die werbliche Nutzung von Push Notifications pilotieren und schließlich in der Breite ausrollen dürfen. Vor diesem Hintergrund ist dieses Buch nicht etwa als ein Werk aus Lehre und Forschung zu betrachten. Es ist vielmehr eine strukturiert aufbereitete Sammlung persönlicher Erfahrungen aus der Praxis, angereichert um Erkenntnisse aus der Forschung und praxisnah ergänzt um zahlreiche Beispiele und Hinweise für die eigene Umsetzung. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, all jenen zu danken, die sich an diesem Buch beteiligt haben oder die in diesem Erwähnung finden. Mein besonderer Dank gilt dabei Niklas Lewanczik und Carsten Giebe für die gelungenen Geleitworte, sowie Marian Bucher, Janette Hoefer, Ralf Leister, Dr. Florian Ross und Nina Wolter, die mit ihren Statements im Buch verschiedene Entwicklungen im App-Marketing einordnen. Ferner danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Springer Gabler, die an diesem Buch direkt oder indirekt mitwirken sowie insbesondere meinem Lektor Rolf-Günther Hobbeling. Schließlich danke ich auch meiner Freundin und unseren gemeinsamen Kindern, die in den vergangenen Monaten (und Jahren) so einige meiner Nachtschichten ertragen mussten, während ich an diesem Buch geschrieben habe. Abschließend noch zwei kurze Hinweise: • Das App-Marketing ist ein unfassbar dynamisches Feld, das regulatorisch – auf politischer Ebene wie auch privatwirtschaftlich durch Apple und Google als de-facto Gatekeeper – und technologisch – hier ebenfalls maßgeblich getrieben durch Apple und Google, aber auch durch andere Akteure, wie im weiteren Verlauf des Buches

Vorwort

XV

deutlich werden wird – einem ständigen Wandel unterliegt. Vor diesem Hintergrund ist es kaum möglich, ein „aktuelles“ Buch zu schreiben. Vielmehr kann es nur das Bestreben sein, dass das Buch am Erscheinungstag noch nicht „zu veraltet“ ist. • In meinem Alltag versuche ich stets, mit meiner Sprache möglichst allen Geschlechtern Raum zu geben. In diesem Buch verzichte ich – „zugunsten der Lesbarkeit“, wie man üblicherweise einzuschieben pflegt – auf die Nennung mehrerer Geschlechter und verwende stattdessen das generische Maskulinum. Ich hoffe, dass sich dennoch alle Menschen, egal, welchen Geschlechts, angesprochen fühlen. Gerne möchte ich ferner dazu einladen, für kritische Bemerkungen, inhaltliche Diskussionen oder Fragen nach Rat und Tat mit mir in Kontakt zu treten – zum Beispiel per Mail [email protected] an oder per LinkedIn. Ich freue mich auf Zuschriften! Es grüßt herzlich Hamburg Januar 2024

Atilla Wohllebe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren und organisatorische Verortung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Erfolgsfaktoren von Apps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.2 Begriffsdefinition „App-Marketing“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3 Ziele des App-Marketings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4 Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix. . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.4.1 Product – Produktpolitik im Kontext des App-Marketings. . . . . . 30 2.4.2 Price – Preispolitik im Kontext des App-Marketings. . . . . . . . . . . 33 2.4.3 Place – Distributionspolitik im Kontext des App-Marketings. . . . 39 2.4.4 Promotion – Kommunikationspolitik im Kontext des App-Marketings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.5 App-Marketing in der Unternehmensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.6 Ausgewählte Trends und Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3 Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern. . . 87 3.1 Ausgewählte Marktdaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.2 Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.2.1 Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.2.2 Erlösmodelle im App-Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.2.3 Externe vs. Inhouse-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3.3 Technologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3.4 Charakterisierung von Apps. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.5 Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern. . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3.5.1 Methoden zur Erhebung von Nutzererwartungen . . . . . . . . . . . . . 129 3.5.2 Funktionale Anforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.5.3 Nicht-funktionale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

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Inhaltsverzeichnis

3.5.4 3.5.5

Methoden zur Nutzer-orientierten App-Entwicklung . . . . . . . . . . 141 Methoden und Instrumente zur Erhebung der Nutzerzufriedenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4 App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4.2 Definition von Zielgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.3 Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.3.1 Feature-bezogene Vermarktungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4.3.2 Content-bezogene Vermarktungsansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.3.3 Monetäre Anreize. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4.4 Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.4.1 App Store Optimization (ASO). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4.4.2 Bezahlte Werbung im App Store & Play Store . . . . . . . . . . . . . . . 213 4.4.3 Website/Onsite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.4.4 E-Mail-Marketing & Newsletter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4.4.5 Social Media & Influencer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.4.6 Display Advertising. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4.4.7 Pre-Installs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4.4.8 Affiliate-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4.4.9 Search (SEA/Paid). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4.4.10 Direktwerbung/(Print-) Dialogmarketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.4.11 Point-of-Sale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4.4.12 TV/Fernsehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4.4.13 Radio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4.4.14 Pressearbeit/Public Relations. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4.5 Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung. . . . . . . . . . . . . . . 255 4.5.1 Technische Grundlagen des Trackings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4.5.2 Ausgewählte Metriken und KPIs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 5 App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden. . . . . . . . . 281 5.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5.2 Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements der App-Nutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 5.2.1 Hygienefaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 5.2.2 Onboarding. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.2.3 Aktueller Content. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 5.2.4 Personalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 5.2.5 Gamification. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5.2.6 Soziale Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

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5.2.7 Nutzerfeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 5.2.8 Tracking und Erfolgsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 5.3 Kommunikationsbasierte Steigerung des User Engagements durch Push Notifications . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5.3.1 Abgrenzung von Push Notifications, In-App Messages & Benachrichtigungscenter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5.3.2 Opt-In, Opt-Out und Opt-Down. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 5.3.3 Konzeptionelle Überlegungen – Inhalte, Gestaltung & Linkziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 5.3.4 Konzeptionelle Überlegungen – Versandzeitpunkt & Frequenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5.3.5 Konzeptionelle Überlegungen – Segmentierung & Personalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 5.3.6 Konzeptionelle Überlegungen – Location-Based Marketing. . . . . 330 5.3.7 Konzeptionelle Überlegungen – Marketing Automation. . . . . . . . 338 5.3.8 Optimierung durch A/B-Testing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 5.3.9 Tracking und Erfolgsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 6 Zusammenfassung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Über den Autor

Prof. Dr. Atilla Wohllebe  ist Professor für E-Commerce und Digitale Geschäftsmodelle an der Fachhochschule Wedel und als Studiengangsleiter für die E-Commerce-Studiengänge (B.Sc., M.Sc.) verantwortlich. Vor seiner Tätigkeit an der Hochschule verantwortete er als Senior App Marketing Manager das App-Marketing für die hagebau-App. Seine Schwerpunkte lagen in den Bereichen Marketing Automation und Location-Based Marketing sowie dem Aufbau der notwendigen Systemlandschaften. Zuvor war er als Marketing Manager bei OTTO für den Aufbau neuer Dialogmarketingkanäle verantwortlich. Nach der Pilotierung von WhatsApp baute er die werbliche Nutzung von Push Notifications aus der OTTO-App maßgeblich mit auf. Atilla Wohllebe hat mehrere Bücher und wissenschaftliche Paper veröffentlicht. Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung (DGOF) und der International Association of Online Engineering (IAOE).

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Abb. 1.1 Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7

Abb. 2.8 Abb. 2.9 Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14 Abb. 2.15 Abb. 2.16

Interesse an „App-Marketing“ weltweit bei Google Trends (2021) . . . 3 Produktpolitik als Schnittmenge von App-Marketing und Produktmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Erfolgsfaktoren von Apps: Kombination aus App, Marke und Service-Performance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Dreiklang des App-Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ziele des App-Marketings im App-Marketing-Dreiklang. . . . . . . . . . . 19 Funnel zur Nutzeraktivierung am Beispiel von Instagram. . . . . . . . . . . 22 Mögliche Zielbeziehungen im Überblick. (Angelehnt an Gelbrich et al., 2018, S. 18; eigene Darstellung). . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Product, Price, Place und Promotion – die vier Ps des Marketing-Mix. (Angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Fragestellungen der Produktpolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung). . . . . . . . 31 Fragestellungen der Preispolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung). . . . . . . . 34 Stufen und Methoden der Preisdifferenzierung. (Angelehnt an Wirtz, 2008, S. 206 f.; eigene Darstellung) . . . . . . . . . . 37 Fragestellungen der Distributionspolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung). . . . . . . . 40 Fragestellungen der Kommunikationspolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung). . . . . . . . 45 App-Marketing-relevante Organisationseinheiten am fiktiven Beispiel eines E-Commerce-Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 App-Marketing als Organisationseinheit im Online-Marketing . . . . . . 49 App-Marketing in der Ablauforganisation – App als Werbekanal. . . . . 50 App-Marketing in der Ablauforganisation – App als Anforderer einer übergreifenden Kampagne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

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Abb. 2.17 App-Marketing in der Ablauforganisation – App-Vermarktung durch kanalspezifische Einzelmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Abb. 2.18 App-Marketing als Teil eines gesamtverantwortlichen, cross-funktionalen App-Teams. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abb. 2.19 PESTLE-Analyse zur (externen) Umweltanalyse. (Angelehnt an Hollensen & Opresnik, 2010, S. 61 f.). . . . . . . . . . . . . . 56 Abb. 2.20 Hype Cycle nach Gartner (2021) zur Beurteilung des Reifegrades von Technologien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Abb. 2.21 Umsatz mit Wearables und Fitness-Apps in Deutschland von 2017 bis 2024. (Statista Digital Market Outlook, 2020). . . . . . . . . 62 Abb. 2.22 Einstellung von Konsumenten zur Nutzung verschiedener eHealth-Apps. (Bitkom Research, 2020). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Abb. 2.23 Verschiedene Realitätsbegriffe im Überblick. (Modifiziert entnommen aus Wohllebe & Wolter, 2021, S. 21; basierend auf Milgram et al., 1995). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Abb. 2.24 Dreiklang der Nachhaltigkeit. (Basierend auf Bartol & Herkommer, 2004). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Abb. 3.1 Marktanteile von Smartphone-Betriebssystemen weltweit von 2010 bis 2020 und Prognose bis 2025. (IDC & Gartner, 2021). . . 89 Abb. 3.2 Smartphone-Absatz ausgewählter Hersteller von 2007 bis 2021. (IDC & Gartner, 2022). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Abb. 3.3 Marktanteile meistverkaufter Smartphone-Modelle in Deutschland im Januar 2022. (Counterpoint Research, 2022). . . . . . . . 91 Abb. 3.4 Umsatz mit Smartphone-Apps in Deutschland von 2008 bis 2020 mit Prognose für 2021. (Bitkom, 2021a). . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 3.5 Umsatz der erfolgreichsten Apps bei Google Play in Deutschland im Januar 2022. (Airnow, 2022a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 3.6 Altersverteilung App-affiner Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Abb. 3.7 Bildungsstand App-affiner Nutzer im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon / ERASON GmbH). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Abb. 3.8 Parteipolitische Präferenzen App-affiner Nutzer im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Abb. 3.9 Präferenzen App-affiner Konsumenten bei der Freizeitgestaltung gegenüber dem Normwert der Population (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Abb. 3.10 Anzahl regelmäßig genutzter Smartphone-Apps. (PAYBACK & Kantar EMNID, 2017). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

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Abb. 3.11 Entwicklung der Anzahl monatlich aktiver Instagram-Nutzer in Deutschland auf iOS. (Airnow, 2022b). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Abb. 3.12 Präferenzen App-affiner Konsumenten für ausgewählte Online-Shops (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ ERASON GmbH). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Abb. 3.13 Entwicklung der weltweiten App-Nutzung nach Kategorien – Q1/2020 und Q1/2019 im Vergleich. (Internet World Business, 2020) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Abb. 3.14 Unterscheidung von Apps nach „Mobile Commerce“ und „Mobile Value Added Service“. (Angelehnt an Hollensen et al., 2019, S. 50 f.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Abb. 3.15 Typologie zur Klassifizierung von Apps nach Relevanz für Gesamt-Geschäftsmodell des Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Abb. 3.16 Transfer des 4 C-Net Business Model in den App-Kontext. . . . . . . . . . 105 Abb. 3.17 Präferenzen besonders App-affiner Konsumenten für ausgewählte App-Kategorien im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Abb. 3.18 Taxonomie zur Unterscheidung von Smartphone-Apps im Einzelhandel. (Basierend auf Wohllebe, 2021) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Abb. 3.19 Technology Acceptance Model (TAM) zur Erklärung von Technologie-Nutzung. (Davis, 1985). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Abb. 3.20 Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) als Erweiterung des TAM. (Venkatesh et al., 2003) . . . . . . . 127 Abb. 3.21 Zusammenhang von Mehrwert, Zufriedenheit und Loyalität. (Lam et al., 2004). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abb. 3.22 Zusammenhang von Mehrwert, Zufriedenheit und Loyalität im App-Kontext. (Xu et al., 2015). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abb. 3.23 Kano-Modell zur Unterscheidung von Kundenerwartungen. (Kano et al., 1984). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Abb. 3.24 Kategorisierung von Erwartungen auf Basis funktionaler und dysfunktionaler Fragen. (Basierend auf Sauerwein et al., 1996). . . . . . 132 Abb. 3.25 Zusammenhang von User Story, Use Case und Anforderungen. (Angelehnt an Lahanas, 2013). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Abb. 3.26 Nicht-funktionale Erwartungen an ÖPNV-Apps – Nutzer- und Unternehmenssicht im Vergleich. (Statista & TAF, 2019b). . . . . . . . . . 141 Abb. 3.27 Fünfstufiger Design Thinking-Prozess zur Entwicklung problemgerechter, kundenorientierter Lösungen. (Angelehnt an die Interaction Design Foundation, 2022). . . . . . . . . . . 142 Abb. 3.28 Darstellung des Design Thinking-Prozesses mit sechs Schritten als Double Diamond. (HPI School of Design Thinking, 2021). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

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Abb. 3.29 User-Centered Design Framework. (Übersetzt aus Sattig und Wohllebe (2022), basierend auf DIN EN ISO 9241-210:2020-03). . . . 143 Abb. 3.30 Scrum-Prozess. (Angelehnt an Roock & Wolf, 2016, S. 18). . . . . . . . . 146 Abb. 3.31 Verzerrung des Net Promoter Score (NPS) durch den Einsatz gestalterischer Elemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Abb. 3.32 ServQual-Modell zur Erhebung der wahrgenommenen Service-Qualität. (Angelehnt an Parasuraman et al., 1991). . . . . . . . . . 153 Abb. 4.1 Einfache Darstellung des Customer Lifecycle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Abb. 4.2 Vom Werbemittel bis zur ersten App-Öffnung: Nutzerfluss bei der App-Installation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abb. 4.3 Vom Gesamtmarkt zur Zielgruppen-gerechten Ansprache: STP-Ansatz. (Angelehnt an Hollensen & Opresnik, 2010, S. 137). . . . 169 Abb. 4.4 Merkmale zur Segmentierung und Bestimmung von Zielgruppen. (Angelehnt an Hollensen & Opresnik, 2010, S. 139). . . . 170 Abb. 4.5 Big Five- oder OCEAN-Modell aus der Persönlichkeitspsychologie. (Modifiziert entnommen von Engeln & Harf, 2017). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Abb. 4.6 Big-Five-Modell für besonders App-affine Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abb. 4.7 Bestimmung des akzeptablen Preisbereichs und des optimalen Preispunkts mit Hilfe der Van-Westendorp-Preisanalyse. (van Westendorp, 1976). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Abb. 4.8 Einfluss des Verkaufspreises einer App auf Umsatz, Piraterie, Sichtbarkeit und Bewertungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Abb. 4.9 Einfache Unterscheidung von Owned, Earned und Paid Media-Kanälen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Abb. 4.10 Spannungsfeld von Reichweite und Relevanz: Je genauer das Targeting, desto kleiner Zielgruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Abb. 4.11 Präferenzen App-affiner Konsumenten für ausgewählte Medienkanäle im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH). . . . . . . . . . . . . . . 200 Abb. 4.12 Owned, Paid & Earned Media im Social Media-Kontext. (Angelehnt an Kreutzer, 2021a, S. 418). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Abb. 4.13 Umfrage in Deutschland zum Folgen der Kaufempfehlung von Influencern. (VuMA, 2021b). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Abb. 4.14 Top 10 der beliebtesten deutschsprachigen veganen Influencer bei YouTube nach Abonnenten. (HitchOn, 2022) . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Abb. 4.15 Grundlegende Funktionsweise des Affiliate-Marketings, hier am Beispiel eines Online-Shops. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

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Abb. 4.16 Präferenzen App-affiner Konsumenten für ausgewählte Frauenzeitschriften im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH). . . . . . . . . 252 Abb. 4.17 Grundlegende Funktionsweise des Trackings von App Installs – der Medienbruch im App-Marktplatz als Herausforderung. . . . . . . . . . 256 Abb. 4.18 Möglichkeiten zur Nutzung von Shortlinks in einfacher Form, mit zwischengeschalteter Landingpage, mit Erkennung des Betriebssystems oder mit Tracking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Abb. 4.19 Durchschnittliche CPIs für Gaming-Apps insgesamt und für ausgewählte Genres, weltweit im Zeitraum von März 2022 bis Februar 2021. (Dogtiev, 2022). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Abb. 5.1 Grundsätzliche Aufgabenbereiche des CRM. (Angelehnt an Helmke et al., 2017, S. 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Abb. 5.2 Konzept des Customer Engagement Value. (Angelehnt an Kumar et al., 2010). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Abb. 5.3 User Engagement Value – Übertragung des Customer Engagement Value von Kumar et al. (2010) in den App-Kontext (eigene Darstellung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Abb. 5.4 Stufenmodell zur Nutzeraktivierung, hier am Beispiel einer Dating-App. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Abb. 5.5 Stufenmodell zur Nutzeraktivierung, dargestellt als Conversionfunnel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Abb. 5.6 Beispiel für einen Retention Report (basierend auf Beispieldaten), angelehnt an AppsFlyer (2022). Lesebeispiel: 38 % aller Nutzer, die eine App aufgrund einer FacebookKampagne installiert haben, öffnen die App vier Tage nach der Installation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Abb. 5.7 Beispielhafte Darstellung einer Push Notification auf Android. . . . . . . 312 Abb. 5.8 Wheel of Content mit Fragestellungen für den kundenspezifischen Einsatz von Werbemitteln. (Angelehnt an Helmke et al., 2017, S. 55) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Abb. 5.9 Systembenachrichtigung auf iOS zur Erteilung der Permission zum Erhalt von Push Notifications. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Abb. 5.10 Reifegradmodell zur Bewertung der Personalisierung in der (digitalen) Marketingkommunikation. (Eigene Darstellung; angelehnt an das Reifegradmodell zur Personalisierung im E-Commerce von Schieder & Blaser, 2017). . . . . 325 Abb. 5.11 Werbereaktionsportfolio nach Helmke et al. (2017, S. 57) zur Ableitung normstrategischer Fragestellungen zum Werbemitteleinsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 5.12 Einfluss von Risiko und Vertrauen auf die Bereitschaft zum Teilen von persönlichen Daten und zum tatsächlichen Teilen, einerseits basierend auf bis dahin existierender Forschung (oben) und andererseits auf Basis neuerer Erkenntnisse als sogenanntes Privacy Paradox (unten). (Basierend auf Norberg et al., 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Abb. 5.13 Anfrage einer App zum Standortzugriff: Dauerhaft, einmalig oder gar nicht?. (Schematische Darstellung angelehnt an iOS). . . . . . . 332 Abb. 5.14 A/B-Test einer Push Notification ohne Titel und mit Titel („Jetzt gewinnen!“). (Wohllebe et al., 2021a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Abb. 5.15 Vorschlag für ein Experiment zum Testen des Effekts von Emojis im Titel von Push Notifications. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

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Einleitung

Zusammenfassung

Die Verbreitung des Smartphones und die Etablierung weitgehend offener AppMarktplätze, die es Unternehmen und Entwicklern ermöglichen, eigenständig Apps vor allem für Android und iOS zu veröffentlichen, haben die Grundlage für den Milliarden-schweren App-Markt gelegt. Mit der zunehmenden Professionalisierung der App-Entwicklung braucht es zur erfolgreichen App immer stärker auch ein professionalisiertes App-Marketing. Dieses muss weit über die Vermarktung im Sinne des Generierens von Downloads und der Akquise neuer Nutzer hinausgehen. Vielmehr braucht es ein umfassendes Verständnis über den gesamten Lebenszyklus der AppNutzer hinweg, welches auch die Konzeption und Entwicklung von Features, die Aktivierung der akquirierten Nutzer und deren Bindung sowie die langfristige Monetarisierung einschließt. Als Steve Jobs am 09. Januar 2007 auf der Macworld Conference & Expo in San Francisco das erste iPhone vorstellte, kündigte er nichts Geringeres als die Neuerfindung des Handys an: „Today, Apple is going to reinvent the phone!“ Aus damaliger Sicht mag dieser Satz – jedenfalls für jemanden, der sich nicht zu den Apple-Enthusiasten zählt – eher großspurig und übertrieben gewirkt haben. Mit dem Wissen um den heutigen Stand der Technik dagegen ist der Satz geradezu eine Untertreibung. Längst ist das Smartphone alltäglicher Begleiter der allermeisten Menschen geworden. Rund 63 Mio. Menschen in Deutschland besitzen ein Smartphone. In der Gruppe der 14- bis 49-jährigen liegt der Anteil der Smartphone-Besitzer bei über 95 % (VuMA, 2021). Für die Verbreitung von Smartphones hat das erste iPhone schon allein deshalb den Grundstein gelegt, weil es mehrere Funktionalitäten kombinierte, für die es bis dahin mehrere Geräte benötigte – ein Handy zum Telefonieren, einen MP3-Player, um Musik

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wohllebe, Praxisguide App-Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42981-2_1

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abzuspielen und einen Computer, um (einigermaßen vollwertig) im Internet zu surfen. Bei der Vorstellung des iPhone beschrieb Steve Jobs das so: „Today we’re introducing three revolutionary products […]. The first one is a widescreen iPod with touch controls. The second is a revolutionary mobile phone. And the third is a breakthrough internet communications device. [...] These are not three separate devices. This is one device. And we’re calling it ‚iPhone‘. Today, Apple is going to reinvent the phone!“ (Jobs, 2007)

Heute leisten Smartphones noch deutlich mehr als diese drei Funktionen. Sie sind zum universellen Begleiter im Alltag geworden. Sie verbinden nicht nur Menschen per Telefon und SMS und spielen Musik ab, sondern halten auch für jede erdenkliche Situation eine passende App parat und ermöglichen so den Austausch mit bekannten und unbekannten Menschen in vielfältiger Weise, helfen bei der Suche nach einem passenden Restaurant oder beim Einkaufen, bei der Jobsuche oder bei der Arbeit, beim Lernen oder beim Entspannen, bei der Gesundheit oder bei der Entspannung und in unzähligen weiteren Situationen. Der entscheidende Faktor ist dabei, dass die Anbieter der Handy-Betriebssysteme – vor allem Google und Apple – die Entwicklung und den Betrieb dieser Apps weitestgehend „demokratisiert“ haben. Statt vor allem eigene Apps zu programmieren, stellen die Betriebssystemanbieter eine ganze Infrastruktur bereit, mit der Apps entwickelt, betrieben und vermarktet werden können. In der Folge ist rund um die dazugehörigen App-Marktplätze, also vor allem den Google Play Store und den Apple App Store, ein ganzes App-Ökosystem gewachsen. Im Google Play Store werden mittlerweile rund 3,5°Mio Apps angeboten, im Apple App Store sind es rund 2,2°Mio und selbst im (in der Praxis höchstens nachrangig relevanten) Amazon Appstore werden rund 460.000 Apps angeboten (Appfigures, 2021). Rund ein Drittel aller Apps weltweit wird laut einer 2018 veröffentlichten Erhebung von Unternehmen aus den USA veröffentlicht, rund 16 % kommen aus China und 5,1 % aus Indien. Deutsche Unternehmen liegen mit 2,8 % im weltweiten Vergleich immerhin auf dem sechsten Platz der wichtigsten App-Publisher (Appfigures, 2018). In Deutschland beschäftigen sich mittlerweile wohl deutlich mehr als 300.000 Menschen hauptberuflich mit der App-Entwicklung (faz.net, 2015). Längst werden Apps nicht mehr nur in völlig neuen Geschäftsfeldern und von Start Ups entwickelt: Mit dem Wunsch nach Erweiterung des Produktportfolios, verbesserter Kundenbindung und verbessertem Kundenservice investieren auch etablierte Großkonzerne verstärkt in die Entwicklung von Apps und haben so zur massiven Professionalisierung der App-Entwicklung beigetragen (BITKOM, 2011). Diese großen Bestrebungen im App-Markt spiegeln sich deutlich auch in dessen Größe wider. Im Jahr 2021 sind weltweit rund 123 Mio € und in Deutschland rund 2,9 Mio. € mit dem Verkauf von Apps und InApp-Käufen umgesetzt worden – wobei hier zum Beispiel der über Apps erzielte E-Commerce-Umsatz noch nicht mal enthalten ist (App Annie, 2017; Bitkom, 2021). Auch in den kommenden Jahren ist davon auszugehen, dass die Relevanz von Apps, sowohl für Smartphones als auch Tablets, insbesondere aber für Smartphones, weiter-

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hin zunehmen wird. Neben der weiteren Verlagerung von Software-Anwendungen vom Computer auf das Smartphone wird diese Entwicklung zusätzlich durch die zunehmende Relevanz des Internet of Things und der damit einhergehenden Verbreitung von Smart Devices – von der Smartwatch über vernetzte Hörgeräte und Heizungsthermostate bis hin zum intelligenten Kühlschrank und dem (teil-) autonom fahrenden Auto – befeuert. Eingrenzung und Relevanz des Themas Aus der immer größer werden Anzahl angebotener Apps und der immer weiter steigenden Qualität der Apps – oder einfach ausgedrückt: Mit der Professionalisierung des App-Marktes – müssen sich Unternehmen verstärkt nicht nur mit der Frage auseinandersetzen, welche Erwartungen Nutzer an eine App haben, sondern auch, wie diese App am Markt platziert werden kann. Ein professionelles App-Marketing wird immer mehr zum kritischen Erfolgsfaktor für den tatsächlichen Erfolg einer App am Markt. Entsprechend ist das Interesse am Thema App-Marketing seit der Vorstellung des ersten iPhone kontinuierlich gestiegen und hat seinen bisherigen Höhepunkt im Verlauf der COVID19-Pandemie gefunden (Abb. 1.1). Tatsächlich ist der Begriff des App-Marketings in Theorie und Praxis gleichermaßen bisher jedoch noch nicht einheitlich definiert und beschränkt sich in der Praxis nicht selten auf jene Maßnahmen, mit denen neue App-Nutzer akquiriert werden sollen. Diese Sichtweise ist pragmatisch, entspricht jedoch etwa der Gleichsetzung von „Marketing“ und „Werbung“, also der Reduzierung des Marketings auf einen Teil der Kommunikationspolitik. Das Verständnis von App-Marketing als eine Sammlung von Kampagnen zur Steigerung der Downloadzahlen ist dabei nicht nur aus theoretischer, sondern vor allem auch aus praktischer Sicht in hohem Maße problematisch:

100

Präsentation iPhone 7

90 80 70 60 50 40

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Präsentation Präsentation iPhone 4 iPhone 6 Erstveröffentlichung Android Präsentation Präsentation iPhone X Beginn COVIDdes ersten 19-Pandemie iPhone

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Abb. 1.1   Interesse an „App-Marketing“ weltweit bei Google Trends (2021)

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Welchen betriebswirtschaftlichen Erfolg kann Marketing haben, wenn es sich auf die Werbung beschränkt, jedoch keinen Einfluss auf das Produkt – also die App – hat und nur auf die Akquise von Nutzern abzielt – ohne jedoch auf die Aktivierung und langfristige Bindung der Nutzer hinzuwirken und das Ziel der Monetarisierung zu verfolgen? Deshalb braucht es ein tiefgehendes und umfassendes Verständnis des „App-Marketing“Begriffs. Ziel dieses Buches ist es daher, praxisorientiert, anwendungsbezogen und mit zahlreichen Beispielen, in das App-Marketing einzuführen. Dazu muss das App-Marketing vor dem Hintergrund strategischer und organisatorischer sowie planerischer und operativer Aspekte und im Kontext des gesamten Lebenszyklus eines App-Nutzers – von der Installation über die Nutzung bis hin zur erfolgreichen Monetarisierung – verstanden werden. Auch schließt dies die spezifischen Wechselwirkungen mit der App-Entwicklung, im Sinne des Marketings also mit dem Produkt, ein. Zielgruppe des Buches Entsprechend dem Titel des Buches und der hohen Praxisrelevanz der vermittelten Inhalte richtet sich dieses Buch als bisher vielleicht umfassendstes Buch zum App-Marketing im deutschen Sprachraum vor allem an Praktiker, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem App-Marketing in Gänze oder seinen einzelnen Teildisziplinen betraut sind oder in Zukunft betraut werden sollen. Dies betrifft insbesondere: • App-Marketing-Manager, die ganzheitlich für die Marketing-Aktivitäten einer oder mehrerer Apps verantwortlich sind und die ihr Fachwissen weiter vertiefen wollen oder Ansätze suchen, ihre aktuelle Tätigkeit weiter zu professionalisieren. • Marketing- und insbesondere Online- und Performance-Marketing-Verantwortliche, deren Aufgabe die Vermarktung von Apps ist und die die Spezifika der in diesem Kontext relevanten Kanäle kennenlernen möchten. • CRM-Verantwortliche, die Maßnahmen zur Aktivierung, Bindung und Monetarisierung von App-Nutzern, insbesondere über Marketing-relevante App-Features und über Push Notifications planen, steuern und überwachen. • Produkt- und Projektverantwortliche wie Product Owner oder Program Manager, die die (Weiter-) Entwicklung einer App oder Teile einer App strategisch, technologisch oder konzeptionell verantworten und dabei verstärkt auch Aspekte des Marketings berücksichtigen möchten. Da die in diesem Buch vermittelten Inhalte an vielen Stellen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und entsprechend auf diese auch verwiesen wird, eignet sich das Buch auch für Studierende, Lehrende und Forschende, die sich mit Apps auseinandersetzen und auf der Suche nach einem Nachschlagewerk sind oder praxisorientierte Anknüpfungspunkte zu ihrer akademischen Arbeit suchen.

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Neuartigkeit des Buches Trotz des kontinuierlich und massiv gestiegenen Interesses am App-Marketing steckt dieses in vielerlei Hinsicht noch in den Kinderschuhen. Das mag daran liegen, dass es noch eine sehr junge Disziplin ist. Während in vielen anderen Teildisziplinen des Marketings, egal, ob etwa in Bezug auf Produktkategorien, Serviceleistungen oder Kanäle, gut dokumentierte und in der Praxis etablierte Modelle und Verfahrensweisen als BestPractices herangezogen werden können, ist dies im App-Marketing bisher nicht der Fall. Es ist ein viel grundlegenderes Problem festzustellen: Vielfach wird der Begriff des AppMarketings eng (App-Marketing = (Online-) Marketing-Kampagnen mit dem Ziel, AppDownloads zu generieren) oder sogar sehr eng (App-Marketing = App Store Optimization) aufgefasst. Beide Auffassungen finden sich vielfach auch in der Literatur und in Online-Quellen – teils explizit in Definitionsansätzen, teils implizit aufgrund der auf den Begriff folgenden beschriebenen Tätigkeiten – und werden so der Komplexität der Thematik nicht hinreichend gerecht. Zunächst führt dieses Buch deshalb in die Grundlagen ein. Neben einer kurzen Definition des App-Marketings und der Einbettung im 4P-Marketing-Mix werden insbesondere die Ziele des App-Marketings und mögliche Zielkonflikte innerhalb der Disziplin und mit angrenzenden Disziplinen diskutiert. Die Verortung innerhalb der Unternehmensorganisation und ein Überblick über aktuell relevante Trends und Entwicklungen runden die Grundlagen ab (Kap. 2). Im Kapitel zur Charakterisierung von Apps und zu Erwartungen von Nutzern wird nach einleitender Präsentation ausgewählter Marktdaten zunächst eine betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps, vor allem vor dem Hintergrund der Einordnung im Geschäftsmodell-Kontext, vorgenommen. Anschließend werden grundlegende Technologien im App-Kontext thematisiert. Schwerpunkt des Kapitels bildet die ausführliche Diskussion von Nutzererwartungen und -anforderungen, deren Erhebung sowie die Auswertung der Nutzerzufriedenheit (Kap. 3). Das darauffolgende Kapitel widmet sich vollständig der App-Vermarktung, also der Frage, wie sich neue App-Nutzer gewinnen lassen. Hierzu braucht es neben Überlegungen zur Zielgruppendefinition vor allem inhaltliche Ansätze zur App-Vermarktung. Anschließend werden umfangreich, mit Hinweisen auf Best-Practices und unter Einbeziehung zahlreicher praktischer Beispiele ausgewählte Kanäle der App-Vermarktung vorgestellt (Kap. 4). Das fünfte Kapitel widmet sich Aktivierung und Bindung der akquirierten AppNutzer, wobei neben Ansätzen und Methoden zur In-App-basierter Steigerung des Nutzer-Engagements vor allem die Kommunikation über Push Notifications im Mittelpunkt steht (Kap. 5). Das Buch schließt mit einer kurzen Zusammenfassung samt Ausblick (Kap. 6). Der „Praxisguide App-Marketing“ schafft ein neues, deutlich umfassenderes Verständnis von App-Marketing. Dazu wird das App-Marketing im Sinne des Lebenszyklus eines App-Nutzers nicht nur als die Sammlung aller Maßnahmen zu Beginn des Lebenszyklus, also im Wesentlichen zur Akquise neuer Nutzer verstanden. Stattdessen

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versteht dieses Buch das App-Marketing als Sammlung aller Maßnahmen über den gesamten Lebenszyklus eines App-Nutzers hinweg – von der Akquise über die Aktivierung und Bindung bis schließlich hin zur Monetarisierung. Zusätzlich sind auch zahlreiche Schnittstellen des App-Marketings mit der Unternehmensorganisation inbegriffen – angefangen bei den Zielen des App-Marketings und den Zielkonflikten mit benachbarten Disziplinen, über die Wechselwirkungen zwischen App-Marketing und App-Entwicklung sowie die Einbindung in Aufbau- und Ablauforganisation bis hin zur strategischen Bedeutung von Apps im Kontext unterschiedlich angelegter Geschäfts- und Erlösmodelle. Zahlreiche Beispiele und Hinweise zum praktischen Einsatz machen dieses Buch zu einem Grundlagenwerk für alle, die sich mit dem Marketing für, in und mit Apps, insbesondere auf dem Smartphone, beschäftigen.

Literatur App Annie. (2017). Umsatz mit mobile Apps weltweit in den Jahren 2015 und 2016 sowie eine Prognose für 2017 und 2021 (in Milliarden US-Dollar). Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/550222/umfrage/umsatz-mit-apps-weltweit/ Appfigures. (2018, March). Apps—Verteilung der Veröffentlichungen nach Ländern weltweit 2017. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/880932/umfrage/verteilung-der-app-veroeffentlichungen-nach-laendern-weltweit/ Appfigures. (2021, May). App-Stores: Anzahl der verfügbaren Apps 2021. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/208599/umfrage/anzahl-der-apps-in-den-top-app-stores/ BITKOM. (2011). Aus Entwicklersicht: Was sind die vorrangigen Gründe für Ihr Unternehmen in die Entwicklung mobiler Anwendungen zu investieren? Statista. https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/196892/umfrage/beweggruende-von-unternehmen-fuer-die-entwicklung-von-apps/ Bitkom. (2021, October). Mobile Apps—Umsatz in Deutschland 2021. Statista. https://de.statista. com/statistik/daten/studie/173810/umfrage/umsatz-mit-mobilen-apps-in-deutschland-seit-2009/ faz.net. (2015, February). Anzahl der App-Entwickler—Deutschland, Frankreich und Großbritannien 2015. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/388970/umfrage/app-entwickler-in-deutschland-frankreich-und-grossbritannien/ Google Trends. (2021). App Marketing. Google Trends. https://trends.google.de/trends/explore%3Fdate%3Dall&q%3DApp%20Marketing Jobs, S. (2007, January 9). Presentation of the first iPhone [Macworld Conference & Expo]. https://www.youtube.com/watch%3Fv%3DMnrJzXM7a6o&t%3D47s VuMA. (2021, November). Anzahl der Smartphone-Nutzer in Deutschland. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/198959/umfrage/anzahl-der-smartphonenutzer-in-deutschlandseit-2010/

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Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren und organisatorische Verortung

Zusammenfassung

Zu den Grundlagen des App-Marketings gehört ein umfassendes Begriffsverständnis, welches die Akquise von Nutzern genau wie deren Bindung und Monetarisierung einschließt. Insofern muss das App-Marketing im Marketing-Mix neben Promotion auch Place, Price und insbesondere Product bedienen. Hieraus ergibt sich der Blick auf das App-Marketing als Schnittstellenfunktion zwischen Marketing, CRM und Produktentwicklung, sodass dessen Verankerung im Unternehmen in Aufbau- und Ablauforganisation entsprechende Komplexität mit sich bringt. Die einleitenden Erfolgsfaktoren von Apps und die abschließenden ausgewählten Trends und Entwicklungen wie eGovernment, eHealth, Augmented & Virtual Reality und Gamification und ihr Einfluss auf Apps und das App-Marketing runden das Kapitel ab. Die umfassende Auseinandersetzung mit dem App-Marketing erfordert zunächst die Schaffung eines einheitlichen Verständnisses für den Begriff und für die Komplexität der Einordnung des App-Marketings in die Unternehmensorganisation. Dazu gilt es eingangs, das App-Marketing zu definieren, seine verschiedenen Dimensionen darzustellen und den Begriff von angrenzenden Disziplinen abzugrenzen. Anschließend wird ein Verständnis für die Ziele und auch für die Zielkonflikte innerhalb des App-Marketings und im Lichte angrenzender Disziplinen geschaffen, um die Komplexität der Thematik zu vermitteln. Die darauffolgende Einordnung des App-Marketings im Marketing-Mix diskutiert exemplarisch ausgewählte Fragestellungen der Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik bei der Akquise, Aktivierung, Bindung und Monetarisierung von App-Nutzern. Neben der abschließenden Vorstellung relevanter Trends und Entwicklungen, welche die Entwicklung und das Marketing von, für und mit Apps beeinflussen, werden gängige Optionen zur Eingliederung des App-Marketings in die Auf-

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wohllebe, Praxisguide App-Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42981-2_2

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

bau- und Ablauforganisation von Unternehmen und die sich daraus ergebenden Vorteile und Herausforderungen vorgestellt. Zu Beginn jedoch erfolgt zunächst die Betrachtung der Erfolgsfaktoren von Apps, wie sie in der Literatur immer wieder benannt werden. Dabei wird insbesondere deutlich werden, dass die Erfolgsfaktoren von Apps im Wesentlichen der App selbst innewohnen, sodass das App-Marketing vor allem darauf abzielen muss, an der Schaffung dieser Faktoren mitzuwirken und diese entsprechend zu vermitteln.

2.1 Erfolgsfaktoren von Apps Im Folgenden soll zunächst die Frage nach den Erfolgsfaktoren von Apps beantwortet werden. Diese Frage schafft aus mehreren Gründen die Grundlage für das App-Marketing, wobei an dieser Stelle von einer ausufernden Definition von „Erfolg“ abgesehen wird. Stattdessen liegt der Fokus auf einem allgemein gehaltenen Überblick, warum Nutzer Apps installieren und nutzen. Die Antworten werden im Laufe des Buches immer wieder aufgegriffen und vertieft werden. In der Literatur wurden die Erfolgsfaktoren von Apps bereits häufig diskutiert und lassen sich – relativ generisch – in relativ wenigen Punkten zusammenfassen. Mroz (2016, S. 104) schlägt vor, mögliche USPs aus dem klassischen Marketing wie die technischen Eigenschaften, die Formgebung und den Service für das Feld der Apps zu adaptieren und benennt die Funktionen einer App, ihre Usability und die Qualität und Quantität des Contents beziehungsweise der Daten als zentrale Erfolgsfaktoren. Bei Kamps (2015, S. 63 ff.) finden sich zwölf „Regeln für erfolgreiche Apps“, wobei der Schwerpunkt vor allem auf nicht-funktionalen Anforderungen liegt, wie sie in Abschn. 3.5.3 noch umfassend diskutiert werden. Die folgende Liste fasst die von Kamps benannten Erfolgsfaktoren kurz zusammen: • Geschwindigkeit • Sofortige Nutzbarkeit • Regelmäßige Updates • Wettbewerbsdifferenzierung • Übersichtlichkeit • Offene Schnittstellen (APIs) • Personalisierbarkeit • Auffindbarkeit • Design • Deep Links • Gamification • Datenschutz

2.1  Erfolgsfaktoren von Apps

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Erfolgsfaktoren in der Forschung: Perceived Benefit of Use und Perceived Ease of Use Auch die Forschung beschäftigt sich mit den Erfolgsfaktoren von Apps, wobei den wichtigsten – und offenkundigsten – Anhaltspunkt das Technology Acceptance Model liefert, welches in den 80er-Jahren von Davis (1985) generisch mit Bezug auf „end-user information systems“ entwickelt wurde. Laut Davis lässt sich die Nutzung einer Technologie im Wesentlichen dadurch erklären, dass der Nutzer die Anwendung nützlich („perceived benefit of use“) und deren Nutzung als einfach empfindet („perceived ease of use“). Das ursprüngliche Modell wurde über die Jahre vielfach erweitert und immer wieder auch im Kontext von Apps angewandt, wobei die Ergebnisse das bestehende Modell verifizieren konnten, mitunter aber auch neue Faktoren identifiziert oder bereits bekannte Faktoren noch weiter präzisiert werden konnten, die teilweise auch vom spezifischen Kontext der App abhängen. So wurde das Technology Acceptance Model beispielsweise von Chuchu und Ndoro (2019) angewandt, um von Apps als Lerninstrument im Studium zu erforschen, wobei die Nützlichkeit der Anwendung als wichtigster Erfolgsfaktor identifiziert wurde. Eine Studie zur Nutzung einer Patienten-App in einem Krankenhaus konnte zeigen, dass die App mehr genutzt wird, wenn die Patienten mit der App Zeit bei administrativen Prozessen sparen und wenn die App schnell und reibungslos funktioniert (Al Aufa et al., 2020). Im Fall einer Banking-App war neben der Nützlichkeit und der Einfachheit bei der Nutzung die Frage des Vertrauens der Nutzer in die Technologie – und damit verbunden das wahrgenommene Risiko – zentral für die Frage, ob die Befragten die App nutzen (Muñoz-Leiva et al., 2017). Unabhängig davon, ob sich die Erkenntnisse zu den Erfolgsfaktoren einer BankingApp auch auf andere App-Kategorien übertragen lassen, macht die Literatur insgesamt deutlich, dass im Mittelpunkt die Frage nach den konkreten Funktionalitäten einer App steht. Häufig wird diese Frage im Kontext von Software (im weitesten Sinne) dem Produktmanagement zugeordnet, das darüber entscheidet, welche Funktionen eine Software – hier eine App – ihren Nutzern bieten soll. Da die App im Sinne des App-Marketings als das Produkt zu verstehen ist, ergibt sich aus dem umfassenden Verständnis des App-Marketing-Begriffs, dass die Entscheidung oder jedenfalls die Beeinflussung der Entscheidung über App-Funktionalitäten als Teil der Produktpolitik verstanden werden muss. Die Frage, welche Funktionen eine App bietet und wie diese ausgestaltet sind, ist insofern Schnittmenge von App-Marketing und Produktmanagement (Abb. 2.1). Mit welchen konkreten produktpolitischen Fragestellungen das App-Marketing konfrontiert ist, wird im weiteren Verlauf des Buches diskutiert (Abschn. 2.4). Mehr als Software: Die App im Kontext des Gesamtunternehmens Obgleich die Funktionen einer App – und damit der gebotene Mehrwert – sowie ihre Bedienbarkeit im weitesten Sinne sicherlich in vielen Fällen als wesentliche Erfolgsfaktoren zu charakterisieren sind, ist auch der Gesamtkontext, in dem eine App angeboten wird, von hoher Relevanz für ihren Erfolg. Dies wird vor allem dann deutlich,

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Abb. 2.1   Produktpolitik als Schnittmenge von App-Marketing und Produktmanagement App-Marketing

Produktmanagement

Produktpolitik

Abb. 2.2   Erfolgsfaktoren von Apps: Kombination aus App, Marke und ServicePerformance

ServicePerformance des Unternehmens

Marke des Unternehmens

App-spezifische Eigenschaften

wenn man sich beispielhaft Apps vor Augen führt, die von Unternehmen angeboten werden, deren wesentliche Leistung nicht in der App-Entwicklung besteht, oder die am Markt bei Konsumenten als Marke etabliert sind. Veranschaulicht werden kann dies, wenn man beispielsweise eine TaschenrechnerApp mit der App eines Einzelhändlers oder eines Streaming-Anbieters vergleicht. Im Fall einer Taschenrechner-App, die von einem der breiten Massen unbekannten Unternehmen entwickelt und veröffentlicht wird, wird der Erfolg vor allem – Umweltfaktoren und Wettbewerb außen vorgelassen – davon abhängen, welche Funktionen die App bietet und ob sie eine gute Bedienbarkeit aufweist. Im Fall einer App von einem Streaming-Anbieter, etwa Spotify, ist der Erfolg der Spotify-App einerseits von der App selbst als Technologie-Produkt abhängig. Andererseits aber sind auch die Wechselwirkungen mit dem Angebot von Spotify insgesamt sowie mit der Marke Spotify zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich hinsichtlich der Erfolgsfaktoren einer App eine Kombination aus den App-spezifischen Eigenschaften, der Performance des Unternehmens mit Blick auf die Qualität seiner angebotenen Services und Produkte sowie der Marke des Unternehmens (Abb. 2.2). Diese Kombination stellt eine Erweiterung der bisher gängigen Praxis dar, den Erfolg einer App im Wesentlichen auf ihre technischen Eigenschaften, also die Erfüllung funktionaler und nicht-funktionaler Anforderungen (Abschn. 3.5), zu beschränken und wird auch von der wissenschaftlichen Literatur gestützt.

2.2  Begriffsdefinition „App-Marketing“

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So können Peng et al. (2014) am Beispiel von drei Banking-Apps aus Taiwan zeigen, dass der von den Apps gebotene Mehrwert den größten Einfluss auf die App-Nutzung hat. Gleichzeitig wirken jedoch auch das Brand Attachment – also die emotionale Verbindung des Konsumenten mit der Unternehmensmarke – und die Brand Identification – also das Ausmaß, in dem sich der Konsument mit den Werten und Attributen einer Marke identifizieren kann – signifikant positiv auf die App-Nutzung. Praktisch bedeutet dies, dass der Erfolg einer App auch von der Marke, mit der die App assoziiert ist, abhängt. Mit Blick auf die Produkte und Services eines Unternehmens zeigt eine Studie von Wohllebe et al., (2020a, b), dass die Zufriedenheit von Konsumenten mit einem Einzelhändler signifikant positiven Einfluss darauf hat, ob Konsumenten sich auch vorstellen können, die App dieses Einzelhändlers zu installieren. Die sich daraus ergebende Schlussfolgerung, dass ein zufriedener IKEA-Kunde eher als ein unzufriedener IKEAKunde bereit ist, die IKEA-App zu installieren, scheint dabei trivial, ist jedoch exemplarisch für einen Paradigmenwechsel bei Betrachtung der Erfolgsfaktoren von Apps. Für das App-Marketing ergibt sich aus dem Dreiklang der Erfolgsfaktoren von Apps – App-spezifische Eigenschaften, Unternehmensmarke und Service-Performance – die zu vermarktende App nicht nur als technologisches Produkt zu betrachten, sondern auch vor dem Hintergrund des Gesamtgeschäftsmodells und mit entsprechenden Implikationen für inhaltliche Ansätze bei Akquise, Aktivierung und Bindung von Nutzern.

2.2 Begriffsdefinition „App-Marketing“ Um in das App-Marketing thematisch einsteigen zu können, ist es zunächst notwendig, den Begriff einheitlich zu definieren. Dabei soll es weniger darum gehen, eine akademische Debatte zu verschiedenen Definitionsansätzen zu führen, sondern vielmehr darum, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, welche Dimensionen beziehungsweise Teildisziplinen das App-Marketing einschließt. Im Folgenden wird zunächst zusammengefasst, wie der Begriff in einschlägiger Fachliteratur und in der Praxis verwendet wird. Daraus wird ein Definitionsansatz abgeleitet, dessen Dimensionen im weiteren Verlauf kurz diskutiert werden. Abschließend erfolgt eine Betrachtung der Anknüpfungspunkte zu verwandten Disziplinen samt Abgrenzung von ebendiesen. Die Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit des App-Marketings liefert die Grundlage für die im weiteren Verlauf des Buches aufgeworfenen Fragestellungen etwa zu den Zielen und Zielkonflikten des App-Marketings (Abschn. 2.3) und der Verankerung in der Unternehmensorganisation (Abschn. 2.5). Definitionsansatz auf Basis der Verwendung in Fachliteratur und Praxis Da das App-Marketing rund um Smartphone-Apps frühstens seit dem Aufkommen von Smartphone-Apps, also mit der Einführung des ersten iPhone im Jahr 2007 und dem damit verbundenen Launch des Apple App Store im Jahr 2008, überhaupt existieren kann, verwundert es wenig, dass der Begriff „App-Marketing“ weder eine lange Be-

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

griffshistorie hat, noch bisher überhaupt umfassend diskutiert wurde. In der Regel wird der Begriff vor allem in der Praxis, etwa im Rahmen von Stellenausschreibungen, auf Websites spezialisierter Softwareanbieter oder auf Online-Marketing-Konferenzen, häufig auch in Fachbüchern, seltener jedoch in wissenschaftlichen Aufsätzen verwendet. Mitunter werden auch Begriffe wie „Mobile-Marketing“ oder „Application-Based Marketing“ ähnlich oder synonym verwendet. Eine der frühen deutschsprachigen Publikationen zum App-Marketing ist die Diplomarbeit von Krieg (2012, S. 23, 30 ff.), der das App-Marketing als Instrument der Kundenbindung versteht und damit die Platzierung einer App am Markt meint. Er bezieht sich dabei vor allem auf die Akquisition neuer App-Nutzer. Ähnlich halten es auch Mroz (2016) und Jürgens (2017), wobei letzterer sogar die App Store Optimization (Abschn. 4.4.1) als den Kern des App-Marketings versteht. Die in der Literatur verbreitete Zuspitzung des App-Marketings auf die Akquise neuer App-Nutzer entspricht in weiten Teilen auch dem praktischen Verständnis, wie es auch auf Websites von Ryte (2021), Digital Minds (2020) oder OnlineMarketing.de (2021) stattfindet. Letztere Quelle ist dabei insofern interessant, als dass der Fokus zwar vor allem auf der Akquise neuer Nutzer liegt, jedoch auch die Usability einer App und die Nutzung von Push Notifications als Bestandteile genannt werden. Dieses Verständnis wird in der Literatur auch von Ahrholdt et al., (2019, S. 165 ff.) geteilt, wobei die Autoren von „Application-based Marketing“ sprechen und dieses als „die Werbung innerhalb von Applikationen (Apps) auf mobilen Endgeräten“ bezeichnen, wobei die im Anschluss vorgestellten Kennzahlen auf ein deutlich breiteres Begriffsverständnis hindeuten. Eine umfassende Betrachtung wissenschaftlicher Literatur und praktischer Quellen, welches unter anderem auch die Auswertung von Stellenanzeigen im Bereich App-Marketing auf Google Jobs (2021a), Indeed (2021) und LinkedIn (2021) einschließt, definiert das App-Marketing im engeren und im breiteren Sinne: „App marketing in the narrower sense refers to measures aimed at making a mobile app better known and acquiring users i. e. generating app downloads. […] App marketing in the broader sense refers to all measures that are used to acquire users for a mobile app, contact them, and encourage them to reach a specified goal.“ (Wohllebe & Hillmers, 2021)

Beide Definitionsansätze, sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne, stellen vor allem auf Marketingmaßnahmen im Sinne von Kampagnen und Kommunikation ab. Dabei werden konzeptionelle Überlegungen im Sinne der Ausgestaltung der Funktionalitäten einer App jedenfalls nicht explizit als Teil des App-Marketings verstanden. Dieser Umstand widerspricht aus theoretischer Sicht einem ganzheitlichen Marketingverständnis, wie es der 4P-Marketing-Mix postuliert (Abschn. 2.4). Eine App als Produkt verstehend muss das App-Marketing wie in der Einleitung (Kap. 1) erörtert auch Einfluss auf die Funktionalitäten der App haben. Die Funktionalitäten einer App stellen einerseits die Grundlage der Nutzerakquise dar und sind andererseits zentraler Einflussfaktor für das User-Engagement – und damit Stellschraube für

2.2  Begriffsdefinition „App-Marketing“

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eines der zentralen Ziele des App-Marketings (Abschn. 2.3). Eine ähnliche Auffassung deutet auch Tosic (2015b) an, der das App-Marketing zwar vor allem auf die Akquise von App-Nutzern bezieht, jedoch auch auf die grundlegende Problematik der Entkoppelung von App-Konzeption und App-Vermarktung hinweist: „Viel zu oft wird zunächst die App konzipiert und umgesetzt, bevor es an die Planung der Vermarktung der App geht. Oder, falls die App selbst Marketing-Instrument sein soll, wird erst nach der Programmierung festgestellt, dass die Marketing-Ziele mit der App in der Form gar nicht erreichbar sind.“ (Tosic, 2015b)

Auf Basis der oben genannten Definition von Wohllebe und Hillmers (2021) und die Überlegungen von Tosic (2015b) einbeziehend schlägt dieses Werk deshalb folgende Definition für das App-Marketing vor:  Definition: App-Marketing App-Marketing bezeichnet die zielgerichtete Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, die der Vermarktung einer App oder der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen mit Hilfe einer App dienen und das Ziel der Akquise neuer beziehungsweise der Aktivierung, Bindung und Monetarisierung bestehender App-Nutzer verfolgen. Es umfasst insbesondere alle Instrumente des Marketing-Mix und betrachtet die App ganzheitlich über den gesamten Nutzerlebenszyklus hinweg. Zu beachten ist, dass dieser Definitionsansatz explizit alle Instrumente des MarketingMix einschließt und insofern den Anspruch erhebt, dass das App-Marketing über die Produktpolitik stets auch auf den App-Entwicklungsprozess Einfluss nehmen muss (Abschn. 2.4). Dimensionen des App-Marketings Basierend auf dieser Definition ergeben sich drei Dimensionen beziehungsweise Handlungsfelder des App-Marketings, welche im Folgenden als „Dreiklang des App-Marketings“ bezeichnet werden (Abb. 2.3): 1. App-Entwicklung 2. App-Vermarktung 3. App-CRM Hierbei ist zu beachten, dass alle drei Dimensionen nicht (nur) jeweils für sich allein betrachtet werden können, sondern Schnittmengen aufweisen und insofern Wechselwirkungen bestehen. Tatsächlich ist in der Praxis nicht selten sowohl eine aufbau- als auch mitunter eine ablauforganisatorische Trennung von App-Entwicklung, App-Vermarktung und App-CRM festzustellen. In der Folge ergibt sich beispielsweise der von Tosic (2015b) festgestellte mangelnde Fit von konzeptionellen Überlegungen während der App-Entwicklung und den festgelegten Marketingzielen.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Abb. 2.3   Dreiklang des AppMarketings AppVermarktung

AppEntwicklung

App-CRM

Ebenso ist denkbar, dass eigentlich gute Features nicht aktiv bei der Vermarktung der App aufgegriffen werden (Schnittmenge App-Entwicklung und App-Vermarktung) oder Erkenntnisse aus Nutzerfeedback, etwa auf Basis von App-Bewertungen, nicht hinreichend an die App-Entwicklung gespiegelt werden (Schnittmenge von App-Entwicklung und App-CRM, Abschn. 3.5.5). Auch die mangelnde Aktivierung und Bindung neu akquirierter App-Nutzer (Schnittmenge von App-Vermarktung und App-CRM) gehört zu den in diesem Zusammenhang möglichen Defiziten, welche sich aus einem nicht hinreichend ganzheitlichen Verständnis des App-Marketings ergeben können. Insofern muss das App-Marketing stets ganzheitlich im Sinne des Dreiklangs aus App-Entwicklung, App-Vermarktung und App-CRM und vor dem Hintergrund des gesamten Lebenszyklus der App-Nutzer betrachtet werden. Angrenzende Disziplinen und Abgrenzung Die ganzheitliche Betrachtung des App-Marketings wirft die Frage auf, welche Disziplinen an das App-Marketing angrenzen und wie das App-Marketing von diesen abzugrenzen ist. Die Fragestellung erweckt zunächst den Anschein, eher theoretischer Natur zu sein, ist allerdings sowohl hinsichtlich der Ziele des App-Marketings – vor allem bezüglich möglicher Zielkonflikte mit angrenzenden Disziplinen (Abschn. 2.3) – sowie bei der organisatorischen Verankerung (Abschn. 2.5) von großer Relevanz. Folgende Auflistung benennt einige ausgewählte Disziplinen, die an das App-Marketing angrenzen, schildert Anknüpfungspunkte und Schnittmengen und erörtert die Abgrenzung zum App-Marketing. • Marketing: Im Verhältnis zum App-Marketing ist das Marketing im Allgemeinen als die übergeordnete Disziplin zu verstehen. Das App-Marketing ist also eine Teildisziplin des Marketings, wobei nicht alle Bestandteile des App-Marketings (ausschließlich) dem Marketing zuzuordnen sind. Dies betrifft insbesondere den Aspekt der Produktpolitik, die im Fall des App-Marketings auch und zusätzlich als Teil der IT verstanden werden kann, welche die Entwicklung einer App verantwortet.

2.2  Begriffsdefinition „App-Marketing“

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• Online-Marketing: Das Online-Marketing und das App-Marketing stehen in vielschichtiger Beziehung zueinander. So kann das App-Marketing im Sinne der Nutzung der App als Werbekanal als Teil des Online-Marketings verstanden werden. Auch die App-Vermarktung ist, bezogen auf die App Store Optimization, ein Kanal des Online-Marketings. Zusätzlich ist die App-Vermarktung bei der Nutzung von OnlineMarketing-Kanälen, etwa Display Advertising, Website oder Social Media, auf die Zuarbeit der entsprechenden Kanäle angewiesen und wird dabei vom eigenständigen Werbekanal zum beworbenen Objekt. • CRM: Das Customer-Relationship-Management (CRM) hat insofern Anknüpfungspunkte zum App-Marketing, dass eine App in Gänze beziehungsweise einzelne Features als Instrument der Kundenbindung – und damit als Bestandteil des CRM im engeren Sinne – verstanden werden können. Die Aussteuerung von Push Notifications wird in der Praxis und in diesem Werk als wesentlicher Teil des (operativen) AppCRM verstanden und ist insofern Teildisziplin des CRM. Aus analytischer Sicht sind Fragestellungen etwa nach dem Lifetime-Wert eines App-Nutzers oder die Segmentierung von App-Nutzern ebenfalls Teil des (analytischen) CRM. • E-Mail-Marketing: Obwohl das E-Mail-Marketing zweifelsfrei ein von der App gänzlich losgelöster Marketingkanal ist, finden sich in der Praxis E-Mail-Marketing und Push Notifications mitunter in der gleichen Organisationseinheit wieder und bedienen sich – trotz aller Unterschiede zwischen den beiden Kanälen – deshalb immer wieder auch ähnlicher oder gar gleicher Inhalte. Tatsächlich ist das E-Mail-Marketing dem operativen App-CRM über Push Notifications in einem Punkt sehr ähnlich: In beiden Fällen hat sich der Nutzer – im Rahmen der Registrierung für einen Newsletter beziehungsweise im Rahmen des App-Downloads – mit dem werbetreibenden Unternehmen auseinandergesetzt und sich proaktiv (mit Einschränkungen bei Push Notifications auf Android bis Version 13) für den Erhalt von Werbung entschieden. • Produktmanagement: Das Produktmanagement umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle von Produkten, wobei es sich bei Produkten im IT-Kontext um Software beziehungsweise auf Software basierenden Services handelt. Dabei kann eine Smartphone-App als Produkt angesehen werden, sodass sich das Produktmanagement für diese App insbesondere mit der Frage auseinandersetzt, welche funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen diese erfüllen soll. Das Produktmanagement beinhaltet häufig entweder die Produktentwicklung oder arbeitet jedenfalls sehr eng mit dieser zusammen. Das App-Marketing ist insofern Teil des Produktmanagements, als dass es im Rahmen der Produktpolitik insbesondere Fragen bezüglich des Funktionsumfangs umfasst, also etwa hinsichtlich des Funktionsumfangs oder der Adaption neuer Technologien (Abschn. 2.4). Gerade das Verhältnis des App-Marketings zum Marketing im Allgemeinen und zum Produktmanagement zeigen deutlich, dass nur wenige Aspekte des App-Marketings ausschließlich diesem zuzuordnen sind. Deshalb muss das Marketing für, von und mit Apps vor allem als Schnittstellenfunktion, insbesondere zwischen App-Entwicklung und (Online-) Marketing verstanden werden.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

2.3 Ziele des App-Marketings Verstünde man das App-Marketing im engeren Sinne und reduzierte es auf die App-Vermarktung, ließen sich die Ziele der App-Vermarktung wohl relativ schnell auf die Akquise neuer Nutzer, gegebenenfalls nicht mal mit dem Anspruch der Aktivierung derselbigen, reduzieren. Versteht man das App-Marketing jedoch (im Sinne dieses Werkes) ganzheitlich wie in Abschn. 2.2 definiert, ergeben sich hieraus verschiedene und im Einzelnen nicht immer komplementäre Ziele, sowohl innerhalb des App-Marketings als auch mit Blick auf angrenzende Disziplinen. In diesem Sinne benennt und erörtert dieser Abschnitt zunächst die grundsätzlichen Ziele im App-Marketing und diskutiert anschließend mögliche Zielkonflikte, innerhalb der Disziplin und mit Blick auf angrenzende Disziplinen. Obwohl sich das App-Marketing immer weiter professionalisiert, sind in der Praxis mitunter scheinbar Unternehmen anzutreffen, die eine App entwickeln, betreiben und vermarkten, ohne damit jedoch definierte Ziele zu verfolgen. Deshalb soll einleitend kurz auf die Relevanz von Zielen eingegangen werden. Grundsätzlich ergeben sich die Ziele eines Unternehmens aus dessen Vision und der daraus abgeleiteten Mission. Gleichzeitig sind die übergreifenden Unternehmensziele die Grundlage, aus der sich die Ziele für die einzelnen Organisationseinheiten bis hinunter zum einzelnen Mitarbeiter ableiten. Dabei ist die Benennung von Zielen ein elementarer Bestandteil des wirtschaftlichen Handels, wie Hungenberg (2014, S. 27) erörtert: „Die Auswahl von Zielen aus einer Anzahl möglicher Zielalternativen gehört zwingend zu jedem wirtschaftlichen Handeln, da erst sie Klarheit darüber verschafft, was mit diesem Handeln eigentlich erreicht werden soll.“

Die Auswahl der Ziele gibt dabei nicht nur eine Richtung vor, sondern wirkt ganz konkret darauf, wie einzelne Aktivitäten in einem Unternehmen durchgeführt werden und dient gleichzeitig auch zur Beurteilung der Leistung eines Unternehmens beziehungsweise der einzelnen Organisationseinheiten (Hungenberg, 2014, S. 27): „Durch die Formulierung der Ziele werden […] alle nachgeordneten Entscheidungsprozesse geprägt, deren Aufgabe dann im Wesentlichen darin besteht, Ansatzpunkte zum Erreichen der verfolgten Ziele zu entwickeln. Insofern wird es auch erst durch die Vorgabe von Zielen möglich, die Leistung eines Unternehmens und die Leistungen der im Unternehmen Handelnden zu beurteilen.“

Obgleich ein Unternehmen unterschiedliche übergeordnete und entsprechend unterschiedliche, daraus abgeleitete Ziele haben kann, sind die primären Ziele eines Unternehmens – und in der weiteren Konsequenz einer App und des App-Marketings – wirtschaftlicher Natur. Schindler (2020, S. 21 f.) nennt hier unter anderem die Wirtschaftlichkeit als Verhältnis des Output-Wertes zum Input-Wert, also einen möglichst hohen Umsatz bei möglichst niedrigen Kosten.

2.3  Ziele des App-Marketings

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Darüber hinaus ist auch denkbar, dass sich ein Unternehmen – neben Wirtschaftlichkeitszielen – Marketingziele setzt und beispielsweise eine Marktführerschaft, eine Qualitätsführerschaft oder das Image eines besonders innovativen Unternehmens anstrebt. Gerade letzteres ist im Technologie-nahen App-Umfeld neben wirtschaftlichen Zielen ein denkbares Szenario, zumal Konsumenten mitunter eine ausgeprägte Innovationsakzeptanz aufweisen und dem Ausprobieren neuer Technologien als solchem einen Wert zuschreiben (Kheiravar & Richter, 2016, S. 624 f.). Ziele von Apps Die spezifischen Ziele des App-Marketings sollten sich – wie auch die Ziele anderer Teilbereiche eines Unternehmens – aus den Unternehmenszielen ableiten. Dies betrifft insbesondere die Frage des übergeordneten Ziels einer App. Dieses muss nicht unmittelbar auch dem übergeordneten Unternehmensziel entsprechen, sondern hängt von der strategischen Positionierung einer App ab. So wird im Fall eines (ausschließlich) Appbasierten Geschäftsmodells, welches auf einer Stand Alone-App aufsetzt oder einen App First-Ansatz verfolgt, das übergeordnete Ziel der App wahrscheinlich auch dem übergeordneten Unternehmensziel entsprechen. Handelt es sich bei einer App jedoch um ein Komplementär-Produkt zum Geschäftsmodell, wird das übergeordnete Ziel der App vielleicht mittelbar auf das übergeordnete Unternehmensziel einzahlen, mit diesem jedoch nicht notwendigerweise deckungsgleich sein (vgl. Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen Abschn. 3.2.1). Beispiel: Verhältnis von Unternehmens- und App-Zielen bei Zalando und Lidl Plus

Besonders anschaulich lässt sich das unterschiedliche Verhältnis von App- und Unternehmensziel im Rahmen eines Vergleichs der Apps von Zalando und Lidl Plus darstellen. Zalando ist eines der europaweit größten E-Commerce-Unternehmen im FashionBereich. Mit der Zalando-App bietet das Unternehmen einen vollwertigen Zugriff auf seinen Online-Shop und hat die App in den vergangenen Jahren von einem komplementären Kundenzugang zu einem wesentlichen Vertriebskanal ausgebaut. Nachdem Zalando noch im Jahr 2017 rund ein Drittel seiner Umsätze über die App erzielte, war es 2020 bereits rund die Hälfte (Krisch, 2020). Im Fall von Zalando entspricht das übergeordnete Unternehmensziel – das Erzielen von E-Commerce-Umsatz – auch dem übergeordneten Ziel der App. So wird im Google Play Store nicht etwa nur auf die Vorteile der Zalando-App hingewiesen, sondern vor allem auf die Vorteile des Einkaufens bei Zalando im Allgemeinen, etwa den kostenlosen Versand und Rückversand und die verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten (Zalando SE, 2022). Als Gegenbeispiel dient die Lidl Plus-App des gleichnamigen Discounters Lidl. Während Lidl in seinen Filialen ein klassisches Handelsgeschäftsmodell verfolgt und insofern vor allem Umsätze erzielen möchte, wird die Lidl Plus-App mit einer Bezahlfunktion, digitalen Rubbellosen und digitalen Kassenbons vor allem als eine Er-

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

gänzung zum stationären Einkaufserlebnis und damit als komplementäres Angebot zum eigentlichen Geschäftsmodell positioniert. Da über Lidl Plus im Prinzip keine unmittelbaren Umsätze getätigt werden können, entspricht das Ziel der App nicht dem übergeordneten Unternehmensziel, zahlt aber auf dieses ein, indem Kunden zu einem Einkauf bewegt werden oder das Einkaufserlebnis für den Kunden verbessert wird (Lidl, 2022). Weitere Ausführungen zur Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen finden sich in Abschn. 3.2.1. ◄ Tosic (2015a, S. 27) betont, dass es kein übergeordnetes Ziel einer App sein könne, „eine App zu haben“ und liefert einige Ideen, welche Ziele mit der Entwicklung einer App verfolgt werden können: • Neukundengewinnung • Kundenbindung • Imagepflege • Optimierung von Arbeitsabläufen • Verbesserung der Zusammenarbeit • Verkürzung von Produktionszeiten • Abkürzungsverzeichnis • Produktionsüberwachung • Erweiterung der Produktpalette Angemerkt sei, dass Tosic (2015a, S. 14) sich dabei nicht nur auf den Einsatz von (B2Cfokussierten) Apps als Marketing- und Vertriebsinstrument oder als alleinstehendes Produkt bezieht, sondern auch auf den Einsatz von (B2B-orientierten) Apps im Rahmen von Produktion und Prozessoptimierung. Ziele im App-Marketing Losgelöst von der Frage, welche Ziele ein Unternehmen verfolgt und welche Ziele mit einer App erreicht werden sollen, lassen sich die Ziele des App-Marketings – auch trotz unterschiedlicher Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen und vielfältiger Einsatzmöglichkeiten sowie unabhängig von der Frage der Gewichtung und ohne Berücksichtigung spezieller Einzelfälle – anhand des App-Marketing-Dreiklangs (Abschn. 2.2), bestehend aus App-Entwicklung, App-Vermarktung und App-CRM, zusammenfassen. Grundlegend verfolgt das App-Marketing mit seinen drei wesentlichen Teildisziplinen drei Ziele, welche in den jeweiligen Disziplinen beziehungsweise den Schnittmengen der Disziplinen zu verorten sind, wie Abb. 2.4 zeigt: 1. Nutzerakquise 2. Nutzeraktivierung 3. Nutzerbindung und -monetarisierung

2.3  Ziele des App-Marketings Abb. 2.4   Ziele des AppMarketings im App-MarketingDreiklang

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Nutzerakquise

AppVermarktung

AppEntwicklung

Nutzeraktivierung

App-CRM

Nutzerbindung und -monetarisierung

Grundlage der Nutzerakquise ist die Bereitstellung von für die Zielgruppe der App (Abschn. 4.2) relevanten Features durch die App-Entwicklung, wobei die App-Vermarktung neben Content-bezogenen Ansätzen und monetären Anreizen häufig auf den Features einer App aufsetzt (Abschn. 4.3). Dabei kann die Nutzerakquise sämtliche einem Unternehmen zur Werbung zur Verfügung stehenden Kanäle nutzen (Abschn. 4.4). Tatsächlich stellt die Bezeichnung der „Nutzer“-akquise bereits eine Vereinfachung dar, welche zwar häufig, aber nicht immer zutreffend sein muss. Je nach Anwendungsfall mag der Fokus der Akquise auf der Anzahl der Nutzer, der Geräte oder der Installationen liegen. Folgendes Beispiel illustriert, wie Anwendungsfälle gelagert sein können, die eher eine Nutzer- oder eher eine Geräte-basierte Zielsetzung nahelegen. Beispiel: Nutzer- vs. Geräteakquise bei den Apps von CLARK und Netflix

Das Unternehmen CLARK hilft Verbrauchern dabei, ihre Versicherungen zu organisieren und unterstützt beim Abschluss neuer sowie beim Wechsel bestehender Policen. Die Leistungserbringung erfolgt dabei primär über die gleichnamige App (Clark Germany GmbH, 2022a, b, c, d, e, f, g, h). Im Sinne der App-Vermarktung dürfte die Akquise klassisch vor allem auf Nutzer fokussiert sein: Versicherungen gelten als persönliche Angelegenheit, sodass ein CLARK-Account im Regelfall nicht von mehreren Personen geteilt wird. Auch gibt es keinen Anhaltspunkt, weshalb das Unternehmen anstreben sollte, dass ein einzelner Nutzer die App auf mehreren Geräten verwenden sollte. Das Abomodell des Streamingdienstes Netflix liefert ein gutes Beispiel für eine App-Vermarktung, die sich nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich am Nutzer, sondern an der Anzahl der akquirierten Geräte orientieren könnte: Zum Preis von 7,99 € pro Monat können Nutzer die Inhalte von Netflix auf einem Gerät, zum Preis von 12,99 pro Monat auf zwei Geräten und zum Preis von 17,99 € pro Monat auf

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

bis zu vier Geräten gleichzeitig streamen (Kolokythas, 2022). Netflix hat insofern ein hohes Interesse daran, dass Nutzer – jedenfalls verglichen mit der Option, dass weniger Menschen Netflix nutzen – Accounts miteinander teilen und auf möglichst Geräten nutzen. Hieraus kann für das Akquiseziel eher eine Fokussierung auf die Anzahl der Geräte mit App-Installation als auf die Anzahl der Nutzer im Sinne von Kontoinhabern abgeleitet werden. Die Bandbreite der von Netflix unterstützten Gerätetypen unterstützt diese These zusätzlich (Netflix Inc., 2022). ◄ Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob die Akquise auf neue, auf wiederkehrende oder auf die Gesamtzahl der Installationen abzielt. Diese Unterscheidung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn eine App nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum einen Mehrwert für den Nutzer stiftet und nach Ablauf des Zeitraums im Prinzip nicht mehr benötigt wird. In solchen Fällen kann das Wiederkehren eines Nutzers mitunter auch als Metrik zur Messung der Kundenbindung verstanden werden, wie das folgende Beispiel erörtert. Beispiel: Wiederkehrende Nutzer als sinnvolles Ziel der Akquise bei der DMEXCO-App

Die DMEXCO (bis 2017: dmexco) ist eine der weltweit größten Kongressmesseveranstaltungen der Digitalwirtschaft und findet – von Pandemie-bedingten Ausnahmesituationen abgesehen – seit 2009 auf dem Messegelände in Köln statt. Mit der DMEXCO-App stellt der Veranstalter Koelnmesse eine App bereit, die von Besuchern vor allem zur Vorbereitung auf die DMEXCO und während der DMEXCO genutzt wird. Obgleich die App „an 365 Tagen im Jahr“ Inhalte biete (Koelnmesse GmbH, 2022), ist davon auszugehen, dass die meisten Nutzer die App kurz vor dem Messebesuch installieren und kurz nach dem Besuch wieder deinstallieren. Da die DMEXCO jährlich stattfindet und jedes Jahr die gleiche App (mit entsprechend angepassten Inhalten) angeboten wird, kann es im Sinne der Gesamtunternehmung sinnvoll sein, explizit auch wiederkehrende Nutzer zu messen und zu akquirieren. Einerseits werden Nutzer, die die App in der Vergangenheit bereits installiert hatten und sie einfach mit dem Ende der Messe deinstalliert haben, im folgenden Jahr auch eher geneigt sein, die App erneut zu installieren, sind also günstiger in der (Re-) Akquise. Zum anderen kann eine erneute Installation auch als Signal gewertet werden, dass die Nutzer sowohl mit der App zufrieden waren und ein erneuter Messebesuch geplant wird. ◄ Die Nutzeraktivierung neuer Nutzer ist im App-CRM sowie in der Schnittmenge von App-CRM und App-Vermarktung zu verorten. Zweck der Nutzer-Aktivierung ist es, die gewonnenen Nutzer mit den wichtigsten Funktionen der App vertraut zu machen und die Grundlage für die weitere Entwicklung im Sinne des User Lifecycle zu legen. Spezifische Nutzeraktionen, die häufig konkretes Ziel der Aktivierungsmaßnahmen sind, hängen von der konkreten App ab und können beispielsweise das Abschließen eines Registrierungsprozesses, eine erste Bestellung in einem (hier: App-basierten) OnlineShop oder das erfolgreiche Absolvieren eines Tutorials in einem Mobile Game sein.

2.3  Ziele des App-Marketings

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Zu den gängigen Instrumenten der Nutzeraktivierung gehört ein Onboarding-Prozess, welcher die wichtigsten App-Funktionalitäten direkt bei der ersten Öffnung der App nach Installation erklärt (vgl. Onboarding Abschn. 5.2.2) sowie flankierende Kommunikationsmaßnahmen, insbesondere über Push Notifications und In-App Messages, die die neu gewonnenen Nutzer an die Nutzung der App im Sinne der Erreichung des übergeordneten Ziels erinnern (vgl. Push Notifications und In-App Messages Abschn. 5.3). Zentral für die Nutzeraktivierung ist das Festlegen einer oder mehrerer Aktionen, die ein Nutzer nach dem App-Download abgeschlossen haben muss, um als „aktiviert“ zu gelten. Diese Aktionen werden mitunter auch als Conversion beziehungsweise bei mehreren aufeinanderfolgenden Aktionen als Micro-Conversions bezeichnet, obgleich der Begriff der Conversion häufig im Kontext der direkten Monetarisierung verwendet wird. Handelt es sich bei der Aktivierung um eine Sequenz aus mehreren Aktionen, lassen sich diese auch als Funnel darstellen, wie das folgende Beispiel samt exemplarischer Abbildung eines solchen Funnels zeigt. Beispiel: Nutzeraktivierung mit Aktionssequenz bei Instagram

Die Social Media-Plattform Instagram beziehungsweise die gleichnamige Instagram-App gehört zum Facebook-Konzern Meta. Mit mehr als einer Milliarde aktiven Nutzern und einer im mindestens mittleren zweistelligen Milliardenbereich liegenden Anzahl hochgeladener Fotos und Videos gehört Instagram zu den weltweit größten sozialen Netzwerken für Foto- und Videosharing (eMarketer, 2020). Instagram verfolgt einen klaren App First-Ansatz (vgl. Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen Abschn. 3.2.1), wobei zwar eine Webanwendung zur Verfügung steht, jedoch nur die Instagram-App die Nutzung aller Features, insbesondere im Bereich Content Creation und Upload erlaubt. Da das Geschäftsmodell von Instagram auf der Bereitstellung einer Werbeplattform und der auf Nutzerdaten basierten Aussteuerung von Werbung beruht (vgl. Erlösmodelle Abschn. 3.2.2), ist es für das Unternehmen von großer Relevanz, dass die neu akquirierten Nutzer zum einen einige grundlegende Daten angeben und zum anderen möglichst schnell in den Zustand versetzt werden, Inhalte konsumieren zu können. Um dieses Ziel, die Aktivierung neu akquirierter Nutzer, zu unterstützen, verfügt die Instagram-App deshalb über einen mehrstufigen Onboarding-Prozess, bei dessen Durchlaufen der Nutzer möglichst einfach möglichst viele für Instagram relevante Informationen angeben können soll (vgl. Onboarding Abschn. 5.2.2). Ein solcher, mehrstufiger Onboarding-Prozess lässt sich, ähnlich wie bei der Betrachtung von Conversions und Micro-Conversions sowie von Checkout-Prozessen im E-Commerce, als Funnel darstellen, wie Abb. 2.5 exemplarisch zeigt. Die erfolgreiche Aktivierung im letzten Schritt kann als eine Form der Conversion betrachtet werden, sodass alle Zwischenschritte jeweils als eine Micro-Conversion gezählt werden. Während einige Schritte des Funnels im Fall von Instagram, etwa das Anlegen eines

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Abb. 2.5   Funnel zur Nutzeraktivierung am Beispiel von Instagram

Download der App Erste App-Öffnung Anlegen eines Nutzerkontos Verknüpfung mit Facebook-Konto Hinzufügen eines Profilbilds Folgen eines ersten anderen Nutzers Angabe des vollständigen Namens Anlegen eines Steckbriefs Erfolgreiche Aktivierung

Nutzerkontos mit E-Mail-Adresse und Passwort, verpflichtend sind, können andere Schritte wie das Verknüpfen des frisch angelegten Instagram-Accounts mit einem bestehenden Facebook-Konto freiwillig sein. Der Erfolg der Nutzeraktivierung kann zum Beispiel auf Basis des Anteils der erfolgreich aktivierten Nutzer an allen App-Downloads gemessen werden. Auch komplexere Betrachtungen, welche die Qualität der Aktivierung eines einzelnen Nutzers vor dem Hintergrund der Business-Relevanz der einzelnen Funnel-Schritte berücksichtigen, sind denkbar. Ein Beispiel dazu findet sich in Abschn. 5.2.2. ◄ Im Rahmen der Nutzerbindung wird versucht, die akquirierten und aktivierten Nutzer möglichst lange als bestehende Nutzer zu halten, also einerseits eine Deinstallation der App zu verhindern und andererseits eine möglichst intensive Nutzung der App zu fördern. Die Bindung von Nutzern kann zwischen der App-Entwicklung und dem AppCRM angesiedelt werden, wobei die Features einer App in der Regel die Grundlage für ein langfristig anhaltendes Interesse der Nutzer an der Anwendung darstellen und über gezielte Kommunikationsmaßnahmen versucht wird, dieses Interesse bestmöglich aufrecht zu erhalten und im Sinne des übergeordneten App-Ziels zu nutzen. Bei der Quantifizierung der Nutzerbindung sind, neben Engagement-bezogenen Kennzahlen, insbesondere die „aktiven Nutzer“ eine zentrale Metrik zur Erfolgsmessung. Dabei werden in der Praxis häufig „Daily Active Users“ (DAU), „Weekly Active Users“ (WAU) und „Monthly Active Users“ (MAU) unterschieden, wobei zum Beispiel WAU die Anzahl der Nutzer bezeichnet, die innerhalb einer Woche mindestens einmal die App geöffnet haben. Die Aktivität und das Engagement – das Erleben interaktiver, co-kreativer Kundenerfahrungen wie es Brodie et al. (2011) beschreiben – der Nutzer lassen sich durch verschiedene Instrumente und Faktoren steigern, wie sie

2.3  Ziele des App-Marketings

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in Abschn. 5.2 beschrieben werden. Hervorzuheben ist dabei übergreifend die Relevanz der Inhalte für den einzelnen Nutzer: Studien zeigen, dass sich Relevanz – und damit langfristiger Mehrwert – insbesondere durch personalisierte, auf den Nutzer und seine Bedürfnisse abgestimmte Inhalte erzielen lässt (Bleier & Eisenbeiss, 2015; Kazeminia et al., 2019; Köster et al., 2015). Die Förderung des Engagements und somit die Bindung von App-Nutzern ist auch im Sinne eines übergreifenden, häufig monetär ausgedrückten Ziels einer App von entscheidender Bedeutung. Mit Verweis auf mehrere Studien fassen Ahrholdt et al., (2019, S. 256) die Auswirkungen von Engagement zusammen, wobei sich die allgemeinen Erkenntnisse zum Engagement von Konsumenten wohl in ähnlicher Weise auch auf das User Engagement im App-Kontext übertragen lassen dürften: „Ein stärkeres Engagement der Konsumenten ist wünschenswert, da davon ausgegangen werden kann, dass das Engagement unterschiedliche Erfolgswirkungen nach sich ziehen kann, wie bspw. eine höhere Kundenzufriedenheit und -loyalität als auch positive Auswirkungen auf den Umsatz [...].“ (Ahrholdt et al., 2019, S. 256)

Die langfristige Engagement-Steigerung als zentrales Bestreben der Nutzerbindung führt schließlich zur Nutzermonetarisierung als vielleicht wichtigstem Ziel des App-Marketings. Ob und wie App-Nutzer monetarisiert werden, hängt von der Art der App beziehungsweise dem Erlösmodell, auf dem die jeweilige App basiert, ab. Grundlegend lassen sich direkt und indirekt sowie transaktionsabhängig und transaktionsunabhängig generierte Umsätze unterscheiden, wobei der durchschnittliche Umsatz pro App-Nutzer eine der wesentlichen Steuerungsgrößen im Kontext der Nutzermonetarisierung darstellt. Die verschiedenen Erlösmodelle im App-Kontext werden im Abschn. 3.2.2 umfangreich diskutiert.  Definition: Out-of-App-Umsatz  Als Out-of-App-Umsätze im Sinne des App-Marketings werden Umsätze aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen bezeichnet, zu denen die Features einer App oder die mittels einer App ausgesteuerten Werbemaßnahmen beigetragen haben, sodass ein Wertbeitrag der App unterstellt werden kann, obwohl die Umsätze letztlich nicht über die App selbst getätigt wurden. Geeignete Beispiele finden sich wie unten skizziert in Apps von stationären Einzelhändlern. Zusätzlich zur unmittelbaren Monetarisierung einer App sind auch Szenarien möglich, in denen eine App keinen unmittelbaren monetären Wert (also in der Regel Umsatz) stiftet, sondern einen nicht unmittelbar messbaren monetären Wertbeitrag leistet und so zur Steigerung von Out-of-App-Umsätzen (vgl. vorausgegangene Definition) beiträgt, wie das folgende Beispiel illustriert:

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … Beispiel: Unterstützung von Out-of-App-Umsätzen in der „Mein dm“-App

Die Drogeriemarktkette dm ist mit mehr als 2000 dm-Märkten und rund 41.000 Mitarbeitern der führende Drogeriewarenhändler Deutschlands (dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, 2022). Mit „Mein dm“ bietet das Unternehmen eine App, die die Möglichkeit des Online-Einkaufs mit Funktionen zur Unterstützung des stationären Einkaufserlebnisses unter einem Dach vereint. Zu den wichtigsten Funktionen rund um den Stationäreinkauf gehören unter anderem: • Aktivieren von Coupons zur Einlösung an der Kasse • Einscannen von Kassenbons nach dem Einkauf • Speichern des dm-Lieblingsmarktes mit allen Informationen zum Markt auf einen Blick • Teilnahme am Vorteilsprogramm „glückskind“ für Schwangere und Familien Exemplarisch kann die Unterstützung von Out-of-App-Transaktionen am Beispiel der Coupons gezeigt werden. Da App-Nutzer die Coupons auf Basis unterschiedlicher Trigger erhalten können, veranlassen sie die Nutzer dazu, die App regelmäßig zu öffnen, um diese auf neue Coupons zu überprüfen. Insofern tragen die Coupons unmittelbar zur Nutzerbindung im Sinne des App-Marketings bei. Bei Betrachtung der Gesamtunternehmung stellen die Coupons darüber hinaus ein Instrument der Kundenbindung dar. Gleichzeitig handelt es sich im Sinne des App-Marketings um eine indirekte Form der Nutzermonetarisierung, da das Einlösen der App-Coupons an der Kasse des Drogeriemarktes keinen unmittelbaren Umsatz innerhalb der App generiert, die App aber offenkundig zum im Stationärhandel getätigten Umsatz beigetragen hat. Kritisch zu diskutieren ist die Quantifizierung des Wertbeitrags, insbesondere vor dem Hintergrund der Frage, ob eine Transaktion nicht auch ohne Gutschein zustande gekommen wäre und – im Fall, dass ein Coupon Rabatt auf ein Produkt A gewährt, ein Kunde aber Produkt A und Produkt B kauft – welche Produktverkäufe tatsächlich als App-induziert gelten sollen. ◄ Nicht unmittelbar monetär messbare Wertbeiträge wie die skizzierte Unterstützung von Out-of-App-Transaktionen sind insbesondere im Kontext Geschäftsmodellkomplementärer Apps, wie sie in Abschn. 3.2.1 beschrieben werden, relevant. Zielkonflikte innerhalb des App-Marketings Bereits im Zuge der Definition und Abgrenzung von verwandten Disziplinen ist deutlich geworden, dass das App-Marketing als Summe aus App-Vermarktung, App-CRM und der Wirkung in die App-Entwicklung hinein mehrere, schon für sich genommen komplexe Themenfelder umfasst. Insbesondere, wenn das App-Marketing in verschiedenen

2.3  Ziele des App-Marketings

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Organisationseinheiten stattfindet, zum Beispiel im Online-Marketing, im klassischen Marketing, im Vertrieb und in der App-Entwicklung, ist es notwendig, sich sowohl der Zielkonflikte innerhalb des App-Marketings – und sogar innerhalb der einzelnen Teildisziplinen des App-Marketings – als auch der Zielkonflikte mit angrenzenden Disziplinen bewusst zu sein. Dazu gilt es zunächst einleitend zu verstehen, dass zwei (oder mehr) Ziele sich durchaus gegenseitig beeinflussen können, also nicht zwangsläufig unabhängig voneinander sind. Die verschiedenen Arten der Zielbeziehungen sind in Abb. 2.6 in Anlehnung an Gelbrich et al., (2018, S. 18) schematisch dargestellt. Komplementäre Ziele:  Erhöht sich mit dem Zielerreichungsgrad von Ziel A auch der Zielerreichungsgrad von Ziel B, spricht man von komplementären Zielen. Maßnahmen, die Ziel A unterstützen wirken also auch positiv auf Ziel B. Indifferente Ziele:  Sind zwei Ziele indifferent, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Erreichungsgrad von Ziel A und dem von Ziel B. Maßnahmen, die auf Ziel A einzahlen, haben also keinen oder jedenfalls keinen offensichtlichen Einfluss auf Ziel B.

Abb. 2.6   Mögliche Zielbeziehungen im Überblick. (Angelehnt an Gelbrich et al., 2018, S. 18; eigene Darstellung)

Zielerreichungsgrad Ziel A

Konkurrierende Ziele: Wenn eine bessere Erreichung von Ziel A gleichzeitig einen schlechteren Zielerreichungsgrad B nach sich zieht, handelt es sich um konkurrierende Ziele. Maßnahmen, die positiv auf das Ziel A wirken, führen gleichzeitig dazu, dass Ziel B schlechter erreicht wird. Bevor die Auswirkungen von Zielkonflikten und Möglichkeiten, Zielkonflikten entgegenzuwirken, diskutiert werden, sollen exemplarisch ausgewählte Zielkonflikte innerhalb des App-Marketings skizziert werden, wobei einige Zielkonflikte innerhalb einer der einzelnen Teildisziplinen des App-Marketings bestehen und andere zwischen den Teildisziplinen.

konkurrierende Ziele

indifferente Ziele

komplementäre Ziele Zielerreichungsgrad Ziel B

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … Beispiel: App Installs – Quantität versus Qualität

Ein gängiger Zielkonflikt in der Nutzerakquise ist das Spannungsfeld zwischen Quantität und Qualität der generierten App Installs: Sollen möglichst viele Menschen eine App herunterladen oder sollen die Installs möglichst hochwertig sein, die Nutzer die App also auch tatsächlich nutzen? Besonders deutlich wird dieser Zielkonflikt, wenn zum Beispiel Konsumenten im Rahmen eines Bonusprogramms eine bestimmte App installieren sollen, um dafür (geldwerte) Bonuspunkte zu erhalten. Häufig sind Installationen über solche Bonusprogramme mit einem günstigen Cost-per-Install verbunden, die akquirierten Nutzer jedoch stark auf die für die Installation erhaltenen Bonuspunkte fixiert – verbunden mit unterdurchschnittlichem User Engagement und höheren Deinstallationsquoten, sodass eine gezielte Aktivierung, etwa über ein spezifisches Onboarding (vgl. Abschn. 5.2.2) sinnvoll ist (Wohllebe et al., 2020a, b). ◄ Beispiel: Vermarktung – Neue Installationen versus Reaktivierung

Insbesondere über das Mobile Display Advertising, also die Aussteuerung von Werbebannern auf mobilen Websites oder in Apps Dritter, können einerseits neue App-Nutzer gewonnen, andererseits aber auch bestehende App-Nutzer reaktiviert werden. Dazu wird dem zwischengeschalteten Werbenetzwerk die Information übermittelt wird, welche Nutzer aktuell die App installiert haben, diese jedoch zum Beispiel nicht aktiv nutzen und deshalb mit Werbeanzeigen reaktiviert werden sollen. Diese Praxis stellt insofern einen Zielkonflikt innerhalb des App-Marketings dar, als dass der Wert eines neuen Nutzers dem Wert eines (möglicherweise) reaktivierbaren Nutzers gegenübergestellt wird. ◄ Beispiel: Push Notifications – Versandfrequenz versus Bewertungen

Push Notifications gehören zu den wichtigsten Funktionalitäten von SmartphoneApps und ermöglichen App-Publishern die Ansprache bestehender Nutzer. Da jede Push Notification jedoch von den App-Nutzern potenziell als eine Störung angesehen werden kann, müssen negative Bewertungen befürchtet werden (Iqbal & Horvitz, 2007; Okoshi et al., 2015). Insofern steht das Interesse des App-Publishers, App-Nutzer über aktuelle Inhalte zu informieren, dem Interesse des Nutzers gegenüber, nicht durch (zu viel) Werbung belästigt zu werden. ◄ Beispiel: Push Notifications – Versandfrequenz versus Deinstallation

Ähnlich der Gefahr negativer Bewertungen kann eine zu hohe Versandfrequenz (oder eine mangelnde Relevanz der kommunizierten Inhalte) von Push Notifications auch

2.3  Ziele des App-Marketings

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zu Deinstallationen führen (Wohllebe et al., 2021). Auch dieser Zielkonflikt ist im Wesentlichen im App-CRM zu verorten. ◄ Beispiel: Features – Innovation versus Return on Invest

Als letztes Beispiel für Zielkonflikte innerhalb des App-Marketings dient ein klassisches Beispiel aus der Produktentwicklung, welches im Wesentlichen als das Innovator’s Dilemma, wie es Christensen (1997) beschreibt, charakterisiert werden kann: Einerseits existiert der Status Quo einer App, in welchem diese mit ihren bestehenden Funktionalitäten erfolgreich monetarisiert und profitabel betrieben werden kann, sodass eine Beibehaltung des Status Quo und die (inkrementelle) Verbesserung dieser bestehenden Funktionalitäten sinnvoll erscheint. Andererseits verändern sich Technologie, Marktumfeld und Nutzergewohnheiten stetig, sodass die Produktentwicklung neue Funktionalitäten – also Innovationen – entwickeln muss, ohne vorher zu wissen, ob diese Innovationen von den Nutzern adaptiert werden und letztlich monetarisiert werden können. ◄ Neben diesen exemplarischen Zielkonflikten sind auch weitere Zielkonflikte innerhalb des App-Marketings denkbar. Charakteristisch ist, dass diese – jedenfalls strenggenommen – nicht lösbar sind, weil es sich um Dilemmata handelt, in der Theorie also die Erreichung des einen Ziels mit der Nicht-Erreichung des anderen Ziels einhergeht. Zielkonflikte können einerseits intrapersonell sein, wenn eine einzelne Person zwei gegenläufige Ziele verfolgt. Weiterhin können Zielkonflikte auch zwischen Personen oder ganzen Organisationseinheiten, etwa Teams oder Abteilungen, bestehen. Unabhängig davon stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Zielkonflikten. Dazu gilt es zunächst, die Konflikte als solche zu erkennen und – sich selbst beziehungsweise den beteiligten Personen oder Organisationseinheiten – transparent zu machen. Letztlich lässt sich der Zielkonflikt nur auflösen, indem die Ziele gegeneinander priorisiert werden und ihnen so die Gleichwertigkeit genommen, das Dilemma also aufgelöst wird. In der Praxis wird ein Zielkonflikt zum Beispiel dadurch aufgelöst, dass eine der beiden Variablen, etwa die Quantität der App-Installs aus dem ersten der zuvor genannten Beispiele, als die zu maximierende deklariert wird, während für die zweite Variable, entsprechend die Qualität der App-Installs aus zuvor genanntem Beispiel, Grenzwerte festgelegt werden, die mindestens erreicht werden sollen. Literaturhinweis: Ziele formulieren und Zielkonflikte managen Eine umfassende Einführung in die Formulierung von Zielen und den Umgang mit Zielkonflikten bieten Laux et al. (2018) mit dem Lehrbuch „Entscheidungstheorie“, erschienen bei Springer Gabler, ISBN 978-3-662-57.817-9.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Zielkonflikte des App-Marketings mit angrenzenden Disziplinen Analog zu Zielkonflikten innerhalb des App-Marketings sind auch Zielkonflikte zwischen dem App-Marketing und angrenzenden Disziplinen denkbar. Im Umgang erfordern auch diese Zielkonflikte, dass sie zunächst überhaupt erkannt, benannt und schließlich diskutiert werden, um eine Lösung der Zielkonflikte – im Wesentlichen durch Hierarchisierung – herbeizuführen. Im Folgenden sind einige ausgewählte Beispiele für Zielkonflikte zwischen dem AppMarketing und angrenzenden Disziplinen aufgeführt, die helfen sollen, Zielkonflikte in der Praxis erfolgreich zu erkennen. Beispiel: Performance Marketing – Transaktion versus Kundenbindung

Beispielsweise im E-Commerce sind Apps häufig substitutiv oder komplementär konzipiert, also nicht zwangsläufig zur Erfüllung des Geschäftszwecks notwendig, sondern ein alternativer Vertriebskanal zur Website (Abschn. 3.2.1). Dabei wird die App auch als Instrument zur Kundenbindung verstanden. Folglich zahlt das App-Marketing in diesem Szenario auf die Stärkung der Kundenbindung ein. Im Zusammenspiel mit dem Performance Marketing, welches zum Beispiel Kanäle wie das Search Engine Advertising oder das Display Advertising einschließt, ergibt sich hieraus ein Zielkonflikt: Häufig sind Performance Marketing-Maßnahmen unmittelbar transaktionsorientiert, haben also das Ziel, unmittelbar Umsatz zu erzielen, während App-Nutzer erst im Laufe ihres Lebenszyklus (profitabel) monetarisiert werden (können). Dies steht einer Unterstützung des App-Marketings durch eine Organisationseinheit „Performance Marketing“ entgegen, solange deren Ziele nicht explizit die Stärkung der App beinhalten oder das App-Marketing ein eigenes Budget mitbringt. ◄ Beispiel: Leadgenerierung – App-Installs versus Newsletter-Abonnements

Ähnlich wie das App-Marketing auf App-Installationen ist das E-Mail-Marketing auf Abonnenten angewiesen, also auf Menschen, die sich aktiv für einen Newsletter eingetragen haben. Beides – das Generieren von App-Installationen und von E-MailAdressen – wird in der Praxis als Leadgenerierung bezeichnet und mitunter aus dem gleichen Budgettopf finanziert. Hieraus resultiert ein Zielkonflikt des App-Marketings mit dem E-Mail-Marketing, insbesondere, wenn App und Newsletter jeweils als Instrument zur Kundenbindung verstanden und die Leads (App-Install und Newsletteranmeldung) aus dem gleichen Budgettopf finanziert werden. Neben der Priorisierung des einen oder des anderen Kanals aus strategischen Gründen lässt sich der Zielkonflikt auch lösen, wenn für beide Lead-Arten ein Lifetime-Value kalkuliert und zur Priorisierung herangezogen werden kann. ◄

2.3  Ziele des App-Marketings

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Beispiel: Content – App-exklusiv versus kanalübergreifend

Ein Zielkonflikt zwischen App-Marketing und anderen Marketingdisziplinen kann mit Blick auf die inhaltliche Aussteuerung von (Marketing-) Kampagnen entstehen. Im Kern steht dabei die Frage, ob ein Unternehmen App-exklusive Inhalte produziert beziehungsweise App-exklusive Angebote schafft oder ob die App lediglich zur Verlängerung von ohnehin auf anderen Kanälen ausgesteuerten Marketingmaßnahmen dient. Während letztere Option in hohem Maße Synergien schafft, bedeuten App-exklusive Inhalte einen stärkeren Hebel zur Akquise neuer und Bindung bestehender Nutzer. Dieser Zielkonflikt ist insbesondere dann relevant, wenn es sich um eine substitutive oder komplementäre App handelt, die also einen alternativen Zugangsweg zum Produkt- oder Dienstleistungsportfolio eines Unternehmens darstellt (Abschn. 3.2.1). ◄ Beispiel: Entwicklung – App-Features versus Web-Features

Ähnlich der Frage nach App-exklusiven Inhalten stellt sich in der Softwareentwicklung, die zwischen neuen App-Features und neuen Web-Features priorisieren muss, ein regelmäßiger Konflikt dar. Auch dieser Zielkonflikt entsteht bevorzugt in Umfeldern, in denen die App entweder substitutiv mit einem App Second-Ansatz oder als komplementäres Angebot aufgefasst wird (Abschn. 3.2.1). ◄ Beispiel: E-Commerce – App-Umsatz versus Web-Umsatz

Eine spezifische Problematik der Monetarisierung von Apps liegt in der Zurechnung von Umsätzen. Einerseits finden sich in der Praxis häufig Vertriebskanal-basierte Umsatzziele, also im E-Commerce zum Beispiel für die App und für den (Web-basierten) Online-Shop. Obwohl man die Auffassung vertreten kann, dass sich beide Vertriebswege auch gegenseitig positiv beeinflussen können, wird sich in Unternehmen womöglich ein internes Konkurrenzdenken finden, weil anzunehmen ist, dass sich App und Webshop (jedenfalls teilweise) gegenseitig kannibalisieren. Ein zentrales Argument für die Abwicklung von möglichst vielen Transaktionen über die App stellen die deutlich besseren Möglichkeiten zur erneuten Nutzeransprache und der entsprechend stärkeren Kundenbindung dar. ◄ Ausgangsbasis der Identifikation von Zielkonflikten zwischen App-Marketing und angrenzenden Disziplinen ist die Kenntnis über relevante Personen und Organisationseinheiten sowie über deren Ziele. Das Kapitel zur Einbettung des App-Marketings in die Unternehmensorganisation liefert Hinweise, welche Organisationseinheiten dies unter anderem betreffen kann (Abschn. 2.5).

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

2.4 Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix Der Marketing-Mix, häufig auch als die „4Ps des Marketings“ bezeichnet, gehört zu den wichtigsten Modellen in der Marketinglehre und stellt einen weltweit bekannten Ordnungsrahmen zur Systematisierung von Marketinginstrumenten dar. Obwohl mittlerweile viele Erweiterungen der 4P existieren, hat sich jedoch noch keine davon so sehr in der Breite durchgesetzt, sodass auch in diesem Buch auf den klassischen 4P-MarketingMix bestehend aus Product (Produktpolitik), Price (Preispolitik), Place (Distributionspolitik) und Promotion (Kommunikationspolitik) zurückgegriffen wird (Abb. 2.7). Dieses Kapitel ordnet das App-Marketing in den Marketing-Mix ein und zeigt, welche Fragestellungen des App-Marketings sich aus den einzelnen Ps ergeben. Diese Einordnung kann insofern hilfreich sein, als dass sie die möglichen Parameter zur Umsetzung einer dedizierten App-Marketing-Strategie zeigt. Gleichzeitig liefert das Kapitel auch Hinweise, wie sich eine allgemeine Marketing-Strategie mit den Instrumenten des App-Marketings umsetzen lässt. Im Folgenden finden sich dazu ausgewählte Fragestellungen bezüglich der Parameter des App-Marketings in den vier Ps.

2.4.1 Product – Produktpolitik im Kontext des App-Marketings Im klassischen Marketing umfasst die Produktpolitik alle Entscheidungen rund um die Eigenschaften eines Produkts. Im Fall des App-Marketings kann die App als das Produkt verstanden werden. Dieses Verständnis einer App als Produkt hat in den vergangenen Jahren immer mehr Verbreitung gefunden, weil zunehmend mehr Geschäftsmodelle entweder ausschließlich oder jedenfalls hauptsächlich im Kern auf einer App basieren (Abschn. 3.2.1). Tosic (2015a, S. 17) erläutert diese Auffassung am Beispiel von Instagram: „Immer mehr Startups werden gemäß einer ‚Mobile First‘ Philosophie gegründet, bei der im Kern das Produkt eine mobile Anwendung ist. Instagram ist so ein Beispiel: Die Webseite gibt es zwar auch, aber der zentrale Teil ist die mobile App, mit der die Benutzer Bild knipsen und mit Filtern verschönern, um sie [...] mit Freunden zu teilen – zunächst natürlich innerhalb der App selbst. In diesem Fall funktioniert das gesamte Modell nicht ohne App.

Marketing-Mix Product/ Produktpolitik

Price/ Preispolitik

Place/ Distributionspolitik

Promotion/ Kommunikationspolitik

Abb. 2.7   Product, Price, Place und Promotion – die vier Ps des Marketing-Mix. (Angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung)

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2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix Das gleiche gilt für die Vielzahl an Fitness-Trackern, die [...] über die eingebauten Sensoren Schritte mitzählen oder per GPS die zurückgelegte Strecke samt Performance-Daten aufzeichnen und später in einer Karte visualisieren.“ (Tosic, 2015a, S. 17)

Entsprechend eines ganzheitlichen App-Marketing-Verständnisses, welches auch ein Marketing-orientiertes Beeinflussen der App-Entwicklung impliziert, ergeben sich verschiedene Fragestellungen an das App-Marketing hinsichtlich der Produktpolitik. Abb. 2.8 fasst die im Folgenden diskutierten Fragestellungen kurz zusammen. Dabei sind die Fragestellungen nicht als in alleiniger Verantwortung beim App-Marketing liegend anzusehen, sondern erfordern vielmehr eine gemeinsame Diskussion von App-Marketing und Produktentwicklung. Grundlegend gilt es, den Funktionsumfang einer App zu diskutieren, wobei diese Diskussion als fortlaufend iterativ anzusehen ist: Welche Funktionen hat eine App derzeit? Erfüllen diese die Erwartungen der Nutzer, müssen sie verbessert werden und wenn ja, wie? Welche Funktionen fehlen und sollten künftig entwickelt werden und welche Funktionen werden vielleicht nicht mehr benötigt? Gleichzeitig ergibt sich aus der Frage nach dem Funktionsumfang auch die Frage der Personalisierung des Funktionsumfangs: Möglicherweise wird eine App von unterschiedlichen Nutzergruppen genutzt, sodass aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse in Erwägung gezogen werden sollte, nicht jedem Nutzer die gleichen Funktionen oder jedenfalls nicht in gleicher Rangfolge anzuzeigen. Analog zum Funktionsumfang, also den funktionalen Eigenschaften, sind im Rahmen der Produktpolitik auch die nicht-funktionalen Eigenschaften, also zum Beispiel die Zuverlässigkeit oder die Nutzerfreundlichkeit einer App, und deren Gewichtung eine wichtige Frage der Produktpolitik. Sowohl die funktionalen als auch die nicht-funktionalen Anforderungen von Nutzern werden im Laufe des Buches noch umfassend behandelt (vgl. Erwartungshaltung und Anforderungen von App-Nutzern, Abschn. 3.5). Zusätzlich zu konkreten

Marketing-Mix Product/ Produktpolitik

• • • • • • • •

Price/ Preispolitik

Place/ Distributionspolitik

Promotion/ Kommunikationspolitik

Welchen Funktionsumfang bietet die App? Haben alle Nutzer Zugriff auf die selben Funktionen? Wie wichtig sind welche nicht-funktionalen Eigenschaften? Wie wird die App (weiter-) entwickelt? Wie schnell werden neue Technologien adaptiert? Was passiert mit alten Versionen, Funktionen und Technologien? Unter welcher Marke wird die App veröffentlicht? In welchen Sprachen und Ländern wird die App angeboten?

Abb. 2.8   Fragestellungen der Produktpolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung)

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Funktionalitäten ist im Rahmen der Produktpolitik auch die grundsätzliche Frage der Weiterentwicklung und der verwendeten Technologien zu berücksichtigen, wenn eine App beispielsweise dazu beitragen soll, ein Unternehmen als besonders innovativ zu positionieren, sodass sich die Verwendung innovativer Technologien nicht aus der unmittelbaren Relevanz für die Nutzer, sondern aus strategischen Überlegungen heraus ergibt. Je nach Unternehmen und Markenstrategie kann auch die Frage, unter welcher Marke beziehungsweise mit welchem Namen eine App veröffentlicht wird, relevant sein. Handelt es sich um die App eines bekannten Unternehmens, wird die App des Unternehmens im Regelfall den Unternehmensnamen beziehungsweise den Namen, mit dem das Unternehmen am Markt bekannt ist, tragen. Beispiele dafür sind die DKB-App oder die brands4friends-App. Auch die Veröffentlichung unterschiedlicher Apps unter Einbeziehung des Markennamens ist denkbar, wie die Apps „REWE – Angebote & Coupons“, „REWE – Online Shop & Märkte“ (jeweils veröffentlicht von REWE Markt GmbH) und „REWE Pick&Go: Einkaufen ohne Anstehen in Köln“ (veröffentlicht von R&I @ REWE Digital GmbH) in der Vergangenheit gezeigt haben. Andere Unternehmen wie Proctor & Gamble veröffentlichen ihre Apps unter einem gemeinsamen PublisherAccount (Proctor & Gamble Productions), wobei die App-Namen den Markennamen entsprechen, zum Beispiel „Oral-B“ oder „BRAUN SILK-EXPERT PRO“. Neben diesen Beispielen, die von bekannten Unternehmen mit etablierten Marken stammen, benennen viele App-Publisher ihre App entsprechend der angebotenen Funktion. Dabei liegt das Augenmerk entsprechend nicht auf dem Wiedererkennungswert einer etablierten Marke – häufig, weil eine App mit keiner Marke assoziiert ist, mitunter aber auch, weil es sich um einen experimentellen Spin-Off handelt und die bekannte Marke damit (zunächst noch) nicht in Verbindung gebracht werden soll. Ein gutes Beispiel für Apps, die vor allem funktional und ohne Nennung einer (etablierten) Marke auskommen, liefert die Suche nach einer „Stoppuhr“ im Google Play Store (Google, 2022a). Folgende Liste zeigt exemplarisch die App-Namen und deren Publisher der ersten fünf Suchergebnisse: • • • • •

„Stoppuhr Pro“ (Monter Apps) „Riesiger Timer und Stoppuhr“ (Riccardo Camattari) „Einfache Stoppuhr“ (Avryx Apps) „Stoppuhr Timer“ (Javier Salmona) „Stoppuhr/Timer Plus“ (Digitalchemy, LLC)

Auch die Internationalisierung von Apps beziehungsweise die Frage, in welchen Sprachen und Ländern eine App angeboten wird, gehört zur Produktpolitik im App-Marketing. Neben dem einfachen Fall, in dem eine App genau in einem Land und in der entsprechenden Landessprache angeboten sind, sind weitere Konstellationen denkbar. Im Fall einer Internationalisierung, bei der eine App in mehreren Ländern angeboten wird, könnte es Entscheidung der Produktpolitik sein, die App in alle relevanten Landessprachen zu übersetzen – oder einheitlich auf Englisch anzubieten. Umgekehrt kann es

2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix

33

Szenarien geben, in denen eine App nur in einem Land, dort jedoch in verschiedenen Sprachen angeboten sind. Beispiel: Ein Land, zahlreiche Sprachen – Welcome App Germany

Ein spezielles, aber eingängiges Beispiel für die Frage, in welchen Sprachen eine App angeboten wird, ist die „Welcome App Germany“: „Die Welcome App Germany ist die zentrale Informationsquelle für in Deutschland lebende oder ankommende Migranten, Zuwanderer, EU-Bürger sowie Asylsuchende und Flüchtlinge. Neben sehr vielen allgemeinen Informationen zum Leben und Alltag in Deutschland bietet die App auch direkte Kontaktinformationen zu Behörden, Vereinen sowie Hilfsorganisationen und enthält viele hilfreiche, örtliche Informationen zu stetig mehr Städten und Regionen. Zusätzlich bietet sie Hilfen zur sprachlichen Verständigung. Die App und sämtliche Inhalte sind in vielen Sprachen verfügbar und werden konstant weiterentwickelt und erweitert.“ (Heinrich & Reuter Solutions GmbH, 2022)

Die App bietet unter anderem geographische Informationen zu Deutschland, beantwortet Fragen rund um Migration, Immigration und Asyl, klärt über das Verhalten in Notfällen und über Hilfsangebote auf und vermittelt Kurse und Förderungen. Nachdem die App ursprünglich in Deutsch, Arabisch und Französisch angeboten wurde, sind im Laufe der Zeit viele weitere Sprachen, unter anderem Russisch, Persisch und Türkisch hinzugekommen. Obwohl die App vor allem in Deutschland genutzt werden dürfte, erfordert die spezifische Zielgruppe der App eine Übersetzung in viele verschiedene Sprachen. ◄

2.4.2 Price – Preispolitik im Kontext des App-Marketings Die Preispolitik im Marketing-Mix umfasst alle Fragen rund um die Preisgestaltung. Vordergründig handelt es sich dabei vor allem um den Verkaufspreis, wobei auch Themen wie die Preisfindung, die Preisdifferenzierung, die Preispositionierung am Markt beziehungsweise im Wettbewerb und der Umgang mit Rabatten eingeschlossen sind (Abb. 2.9). Im Fall von Smartphone-Apps sind alle Fragestellungen der Preispolitik einerseits zu diskutieren vor dem Hintergrund einer kostenpflichtigen App, bei der für den Download einer App ein (fester) Preis verlangt wird, und andererseits vor dem Hintergrund von InApp-Käufen, wobei der Download einer App dann zumeist kostenfrei ist und innerhalb der App zusätzliche digitale Produkte oder Produkterweiterungen erworben werden können. Der Diskussion um die Preisgestaltung ist also die grundsätzliche Frage der Monetarisierung einer App voranzustellen (vgl. Erlösmodelle im App-Kontext, Abschn. 3.2.2). Daran angeschlossen findet die Preisfindung statt, wobei dies je nach Szenario den Preis der App, den Preis von In-App-Käufen, zum Beispiel für besondere Funktionen, Inhalte oder Werbefreifreiheit, oder auch, bei einer indirekten Monetarisierung über Wer-

34

2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Marketing-Mix Product/ Produktpolitik

Price/ Preispolitik

Place/ Distributionspolitik

Promotion/ Kommunikationspolitik

• Wie soll die App monetarisiert werden? • Zu welchem Preis werden die App in Gänze, bestimmte Funktionen bzw. Inhalte innerhalb der App oder die Schaltung von Werbung angeboten? • Werden Rabatte, z. B. basierend auf Menge, Bündelung, Treue oder Saison gewährt? • Sind Preise und Rabatte allgemein gültig oder findet eine individuelle Preisdifferenzierung statt?

Abb. 2.9   Fragestellungen der Preispolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung)

bung, den Preis für das verfügbare Werbeinventar meint. Zu beachten ist, dass es sich bei Apps und den über In-App-Käufe zu erwerbenden „Produkten“ sowie auch bei Werbeinventar im Regelfall um digitale Güter handelt, die im Pricing aufgrund der de-facto wegfallenden variablen Produktkosten einen deutlich größeren Spielraum bei der Preisgestaltung erlauben als bei klassisch physischen Produkten. Daraus abgeleitet ergibt sich auch die Frage, wie im Kontext einer App mit Rabatten umgegangen wird. Bestimmten Rabattierungen sind, nicht nur im App-Umfeld, sondern insgesamt bei digitalen Gütern, als gängige Praxis anzusehen. Rabatte durch Menge, Laufzeit und Bundling Wird für eine App ein Premium-Paket im Monatsabonnement angeboten, gewähren AppPublisher häufig deutliche Rabatte, je länger ein Abonnement abgeschlossen wird. Beispiel: duolingo – mehr als 85 % Rabatt beim Erlernen von Sprachen

Über die App duolingo können Nutzer seit 2012 mittlerweile mehr als 30 Sprachen über ihr Smartphone lernen. Didaktisch bietet duolingo unter anderem Übungen zur Rechtschreibung, zum Hören und, mit Einschränkungen, auch zum Sprechen und vermittelt so unter anderem Sprachen wie Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch, aber auch Ukrainisch, Dänisch, Hindi, Hebräisch oder Esperanto. Angeboten wird die App als Freemium-Modell. Alle Sprachen und Lektionen stehen grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung. Die Monetarisierung erfolgt einerseits über einige wenige bezahlte Items und andererseits – hauptsächlich – über ein Abo-Modell. Vorteile des Abonnements sind unter anderem ein personalisiertes Quiz zur Überprüfung des eigenen Lernfortschritts sowie der Verzicht auf Werbeeinblendungen.

2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix

35

Nach einer kostenfreien Probeversion, die für eine Dauer von sieben Tagen angeboten wird, beträgt der Grundpreis für einen Monat „duolingo PLUS“ 12,99 €. Da es sich bei duolingo um ein vollständig digitales Produkt handelt, dem Unternehmen also im Prinzip keine variablen Kosten auf Basis der Anzahl der App-Nutzer entstehen, können hohe Rabatte für den Abschluss längerer Abonnements gewährt werden: Entscheidet sich ein Nutzer für 12 Monate, zahlt er 77,99 € (statt 155,88 €), sodass der Grundpreis pro Monat 6,49 € beträgt – ein Rabatt von rund 50 %. Wird stattdessen das sogenannte „Familienabo“ abgeschlossen, kann dieses von zwei bis sechs Nutzern gleichzeitig genutzt werden. Umgeschlagen pro Monat und pro Nutzer ergeben die 119,99 € einen Preis pro Monat und Nutzer von 1,66 € – ein Rabatt von rund 87 % im Vergleich zum Grundpreis von 12,99 €. ◄ Auch die Gewährung von Mengenrabatten ist im App-Umfeld beim Verkauf von digitalen Gütern – aus bereits beschriebenen Gründen – üblich. Beispiel: Candy Crush Saga – bis zu 50 % Mengenrabatt auf Goldbarren

Die App Candy Crush Saga von King Digital Entertainment (kurz „King.com“) ist eines der weltweit bekanntesten Gelegenheitsspiele für iOS und Android und rangiert seit dem Launch im Jahr 2012 praktisch dauerhaft in der Top-10-Liste der erfolgreichsten Gelegenheitsspiele. Im Stil von „3 gewinnt“ muss der Spieler bunte Bonbons in einem vorgegebenen Raster verschieben und durch das Entstehen von vertikalen oder horizontalen Ketten verschwinden lassen. Über verschiedene Kombinationen von Bonbon-Farben und -Typen können diverse Spezial-Bonbons (auch Booster genannt) erspielt und zum „Zerstören“ der bunten Bonbons eingesetzt werden. Wird ein Level nicht innerhalb der maximal gegebenen Spielzüge beendet, verliert der Spieler ein Leben, wobei die Leben mit der Zeit regenerieren. Candy Crush Saga wird als Freemium-Modell im Grundsatz kostenfrei angeboten, wobei der Spieler neben diversen Paketen mit Boostern auch Goldbarren kaufen kann. Die Goldbarren können für zusätzliche Leben beziehungsweise für zusätzliche Spielzüge ausgegeben werden, wenn ein Level nicht innerhalb der vorgegebenen Anzahl von Spielzügen geschafft würde. Der Spieler profitiert von den Goldbarren also einerseits, weil er nicht auf neue Leben warten muss, und andererseits, weil der Spielstand nicht verloren geht, wenn die Spielzüge eigentlich aufgebraucht wären. Der Kauf der Goldbarren wird als In-App-Verkauf innerhalb der App abgewickelt. Die angebotenen Pakete reichen von 10 bis 1000 Goldbarren und von 0,19 € pro Goldbarren bis 0,10 € pro Goldbarren, sodass sich ein Rabatt von fast 50 % ergibt, wenn man den Preis pro Goldbarren im kleinsten mit dem Preis pro Goldbarren im größten Paket vergleicht. Die vollständige Preisliste ist in Tab. 2.1 dargestellt. ◄

36

2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Ein ebenfalls populäres Instrument der Preispolitik, auch und gerade im App-Umfeld und im Kontext digitaler Güter, ist die Preisbündelung: Können bestimmte (digitale) Produkte über einen einmaligen In-App-Kauf erworben werden, werden mitunter mehrere Produkte zu einem Produktpaket zusammengefasst. Charakteristisch ist dabei, dass die Einzelpreise der Produkte jeweils hoch angesetzt sind und der Preis des Pakets – im Vergleich zur Summe der Einzelpreise – relativ niedrig, sodass der Erwerb des Produktpakets besonders lohnend erscheint. Begriffsabgrenzung: Pure Bundling und Mixed Bundling Werden mehrere Einzelprodukte in einem Paket angeboten, ohne, dass die Produkte auch einzeln erworben werden können, spricht man vom Pure Bundling. Können Konsumenten Produkte sowohl in einem Paket als auch einzeln erwerben, handelt es sich um Mixed Bundling (Wirtz, 2016, S. 120).

