Platonismus und hellenistische Philosophie [Reprint 2012 ed.] 9783110843170, 9783110036435

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Platonismus und hellenistische Philosophie [Reprint 2012 ed.]
 9783110843170, 9783110036435

Table of contents :
Einleitung
I. Ältere und Neuere Akademie
1. Die Lage der Forschung
2. Kontinuität der akademischen Dialektik
3. Die Umbildung der Ideenbeweise
4. Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre
II. Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus
1. Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre
2. Aristotelische, akademische und epikureische Theologie
III. Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff
1. Epikureismus
2. Stoizismus
IV. Epikurs Lehre vom Minimum
1. Epikur
2. Demokrit
3. Aristoteles
4. Die Physik der Akademiker
Exkurs: Die ,Physik’ des Xenokrates und die fünf Argumente des Traktats De lineis insecabilibus
REGISTER: I. Literaturverzeichnis (Abkürzungen)
II. Verzeichnis der Autoren und Stellen
III. Verzeichnis von Wörtern und Begriffen
IV. Namensverzeichnis

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HANS JOACHIM KRÄMER PLATONISMUS UND HELLENISTISCHE PHILOSOPHIE

HANS JOACHIM KRÄMER

P L A T O N I S M U S UND HELLENISTISCHE PHILOSOPHIE

W DE

G

WALTERDE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK 1971

ISBN 3 11 0036 43 6 © 1972 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner · Veit & Comp., Berlin 30 • Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Kheingold-Druckerei, Mainz

IN MEMORIAM PARENTUM

VORWORT Der Abschluß des seit mehreren Jahren angekündigten Buches hat sich wegen vordringlicher Projekte verzögert. Es gehört in eine Reihe mit den vorangegangenen Arbeiten des Verfassers (,Arete bei Piaton und Aristoteles' 1959; ,Der Ursprung der Geistmetaphysik' 1964), deren Fragestellung es nach einer anderen Richtung hin weiterführt. Eine erste Fassung des letzten Kapitels war im Manuskript ausgearbeitet, als D. J . Furleys ,Two Studies in the Greek Atomists' (1967) mit dem Kapitel .Indivisible magnitudes' erschienen. Eine Neubehandlung des Themas unter dem hier verfolgten Aspekt stellte sich nach wie vor als wünschenswert dar; wieviel die endgültige Fassung dem ausgezeichneten Buch verdankt, ist leicht zu ersehen. Die Tübinger Dissertation von Dietrich Lemke ,Die Theologie Epikurs. Versuch einer Rekonstruktion', auf deren Ergebnisse das zweite Kapitel Bezug nimmt, konnte nicht, wie ursprünglich geplant, gleichzeitig publiziert werden. Sie wird 1972 als 57. Band in der Reihe der ,Zetemata' erscheinen. Tübingen, Oktober 1970 / Oktober 1971

H. J . K.

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

ι

I. Ältere und Neuere Akademie 1. 2. 3. 4.

Die Lage der Forschung Kontinuität der akademischen Dialektik Die Umbildung der Ideenbeweise Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

.

5 14 58 75

τ. Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre . . . 2. Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

108 131

II. Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

III. Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff 1. Epikureismus 2. Stoizismus

188 220

IV. Epikurs Lehre vom Minimum 1. 2. 3. 4.

Epikur Demokrit Aristoteles Die Physik der Akademiker

Exkurs: Die .Physik' des Xenokrates und die fünf Argumente des Traktats De lineis insecabilibus REGISTER:

I. II. III. IV.

Literaturverzeichnis (Abkürzungen) . . Verzeichnis der Autoren und Stellen. . Verzeichnis von Wörtern und Begriffen Namensverzeichnis

231 258 278 288 333 363 372 385 390

EINLEITUNG

Eine Bestandsaufnahme der zwischen platonischer und hellenistischer Philosophie möglichen Vergleichspunkte liegt nicht in der Absicht dieses Buches. Altbekanntes ist durchweg beiseite gelassen, aber auch unter den noch offenen Problemen stellen die hier behandelten eine Auswahl dar. Zunächst meint die Bezeichnung,,Piatonismus" weniger die Philosophie Piatons selber als vielmehr die Platon-Interpretation der akademischen Schule etwa zwischen 360 und der Bildung der nachklassischen Philosophien in den Jahrzehnten um die Wende vom vierten zum dritten Jahrhundert. Ferner ist unter dem Titel „hellenistische Philosophie" im wesentlichen die grundlegende Frühphase der Philosophien des hellenistischen Zeitalters verstanden, wogegen die späteren Rückwendungen zum Piatonismus in der mittleren Stoa des Panaitios oder der neudogmatischen Akademie des Antiochos hier unberücksichtigt bleiben. Entgegen der älteren, von Siebeck und Zeller begründeten Anknüpfung der hellenistischen Philosophenschulen allein an den Peripatos haben neuere Standardwerke von E. Bignone 1 und J. Moreau2, zu denen eine Reihe gewichtiger Einzelarbeiten treten, den Anteil der Älteren Akademie, die ja neben dem Peripatos fortbestanden hat und durch Lehrer-Schüler-Verhältnisse den Nachfolgeschulen eng verbunden war 3 , stärker hervortreten lassen. Die beschränkte Zielsetzung der Ansätze von Bignone und Moreau, von denen Bignone bekanntlich primär vom Aristoteles der Dialoge ausging, hat jedoch dazu geführt, 1

2

3

E. BIGNONE, L'Aristotele perduto e la formazione filosofica di Epicuro, I/II, Florenz 1936. Das Hauptwerk, in das eine größere Zahl älterer Arbeiten eingegangen ist, wird seinerseits ergänzt durch spätere Beiträge, die an folgenden Stellen erschienen sind: Atene e Roma III 5, 1937, 119-129, 217-233; Mdlanges fimile Boisacq (Annuaire de l'Institut de Philologie et d'Histoire orientales et slaves V), Brüssel 1937, 87-116; Atene e Roma III 6, 1938, 214232; Atene e Roma III 8, 1940, 159-198. J. MOREAU, L'äme du monde de Piaton aux Stoiciens, Paris 1939, Nachdruck Hildesheim 1965. Vgl. unten S. 115, Anm. 39 und S. 317.

2

Einleitung

daß zwar die Ethik, aber auch die Kosmologie der Epikureer und Stoiker in ihrer - kritischen oder konstruktiven - platonisch-akademischen Orientierung erschlossen worden sind, daß aber die ontologische Dimension, in die beide Disziplinen im Piatonismus zuletzt hineinführen, auf ihre historische Tragweite für Kepos und Stoa entweder gar nicht oder doch nicht ausreichend befragt worden ist. Indessen ist es gerade das Schicksal der klassischen Metaphysik, an dem sich die Frage der Kontinuität zwischen klassischer und nachklassischer Philosophie entscheidet. Der philosophiegeschichtlich zentrale Vorgang, der die Entwicklung der Ethik und Physik gleichermaßen übergreift: die Destruktion der metaphysischen Grundlegung und der daranhängenden Systematik, ist nicht schon dadurch ausreichend beschrieben, daß man ihn nur negativ charakterisiert. Wenn sich das neue, geschichtlich begründete Lebensgefühl des Frühhellenismus der ermattenden klassischen Spekulation unter dem Rückgang auf Sokratik und Vorsokratik in eigenen philosophischen Entwürfen entgegenstellt, so bedarf es einer tiefer angelegten Analyse um auszumachen, ob und in welchem Umfang die klassische Metaphysik gleichwohl in trümmerhafter und umgesetzter Form in die nachklassischen Philosopheme hineinwirkt und darin in analogen Fragestellungen, Denkmitteln oder gar inhaltlichen Residuen weiterlebt. Wenn im folgenden anhand ausgewählter Beispiele der Nachweis versucht wird, daß die hellenistischen Systeme - unbeschadet ihrer materialistischen und sensualistisch-empiristischen Grundlage oder ihrer praktischen und ideologiekritischen Zielsetzung - vielfach von dem Erbe der älteren Dialektik zehren und auf kryptoontologischen Voraussetzungen4 aufruhen, die bis in die innere Mitte von Ethik und Physik hineinreichen, so soll damit einer erschöpfenden und zugleich von Zentrum zu Zentrum führenden Synkrisis von klassischer und nachklassischer Philosophie der Griechen der Weg bereitet werden. Daran knüpfen sich weitergehende Fragen von allgemeinerem philosophiehistorischem Interesse, die im Rahmen dieser Untersuchung nicht erörtert werden können, aber dadurch einen neuen Anstoß erfahren mögen: Inwiefern handelt es sich bei der hier aufzuzeigenden Transposition um einen typischen Vorgang, der im Verhältnis zwischen idealistischen und nach4

Gemeint sind damit Voraussetzungen, die in der Anlehnung an die klassische ontologische Tradition mitgeführt werden, ohne innerhalb des eigenen, in seiner Interessenrichtung weitgehend anders orientierten Systems explizit thematisiert zu werden.

