Praktikum der Urologie für Studierende und Ärzte: Für Studierende und Ärzte [1. Aufl.] 978-3-7091-4570-8;978-3-7091-4720-7

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Praktikum der Urologie für Studierende und Ärzte: Für Studierende und Ärzte [1. Aufl.]
 978-3-7091-4570-8;978-3-7091-4720-7

Table of contents :
Front Matter ....Pages i-vii
Allgemeine Krankenuntersuchung (Hans Gallus Pleschner)....Pages 1-12
Harnuntersuchung (Hans Gallus Pleschner)....Pages 12-14
Katheterismus (Hans Gallus Pleschner)....Pages 14-38
Cystoskopie (Hans Gallus Pleschner)....Pages 39-48
Ureterenkatheterismus (Hans Gallus Pleschner)....Pages 48-54
Funktionelle Nierendiagnostik (Hans Gallus Pleschner)....Pages 54-58
Röntgenuntersuchung (Hans Gallus Pleschner)....Pages 58-60
Back Matter ....Pages 61-64

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PRAKTIKUM DER UROLOGIE FOB BTUDmBENDE UND ÄltZTE VON

Da HANS GALLUS PLESCHNER PRIVATDOZENT FÜR UROLOGIE AN DER UNIVERSITÄT WlEN

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SPRINGER-VERLAG WIEN GMBH 1924

PRAKTIKUM DER UROLOGIE FÜR STUDIERENDE UND ÄRZTE VON

DR. HANS GALLUS PLESCHNER PRIVATDOZENT FÜR UROLOGIE AN DER UNIVERSITÄT WlEN

MIT 5 TEXTABBILDUNGEN

SPRINGER-VERLAG WIEN GMBH 1924

ISBN 978-3-7091-4570-8 ISBN 978-3-7091-4720-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-7091-4720-7

MEINEM HOCHVEREHRTEN

CHEF UND LEHRER

PROF. DR. JULIUS HOCHENEGG IN STETER DANKBARKEIT ZUGEEIGNET

Vorwort. Das vorliegende Büchlein enthält eine Niederschrift dessen, was ich seit Jahren meinen Hörern, Studenten und Ärzten als urologisches Praktikum vorgetragen habe. Der leitende Gedanke, hier wie dort, war, feststehende Tatsachen aus der Urologie mitzuteilen, aber auch durch Besprechung der spezialistisch urologischen Untersuchungsmethoden und der dazu gehörigen Instrumente den Grund zu weiterem selbsttätigen Forschen und Erproben zu legen. Das Buch setzt sich zum Ziel, unter Vermeidung alles überflüssig Erscheinenden einen tunlichst großen Kreis von Ärzten und Studierenden in die praktische Urologie einzuführen, wobei es naturgemäß keinen Anspruch darauf erhebt, eine Beantwortung aller Fragen der Urologie zu versuchen und noch weniger die Meinungen Aller über verschiedene Themata wiederzugeben. In erster Reihe sind persönliche Erfahrungen und Ansichten niedergelegt, und wenn Kundige darunter Dinge finden, die. meine Lehrer lehrten, so kann mir dies zum Vorteil gereichen. Durch die Befolgung der hier gegebenen Ratschläge soll vor allem der oberste Grundsatz des "Primum non nocere" beobachtet werden. Die Einteilung des Stoffes ist eine etwas ungewohnte. Es finden sich z. B. in der Anamnese gleich auch die Deutung der Symptome, in der Symptomatologie auch therapeutische Winke. Ein kurzes Sachregister erleichtert das Auffinden von Einzelheiten. Dies Buch soll ja auch kein Lehrbuch der Urologie sein, es möge nur auch mit dahin leiten, wohin all unser Forschen und Streben, Wissen und Können führen soll: "Saluti et solatio aegrorum".

Wien, Ende 1923.

H. G. Pleschner.

Inhaltsverzeichnis. Seite

1. Allgemeine Krankenunters uchung

1

......

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B. Äußere Untersuchung

9

1. Inspektion

9

A. Anamnese

2. Palpation

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3. Perkussion

12

11. Harnuntersuchung

12

IH. Katheterismus

14

IV. Cystoskopie

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V. Ureterenkatheterismus . VI. Funktionelle Nierendiagnostik VII. Röntgenuntersuchung Sachverzeichnis

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48 54 58

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1. Allgemeine Krankenuntersuchung. Einleitend muß betont werden, daß die urologische Untersuchung nicht die Untersuchung eines Organes sein darf, sondern die Untersuchung des kranken Menschen. Daß sich die folgenden Seiten naturgemäß hauptsächlich mit Organ untersuchungen befassen, erklärt sich aus dem angestrebten Zweck, eine Einführung in die Erkenntnis der urologischen Erkrankungen zu sein. Infolgedessen wird auf die Erkrankung anderer Organsysteme nur insoweit Rücksicht genommen werden, als sie einen integrierenden Bestandteil des in Rede stehenden Krankheits bildes bilden. Es ist hier auch der Platz, den Begriff der "Urologie" näher zu umgrenzen, wie er uns in den folgenden Darstellungen immer wieder begegnen wird. Die innige, teils anatomische, teils funktionelle Zusammengehörigkeit der Harnorgane mit anderen Organen bringt es mit sich, daß sich die Grenzen urologischerErkrankungen leicht verwischen. Es hieße, dem Geist der Medizin Gewalt antun, wenn eine derartige Grenzüberschreitung den Fachspezialisten in unbekanntes Land führte. Anderseits sollen aber auch dem praktischen Arzt die feineren Untersuchungsmethoden des Urologen nicht fremde Begriffe sein, er soll wissen, was er von der spezialistischen Untersuchung für seinen Kranken erwarten kann und wo die Grenzen auch dieses Wissens und Könnens gezogen sind. Da es nun nicht möglich ist, insbesondere im Rahmen, den sich diese Ausführungen gesetzt haben, ausführlicher auf die Grenzgebiete der internen Nierenerkrankungen, der weiblichen Genitalerkrankungen, der Erkrankungen des Zentralnervensystems und die venerischen Infektionen einzugehen, so beschränkt sich unser Gebiet der Urologie auf jene Erkrankungen des Harn- und Genitalapparates, die chirurgischen Maßnahmen im engeren und weiteren Sinne zugänglich sind. Diese unsere Auffassung deckt sich auch mit dem Gebiet, das allgemein der chirurgischen Urologie, bzw. dem urologischen Spezialisten zugestanden wird. PIe s eh ne r, Praktilmm der Urologie.