Dieses Prinzip in der App-Industrie mittlerweile als gängige Praxis anzusehen, ist aber auch bereits seit langem „Offline-Welt“ populäre. Zu den bekanntesten Beispielen gehören dabei die Menü-Angebote von Fastfood-Ketten wie McDonald’s, wobei der wahrgenommene Wert eines Menüs insbesondere durch den (an den variablen Kosten gemessenem) relativ hohen Einzelpreis des Softgetränks gesteigert wird. Beispiel: Candy Crush Saga – Preisbündelung bei Booster-Bonbons

Auch in der bereits für den Mengenrabatt als Beispiel herangezogenen App Candy Crush Saga wird intensiv mit dem Instrument der Preisbündelung gearbeitet. Dabei werden Goldbarren, verschiedene Booster-Bonbons und andere Extras zu Paketen zusammengefasst und zu Preisen zwischen 2,99 € („Anfängerpaket“, unter anderem mit 20 Goldbarren und einem Booster) und 99,99 € („Üppiges Paket“, unter anderem mit 650 Goldbarren, zehn Boostern und 12 h unbegrenzten Leben) angeboten (Tab. 2.1). Aufgrund der Vielzahl der Pakete und der Vielfalt der darin jeweils enthaltenen Extras ist es aus Sicht des Spielers kaum möglich, den Preis für einen einzelnen Paketbestandteil zu ermitteln. Stattdessen erscheint das Gesamtpaket aufgrund der ansonsten ausgelobten Einzelpreise insgesamt als ein guter „Deal“. ◄ Tab. 2.1  Mengenrabatt auf Goldbarren bei Candy Crush Saga. (Basierend auf neu installierter Candy Crush Saga-App, Android, März 2022) Anzahl Goldbarren

Preis (Preis pro Goldbarren)/€

Rabatt zum Grundpreis

10

1,99 (0,19)



50

7,99 (0,16)

16 %

100

14,99 (0,15)

21 %

250

29,99 (0,12)

37 %

500

54,99 (0,11)

42 %

1000

99,99 (0,10)

47 %

2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix

37

Zeitlich beschränkte Rabatte Eine weitere Form, Rabatte als Instrument der Preispolitik einzusetzen, stellt die einfache, zeitlich begrenzte Senkung von Preisen für Apps und In-App-Käufe dar. Ähnlich wie im Vertrieb anderer (B2C-) Produkte lassen sich hierzu zahlreiche Anlässe wie ein „Winterschlussverkauf“ oder der ursprünglich in den USA zelebrierte und mittlerweile auch in Deutschland präsente „Black Friday“ finden. Auch saisonale Preissenkungen sind möglich und je nach App sinnvoll, etwa, wenn das Einsatzfeld einer App einen saisonalen Charakter aufweist und abseits der Saison dennoch Umsätze generiert werden sollen. Bei den zuvor diskutierten Möglichkeiten zur Auslobung von Rabatten handelt es sich um die sogenannte Preisdifferenzierung zweiten Grades. Eine Übersicht über die verschiedenen Grade der Preisdifferenzierung mitsamt einiger ausgewählter Methoden findet sich in Abb. 2.10. Preisdifferenzierung am einzelnen Nutzer Während die Preisdifferenzierung ersten Grades – also die Preisfindung durch individuelle Verhandlungen und Versteigerungen – im App-Umfeld in der Regel weniger relevant ist, gewinnt die Preisdifferenzierung dritten Grades in den vergangenen Jahren immer stärker an Relevanz. Die sich stets weiterentwickelnden Möglichkeiten zur Identifikation von Kunden und Sammlung von Kundendaten, die steigenden analytischen Fähigkeiten zur Profilbildung und die Integration entsprechender Methoden in Standardsoftware, etwa im Kontext von Online-Shops, erlauben es Unternehmen zunehmend, auch Preisdifferenzierung dritten Grades und auf Ebene des Einzelkunden zu betreiben. Hintergrundwissen: Preisdiskriminierung durch Tag- und Nachttarife bei Stromanbietern Eine einfache Form der Preisdifferenzierung dritten Grades stammt aus den 1950- und 1960erJahren und wurde im Kontext der elektrisch betriebenen Nachtspeicherheizungen populär. Da Strom nachts weniger nachgefragt wird, gab es lange die Unterscheidung zwischen dem tagsüber geltenden „Hochtarif“ und dem nachts geltenden „Niedertarif“, der zur Aufladung der Preisdifferenzierung ...ersten Grades Perfekte Preisdiskriminierung, individuell

...zweiten Grades Indirekte Preisdiskriminierung, Kunden segmentieren selbst

...dritten Grades Indirekte Preisdiskriminierung, Kunden werden segmentiert

• Verhandlung • Versteigerung

• Liefer- & Abholpreise • Mengenrabatte • Preisbundling

• Persönlich (Studentenrabatt) • Räumlich (In- & Ausland) • Zeitlich (Tag vs. Nacht)

Abb. 2.10   Stufen und Methoden der Preisdifferenzierung. (Angelehnt an Wirtz, 2008, S. 206 f.; eigene Darstellung)

38

2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

­ achtspeicherheizung genutzt wurde. Wie bei saisonal schwankenden Preisen handelt es sich auch N bei den Hoch- und Niedertarifen um eine zeitliche Form der Preisdifferenzierung dritten Grades.

Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass die Auslobung individueller Preise insbesondere auf Basis der individuellen Eigenschaften eines potenziellen Kunden, aber auch auf Basis des räumlichen und des zeitlichen Kontexts schlicht als betriebswirtschaftlich geboten anzusehen ist, um die Produzentenrente zu maximieren. Entsprechend sollte, wo immer technisch sinnvoll möglich, stets eine am einzelnen Konsumenten ausgerichtete Preisfindung erfolgen, um die jeweils individuelle Zahlungsbereitschaft maximal auszureizen, ohne dabei jedoch potenzielle Kunden aufgrund zu hoher Preise zu verlieren. Während die Preise für eine zu kaufende App in den App-Marktplätzen vom Anbieter pauschal festgeschrieben werden – temporäre Preissenkungen, die jedoch im Grundsatz für alle Nutzer gelten, mal ausgenommen – können die Preise für In-App-Käufe im Prinzip völlig individuell gestaltet werden. Denkbar wäre also, dass dasselbe Produkt, zum Beispiel ein Bonus-Item in einer Gaming-App, zum selben Zeitpunkt zwei unterschiedlichen App-Nutzern auch zu unterschiedlichen Preisen angeboten wird. Während es in der Frühphase des nutzerindividuellen Dynamic Pricing mitunter Vorbehalte mit Blick auf die Nutzerakzeptanz gab und teilweise Unternehmen dies kategorisch ablehnten, ist die Auslobung individueller Preise mittlerweile gängige Praxis. Die mit Blick auf die Umsetzung einer solchen Pricing-Strategie spannende Frage lautet, welche Nutzerdaten für die Bestimmung eines Preises herangezogen und wie diese Daten interpretiert werden sollten. Obgleich die analytischen und statistischen Methoden nicht im Fokus dieses Werkes liegen, zeigen die im Folgenden herangezogenen Auszüge einer Erhebung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Delapina, 2021), wie unterschiedliche Anbieter mit Preisdifferenzierung umgehen. • Betrachtet werden unter anderem die Anbieter Amazon, Booking.com, SWOODOO, Opodo und fluege.de. • Bei allen genannten Anbietern wird mit Endgeräte-abhängiger Preisdifferenzierung gearbeitet, wobei die Erhebung im März 2021 eine deutliche Zunahme dieser Praxis im Vergleich zur Erhebung des Vorjahres feststellt. • Es kann keine einheitliche Systematik zu der Logik der Preisdifferenzierung identifiziert werden. Offenbar lassen die Anbieter unterschiedliche Faktoren in die Preisfindung einfließen und bewerten diese auch unterschiedlich. • Auf Booking.com kann für sechs von zehn Hotels gezeigt werden, dass der über Laptops, Notebooks und iPads abgerufene Preis um etwa zehn bis elf Prozent über dem auf Smartphones angezeigten Preis liegt. • Bei SWOODOO wird für einen Flug nach Barcelona festgestellt, dass der auf einem Notebook in Salzburg angezeigte Preis um rund 26 % höher ist als der zur gleichen Zeit auf einem Smartphone in Salzburg angezeigte Preis. • Der größte Preisunterschied wird bei Opodo festgestellt, wobei für einzelne Flüge je nach Endgerät ein um bis zu rund 55 % höherer Preis ausgewiesen wird.

2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix

39

Die Ergebnisse dieser Erhebung bieten einen ersten Anhaltspunkt, wie deutlich sich die Preise für ein Produkt über verschiedene Nutzer hinweg unterscheiden können. Die dazu herangezogenen Faktoren können, auch im App-Umfeld, sehr vielfältig sein. Neben räumlichen – wo befindet sich ein Nutzer geographisch gerade? – und zeitlichen – welche Tages- und Jahreszeit herrscht gerade? – können auch (weitere) Nutzer-spezifische Merkmale herangezogen werden, wie sie unter anderem bei Hollensen und Opresnik (2010, S. 139 ff.) zu finden sind: • Sozio-demographische Daten: Alter, Geschlecht, Wohnort, Einkommen, Familienstand, Bildungsstand • Verhaltensdaten: Kaufdaten, Nutzungs- und Surfverhalten • Psychographische Daten: Lifestyle und Persönlichkeit, Wertvorstellungen, Interessen, Meinungen und Einstellungen • Technische Merkmale: Gerätehersteller und -modell, Mobilfunkanbieter, Betriebssystem und Version des Betriebssystems Die Nutzer-spezifischen Merkmale werden unabhängig von der Preisdifferenzierung vertiefend im Kontext der Segmentierung im App-CRM beschrieben (Abschn. 5.3.5). Achtung: Preisdifferenzierung auf Basis sensibler Daten

Unabhängig von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit ist die Preisdifferenzierung auf Basis sensibler Daten wie ethnischer Herkunft, politischer Meinungen sowie religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen nicht nur moralisch zu hinterfragen, sondern bietet ein erhebliches Risiko im Sinne der öffentlichen Wahrnehmung eines Unternehmens. ◄ Insbesondere das Betriebssystem des Smartphones als technisches Merkmal wurde in den Anfängen der Preisdifferenzierung in Apps häufig als Merkmal herangezogen: Eine stärkere Zahlungsbereitschaft aufgrund der hohen Anschaffungskosten unterstellend konnte immer wieder beobachtet werden, dass iOS-Nutzer höhere Preise als AndroidNutzer angezeigt bekamen. Auch, dass iPhones häufiger als Diensthandys genutzt wurden als Android-basierte Smartphones dürfte diese Praxis unterstützt haben. Mittlerweile ist die pauschal und einzig auf das Betriebssystem ausgerichtete Heuristik als nicht mehr zeitgemäß anzusehen.

2.4.3 Place – Distributionspolitik im Kontext des App-Marketings Die Distributionspolitik beschreibt im Marketing-Mix den Weg eines Produkts vom Anbieter zum Verbraucher. Wird, wie auch schon im Kontext der Produktpolitik, die App selbst als Produkt betrachtet, wie es Tosic (2015a, S. 17) beschreibt, adressiert die ­Distributionspolitik im App-Marketing-Mix jene Frage, die den Weg einer App vom App-Publisher zum Nutzer beschreibt (Abb. 2.11).

40

2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Marketing-Mix Product/ Produktpolitik

Price/ Preispolitik

Place/ Distributionspolitik

Promotion/ Kommunikationspolitik

• Auf welchen Betriebssystemen und App-Marktplätzen wird die App angeboten? • In welchen Ländern ist die App verfügbar? • Sind Updates freiwillig oder werden sie erzwungen? • Wird die App über Pre-Install-Kooperationen auf bestimmten Handys vorinstalliert?

Abb. 2.11   Fragestellungen der Distributionspolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung)

Eine der zentralen Fragestellungen der Distributionspolitik im App-Marketing ist die nach den App-Marktplätzen, auf denen eine App angeboten werden soll. Während in den ersten Jahren nach dem Erscheinen des iPhone viele Apps zunächst nur für iOS, also im Apple App Store, und erst später dann auch für Android, also maßgeblich bei Google Play, angeboten wurden, gilt diese Praxis mittlerweile als überholt. Bereits seit vielen Jahren liegt der Marktanteil von Android beim Absatz von Smartphones kontinuierlich bei deutlich über 60, zwischenzeitlich sogar bei über 80 %, während iOS entsprechend zwischen 20 und 40 % schwankt (Kantar, 2022). Obwohl in bestimmten Marktsegmenten – wohlhabende Verbraucher, dienstlich genutzte Handy – von einem höheren iOS-Anteil ausgegangen werden kann, ist die Marktführerschaft von Android weltweit mittlerweile unbestritten. Insofern stellt sich Frage, ob eine App ausschließlich auf iOS angeboten werden sollte, heutzutage nicht mehr. Beispiel: Clubhouse – lange nur auf iOS verfügbar

Ein prominentes Gegenbeispiel für den (vorläufigen) Verzicht auf eine AndroidVersion ist die App Clubhouse der Firma Alpha Exploration Co. Bei Clubhouse können sich die Nutzer in virtuellen „Räumen“ zusammenfinden und dort an moderierten Diskussionen teilnehmen beziehungsweise Gespräche verfolgen. Das Audio-basierte soziale Netzwerk ging zeitgleich mit der beginnenden Corona-Pandemie live und erfuhr in den darauffolgenden Monaten einen regelrechten Hype. Zum Start im März 2020 wurde Clubhouse ausschließlich für iOS (Alpha Exploration Co., 2022a) angeboten. Erst 14 Monate später im Mai 2021 folgte der Launch der Android-App (Alpha Exploration Co., 2022b). Einerseits ermöglichte dieses Vorgehen Clubhouse zunächst, die Audio-Community als Produkt zu entwickeln, ohne dabei mit der Entwicklung und dem Betrieb

2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix

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von gleich zwei Apps – nämlich eine für iOS und eine für Android – konfrontiert zu sein. Andererseits könnte dies auch eine gezielte strategische Überlegung gewesen sein, um eine Exklusivität herzustellen und so die Begehrlichkeiten zur Teilnahme am Clubhouse-Netzwerk zu stärken. Zusätzlich zur Limitierung des Angebots auf iOS wurde, zum Streben nach Exklusivität passend, die Teilnahme bei Clubhouse anfänglich auch nur auf Einladung ermöglicht. Im Sommer und Herbst 2020 gab es damals eine regelrechte Flut von LinkedIn-Postings, in denen Menschen über ClubhouseSessions berichteten, öffentlich um Clubhouse-Einladung baten oder – als bereits bestehende Clubhouse-Nutzer – ihr noch offenes Einladungskontingent in ihrem Netzwerk anboten. Ralf Leister, Moderator und ein Gesicht der deutschen Social-Audio-Community, kommentiert die unterschiedlichen Launch-Zeitpunkte für iOS und Android so: „Gerade in der Anfangszeit hat der exklusive Ansatz zur Verbreitung der Clubhouse-App sicherlich die Angst, etwas zu verpassen (FOMO) verstärkt. Im Laufe der Zeit wurde jedoch auch die Kritik immer deutlicher – es wurde offen von Diskriminierung gesprochen. Im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Townhalls hat das Gründer-Team die Community in Bezug auf die Produktentwicklung auf dem Laufenden gehalten. Dadurch – und durch die wöchentlichen Updates der App – wurde deutlich, dass sich die Anwendung noch im Beta-Status befand und Doppelarbeit aufgrund verschiedener Betriebssysteme vermieden werden sollte. Der Android-Launch war erst nach Beseitigung der Kinderkrankheiten geplant. Meiner Wahrnehmung nach wurde die Entwicklung durch den Druck der Community und den unvorhersehbaren globalen Erfolg der iOS-Version dennoch vorgezogen – mit Erfolg.“ ◄ Literaturhinweis: Umfassende Einführung in Audio-only-Apps am Beispiel von Clubhouse Als Co-Autor hat Ralf Leister maßgeblich an dem Buch „Erfolgreich mit Clubhouse & Co – Wie man Audio-only-Apps nutzt und damit durchstartet“ von Thönnessen (2021) mitgewirkt. Es beschäftigt sich umfassend mit den Charakteristika und Erfolgsfaktoren bei der Nutzung von Clubhouse, wobei auch die Exklusivität als App-Marketing-Strategie diskutiert wird. Das Buch ist erschienen bei Redline, ISBN 978-3-86.881-000-4.

Neben der Frage, ob iOS und Apple App Store oder Android und Google Play, kann es auch Konstellationen geben, in denen andere App-Marktplätze relevant sein können. Die betrifft einerseits Marktplätze, die bewusst als Alternativen zu den „großen“ App-Marktplätzen von Apple und Google auftreten, und andererseits Marktplätze, die zu anderen Betriebssystemen oder Betriebssystem-Derivaten gehören. Die Nutzung eines alternativen Marktplatzes kann insbesondere dann relevant sein, wenn eine App zum Beispiel aufgrund ihres Inhalts gegen die Bestimmungen von Google verstößt. Aber auch andere Gründe sind denkbar, wie die folgenden Beispiel F-Droid und APKMirror zeigen. Diese gehören zu den bekanntesten alternativen Marktplätzen im Android-Kontext und werden im Folgenden jeweils kurz vorgestellt.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … Beispiel: F-Droid – Marktplatz für Free und Open-Source-Software

F-Droid ist ein alternativer App-Marktplatz für Android, der sich auf freie Software spezialisiert hat. Die angebotenen Apps werden mit GNU GPL oder Apache-Lizenz angeboten und der Quellcode kann von den (in der Materie kundigen) Endnutzern angesehen (und verändert) werden. Mit einer eigenen F-Droid-Signatur soll diese Form des App-Marktplatzes laut eigenen Angaben von F-Droid für mehr Transparenz und Sicherheit sorgen. Da für die Nutzung von F-Droid – im Gegensatz zu Google Play – keine Registrierung erforderlich ist, lässt sich F-Droid anonym nutzen (F-Droid, 2022). Die Plattform beschreibt sich selbst so: „F-Droid is a robot with a passion for Free and Open Source Software (FOSS) on the Android platform. On this site you’ll find a repository of FOSS apps, along with an Android client to perform installations and updates, news, reviews, and other features covering all things Android and software-freedom related.“ (F-Droid, 2022)

Aus App-Marketing-Sicht ist die Vermarktung einer App über F-Droid vermutlich nur in Einzelfällen relevant. Die Offenlegung des Quellcodes und Möglichkeit der Nutzung ohne Registrierung machen F-Droid unter anderem zu einem interessanten Distributionskanal, wenn eine App vor allem Menschen anspricht, die ein hohes Bewusstsein für Privatsphäre und Sicherheit haben oder selbst in der App-Entwicklung tätig sind und mit dem offenen Quellcode umzugehen wissen. ◄ Beispiel: APKMirror – Marktplatz mit Versionshistorie und ohne geographische Restriktionen

Als “highly curated community” (APKMirror, 2022) positioniert sich der App-Marktplatz APKMirror für Android. Der damit zum Ausdruck gebrachte Qualitätsanspruch an die dort veröffentlichten Apps soll vermutlich insbesondere von solchen Anbietern abgrenzen, die jede eingereichte App ohne weitere Qualitätskontrolle veröffentlichen. Aus Nutzersicht führt der App-Marktplatz unter anderem drei Gründe an, weshalb Nutzer APKMirror zum Download von Apps nutzen sollten. Da die Rollouts neuer App-Versionen mitunter einige Zeit seitens Google Play in Anspruch nehmen, versucht APKMirror diese Lücke zu schließen und bietet neue App-Versionen direkt nach Veröffentlichung allen Nutzer sofort an: „Allow updates to popular apps that are rolling out slowly and may not yet be available to you to be downloaded and installed sooner.“ (APKMirror, 2022)

Auch Geo-Restriktionen, also zum Beispiel die Beschränkung von Apps auf einzelne Länder, etwa aus lizenzrechtlichen Gründen, lassen sich mit APKMirror umgehen. Nutzer können Apps aus jedem Land der Welt installieren, auch, wenn die App über Google Play eigentlich nicht für ihr Land verfügbar wäre: „Get around geo-restrictions and sideload popular apps that may not be otherwise available in your country.“ (APKMirror, 2022)

2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix

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Schließlich bietet APKMirror auch eine Versionshistorie der angebotenen Apps samt Changelog und Beschreibungen an. Nutzer haben so die Möglichkeit, gezielt ältere Versionen einer App herunterzuladen, während bei Google Play immer nur die aktuelle Version einer App angeboten wird: „Provide an archive of popular applications along with changelogs and descriptions, so that you can roll back to an earlier version if a new one starts crashing or removes features you’ve grown to enjoy.“ (APKMirror, 2022)

Obwohl es Fälle geben mag, in den ein App-Publisher APKMirror oder ähnliche Services gezielt berücksichtigen wollen könnte, sind derartige Angebote, insbesondere mit Blick auf Geo-Restrictions, vor allem aus Nutzersicht relevant. Gleichwohl lohnt es, sich solcher Angebote zumindest bewusst zu sein, insbesondere, wenn geographische Beschränkungen in der App-Distribution einen hohen Stellenwert haben. ◄ Neben den alternativen App-Marktplätzen, wie sie zuvor für Android beschrieben wurden, gibt es auch App-Marktplätze, die entweder für andere Betriebssysteme oder für Betriebssystem-Derivate gebaut wurden. Dies kann zum Beispiel den App-Marktplatz eines Smart-TV-Herstellers betreffen, wenn ein Publisher Apps für Smart-TVs entwickelt, aber auch, wenn eine App für Fire OS angeboten wird. Beispiel: Amazon Appstore – Marktplatz für Fire OS

Der Amazon Appstore ist der App-Marktplatz für das Amazon-eigene Android-Derivat Fire OS, welches unter anderem auf dem Fire Phone und den (Kindle) Fire Tablets zu finden ist. Der Amazon Appstore bietet ausschließlich Android-Apps an und lässt sich nicht nur auf Amazon-Geräten, sondern auch auf anderen Android-Geräten als Alternative oder Ergänzung zu Google Play nutzen (Wikipedia, 2022). ◄ Aus App-Publisher-Sicht kann der Amazon Appstore in bestimmten Fällen eine interessante Ergänzung zu den großen App-Marktplätzen von Apple und Google darstellen. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Amazon beziehungsweise Amazon Fire mit einem Marktanteil von neun Prozent in Deutschland der drittwichtigste Anbieter von Tablets nach denen Samsung und dem Apple iPad ist (Statista Global Consumer Survey (GCS), 2022). Zusätzlich relevant ist dabei der Umstand, dass die Amazon-Tablets mit Preisen zwischen rund 100 und 200 € und mit einer speziellen „Kids“-Variante relativ starke Verbreitung bei Familien finden dürfte. Beispiel: KiKANiNCHEN-App – für Android, iOS und Fire OS

Eine der Apps, die unter anderem im Fernsehen damit wirbt, „neben dem Google Play Store und dem App Store auch im Amazon Appstore zur Verfügung“ zu stehen und sogar „zusätzlich für Amazon Tablets weiterentwickelt“ wurde, ist die KiKANiNCHEN-App des Fernsenders KiKA, dem Kinderkanal von ARD und ZDF (KiKA, 2022).

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … „Gemeinsam mit Kikaninchen gehen sie auf spannende Erkundungstouren und gestalten Schnipseltiere im Bauernhof, erfinden abenteuerliche Fahrzeuge und probieren sie aus oder schauen ihre Lieblingssendungen aus dem KiKANiNCHEN Fernsehprogramm. [...] Die KiKANiNCHEN-App möchte Vorschulkinder dort abholen, wo sie sich in ihrem individuellen Entwicklungsstand befinden. Sie werden entsprechend ihrer Bedürfnisse gefördert, ohne sie dabei zu überfordern.“ (KiKA, 2021)

Der Umstand, dass die KiKANiNCHEN-App explizit mit der Verfügbarkeit im Amazon Appstore wirbt und für diesen offenbar auch eigens angepasst wurde, zeigt, unabhängig davon, ob es sich möglicherweise um eine Medienpartnerschaft zwischen Amazon und KiKA handelt, die Relevanz des Amazon Appstore in diesem speziellen Fall. Insofern kann es für App-Publisher je nach Zielgruppe durchaus interessant sein, eine Platzierung auf alternativen App-Marktplätzen als Ergänzung zu denen von Google und Apple zu erwägen. ◄ Zusätzlich zur umfassend diskutierten Frage der App-Marktplätze ist auch die geographische Ausrichtung einer App (jedenfalls teilweise) eine Fragestellung der Distributionspolitik. Dabei geht es, in Abstimmung mit der Produktpolitik, im Kern um die Frage, in welchen Ländern eine App angeboten wird. Darüber hinaus lässt sich die Frage auch deutlich komplexer diskutieren, etwa, wenn im Kontext einer Internationalisierung entschieden werden muss, ob eine bestehende App einfach für ein weiteres Land „freigeschaltet“ werden soll, Anpassungen zum Launch in einem weiteren Land notwendig sind oder die Internationalisierung durch den Launch einer (aus technischer Sicht) separaten App bewältigt werden soll, die der ursprünglichen App – jedenfalls weitestgehend – entspricht. Auch die Frage, wie eine App mit dem Erzwingen von Updates umgeht, kann eine Frage der Distributions-, aber auch der Produktpolitik sein. So wäre beispielsweise denkbar, Updates grundsätzlich, grundsätzlich nicht oder nur in bestimmten Fällen, etwa bei sicherheitsrelevanten Verbesserungen, zu erzwingen. Sollen zur Akquise neuer Nutzer Pre-Install-Kampagnen genutzt werden, bei denen eine App über Kooperationen mit Handy- und Mobilfunkanbietern auf neuen Handys vor Auslieferung vorinstalliert wird, betrifft dies die Distributionspolitik. Pre-Install-Kampagnen erfordern, dass dem Anbieter des Werbeplatzes, also zum Beispiel dem Handyhersteller, die App zur Verfügung gestellt wird, wobei es sich um eine definierte Version handelt. Wird eine App also auf Endgeräten vorinstalliert, die in den kommenden drei Monaten ausgeliefert werden, wird die dort installierte App entsprechend drei Monate nicht aktualisiert. Nutzer müssen die App also direkt nach Einrichten ihres neuen Handys aktualisieren oder die App darf in der Zwischenzeit nicht so weiterentwickelt worden sein, dass sie ohne Update nach der Einrichtung des neuen Handys nicht mehr benutzbar wäre. Pre-Install-Kampagnen werden ausführlich in Abschn. 4.4.7 behandelt.

2.4  Einbettung des App-Marketings im Marketing-Mix

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2.4.4 Promotion – Kommunikationspolitik im Kontext des AppMarketings Die Kommunikationspolitik im Marketing-Mix beinhaltet insbesondere die große Welt der Werbung und der Verkaufsförderung im weitesten Sinne sowie die Öffentlichkeitsund Pressearbeit. Da viele Aspekte der Kommunikationspolitik im weiteren Verlauf des Buches, insbesondere in den Kapiteln zur App-Vermarktung (Kap. 4) und zum AppCRM (Kap. 5), ausführlich diskutiert werden, sollen hier zunächst nur die wesentlichsten Fragestellungen und lediglich einführend betrachtet werden (Abb. 2.12). Im Kern lässt sich die Kommunikationspolitik im App-Marketing auf drei Aspekte reduzieren – wer wird auf welchen Kanälen und mit welchen Inhalten angesprochen. Dabei muss grundsätzlich zwischen der App-Vermarktung, also der Akquise und Aktivierung neuer Nutzer, und dem App-CRM zur Aktivierung, Bindung und Monetarisierung bestehender Nutzer unterschieden werden. In beiden Disziplinen lassen sich verschiedene Ansätze zur Segmentierung, verschiedene Kanäle und verschiedene inhaltliche Ansätze nutzen, wobei sich alle Parameter aus den verfolgten Zielen ergeben. So wird eine App, die eine bekannte Marke repräsentiert und zur Festigung ohnehin bestehender Kundenbeziehungen dienen soll, in der Vermarktung anders platziert werden als eine App, die ohne bekannte Unternehmensmarke und als Stand-Alone-Produkt entwickelt wurde. Im ersten Fall würden gezielt Bestandskunden, bevorzugt über Owned(eigene Website, eigener Blog, eigener Newsletter) und Earned-Media-Kanäle (Social Media) und wohl mit Fokus auf funktionale Vorteile bei der Nutzung des Produkts des Unternehmens angesprochen werden. Im zweiten Fall käme vor allem die Nutzung von Paid-Media-Kanälen infrage, um neue Nutzer zu akquirieren. Auch wäre hier, wenn möglich und sinnvoll, eine monetäre Vorteilskommunikation denkbar.

Marketing-Mix Product/ Produktpolitik

• • • • •

Price/ Preispolitik

Place/ Distributionspolitik

Promotion/ Kommunikationspolitik

Wie werden potenzielle App-Nutzer bei der Vermarktung angesprochen? Wie werden die bestehenden App-Nutzer angesprochen? Welche Inhalte werden kommuniziert? Welche Maßnahmen im Sinne der Verkaufsförderung werden genutzt? Welche Kommunikations- bzw. Werbekanäle werden genutzt?

Abb. 2.12   Fragestellungen der Kommunikationspolitik im App-Marketing. (Grafik angelehnt an Wirtz, 2016, S. 93; eigene Darstellung)

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

2.5 App-Marketing in der Unternehmensorganisation Soll das App-Marketing in einem Unternehmen aufgebaut oder professionalisiert werden, ist die Verankerung der Disziplin in der Unternehmensorganisation von hoher Bedeutung und in enger Weise mit dem Erfolg des App-Marketings verwoben. Sowohl mit Blick auf die Aufbau- als auch mit Blick auf die Ablauforganisation ist das App-Marketing stark mit dem Management von Schnittstellen verbunden und einerseits Impulsgeber, andererseits aber auch auf die Zu- und Mitarbeit der bereits diskutierten angrenzenden Disziplinen angewiesen (Abschn. 2.2). Besonders deutlich wird die Aufgabe des Schnittstellenmanagements, wenn man sich exemplarisch ein E-Commerce-Unternehmen vor Augen führt, wie es ausschnittsweise mit Fokus auf die Unternehmensbereiche IT und Marketing in Abb. 2.13 dargestellt ist. Bedenkt man, dass das App-Marketing sowohl die Vermarktung einer App als auch das Marketing mit und aus einer App heraus umfasst und dabei auch auf die App-Entwicklung einwirken muss, ergibt sich hieraus die Einbindung zahlreicher Abteilungen aus den Bereichen Marketing und IT. Dies gilt auch dann, wenn es, wie in Abb. 2.13 dargestellt, keine dediziert für das App-Marketing verantwortliche Organisationseinheit gibt. In dem in Abb. 2.13 gezeigten Ausschnitt des Organigramms eines fiktiven ECommerce-Unternehmens wäre auch ohne dedizierte App-Marketing-Abteilung denkbar, dass dennoch App-Marketing stattfindet. So könnte die Organisationseinheit Smartphone-App innerhalb des Produktmanagements als Teil der IT durchaus eine entGeschäftsleitung IT Produktmanagement

Marketing

Entwicklung

OnlineMarketing

Klassisches Marketing

Online-Shop

Frontend

SEO

TV

Corporate Website

Backend

SEA & PSM

Radio

SmartphoneApp

Database

Social Media

Print

Internal Applications

UX/UIDesign

Newsletter

Dialogmarketing

Abb. 2.13    App-Marketing-relevante Organisationseinheiten am fiktiven Beispiel eines ECommerce-Unternehmens

2.5  App-Marketing in der Unternehmensorganisation

47

sprechende Smartphone-App konzipieren und auf Basis eines Webviews in Abstimmung mit einem UX/UI-Design-Team als Frontend entwickeln lassen und veröffentlichen. Gleichzeitig wäre denkbar, dass eine solche App auch im Marketing, insbesondere im Online-Marketing, vermarktet würde, zum Beispiel, indem ein SEO-Team sich um die Präsenz auf den App-Marktplätzen kümmerte und die App weiterhin über entsprechende Kampagnen vom SEA- & PSM- sowie vom Social Media-Team, aber auch zum Beispiel vom TV-Team beworben würde. Als Aufgabe des digitalen Dialogmarketings verstanden und analog zum Newsletter-Marketing aufgefasst, könnte das Newsletter-Team sich um die Aussteuerung von Push Notifications kümmern. App-Marketing erfordert klare Verantwortlichkeiten Obwohl in diesem Szenario die Bewältigung der Aufgaben des App-Marketings durchaus denkbar ist, ist der Mangel einer dediziert für diese Aufgaben verantwortlichen Stelle als kritisch anzusehen. Ohne eine klare Verantwortlichkeit, die sowohl inhaltlich als auch technisch die App-Marketing-Aktivitäten jedenfalls steuert und überwacht, wenn auch nicht notwendigerweise selbst durchführt, dürfte ein erfolgreiches, strategisch durchdachtes App-Marketing nur schwer möglich sein. Marian Bucher, einer der führenden App-Marketing-Experten in Deutschland und Professional Expert App Growth bei OTTO, schildert dazu seine Erfahrungen aus dem Marketing für die OTTO-App, die zu den erfolgreichsten Shopping-Apps in Deutschland und Europa gehört. Er betont insbesondere die Relevanz des Schnittstellenmanagements und der Definition klarer Verantwortlichkeiten: „Damit das App-Marketing und die zugehörige App-Marketing-Strategie erfolgreich im Unternehmen umgesetzt werden können, müssen Verantwortlichkeiten klar definiert werden, insbesondere, weil das App-Marketing durch zahlreiche Schnittstellen innerhalb und außerhalb des Online-Marketings geprägt ist. Meiner Erfahrung nach ergibt eine dezentrale Steuerung der einzelnen App-Marketing-Maßnahmen und -Kanäle nur dann Sinn, wenn einerseits eine echte cross-funktionale Zusammenarbeit zwischen den Marketing-Teams sichergestellt werden kann, andererseits jedoch weiterhin eine zentrale Budgetplanung, eine ganzheitliche Measurement- und Reporting-Infrastruktur sowie eine kanalübergreifende App-Strategie existieren. Denkbar ist beispielsweise die operative Kanaltrennung im App-Marketing-Kontext zwischen Social Media Advertising (Meta, TikTok, Snap etc.) und den weiteren Kanälen beziehungsweise Plattformen (Google, Apple Search Ads, Pre-Install, Mobile Demand Side Platforms etc.). Diese Aufteilung der Verantwortlichkeiten sollte sich dabei nicht nur auf die App Install-Maßnahmen beschränken, sondern auch gleichermaßen die damit eng verbundenen Maßnahmen des App Re-Engagements berücksichtigen. Hierdurch können innerhalb eines Werbeökosystems große Teile der App Customer Journey aus einer Hand betreut werden. Zusätzlich ist diese Aufteilung vergleichsweise schlank und verringert Informationsverluste und Schnittstellenaufwände. Schließlich sollte eine möglichst enge Zusammenarbeit mit Teams außerhalb des Online-Marketings, wie beispielsweise dem App-Produktteam oder dem Team, welches die Push Notifications als Teil des CRMs verantwortet, sichergestellt werden.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … Im Idealbild existieren darüber hinaus gemeinsame Ziele, sowie eine übergreifend definierte App-Strategie. Erst hierdurch können Produktentwicklung und (App-) Marketing voneinander bestmöglich profitieren und schlussendlich ein besseres Nutzer- bzw. Kundenerlebnis erschaffen.“

Hieraus ergibt sich in der Folge die Frage, wie das App-Marketing in einem Unternehmen verankert werden sollte, wobei sowohl die Aufbau- als auch die Ablauforganisation zu berücksichtigen sind. App-Marketing in der Aufbauorganisation Zunächst soll die Frage betrachtet werden, wie das App-Marketing in der Aufbauorganisation eines Unternehmens verankert werden sollte. Dabei wird die Aufbauorganisation als das hierarchische Grundgerüst eines Unternehmens verstanden, welches typischerweise als Organigramm darstellt wird und Einblicke darüber gibt, welche Organisationseinheiten in einem Unternehmen mit welchen Aufgaben betraut sind. Die zunächst grundlegend zu treffende Entscheidung mit Blick auf das App-Marketing lautet, ob dieses überhaupt als eine eigene Organisationseinheit in der Aufbauorganisation verankert sein sollte. Hierzu ist, wie bereits eingangs in diesem Kapitel angedeutet, festzuhalten, dass es mindestens eine dediziert mit dem App-Marketing betraute Person in einer Unternehmensorganisation geben sollte. Darüber hinaus ist auch, je nach (zukünftig angestrebter) Relevanz einer (gegebenenfalls noch relativ neuen) App der Aufbau einer eigenen Organisationseinheit, also etwa einer App-Marketing-Teams, sinnvoll. Nicht zwangsläufig muss auch die Bewältigung der Aufgaben der einzelnen Teilbereiche des App-Marketings auch in dieser Organisationseinheit erfolgen, jedoch ist vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen und auf den Gesamterfolg des Produkts „App“ bedachten Ansatzes zu einer in eben dieser Organisationseinheit zentralisierten Verantwortlichkeit zu raten. Eine in der Praxis recht häufig zu findende Möglichkeit, ein dediziertes App-Marketing in der Aufbauorganisation eines Unternehmens zu verankern, in dem die App nicht das einzige oder zentrale, sondern ein substitutives (App Second) oder komplementäres Produkt ist, wird in Abb. 2.14 dargestellt. Unterhalb der Geschäftsleitung existiert ein Marketing-Bereich, in dem auch das Online-Marketing verankert ist. Das App-Marketing ist Teil des Online-Marketings, wobei die benachbarten Organisationseinheiten häufig auf die einzelnen Online-MarketingKanäle zugeschnitten sind, während das App-Marketing als Organisationseinheit eher einen Zweck beschreibt. Obwohl dem App-Marketing häufig auch eigene Kanäle, insbesondere der Bereich App Store Optimization (Abschn. 4.4.1), zugeordnet werden, ist das App-Marketing auf die Zuarbeit anderer Organisationseinheiten angewiesen, die in Abb. 2.14 grau hinterlegt sind. So wäre denkbar, dass sich das SEA-Team um die Schaltung bezahlter Anzeigen für die App kümmert, während im Display Advertising Banner geschaltet werden, mit denen Websitebesucher durch Retargeting zur App-Installation bewegt werden sollen.

2.5  App-Marketing in der Unternehmensorganisation

49

Geschäftsleitung

Einkauf

Produktion

Logistik

Marketing

...

Marktforschung

OnlineMarketing

Direktmarketing

TV, Radio, Print

...

SEO

SEA

AppMarketing

Display

...

Abb. 2.14   App-Marketing als Organisationseinheit im Online-Marketing

Auch die Aussteuerung von Push Notifications und In-App Messages wird mitunter aufbauorganisatorisch nicht im App-Marketing, sondern im Direktmarketing verankert, weil hier auch der Newsletter und das postalische Direktmarketing liegen und den drei Kanälen eine gewisse Ähnlichkeit zugeschrieben wird. Von zentraler Bedeutung ist an dieser Stelle, dass das App-Marketing einerseits eine dedizierte Verantwortlichkeit benötigt, bestenfalls manifestiert in einer eigenen Organisationseinheit, auch, um eine Art „Nichtzuständigkeits-Syndrom“ (Siedenbiedel, 2020, S. 37) zu vermeiden, andererseits jedoch nicht zu einem Silo verkommen darf, sondern in hohem Maße auf die Zuarbeit angrenzender Disziplinen angewiesen ist und diesen auch selbst zuarbeiten muss, um– vereinfacht ausgedrückt – sowohl „Werbung“ für die App als auch innerhalb und somit mit der App zu machen. App-Marketing in der Ablauforganisation Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit angrenzenden Disziplinen führt zur Frage der Eingliederung des App-Marketings in die Ablauforganisation. Hierzu sollen drei verschiedene Szenarien betrachtet werden. Zunächst wird die Rolle des App-Marketings als einer von mehreren Marketingkanälen betrachtet, welche eine vorgegebene Kampagne umsetzen sollen – also Marketing innerhalb beziehungsweise mit der App erfolgen soll. Anschließend wird der Fall diskutiert, in dem das App-Marketing eine auf die App zugeschnittene Kampagne, zum Beispiel zum Generieren von App Installs, anstrebt, also Marketing für die App gemacht werden soll. Ergänzend dazu folgt eine Erörterung, wie sich Einzelmaßnahmen auf einzelnen Kanälen für die App in die Ablauforganisation eingliedern lassen. Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt vor allem darauf, ganz praktisch für die Komplexität des App-Marketings durch die große Anzahl von Schnittstellen zu sensibilisieren. Eine umfassende „Strukturierung der betrieblichen Leistungs- und Informationsprozesse in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht“ im Kontext des App-Marketings, wie Siedenbiedel (2020, S. 33 f.) die Ablauforganisation versteht, ist dabei explizit nicht gemeint.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Literaturhinweis: Hintergrundwissen zur Ablauf- und prozessorientierten Organisation Ausführlich behandelt werden die Ablauforganisation und insbesondere die prozessorientierte Organisation im Buch „Organisationale Gestaltung“ von Siedenbiedel (2020). Das Buch ist erschienen bei Springer Gabler, ISBN 978-3-658-31.711-9.

Zunächst soll beschrieben werden, wie sich das App-Marketing in die Marketingorganisation eingliedert, wenn die App als ein Marketingkanal verstanden wird, über den eine Werbebotschaft oder eine Kampagne transportiert werden soll (Abb. 2.15). Analog zu anderen Marketingkanälen wie – online – Social Media, Display Advertising oder SEA – oder – klassisch – Radio, TV oder Direktmarketing – erhält das App-Marketing die Rahmendaten zu einer geplanten Kampagne bestenfalls über eine zentrale Stelle zur Planung und Koordination. Diese agiert auf Basis einer erarbeiteten Gesamtplanung, nimmt die kanalübergreifende Orchestrierung vor und fordert von den beteiligten Kanälen (wie dem App-Marketing) auf Basis der Rahmendaten eine entsprechende Zuarbeit an. Die konkrete Umsetzung einer Kampagne richtet sich dabei nach den spezifischen Rahmenbedingungen des jeweiligen Kanals. Im Kontext einer App könnte es beispielsweise Einschränkungen hinsichtlich der technischen Kompatibilität einzelner Kampagnenelemente geben oder ein spezielles Tracking erforderlich sein. Häufig sind diese Rahmenbedingungen mit dem Kanal nicht in der Tiefe vertrauten Beteiligten nicht oder jedenfalls nicht hinreichend bekannt. Insofern ist es sinnvoll bis erforderlich, dass die Umsetzung einerseits kanalspezifisch erfolgt und das App-Marketing frühzeitig mit in die Planung von Kampagnen einbezogen wird. So können Restriktionen frühzeitig er-

Marketingorganisation

Gesamtplanung und kanalübergreifende Steuerung

Zentrale Kampagnenplanung & -koordination Social Media

Radio Direktmarketing

Display Advertising

TV

Kanalspezifische Umsetzung

SEA

App-Marketing

Abb. 2.15   App-Marketing in der Ablauforganisation – App als Werbekanal

2.5  App-Marketing in der Unternehmensorganisation

51

kannt und entweder in der Planung berücksichtigt oder gegebenenfalls durch die AppEntwicklung behoben werden. Ebenfalls ein denkbares Szenario ist das Auftreten des App-Marketings als Anforderer einer übergreifenden Kampagne zur App-Vermarktung, wobei diese bestenfalls durch eine zentrale Organisationseinheit geplant und über die verschiedenen Kanäle hinweg koordiniert wird (Abb. 2.16). Auch in diesem Fall ist eine enge Zusammenarbeit mit der zentralen Stelle zur Kampagnenplanung und -koordination notwendig, um die spezifischen Eigenschaften im App-Umfeld hinreichend zu berücksichtigen. Gleiches gilt wiederum bei der Umsetzung der Kampagne auf den unterschiedlichen beteiligten Kanälen, die ebenfalls spezifische Eigenschaften und Anforderungen mitbringen, die bereits bei der Konzeption zu bedenken sind. Eine Besonderheit im App-Marketing besteht unter anderem darin, dass Apps (im Gegensatz zu Web-Browsern) nicht automatisch (Web-) URLs verarbeiten können, sondern mit Deeplinks arbeiten, die zwar strukturell einer (Web-) URL ähneln können, jedoch spezifisch für eine bestimmte App implementiert werden. Auch funktioniert das Tracking von App-Installs etwas anders als es zum Beispiel im Online-Marketing bekannt ist (vgl. Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung Abschn. 4.5). Was für eingespielte Marketing-Teams, die zum wiederholten Mal eine Kampagne zur AppVermarktung umsetzen, als selbstverständlich angesehen werden mag, braucht bei weniger eingespielten Teams eine enge Abstimmung und mitunter operative Unterstützung sowie ein Testing durch das App-Marketing selbst, um die korrekte Funktion von Verlinkungen und Tracking sicherzustellen. Marketingorganisation

Gesamtplanung und kanalübergreifende Steuerung

Zentrale Kampagnenplanung & -koordination

Direktmarketing TV

Kanalspezifische Umsetzung

Anforderung zentraler Kampagne zur AppVermarktung

Radio

Social Media Display Advertising SEA

App-Marketing

Abb. 2.16   App-Marketing in der Ablauforganisation – App als Anforderer einer übergreifenden Kampagne

52

2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … Marketingorganisation

Zentrale Kampagnenplanung & -koordination Radio Direktmarketing

FacebookKampagne Newsletterpromotion

TV

Nennung im TV-Spot

Social Media Display Advertising SEA Kampagne zur Reaktivierung

App-Marketing

Abb. 2.17   App-Marketing in der Ablauforganisation – App-Vermarktung durch kanalspezifische Einzelmaßnahmen

Die aktive Unterstützung der verschiedenen Marketingkanäle durch das App-Marketings ist auch dann sinnvoll, wenn kanalspezifische Einzelmaßnahmen zur App-Vermarktung umgesetzt werden sollen, wie in Abb. 2.17 dargestellt. Hierbei handelt es sich insbesondere um solche Maßnahmen, die laufend zur Akquise, aber auch zum Beispiel zur Reaktivierung von Nutzern beitragen sollen, ohne, dass sie einer übergeordneten Kampagne zuzuordnen wären. Es kann diskutiert werden, ob und welche Rolle innerhalb der Marketingorganisation dabei eine Stelle zur zentralem Kampagnenplanung und -koordination spielen sollte. Einerseits ist denkbar, diese bei der Planung, Umsetzung und Steuerung solcher dauerhaft angelegten Maßnahmen außen vor zu lassen, um den Overhead so gering wie möglich zu halten. Andererseits kann die Umsetzung einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen ohne übergreifende Koordination zu einer Unübersichtlichkeit, inkonsistenter Kommunikation und in der Folge zu Nutzerirritationen führen. Denkbar wäre eine solche Irritation etwa im Fall eines E-Commerce-Unternehmens, das per Social Media Websitebesucher im Retargeting sowohl zum Installieren der App als auch zum Abonnieren des Newsletters auffordert und für beide Aktionen jeweils mit einem monetären Incentive, etwa einem 20-Euro-Gutschein, belohnt. Auch innerhalb des App-Marketings wäre eine Irritation denkbar, wenn die Installation auf dem einen Kanal – Newsletter – mit einem 10-Euro-Gutschein und auf dem anderen Kanal – Social Media – mit einem 15-EuroGutschein belohnt würde. Alle skizzierten Fälle jedenfalls verdeutlichen, dass das App-Marketing innerhalb der Marketingorganisation zahlreiche Schnittstellen aufweist und insofern nur durch enge Abstimmung mit umliegenden Disziplinen erfolgreich sein kann.

2.5  App-Marketing in der Unternehmensorganisation

53

App-Marketing im Zusammenspiel mit der App-Entwicklung Eine organisatorisch komplexe Fragestellung ist die nach dem Zusammenspiel von AppMarketing und App-Entwicklung. Aus theoretischer Sicht ist die App-Entwicklung – gemeinsam mit App-Vermarktung und App-CRM – Teil des Dreiklangs im App-Marketing (Abb. 2.3). Aus diesem muss sich ein Gestaltungsanspruch des App-Marketings an die App-Entwicklung ergeben, welcher sich insbesondere in der Produktpolitik als Schnittmenge aus App-Marketing und Produktmanagement manifestiert (Abb. 2.1). Nicht nur muss die App-Entwicklung die Hygieneanforderungen an eine App, etwa hinsichtlich Stabilität, erfüllen, sondern ist auch elementar bei der Schaffung von Features, die zur Akquise, Aktivierung, Bindung und Monetarisierung der Nutzer beitragen (Abb. 2.4). Während die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit beider Funktionen offenkundig auf der Hand liegt, stellt sich die Frage, wie dem in der Praxis Rechnung getragen wird. Tatsächlich scheint in manchen Unternehmen eine gewisse Distanz zwischen App-Marketing und App-Entwicklung zu existieren. Diese zeigt sich insbesondere durch Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit, etwa, weil eine App „am Markt vorbei“ entwickelt wird oder das Marketing ein unzureichendes Verständnis für die spezifischen technischen Rahmenbedingungen im App-Umfeld aufweist. Auch blendet das App-Marketing als Funktion die Aufgaben und Fragestellungen im Sinne der Produktpolitik mitunter schlicht aus und überlässt diese dem häufig in der IT verankerte, stark funktional getriebene Produktmanagement. Die Gründe für diese Defizite mögen vielfältig sein, wobei sicherlich zwei besonders relevante explizit zu nennen sind. Einerseits dürften die Gründe für die mangelnde Zusammenarbeit von App-Marketing und App-Entwicklung in der Aufbauorganisation vieler Unternehmen zu suchen sein. Nicht selten sind beide Funktionen wie in Abb. 2.13 bereits auf hoher Ebene im Organigramm getrennt voneinander, wobei die App-Entwicklung dem IT-Bereich und das App-Marketing dem Marketing-Bereich zugeordnet wird. Durch unterschiedliche Führungskräfte, unterschiedliche Zielstellungen und getrennte Budgettöpfe wird die Distanz von App-Marketing und App-Entwicklung zusätzlich vergrößert. Bestenfalls ist das App-Marketing in diesem Szenario ein Stakeholder, der Anforderungen an die App-Entwicklung formulieren darf, jedoch keinen Einfluss auf die Umsetzung hat und in den Umsetzungsprozess auch nicht weiter eingebunden wird. Zusätzlich zur Distanz im Organigramm dürften zweitens für die mangelnde Zusammenarbeit von App-Marketing und App-Entwicklung häufig kulturelle Differenzen zwischen den Disziplinen und Organisationseinheiten anzuführen sein. Auch, wenn das Bild der im Keller sitzenden Entwickler und das der hippen Yuppie-Marketers längst ausgedient haben dürfte, sind die unterschiedlichen Arbeitsweisen und mitunter in Marketing und Entwicklung anzutreffenden Stereotypen jedenfalls nicht völlig von der Hand zu weisen. Doch wie könnte eine Zusammenarbeit von App-Marketing und App-Entwicklung aussehen, um ein ganzheitlich gedachtes App-Marketing sicherzustellen? Unabhängig von der Frage, ob diese Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Organisationseinheit im Sinne der Aufbauorganisation stattfindet oder ob es sich eine

54 Abb. 2.18   AppMarketing als Teil eines gesamtverantwortlichen, crossfunktionalen App-Teams

2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … Cross-funktionales App-Team Product Owner

AppEntwickler

UX/UIDesigner

Data Analyst

App-Marketing -Manager

Zusammenkunft mehrerer Organisationseinheiten handelt, kann für ein ganzheitlich gedachtes App-Marketing ein cross-funktional besetztes App-Team etabliert werden, wie es in Abb. 2.18 dargestellt ist. Gemeinsam verfolgen Product Owner, App-Entwickler, UX/ UI-Designer, Data Analyst und App-Marketing-Manager das Ziel, die App als Gesamtprodukt voranzutreiben. Statt eines wöchentlichen Update-Meetings, in dem der Product Owner das Marketing über den aktuellen Stand informiert, arbeiten die Beteiligten täglich miteinander zusammen. Das App-Marketing „kippt“ nicht nur Anforderungen in den Entwicklungsprozess, sondern beteiligt sich aktiv an der Konzeption, testet die angeforderten Features selbst, gibt Feedback und trägt so aktiv zu einer marktgerecht entwickelten App bei. Zusammengefasst ergeben sich aus den Überlegungen zur Verankerung des App-Marketings in der Unternehmensorganisation in Kombination mit den diskutierten Zielen und Zielkonflikten (Abschn. 2.3) vier Empfehlungen: 1. Es benötigt eine dedizierte Verantwortlichkeit für das App-Marketing. Dies kann eine einzelne Person oder eine ganze Organisationseinheit sein. Ihre Aufgabe besteht insbesondere in der übergreifenden Steuerung der App-Marketing-Aktivitäten. 2. Es benötigt eine enge Abstimmung zwischen App-Marketing und der Organisationseinheit, die mit der App-Entwicklung betraut ist, um ein ganzheitlich gedachtes AppMarketing zu gewährleisten. Bestenfalls verstehen sich alle wesentlich am Erfolg der App beteiligten Personen als ein (cross-funktionales App-) Team. 3. Es benötigt abgestimmte Aktivitäten zur Akquise und zur Bindung von Nutzern, um diese über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg konsistent bearbeiten zu können. Dazu müssen Akquise und Bindung voneinander abgegrenzt und mögliche Zielkonflikte klar identifiziert werden, um die ganzheitlich gedachten App-MarketingZiele umsetzen zu können. 4. Insbesondere bei Akquise-, aber gegebenenfalls auch bei Maßnahmen zur Aktivierung und Bindung von Nutzern sowie bei der Verlängerung von Marketing-Kampagnen und -Aktionen in der App braucht es einen aktiven Austausch zwischen die unterschiedlichen Marketing-Kanälen. Das App-Marketing darf nicht als Silo agieren, sondern muss sich – trotz womöglich auch eigener Ziele – in die Gesamtorganisation des Marketings einfügen.

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

55

2.6 Ausgewählte Trends und Entwicklungen Die Idee, sich mit Trends und Entwicklungen auseinanderzusetzen, ist als gängige Praxis in der Betriebswirtschaftslehre zu betrachten. Häufig auch unter dem Begriff der „Umwelt“ zusammengefasst, stellt eben diese Umwelt den Rahmen dar, in dem Unternehmen agieren können und müssen. Nach den ausführlichen Betrachtungen rund um das AppMarketing im Kontext des Gesamtunternehmens, insbesondere mit Blick auf seine Ziele und die Verankerung in der Unternehmensorganisation, sollen zum Abschluss der Grundlagen deshalb ausgewählte Trends und Entwicklungen diskutiert werden, die den AppMarkt und das App-Marketing langfristig beeinflussen dürften. Dabei soll es weniger darum gehen, die konkreten Auswirkungen präzise vorherzusagen oder gar zu quantifizieren. Vielmehr soll gezeigt werden, wie mögliche für ein Unternehmen relevante Trends und Entwicklungen im Rahmen einer Umweltanalyse überhaupt identifiziert werden können. Anhand einer kleinen Auswahl werden deren Auswirkungen auf App-Markt und App-Marketing jeweils kurz beschrieben. Die Umweltanalyse gehört dabei zu grundlegenden Instrumenten des strategischen Managements. Ergänzend zur internen Perspektive repräsentiert sie die externe Perspektive in der Situationsanalyse eines Unternehmens. Bei Wirtz (2016, S. 202 f.) wird die Situationsanalyse als Vorstufe des Prozesses zur Zielformulierung angeführt, aus dem sich wiederum die Zielgruppen und die Planung des (Marketing-) Instrumentenmixes ergeben. Hollensen und Opresnik (2010, S. 61 f.) gliedern die Umweltanalyse neben der Branchenanalyse in die Analyse der „External Marketing Situation“ ein, wobei die Umweltanalyse eine Analyse auf Makro-Ebene darstellt. Als Instrument nutzen sie dafür die PEST-Analyse (Political, Economic, Social, Technology), deren Ergebnisse als Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken) in die SWOT-Analyse einfließen (Hollensen & Opresnik, 2010, S. 85). 

Hinweis: PESTLE-Analyse praktisch durchführen In der Praxis kann eine PESTLE-Analyse in fünf Schritten durchgeführt werden: 1. Identifikation möglichst vieler übergreifend relevanter Trends und Entwicklungen 2. Jeweils Einordnung nach Relevanz: Wie stark kann das Thema das Unternehmen jeweils betreffen? 3. Jeweils zeitliche Einordnung: Ist das Thema kurz-, mittel- oder langfristig relevant? 4. Qualitative Erarbeitung, inwiefern das Thema Chancen für das Unternehmen bietet 5. Qualitative Erarbeitung, inwiefern das Thema Risiken für das Unternehmen bietet

56

2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Abb. 2.19   PESTLE-Analyse zur (externen) Umweltanalyse. (Angelehnt an Hollensen & Opresnik, 2010, S. 61 f.)

Political

Environment

Economic

PESTLE

Legal

Social

Technology

Zur besseren Fokussierung kann es sinnvoll sein, sich in der qualitativen Erarbeitung nur auf sehr relevante und/oder kurz- und mittelfristig relevante Themen zu konzentrieren. Zur Identifikation der im Folgenden diskutierten Trends und Entwicklungen wurde unter anderem auch die PEST-Analyse verwendet, erweitert um die Buchstaben LE für Legal und Environment, also PESTLE (Abb. 2.19). Zusatzinformation: Technologie-Trends identifizieren mit dem Gartner Hype Cycle Zur Identifikation möglicher Trends und Entwicklungen im Rahmen der PESTLE-Analyse im Bereich Technologie kann der Gartner Hype Cycle spannende Impulse liefern. Die Analyse wird jährlich vom Marktforschungsunternehmen Gartner herausgegeben und charakterisiert technologische Entwicklungen mit Blick auf die Erwartungen des Marktes (Abb. 2.20). Für das Jahr 2021 wurden beispielsweise Technologien wie Decentralized Identity oder Nonfungible Tokens (NFTs) als auf dem Gipfel der überzogenen Erwartungen stehend identifiziert. Noch dicht am technologischen Auslöser stehend – und somit wohl Hypethemen der nächsten Jahre – sieht das Unternehmen unter anderem AI-Augmented Design, AI-Driven Innovation und Digital Humans (Gartner, 2021).

Zu beachten ist, dass die Analyse in der Praxis individuell bezogen auf das jeweilige Unternehmen durchzuführen ist, während es sich im Folgenden um eher generische Ausführungen zu einigen ausgewählten Trends und Entwicklungen handelt. eGovernment Als Electronic Government, kurz eGovernment, wird, vereinfacht ausgedrückt, die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung bezeichnet. Dies umfasst den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie mit dem Zweck, Prozesse in der öffentlichen Verwaltung effizienter und effektiver zu gestalten. Unter dem Begriff der öffent-

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

57

Gipfel der überzogenen Erwartungen

Erwartungen

Plateau der Produktivität

Pfad der Erleuchtung

Technologischer Auslöser

Tal der Enttäuschung Zeit

Abb. 2.20   Hype Cycle nach Gartner (2021) zur Beurteilung des Reifegrades von Technologien

lichen Verwaltung werden dabei sämtliche Institutionen auf Ebene der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Länder und ihrer Kommunen zusammengefasst. Neben den Prozessen innerhalb und zwischen den Institutionen der öffentlichen Verwaltung (Government to Government, G2G) schließt der Begriff des eGovernment auch sämtliche Prozesse zwischen den Institutionen und Unternehmen (Government to Business, G2B) sowie zwischen Institutionen und Bürgern (Government to Citizen, G2C) ein. Im Kontext des App-Marktes sind insbesondere solche Entwicklungen interessant, bei denen das Smartphone – in Kombination mit einer App – die Durchführung eines Prozesses unterstützen kann. Die Privatwirtschaft kann von eGovernment in mehrerlei Hinsicht profitieren, wobei im Kern die Frage nach der Abbildung eines (Verwaltungs-) Prozesses durch Entwicklung einer passenden App steht. Am Beispiel der Corona-Warn-App wird deutlich, wie das eGovernment die Bürger (im Rahmen der Corona-Pandemie) unterstützt hat, die geltenden Corona-Regeln einfacher einhalten zu können und zur Eindämmung der Pandemie beizutragen. Es handelt sich bei der App also um einen G2C-Service. Beispiel: Corona-Warn-App – Entwicklung im Auftrag

Die Corona-Warn-App wurde im Juni 2020 vom Robert Koch-Institut, der zentralen Einrichtung des Bundes im Bereich der öffentlichen Gesundheit, für Android und iOS veröffentlicht. Zentrale und ursprüngliche Funktion der App ist die anonyme Nachverfolgung von Kontakten, wobei mithilfe von Bluetooth Low Energy praktisch anonym laufend Geräte in der Umgebung erkannt werden, deren Besitzer im Fall einer

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

später auftretenden Infektion anonym benachrichtigt werden können (Robert KochInstitut, 2022a). Obwohl auch andere Apps und Methoden zur Kontaktverfolgung genutzt werden können, handelt es sich bei der Corona-Warn-App mit rund 44 Mio. Downloads um die in diesem Kontext wohl verbreitetste App in Deutschland (Robert Koch-Institut & Bundesgesundheitsministerium, 2022). Obwohl die Kosten für Entwicklung und Betrieb der App – 7,15 Mio. € Entwicklungskosten bei SAP und 7,8 Mio. € Kosten für IT-Infrastruktur und Aufbau der telefonischen Hotline bei T-Systems sowie laufende Betriebskosten von monatlich 2,5 bis 3,5 Mio. € bei T-Systems (Ärzteblatt, 2020) – zeitweise massiv für Kritik sorgten, dürfte es sich bei der Corona-Warn-App in vielerlei Hinsicht um eines der erfolgreichen eGovernment-Projekte handeln, die jemals in Deutschland realisiert wurden: Die Entwicklungszeit von gerade mal 50 Tagen bis zum ersten Release ist, insbesondere, weil es sich um ein Projekt der öffentlichen Hand handelt, als schnell zu bewerten (T-Systems, 2022). Auch die Zusammenarbeit der beteiligten öffentlichen Stellen, insbesondere der Bundesregierung und dem RKI, sowie den Unternehmen, vor allem Apple und Google, ist als Meilenstein der Realisierung von eGovernmentProjekten in Public–Private Partnerships anzusehen, wie Adel Al-Saleh (2021), CEO von T-Systems, ausführt: „ […] the Federal Government, the RKI, the Fraunhofer Institute, Google, Apple, SAP, Telekom and many associations, laboratories and other supporters have worked hard to achieve an unparalleled public-private partnership. This should serve as a template for the future.“

Ebenfalls eine Besonderheit stellen die Anforderungen da, die die Bundesregierung den Auftragnehmern SAP und Deutsche Telekom auferlegt hätte, wie das Robert Koch-Institut (2022b) ausführt: „Gegenstand der Diskussionen waren neben der dezentralen Speicherung der Begegnungen unter Verwendung der von Google und Apple bereitgestellten Schnittstellen auch die Veröffentlichung der entwickelten Softwarekomponenten unter einer Open-Source-Lizenz. Zudem wird die Anwendung über die offiziellen Stores von Google und Apple angeboten. Eine weitere Anforderung für den Entwicklungsprozess war die frühzeitige und intensive Einbeziehung des BfDI und des BSI sowie eine enge Abstimmung mit diesen Stellen.“

In der Folge steht der Code der gesamten Corona-Warn-App nicht nur öffentlich im Netz auf GitHub (2020/2022). Auch wurde die Anwendung vor und nach der Veröffentlichung von zahlreichen Stellen wie dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, dem Bundesdatenschutzbeauftragten oder dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung kommentiert und teilweise auch kritisiert. Die Kritik und das Feedback der Nutzer fließen immer wieder auch in die Weiterentwicklung der App ein und beeinflussen insofern wesentlich die Produktpolitik im Sinne des App-Marketings. ◄

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

59

Ebenfalls denkbar ist die privatwirtschaftlich selbst initiierte Entwicklung einer App, die anschließend, gegebenenfalls gegen ein Entgelt, der öffentlichen Verwaltung als Service angeboten wird. Illustrieren lässt sich dies am Beispiel der App EasyPark. Beispiel: EasyPark – Mobiles Parken als Geschäftsmodell

Die App „EasyPark“ richtet sich an vor allem an Endverbraucher und bietet diesen im Wesentlichen verschiedene Services rund um das Parken ihres Autos an. Insbesondere können Parktickets im öffentlichen Parkraum ganz einfach über die App gelöst werden, sodass kein Parkschein am Automaten mehr gelöst werden muss, wie die Firma EasyPark AS (2022b) auf ihrer Website erklärt: „Sie sind verwirrt über all die Regeln und verschiedenen Parkschilder in Ihrer Stadt? Es dauert extrem lange, um einen Parkscheinautomaten zu finden und wenn Sie ihn gefunden haben, müssen Sie auch noch in der Schlange warten?“

Außerdem sind Nutzer mit der App nicht an feste Zeitintervalle gebunden und können ihre Parkzeit minutengenau festlegen. Für jede Parkzone ist weiterhin hinterlegt, wann zum Beispiel kein Parkschein notwendig ist, sodass Nutzer in dieser Zeit auch keine Gebühren zahlen müssen. Mit der App lässt sich die Parkzeit weiterhin jederzeit einfach verlängern. Nutzer zahlen für die Nutzung der App jedoch je Parkvorgang und abhängig von der jeweiligen Gemeinde eine Servicegebühr von „0–15 % (mind. 0,49 Cent)“, wie das Unternehmen in seinen FAQs erläutert (EasyPark GmbH, 2022c). Damit EasyPark als digitaler Ersatz für den physischen Parkschein funktionieren kann, benötigt es einer umfassenden Kooperation mit den rund 11.000 Gemeinden beziehungsweise kommunalen Verwaltungen in Deutschland, die für die öffentliche Parkraumbewirtschaftung verantwortlich sind. Die Gemeinden müssen nicht nur die unterschiedlichen Parkzonen mit den bestehenden Parkregeln (Höchstparkdauer, kostenfreie Parkzeiten etc.) in das System einpflegen, sondern auch bei der Parkscheinkontrolle auf EasyPark zugreifen, um die Gültigkeit eines digitalen Parkscheins zu prüfen. EasyPark setzt dazu vor allem offenbar auf regional zugeordnete Vertriebler, sogenannte Area Sales Manager. Auf der Website informiert das Unternehmen nur knapp und bietet interessierten Gemeinden eine Kontaktmöglichkeit an (EasyPark GmbH, 2022a): „EasyPark verfügt über die Technologie, das Wissen und die Erfahrung, um Ihnen bei der Digitalisierung der Parkraumbewirtschaftung zu helfen. Wir reduzieren den durch die Parkplatzsuche verursachten Verkehr und senken die Kosten der Parkraumbewirtschaftung und -kontrolle. Vor allem aber gestalten wir das Parken so einfach wie möglich – für Städte, deren Bewohner und Autofahrer.“

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Bei der EasyPark AS beziehungsweise der EasyPark GmbH handelt es sich um Unternehmen der Privatwirtschaft. Dies zeigt, wie Unternehmen als Dienstleister der öffentlichen Hand selbst zur Digitalisierung rund um Verwaltungen und Verwaltungsvorgänge beitragen können. ◄ Eine weitere Möglichkeit, Anwendungen für Verbraucher im Kontext des eGovernment zu entwickeln und zu vermarkten, besteht in der Aufbereitung von Daten, die von öffentlichen Institutionen erhoben und zur Verfügung gestellt werden. Geeignete Beispiele dafür finden sich etwa im Kontext der „Markttransparenzstelle für Kraftstoffe“ des Bundeskartellamts. Beispiel: Markttransparenzstelle für Kraftstoffe des Bundeskartellamts – Basis für Apps wie clever-tanken.de

Bereits seit dem 31. August 2013 sind Tankstellenbetreiber verpflichtet, sämtliche Preisänderungen für Super, Super E10 und Diesel in Echtzeit an die sogenannte „Markttransparenzstelle für Kraftstoffe“ (MTS-K) des Bundeskartellamts zu übermitteln. Das Bundeskartellamt möchte so die Preistransparenz im immer wieder als undurchsichtig kritisierten Kraftstoffmarkt erhöhen und zur Aufklärung der Verbraucher beitragen (Bundeskartellamt, 2022a): „Autofahrer sollen so über Internet, Smartphone oder auf ihren Navigationsgeräten die aktuellen Kraftstoffpreise und die günstigste Tankstelle in der Umgebung oder entlang einer Route erfahren können. Dies erlaubt einen besseren Preisüberblick und eine bessere Auswahlentscheidung und stärkt so den Wettbewerb.“

Für die Übermittlung der Spritpreise hat das Bundeskartellamt technische Schnittstellen und ein eigenes Datenmodell geschaffen, sodass die Tankstellenbetreiber die Daten entsprechend vollautomatisch and standardisiert an den „Mobilitäts Daten Marktplatz“ (MDM) übermitteln können (Bundeskartellamt, 2022b). Die so übermittelten Daten werden nicht nur vom Bundeskartellamt selbst für eigene Auswertungen genutzt, sondern zusätzlich auch „Verbraucher-Infodiensten“ zu Verfügung gestellt, wie es auf der Website der Behörde heißt. Nach vorheriger Zulassung haben diese die Möglichkeit, die MDM-Daten abzufragen und weiterzuverarbeiten (Bundeskartellamt, 2022c). Zu den registrierten Infodiensten gehören neben Websites wie adac.de/tanken, https://www.tanke-guenstig.de oder https://www.spritpreiskontrolle.de auch zahlreiche Apps. Eine der wohl bekanntesten ist die App https://www.clever-tanken. de„clever-tanken.de“ der infoRoad GmbH (2022a, b, c, d, e, f, g, h), die laut Google Play mehr als fünf Millionen Mal heruntergeladen und über 280.000 Mal bewertet wurde. Die App ist praktisch ausschließlich der Frage nach dem günstigsten Spritpreis gewidmet: Über die standortbasierte Suche und über eine Kartenansicht lassen sich die

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

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Spritpreise sämtlicher Tankstellen sowie deren Öffnungszeiten und Serviceleistungen anzeigen. Auch eine historische Preisentwicklung je Kraftstoff und je Tankstelle wird bereitgestellt. Die App finanziert sich über Werbung sowie über einen In-App-Kauf, mit dem die App für 1,99 € ein Jahr lang werbefrei genutzt werden kann. Über „aktuelle clever-deals“ erhalten Nutzer zusätzlich exklusive Sonderangebote, unter anderem für vergünstige Autowäschen. Ausgangsbasis der clever-tanken.de-App sind die MDM-Daten der MTS-K. Entsprechend kann der MDM der MTS-K unmittelbar als G2B- und mittelbar auch als G2C-Service im Sinne des eGovernment bezeichnet werden. ◄ Die dargestellten Beispiele zeigen nur einen Ausschnitt der Möglichkeiten, wie das eGovernment den App-Markt verändert beziehungsweise welche Chancen das eGovernment für App-Entwickler bietet. Sicherlich muss grundsätzlich darauf hingewiesen werden, dass die Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen häufig mit einer entsprechenden administrativen Komplexität einhergeht und entsprechend Kenntnisse rund um die Arbeit öffentlicher Verwaltungen erfordert. eHealth Analog zum eGovernment bezeichnet eHealth den Einsatz digitaler Technologien im Gesundheitsweisen, mit dem Ziel, Maßnahmen zum Beispiel der Prävention, der Diagnose, der Behandlung von Krankheiten und der Überwachung von Patienten effektiver und effizienter zu gestalten. Das Verständnis des Begriffs reicht in der Bandbreite von einfachen Online-Apotheken über die Erfassung und Überwachung von Vitaldaten mithilfe von Smartphone-Apps und Wearables bis hin zum Einsatz von Machine-Learning-Methoden in der Diagnostik. Auch die elektronische Gesundheitsakte sowie die Telemedizin, bei der Ärzte und Therapeuten mit ihren Patienten lokal und teilweise auch zeitlich unabhängig voneinander in Kontakt treten können, werden dem eHealth zugeordnet. Der derzeit aus Konsumentensicht wohl relevanteste Teilbereich des eHealth sind Gesundheits- und Medizin-Apps, die (häufig in Verbindung mit Fitness-Trackern) körperliche Betätigung aufzeichnen oder eine Überwachung der Vitalparameter ermöglichen. Auch das Protokollieren eingenommener Medikamente beziehungsweise die Erinnerung an die Einnahme sind Beispiele, wie Apps im eHealth-Bereich Konsumenten überstützen können. In einer Erhebung von Kantar (2019) gaben zwei Drittel der Befragten an, Gesundheitsapps gegenüber positiv eingestellt zu sein, weil sie glaubten, dass ihre Krankheit ihren Alltag so weniger beeinflusse, da die App ihnen Aufgaben bei der Krankheitsbewältigung abnehme. Den Nutzen von Gesundheitsapps haben mittlerweile auch viele App-Entwickler erkannt und entwickeln mobile eHealth-Anwendungen. Entsprechend steigt die Anzahl der Medizin-Apps im Bereich Gesundheit und Fitness seit vielen Jahren kontinuierlich an (Appfigures, 2020). Mit einem Umsatz von 2,4 Mrd. $ im Jahr 2017 und einem prognostizierten Umsatz von 11,2 Mrd. $ im Jahr 2025 befindet sich der Markt für Gesundheits-

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … 475

500

Umsatz (Mio. €)

400

347

437

417

375

361

412

416

300 200 100 0

36

46

59

2017

2018

2019

Wearables

84

2020

119

102

2021

2022

136

2023

152

2024

Fitness-Apps

Abb. 2.21   Umsatz mit Wearables und Fitness-Apps in Deutschland von 2017 bis 2024. (Statista Digital Market Outlook, 2020)

apps auf einem steilen Wachstumskurz (BIS Research, 2018). Dieser Wachstumskurs spiegelt sich auch im Umsatz mit Wearables und insbesondere im Umsatz mit FitnessApps wider. Letzterer dürfte sich bis 2024 im Vergleich zu 2017 mehr als vervierfachen (Abb. 2.21). Bereits heute stark verbreitet sind laut Erhebung von Bitkom Research (2020), Marktforschungsinstitut des Digitalverbands Deutschland, Apps zum Absolvieren von Sportübungen für zuhause sowie Apps zur Aufzeichnung von Körper- und Fitnessdaten. Das größte Potenzial, gemessen daran, wie viele Konsumenten sich vorstellen können, entsprechende Apps zu nutzen, dürfte bei Erinnerungen an die Einnahmen von Medikamenten und bei gesundheitsfördernden Übungen, zum Beispiel zur Stärkung des Rückens, liegen (Abb. 2.22). Beispiel: 7Mind – Meditation per App

Eine der bekanntesten eHealth-Apps aus Deutschland ist mit mehr als einer Millionen App-Downloads und über 17.500 Bewertungen bei Google Play die App 7Mind. Die App bietet mit verschiedenen Kursen und Übungen Hilfestellungen beim Meditieren. Bei Google Play heißt es dazu (7Mind GmbH, 2022c): „7Mind ist Deutschlands beliebteste App für Meditation und der einfachste Weg, Meditation und Achtsamkeit zu lernen! [...] Unsere Achtsamkeitsübungen sind wissenschaftlich fundiert und helfen dir, im hektischen Alltag zu entspannen und glücklicher zu werden.“

Grundsätzlich wird die App in drei Varianten angeboten (7Mind GmbH, 2022a):

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

63

App-Typ

Sportübungen für Zuhause

Aufzeichnung von Körper- und Fitnessdaten Infos zu Fitness, Gesundheit, Ernährung Motivation und Ratschläge Erinnerungen für Arznei-Einnahme

Psychische Gesundheit (AntiStress, Achtsamkeit) Gesundheitsfördernde Übungen 0 Nutze ich bereits

10 20 30 % der Befragten

40

Kann ich mir vorstellen zu nutzen

Abb. 2.22   Einstellung von Konsumenten zur Nutzung verschiedener eHealth-Apps. (Bitkom Research, 2020)

• Kostenfrei erhalten Nutzer einen Grundkurs und haben Zugriff auf einzelne Meditationsübungen. • Für wahlweise 11,99 € pro Monat, 60 € pro Jahr oder einmalig für 199,99 € auf Lebenszeit kann der Zugriff auf 600 verschiedene Meditationsanleitungen, Intensivkurse und Einschlafgeschichten für Kinder und Erwachsene erworben werden. • Einen Sonderfall stellt die dritte Variante dar. Dabei wird der Kurs „Achtsamkeitsbasiertes Stressmanagement“ für eine Einmalzahlung von 75 € angeboten, wobei die Kursgebühr je nach Krankenkasse nach Abschluss des Kurses zu 75 bis 100 % erstattet wird (7Mind GmbH, 2022b). ◄ Trotz vieler Entwicklungen im Bereich der Konsumenten-Apps muss abseits davon auch konstatiert werden, dass eHealth in Deutschland vielfach noch in den Kinderschuhen steckt. Exemplarisch kann dazu die Implementierung der elektronischen Gesundheitsakte beziehungsweise elektronischen Patientenakte herangezogen werden. Deren Notwendigkeit erklärt das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium für Gesundheit, 2022) so: „Welche Medikamente nimmt eine Patientin oder ein Patient ein, welche Vorerkrankungen liegen vor, wie sind die Blutwerte, welche Untersuchungen wurden im Vorfeld durchgeführt und wie verliefen frühere Behandlungen? Viele dieser Informationen über die Gesundheit stehen verteilt in den Aktenordnern der Arztpraxen und Krankenhäuser. Beim nächsten Besuch in der Arztpraxis liegen diese Informationen oftmals nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig vor und Untersuchungen müssen wiederholt werden.“

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Auch die Techniker Krankenkasse, ohnehin häufig als Vorreiter im eHealth präsent, hat bereits früh in einer Pressemitteilung große Hoffnungen in die elektronische Akte zum Ausdruck gebracht (Techniker Krankenkasse, 2019): „Die [elektronische Gesundheitsakte] ist eines der wichtigsten Instrumente in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Da sind sich weitestgehend alle Experten einig. Auch globale Akteure wie Google, Amazon und Apple haben das Gesundheitswesen längst als großen Wachstumsmarkt entdeckt und bieten entweder bereits eigene elektronische Akten an oder arbeiten mit Hochdruck daran.“

Tatsächlich war die Implementierung der elektronischen Gesundheitsakte anfänglich mit vielen technischen und rechtlichen Hürden verbunden, sodass die europaweite Einführung heterogen verlaufen sein dürfte (Stiftung Münch, 2018). Trotz aller Bemühungen geben laut Deloitte (2020b) gerade einmal 30 % der Ärzte und Krankenschwestern in Deutschland an, dass sie die elektronische Gesundheitsakte nutzen würden. Ein aus App-Sicht besonders relevantes Feld der nächsten Jahre dürfte die Entwicklung telemedizinischer Anwendungen sein. Der Einsatz der Telemedizin, seit Jahren zunehmend, hat sich durch die Corona-Pandemie zusätzlich verstärkt (Deloitte, 2020a) und reicht in der Definition von der einfachen „Krankschreibung per Telefon“ über die Psychotherapiesitzung per Videotelefonie bis hin zur Ferndiagnose auf Basis von über das Internet übermittelten Daten. Exemplarisch lässt sich das Potenzial der Telemedizin am Beispiel der Hörakustik zeigen. Der Markt für Hörgeräte wächst aufgrund des demographischen Wandels kontinuierlich und hat sich, gemessen an der Anzahl der verkauften Hörgeräte, von 2005 bis 2020 fast verdoppelt (ZVEI & GfK, 2021). Dr. Florian Ross, Geschäftsführer eines Hörakustik-Unternehmens mit mehr als 25 Filialen und einer der führenden deutschen Forscher der Teleaudiologie, erklärt hierzu: „Die Hörgeräteakustik befindet sich aufgrund zwei großer Veränderungen stark im Wandel: Zum einen verändert sich nicht nur die Anzahl der Hörgeräteträger, sondern auch die Generation, der die Kunden zuzuordnen sind. Die Kunden der Generation der Traditionalisten werden schrittweise von der Generation der Baby Boomer verdrängt: Bereits ab 2025 werden sie den größten Teil der Zielgruppe im relevanten Alter darstellen. Die Generation der Baby Boomer ist technologisch deutlich affiner und interessierter. Die zweite große Veränderung ist die digitale Transformation, deren Auswirkungen man bereits auch in einem traditionellen Markt wie der Hörgeräteakustik spürt. Vor allem die Einführung von Anwendungen im Bereich von eHealth beziehungsweise mHealth, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Nahezu jeder Hörgerätehersteller bietet mittlerweile die Nutzung von Hörgeräte-begleitenden Smartphone-Apps an. Damit kann der Hörgeräteträger nicht nur leichte Modifikationen an der Hörgeräteeinstellung durchführen, sondern auch Methoden der künstlichen Intelligenz zur kontinuierlichen Optimierung von Einstellungen nutzen. Verschiedene Studien aus diesem Bereich zeigen klar die Vorteile auf, die durch die Anwendung dieser Apps entstehen. Vor allem die Zufriedenheit mit den angepassten Hörgeräten kann hierdurch gesteigert werden, was wiederrum zu einer Erhöhung der täglichen Tragedauer führt. Auch die Art der Kundenbetreuung kann so auf die Kunden-

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

65

wünsche angepasst werden. Neben der Möglichkeit, Nachrichten über Messenger zu versenden, können Hörgeräte online im Rahmen eines Videomeetings angepasst werden. Diese Form der Tele-Audiologie generiert eine Vielzahl von Vorteilen für Hörakustiker und Hörgeräteträger, da es die Geschwindigkeit bei der Kommunikation sowie bei der Beseitigung von Problem erhöht. Im Hinblick auf weitere Entwicklungen kann man feststellen, dass das Einsatzfeld von Hörgeräten über die Funktion der prognostischen Gesundheitsüberwachung erweitert wird. Bereits heute gibt es Geräte, die mit einem Sturzsensor oder Schrittzähler ausgestattet sind oder die Herzfrequenz erfassen können. In Anbetracht weiterer technologischer Entwicklungen, die auf immer technologisch versiertere Anwender treffen, ist davon auszugehen, dass die Relevanz von eHealth im Bereich der Hörgeräteakustik weiter steigen wird.“

Trotz einiger Anlaufschwierigkeiten, gerade im Zusammenhang mit dem öffentlichen Gesundheitssystem und der Akzeptanz auf professioneller Ebene: eHealth gehört zu einem der vielleicht wichtigsten Trends, die den App-Markt der kommenden Jahre beeinflussen und großes Potenzial für neue Anwendungen bieten. Social, Mobile, Local (SoMoLo) Das Akronym SoMoLo steht für Social, Mobile und Local und meint die Sammlung sämtlicher Technologien, die Konsumenten eine soziale, mobile und lokal bezogene Interaktion mit einer Marke oder einem Produkt ermöglichen. Ringel (2011) erklärt dazu: „Durch eine neue Art des Internetzugangs (mobile), einen gewandelten Fokus (local) und eine stärkere Einbindung des Internets in den Alltag (social) ist neue Bewegung in den Internetmarkt gekommen. Diese Bewegung wird mit der Wortschöpfung „SoMoLo“ erfasst.“

Abseits der Frage von Technologien und Mechanismen handelt es sich bei SoMoLo um ein grundlegend neues Verständnis, wie Konsumenten das Internet nutzen. Statt der lange angenommenen – oder jedenfalls gelebten – harten Grenze zwischen Online- und Offline-Welt impliziert SoMoLo, dass Konsumenten bei der Internetnutzung nicht nur für sich und im digitalen Raum isoliert sind. Stattdessen sind sie über ihr mobiles Endgerät (Mobile) laufend mit anderen Menschen direkt oder indirekt verbunden (Social), wobei die Brücke zwischen digitaler Welt und aktueller Umgebung (Local) geschlagen wird. Obwohl der Begriff des SoMoLo bereits einige Jahre alt ist, stellt er noch immer ein bedeutendes Paradigma im Marketing dar. Für das App-Marketing, insbesondere mit Blick auf die Produktentwicklung, lässt sich festhalten, dass die Einbindung von Features, welche soziale Interaktionen fördern beziehungsweise entweder an die Umgebung eines Nutzers angepasst sind oder den Nutzer bei der Interaktion mit seiner Umgebung unterstützen, positiv auf das Engagement mit der App sowie auf die Monetarisierung wirken können. Ahrholdt et al., (2019, S. 301) stellen am Beispiel von Display Advertising auf dem Smartphone fest, dass dieses effektiver wirke, wenn sich der Nutzer in der Nähe des

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Standortes des Werbetreibenden befinde. Auch sei mobile Werbung dann besonders effektiv, wenn die Angebote nach Entfernung sortiert seien, sodass der Nutzer Angebote in direkter Nähe zuerst sehe. Diese Erkenntnisse, die sich konkret auf die Aussteuerung mobiler Werbung beziehen, lassen sich unmittelbar auch auf Smartphone-Apps und ihre Features übertragen. Nutzer betrachten eine App nicht isoliert als einen digitalen Raum, sondern betten die App in den Gesamtkontext ein, in dem sie sich bewegen. Folglich sollte es das Bestreben des App-Marketings sein, Features zu konzipieren, die sich dynamisch an die Umgebung des Nutzers anpassen. Neben der Abfrage des GPS-Standorts kommen dabei auch andere Aktionen infrage. So war das „Einchecken“ in Locations wie Restaurants, Cafés, Universitäten oder Theatern Anfang/Mitte der 2010er mithilfe von Foursquare populär und erlebt aktuell durch die PAYBACK-App eine Reinkarnation. Auch das Speichern oder Merken eines „Lieblingsmarktes“ etwa in den Apps von dm, hagebau oder REWE liefert wertvolle Datenpunkte, um Features an die Umgebung eines Nutzers anzupassen. Bei der Einbindung sozialer Elemente in Apps rufen die bekannten Social MediaApps wie Facebook, Instagram oder LinkedIn häufig zunächst Assoziationen zu Likes, Kommentaren und Kontaktlisten – uni- („Follower“) oder bidirektional („Kontakt“, „Freund“) – hervor. Während solche Features im Kontext neuer sozialer Netzwerke und Plattformen naheliegen, fällt es schwer, diese Mechanismen auf Taschenrechner-, Shopping- oder ÖPNV-Apps zu übertragen: Weder das Hinzufügen von Freunden noch das Erstellen und Teilen von Inhalten als Voraussetzung, damit andere Nutzer diese liken und kommentieren könnten, scheinen auf Anhieb einen sinnvollen Nutzen zu stiften. Deutlich spannender, unter anderem zu beobachten nicht nur in Gaming-Apps, sondern auch bei Diätprogrammen oder dem Erlernen von Sprachen, ist eine Kombination auf Gamification und Social-Features. Durch Interaktionen mit der App, zum Beispiel das Protokollieren einer Gewichtsabnahme oder das Abschließen einer Lektion beim Erlernen einer neuen Sprache, verdienen Nutzer Punkte, erreichen Level oder erhalten Badges. Entweder global oder auf Basis der eigenen Kontakte zusammengestellt werden die Nutzer auf Ranglisten positioniert oder die Achievements anderweitig transparent gemacht. Es entsteht eine soziale Dynamik, die die Nutzer in ihrem Handeln – der Interaktion mit der App – bestätigt. Beispiel: Liga-System als Social-Feature bei duolingo

Ein paar interessante Ansätze zur Integration sozialer Komponenten (in einem im Kern zunächst relativ persönlichem Themengebiet) bietet die bereits im Kontext der Preispolitik als Beispiel herangezogene App duolingo zum Erlernen von Sprachen (Abschn. 2.4.2). Die wohl wichtigste soziale Komponente ist die automatische Teilnahme der Nutzer im Liga-System. Jeder Nutzer sammelt mit dem Abschluss von Lektionen Erfahrungspunkte (XP) und wird anhand der gesammelten XP auf einer Rangliste von

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

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30 ähnlich starken Nutzern in seiner aktuellen Liga platziert. Am Ende einer jeden Woche steigen die Nutzer mit den meisten XP eine Liga auf und die mit den wenigsten XP eine Liga ab, wobei das Liga-System zehn verschiedene Ligen von Bronze bis Diamond umfasst. Zusätzlich werden die ersten drei Plätze einer Liga am Ende der Woche mit eigentlich käuflich zu erwerbenden Premium-Items belohnt. Das LigaSystem stellt also einen Social-basierten Gamification-Ansatz dar und arbeitet zusätzlich mit Belohnungen (Duolingo Wiki, 2022). Ein weiterer sozialer Ansatz sind die öffentlich einsehbaren Nutzerprofile. Für jedes Profil wird angezeigt, wie viele Tage in Folge der Nutzer aktuell geübt hat, wie viel Erfahrung er bereits gesammelt hat, in welcher Liga und seit wie vielen Wochen er aktuell ist und wie häufig er eine Liga bereits in den Top 3 abgeschlossen hat. Zusätzlich lässt sich auf den Profilen anderer Nutzer sehen, wie viele XP diese in den vergangenen Tagen im Vergleich zu einem selbst gesammelt haben. Eine wichtige Komponente des Nutzerprofils sind die Abzeichen. Diese können im Rahmen der App-Nutzung erworben werden und werden auf dem eigenen Profil angezeigt. Dabei handelt es sich um verschiedene Auszeichnungen für spezifische Nutzerinteraktionen, zum Beispiel: • Champion: Du hast es in die Diamant-Liga geschafft. • Scharfschütze: Du hast 100 Lektionen ohne Fehler abgeschlossen. • Rudeltier: Du folgst 3 Freunden. • Wochenend-Kämpfer: Du hast am Samstag und Sonntag eine Lektion abgeschlossen. Dadurch, dass die eigenen Abzeichen öffentlich auch für andere Nutzer sichtbar auf dem Profil angezeigt werden und jeder Nutzer die Abzeichen anderer Nutzer einsehen kann, werden auch hier durch Kombination von Gamification und sozialer Komponente Anreize zur stärkeren App-Nutzung geschaffen. ◄ Anzumerken ist, dass die Einbindung sozialer Komponenten je nach Kontext und Nutzer kritisch hinterfragt werden muss. So kann öffentliche Kommunikation der Erfolge eines Nutzers in seinem sozialen Umfeld motivierend wirken und anspornen, aber auch Unwohlsein durch das Herstellen einer Vergleichssituation hervorrufen. Tong und Larango (2018) weisen im Rahmen einer Untersuchung zur Nutzung von sozialen Features in Apps, die zu mehr körperlicher Betätigung anregen sollen, auf diese Ambivalenz hin und schlagen vor, soziale Komponenten abhängig von den jeweiligen Nutzerpräferenzen einzusetzen: “Users’ preferences of social features were mixed: some felt more motivated by social support and competition, while others expressed concerns about comparison, indicating that a one-size-fits-all approach is insufficient.”

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Trotz dieses aus psychologischer Sicht berechtigten Einwandes zum Einsatz sozialer Elemente im Kontext von Apps sind zusammenfassend die Vorteile solcher Features zu betonen, die das Bedürfnis der Nutzer nach sozialen und lokal abgestimmten Inhalten befriedigen. Augmented Reality (AR) & Virtual Reality (VR) Eine bedeutende technische Entwicklung stellen die Möglichkeiten zur Abbildung einer „gemischten Realität“ dar. Dabei wird die reale Umgebung des Nutzers entweder mithilfe etwa des Smartphones erweitert (Augmented Reality, AR) oder es wird eine vollständig virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) mit Hilfe eines VR-Headsets erzeugt. Einen Überblick über die verschiedenen Realitätsbegriffe der „Mixed Reality“ liefert Abb. 2.23, basierend auf Milgram et al. (1995). Beide Technologien sind, unabhängig von ihrer jeweiligen Entwicklungsgeschichte, noch immer vor allem im Gaming präsent und erhalten erst langsam Einzug in andere Anwendungsbereiche. Während Virtual Reality eher abseits des Smartphones zum Beispiel auf Spielekonsolen oder am Computer zum Einsatz kommt, finden sich mittlerweile bereits einige etablierte Möglichkeiten, AR Augmented Reality in Verbindung mit Smartphone-Apps einzusetzen. Das bekannteste Beispiel der letzten Jahre für den Einsatz von AR in Apps stammt aus dem Bereich Gaming. Beispiel: Pokémon GO – Augmented Reality wird populär

Gemeinsam entwickelt von Niantic, Nintendo und The Pokémon Company hat Pókemon Go innerhalb weniger Wochen nach seinem Launch im Juli 2016 zahlreiche Download- und Umsatzrekorde gebrochen. Alleine bei Google Play wurde die App weit über 100 Mio. Mal heruntergeladen und über 15 Mio. Mal bewertet (Niantic, Inc., 2022b). Mit der App hat nicht nur eine der bekanntesten Videospiel-Reihen die Transformation in das Smartphone-Zeitalter erfolgreich gemeistert. Gleichzeitig hat AR als Technologie durch die App weltweite Aufmerksamkeit (und Nutzung) erhalten. Windfield und Isaac (2016) schreiben dazu für The New York Times:

Mixed Reality

Reality

Augmented Reality

Augmented Virtuality

Virtual Reality

Abb. 2.23   Verschiedene Realitätsbegriffe im Überblick. (Modifiziert entnommen aus Wohllebe & Wolter, 2021, S. 21; basierend auf Milgram et al., 1995)

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

69

„Pokémon Go Brings Augmented Reality to a Mass Audience“

Tatsächlich war der ursprüngliche AR-Modus im Spiel eher rudimentär und blendete schlicht das (vom Nutzer zu fangende) Pokémon samt Game Interface über das Kamerabild. Mittlerweile haben die Entwickler den AR-Modus deutlich ausgebaut und nennen diesen AR+ . Dabei wird das Pokémon an einem fixierten Punkt auf dem Boden in der realen Welt eingeblendet, nachdem es zunächst im – ebenfalls eingeblendeten – „hohen Grass“ vom Nutzer aufgespürt werden musste. Zusätzlich reagiert das Pokémon im AR+ -Modus auch auf die Bewegungen des Spielers und flüchtet zum Beispiel bei zu hektischen Bewegungen. Niantic, Inc. (2022a) erklärt dazu auf seiner Support-Seite: „AR+ mode is an enhanced version of Pokémon GO’s augmented reality feature in which Pokémon appear anchored to your real-world environment right in front of you. You can walk right up to a Pokémon for a chance at an Excellent Throw bonus […]. Pokémon are aware of your movement, so proceed with caution. Move toward a Pokémon too fast and you’ll scare it away...but approach slowly, and you’ll have a better chance at catching it.“ ◄

Auch abseits des Gamings finden sich Beispiele für den Einsatz von AR, etwa im Shopping. Denkbar sind dabei virtuelle Anproben, bei denen ein Nutzer ein Bekleidungsstück nicht mehr direkt physisch, sondern zunächst nur virtuell über AR anprobieren kann. Dabei könnte das Bekleidungsstück auf ein Foto oder ein Live-Bild des eigenen Körpers eingeblendet werden (Deckert & Wohllebe, 2021, S. 20). Ähnliche Anwendungsfälle finden sich auch im Bereich Home & Living, etwa, indem die Wände eines Wohnzimmers über das Kamerabild des Smartphones mithilfe von AR mit verschiedenen Farben eingefärbt werden können. Bei der Einrichtungsplanung lassen sich mithilfe von AR Objekte wie Möbel im Raum anordnen. Gerade der E-Commerce kann von solchen Szenarien profitieren: Durch die intensivere Auseinandersetzung mit den Produkten vor dem Kauf können einerseits höhere Umsätze und andererseits geringere Retourenquoten erreicht werden (Berman & Pollack, 2021). Eine weitere Möglichkeit zum Einsatz von AR findet sich in der Navigation. Dazu gehört neben der herkömmlichen (Outdoor-) Navigation auch die Indoor-Navigation in Geschäften mit großer Verkaufsfläche wie Baumärkten oder Kaufhäusern, um den Kunden die Suche nach dem gewünschten Produkt zu erleichtern (Wohllebe & Wolter, 2021, S. 22). Beispiel: Google Maps Live View – Navigation mit AR-Unterstützung

Mit mehr als 10 Mrd. Downloads und über 15 Mio. Bewertungen bei Google Play ist Google Maps die wahrscheinlich am weitesten verbreitete Navigationssoftware der Welt (Google, 2022c). Neben der Navigation mit dem Auto unterstützt Google Maps unter anderem die Routenberechnung per Fahrrad, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß. In allen Varianten wird klassisch eine 2D-Kartenansicht angezeigt. Gerade für Fußgänger ist die Ansicht „von oben“ mitunter problematisch und

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

führt zu Irritationen, in welche Richtung der Nutzer gerade unterwegs ist und ob als nächstes links oder rechts abzubiegen ist. Abhilfe für dieses Problem bei der Orientierung schafft der AR-basierte Live View. Live View ist eine Alternative zur 2D-Kartenansicht, wobei die genaue Position des Fußgängers mit Hilfe der Kamera bestimmt wird. Dazu richtet der Nutzer seine Smartphonekamera auf Gebäude und Schilder, sodass Google Maps zusätzlich zur aktuellen Position auch die Blickrichtung erkennt. Darüber blendet Live View zum Beispiele Straßennamen und Richtungspfeile zur Navigation in das Kamerabild und verbessert so die Orientierung des Nutzers. Live View wird ausschließlich in solchen Gebieten angeboten, die hinreichend mit Google Street View erfasst sind (Google, 2022b). ◄ Technische Grundlage zur Entwicklung von AR-Anwendungen für Android und iOS sind unter anderem die Frameworks ARCore (Google, 2021b) und ARKit (Apple, 2021). Es ist davon auszugehen, dass die Verbreitung von AR (und auch VR) in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Mit der immer besser werdenden Performance der Endgeräte und der gut dokumentierten Entwicklung und Veröffentlichung weiterer Frameworks und darauf aufbauenden Anwendungsbeispiele dürften AR und VR die AppEntwicklung der nächsten Jahre massiv prägen. Internet of Things (IoT) & Smart Devices Ähnlich der steigenden Relevanz von AR und VR gehören auch das Internet of Things (IoT) und Smart Devices zu den wohl bedeutendsten technischen Entwicklungen für den App-Markt der kommenden Jahre. Definitorisch werden unter dem Begriff des IoT Technologien gesammelt, die die Vernetzung physischer und virtueller Objekte miteinander und deren Austausch untereinander ermöglichen. Ziel des IoT ist es, Zustände der realen Welt zu erfassen und digital (mithilfe des Internets) zur weiteren Verarbeitung bereitzustellen. Grundlage des IoT ist neben der Verbindung von Objekten mit dem Internet deren Ausstattung mit Sensoren (zur digitalen Erfassung von physikalischen oder chemischen Eigenschaften) und Aktoren (zur Übersetzung von elektrischen Signalen in physikalische Impulse, zum Beispiel die Steuerung von Temperatur oder Druck). Beispiele für das IoT und den einhergehenden Einsatz von Smart Devices lassen sich zahlreich finden, wobei die folgende Liste nur einige wenige, besonders prägnante nennt: Beispiele: Internet of Things & Smart Devices

• Überwachungskamera mit App-basiertem Alerting: Mittlerweile ab einem Preis von deutlich unter 100 € werden Überwachungskameras für Endverbraucher angeboten, die über WLAN mit dem Internet verbunden und so an das eigene Smartphone gekoppelt werden können. Über eine App lässt sich das aktu-

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

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elle Kamerabild einsehen. Häufig besteht auch die Möglichkeit, über einen Lautsprecher in der Kamera mit gefilmten Personen live zu sprechen. Auch Kameras, die automatisch auf Bewegungen reagieren oder über eine gewisse Intelligenz Menschen im Kamerabild erkennen und einen Alarm an die verbundene App senden, werden angeboten (EZVIZ, 2022). • Beim Einkaufen den Inhalt des Kühlschranks prüfen: Moderne Kühlschränke erfassen ihren Inhalt über Kameras selbst und stellen diesen über das Internet und eine angeschlossene App ihrem Besitzer bereit. Neben dem direkten Blick auf das Kamerabild sind die Geräte auch in der Lage, den Inhalt eigenständig zu erkennen und darauf basierend zum Beispiele Rezepte vorzuschlagen oder eine Einkaufsliste zu pflegen (Samsung, 2022). • Kontinuierliche Blutzuckermessung für Diabetiker: Entweder mit Hilfe eines unter der Haut eingesetzten Sensors oder über ein optisches Verfahren können Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel kontinuierlich messen. Die Daten werden, gegebenenfalls mithilfe eines Transmitters, automatisch an das Smartphone des Nutzers übermittelt und in einer App aufbereitet (Roche Diabetes Care Austria GmbH, 2022). Neben der rein deskriptiven Erfassung sowie einer Alarmierung im Fall kritischer Werte ist denkbar, die erhobenen Daten zum Beispiel zur Vorhersage von künftigen Unterzuckerungen zu nutzen. ◄ Neben diesen vor allem auf Endverbraucher ausgerichteten Beispielen lassen sich auch Beispiele im B2B-Kontext skizzieren. Insbesondere beim Einsatz von Maschinen, die aus der Ferne gewartet werden, über das knapp werdende Schmiermittel informieren oder dieses gar gleich automatisch nachbestellen, lässt sich der Mehrwert des IoT grundsätzlich anschaulich skizzieren. Für den App-Markt sind IoT und Smart Devices insbesondere unter dem Gesichtspunkt relevante Entwicklungen, als dass jedes mit dem Internet verbundene Gerät potenziell auch an eine App angeschlossen werden könnte. Hieraus ergibt sich für jeden Hersteller, der ein internetfähiges Gerät auf den Markt bringt, die Frage, inwiefern das Gerät (auch) per App überwacht oder gesteuert werden können sollte. Darüber hinaus könnte ein weiteres Potenzial für den App-Markt in der Öffnung der Geräte durch die Bereitstellung entsprechender Schnittstellen liegen. Bisher setzen die Hersteller der Geräte – unabhängig von der Art des Geräts – praktisch ausschließlich auf Eigenentwicklungen in einem für sich geschlossenen System, sodass die Überwachungskamera von Hersteller A auch nur mit der App des Herstellers A verwendet werden kann. Ein aus reiner App-Sicht interessantes Szenario würde sich ergeben, wenn diese Systeme geöffnet würden, also für Drittanbieter zugänglich wären. Auch, wenn dies wohl nicht auf Bestreben der Hersteller, sondern wenn dann aufgrund regulatorischer Eingriffe eintreten würde, könnte eine solche Entwicklung zu einem regelrechten Boom der Entwicklung unabhängiger Apps für IoT-Geräte führen.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Künstliche Intelligenz/Artificial Intelligence Als künstliche Intelligenz (KI), englisch Artificial Intelligence (AI), werden gemeinhin Methoden bezeichnet, die Programme und Maschinen in die Lage versetzen, intelligente Entscheidungen zu treffen. Häufig geht es dabei darum, Wahrscheinlichkeiten und Vorhersagen für Einzelfälle auf Basis von massenhaft verfügbaren Daten aus anderen Fällen, zum Beispiel aus der Vergangenheit oder aus ähnlich gelagerten Szenarien, zu berechnen. Obwohl der Begriff insbesondere in der Marketingwelt teilweise inflationär Verwendung findet, kann ein einheitliches Verständnis nicht immer vorausgesetzt werden. KI wird mittlerweile in vielen Bereichen eingesetzt, wobei die folgenden Beispiele mögliche Anwendungsfelder abseits des Marketings illustrieren: Beispiele: Künstliche Intelligenz abseits von Marketing und Vertrieb

• Bei der klassischen Diagnose von Krankheiten werden die Informationen der Anamnese, der Labordiagnostik oder der apparativen Diagnostik, etwa einem Röntgenbild, vom Mediziner ausgewertet und münden in der Diagnose einer Krankheit. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus menschlicher Erfahrung und der Anwendung einfacher Regeln. Denkbar wäre, den Arzt bei der Labordiagnostik mithilfe von KI zu unterstützen. So könnte ein Algorithmus auf Basis von massenhaft bereitgestellten Laborwerten und den dazugehörigen Diagnosen aus der Vergangenheit lernen, welche Laborwerte, möglicherweise auch abseits bereits bekannter Muster, mit welcher Wahrscheinlichkeit auf welche Krankheiten hindeuten. Das Ergebnis könnte zum Beispiel eine Auflistung der für den Einzelfall statistisch besonders relevanten Krankheitsbilder sein, welche den Arzt bei der Frage nach zusätzlichen Maßnahmen zur sicheren Diagnose unterstützt. • Methoden der KI können genutzt werden, um Bildern zu erkennen, also deren Inhalt korrekt zu klassifizieren. Angelehnt an das vorherige Beispiel, die Diagnose von Krankheiten, wäre beispielsweise denkbar, KI einzusetzen, um Röntgenbilder auszuwerten und so gut- und bösartige Tumore voneinander zu unterscheiden. Auch das im vorherigen Abschnitt skizzierte Beispiel der Überwachungskamera, welche erkennt, ob es sich bei einem Objekt um einen Menschen handelt, ist ein Beispiel für den Einsatz von KI. • Entsprechend des monetären Potenzials gibt es zahlreiche Bestrebungen zur Prognose von Aktienkursen. Zu den klassischen Methoden gehören die technische Analyse, wobei aus verschiedenen Charts zum Verlauf eines Aktienkurses Trends ermittelt werden, und die Fundamentalanalyse, welche unter anderem auf Unternehmens- und volkswirtschaftlichen Daten basiert und versucht, künftige Entwicklungen eines Aktienkurses vorherzusagen. Während beide Methoden klassisch auf menschlicher Einschätzung basieren, ist auch hier jeweils der Einsatz von KI denkbar. So könnten Daten aus der Vergangenheit – Unternehmensdaten, Markt-

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

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daten und Konjunkturdaten, aber möglicherweise auch andere Daten wie das Wetter – genutzt werden, um ihren Einfluss auf den Aktienkurs eines Unternehmens zu bestimmen und so künftige Preisentwicklungen vorherzusagen oder jedenfalls Analysten bei ihren Einschätzungen zu unterstützen. ◄ Auch im Marketing und im App-Marketing lässt sich KI, insbesondere maschinelles Lernen (Machine Learning, ML) einsetzen. Dazu gehört die Produktentwicklung im Sinne von Features, welche auf KI basieren. In der Vermarktung wäre denkbar, die Gestaltung von (dynamischen) Werbemitteln oder den Einsatz von Incentives mit Hilfe von ML zu verbessern, etwa, indem in Echtzeit nutzerindividuell entschieden wird, welches konkrete Werbemittel (aus einem Pool verschiedener Werbemittel) die höchste Wahrscheinlichkeit für einen App-Installs bringt. Beim Versand von Push Notifications könnte auf Basis verschiedener Nutzerattribute eine nutzerindividuelle, maximale Versandfrequenz bestimmt werden, um das Risiko einer Deinstallation der App zu verringern. Zu beachten ist, dass die Berechnung entsprechender Modelle große Mengen an Daten und statistische Expertise braucht. So vielfältig die Einsatzmöglichkeiten und das Potenzial von KI im App-Marketing sind, so wenig zugänglich scheint das Themenfeld ohne entsprechendes Fachwissen. Tatsächlich setzen immer mehr Anbieter von Standardsoftware im App-Umfeld auch Methoden der KI ein und machen diesen Megatrend der „breiten Masse“ der App-Marketer zugänglich. Gamification Mit dem Begriff der Gamification („Spielifizierung“) wird die Einbindung spieltypischer Elemente in spielfremden Kontexten, etwa Shopping- oder Sprachlern-Apps, bezeichnet. Ziel der Einbindung von Gamification-Elementen ist grundsätzlich die Steigerung des User-Engagements. Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass durch Gamification, zum Beispiel im Einzelhandel, die Markenbindung gesteigert werden kann (Högberg et al., 2019). Andere Studien weisen auf Möglichkeiten zur Steigerung von Umsätzen oder Verweildauer durch Gamification hin. Auch in der Bildung kann Gamification gewinnbringend eingesetzt werden und den Lernprozess unterstützen (Liu et al., 2020). Auch abseits von B2C-bezogenen Use Cases ist die Nutzung von Gamification-Elementen denkbar. So skizzieren Warmelink et al. (2020), dass spieltypische Elemente auch in Produktion und Logistik zur Prozessoptimierung beitragen können. Die folgende Liste enthält einige Beispiele für solche spieltypischen Elemente: • Erfahrungspunkte, die der Nutzer für bestimmte Interaktionen erhält, um seinen individuellen Fortschritt zu dokumentieren und so den Erfüllungsgrad einer „Aufgabe“ transparent darzustellen. • Badges, die der Nutzer für bestimmte Interaktionen erhält, sammeln kann und so zu bestimmten Interaktionen motiviert werden kann.

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

• Quests, welche dem Nutzer eine bestimmte Aufgabe geben, die er absolvieren muss, um dafür beispielsweise Erfahrungspunkte oder Badges zu erhalten. • Ranglisten, welche den Status oder Fortschritt eines Nutzers im Vergleich zu anderen darstellen, öffentlich für alle Nutzer einsehbar sind und so einen Wettbewerbscharakter schaffen. Tatsächlich lassen sich Gamification-Elemente praktisch für alle Arten von Apps umsetzen und erfordern im Wesentlichen einige Überlegungen, welche Interaktionen des Nutzers als gewünscht anzusehen sind und wie diese – etwa mit Erfahrungspunkten oder Badges – belohnt werden können. Wichtig ist dabei, die eingesetzten Gamification-Elemente und die zu belohnenden Interaktion eng am Ziel und Zweck der App auszurichten (Högberg et al., 2019). Die App duolingo, die mit ihrem Liga-System bereits im Abschnitt SoMoLo dieses Kapitels als Beispiel diente, bietet eine gute Inspiration, wie Gamification konkret umsetzt werden kann. Datenschutz & Privatsphäre Spätestens mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO, englisch General Data Protection Regulation, GDPR) beziehungsweise der Anwendung ab dem 25. Mai 2018 ist der Datenschutz – zwangsläufig – wohl im Bewusstsein aller Verbraucher angekommen. Dies hat zu einem erhöhten Bewusstsein für die eigene Privatsphäre der Verbraucher in der digitalen Welt geführt. Insofern sind der Datenschutz und die Privatsphäre in zweierlei Hinsicht für das App-Marketing relevant. Aus rechtlicher Sicht stellt der Datenschutz, also im Wesentlichen die DSGVO in Verbindung mit der darauf aufbauenden Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes als Übersetzung der DSGVO in nationales Recht, eine der wichtigsten rechtlichen Leitplanken für die Entwicklung, den Betrieb und die Vermarktung von Smartphone-Apps dar. Im Kern geht es dabei um die Frage, welche Daten von Verbrauchern (und unter welchen Voraussetzungen) erhoben und verarbeitet werden dürfen. Auf die Wichtigkeit der Kenntnis dieser Regeln und ihrer korrekten, der aktuellen Rechtsauffassung entsprechenden Auslegung sei an dieser Stelle ebenso hingewiesen, wie darauf, dass es hierzu einer qualifizierten Rechtsberatung bedarf. Hintergrundinformationen: DSGVO und BDSG im Internet Die Datenschutz-Grundverordnung wird auf EUR-Lex, einem Portal der Europäischen Union, in aktueller Fassung, in über 20 Sprachen und als HTML, PDF sowie als Amtsblatt zur Verfügung gestellt (Europäische Union, 2016). Die Neufassung des BDSG stellt das Bundesamt für Justiz des Bundesministeriums der Justiz auf gesetze-im-internet.de in der jeweils aktuell geltenden Fassung bereit (Bundesamt für Justiz, 2017). Für beide Quellen können die Links im Literaturverzeichnis eingesehen werden.

Abseits der rechtlichen Relevanz muss der Datenschutz gemeinsam mit der gestiegenen Sensibilität für die eigene Privatsphäre auch vor dem Hintergrund des Konsumentenver-

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

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haltens diskutiert werden. Dazu ist zunächst zu betonen, dass Datenschutzverletzungen von Unternehmen – und damit auch von App-Publishern – das Vertrauen der Konsumenten in diese Unternehmen verringern und insofern, unabhängig von der Frage nach Bußgeldern, geschäftsschädigend wirken (Martin, 2018). Dabei müssen einige Branchen und Kontexte als besonders kritisch angesehen werden. So betonen Ferretti et al. (2021) im Rahmen einer Untersuchung des Einsatzes von Apps in der Reisemedizin, dass gerade medizinische Daten besonders sensibel sind und insofern nicht nur einen besonders hohen rechtlichen Schutz genießen, sondern auch in hohem Maße das Vertrauen der Verbraucher erfordern. Ähnliches gilt im Kontext von Finanzen. Merhi et al. (2019) weisen im Rahmen einer Untersuchung der Akzeptanz und Nutzung von Banking-Apps auf den Einfluss von Sicherheit, Vertrauen und Privatsphäre hin. Gerade mit Blick auf den SoMoLo-Trend oder die Aussteuerung von Inhalten auf Basis des aktuellen Nutzerstandorts muss darauf hingewiesen werden, dass Nutzer das Location-Based Marketing potenziell als Eingriff in ihre Privatsphäre wahrnehmen können – auch trotz Aufklärung und erteilter Einwilligung (Banerjee et al., 2021). Dieser Effekt ist auch umgekehrt zu beobachten: So können Nutzer (gegebenenfalls auch rechtlich verpflichtende) Hinweise auf die Sicherheit und den Schutz ihrer Daten und die Achtung ihrer Privatsphäre als störend empfinden (Wu et al., 2020). Williams et al. (2019) sprechen im Rahmen einer Studie zu Smartwatch-Games gar vom „Privacy Paradox“: Obwohl Menschen angeben, um ihre Privatsphäre besorgt zu sein, geben sie mitunter freimütig und ohne Bewusstsein für die entsprechenden Konsequenzen persönliche Daten preis. Barnes (2006) beschreibt dieses Privatsphären-Paradoxon so: „Teenagers will freely give up personal information to join social networks on the Internet. Afterwards, they are surprised when their parents read their journals.“

Für den App-Markt ergeben sich drei wesentliche Implikationen: 1. App-Publisher müssen die rechtlichen Anforderungen an den Datenschutz erfüllen. 2. App-Publisher müssen den Nutzern darüber hinaus ein Gefühl der Sicherheit und der Privatsphäre vermitteln. 3. Das gestiegene Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre eröffnet neue Möglichkeiten zur Entwicklung von Apps und anderen Anwendungen. Beispiele sind unter anderem Suchmaschinen, die ohne die Erhebung privater Daten auskommen, Tracking-Blocker, VPNs oder Services, die das Verwalten von Berechtigungen und Datenzugriffen vereinfachen. Nachhaltigkeit Bereits seit vielen Jahren steigt das allgemeine Interesse in der Bevölkerung an dem Themenkomplex der Nachhaltigkeit. Insbesondere seit 2018 und der darauffolgenden Gründung der „Fridays For Future“-Bewegung hat dieses Interesse laut Google Trends

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

(2022) nochmal deutlich zugenommen. Auch in der Wissenschaft wird sich entsprechend intensiv auseinandergesetzt, wie Zahlen der zum Elsevier-Verlag gehörenden wissenschaftlichen Suchmaschine ScienceDirect.com (2022) zeigen: Verglichen mit dem Jahr 2011 hat sich die Zahl der wissenschaftlichen Artikel im Jahr 2021, also binnen von 10 Jahren, mehr als verdreifacht. Allein 2021 wurden über 116.000 Paper zum Keyword „sustainability“ veröffentlicht. Als wichtiger Einflussfaktor und Katalysator der Nachhaltigkeit ist die Digitalisierung anzusehen. Diese schafft insbesondere Möglichkeiten, nachhaltiges Handeln weltweit zu überblicken und so mögliche Defizite transparent zu machen. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung Möglichkeiten zur Schaffung nachhaltiger Lösungen. Bei Deckert (2020, S. 33–34) heißt es dazu: „Verbunden mit der Schaffung und Nutzung von beachtlichen Möglichkeiten rund um Digitalisierung hat die Menschheit Transparenz über den Zustand unseres globalen Lebensraums und über soziale Entwicklungen auf dem Planeten Erde erlangt. Nun gilt es, die Möglichkeiten von Digitalisierung und Technisierung auch für die Lösung festgestellter Probleme heranzuziehen, was vielfach bereits erfolgt und weiter angedacht wird.“

Trotz aller technischen Möglichkeiten bedarf der Einsatz der Digitalisierung zur Stärkung der Nachhaltigkeit zusätzlich auch Verhaltensänderungen, wie Deckert (2020, S. 33–34) betont: „Allerdings wird nach allem, was wir heute wissen, Einsatz von Technik allein nicht genügen, um nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Hierfür ist Handeln und Veränderung von Verhalten auf allen gesellschaftlichen Ebenen notwendig.“

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist in der Theorie in der Regel umfassend zu verstehen. Neben der ökologischen impliziert dies auch die soziale und die ökonomische Nachhaltigkeit (Abb. 2.24). In einem Dokument der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sprechen Bartol und Herkommer (2004) deshalb vom „Drei-Säulen-Modell“, wobei ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept als politisches Steuerungsinstrument es schaffen müsse, „in einer sich verändernden Welt Handlungsfreiheit für die Menschen von heute und morgen zu bewahren.“ Doch wie kann das gestiegene Interesse an und Bewusstsein für Nachhaltigkeit mit Blick auf den App-Markt und das App-Marketing genutzt werden? Diese Frage soll im Folgenden exemplarisch mit Blick vor allem auf die ökologische Nachhaltigkeit diskutiert werden. Tatsächlich scheint sich das Bewusstsein der breiten Bevölkerung, jedenfalls in Deutschland, vor allem auf die Ökologie zu konzentrieren und erst im Anschluss auf soziale Aspekte (Wohllebe, 2019). Das Bewusstsein für die ökonomische Nachhaltigkeit scheint dagegen nachrangig, sodass der Fokus im Folgenden vor allem auf der ökologischen Nachhaltigkeit liegt. Der offensichtlichste Weg, Nachhaltigkeit im App-Kontext und insbesondere im AppMarketing zu nutzen, ist die aktive Kommunikation des eigenen nachhaltigen Handels

2.6  Ausgewählte Trends und Entwicklungen

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Abb. 2.24   Dreiklang der Nachhaltigkeit. (Basierend auf Bartol & Herkommer, 2004)

Ökologie

Nachhaltigkeit Ökonomie

Soziales

zu Werbezwecken über eine App. Beispiele dafür finden sich zahlreiche, wobei es sich jedoch nicht um eine App-exklusive Kommunikation handelt, sondern die App lediglich einen Kanal (von potenziell mehreren) darstellt, auf dem nachhaltiges Handeln zu Imagezwecken kommuniziert wird. Die Bandbreite der Themen variiert dabei je nach Unternehmen und kann von der Papier- statt der Plastiktüte im Gemüseregal eines Supermarktes über den CO2-neutralen Versand im E-Commerce oder die Möglichkeit zur CO2Kompensation bei der Flugbuchung bis hin zur Rettung des Regenwaldes reichen, wie sie Krombacher seit 2002 im Rahmen seiner Regenwald-Kampagne sehr erfolgreich kommuniziert (Pötter, 2012). Zentrales Risiko, wenn einzelne Maßnahmen für nachhaltiges unternehmerisches Handeln aktiv kommuniziert – oder, je nach Sichtweise, gar „ausgeschlachtet“ – werden, ist der Vorwurf des Greenwashings, wie er regelmäßig in derartigen Szenarien erhoben wird. So wurde die Krombacher-Kampagne von Pötter (2012) in der taz umfassend diskutiert. Unternehmen sollten auf den Vorwurf des Greenwashings in jedem Fall vorbereitet sein, um in einer möglichen Debatte, egal, ob in einer Zeitung oder im Rahmen eines Shitstorms, entsprechend reagieren zu können. Abseits der Kommunikation kann das wachsende Bewusstsein der Menschen für die (ökologische) Nachhaltigkeit auch genutzt werden, um rund um dieses Bewusstsein entsprechende Geschäftsmodelle aufzubauen. Abseits des App-Marktes finden sich immer mehr Unternehmen, die sich auf Unternehmenslösungen zur CO2-Kompensation, etwa durch (Wieder-) Aufforstungen konzentrieren. Beispiele sind Unternehmen die die NatureRe Capital AG (2022) oder die CarbonStack GmbH (2022). Auch mit Blick auf den App-Markt finden sich Unternehmen, die die Nachhaltigkeit als Kernbestandteil ihres Geschäftsmodells verstehen und darauf aufbauend eine entsprechende App entwickelt haben. Ein bekanntes Beispiel stammt aus Dänemark und hat sich der Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung verschrieben:

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren … Beispiel: Too Good To Go – per App gegen Lebensmittelverschwendung

Das dänische Unternehmen Too Good To Go bezeichnet sich selbst als „Social Impact Unternehmen“ und setzt sich gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ein. Auf der Website von Too Good To Go Aps. (2022a) heißt es dazu: „Too Good To Go hat die Vision, eine Welt ohne Food Waste zu schaffen. Das Social Impact Unternehmen macht mithilfe der gleichnamigen App die Rettung von überproduziertem Essen in u.a. Cafés, Bäckereien, Restaurants, Hotels, Kantinen und Supermärkten möglich. Darüber hinaus setzt sich Too Good To Go über Aufklärungskampagnen, politisches Engagement und gezielte Partnerschaften ganzheitlich gegen Food Waste ein.“

Im Kern steht die Idee, überschüssige Lebensmittel, die eigentlich noch gut und essbar sind, jedoch am Ende eines Tages entweder weggeworfen werden müssten oder am nächsten Tag nicht mehr verkaufbar wären, vor der Mülltonne zu retten. Dazu können Unternehmen, etwa Bäckereien oder Restaurants, sich bei Too Good To Go registrieren und am Ende eines jeden Tages übrig gebliebene Lebensmittel anbieten, die sonst weggeschmissen werden würden. Verkauft werden die Lebensmittel dabei als „Magic Bags“ (Überraschungstüten) über die gleichnamige Too Good To Go-App (Too Good To Go Aps, 2022a). Im Google Play Store beschreibt wird die Funktionsweise so beschrieben (Too Good To Go Aps, 2022a, b, c): „Wir helfen Restaurants, Bäckereien, Supermärkten und Hotels dabei, weniger Lebensmittel wegwerfen zu müssen, indem sie ihre überschüssige Ware über unsere App zu einem vergünstigten Preis an Selbstabholer anbieten können. Mit Preisen um die 3,50 EUR garantieren wir ein tolles Angebot. Noch besser – du hilfst dabei der Umwelt. Die Familie der Lebensmittelretter wartet auf dich!“

Das Geschäftsmodell von Too Good To Go kann als Market Maker charakterisiert werden, der mit einem Virtual Marketplace Gewerbe aus dem Food-Sektor mit Endverbrauchern zusammenbringt und dabei einen nachhaltigen Ansatz verfolgt (Wohllebe, 2022, S. 56, 74). Allein bei Google Play wurde die App über zehn Millionen Mal heruntergeladen und ist mit rund 850.000 Bewertungen bei durchschnittlich 4,7 Sternen sehr gut bewertet (Too Good To Go Aps, 2022a, b, c). Im Apple App Store wurde die App bei mehr als 116.000 Bewertungen sogar mit durchschnittlich 4,9 Sternen bewertet (Too Good To Go Aps, 2022b). ◄ Nachhaltigkeit wird auch in den kommenden Jahren immer Teil der öffentlichen Debatte und des Bewusstseins der Verbraucher sein. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit, die hier klar im Vordergrund steht, wird auch die soziale Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere diese beiden Aspekte der Nachhaltigkeit eröffnen, sowohl rein kommunikativ als auch bei der Ausrichtung ganzer Apps und ihrer Geschäftsmodelle, interessante Perspektiven für App-Publisher.