Einleitung

3

idealistischen Epochen der Philosophiegeschichte - etwa im neunzehnten Jahrhundert - immer wiederkehrt ? Worin liegt die spezifische Eigenart der Nachfolge, die den Frühhellenismus vor verwandten Epochen auszeichnet? - und manche anderen Erwägungen dergleichen mehr. Es scheint jedenfalls, als seien die drei für die hellenistische Periode charakteristischen Philosophien des Kepos, der Stoa und der sogenannten Neueren Akademie noch in einem umfassenderen Sinne bei der klassischen Philosophie des vierten Jahrhunderts in die Schule gegangen, als es spezielle Vergleiche in der Güterlehre oder der Logik, der Physik oder der Theologie schon früher haben erkennen lassen. Der Herausarbeitung dieses Zusammenhangs - in mehreren philosophischen Sachbereichen und unter verschiedenen Hinsichten - sind die vier Teile des folgenden Buches gewidmet: 1. Das Problem von Ursprung und Wesen der sogenannten akademischen „Skepsis" wird im ersten Abschnitt erneut aufgeworfen und im Blick auf das Gesamtbild der Älteren Akademie: ihre historische Situation zu Beginn des dritten Jahrhunderts, ihre Methodik und Systematik einer Lösung zugeführt, die gegenüber externen - vulgärphilosophischen oder heterodoxen - Einflüssen die fach- und schulphilosophische Kontinuität zu bewahren strebt. 2. Das zweite Kapitel sucht die Bedeutung der nachplatonischen ,Timaios'-Interpretation für die Ausbildung der stoischen und epikureischen Theologie und Prinzipienlehre herauszuarbeiten. In beiden Fällen erweist sich die Transposition des ursprünglich supramundanen göttlichen Bereichs, seiner Modell- und Prinzipienfunktion ins Kosmologische als eine latente Voraussetzung der dualistischen Tendenzen sei es der stoischen (Prinzipien), sei es der epikureischen (Götter-Menschen) Physik. Im Falle des Epikureismus war darüber hinaus die communis opinio von der bevorzugten Orientierung an der peripatetischen Theologie kritisch zu überprüfen und vorgängig eine Sonderung peripatetischer und altakademischer Elemente herbeizuführen, deren Synkrisis die letzteren als die maßgeblicheren zu erkennen gibt. 3. Die Kernbegriffe der epikureischen und stoischen Ethik werden im dritten Kapitel auf ihre ontologischen Implikationen und deren historische Voraussetzungen befragt, wobei sich Ansätze der bisherigen Forschung in größere Zusammenhänge rücken lassen. 4. Das abschließende Kapitel über Epikurs Theorie minimaler Größen legt dar, daß Epikur damit nicht lediglich den ontologischen

4

Einleitung

Anspruch des älteren Atomismus mit der aristotelischen Kritik auszugleichen versuchte, sondern daß er durch diese Kritik in eine schon vorliegende Kontroverse zwischen Aristoteles und den orthodoxen Akademikern über das Problem der Diskontinuität hineingezogen worden ist und sich dabei die Position der Akademie grundsätzlich zu eigen gemacht hat. Obgleich die vier Teile des Buches unter einem einheitlichen thematischen Gesichtspunkt stehen, setzen sie einander nicht voraus und sind daher auch in der Darstellung voneinander unabhängig gehalten.

I. ÄLTERE UND NEUERE AKADEMIE*

i. Die Lage der Forschung Die Frage nach dem historischen Ursprung der Wendung, die die Philosophie der platonischen Akademie im zweiten Drittel des dritten Jahrhunderts mit Arkesilaos von Pitane genommen hat, war schon in der Antike umstritten. Die Doxographie hat den „Skeptiker" Arkesilaos gelegentlich zum Nachfolger des Skeptikers Pyrrhon von Elis gemacht1, was durch zeitgenössische Anspielungen wie den bekannten Spottvers des Stoikers Ariston von Chios2 oder die Polemik des Pyrrhon-Schülers Timon3 und nicht zuletzt durch eine gewisse Affinität der philosophischen Positionen und Denkmittel gerechtfertigt schien. Eine große Zahl moderner Philosophiehistoriker wie Zeller, Natorp, Goedeckemeyer, Bevan, Paleikat, Patrick, Robin und Dal Pra hat sich daher bis in die jüngste Zeit in wechselndem Umfang diesem Urteil angeschlossen4. Auf der anderen Seite hat die Neuere Akademie mit der * I m Folgenden werden die A u s d r ü c k e „ N e u e r e A k a d e m i e " , „ n e u a k a d e m i s c h " generell auf die v o n Arkesilaos bis zu Philon v. L . reichende E p o c h e der A k a d e m i e bezogen und der „ Ä l t e r e n A k a d e m i e " v o n Piaton bis K r a t e s gegenübergestellt. 1 D . L . I V 33; S. E . H y p . P . I 234 (vgl. 232); Eus. pr. ev. X I V c. 5, 12; c. 6, 4 - 6 (nach Numenios). 2 πρόσθε Πλάτων, βπιθεν Πύρρων, μέσσος Διόδωρος (nach Horn. II. V I 181): D. L . I V 33; S. E . H y p . I 234; N u m . b. Eus. pr. ev. X I V c. 5, 13 W S V F I 343/4 (vgl. 345/6). Unrichtig die Auffassung im Sinne einer zeitlichen A b f o l g e b. Eus. c. 5, 1 2 u n d GOEDECKEMEYER 32 A n m . 6, d a z u WEISCHE 1 3 f . G e m e i n t i s t , d a ß

3

4

Arkesilaos ein versteckter Pyrrhoneer sei (was nicht notwendig A b h ä n g i g k e i t impliziert, sondern sachliche Übereinstimmung besagen k a n n : CREDARO I I 243 f.), woraus GIGON 57 m i t R e c h t folgert, daß A r k . selbst stets als reiner Platoniker a u f t r a t . D. L . I V 33 f. (Verbindung m i t Pyrrhon), I X 114 f. (Anekdotisches und L o b im ΆρκεσΛάου περίδειπνον), vgl. DIELS, Poet. Philos. F r a g m . (1901) Nr. 9 T i m o n fr 31-33, 73; NESTLE, R E V I A 2 (1937) s · v · 'Timon' Nr. 13 Sp. 1301. Z E L L E R , P h . d . G r . I I I i e , 5 0 7 ; N A T O R P 2 9 0 f . ; G O E D E C K E M E Y E R 3 0 fi., b e s . 3 3 A n m . 1 ; B E V A N 1 2 8 f . ; P A L E I K A T I ff., 3 3 ; P A T R I C K 1 0 6 f f . , 1 2 8 ; R O B I N 4 5 f . ;

DAL PRA 78 ff. (einschränkend).