1

2

1. Allgemeine Krankenuntersuchung.

A. Anamnese. Unter Zugrundelegung der in der Einleitung gestreiften allgemeinen Gesichtspunkte wird man schon bei der Erhebung der Anamnese Wert auf ge·wisse Spezialdinge legen, die für die Erkenntnis der urologischen Erkrankung von Wichtigkeit sind. Aus der Erfahrung, daß z. B. bestimmte Gegenden ein gehäuftes Auftreten von Blasensteinen, andere (Ägypten) Blasenerkrankungen durch Bilharzia aufweisen, wird sich der Wert einer "geographischen Anamnese" erkennen lassen. Hieher gehört auch der Umstand, daß die in bestimmten Gegenden herrschenden Lebensverhältnisse eine gewisse Prädisposition für bestimmte Erkrankungen schaffen können. Ich konnte z. B. während des Krieges, als die Ernährungsverhältnisse in Österreich alles zu wünschen übrig ließen, Blasensteine nur bei Patienten sehen, die aus den von der Natur wesentlich besser versorgten westungarischen Bezirken kamen. Familienanamnestisch kommen alle jene Erkrankungen in Betracht, von denen eine hereditäre Belastung teils erwiesen, teils wahrscheinlich ist. Das Vorkommen von Steinerkrankungen, von Nephritiden in der unmittelbaren Aszendenz kann Fingerzeige für die Art des vorliegenden Leidens geben, von Lues und Hämophilie als familiärer Erkrankung nicht zu sprechen. Auch von uratischer Diathese, Diabetes, Tuberkulose wissen wir, daß eine hereditäre Belastung vorkommt. Wenden wir uns früheren Erkrankungen des Patienten selbst zu, so sind es hauptsächlich Lues, Gonorrhoe, Tuberkulose, Nephritis, Eiterungen aller Art, welche als Grund des jetzigen Leidens in Betracht kommen können. Auch die eventuelle Wiederholung derselben Erkrankung, also echte Rezidive, sind bei gewissen urologischen Erkrankungen nicht so selten, werden dann aber gewöhnlich vom Kranken selbst bereits richtig erkannt. Zu der jetzigen Erkrankung übergehend, ist es von Wichtigkeit, die Art des Beginnes derselben vom Kranken zu erfahren. Während die plötzlich einsetzende Erkrankung meist genau nach Tag und Stunde angegeben werden kann, erfährt man bei langsam beginnenden Krankheitszuständen vielfach erst durch dahingehende Fragen, daß der jetzige Zustand nur eine momentane Steigerung eines schon längere Zeit sich vorbereitenden Prozesses ist. Be-

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Anamnese.

zeichnend hiefür ist die wiederholt von Prostatikern zu hörende Antwort auf die Frage, ob sich nicht schon längere Zeit Schwierigkeiten beim Urinieren ergeben hätten: Das wohl, aber das seien wohl Erscheinungen, die mit dem Alter zusammenhingen ... Von den S y m p tom e n der verschiedenen urologischen Erkrankungen sollen an dieser Stelle nur jene erwähnt werden, welche dem Kranken selbst zum Bewußtsein gekommen sind. Hier ist an erster Stelle der Schmerz in den verschiedensten Formen und Lokalisationen zu nennen, der als subjektiv wohl nicht zu übersehendes Symptom meist beim ersten Auftreten alarmierend genug ist, um den Patienten zum Arzte zu führen. Insbesondere gilt dies natürlich von jenen Schmerzzuständen (Koliken), welche wegen ihrer Intensität eine unmittelbare Hilfe erfordern. In zweiter Reihe stehen Veränderungen in der Zahl, Art und Form der Miktionen sowie im Aussehen des Harns. Es wird sich aber auch hiebei vielfach erst durch genaueres Befragen Wertvolles gewinnen lassen. Viele Kranke kommen mit der Angabe, daß sie sehr häufig urinieren müssen. Um diese Aussage genauer zu machen, empfiehlt es sich, die Patienten nach der Dauer der Pa u sen zwischen den Miktionsakten zu befragen. Sehr oft reduzieren sich dadurch unbestimmte Angaben, wie:· sehr oft, häufig, alle Augenblicke usw. auf eine Miktionsfrequenz, die sich von der normalen wenig unterscheidet. Insbesondere ist Wert darauf zu legen, wie oft die Kranken in der Na c h t durch Harndrang geweckt werden. Viele Leute, deren Schlaf nicht gut ist, und die durch Störungen in der Harnentleerung bei Tag auf die Funktionen ihrer Blase aufmerksam gemacht wurden, benützen die Zeit des Wachliegens in der Nacht, um über ihre Erkrankung nachzudenken und dabei auch häufig "versuchsweise" zu urinieren, wodurch eine Miktionsfrequenz resultiert, die mit der durch die Erkrankung bedingten nicht im Einklang steht. Anderseits läßt die Angabe, daß die Patienten die Nacht ohne Störungen durchschlafen, eine wirkliche Reizbarkeit der Blase durch irgendwelche Ursachen fast mit Sicherheit ausschließen. Ist die Häufigkeit der Miktion - Pollakisurie - durch die angedeutete Fragestellung aber auch objektiv bewiesen, so ist sie ein Symptom, das 1line ganze Reihe von Ursachen haben kann, wie wir sie zusammenfassend in folgendem Schema bringen. Der Zusammenfassung seien noch einige erklärende Bemerkungen vorausgeschickt Wir verstehen unter Pollakisurie die 1*