Literatur

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Was Sie aus diesem Kapitel mitnehmen können

• Mögliche Erfolgsfaktoren von Apps – insbesondere der Mehrwert für den Nutzer und eine gute Bedienbarkeit sind von zentraler Bedeutung (Abschn. 2.1) • Umfassender Definitionsansatz – das App-Marketing als Kombination aus Vermarktung, Entwicklung und CRM zur Akquise, Aktivierung, Bindung und Monetarisierung von Nutzern (Abschn. 2.2) • Ziele im App-Marketing – Relevanz und Erarbeitung von App-Marketing-Zielen und Darstellung möglicher Zielkonflikte innerhalb des App-Marketings sowie mit angrenzenden Disziplinen (Abschn. 2.3) • Fragestellungen entlang des Marketing-Mixes – das App-Marketing mit Blick auf Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik (Abschn. 2.4) • Einordnung in die Unternehmensorganisation – mit Blick auf Aufbau- und Ablauforganisation und den Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Varianten (Abschn. 2.5) • Aktuelle Trends und Entwicklungen auf Makroebene – und wie diese den AppMarkt und das App-Marketing beeinflussen (Abschn. 2.6)

Literatur 7Mind GmbH. (2022a, April 15). 7Mind|Abos & Preise. 7Mind. https://www.7mind.de/preise 7Mind GmbH. (2022b, April 15). 7Mind|Erstattung über deine Krankenkasse. 7Mind. https:// www.7mind.de/krankenkasse 7Mind GmbH. (2022c, April 15). 7Mind: Meditation reinvented – Apps on Google Play. Google Play. https://play.google.com/store/apps/details%3Fid%3Dde.sevenmind.android&hl%3Den&gl%3DUS Ahrholdt, D., Greve, G., & Hopf, G. (2019). Online-Marketing-Intelligence: Kennzahlen, Erfolgsfaktoren und Steuerungskonzepte im Online-Marketing. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26562-5 Al Aufa, B., Renindra, I. S., Putri, J. S., & Nurmansyah, M. I. (2020). An application of the Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) model for understanding patient perceptions on using hospital mobile application. Enfermería Clínica, 30, 110–113. https://doi. org/10.1016/j.enfcli.2020.06.025 Alpha Exploration Co. (2022a, March 26). Clubhouse. App Store. https://apps.apple.com/us/app/ clubhouse/id1503133294 Alpha Exploration Co. (2022b, March 26). Clubhouse—Apps on Google Play. Google Play. https://play.google.com/store/apps/details%3Fid%3Dcom.clubhouse. app&hl%3Den&gl%3DUS Al-Saleh, A. (2021, October 3). In Europe we are often just spectators. Telekom.Com. https:// www.telekom.com/en/company/management-unplugged/details/in-europe-we-are-often-justspectators-621660 APKMirror. (2022, March 26). FAQ. APKMirror. https://www.apkmirror.com/faq/

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2  Grundlagen: Begriffe, Ziele, Erfolgsfaktoren …

Wohllebe, A., & Hillmers, M. (2021). Towards a scientific definition of app marketing – a practice-oriented approach using scientific and grey literature. International Journal of Applied Research in Business and Management, 2(1), 13–25. https://doi.org/10.51137/ijarbm.2021.2.1.2 Wohllebe, A., Hübner, D.-S., Radtke, U., & Podruzsik, S. (2021). Mobile apps in retail: Effect of push notification frequency on app user behavior. Innovative Marketing, 17(2), 102–111. https://doi.org/10.21511/im.17(2).2021.10 Wohllebe, A., Ross, F., & Podruzsik, S. (2020a). Influence of the net promoter score of retailers on the willingness of consumers to install their mobile app. International Journal of Interactive Mobile Technologies (IJIM), 14(19), 124–139. https://doi.org/10.3991/ijim.v14i19.17027 Wohllebe, A., Stoyke, T., & Podruzsik, S. (2020b). Incentives on E-commerce app downloads in medium apps: A case study on the effects of coupons and bonus points. International Journal of Interactive Mobile Technologies (IJIM), 14(19), 180–196. https://doi.org/10.3991/ijim. v14i19.16427 Wohllebe, A., & Wolter, N. (2021). Smartphone Apps im Einzelhandel: Einsatzmöglichkeiten, Praxisbeispiele & Herausforderungen (1st ed.). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi. org/10.1007/978-3-658-36500-4 Wu, D., Moody, G. D., Zhang, J., & Lowry, P. B. (2020). Effects of the design of mobile security notifications and mobile app usability on users’ security perceptions and continued use intention. Information & Management, 57(5), 103235. https://doi.org/10.1016/j.im.2019.103235 Zalando SE. (2022, February 20). Zalando – mode online – Apps bei Google Play. Google Play. https://play.google.com/store/apps/details%3Fid%3Dde.zalando.mobile&hl%3Dde&gl%3DDE ZVEI & GfK. (2021, April). Hörgeräte: Absatz bis 2020. Statista. https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/278043/umfrage/absatz-von-hoergeraeten-in-deutschland/

3

Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Zusammenfassung

Marktdaten zeigen einen stark wachsenden App-Markt, in dem Apple und Google als Gatekeeper platziert sind. Für App-Publisher ergeben sich verschiedene Ansätze, Apps im Geschäftsmodell zu verankern – mit unterschiedlichsten Erlösmodellen. In den technologischen Grundlagen werden die wichtigsten Begrifflichkeiten geklärt. Apps werden unter anderem entsprechend ihrem Nutzungsmodus und nach technischer Umsetzung charakterisiert. Umfangreich diskutiert werden die Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern, die Gewinnung diesbezüglicher Erkenntnisse, die Unterscheidung in funktionale und nicht-funktionale Anforderungen und das Clustering in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren mithilfe des Kano-Modells. Zusätzlich werden umfassend Methoden zur Nutzer-orientierten App-Entwicklung und zur Messung von Kundenzufriedenheit erörtert. Nachdem das vorherige Kapitel zunächst die Grundlagen für ein ganzheitliches AppMarketing-Verständnis gelegt und das App-Marketing insbesondere im Hinblick auf seine Ziele und die Verortung in der Unternehmensorganisation betrachtet hat, soll es in diesem Kapitel vor allem um Apps als solche und die Erwartungen der Nutzer an Apps gehen. Dazu werden zunächst ausgewählte Marktdaten genutzt, um einen Überblick unter anderem über Betriebssysteme, Hersteller und Geräte sowie über den App-Markt insgesamt zu geben. Auch, wenn derartige Daten schon im Moment ihrer Erhebung veraltet sind, helfen sie, grundlegende Tendenzen im App-Markt aufzuzeigen. Anschließend werden Apps aus großer Flughöhe strategisch betrachtet. Dabei geht es insbesondere darum, die Relevanz von Apps in unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu verstehen und Erlösmodelle zur Monetarisierung zu erläutern. Nachdem daraufhin technologische Grundlagen von Apps und spezifische Technologien im Smartphone-Kontext erörtert sind, werden verschiedene Ansätze, sowohl taxonomischer als auch typologischer © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wohllebe, Praxisguide App-Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42981-2_3

87

88

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Natur, zur Charakterisierung von Apps betrachtet. Den Abschluss und Schwerpunkt des Kapitels bilden die Ausführungen zur Erwartungshaltung und zu Anforderungen von App-Nutzern, wobei neben der Benennung funktionaler und nicht-funktionaler Anforderungen auch verschiedene Methoden zur Erhebung von Nutzererwartungen, zur Nutzer-orientierten App-Entwicklung und zur Erhebung der Nutzerzufriedenheit diskutiert werden. Die Inhalte dieses Kapitels sind insofern einer der Kernbestandteile des App-Marketings. Sie liefern wichtige Kenntnisse und Methoden, um eine Nutzer-konforme AppEntwicklung zu gewährleisten. Gleichzeitig bilden sie somit auch die Grundlage, auf welcher das App-Marketing eine Mitwirkung im Produktmanagement und bei der AppEntwicklung anstreben muss.

3.1 Ausgewählte Marktdaten Eingangs sollen zunächst einige ausgewählte Marktdaten dazu dienen, einen Überblick über den Smartphone- und App-Markt zu geben. Dabei geht es weniger um eine präzise Präsentation einzelner Zahlen und Statistiken, sondern vielmehr darum, grundsätzliche Tendenzen exemplarisch anhand verschiedener Statistiken aufzuzeigen und deren Implikationen für App-Publisher zu diskutieren. Zusätzlich werden Daten aus Umfragen und anderen Studien genutzt, um einen umfassenden Überblick über die App-Nutzung und die App-Nutzer zu vermitteln. Abschließend wird der Einfluss der Corona-Pandemie auf die App-Nutzung, unter anderem veranschaulicht durch die Entwicklung der TinderNutzerzahlen in diesem Zeitraum, diskutiert. Betriebssysteme Die häufig als erstes gestellte Frage, um einen Überblick über den Smartphone- und App-Markt zu gewinnen, ist die nach der Relevanz unterschiedlicher Betriebssysteme. Tatsächlich wurden, gerade in der frühen Zeit des Smartphones ab 2007 Apps häufig zunächst für iOS programmiert. Apps wie Clubhouse – lange ohne Android-App am Markt – oder ResearchGate verfolgen eine derartige Strategie teilweise noch heute. Dies wirft die Frage auf, welche Betriebssysteme wie relevant sind und im Fokus von App-Publishern stehen sollten. Daten von IDC und Gartner (2021) zeigen, dass der Markt praktisch bereits seit 2013 ausschließlich von Android und iOS dominiert wird, wobei Android stetig bei rund 80 und iOS bei rund 20 % liegt. Alle anderen Betriebssysteme – etwa Windows Phone, BlackBerry oder Symbian – für Smartphones sind innerhalb weniger Jahre vollständig vom Markt verschwunden (Abb. 3.1). Besonders bemerkenswert ist der Niedergang von Symbian. Das Betriebssystem wurde anfänglich ab etwa 2008, unter anderem von Lenovo, LG, Motorola, Nokia, Samsung, Siemens, und Sony Ericsson verwendet. Im Laufe der Jahre wechselten alle Anbieter sukzessive zu Android oder stellten ihre Smartphone-Produktion gänzlich ein.

89

3.1  Ausgewählte Marktdaten

Marktanteil weltweit (%)

100% 80% 60% 40% 20% 0%

Android

iOS

Windows Phone

BlackBerry

Symbian

Andere

Abb. 3.1   Marktanteile von Smartphone-Betriebssystemen weltweit von 2010 bis 2020 und Prognose bis 2025. (IDC & Gartner, 2021)

Trotz der offensichtlichen Dominanz des Android-Betriebssystems setzen viele AppPublisher darauf, ihre App für beide großen Betriebssysteme, also Android und iOS, anzubieten und diese auch überwiegend auf dem gleichen Entwicklungsstand zu halten. Die parallele Entwicklung und der parallele Betrieb einer Android- und einer iOS-App auf dem gleichen Entwicklungsstand bedeuten dabei zwar nicht doppelten Aufwand. Die Apps sind jedoch als zwei technisch unabhängige Frontends anzusehen. Dabei ergeben sich, vor allem aufseiten des Backends, durchaus Synergieeffekte, jedoch darf nicht davon ausgegangen werden, dass eine Android- und eine iOS-App auf gleichem Entwicklungsstand als „eine“ App angesehen werden können. Dass App-Publisher die beiden Betriebssysteme, den sehr unterschiedlichen Marktanteilen zum Trotz, dennoch als gleichwertig ansehen, dürfte im Wesentlichen darauf zurückzuführen sein, dass iOS-Nutzer noch immer als „wertigere“ Nutzer angesehen werden, während die Android-Nutzer rein mengenmäßig schwerer wiegen. Die höhere (angenommene) Wertigkeit von iOS-Nutzern dürfte vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen sein: 1. Ein aktuelles iPhone ist im Regelfall teurer als ein aktuelles Android-Smartphone, sodass iPhone-Nutzern eine höhere Kaufkraft unterstellt wird. 2. Da iPhones im Bereich der Diensthandys einen deutlich höheren Marktanteil haben als bei privat genutzten Smartphones und Diensthandys vor allem von besserverdienenden (kaufmännischen) Angestellten und Selbstständigen genutzt werden, wird eine höhere Zahlungsbereitschaft unterstellt.

90

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Beide Argumente dürften in den vergangenen Jahren deutlich an Relevanz verloren haben, zurückzuführen auf immer mehr Top-Smartphones mit Android und dem konstant bei 80 % liegenden Marktanteil. Vor diesem Hintergrund ist die Erwägung der Bevorzugung der iOS-Entwicklung gegenüber der Android-Entwicklung in jedem Fall zu hinterfragen. Das eCommerce Magazin kommt hierzu bereits im Jahr 2014 zu der Feststellung, dass „Android vs. iOS – für die richtige mobile App-Strategie kaum von Bedeutung“ sei (Koelwel, 2014). Hersteller und Geräte Ähnlich der Entwicklung bei den Betriebssystemen hat sich auch die Zusammensetzung der weltweit dominierenden Hersteller über die Jahre deutlich verändert. Während, gemessen am weltweiten Absatz, Unternehmen wie Nokia und RIM (BlackBerry) seit 2013 vom Markt vollständig verschwunden sind, konnten insbesondere Apple und Samsung seit 2007 bis in die Mitte der 2010er ihren Absatz stetig steigern und so den Markt dominieren. Seit der Mitte der 2010er Jahre drängen verstärkt neue Hersteller auf den Markt wie etwa Xiaomi seit 2014 (Abb. 3.2). Obwohl die Anzahl der relevanten Smartphone-Hersteller weltweit überschaubar ist, existiert eine mittlerweile kaum überschaubare Vielzahl an Geräten mit unterschiedlichen Betriebssystemversionen und Bildschirmabmessungen. Gerade, um die Relevanz einzelner Geräte, Betriebssystemversionen und Bildschirmabmessungen im Entwicklungs- und Testingprozess besser einschätzen zu können, ist es deshalb wichtig, die technischen Eigenschaften der eigenen Nutzer zu kennen. Anhaltspunkte dafür bieten neben den über Webanalyse-Tools wie Google Analytics erhobenen Zahlen der eigenen (mobilen) Website auch allgemeine Zahlen vom Markt, etwa die Marktanteile der meistverkauften Smartphone-Modelle in Deutschland in einem bestimmten Zeitraum (Abb. 3.3).

Absatz weltweit (Mio.)

350 300 250 200 150 100 50 0

Samsung

Apple

Xiaomi

Nokia

RIM (BlackBerry)

Abb. 3.2   Smartphone-Absatz ausgewählter Hersteller von 2007 bis 2021. (IDC & Gartner, 2022)

3.1  Ausgewählte Marktdaten

91

Apple iPhone 13 Apple iPhone 13 Pro Max Apple iPhone 13 Pro Samsung Galaxy A12 Nacho Samsung Galaxy S20 FE

0

5

10 15 20 Marktanteil DE (%)

25

Abb. 3.3   Marktanteile meistverkaufter Smartphone-Modelle in Deutschland im Januar 2022. (Counterpoint Research, 2022)

Gerade beim Heranziehen externer Daten muss jedoch beachtet werden, dass die tatsächlichen technischen Eigenschaften der eigenen Nutzer davon massiv abweichen können. So wäre etwa denkbar, dass eine ältere Zielgruppe deutlich länger ältere Geräte und Betriebssystemversionen oder Menschen aus der Kreativbranche überdurchschnittlich häufig das neuste iPhone verwenden. App-Markt Nach einem grundlegenden Überblick über den Smartphone-Markt soll im Folgenden der App-Markt betrachtet werden. Zunächst stellt sich dabei die Frage nach der Relevanz der unterschiedlichen App-Marktplätze, wobei sich diese Frage weitestgehend auf Basis der zuvor beschriebenen Verbreitung der Betriebssysteme beantworten lässt: Mit rund 3,5 Mio. Apps hat Google Play das mit Abstand größte Angebot, während im Apple App Store rund 2,2 Mio. Apps verfügbar sind. Andere Marktplätze wie die in Abschn. 2.4.3 erwähnten Beispiel F-Droid oder APKMirror spielen für die meisten Apps – unabhängig davon, wie viele Apps dort angeboten werden – praktisch kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildet der Amazon Appstore, der mit 461.000 Apps ein deutlich kleineres Angebot aufweist, jedoch insofern als relevant anzusehen ist, als dass er den Standard-App-Marktplatz für die von Amazon unter eigenem Label vertriebene Hardware, insbesondere die Fire Tablets, darstellt (Appfigures, 2021). Der Amazon Appstore und das Betriebssystem Fire OS wurden bereits in Abschn. 2.4.3 im Rahmen des entsprechenden Beispiels diskutiert. Mit Blick auf die mit Smartphone-Apps realisierten Umsätze zeigt Abb. 3.4 einen seit 2008 kontinuierlichen Anstieg. Bereits seit dem Jahr 2015 ist der App-Markt in Deutschland ein Milliarden-Markt (Bitkom, 2021a). Ein Großteil – rund drei Viertel – dieser Umsätze entsteht dabei nicht durch den Kauf kostenpflichtiger Apps, sondern durch das Tätigen von In-App-Käufen (Bitkom, 2021b). Besonders auffällig ist der zuletzt sprunghafte Anstieg in den Jahren 2020 und 2021. Innerhalb von zwei Jahren konnten sich die mit Apps generierten Umsätze fast ver-

92

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern 2,900

Umsatz DE (Mio. €)

3000

2,300

2500 2000 1500 1000 500 0

Abb. 3.4   Umsatz mit Smartphone-Apps in Deutschland von 2008 bis 2020 mit Prognose für 2021. (Bitkom, 2021a)

doppeln. Als Grund dafür dürfte vor allem die Corona-Pandemie anzuführen sein, wie Sebastian Klöß, Bereichsleiter Consumer Technology & AR/VR beim Branchenverband Bitkom (2021b), kommentiert: „Gerade in der Corona-Krise haben die Menschen mehr Zeit mit ihrem Smartphone verbracht. Sie haben neue Apps ausprobiert und dabei auch mehr Geld ausgegeben – etwa, um mit kostenpflichtigen Online-Kursen fit zu bleiben, sich mit Spielen die Zeit zu vertreiben oder um neue Sprachen zu lernen.“

Blickt man auf die Top-10-Liste umsatzstärksten Apps bei Google Play in Deutschland, wird insbesondere die Relevanz von Spielen im App-Markt deutlich. Mit Ausnahme von TikTok und Disney + sind acht der zehn erfolgreichsten Apps bei Google Play im Januar 2022 Spiele (Abb. 3.5). Angeführt wird die Liste laut Airnow (2022a) von Coin Master.

Coin Master TikTok Gardenscapes Clash of Clans State of Survival: The Joker… Fishdom Homescapes Candy Crush Saga Disney+ Genshin Impact 0

5 10 15 20 25 30 Umsatz DE Google Play Store (Mio. USD)

Abb. 3.5   Umsatz der erfolgreichsten Apps bei Google Play in Deutschland im Januar 2022. (Airnow, 2022a)

3.1  Ausgewählte Marktdaten

93

Beispiel: Coin Master – zwischen Aufbauspiel und einarmigem Banditen

Mit laut Airnow (2022a) mehr als 26 Mio. $ Umsatz bei Google Play allein in Deutschland und nur im Januar 2022 ist Coin Master die zu diesem Zeitpunkt mit Abstand erfolgreichste App. Allein bei Google Play wurde Coin Master über 100 Mio. Mal installiert und fast sieben Millionen Mal bewertet – mit durchschnittlich 4,6 Sternen. Publisher von Coin Master ist die israelische Firma Moon Active (2022). Bei dem Spiel handelt es sich um eine Mischung aus Strategie-/Aufbauspiel und einarmigem Banditen. Der Spieler muss ein virtuelles Dort auf- und ausbauen, wobei er dazu Geld – „Coins“ – benötigt. Das Geld kann an einem einarmigen Banditen, auch bekannt als Slot Machine, virtuell erspielt werden. Monetarisiert wird die App über In-App-Käufe. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Slot Machine, die pro Stunde nur eine bestimmte Anzahl an Spielen zulässt. Über In-App-Käufe können zusätzliche Versuche gegen Echtgeld erworben werden. Aufgrund des einarmigen Banditen steht Coin Master immer wieder in der Kritik, Kinder gezielt an Glücksspiel heranzuführen. ◄ Vor dem Hintergrund, dass rund drei Viertel aller App-Umsätze über In-App-Käufe und ein Viertel über den Kauf kostenpflichtiger Apps generiert werden, lohnt sich weiterhin die Betrachtung, wie viele der angebotenen Apps überhaupt kostenlos und wie viele kostenpflichtig sind. Hierzu hat AppBrain (2022a, b) in einigen Kategorien Zahlen erhoben (Tab. 3.1). Bemerkenswert ist, dass der Anteil der kostenpflichtigen Apps an der Gesamtzahl der in der jeweiligen Kategorie angebotenen Apps je nach Kategorie sehr unterschiedlich ausfällt. So liegt der Anteil der kostenpflichtigen Apps in den Kategorien Bildung und Tools jeweils bei etwas mehr als fünf Prozent und in der Kategorie Bücher & Nachschlagewerke sogar bei fast sieben Prozent. Die wenigsten kostenpflichtigen Apps werden im Bereich Business (knapp ein Prozent) sowie Musik & Audio (knapp unter zwei Prozent) angeboten. Diese Daten sind insofern spannend, als dass sie Hinweise darauf liefern, in welchen Kategorien Nutzer eventuell mit dem Erwerb kostenpflichtiger Apps bereits vertraut sind und in welchen Bereichen hier gegebenenfalls noch Marktentwicklung zu leisten wäre.

Tab. 3.1  Anzahl kostenloser und kostenpflichtiger Apps im Google Play Store in ausgewählten Kategorien. (Basierend auf einer weltweiten Erhebung von AppBrain, 2022a, b)

Kategorie

Kostenlos

Kostenpflichtig

Bildung

240.150

13.140

Business

167.040

1.660

Bücher & Nachschlagewerke

107.980

8.060

Lifestyle

117.820

2.560

Musik & Audio

153.860

2.890

Tools

141.230

7.670

Unterhaltung

132.960

3.750

94

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Grundsätzlich geht der Trend eher zu kostenlosen, über Werbung und In-App-Käufe monetarisierten Apps, die die Nutzer zunächst niedrigschwellig an ihren Mehrwert heranführen, bevor der Versuch der Monetarisierung unternommen wird. App-Nutzung und -Nutzer Die Nutzung von Apps fällt, zunächst einmal bei weltweiter Betrachtung, sehr unterschiedlich aus. Während Smartphone-Nutzer in Indonesien täglich 5,5, in Brasilien 5,4 und in Südkorea 5 h auf Apps verwenden, liegt Deutschland mit einer App-Nutzung von 3,3 h pro Tag relativ weit hinten. Auch in Kanada (4,4 h), den USA (4,2 h) und Großbritannien (4 h) sowie Frankreich (3,6 h) werden Apps mehr genutzt als in Deutschland (Data.ai, 2021). Die in Deutschland beliebteste App gemessen an der Nutzungsdauer pro Tag ist der Messenger-Dienst WhatsApp mit rund 35 min, gefolgt von Instagram (23 min) und YouTube (22 min). Der Browser Chrome von Google wird im Schnitt 17 min pro Tag genutzt, Facebook 13 min (Murmuras, 2021). Die meiste Zeit verwenden Nutzer also für Apps zur sozialen Interaktion und zum Konsum von Medien. Zusatzinformation: Sozio-demographische Einblicke auf Basis von Ailon Eine für viele Advertiser spannende Perspektive bietet die Betrachtung sozio-demographischer Daten von App-Nutzern. Während viele Umfragen diesbezüglich zwar einfache Einblicke liefern können, fehlt dabei häufig ein Vergleich mit der Gesamtpopulation. Illustrieren lässt sich dies am Beispiel von Parteipräferenzen: Die Tatsache, dass beispielsweise von den eigenen Kunden 28 % „Die Grünen“ wählen würden, lässt sich erst dann in eine relevante Information übersetzen, wenn man diese Information ins Verhältnis zum Wähleranteil in der Gesamtpopulation setzt. Erst wenn Wähler von „Die Grünen“ in der Gesamtpopulation beispielsweise nur mit 15 % vertreten wären, könnte für den eigenen Kundenstamm zum Beispiel ein besonders hohes Interesse an Nachhaltigkeit abgeleitet werden. Mit „Ailon“ bietet die ERASON GmbH eine Software für KI-gestützte Marktforschung an, die solche und andere Insights zu frei definierbaren Zielgruppen berechnen kann. Die folgenden Grafiken basieren auf vom Unternehmen bereitgestellten Analysen und liefern einige spannende Informationen zu sozio-demographischen Eigenschaften App-affiner Konsumenten in Deutschland. Zu beachten ist, dass sich die Daten auf App-affine Menschen beziehen und insofern nicht pauschal angewendet werden können. Für die Operationalisierung im (App-) Marketing, etwa als Unterstützung bei der Auswahl von Werbeumfeldern, dürften weitere, insbesondere auf das eigene Unternehmen und die eigene Branche bezogene Eingrenzungen entsprechend relevant sein. Hinsichtlich des Altersprofils zeigt Abb. 3.6 deutlich, dass App-affine Konsumenten insbesondere in der Gruppe der 21- bis 30-Jährigen deutlich stärker als in der Gesamtpopulation repräsentiert werden. Durchaus überraschend ist, dass erst in der Gruppe der über 60-Jährigen der Anteil App-affiner Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation besonders niedrig ausfällt. Hinsichtlich des Bildungsstandes zeigen die Daten Ailon, dass der Anteil der Abiturienten unter den regelmäßigen App-Nutzern besonders hoch im Vergleich zur Gesamtpopulation ausfällt, während Menschen mit Hauptschulabschluss eher unterrepräsentiert sind (Abb. 3.7). Ein Blick auf die parteipolitischen Präferenzen in Abb. 3.8 zeigt, dass App-affine Nutzer insbesondere zu den Grünen und zur FDP tendieren, während die Präferenz sowohl für die CDU als auch für die SPD im Vergleich zur Gesamtpopulation besonders niedrig ausfällt.

3.1  Ausgewählte Marktdaten

95

Anteil der Altersgruppe

Abb. 3.6   Altersverteilung App-affiner Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ ERASON GmbH)

40% 30% 20% 10% 0%

18-20 21-30 31-40 41-50 51-60 Altersgruppe Population

Abb. 3.7   Bildungsstand Appaffiner Nutzer im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon / ERASON GmbH)

App-affine

60% 40% 20% 0%

Population

40% Ø Interesse ggü. Normwert

Abb. 3.8   Parteipolitische Präferenzen App-affiner Nutzer im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ ERASON GmbH)

60+

Die Grünen

App-affine

FDP

20% Die Linke AfD 0%

-20%

-40%

CDU SPD

Mit Blick auf die Freizeitgestaltung weisen App-affine Konsumenten gegenüber der Gesamtpopulation ein besonders hohes Interesse an Kino, Autos und E-Sports auf, während das Interesse an Kochen, Nähen und Stricken sowie an Gartenarbeit besonders niedrig ist (Abb. 3.9).

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Abb. 3.9   Präferenzen Appaffiner Konsumenten bei der Freizeitgestaltung gegenüber dem Normwert der Population (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH)

75% Ø Interesse ggü. Normwert

96

50% 25% 0% -25% -50% -75%

27% 20%

20%

18%

8%

Keine App

5%

1-2 Apps

3-4 Apps

5-9 Apps 10-19 Apps

20 oder mehr Apps

Abb. 3.10   Anzahl regelmäßig genutzter Smartphone-Apps. (PAYBACK & Kantar EMNID, 2017)

Mit Blick auf die Anzahl der regelmäßig verwendeten Apps zeigen Daten von PAYBACK & Kantar EMNID (2017), dass 50 % aller Deutschland mindestens fünf Apps mindestens einmal pro Monat verwenden. Fünf Prozent aller Konsumenten geben an, sogar 20 oder mehr Apps mindestens einmal pro Monat zu verwenden. Nur acht Prozent nutzen laut eigener Aussage keine Apps (Abb. 3.10). Auch, wenn diese Zahlen aufgrund des Alters der ihr zu Grunde liegenden Erhebung mittlerweile wohl höher ausfallen dürften, deuten sie doch auf ein grundlegendes Problem hin. Unabhängig von der Frage, ob man die einzelnen Zahlen als hoch oder niedrig einschätzt, führen die Zahlen exemplarisch vor Augen, dass die Aufmerksamkeit und die Zeit der Nutzer begrenzt sind. Da der Smartphone-Konsum der Nutzer nicht unendlich gesteigert werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass der Markt einen Punkt erreichen wird, an dem jede Installation und Nutzung einer neuen App gleichzeitig vom Nutzer erfordert, sich – mindestens unbewusst – von einer anderen App zu verabschieden.

3.1  Ausgewählte Marktdaten

97

10

9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Jan-17 Apr-17 Jul-17 Oct-17 Jan-18 Apr-18 Jul-18 Oct-18 Jan-19 Apr-19 Jul-19 Oct-19 Jan-20 Apr-20 Jul-20 Oct-20 Jan-21 Apr-21 Jul-21 Oct-21 Jan-22

Anzahl monatl. aktiver Nutzer (Mio.)

Deutlich muss der mitunter aufkommenden Befürchtung widersprochen werden, dass der App-Markt längst aufgeteilt sei: Galt Facebook bis vor einiger Zeit noch als klarer Dominator im Bereich Social Media, befindet sich die Facebook-App in der öffentlichen Wahrnehmung eher auf dem absteigenden Ast. Im Gegenzug profitieren Apps wie Snapchat oder TikTok. Auch Instagram konnte, gerade in Deutschland, deutlich wachsen: Laut Airnow (2022b) hat sich die Anzahl der monatlich aktiven Nutzer innerhalb von 5 Jahren in Deutschland auf iOS mehr als versiebenfacht (Abb. 3.11). Besonders deutlich wird der stetige Wandel des Marktes umgekehrt am Beispiel von WhatsApp. Innerhalb von 5 Jahren hat sich Zahl der monatlich aktiven Nutzer auf Android von 811 Mio. auf angeblich144 Mio. – also um mehr als 80 % – verringert (Airnow, 2022d). Darüber hinaus weisen Zahlen von AppBrain (2022c) auf eine weitere Herausforderung im App-Markt hin – die der grundsätzlichen Sichtbarkeit. Mehr als 80 % aller Apps bei Google Play haben keine Bewertungen. Zum Vergleich: Jeweils rund 5 % haben mehr als 4,5 Sterne beziehungsweise zwischen 4 und 4,5 Sternen. Es scheint also, dass die überwältigende Mehrheit der Apps nicht von einer nennenswerten Menge an Menschen genutzt wird. Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit, sich als AppPublisher neben der App als Produkt auch intensiv und ganzheitlich mit dem App-Marketing auseinanderzusetzen. Obwohl die Popularität von Apps seit Jahren praktisch über alle Bereiche hinweg ansteigt, sind Smartphone-Apps noch immer ein Wachstumsmarkt. Exemplarisch steht dafür der E-Commerce. Noch im Juli 2018 nutzte die Mehrheit der Nutzer (63 %) beim mobilen Online-Shopping „fast immer“ oder jedenfalls „eher“ den Browser. Nur zehn Prozent nutzten „eher“ oder „(fast) immer“ Apps zum mobilen Shopping (Statista, 2018).

Abb. 3.11   Entwicklung der Anzahl monatlich aktiver Instagram-Nutzer in Deutschland auf iOS. (Airnow, 2022b)

98

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Zusatzinformation: Präferenzen für ausgewählte Online-Shops bei App-affinen Konsumenten Die in den letzten Jahren gestiegene Relevanz mobiler Apps im Einzelhandel im Allgemeinen sowie im E-Commerce im Speziellen wirft für einzelne Händler die Frage auf, inwiefern sie in die Entwicklung einer eigenen App investieren sollten. Einen interessanten Ansatz zur Beantwortung dieser Fragestellung liefern erneut die Daten der Firma ERASON und ihres Produkts Ailon. Abb. 3.12 zeigt, wie hoch das Interesse besonders App-affiner Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation ausfällt. Ein Wert von über 1 bedeutet, dass App-affine Nutzer ein im Vergleich zur Gesamtpopulation erhöhtes Interesse an dem jeweiligen Einzelhändler haben, während ein Wert unter 1 auf ein im Vergleich niedrigeres Interesse hindeutet. Während Unternehmen wie Steam, EIS.de oder Sport Scheck bei App-Nutzern auf ein vergleichsweise hohes Interesse stoßen, sind App-Nutzer bei Unternehmen wie Witt Weiden, Bader oder Klingel deutlich unterrepräsentiert. Die vorliegenden Daten können in mehrere Richtungen interpretiert werden. Einerseits zeigen sie, für welche Einzelhändler eine App besonders relevant sein könnte, weil sie von App-Nutzern überproportional stark präferiert werden. Es könnten also bestehende Potenziale erschlossen werden. Andererseits könnten aber auch Einzelhändler mit besonders niedrigem Interesse bei AppNutzern eine App entwickeln, um noch weitere Potenziale zu generieren und zu heben. Ebenfalls denkbar ist eine triviale Interpretation der Daten: Einzelhändler, die bereits erfolgreich mit einer App am Markt vertreten sind, dürften bei intensiven App-Nutzern ebenfalls auf ein im Vergleich zur Gesamtpopulation besonders hohes Interesse stoßen.

Für die Klassifizierung von Nutzern von Shopping-Apps im Umfeld des Multi-Channel Einzelhandel unterscheiden Wohllebe et al. (2022) anhand der Feature-Präferenzen der Nutzer vier Gruppen:

Abb. 3.12   Präferenzen App-affiner Konsumenten für ausgewählte Online-Shops (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH)

Ø Interesse ggü. Normwert

• Konventionelle Online-Shopper kaufen bevorzugt online ein. Sie haben kein Interesse an innovativen App-Features. • Technologie-offene Online-Shopper haben eine hohe Online-Affinität und interessieren sich stark auch für innovative Features. Sie haben kaum Interesse an Werbung zum Beispiel für aktuelle Angebote.

2

1

0

3.1  Ausgewählte Marktdaten

99

• Lokale Schnäppchenjäger kaufen bevorzugt im stationären Einzelhandel ein. Smartphone-Apps nutzen sie vor allem mit der Intention, günstige Angebote zu finden. Das Interesse an innovativen Features ist gering. • Technologieaverse Offline-Shopper kaufen vor allem im klassischen Einzelhandel ein. Das Interesse an Apps im Allgemeinen und an innovativen Features im Speziellen ist gering. Hinsichtlich der sozio-demographischen Eigenschaften von App-Nutzern ist zunächst davon auszugehen, dass diese im Wesentlichen denen der Smartphone-Nutzer insgesamt entsprechen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der fortschreitenden Marktdurchdringung anzunehmen. Gleichwohl sollen Daten aus der Schweiz an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, die darauf hindeuten, dass App-Nutzer tendenziell eher etwas jünger und eher männlich sind, die App-Nutzung jedoch offenbar unabhängig vom Bildungsstand ist (Tableau Software, 2016a, b, c). Mit Blick auf Unterschiede bei den sozio-demographischen Eigenschaften je nach genutztem Betriebssystem weist Koelwel (2014) darauf hin, dass es wohl keine erheblichen Unterschiede zwischen iOS- und Android-Nutzern gibt. Basierend auf einer Erhebung der Managementberatung Mücke, Sturm & Company lassen sich, insbesondere auf Basis sozio-demographischer und psychodemographischer Daten, laut Koelwel (2014) vier Gruppen von App-Nutzern – unabhängig von der Art der betrachteten App – identifizieren: • Focused User nutzen eine eher geringe Anzahl an Apps, diese jedoch intensiv und über lange Zeiträume hinweg. • Power User haben ein starkes Interesse an Neuigkeiten. Apps nutzen sie sowohl privat als auch beruflich. Sie sind typischerweise zwischen 18 und 35 Jahren alt und männlich. • Undecided User probieren viele aus und wechseln schnell zwischen Apps des gleichen Typs hin und her. • Uninterested User haben entweder keinen Bedarf, Apps zu nutzen, oder sind sich dieses Bedarfs jedenfalls nicht bewusst. Diese Nutzer gehören häufig zur Altersgruppe 50+ . Insbesondere die sozio-demographischen Merkmale bestätigen die zuvor erwähnten Statistiken von Tableau Software (2016a, b, c) aus der Schweiz. Einfluss der Corona-Pandemie auf die App-Nutzung Eine besondere Bedeutung für die App-Nutzung kommt der ab März 2020 weltweit präsenten Corona-Pandemie zu. Daten der Internet World Business (2020), die die AppNutzung im ersten Quartal 2020 mit der im ersten Quartal des Jahres 2019 vergleichen, zeigen einen teils massiven Anstieg der weltweiten App-Nutzung mit dem Beginn der Corona-Pandemie. Abb. 3.13 zeigt die Entwicklung über verschiedene App-Kategorien hinweg.

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Anstieg (%) im Vergleich zum Vorjahresquartal

100 120 100 80 60 40 20 0

Sessions

Installationen

Abb. 3.13   Entwicklung der weltweiten App-Nutzung nach Kategorien – Q1/2020 und Q1/2019 im Vergleich. (Internet World Business, 2020)

Deutlich wird in allen ausgewählten Kategorien, dass sich die Nutzung, sowohl in Sessions als auch in Installationen ausgedrückt, deutlich, das heißt im zweistelligen Bereich erhöht hat. Insbesondere Business-Applikationen konnten stark profitieren und die Anzahl der Installationen sogar mehr als verdoppeln. Ähnlich entwickelten sich auch die Lieferdienste. Die Entwicklung im Bereich Gaming, geprägt durch eine deutlich stärkere Entwicklung der Sessions als der Installationen, stellt dabei einen Sonderfall dar und zeigt, wie sich die Freizeitbeschäftigung durch die Kontaktbeschränkungen in der Pandemie – mindestens kurzzeitig – verändert (Internet World Business, 2020). Auch bei den Shopping-Apps im Allgemeinen, also abseits reiner E-Commerce-Apps, hat die Pandemie zu einer deutlich stärkeren Nutzung geführt, die sich wohl auch nach der Corona-Pandemie fortsetzen wird. Einzelhändler nutzten Apps in den Hochphasen der Pandemie zum Beispiel, um Services wie Click & Collect oder die Buchung von Beratungsterminen abzubilden (Wohllebe, 2022b). Einen besonders deutlichen Anstieg der Nutzung erlebte auch die Dating-App Tinder. Die Nutzerzahlen stiegen über viele Jahre kontinuierlich, aber moderat an und lagen in Deutschland auf iOS mit Beginn der Pandemie im März 2020 bei 790.000. Bis zum Mai 2020 stieg die Nutzerzahl schlagartig auf mehr als das doppelte an, sodass nach rund zwei Monaten Pandemie bereits 1,7 Mio. iOS-Nutzer in Deutschland auf Tinder vertreten waren. Bis zum Januar 2022 konnte die Nutzerzahl auf 2,1 Mio. wachsen (Airnow, 2022c).

3.2 Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps In der Auseinandersetzung mit dem App-Marketing liegt der Fokus häufig vor allem auf den Kanälen sowie die inhaltlichen Ansätze der Vermarktung. Mitunter werden auch die Maßnahmen zur Bindung von und Kommunikation mit bestehenden Nutzern betrachtet.

3.2  Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps

101

Darüber hinaus ist es hilfreich, die Bedeutung von Smartphone-Apps auch im gesamtbetriebswirtschaftlichen Kontext einordnen zu können. Dies betrifft nicht nur die bereits diskutierten Fragen der Zielsetzung (Abschn. 2.3) oder der organisatorischen Verortung (Abschn. 2.5). Vielmehr benötigt es auch ein Verständnis dafür, welche Relevanz eine App für das Geschäftsmodell eines Unternehmens hat. In diesem Kontext ebenfalls zu betrachten sind die unterschiedlichen Erlösmodelle, mit denen ein Unternehmen über eine App Umsatz zu generieren versucht. Ergänzend wird auch die in der Praxis häufig diskutierte Entscheidung, eine App intern oder extern (Outsourcing) zu entwickeln, thematisiert.

3.2.1 Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen Eine grundlegende Frage bei der Betrachtung einer App mit Blick auf das App-Marketing ist die Frage, welche Bedeutung die App für das Geschäftsmodell des App-Publishers überhaupt hat.  Definition: Geschäftsmodell Angelehnt an Osterwalder und Pigneur (2002) beschreibt das Geschäftsmodell eines Unternehmens… „...den Wert, den ein Unternehmen seinen Kunden anbietet, und die Architektur und das Netzwerk von Partnern, die dieses Unternehmen zur Schaffung, Vermarktung und Erbringung dieses Wertes nutzt, um langfristig und profitabel Umsatzströme zu schaffen.“

Mit Blick auf die vorangestellte Definition des Begriffes „Geschäftsmodell“ sind gerade im Rahmen von Innovationsbestrebungen – und damit auch häufig im Rahmen von Überlegungen zur Entwicklung einer App – die Aspekte der Langfristigkeit und der Profitabilität zu betonen. Durchaus denkbar ist, dass ein Unternehmen eine App veröffentlicht, die über längere Zeit zunächst intensive Investitionen erfordert und erst später, dafür aber umso stärker, Gewinne abwirft. Gerade in solchen Fällen ist es erforderlich, die Ziele der App und des App-Marketings entsprechend auszurichten, also zum Beispiel zunächst stärker auf Nutzerwachstum und Reichweite zu achten und von kurzfristigen Profitabilitätszielen abzusehen. Klassifizierung von Apps nach Relevanz für Geschäftsmodell Bei der Frage, welche Rolle eine App langfristig im Geschäftsmodell eines Unternehmens spielen soll, sind verschiedene Szenarien denkbar. Eine einfache Unterscheidung findet sich dazu bei Hollensen et al., (2019, S. 50 f.), die bei der Ausrichtung von Apps zwischen „Mobile Commerce“ und „Mobile Value Added Services“ (MVAS) unterscheiden (Abb. 3.14). Während Mobile Commerce-Apps auf die Generierung von Umsätzen unmittelbar in der App ausgerichtet, also als direktes Vertriebsinstrument zu verstehen sind, stellen MVAS-Apps eine Hilfestellung für ihre Nutzer bei der Problemlösung oder der

102

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern Mobile Commerce

Mobile Value Added Service

• App als Vertriebskanal

• App als unterstützender Service

• Ziel: Umsatz

• Ziel: Bereicherung des Kundenerlebnisses

Abb. 3.14   Unterscheidung von Apps nach „Mobile Commerce“ und „Mobile Value Added Service“. (Angelehnt an Hollensen et al., 2019, S. 50 f.)

Niedrig

Spin-Off

Relevanz der App für Gesamt-Geschäftsmodell Komplementär

Hoch

Substitutiv App Second

Stand-Alone App First

Abb. 3.15   Typologie zur Klassifizierung von Apps nach Relevanz für Gesamt-Geschäftsmodell des Unternehmens

Entscheidungsfindung dar. Im Fall von Mobile Commerce kann nach Hollensen et al., (2019, S. 50 f.) die App selbst also als Produkt begriffen werden, während bei MVASApps die App einen unterstützenden Service darstellt, der bei der Nutzung des Kernprodukts unterstützt. Angelehnt an den in Abschn. 2.3 genutzten Begriff des Out-of-AppUmsatzes sind MVAS also eher als strategisches Instrument zu verstehen und dienen vor allem mittelbar der Umsatzsteigerung. In Abb. 3.15 findet sich ein Vorschlag für eine Typologie, mit deren Hilfe Apps nach der Relevanz für das Gesamt-Geschäftsmodell eines Unternehmens klassifiziert werden können. Im Folgenden sollen die verschiedenen Ausprägungen der Typologie kurz beschrieben und jeweils mit Beispielen verdeutlicht werden: • Eine Stand Alone-App stellt innerhalb eines Geschäftsmodells die wesentliche Säule dar. Das Geschäftsmodell des App-Publishers ist also vollständig um die Entwicklung und den Betrieb der App herum gebaut. Sämtliche Umsätze werden über die Monetarisierung der App generiert. Beispiele sind unter anderem im Bereich von Tool-Apps (etwa Wecker oder Taschenrechner) oder bei Spielen zu finden, die ausschließlich als App veröffentlicht werden. Auch On-Demand-Lieferservices wie Getir oder Gorillas setzen darauf, ihre Services ausschließlich über Apps anzubieten. • Eine substitutive App stellt einen im Wesentlichen vollwertigen Zugang zu den Produkten und Services eines Unternehmens dar. Sie ist in der Regel eine alternative

3.2  Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps

103

Zugangsmöglichkeit neben einem Webinterface oder einer Software, die der Nutzer auf seinem Computer installiert. Unterschieden werden können ein App First- und ein App Second-Ansatz, wobei es um die Frage geht, ob die App als bevorzugter Zugangsweg oder als zwar praktisch vollwertiger, aber in der Rangordnung hinter dem Webinterface stehender Zugang angeboten wird. Insbesondere im E-Commerce, aber auch zum Beispiel bei Immobilienportalen oder im Banking sind Apps häufig ein substitutiver Zugang zum Produkt- und Dienstleistungsangebot. • Komplementäre Apps stellen eine aus Kundensicht Mehrwert-stiftende Ergänzung dar, sind für den Bezug und die Nutzung des vom App-Publisher angebotenen Produktes jedoch nicht unbedingt notwendig. Apps, die als Komplementär zu einem Geschäftsmodell angelegt sind, können zwar auch unmittelbar Umsätze generieren, sind in der Regel allerdings eher darauf ausgelegt, die Geschäftsmodell mittelbar zu unterstützen. Mit BAUHAUS NAUTIC, einem Nachschlagewerk für Segler, welches auch aktuelle Angebote des App-Publishers im Bereich Nautik anzeigt, und dem BAUHAUS Umzugshelfer, welcher verschiedene Tools zur Organisation von Umzügen bereithält, bietet die BAUHAUS AG gleich zwei geeignete Beispiele für komplementäre Apps. • Spin-Off-Apps haben keinen – oder jedenfalls keinen klar erkennbaren – Bezug zum eigentlichen Geschäftsmodell des App-Publishers. Häufig handelt es sich um Innovationsprojekte oder Testballons, mit denen eine potenzielle Erweiterung der bestehenden Geschäftsmodells oder ein neues Geschäftsmodell erprobt werden soll. In der Praxis äußert sich die Relevanz einer App für das Gesamt-Geschäftsmodell des App-Publishers sicherlich in der Frage der budgetären Ausstattung des App-Marketings. Andererseits ergeben sich jedoch auch Implikationen für die Marketingkonzeption. So werden substitutive und komplementäre Apps eher von bereits etablierten Unternehmen mit etablierten Marken veröffentlicht, sodass die Bekanntheit der Marke gezielt als Vermarktungshebel eingesetzt werden kann. Dieser Vorteil bleibt neu veröffentlichten Stand Alone-Apps, insbesondere im Bereich von Tools und Games, häufig verwehrt, sodass diese deutlich stärker auf App Store Optimization (ASO) sowie auf sämtliche Formen der bezahlten (Online-) Werbung zurückgreifen müssen. Die bereits erwähnten OnDemand-Lieferdienste stellen dabei insofern eine Ausnahme dar, als dass diese ohnehin nur als App verfügbar sind, jedoch auch über massive Offline-Präsenz verfügen und insofern intensiver Markenaufbau und App-Vermarktung kaum noch trennbar miteinander verwoben sind. Zusätzlich zur Frage nach der Relevanz einer App für das Gesamt-Geschäftsmodell eines Unternehmens zu einem gewissen Zeitpunkt kann die Frage auch zur Betrachtung eines Zeitraums gestellt werden. Je nach (betriebswirtschaftlicher) Entwicklung der App im Verhältnis zum Rest des Unternehmens können Apps durch entsprechende (technische) Weiterentwicklung ihre Relevanz im Laufe der Zeit verändern. Dabei sind Entwicklungen in alle Richtungen denkbar.

104

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Die vorausgegangene Beschreibung von Spin-Off-Apps als das Ergebnis von Innovationsprojekten und Testballons deutet dies bereits an und lässt sich auch auf komplementäre Apps anwenden. Denkbar wäre die Integration einer ursprünglichen SpinOff-App in ein bestehendes Geschäftsmodell als komplementäres oder substitutives Angebot. Auch das Herauslösen einer komplementären App aus einem Geschäftsmodell heraus und die Transformation in ein neues, eigenständigen Geschäftsmodell ist möglich. Besonders viele Verschiebungen, getrieben vor allem durch über viele Jahre steigende Relevanz von Smartphones im Allgemeinen und Apps im Speziellen, können immer wieder im Bereich der substitutiven und Stand Alone-Apps sowie innerhalb der substitutiven Apps (App First versus App Second) beobachtet werden. Auf der einen Seite scheinen viele E-Commerce-Unternehmen wie OTTO oder Zalando in den vergangenen Jahren (jedenfalls in der Vermarktung) ihre App von einem App Second- hin zu einem App First-Ansatz repositioniert zu haben. Andererseits sind Entwicklungen zu beobachten, bei denen App-Publisher mit einem Stand Alone-Ansatz ihr Frontend-Portfolio um eine Weboberfläche erweitern und so ihre Stand Alone-App zu einer substitutiven App mit App First-Ansatz transformieren. Ein bekanntes Beispiel für eine solche Transformation ist der deutsche Online-Broker Trade Republic: Beispiel: Trade Republic – Transformation vom Stand-Alone- zum App First-Ansatz

Gegründet 2015 ist Trade Republic in mittlerweile sechs Ländern in Europa aktiv. Mit einem Portfolio aus über 9000 Aktien und ETFs sowie diversen Kryptowährungen hat „Europas größte Sparplattform“, wie sich das Unternehmen selbst bezeichnet, über eine Millionen Kunden, für die es ein Vermögen von über sechs Milliarden Euro verwaltet (Trade Republic Bank GmbH, 2022a). Lange Zeit einziger Zugangskanal zur Plattform waren die Android- und die iOSApp des Unternehmens, positioniert entsprechend als Stand Alone-Apps, die eine zentrale Rolle im Geschäftsmodell von Trade Republic einnehmen. Erst einige Jahre nach dem Livegang der Apps bietet der Neobroker seit Mitte/Ende 2021 auf vielfachen Kundenwunsch hin eine Webversion an (Bauer, 2021). Da die Webversion eine vollwertige Alternative zur App darstellt, hat sich die Relevanz der App im GesamtGeschäftsmodell verringert – heute handelt es sich um ein substitutives Angebot (Trade Republic Bank GmbH, 2022c). Entsprechend ergibt sich hieraus die Frage, ob das Unternehmen nun einen App First- oder App Second-Ansatz verfolgt. Tatsächlich steht die App noch immer im Fokus der werblichen Kommunikation und ist auch bei Verwendung der Webversion erforderlicher: Im Rahmen der ZweiFaktor-Authentifizierung wird beim Login im Browser ein Verifizierungscode per Push Notification über die App versendet (Trade Republic Bank GmbH, 2022b). Entsprechend kann von einem App First-Ansatz gesprochen werden. Die Android-App, derzeit rund 70.000 Mal mit durchschnittlich 3,9 Sternen bewertet, wurde mehr als eine Millionen Mal installiert (Trade Republic Bank GmbH,

3.2  Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps

105

2022d). Die iOS-App wurde mehr als 107.000 Mal bewertet und wird derzeit mit 4,2 Sternen im Apple App Store geführt (Trade Republic Bank GmbH, 2022e). ◄ Klassifizierung von App-basierten Geschäftsmodellen Unabhängig von der Frage, welche Relevanz eine App in einem Geschäftsmodell hat, kann es hilfreich sein, verschiedene App-basierte Geschäftsmodelle zu klassifizieren, etwa, um ähnliche Geschäftsmodelle miteinander zu vergleichen oder aus Best-Practices Learnings für das eigene Unternehmen zu generieren. Eine Möglichkeit, Apps im Kontext von Geschäftsmodellen zu klassifizieren, bietet der 4  C-Net Business Model-Ansatz. Dieser wurde ursprünglich von Wirtz (2010, S. 220–324) zur Klassifizierung von Internet-basierten Geschäftsmodellen entwickelt. Er lässt sich auch auf Apps übertragen, um diese entsprechend ihrem Geschäftsmodell zu gruppieren und miteinander zu vergleichen (Wohllebe, 2022a, S. 57 ff.). Abb. 3.16 beschreibt die 4 Cs des Ansatzes und nennt einige Apps als Beispiele. Eine weitere Möglichkeit, Apps auf Basis ihres Geschäftsmodells zu gruppieren sind die ursprünglich von Rappa (2004, 2010) beschriebenen „Business Models on the Web“, wie sie unter anderem auch bei Wohllebe (2022a, S. 69 ff.) beschrieben werden. Auch diese lassen sich auf den App-Kontext übertragen, um ähnliche Geschäftsmodelle zu identifizieren und miteinander zu vergleichen (Tab. 3.2). Anzumerken ist, dass das Affiliate-Modell qualifizierten Traffic zum Beispiel an Online-Shops oder Marktplätze vermittelt, wo der vermittelte Nutzer die Transaktion schließlich tätigt. Dem gegenüber steht der Broker, der typischerweise unmittelbar die Transaktion vermittelt, wobei er dazu eine entsprechende Plattform zur Verfügung stellt und die Transaktion auf dieser Plattform angebahnt, ausgehandelt und abgewickelt wird. Beiden Modellen gemeinsam ist, dass ihr Umsatz im Wesentlichen auf Provisions-

Content

Context

Sammlung, Selektion, Systematisierung und Bereitstellung von Inhalten

Klassifikation und Systematisierung von Inhalten und Informationen

z. B. Nachrichten- (tagesschau) oder Streaming-Apps (Netflix)

z. B. Search- (Google, Ecosia) oder Catalogue-Apps (wlw)

Commerce

Connection

Anbahnung, Aushandlung und Abwicklung von Transaktionen

Schaffung von Möglichkeiten zum Informationsaustausch in Netzwerken

z. B. Shopping- (OTTO) oder Marktplatz-Apps (eBay)

z. B. Social Media- (Facebook) oder E-Mail-Apps (WEB.de)

Abb. 3.16   Transfer des 4 C-Net Business Model in den App-Kontext

106

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Tab. 3.2  Kurzcharakterisierung von „Business Models on the Web“, übertragen auf die App-Industrie. (Basierend auf Rappa, 2004, 2010) Business Model

Kurzbeschreibung

Beispiele im App-Kontext

Advertising

Werbefinanzierte Inhalts- und Informationsangebote

Nachrichtenportale

Affiliate

Inhalts- und Informationsangebote Special Interest-Angebote mit dem Ziel der Transaktionsvermittlung

Brokerage

Plattform zur Anbahnung, Aushandlung von Abwicklung von Transaktionen zwischen Dritten

Online-Marktplätze

Community

Plattform zum Austausch der Nutzer untereinander

Social Media-Plattformen

Infomediary

Sammlung und Aufbereitung von Informationen, z. B. Verbraucherdaten

Werbenetzwerke, häufig im Hintergrund agierend

Manufacturer (Direct)

Direktvertrieb von Herstellern über Markenhersteller, z. B. Fashion das Internet oder Consumer Electronics

Merchant

Klassisches Handelsgeschäftsmodell/E-Commerce im engeren Sinne

Subscription

Angebote, insbesondere digitale, Streaming-Plattformen für Musik im nutzungsunabhängig vergüteten und Filme Abonnement-Modell

Utility

Angebote, insbesondere digitale, Banking- oder Buchhaltungsmit nutzungsabhängiger Vergütung anwendungen mit belegweiser Abrechnung

Online-Händler

zahlungen, zumeist abhängig vom getätigten Transaktionsvolumen, beruht (Wohllebe, 2022a, S. 74). Ebenfalls hilfreich ist die Kenntnis darüber, dass Subscription-Modelle in der Praxis häufig mit Advertising- und Freemium-Modellen kombiniert werden und insofern nicht immer trennscharf unterschieden werden können. Ein geeignetes Beispiel für eine solche Kombination bietet Spotify: Beispiel: Spotify – Subscription-, Advertising- und Freemium-Modell

Rund 182 Mio.Abonnementen, 422 Mio. monatlich aktive Nutzer und 82 Mio. Lieder: Spotify ist in 183 Märkten aktiv und einer der größten Streamingdienste überhaupt (Spotify AB, 2022c). Mit 4,8 Sternen bei 21,6 Mio. Bewertungen führt die Spotify-App die Kategorie „Musik“ im Apple App Store an (Spotify AB, 2022d). Mit fast 26 Mio. Bewertungen und über einer Milliarde Downloads ist die Android-Version eine der wohl am häufigsten heruntergeladenen Apps überhaupt (Spotify AB, 2022b).

3.2  Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps

107

Auch mit Blick auf das Geschäftsmodell eröffnet die Spotify-App für Android und iOS, aber auch Spotify insgesamt eine interessante Perspektive: In grundlegender Form steht der Streamingdienst den Nutzern kostenfrei zur Verfügung, wobei die Nutzer einerseits Werbeunterbrechungen und andererseits einen eingeschränkten Funktionsumfang in Kauf nehmen müssen. Um Spotify ohne Werbeunterbrechungen und mit vollem Funktionsumfang nutzen zu können, bietet das Unternehmen unterschiedliche Abonnements an, unter anderem für Singles (ein Konto für 9,99 € pro Monat), Paare im gemeinsamen Haushalt (zwei Konten für 12,99 pro Monat) und Familien (bis zu sechs Konten für 14,99 € pro Monat). Auch ein vergünstigtes Abo für Studierende wird angeboten (Spotify AB, 2022a). Als Vorteile des „Spotify Premium“-Abonnements nennt das Spotify (2022a): „Musik herunterladen. Auch ohne Internetverbindung.“ „Musik ohne Werbeunterbrechungen. Musik nonstop genießen.“ „Jeden Song direkt abspielen. Auch auf deinen Mobilgeräten.“ „Unbegrenzt skippen. Klick einfach auf ‚Weiter‘.“

Mit der kostenfreien Basis- und einer kostenpflichtigen Premiumversion ist Spotify im Sinne Rappas (2004, 2010) ein Freemium-Modell, wobei die im Abonnement angebotene Premiumversion auch als Subscription-Modell aufzufassen ist. Durch die Monetarisierung der kostenfreien Version über Werbung handelt es sich zusätzlich um ein Advertising-Modell, sodass Spotify als Musterbeispiel für die Kombination verschiedener Geschäftsmodelle verstanden werden kann, in deren Fokus jeweils die App steht, es sich also um einen App First-Ansatz handelt. ◄

3.2.2 Erlösmodelle im App-Kontext Neben der Frage, welche Rolle eine App für ein Geschäftsmodell spielt und wie sich Apps zu ähnlich funktionierenden Geschäftsmodellen gruppieren lassen, ist eine der Kernfragen der betriebswirtschaftlichen Betrachtung von Apps die Frage nach der Monetarisierung. Dieses Kapitel stellt dazu verschiedene Erlösmodelle vor, wie sie im Rahmen der Auseinandersetzung mit Geschäftsmodellen häufig zu finden sind. Sie lassen sich auf den App-Kontext übertragen und bieten einen Überblick darüber, wie sich eine App monetarisieren lässt. Zunächst liefert Tab. 3.3 eine einfache Systematisierung verschiedener App-spezifischer Erlösmodelle, auf die im Anschluss jeweils einzeln eingegangen wird. Ausgangsbasis ist der gleiche Systematisierungsansatz, wie er – unabhängig von Apps – von Wirtz (2010, S. 215 f.) vorgeschlagen wurde und unter anderem bei Wohllebe (2022a, S. 38) zu finden ist.

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Tab. 3.3  Systematisierung App-spezifischer Erlösmodelle.(Angelehnt an Wohllebe, 2022a, S. 38; basierend auf Wirtz, 2010, S. 215 f.) Direkte Erlösgenerierung

Indirekte Erlösgenerierung

Transaktionsabhängig

Kauf einer (kostenpflichtigen) App, Tätigung von In-App-Käufen, App-basierte Transaktionen

Affiliate/Vermittlung von Transaktionen, Out-of-App-Umsätze

Transaktionsunabhängig

(Abonnement)

Schaltung von Werbung (insbesondere auf CPI- und CPCBasis)

Direkte, transaktionsabhängige Erlöse Direkte, in Abhängigkeit von einer Transaktion erzielte Erlöse stellen die wohl offensichtlichste Umsatzquelle im App-Kontext dar. Hierzu zählt insbesondere der Erwerb einer kostenpflichtigen App über Google Play beziehungsweise den Apple App Store, wobei die App zu einem vom Publisher festgelegten Preis angeboten wird und der Betreiber des App-Marktplatzes vom App-Publisher eine Servicegebühr für die Nutzung des Abrechnungssystems erhält. Auch In-App-Käufe, also etwa der Kauf der Premium-Version einer App oder der Erwerb von virtuellen Gütern, zum Beispiel in Gaming-Apps, zählen zu den direkten, transaktionsabhängigen Erlösen und sind, soweit sie – wie meistens – über das Abrechnungssystem des Betreibers des App-Marktplatzes abgewickelt werden, entsprechend mit einer Servicegebühr verbunden. Auch, wenn Apple und Google hier jeweils unterschiedliche Varianten anbieten, lässt sich die Servicegebühr auf 15 % beziffern (Google, 2022a). Sonstige App-basierte Umsätze, insbesondere der gesamte E-Commerce, der typischerweise nicht über den App-Marktplatz, sondern vom Online-Händler selbst abgewickelt wird, zählen zur Gruppe der direkten, transaktionsabhängigen Erlöse. Bei Betrachtungen zum Volumen des App-Marktes werden solche Umsätze häufig nicht mit einberechnet, da sie deutlich schwerer zu erfassen sind als die Umsatzangaben von Apple und Google. Direkte, transaktionsunabhängige Erlöse Schwierig in der Zuordnung sind direkte, jedoch transaktionsunabhängige Erlöse. Diese werden zwar einerseits direkt beim Nutzer der App erzielt, sind jedoch nicht abhängig vom Zustandekommen einer Transaktion. Beispiele könnten Gebühren aus Abonnements sein, jedenfalls, wenn man unterstellt, dass der Abschluss des Abonnements nicht schon als Transaktion zu werten ist (Wohllebe, 2022a, S. 38). Indirekte, transaktionsabhängige Erlöse Einnahmen aus der Vermittlung von Transaktionen beziehungsweise von qualifiziertem Traffic, also vor allem Erlöse aus Affiliate-Tätigkeiten, können den indirekten, transaktionsabhängigen Erlösen zugeordnet werden. Sie kommen zwar durch Transaktionen

3.2  Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Apps

109

zustande, fallen als Kosten jedoch nicht beim Nutzer selbst, sondern bei einem Werbepartner an. Im Affiliate-Marketing ist dies der Advertiser. Auch Out-of-App-Umsätze können zu dieser Kategorie gezählt werden, da sie zwar beim App-Nutzer anfallen, jedoch nicht über die App selbst abgewickelt werden. Stattdessen dient die App lediglich der Anbahnung, ist also nur indirekt an der Erlösgenerierung beteiligt. Indirekte, transaktionsunabhängige Erlöse Ähnlich den direkten, transaktionsabhängigen Erlösen sind die – gegenteiligen – indirekten, transaktionsunabhängigen Erlöse ein ebenfalls zentrales Standbein in der Monetarisierung von Apps. Dies betrifft die gesamte Schaltung von Werbung und schließt vor allem solche Werbung ein, die Cost-per-Click (CPC) oder Cost-per-Impression (CPI) beziehungsweise auf Tausenderkontaktpreis (TKP) vergütet wird. Der App-Publisher erhält das Geld nicht direkt vom App-Nutzer, sondern indirekt vom Werbetreibenden oder – deutlich verbreiteter – über ein Werbenetzwerk, welches Werbetreibende und App-Publisher zusammenführt. Bei einer Vergütung auf Basis von Einblendungen oder Klicks, aber auch bei Buchungen zum Pauschalpreis, wie sie früher im Display Advertising üblich waren und heute zum Teil im Native Advertising genutzt werden, sind die Erlöse zudem transaktionsunabhängig. Der App-Publisher wird auch dann vergütet, wenn der App-Nutzer im Zuge des Sehens oder Antippens einer Werbung nichts weiter kauft, also keine Transaktion tätigt. Über die genannten vier Erlösmodelle kann darüber hinaus auch diskutiert werden, inwiefern eine App auch nicht direkt monetär quantifizierbare Wertbeiträge leistet und ob und wie diese bewertet werden sollen. Dies gilt insbesondere für solche Apps, die als komplementär zum Geschäftsmodell verstanden werden.

3.2.3 Externe vs. Inhouse-Entwicklung Die bei der Realisierung von Apps vermutlich am häufigsten diskutierte Fragestellung ist, gerade in früher Phase, die des „Make or Buy“. Dabei stehen sich die Optionen der Inhouse-Entwicklung mit eigenem Team und der externen Entwicklung mithilfe eines Dienstleisters gegenüber. Unabhängig vom App-Kontext gehören derartige Entscheidungen zu den Standards der Betriebswirtschaftslehre, sodass die grundlegenden Überlegungen hier nur kurz geschildert werden sollen, bevor einige spezifische Gedanken für den App-Kontext folgen. Im Fall einer „Make“-Entscheidung wird eine App vom (späteren) App-Publisher selbst entwickelt. Dabei werden die unternehmenseigenen Ressourcen verwendet. Dies umfasst insbesondere intellektuelle Ressourcen, also Mitarbeiter im Bereich Produktentwicklung, User Experience und Design sowie iOS- und Android- sowie ggf. weitere Entwickler. Auch die notwendigen Ressourcen zum Betrieb einer App, nicht selten samt eigenem Backend und eigener Datenbank, müssen vom Unternehmen bereitgestellt werden. Zu den Vorteilen gehört unter anderem ein hohes Maß an Kontrolle, während auf-

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

seiten der Nachteile der Aufbau hoher Fixkosten zu nennen ist, sofern es denn überhaupt gelingt, entsprechende Experten als Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewissen. Entscheidet sich ein (künftiger) App-Publisher für die „Buy“-Variante, müssen deutlich weniger eigene intellektuelle Ressourcen bereitgestellt werden. Neben einer Dienstleistersteuerung, etwa durch einen Produktverantwortlichen, braucht es dann vor allem die finanziellen Ressourcen, um einen entsprechenden Dienstleister mit der App-Entwicklung zu beauftragen. Die Entwicklung durch einen externen Dienstleister bedeutet in der Regel eine größere Flexibilität, schafft jedoch gleichzeitig auch ein Abhängigkeitsverhältnis, welches vor dem Hintergrund der strategischen Bedeutung der entwickelten App kritischer Bewertung bedarf. Tatsächlich greift diese Beschreibung der Ressourcen im Fall von Apps jedoch (deutlich) zu kurz. Bei einer App handelt es sich um ein lebendiges Produkt, welches neben der initialen Entwicklung auch dauerhaft betrieben werden muss. Selbst ohne aktive Weiterentwicklung muss die App jedenfalls an den sich stetig verändernden technologischen Rahmen angepasst werden. Auch das Beheben von Fehlern, das Bugfixing, ist eine kontinuierlich anfallende Aufgabe. Mroz (2016, S. 193) beschreibt die nach der Initialentwicklung anfallende Arbeit in der Entwicklung so: „Das Beheben von Fehler ist ein stetiger Prozess und gehört zum Tagesgeschäft eines AppPublishers. Weiterhin kümmern Sie sich um die Erweiterungen Ihrer Apps. Dies können zusätzliche Funktionen oder kostenpflichtige Erweiterungen sein [...]. Somit müssen Sie immer die Arbeit für zukünftige Updates einplanen, um sich eine gewisse Flexibilität zu bewahren.“

Diese Ausführungen machen deutlich, dass die Veröffentlichung einer App eine dauerhafte Bereitstellung von (zumindest finanziellen) Ressourcen erfordert, um den Betrieb zu gewährleisten. Gleichzeitig wird, gerade bei komplementären oder substitutiven oder als Spin-Off veröffentlichten Apps, häufig mit Testballons gearbeitet, wobei eine App (-Idee) zunächst am Markt erprobt werden soll, bevor sie im Erfolgsfall breit im Markt ausgerollt wird. Dies wirft unweigerlich die Frage nach einem idealen Weg auf, welche jedoch nicht pauschal zu beantworten ist. Neben einer von Anfang an Inhouse realisierten Entwicklung, die höchstens punktuell durch Freelancer unterstützt wird, ist insbesondere die Kombination aus zunächst externer und im weiteren Verlauf dann interner Entwicklung zu beobachten. Dabei entsteht die erste Idee für eine App zunächst innerhalb des Unternehmens. Anschließend werden (Fein-) Konzeption und Umsetzung sowie der initiale Launch von einem externen Dienstleister übernommen. Solange die veröffentlichte App noch unter dem Label „Testballon“ oder „Experiment“ läuft, bleiben Betrieb und Weiterentwicklung im Wesentlichen beim externen Dienstleister. Erst später, wenn die strategische Entscheidung getroffen wird, die App dauerhaft zu betreiben, erfolgt ein Insourcing, mitsamt dem Aufbau entsprechender Mitarbeiter für Produktmanagement, Design, Entwicklung und Betrieb sowie Marketing.

3.3  Technologische Grundlagen

111

Nina Wolter, Product Ownerin für die hagebau App bei hagebau connect, erläutert, warum die initiale Entwicklung der hagebau App zunächst extern erfolgte und wie das Unternehmen die App heute mit einem hybriden Ansatz betreibt und weiterentwickelt: „Als Product Ownerin bin ich für die hagebau App zuständig. Diese haben wir 2016 nach einer halbjährigen Entwicklungsphase auf den Markt gebracht und entwickeln sie stetig weiter, um neue Funktionen zu integrieren und dem Nutzer laufend ein optimales Einkaufserlebnis zu bieten. Initial sind wir mit einer externen Agentur in die App-Entwicklung eingestiegen. Begleitet durch zwei interne Produktmanagerinnen wurden Konzeption und Entwicklung zu 100% durch den Dienstleister umgesetzt. Intern fehlte uns zu diesem Zeitpunkt noch die Expertise in der App-Entwicklung, die wir im anvisierten Zeitraum nicht hätten aufbauen können. Ziel war es, die App so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen, um so frühzeitig Nutzer-Feedback einholen zu können. Ein externer Dienstleister bietet dazu das entsprechende Knowhow und verfügt auch kurzfristig über die benötigten Ressourcen. Ein internes Team mit entsprechendem Wissen hätten wir in so kurzer Zeit nicht aufbauen können. Ein weiterer Vorteil: Dank des Dienstleisters waren wir sehr flexibel und konnten zum Beispiel auf sich verändernde Rahmenbedingungen, etwa beim Projekt-Budget, besser reagieren. Gerade in den Anfängen, als die App noch Testballon war und erst am Markt validiert werden sollte, war uns diese Flexibilität und die personelle Skalierbarkeit sehr wichtig. Trotz aller Vorteile: Auf Dauer sind externe Ressourcen häufig kostenintensiver als interne. Auch lässt sich zwar sehr kurzfristig auf das benötigte Knowhow und auf die Ressourcen des Dienstleisters zugreifen, während jedoch zumeist kein internes Wissen aufgebaut wird. Um langfristig erfolgreiche und gleichzeitig kostenseitig vertretbare App-Entwicklung zu betreiben, sollte ein externer Dienstleister nicht die einzige Option bleiben: Nachdem wir die hagebau App 2016 auf den Markt gebracht hatten, haben wir aufgrund der entsprechenden Nachfrage der Nutzer die Entscheidung getroffen, die App auszubauen und die Entwicklung langfristig verfolgen zu wollen. Entsprechend haben wir begonnen, intern Knowhow und Ressourcen aufzubauen. Das bestehende Entwickler-Team beim Dienstleister haben wir um zwei interne App-Entwickler erweitert. Diese gemischte Team-Konstellation hat sich mittlerweile seit mehreren Jahren bewährt und vereint die Vorteile der internen und der externen Entwicklung: Durch den externen Dienstleister sind wir weiterhin in der Lage, abhängig von der Projektlager kurzfristig zu skalieren. Gleichzeitig bauen wir mit den internen Kollegen kontinuierlichen Knowhow auf und haben zusätzlich eine interne Qualitätsschleife.“

3.3 Technologische Grundlagen Im Fokus dieses Kapitels steht die Vermittlung der technologischen Grundlagen rund um Smartphone-Apps. Dabei ist es explizit nicht der Anspruch, eine umfassende Einführung für App-Entwickler zu geben. Vielmehr sollen diese technologischen Grundlagen aus und für die (App-) Marketing-Sicht vermittelt werden. Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis für die wichtigsten Begrifflichkeiten und Abkürzungen zu schaffen und ein Bewusstsein für die Möglichkeiten (und Einschränkungen) der Technologien herzustellen.

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Smartphones, Tablets und Desktop-PCs Die vielleicht grundlegendste Frage ist die Klassifizierung unterschiedlicher Endgeräte. Dazu zählen • Smartphones, • Tablets • und Computer. Die Klasse der Computer kann zusätzlich in Notebooks und Desktop-PCs unterteilt werden, wobei diese Betrachtung im Rahmen dieses Buches unerheblich ist. Zusätzlich erweitert werden kann die Liste einerseits um Wearables wie Fitnesstracker oder Smartwatches, die häufig nur in Kombination mit einem Smartphone genutzt werden können. Auch IoT-Devices, also mit dem Internet verbundene Geräte wie Überwachungskameras oder Kühlschränke, können der Liste hinzugefügt werden. Smartphones und Tablets lassen sich in der Kategorie der mobilen Endgeräte zusammenfassen, wobei im Fokus dieses Buches das App-Marketing vor allem für Smartphone-Apps steht. Im Sinne dieses Werkes deshalb relevant ist die Frage, wie Smartphones und Tablets voneinander abgegrenzt werden können. Smartphones sind, jedenfalls ursprünglich, vor allem Mobiltelefone und auch heute noch im Wesentlichen ein Instrument zur elektronischen Kommunikation unterwegs. Dem gegenüber stehen Tablets, die, gerade in günstigeren Varianten, häufig nur über WLAN und nicht per Mobilfunk mit dem Internet verbunden werden. Gepaart mit dem (im Vergleich zum Smartphone) relativ großen Bildschirm sind die Anwendungsfälle für Tablets entsprechend anders gelagert. Sie werden weniger zur Kommunikation genutzt, sondern stärker noch zu Entertainmentzwecken. Kamps (2015, S. 27) führt dazu aus, dass „auf Tablets beispielsweise aufwendigere Spiele gespielt, E-Books gelesen [oder] Recherche auf Websites betrieben“ werde. Die Forschungsarbeit einiger Google-Mitarbeiter fasst die Unterschiede in der Nutzung von Smartphones und Tablets so zusammen (Müller et al., 2015): „Activities on smartphones were found to be dominated by communication needs, while tablets were frequently used for consumption and entertainment. Both devices were most often used at home, with tablets rarely leaving the home. Within the home, smartphones were used mostly in the bedroom, and tablets in the living room. Both devices were used frequently while doing something else, such as using tablets primarily while watching TV.“

Obwohl die Anwendungsszenarien für Smartphones und Tablets Unterschiede aufweisen, muss dennoch betont werden, dass sich beide Endgerätetypen technisch sehr ähnlich sind. Tosic (2015, S. 3 f.) grenzt die Unterschiede im Wesentlichen auf die Bildschirmgrößen und den Internetzugang über Mobilfunk ein. Gleichzeitig verweist er auch darauf, dass die Grenzen zwischen Smartphones und Tablets zunehmen verschwimmen, insbesondere, weil sich die durchschnittlichen Bildschirmgrößen einander immer weiter annähern.

3.3  Technologische Grundlagen

113

Aus Sicht des App-Marketings gilt es insbesondere aus produktpolitischer Sicht, sich der wesentlichen Unterschiede zwischen Smartphone und Tablet bewusst zu sein. Abhängig vom konkreten Einzelfall kann es dabei leicht sein, eine Smartphone-App auch für Tablets anzubieten (und vice versa), aber auch praktisch unmöglich, weil der jeweilige Anwendungsfall etwa zwangsweise mobiles Internet erfordert (Smartphone-App) oder eben ein großes Display notwendig ist (Tablet-App). Eigenschaften der wichtigsten Betriebssysteme Neben der Frage des Endgerätetyps müssen dem App-Marketing die unterschiedlichen Betriebssysteme und ihre jeweiligen Eigenarten bewusst sein. Dabei geht es weniger darum, diese bis ins letzte Detail zu durchdringen, um für die jeweilige Plattform entwickeln zu können. Vielmehr müssen die Unterschiede aus Marketing-Perspektive betrachtet werden. Zunächst ist grundsätzlich zu betonen, dass jedes Betriebssystem und jede Betriebssystemversion genau wie etwa jedes Endgerät und jede Bildschirmgröße die Komplexität in der Entwicklung deutlich erhöhen, weil sich damit auch die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten dieser Variablen erhöht. Diese Kombinationsmöglichkeiten müssen, wenn auch nicht alle mit gleichem Gewicht, potenziell in der Entwicklung und in der Qualitätssicherung berücksichtigt werden, aber auch zum Beispiel im Rahmen von Updates vor dem Hintergrund der Frage nach der (Abwärts-) Kompatibilität mitbedacht werden. Nachdem der Markt für mobile Betriebssysteme – mit Ausnahme von Fire OS, dem als Android-Derivat von Amazon entwickeltem Betriebssystem für die Kindle-Produkte – auf iOS und Android reduziert werden kann (Abb. 3.1), sollen im Folgenden diese beiden Betriebssysteme kurz charakterisiert werden. Das Betriebssystem Android wird seit 2008 veröffentlicht und ist unter freier Lizenz erhältlich. Die meisten Android-Geräte auf dem Markt basieren dabei auf Googles Android, während andere Systemvarianten, etwa Fire OS, im Markt praktisch kaum eine Rolle spielen. Standardmäßig werden Google-Androids mit Apps wie Google Chrome, Google Maps und Google Play ausgeliefert, sodass App-Publisher in praktisch allen gängigen Fällen davon ausgehen können, mit einer App bei Google Play auch alle AndroidNutzer erreichen zu können. Da heute praktisch alle Smartphone-Hersteller außer Apple auf Android setzen und Android als Software frei ist, versuchen Smartphone-Hersteller zunehmend, sich über eigene grafische Oberflächen zu differenzieren und installieren auf ihren Endgeräten kein „reines“ Android vor, sondern ein in seiner Optik angepasstes, welches mit Hersteller-spezifischen vorinstallierten Apps aufwartet. Dieser Umstand führt dazu, dass neue Android-Versionen häufig erst mit Verzögerung oder – bei älteren Modellen – gar nicht ausgerollt werden, weil die Hersteller ihre modifizierten Hersteller-Varianten erst der neuen Android-Version anpassen müssen (Kamps, 2015, S. 23 f.). Dieser Prozess erfordert entsprechend Zeit und Ressourcen. Hersteller-eigene Android-Varianten sowie die mitunter verzögerte oder ausbleibende Unterstützung neuer Android-Versionen sind nicht nur für die Smartphone-Hersteller eine Herausforderung, sondern auch für App-Publisher. So gibt es ein breites Spektrum

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

an Android-Betriebssystemversionen, welches sich aktuell im Einsatz befindet und entsprechend bei Entwicklung und Qualitätssicherung Berücksichtigung finden muss. Tosic (2015, S. 5) beschreibt dazu, dass „das Verhalten einzelner Standard-Dialoge wie etwa die Datumseingabe [welche] von manchen Herstellern derart modifiziert [sei], dass diese in manchen Apps nicht ohne Mehraufwand funktionieren“ würde. Dem gegenüber steht Apples Betriebssystem iOS, welches regelmäßig Updates erhält, die für alle neueren iPhones ausgerollt werden. Dabei ist von einer sehr hohen Adaptionsrate auszugehen, sodass nicht nur deutlich weniger Smartphone-Modelle – nämlich nur die unterschiedlichen iPhones – sondern auch deutlich weniger (relevante) Betriebssystemversionen im Umlauf sind (Tosic, 2015, S. 4). Dies verringert aus Sicht von App-Publishern entsprechend Aufwände in der Entwicklung und der Qualitätssicherung. Auch die Sicherstellung der Abwärtskompatibilität ist deutlich weniger relevant als bei Android. Neben vereinzelt existierenden funktionalen Unterschieden – iOS bot zum Beispiel lange Zeit keine Unterstützung von Widgets an (Mroz, 2016, S. 29) – sind für App-Publisher und insbesondere aus Marketingsicht noch einige (vor allem regulatorische) Rahmenbedingungen erwähnenswert, die die Betriebssysteme voneinander unterscheiden. • Grundlegend genießt Apple noch immer den Ruf, einen höheren Qualitätsanspruch an die im App Store veröffentlichten Apps zu haben als Google (Mroz, 2016, S. 28). • Dieser Umstand wird zusätzlich dadurch gefördert, dass Apple als System in sich geschlossen ist, während es bei Android möglich ist, Apps auch über externe Quellen, das heißt nicht nur über Google Play zu beziehen (Mroz, 2016, S. 31). • Mit Blick auf Push Benachrichtigungen ist iOS deutlich restriktiver als Android: Während bei Android bis zur Version 13 das Opt-In mit Installation automatisch „erteilt“ wird, braucht es bei iOS die explizite Einwilligung des Nutzers über eine vom System ausgesteuerte Berechtigungsanfrage (Mroz, 2016, S. 340 ff.). • Auch die Freigabe des Standortes der Nutzer ist in den Betriebssystemen unterschiedlich geregelt. Während bei Android einmalig um eine (dauerhaft und für die Erhebung des Standorts im Hintergrund) Freigabe gebeten wird, unterscheidet iOS bei der Freigabeanfrage nach einer einmaligen Freigabe und der dauerhaften Freigabe während der App-Benutzung. Letztere Option kann im Laufe der Zeit auf Nachfrage des Systems in eine dauerhafte Freigabe umgewandelt werden (Weinsten, 2019). Weitere Informationen zur Strandortfreigabe finden sich in Abschn. 5.3.6. • Mit der „Richtlinienübersicht für Entwickler“ (Google, 2021) und den „App Store Review Guidelines“ (Apple, 2022a) existiert je Betriebssystem ein eigenes Regelwerk. Beide Regelwerke weisen viele Parallelen auf, sind im Detail mitunter jedoch unterschiedlich. So verbietet Apple (2022a) in Abschn. 5.3.3 seiner Regularien grundsätzlich den Verkauf von Lotteriescheinen:

3.3  Technologische Grundlagen

115

„Apps may not use in-app purchase to purchase credit or currency for use in conjunction with real money gaming of any kind, and may not enable people to purchase lottery or raffle tickets or initiate fund transfers in the app.“

Google (2022b) ist in dieser Frage deutlich liberaler und erklärt… „...Online-Glücksspiele [für] zulässig, sofern der Entwickler [...] ein staatlicher Betreiber ist und/oder als lizenzierter Betreiber bei der zuständigen Behörde für Glücksspiel im jeweiligen Land gemeldet ist und in diesem Land über eine gültige Betriebserlaubnis für die Art des Online-Glücksspielprodukts verfügt, die er anbieten möchte.“

Je nach Anwendungsfall ist eine gründliche Auseinandersetzung mit den Regeln der beiden Anbieter notwendig. Gegebenenfalls sollte die Einhaltung der Regeln sogar schon vor Beginn des Entwicklungsvorhabens erfolgen, um die Entwicklung einer App, die grundsätzlich gegen die Regularien von Apple oder Google verstößt, direkt ausschließen zu können. Eine solche Überprüfung ist insbesondere anzuraten, wenn die App die Verbreitung von User-Generated Content oder von pornographischen Inhalten vorsieht, es sich um Glücksspiel handelt oder Gewalt dargestellt werden soll. Relevante Technologien im App-Kontext Neben der Frage der Abgrenzung der Devicetypen und den Charakteristika der beiden wichtigsten Betriebssysteme trägt ein grundlegendes Verständnis über die relevantesten Technologien im App-Kontext auch zum Erfolg des App-Marketings bei. Folgende Liste führt dazu insbesondere mit Blick auf das App-Marketing in einige ausgewählte Technologien ein: • Mobiles Internet: Bei der Nutzung des mobilen Internets wird eine Internetverbindung über den Mobilfunkanbieter hergestellt. Angefangen beim (heute kaum noch relevanten) GPRS- und EDGE-Internet über UMTS bis hin zu LTE/4G schwanken die Downloadraten zwischen 53,6 kbit/s und bis zu 1 Gbit/s, wobei aktuell am Aufbau von 5G mit 10 Gbit/s gearbeitet wird. Aus App-Sicht ist das mobile Internet, entweder aufgrund des beim Nutzer begrenzten Datenvolumens oder (mittlerweile seltener) aufgrund der begrenzten Geschwindigkeit regelmäßig als ein Constraint anzusehen, den es zu beachten gilt. • WLAN: Obwohl das WLAN (Wireless Local Area Network) im Grundsatz lediglich ein lokales Funknetzwerk darstellt, ist es neben dem mobilen Internet der de-facto Standard, um Zugang zum Internet zu erhalten. Unabhängig von der Frage der Internetgeschwindigkeit ermöglicht das WLAN neuster Generation Datenübertragungsraten mit bis zu 46,1 Gbit/s. Über die mit einem Gerät erreichbaren WLAN-Netzwerke lässt sich darüber hinaus auch die Position des Geräts bestimmen. • RFID: Mithilfe von RFID (Radio Frequency Identification) können Objekte anhand von (häufig passiven) Tags mithilfe (aktiv arbeitender) Lesegeräte identifiziert werden. RFID wird mittlerweile breit eingesetzt, um Objekte und Lebewesen eindeutig

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

anhand der etwa aufgeklebten oder eingenähten Tags zu bestimmen. Anwendungsfälle finden sich etwa bei Zutrittskontrollen und zur Zeiterfassung, beim Tracking von Waren und Paketen in Logistik und Versand oder in der Warensicherung im Einzelhandel (Ardiley, 2019). Mittlerweile werden auch RFID-Implantate angeboten, die zwischen Daumen und Zeigefinger gespritzt und als Türöffner oder Kreditkarte eingesetzt werden können (digiwell.com, 2022). NFC: Bei NFC (Near Field Communication) handelt es sich um einen Datenübertragungsstandard, der auf RFID-Technologie basiert. Die Reichweite liegt dabei bei wenigen Zentimetern und die Datenübertragungsrate im Bereich der 400 kbit/s. NFC erlaubt eine Zwei-Wege-Kommunikation und wird deshalb für komplexere Sachverhalte eingesetzt als RFID selbst. Der bekannteste Anwendungsfall liegt im Mobile Payment, wobei Smartphones mit NFC mittlerweile auch als Auto- oder Haustürschlüssel verwendet werden können (Ardiley, 2019) Bluetooth: Bluetooth ist, ähnlich wie NFC und WLAN, ein Standard zur drahtlosen Übertragung von Daten. Je nach genutzter Bluetooth-Klasse liegt die Reichweite zwischen wenigen und rund 100 m. Der aus Konsumentensicht derzeit wohl relevanteste Anwendungsfall für die Übertragung per Bluetooth sind Headsets, Lautsprecher und Smartwatches, die per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden werden. Besondere Relevanz hat Bluetooth im mobilen Marketing, weil mithilfe von Bluetooth Low Energy (BLE) über Beacons Werbebotschaften im Umkreis von rund zehn Metern um einen Beacon herum ausgesteuert werden können (Abschn. 5.3.6). GPS: Ursprünglich in den 1970ern für militärische Zwecke entwickelt und später dann umfangreich in Navigationsgeräten (zum Beispiel für Autos und Schiffe) genutzt ist das Global Positioning System die heute weltweit relevanteste Ortungsmethode. Auch in Smartphones wird, häufig unter Zuhilfenahme weiterer Daten wie den Mobilfunkzellen, mit denen ein Gerät gerade verbunden ist, die Position über das satellitengestützte GPS ermittelt. Die Position ist dabei nicht nur aus funktionaler Sicht relevant, wann immer die aktuelle Position des Nutzers für das Feature einer App benötigt wird, sondern auch aus kommunikativer Sicht: Über Location-Based Marketing lassen sich Nachrichten auf Basis des Nutzerstandorts aussteuern, um etwa über aktuelle Angebote in der Umgebung zu informieren (Abschn. 5.3.6). Bewegungssensoren: Mit den im Smartphone verbauten Bewegungssensoren lassen sich unter anderem die Beschleunigung und die Rotation des Smartphones messen. Je nach Betriebssystem stehen dabei verschiedene Varianten, etwa mit oder ohne Berücksichtigung der Gravitation, zur Verfügung. Auch ein Schrittzähler gehört zu den gängigen Bewegungssensoren (Google, 2022e). Denkbare funktionale Anwendungen finden sich zum Beispiel im Gaming, wenn die Steuerung einer Spielfigur (oder eines Autos) durch das Kippen des Smartphones, ähnlich einem Lenkrad, erfolgt. Umweltsensoren: Primär funktionale Zwecke erfüllen auch die Umweltsensoren, die unter anderem Temperatur, Licht und Luftdruck messen (Google, 2022d). Gängige Beispiele für die Nutzung dieser Sensoren sind unter anderem die Bestimmung

3.3  Technologische Grundlagen

117

der Höhe des Endgeräts mittels des Luftdrucks im Sinne der barometrischen Höhenmessung oder das automatische Ausschalten des Displays, wenn beim Telefonat das Handy an das Ohr gehalten wird. • Positionssensoren: Zu den Positionssensoren gehört unter anderem ein Sensor zur Messung des Magnetfelds der Erde (Google, 2022f). Obgleich dabei viele Störfaktoren zu berücksichtigen sind, wird dieser Sensor beispielsweise für KompassApps eingesetzt. Obwohl die verschiedenen Sensoren insbesondere funktionalen Zwecken dienen, also für bestimmte App-Features notwendige Daten liefern, sind auch unmittelbare Marketingrelevante Anwendungen denkbar. So kann aus den über das Betriebssystem bezogenen Sensordaten auf den Kontext des Nutzers geschlossen und auf Basis des angenommenen Kontexts eine Personalisierung der App oder der über die App ausgesteuerten Marketingkommunikation erfolgen. Zusatzinformation: Smartphone-Sensoren unter iOS und Android Die vorausgegangene Unterscheidung in Bewegungs-, Umwelt- und Positionssensoren stellt nur eine grobe Unterscheidung der in Smartphones verbauten Sensoren da. Die Kategorisierung wurde aus der Entwicklerdokumentation von Android übernommen (Google, 2022c). Sowohl Apple (2022b) als auch Google (2022c) stellen jeweils eine umfassende Dokumentation bereit, welche Sensoren von App-Entwicklern angesteuert werden können, um die dort erhobenen Daten in einer App zu nutzen. Zu beachten ist, dass im Fall von Android die große Anzahl der verschiedenen Hersteller und Geräte dazu führen kann, dass nicht in jedem Smartphone auch ausnahmslos alle Sensoren verbaut sind.

Aus dem Umstand, dass nicht jedes Smartphone auch zwangsläufig über alle Sensoren verfügt, die eine App nutzen wollen könnte, ergibt sich ein generelles Problem, dass in diesem Zusammenhang jedenfalls kurz benannt werden soll. Je nachdem, welche Sensoren im Speziellen, aber auch welche Technologien im Allgemeinen verwendet werden und für welche Bildschirmauflösungen eine App entwickelt wurde, ist nicht jede App auch mit jedem Device kompatibel. Während dieses Problem zwar auch auf iOS existiert, ist es bei Android deutlich komplexer, da viel mehr Hersteller, Endgeräte und Betriebssystemversionen im Markt verbreitet sind. Im Fall von Android kann deshalb die Kompatibilität im App Manifest definiert werden (Android Developers, 2022a). So können etwa Einschränkungen auf Basis der Endgeräteklasse (Smartwatch), der verwendeten Technologien (Bluetooth, Fingerabdruck, GPS), der Betriebssystemversionen sowie der Bildschirmeigenschaften (Bildschirmgröße) hinterlegt werden (Android Developers, 2022b).

118

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

3.4 Charakterisierung von Apps Nach ausführlicher Betrachtung von Apps im betriebswirtschaftlichen Sinne und der Auseinandersetzung mit einigen ausgewählten Technologien soll im Folgenden zunächst eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Apps erfolgen, bevor ausführlich die Erwartungen und Anforderungen der Nutzer diskutiert werden. Dazu zeigt dieses Kapitel verschiedene Ansätze auf, wie sich Apps charakterisieren und so in eine Ordnung bringen lassen. Während die in Abschn. 3.2.1 in Abb. 3.15 vorgeschlagene Typologie zur Einordnung von Apps auf die Relevanz für das Gesamt-Geschäftsmodell des App-Publishers abstellt, liegt der Fokus in diesem Kapitel vor allem auf der inhaltlichen Auseinandersetzung. Es eröffnet App-Marketern verschiedene Perspektiven auf Apps mit dem Ziel, Ansätze zur Identifikation von Wettbewerbern und ähnlich funktionierenden Apps zu liefern. Aus diesen lassen sich in der Folge beispielsweise Erkenntnisse über etablierte Standards mit Blick auf Design und Funktionalitäten ableiten. Beispiel: User Interface- und Design-Standards im E-Commerce

Anschaulich lassen sich Design- und User Interface-Standards sowie Standards für Funktionalitäten am Beispiel des E-Commerce, sowohl in Apps als auch in klassischen Web-basierten Online-Shops, darstellen. • Praktisch alle Online-Shops bieten die Funktionalität eines Warenkorbs an, in dem Produkte vor dem Tätigen einer Bestellung „zwischengespeichert“ werden. Der Warenkorb wird zumeist mit einem Einkaufswagen-Symbol dargestellt. Häufig wird neben dem Symbol als Zahl eingeblendet, wie viele Produkte derzeit im Warenkorb liegen. Die Funktion kann meist über alle Seiten des Shops direkt angesteuert werden und ist eigentlich immer oben rechts in der Ansicht platziert (Ilincic, 2019). • Über eine Suchleiste können Produkte im Online-Shop per Texteingabe gefunden werden. Die Leiste wird in der Regel oben mittig platziert. Über einen Placeholder-Text (zum Beispiel „Suche“ oder „Jetzt suchen“) wird dem Nutzer die Funktion kenntlich gemacht. Häufig wird die Suche über einen Klick auf ein LupenSymbol ausgelöst (Rogers, 2017). • Die Navigation durch die Produktkategorien wird häufig hinter einem BurgerMenü (drei horizontale, gleich lange Linien) platziert. Zum Öffnen der Filteroptionen wird häufig ein Strawberry- beziehungsweise Döner-Menü (drei horizontale, von oben nach unten kürzer werdende Linien) genutzt. ◄ Es kann hilfreich sein, bei der Entwicklung einer App anhand ähnlicher Apps entsprechende Standards zu identifizieren. Durch die Adaption solcher von den Konsumenten gelernten Muster wird gerade neuen Nutzer die Nutzung deutlich erleichtert.

3.4  Charakterisierung von Apps

119

Zusatzinformation: Design-Standards von Apple und Google Eine umfangreiche Zusammenstellung von Design-Standards für macOS, iOS, watchOS und tvOS hat Apple (2022c) unter dem Namen der Human Interface Guidelines veröffentlicht. Eine ähnliche Zusammenstellung ist das System Material (auch Material Design), welches von Google (2022g) veröffentlicht wurde, um Entwickler bei der Schaffung von „high-quality digital experiences for Android, iOS, Flutter, and the web“ zu unterstützen. Beide Standards enthalten unter anderem Richtlinien zur einheitlichen Gestaltung von Buttons, Textfeldern, Listen, Dialogboxen und vielen anderen Design-Elementen.

Eine einfache Unterscheidung von Apps stellt die Einteilung in kostenlose und kostenpflichtige Apps dar, wie sie auszugsweise bereits in Tab. 3.1 gezeigt wurde, wobei die Entscheidung für die eine oder eine andere Variante eine langfristige Entscheidung mit umfassenden Implikationen für die Erlösströme darstellt. Ebenso müssen weitreichende Konsequenzen auf Featureebene mitbedacht werden, wenn etwa ein Freemium-Ansatz verfolgt wird und so manche Features nur in einer Premiumversion zur Verfügung stehen oder lediglich konzipiert und entwickelt werden, um eine Premiumversion anbieten zu können (vgl. Spotify-Beispiel am Ende von Abschn. 3.2.1). Kategorie laut App-Marktplatz Einen ersten Ansatz zur inhaltlichen Klassifizierung von Apps bietet die Zuordnung von Kategorien auf den App-Marktplätzen. Allein bei Google Play existieren über 30 Kategorien, in den App-Publisher ihre Apps einordnen können, unter anderem Arbeit, Autos & Fahrzeuge, Beauty, Bücher & Nachschlagewerke oder Comics. Hinzu kommen mehr als ein Dutzend unterschiedliche Kategorien für Spiele, unter anderem Abenteuer, Action, Arcade, Brettspiele und Casino. Diese Kategorisierungen bieten einfache Anhaltspunkte, um etwa potenzielle Wettbewerber zu identifizieren oder um im Sinne einer ersten Marktanalyse Erkenntnisse bezüglich einer neuen App-Idee zu gewinnen. Zu beachten sind zwei Dinge: Zum einen sind die Kategorien, hier exemplarisch aus dem Google Play Store entnommen, nicht deckungsgleich mit dem Apple App Store. Dies führt etwa dazu, dass einige Apps in den beiden Stores teils unterschiedlichen Kategorien zugeordnet sind. Zum anderen muss beachtet werden, dass auch innerhalb der Stores die einzelnen Kategorien nicht immer trennscharf unterschieden werden können. So wäre es, wieder am Beispiel von Google Play, denkbar, eine App, über die Nutzer Autos kaufen können, sowohl der Kategorie Autos & Fahrzeuge als auch der Kategorie Shopping zuzuordnen. Gerade bei Markt- und Wettbewerbsanalysen kann es entsprechend hilfreich sein, alle in Frage kommenden Kategorien entsprechend zu überprüfen. Zusatzinformation: Präferenzen für ausgewählte App-Kategorien bei besonders App-affinen Konsumenten Eine interessante Perspektive auf App-Kategorien eröffnen die Daten aus Ailon der Firma ERASON, welche bereits unter anderem in Abschn. 3.1 verwendet wurden. In Abb. 3.17 ist zu sehen, für welche Kategorien von Smartphone-Apps sich App-affine Nutzer im Vergleich zur Gesamt-

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Abb. 3.17   Präferenzen besonders App-affiner Konsumenten für ausgewählte App-Kategorien im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ERASON GmbH)

2.00 Podcast Mobilität Ø Interesse ggü. Normwert

120

1.75

Sport Videos Spiele Reisen

1.50

1.25

Zeitschr. Radio

News Zeitungen Wetter

1.00

population besonders interessieren, wobei der Wert 1,00 dem jeweiligen Normwert der Population entspricht. So ist etwa das Interesse an Podcast-Apps und an Apps aus dem Bereich Mobilität (Taxi, Carsharing etc.) laut den Berechnungen von Ailon bei besonders App-affinen Nutzern fast doppelt so hoch wie in der Gesamtpopulation.

Trotz der großen Anzahl verschiedener Kategorien gibt es häufig auch noch große Unterschiede innerhalb einzelner Kategorien. So enthalten allein die Top 10 der Kategorie Tools bei Google Play sieben völlig verschiedene App-Arten, vom Code-Scanner über Cleaning-Apps bis hin zu einer App, die als Add-On für WhatsApp platziert wird (Tab. 3.4).

Tab. 3.4  Top 10 „Tools“ bei Google Play Platzierung

App

App-Art

1

QR & Barcode Scanner

Code-Scanner

2

Samsung Smart Switch Mobile

Datentransfer

3

Google Übersetzer

Übersetzer

4

Auf iOS übertragen

Datentransfer

5

QR Code Scanner & Barcode

Code-Scanner

6

Google Lens

AR-Suche

7

Bravo Boost: Boost cleaner

Cleaner

8

NVIDIA GeForce NOW

Gaming

9

Sticker Maker

Add-On

10

Optimizer Pro: beseitigen

Cleaner

Stand: Mai 2022

3.4  Charakterisierung von Apps

121

Über die Betrachtung der App-Kategorie hinausgehend kann es deshalb hilfreiche sein, sich das von einer App verfolgte Ziel und den dabei angebotenen Mehrwert vor Augen zu führen. Mobile Commerce versus Mobile Value Added Services (MVAS) Eine entsprechende Unterscheidung findet sich unter anderem bei Hollensen et al. (S. 50 f.). Die Autoren unterscheiden zwischen Mobile Commerce Apps, also solchen Apps, die als Vertriebsinstrumente unmittelbar Umsatz generieren, und Mobile Value Added Services-Apps, die als unterstützender Service das Kundenerlebnis insgesamt verbessern sollen ( Abschn. 3.2.1, Abb. 3.14). Besonders plastisch lässt sich diese Unterscheidung in der Kategorie der Shopping-Apps darstellen: • Bei Apps von Online-Shops wie ABOUT YOU oder Zalando handelt es sich in der Regel um reine Shopping-Apps, die über Mobile Commerce unmittelbar Umsätze erzielen. • Apps von Einzelhändlern mit Stationärpräsenz, etwa die Netto-App oder die Lidl Plus-App sind vor allem MVAS-Apps. Darüber hinaus gibt es auch hybride Ansätze, die Mobile Commerce und MVAS kombinieren, etwa IKEA. • Viele Apps der Shopping-Kategorie lassen sich darüber hinaus nicht eindeutig als Mobile Commerce oder MVAS kategorisieren, sondern bieten Shopping-nahe Services, werden allerdings nicht von Retailern als zusätzlicher Service, sondern von eigenständigen App-Publishern mit eigenständigem Geschäftsmodell veröffentlicht. Hierzu zählen zum Beispiel das Kundenbindungsprogramm PAYBACK, die Prospekte-Apps MeinProspekt & marktguru, der Preisvergleich idealo, die Gutschein- und Angebote-App mydealz oder die Einkaufsliste Bring!. Selbst innerhalb der als Shopping klassifizieren Apps von Einzelhändlern mit Stationärgeschäft können Unterschiede gemacht werden, wie die Taxonomie in Abb. 3.18 zeigt, die neben einigen Standardfunktionalitäten drei Cluster von Apps von Stationärhändlern identifiziert (Wohllebe, 2021). Egal, ob auf Basis der Kategorie einer App im App-Marktplatz oder auf Basis der Branche des Publishers: Klassifizierungsansätze bieten Anhaltspunkte, um Standards, auch mit Blick auf angebotene Funktionalitäten, zu identifizieren und in die eigene Produktentwicklung mit einfließen zu lassen. Lean Forward vs. Lean Backward Nicht nur hinsichtlich der Kategorien, denen sie zugeordnet sind, oder der Funktionalitäten, die sie bieten, lassen sich Apps unterscheiden. Auch die Unterscheidung in Lean Forward- („nach vorne gelehnt“) und Lean Backward- („nach hinten gelehnt“) genutzte Apps ist möglich. Beide Begriffe sind dabei wortwörtlich zu interpretieren und seit vielen Jahren, auch abseits von Apps, in der Informatik und insbesondere im Bereich der Human Computer Interaction anzutreffen (Harwig, 2000).

122

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern Money Saver Apps Rabatte, Bonuspunkte, lokale Angebote, Gutscheine

Shopping Convenience Apps Produktscanner, SelfService Payment

Loyalty Apps Digitale Kundenkarte, Favoritenstore, Themenpräferenzen

Standardfunktionalitäten Storefinder, Navigation zum Store, Einkaufsliste

Abb. 3.18   Taxonomie zur Unterscheidung von Smartphone-Apps im Einzelhandel. (Basierend auf Wohllebe, 2021)

Der Lean Forward-Modus beschreibt die fokussierte Nutzung einer App, der der Nutzer in diesem Moment seine ganze Aufmerksamkeit widmet. Er konzentriert sich dabei auch auf Details und geht häufig zielstrebig vor. Die Aufmerksamkeitsspanne ist eher kurz und auf die Erledigung einer konkreten Aufgabe begrenzt (AppGeyser, 2021). Typische Szenarien, in denen eine App im Lean Forward-Modus genutzt wird, sind etwa das Buchen einer Fahrkarte oder eines Flugtickets, das Einkaufen in einem Online-Shop, das Verfassen von Notizen oder auch Spielen eines Online-Rollenspiels im MultiplayerModus. Dem gegenüber stehen Aktivitäten wie das Ansehen von Fotos und Bildern in Apps wie Instagram oder Pinterest, das nicht zielgerichtete, eher auf Inspiration bedachte Stöbern in einer Shopping-App oder auch das Casual Gaming zum Zeitvertreib. Diese Aktivitäten werden in der Regel im Lean Backward-Modus betrieben. Typisch sind längere Nutzungen und höhere Aufmerksamkeitsspannen, weil die Tätigkeiten weniger kognitive Aufmerksamkeit erfordern (AppGeyser, 2021). Je nach Anwendungsfall ergeben sich also auch aus dem Nutzungsmodus – Lean Forward oder Lean Backward – Konsequenzen für das App-Design. So wird ein App-Publisher einen Nutzer möglichst nicht durch Werbung oder Benachrichtigungen stören, wenn dieser im Lean Forward-Modus zielgerichtet eine Aufgabe erledigen soll, etwa ein Abonnement abschließen oder einen Flug buchen. Gleichzeitig können in Lean Backward-Szenarien verstärkt automatisch nachladende Bilder und endlos scrollbare Screens eingesetzt werden, um den Nutzer möglichst lange in der App zu halten, während zum Beispiel am Bildschirmrand oder per Interstitial Werbung eingeblendet wird. Hintergrundinformation: Infinite Scrolling als Treiber von Smartphone-Abhängigkeit Noë et al. (2019) untersuchen in einer Studie mit 64 Teilnehmern über einen Zeitraum von acht Wochen, inwiefern die Interaktion von Nutzern mit Apps Rückschlüsse auf eine mögliche Smartphone-Abhängigkeit zulässt. Sie können unter anderem Zusammenhänge zwischen der Nutzung von Lifestyle-Apps und Smartphone-Abhängigkeit sowie zwischen der Nutzung von Social Media-Apps, insbesondere Snapchat, und Smartphone-Abhängigkeit nachweisen. Ferner weisen die Autoren auf drei zentrale Faktoren hin, die das Entstehen einer Abhängigkeit im Fall von Smartphones besonders begünstigen:

3.4  Charakterisierung von Apps

123

1. Die starke Verbreitung von Smartphones sowie die hohe soziale Akzeptanz, dass diese auch genutzt werden 2. Die Vielfalt von Aufgaben, die mithilfe von Smartphones im Allgemeinen sowie von Smartphone-Apps im Speziellen bewältigt werden können 3. Das Setzen von Anreizen durch App-Publisher, die App immer wieder und immer weiter zu nutzen, wobei dies konkret durch das endlose Scrollen (Infinite Scrolling) erreicht werden kann Im Harvard Business Review sprechen Woolley und Sharif (2022) explizit von einer “Scrolling Addiction”, die sich aus Mechanismen wie dem Infinite Scrolling, aber auch der Auto Play-Funktion auf Video-Plattformen ergeben kann: „You figure you’ll just take a few minutes to watch the videos — and then the next thing you know, an hour has gone by. You’ve been sucked down the rabbit hole, watching video after video […].“ Im Fall von Plattformen wie YouTube oder Instagram weisen die Autoren darauf hin, dass diese bewusst so entwickelt werden, dass Nutzer möglichst viele Inhalte konsumieren – und so Gefahr laufen, Smartphone-abhängig zu werden (Woolley & Sharif, 2022): „These platforms are designed to trap viewers in a social media rabbit hole: They offer bite-sized content that makes it easy to quickly consume several videos or posts in a row, they often automatically suggest similar content, and many of them even automatically start playing similar videos, reducing the potential for interruptions. While presenting users with engaging content isn’t necessarily a bad thing, the accessibility of this media is exactly what makes it so hard for users to break free from the rabbit hole and get back to whatever they were working on.“

Native und hybride Apps Schließlich zu thematisieren im Kontext der Charakterisierung von Apps ist die technische Unterscheidung von nativen und hybriden Apps. Beide Arten werden als App auf dem Smartphone installiert, wobei zusätzlich Web-Apps existieren, die jedoch über den Webbrowser aufgerufen und nicht lokal auf dem Betriebssystem ausgeführt werden. Insofern seien diese in Tab. 3.5 neben den nativen und hybriden Apps nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Bei einer nativen App handelt es sich um eine Applikation, die ausschließlich für das jeweilige Smartphone-Betriebssystem, also Android oder iOS, entwickelt wird. Es werden keine Elemente „recycelt“, die ursprünglich für den Webbrowser entwickelt wurden und als Webview in der App zweitverwertet werden. Native Apps werden in der Programmiersprache des jeweiligen Systems, insbesondere Java (Android) beziehungsweise Swift (iOS), geschrieben. Insofern bestehen auch kaum Möglichkeiten, Elemente über die beiden Betriebssysteme hinweg wiederzuverwenden. Stattdessen werden die iOS- und die Android-Variante technisch häufig komplett unabhängig voneinander entwickelt. Voll native Apps weisen in der Regel eine bessere Performance auf und bieten ein auf das Betriebssystem abgestimmtes Nutzererlebnis (Tosic, 2015, S. 9 f.). Hybride Apps kombinieren die Vorteile von nativen Apps mit dem Recycling von Webinhalten. Dabei können entweder einzelne Seiten, etwa das Impressum oder ein Formular, aber auch sämtlich Inhalte einer App aus dem Web „gezogen“ und in der App

124

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Tab. 3.5  Native, hybride und Web-basierte Apps im Vergleich. (Angelehnt an Shrivas & Pardeshi, 2013) Nativ Programmiersprachen

Hybrid

Web

Betriebssystem-spezifisch Betriebssystem-spezifisch Web-basiert und Web-basiert

Code Portabilität

Niedrig

Hoch

Hoch

Zugang zu Device-spezifischen Funktionalitäten

Hoch

Mittel

Niedrig

Nutzung bestehenden Wissens

Niedrig

Hoch

Hoch

Möglichkeiten zur Grafik- Hoch darstellung

Mittel

Mittel

Flexibilität bei Verbesserungen

Mittel

Hoch

Niedrig

mithilfe von Webviews angezeigt werden (Tosic, 2015, S. 10 f.). Hybride Apps werden vor allem dann entwickelt, wenn bereits eine Website oder ein (Web-basierter) OnlineShop des App-Publishers existiert und nun eine Smartphone-App dieses Web-Angebot ergänzen soll. Content-Management- und Shop-Systeme, die ausschließlich oder jedenfalls vor allem auf ein Web-basiertes Frontend ausgelegt sind und keine offenen Schnittstellen, etwa zur Entwicklung von Smartphone-Apps, aufweisen, begünstigen die Entwicklung hybrider, auf Webviews basierender Apps zusätzlich.

3.5 Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern Zumeist wird die Auseinandersetzung mit Erwartungen und Anforderungen von AppNutzern als Aufgabe der Produktentwicklung beziehungsweise des Produktmanagements angesehen. Legt man jedoch ein umfassendes Verständnis des App-Marketing-Begriffs zugrunde, muss die Frage, welche Erwartungen (potenzielle) Nutzer an eine App haben auch als eine Kernfrage der Produktpolitik und somit des App-Marketings verstanden werden. Welche Erwartungen Nutzer an eine App haben, wie diese Erwartungen erfüllt werden können und ob sie – nach entsprechender Entwicklung – auch tatsächlich erfüllt werden, ist insofern elementar für die Entwicklung einer Markt-orientierten App und deshalb auch ein wichtiges Anliegen des App-Marketings. Ziel dieses Kapitels ist die Vermittlung methodischer und inhaltlicher Grundlagen im Umgang mit Nutzer-Erwartungen an Apps. Dazu werden Methoden zur Erhebung und Ordnung von Nutzererwartungen eingeführt. Anschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit konkreten funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen an Apps. Zur Umsetzung der Anforderungen wird anschließend in die Nutzer-orientierte SoftwareEntwicklung eingeführt. Den Abschluss bilden Methoden und Instrumente, mit denen

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

125

die Nutzerzufriedenheit gemessen und somit überprüft werden kann, inwiefern eine App den Erwartungen der Nutzer gerecht wird. Den einleitenden Rahmen bilden zunächst einige ausgewählte wissenschaftliche Modelle. Wissenschaftliche Modelle – TAM und UTAUT Das vielleicht wichtigste Modell im Kontext der Frage, was Nutzer von einer App erwarten, ist das Technology Acceptance Model (TAM), welches von Davis (1985) entwickelt wurde und in Abb. 3.19 dargestellt ist. Das Modell versucht die Nutzung von Technologien zu erklären, wobei der Begriff weit gefasst wird und vom Fernseher, über Festnetztelefone bis hin zu Smartphones, Apps und smarten Kühlschränken jede denkbare Hard- oder Software umfassen kann. Theoretische Grundlage des Modells ist die Theory of Reasoned Action, welche (unter anderem) postuliert, dass es einen starken Zusammenhang zwischen der Intention etwas zu tun und der tatsächlichen Tat gibt (Ajzen & Fishbein, 1980; Fishbein & Ajzen, 1975). Die Theorie hat damit nicht nur den Grundstein für das TAM gelegt, sondern rechtfertigt im Übrigen auch die heute gängige Praxis etwa in der Sozial- und Verhaltensforschung, eine Verhaltensintention über Umfragen zu erheben und aus dieser Intention auf das tatsächliche Verhalten zu schließen. Im Kern führt das TAM die Nutzung (Actual System Use) einer Technologie – und damit potenziell auch einer Smartphone-App – über die Intention und die Einstellung (Attitude) zur Nutzung auf zwei Faktoren zurück: Erstens muss eine Technologie als nützlich wahrgenommen (Perceived Usefulness) werden. Sie muss dem Nutzer also einen Mehrwert beziehungsweise, präziser ausgedrückt, einen als solchen auch wahrgenommenen Mehrwert bieten. Zweitens muss die Technologie einfach zu nutzen sein beziehungsweise zumindest so wahrgenommen werden (Perceived Ease of Use). Beide Faktoren wirken positiv auf die Einstellung zur Nutzung, wobei eine einfache Nutzung zusätzlich die wahrgenommene Nützlichkeit erhöht.

Perceived Usefulness Attitude Toward Using

External Variables

Behavioral Intention to Use

Actual System Use

Perceived Ease of Use

Abb. 3.19   Technology Acceptance Model (TAM) zur Erklärung von Technologie-Nutzung. (Davis, 1985)

126

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Auch, wenn das TAM abseits der Forschung in der Praxis sehr theoretisch und aufgrund seiner ersten Publikation im Jahr 1985 in die Jahre gekommen wirken mag, gehört das Modell zu den vielleicht wichtigsten Modellen der Wirtschaftsinformatik. Es findet in zahlreichen Kontexten Anwendung. So existieren unter anderem Publikationen im Bereich der Bildung und des eLearnings (Park, 2009; Pindeh et al., 2016; Weng et al., 2018), im Bereich des Mobile Banking (Jaradat & Twaissi, 2009; Muñoz-Leiva et al., 2017) sowie im eHealth, etwa der Tele-Audiologie (Ross et al., 2022). Auch im AppKontext, etwa zur Erforschung der Nutzung von Shopping-Apps (Vahdat et al., 2021) oder Apps für Büchereien (Yoon, 2016) wird das Modell zugrunde gelegt. Ebenfalls der Frage, welche Faktoren das Nutzungsverhalten im Technologie-Kontext erklären, widmet sich das UTAUT-Modell („Unified Theory of Acceptance and Use of Technology“), welches neben dem TAM verschiedene weitere Modelle und Theorien einbezieht (Venkatesh et al., 2003). Auch hier wird das Nutzungsverhalten (Use Behavior) über die Intention zur Nutzung (Behavioral Intention) erklärt, wobei neben den Erwartungen an Leistung und Aufwand der soziale Einfluss (als Einflussfaktor auf die Intention) und erleichternde Bedingungen (als direkter Einflussfaktor auf die tatsächliche Nutzung) mit berücksichtigt werden. Charakteristisch für das UTAUT (im Gegensatz zu TAM) ist darüber hinaus die Repräsentation etwa sozio-demographischer Variablen wie dem Alter und dem Geschlecht ( Abb. 3.20). Das UTAUT stellt eine wichtige Horizonterweiterung zum TAM dar, weil es die Nutzung von Technologie weniger ausschließlich durch die Eigenschaften der Technologie selbst, sondern zusätzlich durch die Eigenschaften ihrer Nutzer erklärt. Das UTAUT wurde unter anderem bei der Erforschung von WLAN-Nutzung (Aswani et al., 2018), im Kontext von Fragestellungen im Mobile Banking (Boonsiritomachai & Pitchayadejanant, 2017), aber auch im Bereich der öffentlichen Sicherheit (Chen & Lin, 2019) sowie der Unfallforschung angewandt (Oviedo-Trespalacios et al., 2020). Im Rahmen der CoronaPandemie und dem regelrechten Boom von Food Delivery-Apps wurde auch deren Nutzung mithilfe des UTAUT-Modells erforscht (Zhao & Bacao, 2020). Beide Modelle werden immer wieder kontextabhängig auch erweitert. So fließen etwa bei der Erforschung der Nutzung von Mobile Banking Faktoren wie die Sicherheit einer Technologie, der Schutz der Privatsphäre oder das Vertrauen in eine Bank mit in das Modell ein (Merhi et al., 2019; Thusi & Maduku, 2020). Aus praktischer Sicht muss bei beiden Modellen beachtet werden, dass sie zwar die Leistungserwartung (UTAUT) beziehungsweise die wahrgenommene Nützlichkeit (TAM) und die Aufwandserwartung (UTAUT) beziehungsweise die wahrgenommene Einfachheit der Nutzung (TAM) als Einflussfaktoren berücksichtigen, jedoch keine Aussagen darüber machen können, was genau und in welchem Fall eine App (oder ganz allgemein eine Technologie) eigentlich nützlich wirken lässt oder was eine einfache Nutzung eigentlich ausmacht. Die Modelle können insofern helfen, diese Faktoren gegeneinander zu gewichten, jedoch bieten sie keine Hilfestellung, wie – also über welche Features und welche konkrete Ausgestaltung – diese Faktoren schlussendlich konkret erreicht werden können.