6

Ältere und Neuere Akademie

Herleitung von der elenktisch-aporetischen Methode des Sokrates ein eigenes historisches Selbstverständnis entwickelt. Danach hat Arkesilaos das in Vergessenheit geratene sokratische Verfahren in seiner Zeit erneuert, und zwar im Rückgriff auf die literarischen Darstellungen der Sokratikerdialoge, vornehmlich Piatons5, was durch das Wiederaufgreifen von Motiven der platonischen »Apologie' bei Arkesilaos' Lehrer Krantor® und Arkesilaos' Interesse für Piatons Schriftwerk 7 gestützt zu werden scheint. In neuerer Zeit hat diese Deutung nach Geffers vor allem in Rudolf Hirzel einen beredten Anwalt gefunden und ist in der Folge mit bestimmten Modifikationen, die neben dem Sokratischen das Platonische stärker hervorheben, von Brochard, Credaro, von Arnim, Hartmann, Couissin und Gigon vertreten worden8. Im übrigen rechnen auch die Anhänger der zuerst genannten Auffassung mit sokratischplatonischem Einfluß, bewerten ihn aber gegenüber dem von Pyrrhon ausgegangenen primären Anstoß als sekundär9. Zu den beiden traditionellen Theorien über den Ursprung der akademischen „Skepsis", die miteinander auch ganz verschieden ponderierte Verbindungen eingegangen sind, hat sich vor etwa einem Jahrzehnt ein dritter Lösungsversuch gesellt: Nach einem Hinweis von O. Gigon 10 stellte A. Weische in einem 1961 erschienenen Buch 1 1 die Philosophie der Neueren Akademie entschieden in die Nachfolge des Methoden· und Wissenschaftsideals des frühen Peripatos und führte zu5

8

7

8

Cie. fin. I I 2, η. d. I 1 1 , vgl. Tusc. I 8, V 10 f.; Lact. Inst. I I I 4, 6; zur literarischen Dokumentation: Cie. De or. I I I 67, Ac. I 16, vgl. Ac. I 46, Tusc. I I 8. fr 9 - 1 2 KAYSER und MULLACH ( F P G I I I ) , dazu jetzt H . - T h . JOHANN, Trauer

und Trost, München 1968, 1 2 1 ff. D. L . I V 3 2 : έφκει δή θαυμάζειν καΐ τόν Πλάτωνα καΐ τά βιβλία έκέκτητο αύτοϋ. Vgl. Ac. Phil. Ind. Here. col. X I X p. 71 Mekl. G E F F E R S 1 2 0 f f . ; H I R Z E L I I I 2 2 ff., 1 4 9 f f . ; BROCHARD 9 7 ; CREDARO I I 2 4 3 ff.

2 6 3 0 . , vgl. 2 1 3 0 . ; v. ARNIM, R E 'Arkesilaos' Sp. 1 1 6 5 ! . ; Η. HARTMANN 4 7 ff.; COUISSIN, S t o i c i s m e 3 7 4 ff.; GIGON 5 2 ff., 5 7 f.

' Umgekehrt hat selbst HIRZEL gelegentlich (III 160 mit Anm. 2) eine pyrrhoneische erste Anregung der akademischen Skepsis in Erwägung gezogen. 10 GIGON 49: „Bei Theophrast beginnt freilich schon eine eigentümliche Resignation der Wißbarkeit der Dinge gegenüber. E s fällt auf, wie viele Einzelfragen er als unbeantwortet und unbeantwortbar mit einem σκεπτέον verabschiedet : 'Dies müßte weiter untersucht werden'." Vgl. GIGON im Lexikon der Alten Welt, 1965, Sp. 90 s. v. 'Akademiker': „Vielleicht nicht ohne Einfluß der wissenschaftlichen Behutsamkeit des Theophrast greift er (sc. Arkesilaos) zurück auf die Aporetik der Frühdialoge Piatons . . . " 11 Cicero und die Neue Akademie. Unters, zur Entstehung und Geschichte des antiken Skeptizismus.

Die Lage der Forschung

7

gunsten seiner These eine beachtliche Zahl von Argumenten ins Feld: Bereits Theophrast, dessen Schüler Arkesilaos ursprünglich gewesen ist 12 , lege in der .Metaphysik' und in den botanischen Schriften eine vorsichtige methodische Zurückhaltung empirisch-, .skeptischer" Art an den Tag, die sich auch terminologisch bedeutsam äußere (σκεπτέον u. a.) 13 und die der späteren Verbindung von Empirismus und Skepsis etwa in der Empirischen Ärzteschule oder im modernen Positivismus entspreche14. Der ateleologische φύσις-Begriff des Karneades, der an denjenigen Stratons von L. erinnert15, scheint in der Tat zu belegen, daß sich die akademische Skepsis im Rahmen des peripatetischen Weltbildes bewegt, aber auch die akademische Methode des in utramque partem disserere wird bei Cicero den Peripatetikern ebenso wie den Akademikern zugeschrieben16. Damit stimmt überein, daß die akademische Polemik allein gegenüber dem Peripatos schweigt, daß dessen Einfluß nachweisbar auch die beiden anderen Philosophieschulen des Hellenismus, Kepos und Stoa, entscheidend geprägt hat 17 , und daß ein solcher Einfluß zum wenigsten in der Doxographie auch für die Neuere Akademie wahrscheinlich ist18. Die peripatetische Herleitung hat end12 18

D. L. IV 22, 29; Num. ap. Eus. pr. ev. X I V c. 6, 4; Ac. Phil. Ind. Here. col. X I V p. 55 Μ. Den von W E I S C H E 56 Anm. 10 nach S T R Ö M B E R G , Theophrastea, Göteborg 1937, 153 f. aufgeführten 15 Belegen aus Hist, plant, und Caus. plant, wären etwa folgende hinzuzufügen: Hist. pi. IV 9, 3; IV 13, 3 (vg. 13, 1: ίστορήσαι δει); V 12, ι ; V I 4, ι ι ; V I I ι, 5; V I I 13, 7; V I I I 1, 5; vgl. I X 4, 10 fin.; Caus. plant. II 3, 7; II 14, 5 fin.; III 14, 7; IV 13, 1; I V 16, 2; V 16, 4; V I 15, 2 fin. Vgl. ferner De od. 16 fin.; De lap. 10, 24, 25 (dazu E . E I C H H O L Z , Theophrastus on Stones, Oxf. 1965, 16 Anm. 1). Vgl. auch die Belege bei O . K I R C H N E R , Die botanischen Schriften d. Theophrast v. E., Jb. f. class. Philol., hggn. v. Fleckeisen, Suppl. Bd. VII, 1874, 462 Anm. 1, sowie grundsätzlich R E G E N B O GEN, R E Suppl. Bd. VII, 1940, s. v. 'Theophrastos' Nr. 3 v. Eresos, Sp. 1556 f. u. passim.

14

W E I S C H E 52, 7 1 f.

15

Cie. n. d. III 24, 27/8, 65; div. II 37, 55, 60 f., 96, 127 ff., 143 ff. im Zusammenhang mit Ac. II 121 („Straton"); vgl. dazu L. K R U M M E , Die Kritik d. stoischen Theologie in Ciceros Schrift de nat. deor.. Diss. Göttingen 1941, 43; P O H L E N Z , Die Stoa 1 1 7 6 und ausführlich W E I S C H E 34-46. Anders urteilt E. L. M I N A R , The positive beliefs of the Sceptic Carneades, The Class. Weekly N ° . 1107, 1949, 69 (Epikur). Cie. Tusc. II 9; fin. V 10; De or. I l l 80, 107, vgl. 109; vgl. den Abschnitt bei

16

WEISCHE 73 17 18

ff.

W E I S C H E 19, 5 3 f.

61 und Entr. Fond. Hardt I I I , 1955, 25 ff., bes. 35 ff. Zur Doxographie der Neuakademiker grundsätzlich H. U S E N E R , Epicurea, Praef. L X V I ff.; danach J . ab A R N I M , Stoicorum veterum fragmenta I , Praef. X I V f., GIGON

X X X V I

f.