I. Allgemeine Krankenuntersuchung.

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vermehrte Harnfrequenz, unter Polyurie die vermehrte Harnmenge, unter Oligurie die verringerte Harnmenge. Schon aus dem Umstande, daß wir für die Vermehrung der Miktionsfrequenz und der Harnmenge zwei verschiedene Bezeichnungen haben, geht hervor, daß diesen Vermehrungen in der Symptomatologie der urologischen Erkrankungen eine ungleich größere Bedeutung zukommt als der Verringerung der Harnmenge. Wenn wir normalerweise mit einer mittleren Blasenkapazität von 200-300 eem rechnen, so kommt eine Pollakisurie einmal dann zustande, wenn dieses Reservoir von den Nieren aus rascher als normal gefüllt wird. Eine derartige Pollakisurie ist also immer mit einer Polyurie verbunden. Nehmen wir auf der anderen Seite eine gleichbleib ende Flüssigkeitsmenge an, die zur Ausscheidung kommt, so kann die Ursache der Pollakisurie nur in einer verminderten Blasenkapazität liegen, d. h., das kleiner gewordene Reservoir muß öfter entleert werden. Einer dritten Ursache der Pollakisurie sei noch gedacht, die aber gegenüber den erwähnten in den Hintergrund tritt, nämlich die vermehrte Harnfrequenz infolge von Reizungszuständen am Blasensphinkter und in der hinteren Harnröhre (z. B. Urethritis posterior). Aus dem Gesagten ergibt sich folgendes Schema:

( Polyurie

(vermehrte Flüssigkeitsaufnahme Diuretica Urina nervosa Diabetes insipidus Schrumpfniere Diabetes mellitus Nierenerkrankungen { Cystenniere Prostatikerniere , { entzündlich I· h I Wandveränderungen

j I

Pollakisurie

j l

I

verminderte

l Blasenkapazität

I

{

~;:i~:StISC

intravesikale Ursachen Tumoren Fremdkörper gefüllte Ampulle extravesikale Ursachen{ Beckentumoren Gravidität

Die Oligurie ist stets durch renale Störungen bedingt. Haben wir uns im Vorhergehenden mit den Störungen in der Menge und Häufigkeit des entleerten Harns befaßt, so wenden wir

Pollakisurie. -

Pyurie.

5

uns jetzt den Veränderungen im Aussehen des Harns zu. Da sind es vor allem die Beimengung von Blut und Eiter zum Harn, welche anamnestisch erhoben werden können. Die Beimengung von Blut zum Harn, die Hämaturie, ist ein Symptom, das meist vom Kranken oder seiner Umgebung frühzeitig bemerkt wird. Irrtümer kommen in der Richtung vor, daß der "hochgestellte" Harn, insbesondere wenn er Sedimentum lateritium enthält, als blutig bezeichnet wird. Seltener sind es ausgeschiedene Farbstoffe (z. B. bei einzelnen Personen nach Genuß von roten Rüben oder nach gewissen Medikamenten - Senna), die zu Mißdeutungen Anlaß geben. Vor der Verwechslung von beigemengten Blut- oder Eitermengen bei Frauen mit wirklichen Hämaturien oder Pyurien schützt das später nochmals zu betonende Prinzip, von weiblichen Patienten nur den Katheterharn zu untersuchen. Bezüglich der Beimengung von Eiter zum Harn, Pyurie, sind die Angaben der Patienten meist viel ungenauer, als wenn es sich um Blut handelte. Insbesondere begegnet man häufig der Verwechslung von klar und licht. Ein Eiter in großen Mengen enthaltender Harn wird, wenn seine Farbe hellgelb ist, von den Kranken meist als klar oder licht bezeichnet. Dagegen erhält man bei schweren Pyurien mit schleimigen Beimengungen meist richtige Angaben, besonders die, daß sich das Gefäß nur schwer von dem Bodensatze reinigen ließe. Vielfach klagen die Patienten mehr als über Eiter und Blut im Harn über den schlechten Geruch desselben. In der Tat stellen die üblen Gerüche, die sich von krankhaft veränderten Harnen erheben, große Anforderungen an die Geruchsnerven des Kranken und seiner Umgebung. Dabei wird vielfach der stechende ammoniakalische Geruch des zersetzten Harns nicht so unangenehm empfunden als der faule, manchmal direkt fäkulente Geruch des Koliharns, und als besonders unangenehm gilt der jauchige Gestank des Harns, wie er bei zerfallenden Blasenkarzinomen weithin die Umgebung verpestet. Wir haben bisher die Veränderungen des Harns und seine pathologischen Beimengungen vom subjektiven Standpunkt des Patienten betrachtet, wie er sich bei der Erhebung der Anamnese uns darbietet. Nun sind aber Pyurie und Hämaturie so wichtige

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I. Allgemeine Krankenuntersuchung.

Symptome, daß eine objektive Wertung derselben ebenfalls am Platze erscheint. Das Wesen der Pyurie läßt sich in einen Satz fassen: die Beimengung von Eiter zum Harn bedeutet unter allen Umständen das Vorhandensein eines entzündlichen Prozesses. Über die ungefähre Lokalisation desselben gibt uns die Zwei-GläserProbe Aufschluß, und zwar zunächst im negativen Sinne. Klarheit der zweiten Harnportion läßt uns mit Sicherheit einen eitrigen Prozeß in den höheren Harnwegen ausschließen. Dagegen sagt uns die eitrige Trübung in beiden Harnportionen, daß außer der eventuell mitergriffenen Urethra in Blase oder Niere entzündliche Prozesse sich abspielen. Eine Lokalisation des Eiterherdes aber kann aus diesen sichtbaren Veränderungen nicht getroffen werden. Das Gleiche gilt, wenn der Harn die Beimengung von Blut zeigt. Es gibt kein Zeichen, das uns mit Sicherheit sagen könnte, ob die vorhandene Blutung aus der Blase oder aus der Niere stammt. Wohl aber können wir sagen, daß die wahre Hämaturie, also die innige Vermengung von Harn mit Blut die Quelle der Blutung an einer Stelle des Urogenitalapparates vermuten läßt, welche zentral vom Sphinkter externus gelegen ist. Blutungen, welche peripher vom äußeren Schließmuskel der Blase ihren Ursprung haben, kommen nicht als Hämaturie zur Erscheinung, sondern das Blut fließt oder tropft unabhängig vom Miktionsakt aus der Harnröhre ab, wir haben es also mit einer Hämorrhagie (Urethrorrhagie), nicht mit einer Hämaturie zu tun. Nur für eine bestimmte Form der Hämaturie, die "terminale", bei der zum Schluß der Miktion der Harn blutige Färbung zeigt oder einige Tropfen reinen Blutes abgehen, können wir die Quelle der Blutung mit einiger Sicherheit in der hinteren Harnröhre oder am Blasenhals annehmen. Ganz allgemein gesprochen sind die wichtigsten Ursachen der Hämaturie in allen Teilen des Harntraktes entzündliche, neoplastische oder traumatische. Je nach dem betroffenen Organ tritt eine oder die andere dieser Ursachen an Häufigkeit in den Vordergrund, die wir im folgenden Schema durch Unterstreichen hervorheben. Außerdem ist noch der Gesamtheit des Harnapparates eine Ursache der Hämaturie gemeinsam, das ist das Vorhandensein von S t ein e n (oder seltener von Fremdkörpern). Vielfach läßt sich dabei die Auslösung der Blutung durch starke körperliche Bewegungen konstatieren.

