Pocket Guide Chemie [1. Aufl.] 978-3-662-58746-1;978-3-662-58747-8

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Pocket Guide Chemie [1. Aufl.]
 978-3-662-58746-1;978-3-662-58747-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VI
Allgemeine Chemie (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 1-40
Anorganische Chemie I (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 41-82
Anorganische Chemie II (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 83-125
Organische Chemie I (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 127-166
Organische Chemie II (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 167-204
Physikalische Chemie (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 205-249
Analytische Chemie (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 251-293
Biochemie (Angelika Fallert-Müller, Birgit Jarosch, Angela Simeon)....Pages 295-321

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Angelika Fallert-Müller Birgit Jarosch Angela Simeon

Pocket Guide Chemie

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Angelika Fallert-Müller Birgit Jarosch Angela Simeon

Pocket Guide Chemie

Angelika Fallert-Müller Groß-Zimmern, Deutschland Angela Simeon Gedersdorf, Österreich

Birgit Jarosch Aachen, Nordrhein-Westfalen Deutschland

ISBN 978-3-662-58746-1 ISBN 978-3-662-58747-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-58747-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Sarah Koch Illustrationen: Martin Lay, Breisach Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Inhaltsverzeichnis 1

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2

2.1 2.2

3

3.1 3.2

3.3 3.4 3.5 3.6 4

4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Allgemeine Chemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Atombau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Orbitale und Elektronenkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Periodensystem der Elemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Chemische Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Chemische Bindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Grundlagen chemischer Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Anorganische Chemie I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Die Hauptgruppen des PSE und ihre wichtigsten Elemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Anorganische Chemie II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Komplexchemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Komplexbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Chemie der Nebengruppen-Elemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Gruppe 4 bis Gruppe 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Eisen- und Platinmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Gruppe 11, Gruppe 12 und Lanthanoide/Actinoide. . . . . . . . 118 Organische Chemie I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Kohlenwasserstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Grundbegriffe organischer Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Radikale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Aromaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Nucleophile aliphatische Substitution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Additionen und Eliminierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

VI 5

5.1 5.2

5.3 5.4 6

6.1

6.2 6.3

6.4 7

7.1

7.2 7.3 7.4 7.5

7.6 8

8.1 8.2

8.3 8.4

8.5 8.6

Inhaltsverzeichnis Organische Chemie II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oxidation und Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carbonylverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pericyclische Reaktionen und Umlagerungen . . . . . . . . . . . . . Naturstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Chemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermodynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrochemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analytische Chemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analyseverfahren, Probennahme und -vorbereitung. . . . . . Klassische nasschemische Analysemethoden. . . . . . . . . . . . . Datenauswertung und Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . Chromatographische Trenntechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekülspektroskopie und -massenspektrometrie. . . . . . . . Atomspektroskopie und Elementanalytik . . . . . . . . . . . . . . . . . Biochemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur und Funktion von Proteinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enzymkinetik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Membranen und Membrantransport. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate und Lipide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettsäure und Glykogenstoffwechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energieumwandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167 167 174 179



186

205 205 211 233 241 251 251 259 266 273 279 286 295 295 299 303 308 312 316

1

1

Allgemeine Chemie © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Fallert-Müller, B. Jarosch, A. Simeon, Pocket Guide Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58747-8_1

1.1  Atombau 1.1.1  Bausteine der Atome Atome sind Teilchen, die sich durch chemische Reaktionen nicht weiter zerlegen lassen. Sie bestehen aus Atomkern (∅ 10−15 m) und Atomhülle (∅ 10−10 m). Durch Anlegen starker elektrischer Spannung lassen sich Atome in positiv und negativ geladene Teilchen spalten. Der Atomkern (Nukleus) enthält die gesamte positive Ladung und über 99,9 % der Atommasse in Form positiv geladener Protonen und ungeladener Neutronen (atomare Masseneinheit: 1 u entspricht genau 1/12 der Masse eines Atoms des Kohlenstoff-Isotops 126 C; 1 u = 1,660519 · 10−24 g). Die negativ geladenen Elektronen bilden eine Hülle um den Atomkern, die fast das ganze Atomvolumen einnimmt. Die Zahl der Elektronen muss mit der Zahl der Protonen im Atomkern übereinstimmen (Elektroneutralität). Thomson entdeckte eine Leuchterscheinung durch Elektronen, die von der Kathode zur Anode hin beschleunigt wurden (Kathodenstrahlung, 1897). Kanalstrahlen weisen einen Strom positiver Teilchen von der

2

Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

Anode zur Kathode nach. Die kleinste Einheit der elektrischen Ladung ist die Elementarladung e (1 e = 1,6022 · 10−19 C). Elementarteilchen

Ladung (e)

Masse (u)

Masse (kg)

–1

1/1823

~0,91 · 10−30

Proton p+

+1

1

~1,67 · 10−27

Neutron n

0

1

~1,67 · 10−27

Elektron

e−

1.1.2  Atomkern Der Atomkern setzt sich zusammen aus Nukleonen, d. h. Protonen und Neutronen. Die Summe der Nukleonen heißt Massenzahl. Die Anzahl der Protonen heißt Kernladungs- oder Ordnungszahl. Jedes Element hat seine charakteristische Ordnungs- oder Protonenzahl, die Zahl der Neutronen kann variieren. Atome mit gleicher Protonen- aber unterschiedlicher Neutronenzahl heißen Isotope. Das chemische Verhalten der Isotope eines Elements ist gleich. Isotope können sich im physikalischen Verhalten aufgrund der unterschiedlichen Masse unterscheiden. Durch Massenspektrometrie werden Massen von Isotopen und ihre relativen Häufigkeiten experimentell bestimmt. Die Proben werden dazu unter Hochvakuum ionisiert, durch ein elektrisches Feld beschleunigt und anhand ihres Masse-zuLadung-Verhältnisses getrennt. Im Massenspektrum wird der Ionenstrom als Maß für die Zahl gebildeter Ionen gegen deren Massenzahl aufgetragen. Die Summe der Einzelmassen aller Nukleonen eines bestimmten Atomkerns ist größer als die betreffende Kernmasse. Dieser Massendefekt entspricht nach der Einsteinschen Masse-Energie-Äquivalentbeziehung der Kernbindungsenergie

1.1 · Atombau

1

3

Kernbindungsenergie je Nukleon (MeV)

9 8

84 36 4 2

7

Kr

He 235 92

6 6 3

5

U

Der Absolutwert der Kernbindungsenergie nimmt mit steigender Ordnungszahl zu. Um vergleichen zu können, wird die Kernbindungsenergie je Nukleon betrachtet. Die Kurve hat ein Maximum (größte Stabilität des Atomkerns) bei Eisen.

Li

4 3 2 2 1

1 0

0

H

20

40

60

80

100 120 140 Atommasse (u)

160

180

200

220

240

. Abb. 1.1 

(. Abb. 1.1), die beim Aufbau des Atomkerns aus seinen Nukleonen freigesetzt wird:

E = m · c2 Die Umwandlung von 1 g Materie in Energie entspricht 931 meV (9 · 1010 kJ). 1.1.3  Radioaktivität Nicht stabile Atomkerne (radioaktive Isotope) wandeln sich unter Aussendung charakteristischer Strahlung in stabile, energieärmere Atomkerne um. Strahlungsarten sind: 5 α-Strahlen: Helium-Atomkerne (42 He2+), positiv geladene Korpuskularstrahlung, wenige Zentimeter Reichweite in Luft, diskrete Energie.

4

Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

5 β-Strahlen: Elektronen, negativ geladene Korpuskularstrahlung, aus spontaner Umwandlung von Neutronen im Atomkern zu Protonen, Reichweite größer als α-Strahlen, durchdringen aber nicht Aluminium-Blech von 1 cm, kontinuierliches Energiespektrum bis zu Maximalenergie. 5 γ-Strahlen: energiereiche elektromagnetische Strahlung, wird bei Atomkern-Zerfall freigesetzt, diskretes Energiespektrum. Zerfallsreihen (. Abb. 1.2) sind Abfolgen von radioaktiven Isotopen,

die durch Atomkern-Umwandlungen auseinander hervorgehen. Beim Zerfall der natürlich vorkommenden radioaktiven Isotope der Actinoide entsteht am Ende jeweils ein Blei-Isotop. Durch Bestrahlung stabiler Isotope mit α-Teilchen, Protonen oder auch Neutronen lassen sich Kernumwandlungen erreichen. Einfangreaktionen führen zum Einbau von Protonen oder Neutronen, häufig resultiert eine spontan ablaufende Zerfallsreihe. So lassen sich Transurane, Elemente mit Ordnungszahl >92, künstlich herstellen. Kernspaltung bedeutet die Spaltung eins schweren Atomkerns in zwei oder mehrere mittelschwere Kerne (z. B. der Die Umwandlungsgeschwindigkeit radioaktiver Isotope folgt dem Zerfallsgesetz: N(t) = N0 e–k t

N1





Anzahl

Pro Zeiteinheit zerfällt stets der gleiche Anteil der jeweils vorhandenen radioaktiven Kerne. t½ Halbwertszeit; k Zerfallskonstante 1 2

N1

1 4

N1

1 8

N1





t½ Zeit

. Abb. 1.2 

1.1 · Atombau

5

1

langsames Neutron 1 0

Neutronengeneration 89 36

3.

1.

Kr

n

235 92

U 144 56

Ba

2.

. Abb. 1.3  69 144 Zerfall von 235 92 U in 36 Kr und 56 Ba) unter Freisetzung großer Mengen Energie aufgrund des Massendefekts. Bei der Spaltung freigesetzte Neutronen können bei vorhandener kritischer Masse zur Kernkettenreaktion (. Abb. 1.3) führen.

1.1.4  Das Bohrsche Atommodell Rutherford beschrieb die Bewegung von Elektronen um den Atomkern unter Anwendung der Gesetze der klassischen Mechanik als „Planetenmodell“. Dabei sind beliebige Bahnabstände und Energiezustände möglich. Nach Bohr haben Elektronen nur ganz bestimmte Energien, die Kreisbahnen um den Atomkern entsprechen und durch Quantenzahlen 1, 2, 3…

6

Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

n gekennzeichnet sind. Energieaufnahme durch Wärme oder elektrische Entladung bewirkt Anhebung von Elektronen vom Grundzustand in den angeregten Zustand eines höheren Niveaus. Bei der Rückkehr in den Grundzustand werden definierte Energiemengen in Form von elektromagnetischer Strahlung (z. B. sichtbares Licht) emittiert.