2 Krämer, Platonismus

Ältere und Neuere Akademie

8

lieh den unverkennbaren Vorzug, daß sie, im Unterschied etwa zur sokratischen, nicht zur Hypothese einer komplizierten, ihrerseits erklärungsbedürftigen Reaktualisierung ihre Zuflucht nehmen muß, sondern die Wendung der Akademie aus der philosophiegeschichtlichen Konstellation ihrer eigenen Zeit heraus erklären kann19. Neben den drei großen Bewegungen des Pyrrhonismus, der Sokratik und des Peripatos, die für die Entstehung der Neueren Akademie konstitutiv gewesen sein können, haben andere Philosophieschulen in der modernen Diskussion stets nur eine subsidiäre Rolle gespielt. Die vereinzelt erwogene immanente Entwicklung der Älteren zur Neueren Akademie ist bisher hypothetisch und ohne rechte Überzeugungskraft geblieben20, während die vor allem von Couissin vorzüglich herausgearbeitete Bezogenheit der neuakademischen Philosophie auf die der Stoiker für die Frage nach Motiv und Herkunft der Gegenposition selber naturgemäß keine definitiven Schlüsse erbringen konnte21. Der megarischen Dialektik vollends, deren sich die Akademiker wie die Stoiker bedient haben, hat man mit Recht stets nur instrumentale Bedeutung beigemessen. Was nun den ersten der drei aufgeführten Erklärungsversuche angeht, so hat schon Zeller treffend resümiert, daß „sich nicht mehr durch Zeugnisse nachweisen läßt, inwieweit. . . der Vorgang Pyrrhons mitgewirkt hat."22 Die Überprüfung der vorgeblichen Abhängigkeit ist also auf innere Kriterien angewiesen. Indessen ist die Position Pyrrhons selbst durch die neueren kritischen Äußerungen von Credaro, Langerbeck, Schmekel, Gigon und Weische23 so weit reduziert worden, daß die verbleibenden Vergleichspunkte kaum mehr ausreichen, die Deszendenzthese zu tragen. Es scheint, daß die nachakademische Skepsis Änesidems sich in Pyrrhon künstlich einen Archegeten geschaffen hat, auf den man die materialen und systematischen Errungenschaften der 19

WEISCHE

20

ff., vgl. II 9 f. (dagegen H I R Z E L III 1 6 0 Anm. 2 ; Z E L L E R 5 1 0 ff., 1 2 8 ; C O U I S S I N , Stoicisme 2 7 4 f.; vgl. T H R O M 1 8 0 . P . C O U I S S I N , Stoicisme 2 4 1 ff. Vgl. grundsätzlich schon Z E L L E R 5 0 7 ff., B E V A N 1 4 3 , H . H A R T M A N N 3 0 ff. und neuerdings etwa D A L P R A 1 1 8 ff., 2 0 3 ff. GEFFERS

Anm.

21

22 23

17.

I

16

4); PATRICK 109

ZELLER 507.

H. L A N G E R B E C K , Δόξις έπιρυσμίη, Studien zu Demokrits Ethik u. Erkenntnislehre, N. Phil. Unters. 1 0 , 1 9 3 5 , 1 2 3 ff.; S C H M E K E L 1 9 3 8 , 2 8 7 ff.; G I G O N 5 7 f.; W E I S C H E 1 3 ff., 1 0 5 ff. (mit der Einordnung in die allgemeine klassizistische Riickwendung der ausgehenden römischen Republik; dazu grundsätzlich O. G I G O N , Die Erneuerung der Philosophie in der Zeit Ciceros, Entr. Fond. Hardt III, 1955, 2 5 ff·)· CREDARO 2 3 0 ;

D i e L a g e der F o r s c h u n g

9

Späteren, zu denen nicht zuletzt die Neuere Akademie beigetragen hatte, zurückprojizierte und von dem man daher folgerichtig Arkesilaos, den Gründer der „skeptischen" Akademie, abhängen ließ24. Der altpyrrhoneische Kern aber, den K. von Fritz zuletzt aus den Referaten herauszulösen versuchte26, ist mit den Formeln des ού(δέν) μάλλον und der άφασία und den der Sache nach vorliegenden Prinzipien der Diaphonie und Isosthenie eher geeignet, den abweichenden Charakter der neuakademischen Lehre zu unterstreichen: Die immanente Kritik speziell an der stoischen Lehre, die dialektisch-rhetorische Methode, den Gesichtspunkt der Aparallaxie2®, die Anerkennung der Realität und Wahrheit der Außenwelt, den untergeordneten Rang der ethisch-praktischen Fragen neben der Erkenntnistheorie, die stoische Herkunft des Terminus εποχή27 u. a. m. Alles dies schließt nicht aus, daß Arkesilaos von der Lehre Pyrrhons gewußt und die Verwandtschaft des Isosthenieprinzips bemerkt hat, doch läßt sich ein positiver Einfluß weder im ganzen noch im einzelnen belegen. Was zweitens den Rückgriff auf Sokrates angeht, so ist es zweifellos ein Verdienst Hirzeis28, die Bedeutung des Sokrates-Bildes für die Neuakademiker hervorgehoben und darauf hingewiesen zu haben, daß die Einheit des Akademischen, des Skeptischen und Megarischen in der neuakademischen Position eben durch die gemeinsame Abkunft von Sokrates garantiert war (Ähnliches begegnet später bei Panaitios). In24

A l l e a n t i k e n Zeugen, die Arkesilaos m i t P y r r h o n in V e r b i n d u n g bringen, sind G e g n e r u n d v e r f o l g e n die T e n d e n z , ihn als Pyrrhoneer zu diskreditieren (Ariston, Numenios) oder in seiner Originalität zu beeinträchtigen ( T i m o n ; v g l . Mnaseas u n d Philomelos b. E u s . pr. ev. X I V c. 6, 5 ; e t w a s anders S. E . H y p . I 234). Z u m möglichen Z u s a m m e n h a n g der stoischen P o l e m i k m i t d e m Geschichtsbild Ä n e s i d e m s v g l . die E r m i t t l u n g e n v o n WEISCHE 106 ff.

25

VON FRITZ, bes. Sp. 95 ff. (vgl. bezeichnenderweise zur oben b e h a n d e l t e n K o n t r o v e r s f r a g e Sp. 93: D i e S c h ü l e r s c h a f t des Arkesilaos „ u n t e r l i e g t z u m mindesten starken Zweifeln").

26

W ä h r e n d die Diaphonie, wie die Tropenlehre zeigt, m i t einem K o n f l i k t z w i schen inhaltlich verschiedenen, aber gleichwertigen Möglichkeiten rechnet, h a n d e l t es sich bei der A p a r a l l a x i e u m g e k e h r t u m den K o n f l i k t zwischen (subjektiv) inhaltsgleichen, aber ungleichwertigen Möglichkeiten. V g l . C o u i s s i N , Stoicisme 246 ff., ders. R E G 1929 , bes. 390 ff., 396 f. m i t der G r u n d b e d e u t u n g : έπέχειν τήν συγκατάθεβιν, v g l . S V F I I I 63 fin. sowie die v e r w a n d t e n T e r m i n i D . L . V I I 46 ff. = S V F I I 130 (άνεικαιότης, άπροσπτωσία, die letztere definiert als έπιστήμη τοϋ πότε δει συγκατατίθεσθαι καΐ μή, sie wird in der F o r m der άπροσπτωσία - als πρώτον οίκεϊον der Neuakademiker angegeb e n b. A l e x . A p h r . in D e an. 150, 35 Br., v g l . ZELLER 531 A n m . 2). D i e einzige greifbare V o r s t u f e bei H e r o d o t I 32.

27

28

HIRZEL I I I 37.