Hämaturie.

urethral

Hämaturie

vesikal

renal

entzündlich { neoplastisch traumatisch entzündlich { neoplastisch traumatisch

7

f Steine

entzündlich { neoplastisch traumatisch

J

Zu den Veränderungen des Harns, bzw. der Miktion gehören schließlich noch jene Zustände, bei denen der Patient angi bt, nicht urinieren zu können. Zwei Ursachen hiefür können vorhanden sein. Entweder ist kein Harn vorhanden, der ausgeschieden werden kann, oder der Kranke vermag den in der Blase sich ansammelnden Harn nicht auf normale Weise nach außen zu befördern. Es kann, m. E., gar nicht oft genug betont werden, daß zwischen diesen beiden Zuständen ein großer Unterschied besteht. Nicht von dem Kranken wird der Irrtum begangen, denn der weiß ganz genau, mit welchen Schwierigkeiten er versucht, seine Blase zu entleeren, daß er also eine Retention hat, sondern, leider, noch immer von Ärzten. Es sollte nicht vorkommen, daß ein Zustand, wo der Patient eine bis zum Nabel stehende, prall gefüllte Blase hat, vom Arzt als Anurie bezeichnet wird. Abgesehen von der gröblich falschen Auffassung des Krankheitsbildes kann ja auch die Therapie dadurch in der falschesten Weise beeinflußt werden. Es seien daher die Unterschiede nochmals ausdrücklichst hervorgehoben.

Anurie ist ein Zustand, bei dem kein Harn vorhanden ist; Retention ist ein Zustand, bei dem Harn vorhanden ist, aber nicht nach außen befördert werden kann.

Es gibt eine seltene Kombination beider Zustände, wenn (bei Fehlen oder Zugrundegegangensein der einen Niere) eine Retention im Nierenbecken statthat. Dann fördert auch der Katheterismus keinen Harn aus der Blase, es scheint also An u r i e vorzuliegen, aber der Ureterenkatheterismus löst die Re t e n t ion im Nierenbecken.

Die Urs ach e n, durch welche eine einmalige oder dauernde Unmöglichkeit, den Harn auf natürliche Weise zu entleeren, bedingt wird, sind verschieden. In der weitaus größten Zahl der Fälle

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LAllgemeine Krankenuntersuchung.

sind es Männer, die unter diesen Krankheitserscheinungen zu leiden haben. Bei Frauen kommen wohl komplette Retentionen vor, deren Grundlage meist Erkrankungen des Zentralnervensystems sind. Vorübergehende Retentionen, wie sie z. B. nach Operationen vorkommen (Hernien, Rektumkarzinom, Hämorrhoiden) sind beiden Geschlechtern eigen - ihre Ursache ist noch unbekannt. Die zwei chronischen kompletten Retentionen bei Frauen, die mir eben wegen ihrer Seltenheit in Erinnerung sind, betrafen einmal eine Frau, die nach einem Kurettement eine monatelang dauernde Harnverhaltung behielt, ein anderesmal eine Patientin mit Hermaphroditismus externus, bei der sich im Verlaufe einer schweren Cystitis eine komplette dauernde Retention einstellte.1) Bei Män ne r n sind die häufigsten Ursachen der Harnverhaltung in einer großen Zahl der Fälle an ge"wisse Altersstufen gebunden. Obwohl selbstverständlich Ausnahmen von dieser Regel bestehen, insbesondere da die Akquirierung der Gonorrhoe und ihre Folgeerscheinungen auch bei viel jüngeren Individuen vorkommt, trifft die folgende Zusammenstellung in der Mehrzahl der Fälle zu. Wir können so rein schematisch sagen, daß die Ursachen der akuten Retentionen sind: im Alter bis 35 Jahre von 35-45 Jahren von 45-55 Jahren von 55 Jahren aufwärts

akute gonorrhoische Prostatitis, Strikturen der Harnröhre, Erkrankungen des Zentralnerven . systems (Tabes, Paralyse). Prostatahypertrophie.

Man wird in ungefähr drei Vierteln der Fälle nicht fehlgehen, wenn man nach dem Alter des Patienten auf die in diesem Alter häufigste Ursache der Retention schließt. Von selteneren Vorkommnissen seien erwähnt Steineinklemmung, Verschluß der inneren Harnröhrenöffnung durch Tumorzotten, Fremdkörper, endlich Blockierung des Harnabflusses durch Koagulation großer Blutmengen in der Blase. Als letzten Punkt der Anamnese obliegt es uns noch, zu erfahren, ob die Erkrankung mit Temperatursteigerungen einherging. 1) Während der Niederschrift hatte ich Gelegenheit, einen weiteren Fall von Retention bei einer jungen Patientin zu sehen. Die Ursache war eine Lumbalpunktion, während welcher die Kranke heftige Schmerzen in der Blase verspürte. Außerdem bestand hochgradige Nervosität.

Außere Untersuchung. -

Inspektion.