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

127

Performance Expectancy

Effort Expectancy

Behavioral Intention

Use Behavior

Social Influence

Facilitating Conditions

Gender

Age

Experience

Voluntariness of Use

Abb. 3.20   Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) als Erweiterung des TAM. (Venkatesh et al., 2003)

Value, Satisfaction, Loyalty – Zusammenhang von Mehrwert, Zufriedenheit und Loyalität Mit der Frage des Mehrwertes, jedoch nicht als Ziel-, sondern als Ausgangsvariable, beschäftigen sich Lam et al. (2004). Die Autoren untersuchen den Zusammenhang von Kundenmehrwert (Customer Value), Kundenzufriedenheit (Customer Satisfaction) und Kundentreue (Customer Loyalty), wobei sie in ihr VSL-Modell zusätzlich die Wechselkosten (Switching Costs) mit einfließen lassen (Abb. 3.21). Ihre Untersuchung im B2BKontext betont nicht nur die Bedeutung des Mehrwertes für die Zufriedenheit, sondern zeigt vielmehr auch, dass die Kundenzufriedenheit in ähnlich hohem Maße auf die Kundentreue wirkt wie die Wechselkosten. Über Lock-in-Effekte, im B2B-Kontext etwa durch umfangreiche Einkaufsprozesse oder aufwändige Anlern- und Schulungsphase bei komplexen Produkten und Dienstleistungen, können die Wechselkosten erhöht werden (Wohllebe, 2022a, S. 94 f.). Dies wirkt in ähnlichem Maße positiv auf die Kundentreue wie eine Steigerung der Kundenzufriedenheit. Obwohl sich die Untersuchung auf den B2B-Bereich bezieht, lässt sich diese Erkenntnis auch auf digitale Produkte und Apps im Speziellen übertragen: Lock-in-Effekte in Apps können dazu beitragen, die Kundentreue zu erhöhen, weil Nutzer sich technisch oder mental an eine App gebunden fühlen.

128

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern .12

.36*

Customer Value

.49*

Customer Loyalty (Recommend)

Customer Satisfaction

.31*

.32*

Switching Costs Customer Loyalty (Repatronage)

.35*

.33*

Abb. 3.21   Zusammenhang von Mehrwert, Zufriedenheit und Loyalität. (Lam et al., 2004)

Beispiel: Lock-in-Effekt im Gaming

Insbesondere Multiplayer-Rollenspiele, aber auch Strategie- und Aufbauspiele erzeugen häufig ganz automatisch einen Lock-in-Effekt: Die Spieler tätigen „hohe monetäre, zeitliche und emotionale Investments“, etwa, indem sie reales Geld für Items im Spiel ausgeben, ihre Charaktere oder Städte über viele Stunden Spielzeit immer weiter aufbauen und verbessern oder im Spiel etwa in Gilden soziale Kontakte aufbauen. Würde der Spieler aufhören, das Spiel zu spielen und auf ein anderes Spiel wechseln, wären diese Investments gewissermaßen „abzuschreiben“. Sie sind insofern als Lock-in anzusehen (Wohllebe, 2022a, S. 94). ◄ Den Zusammenhang von Mehrwert, Zufriedenheit und Weiterempfehlung (als Ausdruck von Loyalität) untersuchen auch Xu et al. (2015) und übertragen dies in den App-Kontext. Was beeinflusst Nutzer, eine App weiterzuempfehlen? Das dazu postulierte Modell zeigt Abb. 3.22. Sie können zeigen, dass Weiterempfehlung (und Weiterempfehlungsbereitschaft) im Wesentlichen von der Intention abhängen, eine App künftig regelmäßig nutzen zu wollen. Ferner zeigen ihre Ergebnisse die zentrale Rolle der Zufriedenheit mit einer App, die die eindeutig größte Relevanz hat, um die Bereitschaft zur regelmäßigen Nutzung einer App zu erklären. Als Antezedenten der Zufriedenheit unterscheiden die Autoren zwischen utilitaristischen (Ist die App nützlich?) und hedonischen Vorteilen (Bereitet die Nutzung der App Freude?). Interessanterweise spielen dabei hedonische Vorteile, also zum Beispiel die wahrgenommene Ästhetik und die bei der Nutzung empfundene Freude, die weitaus größere Rolle als die utilitaristischen Vorteile.

129

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

KAQ

PR

.45

.44

.38

Technicality

Non-monetary Sacrifices Reco App Utility

-.10

.60 Utilitarian Benefits

App Quality

-.16

.60

.66 .40

.32

.57

.50

IR

.49 Satisfaction

Aesthetics

ACI

.11

.11 .12

.12

Hedonic Benefits Enjoyment

.56

Abb. 3.22   Zusammenhang von Mehrwert, Zufriedenheit und Loyalität im App-Kontext. (Xu et al., 2015)

Auch, wenn dieses Modell nur einen kleinen Ausschnitt der wissenschaftlichen Debatte rund um die Nutzung von Apps zeigen, wird doch deutlich, dass es schließlich – vereinfacht ausgedrückt – um zwei wesentliche Faktoren geht: Aus Nutzersicht soll eine App erstens nützlich und zweitens in der Nutzung angenehm sein. Offen bleibt an dieser Stelle jedoch die Frage, wann eine App eigentlich nützlich ist und was konkret erfüllt sein muss, damit die Nutzung auch als angenehm empfunden wird. Die folgende exemplarische Thematisierung einiger ausgewählte funktionaler und nicht-funktionaler Anforderungen sowie Ausführungen zu den Methoden zur Erhebung von Nutzeranforderungen bieten hierzu Anhaltspunkte, um sich eben dieser Fragestellung zielgerichtet anzunähern.

3.5.1 Methoden zur Erhebung von Nutzererwartungen Bevor die Auseinandersetzung mit konkreten funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen erfolgen kann, müssen zunächst die Erwartungen der Nutzer erhoben werden.

130

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Hierzu existieren verschiedene Ansätze, die im Folgenden jeweils kurz diskutiert werden sollen. Nicht alle Erwartungen beziehungsweise deren Erfüllung tragen in gleicher Weise dazu bei, dass sich die Zufriedenheit der Nutzer erhöht. Dies lässt sich an zwei einfachen Beispielen verdeutlichen: 1. Nutzer erwarten von einer App eine hohe Geschwindigkeit, zum Beispiel bei der Verarbeitung von Eingaben. „Hoch“ meint dabei im Wesentlichen, dass der Nutzer nicht spürbar warten möchte, sondern seine Eingabe jedenfalls gefühlt sofort verarbeitet wird. Auch, wenn sich die Geschwindigkeit rein technisch darüber hinaus noch weiter steigern ließe, führte dies nicht zu noch mehr Zufriedenheit. Angelehnt an das Gossensche Gesetz nimmt der Grenznutzen der Geschwindigkeit ab, weil eine Sättigung eintritt. 2. Nicht jede Nutzererwartung führt auch zu einer Steigerung der Zufriedenheit. So wäre im Fall einer Banking-App denkbar, dass die Datensicherheit zwar die Kundenzufriedenheit nicht steigert, gleichzeitig jedoch mangelnde Datensicherheit zu Unzufriedenheit führen würde. Angelehnt an die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg et al. (1962) wäre Datensicherheit in diesem Szenario kein „Motivator“, sondern ein „Hygienefaktor“. Die Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg et al. (1962) stellt die theoretische Basis für eines der wohl wichtigsten Modelle im Marketing dar, welches sich mit Kundenerwartungen und -anforderungen beschäftigt: Mit ihrem Artikel „Attractive Quality and Must-Be Quality“ legen die japanischen Forscher Kano et al. (1984) in den 80er-Jahren den Grundstein für das entsprechend bekannte Kano-Modell ( Abb. 3.23). Ziel des Kano-Modells ist es, Erwartungen von Kunden beziehungsweise Nutzern abhängig davon zu unterscheiden, inwieweit ihr Erfüllungsgrad (x-Achse) die Kundenzufriedenheit (y-Achse) beeinflusst (Abb. 3.23). Dabei wird zwischen fünf Faktoren unterschieden, wobei die in der Praxis drei relevantesten Faktoren kurz beschrieben werden sollen: • Der Erfüllungsgrad von Leistungsfaktoren führt proportional zu einer höheren Kundenzufriedenheit. Ein geringes Maß an Erfüllung bedeutet entsprechend Unzufriedenheit, während ein hohes Maß an Erfüllung zu hoher Kundenzufriedenheit führt. Häufig sind Leistungsfaktoren solche, von denen Kunden auf Nachfrage explizit erklären, dass sie diese fordern. • Begeisterungsfaktoren tragen am stärksten zur Kundenzufriedenheit bei. Sie werden häufig weder explizit gefordert, noch erwartet. Ist eine Funktion, die als Begeisterungsfaktor klassifiziert ist, nicht vorhanden, führt dies nicht zu Unzufriedenheit. • Basisfaktoren entsprechen den „Hygienefaktoren“ nach Herzberg et al. (1962). Es handelt sich um grundlegende Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit keine

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern Abb. 3.23   Kano-Modell zur Unterscheidung von Kundenerwartungen. (Kano et al., 1984)

131

Kundenzufriedenheit +

Begeisterung

Leistung

Erfüllung der Kundenerwartungen Indifferent

-

+ Basis

Ablehnung -

Unzufriedenheit entsteht. Gleichzeitig bedeutet die Erfüllung keine Steigerung der Kundenzufriedenheit, sondern wird vielmehr als selbstverständlich angesehen. In Befragungen, in denen Nutzer frei ihre Anforderungen definieren sollen, werden Basisfaktoren häufig nicht explizit genannt. Die Unterscheidung der unterschiedlichen Faktoren im Kano-Modell wirft die Frage auf, wie die Faktoren unterschieden werden können. Hierzu müssen zu jeder Erwartung jeweils eine funktionale und eine dysfunktionale Frage oder Aussage formuliert werden, zu denen die Befragten dann entsprechend Stellung nehmen (Abb. 3.24). Für jede Erwartung wird anschließend über die Auszählung der Antworten auf die funktionale und die dysfunktionale Aussage bestimmt, um welche Art von Anforderung es sich handelt. Wie die entsprechenden Formulierungen aussehen können, lässt sich am Beispiel der Funktion für Videoanrufe von WhatsApp zeigen: • Funktional: Dass ich per WhatsApp Video-Anrufe tätigen kann… • Dysfunktional: Wenn ich per WhatsApp keine Video-Anrufe tätigen könnte… Zu beantworten sind beide Aussagen jeweils entsprechend Abb. 3.24. Entfielen bei der funktionalen Aussage die meisten Antworten auf „Würde mich sehr freuen“ und bei der dysfunktionalen Aussage die meisten Antworten auf „Könnte ich in Kauf nehmen“, wäre die Funktion für Videoanrufe entsprechend als Begeisterungsfaktor zu klassifizieren. Bevor Erwartungen mit dem Kano-Modell klassifiziert werden können, müssen zunächst überhaupt Erwartungen erhoben werden.

132

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern Dysfunktionale Frage

Funktionale Frage

Antwort Würde mich sehr freuen

Würde mich sehr freuen Fraglich

Setze ich voraus

Ist mir egal

Könnte ich in Kauf nehmen

Würde mich sehr stören

Begeisterung

Leistung

Indifferent

Basis

Setze ich voraus Ist mir egal Könnte ich in Kauf nehmen Würde mich sehr stören

Ablehnung

Fraglich

Abb. 3.24   Kategorisierung von Erwartungen auf Basis funktionaler und dysfunktionaler Fragen. (Basierend auf Sauerwein et al., 1996)

Befragung von (potenziellen) App-Nutzern Die vielleicht gängigste Methode, Erwartungen an Apps zu erheben, ist die direkte Befragung von bestehenden oder potenziellen Nutzern. Neben der Art der Fragestellung(en) spielt dabei insbesondere die Auswahl der Befragten eine zentrale Rolle. Soll die Zufriedenheit der bestehenden App-Nutzer erhöht werden, bietet es sich entsprechend an, auch die bestehenden App-Nutzer zu befragen. Soll dagegen künftigen Deinstallationen vorgebeugt werden, könnten, so denn noch erreichbar, etwa per EMail oder Display-Retargeting, auch gezielt ehemalige Nutzer befragt werden. Soll die Installationsbasis vergrößert werden, indem die App für neue Zielgruppen attraktiver gestaltet wird, ist die Befragung der entsprechend angestrebten Zielgruppe sinnvoll, wobei zur Akquise von Befragungsteilnehmern entweder auf eigene Marketingkanäle oder auf Marktforschungsunternehmen zurückzugreifen ist. Je nach Ziel der Befragung kann auch die Verwendung unterschiedlicher Fragetechniken sinnvoll sein. Offen formulierte Fragen („Welche Funktionen erwarten Sie von einer Messaging-App?“ oder „Welche Erwartungen haben Sie an eine MessagingApp?“) werden tendenziell ein relativ breites Antwortspektrum liefern. Auch müssen die Antworten in der Regel manuell konsolidiert werden, um eine Vielzahl ähnlich formulierter Antworten zu einer konkreten Erwartung oder Funktion zusammenzufassen. Gleichzeitig bieten offene Fragen den Vorteil, auch neue, dem Produktmanagement bis dahin noch völlig unbekannte Erwartungen ans zu Licht bringen. Deutlich einfacher in der Auswertung, jedoch mit einem im Prinzip vorgegebenen Antwortspektrum sind geschlossene Fragen, bei denen konkrete Anwendungsfälle oder Funktionen benannt und die Befragten nach einer Meinung gefragt werden, die auf einer Skala, etwa Ja / Nein oder von 1 bis 5, angegeben werden soll. Durchaus problematisch kann dabei sein, dass die Nutzer für eine Vielzahl von Funktionen angeben, diese wichtig oder – wie im nachfolgenden Beispiel – „gut“ zu finden. Im Rahmen einer Umfrage

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

133

zu Apps von Online-Stellenbörsen hat monster.de (2019) einzelne Funktionen aufgelistet und nach der Zustimmung der Befragten gefragt: „Ich finde es gut, wenn Internet-Stellenbörsen Apps für mobile Endgeräte bereitstellen, über die man…“ • • • • •

…sich über das Unternehmen informieren kann. (73,7 %) …nach offenen Stellen suchen kann. (76,5 %) …Push-Nachrichten zu neuen Stellenangeboten erhält. (59,1 %) …sich auf Stellenausschreibungen bewerben kann. (62,9 %) …den Status der eigenen Bewerbung verfolgen kann. (72,2 %)

Die Werte in Klammern zeigen, wie viel Prozent der Nutzer die jeweilige Funktion entsprechend der Fragestellung „gut“ finden. Dabei offenbart sich das Problem, dass die Werte teilweise sehr dicht beieinander liegen und – unabhängig von der Frage nach statistisch signifikanten Unterschieden – kaum zu unterscheiden sind. (73,7 % versus 76,5 % versus 72,2 %). Als Grundlage für eine Priorisierung unter den drei Funktionen mit den höchsten Zustimmungswerten wären diese Ergebnisse vermutlich nur eingeschränkt brauchbar. Insofern wäre als Alternative auch denkbar, Befragte die Funktionen in einem Ranking selbst priorisieren zu lassen oder unterschiedliche Fragestellungen mit den gleichen Funktionen zu nutzen, um valid(er)e Ergebnisse zu erhalten. Neben der Befragung können auch Apps von Wettbewerbern eine wertvolle Inspirationsquelle für potenzielle Nutzererwartungen. Hierzu werden zunächst „ähnliche“ Apps identifiziert, wobei unterschiedliche Ansätze zur Identifikation denkbar sind (Abschn. 3.4). Entscheidend ist dabei, dass jeder Wettbewerber spannende Ansätze liefern kann, jedoch längst nicht jedes vom Wettbewerb umgesetztes Feature zwangsläufig ein relevantes Kundenproblem lösen muss. Vielmehr ist das Screening von Wettbewerber-Apps eher als Startpunkt einer Recherche zu begreifen, deren Ergebnisse etwa mit dem bereits erörterten Kano-Modell zu verifizieren sind. Auch bei der Auswertung von App-Bewertungen kann die Betrachtung von Wettbewerber-Apps Inspiration bieten Einblicke aus App-Bewertungen Die im Apple App Store und bei Google Play öffentlich einsehbaren App-Bewertungen stellen eine spannende Möglichkeit dar, Erwartungen von Nutzern zu erheben. Bewertungen der eigenen App können dazu genutzt werden, Erwartungen bestehender und ehemaliger Nutzer aufzunehmen. Mithilfe der Auswertung von Bewertungen von Apps von Wettbewerbern lässt sich das Spektrum möglicher Erwartungen zusätzlich erweitern. Mehr als die Hälfte der Kommentare in App-Bewertungen bezieht sich auf App-Funktionen. In rund zwei Drittel aller Fälle sind diese Bewertungen negativ, haben also ein bis zwei Sterne (Wohllebe & Stoyke, 2022). App-Nutzer reporten dabei insbesondere Bugs und machen Vorschläge für Verbesserungen (Malgaonkar, 2020). So können die Bewertungen von App-Entwicklern entsprechend genutzt werden, wertvolles Feedback zu

134

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

generieren und Anregungen für künftige Features zu sammeln (Genc-Nayebi & Abran, 2017). Die Auswertung der Kommentare von App-Bewertungen erfordert hohen manuellen Aufwand, um nicht nur Themenblöcke, sondern konkrete Erwartungen daraus zu extrahieren. Ferner handelt es sich bei jedem Kommentar um eine Einzelstimme, da die meisten App-Nutzer keine Bewertung vornehmen und die meisten App-Bewertungen ohne Kommentar erfolgen. Werden Bewertungen der eigenen App herangezogen, ist zu berücksichtigen, dass diese Bewertungen offenkundig nur von bestehenden oder ehemaligen Nutzern stammen können. Sie liefern kein Feedback von solchen Konsumenten, die die App bisher noch gar nicht zur Nutzung in Betracht gezogen haben. Beim Heranziehen von Bewertungen von Apps von Wettbewerbern gilt dies analog. Verständnis für Nutzererwartungen durch User Stories Bis hierhin verwendet das vorliegende Werk bevorzugt den Begriff der „Erwartungen“, ohne dabei genauer zu definieren, ob es sich um eine eher abstrakte Beschreibung dessen handelt, was der Nutzer einer App mit dieser machen wollen könnte oder um konkrete, detaillierte technische Vorgaben, die zu erfüllen sind. Auch, wenn die Begriffe „Erwartung“, „Anforderung“ und „Anwendungsfall“ (beziehungsweise „Use Case“) im weiteren Verlauf des Werkes nicht trennscharf verwendet werden, soll der folgende Abschnitt hinsichtlich dieser Begriffe einen Ordnungsrahmen bieten, wie er in der Wirtschaftsinformatik häufig verwendet wird. Abb. 3.25 fasst diesen Rahmen zusammen (Lahanas, 2013). Auf höchster Ebene mit dem geringsten Detailgrad steht die User Story. Diese dient vor allem dazu, ein grobes Szenario aus Nutzersicht zu skizzieren, ohne dabei auf konkrete Einzelfälle einzugehen. Der typische Aufbau einer User Story findet sich unter anderem bei Roock und Wolf (2016, S. 66): Als möchte ich , damit .

Basierend auf dem zuvor bemühten Beispiel der WhatsApp-Funktion für Videoanrufe, könnte eine User Story also lauten: Als WhatsApp-Nutzer möchte ich eine Videoanrufe tätigen können, um meine Kontakte beim Telefonieren auch sehen zu können.

Abgeleitet aus der User Story können sich nun mehrere Use Cases ergeben. Diese beschreiben deutlich detaillierter verschiedene Szenarien. Im Fall der Videoanrufe könnten Use Cases beispielsweise der Videoanruf zwischen zwei Nutzern, die auch Kontakte sind, zwischen zwei Nutzern, die keine Kontakte sind, zwischen einem Nutzer und einer Broadcast-Liste oder zwischen den Mitgliedern einer Gruppe sein. Alle Use Cases können dabei teils deckungsgleiche Anforderungen, teils aber auch für den jeweiligen Use Case spezifische Anforderungen enthalten. Die Anforderungen werden in funktionale und nicht-funktionale Anforderungen entschieden.

Hoch

Detailgrad

Abb. 3.25   Zusammenhang von User Story, Use Case und Anforderungen. (Angelehnt an Lahanas, 2013)

135

Niedrig

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

User Story

Use Case(s)

Anforderungen

Funktional

NichtFunktional

Unabhängig von der Frage, ob in der Entwicklung auf Basis von User Stories, Use Cases oder einem anderen Konstrukt gearbeitet wird, betonen Roock und Wolf (2016, S. 69) die Wichtigkeit von Akzeptanzkriterien. Mithilfe dieser Kriterien wird, in manchen Entwicklungsteams nur oberflächlich, mitunter aber auch sehr detailreich beschrieben, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit eine Feature als erfolgreich entwickelt, also „fertig“ gilt. Entsprechend wird in diesem Zusammenhang häufig von der „Definition of Done“ (DoD) gesprochen.

3.5.2 Funktionale Anforderungen Im App-Kontext beschreiben funktionale Anforderungen, was eine App können muss. Funktionale Anforderungen ergeben sich häufig auf expliziten Wunsch der (potenziellen) Nutzer hin und werden aus Use Cases generiert. Entsprechend sind funktionale Anforderungen sehr stark von der jeweils betrachteten App beziehungsweise ihrem Kontext, in dem sie eingesetzt wird, ab. Grundsätzlich festzuhalten ist, dass eine App, auch als hybride App, einen klaren Mehrwert bieten muss und sich, bei Vorhandensein einer mobilen Website, insbesondere auch von dieser abheben muss (Kamps, 2015, S. 70). Die ausführliche Thematisierung einzelner funktionaler Anforderungen würde den Fokus dieses Werkes auf das App-Marketing deutlich sprengen. Gleichwohl sollen im Folgenden für verschiedene Kontexte exemplarisch einige Funktionen skizziert werden, wie sie Grundlage für die Erarbeitung detaillierter funktionaler Anforderungen sein können. Marktscreening: Inspiration durch Wettbewerber und ähnliche Apps Ein gängiges Vorgehen, um in erster Instanz potenziell relevante funktionale Anforderungen zu erheben, ist das Screening der Apps direkter Wettbewerber sowie das Screening ähnlicher Apps, wie es bereits in Abschn. 3.5.1 angedeutet wurde. Die einfachste Variante eines Marktscreenings ist die Durchführung in Eigenrecherche, wobei

136

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

dazu nicht selten Praktikanten und Werkstudenten bemüht werden. Alternativ sind mitunter auch Aufstellungen auffindbar, die für einzelne App-Kategorien die bereitgestellten Features auflisten und so ebenfalls einen ersten Überblick vermitteln können. Beispiel: Funktionen von Apps zum Management chronischer Schmerzen

Mit der zunehmenden Bedeutung digitaler Technologien im Gesundheitswesen (eHealth, Abschn. 2.6) spielen Smartphone-Apps zunehmend auch eine Rolle bei dem Management chronischer Schmerzen. Das Universitätsklinikum Freiburg (2015) hat die Google Play-Suche zur Identifikation von Apps in diesem Zusammenhang bemüht, wobei die Keywords „Schmerzen“, „Arthrose“, „chronische Schmerzen“, „Rheuma“, „Fibromyalgie“, „Kopfschmerzen“, „Migräne“, „Nervenschmerzen“, „Rückenschmerzen“ und „Opiate“ genutzt wurden. Identifiziert wurden insgesamt 22 kostenfreie Apps, die daraufhin hinsichtlich ihrer Features betrachtet wurden. Die Erhebung identifiziert unter anderem Funktionen zum Informationsaustausch zwischen Ärzten und Patienten, zur Dokumentation, zur Informationsvermittlung sowie zur Unterstützung durch Erinnerungen. ◄ Egal, ob aus eigener Erhebung oder aus Drittquellen: Die Betrachtung am Markt verfügbarer Apps kann die (Weiter-) Entwicklung der eigenen App an Marktstandards messen und mit neuen Impulsen unterstützen. Umfragen: Ergebnisse aus Befragungen relevanter Zielgruppen und (potenzieller) Nutzer Ebenfalls denkbar und ähnlich verbreitet, um Ideen für Features zu generieren, ist die Nutzung von Umfragen. Hier muss unterschieden werden, ob fremde Umfragen, also solche, die über Institute oder Verbände erhoben und auf Portalen wie Statista bereitgestellt werden, genutzt werden oder ob Bemühungen für unternehmensindividuelle Umfragen angestellt werden. Während Daten aus fremden Umfragen sehr einfach zu beziehen sind, bieten selbst – oder im Auftrag – durchgeführte Umfragen deutlich mehr Kontrolle hinsichtlich der Datenerhebung, insbesondere mit Blick auf die Fragestellung und die Zielgruppenauswahl. Hinsichtlich der Fragestellungen lassen sich beispielsweise Umfragen zu allgemeinen Erwartungen an Technologie heranziehen, Umfragen zur Nutzung von Apps und AppFunktionen sowie Umfragen, die konkret auf funktionale Anforderungen an Apps abstellen. Beispiel: Kundenerwartungen an technische Neuerungen im Einzelhandel

Die Unternehmensberatung PwC (2014) befragt 1005 Konsumenten, welche technischen Neuerungen aus ihrer Sicht das Einkaufserlebnis im stationären Einzelhandel verbessern würden:

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

• • • •

137

Digitale Warenbestandsabfrage (29 %) Mobile Payment (13 %) Vorschläge zu Produktalternativen (13 %) QR-Codes mit weiterführenden Produktinformationen (12 %)

In einer Umfrage des HDE (2018) nennen die Befragten weiterhin unter anderem eine In-Store Navigation (36 %) sowie eine virtuelle Anprobe (33 %). Kritisch zu bemerken ist, dass die genannten technischen Neuerungen bereits sehr konkret auf spezifische Lösungen eingehen. Im Einzelfall sinnvoller wäre es gegebenenfalls, das dahinterliegende Problem zunächst zu konkretisieren und daran orientiert verschiedene Lösungsansätze zu entwickeln und zu verproben, wie es unter anderem der Design Thinking-Ansatz vorsieht (Abschn. 3.5.4). Gleichwohl bieten diese sehr grundsätzlichen und nicht spezifisch auf Apps bezogenen Umfrageergebnisse einen guten Rahmen, um die Relevanz einzelner Features besser abschätzen zu können. ◄ Deutlich konkreter auf Apps bezogene Ansätze für mögliche Features bieten Umfragen, die explizit auf die App-Nutzung ausgerichtet sind. Beispiel: Nutzung von Banking-Apps

Mittlerweile bieten praktisch alle großen Banken nicht nur ein Online-Banking an, sondern stellen dieses auch über entsprechende Apps bereit. Bei der Entwicklung neuer Apps von Banken oder der Weiterentwicklung bestehender Apps, aber auch bei der Entwicklung neuer Konzepte, etwa im Kontext von Multi-Banking-fähigen Apps, kann es entsprechend hilfreich sein, das Nutzerverhalten zu kennen, um hieraus Präferenzen für Features abzuleiten. Horizont und YouGov (2018) haben hierzu 525 Nutzer von Banking-Apps befragt. Den Kontostand und Umsätze einsehen wollen gemäß den Umfragedaten 82 beziehungsweise 79 % der Befragten. Weiterhin geben 39 % an, Informationen und News der Bank erhalten zu wollen. 38 % wünschen sich, über eine Banking-App nahegelegene Geldautomaten finden zu können – eine Funktion, die heute, gerade bei Suche nach Geldautomaten unabhängig von der Bank-Zugehörigkeit, kaum angeboten wird. ◄ Beispiel: Nutzung von Messaging-Apps

Nachdem der Markt für Messaging-Apps in Deutschland lange Zeit von WhatsApp dominiert wurde, haben insbesondere Diskussionen um Privatsphäre und Datenschutz in den vergangenen Jahren Möglichkeiten für neue Markteintritte eröffnet. Angebote wie Telegram, Signal und Threema sowie verschiedene Versuche von Google bringen immer wieder Bewegung in den Markt und werfen die Frage auf, welche Funktionen

138

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

für Nutzer besonders relevant sind und insofern bei der Entwicklung neuer MessagingApps Beachtung erfahren sollten. In einer Umfrage des Bitkom (2018) mit 1.074 Befragten ab 14 Jahren gibt ein Großteil der Nutzer an, vor allem Nachrichten (85 %) sowie Medien (70 %) zu verschicken. Die Funktion, Anrufe zu tätigen, wird von 51 % der Befragten genutzt. Interessant ist, dass 16 % angeben, News und Eilmeldungen über Messaging-Apps empfangen zu wollen und 10 % die Apps nutzen, um mit Unternehmen in Kontakt zu treten. Gerade letztgenannte Zahlen sind für Anbieter in diesem Bereich Anlass, sich mit der Frage auseinander zu setzen, inwiefern es sich bei der B2C- und C2B-Kommunikation möglicherweise um einen langfristig relevanten Trend handeln könnte, den es entsprechend zu berücksichtigen gilt. ◄ Beispiel: Nutzung von digitalen Assistenten

Obwohl bereits seit einigen Jahren verfügbar scheinen viele Nutzer mit digitalen Assistenten wie Apples Siri, Amazon Alexa oder dem Google Assistant noch eher zu experimentieren als diese bereits regelmäßig aktiv zu nutzen. Gleichwohl deuten alle Entwicklungen darauf hin, dass digitale Assistenten bereits in wenigen Jahren omnipräsent in allen Lebensbereichen Anwendung finden können. INTEGRAL & IAB Austria (2017) haben dazu bereits vor einigen Jahren 1000 Internetnutzer ab 14 Jahren in Österreich befragt, wie diese digitale Assistenten nutzen. Die Suche nach Informationen (18 %) dominiert dabei die Liste, gefolgt vom Anrufen von Kontakten (14 %) und der Bedienung des Navigationssystems (9 %), etwa während der Autofahrt. Besonders interessant und Potenzial bietend für Entwickler entsprechender Anwendungen könnten etwa die Nutzung zur Terminverwaltung (5 %) oder zum Online-Shopping (3 %) sein. Diese Zahlen könnten einerseits Anlass geben, eigene Skills (Amazon Alexa) beziehungsweise Actions (Google Assistant) zu erstellen. Sie werfen andererseits aber auch die Frage auf, wie bestehende Apps an entsprechende Skills angebunden werden können, etwa, um bevorstehende Termine vorzulesen oder den zuletzt bei einem Online-Shop bestellten Artikel per Sprachbefehl zur Retoure anzumelden. ◄ Sehr explizite Hinweise zu funktionalen Anforderungen können, offenkundig, solche Umfragen liefern, die direkt nach funktionalen Anforderungen fragen. Dabei ist nicht jedes für sie sinnvolle Feature den Befragten zwangsläufig im Moment der Umfrage überhaupt bewusst. Auch zahlt nicht jedes gewünschte Feature, die Überlegungen des KANO-Modells (Abschn. 3.5.1) berücksichtigend, in gleicher Weise auf die Nutzerzufriedenheit ein. Schließlich ist außerdem festzuhalten, dass ein konkretes Feature in der Regel einen konkreten Lösungsweg darstellt, wobei das zugrundeliegende Problem gegebenenfalls auch andere, vielleicht bessere oder kostengünstigere Umsetzungswege erlauben könnte. Letztere Überlegung findet insbesondere im Design Thinking-Prozess

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

139

Berücksichtigung, welcher in hohem Maße ein der Lösungsfindung vorgelagertes, umfassendes Problemverständnis herzustellen versucht (Abschn. 3.5.4). Beispiel: Funktionale Anforderungen an ÖPNV-Apps

Viele Verkehrsbetriebe und -verbunde des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) bieten mittlerweile Apps, die die Fahrgäste bei der Nutzung des Angebots etwa beim Ticketkauf und der Routenplanung unterstützen sollen. Statista und TAF (2019a) haben 1.069 Personen zwischen 18 und 70 Jahren zu einer Liste vorgegebener Funktionen von ÖPNV befragt, wie wichtig den Befragten diese Funktionen sind. Als die wichtigsten Features für die Nutzer wurden Echtzeitauskunft (63 %), Haltestellenfinder (63 %), und Routenplaner (52 %) identifiziert. Auch das Speichern von Favoritenstrecken (29 %) sowie die Bereitstellung eines interaktiven Netzplans (33 %) ist vielen Nutzern wichtig, wobei beide Funktionen längst nicht in jeder ÖPNV-App zum Standard gehören und insofern eine wertvolle Inspiration für die Weiterentwicklung darstellen können. Gleiches gilt für die Integration von weiteren Mobilitätsangeboten wie Carsharing-Angeboten, welches für 14 % der Nutzer eine wichtige Funktion sei – mit vermutlich künftig steigender Tendenz. ◄ Beispiel: Funktionale Anforderungen an Apps für Geschäftsreisen

Bereits im Jahr 2014 haben der Reisevermittler Expedia und Egencia, eine zu Expedia gehörende Plattform für Geschäftsreisen, über 8800 erwerbstätige Erwachsene aus 25 Ländern zu ihren Erwartungen an die Funktionen von Apps für Geschäftsreisen befragt. Als relevanteste Funktionen wurden die Anzeigen von Straßenkarten und Wegangaben (60 %), aktuelle Informationen über Reiseverbindungen (51 %) und die Möglichkeit zum Einchecken des Fluges (47 %) genannt (Expedia & Egencia, 2014). ◄ Unabhängig von den einzelnen Ergebnissen muss, gerade in einem so dynamischen Umfeld wie dem der App-Economy, bei allen Erhebungen beachtet werden, dass die zeitliche Gültigkeit der Ergebnisse nur sehr beschränkt sein kann. Mit den verfügbaren Technologien und der ständigen Gewöhnung an neue Standards ändern sich insbesondere funktionale Nutzeranforderungen stetig.

3.5.3 Nicht-funktionale Anforderungen Obwohl nicht-funktionale Anforderungen in der wissenschaftlichen Literatur nicht immer einheitlich definiert sind, können sie im Prinzip als Antwort darauf verstanden werden, wie eine Software ihre Funktionen erbringen soll. Es handelt sich dabei also um Qualitätskriterien, die unabhängig von einer konkreten App mit einem konkreten Zweck für alle Apps gelten können. Häufige Beispiele für nicht-funktionale Anforderungen sind die Zuverlässigkeit, die Geschwindigkeit oder die Bedienbarkeit.

140

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Im Sinne des in Abschn. 3.5.1 betrachteten Kano-Modells handelt es sich bei nichtfunktionalen Anforderungen häufig um Basisfaktoren, die zu einem gewissen Maß erfüllt sein müssen, wobei der positive Einfluss auf die Kundenzufriedenheit mit größer werdendem Erfüllungsgrad abnimmt. So setzen Nutzer etwa eine gewisse Geschwindigkeit voraus, um jedenfalls nicht unzufrieden zu sein, und können mit steigender Geschwindigkeit auch noch zufriedener gemacht werden – jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt, ab dem der Unterschied in der Geschwindigkeit für den Nutzer kaum noch wahrnehmbar ist und „noch schneller“ nicht mehr „noch zufriedener“ bedeutet. Bei Kamps (2015, S. 63 ff.) findet sich eine Sammlung von „goldenen Regeln für erfolgreiche Mobile Apps“, die in Teilen als nicht-funktionale Anforderungen verstanden werden können, wie sie im Prinzip für Smartphone-Apps jeder Art gelten: • Geschwindigkeit • Sofortige Nutzbarkeit • Einfacher Zugang • Übersichtlichkeit • Einhaltung von Datenschutz • Gewährleistung von Datensicherheit • Sparsamkeit beim Speicherbedarf Über verschiedene Apps hinweg können nicht-funktionale Anforderungen unterschiedlich relevant sein. So dürften die Anforderungen der Nutzer an Datenschutz und Datensicherheit bei Banking-Apps deutlich höher ausfallen als bei Apps, welche Kochrezepte bereitstellen. Auch unterliegen nicht-funktionale Anforderungen – wie auch funktionale Anforderungen – einer gewissen Dynamik und verändern sich mit der Zeit. Dazu gehört zum Beispiel das Verständnis der Nutzer davon, was ein intuitives, einfach zu bedienendes Interface ausmacht. Auch das Bewusstsein für Datenschutz, welches seit Einführung der DSGVO eher gestiegen sein dürfte, ist ein Beispiel für die Dynamik nichtfunktionaler Anforderungen. Beispiel: Nicht-funktionale Anforderungen an ÖPNV-Apps

In einer Umfrage fragen Statista & TAF (2019b) 1069 Menschen im Alter zwischen 18 und 70 Jahren sowie Vertreter von 53 Verkehrsbetrieben explizit nach ihren „technischen“ (das heißt weitgehend nicht-funktionalen) Anforderungen an ÖPNV-Apps. Die Ergebnisse in Abb. 3.26 zeigen, dass Nutzer insbesondere Wert auf technische Stabilität, Sicherheit, Datenschutz und Geschwindigkeit legen. Bemerkenswert ist, dass die Verkehrsbetriebe sämtliche der gelisteten Anforderungen deutlich wichtiger einschätzen als die Nutzer selbst. Dieser Umstand könnte einerseits darauf zurückgeführt werden, dass es tatsächlich massive Abweichungen in der eingeschätzten Wichtigkeit der unterschiedlichen nicht-funktionalen Anforderungen gibt. Andererseits, und dies könnte sich insbesondere in der An-

141

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern Technische Stabilität Sicheres Bezahlen Datensicherheit & Datenschutz Reaktionsgeschwindigkeit Bezahlnachweis Mitlernend Ansprechendes Design Individualisierungsmöglichkeiten Sehbehindertenansicht 0% Endkunden

20%

40%

60%

80%

100%

ÖPNV-Unternehmen

Abb. 3.26   Nicht-funktionale Erwartungen an ÖPNV-Apps – Nutzer- und Unternehmenssicht im Vergleich. (Statista & TAF, 2019b)

forderung „ansprechendes Design“ zeigen, kann es sich auch um eine Schwäche der Erhebungsmethode handeln: Denkbar ist, dass Verbraucher in ihren bewussten Überlegungen im Rahmen der Umfrage einem ansprechenden Design deutlich weniger Bedeutung beimessen, als es sich in ihrem tatsächlichen Nutzungsverhalten oder in Feldexperimenten zeigen würde. ◄

3.5.4 Methoden zur Nutzer-orientierten App-Entwicklung Nachdem die grundlegende Anatomie von Nutzeranforderungen mithilfe des KanoModells und der Unterteilung in funktionale und nicht-funktionale Anforderungen verstanden ist und exemplarisch einige Anforderungen aus verschiedenen Bereichen diskutiert sind, dient dieses Kapitel der Vermittlung einiger Methoden und Ansätze zur Nutzer-orientierten App-Entwicklung. Das Kapitel ist dabei nicht als ein Leitfaden für IT-Projektmanager oder Teamleiter der App-Entwicklung zu verstehen, sondern vielmehr als eine Sammlung grundlegender Begriffe rund um die Software- beziehungsweise AppEntwicklung für App-Marketer. Ziel ist es, jene Kenntnisse zu vermitteln, die App-Marketern helfen, gegenüber der Produktentwicklung insbesondere ihren produktpolitischen Auftrag im Sinne des App-Marketings wahrzunehmen. Dazu werden im Folgenden drei Methoden beziehungsweise Modelle vorgestellt: 1. Design Thinking als Innovationsmethode, um problemgerechte, kundenorientierte Lösungen zu finden 2. User Centered Design als Framework der partizipativen Software-Entwicklung, welches Nutzer aktiv und iterativ in den Designprozess mit einbezieht 3. Scrum als ein Vorgehensmodell der agilen Softwareentwicklung, bei dem cross-funktionale Teams iterativ und möglichst autonom Produktinkremente entwickeln

142

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Darüber hinaus wird abschließend kurz das RICE-Modell zur Priorisierung von Anforderungen diskutiert. Design Thinking – Innovationsentwicklung durch Problemverständnis Eine der wohl populärsten Kreativitäts- und Innovationsmethoden dieser Zeit ist das Design Thinking. Trotz ihrer starken Verbreitung wird die Methode nicht einheitlich verstanden und existiert im Wesentlichen in zwei Varianten. Unter anderem die Interaction Design Foundation (2022) postuliert einen fünfstufigen Prozess ( Abb. 3.27). Die HPI School of Design Thinking (2021) dagegen lehrt einen sechsstufigen Prozess, der aufgrund seiner Trennung in Problem- und Lösungsraum und deren Darstellung auch als Double Diamond bekannt ist ( Abb. 3.28). Allen Darstellungsvarianten des Design Thinking ist gemein, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der in hohem Maße eingangs ein fundiertes Problemverständnis herbeizuführen versucht und im weiteren Verlauf bei der Problemlösung immer wieder den Nutzer aktiv auch in den Entwicklungsprozess einbezieht (Wohllebe, 2022a, S. 101). Die HPI School of Design Thinking (2021) teilt die ersten beiden Schritte („Empathize“ und „Define“) der Interaction Design Foundation (2022) in drei Schritte auf und unterscheidet in „Kontext verstehen“, „Menschen beobachten“ und „Sichtweise definieren“. Sie betont damit insbesondere die Relevanz des Verständnisses für den Nutzer und den Kontext, in dem er sich bewegt. Im App-Kontext stellt Design Thinking einen Ansatz dar, eine App entsprechend den Bedürfnissen der (angestrebten) Zielgruppe zu entwickeln. Es unterstützt insofern das App-Marketing im Sinne der Produktpolitik, eine marktkonforme, an den tatsächlichen Problemen der Nutzer orientierte, App-basierte Lösung herbeizuführen. User-Centered Design – Usability und User Experience verbessern Ähnlich dem Design Thinking, jedoch deutlich stärker auf die visuelle Gestaltung fokussiert, ist auch im User-Centered Design Framework das Einbeziehen künftiger Nutzer in den Design-Prozess verankert (Abb. 3.29). Noch vor dem Beginn der eigentlichen Entwicklung erfordert das Framework eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Stakeholdern und bezieht diese wiederholt und aktiv in den weiteren Prozess mit ein (Sattig & Wohllebe, 2022). Insofern kann das Framework auch als Methode der partizipativen Softwareentwicklung verstanden werden.

Empathize Welche Bedürfnisse hat der Kunde?

Define Welches Problem wollen wir lösen?

Ideate Wie kann das Problem gelöst werden?

Prototype Wie sieht die Problemlösung konkret aus?

Test Löst die Problemlösung das Problem tatsächlich?

Abb. 3.27   Fünfstufiger Design Thinking-Prozess zur Entwicklung problemgerechter, kundenorientierter Lösungen. (Angelehnt an die Interaction Design Foundation, 2022)

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

143

Lösungsraum

Problemraum

Abb. 3.28   Darstellung des Design Thinking-Prozesses mit sechs Schritten als Double Diamond. (HPI School of Design Thinking, 2021)

User-Centered Design Framework Nutzerkontext verstehen und definieren

ggf. iterierend

Abb. 3.29   User-Centered Design Framework. (Übersetzt aus Sattig und Wohllebe (2022), basierend auf DIN EN ISO 9241-210:2020-03)

Nutzeranforderungen definieren

Designlösungen erarbeiten

Designlösung evaluieren

Lösung erfüllt Anforderungen

Je nach Phase des Prozesses bis hin zu einer Lösung, die die Anforderungen der Nutzer erfüllt, sind verschiedene Methoden denkbar, um die einzelnen Prozessschritte zu durchlaufen. Im Folgenden wird je Prozessschritt exemplarisch eine Methode skizziert. • Nutzerkontext verstehen und definieren: Direkt in der Situation, in der ein Problem vermutet wird, oder in einer Online-Umfrage wird überprüft, ob ein vermutetes Problem überhaupt existiert und wie dieses tatsächlich aussieht. Zusätzlich kann bereits überprüft werden, ob eine (zunächst nur grob) skizzierte Idee das Problem der Nutzer lösen könnte.

144

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

• Nutzeranforderungen definieren: Im Rahmen einer moderierten Gruppendiskussion werden Mitglieder der Zielgruppe oder jedenfalls solche, die den Mitgliedern der Zielgruppe ähnlich sind, zu ihren bisherigen Erfahrungen mit ähnlichen Funktionen befragt. Zusätzlich sollen sie erste Eindrücke bezüglich der skizzierten Idee schildern und in einem Brainstorming weiteren Input liefern. • Designlösungen erarbeiten: Im Stile eines kollaborativen Designs werden potenzielle Nutzer im Laufe der Erarbeitungen verschiedener Designansätze immer wieder mit Skribbles und Mock-Ups konfrontiert. Zu diesen unfertigen Zwischenergebnissen sollen die Nutzer ihr Feedback geben, sodass dieses in die weitere Lösungserarbeitung mit einfließen kann. • Designlösung evaluieren: Für die Evaluierung einer oder mehrerer potenzieller Designlösungen wird ein synchroner Usability-Test veranstaltet. Die Nutzer sollen live verschiedene Aufgaben mit der Designlösung bewältigen. Währenddessen werden sie immer wieder um Feedback gebeten, ob die potenzielle Lösung ihr Problem tatsächlich lösen würde und an welchen Stellen sie noch verbessert werden könnte. Entscheidend ist, dass das Nutzerfeedback in allen Phasen in den Gesamtprozess mit einfließt. Durch ein iteratives Vorgehen können Prozessschritte zudem mehrmals durchlaufen werden, etwa, wenn beim Erarbeiten der Designlösungen im kollaborativen Design herauskommt, dass bestimmte Nutzeranforderungen bisher noch nicht berücksichtigt wurden. In der App-Entwicklung kann das User-Centered Design Framework insbesondere bei solchen Funktionen unterstützen, die bisher noch wenig am Markt verfügbar sind und für die insofern noch kein „gelerntes Verhalten“ der Nutzer unterstellt werden kann. Dabei kann das Framework auch vorbeugen, innovative Lösungen um der Innovation Willen umzusetzen, weil das direkte Feedback potenzieller Nutzer im Zweifel deutlich aufzeigt, wenn zum Beispiel eine Lösung an den Anforderungen der Nutzer vorbei geht oder eine Lösung für ein vermutetes Problem präsentiert wird, das Problem jedoch aus Nutzersicht gar nicht existiert. Agile Softwareentwicklung mit Scrum Zunehmend an Bedeutung gewonnen hat in den vergangenen Jahren die agile Softwareentwicklung. Als eine besondere populäre Methode hat sich in der Praxis Scrum herauskristallisiert, welches mittlerweile nicht mehr nur in der Softwareentwicklung angewendet wird, sondern auch auf verschiedene Kontexte übertragen wurde. In diesem Zusammenhang ist in den vergangenen Jahren ein Hype zu beobachten, ganze Unternehmen „agil“ aufzustellen. Im Folgenden soll der Fokus jedoch auf Scrum als Methode der agilen Softwareentwicklung liegen. Hintergrundwissen: Prinzipien der agilen Softwareentwicklung Die verschiedenen Methoden der agilen Softwareentwicklung beruhen wesentlich auf den von Beck et al. (2001) im „Manifest für Agile Softwareentwicklung“ dargelegten Prinzipien der Agilität:

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

145

1. Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge 2. Funktionierende Software sind wichtiger als umfassende Dokumentation 3. Zusammenarbeit mit dem Kunden sind wichtiger als Vertragsverhandlung 4. Reagieren auf Veränderung sind wichtiger als das Befolgen eines Plans Je nach konkreter Methode sind die Prinzipien unterschiedlich und mit unterschiedlicher Gewichtung verankert.

Auf Basis dieser Prinzipien ergeben sich laut Roock und Wolf (2016, S. 29 ff.) unter anderem zwei praktische Implikationen für die tägliche Arbeit. Erstens müssen Entwicklungsteams in ihrem Verantwortungsbereich möglichst autonom arbeiten können. Möglichst wenige Abhängigkeiten nach Außen sind dabei anzustreben. Hieraus ergibt sich, dass die Teams, cross-funktional besetzt werden müssen. Anstatt einer Unterscheidung in Funktionen, also etwa einem ProduktmanagementTeam, einem Design-Team und einem Development-Team, ergibt sich ein produktbezogenes Team, welches die unterschiedlichen Funktionen vereint. Bezogen auf eine App könnte es also ein „App-Team“ geben, welches aus einem „Product Owner App“, einem „App UI-Designer“ und mehreren „App-Entwicklern“ besteht. Die Integration des App-Marketings wäre in einem solchen Szenario verschiedentlich möglich, etwa als Stakeholder in Abstimmung mit dem Product Owner, als Teil des Rollenverständnisses des Product Owners selbst oder als eigenständiges Mitglied des Teams, welches die Integration Vermarktungs- und CRM-bezogener Systeme innerhalb der App vorantreibt und darüber hinaus produktpolitisch im Sinne der Steigerung des User Engagements wirkt. Zweitens, und diese Erkenntnis ist nicht auf die agile Softwareentwicklung und Scrum limitiert, erfordert die Arbeit in dynamischen Umfeldern wie dem von Smartphone-Apps und Technologie im weitesten Sinne das Arbeiten nach „Inspect & Adapt“: Anstatt einem auf Jahre geschmiedeten Plan zu folgen, der kaum die Dynamik immer kürzerer Produktlebens- und Innovationszyklen adaptieren kann, gilt es, aus Erfahrungen und Beobachtungen zu lernen. Immer wieder müssen die Erkenntnisse in die Produktentwicklung einfließen und genutzt werden, den Status Quo hinsichtlich eines zeitgemäßen Produkts zu hinterfragen. Doch wie lassen sich die Prinzipien der agilen Softwareentwicklung in ein konkretes Prozessmodell übersetzen, welches auch die beiden erwähnten praktischen Implikationen berücksichtigt? Scrum verwendet dazu einen iterativen Scrum-Prozess, wie er in Abb. 3.30 skizziert und unter anderem bei Roock und Wolf (2016, S. 18) zu finden ist: • Der Product Owner definiert die Produktvision und ist für das Produkt – also etwa die App – verantwortlich. Er ist die Schnittstelle des Teams nach Außen und stimmt mit den Stakeholdern ihre Bedürfnisse und Anforderungen ab. Hieraus speist er das Product Backlog. • Im Rahmen eines Sprint Plannings definiert das Entwicklungsteam, dem je nach Konstellation auch UI-Designer angehören mögen, welche Anforderungen es im kommenden Sprint umsetzen möchte. Als Sprint wird ein definierter Zeitraum, häufig von

146

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Daily Scrum Stakeholder

Entwicklungsteam Sprint Review

Product Owner

Product Backlog

Sprint Backlog

Product Increment Sprint Retro

Sprint Planning

Scrum Master

Rolle

Artefakt

Meeting

Abb. 3.30   Scrum-Prozess. (Angelehnt an Roock & Wolf, 2016, S. 18)

zwei Wochen, bezeichnet, in dem das Entwicklungsteam genau an den Themen arbeitet, die es sich im Sprint Planning auf Basis der vom Product Owner vorgenommenen Priorisierung „gezogen“ hat. Diese Themen werden im Sprint Backlog festgehalten. • Während des Sprints stimmt sich das Team täglich in einem Daily Scrum ab, um mögliche Hindernisse und Unklarheiten zu klären. • Am Ende eines Sprints stehen ein oder mehrere Produktinkremente, also funktionsfähige Bestandteile der Software, die bestenfalls released und direkt eingesetzt werden können. Diese werden im Rahmen des Sprint Review, bestenfalls direkt vor dem Anforderer, präsentiert, sodass unmittelbar erstes Feedback eingeholt werden kann. Aus diesem Feedback speist sich wiederum das Product Backlog: Es dient direkt als Input für künftige Verbesserungen. • Im Rahmen der Sprint Retro wird der vergangene Sprint hinsichtlich der Zusammenarbeit betrachtet. Hier geht es nicht um inhaltliche Debatten, sondern darum, wie die Zusammenarbeit künftig noch weiter verbessert werden kann. • Der Scrum Master ist für die Überwachung der Einhaltung des Scrum-Prozesses zuständig und unterstützt das Team zum Beispiel durch die Moderation der entsprechenden Meetings. Literaturhinweis: Einführung in Scrum Eine außergewöhnliche und lebendige Einführung in Scrum bieten Wolf et al. (2014) mit ihrem Buch „Die Kraft von Scrum – Inspiration zur revolutionärsten Projektmanagementmethode“, erschienen 2014 im dpunkt.verlag, Heidelberg. Auf rund 140 Seiten skizzieren die Autoren die fik-

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

147

tive Geschichte von Marc Berners, der gemeinsam mit einem (halb fiktiven) Coach die Einführung von Scrum in einer Softwarefirma erlebt. Einen ebenfalls lebendigen, fachlich jedoch noch deutlich weitergehenden Einstieg bietet „Scrum – verstehen und erfolgreich einsetzen“ von Roock und Wolf (2016), ebenfalls erschienen im dpunkt.verlag, Heidelberg. Auf über 200 Seiten behandelt das Werk umfassend Scrum als Prozess und liefert darüber hinaus zahlreiche Methoden und Werkzeuge für den praktischen Einsatz.

Unabhängig davon, ob und wie das App-Marketing formal im Entwicklungsprozess für eine App verankert wird, lohnt sich ein Blick auf Scrum und andere Methoden der agilen Softwareentwicklung. Ein wesentlicher Vorteil liegt unter anderem in einer kürzeren Time-to-Market, wodurch entsprechend früher Feedback eingeholt werden kann, um iterativ Verbesserungen durchzuführen. Insofern ist insgesamt von einer höheren Softwarequalität auszugehen (Roock & Wolf, 2016, S. 7). Priorisierung von Anforderungen mit RICE Abschließend zu den Methoden der Nutzer-orientierten App-Entwicklung ist die Frage zu diskutieren, wie Anforderungen priorisiert werden können. Dies betrifft, im Sinne von Scrum, den Product Owner, der die unterschiedlichen Anforderungen im Product Backlog zu priorisieren hat, schließt aber auch das App-Marketing mit ein, welches ebenso mit begrenzten Ressourcen wirtschaftet und insofern Prioritäten setzen muss. Grundlegende Überlegungen schließen dabei neben den Kosten insbesondere den Nutzen beziehungsweise das Risiko ein (Roock & Wolf, 2016, S. 58 f.). Eine am Nutzen ausgerichtete Priorisierung ist eher bei Leistungs- und Begeisterungsfaktoren im Sinne des Kano-Modells wirksam, wobei also der Mehrwert eines Vorhabens bewertet wird. Im Fall von Basisfaktoren sowie bei der Umsetzung rechtlicher Vorgaben geht es dagegen weniger um den Mehrwert, sondern eher um das Risiko einer Nicht-Erfüllung. In der Praxis findet sich häufig der Begriff des „Business Value“, der Nutzen und Risiko gleichermaßen einschließt. Über die Frage von Kosten und Nutzen hinausgehend und mit dennoch eingängigem Schema funktioniert die RICE-Methode, die für jede Anforderung einen Score aus Reach (Reichweite), Impact (Einfluss), Confidence (Sicherheit) und Effort (Aufwand) berechnet:

RICE Score =

Reach ∗ Impact ∗ Confidence Effort

Die einzelnen Parameter lassen sich jeweils anhand einer Frage kurz verdeutlichen: • • • •

Reach: Wie viele Nutzer betrifft das Entwicklungsvorhaben? Impact: Wie groß ist der Mehrwert für den einzelnen Nutzer? Confidence: Wie sicher werden Reichweite und Einfluss auch erreicht? Effort: Wie aufwändig ist die Entwicklung?

148

3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Für die konkrete Anwendung denkbar wäre, dass, im Fall von Scrum, der Product Owner eine Anforderung vorstellt und jeder Beteiligte anschließend auf einer definierten Skala, zum Beispiel von 1 bis 5, für jeden Parameter eine Einschätzung abgibt.

3.5.5 Methoden und Instrumente zur Erhebung der Nutzerzufriedenheit Nachdem die Anforderungen der Nutzer zunächst erhoben und – nach einigen Ausführungen zur Klassifikation samt Einblicken aus einzelnen Branchen – mithilfe Nutzerorientierter Methoden der Softwareentwicklung umgesetzt wurden, stellt sich aus Marketing-, je nach Auffassung auch aus CRM-Sicht, die Frage nach der Nutzerzufriedenheit. Dieses Kapitel diskutiert unterschiedlichen Methoden und Instrumente, mit denen die Nutzerzufriedenheit erhoben und überwacht werden kann. Eingangs bemerkt sei, dass die Zufriedenheit der Nutzer mit einer App stets nur einen Teilausschnitt der Wahrheit liefern kann. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen insbesondere in der Auswahl der Befragten. Offenkundig können, jedenfalls innerhalb einer App, nur solche Nutzer nach ihrer Zufriedenheit gefragt werden, die die App zum Zeitpunkt der Befragung auch installiert haben. Entsprechend außen vor bleiben jene, die die App entweder früher einmal genutzt, mittlerweile aber deinstalliert haben, und jene, die die App überhaupt noch nie installiert haben. Insofern kann die Befragung der App-Nutzer offenkundig nur ein Bild der aktuellen App-Nutzer liefern. Eine weitere Restriktion liegt in der Frage, wer überhaupt entsprechendes Feedback gibt. Hier deutet die Forschung darauf hin, dass insbesondere sehr positiv und sehr negativ gestimmte Nutzer ihr Feedback mitteilen, während mäßig zufriedene oder unzufriedene Nutzer eher seltener an Zufriedenheitsumfragen teilzunehmen scheinen (Wohllebe & Stoyke, 2022). Zudem fördern anonyme Bewertungssituationen negatives Feedback (Bogner & Landrock, 2015). Ferner fällt schriftliches, in einem Freitextfeld eingegebenes Feedback bei geringer Kundenzufriedenheit deutlich länger aus als bei hoher Kundenzufriedenheit (Wohllebe & Stoyke, 2022). Insofern sind die positiven Aspekte zu einer App im Regelfall schwieriger zu identifizieren als die negativen (Vasa et al., 2012). Andererseits lässt sich bei Apps, die mit einem App Second- oder komplementären Ansatz entwickelt werden, beobachten, dass deren (App-) Nutzer überdurchschnittlich treue Kunden (des Unternehmens) sind und insofern in ihre Bewertung auch ihre positiven Assoziationen mit dem App-Publisher als Gesamtunternehmen und Marke einfließen lassen (Wohllebe et al., 2020). App-Rezensionen als wichtigster Indikator Der wichtigste und auch über die eigene App hinaus einsehbare Indikator für die Zufriedenheit sind die App-Rezensionen. Sowohl im Apple App Store als auch bei Google Play ist der aktuelle Durchschnitt der Bewertungen in Form von Sternen prominent platziert und dient so nicht nur dem App-Publisher, sondern auch potenziellen Nut-

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

149

zern als Informationsquelle. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass App-Bewertungen als Faktor in das App-Ranking mit einfließen und besser bewertete Apps bei relevanten Suchanfragen entsprechend höher in den Suchergebnissen ranken als schlechter bewertete Apps (vgl. App Store Optimization Abschn. 4.4.1). Vor diesem Hintergrund muss es nicht unbedingt sinnvoll sein, passiv agierend einfach darauf zu „warten“, dass Nutzer die eigene App bewerten. Auch darf bezweifelt werden, ob die App-Bewertungen einer App – jedenfalls aus Sicht des App-Publishers – die tatsächliche Nutzerzufriedenheit abbilden sollten. Jedoch muss auch bedacht werden, dass aus eigenem Antrieb heraus vor allem unzufriedene Nutzer aktiv ihr Feedback geben dürften, während zufriedene Nutzer ohne explizite Aufforderung zur Bewertung seltener ihr Feedback geben. Auch spiegelt der Durchschnitt aller App-Bewertungen über die gesamte Lebensdauer einer App entsprechend die Performance über die gesamte Lebensdauer hinweg wider, sodass eine kumulierte Betrachtung nicht als Indikator für die momentane Zufriedenheit, etwa in Folge eines Updates, herangezogen werden sollte (Mojica Ruiz et al., 2016). Entsprechend erfordert die Nutzung von App-Bewertungen als Indikator für Nutzerzufriedenheit ein kontinuierliches Monitoring, um hinreichende Aktualität zu gewährleisten (Grano et al., 2017). Auf inhaltlicher Ebene sind Rezensionstexte vor allem technischer Natur (GencNayebi & Abran, 2017; Malgaonkar, 2020). Nutzern schildern darin insbesondere Hinweise zu Funktionsfehlern, fordern aktiv neue Funktionen an und thematisieren Abstürze / App-Crashes. Insbesondere App Reviews zu Datenschutz, Privatsphäre und versteckten beziehungsweise intransparenten Kosten fallen negativ aus (Kalaichelavan et al., 2020; Khalid et al., 2015). App-Rezensionen können also herangezogen werden, um Erkenntnisse zur Erfüllung funktionaler und nicht-funktionaler Anforderungen sowie zur Zufriedenheit mit Leistungs-, Begeisterungs- und Basisfaktoren zu gewinnen ( Abschn. 3.5). In der Praxis ist das Monitoring von App-Bewertungen, insbesondere mit Blick auf den Inhalt der Rezensionstexte, in der Regel eine menschliche Aufgabe. Die automatische Identifizierung von Themen auf Basis der Texte funktioniert für konkrete Ableitungen zu Potenzialthemen häufig nicht gut genug, zumal viele Wörter mitunter gar nicht im Duden vorkommen und insofern auch für eine maschinelle Auswertung semantisch kaum gewinnbringend zu erfassen sind (Hoon et al., 2012). Zusätzlich in der Auswertung zu beachten ist, dass insbesondere funktionale oder Darstellungsfehler mitunter auf bestimmte (vor allem technische) Konstellationen beschränkt sind. Insofern ist es im Rahmen der Auseinandersetzung mit entsprechender Kritik sinnvoll, ähnliche Konstellationen zu überprüfen. Relevante Dimensionen können unter anderem das verwendete Endgerät, die App- sowie die Betriebssystem-Version, aber auch das Land oder die Sprache des Nutzers sein, der eine Bewertung beziehungsweise Rezension abgegeben hat. Tools wie die Google Play Console erlauben diesbezüglich tiefergehende Analysen.

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

Direkte Befragung von Nutzern Ergänzend zu den App-Bewertungen ebenfalls Einblicke in die Nutzerzufriedenheit kann die direkte Befragung liefern. Mit den gleichen Einschränkungen wie sie bereits in Abschn. 3.5.1 diskutiert wurden, kann die direkte Befragung Erkenntnisse zur Nutzerzufriedenheit insgesamt, aber auch zur Zufriedenheit mit einzelnen Funktionen oder Bereichen einer App liefern. Je nach Fragestellung kann es dabei sinnvoll sein, Umfragen entsprechend an alle Nutzer, an die Nutzer bestimmter Funktionen oder an Nutzer mit bestimmten Merkmalen auszusteuern. Denkbar wäre etwa im Fall einer App, die im Freemium-Modell angeboten wird, nur solche Nutzer zu befragen, die die App kostenfrei und mit Werbung nutzen oder eben nur solche, die für die Nutzung Geld bezahlen. Net Promoter Score als Methode mit größter Verbreitung Die in der Praxis vielleicht am weitesten verbreitete Methode zur Erhebung von Kundenzufriedenheit ist der Net Promoter Score, kurz NPS, der von Reichheld (2003) im Harvard Business Review als „The One Number You Need To Grow“ vorgestellt wurde und seitdem auch immer wieder in der Wissenschaft thematisiert wird (Eger & Mičík, 2017; Eskildsen & Kristensen, 2011; Fisher & Kordupleski, 2019; Wohllebe et al., 2020). Ausgangsbasis des Net Promoter Score ist die Frage an einen Nutzer oder Kunden, ob er ein Produkt, etwa eine App, seinen „Freunden und Verwandten weiterempfehlen“ würde. Grundüberlegung ist dabei, dass die Bereitschaft zur Weiterempfehlung als eine statistisch eng zusammenhänge Folge von Zufriedenheit gilt (Lam et al., 2004). Der Befragte soll seine Antwort auf einer Skala von 0 (sehr unwahrscheinlich) bis 10 (sehr wahrscheinlich) geben. Trotz der Omnipräsenz dieser Fragestellung erfolgt die tatsächliche Anwendung der Methode, also die Berechnung des Net Promoter Score, in der Praxis vermutlich deutlich seltener. Vielmehr wird häufig schlicht der Mittelwert der Antworten berechnet und reportet, sodass die Methodik im Folgenden kurz erläutert werden soll: Alle Befragten, die mit 9 oder 10 antworten, werden als Promoters bezeichnet. Befragte, die mit 7 oder 8 antworten, sind neutral/indifferent. Wird die Frage nach Weiterempfehlung mit 0 bis 6 beantwortet, gilt der Befragte als Detractor. Der Net Promoter Score wird schließlich berechnet aus dem Anteil der Promoters minus dem Anteil der Detractors:

NPS = %Promoters − %Detractors Basierend auf dieser Formel kann der Net Promoter Score also einen Wert zwischen −100 und +100 annehmen. Unabhängig von der in der Praxis nur selten korrekten Bewertung des Wertes, gibt es zahlreiche Kritikpunkte am Net Promoter Score. Im Folgenden sollen nur einige davon aufgezählt werden: • Die Gruppierung der Befragten anhand der Skala von 0 bis 10 in Promoters (9–10), Indifferents (7–8) und Detractors (0–6) ist beliebig und statistisch nicht haltbar. Durch

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

151

die Berechnung ist der methodische Unterschied zwischen einer 6 (Detractor) und einer 7 (Indifferent) massiv, während die Methode keinen Unterschied zwischen einer 0 und einer 6 macht (Kristensen & Eskildsen, 2014). • Als Indikator für Kundenloyalität ist der Net Promoter Score nicht geeignet. Kristensen und Eskildsen (2014) zeigen dazu empirisch, dass die Unterscheidung in Promoters, Indifferents und Detractors die Intention von Konsumenten, auch nächstes Jahr noch Kunde eines Unternehmens zu sein, nicht hinreichend widerspiegelt. • Der Net Promoter Score reagiert einerseits sehr empfindlich und andererseits sehr unregelmäßig auf Veränderungen. Gibt es in einer Umfrage drei Befragte, die mit 9 | 7 | 5 antworten, beträgt der Score 0 bei einem Mittelwert von 7. Würde die Befragten mit 8 | 8 | 6 antworten, wäre der Mittelwert 7,33 – der Net Promoter Score läge allerdings bei −33. Eine Verbesserung des Mittelwerts würde in diesem (zugegebenermaßen etwas konstruierten) Beispiel kurioserweise zu einer Verschlechterung des Net Promoter Score führen. • Auch, dass die Skala von 0 bis 10 bei der Umfrage keine Möglichkeit bietet, dass sich der Befragte enthält, führt zu einer Verfälschung: Häufig antworten Nutzer, die eigentlich keine Antworten geben wollen, aber dazu gezwungen werden, mit einer 0 oder einer 5 und tragen so massiv zu einer Verschlechterung des schließlich berechneten Scores bei (Kristensen & Eskildsen, 2014). • Verschiedene Arbeiten konnten unter anderem zeigen, dass die Frage nach der Weiterempfehlungsbereitschaft sowohl über die verschiedenen Geschlechter als auch über verschiedene Kulturkreise hinweg sehr unterschiedlich beantwortet wird. Dies führt dazu, dass der Net Promoter Score über verschiedene Unternehmen hinweg mit unterschiedlichen Kundenzusammensetzungen und in unterschiedlichen Ländern nicht vergleichbar ist. • Für sich alleinstehend bietet die Frage nach der Weiterempfehlungsbereitschaft keine weiterführenden Erkenntnisse hinsichtlich der – positiven wie negativen – Gründe. • Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass sowohl die Zielgruppenselektion als auch die Aufmachung der Frage beziehungsweise der Skala zu Verfälschungen beitragen können. Abb. 3.31 zeigt dazu im unteren Teil, wie eine neutrale Aufmachung der Skala aussehen kann, während sich im oberen Teil eine Darstellung findet, die dem Befragten aufgrund von Färbung und Fettung bereits die erwünschte Antwort suggeriert. In der Praxis finden sich mitunter zur späteren Gruppierung der Antworten passende Einfärbungen (0–6 in Rot, 7–8 in Gelb, 9–10 in Grün) oder Pfeile, die im Stile eines Tachos den Nutzer in die „richtige“ Richtung lenken. Die methodischen Defizite des Net Promoter Score und seine schwierige Interpretation stehen der hohen Verbreitung der ihm zugrundeliegenden Frage nach der Weiterempfehlungsbereitschaft diametral entgegen. Entsprechend sollte die direkte Befragung von App-Nutzern zur Erhebung der Nutzerzufriedenheit nicht auf Basis des Net Promoter Score erfolgen. Vielmehr wird vorschlagen, direkt nach der Zufriedenheit (statt der Weiterempfehlung) zu fragen, dabei eine einfache Skala von 1 bis 5 oder 1 bis 6 zu-

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern 0

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Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese App Freunden und Verwandten empfehlen würden? 0

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Abb. 3.31   Verzerrung des Net Promoter Score (NPS) durch den Einsatz gestalterischer Elemente

grunde zu legen und daraus einen einfachen Mittelwert zu berechnen. Zusätzlich sollte mit einem oder mehreren Freitextfeldern um konkretes Feedback und Verbesserungsvorschläge gebeten werden. Abgleich von Erwartung und Erfahrung mit ServQual Eine wissenschaftliche fundierte Methode zu Erhebung der Kundenzufriedenheit, in der Praxis jedoch deutlich weniger verbreitet als der Net Promoter Score, ist das ServQual-Modell, welches ursprünglich von Parasuraman et al. (1991) entwickelt wurde und sich auch in den App-Kontext übertragen lässt. Grundlegendes Konstrukt ist eine „wahrgenommene Service-Qualität“ (Service Quality, SQ), die sich aus der Differenz von Wahrnehmung (Perceived Performance, P) und Erwartung (Perceived Expectations, E) hinsichtlich verschiedener Faktoren zusammensetzt (Abb. 3.32): SQ = P–E Die Idee des ServQual-Modells ist relativ generisch anwendbar und erlaubt insofern eine Adaption in unterschiedlichen Kontexten, etwa im öffentlichen Nahverkehr (Luke & Heyns, 2020), der Bildung (Aboubakr & Bayoumy, 2022), in der Medizin (Ross & Wohllebe, 2021), sowie im Einzelhandel (Thirumal Azhagan et al., 2021). Im Rahmen einer Umfrage werden die Befragten gebeten, zunächst ihre Erwartungen, etwa an Apps im Allgemeinen oder an Apps einer bestimmten Kategorie zu beschreiben. Sie erhalten dazu verschiedene Aussagen, deren Wichtigkeit sie, zum Beispiel auf einer Skala von 1 bis 5, bewerten sollen. Anschließend werden die Befragten mit einer konkreten App konfrontiert und sollen (inhaltlich praktisch die gleichen Aussagen) mit Bezug darauf bewerten, inwiefern diese auf die konkrete App zutreffen. Die Aussagen gehören jeweils zu einer von fünf Eigenschaften, wobei je Eigenschaft mehrere Fragen, häufig drei bis fünf, gestellt werden. Frei übersetzt beschreiben Parasuraman et al. (1991) diese Eigenschaften wie folgt: 1. Die Zuverlässigkeit beschreibt die Fähigkeit, die versprochene Leistung zuverlässig und genau zu erbringen. 2. Bei der Sicherheit handelt es sich insbesondere um das Wissen der Mitarbeiter und das Vertrauen, das sie vermitteln. 3. Äußerlichkeiten meinen das Erscheinungsbild der physischen Einrichtungen des Unternehmens.

3.5  Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern

153

Externe Einflussfaktoren Zuverlässigkeit

Sicherheit

Erwartungen Wahrgenommene Service-Qualität

Erscheinung

Empathie

Wahrnehmung

Reaktionsvermögen

Abb. 3.32   ServQual-Modell zur Erhebung der wahrgenommenen Service-Qualität. (Angelehnt an Parasuraman et al., 1991)

4. Die Fähigkeit zur individuellen Kundenbetreuung und das Eingehen auf die Kundenbedürfnisse werden als Einfühlungsvermögen beschrieben. 5. Die Reaktionsfähigkeit ist die Bereitschaft des Unternehmens, seinen Kunden hilfreich und mit schnellem Service weiterzuhelfen. Tatsächlich lassen sich einige dieser Eigenschaften auch auf Apps übertragen, wobei je nach App-Kategorie spezifische Anpassungen sinnvoll erscheinen. So würde die Frage der Sicherheit (2.) im App-Kontext, insbesondere bei Banking- oder eHealth-Apps vermutlich nicht auf Mitarbeiter bezogen werden, sondern auf Datensicherheit und Datenschutz. Die Frage nach dem physischen Erscheinungsbild (3.) wäre im Fall eines AppPublishers in den seltensten Fällen überhaupt relevant und könnte stattdessen auf das User Interface-Design abstellen. Abschließend zur ServQual-Methode anzumerken ist, dass die wahrgenommene Service-Qualität häufig negativ ist. Häufig sind die geschilderten Erwartungen über der tatsächlichen Erfahrung, führen jedoch deshalb dennoch nicht zwangsläufig auch zu Unzufriedenheit. Was Sie aus diesem Kapitel mitnehmen können

• Relevanz von Apps in Geschäftsmodellen – vom Spin-Off über ein komplementäres Angebot bis hin zum vollständig App-basierten Geschäftsmodell sowie Ausführungen zu unterschiedlichen Erlösmodellen, um Apps zu monetarisieren (Abschn. 3.2.1)

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

• Abwägungen zur App-Entwicklung in Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister oder als Inhouse-Projekt – mit hybrider Variante zur Sicherung langfristiger Flexibilität (Abschn. 3.2.3) • Technologische Grundlagen – mit wesentlichen Unterschieden zwischen Android und iOS sowie Erläuterungen zu wichtigen Technologien im Mobile-Umfeld (Abschn. 3.3) • Verschiedene Ansätze zur Charakterisierung von Apps – insbesondere mit der Unterscheidung zwischen Lean Forward- und Lean Backward-Modus sowie zwischen Mobile Commerce und Mobile Value Added Services (Abschn. 3.4) • Inhaltliche und methodische Ausführungen zu den Erwartungen und Anforderungen von App-Nutzern – mit Methoden zur Erhebung und Kategorisierung (Kano-Modell) von Nutzeranforderungen, exemplarische Besprechung funktionaler und nicht-funktionaler Anforderungen sowie Methoden zur Nutzer-orientierten App-Entwicklung (Design Thinking, User-Centered Design, Scrum) und zur Messung der Nutzerzufriedenheit (Abschn. 3.5)

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3  Überblick: Charakterisierung von Apps und Erwartungen von Nutzern

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App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Zusammenfassung

Die App-Vermarktung ist eine der wichtigsten Teildisziplinen des App-Marketings. Zur Akquise neuer Nutzer müssen zunächst Zielgruppen definiert und anschließend inhaltliche Ansätze zur App-Vermarktung gefunden werden. Insbesondere Featurebezogene und monetäre Anreize sind in der Praxis populär und werden umfangreich und anhand vieler Beispiele diskutiert. Die Beschreibung zahlreicher ausgewählter Kanäle der App-Vermarktung – Owned, Earned oder Paid Media, digital und analog, im App Store, auf der Website oder am Point-of-Sale – liefert umfassendes Wissen und hilfreiche Tipps für App-Marketer, begleitet von Beispielen aus der Praxis. Der abschließende Abschnitt zum Tracking skizziert relevante Kennzahlen und geht insbesondere auf die technischen Herausforderungen bei der Erfolgsmessung ein. Versteht man das App-Marketing in seinem engsten Sinne, meint es vor allem die Akquise neuer App-Nutzer beziehungsweise das Generieren von Downloads, also die AppVermarktung. Dieses Kapitel überträgt zunächst einführend das Konzept des Customer Lifecycle auf Smartphone-Apps und betrachtet den User-Flow vom Kontakt mit einem Werbemittel über den Eintrag der App auf einem der App-Marktplätze und die App-Installation bis hin zur ersten App-Öffnung. Anschließend werden grundlegende Überlegungen zur Definition von Zielgruppen in der App-Vermarktung angestellt, wobei das Zusammenspiel von Zielgruppen und Features sowie verschiedene Arten von Daten zur Segmentierung beschrieben werden. Auch wird das Konzept der Personas im Kontext von Zielgruppendefinitionen erörtert und kritisch diskutiert. Neben der Frage, „wer“ im Rahmen der App-Vermarktung angesprochen werden soll, sind auch das „Wie“ und das „Wo“ zu erörtern. Hinsichtlich des „Wie“ liefert der Abschnitt zu inhaltlichen Ansätzen der App-Vermarktung anhand zahlreicher Praxisbeispiel vielfältige Inspiration, wie App-Marketer Feature- und Contentbezogene sowie monetäre © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wohllebe, Praxisguide App-Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42981-2_4

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Anreize nutzen können, um neue App-Nutzer zu gewinnen. Umfangreich diskutiert werden im Anschluss ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung („Wo“), die sowohl Onlineals auf Offline-Kanäle beziehungsweise Owned, Earned und Paid Media umfassen. Zu jedem Kanal werden nach einigen grundlegenden Informationen konkrete Hinweise zur Bewerbung von Apps und geeignete Praxisbeispiele gegeben. Den Abschluss der AppVermarktung bilden Ausführungen zum Tracking und zur Erfolgsmessung, wobei neben technischen Grundlagen auch konkrete Kennzahlen aufgezeigt werden.

4.1 Einführung Die App-Vermarktung bildet aus Sicht eines (zukünftigen) App-Nutzers den Einstieg in die Nutzung der App. Die Werbekanäle, die ein App-Publisher mit dem Ziel bedient, App-Installationen zu generieren, stellen den ersten Kontaktpunkt mit einer App dar und sind insofern Ausgangsbasis des sich anschließenden Lebenszyklus des Nutzers. Nicht zwangsläufig entspricht dieser User Lifecycle jedoch auch dem Customer Lifecycle. Vielmehr stellt er je nach Anwendungsfall nur einen Teilausschnitt des Customer Lifecycle dar. Entsprechend ergeben sich hieraus entweder Erfordernisse oder vereinfachende Umstände für das App-Marketing, welche es in der App-Vermarktung zu erfüllen oder zu nutzen gilt. Dieses einleitende Kapitel zur App-Vermarktung diskutiert zunächst das Konzept des Customer Lifecycle und setzt es in den Bezug zum User Lifecycle. Grundlage des Verhältnisses von Customer und User Lifecycle ist dabei das in Abschn. 3.2.1 thematisierte Verhältnis von App und Gesamtgeschäftsmodell des Unternehmens. Anschließend zeigt diese Einleitung den User Flow vom ersten Kontakt mit einem digitalen oder analogen Werbemittel über den Vorgang der Installation bis hin zur Nutzung der App. Das Verständnis für diesen User Flow ist nicht nur elementar, um die Notwendigkeit strategischganzheitlich gedachter Vermarktungskampagnen herauszuarbeiten. Der User Flow ist gleichzeitig auch Ursprung der in Abschn. 4.5 erörterten Herausforderungen beim Tracking und somit bei der Erfolgsmessung. App Vermarktung im Kontext von Customer Lifecycle Die Idee des Customer Lifecycle (Kundenlebenszyklus) ist eines der grundlegenden Modelle des Customer Relationship Management (CRM). Obwohl es durchaus verschiedene Darstellungen gibt, die mal in drei (Akquise, Bindung, Rückgewinnung) und mal in bis zu sechs Phasen (Awareness, Interest, Desire, Action, Loyalty, Advocacy) unterscheiden und mal den Umsatz und den Deckungsbeitrag oder das Customer Engagement über Zeit messen, ist die dahinterliegende Idee immer gleich: Die Beziehung zwischen Verbraucher und Unternehmen überdauert einen gewissen Zeitraum, der von einem ersten Kontakt über das bestehende Kunde-Unternehmen-Verhältnis bis hin zum Abflauen der Beziehung reicht. Je nach Phase hat der Verbraucher dabei unterschiedliche Bedürfnisse, woraus sich für das Unternehmen unterschiedliche Tätigkeitsfelder zum Auf- und Aus-

165

4.1 Einführung

Customer Engagement

Kundenbindung

Kundenrückgewinnung Zeit Awareness

Interest

Desire

Action

Loyalty

Advocacy

Abb. 4.1   Einfache Darstellung des Customer Lifecycle

bau der Beziehung ergeben. Eine einfache Darstellung des Customer Lifecycle zeigt Abb. 4.1. Mit Blick auf das App-Marketing und insbesondere die App-Vermarktung kann der Customer Lifecycle auf zweierlei Weise eine wertvolle Hilfestellung bieten. Einerseits kann der Customer Lifecycle auf Apps übertragen auch als User Lifecycle verstanden werden. Dabei kann die in Abb. 4.1 bezeichnete Action-Phase als Zeitpunkt der Installation verstanden werden, sodass es entsprechend Aufgabe der App-Vermarktung ist, die Phasen Awareness, Interest und Desire zu bedienen. Die Desire-Phase fällt im Fall einer App eher kurz aus und besteht im Wesentlichen darin besteht, einen App-Marktplatz zu öffnen und darin nach der App zu suchen oder auf ein entsprechendes Werbemittel zu klicken. Die Schaffung von Awareness und das Erzeugen eines Interest beim potenziellen Nutzer erfordern ganzheitlich gedachte Vermarktungsansätze. Diese müssen die Frage beantworten, welche Verbraucher mit welchen Botschaften angesprochen werden sollen und auf welche Kanäle dies am besten erreicht werden kann. Die letzten beiden Phasen des als User Lifecycle verstandenen Customer Lifecycle, Loyalty und Advocacy, sind weniger als Teil der App-Vermarktung zu verstehen, sondern eher dem App-CRM zuzuordnen, welches in Kap. 5 ausführlich thematisiert wird. Eine andere Perspektive auf den Customer Lifecycle besteht darin, diesen entsprechend seiner ursprünglichen Intention als Kundenlebenszyklus mit Bezug auf das Unternehmen zu verstehen. Mit Blick auf die App-Vermarktung ergibt sich dann die Frage, wo – und mit welchem Ziel – im Customer Lifecycle eine App sinnvoll platziert werden kann oder soll. Obgleich sich diese Frage nicht pauschal beantworten lässt, hilft die Betrachtung der fraglichen App vor dem Hintergrund ihrer Relevanz für das Gesamt-

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

geschäftsmodell, wie es in Abschn. 3.2.1 diskutiert wurde. Betrachtet werden soll im Folgenden exemplarisch drei Szenarien. App als komplementäres Angebot Ist eine App als komplementäres Angebot konzipiert, unterstützt sie das Geschäftsmodell des Gesamtunternehmens möglicherweise nur mittelbar oder stellt nur für eine bestimmte Teilmenge der Zielgruppe des Unternehmens einen relevanten Mehrwert dar. Die App kann also entweder eingesetzt werden, um in den Phasen Awareness und Interest bei der Akquise dieser Teilmenge der Zielgruppe zu unterstützen. Ebenso denkbar wäre, wenn es sich bereits um Kunden des Unternehmens handelt, die App gezielt zur Bindung dieses Teils des Kundenstammes einzusetzen. Die App-Vermarktung wäre entsprechend parallel zur Gewinnung neuer App-Nutzer auch gleichzeitig mit der Akquise neuer Kunden beauftragt oder würde in der Zielgruppenansprache bei einem Segment des bestehenden Kundenstamms ansetzen. App als substitutives Angebot Als substitutives Angebot konzipiert bietet eine App im Wesentlichen die gleichen Funktionen wie zum Beispiel eine Weboberfläche und stellt einen vollwertigen Zugang zu den Produkten und Services des Unternehmens dar. Diese Situation, wie sie häufig bei Immobilienportalen oder im Banking anzutreffen ist, ist aus Sicht der App-Vermarktung insofern kompliziert, als dass es an Differenzierungsmerkmalen gegenüber den alternativen Zugangswegen fehlt. Einfach ausgedrückt muss die App-Vermarktung potenziellen Nutzern die Frage beantworten, warum sie eine App installieren sollten, wenn doch die gleichen Funktionen auch per Weboberfläche zur Verfügung stünden. Hieraus ergeben sich kurzfristig drei Ansätze. Eines der bekanntesten Telefonbücher und Personen- und Unternehmensverzeichnisse warb lange mit dem Slogan „Als Buch, im Web, als App“ und integrierte die App-Vermarktung so im Wesentlichen in den Rest der Marketingaktivitäten. Andere Unternehmen (beziehungsweise, so scheint es, mitunter deren AppMarketer) verfolgen den Ansatz, die App parallel zu den übrigen Marketingaktivitäten des Unternehmens zu bewerben. Als drittes denkbar wäre noch, die App gezielt erst im hinteren Teil des Customer Lifecycle einzusetzen, um langfristige Kundenbindung in der LoyaltyPhase zu betreiben. (Nur kurz erwähnt sei an dieser Stelle die dazu bestehende Notwendigkeit produktpolitischer und CRM-Maßnahmen, um, etwa durch App-exklusive Kundenbindungsprogramme, auch eine solche Kundenbindung über die App zu erzielen.) App als Stand-Alone Im Fall eines vollständig auf einer App basierenden Geschäftsmodells, bei dem das Unternehmen sein Angebot also ausschließlich über eine App zugänglich macht oder die App das Angebot des Unternehmens darstellt, handelt es sich um eine App als Stand-Alone-Modell. In diesem Fall sind die App-Vermarktung und jene Teile des Marketings, die Awareness, Interest und Desire erzeugen, eng miteinander verwoben bis weitestgehend deckungsgleich. Während in der Awareness-Phase der Fokus vermutlich noch mehr auf dem Mehrwert des Angebots selbst und auf dem Transportieren der Marke liegt, rückt im weiteren Verlauf bis zur Action vermehrt die App in den Fokus der Kommunikation, um die Notwendigkeit einer App-Installation ist zu vermitteln.

167

4.1 Einführung

Aus Sicht des App-Marketings insgesamt und aus Sicht der App-Vermarktung im Speziellen ist eine substitutive Positionierung der App zusammenfassend sicherlich als herausforderndstes Szenario anzusehen: Die Rolle im Kundenlebenszyklus ist unklar und muss erst definiert werden. Nur klare Mehrwerte der App erlauben zudem eine schlüssige Antwort auf die Frage der Konsumenten, warum sie die beworbene App überhaupt installieren sollten. User Flow bei der App-Installation Neben der Frage der (eher strategischen) Einordnung einer App und der App-Vermarktung vor dem Hintergrund des Customer Lifecycle muss ein wesentliches Augenmerk der Grundlagen der App-Vermarktung auf dem User-Flow bei der App-Installation liegen. Hierbei geht es vor allem darum ein Verständnis für die unterschiedlichen Wege zu schaffen, mit denen ein Nutzer auf den Eintrag einer App auf einem App-Marktplatz gelangen kann, um dort dann die App zu installieren. In Abb. 4.2 findet sich eine Visualisierung des App-Installation-Flow, wie ihn der Nutzer typischerweise bei Exposition entsprechender Werbemittel durchläuft. Dieser Flow stellt auch für das spätere Verständnis der Herausforderungen bei Tracking die zentrale Grundlage dar (Abschn. 4.5).

Online-Kanäle Display Retargeting

Andere AppEinträge auf App-Marktplatz

Newsletter per E-Mail

Tap auf Empfehlung

Suche auf AppMarktplatz

Interaktion mit Werbemittel

Eintrag auf App-Marktplatz

Wahrnehmung des Werbemittels Offline-Kanäle TV-Spot

Öffnung nach Installation

App

Tap auf Suchergebnis

QR-Code / Shortlink

Presseartikel

Abb. 4.2   Vom Werbemittel bis zur ersten App-Öffnung: Nutzerfluss bei der App-Installation

168

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Im Zentrum des User-Flows steht der Eintrag auf dem App-Marktplatz, über den sich der Nutzer über die App informieren, diese installieren und schließlich zum ersten Mal öffnen kann. Auf den Eintrag führen in der Regel drei verschiedene Wege: 1. Der Nutzer interagiert mit einem Online-Werbemittel, etwa einem E-Mail-Newsletter oder einer Banner-Ad, und wird von diesem direkt auf den Eintrag im Apple App Store beziehungsweise bei Google Play geleitet. 2. Der Nutzer nutzt die Suche im App-Marktplatz und gelangt über die Auswahl des entsprechenden Suchergebnisses auf den Eintrag. 3. Der Nutzer scannt einen QR-Code oder gibt manuell einen Shortlink in seinem Browser ein, welcher direkt auf den Eintrag auf dem App-Marktplatz leitet. Im ersten Fall handelt es sich ausschließlich um Online-Kanäle, auf denen App-Publisher ihre App entweder proaktiv bewerben oder auf denen die App Erwähnung findet. Einen Sonderfall stellt dabei der zweite Weg dar, da der App-Marktplatz und seine Suche im Sinne der App Store Optimization (ASO, Abschn. 4.4.1) zwar als OnlineKanal angesehen werden können, jedoch häufig auch die Brücke zu den Offline-Kanälen darstellen. Für Offline-Kanäle wie TV-Spots, Presseartikel, POS-Werbung oder Plakate typisch ist die Platzierung von QR-Codes (insbesondere bei POS-Werbung, im Print sowie auf Plakaten) oder von einprägsamen Shortlinks, die direkt auf den passenden Eintrag im AppMarktplatz weiterleiten (beispielunternehmen.de/app). Darüber hinaus führt die Werbung auf analogen Kanälen in der Regel dazu, dass in der Folge die (häufig Markenbezogenen) Suchanfragen nach der App über die Suche des App-Marktplatzes ansteigen. Nutzer nehmen ein Offline-Werbemittel wahr, nutzen jedoch nicht die von den Marketern (vornehmlich aus Gründen des Trackings) bereitgestellten Wege wie QR-Codes oder Shortlinks, sondern suchen die beworbene App schlicht bei Google Play beziehungsweise im Apple App Store. Ähnliche Verhaltensmuster sind aus der klassischen Suchmaschinenoptimierung (SEO) und den bezahlten Anzeigen in Suchmaschinen (SEA) bereits bekannt und gelten entsprechend auch im App-Umfeld. In der Auswertung der Erfolge von OfflineKampagnen sind solche Aspekte entsprechend zu berücksichtigen (Abschn. 4.5).

4.2 Definition von Zielgruppen Bevor sich die App-Vermarktung operativ der Aussteuerung von App-Install-Kampagnen widmen kann, ist neben den inhaltlichen Ansätzen zunächst die Frage der angesprochenen Zielgruppe(n) zu klären. Hierzu wird im Folgenden zunächst der STP-Ansatz, wie er sich unter anderem bei Hollensen und Opresnik (2010, S. 137) findet, skizziert, um den Weg vom zu vermarktenden Produkt hin zur konkreten Umsetzung besser verstehen zu können. Anschließend wird kurz auf das Zusammenspiel von Features und Zielgruppen eingegangen, wobei insbesondere die Rolle der Produktpolitik im Kontext

4.2  Definition von Zielgruppen

169

der App-Vermarktung herausgearbeitet wird. Die sich anschließende Übersicht zu den Arten von Daten, die zur Zielgruppenbildung genutzt werden können, liefert mit einigen Beispielen einfache Ideen zur Zielgruppendefinition. Den Abschluss bilden einige kritische Überlegungen zum Einsatz von Personas in diesem Kontext. STP-Ansatz zur Definition von Zielgruppen Ein pragmatisches Vorgehen zur Definition von Zielgruppen sowie auch zur weiteren Ausarbeitung einer Marketingplanung stellt der STP-Ansatz dar, wie er in Abb. 4.3 skizziert ist (Hollensen & Opresnik, 2010, S. 137). Dabei wird zunächst der Gesamtmarkt anhand einer oder mehrere Variablen, in mehrere Gruppen aufgeteilt (Segmentierung). Diese Gruppen werden anschließend zum Beispiel mit Blick auf Größe und Kaufkraft oder vor dem Hintergrund der Frage, inwiefern sie bereits von Wettbewerbern adressiert werden, betrachtet. Die attraktivsten Gruppen werden als Zielgruppen definiert (Targeting). Abschließend wird für jede angestrebte Zielgruppe eine spezifische Positionierung erarbeitet, die das Produkt – hier die App – vor dem Hintergrund der spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe darstellt (Positioning). Ergänzend angemerkt sei, dass die Begriffe des STP-Ansatzes in der Praxis mitunter anders verwendet werden als im Modell. Während der STP-Ansatz die Segmentierung als Unterteilung des Gesamtmarktes versteht, wird, gerade im CRM-Umfeld, der Begriff eher im Sinne einer Unterteilung des eigenen Kunden- und Nutzerstammes verwendet. Er wird damit häufig synonym mit „Targeting“ verwendet, welches im STP-Ansatz ebenfalls anders verwendet wird. Mit dem Positioning wiederum geht der STP-Ansatz über die eigentliche Zielgruppendefinition bereits hinaus. Zusammenspiel von Features und Zielgruppen An dieser Stelle sei kurz auf die Relevanz der Zusammenarbeit von App-Entwicklung und App-Vermarktung im Kontext des Positionings hingewiesen. Durchaus denkbar ist, neben der Herausarbeitung von Zielgruppen-relevanten Vorteilen der App im Status Quo, auch die gezielte Weiterentwicklung der App auf Basis der Bedürfnisse der anvisierten Zielgruppen. Den entsprechenden Informationsfluss vorausgesetzt, begünstigt etwa Abb. 4.3   Vom Gesamtmarkt zur Zielgruppen-gerechten Ansprache: STP-Ansatz. (Angelehnt an Hollensen & Opresnik, 2010, S. 137)

Segmentation Unterteilung des Gesamtmarktes in Gruppen auf Basis einer oder mehrerer Variablen Targeting Definition der relevanten Zielgruppen auf Basis der zuvor identifizierten Gruppen Positioning Zielgruppen-individuelle Positionierung des Produkts auf Basis der jeweiligen Bedürfnisse

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

durch cross-funktional besetzte Teams, würde die App-Vermarktung also auf Basis der bestehenden App relevante Zielgruppen definieren, im Zuge des Positioning auf funktionale Potenziale stoßen und diese der App-Entwicklung kommunizieren, um die App gezielt für eine bestimmte Zielgruppen (noch) attraktiver zu gestalten. Ein anderes Szenario, welches den Wissenstransfer aus der Entwicklung in die Vermarktung notwendig gemacht, könnten Features sein, die spezifische Anforderungen an die Hardware, beispielsweise die Ausstattung mit bestimmten Sensoren oder eine bestimmte Displaygröße, stellen. Auch solche Features, die aufgrund ihrer Neuartigkeit bevorzugt von Early Adopters benutzt werden, und deren Nutzer insofern möglicherweise ein sehr spezifisches sozio-demographisches Profil aufweisen, fallen in dieses Szenario. In beiden Fällen sollte ein Austausch zwischen App-Entwicklung und App-Vermarktung stattfinden, um auf mögliche Einschränkungen beim Positioning hinzuweisen. Arten von Daten zur Zielgruppendefinition Sowohl auf strategischer Ebene im STP-Ansatz als auch auf operativer Ebene bei der Aussteuerung der App-Install-Kampagnen muss grundlegend die Frage beantwortet werden, welche Daten überhaupt zur Zielgruppendefinition existieren. Die in Abb. 4.4 dargestellte Systematik bietet dazu eine einfache Übersicht der Merkmale zur Segmentierung und Bestimmung von Zielgruppen (Hollensen & Opresnik, 2010, S. 139). Unterschieden werden dabei geographische und (sozio-) demographische sowie Verhaltens- und psychographische Daten. Neben diesen eher auf den B2C-Bereich ausgerichteten Kriterien existieren zusätzlich spezifische Kriterien für B2B-Unternehmen, die an dieser Stelle nicht näher beschrieben werden. Über die in Abb. 4.4 dargestellten Datenarten sind im App-Kontext zusätzlich auch technische Restriktionen, wie die Beschränkung auf ein einzelnes Betriebssystem oder eine Mindestversion des Betriebssystems, als eine Form der Zielgruppendefinition anzusehen.

Datenarten zur Segmentierung von Zielgruppen Geographie

Demographie

Verhalten

Psychographie

• Kontinent • Land • Region • Stadt • Stadtteil

• Alter • Geschlecht • Familienstand • Einkommen

• Nutzung • Produktinteresse • Gekaufte Produkte • Kaufanlässe

• Lifestyle • Persönlichkeit

Abb. 4.4   Merkmale zur Segmentierung und Bestimmung von Zielgruppen. (Angelehnt an Hollensen & Opresnik, 2010, S. 139)

4.2  Definition von Zielgruppen

171

Grundlegend unterschieden werden muss, welche Daten potenziell zur Segmentierung und Zielgruppenbestimmung vorliegen könnten und welche Daten einem App-Publisher in der Praxis auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Während Abb. 4.4 von einer idealtypischen Situation ausgeht, in der alle Daten aller Kategorien vollständig und in bester Qualität vorliegen, ist die Praxis mit diversen Herausforderungen verbunden, wie folgende (nicht abschließende) Auflistung zeigt: • Einige Daten lassen sich nur mittelbar und heuristisch bestimmen. So wird das Interesse für eine bestimmte Produktgruppe mitunter auf Basis der Anzahl der Aufrufe von Produkten einer bestimmten Kategorie bestimmt. • Bei der Bestimmung des Aufenthaltsortes eines Nutzers kommt es, etwa bei Nutzung der IP-Adresse oder des GPS-Standorts, zu Unschärfen unterschiedlich starker Ausprägung. • Insbesondere psychographische Daten lassen sich nur schwer überhaupt erheben. • Selbst bei der expliziten Abfrage von Daten kann es, etwa bei Altersangaben, aufgrund von (bewusst) falschen Angaben zu Verzerrungen kommen. • Längst nicht alle Daten, die zur Definition einer Zielgruppe verwendet werden, stehen auch in jedem Werbekanal zur Selektion zur Verfügung, sodass teils Abstriche beim Targeting hinzunehmen sind. Zusätzlich kann, selbst bei vollständig und korrekt vorliegenden Daten, hinterfragt werden, inwiefern die zur Segmentierung zur Verfügung stehenden Daten auch tatsächlich sinnvoll sind, um eine Zielgruppe zu definieren. Zu den gängigen Beispielen für unterschätzten Einfluss auf Kaufentscheidungen beispielsweise gehören Kinder, die sowohl bei Kaufentscheidungen im Supermarkt, aber auch beim Autokauf eine relevante Rolle einnehmen (Auto Trader Group, 2015; Castro et al., 2021). Ähnliche Szenarien sind auch im App-Umfeld denkbar. Das folgende Beispiel illustriert die Definition einer Zielgruppe zunächst auf Basis geographischer, demographischer und verhaltensbasierter Daten für das App-only-Geschäftsmodell von „Gorillas“. Nach sich anschließender Vorstellung des Big-Five-Modells, auch OCEAN-Modell, wird das Beispiel erneuet aufgegriffen und um psychographische Daten erweitert. Beispiel: Gorillas (1/2) – Zielgruppendefinition mit geographischen, demographischen und verhaltensbasierten Daten

Das Berliner Unternehmen „Gorillas“ wurde im Mai 2020 als digitale Antwort auf die Corona-Pandemie gegründet und gehört mit Getir und Flink zu den wichtigsten Playern im deutschen Markt für On-Demand-Lieferservices für Lebensmittel. Mit rund 15.000 Mitarbeitern und 200 kleinen Warenlagern versorgt das Unternehmen seine Kunden in 60 Städten und 9 Ländern (Gorillas Technologies GmbH, 2022a). Die Liefergebiete umfassen vornehmlich Metropolen wie Berlin, Hamburg, Kopenhagen,

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Paris, aber auch „kleinere“ Städte wie Bochum, Darmstadt, Fürth oder Offenbach am Main (Gorillas Technologies GmbH, 2022d). Bereits ein Jahr nach Gründung im Jahr 2020 erzielte Gorillas 2021 bereits einen Umsatz von rund 250 Mio. € (Kapalschinski, 2021), Innerhalb der ersten zwei Jahre wickelte das Unternehmen mit einem verhältnismäßig schmalen und flachen Angebot von rund 1000 Produkten über 16 Mio. Bestellungen ab – vorwiegend mit Markenprodukten, zunehmend aber auch mit Eigenmarken (Gorillas Technologies GmbH, 2022b). Als zentrales Versprechen kommuniziert das Unternehmen eine Lieferung von innerhalb zehn Minuten nach Bestellung. Kağan Sümer, CEO of Gorillas, rückt dazu die Auslieferung in den Mittelpunkt des Selbstverständnisses des Unternehmens (Gorillas Technologies GmbH, 2022e): „Gorillas existiert, um dir sofortigen Zugang zu deinen Bedürfnissen zu ermöglichen. Wir sind keine Geschäftsleute, die einen Lieferservice aufbauen – wir sind Lieferleute, die ein Geschäft aufbauen.“

Den Zugang zu seinem Angebot ermöglicht Gorillas ausschließlich über die gleichnamige App, die für Android und iOS angeboten wird. Die Android-App wurde über eine Millionen Mal heruntergeladen und ist bei 19.500 Bewertungen mit durchschnittlich 3,9 Sternen bewertet (Gorillas Technologies GmbH, 2022c). Die iOS-App wird mit 2200 Bewertungen und 4,8 Sternen im Apple App Store geführt (Gorillas Technologies GmbH, 2022f). Obwohl das Produktangebote – Lebensmittel – zunächst offenkundig eine sehr breite Masse an Menschen anspricht, kann die Zielgruppe von Gorillas auf Basis geographischer, demographischer und verhaltensbasierter Daten stark eingegrenzt werden. Zwei zentrale Aspekte sind dabei zu benennen: 1. Das Angebot wird ausschließlich über eine App angeboten und erfordert insofern einerseits ein Smartphone und andererseits die Bereitschaft, direkt eine App zu installieren, ohne das Angebot zunächst auf einem niedrigschwelligen Weg (per WebOberfläche und ohne Registrierung) ausprobieren zu können. 2. Es handelt sich nicht um ein online bereits gut erschlossenes Sortiment wie Multimedia, Haushaltselektronik oder Fashion, sondern um den Lebensmitteleinzelhandel, in dem E-Commerce bis dahin praktisch keine Rolle gespielt hat. Wie lässt sich auf dieser Basis die Kernzielgruppe von Gorillas anhand geographischer, demographischer und verhaltensbasierter Daten beschreiben? Kluge (2021) beschreibt Gorillas‘ Zielgruppe als „junge Menschen in Großstädten“, Wörsdörfer (2022) benennt unter anderem DINKS-Haushalte (Double Income, No Kids) als konkrete Zielgruppe. Auf dieser Basis, den einleitenden Rahmendaten zum Unternehmen Gorillas und der Beschränkung der Vertriebskanäle auf die Gorillas-App kann folgende Zielgruppen-Charakterisierung abgeleitet werden:

4.2  Definition von Zielgruppen

173

• Geografie: Menschen, die in einem Liefergebiet von Gorillas wohnen oder auch arbeiten, wobei Liefergebiete einzelne Städte beziehungsweise Stadtteile sind, vornehmlich in Ballungsräumen • Sozio-Demographie: Eher junge Verbraucher mit einem eher höheren Einkommen • Verhalten: Smartphone- und E-Commerce-, insbesondere M-Commerce-affine Verbraucher Gorillas wurde Ende 2022 von Getir übernommen. ◄ Aus dem vorausgegangenen Beispiel, welches die Zielgruppe von Gorillas auf Basis geographischer, (sozio-) demographischer und verhaltensbasierter Daten zu bestimmen versucht, ergibt sich die Frage, wie psychographische Daten zur Zielgruppenbestimmung aussehen können. Eines der relevantesten Modelle der Persönlichkeitspsychologie und insofern wissenschaftliche fundierte Grundlage für die Zielgruppendefinition auf Basis psychographischer Daten ist das Big-Five-Modell oder auch OCEAN-Modell, welches bereits in tausenden Studien weltweit und in unterschiedlichsten Kontexten eingesetzt wurde (Engeln & Harf, 2017; Roccas et al., 2002). Laut Engeln und Harf (2017) ist das Modell „die bis heute bewährteste Grundlage der modernen Persönlichkeitsforschung“. Grundlegende Idee des Modells ist die Beschreibung der Persönlichkeit auf Basis von fünf Hauptdimensionen, die bei jedem Menschen jeweils in schwacher bis starker Ausprägung vertreten sind. Abb. 4.5 zeigt die fünf Dimensionen und eine Auswahl der mit schwacher und starker Ausprägung assoziierten Attribute. Basierend auf dem Big-Five-Modell lässt sich die Zielgruppe von Gorillas auch mit psychographischen Daten entsprechend beschreiben, wie die folgende Fortsetzung des vorausgegangenen Beispiels zeigt. Konventionen schätzend, wenig offen, bewahrend

Offenheit

vielseitig interessiert, mag ungewöhnliches

unvorsichtig, unachtsam, sprunghaft

Gewissenhaftigkeit

zuverlässig, organisiert, zielstrebig

zurückhaltend, ruhig, ernst, schüchtern

Extraversion

gesellig, aktiv, spontan, redselig

aggressiv, rau, stur, wettbewerbsorientiert

Verträglichkeit

kooperativ, gutmütig, umgänglich

entspannt, zufrieden, selbstsicher

Neurotizismus

besorgt, angespannt, ängstlich

schwach

Ausprägung

stark

Abb. 4.5   Big Five- oder OCEAN-Modell aus der Persönlichkeitspsychologie. (Modifiziert entnommen von Engeln & Harf, 2017)

174

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Beispiel: Gorillas (2/2) – Erweiterung der Zielgruppendefinition um psychographische Daten mit dem Big-Five-Modell

Nach Beschreibung der Gorillas-Zielgruppe auf Basis geographischer, (sozio-) demographischer und verhaltensbasierter Daten sollen nun auch psychographische Daten in die Überlegungen zur Zielgruppendefinition mit einfließen. Ohne persönlichkeitspsychologische Grundlage könnten Gorillas-Kunden etwa Kaufmotive zugeordnet werden, wie sie unter anderem beim Deutschen Institut für Marketing (2019) zu finden sind. Bei der ersten Bestellung könnten Kunden vor allem von Neugierde und Experimentierfreude, bei folgenden Bestellungen aus Bequemlichkeit oder aus der Spontanität heraus bestellen. Geht man dagegen von der Frage des Lifestyles aus, könnte es sich bei GorillasKunden auch bevorzugt um Workaholics handeln, die schlicht keine Zeit für den Einkauf im klassischen Lebensmitteleinzelhandel verwenden wollen (Wörsdörfer, 2022). Ebenfalls denkbar wäre eine Zielgruppendefinition auf Basis des Big-Five-Modells. Tab. 4.1 skizziert dazu zwei einfache Ansätze, die erste Anknüpfungspunkte für die Vermarktungsstrategie insgesamt und insbesondere für das Positioning in der Kommunikation bieten. Beide Zielgruppen eint die vorhandene Offenheit gegenüber neuen Erlebnissen und Erfahrungen, da es sich bei Gorillas (jedenfalls gemessen an der Existenz des klassischen Lebensmitteleinzelhandels) um eine noch relativ neue Art von Angebot handelt. Zielgruppe A beschreibt Menschen, die eher spontan und aus einem Impuls heraus Lebensmittel benötigen, beispielsweise, weil sie spontan Gäste empfangen oder beim Wocheneinkauf etwas vergessen haben. Zielgruppe B dagegen entspricht eher den von Wörsdörfer (2022) beschriebenen Workaholics, die mit strukturiert ihren Abend- oder Wocheneinkauf mit Gorillas tätigen und neben der Zeitersparnis auch die Zuverlässigkeit der Online-Bestellung schätzen. ◄ Das Big-Five-Modell kann in der App-Vermarktung also eingesetzt werden, um die Zielgruppen einer App auf Basis der Big-Five-Variablen definieren.

Tab. 4.1  Vorschläge für Gorillas-Zielgruppen auf Basis des Big-Five-Modells

Variable/Ausprägung

Zielgruppe A

Zielgruppe B

Offenheit

Stark

Stark

Gewissenhaftigkeit

Schwach

Stark

Extraversion

Stark

Nicht definiert

Verträglichkeit

Eher stark

Nicht definiert

Neurotizismus

Eher schwach

Eher stark

4.2  Definition von Zielgruppen

175

Auch lässt sich das Modell operativ in der Vermarktung einsetzen, indem die Zielgruppenansprache auf Basis der Persönlichkeit der angesprochenen Konsumenten variiert. Das folgende Beispiel zeigt einen pragmatischen Ansatz, wie die Kenntnis über die Attribute aus dem Big-Five-Modell in der Vermarktung für eine Gaming-App eingesetzt werden könnte. Beispiel: Angepasste Zielgruppenansprache für eine Gaming-App

Sind einem App-Publisher die Persönlichkeitsausprägungen seiner Zielgruppe auf Basis der Big-Five-Attribute bekannt, kann er diese gezielt nutzen, um die Zielgruppe entsprechend ihrer Persönlichkeit anzusprechen. Für eine Gaming-App, etwa ein Aufbaustrategiespiel im Multiplayer-Modus, könnten folgende Variablen genutzt werden, um die einzelnen Werbe- und Vermarktungsaktivitäten entsprechend auf die Teil-Zielgruppe abzustimmen: • Für Menschen mit niedriger Verträglichkeitsausprägung werden der Wettbewerbscharakter des Spiels, etwa das Anführen von Ranglisten und die „kriegerische“ Auseinandersetzung mit anderen Spielern, hervorgehoben. • Menschen mit hoher Verträglichkeitsausprägung erhalten Werbung, die den kooperativen Charakter des Multiplayer-Game betont. – Liegt dabei eine starke Ausprägung der Variable Extraversion vor, werden das gemeinsame Spielen in einer Gilde oder einem Clan und die Möglichkeit, so neue Leute kennenzulernen, hervorhoben. – Bei Menschen mit niedriger Ausprägung der Extraversion rückt die werbliche Kommunikation das gemeinsame Lösen von Aufgaben in den Vordergrund. • Bei hoher Ausprägung der Gewissenhaftigkeit wird der Aufbau-Aspekt der Gaming-App herausgearbeitet, der beispielsweise ein hohes Maß an Planung und Koordination erfordert. Annehmend, dass jede Variable des Big-Five-Modell in drei Ausprägungen (schwach, mittel, stark) vorhanden sein kann, ergeben sich insgesamt 15 Kombinationsmöglichkeiten, für die jeweils eine eigene Kommunikation für die spätere Vermarktung herausgearbeitet werden könnte. ◄ Als Herausforderung bei der Anwendung des Big-Five-Modells – und vieler anderer Ansätze auf Basis psychographischer Daten – muss in der Praxis die Datenlage benannt werden. Offenkundig wäre es sinnvoll, stünden etwa die von einem App-Publisher in der Zielgruppendefinition verwendeten Big-Five-Werte auch bei den Werbeplattformen zur Selektion von Zielgruppen zur Verfügung. Während etwa sozio-demographische Daten häufig durch eigene Angaben von Nutzern erhoben oder von Anbietern von Werbeflächen selbst erhoben oder berechnet werden, sind psychographische Daten, insbesondere auf Ebene einzelner Individuen, für

176

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Werbetreibende nur schwer zu erheben. Dies gilt vor allem dann, wenn die Individuen dem App-Publisher noch gar nicht bekannt sind. (Für den Fall, dass eine App den bestehenden Kunden eines Unternehmens angeboten werden soll, wäre die Kenntnis über die Big-Five-Werte einzelner Individuen zwar noch immer ungewöhnlich, aber theoretisch durch eigene Erhebungen denkbar.) Eine grundsätzliche Perspektive auf das Persönlichkeitsprofil besonders App-affiner Konsumenten liefert Abb. 4.6. Basierend auf den von der Firma ERASON in Ailon bereitgestellten Daten, wie sie auch bereits in Abschn. 3.1 verwendet wurden, wird deutlich, dass App-affine Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation bei Offenheit und Extraversion besonders hohe Werte aufweisen. Die Werte für Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Neurotizismus fallen im Vergleich zur Gesamtpopulation etwas niedriger aus. (Im Zuge einer möglichen Operationalisierung zum Zweck des App-Marketings ist zu beachten, dass sich diese Angaben auf App-affine Nutzer im Allgemeinen beziehen, ohne dabei zum Beispiel einen spezifischen Unternehmens- oder Branchenkontext zu berücksichtigen.) Mitunter werden psychographische Daten von Werbeanbietern beziehungsweise -netzwerken bei der Schaltung von Werbekampagnen zur Selektion zur Verfügung gestellt. Auf welcher Basis der Werbeanbieter diese Daten jedoch gewonnen haben, lässt sich häufig nicht nachvollziehen. Persona-basierte Zielgruppen Eine in der Praxis verbreitete Methode zur Zielgruppendefinition ist die Verwendung von Personas. Dabei werden, jeweils stellvertretend für eine Zielgruppe, eine oder mehrere fiktive Personen stereotypisch definiert, die die Zielgruppe(n) einer App repräsentieren sollen. Ursprünglich wurden Personas im Anforderungsmanagement der Softwareentwicklung eingesetzt, um die Bedürfnisse und Bedienszenarien der späteren Anwender besser zu verstehen. Im Laufe der Zeit wurde die Methode zunehmend in das Marketing übernommen.

20% Ausprägung ggü. Normwert

Abb. 4.6   Big-Five-Modell für besonders App-affine Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ ERASON GmbH)

Extraversion

Offenheit 10%

0%

-10%

-20%

Gewissenhaftigkeit

Verträglichkeit

Neurotizismus

4.2  Definition von Zielgruppen

177

Zu den typischen Attributen einer Persona gehören Name, Alter, Familienstand, Beruf, Bildung und Hobbys sowie gegebenenfalls weitere Angaben zur Lebenssituation. Im Kontext der App-Vermarktung könnten zusätzlich die allgemeinen Einstellungen zu Smartphones und Apps sowie die Erwartungen und Wünsche an die konkret zu vermarktende App definiert werden. Je nach Anwendungsfall werden nicht nur eine, sondern häufig mehrere Personas definiert, wobei zu wenige Personas nicht ausreichend viele Perspektiven geben, während zu viele Personas die Übersichtlichkeit einschränken. Die US-amerikanische Behörde U.S. General Services Administration (2013) nennt auf usability.gov drei bis fünf Personas als groben Richtwert für eine angemessene Anzahl an Personas. Das folgende Beispiel definiert für den Outdoor-Routenplaner komoot exemplarisch zwei Personas. Beispiel: Definition einer Persona für die Outdoor-App komoot

Mit mehr als 20 Mio. Nutzern gehört komoot, weltweiter Routenplaner für Outdooraktivitäten mit Offline-Karten, Sprachnavigation und Community-Funktionen zu den erfolgreichsten Apps seiner Art. Unter anderem Wanderer, Mountainbiker und Rennradfahrer können mit komoot im Web, in der Android- und in der iOS-App vorgegebene Touren absolvieren oder mithilfe des Karten- und Informationsmaterials eigene Touren planen. Auf seiner Website bewirbt komoot (2022b) sein Angebot als „Weg ins Abenteuer“: „Steinige Singletrails, einsame Bergwege oder glatte Asphaltstraßen – komoot bringt dich überall hin und sicher wieder zurück. Auf den schönsten Wegen und vorbei an den spannendsten Orten.“

Als Freemium-Modell ist die Nutzung von komoot grundsätzlich kostenlos, wobei kostenpflichtiges Kartenmaterial zum Preis von 3,99 € (einzelne Region) bis zu 29,99 € (Welt) erworben werden kann. Weiterhin wird eine Premium-Version mit zusätzlichen Funktionen wie Live-Tracking zum Teilen mit Freunden und Familien, Live-Wetterbericht und -vorhersage während der Tour und Sportarten-spezifischem Kartenmaterial im Abo-Modell angeboten (komoot GmbH, 2022d). Die Android-App wurde über zehn Millionen Mal heruntergeladen und ist bei mehr als 260.000 Bewertungen mit 4,5 Sternen bewertet (komoot GmbH, 2022a). Für die iOS-App werden 4,7 Sterne und 3400 Bewertungen ausgewiesen (komoot GmbH, 2022c). In Tab. 4.2 finden sich zwei Personas, wie die stereotypisch für zwei verschiedene Nutzertypen und ihre Anwendungsszenarien stehen könnten. Während die Attribute Name, Alter, Familienstand, Beruf, Bildung und Hobbys so praktisch in allen Anwendungen von Personas zu finden sein könnten, bezieht sich die „Bedeutung von Sport im Leben“ der Persona konkret auf das Wertangebot von komoot, während sich

178

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Tab. 4.2  Exemplarische Definition zweier Personas am Beispiel von komoot Name

Isabella

Noah

Alter

36

21

Familienstand

Verheiratet (ein Kind)

Ledig

Beruf

Vertriebsleiterin

Student

Bildung

Studium

Studium

Hobbys

Triathlon, Reisen

Gaming, Laufen

Bedeutung von Sport im Leben Ambitionierte Triathletin und Aktivurlauberin

Gelegenheitsläufer ohne konkrete sportliche Ziele

Einstellung zu Smartphones

Starke berufliche und private Smartphone-Nutzung

Smartphone-Nutzung vor allem privat zur Pflege sozialer Kontakte

Einstellung zu Apps

Apps als Werkzeug zur Aufgabenerfüllung, eher Lean Forward

Apps als Zeitvertreib, eher Lean Backward

Erwartungen und Wünsche an die komoot-App

Unterstützung mehrerer Sportarten, unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, weltweites Routenangebot, übersichtliche Darstellung entlang „der harten Fakten“, Tourenplanung am Computer, Verbindung zu GPS-Gerät und Triathlon-Uhr

Fokus auf Laufen, einfache Strecken, kein hoher Anspruch an Streckenauswahl, TrackingFunktion als Leistungsnachweis gegenüber sich selbst, soziale Komponenten durch Sharing-Funktionen, Verknüpfung zu Social Networks

die Einstellungen zu Smartphones und Apps konkret auf den technologischen Kontext (App für Smartphone) beziehen. Insbesondere die Erwartungen und Wünsche an die komoot-App, die in der letzten Zeile formuliert sind, ergeben sich wesentlich aus den vorherigen Angaben zur jeweilen Persona. ◄ Obwohl die Arbeit mit Personas ihren Ursprung in der Softwareentwicklung hat, wird die Methode in der Praxis vielfach auch im Marketing eingesetzt, indem die zuvor definierten Personas häufig entweder als Richtlinien für Segmentierungen genutzt werden (auf obigem komoot-Beispiel basierend wird also immer eine Newslettervariante für „Isabella“ und eine Newslettervariante für „Noah“ gebaut) oder es wird genau eine Persona zum idealtypischen Nutzer auserwählt (auf obigem Beispiel basierend wird bei jedem Newsletter stets darauf geachtet, dass dieser vermeintlich zu „Isabella“ passt). Tatsächlich ist die Verwendung von Personas in der Marketingpraxis kritisch zu sehen. Nicht zwangsläufig gibt es einen Zusammenhang zwischen den definierten Personas und den tatsächlichen Kunden oder Nutzern. Dies gilt insbesondere deshalb, weil Personas – entgegen wissenschaftlicher Empfehlung – in den seltensten Fällen empirisch fundiert, zum Beispiel mit Hilfe einer Cluster-Analyse, hergeleitet werden (Jansen et al.,

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

179

2020; Salminen et al., 2021). Vielmehr entstammen sie häufig der Fantasie einiger weniger Marketingmitarbeiter und bedienen häufig vor allem Stereotype, sodass sie kein Abbild der Realität liefern können (Turner & Turner, 2011). Insofern ist die Arbeit mit Personas zur Zielgruppendefinition im Kontext des App-Marketings jedenfalls kritisch zu diskutieren.