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Ältere und Neuere Akademie

dessen ist damit weder über die Motive noch über die Möglichkeit eines solchen Regresses in einer weitgehend veränderten Situation etwas ausgemacht, und Weische hat mit Recht eingewendet29, daß es zunächst einer zusammenhängenden Untersuchung des Sokrates-Bildes im Anfang des dritten Jahrhunderts bedürfe, um über Art und Auswahl von Arkesilaos' Sokrates-Verständnis Aufschluß zu gewinnen. In der Tat ist das Problem durch die Hypothese eines literarischen Rückgriffs über mehr als ein Jahrhundert hinweg nur verschoben, denn es bleibt nach wie vor offen, aus welchen philosophischen Beweggründen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Sinne Arkesilaos in seiner Zeit die Erneuerung „sokratischer" Methoden zu fordern, zu praktizieren und durchzusetzen vermochte30. Daß eine ungebrochene Wiederholung nicht vorliegt, zeigt zum wenigsten die Tatsache, daß der ursprünglich ethische Impuls des sokratischen Gesprächs bei Arkesilaos in den Hintergrund getreten ist und einem mehr formalisierten, theoretischen Begriff von Dialektik Platz gemacht hat. - Etwas anders steht es um die Ansätze zu einem vorläufig-hypothetischen Verfahren und einer Theorie bedingungsweisen Erkennens (ύπόθεσις, λόγος δυσεξελεγκτότατος, λόγος έρρωμενέστατος, δόξα, είκώς λόγος), die von Credaro, Paleikat und Robin31 aus den mittleren und späten Dialogen Piatons zum Vergleich herangezogen worden sind und die neuerdings durch den Nachweis der Fortwirkung von Piatons VII. Brief32 an Gewicht gewonnen haben. Indessen führt dieser Weg weniger zu Arkesilaos als zu Karneades, trägt also zum Problem des Ursprungs der neuakademischen Wendung wenig bei, und vor allem: Die Beweislast für die Annahme 2

» WEISCHE 18. Bezeichnend die Überbrückungsversuche für das Verhältnis Arkesilaos Sokrates bei GEFFERS I 22 f. (Parallelsituation) und HIRZEL I I I 36 (Hinweis auf den zeitgenössischen Neukantianismus. Doch wieviel ist auch an diesem kantisch?). 31 CREDARO I I 273 ff. ('Parmenides', Polit. 277 D ff., Tim. 29 Β ff., 'Nomoi' X 897 D : Unerkennbarkeit der wahrnehmbaren Welt); PALEIKAT 33 ff., 46 ff. (Frühdialoge, bes. 'Apologie' 23 Α f., 29 A), 48 ff. ('Phaidon' 85 C , 1 1 4 D, 'Phaidros' 274 C ) ; ROBIN 46 f. ('Phaidon' 61 Β f., 70 B, 81 D , 107 Α ff., 114 D, Polit. 277 D , 'Timaios': εΐκώς μΰθος, 'Parmenides', u . a . ) . Vgl. ferner O. RIETH, der 165 Anm. 3 von der „hypothetischen" Physik der Älteren A k a demie eine Linie zur Aporetik des Ärkesilaos zieht (mit Berufung auf Poseidonios b. Simpl. in phys. 292, 19 ff. D.). Zur Differenz zwischen menschlichem und göttlichem Wissen bei Piaton unten S. 52 f. 32 W . BURKERT 187 f. (elucere Cie. D e off. I I 7 f. und exprimant A c . I I 7 ~ PI. ep. V I I 344 Β : έξέλαμψε, τριβόμενα, jeweils mit Bezug auf das dialektische Gespräch; vgl. die dort mitgeteilte Parallele bei Galen). 30

Die Lage der Forschung

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eines rein literarischen Rückgriffs wird dadurch, was den chronologischen Abstand angeht, zwar verringert, aber nicht aufgehoben. Was endlich die Anknüpfung an den frühen Peripatos betrifft, so erweist sie sich bei näherem Zusehen33 in fast allen Punkten als brüchig. Man hat zunächst mit Recht die Frage gestellt34, weshalb denn Arkesilaos dann den skeptisch-kritischen Impuls nicht im Peripatos selbst, dem er als Schüler Theophrasts angehörte, sondern in der Akademie, zu der er später übertrat, realisiert habe, und wie er als Vertreter einer schulfremden Richtung zum Scholarchen der Akademie habe gewählt werden können35. Die Skepsis galt jedenfalls in der hellenistischen Epoche als die Domäne der Akademie und nicht etwa des Peripatos. Weiter ist eine Beziehung der skeptischen Position auf die empirische Einzelwissenschaft peripatetischer Art bei Arkesilaos ganz unwahrscheinlich und auch bei Karneades nicht belegbar36; wenn der φύσις-Begriff des Karneades an denjenigen Stratons erinnert, so gibt sich darin ein allgemein weltanschauliches Interesse kund, das primär von der Gegnerschaft zur Stoa bestimmt ist und in anderem Zusammenhang, wie in der Freiheitslehre, der Sozialphilosophie oder in theologischen Argumenten, auch die Nähe zum Epikureismus nicht verschmäht37. Umgekehrt wird man die nicht allzu häufigen Belege der naturwissenschaftlichen Schriften Theophrasts, wo eine weitere, genauere „Untersuchung" (σκέψις) spezieller Einzelfragen gefordert ist, gewiß nicht für die prinzipielle Aporetik der Neueren Akademie, ja nur selten

33

Der Verf. bekennt, daß er eine Zeitlang Anhänger der Ergebnisse Weisches gewesen ist. Erst der nähere Umgang mit den Problemen der Neueren Akademie und die eingehendere Überprüfung der Beweisführung haben ihn an der Hauptthese des Buches irre'^werden lassen.

34

E . G . SCHMIDT, D L Z

35

Bekanntlich trat dabei sogar ein älterer Mitbewerber, Sokratides, zugunsten des Arkesilaos zurück: Ac. Phil. Ind. Here. col. X V I I I p. 67 Μ.; D. L. I V 32; vgl. Suda s. v. 'Platon' Nr. 1707 Vol. I V 141, 20 Adl. und dazu ZELLER 509

1 9 6 3 , S p . 30.

A n m . , GEFFERS I 1 6 f. 36

37

Cie. Ac. II 127 ist primär Selbstbekenntnis Ciceros, das mit dem Ausdruck occultissima auf Ciceros Lehrer Antiochos zurückweist, bei dem zum ersten Mal seit Xenokrates wieder von einer akademischen Physik, allerdings stoischer Provenienz (Ac. I 24 ff.), gesprochen werden kann. Bezeichnenderweise muß WEISCHE 79 ff. sonst bei Philon/Cicero gegenüber Arkesilaos/Karneades mit einer „Formalisierung" der Skepsis, d. h. ihrer Abtrennung von der Fachwissenschaft rechnen. Der Mangel einer neuakademischen Polemik gegen den Peripatos erklärt sich zwanglos aus der Tatsache, daß der Peripatos in der späteren hellenistischen Epoche philosophisch, von der Ethik abgesehen, keine Rolle mehr spielte.

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Ältere und Neuere Akademie

einmal für die Haltung einer unprogrammatischen „skeptischen" (Äquivokation!) Bescheidung in Anspruch nehmen können. Wenn Arkesilaos die Existenz der stoischen φαντασία καταληπτική grundsätzlich bestreitet, d. h. leugnet, daß der subjektive Evidenzcharakter von Vorstellungen eine Verweisungsfunktion auf ihren objektiven Realitätsgehalt besitzt, dann liegt darin ein radikaler Bruch38, der aus der gelegentlichen Formulierung weiterer Forschungsaufgaben bei Theophrast in keiner Weise abgeleitet werden kann39. Ein wenig anders steht es mit der Behandlung metaphysisch-transzendenter Fragen in Theophrasts .Metaphysik', auf die Weische in diesem Zusammenhang besonderen Wert legt40. Hier treten allerdings, im Blick auf die Unbewegten Beweger und ihr Verhältnis zum Kosmos, skeptische, ja agnostische Züge auf. Doch weisen sie einmal motivisch auf den Platonismus zurück41, zum andern betreffen sie eben jene Grenzprobleme des Transzendenten, die in der Folge - wie dies vor allem Grumach und Reale gezeigt haben42 - zum Abbau der Transzendenz und zur reinen Kosmologie des Hellenismus hinführten. Der Weg von Theophrasts .Metaphysik' führt daher nicht etwa zur akademischen Skepsis, sondern im Gegenteil zu Straton und zur Stoa, wo sich die verbleibende Physik mit einem innerweltlichen, sensualistischen Dogmatismus sehr wohl verträgt. Theophrast arbeitet also hier geradezu der Gegenposition vor, gegen die sich die neuakademische Kritik später gerichtet hat43. 98 se

Vgl. auch die Beurteilung von Weisches These bei BURKERT 194 Anm. 51. Bei der Ableitung der akademischen Sorites-Technik aus dem bewußt unscharf gehaltenen Typos-Begriff Theophrasts (dazu REGENBOGEN R E Suppl. Bd. V I I s. v. 'Theophrastos' Sp. 1469, 1 5 5 5 f.) hat WEISCHE 69, 99 (vgl. 54 f.)