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Dabei muß auf einen ziemlich verbreiteten Irrtum hingewiesen werden. Die akute Cystitis verläuft in den meisten Fällen ohne Fieber. Wenn Temperatursteigerungen, insbesondere solche mit Schüttelfrösten und jähem Fieberanstieg vorkommen, so lassen sie auf Mitbeteiligung des Nierenbeckens schließen. Für die Pyelitis sind hohe Abendtemperaturen mit morgendlichen Remissionen nach Art des septischen Fiebers - charakteristisch.

B. Äußere Untersuchung. Für die äußere Untersuchung kommen, ebenso wie bei allen anderen Erkrankungen, bei urologischen Fällen die Inspektion, die Palpation und die Perkussion in Betracht. Naturgemäß wird allen diesen drei Untersuchungsmethoden bei der versteckten Lage der Harnorgane nur ein beschränkter Wert zukommen, dennoch werden ihre Befunde mit den durch die Spezialuntersuchungen erhobenen sich gegenseitig ergänzen müssen.

1. Inspektion. Die allgemeine Besichtigung der Körperoberfläche läßt Veränderungen der Hautfarbe erkennen (Ikterus, Bronzefärbung bei Morbus Addisonii). Eine über den ganzen Körper sich erstreckende Aussaat von kleineren oder größeren .bräunlichen, ephelidenartigen Flecken kommt bisweilen bei Hypernephromen und anderen Nierentumoren vor. Tumoren der Niere müssen bereits eine erhebliche Größe erreicht haben, wenn sie als Vortreibung der Flanke und des Oberbauches gesehen werden können. Bisweilen ist dies aber der Fall, wenn in der Narkose die Bauchdecken vollkommen erschlafft sind. Ebenfalls bei Nierentumoren kommt als sichtbares Zeichen des durch den Tumor geschädigten Kreislaufes eine sichtbare Erweiterung und Schlängelung der Venen in der Bauchhaut vor. Aus demselben Grunde als gleichfalls sichtbares Symptom eine variköse Erweiterung des plexus pampiniformis (V arikokele), die sich von der idiopathischen dadurch unterscheidet, daß sie beim Liegen nicht verschwindet (HocHENEGG). Ödematöse Anschwellungen im Gesicht und an den Unterschenkeln, die charakteristische graue Gesichtsfarbe bei malignen Neoplasmen, stark geschlängelte Temporalarterien sind weitere dem Gesichtssinn

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I. Allgemeine Krankenuntersuchung.

zugängliche Veränderungen, deren Ausdeutung dem gesamten Krankheitsbilde hinzuzufügen ist. Für sichtbare Veränderungen am äußeren Genitale (Mißbildungen, Ektopia vesicae, Kryptorchismus, Epi- und Hypospadie, Phimose, Stenose des Orificium externum, Verkrümmungen des Penis, Hermaphroditismus, abnorme Ausmündung der weiblichen Urethra) genügt die Aufzählung. 2. P alpati 0 n. Die Palpation der Niere kann sehr wichtige Aufschlüsse über Größe, Gestalt, Lage und Konsistenz des Organes geben. Bei seiner versteckten Lage unter dem Rippenbogen ist meist nur der untere Pol der Betastung zugänglich, außer wenn durch Lageveränderung (Wanderniere) die ganze Niere tiefer als normal steht. Auch Geschwülste im oberen Teil der Niere können eine Verdrängung des unteren Pols nach unten bewirken und diesen dadurch der Palpation besser zuführen - was bei normalem Verhalten des letzteren - den Verdacht auf Verdrängung hervorrufen muß. Die Palpation der Niere wird in drei verschiedenen Positionen vorgenommen. Entweder liegt der Patient flach auf dem Rücken, oder in halber Seitenlage oder schließlich in Knie-Ellenbogen- bzw. Knie-Handlage. Bedingung für die Möglichkeit, die Niere abzutasten, sind nicht zu dicke Bauchdecken und vollkommene Entspannung derselben. (Man wird aber selten in der Lage sein, hiezu Narkose zu Hilfe zu nehmen.) Die Hände liegen flach auf, so daß die rückwärtige Hand mit dem Mittelfinger bis in den RippenWirbelsäulewinkel reicht, die vordere unter den Rippenbogen besonders bei der Exspiration - eindringt. Die Palpation erfolgt mit steif gehaltenen Fingern aus dem Metacarpo-phalangealgelenk, so daß die ganze Länge der Finger zur Betastung herangezogen wird. Nur die Spitze des rückwärtigen Mittelfingers darf tief eindringend nach Druckschmerz im Rippenwinkel suchen, der für Erkrankungen der Niere - speziell entzündlicher Art - pathognomonisch ist. Von Wichtigkeit ist es, bei Tumoren der Nierengegend das 'sogenannte "Ballottement renal" zu konstatieren, also die Niere zwischen beiden Händen bewegen zu können. Für die gewöhnliche Untersuchung kommt man mit der Rücken- und Halbseitenlage aus. In besonders schwierigen Fällen kann man bei bimanueller Untersuchung, während sich der Patient knieend auf

Palpation.