4.3 Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung Nach Definition einer oder mehrerer Zielgruppen, die im Fokus der App-Vermarktung stehen sollen, stellt sich die Frage der inhaltlichen Ansätze beziehungsweise der Positionierung. In Kern gilt es dabei, je Zielgruppe relevante Vorteile der App herauszuarbeiten. Mit der Unterscheidung in Feature-bezogene, Content-bezogene und monetäre Ansätze bietet dieses Kapitel einen umfassenden Überblick der inhaltlichen Ansätze der App-Vermarktung, der dank vieler Beispiele Inspirationen für die eigene Vermarktung liefert. Der Abschnitt zu den monetären Ansätzen geht dabei neben App-exklusiven Rabatten und Coupons auf den Verkaufspreis der App, die Preisgestaltung von In-App-Käufen und die Preisfindung ein. Zu klären ist bei allen Vermarktungsansätzen, jedoch insbesondere bei Content-bezogenen Vermarktungsaktionen, wo diese in der Marketingorganisation des Unternehmens konzipiert werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Vermarktung spezifisch für die App anhand von spezifischen Einzelmaßnahmen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kanälen (Abb. 2.17) oder mit Hilfe einer zentral gesteuerten, kanalübergreifenden Kampagne oder Aktion (Abb. 2.16) stattfinden kann. Auch kann die AppVermarktung als Trittbrettfahrer fungieren und ohnehin existierende Aktionen (ähnlich wie bei der „App als Werbekanal“ in Abb. 2.15) auf den App-Marktplätzen kommunikativ nutzen (vgl. App Store Optimization, Abschn. 4.4.1). So würde zwar eine Exklusivität in der App suggeriert werden, obgleich diese tatsächlich jedoch nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt gegeben wäre (vgl. Beispiel von Radio Hamburg, Abschn. 4.4.13). Eine wichtige Rolle bei der Erarbeitung dieser Ansätze zur App-Vermarktung spielt auch die Verankerung der App im Gesamtgeschäftsmodell des Unternehmens. Im Fall von Stand Alone-Apps entsprechen die Vorteile des Produkt- oder Dienstleistungsangebots des Unternehmens im Wesentlichen auch den Vorteilen der App, über welche das Angebot den Kunden zugänglich gemacht wird. Entsprechend leicht fällt es, inhaltliche Ansätze für die App-Vermarktung zu finden und auf die avisierten Zielgruppen zuzuschneiden. Auch bei komplementären Apps, die per Definition eine Ergänzung des Angebots darstellen, lassen sich eben über die Komplementarität entsprechende Ansätze finden. In beiden Fällen bieten sich insbesondere Feature- (Abschn. 4.3.1) und Contentbezogene (Abschn. 4.3.2) Ansätze in der Vermarktung an. Deutlich schwieriger fällt die Erarbeitung App-spezifischer Vorteile im Fall von substitutiv konzipierten Apps, die im Wesentlichen einen alternativen Zugang zum Angebot eines Unternehmens darstellen. In diesem Fall wird häufig auf monetäre Ansätze ( Abschn. 4.3.3) wie App-exklusive Ra-

180

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

batte zurückgegriffen. Auch die abstrakte Vorteilsauslobung, etwa mit dem Hinweis auf „viele weitere Vorteile“ oder „tolle Aktionen“, ist im Fall substitutiv konzipierter Apps durchaus verbreitet, wie das folgende Beispiel illustriert. Beispiel: DECATHLON-App – Verweis auf „viele weitere Vorteile“ in Service-Mail

Mit mehr als fünf Millionen Downloads auf Android bei 4,6 Sternen und 88.700 Bewertungen beziehungsweise 4,6 Sternen und 6.360 Bewertungen auf iOS ist die App von DECATHLON eine der erfolgreichsten Apps eines Sportartikelhändlers und -herstellers (DECATHLON, 2022b, c). Obwohl die App unter anderem eine Funktion bietet, mit der an Produkten angebrachte QR-Codes gescannt und die Produkte so verglichen werden können, ist die App im Wesentlichen als ein Replikat des Online-Shops anzusehen. Der im Wesentlichen substitutive Ansatz in der Konzeption erschwert das Werben mit Feature-bezogenen Vorteilen der App. Entsprechend lobt der Sportartikelhersteller und -händler in seiner App-Vermarktung die Vorteile der App einerseits abstrakt aus und wirbt andererseits mit Vorteilen, die im jeweiligen Kontext zwar App-exklusiv wirken könnten, tatsächlich jedoch auch genauso im Online-Shop zu finden sind. Im Abbinder einer E-Mail des Kundenservice, unmittelbar vor der Grußformel und in Fett-Schrift werden sehr abstrakt „viele weitere Vorteile“ ausgelobt, um den Empfänger der E-Mail zum App-Download zu bewegen: „Entdecke jetzt auch unsere DECATHLON-App – damit hast du deine MyDECATHLONKarte immer dabei und kannst viele weitere Vorteile nutzen!“

Bei Google Play in der Beschreibung der App werden dagegen an mehreren Stellen konkrete Vorteile genannt (DECATHLON, 2022c): „Teste dein Produkt 30 Tage ✔ Kostenlose Retoure ✔ Click & Collect ✔“ „Entdecke mehr als 35.000 Sportartikel, fülle deine Wunschliste und gib Bestellungen von überall aus auf – und das alles durch die App. Prüfe den Bestand deines gewünschten Produkts in umliegenden Filialen und hole es ab oder lasse es, wohin auch immer du möchtest, liefern.“

Die genannten Vorteile könnten im Kontext einer Beschreibung bei Google Play als App-exklusive Vorteile aufgefasst werden, werden jedoch auch im beim Einkauf über den Online-Shop gewährt. ◄

4.3.1 Feature-bezogene Vermarktungsansätze Die einfachste Möglichkeit, eine App zu bewerben, stellt die Kommunikation von Nutzervorteilen dar, welche sich unmittelbar aus den Funktionen der jeweiligen App

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

181

ergeben. Dabei kann es sich einerseits um Features handeln, die ein Unternehmen exklusiv über die App anbietet, andererseits aber auch um solche, die auch über die App angeboten werden, wobei beide Variante produktpolitisch denkbar und vor allem von der strategischen Richtung der App abhängig sind. Beispiel: IKEA-App mit zahlreichen Features – per Plakat auf der Toilette

Mit einem Verweis auf gleich mehrere Features bewirbt IKEA seine App unter anderem in seinen Möbelhäusern mit einem Plakat auf der Toilette. Der eigentliche Aufhänger ist dabei der Hinweis auf das kostenfreie WLAN, welches der Kunde gleich auch zum Herunterladen der App nutzen solle: „Wenn du schon dabei bist – lade dir doch gleich die IKEA App [...]. Mit ihr hast du Produktinformationen, Lagerplätze und Merkzettel immer dabei. [...]“

Alle drei genannten Funktionen sind nicht exklusiv in der IKEA-App verfügbar, sondern können auch über die Website abgerufen werden können. ◄ Deutlich an Relevanz gewonnen hat in der Vergangenheit das Mobile Payment. Neben der Möglichkeit, mit Apple Pay oder Google Pay zu bezahlen, bieten mittlerweile zahlreiche Apps im Kontext des Einzelhandels entsprechende Funktionen an – wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Beispiel: Lidl Plus-App – „Jetzt noch einfacher: Mit Lidl Pay bezahlen“

Mit mehr als 100 Mrd. € Umsatz und 10.800 Filialen in mehr als 30 Ländern ist Lidl der größte Lebensmitteldiscounter weltweit. Mit mehr als 50 Mio. Downloads alleine auf Android fällt die Popularität der App, die bei Google Play 1,39 Mio. Mal mit durchschnittlich 4,4 Sternen bewertet wurde, entsprechend ähnlich aus. In einem Video bei Google Play fasst Lidl die Vorteile der App so zusammen: • • • • • •

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Insbesondere am Point-of-Sale (POS) hebt das Unternehmen die Mobile PaymentFunktion seiner App stark hervor, wobei diese eng mit dem digitalen Kassenbon verbunden ist. Entsprechende Kommunikation findet sich unter anderem auf Warentrennern im Kassenbereich, auf Einkaufswagen und sogar auf den Milchpackungen der Eigenmarke Milbona.

182

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

• Weiterführende Informationen zum App-Marketing am POS bei Lidl finden sich in Abschn. 4.4.11. • Ausführungen zum Marketing für die Edeka-App und deren Scan & GoFunktionalität finden sich im Beispiel in Abschn. 4.4.11. ◄ Während Unternehmen wie Lidl ihren eigenen POS zur App-Vermarktung nutzen können, sind andere App-Anbieter im Einzelhandelskontext auf Kooperationen angewiesen. Das folgende Beispiel illustriert eine solche Kooperation zwischen Kundentreueprogramm und Tankstelle. Beispiel: PAYBACK Fuel&Go bei Aral

Ähnlich wie bei Lidl ist der Mehrwert der App eines (stationären) Einzelhändlers am Point-of-Sale am einfachsten zu transportieren. Das Kundentreueprogramm PAYBACK und die dazugehörige PAYBACK-App verfügen nicht über eigene Läden, sodass PAYBACK bei der Bewerbung seiner App entsprechend auf die Mitarbeit seiner Partner angewiesen ist. Mit der Funktion „PAYBACK Fuel&Go“ bietet die App eine Mobile PaymentFunktion, die die Zahlung an der Aral-Tankstelle statt über den klassischen Bezahlweg im Tankstellenshop direkt über die PAYBACK-App abwickelt. Gemeinsam bewerben PAYBACK und Aral die Funktion unter anderem mit Fahnen und Aufklebern an den Zapfsäulen: „App zum Tanken! Jetzt mit PAYBACK Fuel&Go an der Säule zahlen.“

Besonders interessant: Zwar bietet Aral offenbar selbst eine App (4,4 Sterne bei 4450 Rezensionen und mehr als 100.000 Downloads bei Google Play) an, die jedoch keine eigenständige Mobile Payment-Lösung im Stil von PAYBACK Fuel&Go beinhaltet (Aral AG, 2022). ◄ Ebenfalls eine Möglichkeit, Mobile Payment-Funktionalitäten und deren Mehrwert für das App-Marketing zu nutzen, stellt die Transformation von (ehemals) rein analogen hin zu digital abgewickelten Kaufprozessen dar, wobei im Zuge der Kaufabwicklung eine digitale Bezahlmöglichkeit wie etwa PayPal angeboten wird: Beispiel: ÖPNV-Fahrkarte mit PayPal bezahlen – hvv-App

Die hvv-App ist die App des Hamburger Verkehrsverbundes (hvv), dem Verkehrsund Tarifverbund für das Hamburger Stadtgebiet und umliegende Gebiete in Schleswig–Holstein und Niedersachsen. Entwickelt und veröffentlicht von der Hamburger HOCHBAHN AG (2022) wurde die App mehr als eine Millionen Mal heruntergeladen und ist mit 3,9 Sternen bei rund 25.000 Rezensionen bewertet.

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

183

Mit einem umfassenden Update Ende 2021 wurde die hvv-App nicht nur optisch komplett überarbeitet, sondern auch PayPal als neue Zahlart für den Ticketkauf per App eingeführt. Diverse Werbemittel, insbesondere Poster an den Haltestellen, machen auf die neue Zahlart aufmerksam und arbeiten diese als einen zentralen Mehrwert der App heraus. Dazu heißt es auf den Postern unter anderem: „Zahl einfach, wie du willst: jetzt auch mit PayPal. [...] Deine Fahrtkarten noch einfacher kaufen – in der neuen hvv App“

Zusätzlich flankiert wurden der Relaunch und die Einführung der neuen Zahlart mit einem Gutschein. Die nordbahn (2021), ein Regionalbahnunternehmen, das auch im Tarifgebiet des hvv operiert, schreibt dazu auf seinem Blog: „Übrigens wird die Einführung der hvv App durch eine Gutscheinaktion von PayPal abgerundet. 10.000 Gutscheine im Wert von jeweils 5 € werden ausgegeben, solange der Vorrat reicht. Der Gutschein kann beim Kauf von Fahrkarten über die hvv App direkt in der PayPal App bis zum 31.12.2021 eingelöst werden.“ ◄

Obwohl sich die Kommunikation von App-Features und den sich daraus ergebenden Mehrwerten in der Vermarktung offenkundig anbietet, sollte in der Umsetzung die Halbwertzeit der einzelnen Features, insbesondere im Vergleich zu den genutzten Werbekanälen, beachtet werden. Im Sinne des Lebenszyklus eines Features denkbar wäre, dieses entweder zu früh, also noch vor der finalen Veröffentlichung, oder zu spät, also wenn die Produktentwicklung das jeweilige Feature womöglich demnächst wieder entfernen möchte, zur Bewerbung der App zu nutzen. Auch Updates von Features, die neue Teilfunktionen hinzufügen oder das Design verändern, können problematisch sein, wenn in der Vermarktung Werbekanäle und -mittel genutzt werden, die eine niedrige Reaktionsgeschwindigkeit aufweisen, etwa das Ausbringen von Postern, Flyern und Roll-Ups am Point-of-Sale, gegebenenfalls gar an dutzenden oder hunderten Standorten. Entsprechend notwendig sind einerseits die Kenntnis der Eigenschaften der einzelnen Kanäle und Werbemittel und andererseits die Abstimmung mit der Produktentwicklung, um neue Features nicht zu früh oder (noch) bestehende Features nicht zu spät zu bewerben. Auch kann es sinnvoll sein, ein neues Feature im Stil eines Soft Launch anfänglich im kleineren Rahmen oder gar nicht zu bewerben, um auftretende Fehler zunächst beheben zu können und Nutzerfrustration im größeren Ausmaß zu vermeiden.

4.3.2 Content-bezogene Vermarktungsansätze Neben der Werbung mit den Funktionen einer App stellt auch der Verweis auf die in der App bereitgestellten Inhalte eine Möglichkeit dar, eine App zu vermarkten. Ähnlich der Feature-bezogenen Kommunikation kann auch hier die Frage diskutiert werden, inwiefern es sich tatsächlich um App-exklusive Inhalte handeln muss oder ob nicht der

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Hinweis, dass sich ein bestimmter Inhalt (auch) in der App finde, ausreicht, um jedenfalls eine gewisse App-Exklusivität nahezulegen und so zur Installation zu bewegen. Auch hybride Ansätze, bei denen App-Nutzer Zusatzinhalte oder einen vereinfachten Zugang, etwa durch den Verzicht auf einen Login, erhalten, stellen Möglichkeiten dar, über die per App bereitgestellten Inhalte einen Mehrwert zu erzeugen und diesen in der Vermarktung entsprechend zu nutzen. Insbesondere in der Medienbranche, etwa bei Fernsehsendern, Zeitungen und Zeitschriften oder im Radio bieten sich Content-bezogene Vermarktungsansätze an, wie das folgende Beispiel eines Radiosenders illustriert. Beispiel: Radio Hamburg – Streaming-Qualität, Genre-Streams, Nachrichten per Push und Vorteile beim Gewinnspiel

Mit fast einer Millionen Hörer gilt Radio Hamburg als eines der reichweitenstärksten Medien in Hamburg. In seiner gleichnamigen App, die vom Radiovermarkter MORE Marketing (2022) für Android und iOS veröffentlicht wird, bietet der Sender neben dem internetbasierten Empfang des Liveprogramms eine Reihe zusätzlicher Mehrwerte, die im Wesentlichen als Content-bezogene Vermarktungsansätze verstanden werden können. Auch die App-Beschreibung bei Google Play arbeitet klar die inhaltlichen Vorteile für die App-Nutzer heraus (MORE Marketing, 2022): „Auf deine Lieblings Megahits musst du auch unterwegs nicht verzichten, denn mit der kostenlosen Radio Hamburg App hörst du uns an jedem Ort auf der Welt in bester Qualität und störungsfrei. Neben unserem Live-Programm hast du in der App auch Zugriff auf zahlreiche Genre-Streams und unsere Podcasts. Darüber hinaus gibt's aktuelle News aus Hamburg & dem Norden und du bist immer up to date, was bei unseren Megastars los ist. Außerdem bekommst du in der App alle wichtigen Infos zum Programm und kannst direkt an Gewinnspielen teilnehmen.“

Die in der Beschreibung genannten Vorteile stellen (mit Einschränkungen) faktisch keine Abgrenzung gegenüber der Weboberfläche dar, sondern lediglich gegenüber dem klassischen Radioempfang. Sowohl gegenüber dem klassischen Radioempfang als auch gegenüber der Weboberfläche bieten zwei Inhalte beziehungsweise Inhaltsformate tatsächlich App-exklusive Vorteile für den Nutzer. 1. Ein Promotion-Text auf der Website von Radio Hamburg (2022a) macht auf das Abonnieren von Push Notifications aufmerksam, um „keine heißen News aus dem Programm & Hamburg“ zu verpassen: „Neu: Morning-Show Update & Flash Meldungen per App Ihr wollt von John Ment, Stübi & Luca morgens mit dem Morning-Show Update immer top informiert sein und auch sonst keine heißen News aus dem Programm & Hamburg verpassen. Dann abonniert euch jetzt die Push-Meldungen in unserer kostenlosen App!“

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

185

2. Bei „Lucas Hinhörer“ müssen die Radiohörer ein Geräusch erraten, welches Moderation Luca aufgenommen hat. Unter dem Motto “Geräusch knacken und Kohle einsacken!“ gewinnt der Hörer für den richtigen Tipp den Jackpot, der sich pro Spielrunde – bei zwei Spielrunden pro Tag – jeweils um 25 € erhöht. Exklusiv in der App stellt Radio Hamburg (2022b) dazu eine Hilfestellung bereit: „Wir haben das Geräusch bei seiner Entstehung fotografiert und verfremdet. Mit jeder Spielrunde wird das Bild ein Stück weiter freigeschaltet und hilft euch so dabei, das Geräusch noch schneller zu knacken. Um das verpixelte Hinhörer Bild zu sehen, holt euch einfach unsere kostenlose App. Dort haben wir es für euch hinterlegt.“ ◄

Auch abseits der Medienbranche, etwa im Einzelhandel, lassen sich Content-bezogene Vermarktungsansätze finden, wie die einleitend in Abschn. 4.3 vorgestellte DECATHLON-App zeigt: Beispiel: DECATHLON – „deine ganz persönliche Sportwelt“

Zusätzlich zur abstrakten Vorteilsauslobung und zur Auslobung von Mehrwerten, die sich unmittelbar aus einzelnen Funktionen ergeben, bewirbt der Sportartikelhersteller und -händler DECATHLON seine App auch als „deine ganz persönliche Sportwelt“. Auf der Landingpage der Website von DECATHLON (2022a) heißt es dazu unter anderem: „Auf dich zugeschnittene Inhalte Erhalte Updates zu deinen Lieblingssportarten und der Filiale deiner Wahl: lokale Sportevents, Produktempfehlungen etc. Erhalte Tipps und Unterstützung für deinen Sport.“ „Tausche dich mit anderen aus Du hast eine Frage zu einem Produkt? Chatte mit unseren Sportexperten und der DECATHLON Community, um mehr Informationen zu erhalten.“ ◄

Unabhängig, ob Einzelhändler oder Medienunternehmen, werfen Content-bezogene Vermarktungsansätze die Frage nach der tatsächlichen oder jedenfalls suggerierten Exklusivität der Inhalte auf. Während die tatsächliche Exklusivität von Inhalten keine Bereitstellung auf anderen Kanälen und auch keine Nutzung zur Werbung auf anderen Kanälen zulässt, erlaubt eine suggerierte Exklusivität zumindest eine Bereitstellung. Beide Fälle, insbesondere die tatsächliche Exklusivität, verringern die Effizienz der Contentnutzung erheblich. Aus langfristiger Sicht kann es sinnvoll sein, Inhalte tatsächlich App-exklusiv zu produzieren und zu distribuieren, um eine App strategisch zu stärken. Beispiel: App-exklusives Live-Shopping in der Mein dm-App

Die „Mein dm“-App der gleichnamigen Drogeriekette dm wurde bereits in Abschn. 2.3 als Beispiel zur „Unterstützung von Out-of-App-Umsätzen in der „Mein dm“-App“ vorgestellt. Mit über fünf Millionen Downloads, 4,7 Sternen und mehr als

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

60.000 Bewertungen bei Google Play (dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, 2022a) beziehungsweise rund 200.000 Bewertungen, 4,8 Sternen und Platz 4 in der Kategorie „Shopping“ im Apple App Store (dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, 2022b) gehört die App zu den bedeutendsten Smartphone-Anwendungen des deutschen Einzelhandels. Mit dem Format „dmLIVE“ bietet die Drogeriekette ihren Kunden ein Live-Shopping-Format an, dass ausschließlich über die Mein dm-App aufgerufen werden kann und darüber hinaus innerhalb der App sogar die Nutzung eines Mein dm-Kontos erfordert. Aufkleber im Kassenbereich von dm-Märkten bewerben die Aktion und die App über einen QR-Code, der (nach Aufruf eines Trackinglinks) direkt zu Google Play oder dem App Store weiterleitet: „Sei live dabei!“ „Live-Shopping in der Mein dm-App* * dmLIVE kann in der Mein dm-App nur mit einem bestehenden Mein dm-Konto genutzt werden.“

Die Veranstaltung eines App-exklusiven Live-Shopping-Events unterstreicht dabei die strategische Rolle der Mein dm-App in der Kundenbindungsstrategie der Drogeriekette. ◄

4.3.3 Monetäre Anreize Neben den Feature-bezogenen Ansätze zur Vermarktung von Apps nehmen monetäre Anreize eine zentrale Rolle als Instrument zur Akquise neuer Nutzer ein. Die zur Verfügung stehenden Optionen zum Setzen monetärer Anreize hängen dabei wesentlich von dem zugrundeliegenden Monetarisierungsansatz ab. Die folgenden Ausführungen sind an die Optionen bei Google Play angelehnt: • Im Fall einer kostenpflichtigen App wird diese zu einem fest definierten, vor Download im Play Store oder App Store zu zahlendem Preis angeboten. Der Verkaufspreis kann dauerhaft, im Rahmen eines Angebots mittels eines Streichpreises zeitweise oder, ebenfalls zeitweise, mit Hilfe von Gutscheinen gesenkt werden. • Auf den App-Marktplätzen kostenlos angebotene Apps werden in der Regel auf drei Wegen monetarisiert, die ebenfalls Spielräume für monetäre Anreize eröffnen: – In-App-Produkte zum Einmalkauf werden zu einem definierten Preis angeboten. Der Preis kann entsprechend variiert oder das In-App-Produkt, zum Beispiel im Rahmen einer Gutschein-basierten Werbeaktion, kostenfrei angeboten werden (Google, 2022b). – Zum regelmäßigen Zugriff auf Inhalte und Dienste können Abonnements angeboten werden, die über eine Vielzahl von Parametern konfiguriert werden können. Insbesondere können Umfang und Preis eines Abonnements variiert werden.

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

187

Auch Probeabos und Einführungspreise beziehungsweise Schnupperangebote sind denkbar (Google, 2022c). – Auch, wenn der App-Publisher unabhängig vom App-Marktplatz monetarisiert und Transaktionen eigenverantwortlich abwickelt, wie es etwa im Online-Shopping gängig ist, können monetäre Anreize zum App-Download gesetzt werden. Dazu zählen entsprechend beispielsweise Rabattierungen auf über eine App getätigte Transaktionen. In allen Fällen, in denen eine App direkt monetarisiert wird, also etwa über einen festgelegten Verkaufspreis, In-App-Käufe oder Abonnements, stellt sich die grundlegende Frage nach dem richtigen Preis. In diesem Sinne sollen im Folgenden zunächst einige Gedanken zur Preisfindung und insbesondere die Preisanalyse nach van Westendorp erläutert werden. Anschließend werden spezifisch auf die App-Vermarktung bezogen Ansätze zum Umgang mit dem Verkaufspreis und den Preisen für In-App-Produkte beziehungsweise Abonnements diskutiert. Den Abschluss bilden einige Ausführungen zu App-spezifischen Rabatten und Gutscheinen abseits der Transaktionsabwicklung über Google und Apple, wie es im klassischen Online-Shopping zu finden ist. Preisfindung als grundsätzliche Herausforderung Unabhängig von der Frage, für welches Produkt ein Preis gefunden werden soll, ist die Preisfindung, also die konkrete Bezifferung eines Preises, eine grundsätzliche Herausforderung. Klassische Ansätze versuchen häufig, auf Basis von Umsatzzielen (in Verbindung mit erwartetem Absatz) oder auf Basis des Gedankens der Kostendeckung (zuzüglich einem Gewinnaufschlag) den Preis für ein Produkt zu bestimmen. In der Praxis ebenfalls verbreitet ist der Schulterblick in Richtung Wettbewerb, um die eigene Konkurrenzfähigkeit sicherzustellen. Eine analytische Methode zur Preisfindung, die auf der Befragung von Konsumenten basiert, ist die Van-Westendorp-Preisanalyse, die von dem gleichnamig niederländischen Ökonom Peter van Westendorp entwickelt wurde. Dabei werden (potenzielle) Käufer (zum Beispiel einer App) auf Basis der vorangegangenen Zielgruppendefinition ausgewählt und befragt. Zunächst wird den Befragten das Produkt, für welches ein Preis gefunden werden soll, vorgestellt, sodass die Befragten den Wert des Produkts für sich einschätzen. Anschließend sollen sie angeben, bei welchem Preis sie das Produkt zu teuer, teuer, zu günstig und günstig empfinden würden. Die Fragen könnten etwa so lauten: • Ab welchem Preis würdest du das Produkt als zu teuer empfinden, sodass du es nicht kaufen würdest? • Ab welchem Preis würdest du das Produkt als so teuer empfinden, dass du ernsthaft an einem Kauf zweifeln würdest, dich aber letztlich doch für einen Kauf entscheiden würdest? • Bei welchem Preis würdest du das Produkt als zu günstig empfinden, sodass du es nicht kaufen würdest, weil du Zweifel an der Qualität des Produkts hättest?

188

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

• Ab welchem Preis würdest du das Produkt als günstig empfinden, sodass du das Gefühl hättest, für den Kaufpreis wirklich viel Mehrwert zu bekommen? Auf Basis der kumulierten Häufigkeiten der Antworten auf die Fragen lassen sich vier Kurven bilden, wie sie exemplarisch und idealtypisch auf Basis fiktiver Daten in Abb. 4.7 zu sehen sind. Auf Basis der Schnittpunkte der Kurven können dann der akzeptable Preisbereich sowie der optimale und der indifferente Preispunkt bestimmt werden. Die Anwendung der Analyse ist sowohl für Preisfindung kostenpflichtiger Apps als auch im Kontext von In-App-Produkten und Abonnements denkbar. Gemeinsam mit anderen Ansätzen und Methoden liefert die Van-Westendorp-Preisanalyse so einen weiteren, zielgruppenorientiert erhobenen Anhaltspunkt für die Preisfindung. Zu beachten ist, neben der Überprüfung der Plausibilität der Antworten, insbesondere, dass es sich um Umfragedaten handelt, die das tatsächliche Verhalten der Verbraucher stets nur eingeschränkt abbilden können. Verkaufspreis der App Wird eine App kostenpflichtig zum Download angeboten, wird die Transaktion über Google Play und den Apple App Store abgewickelt. Dabei bezahlt der App-Nutzer den Verkaufspreis an Google beziehungsweise Apple, wobei der App-Publisher davon je

günstig

50%

teuer

zu teuer

IDP

zu günstig

0%

Kumulierte Häufigkeit

100%

Akzeptabler Preisbereich

OPP 0,00€

0,75€

1,50€

2,25€

3,00€

Preis OPP: IDP:

Optimaler Preispunkt Indifferenter Preispunkt

Abb. 4.7   Bestimmung des akzeptablen Preisbereichs und des optimalen Preispunkts mit Hilfe der Van-Westendorp-Preisanalyse. (van Westendorp, 1976)

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

189

nach Marktplatz, Umsatz und weiteren Faktoren in der Regel zwischen 15 und 30 % an die Marktplatzbetreiber abführt. Ferner ist der App-Publisher entsprechend an die geltenden Regeln von Apple und Google gebunden. Schon die Entscheidung, ob eine App überhaupt kostenpflichtig angeboten werden soll, ist eine langfristige, strategische Entscheidung: So kann beispielsweise im Fall von Google Play eine kostenlose App nicht später in eine kostenpflichtige App umgewandelt werden (Google, 2022b). Auch bei der Setzung des Verkaufspreises und der Veränderung zum Beispiel im Rahmen von vertrieblichen Aktionen gelten spezifische Regeln. Entsprechend ist die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen beider Marktplätze zwingend erforderlich. Da die Regeln einer gewissen Dynamik unterliegen, finden sich im Folgenden im Wesentlichen vor allem grundlegende Überlegungen. Ist eine App kostenpflichtig, sind hinsichtlich ihres Verkaufspreises zwei wesentliche Punkte zu unterscheiden. Einerseits ist der reguläre Verkaufspreis festzulegen, der, wie einleitend in diesem Kapitel zu monetären Anreizen dargestellt, auf unterschiedliche Weise gefunden werden kann. Andererseits ist seitens des App-Publishers zu entscheiden, wie zum Beispiel eine zeitweise Herabsetzung des Verkaufspreises genutzt werden kann, um eine App gezielt zu vermarkten. Hinsichtlich des regulären Verkaufspreises zeigen Daten von AppBrain und Berechnungen von Statista, dass der durchschnittliche Verkaufspreis kostenpflichtiger Apps – in Tab. 4.3 basierend auf Google Play – sich je nach Kategorie deutlich unterscheidet. Interessant ist, dass es eine moderate bis starke negative Korrelation zwischen dem durchschnittlichen Preis einer App und dem Anteil kostenpflichtiger Apps in einer Kategorie gibt (r(8) = −,70, p = ,02). Tatsächlich ist die Frage, ob eine App kostenpflichtig angeboten wird oder nicht und, wenn ja, zu welchem Preis, nicht nur eine unmittelbare Frage der Monetarisierung, sondern hat vielfältige Implikationen, wie verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Mit Blick auf die Wahrnehmung einer App als neuartig zeigen Studien, dass kostenpflichtige Apps grundsätzlich als weniger innovativ wahrgenommen werden als solche, die kostenfrei angeboten und zum Beispiel über Werbung monetarisiert werden (Dinsmore et al., 2016). Hinsichtlich der Höhe des Preises stellt Choi (2015) fest, dass ein hoher Preis mit mehr Piraterie einhergeht, also illegalen App-Downloads vorbei am Bezahlsystem von Google und Apple. Darüber hinaus besteht ein Trade-Off zwischen Sichtbarkeit und Umsatz, wobei ein niedrigerer Preis tendenziell zwar zu mehr Sichtbarkeit führt, der Gesamtumsatz jedoch bei einem höheren Preis auch höher ist (Ifrach & Johari, 2014). Eine Untersuchung von Gaming-Apps auf Google Play zeigt weiterhin, dass kostenpflichtige Apps eher negatives Feedback in den App-Bewertungen erhalten als kostenfreie Apps. Der Grund dafür könnte etwa darin liegen, dass eine kostenpflichtige App bei Nutzern auch eine höhere Erwartungshaltung weckt, die es entsprechend zu erfüllen gilt. Die Autoren der Untersuchung schlagen deshalb vor, lieber auf ein Freemium-Modell

190

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Tab. 4.3  Durchschnittlicher Preis kostenpflichtiger Apps bei Google Play nach Kategorie. (Janson, 2020; basierend auf Daten von AppBrain und Berechnungen von Statista) Kategorie

Preis (€)

Anteil kostenpflichtiger Apps (%)

Essen & Trinken

13,08

0,5

Business

11,01

1,1

Unterhaltung

5,94

3,2

Tools

5,80

5,7

Produktivität

5,65

4,1

Lifestyle

5,32

2,2

Bücher & Nachschlagewerke

5,13

6,0

Bildung

4,87

5,9

Musik & Audio

3,50

2,0

Personalisierung

1,50

13,6

Abb. 4.8   Einfluss des Verkaufspreises einer App auf Umsatz, Piraterie, Sichtbarkeit und Bewertungen

Sichtbarkeit Bewertung Umsatz Piraterie €

Preis

€€€

oder eine kostenfreie Testphase zu setzen (Wolkenfelt & Situmeang, 2020). Hierzu stellen Liu et al. (2014) fest, dass eine kostenfrei zur Verfügung gestellte Testversion nicht nur zu guten Bewertungen führten, sondern diese in der Konsequenz auch zu mehr Verkäufen der kostenpflichtigen App-Variante führen können. Abb. 4.8 fasst die Erkenntnisse von Ifrach und Johari (2014), Wolkenfeld und Situmeany (2020) sowie von Liu et al. (2014) vereinfacht zusammen. Anhand der Möglichkeiten bei Google Play kann gezeigt werden, wie App-Marketer diese Erkenntnisse bei der Gestaltung des Verkaufspreises zur Akquise von App-Nutzern im Fall von kostenpflichtigen Apps nutzen können. Google bietet App-Publishern die Möglichkeit, kostenpflichtige Apps im Rahmen von „Angeboten“ über einen definierten Zeitraum im Verkaufspreis zu reduzieren. Bei Google Play werden solche zeitweisen Reduktionen den Nutzern als Streichpreis angezeigt. Der Mindestsatz, um den der Preis reduziert werden muss, liegt bei 30 %, wodurch eine Ausnutzung des Streichpreises bei nur minimalen Preisänderungen verhindert werden soll. Maximal reduziert werden kann der Preis um 100 %, sodass die beworbene App also zeitweise kostenfrei zum Download angeboten wird. Die Dauer der Aktion muss zwischen einem und acht Tagen liegen, wobei mindestens 30 Tage zwischen dem Ende einer Aktion und dem Beginn einer neuen Aktion liegen müssen (Google, 2022e).

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

191

Grundsätzlich, aber auch spezifisch mit Blick darauf, dass eine kostenpflichtige App während einer solchen Aktion nicht in den kostenpflichtigen Charts angezeigt wird, sollten App-Publisher ihr Ziel solcher Preisreduktionen stets kritisch hinterfragen. Würde eine kostenpflichtige App aus den Top-10-Charts möglicherweise ohne Preisreduktion alleine auf Basis ihrer Position in den Charts mehr Umsatz erzielen? Welchen Wert verspricht sich der App-Publisher von den mit reduziertem oder gar ohne Verkaufspreis gewonnenen Nutzern? Sollen diese über mehr In-App-Produkte oder über Werbung monetarisiert werden? Soll der Aktionszeitraum gezielt genutzt werden, um mehr positive Bewertungen zu generieren, sodass ein langfristiger Mehrwert über den Aktionszeitraum hinaus geschaffen werden kann? Abschließend zum Verkaufspreis bemerkt sei die Möglichkeit bei Google Play, Gutscheincodes im Rahmen von „Werbeaktionen“ anzubieten, mit denen Nutzer eine App kostenlos statt zum regulären Verkaufspreis herunterladen können (Google, 2022f). Sowohl das Festsetzen des Verkaufspreises einer App sowie dessen temporäre Reduktion oder die zeitweise gänzlich kostenfreie Herausgabe einer eigentlich kostenpflichtigen App können Ansätze zur Förderung der Nutzerakquise bieten. Preisgestaltung von In-App-Käufen Neben dem Design und dem Nutzerfluss gelten die Preise von In-App-Produkten als einer der zentralen Treiber der Nutzerzufriedenheit, wie eine Untersuchung am Beispiel von Pókemon Go zeigt (Hsiao et al., 2019). Auch ist die Vielfalt von In-App-Produkten ein wichtiger Treiber der App-Nutzung, wobei sich die Intention von Nutzern, eine App auch künftig nutzen zu wollen, positiv auf die Bereitschaft auswirkt, In-App-Käufe zu tätigen (Atchariyachanvanich et al., 2015). Insofern können In-App-Käufe als eine Art Lock-In verstanden werden, weil es sich um ein monetäres Investment handelt, wie es sich, etwa im Fall von Gaming-Apps, bei Spielzeit um ein zeitliches und emotionales Investment handelt (Wohllebe, 2022, S. 94). Dies bestätigt auch eine Studie von Jiao et al. (2022), die das Verhalten von 100.000 Spielern einer Free-to-Play Gaming-App über einen Zeitraum von drei Jahren untersucht und unter anderem zeigen kann, dass in einer Woche neu erworbene In-App-Produkte auch zu mehr erworbenen In-App-Produkten in der nächsten Woche führen. Auch eine gewisse Intransparenz bei In-App-Käufen, etwa bei der Preisgestaltung oder bei den durch den Kauf erworbenen Produkten beziehungsweise Mehrwerten kann, aus Sicht des App-Publishers, mit Blick auf den Umsatz durchaus positiv sein, auch, wenn die Betreiber der App-Marktplätze im Grundsatz jedenfalls Transparenz hinsichtlich der zu erwartenden Leistungen einfordern (Shulman & Geng, 2019). Die Preisgestaltung von In-App-Produkten kann entsprechend in verschiedener Hinsicht auch zur Akquise neuer Nutzer herangezogen werden, wenn entsprechende Preisreduktionen kommunikativ eingesetzt werden. Grundsätzlich zeigen Erkenntnisse zur Preisgestaltung, dass die meistverkauften InApp-Produkt zumeist sehr günstig sind und mitunter deutlich unter einem Euro liegen. Gleichzeitig sind viele Nutzer jedoch auch bereit, deutlich mehr Geld bei In-App-Käufen

192

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

auszugeben. Wenzel (2014) führt dazu für das in Österreich herausgegebene Androidmag fünf Beispiele aus Gaming-Apps an: • Die „Sharkettes Pistols“ in Gun Bros 2 kosten 576.000 Xplodium-Punkte – umgerechnet rund 350 €. • Für eine „Bootsladung“ mit 2400 Donuts, der virtuellen Währung in Die Simpsons Springfield, werden dem Nutzer 89,99 € berechnet. • Den Agera R des Autoherstellers Koenigsegg erhalten Nutzer in Real Racing 3 von EA für 800 Goldpunkte beziehungsweise rund 90 €. • Das Nanotech Sniper Scharfschützengewehr in Contract Killer wird mit 73 € veranschlagt. • Für 5.200 Steine beziehungsweise 73 € erhält der Nutzer in Eternity Warriors 2 den „General’s Spear“. Die Zahlungsbereitschaft von App-Nutzer fassen Pierce und Woolridge (2014, S. 213) entsprechend treffend zusammen: “If the In-App Purchase items provide ample value for the money and a user continues to enjoy the game, there’s no limit to the amount of money that customer may spend.”

Effektive und in der Praxis entsprechend verbreitete Mittel bei der Preisgestaltung von In-App-Produkten sind insbesondere das Bundling und das Gewähren von Mengenrabatten, wie es bereits in Abschn. 2.4.2 zweifach am Beispiel der Gaming-App Candy Crush Saga gezeigt wurde. Sowohl das Bundling als auch das Gewähren von Mengenrabatten wirken in mehrfacher Weise: Offenkundig auf der Hand liegt der Vorteil für den Kunden, beim Kauf mehrerer Einzelprodukte Geld zu „sparen“, sodass der App-Publisher mehr Umsatz generiert. Da es sich typischerweise um digitale Produkte handelt, die marginalen Kosten beziehungsweise Grenzkosten also gegen Null gehen, sind schlechtestenfalls lediglich Opportunitätskosten zu bedenken. Weiterhin lassen sich durch das zeitgleiche Angebote von Einzelprodukten im Sinne des Mixed Bundling Referenzwerte für den „eigentlichen“ Preis eines Produktes geben, sodass die „Ersparnis“ aus Kundensicht besonders hoch wirkt, wenn der Preis für das Einzelprodukt in einfacher Menge besonders hoch angesetzt wird (Wirtz, 2016, S. 120). Der dritte Vorteil von Bundles besteht schließlich darin, dass das Besitzen von vielen In-App-Produkten (durch den Kauf von Bundles) das Commitment der Nutzung gegenüber der App erhöht, wobei die daraus resultierende Nutzerbindung wiederum zu weiteren Umsätzen führt. Im Interview im Buch von Pierce und Woolridge (2014, S. 213) fasst Noel Llopis, Entwickler der App Flower Garden, dies so zusammen: „ (…) whenever a user buys a larger bundle, they became more committed to your game. They will continue to keep playing to get their money’s worth from that purchase. Even if they had the intention of coming back to your game without the purchase, having spent that

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

193

money is a nice reminder to do so. And having people come back to your game is what this is all about. They will explore more of the game, get more hooked, make more In-App Purchases, and show it to more of their friends.“

Neben der Frage der Festsetzung des üblichen Preises eines In-App-Produkts, dem Gewähren von einfachen Rabatten sowie der Arbeit mit Bundles und Mengenrabatten besteht ferner die Möglichkeit, (eigentlich kostenpflichtige) In-App-Produkte zu verschenken. Bei Google Play etwa können dazu Gutscheincodes erstellt werden, die Nutzern im Rahmen von Werbeaktionen kostenlos angeboten werden (Google, 2022f). App-Publisher können, trotz zunächst ausbleibendem Umsatz, dennoch profitieren. So dürfte schon die Tatsache, ein (eigentlich ja kostenpflichtiges und damit „wertvolles“) In-App-Produkt zu besitzen, die Nutzerbindung stärken und Möglichkeiten zur späteren Monetarisierung eröffnen, wie es im zuvor zitierten Interview von Noel Llopis bei Pierce und Woolridge (2014, S. 213) beschrieben wird. Ferner konnte auch die Wissenschaft entsprechende Erkenntnisse liefern: Die positive Erfahrung mit einem eigentlich kostenpflichtigen In-App-Produkt, das als Freebie verschenkt wurde, ist ein zentraler Treiber für die Intention, künftig eigenes Geld für In-App-Produkte auszugeben (Jang et al., 2021). Insofern kann auch das Verschenken eines In-App-Produkts im Rahmen einer Kampagne zur Nutzerakquise oder -bindung mittelbar auf die Monetarisierung einzahlen. Preisgestaltung von Abonnements Auch im Fall von Abonnements kann deren Preisgestaltung gezielt zur Akquise (und zur Aktivierung) von Nutzern eingesetzt werden. Praktisch auf der Hand liegt dabei die Logik, dass sich der Preis pro Zeiteinheit (zum Beispiel Euro pro Monat) verringert, je länger ein Nutzer sich an ein Abonnement bindet (zum Beispiel ein Jahr). Praktisch zeigen lässt sich dies am Beispiel von duolingo in Abschn. 2.4.2: Im Einzelpreis kostet ein Monat „duolingo PLUS“ 12,99 € “, wobei sich der Preis im größten Abo-Paket („Familienabo“) auf 1,66 € pro Monat und Nutzer reduziert. 

Achtung: Regelverstoß durch Irreführung bei Preisauslobung 

Wer ein Abonnement im Jahrespaket anbietet und dabei offensiv mit dem kalkulatorischen Preis pro Monat wirbt, verstößt gegen die Richtlinien von Google Play (Google, 2022d): „Beispiele für Verstöße (...) Jahresabos, bei denen offensiv mit den monatlichen Kosten geworben wird.“

Neben dem Gewähren von Mengenrabatten können – etwa im Fall von Google Play – auch Probeabonnements, Einführungspreise und Gutscheincodes für kostenfreie Abonnements zur Promotion der App genutzt werden:

194

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

• Ein Probeabonnement ist ein definierter Testzeitraum zwischen drei Tagen und drei Jahren. In diesem Zeitraum erhält ein Nutzer das beworbene Abonnement kostenfrei (Google, 2022c). • Ein Einführungspreis gewährt einen definierten Rabatt (in Euro oder Prozent) auf den regulären Preis eines Abonnements. Ein Einführungspreis kann auch in Folge eines Probeabonnements gewährt werden (Google, 2022c). • Mit Gutscheincodes können Abonnements im Rahmen von Werbeaktionen definierten Nutzern kostenlos angeboten werden (Google, 2022f). Probeabos und Einführungspreise können bei Google Play unter anderem regional eingeschränkt oder an Bedingungen geknüpft werden, sodass diese gezielt zur Akquise neuer Kunden oder zum Upselling genutzt werden können. Beide Instrumente sind zum Beispiel besonders geeignet, wenn die Kommunikation der jeweiligen Aktion vor allem über die App-Marktplätze stattfindet oder die beworbene App einen Stand Alone-Ansatz verfolgt. Insbesondere bei solchen Vermarktungsansätzen, bei denen gezielt Bestandskunden eines Unternehmens auf die Preisreduktion eines App-Abonnements aufmerksam gemacht oder eine Vermarktungsaktion über analoge Medien ausgesteuert und deren Werbewirkung gezielt nachgehalten werden soll, bietet sich der Einsatz von (benutzerdefinierten) Gutscheincodes an, die selektiv über einzelne Kanäle kommuniziert werden. App-exklusive Rabatte und Gutscheine Auch abseits der Möglichkeiten, wie sie Google und Apple auf ihren App-Marktplätzen anbieten, haben App-Publisher die Möglichkeit, monetäre Anreize zur Akquise von AppNutzern einzusetzen. In der Praxis zählen dazu insbesondere App-exklusive Rabatte und Coupons, die App-Publisher anbieten und deren Abwicklung sie eigenverantwortlich managen. Vorangestellt ist zu beachten, dass dies – hier wieder am Beispiel von Google Play – erfordert, dass keine Pflicht besteht, dass entsprechende Abrechnungssystem des AppMarktplatzes zu verwenden, beziehungsweise, dass der App-Publisher mit seiner App aufgrund der darin angebotenen Waren und Dienstleistungen sogar vom Abrechnungssystem explizit ausgeschlossen wird. 

Achtung: Pflicht zur Verwendung des Abrechnungssystems am Beispiel von Google Play 

Laut Play Console-Hilfe von Google (2022g) müssen „Entwickler, die den Download von Apps bei Google Play in Rechnung stellen, […] das Abrechnungssystem von Google Play als Zahlungsmethode verwenden“. Dies gilt auch für „Apps in Google Play, bei denen eine Zahlung für den Zugang zu In-App-Features oder -Diensten, einschließlich App-Funktionen, digitalen Inhalten oder Waren (zusammenfassend „In-App-Käufe“) verlangt oder akzeptiert wird“. Google (2022g) führt dazu verschiedene Beispiele auf:

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

195

Artikel, z. B. virtuelle Währungen, zusätzliche Leben, zusätzliche Spieldauer [...] Abodienste, z. B. für Fitness, Spiele, Dating, [...] Upgrades von Diensten oder andere Inhalte App-Funktionen oder Inhalte wie eine App-Version ohne Werbung oder [...] Features, die in der kostenlosen Version nicht verfügbar sind

Umgekehrt sind Zahlungen, die hauptsächlich für physische Waren oder Dienstleistungen erfolgen vom Abrechnungssystem ausgeschlossen (Google, 2022g): [...] Kauf oder Verleih von physischen Waren wie Lebensmitteln, Kleidung, Haushaltswaren, Elektronik [...] Kauf physischer Dienstleistungen wie Beförderungsdienstleistungen, Reinigungsdiensten, Fluggebühren, [...] Eintrittskarten für Live-Veranstaltungen

Als Folge eines Ausschlusses des eigenen Waren- und Dienstleistungsangebots von den Zahlungssystemen der App-Marktplatz-Betreiber ist zu beachten, dass entsprechende Funktionen wie die Abwicklung von Transaktionen oder Abonnements vom App-Publisher entsprechend selbst aufzubauen und abzuwickeln sind. Dies betrifft insbesondere den E-Commerce im engeren Sinne. Neben den Richtlinien von Google und Apple zur Teilnahme an den Bezahlsystemen der App-Marktplätze werden App-exklusive Rabatte und Gutscheine vor allem im Fall von substitutiven Apps gewährt, die mit einem App First- oder App Second-Ansatz konzipiert wurden und nun gegenüber alternativen Vertriebswegen, insbesondere einem Web-basierten Online-Shop, gestärkt werden sollen. Zu den klassischen Anwendungsfällen für App-exklusive Rabatte und Gutscheine gehört im E-Commerce das Gewähren von Rabatt auf den Bestellwert. Häufig werden solche Angebote über einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen, etwa anlässlich gezielter Sale-Aktionen, gewährt. Durch die erzeugte Dringlichkeit können solche kurzen Zeiträume künstlichen Druck auf die Nutzer aufbauen und so absatzfördernd wirken. Mitunter finden sich jedoch auch Beispiele, die den Rabatt auf App-Bestellungen praktisch dauerhaft zu gewähren scheinen. Über den einfachen monetären Anreiz hinausgehend weisen F. Liu et al. (2022) darauf hin, dass Gutscheine und Rabatte weiterhin ein hohes Potenzial haben, über soziale Netzwerke und Messenger geteilt zu werden und insofern zusätzliches Vermarktungspotenzial über Word-of-Mouth bieten. Auch abseits des klassischen E-Commerce können App-exklusive Aktionen bei substitutiv konzipierten Apps eingesetzt werden, etwa, wenn ein Loyalty-Programm besteht. Beispiel: CHECK24 – „Jetzt 2-fach Punkte in App sammeln!“

Mit check24.de bietet die 1999 gegründete Unternehmensgruppe rund um die Marke CHECK24 das bekannteste Vergleichsportal in Deutschland, unter anderem für Ver-

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

sicherungen, Finanzen, Energie und Telekommunikation. Die „CHECK24 Vergleiche“-App der CHECK24 GmbH (2022) wurde mehr als fünf Millionen Mal heruntergeladen und ist bei rund 100.000 Bewertungen mit 4,7 Sterne bewertet. Die im App Store angebotene „CHECK24“-App der CHECK24 Vergleichsportal GmbH (2022) kommt auf mehr als 300.000 Bewertungen bei 4,7 Sternen und wird auf Platz 4 der Kategorie Finanzen geführt. Zur Stärkung der Kundenbindung belohnt CHECK24 „viele erfolgreich abgeschlossene Buchungen, Bestellungen und Abschlüsse“ mit CHECK24 Punkten, die unter anderem im Shopping-Bereich des Portals eingelöst oder ab 2000 Punkten (entspricht 20 €) bar ausgezahlt werden können. Zusätzlich belohnt wird unter anderem auch das initiale Anlegen eines Kundenkontos (CHECK24 Vergleichsportal Energie GmbH, 2022). Auch zur Promotion der App werden die CHECK24-Punkte eingesetzt. So weist ein Fullscreen-Interstitial beim Aufruf der Startseite check24.de mit dem Smartphone auf „Extra Punkte“ hin, die „nur in der App“ gewährt würden. In der Beschreibung des Punkteprogramms bei der CHECK24 Vergleichsportal Energie GmbH (2022) wird eine Verdoppelung der CHECK24-Punkte bei Nutzung der App ausgelobt: „Wer seinen Energieanbieter über die CHECK24 App wechselt, erhält statt 100 sogar 200 CHECK24 Punkte (=2 €) pro Abschluss!“

Bemerkenswert ist einerseits, dass die Aktion ohne zeitliche Einschränkung kommuniziert wird und insofern offenbar langfristig angesetzt ist, obgleich eine zeitliche Limitierung den Handlungsdruck bei potenziellen Nutzern erhöhen könnte. Weiterhin auffällig ist, dass die Aktion weder bei Google Play, noch im App Store kommuniziert wird (CHECK24 GmbH, 2022; CHECK24 Vergleichsportal GmbH, 2022). Die – möglicherweise, jedoch schwer zu prüfende – ausschließliche Verwendung auf der Website des Unternehmens könnte auf das Marketingziel hindeuten, mit der Aktion gezielt Bestandskunden zu App-Nutzern zu konvertieren. ◄ Neben monetären Anreizen für online abgeschlossene Transaktionen – etwa im E-Commerce oder, wie im vorausgegangenen Beispiel, im Fall eines Vergleichsportals – lassen sich App-exklusive Rabatte und Coupons auch für analog abgewickelte Käufe oder physisch erbrachte Dienstleistungen einsetzen, um eine App zu bewerben. Beispiel: Mein dm – Coupon über 10 % Rabatt beim dm-Einkauf

Regelmäßig setzt das Unternehmen dm App-exklusive Rabatte ein, um die mein dmApp mit Blick auf Akquise neuer und Bindung bestehender Nutzer weiter zu stärken. Dazu werden Coupons in der App bereitgestellt, die „bei jedem dm-Einkauf mit der Mein dm-App“ zum Beispiel einen Rabatt von zehn Prozent gewähren.

4.3  Inhaltliche Ansätze der App-Vermarktung

197

Beispiele zur Kommunikation dieser monetären Vorteile finden sich etwa auf YouTube, wo dm die Vorteile der App kommuniziert und über einen Button zum direkten Download der App auf Google Play auffordert. Sowohl hinsichtlich der Höhe als auch hinsichtlich der Art des Rabatts (Prozent oder Euro-Betrag) variiert das Unternehmen seine Promotionaktivitäten. Im Google Play Store wird zeitweise der erste Screenshot gezielt als Werbefläche genutzt, um monetäre Vorteile zu kommunizieren (dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, 2022a). Dabei heißt es: „Die zahlt sich für Dich aus: die Mein dm-App – jetzt bei jedem Einkauf im dm-Markt an der Kasse scannen oder im dm-Onlineshop bestellen.“

Als Rabatt wird dabei ein Euro-Betrag kommuniziert, der sowohl online als auch im Markt eingelöst werden kann: „Bis zu 15 € für jeden nächsten Einkauf* Coupon einlösbar online & im dm-Markt [...]“

Interessanterweise findet sich zum selben Zeitpunkt keine entsprechende Werbung für die iOS-Variante der App im Apple App Store (dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, 2022b). Dies könnte auf eine gezielte Marketingentscheidung hindeuten, die etwa Android-Nutzern eine höhere Affinität für solche Rabattaktionen (oder eine niedrigere Zahlungsbereitschaft) unterstellt. Ebenfalls denkbar wäre jedoch auch, dass die Marketingentscheidung unabhängig von der Release-Planung getroffen wurde – im Apple App Store können Screenshots nur im Rahmen eines Releases getauscht werden, während Google Play davon unabhängig jederzeit Modifikationen an den Screenshots erlaubt. ◄ Obwohl sich mit der Gewährung App-exklusiver Rabatte – egal, ob für einen Einkauf über eine App oder im stationären Einzelhandel unter Nutzung einer App – relativ einfach neue Nutzer gewinnen lassen, sind abschließend zwei Überlegungen zu erwähnen: Je nach Höhe, sowohl bei einer einmaligen als auch und insbesondere bei wiederholter oder dauerhafter Gewährung, kann der Einsatz App-exklusiver Rabatte erstens eine betriebswirtschaftlich herausfordernde Maßnahme darstellen, die vor dem Hintergrund der Marge in verschiedenen Bereichen des B2C-Handels kritisch zu bewerten ist. Hieraus abgeleitet ergibt sich zweitens, dass der ausschließliche Fokus auf die Akquise neuer Nutzer in der Regel nicht ausreicht: Forschungsergebnisse betonen, dass derartige Rabattaktionen für sich genommen keinen ausreichend langfristigen Nutzen für das Unternehmen darstellen könnten, weil Konsumenten die Aktionen kurzfristig als „Trittbrettfahrer“ mitnehmen, ohne, dass von der Aktion eine nachhaltige Nutzerbindung ausgeht (Wohllebe et al., 2020). Im Zuge der Konzeption sowohl einer App selbst als auch einzelner Vermarktungsoffensiven sollte deshalb bestenfalls eine Kombination aus

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

einfachen Gutscheinen und Rabatten auf der einen und komplexen App-gestützten Loyalty-Programmen auf der anderen Seite genutzt werden (Gabel & Guhl, 2022). Insofern sei an dieser Stelle auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von App-Vermarktung und App-CRM hingewiesen, um die über Rabattaktionen generierten App-Downloads über Aktivierungsmaßnahmen auch tatsächlich zu regelmäßigen App-Nutzern zu machen (vgl. Abschn. 5.2).

4.4 Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung Nach einigen einleitenden Gedanken zur App-Vermarktung, grundlegenden Überlegungen zur Definition von Zielgruppen und verschiedenen inhaltlichen Ansätzen zur App-Vermarktung führt dieses Kapitel umfassend in ausgewählte Kanäle der App-Vermarktung ein. Dabei sind die wenigsten Kanäle – App Store Optimization und bezahlte Werbung im App Store & Play Store – tatsächlich ausschließlich auf die Vermarktung von Apps beschränkt. Der Anspruch dieses Kapitels ist es deshalb nicht, eine vollumfassende Einführung in jeden einzelnen der aufgeführten Marketingkanäle zu geben. Vielmehr soll nach einer kurzen Einführung in jeden Kanal und seine Möglichkeiten spezifisch auf die Besonderheiten der App-Vermarktung eingegangen werden. Zahlreiche Beispiele von Unternehmen vermitteln anschaulich, wie Apps in der Praxis im jeweiligen Kanal tatsächlich beworben werden. Owned, Earned, Paid – Systematisierung von Werbekanälen Einleitend ist auf eine grundsätzliche Systematisierung von Marketing- (und Kommunikations-) kanälen hinzuweisen. Häufig werden diese in Owned, Earned und Paid MediaKanäle unterschieden, wie Abb. 4.9 ausführt. Owned Media-Kanäle wie etwa die eigene Website oder ein bestehender NewsletterVerteiler spielen in der App-Vermarktung insbesondere eine Rolle, wenn ein App-Publisher nicht sein gesamtes Geschäftsmodell (neu) auf einer App aufzubauen versucht, sondern eine App ergänzend angeboten wird. Dann können bestehende Reichweiten auf Owned Media

Earned Media

Paid Media

Hauseigene Marketingkanäle mit voller Kontrolle

Werbung durch Viralität und Wordof-Mouth mit wenig Kontrolle

Bezahlte Werbung mit beschränkter Kontrolle

Beispiele: • Website • Blog • Newsletter • Social Posts

Beispiele: • PR / Public Relations • Organische Social Shares

Beispiele: • Display Ads • SEA / Googls Ads • Social Ads • Affiliate

Abb. 4.9   Einfache Unterscheidung von Owned, Earned und Paid Media-Kanälen

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Owned Media-Kanälen des Unternehmens genutzt werden, um eine (kürzlich veröffentlichte) App zu bewerben. Owned Media-Kanäle erreichen aus Unternehmenssicht in der Regel keine neuen Zielgruppen. Stattdessen führt die Bewerbung einer App über Owned Media in der Regel vor allem dazu, dass bestehende Kundengruppen über einen weiteren (oder alternativen) Kommunikations- und Vertriebskanal, nämlich die beworbene App, (noch besser) an das Unternehmen gebunden werden. Bei Earned Media-Kanälen, zuvorderst im Social Media, sind Werbetreibende an die Regeln der jeweiligen Plattformbetreiber gebunden, was entsprechend nicht nur für Facebook, Instagram & Co. gilt, sondern auch für die organische Reichweite im Apple App Store und den Google Play Store. Praktisch geht damit einher, dass die von Werbetreibenden auf diesen Kanälen erreichte Relevanz zwar stabiler als bei Paid Media-Kanälen ist, weil sie nicht Werbeausgaben abhängt, jedoch auch jederzeit wegbrechen kann, wenn einzelne Plattformen an Relevanz verlieren oder ihre Regeln verändern. Auch bei Paid Media-Kanälen sind Werbetreibende an die Regeln des Werbenetzwerks oder des Publishers gebunden, wobei die Werbung im Wesentlichen unabhängig etwa von der Markenbekanntheit ist und, jedenfalls im Online-Umfeld, häufig per View, per Click oder per Conversion abgerechnet wird. Die pay-as-you-go-basierte Abrechnung ermöglicht auch kleineren Advertisern mit geringeren Marketingbudgets einen Einstieg in die bezahlte Werbung und erfordert zudem (im Prinzip) keine Markenbekanntheit. Unendlich skalierbares Marketing? Spannungsfeld von Reichweite und Relevanz Je nach Marketingbudget lassen sich viele Paid Media-Kanäle zudem über das Budget theoretisch „unendlich“ skalieren, wobei mit zunehmendem Budget auch die Reichweite zunimmt. Ist die – wie spezifisch auch immer definierte – Zielgruppe vollständig abgedeckt, während jedoch noch weiteres Budget investiert werden soll, muss das Targeting entsprechend erweitert werden. Dabei ist, wie in Abb. 4.10 angedeutet, zu beachten, dass Reichweite und Relevanz gegenläufige Ziele sind und insofern mit steigendem Budget zwar immer die Zielgruppe vergrößert werden kann, jedoch auch mit steigenden Streuverlusten zu rechnen ist. Nach diesen einleitenden Gedanken zu den Kanälen der App-Vermarktung kann es vor dem Einstieg in einzelne Kanäle noch hilfreich sein, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, für welche Marketingkanäle App-Nutzer eine besonders hohe Präferenz haben. Präferenzen App-affiner Nutzer für ausgewählte Medienkanäle Wie schon in Abschn. 3.1 verwendet können auch zur Bestimmung der Präferenzen für Medienkanäle Daten aus Ailon, der KI-gestützten Marktforschungssoftware der ERASON GmbH, herangezogen werden. Basierend auf diesen Daten zeigt Abb. 4.11 deutlich, dass App-affine Nutzer im Vergleich zur Gesamtpopulation insbesondere eine hohe Affinität zu digitalen Werbekanälen haben, wobei unter allen Kanälen die höchsten Werte für Spotify, Instagram, Podcasts, LinkedIn, YouTube, Influencer und Facebook ge-

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Reichweite

Relevanz

Abb. 4.10   Spannungsfeld von Reichweite und Relevanz: Je genauer das Targeting, desto kleiner Zielgruppe

75% Ø Interesse ggü. Normwert

Abb. 4.11   Präferenzen App-affiner Konsumenten für ausgewählte Medienkanäle im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ ERASON GmbH)

50% 25% 0% -25% -50% -75%

messen werden können. Besonders niedrige Präferenzen haben App-Nutzer für die Kanäle TV, Radio, Postwurfsendungen und Zeitungen. Abhängig von der konkret zu bewerbenden App, die zusätzlich unter anderem auch im Kontext des App-Publishers selbst oder der Kategorie zu sehen ist, variieren diese Affinitäten zu bestimmten Kanälen gegebenenfalls deutlich. So darf etwa im Fall der App einer Zeitung oder eines Radiosenders angenommen werden, dass die Affinität zu Zeitungen oder zum Radio als Werbemedium deutlich ausgeprägter ist und die Zielgruppe für eine solche App naheliegenderweise über Zeitung und Radio besonders gut zu erreichen ist.

4.4.1 App Store Optimization (ASO) Die App Store Optimization (ASO) ist eine wesentliche Teildisziplin der App-Vermarktung und umfasst alle Maßnahmen, die die Sichtbarkeit einer App auf einem App-Marktplatz, das heißt insbesondere im Apple App Store und bei Google Play, verbessern und so zu einer Steigerung der App-Downloads in quantitativer wie qualitativer Hinsicht führen sollen. Im Fokus von ASO steht die Optimierung des App-Eintrags auf den verschiedenen App-Marktplätzen. Neben der Steigerung der Relevanz einer App im Rahmen einer Suchanfrage auf dem jeweiligen App-Marktplatz steht zusätzlich die Steigerung der Präsenz einer App in den Empfehlungen für ähnliche Apps auf den

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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App-Einträgen konkurrierender Apps im Fokus von ASO. Da ASO in den von den AppMarktplätzen gesetzten Grenzen stattfindet und in hohem Maße von der über Zeit durch gute Bewertungen aufgebauten Kredibilität einer App abhängt, ist ASO im Prinzip ähnlich wie SEO zwischen Owned und Earned Media einzuordnen. Hintergrundwissen: Abgrenzung ASO und SEO In der Praxis mitunter anzutreffen ist der Blick auf ASO als eine Teildisziplin der Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, SEO) oder jedenfalls als Disziplin, die eine sehr hohe Schnittmenge zum SEO aufweist. Diese Perspektive ist insofern naheliegend, als dass in beiden Fällen Google (als Suchmaschine und als App-Marktplatzbetreiber) eine wesentliche Rolle spielt, greift jedoch aus drei Gründen zu kurz: 1. Während Unternehmen bei der Gestaltung von Websites komplett frei sind, sind App-Publisher bei Google Play und im Apple App Store auf jene Gestaltungsoptionen beschränkt, die die Betreiber der App-Marktplätze in der Google Play Console beziehungsweise bei App Store Connect überhaupt zulassen. 2. Im SEO geht es praktisch ausschließlich um die Optimierung für die (Google) Suche. Im ASO dagegen geht es neben der Verbesserung der Auffindbarkeit über die Suchfunktion des AppMarktplatzes auch darum, die Präsenz der eigenen App auf dem App-Marktplatz insgesamt zu verbessern. Das schließt die Anzeige der eigenen App in den Recommendation Engines von Google Play („ähnliche Apps“) und dem Apple App Store („Das gefällt dir vielleicht auch“) ein, um von der Reichweite verwandter (also konkurrierender) Apps zu profitieren, wenn ein Nutzer deren App-Eintrag aufruft. 3. Auch, wenn das sogenannte Off-Page SEO über Linkbuilding regelmäßig für tot erklärt wird, ist es bis heute ein wesentlicher Bestandteil der Suchmaschinenoptimierung, während die OffPage Optimierung im ASO – also das gezielte Platzieren von Links auf Websites, die auf den eigenen App-Eintrag zeigen, um den Suchmaschinen der App-Marktplätze eine höhere Relevanz zu suggerieren – in der Praxis in der Regel keine Rolle spielt.

Die Relevanz von ASO für die einzelne App hängt wesentlich vom App-Publisher ab. Handelt es sich bei der zu bewerbenden App um einen alternativen Zugangskanal etwa zu einem bestehenden Web-Angebot und weist der App-Publisher eine starke Unternehmensmarke auf, nach der potenzielle App-Nutzer auf dem App-Marktplatz suchen (etwa „Amazon“), wobei die Marke auch dem App-Namen entspricht, spielt ASO zur Steigerung der Relevanz in der Suche des jeweiligen App-Marktplatzes eine eher geringe Rolle. Wird eine App von Nutzern vor allem über Suchbegriffe gefunden, die mit Funktionen assoziiert sind oder die im Namen vieler Apps auftauchen (etwa „Taschenrechner“), steigt die Bedeutung von ASO für die Auffindbarkeit über die MarktplatzSuche. Unabhängig davon ist ASO in beiden Fällen relevant, um möglichst vielen Nutzern in den Empfehlungen angezeigt zu werden, wenn diese auf dem App-Eintrag eines anderen Lebensmittel-Lieferdienstes oder einer anderen Taschenrechner-App sind. Rankingfaktoren im ASO In jedem Fall ist der Ausgangspunkt aller ASO-Aktivitäten der Eintrag einer App auf den App-Marktplätzen, wie er über die Google Play Console beziehungsweise Apple App

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Store Connect verwaltet wird. Obwohl es sich um zwei verschiedene App-Marktplätze handelt, sind die Gestaltungsoptionen in beide Fällen ähnlich. Auch die ASO-Rankingfaktoren, wie sie der Softwareanbieter App Radar (2022a) listet, sind in beiden Fällen ähnlich. Im Fall des Apple App Store sind die Suchergebnisse laut eigenen Angaben von Apple (2022a) „ranked based on a number of factors“, wobei insbesondere die Textrelevanz der App-Titels, die Keywords und die primäre Kategorie sowie das User-Verhalten berücksichtigt werden, welches die Downloads sowie die Qualität und Quantität von Ratings und Reviews umfasst. Explizit nicht für das Ranking berücksichtigt wird der Promotional Text, mit dem die App ausführlich beschrieben werden kann. In den Tipps zur „Optimierung des Store-Eintrags für Ihre App bei Google Play“ listet Google (2022h) verschiedene Faktoren, die die Auffindbarkeit bei Google Play erhöhen sollen. Dazu gehören unter anderem Tipps zum Titel der App, zur Beschreibung, zum Werbetext sowie zu Grafiken und Bildern. Auch nennt Google (2022h) „zusätzliche Faktoren für die Suche“, wobei App-Publisher aufgefordert werden, „eine hervorragende Nutzererfahrung [zu] schaffen“, unter anderem durch regelmäßige Updates und die Berücksichtigung von Feedback aus Bewertungen und Kommentaren. Obwohl Apple und Google damit konkrete Hinweise zu den Rankingfaktoren geben, lassen sich auf Basis dieser Hinweise kaum praktisch umsetzbare Erkenntnisse gewinnen. Wenn etwa der Titel der App in beiden Fällen wichtig ist, wie sollte der Titel einer App dann konkret lauten – und wie sollte er auf gar keinen Fall lauten? Beantworten lassen sich derartige Fragen nicht, denn tatsächlich sind die Rankingfaktoren im ASO (genau wie im SEO) Betriebsgeheimnis der Betreiber der App-Marktplätze: Offenkundig würden bei genauer Kenntnis um die Faktoren App-Marketer versuchen, dieses Wissen für sich auszunutzen und so die Suchergebnisse in gewisser Weise manipulieren. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass sich die in das Ranking der Apps einfließenden Faktoren stetig ändern, weil die Betreiber kontinuierlich eine Verbesserung der Ergebnisse im Sinne der Nutzer anstreben. Deshalb ist es auch denkbar, dass nicht unmittelbar vom App-Publisher beeinflussbare Faktoren wie die Conversion-Rate des App-Eintrags (also die Anzahl der Installationen geteilt durch die Anzahl der Aufrufe des Eintrags) in das Ranking mit einfließen. Hieraus ergibt sich gleichermaßen auch der vielleicht wichtigste Hinweis für ASO: 

Wichtig: ASO im Sinne der Nutzer 

Alle zur Verfügung stehenden Parameter (zum Beispiel Titel der App, Keywords, Beschreibungstext, Screenshots) sollten so eingesetzt, dass sie ein optimales Nutzererlebnis bieten. Insbesondere sollten sie die Nutzer nicht täuschen, indem etwa Kontexte, Inhalte und Funktionen angedeutet oder versprochen werden, die die App tatsächlich gar nicht bietet. Im Folgenden werden ausgewählte Parameter und Ansätze vorgestellt, die das Ranking von Apps im Apple App Store und bei Google Play positiv beeinflussen können.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Keywords in Titel, Beschreibung und sonstigen Texten Der vermutlich offensichtlichste Faktor zum Ranking einer App in den Suchergebnissen eines App-Marktplatzes sind die in den Texten des App-Eintrags verwendeten Keywords. Diese dienen neben der Frage, ob und wie gut eine App zu einer Suchanfrage passt, mutmaßlich auch dazu, um ähnliche Apps zu identifizieren, um diese – ähnlich den Produktempfehlungen, wie sie im E-Commerce bekannt sind – Nutzern ebenfalls zum Download vorzuschlagen. Sowohl Apple als auch Google nutzen die Keywords im Titel einer App, wobei Apple zusätzlich noch die Möglichkeit bietet, explizit Keywords für den App-Eintrag zu definieren, während Google auch Keywords aus der Beschreibung der App extrahiert und diese zur Feststellung der Relevanz für einzelne Suchanfragen zu nutzen. Darüber hinaus denkbar ist in beiden Fällen, dass auch andere Keywords, etwa aus den Texten zur Beschreibung von Updates oder aus den Screenshots heraus gelesen werden. Welche Keywords in welchem Feld und wie häufig verwendet sollten, kann nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr gilt es, die Suchanfragen der angestrebten Zielgruppe zu antizipieren und auf dieser Basis Titel, Keywords (im Apple App Store) und Beschreibungstexte (bei Google Play) entsprechend anzupassen. Empfehlungen von Unternehmen wie App Radar (2022a) geben zwar an, ein Keyword drei bis fünf Mal in den Beschreibungstexten (bei Google Play) zu erwähnen, verweisen jedoch auch darauf, „a natural placement“ anzustreben. Hinsichtlich der Keywords im Apple App Store, für die insgesamt 100 Zeichen zur Verfügung stehen, lassen sich in Anlehnung an App Radar (2022b) folgende Empfehlungen aussprechen: • Do – Benennung konkreter Features – Trennung der Keywords durch Komma – Lokal angepasste (und nicht einfach nur übersetzte) Keyword-Sets im Fall von internationalen Apps • Don’t – Keine Verwendung von Sonderzeichen – Keine Verwendung fremder Markennamen – Keine Verwendung von „Apps“ (weil es sich offensichtlich um eine App handelt), „kostenlos“ (weil Apple anhand des Preis-Modells selbst erkennt, ob eine App kostenlos oder kostenpflichtig ist und die Auslobung „kostenlos“ im Fall einer kostenpflichtigen App irreführend wäre) oder des Namens der Kategorie, der die App zugeordnet ist (weil auch dieser Apple bekannt ist und insofern nur unnötig Zeichen verschwendet werden) Insbesondere zu warnen ist, unabhängig vom App-Marktplatz, vor „Techniken“ wie dem Keyword Stuffing (also dem immer und immer wieder wiederholtem Wiederholten des gleichen und desselben Keywords beziehungsweise Schlagwortes in ähnlicher Schreib-

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weise, um für ein Keyword bestmöglich für das Keyword zu ranken) sowie vor der Verwendung von Keywords, die nicht mit der angebotenen App in Verbindung stehen, sondern für Suchbegriffe mit mutmaßlich hohem Suchvolumen ranken sollen. Bilder und Videos Neben Keywords sind insbesondere Bilder und Videos ein zentrales Element zur Gestaltung von App-Einträgen auf den Marktplätzen. Obwohl die Bilder und Videos mutmaßlich nicht direkt das Ranking in den Suchergebnissen des jeweiligen Marktplatzes beeinflussen, wirken sie mutmaßlich jedoch indirekt als eine Art Soft Faktor. Ziel der Bilder und Videos eines App-Eintrags sollte es sein, einen möglichst treffenden Eindruck von der App und ihren Funktionalitäten zu vermitteln und so – neben Erwartungsmanagement bei der Zielgruppe – die potenziellen Nutzer zum Download und zur ersten App-Öffnung anzuregen. Ursprünglich wurden vornehmlich tatsächlich echte Screenshots aus Apps verwendet, die in das Abbild eines Smartphones eingefügt wurden. Mittlerweile nutzen App-Publisher die Möglichkeit zum Upload von Bildern immer stärker nicht nur, um einfache, Screenshot-basierte Eindrücke von den Funktionalitäten einer App zu vermitteln, sondern auch, um die Funktionalitäten regelrecht in Szene zu setzen und weitere Vorteile zu kommunizieren. Dazu gehören nicht nur einfache, Schlagwort-ähnliche Texte, die die auf dem Screenshot abgebildete Funktionalität beschreiben. Denkbar ist auch der Einsatz von Gestaltungselementen wie Störern oder Banderolen, die auf besondere Vorteile, häufig Rabatte oder Gutscheine, hinweisen. 

Achtung: Sternchentexte und Gültigkeiten bei Vorteilskommunikation per Screenshot 

Nutzen App-Publisher die Bilder im App-Eintrag, um dort auf Vorteile wie Rabatte oder Gutscheine hinzuweisen, gelten die gleichen Regeln wie im Web. Insbesondere ist darauf zu achten, dass auch die Inhalte aus Sternchentexten (häufig direkt im Bild am Rand) kommuniziert werden, um auf Bedingungen, Ausschlüsse und zeitliche Limits aufmerksam zu machen. Einen besonderen Fallstrick stellen zeitliche Limits von Aktionen im Fall von Screenshots bei iOS dar: Während Screenshots bei Google Play praktisch unbeschränkt geändert werden können, ist die Änderung von Screenshots bei Apple an ein App-Update gebunden. Eine weitere Form, um eine App über die Bilderfunktion auf den App-Marktplätzen darzustellen, ist die Aufbereitung in einer Art Story. Bei dieser graphischen Inszenierung wird ein Bild, häufig in Form eines gekippten Smartphones, über mehrere Bilder hinweg „gezogen“. Die Darstellung erinnert an ein Diptychon, mitunter auch ein Triptychon. Ob die Verwendung solcher Polyptychons tatsächlich einen Performance-Effekt hat, ist bisher nicht belegt.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Zusätzlich zur Verwendung von Bildern besteht für Apps auch die Möglichkeit, diese über ein Video zu bewerben. Im Fall von Google Play etwa handelt es sich um ein YouTube-Video, das vor den Screenshots angezeigt wird. Beispiel: LEGO Bauanleitungen – App-Funktionen als YouTube-Video bei Google Play

Ein gelungenes Beispiel für ein Video im App-Eintrag stellt die App „LEGO Bauanleitungen“ dar, die allein bei Google Play mehr als 10 Mio. Downloads und 4,6 Sterne bei mehr als 70.000 Bewertungen verzeichnet (LEGO System A/S, 2022). Die App wird unter anderem mit einem QR-Code auf den LEGO-Verpackungen beworben und bietet zu zahlreichen Produkten der Firma mittlerweile digitale Bauanleitungen und die Möglichkeit, die Bauteile digital dreidimensional zu betrachten. Das Video des App-Eintrags der LEGO-App wird über YouTube in Google Play eingebunden und vor den ansonsten üblichen Screenshots ausgespielt. Es fasst die wesentlichen Vorteile der App innerhalb weniger Sekunden zusammen und liefert darüber hinaus einen Einblick in das Look & Feel der App: „Hunderte von Anleitungen – alle an einem Ort“ „Interaktive Bauanleitungen – zum einfachen Nachbauen“ „Lege eine Online-Sammlung an“

Inhaltlich unterscheidet sich das Video von den Screenshots nur geringfügig. Es ist eher als eine Alternative zu diesen zu begreifen. ◄ Bei der Verwendung von Videos sollte beachtet werden, dass diese eine entsprechende Bandbreite zum Abspielen benötigen, ein aufgebrauchtes Datenvolumen also hinderlich wäre. Die (unterschiedliche) Verwendung von Screenshots, Bildern und Videos lässt sich mit Blick auf die Performance des App-Eintrags kaum pauschal bewerten. Vielmehr bieten sich App-Publishern unterschiedliche Möglichkeiten, deren optimale Nutzung es für die jeweilige App auszuloten gilt. App Icon Neben Bildern und Videos stellt auch das App Icon eine Gestaltungsvariable dar, die ebenfalls nicht unmittelbar auf das Ranking wirkt, dieses jedoch mittelbar über die Performance des App-Eintrags beeinflussen kann. Sowohl Apple (2022b) als auch Google (2022a) weisen in ihren Richtlinien für Entwickler auf diverse Best Practices hin und machen gleichzeitig Einschränkungen, um einer missbräuchlichen Nutzung des App Icons vorzubeugen. Zu den Empfehlungen, im Folgenden insbesondere angelehnt an Apple (2022b) gehören unter anderem, dass das Icon

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• ein einfaches Design aufweisen sollte, um die Wiedererkennbarkeit zu erhöhen; • für alle Plattformen adaptierbar sein sollte, auf denen die App angeboten wird, wobei neben Smartphones ggf. auch Tablets, Smartwatches oder Fernseher zu berücksichtigen sind; • am besten gar keinen Text enthalten sollte oder jedenfalls nur so viel Text, wie er Kernbestandteil der Marke ist; • eine Grafik und kein Foto sein sollte und auch kein Symbol einer UI-Komponente (etwa das Einkaufswagen-Symbol für den Warenkorb im E-Commerce). Google (2022a) stellt ferner diverse Beispiele für App Icons bereit, die eine Irreführung der Nutzer darstellen und insofern einen Verstoß gegen die Richtlinien des App-Marktplatzes darstellen. Dazu gehören unter anderem Texte, die in das App Icon eingebunden werden und • • • •

ein Ranking der App suggerieren („Beste App des Jahres“); Werbung enthalten, die gezielt Installationen fördern sollen („SALE“); eine redaktionelle Bewertung durch Google Play vortäuschen („Editor’s Choice“); ein Notification Badge nutzen, also zum Beispiel mit einer kleinen weißen „3“ in einem roten Kreis oben rechts im Icon andeuten, dass in der App drei neue Nachrichten auf den Nutzer warten.

Durchaus etabliert hat sich die – regelkonforme – Einfärbung des App Icons zu besonderen Anlässen. Neben Solidarisierungsbekundungen, etwa durch Einfärbung des Icons mit der Regenbogenfahne oder mit den Farben der Ukraineflagge, finden sich zum Beispiel im Einzelhandel und E-Commerce immer wieder Apps, deren Icon anlässlich des Black Friday für einige Tage in Schwarz dargestellt wird. Wie auch im Fall von Screenshots und Videos ist im Fall des App Icons der ASO-Effekt mittelbar, das heißt über die Performance des App-Eintrags, anzunehmen. Von unmittelbaren Vorteilen hinsichtlich des Rankings ist dagegen nicht auszugehen. Performance des App-Eintrag und Qualität der App als Software Bereits mehrfach in diesem Kapitel wurde auf die Performance des App-Eintrags und die Qualität der App als Software hingewiesen, welche beide potenziell als Faktoren in das Ranking von Apps auf den App-Marktplätzen einfließen. Bei Apple (2022a) heißt es dazu, dass unter anderem auch das Nutzerverhalten sowie die Downloads in das Ranking mit einfließen, wobei nicht klar ist, ob es sich lediglich um die Anzahl der Downloads handelt oder ob auch die Qualität der Downloads im Sinne der App-Nutzung Berücksichtigung findet. Google (2022h) schreibt explizit, dass auch „zusätzliche Faktoren für die Suche“ berücksichtigt werden, wobei App-Publisher aufgefordert werden, „eine hervorragende Nutzererfahrung [zu] schaffen“. Beide Unternehmen bleiben damit in ihren Ausführungen eher vage. Naheliegend ist, dass sowohl Apple als auch Google das Nutzerverhalten für das Ranking auf den App-

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Marktplätzen berücksichtigen. Insbesondere bei Google dürften solche Rankingfaktoren, wie sie bereits aus der (Google) Suche im SEO bekannt sind, auch im Play Store Anwendung finden. Hintergrundwissen: Nutzerverhalten als Rankingfaktoren im SEO Im Fokus der Frage nach dem Nutzerverhalten im SEO stehen laut Lyden (2019) die Interaktionen mit den Suchergebnisseiten (SERPs/Search Engine Result Pages). Dabei werden die Interaktionen der Nutzer mit den einzelnen Einträgen (also den Suchtreffern im Sinne von Websites) auf einer SERP genutzt, um einzelne Einträge künftig höher oder niedriger zu ranken, weil sie die Nutzererwartungen offenbar besser oder schlechter erfüllen. Zwei Kennzahlen sind laut Lyden (2019) wesentlich: • Die Click-Through Rate (CTR) misst, wie häufig ein Suchtreffer angezeigt und wie häufig es in der Folge auch angeklickt wurde. Eine hohe CTR eines Suchtreffers deutet darauf hin, dass die auf der SERP angezeigten Informationen für diese Suchanfrage relevant zu sein scheinen und der Suchtreffer gut zur Suchfrage passt. • Zusätzlich Berücksichtigung finden dürfte die Dwell Time, also die Verweildauer eines Nutzers auf der Website eines Suchtreffers, bevor er zurück auf die SERP kommt. Ist der Nutzer bereits nach kurzer Zeit auf der Website eines Suchtreffers wieder zurück auf der SERP, hat das Suchergebnis die Erwartungen des Nutzers offenbar nicht erfüllt.

Im Fall von Apps für Android und iOS ist zusätzlich zu bedenken, dass sowohl über das Betriebssystem als auch über die Einbindung von Systemen wie Google Analytics und Google Firebase detaillierte Informationen über Verhalten von Nutzern in einer App und über die Qualität der App als Software vorliegen. Aus den vorausgegangenen Erörterungen ergibt sich, dass sowohl die Performance des App-Eintrags (als eine Form des Suchergebnisses) als auch die Performance der App selbst als Rankingfaktor auf den App-Marktplätzen mit einfließen könnten. Die folgende Liste zeigt in diesem Kontext eine Auswahl denkbarer Rankingfaktoren entlang des Funnels von der Anzeige einer App in den Suchergebnissen bis hin zur tatsächlichen Nutzung der App: • Click-Through Rate in den Suchergebnissen: Wie häufig wird eine App in den Suchergebnissen des App-Marktplatzes angezeigt – und wie häufig wird von dort der AppEintrag aufgerufen? – Oder: Passen der Titel, das Icon, die Kategorien und andere in den Suchergebnissen angezeigte Parameter der App zur Suchanfrage? • Conversion Rate des App-Eintrags: Wie häufig wird der App-Eintrag aufgerufen – und wie häufig wird die App tatsächlich heruntergeladen? – Oder: Passt der App-Eintrag mit seinen Parametern wie der App-Beschreibung und den Screenshots zu den Erwartungen des Nutzers basierend auf seiner Suchanfrage? • Crash Rate: Wie viele Nutzer nutzen die App – und bei wie vielen Nutzern stürzt die App ab? – Oder: Ist die App so programmiert, dass sie stabil läuft und von den Nutzern zuverlässig genutzt werden kann? • Deinstallationen: Wie häufig wird die App deinstalliert? – Oder: Erfüllt die App die Erwartungen der Nutzer?

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Es ist davon auszugehen, dass alle diese und weitere Performancedaten als softe Faktoren Berücksichtigung im App-Ranking finden können, deren Einfluss jedoch kaum zu quantifizieren ist. A/B-Testing für App-Einträge Eine empirisch fundierte Möglichkeit, App-Einträge gezielt zu optimieren, bietet das A/B-Testing für App-Einträge, wie es sowohl bei Google Play als auch im Apple App Store ermöglicht wird. In beiden Fällen handelt es sich um ein Verfahren, bei dem einzelne Bestandteile des App-Eintrags in zwei (oder mehr) Varianten konfiguriert werden. Beide Varianten werden einer Vielzahl von Nutzern ausgesteuert, wobei – einfach ausgedrückt – am Ende der Vergleich steht, welche der Varianten eine bessere Performance hinsichtlich der Installationsquote bietet. Obwohl sich die Möglichkeiten im Apple App Store und bei Google Play im Detail unterscheiden, sind sie hinreichend ähnlich, um die Funktionsweise im Folgenden am Beispiel von Google Play und der Google Play Console zu erörtern. In der Google Play Console lassen sich beliebig viele A/B-Tests für App-Einträge im Play Store erstellen. Hypothesengetrieben – das heißt auf Basis einer (logisch hergeleiteten) Annahme – wird die aktuelle Variante des App-Eintrags gegen eine bis N alternative Varianten getestet. In der Testkonfiguration in der Play Console sind dazu unter anderem Angaben zu machen, • auf welchen Zielmesswert optimiert werden soll („Personen, die die App zum ersten Mal installiert haben und bisher nicht deinstalliert haben“ versus „Personen, die die App zum ersten Mal installiert haben“), • wie viele Alternativen getestet werden sollen (mindestens eine), • wie viel Prozent der Nutzer die Variant(n) ausgesteuert bekommen sollen, • wie hoch der minimal nachweisbare Effekt sein soll • und wie hoch das Konfidenzniveau sein soll. Bei den Varianten können unter anderem das App Icon, die Vorstellungsgrafik, die Screenshots und das eingebundene Video variiert werden. Ist der Test fertig konfiguriert, wird er gestartet. Häufig lassen sich Zwischenergebnisse schon nach wenigen Tagen ablesen, wobei das A/B-Testing in der Play Console selbstständig ausweist, wenn es sich um statistisch aussagekräftige, über den bloßen Zufall hinausgehende Beobachtungen handelt. Obwohl die Google Play Console mit ihren Konfigurationsmöglichkeiten methodisch weitaus saubere Ergebnisse bieten kann, als es häufig A/B-Testing-Features in anderen Bereichen tun, sei an dieser Stelle beispielhaft auf einige Fallstricke hingewiesen, wie sie mitunter in der Praxis zu finden sind – auch wenn und obwohl die Ergebnisse rein rechnerisch statistisch aussagekräftig sein mögen.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Fallstricke bei der Interpretation von A/B-Tests Im Folgenden wird dazu davon ausgegangen, dass für den App-Eintrag der App eines Einzelhändlers eine Variante getestet wird, bei der der erste Screenshot mit Hilfe eines roten Störers auf einen Gutschein über 10 € hinweist. Die Basisvariante zeigt denselben Screenshot, wobei kein Störer mit Hinweis auf einen Gutschein eingebunden ist. Für das Beispiel wird davon ausgegangen, dass beide Varianten gleichmäßig ausgesteuert werden und die Variante mit Gutschein signifikant mehr Downloads im Testzeitraum erzielt. • Häufig anzutreffen sind Pauschalisierungen von Ergebnissen. Dabei wird die Erkenntnis, dass ein Gutschein über 10 € auf einem roten Störer für genau diese App bessere Downloads erzielt hat, übertragen zum Beispiel auch auf andere Gutscheinhöhen (5, 25 € etc.), auf andere Arten der Kommunikation (weniger auffällig per einfachem Text und ohne Störer etc.), auf andere Apps dieser Art (also auf Apps von anderen Einzelhändlern) oder auf alle Apps (unabhängig von der Kategorie). • Einmal gemessene Effekte können mit der Zeit einer Abnutzung unterliegen, wenn etwa dauerhaft auf eine zeitliche Dringlichkeit oder mengenmäßige Limitierung hingewiesen wird, diese irgendwann nicht mehr glaubhaft erscheint und der anfängliche gemessene Effekt so mit der Zeit immer schwächer wird. • Ebenfalls zu beachten ist der Fokus der Google Play Console auf die Installationen, wobei – etwa im Fall von Gutscheinen – neben der Installation der App ein wichtiges Augenmerk auch auf der Nutzung des Gutscheins liegen sollte, welche mit (rück-) gewonnenen (Neu-) Kunden und Umsatz einherginge, sodass der Effekt der Auslobung eines Gutscheins möglicherweise sogar noch höher zu bewerten wäre (…oder niedriger, weil mit einem Gutschein auch die Marge schwindet…). Um Erkenntnisse aus einzelnen A/B-Tests zumindest etwas verallgemeinern zu können, bedarf es in jedem Fall einem durchdachten Testingkonzept, welches auf klaren Hypothesen aufbauend diese immer wieder zu überprüfen versucht. Literaturhinweis: Kompakte Einführung in das A/B-Testing Eine vertiefende Einführung in die Grundlagen des A/B-Testings bietet der „Quick Guide A/B Testing“ von Michael Witzenleiter. Das Buch ist 2021 bei Springer Gabler, Wiesbaden, erschienen. ISBN: 978-3-658-34.649-2.

Obwohl das A/B-Testing keine Erkenntnisse darüber liefert, wie zwei unterschiedliche Varianten einer App-Eintrags in den Sucherergebnissen ranken, stellt es doch einen wichtigen Bestandteil des App-Marketing auf den App-Marktplätzen dar. Durch die Verbesserung der Performance des App-Eintrags ist jedenfalls mittelbar auch eine Verbesserung des Rankings anzunehmen.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Indexierung in der Google Suche Neben der grundsätzlichen Idee, einen App-Eintrag für Suchanfragen gezielt zu optimieren, und der Nutzung unter anderem von Keywords zu diesem Zweck besteht eine weitere Wechselwirkung zwischen SEO und der Performance eines App-Eintrags auf einem App-Marktplatz in der Möglichkeit, den Content einer (Android-) App auch über die Google Suche verfügbar zu machen. Google bietet unter anderem mit dem Android App Links Assistant im Android Studio die Möglichkeiten, die Inhalte einer App den Inhalten einer Website zuzuordnen und so Nutzer, die die App eines Unternehmens installiert haben, direkt in die App, anstatt auf die Website zu schicken (Google, 2019). Durch diese Wechselwirkung zwischen SEO und ASO profitiert eine App, deren Inhalte für eine Websuche eigentlich nicht zugänglich wären, von der organischen Reichweite der dazugehörigen Website in der Google Suche. Obwohl ein Benefit für das Ranking der App bei Google Play wohl nicht anzunehmen ist, kann die Indexierung von App Content in der Google Suche die Nutzung der App durch bestehende Nutzer erhöhen und insofern, etwa über die in der Folge vermehrte Abgabe von App-Bewertungen und -Rezensionen positiv auf die Präsenz bei Google Play wirken. App-Bewertungen und -Rezensionen Als einer der vielleicht wichtigsten Rankingfaktoren sind abschließend zur Disziplin ASO die Bewertungen und Rezensionen einer App zu nennen. Sowohl im Apple App Store als auch bei Google Play haben Nutzer die Möglichkeit, Apps auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 5 (gut) zu bewerten und ergänzend einen Text zu ihrer Bewertung zu verfassen – eine Rezension. Für beide Marktplätze ist anzunehmen, dass insbesondere die Bewertungen einen massiven Einfluss auf das Ranking einer App haben, weil sie unmittelbar Indikator für die Zufriedenheit der App-Nutzer sind (Wohllebe & Stoyke, 2022). Bei der Interpretation von App-Bewertungen zu beachten ist, dass nicht alle Bewertungen in gleichem Maße für die Kalkulation der durchschnittlichen App-Bewertungen genutzt werden und wohl auch unterschiedlich gewichtet in das Ranking einfließen. Die Google Play Console etwa unterscheidet dazu die „durchschnittliche Bewertung während der Lebensdauer“ von der „Standardbewertung bei Google Play“, wobei letztere entweder nur neuere Bewertungen berücksichtigt oder diese jedenfalls höher gewichtet. Vor dem Hintergrund von App-Updates, welche im besten Fall ja zu einer Qualitätssteigerung von Apps führen, ergibt es aus Sicht der App-Marktplätze Sinn, neuere Bewertungen und insbesondere solche, die seit dem letzten Update hinzugekommen sind, deutlich stärker zu gewichten als Bewertungen, die bereits vor einigen Jahren abgegeben wurden. Zusätzlich weist Google in der Play Console darauf hin, dass „Nutzer jetzt Bewertungen auf Grundlage des Geräts, das sie verwenden“ sehen, „damit Google Play-

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Bewertungen noch relevanter und nützlicher sind“. Ähnliche Praktiken sind auch bei Apple anzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist sogar davon auszugehen, dass es „das“ Ranking einer App für eine Suchanfrage entweder heute schon nicht gibt oder jedenfalls in Zukunft nicht mehr geben dürfte, weil das Ranking immer stärker auch geräte- und schließlich nutzerabhängig zusammengestellt werden wird. Die Verwendung von App-Bewertungen als Instrument zur Messung der (ehrlichen) Kunden- beziehungsweise Nutzerzufriedenheit ist vor allem um ehrliche Bewertungen und Rezensionen bemüht. Offenkundig zahlen allerdings nur positive App-Bewertungen auch positiv auf das Ranking einer App auf den App-Marktplätzen ein. Grundlegendes Interesse eines jeden App-Publishers im Sinne von ASO sollte es deshalb sein, Nutzer zur Abgabe von (positiven) Bewertungen zu bewegen. Generieren von positiven App-Bewertungen Eine vielversprechende Möglichkeit, überhaupt App-Bewertungen zu erhalten, ist die proaktive Aufforderung der Nutzer, eine App zu bewerten. Während früher hierzu im Stile einer Gießkanne häufig schlicht alle Nutzer gleichermaßen aufgefordert wurden, haben App-Publisher in jüngerer Zeit immer bessere Ansätze entwickelt, bevorzugt jene Nutzer zur Bewertung aufzufordern, denen eine hohe Zufriedenheit unterstellt werden kann. Einfache Ansätze können dabei schlicht heuristischer Natur sein, etwa, dass dem Nutzer einer Shopping-App wohl kurz nach einer Bestellung auch Zufriedenheit mit der App unterstellt werden kann, oder, dass im Fall einer Gaming-App der Moment des Levelaufstiegs wohl zur Abfrage einer Bewertung besonders gut geeignet sein könnte. Apple (2022a) schlägt dazu vor: “Look for moments when users are most likely to feel satisfied with your app, such as when they’ve completed an action, level, or task.”

Darüber hinaus haben App-Publisher auch vermehrt versucht, in die Aufforderung zur Bewertung eine Vorauswahl zu integrieren. Dabei wird der Nutzer zunächst innerhalb der App kurz nach seiner Meinung gefragt (etwa durch den Tap auf einen glücklichen, neutralen oder traurigen Smiley) und nur dann zur offiziellen Bewertung gebeten, wenn er angibt, zufrieden zu sein. Achtung: Vorauswahl bei Abfrage der Bewertung unzulässig

Während die Vorauswahl besonders zufriedener App-Nutzer bei der Abfrage von AppBewertungen aus Sicht des App-Publishers nachvollziehbar ist, konterkariert dieses Vorgehen offenkundig die Intentionen der App-Marktplatzbetreiber, mit den Bewertungen ein transparentes Bild der Qualität einer App zu vermitteln. Google hat für die Nutzung seiner In-App Reviews API, einer nahtlosen Integration eines Bewertungslayer in Android-Apps, mit denen der Nutzung zur Abgabe der Bewertung samt Rezension die App nicht mehr verlassen muss, bestimmte Praktiken untersagt, die die App-Bewertungen verzerren könnten. So sind Umfragen, die den

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Nutzer bereits vor Einblendung der offiziellen Bewertungsaufforderung nach seiner Zufriedenheit fragen und so entsprechend filtern, mittlerweile ebenso untersagt wie etwa Overlays, die dem Nutzer suggerieren, eine 5-Sterne-Bewertung abzugeben (Google, 2022h). ◄ App-Rezensionen, also solche Bewertungen, zu denen Nutzer zusätzlich einen Text verfasst haben, bieten wie in Abschn. 3.5.5 beschrieben die Möglichkeit, konkretes Nutzerfeedback zu erhalten. Im Sinne der App Store Optimization verdient die Funktionalität zur Beantwortung von Rezensionen eine besondere Aufmerksamkeit. App-Publisher können über Apple App Store Connect und die Google Play Console Rezensionen beantworten und Nutzern so nicht nur wertschätzend begegnen. Auch lassen sich über die Antwortfunktion weitere Details zu entdeckten Fehlern oder vorgeschlagenen Features erfragen. Im Fall von entdeckten Fehlern kann die Antwortfunktion auch genutzt werden, um über die (anstehende) Behebung des Fehlers zu informieren, wie es auch Apple (2022e) konkret vorschlägt: „When you release an app update that fixes issues mentioned in older reviews, […] consider replying to relevant reviews to tell these users about the fix. This can be an effective method for reengaging previously dissatisfied users.“

Auch ein Hinweis auf den Kundenservice kann je nach Rezension – etwa bei Problemen mit kostenpflichtigen Features – hilfreich sein. Immer wieder beobachten lässt sich auch, dass App-Publisher über die Antwortfunktion versuchen, den Nutzer zu einer Verbesserung der abgegebenen Bewertung zu bewegen. Die Play Console bietet hierzu sogar eine Auswertung, die zeigt, wie sich Bewertungen bei Aktualisierung verändern (das heißt verbessern oder verschlechtern), wenn sie beantwortet (oder nicht beantwortet) wurden. Anknüpfungspunkte hierzu bieten sich insbesondere, • wenn ein Rezensionstext auf einen Fehler hinweist und der Fehler behoben wurde: „Vielen Dank für deinen Hinweis. Wir haben den Fehler mit dem letzten Update behoben. Schau doch gerne mal wieder rein, ob jetzt alles funktioniert – über ein Update der Bewertung würden wir uns natürlich freuen!;-)“. • wenn ein Rezensionstext ausschließlich positiv („Coole App!“) oder jedenfalls nicht negativ („Alles in Ordnung.“) formuliert ist, jedoch keine fünf Sterne vergeben wurden: „Vielen Dank für deine Bewertung! Wenn du magst, lass uns doch gerne wissen, was dir zu einer Bewertung mit fünf Sternen noch fehlt!“) (Die vorgeschlagenen Antworttexte sind exemplarisch und können je nach Kommunikationsstil des App-Publishers variieren.) Gerade (zum Positiven) aktualisierte App-Bewertungen dürften im Ranking besonders hilfreich sein, weil sie klar auf eine Verbesserung der App. Die Beantwortung von Rezensionen deutet dabei zusätzlich ein aktives Management von Kundenfeedback hin und könnte insofern ebenfalls positiven Einfluss haben.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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4.4.2 Bezahlte Werbung im App Store & Play Store Neben der organischen Reichweite, wie sie im vorherigen Kapitel zur App Store Optimization (Abschn. 4.4.1) beschrieben ist, besteht für App-Publisher zusätzlich die Möglichkeit, auch anorganische, bezahlte Reichweite im Sinne von Paid Media zu nutzen, um App-Installationen zu generieren. Sowohl der Apple App Store als auch Google Play bieten entsprechende Möglichkeiten, bezahlte Werbung zu schalten. Beide großen AppMarktplätze bieten im Kern ähnliche Platzierungen mit ähnlicher Funktionsweise an, unterscheiden sich jedoch in den Details. Da sowohl Platzierungen als auch Funktionsweise einer Dynamik unterliegen und im Laufe der Zeit immer wieder angepasst werden, soll im Folgenden vor allem auf das Grundprinzip eingegangen werden. Beide App-Marktplätze bieten neben der Werbung für In-App-Käufe insbesondere Werbeformate für App-Installationen an. Auf beiden App-Marktplätzen werden die beworbenen Apps entweder im Fall einer Suche ganz oben auf der Liste der Suchtreffer über den organischen Suchergebnissen angezeigt oder, bei Google Play, auf konkurrierenden App-Einträgen als mögliche Alternativen („Dies könnte dir auch gefallen“ beziehungsweise „Im Zusammenhang mit dieser App“). Auch auf dem Startscreen des Play Store werden Anzeigen als „Vorschläge für Sie“ ausgesteuert (Google, 2022i). Im Gegensatz zu den Google Ads, wie sie in der Google Suche ausgesteuert werden, ist die Konfiguration von Google Ads App-Kampagnen beziehungsweise von Apple Search Ads (die im App Store ausgesteuert werden) eher einfach gehalten. Google Ads fordert für App-Kampagnen lediglich die Festlegung eines Ziels (Anzahl der Installationen oder In-App-Aktionen) und vier Textbeschreibungen. Die tatsächlich ausgesteuerten Anzeigen werden dann von Google auf Basis des App-Eintrags und der vier Textbeschreibungen automatisch zusammengestellt. Ein entsprechend umfangreich gepflegter App-Eintrag kann insofern zum Erfolg der App-Kampagne beitragen, weil Google mehr Variationen generieren und automatisch durchtesten kann. Innerhalb der zu setzenden Budgetgrenzen nutzt Google dann „maschinelles Lernen […], um automatisch Gebote festzulegen und Ihre Anzeigen abwechselnd auszuliefern, damit sie der gewünschten Zielgruppe und zum passenden Preis präsentiert werden“ (Google, 2022j). Im Fall von Apple funktioniert die Aussteuerung sogar noch einfacher, wenn die Apple Search Ads in der „Basic“-Variante genutzt werden: Apple fordert lediglich das Festlegen eines monatlichen Budgets und optional eines maximalen Cost-per-Install (CPI) und übernimmt, ebenfalls auf Basis des App-Eintrags, gleichermaßen die Erstellung und die Aussteuerung der Anzeigen (Apple, 2022c). Hinweis: Bezahlte Kannibalisierung des eigenen Rankings? Sowohl im App Store als auch bei Google Play immer wieder beobachten lässt sich bei der Suche nach bekannten Markennamen, zum Beispiel „Amazon“ oder „OTTO“, dass deren Apps sowohl auf dem ersten Platz der organischen Suchergebnisse als auch, zusätzlich, darüber als bezahlte Anzeige ausgespielt werden. Naheliegend ist dabei die Annahme, dass der App-Publisher seine eigene organische Reichweite durch die bezahlte Werbung „kannibalisiert“ und so unnötig Kosten entstehen.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Diese Auffassung erscheint durchaus plausibel, gilt jedoch nicht pauschal. Die Anzeigen auf beiden App-Marktplätzen werden in hohem Maße ohne direkte Einflussnahme der App-Publisher ausgesteuert. Bei Verzicht auf Buchung von Anzeigen müsste alternativ davon ausgegangen werden, dass schlechtestenfalls nicht keine App, sondern die App eines Konkurrenten beworben wird. Ferner sei darauf hingewiesen, dass Installs, die in Folge einer Markensuche generiert werden, durch die Gebotslogik im Hintergrund preislich vermutlich deutlich unterhalb des ansonsten durchschnittlich erzielten CPI liegen.

4.4.3 Website/Onsite Eine einfache und kostengünstige Möglichkeit der App-Vermarktung stellt die Nutzung der Reichweite der eigenen Website (Owned Media) des App-Publishers dar. Dazu werden Werbeflächen und -mechanismen geschaffen, die die Website-Besucher auf die App des Unternehmens hinweisen, um so Downloads zu generieren. Die so auf die App aufmerksam gemachten Nutzer entsprechen dem Publikum der Website, sodass vor allem komplementär oder substitutiv konzipierte Apps zur Bewerbung geeignet sind. Je nachdem, welche Funktionen eine App bietet oder welche Funktionen gerade hervorgehoben werden, ist es sinnvoll nur bei bestimmten Teilen der Websitebesucher für die App zu werben oder die Werbung in spezifischen Kontexten zu platzieren. Werden für die App eines Online-Shops etwa die Möglichkeiten zur einfach(er)en Bestellverwaltung und Sendungsverfolgung hervorgehoben, dürften die Bestellbestätigungsseite und der Kontobereich ein relevanteres Umfeld bieten als die Startseite. Wird für eine Funktion geworben, mit der Produkte über Augmented Reality digital im Raum platziert werden können, wäre die Produktdetailseite vermutlich geeigneter als die Bestellbestätigungsseite. In diesem Kontext grundsätzlich zu diskutieren ist die Problematik der Opportunitätskosten bei der Belegung von Werbeflächen. Ist ein Unternehmen nicht als App-only-Geschäftsmodell angelegt beziehungsweise verfolgt mit seiner Website nicht ausschließlich oder zumindest primär das Ziel, seine App zu bewerben, ist das Ziel der Generierung von App-Installs gegen andere Geschäftsziele abzuwägen, wie sie bereits in Abschn. 2.3 beispielhaft diskutiert wurden. Die Kenntnis des monetären Wertes eines App-Installs ist dabei von hoher Bedeutung, um diesen gegen andere Ziele, etwa eine Newsletter-Anmeldung, ein abgeschlossenes Abonnement oder eine Interaktion mit einem Inhalt priorisieren zu können. Spezifische Herausforderungen auf dem Desktop Werden Apps auf mobilen Endgeräten und damit im Regelfall auf mobilen Websites beziehungsweise auf der mobilen Version einer responsiven Website beworben, liegt auf der Hand, dass das Werbemittel direkt auf die App-Marktplätze – oder in besonderen Fällen zunächst auf eine Landingpage und von dort dann auf die App-Marktplätze – verlinkt. Zu diskutieren ist, ob – etwa im Fall eines Buttons – ein Button im eigenen Design verwendet wird oder ob die von Apple und Google jeweils bereitgestellten Buttons

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Anwendung finden. Während erstere Lösung sich unter Design-Gesichtspunkten optimal in die eigene Website einbetten lässt, erfordert sie gleichzeitig einen einzigen Link, der erkennt, ob es sich um ein Android- oder ein iOS-Gerät handelt und entsprechend auf den passenden Marktplatz verlinkt. Wird dagegen je App-Marktplatz der typische Button zum App-Download angeboten, erfordert dies einerseits eine Vorauswahl durch den Nutzer, welcher zumindest sein eigenes Betriebssystem kennen muss, nutzt andererseits aber ein etabliertes Design mit hohem Wiedererkennungswert und bietet so eine einfache Orientierung für den Nutzer. Eine besondere Herausforderung stellt der Umgang mit der Werbung auf DesktopWebsites dar. Mit Blick auf die Smartphone-Nutzung darf grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Nutzer auch bei der Nutzung eines Desktop-Computers oder Notebooks sein Smartphone in Griffweite hat. Um den Nutzer zum App-Download aufzufordern, stehen dabei unter anderem drei Varianten zur Verfügung. Die einfachste Variante ist die Aufforderung zum App-Download mit Nennung des Namens der App. In diesem Fall ist zu hoffen, dass der Nutzer den App-Namen eigenständig in die Suche des jeweiligen App-Marktplatzes eingibt, die App dort in den organischen Suchergebnissen ganz oben erscheint und bestenfalls auch keine andere App mit Hilfe bezahlter Werbung ( Abschn. 4.4.2) noch darüber angezeigt wird. Eine ebenfalls unter Marketern populäre Variante ist der Einsatz von QR-Codes, die zum Einscannen bis zur Corona-Pandemie praktisch als tot galten und dann vor allem durch die Luca-App und die Corona-Warn-App eine unverhoffte Wiederbelebung erfuhren. Sollte ein Nutzer tatsächlich den QR-Code von einer Website scannen, um eine App herunterzuladen, wäre ein unmittelbarer Verweis auf den App-Eintrag – ein QRCode je Betriebssystem oder ein gemeinsamer QR-Code mit smartem Link dahinter für beide Betriebssysteme zusammen unterstellend – inklusive Trackingparametern jedenfalls gesichert. Als dritte, durchaus charmante Möglichkeit lassen sich App-Downloads auf einer Website (und auch auf anderen Werbekanälen, die ebenfalls mit Medienbrüchen konfrontiert sind) auch mit Hilfe eines Kurzlinks umsetzen, der wiederum auf einen smarten Link zur Betriebssystemerkennung verweist. Voraussetzung hierfür ist eine kurze, einprägsame Domain, für die eine 301-Weiterleitung eingerichtet wird – also beispiel. de/app. Auf die Möglichkeit, dass Nutzer Apps auch über die Desktop-Varianten der App-Marktplätze praktisch „remote“ auf ihrem Smartphone installieren können, sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber zumindest kurz hingewiesen: Wie viele Nutzer mit ihrem Apple- oder Google-Konto auf ihrem Desktop-PC eingeloggt sind und wissen, dass sie über die Webansicht des jeweiligen App-Marktplatzes eine App auf ihrem Smartphone installieren könnten, ist fraglich. App-Vermarktung am Desktop mit Hilfe von SMS Um den Medienbruch zwischen Desktop-Computer und mobilem Endgerät besser zu überbrücken ist neben der Verwendung von QR-Codes und Shortlinks auch die Verwendung von SMS möglich. Das folgende Beispiel zeigt, wie sich SMS zur App-Vermarktung per Desktop einsetzen lässt.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Beispiel: App-Werbung auf dem Desktop – Downloadlink per SMS oder E-Mail bei CHECK24

Die CHECK24-App wurde bereits in Abschn. 4.3.3 im Rahmen eines Beispiels vorgestellt. Obwohl der Fokus der App-Vermarktung (naheliegenderweise) eher im mobilen Umfeld liegt, wird die App auch auf dem Desktop beworben. Aufgrund des bereits thematisierten Medienbruchs dürfte die Erfolgsmessung dabei jedoch schwierig ausfallen. Auf der Desktop-Website bietet CHECK24 deshalb neben dem QR-Code zum Scannen auch die Option, einen Downloadlink für die App per SMS oder per E-Mail zu erhalten. Dazu gibt der Nutzer entweder seine Handynummer oder seine E-MailAdresse an und erhält im Anschluss eine entsprechende Nachricht, die einen Downloadlink enthält. Beide Optionen bieten Nutzern eine einfache Alternative, wenn diese den angebotenen QR-Code nicht scannen können oder wollen und auch die Suche auf den App-Marktplätzen nicht bemühen wollen. Bei dem per SMS versendenten Link handelt es sich um einen Shortlink (c.24.de/ app), welcher auf einen smarten Trackinglink von Adjust weiterleitet. Dieser ruft anschließend den passenden App-Marktplatz auf und ermöglicht darüber hinaus, den Erfolg der versendeten SMS (oder E-Mail) zur App-Vermarktung entsprechend nachzuvollziehen. ◄ Im vorliegenden Beispiel scheint der versendete Link standardisiert zu sein. Theoretisch denkbar wäre – unabhängig von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit – auch, für jeden angefragten Downloadlink einen eigenen Link zu generieren, sodass sich der AppDownload einer spezifischen Person zuordnen ließe. Das Tracking von Marketingmaßnahmen zur App-Vermarktung wird in Abschn. 4.5 ausführlich diskutiert. Werbemittel Hinsichtlich der Werbemittel steht bei der Onsite-Bewerbung einer App die gesamte Bandbreite der gängigen Formate zur Verfügung. Angefangen von einfachen Textlinks über verschiedene Banner bis hin zu intelligent ausgesteuerten Overlays sind sämtliche Varianten denkbar, wobei neben Text und statischen Grafiken grundsätzlich auch Videos ein denkbares Mittel darstellen, um die Mehrwerte einer App kompakt zu vermitteln und zum Download aufzufordern. Im Fall mobil ausgesteuerter Werbung, welche den Regelfall darstellen dürfte, ist mit Blick auf Geschwindigkeit und limitierte Datenvolumina auf eine entsprechende Kompression zu achten beziehungsweise der Einsatz von (hochauflösenden, langen) Videos zu vermeiden. Bei der Gestaltung mobil ausgesteuerter Werbemittel müssen ferner die diesbezüglichen Grundsätze Beachtung finden, wobei neben einer ausreichenden Schriftgröße und reduziertem Text auch auf einen deutlichen Call-to-Action hinzuweisen ist, sodass der

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Nutzer etwa durch Einbindung eines hinreichend auffälligen Buttons deutlich auf die Möglichkeit zur Interaktion mit dem jeweiligen Werbemittel hingewiesen wird. Beispiel: Microsoft Start per Button im Newsartikel auf MSN herunterladen

Mit der App „Start“ bietet Microsoft (2023) eine „One-Stop-App für tägliche Aktivitäten wie News, SMS uvm“. Die App wurde auf Google Play mehr als fünf Millionen Mal heruntergeladen und ist bei rund 190.000 Rezensionen mit 4,2 Sternen bewertet. Ruft ein Nutzer einen Newsartikel bei dem zu Microsoft gehörenden MSN auf, erscheint direkt unter dem Titelbild des Artikels in der mobilen Ansicht ein blauer Button, der zum „Weiterlesen in der App“ auffordert und Nutzer über eine Landingpage auf den passenden App-Marktplatz verweist. Der Button ist dabei direkt über einem zweiten Button platziert, mit dem der Artikel in der mobilen (Browser-) Ansicht angezeigt werden kann. Besonders spannend ist diese Form der App-Vermarktung über die Website, weil ein großer Teil des Traffics von MSN über Google Discover beziehungsweise Google News kommen dürfte und mit Hilfe eines Downloads von Microsoft Start möglicherweise dauerhaft an Microsoft Start gebunden werden könnte. ◄ Smart App Banner für iOS (und Android) Eine besondere Form des Werbemittels im Onsite-Marketing ist das sogenannte Smart App Banner, das für iOS angeboten und von Apple (2022d) so beschrieben wird: “In iOS, Smart App Banners provide a consistent look and feel that users come to recognize. They trust that tapping the banner will take them to the App Store and not a third-party advertisement. They appreciate unobtrusive banners at the top of a webpage, instead of a full screen that interrupts their experience with the web content.”

Smart App Banner werden iOS-Nutzern am oberen Bildschirmrand der Website eines App-Publishers angezeigt, um auf dessen iOS-App hinzuweisen. Schließt ein Nutzer das Banner, erscheint das Banner beim nächsten Aufruf der Seite nicht erneut. Hat ein Nutzer die beworbene App bereits installiert, fordert das Banner nicht zum Download, sondern zum Öffnen der App auf. Hierbei lassen sich auch Deeplinks nutzen, die nicht nur die App auf dem Startscreen öffnen, sondern auf dem jeweils zur aktuell aufgerufenen Seite passenden Screen der App. Beispiel: Smart App Banner bei Radio Hamburg

Eine der Apps, die mit Hilfe eines Smart App Banners beworben werden, ist die „Radio Hamburg“-App des gleichnamigen Radiosenders, welche bereits in Abschn. 4.3.2 vorgestellt wurde. Sowohl auf iOS als auch auf Android wird beim Aufruf der Website ein Banner am oberen Bildschirmrand ausgesteuert, das zum Download der App auffordert oder – zumindest im Fall von iOS – eine bereits installierte App erkennt und das Öffnen der App anbietet. ◄

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Obwohl das Smart App Banner mit dieser Bezeichnung und mit der Funktionalität, auch vorhandene Installationen zu erkennen, so nur von Apple angeboten wird, gibt es mittlerweile auch Adaptionen für Android. Diese werden nicht von Google angeboten und sind im Funktionsumfang im Vergleich zum Smart App Banner von Apple eingeschränkt, eignen sich jedoch ebenfalls zur unaufdringlichen und doch auffälligen Onsite-Werbung für eine App.

4.4.4 E-Mail-Marketing & Newsletter Ähnlich der Werbung über die eigene Website handelt es sich bei der App-Vermarktung per E-Mail-Marketing und insbesondere über Newsletter um Owned Media-Kanäle, jedenfalls, wenn zur Aussteuerung der eigene Verteiler verwendet wird. Exkurs: E-Mail-Marketing über fremde Verteiler Ebenfalls denkbar, jedoch nicht im Fokus dieses Kapitels, ist die Nutzung eines fremden Verteilers, wobei der App-Publisher die Werbemittel für einen Newsletter bereitstellt, den der Anbieter des Verteilers im eigenen Namen versendet und zum Beispiel auf „Angebote von Partnern“ hinweist. Häufig werden dabei monetäre Incentives eingesetzt, die den Anreiz zum App-Download (oder andere Aktionen) steigern sollen. Ob und wie erfolgreich die App-Vermarktung per E-Mail über fremde Verteiler ist, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich angemerkt sei jedoch, dass der Abonnent im Regelfall weder mit der beworbenen App noch mit dem bewerbenden App-Publisher vertraut ist, sodass der Auswahl des passenden Werbeumfelds in einem solchen Szenario besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden sollte. Auch die Adressqualität ist, gerade bei ausschließlich oder vornehmlich zur Vermarktung aufgebauten E-Mail-Verteilern, mitunter sehr heterogen. Die vertiefende Betrachtung der App-Vermarktung über fremde E-Mail-Verteiler ist nicht Teil dieses Werkes.