übersehen, daß der Sorites in einer eigenen, teils dialektisch-eristischen, teils ontologischen Tradition steht: dazu unten S. 75 ff. 40 WEISCHE 60-66, mit dem Hinweis auf Theophr. Metaph. 4 b 11 ff., 5 b 26 ff., 8 b 10 ff., 9 b 8 ff., Cap. IX, 11 b 24 ff. - Vgl. ferner etwa 8 b 8 f., 9 a 18 ff., 9 b 16 ff. und den häufigen Gebrauch von άπορον u. dgl. 41 So die Methoden indirekten Erkennens (άναλογία, όμοίωσις, ύπεροχή, via negationis: 4 b 10 ff., 9 a 18 ff., zum Zusammenhang mit Speusipp und der Akademie unten S. 177 f.) ebenso wie das Bild vom geblendeten geistigen Auge 9 b 12 f., das über Arist. Metaph. α 993 b 9 ff. (vgl. W. THEILER, MUS. Helv. 15, 1958, 105 und G. REALE, Teofrasto e la sua aporetica metafisica, Brescia 1964, 133 f., vgl. 71 Anm. 141, zur weiteren Fortwirkung W. HAASE, Synusia f. Schadewaldt, Pfullingen 1965, 329 ff.) auf Piatons Höhlengleichnis und 'Sophistes' 254 Α zurückweist. 42 E. GRUMACH, Physis und Agathon in der Alten Stoa, Problemata 6, 1932, 43

Nachdruck 1966, 59 ff.; REALE a. O. 50, 1 5 6 ff.

Auch die kritische Einschränkung der Teleologie bei Theophrast (neben Met. I X auch 6 a 2 ff., 7 a 19 ff., 8 a 21 ff.) steht mit der prinzipiellen Skepsis der

Die Lage der Forschung

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Übrig bleibt allein die Zuschreibung der akademischen Methode des in utramque partem disserere an Akademiker und Peripatetiker bei Cicero, wobei zuweilen vom mos Aristotelius und von Aristoteles als dem Begründer jenes Verfahrens die Rede ist44. Es wird sich im folgenden ergeben, daß die aristotelischen Dialoge, die Cicero hier vornehmlich im Auge hat, ihrerseits im größeren Ganzen der platonisch-akademischen Dialektik und ihrer Entwicklung gesehen werden müssen und daß nur insofern - mittelbar - ein Zusammenhang mit der dialektischen Methode der Neuakademiker besteht. Das gleiche gilt für die doxographisch-kritische Anlage von Theophrasts Schrift ,De sensu' oder die Polemik in den Argumenten für die Weltewigkeit bei Philon De aet. mundi 117-131, in denen Weische Vorstufen der späteren Argumentationstechnik zu erkennen glaubte 45 . Wenn die bisher unternommenen Versuche, die neuakademische Wendung historisch zu erklären, zu keiner befriedigenden Lösung geführt haben, so besteht Anlaß, noch einmal den zunächstliegenden Weg zu erproben und die Philosophie der Neuakademiker nicht nur aus ihrer Zeit, sondern auch aus der Situation ihrer eigenen Schule heraus zu begründen. Angesichts einer scheinbar aussichtslosen Überlieferungslage wird es dabei nötig sein, die Zeugnisse für die Ältere Akademie umsichtiger und genauer als bisher zu verhören, um aus zahlreichen, einander stützenden Einzelindizien ein möglichst umfassendes Gesamtbild von der Spätphase der Älteren Akademie, ihrer Rivalität mit dem Stoizismus und der daraus erfolgten Umsetzung ihrer Methoden und Lehrgehalte in der sogenannten Neueren Akademie zu gewinnen.

Neuakademiker in keinem unmittelbaren Zusammenhang (so WEISCHE 64 ff.), denn einerseits verbinden sich Ateleologie und Dogmatismus im nachfolgenden Epikureismus (der Vergleich bei REALE a. O. 160) ohne weiteres, zum andern nimmt Theophrast eine vermittelnde Stellung zwischen Aristoteles und Speusipp ein (11 a 18-25), der als dogmatischer Metaphysiker gleichwohl eine extrem ateleologische Position beziehen konnte. (Man wird im übrigen - wiederum im Blick auf Epikur, aber auch die Stoa - WEISCHE 68 nicht zugeben können, daß im Hellenismus „eine konsequente Durchführung des Empirismus sich nur bei den Frühperipatetikern und Neuakademikern findet".) 44 Cie. De or. III 80, fin. V 10. «5 WEISCHE 74 S. Ähnlich die Isolierung der frühperipatetischen Dialektik 59 f. Auf BIGNONE sollte man sich für die Abkunft der hellenistischen Philosophie vom Peripatos nicht berufen (WEISCHE 19), denn der „verlorene Aristoteles" ist für Bignone wie für Jaeger der akademische, neben dem auch die übrigen Akademiker nach Möglichkeit berücksichtigt sind.

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Ältere und Neuere Akademie

z. Kontinuität der akademischen Dialektik I. Der dialektische Charakter der neuakademischen Methode ist seit Hirzel in der Forschungsliteratur fast durchweg anerkannt4®. Die Neuere Akademie steht damit zuletzt in der eleatisch-sophistischen Tradition, welche die Dialektik zur beherrschenden philosophischen Methode erhoben hatte und von der sich die sokratische und - innerhalb dieser die platonische Dialektik als besondere Ausprägungen abgespalten hatten. Wenn Aristoteles47 schon in Zenon von Elea zwar nicht im Sinne der Gesprächskunst, aber doch der Argumentationsform nach (Antinomien, reductio ad absurdum der Gegenthese) den Erfinder der „Dialektik" erkennen konnte, so finden sich bei Protagoras bereits alle wesentlichen Merkmale dialektischer Technik ausgebildet vor48: Einmal - auf dem ontologischen Untergrund eines antieleatischen Relativismus - das antilogistische Prinzip von Rede und Gegenrede, das später sogenannte εις έκάτερον έπιχειρεΐν (in utramque partem disserere)49 - vielleicht sogar schon mit einer Art von Selbstanwendung in der Weise der späteren περιτροπή50 - , aber auch die nachmals durch Sokrates berühmt gewordene Gesprächsform des Wechselgesprächs in Frage und Antwort51. Während die Antilogistik in der Rhetorik und allenthalben in der Literatur (Euripides, Thukydides, Hippokratik) nachwirkte, hat Sokrates das Wechselgespräch ethisch vertieft und Piaton es daraufhin eleatisierend ins Ontologische gewendet. Andere 46

47 48 49

60 51

Vgl. ζ. B. schon G E F F E R S I 17, II 1 f., vgl. 9 ff.; dann umfassend H I R Z E L I I I 22 ff., 149; im Anschluß daran B R O C H A R D 96, 100; R I C H T E R 34 ff.; bes. CouissiN, Stoicisme 243, 248, 249, 255 f., 267, 276. Vgl. R O B I N 49 f., 62; D A L P R A 216 f. 'Sophistes' fr 1 Ross = fr 65 R O S E ® . Zur Vorgeschichte der klassischen Dialektik ausführlich R Y L E I 44-54 und M O R A U X 291-300; ferner S I C H I R O L L O 18 ff., 34 ff., bes. 43 ff.; T H R O M 166 ff. D. L. I X 5 1 - 5 3 , 55 (Schriftentitel) = D K 80 Α 1, Β 6 a; 80 A 19, 20; hinzuzunehmen sind die unter protagoreischem Einfluß stehenden 'Dissoi Logoi' D K 90. Sen. ep. 88, 43 = D K 80 A 20. D. L. I X 53 = D K 80 Α ι : οδτος καΐ τί> Σωκρατικών είδος των λόγων πρώτος έκίνησε. PI. Prot. 329 Β = D K 80 A 7: Ικανός δέ καΐ έρωτηθείς άποκρίνασθαι κατά βραχύ καΐ έρόμενος . . . άποδέξασθαι τήν άπόκρισιν.