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die Hände stützt, wenn er dabei die Bauchdecken gut entspannen kann - was Voraussetzung dieser Untersuchungsart ist - einen Palpationsbefund erheben. Die Erkrankungen der Blase sind der Palpation im Allgemeinen nicht zugänglich mit Ausnahme der seltenen Fälle, wo sich Infiltrate um die Blase durch den Tastsinn nachweisen lassen. Es soll aber nicht unterlassen werden, darauf hinzuweisen, daß ein rundlicher, oberhalb der Symphyse gelegener, manchmal bis zum Nabel reichender, prall elastischer Tumor die gefüllte Blase sein kann. Verwechslungen derselben mit Tumoren des Bauches habe ich öfters gesehen. Einen gewissen Fingerzeig für entzündliche Erkrankungen der Blase ergibt die Palpation in der Richtung, daß ein sanfter oder stärkerer Druck über der Symphyse das Gefühl des Harndranges auslöst. Das einzige von den Urogenitalorganen, das ohne Schwierigkeiten palpiert werden kann und bei welchem die Palpation sehr häufig die wichtigste Untersuchungsmethode darstellt, ist die Pro s tat a. Bei einfacher rektaler Palpation und eventuell, wenn die Bauchdecken gut erschlafft werden können, auch bimanuell in Rücken- oder Knie-Handlage läßt sich Form, Größe, Konsistenz, Oberfläche und Druckempfindlichkeit der Prostata palpatorisch erheben. Die derbelastische Konsistenz der deutlich vergrößerten, kugelig ins Rektum vorspringenden oder nach bei den Seiten verbreiterten hypertrophischen Prostata, die knorpel- bis knochenharte Konsistenz und die unregelmäßige Oberfläche, sowie die Unmöglichlmit, das Organ gegen die Beckenwand deutlich abzugrenzen beim Carcinom der Vorsteherdrüse, die kleinen Knötchen der Prostatatuberkulose, die enorme Schmerzhaftigkeit und verschiedene Konsistenz bei der Prostatitis seien einige sinnfällige Beispiele. Unmittelbar über der Prostata tastet man die Samenblasen und einen kurzen Abschnitt der Vasa deferentia sowie zuweilen pathologisch veränderte Ureteren. Bei Kindern, selten bei Erwachsenen, ist es möglich, bimanuell Blasensteine durch Palpation nachzuweisen. Bei Frauen ist der unterste Abschnitt des Ureters vom vorderen Scheidengewölbe aus tastbar und die derbe Verdickung desselben an dieser Stelle ist pathognomonisch für die tuberkulösen Veränderungen des Harnleiters. Schließlich ist die Expression der Prostata und der Samenblase mit mikroskopischer Untersuchung des Exprimates

12

11. Harnuntersuchung.

als wichtiges diagnostisches Hilfsmittel den Erkenntnissen durch die Palpation hinzuzuzählen. Die Veränderungen am äußeren Genitale (Induratio penis plastica, Carcinom des Penis und der Urethra, Carcinom der Vulva und der weiblichen Urethra), an den regionären Lymphdrüsen (Metastasen) sowie am Hoden und Nebenhoden seien als gleichfalls oft palpatorisch diagnostizierbare Erkrankungen der Vollständi~­ keit halber hier angeführt. 3. Per k u s si 0 n. Die Ergebnisse der Perkussion für die Erkenntnis urologischer Erkrankungen stehen an Bedeutung weit hinter den durch die erwähnten Untersuchungsmethoden erlangten zurück. Mit dem Nachweis meteoristischen Schalles über einer Geschwulst in der Nierengegend und einer Dämpfung über der Symphyse durch die gefüllte Blase ist der Rahmen des perkutorisch Erkennbaren ausgefüllt.

11. Harnuntersuchung. Das oberste Prinzip jeder Harnuntersuchung muß sein:

Nur der frisch gelassene, bzw. bei Frauen der mit dem Katheter entnommene Harn darf untersucht werden. Wir haben bereits bei Besprechung der Krankenanamnese darauf hingewiesen, daß die objektiveBeurteilung derVeränderungen des Harns nur dann möglich ist, wenn der Harn frisch ist. Abgesehen davon, daß der "mitgebrachte" Harn absichtlich oder unabsichtlich mit fremden Substanzen versetzt sein kann, ist das oben aufgestellte Prinzip so selbstverständlich, daß es eben darum nicht oft genug betont werden kann. Man braucht nur in irgendeinem Falle den Inhalt des mitgebrachten Fläschchens mit dem frisch gelassenen Harn zu vergleichen, um von der Richtigkeit der Forderung überzeugt zu sein. Das Urinierenlassen des Patienten hat außerdem den Vorteil; daß gewisse Angaben des Kranken über Art seiner Miktion durch den Augenschein kontrolliert werden können. Man muß freilich dabei Rücksicht auf die Eigenheiten seiner Kranken nehmen, die vielfach nicht in Gegenwart anderpr Personen urinieren können. Das scheinbar unabsichtliche Auf-

Harnuntersuchung.

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drehen der Wasserleitung hilft oft über derartige Hemmungen hinweg. Von Wichtigkeit ist ferner das Urinierenlassen in zwei Portionen, wie dies schon früher erwähnt ·wurde. Eine klare zweite Harnportion läßt Erkrankungen der höheren Harnwege fast mit Sicherheit ausschließen. Den frisch gewonnenen Harn beurteilt man nach seinem Aussehen (Farbe), seiner Reaktion, seinem spezifischen Gewicht und auf seinen Gehalt an pathologischen Bestandteilen. Das Aussehen des normalen Harnes ist kristallklar, leuchtend, seine Farbe von hell- bis dunkelgelb wechselnd. Schon bei der gewöhnlichen Betrachtung werden uns Abweichungen von der Norm deutlich. Beimengungen von Blut verraten sich durch die hellrote bis dunkelbraunrote Färbung des Harns bei verminderter Durchsichtigkeit desselben. Bei eitrigem oder durch Bakterien getrübtem Harn geht das Leuchten verloren, der Harn sieht stumpf aus. Auch über die Beschaffenheit des Sedimentes vermag die einfache Betrachtung Aufschluß zu geben. Man sieht das rasche Zubodensinken der dicken schweren Eitermengen zum Unterschied von der Schlierenbildung bei der Bakteriurie. Geformte Bestandteile, wie Filamente, Kristalle, kleine Konkremente, sind mit bloßem Auge zu erkennen. Charakteristisch ist der leicht grünliche Stich des stumpfgelben Harns bei der Tuberkulose der Harnorgane. Reaktion und spezifisches Gewicht des Harns sind für die Beurteilung der Erkrankung von geringerer Bedeutung, doch soll der saueren Reaktion des tuberkulösen Harns und des niedrigen spezifischen Gewichts bei Hyposthenurie gedacht werden. Was das Sediment des Harns betrifft, das man durch Abstehenlassen oder besser durch Zentrifugieren gewinnt, so muß man sagen, daß die Fachurologen den Sedimentbefunden gegenüber viel skeptischer sind, als etwa die Internisten. Gewiß ist es von Bedeutung zu wissen, ob der makroskopisch klare Harn etwa Zylinder enthält oder ob sich beim Zentrifugieren rote oder weiße Blutkörperchen nachweisen lassen, welche dem unbewaffneten Auge entgehen. Aber im allgemeinen ist Blut oder Eiter im frischen Harn fast immer auch makroskopisch zu erkennen, wenn deren Vorhandensein eine pathologische Bedeutung hat. Vor allem ist es aber vollkommen zwecklos, sich mit der Nomenklatur und den Unterschieden der verschiedenen Epithelzellen im Harn zu be-