Grundsätzlich denkbar sind verschiedene Zielgruppen, Formate und Anlässe, um per EMail auf eine App aufmerksam zu machen. Die Bandbreite reicht bei der Zielgruppe von einer E-Mail an den gesamten Verteiler bis hin zu einer feinen Selektion. Bei den Formaten ist ein kurzer Hinweis in einer ohnehin versendeten E-Mail ebenso denkbar wie ein Stand-Alone Mailing, welches sich ausschließlich den Vorteilen der App widmet. Die Anlässe reichen von der anlasslosen Kommunikation an alle bis hin zur günstigen Gelegenheit, den einzelnen Kontakt passgenau mit einem für ihn in diesem Moment relevanten Mehrwert der App abzuholen. Vorteil: Erreichte Kontakte mit App-Publisher bereits vertraut Ein entscheidender Vorteil des E-Mail-Marketings ist, ähnlich wie bei der App-Vermarktung über die eigene Website (Abschn. 4.4.4), dass die erreichten Kontakte sich, jedenfalls bei sauber aufgebautem Verteiler, selbst für den Erhalt von E-Mails des Unternehmens registriert haben, oder, im Fall von E-Mail-Werbung basierend auf UWG § 7 Abs. 3, beim Unternehmen in der Vergangenheit bereits gekauft haben, und insofern mit dem App-Publisher als Marke vertraut sind. Deshalb profitiert die App-Vermarktung

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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beim E-Mail-Marketing von einem Vertrauensvorschuss, beschränkt die Vermarktungsaktivitäten andererseits aber auch auf bestehende Kontakte. Dabei muss das E-Mail-Marketing – ähnlich wie später das Versenden von Push Notifications an App-Nutzer – stets zwischen der Möglichkeit zur Werbung einerseits und dem Risiko einer Abmeldung auf der anderen Seite abwägen. Trotz – oder gerade – weil die Werbung per E-Mail im Prinzip kein Geld kostet, muss entsprechend die Frage der Relevanz der Inhalte für den individuellen Nutzer Berücksichtigung finden. E-Mail-Formate Um eine App per E-Mail zu bewerben, sind verschiedene Formate denkbar, abhängig davon, wie viel Raum der App in der Kommunikation gegeben werden kann und soll. Wird ein Mailing aufgesetzt, dass einmalig und abseits der regelmäßigen (zum Beispiel wöchentlichen Newsletter-) Kommunikation versendet wird und inhaltlich monothematisch auf die App-Vermarktung ausgerichtet ist, wird von einem Stand-Alone gesprochen (rapidmail.de, 2021). Stand-Alone Mailings bieten viel Platz zur Kommunikation der Vorteile und Funktionen einer App und erlauben darüber hinaus auch Hinweise auf (gegebenenfalls erklärungsbedürftige) Incentives. Da Stand-Alones in der Erstellung ähnlich aufwändig wie reguläre Newsletter sind, muss die Zielgruppe einerseits breit genug gewählt werden, um eine entsprechende Reichweite zu erzielen und andererseits spezifisch genug, um eine entsprechende inhaltliche Relevanz aufzuweisen (…wobei in der Praxis regelmäßig große Reichweite höher bewertet wird als inhaltliche Relevanz). In jedem Fall immer anzustreben ist bei der Selektion der Zielgruppe ein Ausschluss per App-Nutzer, soweit bekannt. Denkbar ist es, Stand-Alone Mailings von Anfang an so zu konzipieren, dass sie regelmäßig „recycelt“ werden können: Werden zum Beispiel immer alle App-Nutzer oder, etwas konservativer, alle Öffner der letzten Stand-Alone Mail ausgeschlossen, kann das gleiche Mailing, gegebenenfalls mit angepasster Betreffzeile, auch mehrmals über einen Zeitraum von mehreren Monaten versendet werden. Eine deutlich weniger aufwändige Variante zur App-Vermarktung mit Hilfe des E-Mail-Marketings ist die Einbindung in die ohnehin bestehende NewsletterKommunikation. Häufig zu finden sind hier die Download-Buttons der App-Marktplätze von Apple und Google, welche im Footer des Newsletters eingebunden werden. Auch kurze Hinweise in einem einleitenden Editorialtext, welche per Textlink auf die App-Marktplätze verweisen, sind gängig. Darüber hinaus ebenfalls verbreitet ist die Nutzung von Bannerflächen im Newsletter. In jedem Fall zu bedenken ist die Abwägung gegen andere potenzielle Inhalte, welche stattdessen ausgespielt werden könnten und gegebenenfalls unmittelbar auf das Geschäftsmodell einzahlen (zum Beispiel eine direkte Umsatzwirkung haben). Auch die Kannibalisierung anderer Inhalte, welche im gleichen Newsletter ausgesteuert werden, ist zu bedenken, insbesondere, wenn man annimmt, dass Nutzer in einem einzelnen Newsletter im Schnitt kaum mehr als ein einziges Mal klicken. Zuletzt zu nennen ist die Einbindung von Werbemitteln zur App-Vermarktung in automatisch versendete E-Mails.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Passende Anlässe in automatisierten E-Mails Zahlreiche Touchpoints entlang der gesamten Customer Journey in verschiedensten Geschäftsmodellen werden durch E-Mail-Kommunikation begleitet – angefangen bei einer E-Mail, die die eingegangene Bestellung in einem Online-Shop dokumentiert, über die „Passwort vergessen“-Mail eines sozialen Netzwerks bis hin zur E-Mail, mit der die Kündigung eines Zeitungsabonnements bestätigt wird. Alle diese E-Mails werden aufgrund einer Nutzerinteraktion automatisch angestoßen und versendet und bieten Potenzial zur Integration werblicher Inhalte. Beispiel: OTTO – Icons zum App-Download im Footer

Mit mehr als zehn Millionen Downloads und 4,6 Sternen bei mehr als 120.000 Rezensionen auf Google Play und 4,8 Sternen bei über 600.000 Bewertungen im Apple App Store gehört die OTTO-App zu den beliebtesten Shopping-Apps im deutschsprachigen Raum (OTTO (GmbH & Co KG), 2022a, b). Meldet sich ein Nutzer zum Newsletter von OTTO an, erhält er zunächst eine EMail, die zur Bestätigung des Double Opt-In auffordert, und, nach Bestätigung, eine E-Mail, die die erfolgreiche Anmeldung zum Newsletter bestätigt. In beiden Fällen enthält die E-Mail im Footer unter anderem die Telefonnummer des Kundenservice, einen Link zum kostenlosen Rückruf-Service und einen Hinweis auf die E-Mail-Adresse des Kundenservice. Darüber hinaus enthalten ist im Footer dieser – und zahlreicher anderer automatisierter E-Mails – die Aufforderung „Jetzt unsere App herunterladen“. Dazu eingebunden sind die bekannten Buttons zum Download der App im Apple App Store und bei Google Play. ◄ Neben den bekannten Icons sind auch eigene grafische Umsetzungen denkbar, um auf eine App hinzuweisen. Beispiel: DECATHLON – App Icon in der Benachrichtigungsmail zur Rechnung

Die DECATHLON-App wurde bereits in den einleitenden Beispielen in Abschn. 4.3 vorgestellt. Auch DECATHLON bewirbt seine App per E-Mail und weist zum Beispiel in der Benachrichtigungsmail zur Rechnung mit dem Icon der App und dem Schriftzug „DECATHLON APP“ auf die Applikation hin. Der Klick auf „mehr erfahren“ führt den Nutzer auf eine Landingpage auf decathlon.de, welche die Vorteile und Funktionen der App des Sportartikelhändlers beschreibt. ◄ So wie im Fall von OTTO und DECATHLON lassen sich zahlreiche weitere Beispiele in automatisiert versendeten E-Mails unterschiedlichster Unternehmen finden, die auf diese Weise versuchen, ihre App zu vermarkten. Während diese Beispiele wenig prominent platzierte Vermarktungsansätze darstellen, sind darüber hinaus auch andere Anlässe und entsprechend deutlichere Hinweise auf eine

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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App denkbar. E-Mails etwa, die die Anlage eines Kundenkontos oder die Registrierung für ein Treueprogramm bestätigen, bieten einen guten Anlass, eine flankierende App prominent zu platzieren. Weniger bei der Vermarktung per Stand-Alone, durchaus jedoch bei der Integration in die bestehende Newsletter-Kommunikation und in der Regel auch im Fall der Einbindung in automatisierte E-Mails ist grundsätzlich zu beachten, dass solche Maßnahme rein auf Basis der Empfängerzahlen mitunter groß Reichweiten ausweisen können, der tatsächliche Erfolg jedoch deutlich von der Platzierung im Werbemittel abhängt. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass etwa der Footer einer E-Mail entweder kaum wahrgenommen oder – wie im Fall von Gmail – womöglich sogar ab einer gewissen Länge abgeschnitten wird. Insofern dürfte die Einbindung der App-Vermarktung in diesen Fällen sicherlich zu einem gewissen „Grundrauschen“ bei den Installationen beitragen, wird aber kaum für größere Sprünge bei den Nutzerzahlen ausreichen. 

Achtung: Anforderungen an rechtskonformes E-Mail-Marketing 

Das Versenden von Werbung per E-Mail ist je nach Land an unterschiedlich hohe Anforderungen geknüpft und erfordert unter anderem in Deutschland das Einverständnis des Nutzers zum Erhalt von Werbung. Auch, wenn der Hinweis auf eine App in Service- und Transaktionskommunikation naheliegend ist, kann dieser als Werbung verstanden werden und erfordert dann ein entsprechendes Einverständnis. So weist Föhlisch (2022) mit Bezug auf ein Urteil des Landgerichts Stendal vom 12.05.2021 darauf hin, dass die E-Mail, die zur Bestätigung eines Double Opt-In auffordert, „ausschließlich die Aufforderung zur Bestätigung der Einwilligung […] und keine weiteren werblichen Elemente“ enthalten dürfe und, jedenfalls nach Auffassung des Stendaler Landgerichts schon „bei Verwendung eines Logos und des Satzes ‚Welcome to‘ in Verbindung mit einer Marke“ von unzulässiger Werbung auszugehen sei. Hierbei darf davon ausgegangen werden, dass wohl auch der Hinweis auf eine App in diesem Kontext unzulässig wäre. Abseits der E-Mail, die zur Bestätigung des Double Opt-In auffordert, wäre denkbar, die Problematik zu lösen, indem nur Nutzer in automatisierten E-Mails Hinweise auf eine App angezeigt bekommen, wenn diese ein werbliches Einverständnis erteilt haben. Werbetreibenden sollten sich in jedem Fall fachkundig rechtlich beraten lassen.

4.4.5 Social Media & Influencer Das Social Media Marketing und die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen mit Hilfe von Influencern gehören bereits seit einigen Jahren zu den Standardinstrumenten im Online-Marketing. Die jüngere Vergangenheit ist dabei geprägt von einer starken Dynamik, die immer wieder neue soziale Netzwerke und Plattformen

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

hervorbringt und als etabliert angesehene wieder verschwinden lässt. Insofern dienen die folgenden Ausführungen vor allem einer grundsätzlichen Einordnung und beinhalten keine konkreten Hinweise zu einzelnen Social Networks. Unterscheidung in Owned, Paid und Earned Social Media Ähnlich, wie sich auf höchster Ebene die Kanäle in Owned, Paid und Earned Media unterscheiden lassen (vgl. Abschn. 4.4, Abb. 4.9), ist diese Unterscheidung auch im Social Media Marketing im Speziellen vorzunehmen, um daran orientiert die Möglichkeiten der App-Vermarktung über soziale Netzwerke zu erläutern. Ähnlich der von Kreutzer (2021a, S. 418) vorgeschlagenen Systematik zeigt Abb. 4.12, wie sich unterschiedliche Kommunikation – ausgehend vom Werbetreibenden oder von den Nutzern, bezahlt oder unbezahlt – in sozialen Netzwerken klassifizieren lässt. Charakteristisch ist grundsätzlich und, mit Einschränkungen, mit Blick selbst auf bezahlte Werbung, dass soziale Medien als multi-direktionale Netzwerke zu verstehen sind, die durch die Vernetzung, Interaktion und Kommunikation der verschiedenen Akteure miteinander geprägt sind. Ferner erlauben soziale Netzwerke, abseits der selbst produzierten Inhalte, kaum eine Kontrolle über die verbreiteten Inhalte und über die Art, wie mit diesen Inhalten interagiert wird (Kreutzer, 2021a, S. 410 f.) Kreutzer (2021a, S. 408) warnt deshalb mit Blick auf das Verständnis sozialer Medien:

Eig. Präsenz in sozialen Netzwerken (Facebook-Page, Instagram-Account etc.) und eig. Blogs & Communities

Owned Media

Eig. Beiträge in eig. Blogs & eig. Communities

Bezahlte Werbeanzeigen in sozialen Netzwerken oder fremden Communities & Blogs

Paid Media

Organische Beiträge von Nutzern zu eig. Angeboten in anderen Blogs & Communities

Earned Media

Abb. 4.12   Owned, Paid & Earned Media im Social Media-Kontext. (Angelehnt an Kreutzer, 2021a, S. 418)

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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„Die sozialen Medien dürfen nicht als weiterer reiner Verkaufs-, Werbe- oder PR-Kanal missverstanden werden. Soziale Medien eröffnen vielmehr interessante neue Möglichkeiten, in den Dialog mit Stakeholdern zu treten […].“

Soziale Netzwerke sind also als Beziehungsnetzwerke zu verstehen, die von allen Akteuren – und damit auch von Unternehmen – unter anderem eine persönliche Ansprache, einen offenen Dialog und hilfreiche Inhalte mit echtem Mehrwert für die Nutzer erfordern (Ott, 2018, S. 93). Social Media als Owned & Earned Media-Kanal für App-Vermarktung In praktisch allen großen sozialen Netzwerken sind Unternehmen – beziehungsweise App-Publisher – ähnlich wie Konsumenten Akteure innerhalb des Netzwerks, welche eigene Inhalte erstellen und mit den Inhalten anderer Akteure interagieren können. Die Inhalte werden zuvorderst am Unternehmen interessierten Accounts – je nach Netzwerk zum Beispiel „Followern“ – ausgesteuert, die mit diesen Inhalten interagieren können – je nach Netzwerk also Liken, Kommentieren und/oder Teilen. Sie tragen so entweder unmittelbar durch das Teilen selbst zur weiteren Verbreitung der Inhalte im Netzwerk bei oder mittelbar, weil die entsprechenden Algorithmen Interaktionen den Inhalten eine gewisse Relevanz zuschreiben und sie deshalb – sehr einfach ausgedrückt – bevorzugt anzeigen. Hinsichtlich der Formate sind, je nach Netzwerk, Textbeiträge, Bilder oder Videos möglich. In allen Fällen, insbesondere jedoch bei Videos ist zu beachten, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Nutzer in den vergangenen Jahren immer geringer geworden zu sein scheint und insofern binnen kürzester Zeit das Interesse der Nutzer an dem Inhalt geweckt werden muss. Hinzu kommt, dass die meisten Nutzer soziale Netzwerke nicht primär mit der Intention nutzen, werbliche Inhalte von Unternehmen sehen zu wollen, sodass werbliche Inhalte entsprechend attraktiv aufbereitet sein müssen. Inhaltlich denkbar zur App-Vermarktung sind entsprechend neben einfachen Text-, Bild- oder VideoPostings, die auf Funktionen und Vorteile der App aufmerksam machen, insbesondere solche Inhalte, bei denen der bestehenden Followerbasis ein für sie exklusiver (häufig monetärer) Mehrwert kommuniziert wird. Ebenfalls denkbar sind Aktionen, die Nutzerinteraktionen mit der Unternehmenspräsenz im sozialen Netzwerk oder mit einem bestimmten Posting fördern. Die Beispiele reichen dabei von einfachen Gewinnspielen, häufig explizit gekoppelt an eine oder mehrere bestimmte Nutzerinteraktionen im Netzwerk bis hin zur Ausrichtung von Wettbewerben, bei denen Nutzer Inhalte teilen sollen, die dann von Jury des Unternehmens oder der Community bewertet werden und mit einem Gewinn belohnt werden. Gerade, wenn die Erstellung der Inhalte durch die Nutzer die App zwangsweise erfordert, etwa, wenn in einer Gaming-App ein Screenshot von einem Highscore geteilt werden soll, können solche Aktionen Nutzerinteraktionen in sozialen Netzwerken fördern und weisen ein entsprechend hohes Viralitätspotenzial auf.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Bei ausschließlich organisch verteilten Inhalten, welche bevorzugt von der eigenen Followerschaft gesehen werden, ergibt sich eine Parallele zu E-Mail-Marketing: Wer einem Unternehmen folgt, verspürt zu diesem Unternehmen in der Regel bereits eine gewisse Bindung und ist vermutlich überdurchschnittlich häufig auch bereits Kunde. Insofern trägt die App-Vermarktung über organische Social Media-Beiträge grundsätzlich vermutlich weniger zur Akquise neuer App-Nutzer bei als die Aussteuerung bezahlter Werbung. Gleichzeitig eignen sich organisch verbreitete Inhalte also eher zur (noch besseren) Bindung bestehender Kunden, wenn diese zusätzlich auch noch die App des werbenden Unternehmens herunterladen. Social Media als Paid Media-Kanal für die App-Vermarktung In praktisch allen großen sozialen Netzwerken ist die Buchung bezahlter Werbung durch Werbetreibende möglich. Dabei werden in der Regel – gegebenenfalls nur zum Zweck der bezahlten Werbung gepostete – Inhalte oder der Account des Werbetreibenden beworben. Während letzteres zur Gewinnung neuer Follower eingesetzt wird, zielt die Werbung für Inhalte in der Regel auf die Steigerung von Interaktionen innerhalb des Netzwerks oder sich daran anschließende Interaktionen, etwa eine Conversion auf einer Website, ab. Darüber hinaus bieten verschiedene soziale Netzwerke auf spezielle Formate zur Vermarktung von Apps an. Je nach Netzwerk stehen unterschiedliche Parameter zur Gestaltung der Werbung zur Verfügung, welche dann, ebenfalls abhängig vom Netzwerk, in unterschiedlicher Weise ausgesteuert wird. Auf einzelne Werbeformate soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da immer wieder neue Netzwerke an Popularität gewinnen und wieder vom Markt verschwinden und immer wieder neue Werbeformate entwickelt und andere deaktiviert werden. Charakteristisch für alle Netzwerke sind die häufig umfangreichen Möglichkeiten zum Targeting der bezahlten Werbung, wobei Kamps und Schetter (2020, S. 135 f.) unter anderem folgende Targetingoptionen nennen: • Location & Demographie: Länder, Bundesländer, Alter, Geschlecht, Beziehungsstatus • Interessen-Targeting: Branchen, Marken, Produkte • Custom-Targeting: Matching von First Party Data des App-Publishers (zum Beispiel E-Mail-Adresse oder Telefonnummer) mit Nutzerprofilen des Social Network • Lookalike-Targeting: wie Custom-Targeting, wobei Nutzer erreicht werden sollen, die den eigenen Nutzern sehr ähnlich sind • Connection-Targeting: Nutzer, denen die eigene Seite gefällt Beim Targeting per Location & Demographie sowie über Interessen richten sich die Targetingeinstellungen nach der vom App-Publisher avisierten Zielgruppe, sofern diese über die entsprechenden Parameter definiert werden kann. Handelt es sich bei der zu bewerbenden App um ein komplementäres oder substitutives Angebot eines Unternehmens,

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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welches unabhängig von dieser App in den sozialen Medien präsent ist, ermöglichen das Connection- und das Custom-Targeting die Ansprache bestehender Follower oder Kunden, sodass die App als zusätzliches oder ergänzendes Angebot des Unternehmens bei diesen Followern und Nutzern positioniert werden kann. Das Lookalike-Targeting kann verwendet werden, um solche Social Media-Nutzer zu erreichen, die der bestehenden Follower- oder Kundenbasis ähnlich sind. Kamps und Schetter (2020, S. 135 f.) sprechen dazu auch von “Datenzwillingen”. Viele soziale Netzwerke bieten zudem über die Integration eines entsprechenden SDKs (Software Development Kit) in die App des App-Publishers an, über das Lookalike-Targeting unmittelbar App-Nutzer beziehungsweise den App-Nutzern ähnliche Nutzer des Social Networks anzusprechen. Hieraus lässt sich neben der Akquise von neuen Nutzern auch die Möglichkeit ableiten, mit bestehenden App-Nutzern über soziale Netzwerke in Kontakt zu treten, etwa um diese bei Inaktivität zurückzugewinnen. Hinsichtlich des Trackings insbesondere von bezahlter Werbung auf sozialen Netzwerken – sowohl zum Generieren von App-Installationen als auch zur Steigerung von App-Engagement – ist zu beachten, dass es auch im Fall von Social Media zu dem in Abschn. 4.5 erläuterten Medienbruch kommt. Die von den sozialen Netzwerken angebotenen SDKs, die App-Publisher in ihre App integrieren können, helfen den Werbeerfolg nachzuvollziehen. Influencer Marketing als neuere (Sonder-) Form von (Paid) Social Media Eine Entwicklung, die in den vergangenen Jahren immer stärker an Relevanz im Marketing gewonnen hat und aus diesem an vielen Stellen mittlerweile kaum noch wegzudenken scheint, ist das Influencer Marketing. Dabei kooperieren Werbetreibende mit Influencern, also reichweitenstarken Accounts, und lassen diese für ein Produkt – etwa eine App – werben. Der Begriff der Kooperation reicht dabei von einer einfachen Bitte zur unentgeltlichen Erwähnung über eine de facto Vergütung durch ein Gratisprodukt bis hin zu einer realen Vergütung, wobei die gesamte Bandbreite möglicher Vergütungsstrukturen in der Praxis zu finden ist – von der Bezahlung zum Festpreis bis hin zu provisionsbasierten Modellen. Im Gegensatz zum Social Media-Advertising, bei dem Werbetreibende Werbung über den Anbieter des jeweiligen sozialen Netzwerks buchen, besteht im Influencer Marketing keine Verbindung von werbendem App-Publisher zum sozialen Netzwerk, sondern lediglich und unmittelbar zwischen App-Publisher und Influencer. Auch, wenn das Influencer Marketing gerade in Marketing- und insbesondere Online-Marketing-Kreisen sehr präsent zu sein scheint, zeigen Zahlen der VuMA, dass rund 80 % der Verbraucher in Deutschland auf Nachfrage bei Kaufentscheidungen nicht durch Influencer beeinflusst werden (Abb. 4.13). Gleichwohl muss auch anerkannt werden, dass rund zehn Prozent mindestens gelegentlich Kaufentscheidungen aufgrund von Empfehlungen von Influencern beeinflusst werden. Es darf angenommen werden, dass insbesondere jüngere, technikaffine und Social Media-begeisterte Zielgruppen durch Influencer beeinflusst werden.

226 Abb. 4.13   Umfrage in Deutschland zum Folgen der Kaufempfehlung von Influencern. (VuMA, 2021b)

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen 100% 78.5% 75% 50% 25% 0%

1.6%

9.0%

10.8%

0.2%

Exemplarisch für den deutschsprachigen Raum zeigt Abb. 4.14 die zehn größten Influencer im Bereich veganer Ernährung anhand ihrer Followerzahlen bei YouTube. Die Zahlen zeigen eine teils enorm große Reichweite, sodass sich hier auch entsprechende Potenziale zur App-Vermarktung ergeben, sofern Zielgruppe eines Influencers und Zielgruppe einer App zusammenpassen. Entsprechend kritisch für die App-Vermarktung über Influencer ist die Auswahl passender Influencer. Kreutzer (2021b, S. 40) schlägt hierzu vor, sich bei der Evaluation einer Zusammenarbeit mit einem Influencer an den BARDE-Dimensionen zu orientieren: • Bekanntheit in der relevanten Zielgruppe • Assoziationsprofil (Beliebtheit, Sympathie, Glaubwürdigkeit im Themenfeld, Persönlichkeit) • Reichweite (im angestrebten Medienkanal) • Durchführbarkeit (Zusammenarbeit, Kosten) • Eignung (Person-Brand-Fit)

Abb. 4.14   Top 10 der beliebtesten deutschsprachigen veganen Influencer bei YouTube nach Abonnenten. (HitchOn, 2022)

mirellativegal Marie Johnson JANAklar Lisa Sophie Laurent annalaurakumme Kupferfuchs Philipp

Joannas Essentials Jacko Wusch Vegan ist Ungesund 0

200

400

600

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

227

Insbesondere die Identifikation der eigenen Zielgruppe mit dem ausgewählten Influencer ist laut Wissenschaft von hoher Bedeutung für das Verhalten der adressierten Konsumenten und damit wohl auch für den Erfolg des Influencer Marketings in der App-Vermarktung (Masuda et al., 2022). Forschungsergebnisse aus der Gastronomie zeigen zudem, dass auch das Geschlecht der ausgewählten Influencer auf den Kampagnenerfolg wirkt, wobei – hier am Beispiel Saudi-Arabiens – bei männlichen Influencer die Vertrauenswürdigkeit und bei weiblichen Influencern vor allem die Attraktivität eine wichtige Rolle spielt (Leung et al., 2022). Erhebungen im Kontext von Luxusmarken, die den Einfluss von länderweise lokal ausgewählten Influencern untersuchen, können am Beispiel Chinas zeigen, dass Strategien zur Influencer-Auswahl lokal angepasst sein sollten (Yu & Hu, 2020). Datenbanken, die Influencer unterschiedlichster Bereiche und Größe führen, sowie auf das Influencer Marketing spezialisierte Agenturen bieten erste Anlaufpunkte, um die App-Vermarktung über Influencer zu evaluieren und konkrete Influencer für eine potenzielle Zusammenarbeit zu identifizieren. Monetärer Anreiz und Tracking zugleich: Influencer Marketing mit Gutscheincode Gerade in der (häufig Performance-getriebenen) App-Vermarktung bietet sich neben der im Influencer Marketing häufig zu findenden Vergütung zum vorher vereinbarten Festpreis (zusätzlich) eine Vergütung auf Basis der generierten Downloads oder – in der heruntergeladenen App abgeschlossenen – Abonnements an. Gerade bei der ersten Zusammenarbeit mit einem Influencer können so finanzielle Risiken minimiert werden, wenn der Fixkostenanteil für die Zusammenarbeit reduziert wird. Entsprechend ergibt sich nicht nur aus Gründen der Nachvollziehbarkeit des Werbeerfolgs, sondern auch zum Zweck der Abrechnung die Frage nach dem Tracking. Im Influencer Marketing hat sich dazu die Ausgabe eines Gutscheincodes (je Influencer) etabliert, wobei der Influencer auf die App aufmerksam macht und zur Eingabe des Gutscheincodes, etwa im Rahmen der Registrierung oder des Abschlusses eines (Probe-) Abonnements, auffordert. Nach Ablauf der Kampagne erfolgt dann die Ausschüttung, wobei als Grundlage die mit dem Gutscheincode generierten Registrierungen, Bestellungen oder abgeschlossenen Abonnements herangezogen werden. Hieraus ergibt sich auch die Möglichkeit, den Erfolg des Influencer Marketings in der App-Vermarktung ursachengerecht nachzuvollziehen. Nur über Gutscheincodes oder vom App-Publisher bereitgestellte Trackinglinks, die die Influencer in ihrer Kommunikation nutzen, lässt sich der einzelne Download auch einer konkreten (Influencer-) Kampagne zuordnen. Ansonsten sind App-Publisher auf sehr grundlegende Daten des Influencers, etwa die Anzahl der Views und Interaktionen eines Werbepostings, angewiesen. Sollen dabei auch Installationen nachvollzogen werden, sind lediglich Approximationen möglich. Dies schließt insbesondere die Betrachtung der Anzahl der Installationen im Zeitverlauf ein, gegebenenfalls (durch die Play Console und App Store Connect eher oberflächlich) aufgeschlüsselt nach Quelle. Darüber hinaus muss angemerkt werden, dass auch QR-Codes, Shortlinks sowie über im Rahmen von Registrierung oder Be-

228

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

stellung verwendete Gutscheincodes stets nur Approximationen darstellen können (Abschn. 4.5). Abgesehen von der Betrachtung der Anzahl der Installationen im Zeitverlauf erfordern alle anderen Varianten eine entsprechende Kooperation der Influencer. Entsprechend gehört eine Einigung zur Verwendung einer oder mehrerer Trackingmöglichkeiten in jedem Fall zu einer Kooperationsvereinbarung dazu.

4.4.6 Display Advertising Der Begriff des Display Advertising im engeren Sinne meint insbesondere die Schaltung von Banner Ads und schließt mittlerweile auch Abwandlungen in diesem Kontext ein. In den Anfängen verstanden als die (hochgradig manuelle) Buchung eines statischen Werbeplatzes auf einer Website umfasst der Begriff wie ihn etwa Kamps und Schetter (2020, S. 91 ff.) verstehen heute neben Banner-Werbung auch das Native Advertising als Ausspielung von sehr nah am Design der jeweiligen Website orientierten Bannern und das Programmatic Advertising, wobei Werbeflächen in Echtzeit und pro Seitenaufruf durch Advertiser ersteigert werden. Kamps und Schetter (2020, S. 93) skizzieren die Entwicklung des Display Advertising so: „In den ersten Jahren wurde Display Advertising fast ausschließlich ähnlich einer Zeitungsanzeige in bestimmten Umfeldern zum TKP-Preis gebucht. Gängige KPIs waren dabei beispielsweise die gelieferte Reichweite (Ad Impressions) oder Klicks auf das Werbemittel. In den letzten Jahren hat sich allerdings das sogenannte Programmatic Advertising herausgebildet, wodurch Display Advertising zu einem echten Performance-Kanal avancierte.“

Mittlerweile dürfte ein großer Teil des Display Advertising als Programmatic Advertising abgewickelt werden. Dabei werden die einzelnen Werbeplätze in Echtzeit verkauft, wobei das Targeting insbesondere auf Basis von First Party Data und Third Party Data stattfindet. First Party Data meint dabei alle Daten, die direkt beim Advertiser selbst vorliegen, etwa E-Mail-Adressen oder die Kaufhistorie von Kunden. Third Party Data meint Daten, die zum Beispiel von einer Demand-Side Platform (DSP) errechnet oder eingekauft und für Selektionen bereitgestellt werden – etwa sozio-demographische Daten oder Daten zu Nutzerinteressen. Zu den Akteuren im Display Advertising gehören in jedem Fall ein Advertiser (Werbetreibender) und ein Publisher, welcher Werbeplätze anbietet. In der Regel – und insbesondere im Programmatic Advertising – finden Advertiser und Publisher über Werbenetzwerke zusammen, wobei die Advertiser eine Demand-Side Platform nutzen können, um Werbeplätze einzukaufen, und Publisher ihre Werbeplätze mit Hilfe einer Supply-Side Platform anbieten. Hinsichtlich der Formate nennen Ahrholdt et al., (2019, S. 9 f.) neben Bannern unter anderem auch Pop-ups, Pop-downs, Layer Ads und Content Ads. Insbesondere verstehen sie auch Display-Werbung in Apps als Display Advertising.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Ausgewählte Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren im Display Advertising Die folgenden Erkenntnisse stellen einen Überblick über grundlegende Erkenntnisse aus der Forschung zum Display Advertising dar, die sich auch auf die Vermarktung von Apps per Banner Ad übertragen lassen. Bei der Gestaltung der Werbemittel zeigen emotionale Inhalte, kombiniert mit Kaufanreizen, den größten positiven Einfluss auf die Click-through Rate (Bruce et al., 2017; Xie et al., 2004). Werden Texte auf den Werbebanner verwendet, sollten diese möglichst kurz sein (Baltas, 2003). Der Effekt der Verwendung eines Markennamens ist wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt. So zeigt eine Untersuchung, dass ein Markenname im Display Advertising zu niedrigeren Click-through Rates führt, wobei die Autoren annehmen, dass ein Werbebanner ohne Markenname eine stärkere Neugierde weckt (Chandon et al., 2003). Anderen Untersuchungen wie von Dahlén (2001) zeigen mit Blick auf den Effekt von Markennamen im Display Advertising jedoch das Gegenteil. Hinsichtlich der Größe von Ads gilt, dass große Ads grundsätzlich häufiger geklickt werden und länger in Erinnerung bleiben (Baltas, 2003; Chandon et al., 2003; Robinson et al., 2007). Auch das Verhalten, etwa ein Kauf, welches auf die Wahrnehmung einer Display-Anzeige folgt ist mit Größe der Bannerwerbung korreliert (Baron et al., 2014). Obwohl sich die Werbeeffektmessung, häufig schon aus technischen Gründen, eher auf die Messung kurzfristiger Effekte fokussiert, wirkt Display Advertising zusätzlich auch langfristig, wobei vom Carry Over-Effekt gesprochen wird (Ahrholdt et al., 2019, S. 213). Diesen Effekt beschreiben Braun und Moe (2013) als mit der Zeit abnehmend. Eine zusätzliche Unschärfe bedeuten die im Display Advertising zu beobachtenden Spillover-Effekte, also die Wechselwirkungen, die zwischen Werbekanälen entstehen, wobei Werbung auf einem Kanal A auch auf die in Kanal B nachweisbaren Werbeeffekte wirkt (Ahrholdt et al., 2019, S. 227). Überlegungen zum Display Advertising im App-Marketing Zwei grundlegende Ansätze zur Platzierung von Display Ads sind die Platzierung auf Basis des Werbeumfelds und auf Basis des individuellen Nutzers. Wird eine Display-Anzeige im Rahmen der App-Vermarktung über ein definiertes Werbeumfeld ausgesteuert, steht im Kern die Frage, welches Werbeumfeld, also welche Apps und Websites (oder Teile davon) zu der zu bewerbenden App passen. Der Medienkontext beeinflusst die Bewertung der eingebetteten Werbung, weshalb eine kongruente Platzierung anzustreben ist (Ahrholdt et al., 2019, S. 218; Goldberg & Gorn, 1987). So wäre für die App eines Baumarkts denkbar, diese mit Display-Anzeigen auf Websites zur Immobiliensuche zu platzieren, weil in Folge einer Immobiliensuche perspektivisch ein Umzug und damit auch eine Renovierung stehen. Dagegen könnte eine App, die Wanderer bei der Tourenplanung unterstützt, in Outdoor- und Reiseblogs gut platziert sein. Letztlich liegt der Platzierung über die Auswahl eines geeigneten Werbeumfelds die Annahme zugrunde, dass sich die Zielgruppe möglicher Publisher mit der Zielgruppe der App überschneiden beziehungsweise decken. Insbesondere die Schaltung von Werbung zur App-Vermarktung in Medium Apps, also anderen Apps, dürfte dabei einfache An-

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

knüpfungspunkte bieten, weil in jedem Fall eine gewisse Smartphone- und App-Affinität der Zielgruppe unterstellt werden darf (Wohllebe et al., 2020). Hieraus ergibt sich die Schaltung von Banner Ads auf Basis des individuellen Nutzers, welcher gerade eine Website (oder App) aufrufen möchte. Im Sinne des bereits erläuterten Programmatic Advertising wird der Nutzer beziehungsweise der über ihn bekannte Datensatz in einem Auktionsverfahren in Echtzeit versteigert. Dabei spielt das Werbeumfeld zunächst keine Rolle. In diesem Kontext insbesondere relevant ist das Retargeting. Dabei erhalten beispielsweise Nutzer, die die Website des App-Publishers besucht haben, im Nachgang mit Display Ads für die entsprechende App ausgesteuert. Der deutlich häufigere Fall dürfte sein, dass Nutzer, die sich für Outdoor oder Wandern interessieren, als Zielgruppe für die Display Ads ausgewählt werden und diese, unabhängig von der Frage der Website, auf der sie sich gerade befinden, ausgesteuert bekommen. Hinsichtlich des Trackings sollte beachtet werden, dass diese – abseits der bekannten Schwierigkeiten aufgrund des Umweges über die App-Marktplätze – weitaus größere Schwierigkeiten bereitet, wenn die App-Vermarktung zusätzlich auf Desktop Devices stattfindet. So legt der von Ahrholdt et al., (2019, S. 227) erläuterte Spillover-Effekt zwar nahe, dass Display-Werbung für mobile Apps auf Desktop-Geräten ebenfalls eine Wirkung erzielt, die jedoch technisch kaum nachzuweisen sein dürfte. Insofern kann jedenfalls grundsätzlich von Display Advertising zur App-Vermarktung abseits des Smartphones abgeraten werden.

4.4.7 Pre-Installs Neben der App Store Optimization gehören Pre-Install- (oder Pre-Load-) Kampagnen zu den wenigen tatsächlich App-exklusiven Vermarktungsmöglichkeiten im App-Marketing. Dabei kooperieren App-Publisher, häufig über entsprechend spezialisierte Vermarkter, mit Smartphone-Herstellern oder Mobilfunkanbietern, die die zu bewerbende App vor Auslieferung an die Endkunden auf ihren Geräten vorinstallieren. Die Endkunden sehen die vorinstallierten Apps, sobald sie ihr neues Smartphone zum ersten Mal einschalten und eingerichtet haben. Vorteile von Pre-Installs Genau hier sieht Marian Bucher, Professional Expert App Growth beim Hamburger ECommerce-Unternehmen OTTO, einen der zentralen Vorteile von Pre-Installs: „Ein wesentlicher Vorteil von Pre-Install-Kampagnen ist der sehr gute Kontext für die Bewerbung der eigenen App, denn diese erfolgt im Rahmen der Smartphone-Ersteinrichtung. Hier sind Nutzer*innen oftmals eher gewillt neue Apps auszuprobieren. Darüber hinaus zeichnen sich Pre-Install-Kampagnen durch ein hohes verfügbares Volumen gepaart mit einem günstigen eCPI aus.“

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

231

Eingesetzt werden Pre-Installs in zahlreichen Bereichen. So finden sich neben den Vorinstallationen der gängigen Apps von Google und den eigenen Apps der SmartphoneHersteller insbesondere auch Shopping- oder Games-Apps häufig “ab Werk” auf vielen Smartphones. In ihrer ehemaligen Funktion als Director Media & Market Development bei InnoGames skizziert Funda Yakin im Blog von Adjust dazu einen weiteren Vorteil von Pre-Installs. Durch die Vorinstallation durch den Gerätehersteller oder Mobilfunkanbieter wirken die so beworbenen Apps besonders vertrauenswürdig (Haslam, 2018): „[...] the app comes with a kind of recommendation from the mobile operator—and that’s a trust factor that plays in our favor.“

Diesen Eindruck bestätigt auch Akbar (2022), der einen direkten Zusammenhang zwischen dem Vertrauen in den Gerätehersteller und dem Vertrauen in die vorinstallierte App vermutet: „Because of these users’ trust in OEMs, they’re more likely to trust any preloaded apps that appear on their new devices. They’re likely to see that the OEM believes the apps to be safe enough to pre-install them on new devices, which will further help build a positive brand image for the app owners.“

Gleichzeitig mangelt es bei Pre-Install-Kampagnen an einheitlichen technischen Standards über die verschiedenen Gerätehersteller hinweg, wie Yakin skizziert (Haslam, 2018): „There is a downside because different carriers have different technical requirements. There is no standard, which means setting up is a lot of heavy lifting on our side.“

Durch die Zeitspanne zwischen Vorinstallation auf einem Endgerät und der tatsächlichen Auslieferung des Endgeräts haben Pre-Install-Kampagnen darüber hinaus eine lange Vorlaufzeit und erfordern entsprechende Planung, auch mit Blick auf App-Updates, wie Yakin (Haslam, 2018) erklärt: „It's hard to get on the device, and then you need to calculate anywhere from 6-12 months to set up the first campaign from both a technical perspective and the effort needed for negotiations.“

Marian Bucher von OTTO weist in diesem Zusammenhang auf den Unterschied zwischen Factory Pre-Loads und Digital Pre-Loads, wobei letztere das Problem lösen können, dass stets die aktuelle Version ein App auf dem neu eingerichteten Smartphone ausgesteuert werden soll: „Digitale Pre-Loads ermöglichen die automatisierte Vorinstallation direkt aus dem Google Play Store heraus. Hierdurch wird sichergestellt, dass immer die aktuelle App Version vorinstalliert wird. Dies adressiert den größten Nachteil von Factory Pre-Loads, denn dort müssen manuell APK-Files vorinstalliert werden, sodass schlimmstenfalls mehrere Monate

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

zwischen der Vorinstallation und der Smartphone-Ersteinrichtung liegen können. Weitere Vorteile von digitalen Pre-Loads sind erweiterte Targeting- & Bidding-Möglichkeiten, wie bspw. auf soziodemographische Merkmale oder das Smartphone-Modell.“

Erweiterung: Empfehlung und aktive Nutzerentscheidung für Installation Neben der reinen Vorinstallation einer App besteht darüber hinaus auch die Möglichkeit, über die Empfehlungsmechanismen der Geräteanbieter zusätzlich Aufmerksamkeit auf die zu vermarktende App zu lenken (AppSamurai, 2022). Für Marian Bucher ist die Kombination aus Pre-Install und Empfehlung der Königsweg, um für vorinstallierte Apps auch tatsächlich aktive App-Nutzer zu gewinnen: „Meine persönlich favorisierte Variante ist die sogenannte Out of the box Experience (OOBE). Hierbei werden der Nutzer*in nach erfolgreicher Geräteeinrichtung und dem Cloud Backup eine oder mehrere Empfehlungskacheln mit verschiedenen Apps angezeigt. Die Empfehlungskacheln sind nach Kategorien (Shopping, Games etc.) unterteilt und haben durch die native Integration nur einen geringen werblichen Charakter. Durch die Kopplung mit dem Cloud Backup wird außerdem eine Kannibalisierung mit bestehenden App Nutzern verhindert. Für die Installation der App ist in der Regel eine direkte Nutzer*innen-Interaktion notwendig (gewünschte Apps anhaken), was sich positiv in einer geringeren Deinstallationsquote manifestiert.“

Beim Targeting bieten verschiedene Anbieter verschiedene Optionen, wobei im Mittelpunkt der Überlegungen das verwendete Device steht. Bei der Planung einer Pre-Install-Kampagne sollten App-Publisher entsprechende Recherchen anstellen, um über die Auswahl passender Geräte möglichst die angestrebte Zielgruppe zu erreichen (Akbar 2022). Angemerkt sei dabei, dass Pre-Installs nach aktuellem Stand lediglich für AndroidSmartphones angeboten werden. Bei der Messung des Werbeerfolgs muss beachtet werden, dass die vorab installierten Apps mit entsprechenden Trackingparametern über spezialisierte Anbieter versehen werden müssen, um nachvollziehen zu können, wie sich die über Pre-Installs akquirierten Nutzer im Vergleich zu Nutzern anderer Quellen verhalten. Gerade, weil die über Pre-Installs akquirierten Nutzer sich ja nicht proaktiv für den Download der App entschieden haben, sondern praktisch direkt in die App-Nutzung einsteigen, ist die Notwendigkeit eines entsprechenden Onboardings zu betonen. So werden die neu akquirierten Nutzer in die Mehrwerte und Funktionen der App eingeführt, um möglichst eine nachhaltig bestehende Nutzerbasis aufzubauen. Abschn. 5.2.2 diskutiert die konkrete Ausgestaltung von Onboardingmechanismen.

4.4.8 Affiliate-Marketing Der Begriff des Affiliate-Marketing beschreibt, im Gegensatz etwa zum E-Mail- oder Social Media-Marketing weniger einen Marketingkanal, sondern vielmehr eine Art der Abrechnung. Charakteristisch für das Affiliate-Marketing ist, unabhängig von der Frage, ob

233

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

eine Werbung etwa per Banner oder per Textlink geschaltet wird, die provisionsbasierte Vergütung des Affiliates (beziehungsweise Publishers) durch den Advertiser in Folge einer definierten Zielinteraktion, etwa einem Kauf oder – seltener – einer Registrierung. Grundlegende Funktionsweise des Affiliate-Marketings Abb. 4.15 zeigt die Funktionsweise des Affiliate-Marketings am Beispiel eines OnlineShops. Die Abbildung geht dabei von einer direkten Zusammenarbeit von Advertiser und Publisher aus und erfordert insofern, dass der Advertiser sowohl die Abrechnung als auch die gesamte technische Abwicklung im Sinne des Trackings bereitstellt. In der Realität findet die Zusammenarbeit häufig mit Hilfe eines Affiliate-Netzwerks als Intermediär statt, welches Werbetreibende (Advertiser) und Anbieter von Werbeplätzen (Publisher) zusammenbringt (D. Petersen, 2017). Das Affiliate-Marketing wird insbesondere im E-Commerce genutzt, wobei für jeden von einem Affiliate über dessen Website oder App vermittelten Kauf eine Provision vom Werbetreibende gezahlt wird (Duffy, 2005). Die dabei ausgezahlte Vergütung erfolgt entsprechend auf CPO-Basis (Cost-per-Order). Daneben finden sich insbesondere auch Programme, die den Abschluss eines Abonnements oder eine bestimmte Nutzerinteraktion vergüten. Im Fall der Nutzerinteraktionen handelt es sich häufig etwa um Registrierungen, die für den Advertiser einen Lead darstellen, sodass auch von einer Vergütung auf CPL-Basis (Cost-per-Lead) gesprochen wird. Obwohl der Einsatz von Affiliate-Marketing in allen Phasen des Kaufprozesses möglich ist, wird es vornehmlich in kaufnahen Phasen der Customer Journey verwendet. Kamps und Schetter (2020, S. 14) weisen in diesem Zusammenhang auf die Last-Cookie-basierende Abrechnungslogik hin: „Die Abrechnung per Cost-per-Order (CPO), bei der das letzte Cookie die Provision erhält, hat dafür gesorgt, dass heutzutage fast ausschließlich diejenigen Publisher-Modelle erfolgreich sind, die erst kurz vor dem Kaufabschluss in Erscheinung treten.“

Affiliate-Marketing zur App-Vermarktung Auch im Kontext der App-Vermarktung lässt sich das Affiliate-Marketing einsetzen. Dabei sind verschiedenste Abrechnungsmodi denkbar. Insbesondere zu nennen sind die Advertiser (5) bezahlt Provision an

(2) leitet Kunden weiter an

Publisher

(4) verschickt Ware an

(1) besucht Website von

(3) bestellt bei

Kunde

Abb. 4.15   Grundlegende Funktionsweise des Affiliate-Marketings, hier am Beispiel eines Online-Shops

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

unmittelbare Vergütung einer App-Installation (auf CPI-Basis; Cost-per-Install) oder die Vergütung von spezifischen Nutzerinterkationen innerhalb einer App (auf CPL-Basis; Cost-per-Lead). In jedem Fall aus Sicht des Werbetreibenden zu definieren sind die Nutzerinteraktionen, welche sich aus den eigenen Unternehmenszielen ableiten, und ihre jeweilige Vergütung. Während die Preise für einen einfachen App-Install in der Regel im Bereich einiger Cents bis weniger Euros liegen, sind für bestimmte Nutzerinteraktionen bei Lead-basierter Abrechnung je nach Anwendungsfall auch mehrere Euros denkbar. Folgende Liste skizziert einige Szenarien, in denen eine CPL-basierte Vergütung im Kontext mobiler Apps denkbar wäre: • Für die App eines Portals zum Vergleichen und Abschließen von Versicherungen könnte die Publishervergütung an eine Registrierung und einen ersten Versicherungsvergleich der neu akquirierten Nutzer geknüpft sein. • Im Fall einer App für Sportwetten könnte eine Vergütung der Affiliates erfolgen, nachdem sich ein neu akquirierter Nutzer registriert und eine erste Guthabeneinzahlung vorgenommen hat. • Ein Streamingdienst mit Freemium-Modell könnte seinen Affiliates den Abschluss von Probeabonnements durch neue Nutzer vergüten. In allen drei Szenarien wäre grundsätzlich möglich, diese auch losgelöst von der AppVermarktung im Rahmen des Affiliate-Marketings zu verfolgen. Sollte der Fokus auf der Vermarktung der App des jeweiligen Anbieters liegen, wäre ferner denkbar, die Vergütung der Affiliates ausschließlich dann auszuschütten, wenn die jeweilige Aktion in der App stattfindet. Da dies zu einer Kannibalisierung anderer Kanäle führen könnte und solche Konsumenten außen vorlässt, die die App-Nutzung in den skizzierten Szenarien womöglich komplett ablehnen, wäre weiterhin möglich, die Aktionen zwar nicht auf Registrierungen und Interaktionen per App zu beschränken, jedoch im Fall einer App-Nutzung höher zu vergüten. 

Nutzeraktivierung als kritischer Hebel für Kampagnenerfolg 

Sowohl im Affiliate-Marketing als auch in vielen anderen Kanälen der App-Vermarktung sollte sich das Ziel nicht auf das reine Generieren von App-Installs beschränken. Vielmehr ist die tatsächliche Aktivierung der Nutzer und deren langfristige Bindung anzustreben. Insofern ist es sinnvoll, die Vergütung im AffiliateMarketing nicht nur an Installationen, sondern auch an weitere Interaktionen der neu gewonnen Nutzer zu koppeln – etwa die Neuanlage eines Nutzerkontos. Schon aus Gründen des Trackings eignen sich für das Affiliate-Marketing im Kontext der App-Vermarktung vor allem Werbeflächen auf mobilen Websites, sowie, als Alternative zum klassischen Display-Advertising, auch andere Smartphone-Apps (Leisenberg, 2014). Technisch nicht unmöglich, jedoch mit großen Hürden verbunden wäre der Ver-

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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such, über Werbung auf Desktopwebsites App-Installationen auf Smartphones zu generieren und dabei die Werbeleistung der Publisher nachzuvollziehen. Abschließend sei angemerkt, dass bei sämtlicher Ausgestaltung von Affiliate-Kampagnen – nicht nur, aber auch in der App-Vermarktung – neben der Frage des Nutzens für den App-Publisher auch die Frage nach der Attraktivität für die Affiliates zu beantworten ist. Kreutzer (2021a, S. 264 ff.) verwendet in diesem Zusammenhang unter anderem den Begriff der „Vertriebskooperation“ und rät Affiliates, „im Vorfeld zu prüfen, welche Kernaufgabe der eigenen Website zukommt“, also darauf zu achten, dass die beworbenen Angebote (hier: die Aktion zur Vermarktung einer App) auch hinreichend attraktiv für die eigenen Websitebesucher sind. Dabei ist insbesondere von der Vorstellung Abstand zu nehmen, dass Affiliates trotz unattraktiver Vergütung, unverständlicher Kampagnenlogik und mangelndem Mehrwert für die eigenen Nutzer als Publisher für eine Kampagne (hier: zur App-Vermarktung) gewonnen werden können. Kreutzer (2021a, S. 265) erklärt hierzu: „Die Zielsetzung des Affiliate-Marketings für den Affiliate selbst besteht darin, durch Anzeigen der Merchants Werbeerlöse zu erzielen. Zusätzlich kann das Image des Affiliates durch die Einbindung von Werbepartnern positiv wie negativ beeinflusst werden. Im Idealfall gelingt es, die Attraktivität der eigenen Website für die Online-Nutzer zu steigern. Diese Attraktivität des Affiliates in den Augen des Nutzers kann bspw. dadurch verbessert werden, dass – kostenlose oder kostenpflichtige – Informationsangebote oder flankierende Leistungen präsentiert werden. Diese können das Angebot des Affiliates komplettieren und es durch den damit generierten Mehrwert für den Online-Nutzer interessanter gestalten. […] Unattraktive und „marktschreierische“ Angebote lenken von den Inhalten der Website ab und beeinträchtigen deren Wirkung. […] Geht es um die Erzielung von Werbeerlösen oder um die Kommunikation und/oder den Verkauf eigener Angebote?“

4.4.9 Search (SEA/Paid) Neben der Möglichkeit, bezahlte Werbung auf den App-Marktplätzen zu schalten, ist jedenfalls der Vollständigkeit halber auch auf die Möglichkeit hinzuweisen, Apps im Rahmen von SEA-Kampagnen zu bewerben: Das Search Engine Advertising meint dabei jene Werbeanzeigen, die auf den Suchergebnisseiten (SERP) oberhalb und teilweise auch unterhalb der organischen Suchergebnisse ausgesteuert werden. Mit Blick auf die Marktanteile verschiedener Suchmaschinen im deutschen Markt können die Ausführungen dazu im Folgenden praktisch vollständig auf Google bezogen werden: Auf dem Desktop liegt der Marktanteil bei mehr als 80 % und auf dem Smartphone sogar bei über 96 % (StatCounter, 2022). Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine App auch über SEA auf den SERPs zu bewerben. Google bietet hierzu mit Google Ads im Wesentlichen vier Möglichkeiten:

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Eigenständige Anzeige Die vielleicht offensichtlichste Möglichkeit zur Nutzung von Google Ads in der AppVermarktung ist das Anlegen einer eigenständigen Anzeige zu eben diesem Zweck. Die Tatsache, dass das Linkziel der Anzeige auf der Website des App-Publisher sein muss und insofern nicht direkt der Verweis auf den Eintrag auf einem App-Marktplatz sein kann, stellt dabei ein wesentliches Hindernis dar und wirft die grundsätzliche Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens auf. Mit Blick darauf, dass eine solche Anzeige also zwangsläufig den Umweg etwa über eine Landingpage auf der Website des App-Publishers bedeutet, ist eine eigenständige klassische Google Ad lediglich in Ausnahmefällen ein eventuell sinnvoller Weg. Denkbar wäre eine App-Vermarktung mit eigener, klassischer Google Ads, wenn der App-Publisher sein Geschäft hauptsächlich oder ausschließlich App-basiert betreibt. Dann könnte im Rahmen einer Brand-Kampagne die App kommunikativ in den Fokus der Anzeige gerückt werden, wobei die Website einen einfachen Zugriff auf den passenden App-Marktplatz erlauben müsste. Sitelinks Über einen Sitelink können Anzeigen um zusätzliche Links erweitert werden. Sitelinks bestehen aus einem Linktext, einer kurzen Beschreibung und einer URL (Google, 2022l). Sitelinks können in Google Ads auf Account-, Kampagnen- und Anzeigengruppenebene erstellt werden. Für Anzeigen auf dem Desktop müssen mindestens zwei Sitelinks gepflegt sein, wobei bis zu sechs Sitelinks mit einer einzelnen Anzeige ausgesteuert werden können. Für mobile Endgeräte ist mindestens ein Sitelink nötig, wobei maximal acht Sitelinks ausgesteuert werden. Google (2022l) entscheidet bei jeder Aussteuerung einer Anzeige selbst, ob überhaupt und, wenn ja, welche Sitelinks ausgesteuert werden: „Google will choose the best sitelinks that will maximize your ad performance from the eligible pool of sitelinks.“

Es muss beachtet werden, dass der Sitelink je nach Ebene, auf welcher er angelegt wurde, für entsprechend alle Anzeigen dieser Ebene gilt. Ein Online-Shop etwa, der für ein spezifisches Produkt eine Anzeige aussteuert, könnte beispielsweise Sitelinks zu einem ähnlichen Produkt, zur Kategorieseite des Produkts und zur Markenseite des Produkts innerhalb des Online-Shops aussteuern wollen. Käme hier nun noch ein Sitelink dazu, der auf die App des Shops aufmerksam machen würde, könnte dies einerseits zu Verwirrungen beim Nutzer führen und andererseits zu Kannibalisierungseffekten, weil der Nutzer entgegen seiner im Szenario relativ deutlichen Intention von dieser eher weggeführt wird. Zusätzlich gilt bei Sitelinks, die zur Bewerbung einer App genutzt werden sollen, dass diese lediglich auf eine Landingpage auf der Website des App-Publishers, nicht jedoch direkt auf einen App-Marktplatz verweisen dürfen. Vor diesem Hintergrund ist generell

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

237

zu hinterfragen, ob die Nutzung von Sitelinks zur App-Vermarktung in Google Ads überhaupt ein probates Mittel darstellen kann. App Assets Mit Hilfe von App Assets wird Nutzern neben der Verlinkung zur Website auch die Verlinkung zum jeweiligen App-Marktplatz angeboten, wobei App Assets sowohl den Google Play Store als auch den Apple App Store unterstützen. App Assets benötigen lediglich die Angabe der App, auf deren Eintrag auf dem jeweiligen App-Marktplatz sie verweisen sollen, sowie einen Linktext. App Assets werden ausschließlich im Zuge von auf den SERPs geschalteten Anzeigen geschaltet, finden also auf anderen Kanälen wie YouTube oder dem Google Display Network keine Berücksichtigung (Google, 2022k). App Assets werden genau wie Sitelinks auf Account-, Kampagnen- oder Anzeigengruppenebene konfiguriert. Sie sind als App-spezifische Alternative zu Sitelinks zu verstehen und können direkt von der Anzeige in den passenden App-Marktplatz verlinken. Die Frage der Kannibalisierung bleibt – wie bei Sitelinks – bestehen und erfordert insofern entsprechende Überlegungen, auf welcher Ebene App Assets ausgesteuert werden sollen. Obwohl sich App Assets zum Generieren von App-Downloads nutzen lassen, eignen sie sich vornehmlich, um bestehende Nutzer im Rahmen einer Anzeige auf die App aufmerksam zu machen. Für die Akquise neuer Nutzer rät Google (2022k) zu den im Folgenden erörterten App-Kampagnen. App-Kampagnen/App Campaigns App-Kampagnen (oder Englisch App Campaigns) werden in den SERPs angezeigt und sind darüber hinaus auch jene Kampagnen, die über den Google Play Store (Abschn. 4.4.2) sowie unter anderem bei YouTube und im Google Display Network ausgesteuert werden. Google bietet App-Kampagnen mit drei Zielausrichtungen an: Neben der Generierung von App-Installationen können App-Kampagnen auch genutzt werden, um Interaktionen mit einer App oder die Vorregistrierungen für ein bald erscheinende App zu fördern (Google, 2022i). Die Erstellung und Aussteuerung der Anzeigen erfolgt automatisiert von Google, wobei lediglich grundlegende Angaben des App-Publishers notwendig sind, wie Google (2022i) beschreibt: „Sie müssen nur einen Text, ein Startgebot und ein Budget sowie die Sprachen und Regionen für Ihre Anzeigen angeben. Außerdem empfehlen wir dringend, mindestens ein querformatiges Bild, jeweils ein Video im Quer- und im Hochformat sowie gegebenenfalls HTML5-Assets hochzuladen. Mehr Aufwand ist von Ihrer Seite nicht nötig. Anschließend werden automatisch verschiedene Kombinationen von Assets getestet und die leistungsstärksten Anzeigen häufiger ausgeliefert.“

238

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Tab. 4.4  Elemente und Auslieferung von App-Kampagnen auf verschiedenen Google-Plattformen. (Basierend auf Google, 2022m) Plattform

Mögliche Elemente

Such- & Displaynetzwerk

App-Symbol, Beschreibung, Be- Google Such- & Displaynetzwertung werk

Google Play Store

App-Symbol, App-Name, App- Google Play Store und SuchPublisher, Bewertung, Anzeigen- ergebnisse text

YouTube

Video von YouTube-Link, Anzeigentext, App-Symbol, Text aus Store, Bewertung

Auslieferung

YouTube-App für iOS und Android

Für die App-Kampagnen mit dem Ziel der Generierung von App-Installationen zeigt Tab. 4.4 für die unterschiedlichen Google-Plattformen, welche Elemente angezeigt und wie die Anzeigen ausgeliefert werden. Bei der Aussteuerung der Anzeigen im Google Play Store stehen diese (verständlicherweise) immer wieder im Verdacht, organische App-Installationen zu kannibalisieren, wenn der Nutzer zuvor eine Sucheingabe getätigt hat, die direkt dem Namen der beworbenen App entspricht (Abschn. 4.4.2). Werden die Anzeigen jedoch im Bereich der Google Suche, bei YouTube oder im Google Display Network ausgesteuert, sind sie – insbesondere mit Blick auf die einfache Erstellung und die weitestgehend von Google selbstständig vorgenommene Aussteuerung – ein elementarer Bestandteil der App-Vermarktung.

4.4.10 Direktwerbung/(Print-) Dialogmarketing Der Direktwerbung werden im Folgenden insbesondere die Werbung per Post, also Brief, Postkarte oder Paketbeileger, sowie per Telefon zugerechnet (Wirtz, 2016, S. 168). Der Begriff der Direktwerbung wird dabei weitestgehend als Synonym zum auf Print fokussierten Dialogmarketing verstanden. Beide Kanäle, sowohl per Post als auch per Telefon, gehören zu den klassischen Kanälen der Direktwerbung beziehungsweise des Dialogmarketings, welches in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich um digitale Kanäle, insbesondere E-Mail, erweitert wurde, wobei diese in anderen Kapiteln Beachtung finden. Ähnlich wie zu Beginn von Abschn. 4.4 in Abb. 4.10 dargestellt ist auch und insbesondere die Direktwerbung mit der grundsätzlichen Problematik konfrontiert, dass die Reichweite der Marketingmaßnahmen im Regelfall deutlich niedriger als bei Massenkanälen wie Radio oder TV ist. Gleichzeitig gilt die Direktwerbung als deutlich präziser und insofern auch effektiver, weil sie auf in der Regel auf vorliegenden Kundenprofildaten aufsetzt (Wirtz, 2016, S. 167). Im Fall der App-Vermarktung über analoge Direktwerbung ist darauf hinzuweisen, dass Daten zu den Präferenzen für Medienkanäle von

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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App-affinen Konsumenten grundsätzlich darauf hindeuten, dass das Interesse an analogen Werbekanälen – hier: insbesondere an Postwurfsendungen – im Vergleich mit der Gesamtpopulation niedriger ist (vgl. Abb. 4.11). Daraus ergibt sich entsprechend die Notwendigkeit, die analogen Kanälen der Direktwerbung bei der Einbindung in die AppVermarktung entsprechend besonders kritisch zu hinterfragen. Die Einbindung muss dabei vom Einzelfall, also von der zu vermarktenden App, abhängig gemacht werden. Postalische Sendungen zur App-Vermarktung Als wichtigstes Medium des Direktmarketings ist angelehnt an Wirtz (2016, S. 175 f.) die postalische Werbesendung zu nennen. Diese kann entweder volladressiert auf Basis in der Regel eigener Kundendaten sein oder (vor allem) per Postwurfsendung teil- oder unadressiert versendet werden („Liebe Bewohner der Musterstraße“). Eine vollständige Adressierung mit Namen und Anschrift auf Basis eigener Kundenprofildaten impliziert offenkundig, dass dem erreichten Kunden das werbende Unternehmen bekannt ist. Entsprechend ist bei dieser Form der postalischen Werbung mit besseren Responsequoten (hier: App-Downloads) zu rechnen. Im Fall teil- und unadressiert versendeter Werbung ist diese für die Konsumenten dagegen schnell auch als Werbung erkennbar und insofern mit geringeren Erwartungen an die Performance zu verbinden. Entsprechend muss die Nutzung teil- und unadressierter postalischer Sendungen im Vergleich zu volladressierten Sendungen deutlich stärker (und auffälliger) die Vorteile der beworbenen App herausarbeiten. Exkurs: Preise von Postwurfsendungen Postwurfsendungen sind in Deutschland massenhaft und unaufgefordert zugestellte Postsendungen, die über die Deutsche Post gebucht und gedruckt werden können und über diese auch versendet werden. Die Deutsche Post bietet über einen Online-Konfigurator die Möglichkeit, Postwurfsendungen selbst zu konfigurieren: Über ein Webinterface erfolgt zunächst eine geographische Selektion über Postleitzahl, Zustellbezirk oder Ortsteil. Anschließend sind weitere Selektionen nach Kaufkraft, Gebäudetyp, Gartengröße (im regionalen Vergleich), mittlerem Alter des Gebäudes und überwiegendem Geschlecht im Gebäude möglich. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, neben der „größten“ Reichweite auch die „günstigste“ Reichweite auszuwählen. Die folgenden Beispiele sollen ein Gefühl vermitteln, wie Postwurfsendungen von der Deutschen Post bepreist werden. Alle Beispiele beziehen sich geographisch auf den Westen von Schleswig–Holstein und wurden – Stand Herbst 2022 – mit dem günstigstem Werbemedium, einer unlackierten Postkarte im Format A6, jeweils inklusive Druck und Versand, konfiguriert. • Ohne weitere Selektion wird bei größter Reichweite eine Auflage von 316.000 Stück à 0,17 € pro Mailing angegeben, also rund 53.500 € Gesamtkosten. Denkbar wäre hier die Vermarktung einer App mit begrenzter geographischer Relevanz oder die gezielte Stärkung einer überregional relevanten App in dieser bestimmten Region. • Wird die Selektion um Ein- und Zweifamilien-, Reihen- und Doppelhäuser, jeweils mit mittelgroßem oder großem Garten, erweitert, wird eine Reichweite von 91.000 angegeben, wobei 0,18 € Kosten pro Mailing zu Gesamtkosten von rund 16.500 € führen. Denkbare Szenarien wären die Vermarktung der App eines Baumarkts oder einer App zum Vergleichen von Versicherungen im Bereich Wohnen und Gebäude.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

• Erfolgt eine Selektion von Haushalten mit überdurchschnittlicher oder stark überdurchschnittlicher Kaufkraft, liegt die Reichweite bei 51.000 mit Gesamtkosten von rund 9200 € bei 0,18 € pro Mailing. Eine solche Selektion könnte von Versicherungsportalen oder Finanzdienstleistern zur App-Promotion genutzt werden.

Die Bandbreite der Anschreiben erstreckt sich von der einfachen Postkarte über den klassischen Werbebrief bis hin zu Paketen mit Katalogen und Mustern, wobei insbesondere Postkarten und Werbebriefe zur App-Vermarktung eingesetzt werden können. In jedem Fall muss bei un- oder teiladressierten Postwurfsendungen trotz vieler Gestaltungs- und Targetingoptionen mit Streuverlusten gerechnet werden. Die größte Relevanz – grundsätzlich und insbesondere im Fall der App-Vermarktung – geht von volladressierter Direktwerbung aus, welche über die Möglichkeit der direkten Nachverfolgung auf Kontaktebene eine gute Relevanzmessung ermöglicht (Wirtz, 2016, S. 176). Neben Werbeanstößen mit Werbemitteln, die dediziert zu diesem Zweck versendet werden, ist im Fall solcher Unternehmen, die ohnehin postalisch mit ihren Kunden in Kontakt treten, etwa per Brief (Versorger, Versicherung etc.) oder Paket (E-Commerce), auf die Möglichkeit hinzuweisen, die App-Vermarktung in die ohnehin bestehende Kommunikation einzubinden. Dazu gehören im Fall von Online-Shops insbesondere Paketbeileger, etwa mit einem Hinweis auf einen App-exklusiven Rabatt im Rahmen der nächsten Bestellung, sowie Hinweise auf Rechnungen, Lieferscheinen und ähnlichen Dokumenten, die auf die Vorteile der zu vermarktenden App hinweisen. Auch solche App-Publisher, die selbst nicht physisch in Form eines Pakets in Kontakt mit Kunden treten, können Paketbeileger als Werbemittel nutzen. Spezialisierte Vermarkter bieten ein Netzwerk von Online-Shops an, in deren Paketsendungen sich AppPublisher mit Paketbeilegern „einkaufen“ können. Wichtig ist dabei die Auswahl eines passenden Werbeumfelds mit Blick auf die eigene Zielgruppe. So sollten die Zielgruppe der zu bewerbenden App und die Zielgruppe des Online-Shops hohe Schnittmengen aufweisen. Targeting-Optionen auf Basis sozio-demographischer Daten des Paketempfängers (zum Beispiel Geschlecht oder Geografie) oder des Paketinhalts (zum Beispiel hinsichtlich des Sortiments, aus dem die versendeten Produkte stammen) können die Zielgruppe zusätzlich schärfen. Wichtig ist darüber hinaus auch eine geeignete Ansprache auf dem Paketbeileger, welche die Paketempfänger grundlegend mit Blick auf die App abholt, da ein Zusammenhang zwischen Online-Shop und beworbener App in der Regel nicht gegeben oder jedenfalls nicht offensichtlich ist. Beispiel: CLARK bewirbt App über Beileger in Paketen von babymarkt.de

Ein passendes Beispiel für einen jedenfalls nicht offensichtlichen Zusammenhang zwischen beworbener App und Online-Shop liefert die CLARK-App, die bereits in Abschn. 2.3 vorgestellt wurde. Im Rahmen einer Bestellung bei babymarkt.de im November 2022, welche nach Hamburg versendet wird, erhält der Kunde ein Paket von babymarkt.de, das neben der bestellten Waren und einem Lieferschein diverse Paketbeileger enthält, unter anderem vom Anbieter für Kochboxen HelloFresh sowie von der CLARK-App.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Auf der Vorderseite fordert der Paketbeilager zum Download der App auf und wirbt mit einer 4,5-Sterne-Bewertung auf Trustpilot. Darüber hinaus stellt der Paketbeileger einen Gutschein von Amazon in Höhe von bis zu 150 € in Aussicht: „Jetzt die CLARK-App downloaden und bis zu 150 € Amazon.de Gutschein sichern“

Besonders auffällig ist eine zentral auf dem Paketbeileger aufgeklebte Pappe im Kreditkartenformat, die auf der Vorderseite optisch einer Geschenkkarte von Amazon nachempfunden ist, wie sie teilweise im stationären Handel etwa an Tankstellen verkauft wird. Auf der Rückseite enthält die Geschenkkarte eine Anleitung, wie Nutzer an den Gutschein in Höhe von bis zu 150 € kommen. Der im Rahmen der Registrierung für die CLARK-App einzugebende Gutscheincode lässt dabei Rückschlüsse auf den kooperierenden Online-Shop (babymarkt.de) und den Zeitraum (November 2022) zu. Auf der Rückseite des Paketbeilegers vermittelt ein Screenshot aus der CLARKApp einen ersten Eindruck. Darüber hinaus werden diverse funktionale Vorteile genannt. Ein QR-Code mit dahinterliegendem smartem Link von Adjust kann gescannt werden und führt den Nutzer anschließend und für den Werbetreibenden entsprechend nachvollziehbar zum Eintrag auf dem passenden App-Marktplatz. Es darf angezweifelt werden, ob die Auslobung eines Gutscheins für Amazon.de durch CLARK als App-Publisher tatsächlich im Sinne des Online-Shops babymarkt. de ist, welcher hier sein Paket als Werbeträger zur Verfügung stellt. ◄ In praktisch allen Fällen ist die Nachverfolgung des Werbeerfolgs von Print-basierten Vermarktungsmaßnahmen eine große Herausforderung. Gedanken zu Tracking finden sich unter anderem in Abschn. 4.5. Darüber hinaus sind bei regional begrenzten Vermarktungsanstößen auch Analysen denkbar, die etwa Zahlen zu App-Nutzern im Zeitverlauf oder im Vergleich zu Regionen ohne spezifische Vermarktungsaktivitäten betrachten, möglich. App-Vermarktung per Telefonmarketing Neben der postalischen Werbung ist auch das Telefonmarketing der Direktwerbung zuzurechnen. Zu unterscheiden sind dabei das aktive und das passive Telefonmarketing (Wirtz, 2016 180 f.). Das aktive Telefonmarketing geht vom Unternehmen aus, welches aktiv Verbraucher anruft, um für Produkte und Dienstleistungen zu werben. Das aktive Telefonmarketing ist an enge rechtliche Grenzen gebunden und insofern kaum ein relevanter Kanal zur App-Vermarktung. Im Fall des passiven Telefonmarketings wird ein Unternehmen von Verbrauchern – häufig Kunden – angerufen und kann die Gelegenheit nutzen, im Rahmen des Telefonats auch für Produkte und Dienstleistungen zu werben. Obwohl sich die Reichweite auf eingehende Anrufe beschränkt und damit relativ gering ist, stellt das passive Telefonmarketing einen interessanten Touchpoint dar, weil der Verbraucher freiwillig anruft und das Unternehmen mindestens oberflächlich kennt.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Die Möglichkeiten, diesen Touchpoint für die App-Vermarktung zu nutzen, beziehen sich vor allem auf das persönliche Gespräch. Denkbar wären Hinweise auf die Vorteile einer App, wenn diese den Anruf im Callcenter hätte ersparen können – etwa im Fall eines Anrufs bei einem Online-Shop von einem Kunden, der den Status seiner aktuellen Bestellung, einer Zahlung oder einer Retoure erfragen möchte. Auch der Hinweis auf eine Kontaktmöglichkeit per In-App Messenger, welche das Verweilen in der Warteschleife erspart hätte, wäre eine Möglichkeit, eine App telefonisch zu vermarkten. Wie auch im Print ist die Nachverfolgung des Werbeerfolgs von Telefonmarketing nur mittelbar möglich und aufgrund der fehlenden Möglichkeiten etwa zum Scannen eines QR-Codes mit dahinterliegendem Trackinglink noch schwieriger. Neben eher pragmatischen Ansätzen wie der Frage nach der Korrelation von Telefonaufkommen und App-Installationen könnte ein sauberer Ansatz darüber führen, sowohl den Hinweis auf die App durch einen Callcenter-Mitarbeiter während eines Telefonats als auch den Login oder Registrierung eines Kunden in der App (in Folge eines Gesprächs) zu tracken und zusammenzubringen, um so den Effekt telefonischer Bemühungen zu messen. Realistisch betrachtet dürften in der Regel entweder die Störfaktoren zu groß oder der gesamte Case im Volumen so wenig Relevanz aufweisen, dass das passive Telefonmarketing, egal, ob per Hinweis im Inbound Call oder per Hinweis in der Warteschleife, eher durch persönliche Überzeugung und Hoffnung als auch klar belegbare Zahlen seine Berechtigung findet.

4.4.11 Point-of-Sale Als Point-of-Sale (POS) wird jener Ort bezeichnet, an dem der Verkauf von Gütern vollzogen wird. Der POS-Begriff bezieht sich dabei im Wesentlichen auf den stationären Einzelhandel und wird im Folgenden auch so verwendet, wobei denkbar wäre, etwa im Fall des E-Commerce einen Online-Shop oder Marktplatz als POS zu bezeichnen. Die Werbung am POS zielt in der Regel darauf ab, Kunden zum Beispiel zu Spontankäufen oder zum Kauf von höherwertigen oder zusätzlichen beziehungsweise ergänzenden Produkten zu bewegen. Zu den Werbemitteln gehören unter anderem Plakate, Roll-UpPoster und Aufkleber, aber auch die Warentrenner auf dem Kassenband, die Portale zur Warensicherung am Ein- und Ausgang oder Werbeflächen auf Einkaufswägen. Gerade im Kontext des stationären Einzelhandels nimmt die Relevanz von Apps immer weiter zu. Zu den potenziellen Anwendungsfeldern von Smartphone-Apps am POS gehören dabei unter anderem die Bereitstellung einer In-Store Navigation (Deckert & Wohllebe, 2021, S. 22 f.; Wohllebe & Wolter, 2021, S. 23 f.) und verschiedene Möglichkeiten zu App-gestützten Vereinfachung des Bezahlprozesses an der Kasse (Wohllebe & Wolter, 2021, S. 25 ff.). Hierüber lassen sich entsprechend funktionale Anknüpfungspunkte für die Vermarktung finden, während das über eine App ausgesteuerte Location-Based Marketing vor allem monetäre Vorteile bietet, die sich in der App-Vermarktung aufgreifen lassen (Deckert & Wohllebe, 2021, S. 21 f.; Wohllebe & Wolter, 2021, S. 17 f.). Dies gilt sowohl mit Blick auf einfache Gutscheine und Rabatte, die –

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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auf Basis der Location oder anderer Parameter – per App ausgesteuert werden, als auch mit Blick auf komplexe Loyalty-Programme, die über eine App angeboten werden: Apps können positiv auf den Wert einer Marke einzahlen und erhöhen insbesondere Loyalität (Tran et al., 2021). Immer wieder betont die Forschung deshalb auch die Relevanz von Smartphone-Apps für die Kundenbindung zum Beispiel im Einzelhandel (Molinillo et al., 2020, 2022). Im Kontext der App-Vermarktung soll es im Folgenden vor allem darum gehen, anhand verschiedener Beispiele aufzuzeigen, wie der POS als Werbekanal nicht nur zum Verkauf von Produkten (und Dienstleistungen), sondern auch für die App-Vermarktung und damit zur Steigerung von App-Downloads genutzt werden kann. Der Fokus liegt dabei auf Einzelhändlern, die ihre Filialen nutzen, um ihre eigenen Smartphone-Apps oder – im Fall von PAYBACK – die Apps von Kooperationspartnern zu vermarkten. Die Beispiele lassen sich darüber hinaus auch übertragen auf Fälle, in denen Dritte sich Werbeflächen im Einzelhandel buchen (etwa Warentrenner oder Schilder in und auf Einkaufswägen), um dort App-Vermarktung zu betreiben – entsprechende Überlegungen hinsichtlich der zu erreichenden Zielgruppe vorausgesetzt. Beispiel: Flyer zur EDEKA-App – Zeit sparen mit Scan & Go

Mit Features wie exklusiven Angeboten, einem eigenen Loyalty-Programm, der Integration des Loyalty-Programms der DeutschlandCard und einer Einkaufsliste will die EDEKA-App das stationäre Einkaufserlebnis ihrer Nutzer verbessern. Die App wurde allein bei Google Play über eine Millionen Mal heruntergeladen und rund 38.000 Mal bewertet – mit im Durchschnitt 3,7 Sternen (EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG, 2022). Mit dem Launch der Scan & Go-Funktion wird die App am POS unter anderem mit ausliegenden Flyern intensiv beworben, wobei die Flyer ausschließlich über das neue Feature und seine Vorteile und nicht über die gesamte App informieren. Auf dem Flyer heißt es unter anderem: „Kein Anstehen, kein Aus- und Einpacken“ „Vollständige Transparenz über Ihren Einkauf“ „Einkaufsliste, Angebote, Coupons, Punkte sammeln, bezahlen und Kassenbon – alles in einer App“

Zusätzlich enthält der Flyer eine Anleitung mit sechs einfachen Schritten, um Scan & Go das erste Mal zu nutzen, wobei alle Schritte von der Installation der App bis hin zum Verlassen des Marktes über eine Fastlane oder die reguläre Kassenzone kurz beschrieben werden. Neben einem QR-Code zum Scannen werden auch die bekannten Buttons des Apple App Store und von Google Play auf dem Flyer gezeigt. Zusätzlich zur Auslage des Flyers werden weitere Werbemittel am POS eingesetzt, um auf das neue Feature aufmerksam zu machen und so zum Download und zur Nutzung der App anzuregen. Unter anderem beschreibt auch ein Roll-Up-Banner im Be-

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

reich der Kassen die Schritte zur Nutzung von Scan & Go. Warentrenner auf dem Kassenband fragen „Keine Lust auf Anstehen?“ und liefern mit der Aufforderung „Sei APPscanner!“ auch gleich die passende Alternative. ◄ Während im vorausgegangenen Beispiel das DeutschlandCard-Bonusprogramm in der EDEKA-App stattfindet, jedoch nur beiläufig Erwähnung findet und nicht im Fokus der EDEKA-App steht, zeigt ein anderes Beispiel einen gänzlich anderen Umgang mit Bonusprogrammen: Im Fall von REWE schien ein eigenes App-Angebot lange Zeit kaum eine Rolle zu spielen. Stattdessen lag der Schwerpunkt der App-Vermarktung in den Filialen von REWE lange vor allem bei der Stärkung des Bonusprogrammpartners PAYBACK und seiner App. Insofern illustrieren die folgenden Beispiele nicht nur, wie REWE und PAYBACK ihre Apps am POS vermarkten, sondern zeigen gleichzeitig auch die im Laufe der Zeit zunehmenden Bemühungen von REWE, statt der PAYBACK-App verstärkt die eigene App zu bewerben. Beispiel: App und Kundenkarte – Kompletteinführung in die PAYBACK-Welt bei REWE

PAYBACK gehört zu den größten Bonusprogrammen in Deutschland und ermöglicht es Verbrauchern, unter anderem bei vielen Einzelhändlern und Tankstellen für getätigte Umsätze Punkte zu sammeln und diese gegen Prämien einzutauschen. Die gleichnamige App wurde allein bei Google Play mehr als zehn Millionen Mal heruntergeladen. Mehr als 275.000 Rezensionen bewerten die App dort mit im Schnitt 4,2 Sternen (PAYBACK, 2022). Zu den wohl wichtigsten Unternehmen im PAYBACK-Programm gehört REWE. Unter anderem mit einem ausliegenden Faltflyer bewirbt der Lebensmitteleinzelhändler sowohl das Bonusprogramm im Allgemeinen als auch die PAYBACK-App im Speziellen. Der Flyer enthält neben einer PAYBACK-Karte, mit der der Verbraucher sofort mit dem Sammeln von Punkten beginnen kann, eine weitere „Zusatzkarte für einen Mitsammler“ und weist darüber hinaus unter dem Motto „Hallo App. Hallo Möglichkeiten!“ auf die Vorteile der Nutzung der PAYBACK-App hin: „Mobile Karte & Punktestand – Einfach und übersichtlich mobil Punkte sammeln“ „eCoupons – Einfach und überall einlösen“ „PAYBACK PAY – Einfach und sicher mobil bargeldlos bezahlen“ Zur Vertrauensbildung wird im Zuge von PAYBACK PAY, dem Bezahlfeature der App, weiterhin darauf hingewiesen, dass es sich ein vom TÜV Saarland „geprüftes Zahlungssystem“ handle. ◄

Das Beispiel zeigt, wie PAYBACK die Zusammenarbeit mit REWE nutzt, um sein Programm und seine App – hier mit Hilfe eines Faltflyers – zu stärken. Im Folgenden nutzt umgekehrt REWE das Bonusprogramm, um mit PAYBACK-Punkten seine eigene App zu stärken.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Beispiel: Plakat im Schaufenster – PAYBACK-Punkte als Incentive für die REWE-App

Die REWE-App wurde bisher laut Google Play Store mehr als eine Million Mal heruntergeladen und ist mit durchschnittlich 4,4 Sternen bei über 12.000 Rezensionen bewertet. Zu den Kernfeatures der App gehören neben der Anzeige aktueller Angebote die Möglichkeit, online Bestellungen bei REWE aufzugeben, sowie Kochrezepte und die Teilnahme am REWE-eigenen Kundenbindungsprogramm, wobei die bekannten Hefte zum Sammeln von Treuepunkten im Wesentlichen per App abgebildet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine bestehende PAYBACK-Karte in der REWE-App zu hinterlegen und so PAYBACK-Punkte mit der REWE-App zu sammeln (REWE Markt GmbH, 2022). Statt auf einen REWE-Coupon in der PAYBACK-App aufmerksam zu machen, lobt REWE stattdessen einen Bonus-Coupon aus, der in der REWE-App freigeschaltet werden kann und den Einkauf mit dem bis zu 20-Fachen an PAYBACKPunkten belohnt wie normalerweise. Die Promotion erfolgt über ein Plakat im Außenbereich einer REWE-Filiale: „Sichere dir jeden Monat mit deinem persönlichen REWE Bonus Coupon bis zu 20fach mehr PAYBACK Punkte. Jetzt einfach in der REWE App, im REWE Kundenkonto oder unter rewe.de/bonuscoupon freischalten und extra punkten.“

Bemerkenswert ist, dass REWE im Rahmen dieser Aktion offenbar versucht, die eigene App zu stärken statt – wie bis dahin augenscheinlich – die App von PAYBACK. Die Einbindung eines PAYBACK-Coupons in die REWE-App und die Möglichkeit zur Einlösung des Coupons über die REWE-App bei gleichzeitiger Gutschrift der Punkte auf das PAYBACK-Konto erfordern dabei eine entsprechende technische Verbindung zwischen REWE und PAYBACK. ◄ Auch abseits des PAYBACK-Programms versucht REWE seine App am POS zu stärken, wie das folgende Beispiel skizziert. Beispiel: Aufsteller am Eingang – Treuepunkte sammeln mit der REWE-App

Ein Aufsteller im Eingangsbereich eines REWE incentiviert die Installation der REWE-App über einen de-facto monetären Vorteil und macht dabei nicht nur auf die App, sondern auch auf das Treueprogramm des Supermarkts aufmerksam: „Erstes volles digitales Sammelheft geschenkt“

Eine kurze Anleitung erklärt zusätzlich, wie Kunden mit dem Sammeln der Treuepunkte beginnen können: „Wähle deinen REWE Markt in der REWE App aus und aktiviere unter „Vorteile & Coupons“ die REWE Treuepunkte.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Scanne deine Vorteilskarte während des Kassiervorgangs am Kundenscanner und sammle Treuepunkte. Zum Einlösen scannst du deine Vorteilskarte während des Kassiervorgangs – du erhältst deine Prämie zum Treuepreis!“

Ein QR-Code führt direkt zum passenden Eintrag auf dem jeweiligen App-Marktplatz. Die Badges von Google Play und dem Apple App Store weisen zudem aus, für welche Plattformen (Android und iOS) die App angeboten wird. ◄ Obwohl der Begriff des POS vor allem mit analogen Werbemitteln wie Postern, Plakaten oder Warentrenner assoziiert ist, lässt sich auch am POS digitale Werbung aussteuern. Denkbar sind dabei etwa Displays oder Digital Signage-Lösungen. Bietet ein Einzelhändler seinen Kunden WLAN am POS an, lässt sich ein zwischengeschaltetes WLANPortal, bei dem der Kunde zunächst der Nutzungsbedingungen zustimmen muss, bevor er mit dem Internet verbunden wird, ebenfalls für die App-Vermarktung nutzen. Beispiel: Werbung im WLAN-Portal – REWE-App

REWE bietet seinen Kunden in vielen Filialen ein kostenfreies WLAN an. Das WLAN ist nicht mit einem Kennwort gesichert, sodass sich jeder Kunde mit dem Netzwerk verbinden kann. Bevor der Kunden nach Verbindung mit dem WLAN auch tatsächlich das Internet nutzen kann, wird er zunächst auf ein Portal geleitet. Das Portal klärt auf, dass die Nutzung des WLANs grundsätzlich kostenfrei sei und fordert vom Nutzer eine Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen. Über den User Agent kann das Portal direkt erkennen, ob das vom Kunden verwendeten Endgerät ein Android- oder iOS-Device ist. REWE nutzt die Gelegenheit, nach erfolgreicher Zustimmung im WLAN-Portal auf die REWE-App aufmerksam zu machen. Passend zum Endgerät des Kunden wird das Badge von Google Play oder dem Apple App Store angezeigt, das beim Tap direkt zum passenden App-Eintrag führt. Mit Blick darauf, dass die Nutzung des WLAN-Portals zum Zweck der App-Vermarktung aus Sicht von REWE – abgesehen von der Tatsache, dass überhaupt WLAN bereitgestellt werden muss – kostenfrei ist, ist diese Form zur Generierung von AppDownloads mit Blick auf die Zielgruppe hochgradig interessant: Kunden, die beim Einkaufen ein WLAN nutzen wollen, haben mutmaßlich nicht nur eine hohe Smartphone-Affinität, sondern sind auch überdurchschnittlich affin für eine digitale Erweiterung ihres Einkaufserlebnisses – etwa durch eine App. ◄ Ähnlich wie REWE hat auch die Discounterkette Lidl im Laufe der Coronapandemie verstärkt in die Digitalisierung des stationären Einkaufserlebnisses investiert und mit der Lidl Plus-App, einer digitalen Kundenkarte und der Bezahlfunktion Lidl Pay umfassende Möglichkeiten geschaffen.

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

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Beispiel: Warentrenner als Werbemittel für die Lidl Plus-App, Lidl Pay und die digitale Kundenkarte

Die Lidl Plus-App wurde mehr als 50 Mio. Mal heruntergeladen und ist mit durchschnittlich 4,3 Sternen bei rund anderthalb Millionen Rezensionen bewertet (Lidl, 2022). Der Lebensmitteldiscounter macht am POS in unterschiedlichster Weise auf seine App aufmerksam. Dazu gehören unter anderem Aufkleber an den Eingangstüren, die – ohne weitere Auslobung von Vorteilen – zum Herunterladen der App auffordern: „Deine Lidl Plus App – Jetzt herunterladen!“

Die Portale zur Warensicherung am Ausgang bewerben die App in gleichem Wortlaut, stellen dabei jedoch den monetären Vorteil in den Vordergrund: „Ohne Ende sparen“

Auch der Einkaufswagen wird als Werbefläche für die App genutzt. Besonders gelungen ist die Werbung auf den Warentrennern im Kassenbereich. Jeweils mit App Store-Badge und Google Play-Badge wird hier situationsgereicht eine spezifische Funktion in den Mittelpunkt der Kommunikation gestellt – das Paymentfeature Lidl Pay, welches bereits in Abschn. 4.3.1 vorgestellt wurde: „Jetzt noch einfacher: Mit Lidl Pay zahlen – Jetzt herunterladen!“

Weitere Funktionen wie ein Treueprogramm, das getätigte Umsätze mit Rabatten für den nächsten Einkauf belohnt, sowie der digitale Kassenbon, der das Sammeln von Papierbelegen überflüssig macht, komplettieren das Funktionsangebot der App. ◄ Der POS bietet zahlreiche Ansätze und Formate für die App-Vermarktung. Die vorausgegangenen Beispiele beziehen sich auf den Einzelhandel, wobei auch andere Branchen dicht am Ort der Transaktion werben können, wie die in Abschn. 4.3.1 skizzierten Beispiele der hvv-App mit Postern an Bushaltestellen oder die PAYBACK-App mit der Promotion des Fuel&Go-Features an Aral-Tankstellen zeigen.

4.4.12 TV/Fernsehen Obwohl der Anteil des (linearen) Fernsehens am Gesamtmedienkonsum seit Jahren zu sinken scheint und auch die Werbebudgets immer stärker in den digitalen Kanälen allokiert werden, ist die Fernsehwerbung noch immer aus vielen Unternehmen nicht wegzudenken: Rund zwei Drittel aller Haushalte in Deutschland haben mindestens einen Fernseher im Haushalt (VuMA, 2021a). Mittlerweile besitzen rund 55 % aller Haushalte zudem einen Smart-TV (Kantar & die medienanstalten, 2022).

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Laut einer Erhebung des Marktforschungsunternehmens Nielsen (2015) vertrauen rund zwei Drittel der Konsumenten der im Fernsehen gezeigten Werbung, was das Fernsehen zum aus Konsumentensicht vertrauenswürdigste Kanal macht. Auch neuere Erhebungen etwa von Kantar (2021) bestätigt diese Ergebnisse: Wer als Marke im Fernsehen stattfindet, scheint in den Augen vielen Konsumenten seriös und relevant. Gleichwohl gibt es auch kritische Stimmen zur Bewertung von Fernsehwerbung. Eine Studie zu TV-Werbung für über 200 verschiedene Konsumgüter zeigt, dass Fernsehspots offenbar einen deutlich kleineren Einfluss auf den Verkaufserfolg als mitunter angenommen. Eine der Autorinnen der Studie, Anna Tuchmann (2021), Associate Professor für Marketing an der Kellogg School of Management an der Northwestern University, weist darauf hin, dass der Return on Investment bei Fernsehwerbung häufig negativ sei und Unternehmen zu viel Geld in diesen Werbekanal investierten: „It looks like the vast majority of firms are overadvertising or spending too much on advertising.“

Als möglichen Grund identifiziert Tuchmann (2021) weiterhin, dass Fernsehwerbung kaum noch Aufmerksamkeit erhalte, weil Konsumenten während der Fernsehwerbung zwar den Fernseher eingeschaltet ließen, sich jedoch mit ihrem Smartphone beschäftigten: „If the TV is on, the viewer is counted as being exposed to the ad, but you didn’t actually even notice it because you were so absorbed in your phone.“

Zusätzlich zeigen Daten von Ailon, wie sie in Abb. 4.11 dargestellt sind, dass App-affine Konsumenten ohnehin ein im Vergleich zur Gesamtpopulation sehr niedriges Interesse am Fernsehen als Medium haben. Die Studie von Tuchmann (2021) und die Daten von Ailon taugen nicht unbedingt als Plädoyer für die Fernsehwerbung. Gleichwohl eröffnen sie die Perspektive auf Fernsehwerbung als einen Kanal, der, gerade in den Abendstunden zur Hauptsendezeit, Kombinationen mit mobil ausgesteuerter Werbung oder der geschickten Integration des Smartphones in den TV-Spot eröffnet. Sicherlich handelt es sich im Regelfall entweder um Kampagnen bekannter Marken, die entsprechende Budgets mitbringen, oder um die Versuche solcher App-Publisher, die substitutive oder Stand-Alone-Apps anbieten, eine Marke aufzubauen, wobei die TV-Werbung zum Markenaufbau eher flankierend zu weiteren (Online-) Marketingmaßnahmen läuft. Gerade im Fall substitutiver Apps dürfte die meiste TV-Werbung mit App-Bezug vor allem nach dem Trittbrettfahrer-Prinzip funktionieren, wobei die zu bewerbende App in einem ohnehin geplanten TV-Spot kurz erwähnt und so „mit untergebracht“ wird. Als große Herausforderung ist auch im Fall der Fernsehwerbung das Tracking zu identifizieren. Durch den Medienbruch einerseits und unterstellend, dass Fernsehwerbung (auch) auf den langfristigen Markenaufbau einzahlt, lässt sich der Werbeerfolg – abgesehen von Befragungen – kaum sauber nachvollziehen. Neben Annährungen, etwa da-

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rüber, wie sich Nutzerzahlen (und insbesondere die Anzahl neuer Nutzer) kurz nach der Ausstrahlung eines TV-Spots, etwa in den darauffolgenden Minuten, verändern, ist insbesondere ein während eines Spots genannter Shortlink (vgl. Abschn. 4.5) mit dahinterliegendem Trackinglink und Weiterleitung auf den passenden App-Marktplatz eine gute Möglichkeit, der Werbeerfolg zumindest annäherungsweise nachzuvollziehen. Vom Einsatz von QR-Codes mit dahinterliegendem Trackinglink kann insofern abgesehen werden, als dass die kurze Zeit eines TV-Spots – selbst, wenn man unterstellt, dass der Konsument sein Handy während des Spots bereits in der Hand hat – kaum ausreicht, einen solchen Code zu scannen. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass solche Methoden nur eine Annährung darstellen können. Insbesondere ist anzunehmen, dass eine per Fernsehwerbung beworbene App vor allem über die direkte Sucheingabe auf den App-Marktplätzen in den auf einen Spot folgenden Minuten gesucht und installiert wird.

4.4.13 Radio Ähnlich wie beim Fernsehen ist auch beim Radio das Interesse von App-affinen Konsumenten im Vergleich zur Gesamtpopulation eher gering (vgl. Abb. 4.11). Obwohl dies augenscheinlich nicht für einen gesteigerten Fokus der App-Vermarktung auf dieses Medium spricht, lassen sich durchaus Anwendungsfälle skizzieren, die das Schalten von Spots im Radio zur Bewerbung von Apps sinnvoll erscheinen lassen. Neben dem Targeting auf Basis der sozio-demographischen Eigenschaften der Hörer eines bestimmten Radiosenders stellt insbesondere der situative Kontext „hinterm Steuer“, also beim Autofahren, einen potenziellen Anknüpfungspunkt für die App-Vermarktung dar. Vor allem bekannte Marken eignen sich, um ihre Apps über das Radio zu bewerben, weil der Werbeerfolg in hohem Maße davon abhängt, ob eine App im Anschluss an einen Werbespot über die Sucheingabe auf dem jeweiligen App-Marktplatz auch gefunden wird. Da, abgesehen von Szenarien, in denen ein Unternehmen seinen Wert ohnehin mindestens hauptsächlich über seine App transportiert, in der Regel keine dedizierten Radiospots zur App-Vermarktung geschaltet werden, spielt sich ähnlich wie beim Fernsehen (Abschn. 4.4.12) ein Großteil der App-Vermarktung über das Radio vermutlich nach dem Trittbrettfahrer-Prinzip ab: Die App wird als einer von mehreren möglichen Zugangskanälen zu einem Leistungsangebot genannt oder es wird darauf hingewiesen, dass ein ohnehin gerade angepriesener Vorteil auch in der App gilt. Eine besondere Rolle im Medium Radio nehmen die Apps der Radiosender selbst ein. Sie werden – perfekt zum Nutzungskontext des Werbemediums passend – den Radiohörern als ein alternativer Zugang zum Angebot des jeweiligen Senders angeboten und enthalten neben einer Livestream-Funktion in Digitalqualität häufig noch weitere inhaltliche Angebote wie Genre-spezifische Streams. Auch Gewinnspiele und andere Aktionen werden häufig über die Apps der Radiosender angeboten und sollen so nicht nur die Bindung der Hörerschaft erhöhen, sondern auch zusätzliche Audiences generieren, die der Vermarktung zugeführt werden können.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Dass manche angebotene Funktion einer App dabei nicht immer auch tatsächlich ein exklusive App-Funktion sein muss, zeigt das folgende Beispiel. Beispiel: Radio Hamburg – Registrierung zur Aktion „Stübis Wortalarm” per App

Bereits im Zuge der Content-bezogenen Vermarktungsansätze in Abschn. 4.3.2 wurde die Radio Hamburg-App vorgestellt. Zur Vermarktung der eigenen App, die im Wesentlichen auf Web-Views basiert und damit ein Abbild der Website ist, wird in einem Spot aufgefordert, sich für „Stübis Wortalarm“ zu registrieren. Um bei dem Spiel, bei dem der Teilnehmer pro richtig geratenen Begriff zehn Euro erhält, mitmachen zu können, muss sich der Hörer vorab registrieren. Der dazugehörige Radiospot legt dabei nahe, dass die App zur Registrierung zwingend erforderlich sei, beziehungsweise verschweigt jedenfalls, dass die App nicht unbedingt benötigt wird. Auch über die Website des Radiosenders ist eine Anmeldung möglich. ◄ Als besondere Herausforderung bei der App-Vermarktung ist auch im Fall des Radios das Tracking des Werbeerfolgs zu nennen. Ähnlich wie beim Fernseher kommt es auch beim Übergang vom Radio auf das Smartphone zu einem Medienbruch. Dabei fällt nicht nur das Einblenden eines QR-Codes (als eher theoretisches Trackingvehikel) weg. Im Fall von Shortlinks gilt, dass diese nicht einfach eingeblendet werden können, sondern ausgesprochen werden müssen und somit Sendezeit kosten. Auch sollten die Shortlinks möglichst einprägsam und einfach zu tippen sein – lange Domains und ungewöhnliche Top-Level-Domains verbieten sich damit. Auch Domains, die aus mehreren Worten bestehen und damit den Hörer vor die Frage stellen, ob die einzelnen Wörter zum Beispiel direkt hintereinander oder mit Bindestrichen getrennt geschrieben werden, können die Akzeptanz der Nutzer verringern. Geeignet, obwohl massiv ungenau, erscheint damit eigentlich nur noch ein Blick auf die Anzahl der Downloads und der neuen Nutzer im Zeitraum kurz nach der Ausstrahlung eines Spots.

4.4.14 Pressearbeit/Public Relations Die Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) bezeichnet den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seinen Stakeholdern und wird im Folgenden insbesondere im Sinne der Pressearbeit verstanden. Mit Blick auf App-Publisher ergibt sich daraus das Bestreben, über die gezielte Maßnahmen eine zu bewerbende App im Wesentlichen redaktionell, also unbezahlt oder jedenfalls journalistisch aufbereitet, in Zeitungen und Zeitschriften zu platzieren (Kreutzer, 2021a, S. 280 ff.). Entsprechend schlägt Ott (2018, S. 96) eine Checkliste für die Pressearbeit vor, die mit der Frage nach relevanten Medien für die eigene Zielgruppe beginnt und weiterhin unter anderem folgende Punkte enthält:

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

• • • • •

251

Welches sind die wichtigsten Magazine, Zeitschriften etc. der Zielgruppe? Welche Rubrik oder Redaktion ist für das Kernthema der App relevant? Welche Autoren beschäftigen sich vorwiegend mit diesem Kernthema? Was sind Trends, denen sich diese Autoren besonders widmen? Gibt es Sponsored Content oder Advertorials, also journalistisch aufbereitete Werbeformate?

Die klassische Pressearbeit meint laut Kreutzer (2021a, S. 281) insbesondere den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu Journalisten und Redakteuren meinungsbildender Medien. Er verweist darüber hinaus auf die Relevanz der Meinungsmacher im Netz, die der Online-PR zuzurechnen seien und meint insbesondere Blogs, aber auch NGOs wie etwa Greenpeace oder Foodwatch, die im Rahmen der PR-Aktivitäten eines Unternehmens – und damit auch eines App-Publishers – potenziell Berücksichtigung finden sollten (Kreutzer, 2021a, S. 281). Obwohl das Interesse von App-affinen Konsumenten an Zeitungen im Vergleich zur Gesamtpopulation grundsätzlich eher niedrig ist (vgl. Abb. 4.11), kann die Pressearbeit im Kontext der App-Vermarktung eine wichtige Rolle spielen, sofern ein zur Zielgruppe der App passendes Medium identifiziert werden kann. Je nach zu bewerbender App sind hierzu diverse Parameter für die Identifikation potenziell relevanter Medien denkbar. Während Apps mit regionalem Bezug vermutlich am ehesten in regionalen Tageszeitungen Erwähnung finden dürften, eignen sich spezifische Magazine für thematisch entsprechend spezifisch ausgerichtete Apps, wie das folgende Beispiel zeigt. Beispiel: Pingunauten-Trainer in der Zeitschrift „Eltern“ – App gegen Angst im MRT

Mit einer Auflage von mehr als 60.000 Exemplaren ist die monatlich erscheinende „Eltern“ die wahrscheinlich führende Zeitschrift im deutschsprachigen Raum für Themen, die Eltern bewegen – vom Kinderwunsch über die Schwangerschaft bis hin zur Erziehung und Entwicklung der Babys und (Klein-) Kinder (Wikipedia, 2022). Regelmäßig weist die Zeitschrift auf für Eltern und Kinder relevanter Produkte hin. In der Ausgabe 05/2022 findet sich ein redaktioneller Artikel, der sich umfangreich einer spezifischen App widmet: Der „Pingunauten-Trainer“ ist eine VR-App und bereitet Kinder auf eine bevorstehende MRT-Untersuchung vor (M. Petersen, 2022). In der Einleitung des Artikels heißt es dazu: „Die Virtual-Reality-App ‚Pingunauten-Trainer‘ will Kindern ab sechs die Angst vor einer MRT-Untersuchung nehmen – spielerisch, fantasievoll und mit viel Empathie“

Der Artikel macht zunächst auf die Problematik der Angst vor MRT-Untersuchungen aufmerksam. Das bildgebende Verfahren dient in der medizinischen Diagnostik dazu, Strukturen und Funktionen von Gewebe und Organen im menschlichen Körper darzustellen und verursacht – obwohl vollkommen schmerzfrei und nicht-invasiv – auch bei vielen Erwachsenen als Untersuchung „in der Röhre“ mitunter ein mulmiges Gefühl.

252

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Mit dem Pingunauten-Trainer, so berichtet es der Artikel in der „Eltern“, begleiten Kinder die Pinguine Lars und Lotta zu einer MRT-Untersuchung. Mit Hilfe einer VRHalterung für das Smartphone sehen die Kinder dann „fünf Minuten lang die Decke des Tomografen – wie bei der echten Untersuchung“. Die App wurde unter anderem gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen und dem Universitätsklinikum Essen als Teil des Projekts „VR-RLX – Integriertes Virtual Reality-System zur Reduktion von Angst und Sedativa in der pädiatrischen Radiologie“ entwickelt. Das Projekt und die App sind gemeinnützig und nicht-kommerziell. ◄ Anhand der App „Pingunauten-Trainer“ wird deutlich, dass auch Apps zu sehr speziellen Themen durchaus (mutmaßlich sehr relevante) Erwähnungen in der Presse finden können. Zusätzlich ist auch darauf hinzuweisen, dass das im Vergleich zur Gesamtpopulation niedrige Interesse App-affiner Konsumenten an Zeitungen und Zeitschriften eben nur im Mittelwert gilt. Abb. 4.16 zeigt hierzu exemplarisch anhand der bereits in Abschn. 3.1 verwendeten Daten für App-affine Konsumenten, dass das Interesse an einzelnen Zeitschriften und Magazinen – hier der Women’s Health, der JOLIE, der JOY und der myself – auch deutlich über dem Interesse der Gesamtpopulation liegen kann. Vor dem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass auch in Frauenzeitschriften immer wieder Apps Erwähnung finden, wie das folgende Beispiel skizziert. Beispiel: Bloom – Mental Health Coaching-App in der „emotion“

Die monatlich erscheinende „emotion“ ist eine Frauenzeitschrift „für Frauen, die ihren Weg gehen“. Ursprünglich 2006 bei Gruner + Jahr erschienen wird die „emotion“ seit 2009 vom gleichnamigen Emotion Verlag herausgegeben. Unter der Überschrift “Mental Health Coaching” erschien in der Ausgabe 05/2022 ein Hinweis auf die App „Bloom“ (“Mental Health Coaching,” 2022):

50% Präferenz ggü. Population

Abb. 4.16   Präferenzen App-affiner Konsumenten für ausgewählte Frauenzeitschriften im Vergleich zur Gesamtpopulation (Daten zur Verfügung gestellt von Ailon/ ERASON GmbH)

25%

0%

-25%

-50%

4.4  Ausgewählte Kanäle zur App-Vermarktung

253

„Die neue preisgekrönte, sehr hübsch gestaltete (leider nur englische) App ‚Bloom‘‚ bietet zehnminütige Sessions wie ‚Dealing with Self-Criticism‘, Entspannungsvideos, motivierende Pep-Talks oder Meditationsübungen. Wer mehr mentale Unterstützung möchte, kann sich auch einen digitalen Coach zur Seite stellen lassen, der dabei hilft, mit Stress, Traurigkeit oder Ängsten umzugehen.“

Laut Eintrag bei Google Play bietet Bloom unter anderem „geführte Meditationen, beruhigende Musik, achtsame Bewegungen und Erfahrungen“ (Applantis PTY LTD, 2022). Trotz der positiven Erwähnung in der emotion ist das bisherige Feedback der Nutzer eher verhalten: Die App wurde mehr als 10.000 Mal heruntergeladen, ist mit 3,4 Sternen bei rund 100 Rezensionen jedoch eher schwach bewertet. ◄ Neben der Auswahl potenziell passender Medien gehören die Bereitstellung von Presseinformation, das Verfassen und Distribuieren von Pressemitteilungen sowie die Pflege von Kontakten zu Medienvertretern zu den Kernaufgaben der Pressearbeit. Kreutzer (2021a, S. 283) weist darauf hin, dass auch geeignete Fotos in Downloadqualität bereitgestellt werden sollten und Videos neben der Corporate Website auch zum Beispiel auf YouTube hochgeladen werden sollten, um Pressevertretern einen möglichst einfachen Zugang zu ermöglichen und die Einbindung in Onlinemedien zu forcieren. Die folgende Liste enthält grundsätzliche Ideen für PR-Materialien und -Informationen, wie sie Unternehmen im Rahmen ihrer Pressearbeit zur Verfügung stellen könnten (Kreutzer, 2021a, S. 291): • Ansprechpartner für Presseanfragen (mit vollem Namen, Profilbild, Funktion, Telefonnummer und E-Mail-Adresse • Pressemitteilungen • Sonstige Veröffentlichungen des Unternehmens, zum Beispiel Geschäfts-, Nachhaltigkeits- oder Diversityberichte • Kurzprofil des Unternehmens mit Finanzkennzahlen • Unternehmenspräsentation (als PDF) • Imagefilme • Fotoarchiv mit Fotos von Geschäftsführung, Mitarbeitern, Standorten, Produkten, Logos • Informationen über anstehende Termine (zum Beispiel Pressekonferenzen) Im Kontext des App-Marketings können auch Informationen bezüglich der zu vermarktenden App bereitgestellt werden: • Versionshistorie mit Angaben zu Versionsnummer, Releasedatum und nicht-technische Releasenotes • Screenshots aus der aktuellen Version, mit und ohne Smartphone, für alle verfügbaren Betriebssysteme

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

• Fotos von Situationen, in denen die App genutzt wird • Aktuelle Bewertung auf den verschiedenen App-Marktplätzen, gegebenenfalls mit Stimmen von Testimonials Gerade, wenn mit den Presseinformationen auch Blogger, Influencer und kleinere Onlinemedien ermutigt werden sollen, über die App zu berichten, kann es zudem hilfreich sein, die Regeln für die Verwendung der bereitgestellten Materialien transparent darzulegen. Hierzu reicht im Zweifel auch der einfache Hinweis, dass die bereitgestellten Materialien kostenfrei und unter Nennung der Quelle inklusive Verlinkung genutzt werden dürfen. Janette Hoefer, freie PR- und Kommunikationsberaterin für Unternehmen aus den Bereichen Technologie, Media und Advertising, erörtert ihre Best Practices bei der Nutzung von Public Relations als Kanal der App-Vermarktung: „Public Relations-Maßnahmen können den Erfolg einer App deutlich beflügeln, indem sie ihre Bekanntheit steigern, Aufmerksamkeit erzeugen und Neugierde oder Vertrauen erwecken. Das gilt besonders für die Pressearbeit, da journalistische Berichterstattung in der Regel nicht gekauft werden kann und Erwähnungen in Medienartikeln deshalb als wertvoller wahrgenommen werden als beispielsweise Werbung. Für eine erfolgreiche Presseansprache ist es entscheidend, zunächst die richtigen Journalisten in passenden Medien zu identifizieren. Das bedeutet am Anfang Recherche-Aufwand, lohnt sich aber: Nur wenn ein Thema wirklich zum jeweiligen Medium passt, also Relevanz für dessen Zielgruppe hat, besteht die Chance auf Beachtung. Passt das Medium, der selektierte Journalist interessiert sich aber so gar nicht für das Kernthema, wird in den allermeisten Fällen ebenfalls wenig passieren. Denn viele Redakteure bekommen täglich mehrere Dutzend Themenvorschläge und Pressemitteilungen zugesandt und reagieren nur auf die für sie persönlich relevanten. Deswegen bringt es in der Regel auch wenig, auf die Strategie des Gießkannenprinzips zu setzen und einfach mehr und mehr Medien und Journalisten mit nicht zielgerichteten Informationen zu bombardieren. Die eigenen Ressourcen sind deutlich besser investiert, wenn von Anfang an die richtigen Journalisten bei den richtigen Medien kontaktiert werden. Und das bei der ersten Ansprache kurz und knapp. Das Ziel muss es sein, in wenigen Sätzen ein initiales Interesse zu wecken. Inhaltlich sollte der Fokus nicht darauf liegen, die App werblich zu beschreiben und ausufernd ihre Vorteile und Funktionen aufzulisten. Stattdessen sollte eine Geschichte erzählt werden, um die App in einen (größeren) Kontext einzubetten: Was kann die App übergreifend für bestimmte Menschen leisten? Welches Problem löst sie, welchen Mehrwert schafft sie? Wurde die Idee aufgrund bestimmter gesellschaftlicher Trends oder Entwicklungen geboren? Folgen die Entwickler damit einer Vision oder entstand die App als Reaktion auf eine persönliche Erfahrung oder Herausforderung? Solch ein Kontext macht Themen für viele Journalisten deutlich interessanter als vorgelagerte technische Spezifikationen oder Lobeshymnen. Zudem gibt es verschiedene Formate, um eine App bei Pressevertretern vorzustellen; etwa die oft gewählte und breit ausgesandte Pressemitteilung, die grundsätzlich ein guter Ausgangspunkt sein kann. Die 10–20 potenziell wichtigsten Pressekontakte sollten jedoch zusätzlich individualisiert abgeholt werden, beispielsweise, indem beim Versand der Pressemitteilung per E-Mail ein personalisierter einleitender Text vorgeschaltet wird, in dem kurz und knapp zum Ausdruck kommt, warum genau diese Person angeschrieben wird. Auch

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung

255

können zusätzliche exklusive Informationen wie ein Interview oder Zitat angeboten oder ein besonderer Blick auf das Thema aufgemacht werden. So erhöhen sich auch die Chancen für einen echten Austausch und den Aufbau erster Beziehungen mit Medienvertretern. Telefonisch gilt dasselbe. Generell lohnt es sich, Journalisten das Berichten so einfach wie möglich zu machen. Das gelingt, indem proaktiv die Perspektive des Ansprechpartners eingenommen und darauf fokussiert wird, was wirklich spannend und hilfreich für das Gegenüber ist. Das gilt inhaltlich, aber auch für die Form und Umsetzung und beginnt schon damit, dass der Meldungstext einfach und sicher zugänglich ist; dass Bild- und andere Media-Materialien bereitgestellt, eindeutig gekennzeichnet und mit Nutzungshinweisen versehen werden; dass Texte so neutral geschrieben werden, dass Medien mindestens Bausteine daraus ohne große Umformulierung nutzen könnten.“

Bezüglich des Trackings sei abschließend lediglich kurz angemerkt, dass das Monitoring der Pressearbeit und die Erfolgsmessung der Pressearbeit im Sinne der Erwähnung der eigenen Marke oder des Produkts in Medien zwar möglich, jedoch relativ weit weg vom App-Marketing sind. Dass ein positives Medienecho in der Regel jedenfalls nicht negativ im Sinne der App-Vermarktung sein dürfte, liegt sicherlich auf der Hand. Gleichzeitig ist die Messung des Effekts einer Erwähnung in der Presse auf die App-Downloads jedoch kaum sauber nachzuvollziehen, zumal davon auszugehen ist, dass Medienschaffende wohl kaum bereitgestellte Trackinglinks nutzen würden, um diese in ihren Artikeln einzubinden.

4.5 Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung Um den Erfolg vergangener und laufender Maßnahmen der App-Vermarktung nachvollziehen und Erkenntnisse für künftige Maßnahmen gewinnen zu können, müssen einerseits einige technische Grundlagen gelegt werden und andererseits spezifische Metriken und KPIs betrachtet werden. Unabhängig davon gilt grundsätzlich, dass sich die Anforderungen an das Tracking und die Analyse aus der App-Strategie ergeben müssen. Kamps (2015, S. 121) schlägt vor, als Ausgangsbasis nach dem Hauptziel der App beziehungsweise nach ConversionZielen oder Micro-Conversions zu fragen. Auch brauchen das Tracking und die Erfolgsmessung eine Verankerung in der Organisation des App-Marketings und in der App-Vermarktung, etwa durch einen eigens dafür abgestellten App-Analysten. Zusätzlich weist Mroz (2016, S. 353) darauf hin, dass der Blick auf die Zahlen als fester Bestandteil des Tagesgeschäfts im App-Marketing anzusehen sei. Das Tracking und die Erfolgsmessung in der App-Vermarktung, mitunter auch als App Analytics bezeichnet, ist auf den ersten Blick eng verwandt mit der Analyse und der Erfolgsmessung im Web – der Webanalyse, unterscheidet sich an vielen Stellen jedoch im Detail. Dies betrifft neben den technologischen Grundlagen und der Art, wie Daten erhoben werden, auch die betrachteten Metriken und KPIs und erfordert insbesondere eine Betrachtung der spezifischen Rolle der großen App-Marktplätze, die Google und

256

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Apple bei der Akquisition von Nutzern praktisch zu Gatekeepern machen (Kamps, 2015, S. 119 ff.). Das folgende Kapitel zeigt zunächst die technischen Grundlagen des Trackings auf, wobei insbesondere die spezifischen Anforderungen und Rahmenbedingungen im Kontext der App-Vermarktung diskutiert werden. Anschließend werden ausgewählte Metriken und KPIs eingeführt, wie sie in der App-Vermarktung betrachtet werden.

4.5.1 Technische Grundlagen des Trackings Während das Tracking im Webumfeld im Wesentlichen über Cookies stattfindet, werden bei der App-Nutzung vor allem das Geräte-Tracking genutzt wird (Kamps, 2015, S. 120). Deshalb erfordert das Tracking in der App-Vermarktung ein grundlegendes Verständnis für die beteiligten Parteien, die daraus resultierenden Medienbrüche und die weiteren Herausforderungen für das Tracking sowie zuletzt für die technologischen Antworten auf diese Herausforderungen. Nimmt man an, dass für die Vermarktung einer App etwa eine Display-Kampagne gefahren wird, die auf den jeweils passenden App-Marktplatz verweist, auf dem wiederum der Download und im Anschluss die Installation der App erfolgen, gibt es mindestens drei Touchpoints, die zunächst als unabhängig voneinander anzusehen sind – die Display-Anzeige, der Eintrag auf dem App-Marktplatz und (nach Installation) die App selbst. Entscheidend ist dabei der Blick auf den App-Marktplatz, wie Abb. 4.17 zeigt:

Nutzer-Flow (Online-) Kampagne

Eintrag auf AppMarktplatz

AppInstallation

Markierung des Nutzers und Weiterleitung

App-Install-Tracking

Erste AppÖffnung

AppNutzung

Prüfung auf mögliche Zuordnung zu bekanntem Nutzer

Zusammenführung Kampagne, App-Installation und App-Nutzung Nutzererlebnis Tracking-Flow Nutzer für App-Publisher praktisch unsichtbar

Abb. 4.17   Grundlegende Funktionsweise des Trackings von App Installs – der Medienbruch im App-Marktplatz als Herausforderung

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung

257

Herausforderungen beim App Install Tracking Ohne ein spezielles System zum App Install Tracking lässt sich die Performance einer Online-Kampagne im Wesentlichen nur mit den kanalabhängig gegebenen Möglichkeiten innerhalb des Kanals nachvollziehen. Für eine Display-Kampagne wäre also nachvollziehbar, wie häufig ein Werbemittel angezeigt (Impression) und wie häufig es geklickt (Klick) wurde. Unterstellend, dass die beworbene App ein Web-Analyse-System (beziehungsweise eigentlich „App-Analyse-System“) wie Google Analytics eingebunden hat, welches das Nutzerverhalten innerhalb der App misst, ist darüber hinaus auch das Nutzerverhalten ab der ersten App-Öffnung messbar. Weitestgehend unsichtbar im Flow des Nutzers bleibt allerdings dessen Interaktion mit dem App-Eintrag auf dem jeweiligen App-Marktplatz. Wird eine auf Google Play angebotene App beworben und werden Trackinglinks mit UTM-Parametern genutzt, so funktioniert das Tracking relativ gut. Wird jedoch eine App im Apple App Store beworben und soll der Erfolg zum Beispiel in Google Analytics nachvollzogen werden, funktioniert das Tracking von iOS-Installs nur für Anzeigen, die über mobile Werbenetzwerke als In-App Anzeige beworben werden, und auch nur, wenn der iOS-Nutzer seine Advertising ID (im Fall von Apple die IDFA) freigegeben hat. Wird die App (das heißt der App-Eintrag im Apple App Store) auch anderweitig, zum Beispiel auf einer mobilen Website oder auf Offline-Werbemitteln mit einem dahinterliegenden Trackinglink beworben, sind die Quellen dieser Installationen auf iOS später in Google Analytics nicht nachzuvollziehen. Letztlich sind in der Google Play Console und insbesondere bei Apple App Store Connect häufig im Wesentlichen nur Angaben dazu sichtbar, wie viele Nutzer in einem gewissen Zeitraum eine App installiert oder deinstalliert haben und wie sich Nutzer in der App verhalten. Eine Zuordnung zu einer bestimmten Marketingkampagne – bis herunter auf das einzelne Werbemittel betrachtet – ist so kaum möglich. Konkret bedeutet das, dass – ohne spezielle Lösung im App Install Tracking – nicht nachzuvollziehen ist, ob der App-Nutzer, der gerade ein Premiumabonnement abgeschlossen hat, ursprünglich über eine Rabattkampagne per Display oder über eine nicht incentivierte Bewerbung der App auf der Website des App-Publishers gewonnen wurde. Zusätzlich kommt es, wenn eine App sowohl für Android als auch für iOS angeboten wird, zu Unschärfen, weil beide Marktplätze im Detail durchaus unterschiedliche Informationen bereitstellen. Eine Marketingsteuerung, insbesondere auf plattformübergreifend konsistenten Daten ist so kaum möglich. Zusatzinformation: Anbieter für App Install Tracking Der Markt für Lösungen im Bereich App Install Tracking unterliegt nicht nur einer gewissen Dynamik, sondern ist auch begrifflich schwer greifbar. Für den hier skizzierten Anwendungsfall, den Erfolg von App-Vermarktungsmaßnahmen auf Basis des sich anschließenden App-Nutzerverhaltens kampagnenbezogen auswerten zu wollen, gibt es verschiedene Begriffe, unter anderem den des „Mobile App Install Tracking“ oder den der „Mobile Attribution Platform“.

258

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Als im deutschsprachigen Raum wesentliche Anbieter zu nennen sind unter anderem Adjust („The mobile measurement company“, adjust.com) aus Berlin und AppsFlyer („Mobile Attribution Leader“, appsflyer.com) aus San Francisco.