Prisma

Die Lichtemission von Flammen und Gasen kann durch ein Prisma in Serien farbiger Linien (Spektren) zerlegt werden, die für jedes Element spezifisch sind.

Brenner

Linienspektrum

Blende mit Spalt Probe

Die Wellenlängen der Strahlung geben Auskunft über die innere Struktur des jeweiligen Atoms. Die Linienmuster sind systematisch aufgebaut und lassen sich in sog. Serien zusammenfassen. Ihre Berechnung erfolgt nach der Gleichung:

ν = RH (1/n2 − 1/m2 ) ν bezeichnet die Frequenz, RH ist die Rydberg-Konstante (RH = 3,29 · 1015 Hz), n und m sind ganze Zahlen mit n > m. n ist die Hauptquantenzahl, n = 1 entspricht dem Grundzustand. Der zugehörige Radius, auf dem sich das Elektron bewegt, wird als Bohrscher Radius a0 bezeichnet. IR-Bereich

sichtbares Licht

2000 1000

500

Emissionsspektrum des Wasserstoff-Atoms

UV-Bereich

200

100 Wellenlänge (nm)

1.2 · Orbitale und Elektronenkonfiguration

1

7

BALMER-Serie

PASCHEN-Serie

LYMAN-Serie

a0

4a0

9a0

16a0

25a0

36a0

PFUND-Serie 49a0

Die Spektralserien des Wasserstoff-Atoms sind nach ihren Entdeckern benannt.

BRACKETT-Serie

n=1 2 3

4

5

6

7

1.2  Orbitale und Elektronenkonfiguration 1.2.1  Aufbau der Elektronenhülle

radiale Dichte: 4 · r2 ·

2

Nach L. de Broglie können sehr kleine, sich bewegende Teilchen als Welle beschrieben werden, Welle-Teilchen-Dualismus (1924). Die Schrödinger-Gleichung (1926) beschreibt den Zusammenhang zwischen der Wellenfunktion ψ (Psi) eines Elektrons und seiner gesamten (E) bzw. potenziellen Energie (V). ψ wird auch als Orbital bezeichnet, charakterisiert durch die Quantenzahlen n, l, ml und ms. Das quantenmechanische Modell erklärt die Spektren von größeren Atomen und die Aufspaltung der Spektrallinien im elektrischen Feld. Es erlaubt weitergehende Aussagen als das Bohrsche Modell.

a0 (= 53 pm)

Radialverteilungsfunktionen deuten an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Elektron an einem bestimmten Ort anzutreffen ist.

1s-Orbital des Wasserstoff-Atoms 5 a0

10 a0

15 a0

Radius

Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

8

Quantenzahl

Werte

Aussage über

Hauptquantenzahl n

Positiv, ganzzahlig, n ≥ 1

Größe des Orbitals

Nebenquantenzahl l

Ganzzahlig, 0 ≤ l ≤ (n−1)

Form des Orbitals

Magnetische Quantenzahl ml

Ganzzahlig, −l ≤ ml ≤ + l

Räumliche Orientierung

Magnetische Spinquantenzahla ms

+½; −½

„pro Orbital max. 2 e −“

aDer

Spin kann als Rotation des Elektrons um die eigene Achse interpretiert werden. Daraus entsteht ein Magnetfeld, das je nach Drehrichtung zwei Orientierungen annehmen kann

1.2.2  Orbitalformen und Benennung Jedes Orbital kann maximal zwei Elektronen enthalten, je Unterniveau mit der Nebenquantenzahl l gibt es 2 l + 1 Orbitale. l = 0

s-Orbital

1 s-Orbital pro Niveau mit Hauptquantenzahl n

l = 1

p-Orbital

3 p-Orbitale pro Niveau mit Hauptquantenzahl n

l = 2

d-Orbital

Komplexe Formen, 5 d-Orbitale pro Niveau mit Hauptquantenzahl n

l = 3

f-Orbital

Komplexe Formen, 7 f-Orbitale pro Niveau mit Hauptquantenzahl n

Mit steigender Hauptquantenzahl n halten sich die Elektronen im Durchschnitt in größerem Abstand vom Atomkern auf. Für

1.2 · Orbitale und Elektronenkonfiguration

1

9

s-Orbitale ist die Wahrscheinlichkeit, das Elektron am Ort des Atomkerns anzutreffen, ungleich null, für alle anderen Orbitale ist sie gleich null (. Abb. 1.4). Ein derartiger Bereich wird auch als Knotenfläche bezeichnet (z. B. die yz-Ebene für das px-Orbital).

Form des 1s-Orbitals

Form des 2s-Orbitals

z

z

y

y

+

+ s-Orbitale erstrecken sich kugelsymmetrisch um den Atomkern.

x

x

Form der 2p-Orbitale z

p-Orbitale sind hantelförmig.

z

z +

y



+



y

x

y

+

px-Orbital

py-Orbital

Formen von 3d-Orbitalen z

+





+



y

+

+

pz-Orbital

d- und f-Orbitale nehmen komplexe Formen an.

z

y



x

x

z +

y –

– +

x

x

x dxy -Orbital

. Abb. 1.4 

dx2–y2 -Orbital

dz2 -Orbital

10

Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

1.2.3  Elektronenkonfiguration

Energie

Die Orbitale eines Atoms im Grundzustand werden in der Reihenfolge ihrer Energien mit Elektronen besetzt, beginnend mit dem 1s-Orbital. Jedes Orbital kann maximal 2 Elektronen aufnehmen (Pauli-Prinzip, 1924). Energetisch gleichwertige Orbitale gleichen Typs werden so besetzt, dass sich die maximale Anzahl ungepaarter Elektronen gleichen Spins ergibt (Hundsche Regel, 1925). Jedes Niveau mit einer Hauptquantenzahl n kann eine ganz bestimmte Anzahl von Elektronen aufnehmen. Das Auffüllen der Orbitale von einem Element zum nächsten kann in einem Atomorbitaldiagramm veranschaulicht werden. Jedes Orbital ist durch einen waagerechten Strich an einer Energieachse symbolisiert, jedes Elektron durch einen Halbpfeil. Die Pfeilrichtung zeigt den Spinzustand (+½ oder −½). Das Wasserstoff-Atom ist mit nur einem Elektron das am einfachsten gebaute Atom. 1s

Energie

Elektronenkonfiguration (Atomorbitaldiagramm) des Wasserstoff-Atoms.

2 1

2p 2s 1s

Hauptquantenzahl n

Nach der Hundschen Regel hat Kohlenstoff im Grundzustand zwei Elektronen mit parallelem Spin in zwei verschiedenen 2p-Orbitalen.

Elektronenkonfiguration des Kohlenstoff-Atoms.

Wasserstoff besitzt 1 Elektron im 1s-Orbital. Helium besitzt 2 Elektronen im 1s-Orbital, denn der Energieunterschied zwischen dem 1s- und dem 2s-Orbital ist größer als die Spinpaarungsenergie, die zur Überwindung der elektrostatischen

1.2 · Orbitale und Elektronenkonfiguration

1

11

Energie

Abstoßung zwischen den beiden Elektronen aufgebracht werden muss. Bei Lithium mit 3 Elektronen beginnt die Besetzung des nächst energiereicheren Orbitals 2s. Lithium hat die Konfiguration 1s22s1. Bei Bor beginnt die Besetzung der p-Orbitale. Die 3 2p-Orbitale weisen exakt die gleiche Energie auf, man nennt sie entartet. Bei Neon (Elektronenkonfiguration 1s22s22p6) ist die Besetzung der 2p-Orbitale abgeschlossen. Eine solche Konfiguration ns2np6 für die Valenzschale mit der Hauptquantenzahl n ist besonders stabil und wird nach ihrem Vorkommen Edelgaskonfiguration genannt (. Abb. 1.5). Kalium hat die Elektronenkonfiguration von Argon plus 1 Elektron im 4s-Orbital, [Ar]4s1, Calcium hat [Ar]4s2. Für diese beiden Elemente ist das 4s-Orbital energetisch günstiger als ein

5d

4f

4p

4s

3d

3s

2s 1s

. Abb. 1.5 

5p

5s

4d

6s

6p 6. Periode (32 Elemente)

5. Periode (18 Elemente)

4. Periode (18 Elemente)

3p

3. Periode (8 Elemente)

2p

2. Periode (8 Elemente)

Ausnahme: Bei den Alkali- und Erdalkalielementen ist die Besetzung des (n+1)s-Niveaus günstiger als die Besetzung des nd-Niveaus.

1. Periode (2 Elemente)

12

Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

3d-Orbital. Erst in der Folge werden die 3d-Orbitale aufgefüllt, analog bei den 4d- und 5d-Elementen nach Strontium mit der Konfiguration [Kr]5s2 und Barium mit [Xe]6s2. Diese Elemente heißen d-Block-Elemente oder Nebengruppen-Elemente. Durch Wechselwirkungen zwischen den (n + 1)s- und den nd-Elektronen ist in der Regel auch das (n + 1)s-Niveau besetzt. Konfigurationen, bei denen alle Orbitale eines Typs ganz (oder halb) mit Elektronen besetzt sind, sind besonders stabil. Einige Elemente der Nebengruppen zeigen daher Unregelmäßigkeiten in der Besetzung, so etwa Chrom (4s13d5 statt 4s23d4), Kupfer (4s13d10 statt 4s23d9) oder Palladium und Silber mit jeweils 4d10-Konfiguration. Da die 4f-, 5d- und 6s-Orbitale alle sehr ähnliche Energien haben, kommt es bei den Lanthanoiden (und auch den Actinoiden) ebenfalls häufig zu Unregelmäßigkeiten der Besetzung. Stoffe mit ungepaarten Elektronen werden in ein äußeres Magnetfeld hineingezogen, da deren permanente magnetische Momente sich im äußeren Feld ausrichten. Sie werden paramagnetisch genannt. In Substanzen, in denen nur gepaarte Elektronen vorliegen, heben sich deren magnetische Momente gegenseitig auf. Diese Stoffe werden durch magnetische Induktion von einem äußeren Magnetfeld schwach abgestoßen und heißen diamagnetisch. 1.2.4  Elektronenkonfiguration von Ionen Die Aufnahme von Elektronen führt zur Bildung negativ geladener Anionen, die Abgabe zu positiv geladenen Kationen. In chemischen Verbindungen geben Metallatome häufig alle Valenzelektronen ab und nehmen die Edelgaskonfiguration des nächst leichteren Edelgases an: K+≙[Ar]. Nichtmetalle können Elektronen aufnehmen und die Konfiguration des nächst schwereren Edelgases anstreben: F−≙[Ne].