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IU. Katheterismus.

schäftigen, da ihr Vorkommen ohne pathognon: onische Bedeutung ist, und da die Epithelzellen aus allen Teilen des Harntraktes gleich aussehen. Begnügen wir uns also bei der Betrachtung des Sedimentes im ungefärbten Präparat mit der Feststellung, ob rote oder weiße Blutkörperchen, Zylinder oder Salze vorhanden sind, so ist die Sedimentuntersuchung gerade in den chirurgisch-urologischen Fällen ohne Färbung nicht vollständig. Für den Nachweis der so häufigen Koliinfektionen genügt die Färbung mit Methylenblau. Da diese aber auch als Kontrastfärbung bei der Ziehl-Neelsenschen Färbung der Tuberkelbazillen vorgenommen wird, so lohnt es sich in allen Fällen, wo überhaupt Sediment vorhanden ist, sich der klein \ln Mühe zu unterziehen und sofort die Ziehl-Neelsen-Färbung zu machen. Ein positiver Tuberkelbazillenbefund unter 100 Fällen wiegt die angewendete Arbeit auf, andererseits ist der Nachweis anderer Eitererreger, die meistens Tuberkulose ausschließen lassen, für die ganze Beurteilung des Falles ausschlaggebend. Für den Nachweis von Tuberkelbazillen hat sich uns folgendes Vorgehen vielfach bewährt: Besonders langes und gründliches Zentrifugieren; Ausstreichen des Zentrifugates in dicker Schicht; Lufttrocknenlassen oder besser Trocknen im Brutschrank; Karbolfuchsin bis zum Kochen erhitzen, Salzsäure-Alkohol entfärben, Methylenblau. Wenn Tuberkelbazillen vorhanden sind, gelingt es in der weitaus größten Zahl der Fälle, sie auf diese Art nachzuweisen.

III. Katheterismus. Der Katheterismus ist das Einführen eines röhrenförmigen Instrumentes durch die Harnröhre in die Blase zum Zwecke der Entleerung oder Behandlung derselben. So einfach die Definition dieses Eingriffes ist, so einfach gestaltet er sich in der Mehrzahl der Fälle. Dennoch können der kunstgerechten Einführung des Katheters sich schwere, mitunter unüberwindbare Hindernisse entgegenstellen. Zu wissen, wie weit sich solche Hindernisse umgehen lassen, wie sie zu überwinden sind, und wann man von den Versuchen abzustehen hat und die Entleerung der Blase durch andere Maßnahmen bewerkstelligen muß, sollte Gegenstand eines Lehrplanes sein, der die Ausbildung des

Katheterismus.

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Studierenden für die Praxis voll ins Auge faßt. Dennoch muß leider erwähnt werden, daß die Erlernung dieses so ungemein wichtigen Eingriffes dem guten Willen des Medizin-Studierenden anheimgestellt ist, und daß er sogar Schwierigkeiten hat, seinen guten Willen auch durchzuführen. Wie die Dinge heute liegen, ist es möglich, daß der Student promoviert wird und damit das Recht der Behandlung von Kranken errungen hat, ohne daß er vom Katheterismus mehr weiß, als was er in den Lehrbüchern über die "große und kleine Meistertour" gelesen hat. Wenn man gesehen hat, wie ein Kranker durch einfachen Katheterismus von der Retention und dadurch von einem qualvollen Leidenszustand erlöst wird, wenn man andererseits Zeuge war, wie ein aus irgendwelchen anderen Ursachen nötiger Katheterismus bei unrichtigem Vorgehen zur Quelle von Schmerzen und Qualen wird, so wird man SCHLAGINTWEIT Recht geben müssen, der sagt: "Wie ist es möglich, daß das Augenspiegeln ein Prüfungsgegenstand ist, wenn es das Katheterisieren nicht ist?" Bevor wir zum 'wichtigeren und schwierigeren Katheterismus beim Manne übergehen, einige wenige Worte über den Katheterismus bei der Frau. Praktisch bietet die kurze und weite Urethra der Frau dem Einführen eines geraden oder leicht gebogenen Instrumentes keine Hindernisse. Schwierigkeiten können erwachsen, wenn man das Orificium urethrae nicht findet. Gute Lagerung der Kranken, gute Beleuchtung, ordentliches Auseinanderhalten der Labien hilft über dieses Hindernis hinweg, das höchstens dann unüberwindlich wird, wenn die Harnröhre an falscher Stelle (z. B. in der Vagina) ausmündet, oder wenn die Urethralöffnung in einem Carcinom der Vulva verborgen ist. Als Instrument kommt neben dem kurzen Metallkatheter noch irgendein weicher oder halbsteifer "männlicher Katheter" in Betracht. Die so vielfach verwendeten Glaskatheter wird man nicht gern gebrauchen, wenn man nur einmal einen abgebrochenen Glaskatheter aus der Blase entfernen mußte. Stellt man der Besprechung des Katheterismus das Prinzip voran, daß es sich bei seiner Ausführung um einen chirurgischen Eingriff handelt, so ist damit auch gesagt, daß diesem Eingriffe auch alle die Kautelen zukommen, mit denen jede chirurgische Enchairese vorgenommen werden muß. Kenntnis der zu verwendenden Instrumente, Asepsis derselben und aseptische Art ihrer

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UI. Katheterismus.