Im Laufe der Zeit haben sich mehrere Lösungen durchgesetzt, die das App Install Tracking von der Kampagne der Akquise bis hin zur App-Nutzung erlauben. Abb. 4.17 skizziert die Funktionsweise einer solchen Software: Statt direkt von der (Online-) Kampagne auf den App-Eintrag auf einem App-Marktplatz zu verweisen, wird der Nutzer zunächst mit Hilfe eines Trackinglinks über einen Server des App Install Trackings geleitet. Dort wird – je nach Verfügbarkeit – zum Beispiel eine Advertising ID (Apple: IDFA, Android: Ad ID) oder die Device ID des Nutzers gespeichert. Alternativ werden gerätespezifische Daten gespeichert, um den Nutzer jedenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit später identifizieren zu können. Hintergrundwissen: Deterministische versus probabilistische Attribution Mit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und den wiederkehrenden Debatten um die Vorratsdatenspeicherung dürfte das Bewusstsein der Verbraucher für ihre Privatsphäre im digitalen Raum in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sein. Die damit gepaarten Bestrebungen zur Abschaffung von Third-Party-Cookies und die Regularien von Apple und Google, wie App-Publisher mit Datenschutz und Privatsphäre ihrer App-Nutzer umgehen und darüber informieren müssen, stellen das Tracking zunehmend vor Herausforderungen: Wenn Nutzer ihre Advertising IDs resetten oder immer häufiger gar nicht erst teilen, wird die Attribution von App-Installs zu Vermarktungskanälen und -aktivitäten zunehmend schwieriger. Eine mögliche Antwort auf diese Problematik liefert beispielsweise Adjust: Kann eine Zuordnung über eine (im Idealfall) eindeutige und persistente Advertising ID erfolgen, wird diese deterministische Attribution angewandt. Steht keine Advertising ID zur Verfügung, wird stattdessen auf ein probabilistisches Verfahren („Probabilistic Matching“) zurückgegriffen. Dabei wird ein Nutzer mit Hilfe der am Gerät hängenden Attribute annäherungsweise identifiziert. Zu den Attributen gehören unter anderem der Gerätetyp (z. B. mobile phone), der Gerätename (z. B. Samsung Galaxy S. 10), das Betriebssystem (z. B. Android) und dessen Version (z. B. 11) sowie die (nicht langfristig konstante, aber für kurze Zeiträume durchaus ausreichende) IP-Adresse (Adjust, 2022a). Es ist anzunehmen, dass andere Anbieter im App Install Tracking ähnliche Datenpunkte anwenden. Die Entwicklungen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass probabilistische Attributionsmethoden – auch abseits der App-Vermarktung – langfristig deterministische Verfahren ablösen dürften.

Die Advertising ID oder die Device ID werden der dem Trackinglink zugehörigen Kampagne zugeordnet. Dann wird der Nutzer auf den App-Marktplatz weitergeleitet. Ob und wie der Nutzer dort mit dem App-Eintrag interagiert, ist aus Sicht des App Install Trackings eine Blackbox. Öffnet der Nutzer anschließend das erste Mal die heruntergeladene App, prüft das App Install Tracking, das per SDK in die App integriert ist, ob der neu erkannte Nutzer mit seiner Advertising ID oder Device ID über einen der definierten Trackinglinks bereits markiert wurde. Ist das der Fall, können die zukünftigen Informationen zur App-Nutzung stets mit den Daten zur Kampagne, über die der Nutzer akquiriert wurde, zusammengeführt werden.

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung

259

Zusatzinformation: Auswahl eines passenden Anbieters für App Install Tracking Um einen passenden Anbieter im Bereich des App Install Trackings auszuwählen, empfiehlt App Guardians (2022), unterschiedliche Anbieter mit Blick auf sechs Aspekte zu screenen: • • • • •

Dashboards & Reporting Retargeting Attribution Uninstall Reporting Fraud Detection Integration mit anderen Plattformen, etwa Google Ads oder Apple Ads, Display-Netzwerken und Social Networks • Preisgestaltung (auf Basis des gegebenen Budgets)

Abgesehen von einer automatischen Weiterleitung ganz am Anfang des Prozesses bleibt das App Install Tracking für den Nutzer praktisch unsichtbar. Gleichzeitig ermöglicht es, den Erfolg von Vermarktungskampagnen über den gesamten Lebenszyklus der Nutzer zu bewerten. Wie die Trackinglinks, wie sie etwa mit Adjust generiert werden können, aussehen, welche Fähigkeit sie abseits des reinen Trackings mitbringen und wie sie in der Praxis implementiert werden, wird im folgenden Beispiel an der App von DECATHLON deutlich. Beispiel: Adjust-Implementierung bei DECATHLON

Erstmals bereits vorgestellt in Abschn. 4.3verwendet unter anderem auch DECATHLON Adjust, um seine App-Installs zu tracken und den Erfolg der Maßnahmen zur App-Vermarktung nachzuvollziehen. Exemplarisch lässt sich am Beispiel der DECATHLON-App, grundsätzlich aber auch am Beispiel jeder anderen App, welche Adjust verwendet, der Aufbau eines Trackinglinks nachvollziehen. Ausgangsbasis dieser Betrachtung ist eine Anfrage an DECATHLON-Kundenservice bezüglich einer Bestellung. In einer Antwort des Kundenservice ist zwischen dem Hauptinhalt der E-Mail und der Verabschiedungsformel folgender Text zur Bewerbung der App eingefügt: „Entdecke jetzt auch unsere DECATHLON-App – damit hast du deine MyDECATHLONKarte immer dabei und kannst viele weitere Vorteile nutzen!“

Tippt oder klickt ein Nutzer auf den Linktext „DECATHLON-App“ wird daraufhin folgender Link aufgerufen: https://app.adjust.com/au07e1b?deeplink=dktappmobile3A2F2Fhome&fallback=https3A2F2F, https://www.decathlon.de2Fapp-ios-androidgratis_lp-LQ59G5 Deutlich zu sehen ist, dass der Link nicht etwa unmittelbar auf eine DECATHLON-Seite führt, sondern zunächst zu Adjust (app.adjust.com). Bei Adjust ist der Link in einer Struktur, zum Beispiel aus Netzwerk → Kampagne → Anzeigengruppen → Werbemittel aufgegangen, wobei die Tracker ID (au07e1b) innerhalb dieser Struktur einmalig ist. Der Nutzer wird also über einen Server von Adjust geschickt

260

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

und dort mit einer spezifischen Werbemaßnahme assoziiert. Würde der Nutzer nun die App installieren und öffnen, könnte der (jetzt App-) Nutzer der Interaktion mit einer bestimmten App-Vermarktungsmaßnahme zugeordnet werden. Darüber hinaus enthält der Link zwei Parameter, die es zu betrachten lohnt, weil sie spezifisch für die App-Vermarktung sind: • Über den Parameter „deeplink = “ lässt sich festlegen, wie Adjust reagieren soll, wenn ein Nutzer zwar auf einen Link zur Installation der App klickt, die App jedoch bereits installiert hier. In diesem Fall soll dann nicht der AppEintrag bei Google oder Apple aufgerufen werden, sondern „dktappmobile%3a%2 F%2Fhome“ geöffnet werden – also die DECATHLON-App auf dem Startscreen der App. • Der Parameter „fallback = “ definiert, was passieren soll, wenn Adjust weder Android noch iOS als Betriebssystem erkennt. Insbesondere deckt dies den Fall ab, dass der Trackinglink mit einem Desktopcomputer geöffnet wird. In diesem Fall soll dann „https%3 A%2 F%2F“ (Decoded: www.decathlon.de2Fapp-ios-androidgratis_lp-LQ59G5) geöffnet werden, also die Landingpage der Website, auf der DECATHLON seine App beschreibt. Der Deeplink- und der Fallbackparameter sowie das automatische Routing von Klicks auf den korrekten App-Marktplatz auf Basis des verwendeten Betriebssystems zeigen, dass Software für das Tracking von App-Installs in der Regel deutlich über die reine Frage der Zurechnung von Installationen zu Kampagnen hinausgeht. Am Rande angemerkt sei, dass DECATHLON seine App für Android und für iOS in Adjust offenbar nicht als zwei Apps, sondern als eine einzige, sogenannte MultiPlatform App aufgesetzt hat. Obwohl es sich technisch bei einer iOS- und einer Android-App um zwei Apps handelt, werden diese – häufig ja ohnehin auch auf dem gleichen oder einem sehr ähnlichen Funktionsstand befindlich – in der Praxis aus Business-Sicht häufig als „eine“ App verstanden. Zu den Vorteilen der Zusammenfassung als Multi-Platform App schreibt Adjust (2022b) in seiner Dokumentation: „If your app is available on multiple platforms, you can set it up as multi-platform in Adjust. This lets you use the same Adjust app token, event tokens, and tracker tokens for every version of your app, and create tracker URLs that automatically redirect to the device's relevant app store.“ ◄

Tracking von App-Installs mit dem Facebook SDK Von einfachen Screenshots und Videos einer App auf der eigenen Facebook-Seite bis zur Schaltung mobiler Werbeanzeigen speziell, um App-Downloads zu bewerben oder das App-Engagement zu fördern, bietet Facebook (2022e) verschiedene Möglichkeiten, eine App zu bewerben (Abschn. 4.4.5). Mit App-Promotion-Kampagnen können AppInstalls explizit als Kampagnenziel festgelegt werden, sofern die zu bewerbende App

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung

261

auf der „Meta for Developers“-Website registriert und mit einem Werbekonto verknüpft ist (Facebook, 2022d). Zusätzlich können solche Kampagnen mit „Wertoptimierung“ geschaltet werden, wobei Facebook den voraussichtlichen Return on Ad Spend einer Person berechnet und automatisch höhere Gebote für solche Nutzer einstellt, die wahrscheinlich besonders hohe Umsätze erzielen werden (Facebook, 2022g). Auch lassen sich Kampagnen für bestimmte App-Events optimieren, wobei diese dazu definiert und aus der App heraus an Facebook übermittelt werden müssen (Facebook, 2022c). Nicht nur für die Übermittlung dieser Events, sondern auch, um den Erfolg der eigenen AppVermarktung auf Facebook nachvollziehen zu können, braucht es eine Schnittstelle zwischen Facebook und der eigenen App. Facebook bietet hierzu ein eigenes SDK (Software Development Kit) für Android und für iOS (Facebook, 2022a). Dieses wird zunächst grundlegend in die eigene App integriert und protokolliert anschließend einige Events wie App-Installationen, App-Starts und App-interne Käufe automatisch. Zusätzlich lassen sich auch eigene Events über das SDK erfassen und an Facebook senden, zum Beispiel das erfolgreiche Anlegen eines Nutzerkontos im Rahmen eines Registrierungsprozesses, das Erreichen eines bestimmten Levels in einer Gaming-App oder das Hinzufügen eines Produkts zum Warenkorb in einer Shopping-App (Facebook, 2022b). Wird eine App über Facebook beworben und installiert ein Nutzer die App in Folge einer Kampagne, wird Facebook diese Events entsprechend dem Install und damit der entsprechenden Kampagne zuordnen, um so den Erfolg von Kampagnen auch über die eigentliche Installation hinaus bewertbar zu machen. Beispiel: Exemplarische Events für eine Hotel-App

Welche Events das Facebook SDK, potenziell aber auch jede andere Trackinglösung erfassen sollten, hängt von der jeweiligen App und ihren Zielen ab. Beispielhaft skizziert Facebook (2022f) die Ziele einer Hotel-App und leitet daraus relevante Events ab, die über den eigentlichen Install hinaus erfasst werden sollten. Im skizzierten Beispiel werden drei Ziele verfolgt: 1. Verständnis für den Conversion Flow innerhalb der App erlangen 2. Schaltung von Retargeting Ads in Folge eines abgebrochenen Buchungsprozesses 3. Akquise neuer Nutzer, die hochwertigen Nutzern ähnlich sind Hieraus ergeben sich mehrere Nutzerinteraktionen, die als Event an das Facebook SDK übermittelt werden können, auf das Erreichen der genannten Ziele einzahlen und insofern getrackt werden sollten, um sie für die Erfolgsmessung der App-Vermarktung – deutlich über den Install hinausgehend – heranzuziehen:

262

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

• ActivatedApp Event: Dieses Event wird an das SDK übermittelt, sobald die App vom Nutzer gestartet wird. Ein tatsächlicher Start der App deutet darauf hin, dass der akquirierte Nutzer auch ein tatsächliches (erstes) Interesse an der App hat. • Searched Event: Dieses Event wird übermittelt, wenn der Nutzer ein Sucheingabe tätigt. Es enthält zusätzlich die konkrete Sucheingabe, die gewünschten Check Inund Check Out-Daten sowie die Anzahl der Übernachtungen, der Räume und der Gäste. Verknüpft mit dem Install lässt sich nachvollziehen, welche geographischen Regionen besonders relevant sind und ob die im Rahmen einer Vermarktungsmaßnahme angepeilte Zielgruppe (zum Beispiel Geschäftsreisende oder Familien) auch tatsächlich erreicht wurde. • ViewedContent Event: Betrachtet ein Nutzer in Folge einer Suche ein konkretes Hotel, wird diese Information als Event übermittelt. Zusätzlich enthalten sind Angaben zum Hotel, zur vorherigen Sucheingabe, zu Check In- und Check Out-Daten und zum Preis pro Nacht. Hierdurch lässt sich nachvollziehen, welche Hotels für die akquirierten Nutzer relevant sind. Auch deuten sich preisliche Präferenzen an. • InitiatedCheckout Event: Dieses Event wird zum Start des Buchungsprozesses gesendet. Es werden diverse Informationen wie das konkrete Hotel, der fällige Betrag und der Buchungszeitraum übermittelt. Neben einem besseren Verständnis für die Zielgruppe stellt ein solches Event auch einen Ansatzpunkt für RetargetingMaßnahmen im Stile einer „Warenkorbabbrecherkampagne“ dar, sofern die Buchung nicht abgeschlossen wird. • Purchased Event: Wird der Buchungsprozess erfolgreich abgeschlossen, wird dieses Event übermittelt. Die zusätzlichen Informationen decken sich mit dem vorherigen Event. Über Analysen, welche Nutzer Nutzern besonders ähnlich sind, für die dieses Event gefeuert wurde, lassen sich beispielsweise Lookalikes bilden, um für weitere Vermarktungsmaßnahmen besonders aussichtsreiche Nutzer anzusprechen. ◄ Ähnlich wie Facebook bieten auch viele andere große Publisher (insbesondere soziale Netzwerke) und Analytics-Tools eigene SDKs, die App-Publisher in ihre Apps integrieren können. Die Funktionsweise unterscheidet sich dabei aus Business-Sicht kaum. In praktisch allen Fällen werden mit der Integration des SDKs in die App bestimmte Interaktionen standardmäßig erfasst, während andere über Events selbstständig nachgezogen werden müssen. Das Ziel besteht in allen Fällen im Wesentlichen darin, Erkenntnisse über das Verhalten der App-Nutzer zu gewinnen und diese Erkenntnisse für Analyse- und Targeting-Zwecke zu verwenden – nicht nur, aber insbesondere zum Zweck der AppVermarktung. Einsatz von Shortlinks in der App-Vermarktung Ein einfaches, aber – unabhängig vom Tracking – praktisches Instrument in der AppVermarktung sind Shortlinks. Dabei verwendet ein App-Publisher eine Unterseite seiner Domain (in Abb. 4.18 zum Beispiel „website.de/app“) und richtet für diese Adresse eine

263

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung Weiterleitung

website.de/app

website.de/app

website.de/app

Weiterleitung

Weiterleitung

website.de/content/ landingpages/app

AppMarktplatz Klick

AppMarktplatz OS? Weiterleitung

website.de/app

Weiterleitung

AppMarktplatz

AppMarktplatz AppMarktplatz

apptracking.bsp/ appkampagneXY Weiterleitung

AppMarktplatz

Abb. 4.18   Möglichkeiten zur Nutzung von Shortlinks in einfacher Form, mit zwischengeschalteter Landingpage, mit Erkennung des Betriebssystems oder mit Tracking

Weiterleitung ein. Je nach Spielart könnte die Adresse direkt zu einem App-Marktplatz weiterleiten oder zu einer Landingpage, auf der der App-Publisher über seine App informiert. Alternativ denkbar wäre auch, durch Prüfung des Betriebssystems (Android oder iOS) zum jeweils passenden App-Marktplatz (Play Store oder App Store) weiterzuleiten. Auch eine Weiterleitung an einen Trackinglink eines Tools zum Tracken von App-Installs wie Adjust oder AppsFlyer wäre denkbar (Abb. 4.18). Die Verwendung von Shortlinks in der App-Vermarktung bietet sich insbesondere dann an, wenn der Werbekanal keine alternativen Möglichkeiten bereithält oder die Anzeige von bildlichen Alternativen zeitlich nicht sinnvoll möglich ist und der App-Publisher über eine hinreichend bekannte Marke mit klarer Schreibweise und kurzer Domain verfügt. Insbesondere bei der App-Vermarktung über Radiowerbung können Shortlinks gut eingesetzt werden, aber auch im Fernsehen, wo ein Werbespot nur wenige Sekunden dauert und der Nutzer kaum Zeit hat, auf seinem Smartphone die Kamera oder einen anderen Scanner zum Erfassen eines QR-Codes zu aktivieren. Tracking mit QR-Codes Ohnehin sollten QR-Codes, die erst seit der Coronapandemie überhaupt eine nennenswerte Akzeptanz erfahren haben, lediglich eine von mehreren Möglichkeiten darstellen, Nutzer zu einer App zu leiten und zu tracken. Nicht selten ist die Zeit zum Scannen zu knapp oder das Hemmnis, mit der Kameralinse nur knapp an anderen Menschen vorbei einen Code zu scannen, zu groß.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Trotz aller Bemühungen rund um das „korrekte“ Tracking von App-Installs sollte beachtet werden, dass technische Hürden, aber auch menschliches Verhalten deutliche Unschärfen erzeugen. So lässt sich gerade bei Offline-Maßnahmen der App-Vermarktung häufig beobachten, dass im Zeitraum der Werbemaßnahmen – allen Bemühungen mit QR-Codes und Shortlinks zum Trotz – die Brand-Suchen deutlich ansteigen, die zwar eigentlich auf „organische“ Installs hindeuten, wohl aber ihren Ursprung in den Vermarktungsaktivitäten haben dürften. Die Zuordnung eines App-Installs zu einer bestimmten Werbemaßnahme ist in erheblichem Maße lediglich eine Annäherung an die Realität. Tracking von Uninstalls/Deinstallationen Eine besondere Herausforderung stellt das Tracking von Uninstalls dar. Zwar stellen Apple und Google auch hier jeweils grundlegende Informationen bereit, jedoch sind diese im Regelfall nicht auf einzelne Marketingaktionen beziehbar. Insofern braucht es auch hier in der Praxis eine spezialisierte Software wie Adjust oder AppsFlyer. Im Kern besteht die Herausforderung darin, dass ein Nutzer eine App zwar über den Google Play Store oder über den Apple App Store installiert, die Deinstallation jedoch über das Betriebssystem erfolgt und eine deinstallierte App die Deinstallation dem App-Publisher nicht mehr „mitteilen“ kann. Das Tracking von Uninstalls basiert deshalb auf einer Umwidmung von Push Tokens. Eigentlich werden Push Tokens von den Push Service Providern (vereinfacht: Google und Apple) zugewiesen und dienen – ähnlicher der E-Mail-Adresse bei Zustellung von E-Mails – der Zustellung von Push Notifications. Für das Tracking von Uninstalls greifen Systeme wie Adjust (2022c) über das in der App verbaute SDK auf diesen Push Token zu und speichern diesen. Anschließend werden in regelmäßigen Abständen und vollautomatisch sogenannte Silent Push Notifications an alle Geräte versendet, die die jeweilige App installiert haben und Push Notifications erhalten können. Der Nutzer bemerkt diese Benachrichtigungen nicht. Ist ein Gerät nicht mehr über den Push Token erreichbar, bedeutet dies, dass die App deinstalliert wurde. Zu beachten ist, dass der genaue Deinstallationszeitpunkt nicht bekannt ist. Lediglich ist bekannt, dass die Deinstallation zwischen der letzten erfolgreichen Zustellung einer Silent Push Notification und der erfolglosen (Nicht-) Zustellung einer Silent Push Notification liegen muss.

4.5.2 Ausgewählte Metriken und KPIs Obwohl die Kanäle der App-Vermarktung in weiten Teilen auch den ansonsten üblichen Marketing- und insbesondere Online-Marketing-Kanälen entsprechen, unterscheiden sich die relevanten Metriken und KPIs (im Folgenden einfach „Kennzahlen“) abseits der grundlegenden Daten zu Impressions und Klicks eines Werbemittels teilweise deutlich vom klassischen (Online-) Marketing. Von Focht (2022) nennt zum Beispiel App-Downloads,

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung

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App-Installationen, Benutzer-Logins, Nutzungsdauer und Nutzungsfrequenz als relevante Metriken, wobei die Google Play Console und Apple App Store Connect sowie die gängigen Anbieter im Bereich App Install Tracking zahlreiche weitere Kennzahlen bereitstellen. Hinweis: Weitere Betrachtungen von Kennzahlen Weitere Stellen, an denen ausgewählte Kennzahlen betrachtet werden, sind • In Abschn. 5.2.8 im Kontext des User Engagements • In Abschn. 5.3.9 im Kontext von Push Notifications und In-App Messages

Obwohl die im App-Marketing betrachteten Kennzahlen sich je nach spezifischer App unterscheiden können, stehen die App-Downloads grundsätzlich im Fokus. Die Betrachtung der Downloads einer App über einen spezifischen Zeitraum hat dabei jedoch kaum eine Aussagekraft (Kamps, 2015, S. 119 ff.). So sagt die Tatsache, dass eine App in den letzten 7 Tagen x-mal heruntergeladen wurde, relativ wenig aus und wirft diverse – je nach Anwendungsfall unterschiedlich relevante – Fragestellungen auf: • Sind × Downloads in den letzten 7 Tagen viel oder wenig? Wie verhielten sich die Downloads in den Tagen und Wochen davor und wie fällt ein Vorjahresvergleich aus? • Handelt es sich bei den Installationen um Erstinstallationen oder wurden auch Nutzer reakquiriert, die die App in der Vergangenheit bereits installiert hatten, dann aber deinstalliert haben? • Was folgt auf die Installation der App? Sind die gewonnenen Nutzer auch tatsächlich aktiv? Oder wird die App kurze Zeit später direkt wieder deinstalliert? • Haben die Nutzer unmittelbar nach der Installation in der App ein Kundenkonto angelegt, eine Bestellung getätigt oder andere Schlüsselaktivitäten abgeschlossen? • Was hat eine Installation gekostet? Und sind die Installationen mit Blick auf den zu erwartenden Umsatz profitabel? Diese Fragestellungen lassen sich auch auf viele andere Kennzahlen übertragen. Sie sind insbesondere als Aufforderung zu verstehen, betrachtete Kennzahlen nicht nur kritisch zu hinterfragen, sondern auch weiterführende, tiefergehende Analysen anzustellen. Die im Folgenden vorgestellten Kennzahlen bilden im Wesentlichen einen Teil der Kennzahlen ab, die die Google Play Console für Android und den Google Play Store bietet (Google, 2022n). Die Kennzahlen, die sich bei Apple App Store Connect finden, sind weitestgehend deckungsgleich. Grundlegende Daten aus dem Online-Marketing Zu den einfachsten Metriken, die im Rahmen der App-Vermarktung über OnlineMarketing-Kanäle regelmäßig betrachtet werden, gehören die Impressions eines Werbemittels, die Klicks auf das Werbemittel und schließlich die Besucher auf dem App-Eintrag auf dem jeweiligen App-Marktplatz.

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Hinsichtlich der Impressions ist, auch auf Desktop-Rechnern, aber insbesondere auf Mobile Screens zu beachten, dass diese in der Regel beim Seitenaufruf getrackt werden. Das bedeutet in der Konsequenz jedoch nicht automatisch, dass ein Nutzer eine Werbeanzeige, für die eine Impression gezählt wurde, auch tatsächlich gesehen hat. Häufig sind Werbemittel below the fold zu finden, also weit im nicht ohne Scrollen sichtbaren Bereich. Bei Auswertungen von Impressions muss also mitbedacht werden, dass eine Impression nicht damit gleichzusetzen ist, dass ein Nutzer ein Werbemittel auch tatsächlich gesehen hat. Ebenfalls zu den gängigen Metriken im Online-Marketing gehören die Klicks auf ein Werbemittel, wobei aus der Anzahl der Klicks und der Anzahl der Impressions üblicherweise eine Click Rate errechnet wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Klick auf ein Werbemittel in der App-Vermarktung automatisch dazu führt, dass der App-Eintrag der beworbenen App aufgerufen wird. Hintergrundwissen: Ad Fraud – Betrug im digitalen Werbeanzeigengeschäft Tatsächlich scheint im gesamten Online-Marketing, speziell im Display Advertising oder dort insbesondere auf mobilen Endgeräten der Werbebetrug (Ad Fraud) eine nicht zu unterschätzende Rolle einzunehmen. Regelmäßig gehört der Betrug bei der Abrechnung von Werbeanzeigen zu den größten Sorgen im Online-Marketing, insbesondere beim Einsatz von Programmatic Advertising. AppsFlyer (2023) weist hierzu auf Techniken wie das Stapeln mehrerer Banner übereinander (Ad Stacking), das massenhafte Klicken auf Werbeanzeigen (Click Spamming) oder das Kapern von regulären Installationen im Rahmen der Attribution (Install Hijacking) hin. Zu den Signalen für einen potenziellen Ad Fraud gehören laut AppsFlyer (2023) unter anderen die Zeit zwischen Klick und Installation (Click-to-Install Time, CTIT), wobei eine CTIT unter zehn Sekunden auf Install Hijacking und eine CTIT über 24 h auf Click Flooding hindeuten kann.

Schließlich können auch die Besucher auf dem App-Eintrag betrachtet werden, die unter anderem danach aufgeschlüsselt werden können, ob sie über die Suche, die Inspirationselemente („Ähnliche Apps“ oder „Apps, die anderen Nutzern ebenfalls gefallen“) oder sonstige Kanäle den App-Eintrag aufgerufen haben. Die Verwendung von UTM-Parametern beziehungsweise die detaillierte Abbildung einer Kampagnenstruktur sind dabei, insbesondere für Android und iOS einheitlich, kaum abzubilden, sodass die Frage, woher die Besucher eines App-Eintrags auf einem App-Marktplatz kommen, im Detail praktisch ungeklärt bleibt. Gleichwohl können einfache Auswertungen wie die Betrachtung der Anzahl der Besucher eines App-Eintrags im Wochenverlauf im Vergleich zur Vorwoche erste Indikationen liefern, um etwa den Erfolg einer TV-Kampagne oder einer Out-of-Home-Kampagne per Plakat zur Bewerbung der App zu bewerten. Installation und Deinstallation Die spezifisch für die App-Vermarktung am häufigsten betrachtete Kennzahl ist sicherlich die Installationen, die aus praktischer Sicht mit den Downloads gleichzusetzen sind (Kamps, 2015, S. 119 ff.). Auch, wenn technisch natürlich offenkundig ein Unterschied

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung

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besteht, ob eine App lediglich heruntergeladen oder ob sie auch tatsächlich installiert wurde, scheitert diese Unterscheidung aus Sicht des App-Publisher in der Praxis, weil die Installation einer gerade heruntergeladenen App von Android und iOS automatisch mit Abschluss des Downloads vorgenommen wird. Auch ist die Installation einer App, ohne dass diese mindestens einmal geöffnet und die Öffnung als Erstöffnung identifiziert wird, aus Sicht des App-Publishers technisch nicht vom (hypothetischen) Szenario eines App-Downloads ohne anschließende Installation zu unterscheiden. Neben der einfachen Betrachtung von Installationen im Zeitverlauf sind, ähnlich wie bei den Besuchern eines App-Eintrags, vergleichende Betrachtungen von Zeiträumen möglich, um beispielsweise erste Indikationen bezüglich des Erfolgs von Vermarktungsmaßnahmen zu erhalten, wenn diese mit Herausforderungen im Tracking verbunden sind beziehungsweise davon auszugehen ist, dass ein Großteil des Werbeerfolgs nicht explizit dieser spezifischen Vermarktungsmaßnahme zugerechnet werden kann. Darüber hinaus stellt die Anzahl der Installationen, die im Rahmen einer Kampagne generiert wurden, die Ausgangsbasis für die Betrachtung des Cost-per-Install (CPI) dar, bei dem also die Gesamtkosten einer Vermarktungsaktion auf die damit erzielten Installs umgelegt werden. Zusatzinformation: Durchschnittliche CPIs Obwohl der Cost-per-Install sicherlich eine der relevantesten Kennzahlen der App-Vermarktung darstellt, ist es kaum möglich, pauschal Werte zu nennen, die als „gut“ oder „schlecht“ anzusehen sind. Vielmehr hängen die Werbeausgaben, die für einen Install aufgebraucht werden müssen, unter anderem vom Betriebssystem, der App-Kategorie, dem Marketingkanal und der Art der Kampagne ab. Grundsätzlich sagen lässt sich, dass iOS-Installs in der Regel teurer sind als Android-Installs und dass die (zu erwartende) Qualität eines Installs ebenfalls auf den Preis wirkt. So kann etwa im Fall von Kampagnen, bei denen Nutzer monetär oder quasi-monetär über Gutscheine oder Bonuspunkte incentiviert werden, eine App zu installieren, gesagt werden, dass diese incentivierten Installs zu relativ günstigen Preisen eingekauft werden können, jedoch häufig Defizite hinsichtlich ihrer Qualität aufweisen (Wohllebe et al., 2020). Die folgenden Zahlen vermitteln einen Eindruck darüber, in welchen Größenordnungen sich CPIs durchschnittlich bewegen. Im Jahr 2020 wird als übergreifender durchschnittlicher CPI ein Wert von 2,24 US$ angegeben (Kua, 2020). Laut der Website „Business of Apps“ wird ein Install auf Android im Jahr 2022 mit durchschnittlich rund 1,20 US$ angegeben, während der Install einer iOS-App mit durchschnittlich 3,60 US$ das Dreifache kostet (Dogtiev, 2022). Weiterhin deutet ein Vergleich der CPIs nach Werbekanal auf deutliche Unterschiede hin, wobei ein Install per Search Ads mit lediglich 1,00 US$ angegeben wird, während etwa für einen Install per Facebook 1,80 US$ und per Instagram 2,23 US$ angegeben werden (Kua, 2020). Nach Regionen betrachtet kostet ein Install in Lateinamerika mit 0,34 US$ am wenigsten, während in APAC ein Preis von durchschnittlich 0,93 US$ und in EMEA im Schnitt 1,03 US$ aufgewendet werden müssen. Mit 5,28 US$ pro Install liegen die CPIs im Regionalvergleich in Nordamerika am höchsten (Dogtiev, 2022). Mit Blick auf die Kategorie deutet sich an, dass die CPIs insbesondere im Gaming über dem Gesamtdurchschnitt liegen, wobei Abb. 4.19 hierzu vertiefend die durchschnittlichen CPIs für einige ausgewählte Spielekategorien aufzeigt (Dogtiev, 2022). Für Shopping-Apps wird im Mai 2022 im weltweiten Mittel der CPI auf iOS mit 3,01 US$ und auf Android mit 2,24 US$ angegeben (Liftoff & Singular, 2022).

268 Abb. 4.19   Durchschnittliche CPIs für Gaming-Apps insgesamt und für ausgewählte Genres, weltweit im Zeitraum von März 2022 bis Februar 2021. (Dogtiev, 2022)

4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen $5.00

$4.30

$4.00

$4.50 $4.00

$3.90

$3.00

$2.00

$2.00

$1.00 $0.00

$1.10

Gesamt

$1.10

$1.20

Lifestyle

Puzzle Simulation

Android

iOS

Eine zusätzliche Perspektive auf die Installationen liefert die Betrachtung der Views-toInstall, wie sie Ahrholdt et al., (2019, S. 165) vorschlagen. Dabei wird die Anzahl der Installationen einer App ins Verhältnis gesetzt zur Anzahl der Aufrufe eines App-Eintrag auf einem App-Marktplatz („Wie viele Aufrufe braucht es, bis die App im Schnitt einmal heruntergeladen wird?“), sodass bei umgekehrter Betrachtung auch von der ConversionRate des App-Eintrags gesprochen werden kann („Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Besuch des App-Eintrags auch zur Installation führt?“). Die Views to Install oder analog die Conversion-Rate des App-Eintrags lassen sich entsprechend nutzen, um die Attraktivität eines App-Eintrags zu bewerten und könnten – bei Schlechtleistung – Bemühungen nach sich ziehen, den App-Eintrag attraktiver zu gestalten, etwa durch bessere Screenshots, eine stärkere Vorteilskommunikation oder eine Verbesserung der Bewertungen. Neben den Installationen einer App ist, naheliegenderweise, auch der Blick auf die Deinstallationen oder Uninstalls von hoher Relevanz. Die App-Vermarktung muss dabei die Deinstallation unmittelbar nach der Installation als Indikator begreifen, im Rahmen der Vermarktung falsche Erwartungen und Hoffnungen geweckt zu haben. Gleichzeitig ist jeder Uninstall – unabhängig vom Zeitpunkt der Installation – auch ein Hinweis an die Produktentwicklung zur weiteren Anpassung der App im Sinne der Erwartungen potenzieller Nutzer. Auch, wenn die Betrachtung von Deinstallationen in der App-Vermarktung stattfindet, ist es zusätzlich und insbesondere auch Aufgabe derjenigen, die für die Aktivierung und die Bindung von Nutzern im Sinne des App-CRM zuständig sind, Deinstallationen etwa in Folge von zu vielen Push Notifications oder als Nutzerreaktion auf fehlgeschlagene App-Updates regelmäßig zu überwachen. Nutzer Der Blick auf die Anzahl der Nutzer einer App mag zunächst trivial erscheinen, ist allerdings deutlich relevanter als bei vornehmlich session- und transaktionsgerichteten Perspektiven, wie sie bei Websites verbreitet sind. Ein Nutzer kann eine App dabei beliebig

4.5  Tracking und Erfolgsmessung in der App-Vermarktung

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häufig installieren beziehungsweise deinstallieren, sodass längst nicht jede neue Installation auch einen neuen Nutzer bedeuten muss. Relevant kann diese Unterscheidung dann sein, wenn eine App lediglich eine sehr spezifische Funktion erfüllt und nur für eine einmalige Nutzung eben dieser Funktion heruntergeladen und installiert wird. Beispiele dafür könnten etwa Apps zur persönlichen Identifikation sein, wie sie im Kontext der digitalen Eröffnung eines Bankkontos zum Einsatz kommen, etwa IDnow oder POSTIDENT. In diesen Fällen dürfte ein Blick auf die Nutzerzahlen weniger relevant sein als etwa bei einer Streaming- oder einer Gaming-App. Die Frage, ob ein „technischer“ Nutzer auch gleich ein „natürlicher“ Nutzer ist oder ob technisch zwar ein Gerät identifiziert, dieses real aber als Shared Device von mehreren natürlichen Nutzern verwendet wird, bringt zusätzliche Komplexität in die Analyse von Zahlen. Eine Besonderheit bei Google Play stellt der Begriff der aktiven Nutzer dar. Als aktive Nutzer werden dabei nicht etwa wie in Abschn. 5.2.8 die Daily/Weekly/Monthly Active Users bezeichnet, sondern jene Nutzer, „bei denen Ihre App auf mindestens einem Gerät installiert ist und die es [d. h. dieses Gerät] in den letzten 30 Tagen genutzt haben“ (Google, 2022n). Die Betrachtung der Nutzerzahlen erlaubt eine Betrachtung der akquirierten und der verlorenen Nutzer, wobei Nutzer im Fall von Google auch dann als akquiriert gezählt werden, wenn sie eine App nicht über Google Play installieren, sondern ein Gerät mit vorinstallierter App das erste Mal verwenden. Analog gelten Nutzer als verloren, wenn sie entweder eine App aktiv deinstallieren oder ein Gerät mit installierter App 30 Tage lang nicht nutzen. Die Unterscheidung in neue Nutzer und wiederkehrende Nutzer ist aus Sicht der Marketingsteuerung interessant, wenn eine Vermarktungsmaßnahme etwa explizit darauf abzielt, lediglich neue Nutzer zu akquirieren oder auch wiederkehrende Nutzer erneut zu akquirieren, nachdem diese eine App auf allen ihren Endgeräten deinstalliert haben. Verfolgt eine Kampagne das Ziel, neue Nutzer zu akquirieren, wird der Fokus in der Regel auf der Kommunikation der Vorteile und Features der App liegen. Werden gezielt ehemalige Nutzer angesprochen, um sie erneut zu akquirieren, kann auf typische Gründe eingegangen werden, weshalb Nutzer häufig die spezifische App deinstallieren. Die Ansprache könnte dabei explizit auf Verbesserungen durch aktuelle Updates eingehen, um einmal verlorenen Nutzern einen Anlass zu geben, die App erneut zu installieren. Je nach Szenario kann die erneute Akquise von Nutzern deutlich teurer (…schlechte App möchte eine neue Chance…) oder deutlich günstiger (…gute App, die einen seltenen Anwendungsfall unterstützt, soll anlässlich eines erneuten Auftretens des Anwendungsfalls erneut installiert werden…) ausfallen als die Akquise neuer Nutzer. Geräte Neben dem Blick auf Nutzer eröffnet die Google Play Console auch den Blick auf Geräte. Jeder Nutzer kann dabei eines oder mehrere Geräte besitzen. Denkbar ist weiterhin, dass mehrere Nutzer ein gemeinsames Gerät verwenden, wobei hier fraglich ist, ob technisch tatsächlich mehrere Nutzer identifiziert werden können.

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4  App-Vermarktung: Neue App-Nutzer gewinnen

Die Metriken im Bereich der Geräte ähneln denen im Bereich der Nutzer stark. So lassen sich auch bei Geräten aktive Geräte, akquirierte und verlorene sowie neue und wiederkehrende (beziehungsweise wiederverwendete) Geräte unterscheiden. Auch die im Bereich der Nutzer erläuterten Unterschiede bei Kampagnen mit dem Ziel der Akquise neuer oder wiederkehrender Geräte gelten analog. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Updates nach Gerät auszuwerten, wobei die Anzahl der Geräte gemeint ist, auf denen die jeweilige App aktualisiert wurde. Neben einem grundsätzlichen Gefühl, wie schnell die Nutzerbasis ein Update nach Veröffentlichung typischerweise installiert, hilft diese Kennzahl etwa im Fall eines konkreten Problems, welches im Rahmen eines Updates behoben wird (oder im Fall eines neuen Features mit hohem Business Impact). So lässt sich überwachen, wie schnell eine Aktualisierung ausgerollt wird und wann entsprechend mit Verbesserung (oder mit einem Anstieg der Umsätze) zu rechnen ist. Der Blick auf die verlorenen Geräte nach Update verrät zudem, wie häufig eine App deinstalliert wird, nachdem sie kürzlich ein Update erfahren hat. Im Zuge eines Updates sollte diese Kennzahl in jedem Fall überwacht werden, um gegebenenfalls auftretende Probleme mit der neuen App-Version frühzeitig identifizieren und ein erneutes Update, gegebenenfalls sogar als eine Art Rollback, vorbereiten zu können. Nutzung Obgleich die Nutzung einer App sicherlich eher als Nutzerengagements (vgl. Abschn. 5.2) zu verstehen ist und die Auseinandersetzung mit den entsprechenden Kennzahlen deshalb jedenfalls im Schwerpunkt in Abschn. 5.2.8 zu verorten ist, werden Kennzahlen zur Nutzung auch im Kontext der App-Vermarktung regelmäßig herangezogen, um den Erfolg von Kampagnen nachzuvollziehen. Im Kern des Interesses steht dabei die Frage, ob die generierten Installationen auch nachhaltig sind, also die App nicht nur installiert wurde, sondern auch tatsächlich genutzt wird. Einfache Metriken, um den Erfolg zu beurteilen, können etwa Screen Views (zum Beispiel pro Nutzer oder pro Session) oder die durchschnittliche Session-Dauer sein, die mit Installationen in einem gewissen Zeitraum erzielt werden, wobei als Vergleichswert jeweils die Performance der Grundgesamtheit oder der Installationen aus anderen, ähnlichen Vermarktungsaktivitäten herangezogen werden kann. Fallen die Anzahl der Screen Views oder die durchschnittliche Session-Dauer für eine bestimmte Vermarktungsaktivität dabei unterdurchschnittlich aus, kann dies verschiedene Ursachen haben und erfordert in jedem Fall eine weitergehende Analyse: Möglicherweise ist die Qualität der generierten Installs schlecht, vielleicht wurde die falsche Zielgruppe angesprochen oder die Kampagne hat falsche Erwartungen geweckt. Eine darüber hinaus besonders spannende Betrachtung ist die Frage, wie viele OptIns zum Versand von Push Notifications und wie viele Standortfreigaben (jeweils zum Beispiel pro Installation) im Zuge einer Vermarktungsaktivität gewonnen werden konnten. Insbesondere Push Notifications, aber auch die Möglichkeit, mit dem Standort eines Nutzers arbeiten zu können, erlauben App-Publishern umfangreiche Möglichkeiten, Nut-

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zer regelmäßig und passgenau mit relevanten Inhalten und Features adressieren zu können. Eine tiefergehende Betrachtung dazu findet sich umfassend in Abschn. 5.3. Optimierung mit Hilfe von A/B-Testing Obgleich keine Kennzahl sei abschließend zur Erfolgsmessung in der App-Vermarktung noch das A/B-Testing genannt, mit dem sich unter anderem Werbemittel, aber auch der Eintrag auf einem App-Marktplatz oder einzelne Teile einer App optimieren lassen. Im Folgenden wird, weil es jedenfalls im Kontext der App-Vermarktung am relevantesten ist, schlicht von Werbemitteln gesprochen, wobei das Konzept beliebig adaptierbar ist. Grundidee eines A/B-Tests ist es, ein Werbemittel in zwei (oder mehr) Varianten zu testen, die sich in bestenfalls nur einem Punkt unterscheiden, um zu prüfen, welche der beiden Varianten bessere Ergebnisse erzielt. Bei einem einzelnen A/B-Test handelt es sich entsprechend um eine punktuelle Optimierung, die jedoch nicht explorativer Art ist („Wir gucken mal, was besser läuft“), sondern hypothesengetrieben vorgeht, also eine begründete Annahme trifft, warum eine alternative Variante besser funktionieren könnte als die originale (von Focht, 2022). Ein Beispiel könnte etwa lauten: „Wird auf einer Display-Banner zur Bewerbung der App ein Rabatt für den ersten Einkauf über die App ausgelobt, führt dieses Banner zu mehr Installs pro Klick als das gleiche Banner, welches keinen Rabatt auslobt, weil die Installation der App für den potenziellen Nutzer so attraktiver erscheint.“ Ein anderes Beispiel könnte sein: „Wird auf dem Eintrag der App auf dem App-Marktplatz im Text eine laufende Werbeaktion künstlich verknappt, führt dies zu einer durchschnittlich geringeren Anzahl an Views-to-Install als der gleiche Text, der ohne künstliche Verknappung arbeitet, weil potenzielle Nutzer befürchten, einen Vorteil zu verpassen.“ In der Praxis handelt es sich bei der Basisvariante häufig um die aktuelle Variante, die im Rahmen eines A/B-Tests gegen eine alternative Variante getestet werden soll. André Morys (2018, S. 36), Gründer und Geschäftsführer von konversionsKRAFT (Web Arts AG), erhebt in seinem Buch „Die digitale Wachstumsstrategie“ die Anzahl der Experimente (d. h. A/B-Tests), die ein Unternehmen durchführt, deren Erfolgsquote und den durchschnittlich erzielten Uplift zu den drei universellen Kennzahlen für eine erfolgreiche digitale Transformation. Ferner schlägt Morys (2018, S. 97 ff.) fünf Schritte vor, um erfolgreiche A/B-Tests durchzuführen: 1. Aufstellen einer kundenzentrierten und begründeten Hypothese 2. Erarbeitung eines Testkonzepts, dass den zu untersuchenden Sachverhalt möglichst isoliert 3. Technisch saubere Umsetzung des Testkonzepts 4. Klare Optimierung auf das primäre Ziel („Macro Conversion“), nicht auf sekundäre, ungeordnete Ziele („Micro Conversions“ 5. Saubere Messung und statistische Auswertung, unter anderem mit Blick auf die Testlaufzeit, einen repräsentativen Testzeitraum und auf Störfaktoren wie parallel laufende Werbeaktionen

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Hinsichtlich der Auswertung von A/B-Tests werden häufig die Anzahl der Ausspielungen (zum Beispiel Impressions) und die Anzahl der Conversions (zum Beispiel Klicks oder Installs) sowie die Konfidenz herangezogen, um das Ergebnis eines A/BTests statistisch zu bewerten (von Focht, 2022). Grundlegend zu beachten ist, dass sich die Ergebnisse von Tests in der Regel nur schwer übertragen lassen, wobei in der Praxis mitunter Tendenzen zur Pauschalisierung erkennbar sind. Tatsächlich beziehen sich die Ergebnisse eines A/B-Tests immer auf genau diesen einen Test in genau diesem spezifischen Szenario zu genau diesem spezifischen Zeitpunkt und die spezifischen Rahmenbedingungen. Auch Abnutzungseffekte, wie sie etwa durch das wiederholte Hinweisen auf eine gewisse Dringlichkeit oder den beständigen Einsatz künstlicher Verknappung entstehen können, werden durch diese punktuellen Betrachtungen nicht abgebildet. Was Sie aus diesem Kapitel mitnehmen können

• Mögliche Daten und Ansätze zur Zielgruppendefinition im Kontext der App-Vermarktung, insbesondere mit Blick auf psychographische Daten und das Big-FiveModell (Abschn. 4.2) • Überlegungen und Beispiele für Vermarktungsansätze, insbesondere mit Blick auf die von einer App angebotenen Features (Abschn. 4.3.1) • Verschiedene Optionen, um monetäre Anreize zur Vermarktung von Apps zu nutzen, sowohl im Fall von einmalig kostenpflichtigen Apps als auch im Fall von Apps, die über In-App-Käufe oder über Abonnements monetarisiert werden (Abschn. 4.3.3) • Grundlegende Einblicke in ausgewählte Marketingkanäle und die im Kontext der Vermarktung von Apps jeweils zu beachtenden Spezifika, ergänzt um zahlreiche Beispiele aus unterschiedlichsten Bereichen (Abschn. 4.4) • Umfassende Erläuterungen zur Funktionsweise des Trackings in der App-Vermarktung, der damit verbundenen spezifischen Herausforderungen sowie konkrete Kennzahlen (Abschn. 4.5.2)

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rence on remote engineering and virtual instrumentation (S. 463–472). Springer. https://doi. org/10.1007/978-3-031-17091-1_47 Wohllebe, A., Stoyke, T., & Podruzsik, S. (2020). Incentives on E-Commerce app downloads in medium apps: A case study on the effects of coupons and bonus points. International Journal of Interactive Mobile Technologies (IJIM), 14(19), 180–196. https://doi.org/10.3991/ijim. v14i19.16427 Wohllebe, A., & Wolter, N. (2021). Smartphone Apps im Einzelhandel: Einsatzmöglichkeiten, Praxisbeispiele & Herausforderungen (1st ed.). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi. org/10.1007/978-3-658-36500-4 Wolkenfelt, M. R. J., & Situmeang, F. B. I. (2020). Effects of app pricing structures on product evaluations. Journal of Research in Interactive Marketing, 14(1), 89–110. https://doi. org/10.1108/JRIM-11-2018-0141 Wörsdörfer, S.-C. (26 Januar 2022). Gorillas – In 10 Minuten zum Multi-Channel-Champion? WebSpotting. https://www.webspotting.de/e-commerce/gorillas-mutli-channel-champion/ Xie, T., Donthu, N., Lohtia, R., & Osmonbekov, T. (2004). Emotional appeal and incentive offering in banner advertisements. Journal of Interactive Advertising, 4(2), 30–37. https://doi.org/1 0.1080/15252019.2004.10722085 Yu, S., & Hu, Y. (2020). When luxury brands meet China: The effect of localized celebrity endorsements in social media marketing. Journal of Retailing and Consumer Services, 54, 102010. https://doi.org/10.1016/j.jretconser.2019.102010

5

App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Zusammenfassung

Ein professionelles App-Marketing erfordert die ganzheitliche Betrachtung eines App-Nutzers über seinen kompletten Lebenszyklus hinweg. Im Kern des App-CRM steht dabei weniger die Frage, wie ein Nutzer gewonnen, sondern vielmehr, wie er immer wieder zu Interaktionen bewegt und langfristig profitabel monetarisiert werden kann. Angefangen vom Onboarding über ein personalisiertes Nutzererlebnis bis hin zu Gamification und sozialen Komponenten finden sich hierzu zahlreiche Ansätze und Methoden. Im App-CRM und im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die kommunikationsbasierte Steigerung des User Engagements durch Push Notifications. Insbesondere bedeutsam sind dabei die Einsatzmöglichkeiten von Personalisierung, Location-Based Marketing und Marketing Automation im Sinne des App-CRM. Das vorausgegangene Kapitel beschäftigt sich mit der App-Vermarktung im Sinne der Akquise von Nutzern und damit mit der Frage, wo und wie diese angesprochen werden können. Während sich die App-Vermarktung kostenorientiert unmittelbar etwa anhand des Cost-per-Install messen und steuern lässt, erfordert eine wertorientierte Betrachtung eine deutlich erweiterte Perspektive: Ob ein neu gewonnener Nutzer profitabel ist, hängt langfristig nicht oder jedenfalls nur geringfügig von der Akquise ab. Vielmehr gilt es, neu gewonnene Nutzer unmittelbar nach der Installation zu aktivieren und langfristig zu binden. Im Sinne des Dreiklangs des App-Marketings (Abb. 2.3) und seiner übergeordneten Ziele (Abb. 2.4) handelt es sich hierbei um das App-CRM mit Schnittmengen zur App-Vermarktung bei der Nutzeraktivierung und zur App-Entwicklung bei der Nutzerbindung und -monetarisierung. Offenkundig, einfach ausgedrückt, hilft es wenig, wenn ein Nutzer eine App installiert, diese jedoch nie oder nur einmalig öffnet und sie anschließend deinstalliert (oder nie wieder benutzt, was in der Konsequenz ähnlich zu bewerten ist). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 A. Wohllebe, Praxisguide App-Marketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42981-2_5

281

282

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Nach einer Einführung in das App-CRM, insbesondere mit Blick auf dessen Bedeutung im Kontext des User Engagements als auch auf die Ziele des App-CRM, erfolgt zunächst eine Betrachtung von Ansätzen und Methoden zur Steigerung des Engagements der App-Nutzer (Abschn. 5.2), unter anderem mit Blick auf Personalisierung (Abschn. 5.2.4) und Gamification (Abschn. 5.2.5). Weiterhin werden Fragen des Trackings und der Erfolgsmessung bei der Anwendung dieser Ansätze diskutiert (Abschn. 5.2.8). Beispiele aus der Praxis illustrieren die verschiedenen Ansätze jeweils und liefern Inspiration zur (Weiter-) Entwicklung des eigenen App-Marketings. Im sich anschließenden Abschnitt erfolgt eine umfassende Betrachtung der kommunikationsbasierten Möglichkeiten zur Steigerung des User Engagements durch Push Notifications (Abschn. 5.3), wobei auch In-App Notifications kurz Erwähnung finden – teilweise als eigener Kommunikationskanal, teilweise auch als Fallback im Fall eines nicht erteilten Push Opt-Ins. Nach einführenden Erörterungen zu den technischen Grundlagen werden anschließend konzeptionelle Überlegungen aus verschiedenen Perspektiven diskutiert. Dies schließt unter anderem die Inhalte und Gestaltungsmöglichkeiten von Push Notifications ein (Abschn. 5.3.3), aber auch die Frage nach dem „optimalen“ Versandzeitpunkt und der „optimalen“ Versandfrequenz (Abschn. 5.3.4), wobei jeweils auch aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft aufgezeigt werden, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen. Weiterhin diskutiert werden der Einsatz von Segmentierung und Personalisierung (Abschn. 5.3.5), von Location-Based Marketing (Abschn. 5.3.6) und von Marketing Automation (Abschn. 5.3.7) im Kontext von Push Notifications. Konkrete Ideen für A/B-Testing zeigen zusätzlich Möglichkeiten zur Optimierung der eigenen Kommunikation auf (Abschn. 5.3.8). Überlegungen zum Tracking und zur Erfolgsmessung (Abschn. 5.3.9) komplettieren das Kapitel.

5.1 Einführung Während sich die App-Vermarktung auf die Akquise neuer App-Nutzer fokussiert, ist die Aktivierung der gewonnenen Nutzer und deren langfristige Bindung und Monetarisierung von mindestens genauso hoher Bedeutung für den betriebswirtschaftlich nachhaltigen Erfolg einer App. Ähnlich wie im Verhältnis des klassischen Marketings zum CRM ist es auch im App-Umfeld das App-CRM, dem hierbei eine tragende Rolle zuteilwird. Tatsächlich scheinen viele Publisher heute ihren Fokus neben der Entwicklung einer App als „technisches Produkt“ vor allem auf die Akquise von App-Nutzer zu legen, dabei jedoch die Frage nach der Nutzerbindung hintanzustellen. In einem Blogbeitrag des Mobile Engagement-Dienstleisters Airship schreibt Diavet (2021b) dazu: „Für immer mehr Verbraucher sind Smartphone-Apps ein alltägliches Werkzeug. Dem gegenüber steht die ernüchternde Tatsache, dass sich die überwiegende Mehrheit Ihrer Nutzer (im Durchschnitt 90 %) innerhalb von 30 Tagen nach dem Download von Ihrer App abwendet.“

5.1 Einführung

283

Offenkundig dürften die Beweggründe von Nutzern, eine App innerhalb von 30 Tagen wieder zu deinstallieren, im Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Gleichwohl verdeutlicht der Anteil von 90 % aller neu gewonnenen Nutzern, die eine App innerhalb von 30 Tagen wieder deinstallieren, die Notwendigkeit, sich als App-Publisher mit der Aktivierung und Bindung von Nutzern auseinanderzusetzen. Begriff des „CRM“ Die Betriebswirtschaftslehre versteht den CRM-Begriff – weit gefasst – als die Ausrichtung eines Unternehmens auf seine Kunden und meint damit im Speziellen das Kundenbeziehungsmanagement, also die Pflege von Kundenbeziehungen. Helmke et al., (2017, S. 7) definieren das CRM dazu so: „[Als] Customer Relationship Management (CRM) verstehen wir die ganzheitliche Bearbeitung der Beziehung eines Unternehmens zu seinen Kunden.“

Ferner machen Helmke et al., (2017, S. 7) deutlich, dass die Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt des CRM steht und stellen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Kundenbindung und dem langfristigen Unternehmenswert her: „Zentrale Messgröße des CRM-Erfolges ist die Kundenzufriedenheit, die einen Indikator für Kundenbindung und somit letztendlich für den langfristigen Unternehmenswert darstellt.“

Überträgt man diese CRM-Verständnis in den App-Kontext und versteht dabei den AppNutzer als Kunden, lässt sich das App-CRM entsprechend allgemein so definieren: Das App-CRM meint die ganzheitliche Bearbeitung der Beziehung zwischen einer App und ihren Nutzern, mit dem Ziel, die Nutzerbindung und somit den langfristigen Wert einer App zu steigern. Das App-CRM begleitet den Nutzer über den gesamten Lebenszyklus hinweg, wobei dieser Lebenszyklus vom ersten Kontakt mit einer App bis hin zur langfristigen Monetarisierung und der Treuephase oder schließlich der Deinstallation reicht. Im engeren Sinne und insbesondere in der Praxis beginnt der Wirkbereich des App-CRM in der Regel nach der Installation. Verortung des App-CRM im Gesamt-CRM Betrachtet man den CRM-Begriff in der Literatur, reichen dessen Aufgabenbereiche, wie etwa bei Helmke et al., (2017, S. 13) dargestellt, von der Planung & Strategie über die Durchführung (analytisch, instrumentell und kollaborativ) bis hin zum Controlling, jeweils auf strategischer, taktischer und operativer Ebene (Abb. 5.1). Dieses sehr umfassende Begriffsverständnis zeigt die Komplexität der Thematik, wobei im Rahmen dieses Werks das App-CRM schlicht als eine spezialisierte Form des grundsätzlichen CRMAnsatzes verstanden wird, welches die Nutzer einer App bestmöglich an diese binden und schließlich monetarisieren soll. In der Praxis wird das App-CRM bisweilen auf die Aussteuerung von Direktmarketingaktivitäten – im Regelfall per Push Notification – reduziert, müsste jedoch

284

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Taktisch

Operativ

Planung & Strategie

Mapping Kundenbedürfnisse und Maßnahmen

Prozessgestaltung und Budgetallokation

Auslotung personeller Umsetzung für Maßnahmen

Analytisches CRM

Definition zweckbezogen zu erhebender Kundendaten

Strukturierung und Verteilung von Kundendaten

Verfahren zur Analyse und Aufbereitung von Kundendaten

Instrumentelles CRM

Definition von Instrumenten zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse

Abstimmung von Instrumenten und Prozessumsetzung

Konkrete Personalplanung auf Maßnahmenbasis

Kollaboratives CRM

Identifikation zu Kundenstruktur und Maßnahmen passender Kontaktkanäle

Bestimmung zu transportierender Inhalte

Personalplanung auf Kanalbasis

Erfüllungsgrad der Kundenbedürfnisse und Erfolgsmessung des CRM

Identifikation geeigneter Methoden, Kennzahlen und Empfänger von Analysen

Bestimmung, wie, wie oft und womit welche Daten analysiert werden

Durchführung

Strategisch

Controlling

Abb. 5.1   Grundsätzliche Aufgabenbereiche des CRM. (Angelehnt an Helmke et al., 2017, S. 13)

zwei Perspektiven umfassen: Stellt eine App ein im Wesentlichen komplementäres oder substitutives Angebot eines Unternehmens dar, steht wahrscheinlich die Frage im Mittelpunkt, wie eine App als Instrument des CRM, das heißt zu CRM-Zwecken genutzt werden kann. Basiert das Wertangebot eines Unternehmens hingegen im Wesentlichen auf der App, sodass es sich also um ein App-basiertes Geschäftsmodell handelt, muss das App-CRM die Frage beantworten, wie ein Unternehmen durch CRM-Maßnahmen seine App stärken kann. Im Fall dieses Buches liegt der Fokus des App-CRM einerseits auf der Frage, durch welche Features und Faktoren ein App-Publisher das User Engagement der App-Nutzer steigern kann und wie in diesem Zusammenhang insbesondere Push Notifications eingesetzt werden können. App-CRM im Kontext des User Engagements Im Fokus des CRM im App-Kontext steht der werblich-kommunikative Einsatz von Push Notifications und In-App Messages. Hinzu kommen Features, die zum Beispiel der Aktivierung und der Steigerung des User Engagements dienen. Ziel aller Maßnahmen ist der Aufbau einer langfristigen Nutzerbindung und die Steigerung des Engagements der User. Hierzu kann es hilfreich sein, sich die Dimensionen des User Engagements kurz vor Augen zu führen. Kumar et al. (2010) nutzen, wieder aus dem klassischen CRM stammend, den Begriff des Customer Engagement beziehungsweise ermitteln den Customer Engagement Value (CEV) auf Basis von vier Dimensionen, wie Abb. 5.2 zeigt. Die erste – und häufig als wesentlich begriffene – Komponente des Customer Engagement Value ist der Customer Lifetime Value (CLV). Er beschreibt den Wert des Kunden über seinen Lebenszyklus hinweg. Er wird entweder unmittelbar über die Summe

5.1 Einführung

285 Customer Engagement Value

Customer Lifetime Value

Customer Referral Value

Customer Influence Value

Customer Knowledge Value

Customer Behavior / Attitudes / Network Metrics

Abb. 5.2   Konzept des Customer Engagement Value. (Angelehnt an Kumar et al., 2010)

der Umsätze gemessen, die ein Kunde über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg tätigt, über sein Verhalten (etwa die Retention oder die Kauffrequenz) oder über die Attitude, zum Beispiel ausgedrückt durch. Zufriedenheit oder Kaufintention (Kumar et al., 2010). Wiesel (2017) weist hinsichtlich der monetären Messung neben Wiederholungskäufen insbesondere auf die Relevanz von Umsätzen aus Cross- und Upselling hin. Darauf aufbauend bezeichnet der Customer Referral Value (CRV) die Summe der Werte der Lebenszyklen aller Kunden, die ein Kunde akquiriert, wobei auch hier eine Messung dieser Werte der Lebenszyklen über das Verhalten oder die Attitude (in diesem Fall etwa die Bereitschaft zur Weiterempfehlung) erfolgt. Weiterhin kann der CRV auch über Netzwerkmetriken abgebildet werden, indem etwa die Anzahl der Freunde oder Follower eines Kunden in sozialen Netzwerken und sein Einfluss auf diese Freunde oder Follower Berücksichtigung finden (Kumar et al., 2010). Vom CRV abzugrenzen ist laut Wiesel (2017) der Customer Influence Value (CIV): Während der CRV mit extrinsischer Motivation durch Anreize etwa in Form von Empfehlungsprogrammen unterstützt wird, meint der CIV ausschließlich intrinsisch motivierte Empfehlungen, welche ohne monetäre Anreize des Unternehmens zustande kommen. Entsprechend ähnlich fällt jedoch die Definition aus, nach der der CIV die Summe der Werte der Lebenszyklen der Kunden darstellt, die der Kunde beeinflusst, zum Beispiel durch Bewertungen. Die Messung kann auch hier über Netzwerkmetriken (zum Beispiel die Anzahl der Freunde oder Follower des Kunden in sozialen Netzwerken und den Einfluss auf diese Freunde oder Follower) erfolgen (Kumar et al., 2010). Die vierte Komponente des Customer Engagement Value ist schließlich der Customer Knowledge Value (CKV). Er beschreibt den Wert des Wissens über die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens, wobei der Kunde dieses Wissen im Laufe seines Lebenszyklus erlangt und wertstiftend im Sinne des Unternehmens einsetzt, etwa durch Feedback zur Verbesserung von Produkten. Eine Bewertung des CKV erfolgt zum Beispiel durch die Bereitschaft zum Geben von Feedback und durch Netzwerkmetriken (Kumar et al., 2010).

286

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Im Kontext des App-CRM lässt sich das Konzept des CEV auf die App-User übertragen, wie Abb. 5.3 zeigt. Das CEV-Konzept mit seinen Bestandteilen CLV, CRV, CIV und CKV kann als User Engagement Value (UEV) von App-Usern adaptiert werden. Der UEV ist dabei die Summe aus dem User Lifetime Value (ULV), dem User Referral Value (URV), dem User Influence Value (UIV) und dem User Knowledge Value (UKV):

UEV = ULV + URF + UIV + UKV Ziel des App-CRM ist es, diesen UEV zu maximieren, wobei der unmittelbar durch einen Nutzer generierte Umsatz dabei zwar naheliegend primäres Ziel sein kann, nicht aber muss, wenn man auch die übrigen Komponenten (URV, UIV und UKV) bedenkt. Die folgenden Ausführungen stellen Überlegungen dar, wie das CEV-Konzept als UEV in den App-Kontext transferiert werden kann. Je nach Erlösmodell der konkret betrachteten App ist der User Lifetime Value nicht oder jedenfalls nicht nur auf durch den Nutzer unmittelbar getätigte Transaktionen zurückzuführen. Vielmehr kann der User Lifetime Value auch zum Beispiel auf Umsätzen aus Werbeerlösen basieren, die im Fall von impression- oder klickbasierter Abrechnung unmittelbar und bei anderen Abrechnungsmodellen nur mittelbar zugerechnet werden können. Insbesondere ist der ULV bei aus Nutzersicht kostenfrei nutzbaren Apps, die also ausschließlich aus Werbeeinnahmen refinanziert werden, deutlich niedriger als etwa bei kostenpflichtigen Apps, die schon beim Download und unabhängig von weiteren nachgelagerten Transaktionen Umsatz über den Downloadpreis erzielen. Der User Referral Value wäre, jedenfalls angelehnt an die Überlegungen von Wiesel (2017), dass der CRV als extrinsisch angetrieben, insbesondere durch monetäre Anreize, zu verstehen sei, als Wert aller Nutzer zu verstehen, die ein Nutzer im Rahmen eines Empfehlungsprogramms von einer App überzeugt. Entsprechend erfordert der

User Engagement Value

User Lifetime Value

User Referral Value

User Influence Value

User Knowledge Value

User Behavior / Attitudes / Network Metrics

Abb. 5.3   User Engagement Value – Übertragung des Customer Engagement Value von Kumar et al. (2010) in den App-Kontext (eigene Darstellung)

5.1 Einführung

287

User Referral Value, dass ein App-Publisher ein Empfehlungsprogramm bereitstellt, welches Nutzer für die Weiterempfehlung – naheliegenderweise direkt aus der App heraus zum Beispiel über Messenger- oder Social Media-Apps und mit Hilfe von personalisierten Trackinglinks – (quasi-) monetär incentiviert. Anreize könnten dabei Rabatte oder Bonuspunkte (etwa im Fall von Shopping-Apps beziehungsweise Kundenbindungsprogrammen) oder andere Vorteile wie besondere Gegenstände (in Gaming-Apps) sein, die ansonsten käuflich erworben werden müssten. Im Fall des User Influence Value könnte ein App-Publisher versuchen, das Sharing von Inhalten aus einer App heraus möglichst niedrigschwellig zu ermöglichen und kommunikativ aktiv zum Sharing aufzufordern. Anhaltspunkte könnten etwa GamificationFeatures sein, wobei Nutzer gezielt aufgefordert werden könnten, ihren aktuellen Spielstand in sozialen Netzwerken zu teilen, um so den User Influence Value zu erhöhen. Auch das Auffordern zur Abgabe einer App-Bewertung bei Google Play oder im Apple App Store könnte als Maßnahme zur Steigerung des User Influence Value verstanden werden. Neben der Betrachtung als Teil des User Influence Value könnte das Abgeben einer App-Bewertung in Kombination mit einer Rezension auch als Bestandteil des User Knowledge Value angesehen werden. Auch die Beantwortung einer Umfrage des AppPublishers zu Verbesserungen der App oder die Bereitschaft eines Nutzers, sein Wissen mit einer Community zu teilen – zum Beispiel in Form eines Rezepts oder einer Anleitung – zahlen auf den User Knowledge Value ein. Zu betonen ist, dass schon der User Lifetime Value – und entsprechend auch die darauf aufbauende Werte für Referral und Influence – nur schwer zu quantifizieren ist, weil Annahmen zu treffen sind, wann der Lebenszyklus eines Nutzers tatsächlich als „beendet“ zu betrachten ist: Stellt die Deinstallation (naheliegenderweise) das Ende dar? Und wie sollte dann verfahren werden, wenn ein Nutzer eine App erneut installiert? Auch beim Referral, vor allem aber beim Influence kommen zusätzlich Fragen des Trackings dazu: Kann tatsächlich immer nachvollzogen werden, ob ein neuer Nutzer eventuell durch einen bestehenden Nutzer bei der App-Installation beeinflusst wurde und sein UEV somit dem beeinflussenden Nutzer hinzugerechnet werden sollte? Weiterhin bleibt im Fall des UKV darauf hinzuweisen, dass das Wissen eines Nutzers beziehungsweise die Weitergabe dieses Wissens jedenfalls monetär kaum zu quantifizieren sein dürfte. Unabhängig von der tatsächlichen Operationalisierung liefert das Konzept des User Engagement Value relevante Anhaltspunkte, in welchen Bereichen das App-CRM wirken kann, wenn es sich zum übergeordneten Ziel erklärt, den User Engagement Value steigern zu wollen. Ziele des App-CRM Für das CRM definieren Helmke et al., (2017, S. 8) als Ziele unter anderem die höhere Qualität der Kundenbearbeitung (durch Differenzierung, One-to-One-Marketing und Mehrwertservices), das verbesserte Kundendatenmanagement (durch Datenintegration

288

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

und anwendungsorientierte Auswertung) sowie die Verbesserung der Schnittstellen zum Kunden (unter anderem durch den Aufbau einer Kundenhistorie und das Anlegen von Kundenprofilen). Für das App-CRM kann als oberstes Ziel die Steigerung des User Engagement Value definiert werden. Entsprechend des Dreiklangs im App-Marketing (Abb. 2.3) und seiner übergeordneten Ziele (Abb. 2.4) sind hierzu eine bestmögliche Aktivierung der Nutzer (in Zusammenarbeit mit der App-Vermarktung) sowie ihre Bindung (in Zusammenarbeit mit der App-Entwicklung) und schließlich deren Monetarisierung anzustreben.

5.2 Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements der App-Nutzer Um das grundlegende Ziel des App-CRM der Steigerung des Engagements der AppNutzer zu erreichen, diskutiert dieses Kapitel Ansätze und Methoden und zeigt anhand konkreter Beispiele aus der Praxis auf, wie diese in konkrete Features einer App überführt werden können. Der Begriff des Engagements wird dabei häufig – abweichend vom zuvor vorgestellten Konzept des User Engagement Value – auch schlicht als „aktive AppNutzung“ verstanden, wie insbesondere auf die Überlegungen zu Tracking und Erfolgsmessung am Ende des Kapitels (Abschn. 5.2.8) deutlich machen.

5.2.1 Hygienefaktoren Bevor konkrete Ansätze und Methoden zur Steigerung des User Engagements betrachtet werden, ist zunächst auf eine Reihe von Faktoren hinzuweisen, die eher grundlegender Natur sind beziehungsweise zu den nicht-funktionalen Anforderungen gehören. Mroz (2016, S. 104 ff.) weist neben der Notwendigkeit, funktionale Anforderungen zu erfüllen, darauf hin, dass eine App eine intuitive Nutzerführung und ein zeitgemäßes Design benötigt und im Betrieb stabil laufen muss, also nicht abstürzt oder nicht reagiert. Auch sollten keine Bugs auftreten, wobei im Fall des Auftretens von Bugs stets deren Relevanz geprüft werden sollte – bestenfalls handelt es sich um einen Edge Case, schlechtestenfalls ist eine viel genutzte Kernfunktion betroffen. Der Anteil der Nutzer ohne Abstürze sollte – im Sinne der Nutzererfahrung – im Mittel konstant über 99,9 % liegen. Crashes sind von Google als „core vital“ einer App definiert. Stürzt eine App zu häufig ab, wird sie im Play Store entsprechend seltener angezeigt, wie Google (Google, 2023a) in der Dokumentation zu Android unter Nennung konkreter Werte schreibt: „Play has defined two bad behavior thresholds on this metric: Overall bad behavior threshold: At least 1.09 % of daily active users experience a user-perceived crash, across all device models.

5.2  Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements …

289

Per-device bad behavior threshold: At least 8% of daily active users experience a user-perceived crash, for a single device model. If your app exceeds the overall bad behavior threshold, it is likely to be less discoverable on all devices. If your app exceeds the per-device bad behavior threshold on some devices, it is likely to be less discoverable on those devices, and a warning may be shown on your store listing.“

Ähnliche Angaben finden sich auch im Fall von „ANRs“ (Application Not Responding), wenn eine App also nicht mehr reagiert. Auch bei Kamps (2015, S. 63 ff.) wird die Geschwindigkeit als einer der wichtigsten Hygienefaktoren benannt, wobei nicht nur die Zeiten zur Verarbeitung von Eingaben niedrig sein müssen, sondern auch die Ladezeiten, sodass also eine grundsätzliche Sparsamkeit beim Download von Daten anzuraten ist, etwa, wenn Bilder oder Videos erst bei Verwendung der App über das Internet heruntergeladen werden. Auch die sofortige Nutzbarkeit einer App sowie die intuitive Heranführung an eine App, etwa durch ein Onboarding (Abschn. 5.2.2), sowie regelmäßige Updates sind als wichtige Faktoren zu nennen. Abschließend sei außerdem auf das bei vielen Nutzern gestiegene Bewusstsein für Privatsphäre hingewiesen: Kamps (2015, S. 63 ff.) empfiehlt, dass eine App nur notwendige Berechtigungen abfragen sollte, wobei Garg et al. (2016) nahelegen, dass das Einfordern von mehr Berechtigungen als tatsächlich notwendig und der Zugriff auf persönliche Daten ohne hinreichende (funktionale) Notwendigkeit häufiger Grund für Deinstallationen seien.

5.2.2 Onboarding Ein gängiger Ansatz, das User Engagement in einer frühen Phase des Lebenszyklus eines Nutzers zu fördern, ist der Einsatz eines Onboardings oder Tutorials. Öffnet ein neuer Nutzer die App – oder einen bestimmten Teil der App – das erste Mal, werden ihm im Rahmen des Onboardings die wichtigsten Funktionen der App kurz erklärt. Die Erklärungen erfolgen häufig auf eigens dafür erstellten Screens oder werden auf einer transparenten Ebene als Overlay über dem eigentlichen Inhalt des Screens eingeblendet. Der Nutzer soll dabei mit Kernfunktionen vertraut gemacht und zu bestimmten Schlüsselinteraktionen bewegt werden. Im Folgenden finden sich einige Beispiele, welche Schlüsselinteraktionen für Apps bestimmter Kategorien durch ein Onboarding anzustreben sein könnten: • Das Onboarding einer Social Media-App könnte den Nutzer durch den Registrierungsprozess führen und dabei gezielt erste Profilinformationen abfragen. Auch das Hinzufügen erster Freunde oder das Synchronisieren der eigenen Kontakte könnte eine Schlüsselinteraktion sein, auf die das Onboarding hinwirken könnte.

290

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

• Im Fall einer Shopping-App könnte das Onboarding genutzt werden, um zur Registrierung für den Online-Shop aufzufordern, um Angaben des neu gewonnenen Nutzers zu seinen Produktpräferenzen abzufragen oder um den Nutzer zum Hinterlegen seiner Kundenkarte zu bewegen. • Die App eines Neobrokers könnte nach Abschluss der Registrierung im Rahmen des Onboardings zunächst den Portfolio- und anschließend den Watchlist-Bereich erklären, dann zum Hinzufügen erster Aktien zur Watchlist auffordern und abschließend zeigen, wie der Nutzer Geld auf sein Referenzkonto überweisen kann, um mit dem Trading zu starten. Ziele des Onboardings Die Ziele eines Onboardings sind in allen Fällen ähnlich: 1. Kurzfristig soll der neu gewonnene Nutzer aktiviert und von den Mehrwerten der frisch installierten App überzeugt werden. 2. Mittelfristig sollen die im Onboarding geförderten Interaktionen die Basis für die Monetarisierung legen beziehungsweise diese fördern. 3. Langfristig und strategisch erzeugen die Investitionen des Nutzers einen Lock-in-Effekt, der zur Nutzerbindung beiträgt. Insbesondere der letzte Punkt ist dabei von entscheidender Bedeutung: Mit jeder Interaktion (je aufwändiger, desto stärker) investieren Nutzer Zeit und Emotionen in eine App. Diese zeitlichen und emotionalen Investitionen führen dazu, dass eine „Trennung“ von der App (also eine Deinstallation) für den Nutzer immer „teurer“ wird, weil die getätigten Investitionen mit einer Deinstallation „versenkt“ würden. Auch steigen entsprechend die Kosten für einen Wechsel („Wechselkosten“) zu einem anderen Anbieter (Wohllebe, 2022, S. 93 ff.). Beschrieben wird der Lock-in-Effekt an einem Gaming-Beispiel in Abschn. 3.5. Stufenmodell zur Aktivierung von App-Nutzern als Ausgangsbasis für das Onboarding Neben der schnellen Nutzeraktivierung und dem übergeordneten, kurzfristigen Ziel, möglichst schnell erste Umsätze zu erzielen, führen die im Rahmen eines Onboardings getätigten Investitionen von Seiten des Nutzers entsprechend zu einem Lock-in-Effekt, der wiederum aktiv zur Nutzerbindung beiträgt. Systematisch aufbauen lässt sich ein solches Onboarding, indem neben den relevanten Kernfunktionen einer App die Schlüsselinteraktionen der Nutzeraktivierung definiert und durch das Onboarding gezielt gefördert werden. Einen Anhaltspunkt für eine solche Systematisierung bietet das Stufenmodell der Neukundengewinnung, wie es Helmke et al. (S. 27) vorschlagen:

5.2  Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements …

• • • • • • •

291

Stufe 1: Neukunde als „kalte“ Adresse Stufe 2: Neukunde als „kalte“ Adresse mit […] identifiziertem Ansprechpartner Stufe 3: Neukunde mit erster Kontaktaufnahme Stufe 4: Interessent Stufe 5: Kunde mit erstem Vertragsabschluss Stufe 6: Neukunde mit ersten Folgeaktivitäten Stufe 7: Bestandskunde

Angelehnt an dieses und ähnliche Modelle lassen sich für das App-Marketing – je nach konkretem Einzelfall – ähnliche Modelle definieren, die als Ausgangsbasis für eine strukturierte Bearbeitung neu gewonnener Nutzer dienen können. Abb. 5.4 zeigt, wie ein solches Stufenmodell zur Nutzeraktivierung am Beispiel einer Dating-App aussehen könnte. Für jede Stufe ist definiert, wann diese als „erreicht“ gilt. Aufgabe der operativen Umsetzung des Onboardings ist es nun, geeignete Maßnahmen zu finden, dieses Stufenmodell bestmöglich zu durchlaufen. Insbesondere gilt im Fall der Abfrage persönlicher Daten oder der Einholung von Opt-Ins, jeweils die Notwendigkeit beziehungsweise die Vorteile darzustellen. Bewertung der Aktivierungsleistung eines Onboardings Unabhängig davon, welche Ziele ein Onboarding im Einzelfall verfolgt und welche Maßnahmen dabei zum Einsatz kommen, ist es sinnvoll, den Erfolg der Aktivierungsleistung des Onboardings zu messen und zu bewerten, um mögliche Schwachstellen aufzudecken und Verbesserungspotenziale abzuleiten. Abb. 5.4   Stufenmodell zur Nutzeraktivierung, hier am Beispiel einer Dating-App

Erstöffner

Registrierter Nutzer

Registrierter Nutzer mit Profil Registrierter Nutzer mit Kontaktanfragen

Erreichbarer Nutzer

Der Nutzer hat die App das erste Mal geöffnet.

Der Nutzer hat sich einen Account (E-Mail, Passwort) angelegt.

Der Nutzer hat die grundlegenden Profilinformationen zu 80% angegeben.

Der Nutzer hat fünf Kontaktanfragen an andere Nutzer versendet. Der Nutzer hat sein Opt-In für mindestens einen digitalen Werbekanal (E-Mail, Push) erteilt.

292

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Ein einfacher Ansatz zur Bewertung besteht darin, die Anzahl der App-Nutzer, die das Onboarding betreten, mit der Anzahl der App-Nutzer, die das Onboarding bis zum letzten Schritt durchlaufen (also nicht vorher abbrechen), zu vergleichen. Bestenfalls bedeutet ein Abbruch in diesem Szenario, dass das Onboarding durch den Nutzer bereits vor Abschluss selbst beendet werden kann, wobei der Nutzer trotz Abbruch des Onboardings ein aktiver und treuer Nutzer wird. Schlechtestenfalls ist das Onboarding nicht abbrechbar, sodass ein Abbruch bedeutet, dass der Nutzer die App geschlossen und deinstalliert hat. Ein etwas detaillierterer Ansatz, der deutlich stärker noch Optimierungspotenziale aufdecken kann, ist die Abbildung des Onboardings im Stil eines Conversionfunnels, wobei für jede einzelne Stufe erfasst wird, wie viele Nutzer die Stufe erreichen – und wie viele das Onboarding abbrechen. Abb. 5.5 zeigt hierzu das bereits in Abb. 5.4 verwendete Modell, angereichert um (exemplarische) Daten, wie viele Nutzer das Onboarding im Laufe des Funnels abbrechen. Neben der Betrachtung des Onboardings als Sequenz gleichgewichteter Interaktionen stellt das Scoring dieser Interaktionen auf Basis ihrer Wertigkeit im Sinne der Aktivierungsleistung einen weiteren Ansatz dar. Insbesondere, wenn die einzelnen Schritte nicht nur informativ sind, sondern konkrete Nutzereingaben erwirken wollen, die jedoch nicht verpflichtend sind, bietet es sich an, für jeden Schritt im Onboardingfunnel entsprechend Punkte zu vergeben. Exemplarisch gezeigt werden kann dies unter anderem für die Instagram-App, wobei Abb. 2.5 aus Abschn. 2.3 als Ausgangsbasis für Tab. 5.1 dient. Dabei wird für jeden erfolgreichen Aktivierungsschritt entweder ein Punkt vergeben (Szenario A) oder es erfolgt die Vergabe mehrerer Punkte abhängig von der Business-Relevanz des einzelnen Aktivierungsschritts (Szenario B). Deutlich wird beim Vergleich der beiden Ansätze hinsichtlich der Bewertung der Aktivierungsleistung, wie unterschiedlich die Ergebnisse ausfallen können. Unterstellt man, dass alle Schritte gleichwertig sind (Szenario A) liegt die Aktivierungsleistung bei Abb. 5.5   Stufenmodell zur Nutzeraktivierung, dargestellt als Conversionfunnel

Erstöffner

Registrierter Nutzer Registrierter Nutzer mit Profil

Registrierter Nutzer mit Kontaktanfragen Erreichbarer Nutzer

100%

80%

65%

60%

40%

293

5.2  Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements …

Tab. 5.1  Messung der Aktivierungsleistung auf Basis zwei verschiedener Scoring-Ansätze am Beispiel von Instagram Schritt im Funnel

Szenario A – ein Punkt pro Schritt Mögliche Punkte

Erhaltene Punkte

Szenario B – Gewichtung der einzelnen Schritte Mögliche Punkte Erhaltene Punkte

Erste App-Öffnung

1

1

1

1

Anlegen eines Nutzerkontos

1

1

3

3

Verknüpfung mit Facebook-Konto

1

1

3

3

Hinzufügen eines Profilbilds

1

1

2

2

Folgen eines ersten anderen Nutzers

1

1

2

2

Angaben des voll- 1 ständigen Namens

0

1

0

Anlegen eines Steckbriefs

1

0

1

0

Summe

7

5

13

11

Aktivierungsleistung

71 % (5/7)

85 % (11/13)

Exemplarische Werte

rund 71 %, weil 5 von 7 Punkten erreicht wurden. Gewichtet man die verschiedenen Schritte unterschiedlich und schreibt etwa dem Anlegen eines Nutzerkontos sowie der Verknüpfung mit dem Facebook-Konto einen deutlich höheren Wert zu, liegt die Aktivierungsleistung – bei gleichen Interaktionen – im skizzierten Beispiel bei 85 %, weil 11 von 13 Punkten erreicht wurden. Dieser vorgeschlagene Bewertungsansatz lässt sich beliebig auf alle Arten von Apps übertragen. Entscheidend ist zum einen die Identifikation der Schlüsselinteraktionen und zum anderen die Bewertung dieser im Sinne der App- beziehungsweise Geschäftsziele.

5.2.3 Aktueller Content Während das Onboarding in der ersten Phase des Nutzer-Lebenszyklus ansetzt und der Aktivierung neu gewonnener Nutzer dient, braucht es auch im weiteren Verlauf des Lebenszyklus Ansätze, um Nutzer kontinuierlich zur App-Nutzung zu bewegen und – aus Sicht des App-Publishers – die App-Nutzung zur Gewohnheit auszubauen. Ein Mittel dazu kann

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5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

die regelmäßige Bereitstellung aktueller Inhalte sein, wobei der Fokus im Folgenden auf der Aktualität liegt, die Relevanz der Inhalte für den Nutzer aber natürlich ebenfalls gegeben sein muss. Grundlegend voranzustellen ist die Bemerkung, dass aktuelle Inhalte – schon aufgrund ihrer Aktualität – eine gewisse Relevanz für den Nutzer haben. Gleichzeitig kann die Erkenntnis, dass eine App immer wieder neue Inhalte bereithält, den Wunsch auf Nutzerseite erzeugen, eine App regelmäßig auf neue Inhalte zu überprüfen. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur zum Beispiel im Fall von Social Media- und Messenger-Apps, aber auch im Gaming, im Banking oder im News-Bereich. Hintergrund: Fear of Missing Out (FoMO) Auch, wenn es aus Marketingsicht durchaus wünschenswert ist, bei Nutzer den Wunsch zu erzeugen, eine App möglichst häufig auf Neuigkeiten zu überprüfen, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die diesem Verhalten mitunter zugrunde Angst, etwas zu verpassen, durchaus auch kritisch betrachtet werden kann. Unter anderem Przybylski et al. (2013) sprechen dazu von der „Fear of Missing Out” (FoMO): „Defined as a pervasive apprehension that others might be having rewarding experiences from which one is absent, FoMO is characterized by the desire to stay continually connected with what others are doing.“ Immer wieder findet FoMO im Zusammenhang mit Smartphonesucht als Krankheitsbild Erwähnung (Aljomaa et al., 2016; Lee & Cho, 2015; Noë et al., 2019). Weitestgehend Einigkeit besteht darüber, dass der Wunsch nach Neuigkeiten in der Angst, etwas zu verpassen, und schließlich in einer Krankheit münden kann.

Ideen für aktuelle Inhalte Für die Generierung aktueller Inhalte gibt es verschiedene Ansätze, wobei die Möglichkeiten von App zu App variieren. Im Folgenden finden sich einige Ideen, wie aktuelle Inhalte generiert werden. • Eine einfache und sehr generische Möglichkeit stellt die Einbindung von Feiertagen dar, wobei hier nicht nur religiöse Feiertage gemeint sind, sondern auch andere „Feiertage“ wie der „Tag der Eheringe“ (3. Februar), der „Internationale Tag der Handhygiene“ (5. Mai), oder „Tag der Wassermelone“ (3. August) oder der „Gib-deinem-Auto-einen-Namen-Tag“ (2. Oktober). Zahlreiche Kalender für kuriose Feiertage bieten Potenzial, hieraus mehr oder weniger aufwändige, aktuelle Inhalte zu generieren. • Überall dort, Menschen in Apps miteinander agieren – Social Media, Dating, Gaming oder Apps mit Gamification-Elementen – lassen sich aus den Interaktionen beziehungsweise dem Nutzungsverhalten von Freunden, Matches oder Gildenmitgliedern Inhalte generieren, indem die aktuellsten Meldungen aus dem eigenen Netzwerk in der App angezeigt werden. Populäres Beispiel sind dabei die Newsfeeds, die bei Apps wie Instagram einen wesentlichen Teil (und Mehrwert) der App ausmachen.

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• Content-Publisher wie Newsportale oder Apps für Kochrezepte, auch dann, wenn es sich um nutzergenerierte Inhalte (User Generated Content) handelt, können diese Inhalte nutzen, um etwa „aktuelle Meldungen“ oder „neue Rezepte“ zu präsentieren. Darüber hinaus denkbar wäre, einfach zufällige („ausgewählte“) Inhalte oder personalisierte Inhaltsempfehlungen („für Sie ausgewählte Rezepte“ oder „aktuelle Meldungen passend zu deinen Interessen“) auszusteuern. • Im Bereich Shopping könnte ein Ansatz darin bestehen, „neue Produkte im Sortiment“ vorzustellen oder auf die „aktuellen Angebote der Woche“ hinzuweisen. Auch der Hinweis auf „neue Gutscheine“ oder „bald ablaufende Coupons“ bietet Möglichkeiten, aktuelle Inhalte einzubinden. Beispiel: Adventskalender in der „Mein dm“-App

Ein Beispiel für saisonale Inhalte liefert die bereits in Abschn. 2.3 und Abschn. 4.3.3 vorgestellte „Mein dm“-App des Drogeriemarktes dm. Unter anderem mit Printauslagen am stationären Point-of-Sale wird „Der Adventskalender mit 24 Coupons für DICH“ beworben. Der Adventskalender ist ein klassischer Print-Adventskalender, auf dem 24 Türchen geöffnet werden können, wobei hinter jedem Türchen ein QR-Code steckt. Mit der „Mein dm“-App lässt sich der jeweilige QR-Code scannen, wobei der Nutzer in der Folge einen „Coupon direkt im Couponcenter der Mein dm-App“ erhält, den er anschließend sowohl für Bestellungen per App als auch beim stationären Einkauf einlösen kann. Die Aktion ist sowohl zur Akquise neuer Nutzer und zur (Re-) Aktivierung und Monetarisierung neuer und bestehender Nutzer konzipiert. Konsequenterweise erfordert die Teilnahme an der Aktion neben der App selbst auch eine Anmeldung „mit Deinem (bestehenden) Mein dm-Kundenkonto“. So können bestenfalls gleich mehrere potenzielle Kontaktkanäle zu den gewonnenen Nutzern eröffnet werden, selbst, wenn die Nutzer die App nach Teilnahme an der Aktion wieder deinstallieren. ◄ Formen der Einbindung Neben der Frage, wie sich aktuelle Inhalte überhaupt identifizieren lassen, ist weiterhin die Art der Einbindung zu klären: • Sollen die Inhalte direkt auf dem Startscreen eingebunden werden, in einem unmittelbar vom Startscreen erreichbaren Bereich oder an einer anderen Stelle in der App? • Wie viel Raum soll den Inhalten gegeben werden? • Handelt es sich lediglich um eine Sammlung einzelner, für sich stehender Informationen (zum Beispiel eine Sammlung von Rezepten) oder sind die Inhalte in einem übergeordneten Thema oder einer größer angelegten Kampagne („Unsere aktuellen Rezeptempfehlungen für den Herbst“) organisiert?

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• Wie sollen Nutzer auf die Inhalte aufmerksam werden – sollen sie sie einfach entdecken, innerhalb der App darauf hingewiesen werden oder gar bei neuen Inhalten eine Push Notification erhalten? Wie eine größer angelegte, mehrere Informationen und Aktionen unter einem gemeinsamen Thema zusammenfassende und von zahlreichen Kommunikationsmaßnahmen begleitete Variante aktuellen Contents aussehen kann, zeigt das folgende Beispiel des E-Commerce-Unternehmens OTTO. Beispiel: App-exklusive Aktionen zum „APPril“ in der OTTO-App

Bereits seit einigen Jahren feiert OTTO jedes Jahr im April den APPril und schafft so einen Anlass, um Nutzer durch die Bereitstellung aktueller und relevanter Inhalte einerseits neu zu akquirieren, andererseits aber auch, die neu akquirierten Nutzer direkt zu aktivieren und bestehende Nutzer an die App zu binden. Im Rahmen des APPril bietet OTTO zahlreiche attraktive und zeitlich limitierte Aktionen und Angebote, die in der Regel allesamt App-exklusiv angeboten werden. Die Kommunikation der Aktionen und Angebote erfolgt dabei breit über alle digitalen und viele analoge Kanäle. Auch die App-Einträge bei Google und Apple werden angepasst. Der Startscreen der App wird praktisch vollständig mit dem Thema bespielt, zusätzlich gibt es eigene Screens mit Informationen und Produktlisten. Push Notifications wie die folgende Nachricht vom 08. April 2022 zu einer Rabattaktion auf Produkte von Adidas flankieren die einzelnen Aktionen: „20% auf Adidas – nur in der App“ „Der APPril ist da: Ein Monat voller Angebote! Sicher dir jetzt Rabatte auf unser gesamtes Adidas-Sortiment.“

Die OTTO-App wurde allein bei Google Play mehr als zehn Millionen Mal heruntergeladen und wird dort mit durchschnittlich 4,6 Sternen bei mehr als 120.000 Bewertungen geführt. Der APPril von OTTO stellt ein gutes Beispiel dar, wie sich aktuelle Inhalte – hier einfach basierend auf einer Monatsbezeichnung und einem Wortspiel – generieren lassen. ◄

5.2.4 Personalisierung Bereits Anfang des Jahrtausends gab es Vorhersagen, dass Personalisierung – damals noch im Kontext des Fernsehens – in der Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung von Nutzerinteraktionen spielen sollte (Harwig, 2000). Tatsächlich hat sich diese Vorhersage – wenn auch nicht im Fernsehen im engeren Sinne – in Form von Smart

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TVs, Streamingdiensten und deren Smartphone-Apps in vielen Teilen bewahrheitet. Insbesondere Empfehlungen für zu den eigenen Interessen passenden Serien und Filmen auf Netflix, aber auch Werbung bei Streamingdiensten oder Videoplattformen wie YouTube sind heute in der Regel personalisiert. Mittlerweile gehört Personalisierung – auch abseits des Fernsehens beziehungsweise seiner Nachfolger – zu den etablierten Ansätzen und findet breite Anwendung. Personalisierte Inhalte wecken bei Nutzern nicht nur ein höheres Interesse als generische Inhalte (Köster et al., 2015). Im Umfeld von B2B Online-Shops schätzen 70 % der Entscheider und Projektverantwortlichen, dass Personalisierung einen eher hohen oder hohen Einfluss auf die Conversion-Rate hat (ECC Köln & IntelliShop, 2018). In einer Umfrage geben ferner 36 % aller Zeitungsverleger an, dass sie eine vollständige Personalisierung nach Individuen oder zumindest nach Zielgruppen als besonders sinnvoll erachten (BDZV & Schickler, 2022). Ausgestaltung von Personalisierung Technologisch wird, jedenfalls im E-Commerce, Personalisierung häufig über die ShopSoftware, aber auch über das CRM-System oder eine Customer Data Platform umgesetzt (Internet World Business, 2018a). Generisch bezogen auf Smartphone-Apps gehören zu den verbreitetsten Formen der Personalisierung vermutlich die Aussteuerung von Crossund Upselling-Angeboten, die nutzerindividuelle Anpassung des Startscreens einer App und die Anzeige personalisierter Inhalte (Internet World Business, 2018b). Grundsätzlich unterschieden werden kann die Herangehensweise bei der Personalisierung. • Einfache Formen der Personalisierung nutzen ein spezifisches, statisches Datum, etwa den Vornamen eines Nutzers, und blenden diesen ein, um den Nutzer persönlich in der App zu begrüßen. Auch, wenn diese einfachen Formen der Personalisierung als „Einstieg“ gelten und kaum technologischen Aufwand erfordern, darf bezweifelt werden, inwiefern sich aus der Anzeige des Vornamens tatsächlich Vorteile im Sinne des Nutzerengagements ableiten lassen. • Eine erweiterte Form dieser einfachen Personalisierung stellt die Anpassung einer App auf Basis des vom Nutzer angegebenen Geschlechts oder Alters dar, wobei aus einer bestimmten Ausprägung einer Variable (Geschlecht: weiblich) mit einer einfachen Regel abgeleitet wird, dass zum Beispiel auf dem Startscreen einer ShoppingApps die neuesten Produkte der Kategorie „Damenmode“ oder auf dem Startscreen eines Streamingdienstes Filme angezeigt werden, die „anderen Frauen gefallen“. Gerade das Alter oder das Geschlecht eines Nutzers können dabei auch zu vorschnellen Rückschlüssen führen – längst nicht alle weiblichen Nutzer sind grundsätzlich oder in einer spezifischen Situation auch an „Damenmode“ interessiert. Dies gilt auch für die Personalisierung auf Basis des sozio-demographischen Hintergrunds, wie sie etwa bei Evans et al. (2019) zu finden ist, die eine App zur Förderung gesunder Ernährung

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speziell für afroamerikanische Frauen erforschen, wobei unter anderem „culturallyspecific content“ eingesetzt wird. • Als dritte Stufe der Personalisierung kann die regelbasierte Aussteuerung von Inhalten angesehen werden, wobei hierbei nicht unmittelbar aus von Nutzern angegebenen Datenpunkten Rückschlüsse auf Interessen gezogen werden, sondern die Interessen implizit aus dem Nutzungsverhalten abgeleitet werden. • Schließlich kann, ebenfalls ausgehend von der Analyse des Nutzungsverhaltens und daraus abgeleiteten Nutzerinteressen, auch eine Personalisierung erfolgen, die nicht (nur) auf Basis menschlich vorgegebener Regeln arbeitet, sondern bei der ein System aus einer Auswahl von Varianten diejenige aussteuert, die die beste Performance verspricht, wobei das System diese Performanceerwartung natürlich erst im Laufe der Zeit lernen kann. Bei allen Varianten geht es im Kern darum, eine aus mehreren zur Verfügung stehenden Varianten einer App auszusteuern, wobei die Aussteuerung basierend auf der Hypothese erfolgt, dass nicht jeder Inhalt zu jedem Zeitpunkt für jeden Nutzer gleichermaßen relevant ist. Daten als Grundlage der Personalisierung Unabhängig davon, wo und wie in einer App ein App-Publisher personalisiert, stellen Daten die Grundlage jeder Form von Personalisierung dar. Die in Abb. 4.4 in Abschn. 4.2 verwendete Systematisierung von Daten, wie sie zur Segmentierung von Zielgruppen genutzt werden können, lässt sich analog auch auf die Personalisierung übertragen, sodass also entsprechend geographische, demographische, Verhaltens- und psychographische Daten denkbar sind, um diese zur Personalisierung einer App zu nutzen. Konkret geben Nutzer besonders häufig an, neben ihren Kontaktdaten Daten zu Kaufentscheidungen, Neigungen zu Produkten und Marken, Interaktionsdaten sowie Daten zum Surfverhalten und Bewegungs-, Ortungs- und GPS-Daten zu teilen (EOS Gruppe, 2020). Unterschieden werden kann dabei auch, ob es sich um explizite oder um implizite Daten handelt, wobei sich explizite Daten direkt aus Nutzerangaben, etwa im Registrierungsprozess, ergeben, während implizit Daten auf Basis von Nutzeraktivitäten gebildet werden, wie etwa dem Nutzungsverhalten oder dem freigegebenen Standort. Standort als Ausgangspunkt für viele Erkenntnisse Gerade dem Standort kommt im App-Umfeld sicherlich eine besondere Relevanz zu, gerade, weil sich ein freigegebener Standort (je nach Betriebssystem und Umfang der Freigabe) nicht nur einmalig, sondern auch im Zeitverlauf betrachten lässt. Angereichert um Metadaten zu einzelnen Positionen lassen sich aus dem Standortverlauf eines Nutzers zahlreiche Informationen ableiten, wobei die folgenden Überlegungen eine grobe

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Vorstellung davon liefern sollen, welche Erkenntnisse sich aus der regelmäßigen Betrachtung von Standortverläufen von App-Nutzern gewinnen lassen: • Bricht ein Nutzer regelmäßig unter der Woche morgens von einem Ort zu einem anderen auf, an dem er anschließend rund acht bis zehn Stunden verbleibt, und kehrt danach wieder zurück, handelt es sich mutmaßlich um seinen Wohn- und seinen Arbeitsort. • Aus dem Wohn- und dem Arbeitsort lassen sich der Arbeitsweg, aber auch Erkenntnisse zur Fortbewegung des Nutzers ableiten: Fährt er Auto, Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel? • Aus dem mutmaßlichen Wohnort eines Nutzers lassen sich zahlreiche weitere Informationen gewinnen: Handelt es sich um eine Großstadt oder um eine ländliche Region? Wohnt der Nutzer in einem Einfamilienhaus oder in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus? Wie hoch ist das durchschnittliche Einkommen an dem Ort? • Regelmäßige Besuche von Orten am Freitagabend oder am Wochenende erlauben Rückschlüsse auf die Freizeitgestaltung: Bevorzugt der Nutzer Discos oder Bars? Ist er Fußballfan? Geht er ins Schwimmbad oder verbringt viel Zeit an kinderfreundlichen Orten (und hat deshalb mutmaßlich Kinder)? • Besucht ein Nutzer plötzlich eine für ihn untypische Region? Ist aktuell Ferienzeit, sodass es sich vielleicht um Urlaub handelt? Oder ist der Nutzer auf Dienstreise? • Wie ist der Nutzer in die für ihn untypische Region gekommen? Hat er zuvor einen Bahnhof ausgesucht, fährt also Zug, oder einen Flughafen? • Besucht ein Nutzer zum Beispiel einen Musterhauspark? Plant er womöglich ein Haus zu bauen und benötigt deshalb bald einen Kredit, eine Bauherrenhaftpflichtversicherung, ein Umzugsunternehmen, neue Möbel und Produkte für den Gartenbedarf? Der Standortverlauf eines Nutzers liefert zahlreiche Anhaltspunkte, um die In-App Experience zu personalisieren. Zusätzlich lässt sich der Standortverlauf etwa im Kontext des Einzelhandels oder in der Gastronomie aber auch operativ nutzen: Der Location-Dienstleister Radar (2023) ermöglicht beispielsweise ein sogenanntes Trip Tracking. Hat ein Nutzer einer Bestellung über eine App getätigt, kann Radar erkennen, wann der Nutzer aufbricht, um die Bestellung abzuholen. So lässt sich eine Bestellung just-in-time zubereiten (Fast Food mit Pre-Order per App) beziehungsweise kommissionieren (Click & Collect-Bestellung im Stationärhandel), um die Kundenerfahrung auch abseits einer App ganzheitlich zu verbessern. Voraussetzung für solche Szenarien ist eine entsprechende Standortfreigabe, bei der der Nutzer einer App erlaubt, regelmäßig und auch im Hintergrund den aktuellen Standort an den App-Publisher zu übermitteln. Mit Blick darauf, dass die Regeln von Apple und Google zunehmend am steigenden Bewusstsein für Privatsphäre ausgerichtet sind, gilt es dazu, dem Nutzer die Notwendigkeit einer (entsprechend umfassenden) Standortfreigabe hinreichend plausibel darzulegen, etwa über die Herausarbeitung funktionaler und gegebenenfalls monetärer Vorteile.

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Bereitschaft und Einwilligung zum Teilen von Daten als Herausforderung Obwohl im Sinne des Privacy Paradox sicherlich zu beobachten ist, dass Nutzer zwar ein gestiegenes Bewusstsein für ihre Privatsphäre angeben, jedoch noch immer freimütig bereit sind, umfassende Daten zu teilen, dürfte die Gewinnung von Nutzerdaten zur Personalisierung mit Blick auf die Auslegung der DSGVO und die immer wieder diskutierte ePrivacy-Verordnung eine entscheidende Herausforderung der näheren Zukunft darstellen (Kumar & Reinartz, 2018, S. 300). Neben der Frage des rechtlichen Rahmens spielt dabei auch die Datenqualität eine wichtige Rolle: Mit dem absehbaren Ende des Cookie-basierten Trackings, der zunehmenden Nutzung von „Do not track“-Lösungen und Webbrowsern, die mit einem hohen Maß an Privatsphäre werben, stellt die technisch saubere Erhebung von Nutzerdaten zunehmend eine Herausforderung dar. Im App-Bereich ist es insbesondere im Gaming deshalb bereits seit vielen Jahren weit verbreiteter und von den Nutzern akzeptierter Standard, ein Spiel ohne Anlage eines Nutzeraccounts schlicht nicht spielen zu können. Als Hauptgrund wird dem Nutzer dabei häufig die „Sicherung des Spielstands, falls dein Smartphone einmal verloren geht“ kommuniziert, wobei die im Moment der Accountanlage akzeptierten Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen im Regelfall auch eine umfassende Erhebung von Daten und deren Nutzung zu Personalisierungs- oder Werbezwecken vorsehen. Verstärkt gehen auch App-Publisher abseits des Gamings deshalb den Weg, einen Login zu erfordern oder jedenfalls nahezulegen, wie das folgende Beispiel zeigt. Beispiel: bonprix-App – klare Empfehlung zum Login

Mit über zehn Millionen Downloads und 4,6 Sterne bei über 180.000 Bewertungen allein bei Google Play ist die bonprix-App „fashion & style“ eine der vielleicht bekanntesten Apps im deutschen Online-Modelhandel (bonprix Handelsgesellschaft mbH, 2022). Schon auf dem ersten Screenshot bei Google Play verspricht die App „Die neuesten Trends nur für Dich“ und erhebt offensichtlich den Anspruch, ein personalisiertes Nutzererlebnis bieten zu wollen. Dazu benötigt diese Personalisierung persönliche Daten, die dauerhaft konsistent am jeweiligen Nutzer und natürlich nicht nur Sessionbasiert erhoben werden, sodass für diesen Personalisierungsanspruch eine Registrierung mit anschließendem Login jedenfalls sinnvoll erscheint. bonprix gelingt es, den Nutzer doch sehr deutlich auf die Registrierung hinzuweisen, ohne, dass diese jedenfalls technisch zur Nutzung der App unbedingt notwendig wäre. Auf dem ersten Screen der App direkt nach dem Herunterladen heißt es dazu: „Deine persönliche bonprix App

• Deine Wunschliste überall dabei • Deine Bestellungen auf einen Blick • Exklusive Rabatte nur für Dich“

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Es folgen ein großer roter Button „Einloggen“ und ein großer weißer Button „Registrieren“, sodass eine Nutzung ohne Registrierung und Login praktisch unmöglich erscheint: Der Hinweis, dass der Nutzer auch „Direkt zum Shop“ kann, ist unter den Buttons als kleiner, unauffälliger Textlink positioniert. ◄

5.2.5 Gamification Gamification, also die Nutzung von spielerischen Mechanismen in eigentlich nicht-spielerischen Umfeldern wie Websites oder Apps ist seit vielen Jahren eines der am meisten diskutierten Themen im Marketing (Lucassen & Jansen, 2014). Wie Gamification konkret ausgestaltet sein kann, wurde bereits am Beispiel des Liga-System bei duolingo“ in Abschn. 2.6 skizziert. Grundsätzlich zahlt die Einbindung spielerischer Mechanismen positiv auf das User Engagement ein (Cechetti et al., 2019; Featherstone & Habgood, 2019; Feng et al., 2020). Auch erhöht die Interaktion der Nutzer mit Gamificationelementen die Loyalität (Feng et al., 2020). Gleichwohl können Gamificationelemente negativ auf das User Engagement wirken, wenn ein Zwang zur Nutzung der Elemente besteht oder Misserfolge erzielt werden, etwa, weil Nutzer ausgelobte Wettbewerbe verlieren (Eisingerich et al., 2019; Leclercq et al., 2018). Streaks Eine der einfachsten Möglichkeiten, einer App ein spielerisches Element zu verleihen, ist der Einsatz von sogenannten Streaks, also von Strähnen beziehungsweise einer Serie von Tagen, die eine App durchgängig genutzt wurde. Nutzt eine Person eine App also zwei Tage hintereinander, hat sie einen Streak 2, sind es fünf Tage, ist es ein Streak 5 und so weiter. Streaks sind ein beliebtes, weil einfaches und (vermeintlich) effektives Mittel, weil jeder Streaktag der „Schmerz“ erhöht, die App einen Tag lang nicht zu nutzen und somit den Streak zu verlieren. Karlsson et al. (2022) weisen darauf hin, dass ein Streak zwar dazu führt, dass Nutzer ein Interesse daran haben, den Streak fortzusetzen, geben aber auch zu bedenken, dass dies, etwa im Fall einer App zur Förderung von Achtsamkeit und Meditation, nicht automatisch bedeutet, dass Nutzer auch ihre täglichen Routinen und Gewohnheiten anpassen. Ideen für einfache Ansätze zur Implementierung von Gamification Abseits von Streaks existieren zahlreiche weitere Ansätze, mit denen sich Gamification relativ einfach umsetzen lässt. Typisch sind unter anderem Aufgaben, die Nutzer erfüllen müssen, Wettbewerbe, die Nutzer gewinnen können, Ranglisten, auf denen sie Plätze belegen können, Abzeichen und Badges, die sie für bestimmte Interaktionen erhalten können, sowie Belohnungen (Harwood & Garry, 2015).

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Gerade die Einführung von Abzeichen stellt einen einfachen Weg dar, Nutzer explizit auf vom App-Publisher als relevant erachtete Interaktionen hinzuweisen. Wie solche Abzeichen aussehen könnten, zeigt das folgende Audible-Beispiel. Beispiel: Audible – mehr Hörbücher konsumieren durch spielerische Elemente

Unter dem Motto „Hear something amazing” bietet Audible “Podcasts, Audiobooks & Audible Originals” an. Alleine die Android-App wurde mehr als 100 Mio. Mal heruntergeladen und ist bei Google Play mit 4,6 Sternen bewertet – basierend auf rund 1,5 Mio. Reviews (Audible Inc., 2023). Um seine Nutzer für die aktive Nutzung von Audible zu belohnen und so zu einer weiteren Nutzung anzuregen, verleiht Audible jedem Nutzer durch bestimmte Interaktionen Badges, die der Nutzer sammeln kann. Die folgende Liste zeigt einen Auszug der möglichen Badges: • Als „Bibliothekar“ wird ein Nutzer ausgezeichnet, wenn er eine bestimmte Anzahl an Titeln gehört hat. • Der „Wochenkämpfer“ ist die Auszeichnung für einen 7-Tage-Streak. • Ein „Durchhörer“ ist ein Nutzer, der ein Hörbuch am Stück durchgehört hat. • Als „Mittagshörer“ darf sich jemand bezeichnen, der für zwei Stunden ein Hörbuch während der Mittagszeit gehört hat. • Verwendet jemand intensiv die Lesezeichenfunktion, wird er als „Fährtenleger“ ausgezeichnet. • Das Badge „Alexa“ erhalten Nutzer, die ihr Alexa-Gerät mit Hilfe des Sprachbefehls „Alexa, lies mein Buch“ nutzen, um ein Hörbuch von Audible anzuhören. ◄ Nicht nur, aber auch im Fall von Audible können Badges nicht nur eingesetzt werden, um die App-Nutzung insgesamt zu erhöhen, sondern auch, um bestimmte Features in den Vordergrund zu rücken, etwa, weil diese eine strategische Relevanz haben. Dazu dürfte im Fall von Audible sicherlich die Nutzung der Plattform über ein Alexa-Gerät gehören. Mögliche Badges für eine Shopping-App Auch für andere Bereiche lassen sich Badges entwickeln, die entweder unmittelbar oder jedenfalls indirekt auf den Geschäftserfolg einzahlen. So wäre es für eine Shopping-App denkbar, folgende Badges zu verleihen: • Sieht sich ein Nutzer besonders viele Produkte einer bestimmten Kategorie an, erhält er hierfür ein Abzeichen, zum Beispiel „Fashion Lover“ für das Ansehen von Modeartikeln. • Für das Teilen von Produkten mit Freunden könnte ein Nutzer als „Influencer“ ausgezeichnet werden.

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• Das Badge „Power Shopper“ könnte Nutzer belohnen, die in einem bestimmten Zeitraum eine bestimmte Anzahl von Bestellungen tätigen. • Hat ein Nutzer eine bestimmte Anzahl von Produkten einer bestimmten Farbe favorisiert, könnte er hierfür etwa das Badge „Lieblingsfarbe: Rot“ erhalten. • Für die Anmeldung zum Newsletter könnte das Badge „Immer up-to-date“ verliehen werden. • Nimmt ein Nutzer am Kundenbindungsprogramm teil, könnte er als „Insider“ ausgezeichnet werden. Die skizzierten Beispiele lassen sich auf zahlreiche App-Kategorien übertragen und liefern erste Ideen, wie sich Gamification auch abseits von Gaming-Apps operationalisieren lässt, um Nutzer zur aktiven Nutzung anzuregen.

5.2.6 Soziale Komponenten Soziale Komponenten, also Funktionen, die eine Interaktion der Nutzer untereinander ermöglichen, können den User Influence Value steigern und schaffen Anlässe, Nutzer immer wieder zur Öffnung und Nutzung einer App zu bewegen (Wiesel, 2017). Der Begriff der sozialen Komponente muss dabei keinesfalls ein klassisches soziales Netzwerk meinen, sondern kann in verschiedenen Formen aufgegriffen werden. Sicherlich am eingängigsten sind, angelehnt an soziale Netzwerke, Communities, in denen sich Nutzer austauschen können. Das können Foren oder Foren-ähnliche Angebote sein, die einen relativ freien Austausch gewähren und entsprechend umfassende Moderation erfordern, aber auch deutlich engere Angebote wie die Möglichkeit, Bewertungen zu verfassen. Wettbewerbe und Vergleiche, wie etwa das Liga-System von duolingo (Abschn. 2.6) und andere mehrere Nutzer einbeziehende Mechanismen aus dem Bereich Gamification (Abschn. 5.2.5), stellen weiterhin konkrete Möglichkeiten dar, wie sich soziale Komponenten in Apps integrieren lassen. Dadurch, dass soziale Komponenten bereits im Rahmen von Abschn. 2.6 und Abschn. 5.2.5 besprochen wurden, soll an dieser Stelle nicht weiter auf die entsprechenden Möglichkeiten eingegangen werden. Auch die möglichst einfach gestaltete Option, bestimmte Inhalte aus einer App zu teilen, etwa Artikel (Nachrichten-Apps) und Produkte (Shopping-Apps), in beiden Fällen umgesetzt über einen einfachen Sharing-Button, aber auch zum Beispiele Erfolge (Gaming-Apps), möglicherweise sogar mit grafischer Aufbereitung statt eines einfachen Screenshots, stellen Formen von sozialen Komponenten bei.

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5.2.7 Nutzerfeedback Abschließend sei, bevor es um die Frage des Trackings und der Erfolgsmessung geht, auf das Einsammeln von Nutzerfeedback zur Steigerung des User Engagements hingewiesen. Grundsätzlich festzuhalten ist, dass Nutzerfeedback nicht nur im Rahmen der Konzeptionsphase wie im User-Centered Design Prozess (Abschn. 3.5.4) eine wichtige Rolle spielen sollte und – im Sinne der App-Bewertungen – zur Verbesserung oder Verschlechterung des Rankings auf den App-Marktplätzen ohnehin spielt (Abschn. 3.5.5). Auch dient Nutzerfeedback selbstverständlich im laufenden Betrieb als wichtige Informationsquelle für die stetige Verbesserung einer App. Interessant ist dabei, dass die Bitte um Feedback durchaus, unabhängig von der Frage der Verarbeitung der Rückmeldungen, gewissermaßen auch als Selbstzweck verstanden werden kann: Untersuchungen legen nahe, dass Nutzer über Feedbackmechanismen das Gefühl haben, in die App-Entwicklung mit einbezogen zu werden und durch diese Teilhabe mutmaßlich zufriedener mit der App sein dürften – unabhängig von der tatsächlichen Leistung der App (Meik, 2016, S. 96 ff.). Grundsätzlich sollten Nutzer also möglichst einfach mit Unternehmen – hier mit App-Publishern – in Kontakt treten können, um aktiv Feedback geben und eigene Ideen teilen zu können (Wiesel, 2017). Weitere Ausführungen zum Feedback finden sich unter dem Aspekt der App-Entwicklung bereits in Abschn. 3.5 und dort insbesondere in Abschn. 3.5.1 („Methoden zur Erhebung von Nutzererwartungen“) und Abschn. 3.5.5 („Methoden und Instrumente zur Erhebung der Nutzerzufriedenheit“).

5.2.8 Tracking und Erfolgsmessung Nachdem dieses Kapitel zunächst in einige wichtige Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements der App-Nutzer eingeführt hat, wird im Folgenden die Frage betrachtet, wie sich der Erfolg dieser Ansätze und Methoden im Grundsatz nachvollziehen lässt. Dabei geht es im Kern um die Übertragung gängiger Kennzahlen aus der (Onsite-) Web-Analyse in den App-Kontext sowie die Vermittlung App-spezifischer Kennzahlen. Einleitend werden zunächst einige technische Grundlagen betrachtet. Technische Grundlagen Grundsätzlich werden die Metriken des App-Engagements und die daraus berechneten Kennzahlen mit App Analytics-Systemen erhoben, wie sie auch aus der klassischen Web-Analyse bekannt sind. Obgleich die Namen der Systeme einer gewissen Dynamik unterliegen und der Markt für entsprechende Systeme geprägt ist von Akquisitionen, kontinuierlicher Weiterentwicklung und einem zunehmend engeren regulatorischen Rahmen ist insbesondere Google Analytics als sicherlich etabliertester Player zu nennen, sodass die kurzen Schilderungen zu den technischen Grundlagen anhand von Firebase beziehungsweise Google Analytics erfolgen.

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Grundlegend werden Systeme wie Google Analytics per SDK in eine App integriert und sammeln dort Nutzungs- und Verhaltensdaten, die dann analysiert werden können. Viele Ereignisse und Dimensionen werden von Google (2023e, 2023c) standardmäßig erfasst: Zu den standardmäßig erfassten Ereignissen gehören unter anderem „first_open“ für das erstmalige Starten einer App nach Installation, „session_start“ für eine neu begonnene Sitzung sowie „screen_view“ für einen Bildschirmaufruf. Zu den, soweit verfügbar, standardmäßig erhobenen Dimensionen eines Nutzers gehören etwa sozio-demographische Daten wie Alter und Geschlecht, technische Daten wie die App-Version, das Betriebssystem, dessen Version oder die Gerätemarke sowie etwa die Information, ob ein Nutzer ein bestehender oder neuer Nutzer ist. Weiterhin gibt es Ereignisse, für die Google (2023d) je nach Szenario empfiehlt, dass diese erfasst werden sollten: Für Online-Verkäufe im E-Commerce schlägt Google vor, unter anderem das Hinzufügen eines Produkts zum Warenkorb („add_to_cart“) oder zum Merkzettel („add_to_wishlist“), den Beginn des Checkout-Prozesses („begin_checkout“) oder den erfolgreichen Kauf („purchase“) zu tracken. Für Gaming-Apps wird unter anderem empfohlen, den Beginn eines neuen Levels („level_start“) sowie dessen Ende („level_end“), aber auch das Ausgeben virtueller Währungen („spend_virtual_currency“) oder das Erzielen von Erfolgen („unlock_achievement“) und das Aufsteigen von Leveln („level_up“) zu tracken. Diese Mischung aus Ereignissen und Dimensionen erlaubt– je nach Implementierung – tiefgehende Analysen des Nutzerverhaltens zu fahren und damit auch die Leistung von Maßnahmen bei der Engagement-Steigerung zu messen. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass längst nicht jede Metrik in jedem Szenario gleichermaßen sinnvoll sein muss: Während viele Apps im ECommerce mit einer Vielzahl von Screenviews arbeiten und damit je Screenview relativ wenig User-Engagement stattfindet, werden bei manchen Gaming-Apps deutlich weniger Screenviews generiert beziehungsweise findet im Verhältnis relativ viel App-Interaktion des Nutzers auf einem einzelnen Screen statt (Google, 2023b). Als spezifische Problematik kurz zu erwähnen ist darüber hinaus das Tracking von Nutzerverhalten auf Webviews. Mit Webviews werden Webinhalte, die also eigentlich zur Darstellung in einem Webbrowser erstellt wurden, innerhalb einer App angezeigt. Während dies bei ausschließlich nativen Apps (in der Theorie) nicht vorkommt, setzen hybride Apps regelmäßig auf eine Mischung von nativen und Webinhalten, sodass entsprechend Webviews eingesetzt werden. Um das Nutzerverhalten auf einem über eine App aufgerufenen Webview aufzuzeichnen, müssen die Ereignisse und Nutzereigenschaften von der Webview zunächst an den nativen (App-) Code weitergeleitet werden, um sie von dort in Google Analytics einzuspeisen (Google, 2023f). Ausgewählte Metriken und KPIs Um den Erfolg der Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements der AppNutzer nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich nachvollziehen zu können, existieren verschiedene Metriken und KPIs (im Folgenden einfach „Kennzahlen“).