1.3 · Periodensystem der Elemente

13

1

1.3  Periodensystem der Elemente 1.3.1  Geschichte des Periodensystems Döbereiner fasste 1817 auf der Suche nach Regelmäßigkeiten Gruppen von je 3 Elementen zu sog. Triaden zusammen. Newlands formulierte 1865 das Oktavengesetz: Ordnet man die Elemente nach ihren Atommassen, so wiederholt sich ein Zyklus von Eigenschaften mit jedem 8. Element. Daran anknüpfend ordnete Mendelejew die bereits bekannten Elemente in 8 Spalten mit Untergruppen. Lücken erklärte er mit unbekannten Elementen, deren Eigenschaften auf Basis der Kenntnisse über Nachbarn vorhersagbar seien. Mithilfe des Moseleyschen Gesetzes (1913) können aus den Röntgenspektren der Elemente ihre Ordnungszahlen bestimmt werden. Diese entsprechen der Zahl der Protonen im Atomkern, nach der die Atome im PSE heute geordnet sind. 1.3.2  Aufbau des Periodensystems Im Periodensystem der Elemente (PSE) sind die chemischen Elemente auf Grundlage ihres Atombaus geordnet. Die waagrechten Reihen heißen Perioden, jede Periode beginnt mit Besetzung eines s-Orbitals durch ein Elektron. Die senkrechten Spalten werden Gruppen genannt. Elemente einer Gruppe haben ähnliche Elektronenkonfigurationen und ähnliche physikalische und chemische Eigenschaften. Nach Empfehlungen der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) werden die Gruppen von 1–18 durchnummeriert. Die Gruppen 1, 2 und 13–18 werden als Haupt-, die Gruppen 3–12 als Nebengruppen bezeichnet. Einige Hauptgruppen haben Namen: Alkalimetalle (Gruppe 1), Erdalkalimetalle (Gruppe 2), Chalkogene (Gruppe 16), Halogene (Gruppe 17), Edelgase (Gruppe 18) (. Abb. 1.6).

2

Fr

(223)

Ba Barium

(226)

Ra

R adium [Rn]7s 2

88

[Xe]6s 2

56

Sc

Y

Zr

91,224

Hf Hafnium

(261)

Rf

Ce

Actinium [Rn]6d 17s2

Ac

Th

Thorium [Rn]6d 27s2

90

232,0381

58

140,115

Rutherfordium

104

(227)

89

V

Nb Niob

Ta Tantal

73

180,9479

[Kr]4d 45s1

41

92,9064

23

Vanadium [Ar]3d 34s2

50,9415

5

(262)

Db

Pr

91

Pa

Protactinium [Rn]5f 26d17s2

(231)

Praseodym [Xe]4f 36s2

59

140,9077

Dubnium

105

25

74

W Wolfram

(266)

Sg

144,24

Nd

U

Uran [Rn]5f 36d17s2

92

238,029

Neodym [Xe]4f 46s2

60

Seaborgium

106

(264)

Bh

(147)

Pm

Np

Neptunium [Rn]5f 46d17s2

93

(237)

Promethium [Xe]4f 56s2

61

Bohrium

107

[Xe]4f 145d56s2

75

Re Rhenium

186,207

(99)

Tc

183,84

43 Technetium [Kr]4d 65s1

95,94

Mo

Mn

Mangan [Ar]3d 54s2

Molybdän [Kr]4d 55s1

42

Chrom [Ar]3d 54s1

Cr

54,938

51,9961

24

7

Fe

Ru

101,07

Co

Rh

Ir Iridium

77

192,22

Rhodium [Kr]4d 85s1

45

102,9055

Cobalt [Ar]3d 74s2

27

58,9332

9

(269)

Hs

150,36

Sm

Pu

Plutonium [Rn]5f 67s2

94

(239)

Samarium [Xe]4f 66s2

62

Hassium

108

(268)

Mt

Eu

151,96

Am

Americium [Rn]5f 77s2

95

(241)

Europium [Xe]4f 76s2

63

Meitnerium

109

[Xe]4f 145d66s2 [Xe]4f 145d76s2

190,23

Os Osmium

76

Ruthenium [Kr]4d 75s1

44

Eisen [Ar]3d 64s2

26

55,847

8

Nebengruppen

6

[Xe]4f 145d26s2 [Xe]4f 145d36s2 [Xe]4f 145d46s2

72

178,49

Zirconium [Kr]4d 25s2

40

Cer [Xe]4f 15d16s2

La

Ti

Titan [Ar]3d 24s2

22

47,88

4

Lanthan [Xe]5d 16s2

57

138,9055

La … * Lu Ac … ** Lr

Yttrium [Kr]4d 15s2

39

88.9059

Scandium [Ar]3d 14s2

21

44,9559

3

Nichtmetalle Halbmetalle Metalle Nebengruppen Lanthanoide und Actinoide

. Abb. 1.6  Periodensystem der Elemente

**Actinoide

*Lanthanoide

Francium [Rn]7s 1

87

[Xe]6s 1

55

Cs Caesium

137,33

Sr

132,9054

38

Strontium [Kr]5s 2

Rb

Rubidium [Kr]5s 1

37

87,62

Ca

85,4678

20

Calcium [Ar]4s 2

K

Kalium [Ar]4s 1

19

40,078

39,0983

Mg

24,305

12

Magnesium [Ne]3s 2

Na

22,9898

Natrium [Ne]3s 1

11

[He]2s 2

Be Beryllium

9,0122

4

1

[He]2s 1

3

Li Lithium

6,941

Hauptgruppen

H

4,0026

1

Ni

106,4

Pd

Pt Platin

Cu

Ag Silber

(271)

Ds

157,25

Gd

Cm Curium

[Rn]5f 76d17s2

96

(244)

Gadolinium [Xe]4f 75d16s2

64

Darmstadtium

110

Au Gold

(272)

Uuu

Tb

Bk

Berkelium [Rn]5f 97s2

97

(249)

Terbium [Xe]4f 96s2

65

158,9254

Unununium

111

79

196,9665

[Kr]4d 105s1

47

107,868

Kupfer [Ar]3d 104s1

29

63,546

11

Zn

112,41

Cd

200,59

Hg Quecksilber

80

Cadmium [Kr]4d 105s2

48

Zink [Ar]3d 104s2

30

65,39

12

Al

31

Ga

In

Tl Thallium

(277)

Uub

162,50

Dy

Cf

Californium [Rn]5f 107s2

98

(252)

Dysprosium [Xe]4f 106s2

66

Ununbium

112

164,93

Ho

Es

Einsteinium [Rn]5f 117s2

99

(252)

Holmium [Xe]4f 116s2

67

81

204,38

Indium [Kr]4d 105s2p1

49

114,82

Gallium [Ar]3d 104s2p1

69,723

Aluminium [Ne]3s 2p1

13

26,9815

[He]2s 2p1

Si

32

Ge

Sn Zinn

118,71

82

207,2

Pb Blei

[Kr]4d 105s2p2

50

Germanium [Ar]3d 104s2p2

72,6

Silicium [Ne]3s 2p2

14

28,0855

[He]2s 2p2

C Kohlenstoff

14 12,011

6

B Bor

13 10,811

5

N Stickstoff

P

As

Sb

121,75

Bi Bismut

(289)

Uuq

Er

Fm

Fermium [Rn]5f 127s2

100

(257)

Erbium [Xe]4f 126s2

68

167,26

Ununquadium

114

Tm

Md

Mendelevium [Rn]5f 137s2

101

(260)

Thulium [Xe]4f 136s2

69

168,9342

83

208,9804

Antimon [Kr]4d 105s2p3

51

33

Arsen [Ar]3d 104s2p3

74,9216

Phosphor [Ne]3s 2p3

15

30,9738

[He]2s 2p3

7

14,0067

15

O Sauerstoff S

34

Se

Te

(209)

Po Polonium

84

Tellur [Kr]4d 105s2p4

52

127,60

Selen [Ar]3d 104s2p4

78,96

Schwefel [Ne]3s 2p4

16

32,066

[He]2s 2p4

8

15,9994

16

Hauptgruppen

Cl

35,453

Br

I

85

(210)

At Astat

Iod [Kr]4d 105s2p5

53

126,9045

35

Brom [Ar]3d 104s2p5

79,904

Chlor [Ne]3s 2p5

17

Fluor [He]2s 2p5

F

17 9

18,9984

18 4,0026

He

20,180

Ne

Ar

39,948

83,80

Kr

131,29

Xe Xenon

86

(222)

Rn

[Kr]4d 105s2p6

54

Krypton [Ar]4s 2p6

36

Argon [Ne]3s 2p6

18

Neon [He]2s 2p6

10

Helium 1s2

2

173,04

Yb

No

Nobelium [Rn]5f 147s2

102

(259)

Ytterbium [Xe]4f 146s2

70

Lu

Lr

(262) Lawrencium [Rn]5f 146d17s2

103

71

Lutetium [Xe]4f 145d16s2

174,967

Radon [Xe]4f 143d96s1 [Xe]4f 145d106s1 [Xe]4f 145d106s2 [Xe]4f 145d106s2p1 [Xe]4f 145d106s2p2 [Xe]4f 145d106s2p3 [Xe]4f 145d106s2p4 [Xe]4f 145d106s2p5 [Xe]4f 145d106s2p6

78

195,08

Palladium [Kr]4d 10

46

Nickel [Ar]3d 84s2

28

58,6934

10

Wasserstoff 1s1

14 Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

1.3 · Periodensystem der Elemente

15

1

Bei den Atomen der Hauptgruppen-Elemente werden schrittweise s- und p-Orbitale aufgefüllt, bei den Nebengruppen-Elementen ein d-Unterniveau, bei den Atomen der Lanthanoide und Actinoide ein f-Niveau. Lanthanoide und Actinoide werden meist in zwei Reihen unterhalb der Haupt- und Nebengruppen dargestellt. Innerhalb einer Periode werden die s- und p-Orbitale mit der zugehörigen Hauptquantenzahl n besetzt, die d-Orbitale der Hauptquantenzahl n −1 und die f-Orbitale der Hauptquantenzahl n −2. Links vom Atomsymbol steht die Ordnungszahl, die der Protonenanzahl (und der Elektronenanzahl) entspricht (Bsp. O: Ordnungszahl 8, 8 Protonen, 8 Elektronen). Die Anzahl besetzter Elektronenschalen ist gleich der Nummer der äußeren Elektronenschale (Valenzschale) und entspricht der Nummer der Periode (Bsp. C: 2. Periode, 2. Elektronenschale). Die Anzahl der Außenelektronen entspricht der Gruppennummer (für die 13. bis 18. Hauptgruppe der Hauptgruppennummer minus 10, Bsp. Cl: 17. Hauptgruppe, 7 Außenelektronen). 12,011

Ordnungszahl

C Kohlenstoff 6

[He]2s 2p2

Atommasse in u* Atomsymbol Elementname Elektronenkonfiguration

* eingeklammerte Werte geben die Massenzahl Das Periodensystem der Elemente eines wichtigen Isotops an kann neben Atomsymbol und Ordnungszahl weitere Eigenschaften der Elemente nennen.