Kontinuität der akademischen Dialektik

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Sokratiker wie die Megariker52 und Kyniker 63 haben neben der somatischen die eleatisch-sophistische Form der Dialektik weitergepflegt und sie der hellenistischen Philosophie - den Stoikern und Neuakademikern - überliefert. Die Neuakademiker haben sich auf Sokrates, aber nicht auf Protagoras und die Sophisten berufen. Auf der anderen Seite nähern sie sich der älteren sophistischen Praxis der Sache nach dadurch an, daß sie die dialektische Methode ethisch wieder weitgehend neutralisieren64 - am auffälligsten wohl in den römischen Reden des Karneades über die Gerechtigkeit, die auch inhaltlich auf sophistische Motive zurückgreifen - , und die Technik des Wechselgesprächs überwiegend durch die oratio continua und perpetua ersetzen. Die megarische Komponente, über die später zu handeln sein wird, bleibt dabei an der Peripherie und spielt nirgendwo eine bestimmende Rolle65. Man hat deshalb nicht ohne Grund nach einer Form der Dialektik Ausschau gehalten, die innerhalb der sokratischen Schulen der methodischen Zielsetzung der neuakademischen Dialektik entspricht und sie vorbereitet hat. Die oben (S. io) angeführten methodologischen Reflexionen der platonischen Dialoge über den Hypothesis-Gedanken oder die δόξα verdienen hier in der Tat Beachtung, weil sie - meist in engem Zusammenhang mit dem dialektischen Verfahren - eine über den begrenzten Rahmen der sokratischen Dialektik hinausschreitende Allgemeinheit vorläufigen, die Möglichkeit des Irrtums offenhaltenden Erkennens statuieren, die zwar nicht terminologisch, aber doch der Sache nach zum wenigsten auf das karneadeische πιθανόν (probabile, veri simile)66 vorausweist: .Phaidon' 85 C-D liest sich wie ein kurzgefaßtes Programm der karneadeischen

52

53

D. L . I I xo6: . . . Μεγαρικοί . . . διαλεκτικοί . . . δια τ£> πρδς έρώτησιν καΐ άπόκρισιν τούς λόγους διατίθεσθαι, vgl. Eubulides 108, Diodor 111 und die von MORAUX 298 mit dem Verfahren der arist. 'Topik' verglichene Form der Antwort D. L. II 116, 134 f. Vgl. NATORP R E V (1905), s. v. 'Dialektiker' Sp. 321. Vgl. die Schriftentitel des Antisthenes D. L. V I 16 f.: περί τοϋ διαλέγεσθαι άντιλογικός, περί έρωτήσεως καΐ άποκρίσεως, δόξαι ή έριστικός.

64

V g l . BROCHARD 1 1 4 f.

55

Vgl. die dezidierte Kritik von Arkesilaos, Karneades und Kleitomachos an der - megarisch-stoischen (vgl. ZELLER 512 Anm. 5) - „Dialektik" b. Stob. II c. II I i , 17, 20, 21 = Vol. II p. 22-24 W. und Cie. Ac. II 91 f. Daß beide lateinische Ausdrücke πιθανόν wiedergeben (und nicht etwa veri simile ein εικός oder άληθεΐ δμοιον), betont richtig REID 216. Primär hat Karneades bekanntlich das πιθανόν von der Stoa übernommen: Sext. Emp.

56

V I I 242 f. =

S V F I I 65, v g l . H . HARTMANN 1 4 ff.

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Ältere und Neuere Akademie

Methode87, das im weiteren Verlauf des Dialogs auf die Hypothesis den λόγος έρρωμ,ενέστατος - der Existenz von Ideen hin substantiiert wird (ioo Α, Β, ι ο ί D f., vgl. 114 D mit D 5 ~ 85 D 1). Die δόξα betrifft - in Übereinstimmung mit der platonischen Differenz von menschlichem und göttlichem Wissen, die bei den Neuakademikern fortwirkt selbst die Idee des Guten68, und Karneades konnte sich, wenn er gegen die Stoiker das δοξάζειν des σοφός zuließ59, dabei auch auf Piaton berufen80. Noch näher führt an die neuakademische Position das aporetische, in antithetischen Hypothesen sich bewegende dialektische Übungsspiel des platonischen ,Parmenides' heran. Wie die einleitende Ideenkritik (Arist. περί ιδεών!) weist es nach Inhalt, Situation und methodischer Absicht (γυμνασία) auf die dahinterstehende dialektische Praxis der platonischen Akademie und muß daher mit dem Frühwerk des Aristoteles, das diese Praxis weitgehend theoretisch zu kodifizieren sucht: der ,Topik', zusammengesehen werden. Die aus derartigen literarischen Spiegelungen sich erschließende Dimension einer praktisch geübten akademischen Dialektik, die hinter den platonischen Dialogen verläuft und auch nach Piatons Tod unter seinen Nachfolgern in der Älteren Akademie weiterwirkt, ist für die Vorgeschichte der neuakademischen Methode, wie unschwer einzusehen ist, von eminentem Interesse, weil sie unabhängig von den platonischen Dialogen in der lebendigen Tradition der Schule bis zu Arkesilaos hindurchgereicht haben kann. Die Rekonstruktion dieser dialektischen Praxis, d. h. die Beantwortung der Frage, was die Dialektik in Piatons Akademie in concreto überhaupt gewesen sei, ist erst vor kurzem von Gilbert Ryle in mehreren bahnbrechenden Arbeiten in Angriff genommen worden. Dabei gelang nicht 57

Vgl. z. Β. έλέγχειν C 5, σκοπών 6, ανθρώπινοι λόγοι C 9, λόγος δυσεξελεγκτότατος

9 f. PI. Pol. 505 A, 506 Β f., Ε 2, 509 C 3, vgl. 517 Β, 533 Α. 88 Cie. Ac. II 67, 78, vgl. Aug. C. Ac. I I I 4, xo; 9, 19. 60 Dagegen deutet nichts darauf hin, daß die in den beiden Proömien des 'Timaios' (29 C f., 48 D) entwickelte, an Parm. V S 28 Β 8, 6o anknüpfende Methode der λόγοι είκότες etwa über Krantors 'Timaios'-Exegese bis zu Arkesilaos und Karneades hin weitergewirkt hätte. Die Kritik des Arkesilaos an der stoischen Physik (Plut. comm. not. c. 37, 1078 C/D) ist ganz anderer Art, vgl. unten S. 43 f., 45. (Die beiTert. A d nat. II 2 scheinbar für „Arkesilaos" überlieferte mythische Theologie, die BOYANCÄ, X6nocrate et les Orphiques, R E A 50, 1948, 223 fif. über Xenokrates fr 19 H. auf 'Timaios' 40 Ε f. zurückführen wollte, ist jetzt von O. GIGON, Akusilaos, Cicero und Varro, Wiener St. 79, 1966, 213 f. durch richtige Lesung überzeugend dem Akusilaos zugewiesen worden.) 68

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nur eine Annäherung zwischen der in letzter Absicht ontologisch intendierten Dialektik der mittleren und späteren Dialoge Piatons und der technisch-formalen der aristotelischen ,Topik' 61 , sondern ebenso der Nachweis, daß Aristoteles auch in anderen Pragmatien dialektisch geführte Diskussionen in der Akademie voraussetzt82. Im ganzen ergab sich dabei ein reich differenziertes Bild dialektischer Bemühung in der Akademie, das von propädeutischen Übungen im Fragen und Antworten, Definieren und Einteilen über philosophische Sachdiskussionen aller Art bis zur Bestimmung allgemeinster Gattungen und Prinzipien führt. Die komplexe Vielseitigkeit der platonischen Akademie hat sich damit auch im Methodischen bestätigt, und es geht fortan um so weniger mehr an, die in der ,Topik', besonders in den Büchern I, V I I I u. I X , niedergelegte aristotelische Theorie des dialektischen Verfahrens von der zeitgenössischen Akademie abzutrennen und an die vorplatonische Sophistik oder Sokratik anknüpfen zu lassen: 1. Das in der ,Topik' vorausgesetzte Verfahren ist weder originär sokratisch, denn es ist nicht ethisch, sondern primär theoretisch intendiert83, aber auch nicht sophistisch, weil es per definitionem von der Eristik abgegrenzt wird84. 2. Die Theorie, die Aristoteles in der ,Topik' vorlegt, ist sichtlich vom praktischen Vollzug des Verfahrens abstrahiert66, den Aristoteles aus eigener Erfahrung kennt und auf den er durch seine Theorienbildung regulierend zurückwirken will. Es ist aber so gut wie sicher, daß Aristoteles die topische Vorlesung zuerst in der Akademie vor akademischen Zuhörern gehalten hat8®. 81

R Y L E I 5 5 ff.