Verwendung sind so zur Selbstverständlichkeit geworden, wie die Kenntnis des Vorganges selbst. Aus einer kurzen Betrachtung der Anatomie der männlichen Urethra wird sich auch die Art der Instrumente ergeben, welche durch sie in die Blase einführbar sind. Auf dem sagittalen Durchschnitt zeigt die männliche Harnröhre eine doppelte S-förmige Krümmung auf. Während die distale Biegung durch Aufrichten der Pars pendula leicht ausgeglichen werden kann, ist die proximale Krümmung, welche sich um die Symphyse schlingt, durch die Prostata und die Muskulatur des Beckenbodens fixiert, so daß zu ihrer Ausgleichung eine gewaltsamere Streckung notwendig ist. Da hiebei die Symphyse natürlich nicht beweglich ist, so erfolgt die Streckung durch Dehnung des Lig. suspens. penis und durch Herabdrücken der Prostata. Die normalen und die durch Figur 1. Einführung eines geraden Instrumentes veränderten Lageverhältnisse der Urethra zeigt die folgende Skizze (Fig. 1). Chirurgis ch - anatomisch treffen wir eine andere Einteilung der Harnröhre als rein anatomisch. Wir unterscheiden anatomisch an , der Urethra die Pars pro/ /' statica, die Pars memStreckung der Urethra durch starre Instrumente. branacea, die Pars bul(Nach Alb a r r an: Ohirurgie der Harnwege.) bosa und die Pars pendula. Für die chirurgischen Zwecke hat sich die Einteilung der Harnröhre in die Pars anterior und die Pars posterior als praktischer erwiesen. Die Grenze dieser beiden Teile liegt dort, wo die Harnröhre die muskulös-sehnige Platte des Trigonum urogenitale durchbohrt, fällt also mit einem linear

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gedachten äußeren Schließmuskel zusammen. Die vordere Harnröhre

umfaßt also die anatomische Pars pendula und bulbosa, die hintere die Pars membranacea und prostatica. Die untere Wand der Harnröhre weist in der Bulbusaussackung, die mit dem Alter an Tiefe

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Tiemann-Katheter.

zunimmt, und mit dem Winkel, welcher den Übergang von der Pars membranacea in die Pars prostatica anzeigt, zwei deutlicher markierte Unregelmäßigkeiten auf, während die obere Wand der Urethra einen durch nichts unterbrochenen sanften Bogen darstellt. Da das Gleiten längs dieser Wand leicht in die Blase führt, nennt man diese obere Wand der Harnröhre auch die chirurgische. Aus dieser anatomischen Vorbemerkung ergibt sich leicht die Form, welche in die Blase einzuführende Instrumente haben müssen, um unter Vermeidung der Hindernisse in die Blase zu gleiten. Entweder müssen die Instrumente aus so weichem Material hergestellt sein, daß sie sich den verschiedenen Krümmungen der Urethra leicht anpassen können, oder sie müssen, wenn sie starr sind, zumindest den subpubischen Bogen der Harnröhre in ihrer Form nachahmen. In der Tat finden wir diese Nachahmung an den Metallkathetern und Sonden. Erinnert man sich noch der Forderung, daß die Instrumente möglichst längs der chirurgischen Wand gleiten sollen, so wird man ihr am leichtesten dadurch gerecht werden, daß man auch die weichen Instrumente mit einem solchen leitenden Schnabel versieht. Man kommt so empirisch zu den Instrumenten, .welche tatsächlich zum Katheterismus verwendet werden. Unter diesen muß man den TIEMANN-Katheter als das Instrument der Wahl bezeichnen. Es vereinigt in sich die Weichheit des Nelatonkatheters mit der führenden Spitze des Mercierkatheters und ist nicht nur beim gewöhnlichen Katheterismus, sondern auch bei den schwierigsten Eingriffen bei Prostatikern am Platze. Aus Weichgummi hergestellt, der in den besonders empfehlenswerten Arten der "Robusta "-Katheter eine gewisse Festigkeit besitzt, die sich wohltuend von der regenwurmartigen Weiche der Nelatonkatheter unterscheidet, besitzt der Tiemannkatheter eine fast unbegrenzte Haltbarkeit und ist unbeschränkt oft durch Kochen zu sterilisieren. Wir unterscheiden die verschiedenen Katheterarten in weiche, halbsteife und starre (Metall-)Katheter. Die weichen Katheter sind aus Gummi hergestellt, sie stellen entweder ein vollkommen gerades Rohr dar (Nelatonkatheter) oder sind mit einem leicht konisch zulaufenden, im stärkeren oder flacheren Winkel von der Hauptachse abgebogenen Schnabel versehen (Tiemannkatheter). Die halbsteifen Katheter bestehen aus einem Seidengeflecht, das mit Lack überzogen ist. Diese Formen haben alle einen kurzen, in verschiedenem Winkel abgebogenen Schnabel (coude). Man faßt sie allPleschner, Praktikum der Urologie.

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IH. Katheterismus.

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gemein unter der Bezeichnung "Mercierkatheter" zusammen. Eine besondere Abart derselben sind die bicoude Katheter, welche außer dem Schnabel noch in einiger Entfernung von der Spitze eine zweite Krümmung aufweisen und speziell für besonders schwierige Katheterismen bei Prostatahypertrophie in Betracht kommen. Die Metallkatheter zeigen verschiedene Krümmungen, entweder die ziemlich scharfe Dittelkrümmung, oder die große bogenförmige Beniguebiegung oder die fast kreisförmige und über einen Halbkreis einnehmende Krümmung des Brodiekatheters. Einen besonderen Platz nehmen unter den Metallinstrumenten die kurzschnabeligen ein. Wenn auch der Schnabel im allgemeinen länger gehalten ist als bei den Mercierkathetern, so ist er doch bedeutend kürzer als die Schnäbel der gewöhnlichen Metallsonden. Meist kommt diesem abgebogenen Teil des Instrumentes eine besondere Bedeutung zu. Bei den sogenannten Steinsonden dient er zum Abtasten der Blaseninnenfläche, beim Cystoskop als Träger der elektrischen Lampe, bei den Lithotriptoren enthält er das Gebiß des Steinzertrümmerers. Die folgenden Skizzen zeigen die verschiedenen Formen und Krümmungen der Katheter besser als dies die Beschreibung zu verdeutlichen vermag. Figur 2.

Nelaton

Tiemann

~_ _-.J:'(t) Mercier - coud