16

Kapitel 1 · Allgemeine Chemie

1.3.3  Wasserstoff und Helium Die Elemente Wasserstoff und Helium nehmen im Periodensystem Sonderstellungen ein. Wasserstoff besitzt wie die Alkalimetalle ein Außenelektron, wie den Halogenen fehlt ihm ein Elektron zur Edelgaskonfiguration. Chemisch ähnelt Wasserstoff jedoch weder den Alkalimetallen noch den Halogenen. Seine Einzigartigkeit wird durch eine eigene Stellung im Periodensystem symbolisiert. Helium besitzt mit der Elektronenkonfiguration 1s2 eine voll besetzte Außenschale und ist den Edelgasen sehr ähnlich, nicht jedoch den Erdalkalimetallen, die ebenfalls die Konfiguration ns2 aufweisen. 1.3.4  Periodische Eigenschaften Der Atomradius nimmt innerhalb einer Periode mit steigender Ordnungszahl (also von links nach rechts) ab, da die Anziehungskraft durch die steigende Kernladung die Abschirmung durch innere Elektronen und die Abstoßung der Elektronen überwiegt. Der Atomradius wächst innerhalb einer Periode von oben nach unten aufgrund zunehmender Größe der Orbitale und unter dem Einfluss des Abschirmungseffekts. Innerhalb einer Reihe der Übergangselemente kommt es nur zu geringen Änderungen der Atomradien, da die Elektronen der inneren Schalen die Kernladung effektiv abschirmen. Elektronen in den f-Orbitalen tragen nur wenig zur Abschirmung bei, sodass die Radien der Lanthanoide besonders klein sind und der Effekt der hohen Kernladung überwiegt (Lanthanoidenkontraktion).

1.3 · Periodensystem der Elemente

17

1

Atomradius

Ionisierungsenergie ist die Energie, die aufgewendet werden muss, um ein Elektron aus dem äußersten besetzten Orbital eines gasförmigen Atoms zu lösen und das entstandenen Ion und das Elektron unendlich weit von einander zu entfernen. Die Ionisierungsenergie nimmt von oben nach unten ab (steigende Abschirmung), von links nach rechts zu (steigende effektive Kernladung). Metalle haben eine niedrige 1. Ionisierungsenergie ( 1,7 überwiegend Ionenbindung 5 Elektronegativitätsdifferenz  CH 3

C

CH 2 CH3

Cl

Br

Br

E

1-Brom-1-chlor-2-methyl-1-buten Br > Cl

C

C

CH 2 CH 3

C

CH 3

Z

2-Brom-3-chlor-2-penten Prioritäten

Br > CH 3

Cl > C 2 H 5

Kapitel 4 · Organische Chemie I

134

4.2  Grundbegriffe organischer Reaktionen 4.2.1  Säuren und Basen nach Brønsted Nach der Definition von Brønsted und Lowry sind Säuren Stoffe, die Protonen an ein anderes Teilchen abgeben können, während Basen Protonen aufnehmen. An die Stelle freier Protonen treten in wässriger Lösung H3O+- (Hydronium-)Ionen. Protonen-Donator und -Akzeptor bilden ein konjugiertes Säure-/Base-Paar, zwischen dem sich meist ein Protolysegleichgewicht einstellt. Als Maß für die Säure-/Basenstärke (Acidität/Basizität) wird die Gleichgewichtskonstante der entsprechenden Protolysereaktion herangezogen (. Tab. 4.1), die Säurekonstante KS bzw. Basenkonstante KB. Die Konzentration des Wassers wird in die Gleichgewichtskonstante mit einmultipliziert, d. h. KS = K · c(H2 O). HA(aq) + H2O(l) KS =

c(H3O+) · c(A–) c(HA)

H3O+(aq) + A–(aq) A–(aq) + H2O(l) KB =

HA(aq) + OH–(aq)

c(HA) · c(OH–) c(A–)

Das Produkt aus Säure- und Basenkonstante ergibt das Ionenprodukt des Wassers. Damit lassen sich Basenkonstanten aus den Säurekonstanten herleiten und umgekehrt. Es gilt: Je stärker eine Säure, desto schwächer die konjugierte Base (und umgekehrt). Zur besseren Handhabung wird der negative dekadische Logarithmus gebildet. KS · KB = KW

pKs + pKB = 14

Sehr starke Säuren und Basen dissoziieren in wässriger Lösung vollständig. Um dennoch ihre Säurestärke unterscheiden zu können, werden die Gleichgewichtskonstanten in nichtwässrigen Lösungsmitteln bestimmt und näherungsweise auf Wasser übertragen.

4.2 · Grundbegriffe organischer Reaktionen

4

135

. Tab. 4.1  Tabelle: pKS-Werte einiger Verbindungen Säure H3

O+

Base

pKs

H 2O

–1,74

RCOOH

RCOO−

4–5

HCN

CN−

9,2

ArOH

ArO−

8–11

RCH2NO2

RC−HNO

H 2O

OH−

15,74

ROH

RO−

16–17

RCONH2

RCONH−

17

HC≡CH

HC≡C−

25

NH3

NH2−

35

CH4

CH3

48

2



10

Bei organischen Säuren hängt die Säurestärke ab von: 5 Stabilisierung des entstehenden Anions durch Mesomerie (z. B. Carboxylat-Anion) und –M-Effekte, 5 Stabilisierung des entstehenden Anions durch Substituenten mit –I-Effekt, 5 Hybridisierung des Kohlenstoff-Atoms: Die Säurestärke nimmt zu in der Reihe sp3  (CH3)2CH > C2H5 > CH3 > H < C6H5 < CH3O < OH < I < Br < Cl < CN < NO2 (Elektronen schiebend)

(Elektronen ziehend)

Substituenten, die sich an der Mesomerie in einem Molekül beteiligen, führen zu einem mesomeren Effekt (M-Effekt). Der mesomere Effekt ist stark von der Molekülgeometrie abhängig und kann über mehrere Bindungen hinweg wirksam sein. Er stabilisiert das Molekül und hat entscheidenden Einfluss darauf, an welchen Positionen eine weitere Reaktion ablaufen kann. Substiuenten, die eine Erhöhung der Elektronendichte im π-System bewirken, üben einen +M-Effekt aus, indem sie z. B. über ein freies Elektronenpaar mit den π-Elektronen wechselwirken. +M-Substituenten aktivieren ein Molekül gegenüber einem elektrophilen Angriff. Je größer die Elektronegativität des Substituenten, desto kleiner ist jedoch der +M-Effekt (. Abb. 4.2).

+M-Effekt, Beispiel Anilin: Das freie Elektronenpaar des Stickstoff-Atoms beteiligt sich am mesomeren System des Anilins und stabilisiert es dadurch.

−Cl , −Br , −I , −OH, −OR, −NH2, −SH

H

H

H

N

C

H

C C

C H

C C

H

H

H

H

H

N+

C–

H

Mesomeriepfeil

C C

C H

C C

H

H

H

H

H

N+

C

H

C C

C

H C C–

H

H

H

N+

H

H

. Abb. 4.2  Beispiele für Substituenten mit einem +M-Effekt

H C C–

C

C H

C C

H

H

140

Kapitel 4 · Organische Chemie I

–M-Effekt, Beispiel Nitrobenzol: Die stark elektronegativen Sauerstoff-Atome der Nitrogruppe wirken Elektronen ziehend. Die mesomere Wechselwirkung stabilisiert das Nitrobenzol-Molekül.

–COOH, –CHO, –CN, –NO2

O

O–

H

N+

C

H

C C

C

C C

H

–O

H

H

O–

H

N+

C+

H

C C

C H

C C

H

H

–O

O–

H

N+

C

H

C C

O– C

H

–O

N+

+

C

C

H

H

H

H C

C C

+

C

C C

H

H

H

. Abb. 4.3  Beispiele für Substituenten mit einem –M-Effekt

Substituenten, die eine Doppelbindung mit einem stark elektronegativen Atom besitzen und die in Mesomerie mit dem π-Elektronensystem eines Moleküls stehen, verringern die Elektronendichte des Systems, sie führen zu einem –M-Effekt (. Abb. 4.3). Der –M-Effekt ist umso größer, 5 je größer die positive (Teil-)Ladung am Substituenten, 5 je größer die Elektronegativität der Substituenten-Atome, 5 je kleiner die Stabilisierung durch Mesomerie am Substituenten selbst. Induktiver und mesomerer Effekt eines Substituenten können gleichgerichtet oder auch entgegengesetzt sein, sodass oft keine klaren Voraussagen möglich sind. Die Kenntnis der Substituenteneffekte hilft beim Vergleich der Reaktivität ähnlicher Verbindungen und bei der Voraussage der Eintrittsstellen neuer Substituenten. 4.3  Radikale 4.3.1  Eigenschaften und Stabilität Radikale sind Atome, Moleküle oder Ionen mit ungepaarten Elektronen (Symbol •). Sie sind beteiligt bei manchen

4.3 · Radikale

141

4

Substitutionsreaktionen, Oxidationen sowie Polymerisationen. Die Stabilität organischer Radikale steigt in der Reihenfolge primäres  Cl• > •CH3 > Br• > ROO• Auch Radikale besitzen unterschiedliche Elektronenaffinitäten. Halogen-Atome und Sauerstoffradikale sind elektrophil und greifen an Stellen hoher Elektronendichte an. +I und +M-Substituenten erhöhen die Reaktivität einer C–H-Bindung gegenüber elektrophilen Radikalen. Am leichtesten von Radikalen angreifbar sind tertiäre C–H-Bindungen, verglichen mit sekundären (mittlere Reaktionsfähigkeit) und primären C–H-Bindungen (am wenigsten reaktionsfähig). 4.3.4  Radikalische Substitution an Alkanen Wichtige radikalische Substitutionen sind die Halogenierung, die Peroxygenierung, die Chlorsulfonierung, die Sulfoxidation,