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Hinweis: Weitere Betrachtungen von Kennzahlen Weitere Stellen, an denen ausgewählte Kennzahlen betrachtet werden, sind • In Abschn. 4.5.2 im Kontext der App-Vermarktung • In Abschn. 5.3.9 im Kontext von Push Notifications und In-App Messages

Die im Folgenden betrachteten Kennzahlen stellen teils einfache und teils komplexere, teils leichter und teils schwerer zu interpretierende Beispiele dar, wie das User Engagement gemessen werden kann. Dabei werden kurz auch Zahlen betrachtet, die die Monetarisierung der Nutzer messen, wobei sich Parallelen zum webbasierten E-Commerce herstellen lassen, sodass die Betrachtung monetärer Kennzahlen nicht im Fokus steht. Screens und Sessions Als sehr einfache Möglichkeiten zur Messung des User Engagements bieten sich verschiedene Perspektiven auf Sessions beziehungsweise Visits (im Folgenden: Sessions) an, wobei die Sessions ins Verhältnis zu anderen Metriken gesetzt werden. Eine einfache Möglichkeit, das Interesse von Nutzer zu messen, ist die durchschnittliche Anzahl der Screenaufrufe pro Session (Ahrholdt et al., 2019, S. 165 ff.). Die Anzahl kann dabei je nach App, App-Kategorie, Nutzer, Intention der Session, Tageszeit, Wochentag, Saison und anderen Faktoren stark schwanken. Auch sind viele Screenaufrufe pro Session nicht zwangsläufig positiv zu bewerten, weil dies auch darauf hindeuten könnte, dass Nutzer sehr lange brauchen, um ihr persönliches Ziel der Session zu erreichen. Gleichwohl eignet sich die Kennzahl insbesondere im Zeitverlauf, um Anomalien zu entdecken und eine gezielte Ursachenforschung einzuleiten. Eine deutliche robustere Kennzahl ist die Anzahl der Sessions pro Nutzer über einen definierten Zeitraum, wie sie unter anderem bei Mor-Samuels (2021) zu finden ist. Natürlich sind spezifische Szenarien möglich, in denen „mehr gleich besser“ nicht gilt. Vereinfacht kann jedoch festgehalten werden, dass mehr Sessions pro Nutzer in einem definierten Zeitraum auf ein erhöhtes Interesse hindeutet und insofern positiv zu bewerten ist. Eng verwandt mit Anzahl der Sessions pro Nutzer über einen definierten Zeitraum ist das Session Intervall (Ahrholdt et al., 2019, S. 165 ff.). Dieses misst die durchschnittliche Zeit, die zwischen zwei Sitzungen eines Nutzers vergeht. Obgleich ein ungeduldig auf seine letzte Bestellung wartender Kunde einer Shopping Apps wahrscheinlich ebenfalls ein geringes Session Intervall hat, weil er immer wieder den Versandstatus seiner Bestellung checkt, ist ein niedriges Session Intervall (das heißt kurze Abstände zwischen den Sessions) im Grundsatz positiv zu interpretieren. Nutzer, die eine App häufig auf Neuigkeiten überprüfen, sind offenbar gut an die App gebunden. Welches Session Intervall konkret wie zu bewerten ist, hängt von der konkreten App ab. Während eine Messenger-App vermutlich tagsüber nach einem Session Intervall von weniger Stunden bis einigen Minuten strebt, dürfte eine Nachrichten-App häufig bereits mit einer Session pro Tag zufrieden sein, wohingegen eine Shopping-App ein Session Intervall von wenigen Tagen und mehr anstrebt.

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Retention und Churn In der Namensgebung trivial, in der Definition jedoch kompliziert ist die Retention Rate (Bindungsrate). Ahrholdt et al., (2019, S. 165 ff.) beschreiben die Bindungsrate als „die Anzahl der Nutzer, die die App innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Installation wiederverwenden“:

Retention/; Rate =

#NE − #NN #NS

• #NE: Anzahl der Nutzer zum Ende des Betrachtungszeitraums • #NN: Anzahl neuer Nutzer innerhalb des Betrachtungszeitraums • #NS: Anzahl der Nutzer zu Beginn des Betrachtungszeitraums Bei Mor-Samuels (2021) wird die Retention Rate definiert als die Anzahl aktiver Nutzer in einem bestimmten Zeitraum nach der Installation geteilt durch die Anzahl der Nutzer, die die App in diesem Zeitraum das erste Mal geöffnet haben. In beiden Fällen bildet die Retention Rate jedoch ab, dass neu gewonnene Nutzer eine App nach der Installation auch tatsächlich nutzen sollten. AppsFlyer (2022) stellt seinen Nutzern dazu passend einen Retention Report zur Verfügung, wie er exemplarisch in Abb. 5.6 zu sehen ist. Dabei kann nicht nur nachvollzogen werden, wie viele Nutzer eine App wie viele Tage nach ihrer Installation verwenden. Vielmehr lässt sich der Report noch aufschlüsseln, etwa wie in Abb. 5.6 gezeigt nach dem Akquisitionskanal. So lässt sich nicht nur eine Gesamtaussage zur Nutzerbindung mit Blick auf eine App insgesamt treffen, sondern auch mit Blick auf die Qualität der Vermarktung. Eng mit der Frage der Retention (oder der Deinstallation) verwandt ist die Betrachtung von Kohorten im Rahmen einer Kohortenanalyse, wie sie etwa Adjust (2023) vorschlägt. In der einfachen Fassung lässt sich so betrachten, wie viele Nutzer, die an einem definierten Zeitpunkt oder in einem definierten Zeitraum – etwa im Rahmen einer einwöchigen Kampagne mit Sonderangeboten – eine App installiert haben, zu welchen Zeitpunkten nach der Installation noch die App genutzt haben – also zum Beispiel einen Tag nach der Installation, zwei Tage nach der Installation, drei Tage nach der Installation

Channel

Install Day

Day 1

Day 2

Day 3

Day 4

Day 5

Organic

100% 2.531

41% 1.038

39% 987

37% 936

36% 911

37% 936

Facebook

100% 1.745

43% 750

42% 733

42% 733

38% 663

35% 611

Abb. 5.6   Beispiel für einen Retention Report (basierend auf Beispieldaten), angelehnt an AppsFlyer (2022). Lesebeispiel: 38 % aller Nutzer, die eine App aufgrund einer Facebook-Kampagne installiert haben, öffnen die App vier Tage nach der Installation

308

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

und so weiter. Während die Retention häufig ausschließlich auf Nutzer mit App-Öffnung an einem Tag X abstellt, werden im Rahmen von Kohortenanalysen häufig auch andere Metriken wie etwa Sessions pro Tag oder Umsätze pro Nutzer herangezogen. Aus der Retention und der Kohortenbetrachtung abgeleitet ist ferner die Churn Rate zu betrachten, also die Abwanderungsrate (Ahrholdt et al., 2019, S. 165 ff.). Sie wird über einen definierten Zeitraum betrachtet und zeigt, welcher Anteil der Nutzer innerhalb dieses Zeitraums eine App wieder verlassen hat:

Churn Rate =

Verlorene Nutzer w¨ahrend des Zeitraums Nutzer am Beginn des Zeitraums + Neue Nutzer w¨ahrend des Zeitraums

Wann ein Nutzer als verloren gilt, ist eine Frage der Definition. Naheliegend ist im Kontext von Apps die Fokussierung auf die Deinstallation, wobei auch andere Ereignisse wie das Löschen des Nutzerkontos oder Inaktivität seit einem bestimmten Zeitpunkt valide Anhaltspunkte darstellen. Active Users – Daily, Weekly, Monthly Als eine der Standardmetriken schlechthin gelten im App-Kontext die DAUs, WAUs und MAUs, also die Daily / Weekly / Monthly Active Users. Gemessen wird, wie viele Nutzer über einen bestimmten Zeitraum mindestens einmal täglich/wöchentlich/monatlich aktiv waren. Regelmäßig wird beim Begriff der „Aktivität“ unterstellt, dass bereits das Öffnen der App und damit das Initiieren einer Session als „aktiv“ gilt. Tatsächlich kann Aktivität sehr unterschiedlich verstanden werden, wobei AppsFlyer (2023b) in seinem Glossar mehrere Vorschläge für denkbare Kriterien für Aktivität unterbreitet: „An online banking app […] could define an interaction as making a transfer. An eCommerce app, on the other hand, could define it as adding an item to a cart, whereas a SaaS company could rely on software usage as an indication for user activity.“

In jedem Fall sollte der Betrachtung von aktiven Nutzern eine bewusste Auseinandersetzung mit der Frage vorausgehen, wie Aktivität definiert ist. Auch die Frage, ob ein App-Publisher eher auf Daily, auf Weekly oder auf Monthly Active Users schauen sollte, hängt vom jeweiligen Szenario ab. Obgleich eine tägliche Aktivität der Nutzer in wohl allen Fällen wünschenswert wäre, ergibt sich ein realistischer Anspruch in der Regel aus dem Nutzungsszenario. Die folgende Auflistung skizziert grob, in welchen Bereich welche Betrachtungen sinnvoll sein könnten: • Täglich: Gaming, Social Media, Messenger • Wöchentlich: Banking, Broker, Shopping, Einzelhändler • Monatlich: Reiseportal, Airline, Vermarkter von Eintrittskarten für Events Aus der Anzahl der DAUs und WAUs lässt sich darüber hinaus die App Stickiness (Nutzertreue) berechnen (Ahrholdt et al., 2019, S. 165 ff.):

5.2  Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements …

App Stickiness =

309

Anzahl DAU Anzahl MAU

AppsFlyer (2023a) spricht dazu von der DAU MAU Ratio. Conversions und Revenue Letztlich soll Nutzeraktivität dazu führen, die App-Nutzer zu konvertieren und zu monetarisieren, wobei zum Begriff der Conversion im Rahmen dieses Werks lediglich gesagt sei, dass eine Conversion nicht notwendigerweise ein Kaufabschluss sein muss, sondern auch zum Beispiel im Absenden einer Anfrage über ein Formular bestehen kann. Bei Mor-Samuels (2021) findet sich die Funnel Conversion Rate, die die Anzahl der Funnel-Finisher pro Anzahl der Funnel-Starter misst, also den Anteil derer, die einen Funnel vollständig durchlaufen, an der Gesamtzahl derer, die den Funnel beginnen. Wie ein solcher Funnel aussehen kann, zeigt Abb. 2.5 am Beispiel von Instagram, wobei Start, Ende und Zwischenstufen von der konkreten App abhängen. Auch kann eine App mehrere Funnel enthalten, etwa, am Beispiel von Instagram, einen Funnel für die Registrierung und einen Funnel für das Posten eines neuen Fotos oder Videos. Neben der Abbildung einer Conversion als Funnel ist die Sign-Up Conversion Rate (Ahrholdt et al., 2019, S. 165 ff.) eine der zentralen Kennzahlen bei allen Apps, die eine Registrierung erfordern oder jedenfalls nahelegen. Sie drückt das Verhältnis von AppDownloads mit Sign-Up zur Gesamtzahl der App-Downloads aus und misst, wie viel Prozent der neu gewonnenen Nutzer ein Nutzerkonto erstellt haben. Zu den gängigen Optimierungsmaßnahmen gehören die Verschlankung von Formularen, etwa durch die Reduktion von Pflichtfeldern, oder das Angebot von Login-Services wie dem Login über das eigene Google-Konto. Der ARPDAU (Average Revenue per Daily Active User) ist eine monetäre Kennzahl, die den durchschnittlichen Umsatz pro Daily Active User über einen definierten Zeitraum misst. Er eignet sich insbesondere für Apps, bei denen Nutzer potenziell täglich direkte oder auch indirekte Umsätze erzielen. Beispiele könnten Neobroker, aber auch News-Apps sein, die ihre Nutzer durch Werbeeinnahmen monetarisieren. Nicht auf Nutzer-, sondern auf Transaktionsbasis stellt der durchschnittliche Transaktionswert, ähnlich dem Average Order Value (AOV) im E-Commerce, eine wichtige Kennzahl dar. Je nach App gibt es große Unterschiede. Während eine Shopping-App, die Consumer Electronics verkauft, vermutlich durchschnittliche Transaktionswerte in Höhe von teilweise deutlich über hundert Euro aufweist, dürfte eine Gaming-App, die im Wesentlichen In-Game-Items verkauft, einen durchschnittlichen Transaktionswert von kaum mehr als ein paar Euro aufweisen. Sowohl ein möglichst hoher Transaktionswert bei Erstkäufen als auch die Steigerung des durchschnittlichen Transaktionswerts insgesamt können zentrale Ziele von Apps darstellen, die, egal, ob über Shopping, InGame-Items oder digitale Abos, eine direkte Monetarisierung ihrer Nutzer vornehmen. Ergänzend zum durchschnittlichen Transaktionswert ist weiterhin die durchschnittliche Anzahl der Käufe pro Nutzer (oder bei stärkerem Fokus auf Bestandskunden

310

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

pro Käufer) zu betrachten. Das Monitoring und die Steigerung dieser Kennzahl sind eine zentrale Aufgabe des App-CRM im Sinne der Aktivierung, Bindung und Monetarisierung der App-Nutzer. Von zentraler Bedeutung ist dabei insbesondere die möglichst schnelle Konvertierung neuer Nutzer, wobei etwa Shopping- und Gaming-Apps, aber auch Apps zum Erlernen von Sprachen oder ePaper-Apps von Zeitungen und Zeitschriften hier häufig mit Willkommensangeboten arbeiten.

5.3 Kommunikationsbasierte Steigerung des User Engagements durch Push Notifications Als vielleicht wichtigstes Instrument des App-CRMs betrachtet das folgende Kapitel die Möglichkeiten zur Steigerung des User Engagements durch Push Notifications, wobei auch In-App-Messages und Benachrichtigungscenter kurz Erwähnung finden. Das Kapitel beginnt zunächst mit einer Abgrenzung von Push Notifications, In-App Messages und dem Benachrichtigungscenter und verschafft dem Leser einen kurzen Überblick über die technischen Grundlagen auf Sicht des App-Marketings. Es schließen sich Erläuterungen an, die technisch, rechtlich und inhaltlich die Ideen des OptIn, des Opt-Out und des Opt-Down aufzeigen. Es folgen umfangreiche konzeptionelle Überlegungen zum Versand von Push Notifications mit Blick auf Inhalte, Gestaltung & Linkziele, auf Versandzeitpunkt und -frequenz, auf Segmentierung & Personalisierung, auf Location-Based Marketing und auf Marketing Automation. Bevor abschließend auf Tracking und Erfolgsmessung eingegangen wird, zeigt das Kapitel zur Optimierung durch A/B-Testing unter anderem konkrete Ideen zum Selbertesten auf. Grundsätzlich voranzustellen ist dem Kapitel die Feststellung, dass Push Notifications potenziell immer eine Unterbrechung der Nutzer in ihrem Alltag und damit eine Stressquelle darstellen. Insofern befinden sich Push Notifications stets im Spannungsfeld zwischen der Vermittlung (relevanter) Inhalte zur Steigerung der App-Nutzung und der Frustration der Nutzer durch zu viele Unterbrechungen mit der Folge der Deinstallation einer App (Bidargaddi et al., 2018; Iqbal & Horvitz, 2007; Okoshi et al., 2015; Wohllebe, 2020).

5.3.1 Abgrenzung von Push Notifications, In-App Messages & Benachrichtigungscenter Eingangs sollen Push Notifications, In-App Messages und Nachrichten in einem Benachrichtigungscenter zunächst voneinander abgegrenzt werden. Push Notifications Bei Push Notifications handelt es sich um Benachrichtigungen, die über das Betriebssystem des Nutzers ausgesteuert werden. Push Notifications werden dem Nutzer in den

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

311

Benachrichtigungen (Englisch: Notification Drawer) und in der Benachrichtigungsleiste angezeigt. Wichtige Nachrichten werden je nach Einstellungen des Betriebssystems auch als Head-Up-Nachricht bei entsperrtem Telefon sofort angezeigt. Weiterhin werden je nach Einstellungen Benachrichtigungen auch auf dem Lockscreen angezeigt, wobei diese dort – ebenfalls wieder abhängig von den gewählten Einstellungen – entweder vollständig mit Text oder als Vorschau mit App-Name, aber ohne weitere Hinweise auf den Inhalt angezeigt werden.  Definition: Push Notification  Bei einer Push Notification handelt es sich um eine Benachrichtigung auf dem Smartphone, die von einer App in der Oberfläche des Betriebssystems angezeigt wird. Die Nachricht wird dabei vom App-Publisher beziehungsweise über eine Software, die der App-Publisher zum Versenden von Push Notifications verwendet, angestoßen und – vereinfacht dargestellt – an Google beziehungsweise Apple übermittelt. Die Betriebssystemanbieter prüfen, ob der Nutzer (technisch) ein Opt-In erteilt hat und stellen die Push Notification bei Vorliegen eines Opt-Ins an den Nutzer zu. Darüber hinaus existiert auch die Möglichkeit, eine Notification als Local Notification zu versenden, wobei die Benachrichtigung unmittelbar aus der (installierten) App heraus angestoßen und dem Nutzer angezeigt wird. Bei dieser Variante muss das Device des Nutzers nicht mit dem Internet verbunden sein, da die Nachricht von der App auf dem Gerät selbst ausgelöst wird. Hinsichtlich der Gestaltung von Push Notifications gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, die insbesondere vom Betriebssystem beziehungsweise der Betriebssystemversion abhängen. Dazu gehören unter anderem Bilder, Buttons und Möglichkeiten, Nachrichten zu gruppieren (Wohllebe et al., 2021a). Ein einfaches Beispiel, welches schematisch einen Großteil der versendeten Push Notifications darstellt, findet sich in Abb. 5.7, angelehnt an Google (Google, 2023g): 1. Kleines Icon 2. Name der App 3. Vergangene Zeit seit Zustellung der Benachrichtigung, systemgeneriert, aber auch manuell setzbar oder deaktivierbar 4. Titel der Benachrichtigung 5. Text der Benachrichtigung In-App Messages Während Push Notifications (und auch Local Notifications) dem Nutzer in der Benachrichtigungsleiste angezeigt werden, erscheinen als In-App Message versendete Nachrichten lediglich in der App und werden dort zum Beispiel am oberen oder unteren Rand oder als Layer angezeigt. In-App Messages sind in der Gestaltung deutlich flexibler als Push Notifications.

312

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Abb. 5.7   Beispielhafte Darstellung einer Push Notification auf Android

1

2

3

Meine Wecker-App 3 h

4

Guten Morgen! Wecker um 07:30 Uhr. 5

Wird dem Nutzer bei nicht (im Vordergrund) geöffneter Nachricht eine In-App Message ausgesteuert, erhält der Nutzer hierüber keine Benachrichtigung. Um eine In-App Message zu sehen, muss der Nutzer die jeweilige App von sich aus öffnen. Da sie dem Nutzer nicht in der Benachrichtigungsleiste angezeigt werden, ist (technisch) kein Opt-In notwendig. Dadurch liegt die potenzielle Reichweite einer In-App Message bei 100 % der App-Installationen, während die Reichweite von Push Notifications auf jene Nutzer beschränkt ist, die auch ihr Opt-In zum Erhalt von Push Notifications erteilt haben. Auch, wenn In-App Messages mitunter als Fallback für Nutzer ohne Push Opt-In eingesetzt werden, sind die typischen Anwendungsfälle für In-App Message deutlich anders gelagert. In-App Messages eignen sich insbesondere, um in Echtzeit auf das Nutzungsverhalten des jeweiligen Nutzers zu reagieren und dieses Verhalten innerhalb der App und unmittelbar zu beeinflussen. Benachrichtigungscenter Sowohl Push Notifications als auch In.-App Messages verschwinden – im Gegensatz etwa zur E-Mail – nachdem der Nutzer die Nachricht entweder geöffnet (also angetippt) hat und auf dem Zielscreen gelandet ist oder die Nachricht weggewischt hat. Wertvolle Informationen wie etwa zum Status einer Bestellung oder ein im Rahmen einer Promotion übermittelter Gutscheincode sind also nicht wieder aufrufbar. Zunehmend gehen Apps deshalb dazu über, die erhaltenen Push Notifications und In-App Messages zusätzlich nutzerindividuell in einem Benachrichtigungscenter zu sammeln, um sie dauerhaft oder jedenfalls längerfristig dem Nutzer zugänglich zu machen. Ob dabei alle oder nur bestimmte Nachrichten im Benachrichtigungscenter für den späteren Zugriff gespeichert werden, ist eine fachliche, vom Einzelfall abhängige Entscheidung. Ob schließlich Push Notification, In-App Message oder Benachrichtigungscenter den „richtigen“ Weg darstellen, sollte weder eine dogmatisch noch eine opportunistisch zu beantwortende Frage sein. In manchen Anwendungsfällen mag die Bindung von AppNutzern gar aus der jeweiligen App herausgelöst auf einem anderen Kanal stattfinden, wie das „Wheel of Content“ für den kundenspezifischen Einsatz von Werbemitteln, angelehnt an Helmke et al., (2017, S. 55), zeigt (vgl. Abb. 5.8). Die Frage, auf welchem Kanal beziehungsweise mit welchem „Werbemittel“ die Nutzerbindung erreicht wird, ist dabei genau wie die Frage der Zielgruppe, des Inhalts und des Erfolgs abhängig von der zentralen Fragestellung des Ziels.

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

313

Kanal & Werbemittel Wie?

Zielgruppe Wer?

Ziele Wozu?

Erfolg Wie gut?

Inhalt / Produkt Was?

Abb. 5.8   Wheel of Content mit Fragestellungen für den kundenspezifischen Einsatz von Werbemitteln. (Angelehnt an Helmke et al., 2017, S. 55)

Insbesondere sollte der Werbemitteleinsatz kunden- beziehungsweise nutzerspezifisch sein. Was, wo und wie gut funktioniert, hängt im Einzelfall vom Nutzer, vom Inhalt, vom Kanal und von der konkreten Gestaltung des Werbemittels ab.

5.3.2 Opt-In, Opt-Out und Opt-Down Sowohl aus rechtlicher als auch aus technischer Sicht relevant ist im Kontext der Auseinandersetzung mit Push Notifications die Frage nach dem Opt-In, also der Einwilligung zum Erhalt von Benachrichtigungen, sowie dem im gleichen Atemzug zu nennenden Opt-Out. Auch die Möglichkeit des sogenannten Opt-Down, zu verstehen als nachträgliche inhaltliche Einschränkung eines Opt-In, findet in diesem Zusammenhang Erwähnung. Der Vollständigkeit halber sei zu Beginn des Kapitels darauf hingewiesen, dass die (rechtliche) Notwendigkeit des Einholens einer Einwilligung und die Ausgestaltung dieses Prozesses je nach Situation (und Rechtslage) vor dem Hintergrund gleich mehrerer rechtlicher Rahmenbedingungen zu diskutieren sind. Zusätzlich machen auch eine gewisse Dynamik in der Rechtsprechung und die immer wieder neuen Einzel- und Sonderfälle eine qualifizierte Rechtsberatung in diesem Zusammenhang unabdingbar, welche dieses Buch an keiner Stelle leisten kann und will. Grundlegend festgehalten sei, dass Werbetreibende für das Versenden von Push Notifications eine entsprechende Einwilligung einholen müssen, wie sie etwa im Fall des Versendens von Newslettern per E-Mail mit dem Double Opt-In-Verfahren eingeholt wird. Die Opt-In-Quote, also der Anteil der Nutzer, die dem Erhalt von Push Notifications zugestimmt haben, an allen Nutzern einer App liegt über alle Apps und Betriebssysteme bei etwa 60 % (MMA & MindTake, 2019). Die höchsten Quoten weisen dabei Messenger-, E-Mail- und Social Media-Apps auf, weil Nutzer in diesen Fällen besonders hohen Wert darauf legen, über Neuigkeiten aus der Apps – das heißt hier vor allem erhaltene Nachrichten und E-Mails – informiert zu werden (YouGov & MessengerPeople, 2018).

314

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Unterschiede zwischen Android und iOS Deutliche Unterschiede gibt es historisch zwischen den Opt-In-Quoten bei Android und bei iOS. Das Betriebssystem von Apple setzt praktisch seit jeher darauf, dass App-Nutzer dem Erhalt von Push Notifications zustimmen müssen. Dazu ruft die App häufig entweder beim ersten Start, im Rahmen eines Onboardings (Abschn. 5.2.2) oder zu einem kontextuell passenden Anlass die „requestAuthorization“-Methode der „UNUserNotificationCenter“-Klasse auf (Apple, 2023a). Daraufhin erscheint beim Nutzer eine Systembenachrichtigung, mit der er gebeten wird, dem Erhalt von Benachrichtigungen zuzustimmen (Abb. 5.9). Stimmt der Nutzer zu, ist der App-Publisher technisch in der Lage, dem Nutzer künftig Push Notifications zuzusenden. Lehnt der Nutzer ab oder verlässt das Dialogfeld auf eine andere Art, ohne zuzustimmen, kann der App-Publisher den Nutzer nicht per Push Notification erreichen. Anders als bei iOS spielte die Frage nach dem technischen Opt-In bei Android über viele Jahre keine Rolle. Statt die Nutzer um Erlaubnis fragen zu müssen, war die Standardeinstellung, dass App-Publisher all ihren Nutzern technisch Push Notifications senden konnten, sofern diese dies in den Einstellungen des Betriebssystems nicht deaktiviert hatten. Ob und inwiefern diese Opt-Out-Lösung dabei den rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht wurde, sei an dieser Stelle zumindest angezweifelt. Mit dem Release von Android 13 (API Level 33) setzt Android mittlerweile auf den gleichen Weg wie iOS. Um einem App-Nutzer (jedenfalls technisch) überhaupt Push Notifications senden zu können, muss zunächst systemseitig ein Dialogfeld aufgerufen werden, in dem der Nutzer dem Erhalt von Benachrichtigungen explizit zustimmen muss (Google, 2023i). Technische Fähigkeit und rechtliche Erlaubnis zum Versand von Push Benachrichtigungen Zu beachten ist, dass es sich dazu lediglich um eine „technische“ Schilderung handelt: Selbst, wenn der App-Publisher wollte, könnte er den App-Nutzer ohne Opt-In gar nicht per Push Notification erreichen. Übrigens wird die technische Erteilung des Opt-Ins durch die Systembenachrichtigung nicht notwendigerweise auch den rechtlichen Anforderungen gerecht. Legt man an das in Abb. 5.9 gezeigte Dialogfeld die

„SampleApp“ Would Like to Send You Notifications Notifications may include alerts, sounds, and icon badges. These can be configured in Settings. Don‘t Allow

Allow

Abb. 5.9   Systembenachrichtigung auf iOS zur Erteilung der Permission zum Erhalt von Push Notifications

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

315

gleichen Maßstäbe an, wie sich etwa im E-Mail-Marketing beim Newsletterversand gelten, stellt sich unter anderem die Frage, inwiefern das Dialogfeld hinreichend ausführt, wie das Opt-In wieder entzogen werden kann oder inwiefern das Dialogfeld nicht auch auf die Datenschutzbestimmungen hinweisen und diese gar verlinken muss. Grundsätzliche Hinweise zur Steigerung der Opt-In-Quote Obwohl der Systemdialog weder im Fall von iOS, noch im Fall von Android Anpassungen zulässt, gibt es Möglichkeiten, die Opt-In-Quote zu steigern. Wesentlich ist dabei zum einen die Frage, wann der Dialog aufgerufen wird, und zum anderen, in welchem Kontext dies geschieht. Die Android Developer-Dokumentation legt nahe, die Abfrage des Opt-Ins nicht unmittelbar nach dem ersten App-Start vorzunehmen, sondern dem Nutzer zunächst Zeit zu geben, sich mit der App vertraut zu machen (Google, 2023i): “Before you ask users to grant any permissions, let them familiarize themselves with your app. New users may want to explore the app and realize first-hand the benefits of each individual notification request.”

Wann der Systemdialog zur Einholung der Permission aufgerufen wird, kann dabei auch vom individuellen Nutzerverhalten abhängig gemacht werden. Insbesondere sollte sich dem Nutzer im Moment der Abfrage aus der Situation heraus erschließen, dass der Erhalt von Push Benachrichtigungen sinnvoll wäre. In der Android Developer-Dokumentation werden dazu drei einfache Beispiele genannt: „1. The user taps an ‚alert bell‘ button. 2. The user chooses to follow someone's social media account. 3. The user submits an order for food delivery.“

Weiterhin ist es möglich (und empfehlenswert), vor dem Aufruf des Systemdialogs innerhalb der App auf einem oder mehreren Screens auf die Vorteile von Push Notifications im Kontext der spezifischen App hinzuweisen. Die folgende Liste skizziert dazu einige Beispiele: • Für eine News-App: „Breaking News immer direkt auf dein Handy – jetzt Push aktivieren!“ • Für eine Gaming-App: „Lass dich per Push benachrichtigen, wenn dein Charakter wieder fit ist!“ • Für eine Shopping-App: „Die aktuellen Angebote und die neuesten Produkte einfach immer sofort per Push-Benachrichtigung!“ • Für eine Social Media-App: „Was ist los im Freundeskreis? Jetzt Push aktivieren und kein Update mehr verpassen!“

316

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Diavet (2021a) vom Mobile Engagement Provider Airship gibt weiterhin folgende Tipps für höhere Opt-In-Quoten: • Klarer Nutzen der App, der die Zustimmung zum Erhalt von Push Notifications plausibel erscheinen lässt • Steuerung der Erwartungshaltung an die Inhalte und die Versandhäufigkeit der Notifications • Frage nach dem Opt-In in einem passenden Moment • Einfache Möglichkeiten, Benachrichtigungen ein- und auszuschalten oder auf bestimmten Themen einzuschränken Da Nutzer ihr Opt-In zum Erhalt von Push Notifications jederzeit – und damit häufig endgültig – entziehen können, ist es unbedingt zu empfehlen, die Benachrichtigungen entsprechend der bei Einholung des Opt-Ins angekündigten inhaltlichen Ausrichtung und der Versandfrequenz zu versenden. Mitunter wählen Nutzer ansonsten, mutmaßlich auch aus Unkenntnis über die Möglichkeit des Opt-Outs, den Weg der Deinstallation. Inhaltliche Einschränkungen durch Preference Center und Opt-Down Entsprechend den Hinweisen von Diavet (2021a) stellt das sogenannte Opt-Down eine gangbare Möglichkeit dar, Nutzer vom Werbedruck durch Push Notifications einer App zu entlasten, indem die Nutzer explizite Angaben dazu machen, zu welchen Themen und/oder wie häufig sie Benachrichtigungen erhalten möchten. Über ein Preference Center wählen die Nutzer die Themen aus, für die sie sich interessieren, oder legen fest, wie viele Nachrichten sie in einem bestimmten Zeitraum (zum Beispiel pro Tag oder pro Woche) erhalten möchten. Während beim Opt-In beziehungsweise Opt-Out der Erhalt von Push Notifications (neben der rechtlichen Perspektive) technisch durch Apple beziehungsweise Google geregelt wird, handelt es sich beim Opt-Down um eine inhaltliche Einschränkung, deren Einhaltung eigenverantwortlich beim App-Publisher liegt. Bietet eine Nachrichten-App an, über ein Preference Center Push Notifications zum Thema „Politik“ und zum Thema „Wirtschaft“ separat zu abonnieren beziehungsweise abzubestellen, bleibt die Möglichkeit, einem Nutzer Politiknachrichten zu senden, obwohl dieser nur Wirtschaftsnachrichten erhalten möchte, jedenfalls technisch erhalten. Vor diesem Hintergrund zu beachten ist, dass ein Opt-Down, im Folgenden verstanden als eine Beschränkung der Versandfrequenz, durchaus eine rechtliche Bindung hat, auch, wenn die Angabe, Benachrichtigungen nur noch einmal pro Woche erhalten zu wollen, technisch weiterhin erlaubt, deutlich häufiger Nachrichten zu versenden. Bahr (2023) schreibt dazu im Kontext des Versands von Werbung per Mail mit Verweis auf das KG Berlin, Urteil vom 22.11.2022 (Az.: 5 U 1043/20): „Eine unerlaubte E-Mail-Werbung ist trotz Einwilligung auch dann gegeben, wenn der Newsletter in kürzerer Frequenz (anstatt 1x wöchentlich mehrfach) verschickt wird.“

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

317

Mit den sogenannten „Notification Channels“ bietet Android bereits seit der Version 8.0 eine Funktion, mit der App-Publisher ihre Push Notifications thematisch clustern können, um Nutzern so eine Option zu bieten, Notifications zu einzelnen Themen gezielt zu abonnieren oder abzubestellen (Google, 2023j). Wohl auch aufgrund der betriebssystemabhängigen Umsetzung (Android versus iOS) scheinen Custom Preference Center, also Preference Center, die App-Publisher selbst entwickeln, in der Praxis eine höhere Relevanz zu haben. Egal, ob als selbst entwickelte Lösung oder auf Basis der von den Betriebssystemen angebotenen Funktionen: Je häufiger Nutzer einer App potenziell Benachrichtigungen dieser App erhalten können, desto sinnvoller ist es für App-Publisher, ein Preference Center mit umfangreichen Möglichkeiten zur individuellen Einstellung von Präferenzen hinsichtlich Themen und Frequenz gut sichtbar anzubieten. Die Alternative zum Preference Center ist gerade für weniger Smartphone- und App-affine Nutzer nicht etwa das komplette Opt-Out von Push Notifications der jeweiligen App, sondern – mangels Kenntnis über die Möglichkeit zur Deaktivierung der Benachrichtigungen in den Systemeinstellungen – die Deinstallation der App.

5.3.3 Konzeptionelle Überlegungen – Inhalte, Gestaltung & Linkziele Um Push Notifications effektiv zur Nutzerbindung einzusetzen, bedarf es verschiedener konzeptioneller Überlegungen, zu denen dieses und die folgenden Kapitel einen Beitrag leisten sollen. Zunächst soll es dabei um die Inhalte und die Gestaltung der Benachrichtigungen gehen. Einige grundlegende Hinweise zu den Linkzielen runden dieses erste Kapitel zu den konzeptionellen Überlegungen ab. Inhalte: Zwischen Information und Werbung Mit Blick auf die Inhalte gilt für Push Notifications im Wesentlichen das, was auch bereits im Kontext inhaltlichen Ansätze der App-Vermarktung (Abschn. 4.3) bei den Contentbezogenen Vermarktungsansätzen (Abschn. 4.3.2) sowie im Kontext der Ansätze und Methoden zur Steigerung des Engagements der App-Nutzer (Abschn. 5.2) im Kapitel „Aktueller Content“ (Abschn. 5.2.3) beschrieben wurde: Inhalte müssen für den individuellen App-Nutzer relevant sein, wobei diese Relevanz auf unterschiedliche Weise hergestellt werden kann und gleichzeitig nicht alle Inhalte für alle Nutzer überhaupt relevant sein können (vgl. Segmentierung & Personalisierung, Abschn. 5.3.5). Neuigkeiten im weitesten Sinne sowie monetäre Vorteile, jeweils gepaart mit der Berücksichtigung individueller Nutzerpräferenzen, bilden sicherlich die gängigsten Möglichkeiten, die Relevanz von Inhalten sicherzustellen. Die Auslobung etwa von Rabatten und (bestenfalls individuellen) Gutscheinen gehören dabei wohl zu den gängigsten Varianten, monetäre Vorteile zu gewähren (Adler & Wohllebe, 2020; Rigollet & Kumlin, 2015).

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5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Weiterhin kann es sinnvoll sein, seine per Push versendeten Inhalte zur eigenen Kalibrierung in eher informative und eher werbliche Inhalte zu unterteilen, wobei werbliche Inhalte den App-Nutzer in der Regel unmittelbar zu einem Kauf anregen wollen, während informative Inhalte neutral über einen Zustand berichten. Dabei ist davon auszugehen, dass, hier skizziert am Beispiel einer Shopping-App, die Nachricht, dass aktuell 10 % Rabatt auf Schuhe gewährt werden, eher als störend empfunden wird als die Benachrichtigung, dass die kürzliche getätigte Bestellung nun versendet wurde. Die sich daraus ableitende Angst, die Nutzer zu stören, darf freilich nicht dazu führen aus lauter Angst vor einer Deinstallation überhaupt keine Werbung mehr zu versenden. Vielmehr ist es die Einladung zur selbstkritischen Reflexion, ob 10 % Rabatt auf Schuhe tatsächlich für alle Nutzer relevant sind oder ob es sich zwar um ein gutes Angebot handelt, dieses aber lieber entsprechend den persönlichen Neigungen der einzelnen Nutzer auch individuell ausgesteuert werden sollte – etwa als Folge einer Segmentierungsstrategie auf Basis von Sortimentsinteressen. Gestaltungselemente: Titel, Texte, Bilder, Buttons und mehr Grundsätzlich hat neben dem eigentlichen Inhalt einer Nachricht auch dessen optische Aufbereitung einen wichtigen Einfluss auf die Werbewirkung (Lothia et al., 2003). Welche Möglichkeiten zur Einbindung von Gestaltungselementen überhaupt existieren, hängt immer vom Betriebssystem des jeweiligen Nutzers statt, zumal sich die Möglichkeiten diesbezüglich mit potenziell jeder neuen Betriebssystemversion wandeln. Angelehnt an das in Abb. 5.7 schematische Abbild einer Push Notification auf Android stehen jedoch auf praktisch allen Betriebssystemen (Android und iOS) und in praktisch allen derzeit relevanten Versionen im Wesentlichen neben dem eigentlichen Text der Notification unter anderem eine Zeile für den Titel, die Möglichkeit zur Einbindung von Bildern und Buttons sowie die Nutzung von Emojis zur Verfügung. Unmittelbar aus der Praxis für die Mobile-Engagement-Plattform Airship rät Diavet (2021b) in einem Blogpost, Push Notifications als „Rich“ zu versenden, also mit zusätzlichen Gestaltungselementen neben dem eigentlichen Text: „Rich-Push-Benachrichtigungen nutzen die Kraft von Bildern, GIFs, Videos und Audio, um App-Nutzer zu engagieren. Airship-Daten zeigen, dass Rich Notifications mit Bildern eine 56 % höhere direkte Öffnungsrate aufweisen.“

Diese Ergebnisse widersprechen einer Forschungsarbeit bezüglich des Einflusses von Titeln, Buttons und Bildern auf die Öffnungsrate von Push Notifications. Demnach erhöht lediglich die Verwendung eines Titels im Zuge einer Push Notification die Öffnungsrate signifikant, während für Buttons und Bilder jedenfalls kein signifikant positiver Einfluss nachgewiesen werden kann (Wohllebe et al., 2021a). Die wissenschaftlich dokumentierten Erkenntnisse im Bereich der Push Notifications beschränken sich auf nur wenige Arbeiten, weshalb auch Erkenntnisse anderer Kanäle herangezogen werden können, um diese auf Push Notifications zu übertragen:

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

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Im Kontext von Newslettern per E-Mail ist die Informationsdichte in der Betreffzeile ein wichtiger Treiber der Interaktionsraten (Brenner et al., 2020). Diese Erkenntnisse gelten auch für die Informationsdichte in der Bannerwerbung (Atkinson et al., 2014; Robinson et al., 2007). Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Informationsdichte bei Push Notifications ebenfalls ein wichtiger Faktor sein dürfte, der auf die Interaktionswahrscheinlichkeit wirkt. Auch die Erkenntnis, dass die Nennung von Emotionen in der Betreffzeile einer E-Mail positiv auf die Öffnungsrate wirkt, dürfte sich auf Push Notifications übertragen lassen (Stupar-Rutenfrans et al., 2019). Die Länge der Betreffzeile ist in der Literatur umstritten, wobei verschiedene Arbeiten bezüglich des Einflusses auf die Interaktionsraten zu unterschiedlichen Erkenntnissen kommen, sodass sich auch für Push Notifications eine pauschale Ableitung kaum treffen lassen dürfte (Brenner et al., 2020; O’Connell, 2008; Stupar-Rutenfrans et al., 2019). Hinsichtlich der Verwendung von Emojis erhöhen diese bei hedonischen Produkten die Kaufintentionen (Das et al., 2019). Auch bei gegenwartsorientierten Menschen führen Emojis im Kontext von Social Media zu höheren Kaufintentionen (Huang et al., 2021). Auch haben Emojis vor allem dann einen positiven Effekt auf die Werbewirkung, wenn die Zielgruppe eher jünger ist beziehungsweise aus Menschen besteht, die selbst ebenfalls Emojis nutzen. Dabei sollte die Verwendung stets auch zum jeweiligen Kontext – zur App, zum Nutzer und zur Nachricht – passen (Cavalheiro et al., 2022). Linkziele: Startscreen, Deeplinks und Website-Verlinkungen Wird eine Push Notification versendet, muss vom App-Publisher definiert werden, was passieren soll, wenn der Nutzer auf die Benachrichtigung tippt. Grundsätzlich denkbar sind dabei drei Szenarien, wobei das einfachste auch gleichzeitig das am seltensten verwendete Szenario sein dürfte: Wird eine Push Notification angetippt, soll schlicht nichts passieren. Die Notification verschwindet. Das gängigste Szenario dagegen dürfte sein, dass sich hinter der Notification ein Link verbirgt, der mit Antippen der Benachrichtigung geöffnet werden soll. In der Folge gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten. Im einfachsten Fall wird die App einfach mit ihrem Startscreen geöffnet. Alternativ kann die App auch auf einem spezifischen Screen und auch mit dynamischen Inhalten geöffnet werden, wobei zu beachten ist, dass es entsprechende Deeplinks in der App hinterlegt beziehungsweise die Fähigkeit zur Verarbeitung mitgegebener Parameter gegebenenfalls erst in der Entwicklung hergestellt sein muss. Auch kann eine App eine Website als Webview öffnen, was gegebenenfalls abermals Anpassungen durch die Entwicklung erfordert. Weiterhin besteht die Möglichkeit, über eine Push Notification einen Link im Standardbrowser des Betriebssystems zu öffnen, wobei dieser Link nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit der App stehen muss, die den Link versendet. Schließlich sei noch auf die Möglichkeit hingewiesen, direkte Nutzerinteraktionen mit der Notification selbst zuzulassen. Hierbei kommen insbesondere Buttons zum Einsatz, die zum Beispiel dieselbe Push Notification später nochmal zuschicken („Erneut erinnern“) oder die schnelle Aktivierung einer Funktion ermöglichen („Stamina-Modus

320

5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

aktivieren“ bei niedrigem Akkustand oder „weniger davon“, um Nachrichten von Google News zu bestimmten Themen zu steuern). Ebenfalls denkbar als Form der Interaktion mit einem Push Notifications ist die Funktion, wie sie viele Messaging-Apps mittlerweile mitbringen, wobei ein Antworttext auf eine erhaltene Nachricht direkt in der Benachrichtigung formuliert und abgesendet werden kann. In allen Fällen gilt, dass das Linkziel so präzise wie möglich zur versendeten Push Notification passen sollte, um die (mit der Push Notifications selbst geschürten) Nutzererwartungen bestmöglich zu erfüllen. Ferner gilt, dass viele Nutzer überrascht bis verunsichert sein dürften, wenn die Notification einer App beim Antippen nicht die App, sondern gar die Website eines Dritten öffnet.

5.3.4 Konzeptionelle Überlegungen – Versandzeitpunkt & Frequenz Zwei der in der Praxis vielleicht am häufigsten diskutierten Fragen im Kontext des Versands von Push Notifications sind die nach dem perfekten Versandzeitpunkt und die nach der idealen (das heißt in der Regel dem Nutzer maximal zumutbaren) Frequenz, also der Versandhäufigkeit. Der ideale Versandzeitpunkt Die Frage nach dem idealen Versandzeitpunkt einer Push Notifications ist, jedenfalls im Sinne eines definierten Wochentages oder einer definierten Tages- oder Uhrzeit, nicht zu beantworten. Wissenschaftliche Erkenntnisse mit konkretem Bezug auf Push Notifications gibt es dazu praktisch keine. Vielmehr betonen Ahrholdt et al., (2019, S. 289 f.) im Fall von E-Mail-Marketing, dass der ideale Versandzeitpunkt von einer Vielzahl von Faktoren abhängt und nicht nur unternehmens- und appspezifisch, sondern insbesondere auch kontextuell bedingt und nutzerindividuell sein kann (Lachner et al., 2017; Mehrotra et al., 2016; Wohllebe, 2020). Neben einer algorithmischen Lösung, die den optimalen Versandzeitpunkt – auf Basis welcher Variablen auch immer – nutzerindividuell berechnet, wäre denkbar, den Nutzern eine Möglichkeit zu geben, den gewünschten Zeitpunkt zum Erhalt von Benachrichtigungen selbst zu einzustellen. Insbesondere bei Apps, die regelmäßig an eine bestimmte Aufgabe erinnern, etwa die Einnahme von Medikamenten, das Messen des Blutdrucks oder das Protokollieren des verzehrten Essens, bietet sich eine solche Lösung an, um den Gewohnheiten der Nutzer – Aufwach-, Schlafens- und Esszeiten etwa – Rechnung zu tragen. Versucht ein App-Publisher – zumeist aufgrund technischer Restriktionen oder organisatorischer Gegebenheiten – für jede Push Notification genau einen Versandzeitpunkt festzulegen (also keine nutzerindividuelle Lösung umzusetzen), braucht es hierfür entweder eine pauschale (häufig heuristisch hergeleitete) Lösung oder eine Reihe von Experimenten, die Klickraten (und nachgelagertes Nutzerverhalten) in Abhängigkeit

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von Wochentag und Uhrzeit analysieren, gleichzeitig jedoch den Nachrichteninhalt als „Störfaktor“ eliminieren und so einen „optimalen“ Zeitpunkt finden (ohne dabei jedoch den Abnutzungseffekt – von Ahrholdt et al., (2019, S. 289 f.) als „Wear-Out-Effekt“ bezeichnet – berücksichtigen zu können). Die optimale Frequenz Ähnlich wie die Frage nach dem Versandzeitpunkt ist auch die Frage nach der optimalen Versandfrequenz kaum pauschal zu beantworten. Grundlegend ist hier zunächst festzustellen, dass jede Benachrichtigung – egal, ob per Push Notification oder in irgendeiner anderen Art von digitalem Interface – eine Störung beziehungsweise Unterbrechung des Nutzers darstellen kann (Adamczyk & Bailey, 2004; Fischer et al., 2010; Iqbal & Horvitz, 2007; Okoshi et al., 2015; Wohllebe et al., 2021b; Wohllebe & Blaschke, 2022). Die Frage der optimalen Versandfrequenz ist deshalb – etwas vereinfacht ausgedrückt – weniger einer Frage des tatsächlichen Optimums, sondern vielmehr des Maximums. Die von Nutzern tolerierte Versandfrequenz hängt neben den individuellen Nutzerpräferenzen insbesondere von der Relevanz des Nachrichteninhalts ab (Bidargaddi et al., 2018; Wang et al., 2014; Wohllebe, 2020). Eng daran gekoppelt ist der Zweck der jeweiligen App und die damit verbundene Erwartungshaltung des Nutzers. Bittet eine App um die Zustimmung zum Versand von Push Notifications, um den Nutzer täglich zu den Hauptmahlzeiten daran zu erinnern, das zu sich genommene Essen zu dokumentierten, dürfte die tolerierte Frequenz bei etwa drei Nachrichten pro Tag liegen. Würde eine Shopping-App dagegen mit drei Nachrichten pro Tag auf die aktuellen Angebote aufmerksam machen, dürfte dies als zu viel empfunden werden und rasch zu einer Deinstallation der App führen. Ähnlich wie beim Versandzeitpunkt finden sich auch bezüglich der Versandfrequenz im Kontext von Push Notifications kaum wissenschaftliche Untersuchungen, die empirische Anhaltspunkte geben, wie sich die Versandfrequenz auf das Nutzerverhalten auswirkt. Einige Hinweise aus der Forschung finden sich in angrenzenden Bereichen wie dem Versand von SMS. Barwise und Strong (2002) etwa finden heraus, dass eine Menge von drei SMS pro Tag (!) zu einer optimalen Nutzerakzeptanz führen, ohne, dass dabei ein Wear-Out-Effekt eintritt, also die Wirkung der Werbung im Zeitverlauf abnehmen würde (Ahrholdt et al., 2019, S. 302). Haghirian et al. (2005) jedoch können zeigen, dass der vom Nutzer wahrgenommene Wert einer einzelnen SMS abnimmt, je mehr Nachrichten ein Advertiser versendet. Die zuvor genannten Erkenntnisse aus dem Bereich der SMS können in der Forschung 2021 auch in einem wissenschaftlichen Aufsatz zu Push Notifications im Kontext einer Shopping-App bestätigt werden. Die Arbeit vergleicht im Rahmen eines Experiments unter anderem die Deinstallationsrate und die Klickrate von Push Notifications für fünf Nutzergruppen, die über einen Zeitraum von sieben Wochen Push Notifications mit unterschiedlicher Frequenz erhalten. Die Daten für die fünf Gruppen sind in Tab. 5.2 zusammengefasst.

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5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

Tab. 5.2  Effekt unterschiedlich Versandfrequenzen auf Deinstallations- und Klickrate (Wohllebe et al., 2021b) # Gruppe

Nachrichten pro Woche

Deinstallationsrate

Klickrate (erste Nachricht)

Klickrate (letzte Nachricht)

1

Zwei pro Woche

6,46 %

13,66 %

10,93 %

2

Eine pro Woche

5,09 %

13,69 %

11,74 %

3

Eine alle zwei Wochen

3,17 %

13,71 %

12,84 %

4

Eine pro Monat

2,54 %

14,14 %

13,49 %

5

Keine

1,37 %

14,29 %

15,35 %

Lesebeispiele: „Von den Nutzern, die zwei Nachrichten pro Woche erhalten haben, haben 6,46 % die App am Ende des Experimentzeitraums deinstalliert.“, „Die Klickrate der Nutzer, die zwei Nachrichten pro Woche erhalten haben, betrug bei der ersten Nachricht im Experimentzeitraum 13,66 % und bei der letzten Nachricht im Experimentzeitraum 10,93 %“

Im Ergebnis zeigen die Daten einerseits, dass mit der Anzahl der Nachrichten pro Woche – und damit mit steigender Frequenz – auch die Deinstallationsrate während des Experimentzeitraums zunimmt. Gleichzeitig zeigt ein Vergleich die Klickrate der ersten und der letzten Nachricht während des Experimentzeitraums, dass die Klickrate mit steigender Frequenz sinkt und ohne versendete Nachricht im Experimentzeitraum sogar steigt. Die Daten sind insofern bemerkenswert, als dass sie die erste wissenschaftlich dokumentierte Quantifizierung des Einflusses der Frequenz im Kontext von Push Notifications darstellen. Gleichzeitig erlauben die Daten in dem experimentellen Setup keine Aussage darüber, wie sich etwa die nutzerindividuell wahrgenommene Relevanz der Nachrichten auswirkt. Die Studie betont dazu, dass die Relevanz der Schlüssel bei der Frage der Wahrnehmung von Push Notifications sei und die tatsächlich tolerierte Frequenz der Nutzer auch vom jeweiligen Szenario abhänge. Weiterhin darf je nach App bezweifelt werden, welchen Wert die App-Nutzer aus Sicht des Publishers haben, wenn sie mit der per Push versendeten Werbung nicht interagieren (Wohllebe et al., 2021b). Eine pauschale Aussage zur optimalen Frequenz kann insofern nicht getroffen werden. Vielmehr ist, ähnlich wie zuvor beim Versandzeitpunkt, das Durchführen eigener Experimente anzuraten, um sich einer passenden Frequenz anzunähern (Wohllebe & Blaschke, 2022). Eine probate Alternative zu einer vom App-Publisher einheitlich festgelegten Frequenz im Sinne eines Frequency Caps stellt das Angebot an die Nutzer dar, eine gewünschte maximal Anzahl an Nachrichten in einem definierten Zeitraum individuell einzustellen. Eine solche Festlegung kann dabei entweder numerisch erfolgen oder mittelbar über inhaltliche Präferenzen festgelegt werden.

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

323

Beispiel: Frequenz von Benachrichtigungen umfassend selbst festlegen bei „Die Stämme“

Mit mehr als einer Millionen Downloads und 4,1 Sternen bei rund 120.000 Bewertungen gehört die App „Die Stämme“ von InnoGames (2023) zu den wahrscheinlich erfolgreichsten Beispielen für die gelungene Transformation eines Browsergames zu einem App-basierten Spiel. Da es sich um ein Strategie- und Aufbauspiel im Multiplayer handelt, bei dem mehrere Spieler in einer gemeinsamen Welt eigene Dörfer aufbauen und sich bekämpfen, bietet das Spiel zahlreiche Anlässe, zu denen sich der Nutzer per Push Notification informieren lassen könnte. Um einer als zu hoch wahrgenommenen Nachrichtenfrequenz vorzubeugen, können Nutzer die Frequenz der Nachrichten selbst einstellen: • Ein Nutzer kann Push Notifications bis zum nächsten Login deaktivieren („Schicke mir keine weiteren Push-Benachrichtigungen, bis ich mich wieder im Spiel angemeldet habe.“). • Ein Nutzer kann Push Notifications so lange deaktivieren, bis er eine selbst definierte Zeit nicht aktiv war („Sende mir keine Push-Benachrichtigungen, wenn ich in den letzten [x] Minuten aktiv war“). • Ein Nutzer kann Push Notifications zu gleichen Vorgängen auf eine definierte Anzahl pro Zeiteinheit begrenzen („Sende mir Push-Benachrichtigungen zu den gleichen Vorgängen nicht häufiger als alle [x] Minuten.“). • Ein Nutzer kann den Benachrichtigungston ein- oder ausschalten („Spiele einen Klang, wenn ich eine Push-Benachrichtigung erhalten“.). Durch diese einfachen Möglichkeiten haben Die Stämme-Spieler gleich mehrere Möglichkeiten, die für sie individuell angemessene Frequenz von Push Notifications selbst festzulegen. ◄ Mit flightradar24 findet sich in Abschn. 5.3.5 ein weiteres Beispiel, wie Nutzer inhaltliche Präferenzen festlegen können.

5.3.5 Konzeptionelle Überlegungen – Segmentierung & Personalisierung Einer der grundlegenden Gedanken des (digitalen) Dialogmarketings besteht darin, dass alle Menschen in ihren jeweils individuellen Situationen unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen haben und entsprechend individuell angesprochen werden sollten. Dieses Kapitel diskutiert die daraus abgeleiteten Ideen der Segmentierung und der Personalisierung, wobei diese und daran angelehnte Begriffe wie das Targeting und das MicroTargeting oder die Hyperpersonalisierung teilweise nicht trennscharf verwendet werden.

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 Abgrenzung: Segmentierung und Personalisierung  Unter dem Begriff der Segmentierung kann verstanden werden, wer eine Nachricht erhalten soll, während der Begriff der Personalisierung danach fragt, wie personenspezifische Informationen zur individuellen Anpassung einer Nachricht genutzt werden. Das Kapitel zeigt zunächst ein einfaches Modell zur Einordnung der eigenen Kommunikation im Sinne eines Reifegrades, geht anschließend nochmal auf die bereits in Abschn. 4.2 aufgeführten Arten von Daten zur Zielgruppendefinition (Abb. 4.4) ein und überträgt diese auf die Segmentierung und Personalisierung im Kontext von Push Notifications. Zusätzlich wird das Werbereaktionsportfolio nach Helmke et al. (2017, S. 57) als weitere Möglichkeit zur Nutzersegmentierung und zur Erfolgsmessung diskutiert. Das Kapitel schließt mit Überlegungen zum Spannungsfeld von Personalisierung und Privatsphäre. Reifegradmodell zur Einordnung der eigenen Kommunikation Obwohl insbesondere der Begriff der Personalisierung mitunter inflationär und als Idealzustand des digitalen Marketings verwendet wird, ist das zugrunde liegende Begriffsverständnis bisweilen sehr unterschiedlich. In ihrer einfachsten Form meint die Personalisierung mitunter schlicht die Verwendung des Namens eines Kunden in der Anrede. Die höchste Form der Personalisierung meint dagegen häufig die Verwendung aller, über mehrere Kanäle gewonnenen Daten zur umfassenden Aussteuerung von nutzerindividuellen Inhalten, das heißt auf komplexen Berechnungen beruhend und über alle verfügbaren Kanäle koordiniert. Beispiel: Einfache Personalisierung durch Einbindung des Vornamens bei McDonald’s

Ein Beispiel für eine einfache Form der Personalisierung von Push Notifications liefert die App des Fastfood-Kette McDonald’s. In einer Benachrichtigung wünscht das Unternehmen alles Gute zum „Pommes Day“ und bietet einen (zum Anlass passenden) Coupon an: „Happy Pommes Day, [Vorname]! Mit deinem App-Coupon sicherst du dir beim Kauf eines Hamburgers, Cheese- oder Chickenburgers eine kleine Pommes gratis. […]“

Ob die Einbindung des Vornamens im konkreten Fall tatsächlich eine Auswirkung auf die Performance der Nachricht hat, lässt sich nicht beurteilen. Wohl aber wirkt die Nachricht, die dem Nutzer zum Pommes Day gratuliert, durch die Einbindung des Vornamens sicherlich authentischer. Die App von McDonald’s Deutschland (2023) kommt bei Google Play auf über zehn Millionen Downloads und 4,0 Sterne bei über 260.000 Rezensionen. ◄

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

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All-Kanal Marketing-Kundenerlebnis • Umfassender 360-Grad-Blick auf den Kunden • Granulare Personalisierung auf allen Kanälen • Integration der Daten aller Kanäle zur Schaffung einer gemeinsamen Datenbasis • Umfassende Nutzung von Verhaltensprognosen • Fähigkeit zur Echtzeit-Reaktion auf Kundeninteraktionen

Reifegrad

Kanalübergreifendes Marketing-Kundenerlebnis • Personalisierung als ein übergeordnetes Unternehmensziel • Integrative Verknüpfung der Kanäle mit gemeinsamer Datenbasis • Fähigkeit zur leicht zeitversetzten Reaktion auf Kundenverhalten • Personalisierung über mehrere Kanäle hinweg • Analyse von Transaktions- und Stammdaten zur Verhaltensprognose Mehrkanal-gestütztes Marketing-Kundenerlebnis • Personalisierung als ein strategisches Marketingziel • Praktisch vollautomatische Datenverarbeitung • Parallele, nicht integrierte Personalisierung auf mehreren Kanälen • Stark zeitversetzte Reaktion auf Kundenverhalten Segmentiertes Marketing-Kundenerlebnis • Fachbereichsbezogene Personalisierungsstrategie • Mehr oder minder halbautomatische Datenverarbeitung • Segment-spezifische, statische Personalisierung • Umsetzung der Personalisierung auf nur einem Kanal Einheitliches Marketing-Kundenerlebnis • Keine Personalisierung • Manuelle Steuerung der Kundeninteraktion • Saisonal-kalendarisch getriebene Marketingmaßnahmen • Keine Analyse der Kundendaten

Abb. 5.10   Reifegradmodell zur Bewertung der Personalisierung in der (digitalen) Marketingkommunikation. (Eigene Darstellung; angelehnt an das Reifegradmodell zur Personalisierung im E-Commerce von Schieder & Blaser, 2017)

Angelehnt an das für den E-Commerce entwickelten „Personalization Maturity Model“ von Schieder und Blaser (2017) beschreibt das Reifegradmodell in Abb. 5.10 fünf Stufen der Personalisierung für das Marketing. Das Modell kann dabei einerseits dazu dienen, die eigenen Aktivitäten besser einordnen und sich mit anderen Unternehmen vergleichen zu können. Andererseits liefert das Reifegradmodell (auf relativ großer Flughöhe) Anhaltspunkte für nächste Entwicklungsschritte. Entscheidend für den Auf- und Ausbau der Personalisierung von Push Notifications ist dabei nicht (primär) die Vernetzung mehrerer (anderer) Kanäle, sondern vielmehr das Gewinnen und Verarbeiten von Datenpunkten, die eine – zunächst – pragmatische Personalisierung erlauben. Ebenso, wie die Einbindung des Namens eines Nutzers in die Marketingkommunikation mitunter überhöhte Erwartungen hinsichtlich des Effekts aus-

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5  App-CRM: Bestehende Nutzer aktivieren und langfristig binden

löst, ist auch die überhöhte Akademisierung eines Personalisierungsvorhabens problematisch. Primäres Ziel der Personalisierung sollte es nicht sein, mit einem um der Personalisierung Willen geschaffenen Feature ein „perfektes“ Ergebnis zu erzielen, sondern Features und Kommunikation durch einfache Logiken relevanter für den einzelnen Nutzer zu machen. Entscheidend ist dabei die Gewinnung (und im weiteren Verlauf die Nutzung) relevanter Daten zur Segmentierung und Personalisierung, wobei hierzu auf die besonderen Chancen im Kontext von Smartphones und der darin verbauten Sensoren hinzuweisen ist (vgl. Abschn. 5.3.6). Daten zur Segmentierung und Personalisierung Bereits in Abb. 4.4 in Abschn. 4.2 wurden verschiedene Merkmale auf Geografie, Demographie, Verhalten und Psychographie eingeführt, um die Möglichkeiten der Zielgruppendefinition zu verdeutlichen. Ähnlich lassen sich diese Daten auch nutzen, um die Kommunikation über Push Notifications segmentiert auszusteuern beziehungsweise die Inhalte zu personalisieren. Während die Personalisierung auf Basis demographischer Daten mitunter in schlichten und bisweilen unzutreffenden Logiken gedacht wird (Frauen erhalten Angebote für Fashion und Haushalt, Männer für Elektronik und Baumarkt), bietet insbesondere die Nutzung einer App vielfältige Anhaltspunkte zur Personalisierung der Benachrichtigungen. Konkrete Ansätze zur Segmentierung und Personalisierung Bei der Implementierung erster Ansätze zur Segmentierung und Personalisierung von Push Notifications sind sowohl ein Use Case-getriebenes Vorgehen als auch ein opportunistischer Ansatz denkbar. Beim Use Case-getriebenen Vorgehen steht an erster Stelle die Frage nach dem Ziel, woran sich die Frage anschließt, was, das heißt insbesondere welche Daten, zum Erreichen dieses Ziels notwendig ist. Der opportunistische Ansatz dagegen fragt zunächst nach den bereits zur Verfügung stehenden Daten beziehungsweise nach den möglichst einfach zu beschaffendenden Daten und stellt anschließend die Frage, wie sich diese für Segmentierung und Personalisierung nutzen lassen. In jedem Fall besteht die grundlegende Herausforderung darin, die richtigen Daten in der richtigen Qualität und im richtigen System zur Verfügung zu stellen. Dazu müssen Daten mitunter noch transformiert und/oder in andere Systeme geladen werden, zum Beispiel in eine Mobile Engagement Platform wie Airship oder Braze. Auch die Frage nach möglicherweise notwendigen Berechnungen, etwa zur Überführung einer Sammlung vom Klicks eines Nutzers in ein Präferenzprofil, muss beachtet werden. Sicherlich zu bevorzugen ist mit Blick auf die Anforderungen an die Geschwindigkeit der opportunistische Ansatz: Entscheidend ist es, nicht zu viel Zeit in theoretische Überlegungen zu möglichen Szenarien zu investieren, sondern pragmatisch mit einfachen Maßnahmen zu beginnen und diese tatsächlich auch umzusetzen. Welche Maßnahmen das sein könnten, zeigen die folgenden Überlegungen zur Nutzung von Daten zur Segmentierung und Personalisierung, exemplarisch durchgeführt für Apps verschiedener Kategorien.

5.3  Kommunikationsbasierte Steigerung des …

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• Eine News-App kann ihre Nachrichten nach Themen klassifizieren (Politik, Wirtschaft, Sport etc.) und je Nutzer zum Beispiel auf Basis der Anzahl der Aufrufe oder der Verweildauer auf den Artikeln erheben, für welche Themen sich der jeweilige Nutzer besonders interessiert. Die so abgeleiteten Affinitäten für verschiedene Themen lassen sich sowohl zur Personalisierung der App selbst als auch insbesondere zur Segmentierung der Push Notifications nutzen. So könnte ein Nutzer mit PolitikInteresse Breaking News zu Politik erhalten, während ein Nutzer mit Sport-Interesse lediglich für den Themenbereich Sport Breaking News erhält. • Analog zur News-App kann eine Shopping-App auf Basis der aufgerufenen Produkte und den dazugehörigen Produktkategorien Sortimentsinteressen ableiten. Diese können sowohl zur Personalisierung innerhalb der App als auch zur Segmentierung genutzt werden, etwa, um Angebote und Aktionen mit Sortimentsbezug nur an Nutzer mit passendem Sortimentsinteresse zu versenden. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die ein sehr breites Sortiment haben oder viele unterschiedliche Aktionen gleichzeitig spielen. • Die App einer Versicherung kann (unter anderem) sozio-demographische Daten in einen potenziellen Versicherungsbedarf übersetzen. So könnte das Alter als Indikator für den Bedarf nach einer Sterbegeldversicherung oder eine bestehende Zahnzusatzversicherung als Indikator für den Bedarf nach einer privaten Krankenzusatzversicherung oder einer Krankentagegeldversicherung dienen. Das Angebot der Versicherungen könnte In-App, aber auch per Push Notification erfolgen. • Ein Immobilienportal kann versuchen, auf Basis des Nutzerverhaltens das Interesse an der Immobiliensuche nachgelagerten Dienstleistungen wie einem Umzugsservice oder Handwerkerarbeiten abzuleiten, um diese aktiv innerhalb der App und per Push Notification zu bewerben. Ein mögliches Verhaltensmuster könnte zunächst aus einer Reihe von versendeten Wohnungsanfragen (Immobiliensuche) und einer sich anschließenden Phase ohne Nachrichten (Vertragsunterschrift) bestehen, an dessen Ende die Markierung einer Wohnung als „Reserviert“ oder das Abschalten des Wohnungsinserats steht. • Der Publisher einer kostenfreien Gaming-App, die den Kauf von kostenpflichtigen In-Game Items anbietet, kann seine Nutzer danach unterscheiden, ob diese bereits Geld für Items bezahlt haben oder das angebotene Spiel bisher ausschließlich kostenfrei spielen. Entsprechend kann eine Anpassung der kommunikativen Bearbeitung dieser Nutzer erfolgen. Nutzer, die bisher noch kein Geld bezahlt haben und zum Beispiel bereits mehrfach am gleichen Level gescheitert sind, könnten ein passendes InGame Item mit einem hohen Rabatt erhalten, um zu einem ersten Kauf bewegt zu werden. Andere Nutzer, die bereits gekauft haben, reagieren eventuell schon dann mit einem erneuten Kauf, wenn sie lediglich auf neue Items hingewiesen werden, ohne, dass hierzu ein monetärer Vorteil ausgelobt werden muss. • Ein Streaminganbieter für Musik kann versuchen, den Lieblingskünstler eines Nutzers zu identifizieren, um künftig per Push auf Neuerscheinungen dieses Künstlers

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hinzuweisen oder ähnliche Künstler vorzuschlagen. Die Identifikation des Künstlers kann dabei entweder explizit über eine Abfrage oder implizit, etwa auf Basis der Anzahl der Plays je Künstler durch einen Nutzer, erfolgen. (In allen skizzierten Beispielen gilt, dass die Empfehlungen eher als Inspiration denn als Wahrheit zu begreifen sind und erstens analytisch geprüft und zweitens gegebenenfalls analytisch beliebig komplex erweitert werden können.) Ein gutes Beispiel, wie explizit erhobene Daten – hier: Themen, für die sich ein Nutzer interessiert – zur Aussteuerung individueller Push Notifications nutzen lassen, zeigt das folgende Beispiel von flighradar24. Beispiel: Inhaltliche Präferenzen selbst bestimmen – Alerting bei flightradar24

Die App flightradar24 erlaubt es Nutzern, täglich über 180.000 Flüge von mehr als 1200 Airlines an mehr als 4000 Flughäfen weltweit live zu verfolgen. Die App hat rund zwei Millionen Nutzer pro Tag. Auf Google Play hat die App mehr als 50 Mio. Downloads und 4,7 Sterne bei mehr als 450.000 Bewertungen (Flightradar24, 2022a, b). Im Kern stellt die App eine Karte zur Verfügung, die die aktuelle Position von Flugzeugen rund um den Globus samt Informationen zum Flug, zum Flugzeug und zur Airline anzeigt. Darüber hinaus bietet die App die Möglichkeit, ein „Alerting“ zu aktivieren. Dabei sendet die App per Push Notification Informationen zu aktuellen Ereignissen auf der Karte. Aus Sicht der Segmentierung interessant an dem Alerting ist die Tatsache, dass verschiedene Arten von Alerts denkbar sind und dem Nutzer die Möglichkeit geboten wird, die für ihn individuell interessanten Alerts über eine Art Preference Center selbst auszuwählen. Der Nutzer hat dazu die Möglichkeit, über einen Toggle die einzelnen Alerttypen individuell zu bestellen bzw. wieder abzubestellen: • • • •

Besondere Flüge (Jungfernflüge etc.) Transpondercode 7600 (Funkausfall) Transpondercode 7700 (Luftnotfall) Flughäfen in der Nähe

Ein Beispiel für einen Alert per Push Notification zu einem besonderen Flug stammt vom 15. Juni 2022 und wurde um 11:15 Uhr versendet. Es kündigt den Jungfernflug eines Airbus A321XLR an: „AIBXLR – F-WXLR (A21N) Follow the first flight of the Airbus A321XLR, the longest range A321 with a 4,700 nautical mile range.“ ◄

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Werbereaktionsportfolio: Ableitungen für künftige Marketingmaßnahmen Um festzustellen, ob die Bemühungen, die Nutzer mit den richtigen Inhalten zu erreichen, tatsächlich erfolgreich sind, schlagen Helmke et al., (2017, S. 57) das sogenannte „Werbereaktionsportfolio“ vor, welches in Abb. 5.11 dargestellt ist. Das Portfolio kann im App-Marketing genutzt werden, um die Nutzer einer App in vier Gruppen einzuteilen, wobei sich für diese Gruppen jeweils eigene Fragestellungen für die weitere Marketingstrategie ableiten lassen. • Überzeugte: Könnten die gleichen Erfolge erzielt werden, wenn diese Nutzer nicht beworben werden würden? • Fragezeichen: Könnten zusätzliche Erfolge erzielt werden, wenn diese Nutzer beworben werden würden? • Zögerer: Könnten Erfolge erzielt werden, wenn diese Nutzer auf anderen Kanälen, mit anderen Werbemitteln und / oder mit anderen Inhalten beworben werden würden? • Vergessene: Könnten Erfolge erzielt werden, wenn diese Nutzer beworben werden würden? Im Gegensatz zu den vorherigen inhaltlichen Ansätzen zur Segmentierung stellt das Werbereaktionsportfolio vor allem ein Instrument dar, um auf Basis der bisherigen der Reaktionen der Nutzer Fragestellungen und sich daran anschließende Handlungsoptionen abzuleiten.

Conversion Keine Conversion

Conversion-Verhalten des Nutzers

Spannungsfeld: Personalisierung und Privatsphäre Im gesamten Kontext des digitalen Marketings ist auf das grundsätzliche Spannungsfeld von Personalisierung und Privatsphäre hinzuweisen. Die Bestrebungen der Werbetreibenden, durch personalisierte Werbung die Relevanz ihrer Kommunikation zu er-

Überzeugte

Fragezeichen

Zögerer

Vergessene

Ja

Nein Bisheriger Einsatz von Werbmitteln

Abb. 5.11   Werbereaktionsportfolio nach Helmke et al. (2017, S. 57) zur Ableitung normstrategischer Fragestellungen zum Werbemitteleinsatz

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höhen, und die mittlerweile niedrigschwellig zur Verfügung stehenden Technologien fördern eine Verbreitung des Einsatzes von Personalisierung. Gleichzeitig führen die Einführung der Datenschutzgrundverordnung seit 2018 und die in der Folge bisweilen abstrus wirkenden Auswüchse wie die ständige Anzeige der sogenannten Cookie-Banner wahrscheinlich zu einem gestiegenen Bewusstsein der Nutzer für Datenschutz und Privatsphäre (Wohllebe & Wolter, 2021, S. 38 f.). In diesem offensichtlichen Spannungsfeld zeigt sich, dass viele Nutzer auf der einen Seite relevante Werbung wünschen, auf der anderen Seite aber der Offenlegung ihrer Daten kritisch gegenüberstehen und sich insbesondere irritiert bis verärgert zeigen, wenn Werbung „zu“ personalisiert ist. Dies dürfte besonders im Bereich des Location-Based Marketing zutreffen, wenn Standortdaten zur Marketingaussteuerung und auch zur Personalisierung von Marketingbotschaften verwendet werden (Abschn. 5.3.6). Ein in diesem Zusammenhang beachtenswertes Modell ist das Privacy Paradox, das den Einfluss von wahrgenommenem Risiko und von Vertrauen auf die Bereitschaft zum und auf das Teilen von persönlichen Daten postuliert (Norberg et al., 2007). Lange legte die Forschung nahe, dass das Teilen lediglich und direkt von der Bereitschaft zum Teilen von Daten beeinflusst wird und diese Bereitschaft sich wiederum aus einer Abwägung von Risiko und Vertrauen ergibt (Abb. 5.12, oberer Teil). Tatsächlich jedoch, und so postuliert es auch das Privacy Paradox, wirkt das Risiko zwar auf die Intention zum Teilen der eigenen Daten, das Vertrauen jedoch wirkt unmittelbar auf das tatsächliche Verhalten, sodass Nutzer, die einem Unternehmen Vertrauen, eher bereit sind, mit diesem Unternehmen auch ihre Daten zu teilen, die dann etwa im Kontext der Personalisierung genutzt werden, wie Abb. 5.12 im unteren Teil zeigt (Norberg et al., 2007). Für App-Publisher bedeutet dies, dass sie in vertrauensbildende Maßnahmen investieren müssen, um Nutzer zum Teilen ihrer Daten zu bewegen, die die Grundlage der Personalisierung darstellen. Neben vertrauensstiftenden Signalen wie Gütesiegeln oder einer klaren Datenschutzerklärung ist dabei insbesondere die transparente Darlegung zu nennen, welche Daten und mit welchem Zweck erhoben werden, wobei der recht generische Begriff der „Personalisierung“ als Zweck vermutlich regelmäßig eher zu Abwehrreaktionen führt als die Erläuterung, einem Nutzer auf Basis der von ihm angesehenen Produkte künftig nur noch Aktionen per Push Notification schicken zu wollen, die auch tatsächlich seinen Interessen entsprechen.

5.3.6 Konzeptionelle Überlegungen – Location-Based Marketing Mit GPS und Bluetooth ausgestattet ist das Smartphone das ideale Endgerät, um standortbasiertes Marketing (Location-Based Marketing) einzusetzen. Gerade in Kombination mit Push Notifications, die den Nutzer aktiv ansprechen, bietet dieses Feld zahlreiche Potenziale, die sich insbesondere für App-Publisher mit eigenem stationärem Bezug, aber auch abseits davon gewinnbringend einsetzen lassen. Dieses Kapitel zeigt zunächst

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Risk

Behavioral Intention (to disclose)

Trust

Disclosure Behavior

Risk

Behavioral Intention (to disclose)

Trust

Disclosure Behavior

Abb. 5.12   Einfluss von Risiko und Vertrauen auf die Bereitschaft zum Teilen von persönlichen Daten und zum tatsächlichen Teilen, einerseits basierend auf bis dahin existierender Forschung (oben) und andererseits auf Basis neuerer Erkenntnisse als sogenanntes Privacy Paradox (unten). (Basierend auf Norberg et al., 2007)

die technologischen Grundlagen auf und diskutiert anschließend inhaltliche Ansätze zunächst für GPS- / Geofence-basiertes und anschließend für Bluetooth-basiertes LocationBased Marketing. Grundlage des Location-Based Marketing: Standortfreigabe Um Location-Based Marketing betreiben zu können, braucht es als Grundvoraussetzung die Kenntnis über die Location der Nutzer. Obwohl sich die (einigermaßen genaue) Location – jedenfalls theoretisch und abhängig vom Akteur – eines Geräts auf verschiedene Arten bestimmen ließe, etwa per WLAN oder per Funkzellenabfrage, hat sich die GPSbasierte Bestimmung im Kontext des Location-Based Marketing durchgesetzt. Offensichtliche Grundvoraussetzung ist dabei, dass das Handy entsprechend GPS-fähig ist, was auf praktisch jedes Smartphone zutrifft. Weiterhin muss der Nutzer seinen Standort (auf Gerätebasis) eingeschaltet haben und seinen Standort der jeweiligen App freigeben. Tatsächlich besteht in genau dieser Freigabe des Standorts an die jeweilige App die entscheidende Herausforderung. Unabhängig vom Betriebssystem haben sich die Anforderungen von Google und Apple an App-Publisher in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, wenn diese den Standort ihrer App-Nutzer abfragen wollen. Begründet mit den stetigen Bemühungen im Bereich der Privatsphäre hat sich der (insbesondere auf Android sehr lange recht Publisher-freundlich gehaltene) Prozess der Standortfreigabe deutlich verkompliziert. Mittlerweile sind Apps, die auf den Standort ihrer Nutzer zugreifen wollen, dazu aufgefordert, ihre Nutzer auf dem jeweiligen App-Marktplatz umfassend aufzuklären. Zusätzlich – und das ist das technisch entscheidende – erfordert der

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Zugriff auf den Standort mittlerweile eine Freigabe des Nutzers, die auf beiden Betriebssystemen in den vergangenen von der (wenn überhaupt vorhandenen) sehr einfachen Freigabeanfrage zu einer recht differenzierten Anfrage ausgebaut wurde, die den Nutzern (mutmaßlich) helfen soll, eine bewusste und datensparsame Entscheidung bezüglich der Standortfreigabe zu treffen. Datei: Wie in Abb. 5.13 schematisch dargestellt klärt die Benachrichtigung zunächst über den Zweck der Standortfreigabe auf. Anschließend kann der Nutzer im Rahmen dieser ersten Anfrage entscheiden, ob er seinen Standort immer bei Verwendung der App, lediglich einmalig oder gar nicht freigeben möchte. Im Kontext von iOS 13 fehlt bei dieser ersten Anfrage sogar die Möglichkeit, seine Location direkt dauerhaft mit dem App-Publisher zu teilen, wobei dies nur über die Einstellungen des Betriebssystems losgelöst von der Benachrichtigung auch direkt möglich wäre. Sollte eine App funktional unbedingt auf eine sofortige dauerhafte Freigabe der Location angewiesen sein, sollte dies dem Nutzer zunächst plausibel und verständlich erklärt und anschließend eine Art Tutorial angezeigt werden, wie der Nutzer in die Einstellungen des Betriebssystems kommt, um dort die dauerhafte Freigabe manuell zu erteilen. Wählt der Nutzer bei der in Abb. 5.13 gezeigten Benachrichtigung „Allow While Using App“ aus, bekommt er zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Anfrage, bei der er „Keep Only While Using“ oder „Change to Always Allow“ auswählen kann und so die Möglichkeit hat, seinen Standort im zweiten Anlauf dauerhaft für die App freizugeben. Interessant bei dieser Anfrage ist, jedenfalls unter iOS 13, dass dem Nutzer mit dieser zweiten Anfrage auch gezeigt wird, wann, wo und wie häufig eine App den Standort in der letzten Zeit abgefragt hat, sodass der Nutzer einen Eindruck davon gewinnen kann, wie häufig ein Standort tatsächlich abgefragt wird. Gerade solche Apps, die den Standort womöglich eher zu häufig als zu selten abfragen und dem Nutzer dafür keinen offensichtlichen Grund kommunizieren (können), sollten sich dieses Umstands bewusst sein. Bereits lange vor Einführung von iOS 13 konnten Almuhimedi et al. (2015) zeigen, dass die Aufklärung darüber, wie häufig eine App den Nutzerstandort erhoben hat, bei Abb. 5.13   Anfrage einer App zum Standortzugriff: Dauerhaft, einmalig oder gar nicht?. (Schematische Darstellung angelehnt an iOS)

Allow „Sample App“ to access your location? Your location will be used to show your location on the map and to calculate how far away you are from your contacts. Allow While Using App Allow Once Don‘t Allow

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95 % der Nutzer dazu führt, dass sie ihre Einstellungen bezüglich der Standortfreigabe überdenken. Bei immerhin 58 % führt die Information sogar explizit dazu, dass sie der betroffenen App Berechtigungen zum Datenzugriff entziehen. Schlechtestenfalls besteht die Nutzerreaktion jedoch vermutlich nicht in der dauerhaften Deaktivierung der Standortfreigabe. Vielmehr besteht das Risiko, dass der Nutzer (im Zweifel aus Unwissenheit ob der Alternativen) eine App deinstalliert, weil sie nach seinem Empfinden zu häufig auf den Standort zugreift. Hinweis: Best Practices bei der Aussteuerung der Standortabfrage Es ist als eine der Kernherausforderungen des Location-Based Marketing anzusehen, Nutzer zunächst überhaupt davon zu überzeugen, ihren Standort mit einer App zu teilen, also der App Zugriff auf den eigenen Standort zu gewähren. Vor diesem Hintergrund findet sich eine Vielzahl von Artikeln im Internet, die praktische Hinweise beinhalten, wie die Standortabfrage ausgesteuert werden sollte, um als App-Publisher möglichst viele Zugriffe auf Standorte zu erhalten: • Bevor die eigentliche Systembenachrichtigung ausgesteuert wird, sollte dieser ein eigener PrePermission Screen vorangestellt werden. In diesem Dialog wird der Nutzer über die (sogleich folgende) Anfrage zur Freigabe des Standorts aufgeklärt. • Auf dem Pre-Permission Screen sollte die App transparent kommunizieren, zu welchem Zweck, wie und wie häufig der Standort künftig abgefragt und verarbeitet werden soll. • Weiterhin sollte der Screen einen klaren Mehrwert kommunizieren, welcher dem Nutzer geboten wird, wenn er der Standortfreigabe zustimmt. Dazu eignet sich der Hinweis auf (Kern-) Funktionalitäten, sodass deutlich wird, dass der Standort nicht einfach aus „Neugier“ des AppPublishers angefragt wird, sondern, dass dahinter ein realer Nutzen für den Nutzer steckt. • Ebenso wichtig wie der Inhalt des Pre-Permission Screens ist das Timing. Regelmäßig werden Nutzer direkt nach der App-Installation auf einem der ersten Screens nach dem ersten App-Start nach der Standortfreigabe gefragt. Da der Nutzer die App und ihre Vorteile zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennt, ist die Wahrscheinlichkeit auf eine Ablehnung der Anfrage groß. Besser wäre es, den Screen unmittelbar dann anzuzeigen, wenn der Standortzugriff auch konkret – bestenfalls für die unmittelbar bestehende – Nutzung eines Features benötigt wird. • Schließlich sollte dem Nutzer eine einfache Möglichkeit angeboten werden, die Freigabe des Standorts wieder zu deaktivieren. Die niedrigschwellige Möglichkeit zum Opt-Out ist dabei als Alternative zur Deinstallation der App anzusehen und entsprechend vorzuziehen. Die Hinweise stammen unter anderem von Artikel des Location-Dienstleisters Radar (2019), aus dem Mobile Marketing Magazine (2023) sowie von Rodgerson (2021) von Roam.ai.

Standortabfrage im Hintergrund Hinzuweisen ist ferner auf unterschiedliche Möglichkeiten des Zugriffs auf den Standort. Je nach Betriebssystem (und Betriebssystemversion) wird zum Beispiel zwischen dem Zugriff auf die Foreground Location (insbesondere bei aktiver Benutzung einer App) und auf die Background Location (wenn eine App einen Standort dauerhaft abfragt, auch dann, wenn die App gerade nicht aktiv durch den Nutzer verwendet wird) unterschieden. Aus Marketingsicht mag es attraktiv wirken, stets die Freigabe zur Abfrage der Background Location einzuholen. Tatsächlich widerspricht dies jedoch den Richtlinien von

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Google und Apple, die beim Zugriff auf die Background Location – und damit auf die Möglichkeit zur dauerhaften Standortüberwachung – enge Grenzen setzen. Bei Google (2023k) heißt es dazu: „Ihre App sollte nur dann Zugriff auf die Standortermittlung im Hintergrund anfordern, wenn dies für die Hauptfunktion(en) der App erforderlich ist. Hauptfunktionen spiegeln den Hauptzweck Ihrer App wider. Dabei kann es sich um eine Reihe wichtiger Funktionen handeln, ohne die Ihre App sich nicht nutzen lässt oder unbrauchbar wird. […] Die Standortermittlung im Hintergrund darf nur verwendet werden, wenn dies für Nutzer klar von Vorteil und für die Hauptfunktionen der App relevant ist. Sie dürfen keine Berechtigungen zur Standortermittlung anfordern, wenn die Daten ausschließlich Werbe- oder Analysezwecken dienen.“

Apple (2023b) weist zusätzlich darauf hin, dass die meisten Apps einen Standortzugriff lediglich brauchen, wenn sie auch gerade aktiv genutzt werden, sodass die Legitimation für einen Standortzugriff im Hintergrund oftmals als nicht gegeben angesehen werden dürfte: „Consider carefully whether your app really needs background location updates. Most apps need location data only while someone actively uses the app.“

Aus praktischer Sicht könnte ein App-Publisher aufgrund der Policies von Google und Apple durchaus auf die Idee kommen, Features lediglich zu entwickeln, um damit einen Zugriff auf die Background Location zu rechtfertigen und die so gewonnenen Daten zu anderen Zwecken als für das eigentliche Feature zu nutzen. Geofences und Standortgenauigkeit Wie lassen sich die gesammelten Standortdaten für Marketingzwecke nutzen? Dazu gilt es (nach eingeholter Standortfreigabe) nicht nur festzustellen, wo ein Nutzer gerade ist, sondern ob es sich bei diesem Standort auch um einen für den App-Publisher relevanter Ort handelt. In der Regel werden solche relevanten Orte über sogenannte Geofences definiert. Geofences sind auf einer Karte eingezeichnete N-Ecke, sodass mit jedem Geofence eine Fläche entsteht, die vom jeweiligen App-Publisher als relevant angesehen wird. Für jeden Geofence kann definiert werden, was passieren soll, wenn ein Nutzer mit diesem Geofence interagiert, ihn also betritt, eine bestimmte Zeit darin verweilt oder ihn wieder verlässt. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, die definierten Geofences zu gruppieren beziehungsweise zu vertaggen, um in der Segmentierung (oder der Marketing Automation) nicht nur auf einzelne Geofences, sondern auch auf Gruppen von Geofences (zum Beispiel alle Geofences, die zu Einzelhändlern, zu Banken, zu Naturschutzgebieten, zu Filialen der Konkurrenz etc.) referenzieren zu können. Je nachdem, wie groß die für einen App-Publisher relevanten Orte oder Areale in der Realität sind, kann es ausreichen, den ungefähren Standort („Approximate Location“; im Fall von Android auf rund drei Quadratkilometer genau) statt den genauen Standort („Precise Location“; bis auf wenige Meter genau) zu kennen (Google, 2023k):

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• Geht es einem App-Publisher darum, ob sich ein Nutzer zum Beispiel in einer bestimmten Stadt oder einem Stadtteil, einem Bundesland, einem (in der Regel ja mehrere Quadratkilometer großen) Naturschutzgebiet oder auf einer spezifischen Insel aufhält, ist der Zugriff auf den ungefähren Standort vermutlich ausreichend. • Ist für den spezifischen Anwendungsfall dagegen relevant, ob ein Nutzer etwa einen bestimmten Supermarkt, ein Museum oder eine Bäckerei besucht, wird in der Regel ein Zugriff auf den exakten Standort notwendig sein. Bei der Verwendung der Standortdaten sind weiterhin zwei grundlegende Szenarien zu unterscheiden: • Einerseits kann der Standortverlauf eines Nutzers zunächst nur gesammelt werden, um später zur Segmentierung (Abschn. 5.3.5) genutzt zu werden, etwa, wenn alle Nutzer der App einer Supermarktkette mit einer Push Notification erreicht werden sollen, die in den vergangenen drei Monaten eine Filiale der Supermarktkette besucht haben. • Andererseits ist es im Sinne von Marketing Automation (Abschn. 5.3.7) auch möglich, in Echtzeit auf den individuellen Nutzerstandort zu reagieren, etwa, indem jeder Nutzer der App einer Supermarktkette immer dann eine Push Notification erhält, wenn er sich einer Filiale der Supermarktkette auf 100 m annähert. Inhaltliche Ansätze für Geofence-basiertes Location-Based Marketing Basierend auf den grundsätzlich zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten ist eine Vielzahl konkreter Anwendungsfälle für Apps (fast) jeder Kategorie denkbar. Folgende Beispiele skizzieren einige dieser Möglichkeiten zur Nutzung von Standortdaten bei der Aussteuerung von Push Notifications: • Finance & Banking – Eine Bank könnte alle App-Nutzer, die in den vergangenen x Monaten einen Musterhauspark besucht haben (Segmentierung) oder x Wochen, nachdem sie einen Musterhauspark besucht haben (Marketing Automation), auf die aktuellen Zinsen für einen Immobilienkredit aufmerksam machen. – Ebenso könnte eine Bank darauf reagieren, dass ein App-Nutzer gerade einen Elektronikfachmarkt (Media Markt, Saturn etc.) besucht und (in Echtzeit) einen Konsumkredit anbieten. – Analog könnte der Nutzer der App eines Kreditkartenanbieters während seines Besuch im Elektronikfachmarkt auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht werden, spontan seinen Kreditrahmen zu erhöhen oder die Ratenzahlung zu nutzen. • Immobilienportale – Ein Immobilienportal könnte einen App-Nutzer mit einer Push Notification auf freie Wohnungen in der Umgebung seines aktuellen Standorts aufmerksam machen.

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– Ebenso könnte das Immobilienportal prüfen, ob eine kürzlich vom Nutzer angefragte Immobilie anschließend besichtigt wurde und darauf basierend per Push Notification auf Immobilienkreditangebote oder Angebote für Umzüge von Partnern aufmerksam machen. • Online-Shopping & Retail – Ein Online-Händler könnte einen Nutzer per Push Notification auf aktuelle Angebote oder auf einen besonderen Rabatt für ein bestimmtes Sortiment aufmerksam machen, wenn der Nutzer einen konkurrieren Stationärhändler besucht. Je nachdem, ob der Nutzer vorab Interesse an einem entsprechenden Artikel gezeigt hat, könnte die Push Notification zusätzlich auf einen (personalisierten) Rabatt beinhalten. – Ein Einzelhändler könnte alle App-Nutzer, die seine Filiale(n) in den letzten x Monaten besucht haben, auf die aktuellen Angebote aufmerksam machen. – Ebenso könnte der Einzelhändler solchen App-Nutzern eine Push Notification mit einem besonderen (personalisierten) Rabatt zukommen lassen, wenn sich diese App-Nutzer im näheren Umkreis der Filiale eines konkurrierenden Einzelhändlers aufhalten. – Ein Kundenbindungsprogramm wie Payback oder DeutschlandCard könnte seine App-Nutzer, die sich in der Nähe eines kooperierenden Händlers aufhalten, auf aktuelle Coupons für diesen Händler aufmerksam machen. – Ebenso könnte ein Kundenbindungsprogramm solche App-Nutzer, die sich in der Nähe bisher noch nicht kooperierender Händler aufhalten, auf aktuelle Coupons von kooperierenden Händlern in der Nähe mit ähnlichem Sortiment aufmerksam machen. • Social Networks – Ein soziales Netzwerk könnte per Push Notification darauf aufmerksam machen, wenn sich Freunde in der näheren Umgebung befinden. – Analog dazu könnte Berufsnetzwerk (wie LinkedIn) seine Mitglieder auf aktuelle Stellenausschreibungen von Unternehmen in der näheren Umgebung aufmerksam machen. • Reisen & Mobilität – Die App eines Reiseführerportals wie TripAdvisor könnte per Push Notification auf die besten Restaurants oder Sehenswürdigkeiten in der Stadt aufmerksam machen, sobald ein Nutzer eine Stadt betritt, die nicht seinem (mutmaßlichen) Wohnoder Arbeitsort entspricht. – Auch könnte ein solches Reiseführerportal per Push Notification auf (kostenpflichtige) Angebote in der Nähe aufmerksam machen, etwa eine Stadtrundfahrt, ein Erlebnis oder andere Dienstleistungen kooperierender Unternehmen. – Fahrdienstvermittler wie Uber oder Bolt können über ihre Apps auf interessante Orte in einer Stadt hinweisen, wenn ein Nutzer in dieser Stadt (zum Beispiel am Bahnhof oder am Flughafen) ankommt. Die Hinweise könnten kombiniert werden

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mit dem Angebot, diese Orte besonders kostengünstig über den Fahrdienstvermittler zu besuchen. – Auch der Hinweis, dass der Fahrdienstvermittler seinen Service überhaupt in der aktuell besuchten Stadt anbietet, könnte ein einfacher Ansatz sein, mit LocationBased Marketing relevante Inhalte per Push Notification an App-Nutzer auszusteuern. – Mit ihrer App könnte eine Mietwagenfirma Nutzer, die an einem Flughafen ankommen, auf die vorhandene Mietwagenstation hinweisen. – Auch könnte ein Bahnunternehmen wie die Deutsche Bahn bei Ankunft eines App-Nutzers mit einem gültigen Zugticket mit Abfahrt innerhalb der nächsten Stunde auf das aktuelle Gleis und den zum reservierten Sitz passenden Gleisabschnitt hinweisen. • Wetter – Eine Wetter-App kann regelmäßig die Wettervorhersage für den aktuellen Standort per Push Notification anteasern. – Auch denkbar wäre ein Hinweis auf die Wettervorhersage für einen Standort, an dem sich der Nutzer einer Wetter-App regelmäßig aufhält. Für alle skizzierten Beispiele gilt, dass sich diese beliebig in ihrer Komplexität erweitern lassen. Wo möglich, lassen sich diese Push Notifications inhaltlich mit einem besonderen Angebot kombinieren, um neben relevanten Inhalten auch zusätzlich einen monetären Mehrwert zu bieten. Das Location-Based Marketing kann als eine besondere Form der Segmentierung beziehungsweise Personalisierung verstanden werden – bei Nutzung des Standorts als höchstpersönliche Information. Vor diesem Hintergrund sind die Überlegungen zur Privatsphäre der Nutzer in Abschn. 5.3.5von besonderer Relevanz. Insbesondere ist mutmaßlich davon auszugehen, dass den allermeisten Nutzern kaum klar sein dürfte, welche weitreichenden Informationen sich aus einem freigegebenen Standort ableiten lassen. Insofern sollte regelmäßig überprüft werden, inwiefern ein bestimmter Standort (oder Standortverlauf) einen geeigneten Anlass zum Beispiel für eine Push Notification darstellt – ohne dabei den Anlass jedoch allzu konkret zu benennen, um zu vermeiden, dass bei den App-Nutzern ein Gefühl von „Verfolgung“ oder „Stalking“ aufkommt. Location-Based Marketing über Bluetooth Eine besondere Form des Location-Based Marketing stellt die Nutzung von sogenannten Beacons dar, die über Bluetooth beziehungsweise über Bluetooth Low Energy (BLE) funktionieren. Neben der Bezeichnung als „Proximity Marketing“ findet sich deshalb auch immer wieder der Begriff des „Beacon Marketing“. Mit BLE arbeitende Beacons stellen nicht nur häufig die technische Grundlage für Anwendungen im Bereich der InStore Navigation dar, sondern lassen sich auch im Marketing nutzen (Deckert & Wohllebe, 2021, S. 21 ff.; Wohllebe & Johnsen, 2023). Dazu wird ein Beacon zum Beispiel im Eingangsbereich der Filiale eines Einzelhändlers positioniert. Nähert sich ein Nutzer

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(mit installierter App und den notwendigen erteilten Berechtigungen) dem Beacon, kann dieser über die App (zum Beispiel des Einzelhändlers) eine entsprechende Push Notification triggern. Infillion (2023), Softwareanbieter im Bereich von Location-Based Marketing über GPS / Geofences und über Bluetooth / Beacons empfiehlt den Einsatz von Beacons für Anwendungsfälle, in denen eine Geräteortung mit einer Genauigkeit von unter 50 m notwendig ist. Der sicherlich am häufigsten skizzierte Anwendungsfall ist der von einem Einzelhändler an vorlaufende Passanten ausgesteuerte Hinweis auf aktuelle Angebote und Coupons, in der Hoffnung, diese Passanten als Kunden in einer Filiale zu gewinnen. Darüber hinaus lassen sich viele der im vorherigen Abschnitt skizzierten Beispielen für Geofence-basiertes Location-Based Marketing auch auf Beacons adaptieren, sofern der App-Publisher sich ausschließlich auf solche Cases konzentriert, an denen er selbst auch ein Beacon – und damit ein Stück Hardware, das jedenfalls in geringem Maße auch Wartung benötigt – anbringen kann. Obwohl mittlerweile viele Anwendungsfälle für die Aussteuerung von Informationen und Marketingmaßnahmen über Bluetooth-Beacons beschrieben sind und die Technologie komplexeste Szenarien abbilden könnte, deuten Zahlen aus dem Tourismus auf eine sehr niedrige Verwendung hin (BTE – Tourismusmanagement & Regionalentwicklung; DTV, 2019; Deutscher Wanderverband et al., 2018; FAW, 2016). Die zahlreichen von Nutzerseite zu erfüllenden Bedingungen – installierte App, Verwendung von Bluetooth, Erlaubnis zum Erhalt von Push Notifications – dürften dabei ein wesentliches Hindernis bei der Verbreitung sein. Die Notwendigkeit, einen (beziehungsweise je nach Szenario schnell auch hunderte) Beacons zu beschaffen (und zu warten), dürfte ein weiteres Hindernis sein, weshalb diese eigentlich vielversprechende Technologie bis heute eher ein Schattendasein zu fristen scheint.

5.3.7 Konzeptionelle Überlegungen – Marketing Automation Den Abschluss der konzeptionellen Überlegungen bildet das Feld der Marketing Automation, welches hier im Sinne der Automatisierung von Kommunikation, bestehend aus einer oder mehreren durch individuelles Nutzerverhalten angestoßene Nachrichten, verstanden wird. Nach kurzer Einführung in die (technologischen) Grundlagen werden konkrete inhaltliche Ansätze für die Automatisierung aufgezeigt. Überlegungen zur Steuerung von Marketing Automation (und insbesondere zum häufig empfunden Kontrollverlust bezüglich dieser Steuerung) runden das Kapitel ab. Grundlegende Überlegungen Leitgedanke der Marketing Automation, wie sie im Bereich des digitalen Dialogmarketings verstanden wird, ist die automatische, das heißt, von einem System auf Basis vorab definierter Regeln ausgelöste, Aussteuerung von Marketingbotschaften über einen oder mehrere Kanäle des (digitalen) Dialogmarketings. Nicht notwendigerweise muss

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es sich bei diesen Marketingbotschaften um vertriebliche Maßnahmen mit Aufforderung zum Kauf handeln. Vielmehr sollte Marketing Automation auch oder sogar vornehmlich Mehrwerte durch die Kommunikation nutzerrelevanter Inhalte (etwa durch Aktualität oder Personalisierung) schaffen. Der Begriff meinte in der Vergangenheit vor allem die Automation von E-Mail-Kampagnen und wurde über die Zeit dann auf weitere Kanäle wie SMS, Push Notifications oder Facebook Custom Audiences ausgeweitet. Im Kontext dieses Kapitels wird der Begriff vor allem auf Push Notifications bezogen, ist grundsätzlich jedoch keinesfalls darauf einzuschränken. Grundlegend ist Marketing Automation kein Selbstzweck, sondern schlicht ein Instrument, um relevante, weil personalisierte und zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Kanal und mit dem richtigen Inhalt ausgespielte, Kommunikation überhaupt erst skalierbar zu ermöglichen. Marketing Automation muss also möglichst alle relevanten (nutzerbezogenen) Daten aus möglichst allen relevanten Systemen zusammentragen und, gegebenenfalls unter Einbezug weiterer Daten, so aufbereiten, dass sie zur Automatisierung von Kommunikationsstrecken genutzt werden können. Darüber hinaus muss eine entsprechende Software in der Lage sein, die nutzerbezogen ideale Nachricht zum idealen Zeitpunkt über den idealen Kanal zu versenden. Sie darf sich insofern nicht auf Push Notifications oder E-Mails beschränken, sondern muss eine Aussteuerung über potenziell alle zur Verfügung stehenden Kanäle des (digitalen) Dialogmarketings ermöglichen. Dazu gehört auch ein Ansatz zum Management der Identifier über die verschiedenen Kanäle und der Umgang zum Beispiel mit Nutzern, die mehrere Geräte nutzen, sowie mit Geräten, die von mehreren Nutzern genutzt werden. Die Berücksichtigung der Reaktionsdaten in der Vergangenheit ausgesteuerter Kommunikation für die zukünftige Aussteuerung von Kommunikation komplettiert diesen Ablauf. In der Praxis ist die Idee des einen umfassend integrierten Systems als „Single Point of Truth“ und Dreh- und Angelpunkt der gesamten Marketingkommunikation kaum anzutreffen. An einzelnen Kanälen und/oder der Organisationsstruktur orientierte Sammlungen von Insellösungen bestimmen die praktische Realität, wobei in der Folge die kanal- beziehungsweise organisationsübergreifende Integration von Daten und Inhalten nicht selten eher sporadisch stattfindet. Regelmäßig wiederkehrende Bestrebungen, nun endlich die eine zentrale – in Schaubildern dann gerne entsprechend mittig oder ganz oben als eine Art Dach dargestellt – Software einzuführen, die den Weg in eine Welt der integrierten Kommunikation ebnen soll, erhöhen im Laufe der Zeit die Komplexität des „Systemzoos“ weiter. Obgleich eine perfekte Lösung bei der architektonischen Konzeption sowie bei der späteren operativen Arbeit zur Automation der (App-) Kommunikation über Push Notification attraktiv erscheinen mag, ist sie vor dem Hintergrund der jeweils individuellen Unternehmenshistorie kaum realistisch. Vielmehr sollte der Fokus im Sinne der Ergebnisorientierung auf schnellen Ergebnissen liegen, ohne dabei jedoch schon in der Systemauswahl und der initialen Konfiguration den Weg für ambitionierte Weiterentwicklungen zu verbauen.

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Inhaltliche Ansätze für Marketing Automation Wie kann Marketing Automation im App-Kontext vor allem über Push Notifications, aber auch über In-App Messages konkret aussehen? Tatsächlich finden sich bereits im vorherigen Kapitel zu Location-Based Marketing (Abschn. 5.3.6) einige Beispiele, die auch als Beispiele für Marketing Automation dienen könnten. Die folgenden Beispiele zeigen für verschiedene App-Kategorien (angelehnt an Google Play) auf, wie Marketing Automation konkret ausgestaltet sein kann. Die skizzierten Beispiele stellen dabei insbesondere den Trigger, also den Anstoßpunkt wie ein spezifisches Nutzerverhalten dar, welches die jeweilige Kommunikation „triggert“. In allen Fällen wird von einer einzelnen Push Notification ausgegangen, wobei viele Unternehmen in den vergangenen Jahren verstärkt versucht haben, ganze Customer Journeys zu modellieren, in deren Verlauf gleich mehrere Nachrichten und (soweit möglich und sinnvoll) auf unterschiedlichen Kanälen versendet werden. • Autos & Fahrzeuge – Kurz vor Fahrtantritt, entweder berechnet auf Basis des Standortverlaufs oder heuristisch bestimmt wochentags um 16:00 Uhr kann eine App wie die von clevertanken.de per Push Notification auf die günstigste Tankstelle auf dem Weg vom Büro nach Hause hinweisen. – Eine App von einem Autohersteller wie AUDI kann, wenn sie mit dem Auto verbunden ist und Zugriff zum Beispiel auf die Sensoren des Autos hat, auf eine bevorstehende Wartung, einen zu niedrigen Luftdruck, den demnächst wieder fälligen Ölwechsel oder den notwendigen Austausch von Verschleißteilen hinweisen – verbunden mit dem Hinweis auf eine passende (Vertrags-) Werkstatt in der Nähe. – Basierend auf den regelmäßigen Standorten eines Nutzers – insbesondere Wohnort und Arbeitsstelle – kann eine Ladesäulen-App wie EnBW mobility auf (freie) Ladesäulen in der Nähe hinweisen. • Effizienz – Die VPN-App NordVPN kann per Push Notification bei Nutzung eines öffentlichen (unverschlüsselten) WLAN-Netzes an die möglichen Gefahren erinnern und für die eigene Privatsphäre sensibilisieren. – Ein Cloud-basierter Speicherdienst wie Dropbox kann seine Nutzer auf die kostenpflichtige Möglichkeit zur Erweiterung des Speicherplatzes hinweisen, wenn der (kostenfrei bereitgestellte) Speicherplatz knapp wird. • Essen & Trinken – Die Apps von Supermärkten wie REWE oder EDEKA können regelmäßig und – damit möglichst einfach automatisierbar – ohne konkreten Bezug zu einzelnen Produkten auf die aktuellen Angebote der Woche hinweisen, die über die jeweilige App angezeigt werden können. – Ebenso könnten Supermarkt-Apps auf Rezepte hinweisen, die auf Basis der aktuellen Einkaufsliste gekocht werden können oder für die jedenfalls nur noch wenige Zutaten fehlen.

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– Chefkoch und andere Rezepte-Apps können ihre Nutzer täglich mit Rezeptvorschlägen versorgen, die auf Basis des individuellen Geschmacks automatisch ausgewählt und per Push Notification angepriesen werden. Finanzen – Neo-Broker wie Trade Republic oder Scalable Capital könnten automatische Alerts versenden, wenn ein Wertpapier unter einen bestimmten Wert fällt, um so zum Kauf anzuregen. – Mit Hinweisen auf günstigere Angebote kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist können Finanz- und Versicherungsmanager wie CHECK24 oder Finanzguru Nutzer, die bereits bestehende Verträge in der App hinterlegt haben, zum Abschluss eines neuen Vertrages über die App bewegen. Reisen & Lokales – Eine E-Scooter-App wie Voi oder Bolt kann automatisch auf Scooter in der Nähe hinweisen, etwa, wenn ein Nutzer gerade Bahn gefahren und nun ausgestiegen ist. – Online-Reisebüros wie Opodo können automatische Alerts versenden, wenn die Preise kürzlich angesehener (aber noch nicht gebuchter) Flüge und Hotels gesenkt worden sind. Shopping – Online-Shops wie Amazon oder OTTO können per Push Notification eine Erinnerung aussteuern, um auf Artikel aufmerksam zu machen, die Nutzer im Warenkorb oder auf der Merkliste mutmaßlich vergessen haben können. – Ebenso könnten Online-Shopping-Apps ihre Nutzer darauf hinweisen, wenn ein für sie gültiger Gutschein oder Rabatt in Kürze verfällt. Streaming – Apps wie Audible, die Hörbücher und Podcasts im Abo-Modell anbieten und dabei mit vergünstigten Probe-Abonnements arbeiten, können während des ProbeAbonnements kommunikativ darauf hinwirken, dass dieses Probe-Abonnement möglichst aktiv genutzt wird und kurz vor Ablauf auf die Möglichkeit des regulären Abonnements hinweisen. – Auch können Streaming-Apps wie Spotify regelmäßig auf aktuelle Neuerscheinungen hinweisen, die auf den Musikgeschmack des jeweiligen Nutzers abgestimmt sind.

Wie eingangs angedeutet, lassen sich die meisten dieser Nachrichten auch manuell umsetzen, lass sich aber in der Regel nur mithilfe von Marketing Automation sinnvoll skalieren. Dabei sind die Beispiele sowohl mit Blick auf den Trigger als auch mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung der Kommunikation primär anschaulich gedacht. Sie sollen erste Inspirationen liefern, wie Marketing Automation in verschiedenen Kontexten operationalisiert werden kann. Abhängig vom Erlösmodell einer App sind in der Operationalisierung unterschiedliche betriebswirtschaftliche Ziele der Automationen denkbar, angefangen bei der aktiven Nutzung der jeweiligen App (im Fall eines Erlösmodells, das im Kern auf Advertising basiert) bis hin zum Abschluss einer Transaktion (etwa bei

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Asset Sale- oder Subscription-Modellen). Unabhängig jedoch vom Erlösmodell einer App sollte bei allen Push Notifications stets der Mehrwert für den Nutzer mitbedacht werden. Das folgende Praxisbeispiel zeigt, mit welchen Triggern das Medienhaus Tamedia Marketing Automation in zwei verschiedenen Apps einsetzt und geht dabei jeweils auch kurz auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Maßnahmen ein. Beispiel: Tamedia – App-Nutzung als Trigger für In-App Messages

Tamedia ist ein Schweizer Medienunternehmen mit einer Vielzahl von Zeitungen, Zeitschriften und digitalen Plattformen. Unter anderem gehören die Berner Zeitung (BZ) und 24 Heures zum Portfolio der Tamedia. Gemeinsam mit Google (2023h) hat Tamedia eine Fallstudie veröffentlicht, die zeigt, wie das Medienunternehmen Google Analytics zur Segmentierung von Nutzern und Firebase In-App Messaging für die Aussteuerung von Benachrichtigungen an diese Segmente einsetzt. Sowohl im Fall der BZ als auch im Fall von 24 Heures besteht das Ziel der Benachrichtigungen darin, die Nutzer vom kostenfreien in das kostenpflichtige Modell zu überführen, wobei die Tamedia den kostenfreien Zugriff auf die Inhalte von BZ und 24 Heures einschränkt und erst das kostenpflichtige Abo-Modell einen vollständigen Zugriff auf das Inhaltsangebot erlaubt. Im Fall der BZ basiert die Aussteuerung der Nachrichten auf den App-Öffnungen. Öffnet ein App-Nutzer die App innerhalb von sieben Tagen fünf Mal, erscheint eine In-App Message mit Hinweis auf das digitale Abonnement. Das Linkziel ist ein Screen innerhalb der App zum Abschluss des Abonnements. Der Erfolg der automatisch ausgesteuerten Push Notification wird anhand der abgeschlossenen Abonnements gemessen: Die BZ verzeichnet 29 % mehr abgeschlossene Abonnements innerhalb der App verglichen mit den drei Monaten vor Start der Kampagne. Bei 24 Heures dienen die Aufrufe von Premium-Content ohne Registrierung als Trigger für eine In-App Message. Ruft ein nicht registrierter Nutzer zum dritten Mal Premium-Content auf, wird er über eine In-App Message auf das kostenpflichtige Angebot hinter der Paywall aufmerksam gemacht. Zur Erfolgsmessung wird auch hier ein Vergleich mit dem Zeitraum vor der Einführung der In-App Message herangezogen. 24 Heures verzeichnet 8 % mehr Kaufabschlüsse nach Einführung der Nachricht. ◄ Steuerung von Marketing Automation Während die zuvor diskutierten Beispiele lediglich eine oder zwei mögliche Benachrichtigungen skizzieren, sind in der Praxis – entsprechende Daten und Kreativität im Marketing vorausgesetzt – schnell dutzende Anlässe gefunden, die eine einzelne Nachricht oder eine Kette von Nachrichten anstoßen. Die Begrüßung eines neuen AppNutzers, die Gratulation zum Geburtstag und zum Kundenjubiläum, die Information über den aktuellen Punktestand im Loyalty-Programm, das Update bezüglich des neuen

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„Gold-Status“, der Hinweis auf das zuletzt angesehen Produkt, die Erinnerung an die Produkte auf der Merkliste, die Angebote beim Aufenthalt in der Nähe einer Filiale, der Gutschein beim Aufenthalt in der Nähe einer Filiale der Konkurrenz, die Bestätigung der Reservierung eines Artikels oder der Rückgewinnungsversuch bei zu langer Inaktivität sind nur einige Nachrichten, die ein stationärer Einzelhändler über seine App vollautomatisch per Push Notification aussteuern lassen könnte. Berücksichtigt man dann noch, dass nicht selten ein System nur ein oder zwei Kanäle abdeckt und weitere Systeme – mit eigenen Features im Bereich Marketing Automation – andere Kanäle bedienen und darüber hinaus eine gesamtheitliche, kundenbezogene Perspektive zwar angestrebt wird, in der Umsetzung mitunter aber an technischen und organisatorischen Silos scheitert, wird deutlich, dass die Steuerung von Marketing Automation eine hohe Komplexität mit sich bringt. Diese Komplexität mündet aufseiten der Werbetreibenden mitunter in der Angst, Nutzern zu viele Nachrichten zukommen zu lassen, wenn Nutzer durch besonders aktive und – im Sinne der Angst vor zu hohem Werbedruck – „ungünstige“ App-Nutzung theoretisch alle potenziell möglichen Nachrichten innerhalb kürzester Zeit auch tatsächlich bekommen würden. Um diese Komplexität jedenfalls in Ansätzen bewältigen zu können, kann im Sinne einer auf den Versand von Marketingbotschaften fokussierten Marketing AutomationStrategie zunächst die Frage im Vordergrund stehen, welche Benachrichtigungen in den letzten (zum Beispiel) sieben Tagen an wie viele Nutzer versendet wurden. Darüber hinaus sollte insbesondere die nutzerbezogene Perspektive eingenommen werden und – entweder im Silo der Push Notifications gedacht oder besser noch ganzheitlich über alle Kanäle hinweg – die Frage beantwortet werden, wie viele App-Nutzer oder Kunden in den letzten (zum Beispiel) sieben Tagen wie viele Benachrichtigungen erhalten haben. So lässt sich die Angst, Nutzer mit zu vielen Nachrichten womöglich zu belästigen, mit konkreten Zahlen belegen oder (besser) widerlegen. Dabei sollte neben der Anzahl der Nachrichten, die individuell sehr unterschiedlich als „zu viel“ wahrgenommen werden kann, insbesondere ein Blick auf die Erfolge im Sinne des Engagements (App-Nutzung) und der Monetarisierung (Umsatz) sowie auf die Misserfolge (Opt-Out und Deinstallation) erfolgen, um zu einer Einschätzung zu gelangen, welche Frequenz (vgl. Abschn. 5.3.4) als tolerierbar angenommen werden darf. In der Konsequenz besteht eine einfache Möglichkeit zur Steuerung von Marketing Automation in der Einführung eines Frequency Caps, also einer maximalen Anzahl an Nachrichten, die ein Nutzer in einem bestimmten Zeitraum erhalten darf – mit der Folge, dass alle darüberhinausgehenden Nachrichten schlicht nicht verschickt werden. Zahlreiche Systeme bieten hierzu einfache Möglichkeiten an, solche Frequency Caps zu definieren (wobei ein Frequency Cap offenkundig nur innerhalb der Systemgrenzen Berücksichtigung finden kann). Darüber hinaus besteht zusätzlich die Möglichkeit, Marketing Automation-Maßnahmen zu priorisieren und zum Beispiel transaktionale Benachrichtigungen, die sich also auf Kaufvorgänge beziehen (zum Beispiel Bestellbestätigung oder Kündigungsbestätigung), unabhängig vom greifenden Frequency Cap immer zu versenden.

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Trotz Frequency Cap und Möglichkeiten zur Priorisierung von Nachrichten geht mit fortschreitendem Ausbau von Marketing Automation zusammenfassend ein Kontrollverlust und insbesondere ein Verlust der Übersichtlichkeit einher, wobei die Vorteile relevanter und skalierbarer Kommunikation klar überwiegen.

5.3.8 Optimierung durch A/B-Testing Das A/B-Testing, gelegentlich auch Split-Testing genannt, gehört zu den Methoden der User Experience-Forschung und ist zentrales Instrument bei der datengetriebenen Optimierung von Online-Marketing-Aktivitäten. Dies schließt Fragestellungen zur Ausgestaltung von Werbemitteln (Display Banner, Push Notifications, E-Mail-Newsletter etc.) ebenso ein wie solche zur Ausgestaltung von Websites oder von Software. Die folgenden Ausführungen behandeln im Schwerpunkt den Einsatz von A/B-Tests im (App-) CRM und im Speziellen im Kontext von Push Notifications, lassen sich aber auch grundsätzlich verstehen und auf andere Kontexte übertragen. Grundlegende Funktionsweise Die Grundidee eines A/B-Tests besteht darin, zwei leicht verschiedene Versionen eines Assets (etwa eines Bildes oder eines Texts) hinsichtlich der Nutzerreaktionen, die sie erzeugen, miteinander zu vergleichen (AB Tasty, 2023). Im Gegensatz zu Laborversuchen und Befragungen ist ein A/B-Tests in der Regel ein randomisiertes Experiment, bei dem jedem Nutzer zufällig eine von zwei (oder mehreren) Versionen zum Beispiel eines Texts gezeigt wird und die Reaktion des Nutzers (zum Beispiel das Öffnen oder Nicht-Öffnen der Push Notification) aufgezeichnet wird. Ziel ist es, im Nachgang anhand der Nutzerreaktion jene Variante zu identifizieren, die erfolgreicher ist. So können Push Notifications und In-App Messages, Features in Apps, aber auch Online-Shops, Websites oder Printprodukte wie Flyer und Plakate datenbasiert optimiert werden, anstatt in großen Diskussionsrunden weitgehend persönliche Empfindungen hinsichtlich der einen oder der anderen Umsetzungsvariante zu erörtern. Die Möglichkeiten des A/B-Testings sind keinesfalls auf Texte beschränkt. Die Vorschläge von van Hoeylandt (2022), welche Elemente mit Hilfe von A/B-Testings optimiert werden können, vermitteln einen Eindruck der Möglichkeiten: • Titel und Überschriften • Call-To-Actions und Buttons • Bilder und Videos • Formulare • Seitenstruktur und Nutzerführung • Darstellungen von Produkten und Preisen

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Darüber hinaus lassen sich A/B-Tests auch für komplexere, über die Gestaltung einzelner Designelemente hinausgehende Fragestellungen nutzen. Dazu gehört beispielsweise der Vergleich von zwei Algorithmen zur Ermittlung von Produktvorschlägen im E-Commerce oder, wie bei Wohllebe et al. (2021b) und Wohllebe und Blaschke (2022) beschrieben, der Vergleich unterschiedlicher Frequenzen, mit denen Nutzer Push Notifications erhalten. So lassen sich beispielsweise die Nutzer einer App in zwei Gruppen unterteilen, die über einen Zeitraum von mehreren Wochen zwei Nachrichten (Gruppe A) oder eine Nachricht (Gruppe B) pro Woche erhalten, um zu prüfen, wie sich die Frequenz auf Open Rate und Uninstall Rate auswirkt (Wohllebe et al., 2021b). Exemplarisch skizziert Abb. 5.14 ein Experiment, mit dem untersucht wird, ob sich das Vorhandensein eines Titels („Jetzt gewinnen!“) bei einer Push Notification positiv auf die Open Rate auswirkt. Ein Experiment, das überprüft, wie das Vorhandensein von Titel, Button und Bild bei Push Notifications auf das User Engagement wirkt, konnte übrigens zeigen, dass lediglich ein Titel die Open Rate signifikant positiv beeinflusst (Wohllebe et al., 2021a). Abb. 5.15 schlägt als Erweiterung vor, im Titel einer Push Notification („Jetzt gewinnen!“) zu testen, inwiefern ein Emoji positiv auf das User Engagement wirkt. Methodische Überlegungen Die beschriebenen Ansätze für mögliche A/B-Tests suggerieren möglicherweise (fälschlicherweise), dass Ideen für A/B-Tests „aus dem Bauch heraus“ entstehen. Tatsächlich dürfte ein Großteil der in der Praxis durchgeführten A/B-Tests auf solchen Ideen basieren, die eher explorativ angelegt sind und im Kern „einfach mal zwei unterschiedliche Varianten gegeneinander testen“. Ein solches Vorgehen ist insofern problematisch, als dass es in einem A/B-Test nicht (nur) darum gehen sollte, eine Kennzahl („höhere Öffnungsrate“) zu verbessern, sondern das Nutzererlebnis insgesamt. Insofern ist eine Hypothese, das heißt eine begründete Annahme, warum eine Veränderung eines bestimmten Elements eine bestimmte Veränderung des Nutzerverhaltens nach sich ziehen sollte, wesentliche Ausgangsbasis für einen A/B-Tests. Morys (2018, S. 103) schlägt dazu vor, die in der Regel als Wirkungszusammenhang formulierte Hypothese (X führt zu Y) um eine Begründung für diesen Wirkungszusammenhang zu ergänzen und zusätzlich als Ausgangsbasis für den Test die Beobachtung des Status Quo zu formulieren: ಱ:LUHUNHQQHQGDVV>.81'(19(5+$/7(1@ ,QGHPZLU>%(6&+5(,%81*'(59(5†1'(581*@ ZHUGHQ1XW]HU>%(*5ž1'81*'(59(5+$/7(16†1'(581*@ XQGGLH.HQQ]DKO>.(11=$+/@¦QGHUWVLFKXP>;@ELV>