4.3 · Radikale

145

4

die Nitrierung und die Reduktion durch Trialkylstannane R3SnH und Trialkylsilane R3SiH. Der Ersatz von Wasserstoff-Atomen in Alkanen durch Halogen-Atome ist eine präparativ wichtige Reaktion. Von praktischer Bedeutung sind nur die Chlorierung und die Bromierung, da elementares Fluor zu explosionsartigen Umsetzungen führt, die Umsetzung mit Iod jedoch endotherm ist. Die entstehenden Halogenalkane sind wichtige Lösungsmittel und Ausgangsstoffe für weitere Reaktionen. Die Chlorierung mit elementarem Chlor ist allerdings nur wenig selektiv, aus Methan CH4 entstehen z. B. neben Chlormethan CH3Cl auch Dichlormethan CH2Cl2, Trichlormethan CHCl3 und Tetrachlormethan CCl4. Zur Erhöhung der Selektivität wird deshalb anstelle von Chlor häufig das besser zu handhabende Sulfurylchlorid SO2Cl2 benutzt. Cl2 Cl + RCH 2 CH 3 RCH CH 3 + Cl2 2 Cl Cl + RCH CH 3 2 RCH CH 3

h

2 Cl

Startreaktion

HCl + RCH CH 3 RCH CH 3 + Cl Cl

Reaktionskette

Cl2 RCH CH 3 Cl RCH CH 2 + RCH2 CH 3

Kettenabbruch (Rekombination bzw. Disproportionierung)

Lässt man Chlor und Schwefeldioxid unter UV-Bestrahlung auf Alkane einwirken, entstehen Sulfonylchloride RSO2Cl (Chlorsulfonierung nach Reed). Sulfonylchloride werden als Gerbstoffe eingesetzt, nach Verseifung mit NaOH entstehen aus langkettigen Sulfonylchloriden Sulfonsäuresalze RSO3Na, die Ausgangsstoffe für Waschmittel darstellen.

Kapitel 4 · Organische Chemie I

146

Cl 2

h

Cl + RCH 3 RCH 2 + SO 2 RCH 2 SO 2 + Cl 2

Startreaktion

2 Cl

HCl + RCH 2 RCH 2 SO 2

Reaktionskette

RCH 2 SO 2 Cl + Cl

Die Umsetzung von Alkenen mit Radikalen kann entweder zur Addition oder zur Substitution führen. Hohe Konzentrationen an Halogen begünstigen die Addition: Das zunächst entstehende Alkylradikal ist wenig stabil und kann mit weiteren Halogenen reagieren. Bei niedriger Halogenkonzentration zerfällt es jedoch wieder, während das mesomeriestabilisierte Allylradikal (Radikal in Nachbarschaft zu einer Doppelbindung) lange genug stabil ist, um einen Reaktionspartner zu finden. X

C H2

H C

C H2

R

X Addition

H2C

H C

C H2

R

X Substitution

H2C

H C

C H

R

Bei der Halogenierung mit N-Brom-succinimid (NBS) bzw. N-Chlor-succinimid (NCS) kann die Halogenkonzentration sehr niedrig gehalten werden, indem als Lösungsmittel Tetrachlorkohlenstoff CCl4 verwendet wird. NBS ist darin fast unlöslich, sodass stets nur eine sehr kleine Menge vorliegt. Durch Verunreinigung mit kleinen Mengen Brom Br2 ist das Initiatormolekül bereits vorhanden. NBS wird aus Succinimid und Brom in Anwesenheit von Natronlauge hergestellt.

4.4 · Aromaten

147

Br 2

Br

2 Br

Startreaktion

+ HBr

+

O N

O Br + HBr

O Br 2 +

4

Br2 + Br

N

Reaktionskette

H

O + Br

Die Halogenierung mit N-Brom-succinimid (Wohl-Ziegler-Reaktion) erfolgt selektiv in der mesomeriestabilisierten Allyl-Stellung. Die Freisetzung von Brom aus N-Brom-succinimid ist eine ionische Reaktion.

4.4  Aromaten 4.4.1  Aromatizität Die Aromaten (Arene) leiten sich ab vom Bindungssystem des Benzols C6H6, einem ebenen Sechsring, in dem 6 funktionell gleichwertige CH-Gruppen vorliegen. Die Kohlenstoff-Atome sind sp2-hybridisiert, die Bindungswinkel betragen 120°, alle C–C-Bindungen sind gleich lang. Die pz-Orbitale überlappen zu 2 Bereichen hoher Ladungsdichte unter- und oberhalb der Ebene der Atomkerne, dem π-System, in denen die Elektronen vollständig delokalisiert sind. Dies führt zu einem Energiegewinn von 150 kJ mol−1 für das Beispiel Benzol. Voraussetzungen für ein aromatisches System sind eine planare,

148

Kapitel 4 · Organische Chemie I

cyclische Verbindung mit konjugierten Doppelbindungen und (4n + 2) π-Elektronen (Hückel-Regel). H

H H

H

H

H

H

H

H

H H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H H

H H

H

H

Nach der Orbitaltheorie kommt es im Benzol durch Überlappung der pz-Orbitale zu vollständiger Delokalisierung der pz-Elektronen.

H H

Im Benzol-Molekül liegt ein mesomeres System vor, das nach der Valenzbindungstheorie durch Grenzformeln (Kékulé-Strukturen) beschrieben werden kann und zur Stabilisierung des Moleküls führt.

H

4.4.2  Elektrophile aromatische Substitution

SE,AR

Aromatische Systeme reagieren wie Alkene vor allem mit Elektrophilen. Aufgrund der aromatischen Stabilisierung kommt es allerdings kaum zu Additionsreaktionen, sondern vielmehr zu Substitutionsreaktionen. Elektrophil und Aromat bilden zunächst einen Komplex von Elektronenpaar-Donor und -Akzeptor (π-Komplex). Im – meist geschwindigkeitsbestimmenden – Folgeschritt entsteht eine σ-Bindung zwischen Elektrophil und Aromat, wodurch 4 π-Elektronen, verteilt über 5 Ring-Kohlenstoffatome, verbleiben (σ-Komplex, Arenium-Ion). Durch Eliminierung eines Protons bildet sich das π-System zurück. H

H

E

E H

E

+

+ E

+

E -Komplex 1

+

+

H

-Komplex

+ H

-Komplex 2

Der Mechanismus der elektrophilen aromatischen Substitution wurde durch Isolierung von Arenium-Ionen( -Komplex) nachgewiesen.

+

4.4 · Aromaten

4

149

Typische elektrophile Substitutionen an Aromaten sind Halogenierung, Nitrierung und Sulfonierung. Aromatische Nitro-Verbindungen sind wichtig für die Farbstoff- und Sprengstoffherstellung und zur Synthese von Arzneimitteln. Die Nitrierung erfolgt durch das Nitryl-Kation NO2+. Es entsteht durch Protonierung von Salpetersäure HNO3 durch sich selbst, durch die stärkere Schwefelsäure oder Oleum (Lösung von Schwefeltrioxid SO3 in Schwefelsäure). CH 3

CH 3

CH 3 68% HNO3

konz. HNO 3

CH 3 NO2

konz. H 2 SO 4 konz. H 2 SO 4 NO2 Durch die Säurestärke in NO2 o- und pder Reaktionsmischung 2,4-Dinitrotoluol lässt sich die nitrierende Nitrotoluol Wirkung einstellen bis hin zur stufenweisen Nitrierung des Aromaten.

konz. HNO 3

O2 N

NO2

Oleum NO2 2,4,6-Trinitrotoluol

Aromatische Sulfonsäuren sind Grundstoff für Wasch- und Reinigungsmittel sowie für wasserlösliche Azofarbstoffe. Durch Einführung der SO3H-Gruppe können Verbindungen in die wasserlöslichen Na+-Salze überführt werden. Die Sulfonierung erfolgt mit Schwefelsäure oder Oleum, als sulfonierendes Agens werden freies SO3 oder das HSO+ 3 -Kation diskutiert. Die Sulfonierung ist reversibel, da die SO3H-Gruppe eine gute Abgangsgruppe darstellt. Eine direkte Halogenierung mit molekularem Chlor Cl2, Brom Br2 und auch mit Iod I2 erfordert die Anwesenheit einer LewisSäure als Katalysator, die eine Polarisierung des Halogen-Moleküls bewirkt und dadurch den elektrophilen Angriff erleichtert (i. d. R. Aluminiumchlorid AlCl3, Eisen(III)-chlorid FeCl3 oder metallisches Eisen). Gezielte Fluorierungen lassen sich nicht durchführen, da Fluor auch die C–C-Bindungen angreift.

Kapitel 4 · Organische Chemie I

150

δ+ + FeCl 3

Cl Cl

δ+

H



FeCl 3

Aromatische Halogenierung. Bei der Variante der Friedel-Crafts-Alkylierung wird anstelle des Halogens ein Halogenalkan R–CH2 –Cl eingesetzt.

FeCl 3

δ

Cl Cl

+



δ

Cl Cl

Cl

Cl −

FeCl 4

+

+ HCl + FeCl 3

Die Friedel-Crafts-Acylierung ist die wichtigste Methode zur Gewinnung aromatischer Ketone und, durch anschließende Reduktion, auch aliphatisch-aromatischer Kohlenwasserstoffe. Ausgangsprodukt sind Säurehalogenide, Säureanhydride und u. U. Carbonsäuren. Wie bei der Alkylierung ist eine LewisSäure als Katalysator erforderlich. Diese bildet jedoch auch mit dem entstehenden Produkt einen Komplex und muss deshalb mindestens in stöchiometrischen Mengen zugesetzt werden. -

R

+

O

AlCl3 R

Cl

+

O Cl

O + OH

O -

AlCl3

R

C+

+ AlCl 4–

AlCl3 O

Acylierendes Agens bei der Friedel-Crafts-Acylierung sind Acylium-Komplexe + bzw. Acylium-Ion R–C=O.

Durch den großen Raumbedarf der Acylium-Komplexe führt die Acylierung mit hoher Regioselektivität zum p-substituierten Produkt.

4.4.3  Nucleophile aromatische Substitution SN,AR Aromatische Verbindungen sind Lewis-Basen, der Austausch von Substituenten durch nucleophilen Angriff gelingt nur schwer. Eine nucleophile Substitution erfordert daher i. d. R. ein starkes Nucleophil sowie eine Aktivierung des Aromaten durch Elektronen ziehende Gruppen. Die Substitution eines Wasserstoff-Atoms gelingt meist nur, wenn das austretende Hydrid-Anion H− abgefangen werden kann. Häufig wird ein bereits vorhandener Substituent durch einen neuen ersetzt (ipso-Substitution).

4.4 · Aromaten

4

151

Die nucleophile aromatische Substitution kann nach dem

Additions-Eliminierungsmechanismus ablaufen. Durch Angriff

des Nucleophils wird ein Carbanion gebildet, unter Abspaltung der Abgangsgruppe bildet sich das aromatische System zurück. Alternativ verläuft die nucleophile Substitution über den Eliminierungs-Additionsmechanismus (Arin-Mechanismus). Als Zwischenstufe bilden sich aromatische Systeme mit einer Dreifachbindung, die Arine. Der Eliminierungs-Additionsmechanismus tritt bei der Umsetzung von Halogenaromaten ohne zusätzliche Elektronen ziehende Gruppen mit starken Basen auf, die Addition des Nucleophils ist an beiden Seiten der Dreifachbindung möglich. NO2

NO2 Cl + OH −

langsam

OH



NO2

Cl

OH

schnell

+ Cl



Beim Additions-Eliminierungsmechanismus stellt die Bildung des Carbanions den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt dar. Die Abspaltung der austretenden Gruppe verläuft schnell.

Cl + H markiertes Chlorbenzol



NH2 NH2 Na +

− NaCl

+ NH3

Benzin („Dehydrobenzol”)

+ NH2 regioisomere markierte Aniline

Die Bildung von Arin-Zwischenstufen beim Eliminierungs-Additionsmechanismus wurde durch Markierung mit 14 C nachgewiesen (*).

4.4.4  Substituenteneffekte Ein bereits vorhandener Substituent an einem Aromaten beeinflusst die Reaktivität der Verbindung gegenüber w ­ eiteren ­Substituenten sowie deren Eintrittsposition. Bei der elektrophilen aromatischen Substitution wird nach empirischen Regeln unterschieden in:

152

Kapitel 4 · Organische Chemie I

5 Substituenten 1. Ordnung dirigieren in ortho- (o-) und para-Stellung (p-), sie erhöhen die Elektronendichte des π-Systems durch +I- oder +M-Effekte. Substituenten 1. Ordnung können aktivierend wirken (z. B. Hydroxyl- –OH, Hydroxylat–O−, Methoxy- –OCH3, Amino- –NH2, Alkyl-Gruppe –R) oder desaktivierend (z. B. Halogene). 5 Substituenten 2. Ordnung dirigieren in meta-Stellung (m-), sie erniedrigen die Elektronendichte des Aromaten durch –I und –M-Effekte. Substituenten 2. Ordnung wirken desaktivierend (z. B. Ammonium- –NH3+, Nitro- –NO2, Sulfonsäure- –SO3H, Carbonsäure- –COOH, Carbonsäureamid- –CONH2, Estergruppe –COOR). X

X E

ortho-Produkt X

E meta-Produkt X

E para-Produkt

Bei der nucleophilen aromatischen Substitution beeinflussen die Substituenten Reaktivität und Position umgekehrt wie bei der elektrophilen aromatischen Substitution: Elektronen ziehende Substituenten aktivieren hier den Aromaten und dirigieren in ooder p-Position.

4.5 · Nucleophile aliphatische Substitution

4

153

Angriff in o-Position E H X

E H X

E H

E H X

X +

+

+ +

Angriff in m-Position E H

E H

E H

+

+

+

X

X

E H

+

X

X

Angriff in p-Position E H +

X

E H

E H

E H

+

+ +

X

X

X

Ein +I-Substituent X kann das Carbenium-Ion nach Eintreten des Elektrophils E in o- und p-Position besonders gut stabilisieren. Ein –I-Substituent destabilisiert das Carbenium-Ion in allen Positionen, in m-Stellung wirkt sich dies weniger stark aus. +M/–M-Substituenten wirken wie +I/–I-Substituenten. In o-/p-Position können +M-Substituenten mit ihrem freien Elektronenpaar besonders gut zur Ladungsverteilung des Carbenium-Ions beitragen.

Wirkung des Erstsubstituenten bei elektrophiler Substitution.

4.5  Nucleophile aliphatische Substitution 4.5.1  SN1- und SN2-Mechanismus Bei der nucleophilen Substitution am gesättigten Kohlenstoff-Atom verdrängt ein nucleophiles Agens Nu einen Substituenten X (Abgangs- oder Austrittsgruppe, nucleofuge Gruppe). Das Nucleophil Nu bringt das Elektronenpaar für die neue Bindung mit, die Abgangsgruppe verlässt die Verbindung mit beiden Bindungselektronen. Die Reaktion umfasst zwei Schritte, den nucleophilen Angriff unter Bildung der Nu–C-Bindung und den nucleofugen Abgang des Substituenten X unter Spaltung der C–X-Bindung. Die beiden Schritte können nacheinander (SN1) oder gleichzeitig (SN2) erfolgen. +

-

Nu – + R–CH 2 –X

R–CH2 –Nu + X



154

Kapitel 4 · Organische Chemie I

z z Monomolekulare nucleophile Substitution SN1

Die Spaltung der C–X-Bindung geht der Bildung der C–Nu-Bindung voraus. Im ersten, geschwindigkeitsbestimmenden Schritt geht das tetraedrische, sp3-hybridisierte Kohlenstoff-Atom über in ein planares, sp2-hybridisiertes Carbenium-Ion. Im zweiten Schritt folgt die Bindungsbildung mit dem Nucleophil. Das planare Carbenium-Ion kann von beiden Seiten mit gleicher Wahrscheinlichkeit angegriffen werden. Optisch aktive Ausgangsverbindungen werden daher durch SN1-Reaktionen racemisiert, d. h. in ein Isomeren-Gemisch umgesetzt. In wenig polaren Lösungsmitteln erfolgt überwiegend eine Inversion der Konfiguration am zentralen Kohlenstoff-Atom, weil die Abgangsgruppe zunächst mit dem Carbenium-Ion als Ionenpaar verbunden bleibt und das Nucleophil deshalb nur von der entgegengesetzten Seite herantreten kann. Nu Nu–

X C

–X –

C C+

Nu– S N1-Reaktionen führen zur Racemisierung, da das Nucleophil von zwei Seiten angreifen kann. Das Ausmaß der Racemisierung hängt ab von der Stabilität des Carbenium-Ions und von der Nucleophilie des Lösungsmittels.

C Nu

Bei SN1-Reaktionen von längerkettigen Alkenen kann es zu intramolekularen Umlagerungen des Carbenium-Ions zu stabileren Carbenium-Ionen kommen (Wagner-Meerwein-Umlagerung). Auch die Abspaltung von Protonen unter Ausbildung einer Doppelbindung tritt auf.

4.5 · Nucleophile aliphatische Substitution

v= –

dc(RX) = k · c(RX) dt

Freie Enthalpie

Die SN 1-Reaktion folgt im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt einem Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung, das entstehende Carbenium-Ion ist eine Zwischenstufe.

4

155

+

C

R–X + Nu

R–Nu + X

Reaktionskoordinate

z z Bimolekulare nucleophile Substitution SN2

Die Spaltung der C–X-Bindung und die Bildung der Nu–C-Bindung erfolgen gleichzeitig. Das Nucleophil nähert sich von der Seite, die der Abgangsgruppe entgegengesetzt ist. Bei optisch aktiven Ausgangsverbindungen wird die Konfiguration am zentralen Kohlenstoff-Atom umgedreht (Inversion, Waldensche Umkehr). Es wird ein Übergangszustand durchlaufen, in dem Nu noch nicht fest gebunden, X noch nicht ganz gelöst ist. Die Bildung des Übergangszustands ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der SN2-Reaktion. Die Reaktion zu Alkenen und Umlagerungsprodukten lässt sich beim SN2-Mechanismus weitgehend vermeiden. X Nu – +

C

SN2-Reaktionen verlaufen unter Inversion der Konfiguration am zentralen Kohlenstoff-Atom.

X C Nu



C Nu

+X–

Kapitel 4 · Organische Chemie I

Die SN 2-Reaktion folgt einem Geschwindigkeitsgesetz 2. Ordnung, beide Reaktionspartner sind beteiligt. Der Übergangszustand ist der Zustand höchster Energie auf der Reaktionskoordinate.

v= –

Freie Enthalpie

156

X

C

Nu



dc(RX) = k · c(RX) · c(Nu) dt R–X + Nu

R–Nu + X

Reaktionskoordinate

4.5.2  Beeinflussung von SN-Reaktionen SN1- und SN2-Mechanismus können gleichzeitig vorkommen und je nach Reaktion in unterschiedlichem Maß miteinander konkurrieren. Durch geeignete Reaktionsbedingungen lässt sich das Verhältnis von SN1- zu SN2-Reaktion variieren. Nucleophile Substitutionen werden beeinflusst von den folgenden Faktoren: 5 Substituenten am zentralen Kohlenstoff-Atom, 5 angreifendes Nucleophil, 5 Art der Abgangsgruppe, 5 Lösungsmittel. Die Reaktivität des Edukts R–X ist abhängig von Art und Anzahl der Substituenten am zentralen Kohlenstoff-Atom. Substituenten mit +I-Effekt, z. B. Alkylgruppen, stabilisieren das intermediäre Carbenium-Ion, für tertiäre Alkyl-Derivate ist daher überwiegend SN1-Reaktion zu erwarten. Die SN2-Reaktion erfordert im Übergangszustand 5 Substituenten am zentralen Kohlenstoff-Atom. Die sterische Hinderung durch viele und große Alkylreste überwiegt hier deren induktiven Effekt, der SN2-Mechanismus tritt bevorzugt bei primären Alkyl-Derivaten auf. Sekundäre Alkyl-Derivate können je nach Abgangsgruppe und Lösungsmittel nach SN1 oder SN2 reagieren.

4.5 · Nucleophile aliphatische Substitution

4

157

Die Nucleophilie bemisst die Fähigkeit eines Teilchens, ein Atom mit positiver (Teil-)Ladung in einem Molekül unter Ausbildung einer kovalenten Bindung anzugreifen. Sie hängt von sterischen Faktoren und Wechselwirkungen mit dem Lösungsmittel ab. Anhand des HSAB-Konzepts von Pearson (hard and soft acids and bases, harte und weiche Lewis-Säuren und -Basen) lassen sich qualitative Aussagen treffen. Danach bevorzugen sich Teilchen gleicher Härte gegenseitig. Das Carbenium-Ion der SN1-Reaktion ist ein eher hartes Zentrum und reagiert deshalb mit harten Nucleophilen, d. h. kleinen, stark elektronegativen Anionen (z. B. Fluorid- F−, Chlorid- Cl−, Alkoholat- RO−, Hydroxid-Anionen OH−). Im Übergangszustand der SN2-Reaktion kann die Ladung gut verteilt werden, es handelt sich um ein weiches Zentrum, das weiche Anionen bevorzugt, d. h. große, gut polarisierbare, wenig elektronegative Teilchen wie Iodid- I−, Thiolat-Anionen RS−. Die Art der Abgangsgruppe beeinflusst die Geschwindigkeit einer nucleophilen Substitution, da die C–X-Bindung umso leichter gespalten wird, je stabiler X− ist. Gute Austrittsgruppen sind die Anionen starker Säuren, schlechte Abgangsgruppen sind Hydroxyl- –OH, Ether- –RO, Amino- –NH2 und Ester-Reste – OCOR. O F3 C

S O

+

N N

O

F3 C

− SO 3

O H3 C

S

O

I

Br

Cl

HO3 SO

O2 NO

HSO4−

NO3−

O

N2

Triflat-Gruppe gute Abgangsgruppe

H 3 C C 6 H 4 SO 3−

I−

Br − Cl −

Tosylat-Gruppe mäßig gute Abgangsgruppe

Lösungsmittel können die Aktivierungsenergie der Reaktion herabsetzen, indem sie die Reaktionspartner solvatisieren. Der SN1-Mechanismus, bei dem die Zwischenstufe des Carbenium-Ions und die Abgangsgruppe stabilisiert werden müssen,

Kapitel 4 · Organische Chemie I

158

wird durch protische Lösungsmittel wie Wasser, Alkohole und Carbonsäuren begünstigt. Der SN2-Mechanismus findet bevorzugt in polaren, aprotischen Lösungsmitteln wie Dimethylformamid (CH3)2NCHO oder Dimethylsulfoxid (CH3)2SO statt. 4.5.3  SN-Reaktionen unter Retention Nucleophile Substitutionen können in bestimmten Fällen unter Erhalt der Konfiguration am zentralen Kohlenstoff-Atom (Retention) erfolgen. Voraussetzung ist ein geeigneter Nachbar-Substituent, der das Reaktionszentrum angreifen kann, um in einem zweiten Schritt vom Nucleophil verdrängt zu werden. Der intramolekulare erste Schritt führt zur Inversion, die erneute Inversion durch den zweiten Schritt führt zur Retention. Br H C COOH H3 C H3C

H C

C

O

O α -Lacton

OH –

OH –

Br

Br H

H C C O H3C O –

H3 C

OH H H 3C

C

− C

O

C O

2. Inversion

O

− C

O

1. Inversion − Br – OH

H C COOH H3C Milchsäure

Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Hydrolyse von (R)-2-Brompropansäure ist die Bildung des a -Lactons, die Reaktion ist 1. Ordnung. Das Produkt ( R)-Milchsäure (d. h. (R)-2-Hydroxy-propansäure) hat die gleiche Konfiguration wie das Edukt (R)-2-Brom-propansäure.

4.5.4  Ambidente Nucleophile Einige Nucleophile besitzen zwei oder mehr funktionelle Zentren und werden daher als ambident oder ambifunktionell bezeichnet. Die reaktiven Zentren dieser Nucleophile werden nach dem HSAB-Konzept als weiches und hartes Zentrum

4.6 · Additionen und Eliminierungen

4

159

unterschieden. Reaktionen nach SN1-Mechanismus bevorzugen das harte Zentrum, nach SN2-Mechanismus das weiche Zentrum. Zusätzlich hängt der Reaktionsablauf vom Substrat R–X und vom Lösungsmittel ab. Typische ambidente Nucleophile. w und h kennzeichnen das weiche/harte Zentrum nach dem HSAB-Konzept.

O C N

C N

w

h h

Cyanid

O

O

w

O N

N +

Nitrit

O

O R

w

h R

R

R Enolat

4.6  Additionen und Eliminierungen 4.6.1  Additionen an C=C-Doppelbindungen Die wichtigste Reaktion von Alkenen ist die Addition an die Doppelbindung. Dabei geht die π-Bindung verloren, die Reaktion führt zum gesättigten Kohlenwasserstoff. Die Addition erfolgt in zwei Stufen: Ein Elektrophil, ein Nucleophil oder ein Radikal addiert an ein Glied der Mehrfachbindung, das entstehende Zwischenprodukt reagiert in einem zweiten Schritt zum Reaktionsprodukt. Formal entspricht dies der Umkehrung einer Eliminierungsreaktion (7 Abschn. 4.6.5). Reaktives Zentrum ungesättigter Verbindungen ist die Doppelbindung. Die benachbarte allylische Position ist ebenfalls aktiviert, sie geht meist radikalische Substitutionsreaktionen ein. +M-Substituenten erhöhen die Elektronendichte an einer benachbarten Doppelbindung und begünstigen die Reaktion mit Elektrophilen. –M-Substituenten vermindern die E ­ lektronendichte an einer benachbarten Doppelbindung und begünstigen die Reaktion mit Nucleophilen.

160

Kapitel 4 · Organische Chemie I

C

+

C

X

Y

X

C

C

Y

4.6.2  Elektrophile Addition Bei elektrophilen Additionen findet im ersten Schritt eine Wechselwirkung des Elektrophils mit dem leicht polarisierbaren Doppelbindungssystem statt. Durch Umwandlung der π-Bindung in eine σ-Bindung zum Elektrophil entsteht ein CarbeniumIon. Je nach Art und Größe des Elektrophils kann es das Carbenium-Ion überbrücken (Ladungsverteilung über die beiden beteiligten Kohlenstoff-Atome und das Elektrophil) und stabilisieren. Als angreifendes Elektrophil können Protonen- und Lewis-Säuren wie Halogenwasserstoffe, Schwefel- oder Salpetersäure, Halogene u. a. wirken, die Reaktivität des Elektrophils steigt mit seiner Acidität. Im zweiten Schritt reagiert das Carbenium-Ion mit einem Nucleophil. E C

C

+ E+

C

C+

Nu –

E

Nu C

C

Die Rekombination des Carbenium-Ions im zweiten Schritt der elektrophilen Addition entspricht dem zweiten Schritt der SN1-Reaktion.

Wird eine asymmetrische Verbindung an ein asymmetrisches Alken addiert, können prinzipiell zwei Produkte entstehen. Tatsächlich wird bevorzugt das Produkt gebildet, das über das ­ stabilere der beiden Carbenium-Ionen entsteht: Bei der

4.6 · Additionen und Eliminierungen

4

161

Anlagerung von Protonensäuren an asymmetrische Alkene wird das Wasserstoff-Atom immer an das bereits wasserstoffreichere Kohlenstoff-Atom gebunden (Regel von Markownikow). Die Regel gilt auch für die sauer katalysierte und die Quecksilber-katalysierte Hydratisierung (Oxymercurierung). Die Markownikow-Regel gilt nicht bei nucleophilen und radikalischen Additionen. H H 3C H 3C

CH

CH 2

H

CH

H Hal –

+

CH 2

H 3C

CH

CH 2

I

Hal

+

H +

H 3C

CH

H Hal –

CH 2

H 3C

CH

CH 2

II

Hal Bei der Addition von HHal an Propen entsteht fast ausschließlich Produkt II, da es aus dem stabileren sekundären Carbenium-Ion hervorgeht.

Hydroborierung ist die Addition von Boranen (BH3 oder R2BH). Als Lewis-Säure koordiniert das Boran an das π-System des Alkens, und über einen 4-Zentren-Übergangszustand wird ein Wasserstoff-Atom auf das eine Kohlenstoff-Atom und das Bor auf das andere Kohlenstoff-Atom übertragen. Aus sterischen Gründen bevorzugt Bor das weniger abgeschirmte Kohlenstoff-Atom. Nach anschließender Oxidation und Hydrolyse entsteht formal das anti-Markownikow-Produkt.

R

CH CH 2

R2BH

R

CH CH 2 B H

R

R

R

CH

CH 2

H

BR 2

Bei der Hydroborierung werden beide Substituenten von der gleichen Seite an die Doppelbindung addiert, es handelt sich um eine syn-stereospezifische Reaktion.

R

CH

CH 2

H

BR 2

Kapitel 4 · Organische Chemie I

162

4.6.3  Nucleophile Addition Alkene, die in Nachbarschaft zur Doppelbindung Elektronen ziehende Substituenten aufweisen, können auch nucleophil angegriffen werden. Der Angriff erfolgt am positivierten Ende der Doppelbindung. Im ersten Schritt wird ein stark basisches Carbanion gebildet, das im zweiten Schritt mit einem Elektronenakzeptor, z. B. einem Proton, reagiert. Mesomeriestabilisierung durch benachbarte Substituenten begünstigt die Reaktion. Nucleophile Additionen finden häufig an der polarisierten Doppelbindung von Carbonylverbindungen statt. O H 2C +

H 2C

-

+

CH

C

O

CH



OH Nu

C

H 2C

1,2-Addukt

R Nu –

CH

Nu

C

Folgereaktionen

R

Angriff an C1 Angriff in b-Position

R Nu

CH 2



CH

O C

O Nu

R

CH 2

CH

C



O Nu

R

CH 2

CH 2

1,4-Addukt

C R

Bei , -ungesättigten Carbonylverbindungen kann sowohl an die Carbonyl-Gruppe (Angriff an C1 ) als auch an die Doppelbindung (Angriff in β-Position) addiert werden.

4.6.4  Cycloaddition Cycloadditionen sind Reaktionen, bei denen 3- bis 6-gliedrige Ringe entstehen. Cycloadditionen können als konzertierte pericyclische Reaktionen ablaufen und stereospezifisch Produkte bilden. Radikalische und ionische Cycloadditionen sind nicht stereospezifisch. Nach Art und Anzahl der Atome, die von den beiden Reaktionspartnern in die cyclische Verbindung

4.6 · Additionen und Eliminierungen

163

4

e­ infließen, wird unterschieden in [1 + 2]-, [2 + 2]-, [3 + 2]-Cycloadditionen usw. Typisches Beispiel ist die Diels-Alder-Reaktion, eine wichtige [2 + 4]-Cycloaddition, die thermisch leicht abläuft. Sie erfordert ein elektronenreiches Dien und ein elektronenarmes Dienophil (En). 4.6.5  Eliminierungsreaktionen Bei Eliminierungsreaktionen werden zwei Atome oder Atomgruppen aus einem Molekül abgespalten, ohne dass andere Gruppen ihre Stelle einnehmen. Die Reaktion kann nach ionischen oder radikalischen Mechanismen ablaufen. Eine LewisBase Nu verdrängt eine Abgangsgruppe X aus ihrer Verbindung, im Gegensatz zur nucleophilen Substitution nimmt die LewisBase jedoch nicht selbst die Stelle der Abgangsgruppe ein, sondern spaltet als Base ein Proton vom benachbarten Kohlenstoff-Atom ab, wobei eine Doppelbindung entsteht. Genau wie bei Substitutionsreaktionen werden mono- und bimolekulare Mechanismen unterschieden.

z z Monomolekulare Eliminierung E1 Im ersten, geschwindigkeitsbestimmenden Schritt wird ein Substituent X abgespalten. Das tetraedrische, sp3-hybridisierte Kohlenstoff-Atom geht über in ein planares, sp2-hybridisiertes Carbenium-Ion. Im zweiten Schritt kann das Carbenium-Ion mit einem Nucleophil reagieren (SN1-Reaktion) oder durch Abspaltung eines Protons vom Nachbar-Kohlenstoffatom ein Alken bilden.

Kapitel 4 · Organische Chemie I

164

H

C

C

X

X

C

C+

+X –

n

ktio

Rea

S N1-

H

C

C

C

C

Nu



+ Nu

E1-R

ea kt ion – H+

Geschwindigkeitsbestimmend für die E1-Reaktion ist die Bildung des Carbenium-Ions im ersten Schritt.

Der E1cB-Mechanismus verläuft über ein Carbanion (konjugierte Base cB), das unter dem Einfluss einer Base im ersten Reaktionsschritt gebildet wird. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist nur von der Konzentration dieser konjugierten Base abhängig, die im zweiten, langsamen Schritt die Abgangsgruppe abspaltet. F Br 2C B



H

CF 2

F

schnell

Br2 C



CF 2

langsam

Br 2C

CF 2 + BH +F



konjugierte Base

Geschwindigkeitsgleichung:

v= –

dc(RX) = k · c(konj. Base) dt

Eliminierung nach dem E1cB-Mechanismus tritt nur auf, wenn ein stabilisiertes Carbanion (konjugierte Base) entstehen kann.

z z Bimolekulare Eliminierung E2 Der Austritt der Abgangsgruppe X, die Bildung der Doppelbindung und die Abtrennung der Gruppe am Nachbar-Kohlenstoffatom (β-C-Atom) erfolgen konzertiert, im Übergangszustand sind Substrat und Lewis-Base beteiligt. Geschwindigkeitsbestimmend ist die Reaktion zwischen Base und Substrat.

4.6 · Additionen und Eliminierungen

H B–

Ph

H

Ph

H B

Br CH 3

Ph

H

Ph

Ph H

H B Br CH 3

(1R,2 R)-1-Brom1,2-diphenylpropan

Ph

Ph H

CH 3 (E)-1,2-Diphenylpropan H

Br CH 3

Ph

Ph

Br CH 3

Ph

H

– ‡

(1S ,2 R)-1-Brom1,2-diphenylpropan

B–

4

165

Ph

– ‡

Ph

H

CH 3 (Z)-1,2-Diphenylpropan

E2-Reaktionen laufen besonders gut ab, wenn die austretenden Gruppen antiperiplanar (gestaffelt) zueinander stehen und die 4 beteiligten Zentren H, C, C, X in einer Ebene liegen (anti-Eliminierung). Die Bildung von (E)- und (Z)-1,2-Diphenylpropen im Beispiel erfolgt stereoselektiv.

Befindet sich die Abgangsgruppe an einem sekundären oder tertiären Kohlenstoff-Atom, so kann die Eliminierung zu verschiedenen, regioisomeren Produkten führen. Das Verhältnis der Produkte hängt ab von der Abgangsgruppe, dem Lösungsmittel sowie der Basizität und dem Raumbedarf der Base. Bei der Saytzeff-Orientierung entsteht das stärker verzweigte (höher substituierte) Produkt, das abgespaltene Proton stammt von demjenigen Nachbar-Kohlenstoffatom, das die meisten Alkylgruppen trägt. Die Reaktion zum Saytzeff-Produkt verläuft überwiegend nach dem E1-Mechanismus und wird begünstigt durch gute Abgangsgruppen. Bei der Hofmann-Orientierung trägt das Produkt die geringere Anzahl von Alkylgruppen an der Doppelbindung. Sie wird begünstigt durch schlechte

166

Kapitel 4 · Organische Chemie I

Abspaltungstendenz der Abgangsgruppe, sodass die Lewis-Base eine größere Rolle spielt und ein E2-Mechanismus vorliegt. Eine sterische Abschirmung des Substrats durch Substituenten oder durch die Base fördert zusätzlich die Eliminierung des Protons von einer endständigen Methylgruppe. Hb H 3C

CH

Ha

– HbX

H 3C CH CH CH 3 Saytzeff-Produkt

– Ha X

H 3C CH 2 CH CH 2 Hofmann-Produkt

CH CH 2 X

Die Eliminierung von sekundären und tertiären Substituenten führt zu regioisomeren Produkten. Das Saytzeff-Produkt ist thermodynamisch stabiler, das Hofmann-Produkt kinetisch begünstigt.

167

5

Organische Chemie II © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Fallert-Müller, B. Jarosch, A. Simeon, Pocket Guide Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58747-8_5

5.1  Oxidation und Reduktion 5.1.1  Oxidationszahlen in der organischen

Chemie

Die Oxidation ist eine chemische Reaktion, bei der ein Stoff Elektronen abgibt. Dadurch wird die Oxidationszahl dieses Stoffes erhöht. Ein anderer Stoff nimmt diese Elektronen auf, seine Oxidationszahl erniedrigt sich dadurch (Reduktion). Oxidation und Reduktion sind stets miteinander gekoppelt, Oxidationsmittel und Reduktionsmittel bilden ein korrespondierendes Redoxpaar. Die Oxidationszahl ist ein formaler Wert, der einem Atom in einer Verbindung zugeschrieben wird, um Bindungsverhältnisse und Reaktionsabläufe zu veranschaulichen. Zur Ermittlung der Oxidationszahl wird eine Verbindung gedanklich in Ionen zerlegt, die Bindungselektronenpaare werden dem elektronegativeren Bindungspartner zugeordnet, der damit einen negativen Beitrag zu seiner Oxidationszahl erhält. In neutralen Verbindungen muss die Summe der Oxidationszahlen 0 ergeben, in geladenen Verbindungen die jeweilige Ladung. Atome im Elementzustand haben immer die

Kapitel 5 · Organische Chemie II

168

Oxidationszahl 0 (z. B. O2, C, S8,…). Oxidationszahlen einiger Elemente in Verbindung mit Kohlenstoff sind: Wasserstoff (+1), Sauerstoff (−2), Stickstoff (−3), Halogene (−1). C–C-, C=Cund C≡C-Bindungen gehen mit 0 in die Rechnung ein. In der Organischen Chemie wird der Begriff der Oxidation/Reduktion enger gefasst als in der Anorganischen Chemie und meist nur angewandt auf Entzug/Zuführung von Elektronen, Abspaltung/Addition von Wasserstoff sowie Zuführung/ Abspaltung von Sauerstoff. Oxidationszahlen des Kohlenstoff-Atoms −4

CH4

−3

H3C–CH3

•CH3

−2

H2C=CH2

CH3Cl

−1

HC≡CH

0

H2C=O

+1

CH3CHO

(CH)3COH

+2

HCOOH

HCN

+3

CH3COOH

+4

CO2

CCl4

5.1.2  Klassische Reduktions- und

Oxidationsreaktionen

Die Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion erlaubt es, Carbonylgruppen in Gegenwart anderer reduzierbarer Gruppen selektiv zu reduzieren. Aldehyde oder Ketone werden dabei mit Isopropylalkohol (CH3)2CHOH in Gegenwart von Aluminiumisopropylat umgesetzt. Die Umkehrung der Reaktion ist die Oppenauer-­ Oxidation.

5.1 · Oxidation und Reduktion

R' C O R

H3 C

R' CH R

Al[OCH(CH3) 2 ]3

OH

CH

+

5

169

H3 C

H3 C OH

C

+

O

H3 C

Durch Abdestillieren des entstehenden Acetons (CH3 )2 CO lässt sich das Gleichgewicht der Meerwein-PonndorfVerley-Reduktion nach rechts verschieben.

Aldehyde ohne α-Wasserstoff-Atom disproportionieren in Gegenwart starker Basen zum korrespondierenden primären Alkohol und zur Carbonsäure (Cannizzaro-Reaktion). Die gemischte Disproportionierung zweier verschiedener Aldehyde führt bei Verwendung von Formaldehyd H2CO als einem Edukt zu Ameisensäure HCOOH und dem entsprechenden Alkohol (gekreuzte Cannizzaro-Reaktion). Ph 2

C

H

O

OH

Ph

+ NaOH



O

H

H

Ph

C

C

O

Na +

PhCH2 OH + − PhCOO Na +

Ph OH + H 2C + O Na O −

Ph

Der Mechanismus der Cannizzaro-Reaktion führt über Anlagerung eines Hydroxid-Ions OH– und Wanderung eines Hydrid-Ions H – zu Alkoholat und Säure.

Carbonsäureester können mit Natrium zu Alkoholen reduziert werden (Bouveault-Blanc-Reduktion), ausgehend von Nitrilen führt die Reaktion auch zu primären Aminen. Lösungsmittel sind sekundäre Alkohole, die nur langsam selbst mit Natrium reagieren. O R

C

O

Na OR'

R

C I



OH

Na +

ROH

OR'

RO Na +



R

C

Na R

OR'

+

OH

O − Na

C−

C

Na+

R

OR'

II Bei der Bouveault-Blanc-Reaktion übernimmt das Radikalanion I vom Lösungsmittel ein Proton und erhält von Natrium erneut ein Elektron. Das resultierende Carbanion II erfährt eine Umprotonierung zum Halbacetal-Natriumsalz des Aldehyds (III), das sofort in Alkoholat und Aldehyd IV zerfällt. Der Aldehyd IV wird erneut reduziert. Insgesamt werden 4 Elektronen übertragen.

R CH 2 OH

Na ROH

OH R

C

H



+

RO Na

R

C

H

OR' III

− R'O − Na +

+

O −Na

ROH

H

O

Na R

C IV

H

170

Kapitel 5 · Organische Chemie II

5.1.3  Oxidations- und Reduktionsmittel Die Reaktionsfähigkeit einer Verbindung in Redox-­ Reaktionen lässt sich anhand ihres Redoxpotenzials abschätzen: Eine Verbindung ist umso leichter oxidierbar, je kleiner ihr Standard-Elektrodenpotenzial. Je höher das Standard-Elektrodenpotenzial, desto stärker wirkt eine Verbindung als Oxidationsmittel. Die Oxidierbarkeit von Kohlenwasserstoffen steigt in vergleichbaren Reihen wie folgt an: 5 primäre