82

R Y L E I I 7 3 ff.

83

Vgl. dagegen Ar. Met. 987 b 1 ff., Μ 1078 b 17 ff. über Sokrates. Vgl. auch aus anderer Perspektive MORAUX 297: ,,il y a loin du dialogue socratique ä la joute dialectique aristot61icienne." Top. Α ι, 100 a 29 ff., b 23 ff., Θ 5, 159 a 25 ff., 11, 161 a 23 f., 162 a 16 ff., 164 b 8 ff., Soph. El. 2, 165 a 28, b 7 ff., 11, 171 b 4 ff., 34 ff.; vgl. Metaph. Γ 2, I004 b 17 ff. mit dem Unterschied der Haltung (προαίρεσις τοϋ βίου: „Lebenswahl") zwischen Philosophie und Dialektik einerseits und Sophistik andererseits, der etwa durch Top. Θ 11, i 6 i a 19 ff., 38 ff. gut erläutert wird (Ethos der Verantwortung für das κοιν&ν έργον der Partner bei den Dialektikern, Sieg mit allen Mitteln bei den Eristikern). Vgl. die von MORAUX 292 Anm. 1 gesammelten Bezugnahmen auf aktuelle Praktiken. Vgl. zuletzt I. DÜRING, Aristoteles 49, 59, 69 ff. Auch die Zitate aus den späteren Dialogen PJatons (DÜRING a. O. 48 Anm. 287, vgl. 54, und Topics 212) und aus Speusipps Dialog 'Mandrobulos' (Soph. El. 15, 174 b 27), dem

84

es

88

18

Ältere und Neuere Akademie 3. Bei den immer wiederkehrenden Paradigmen der Ideenlehre,

der Hedone oder der Weltewigkeit 67 handelt es sich um die großen Themen der gleichzeitigen oder unmittelbar vorhergegangenen akademischen Diskussion. Aristoteles hat sie offenbar aufgenommen, weil sie für die Praxis, die er beschreibt, charakteristisch waren. 4. Dasselbe gilt ferner für zahlreiche weitere Einzelbeispiele und Lehrstücke, deren akademische Herkunft Hambruch und Düring nachgewiesen haben68, aber auch für eine Reihe von Methoden wie die der Bedeutungsunterscheidung, für die sich Aristoteles ausdrücklich auf Vorgänger beruft®9.

47

68

69

„möglicherweise letzten namhaften Beispiel eines echt sokratischen Dialogs" ( H I R Z E L , Der Dialog I , 1 8 9 5 , 3 1 5 ) , bezeugen die zeitgenössische akademische Orientierung des Erfahrungskreises. Ideenlehre: Vgl. die Ubersicht bei D Ü R I N G , Topics 2 1 5 f. - Hedone: bes. A 11, 1 0 4 b 7 ; Γ 2 , 1 1 7 a 2 3 f.; 6 , 1 1 9 a 3 9 ff., 1 2 0 a 1 0 ff., Δ ι, 1 2 1 a 3 0 ff.; Ζ 8 , 1 4 6 b II f.; Θ 9, I6O b 20 f.; vgl. auch Anal. pr. A 1, 24 a 21 f.; 40, 49 b 10 ff. Weltewigkeit·. A 11, 104 b 8, 16; 14, 105 b 24 f. E. H A M B R U C H 1 - 3 3 (bes. Dihairesis, Gattungspyramide, Gegensatz- und Kategorienlehre, Definition, Gleichnamigkeit. Vgl. grundsätzlich über das Verhältnis zur Akademie 20: „akademische Ansichten als Instanzen gegen Regeln, die in der Akademie gelten", 32: „im Anschluß an die Praxis der Schuldisputationen . . . weiter ausgebaut", „mit den Mitteln der akademischen Dialektik einzelne Lehrsätze der Akademiker kritisiert, auch dialektische Beweisregeln, immer im Blick auf Lehren der Platonischen Schule selber und im Geist dieser Dialektik, eingeschränkt und verbessert"). D Ü R I N G , Topics 2 0 2 , 2 0 6 ff., 2 1 2 ff. passim, vgl. D Ü R I N G , Aristoteles 8 0 : „Die meisten Beispiele in der Topik stammen aus dem Repertoire der Akademie." Vgl. ferner B R U N S C H W I G , Introduction X C ff. Zur Terminologie vgl. die Zusammenstellung von R Y L E I 67 f. (Appendix) aus Piatons Schriften. - Im einzelnen verdienen Hervorhebung die Darstellung des Analogiegedankens nach Speusipp Top. A 17/18 ( H A M B R U C H 2 9 , J . S T E N Z E L R E III A, 1 9 2 9 , s. v. 'Speusippos' Sp. 1 6 4 4 , D Ü R I N G , Aristoteles 8 0 ) , der für die Definitionstechnik entscheidende Gesichtspunkt des ταύτόν und έτερον (ausführlich H A M B R U C H 2 2 ff., zum akademischen Hintergrund der Definitionslehre im allgemeinen C H E R N I S S , Criticism I 23 ff.), die Kritik des akademischen θέσις-Begriffs (σχεδόν δέ vüv πάντα τά διαλεκτικά (!) προβλήματα θέσεις καλούνται Α ι ι , 104 b 34 ö·· dazu D Ü R I N G , Aristoteles 7 0 Anm. 1 1 6 , anders T H R O M 3 4 ) , die Anklänge an die platonische Prinzipienlehre (neben den von D Ü R I N G , Aristoteles 8 1 Anm. 1 9 8 aufgeführten Belegen vgl. etwa Θ 14, 164 b 4, 6: έν - πολλά, und zusammenfassend jetzt L. E L D E R S , The Topics and the Platonic Theory of Principles of Being, in: Aristotle on Dialectic: The Topics, Proc. III. Symp. Arist., Oxf. 1 9 6 8 , bes. 1 3 0 - 1 3 2 ) oder die Anlehnung an die akademische (Xenokrates fr 1 H.) Dreiteilung der Philosophie in Logik, Physik und Ethik A n , 105 b i g ff. Soph. El. 33, 182 b 26 f.: oi δέ τόν Ζήνωνος λόγον καΐ Παρμενίδου λύουσι διά τό πολλαχώς φάναι τό §ν λέγεσθαι καΐ τό δν, wo nur Akademiker in Frage kommen: vgl. G. E. L. O W E N , Logic and Metaphysics in some earlier works of Aristotle, zuerst Proc. I. Symp. Arist., Göteborg I 9 6 0 , 1 6 5 , dann deutsch in dem

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5. Die allen einzelnen Sachbereichen gemeinsamen Gattungen (κοινά, πρώτα), über die der Dialektiker in der ,Topik' verfügen soll, sind dieselben, über die die platonische Dialektik handelt 70 , nämlich Identität und Verschiedenheit, Ähnlichkeit und Unähnlichkeit u. dgl. 71 6. Auch diejenigen Zielsetzungen der .Topik'-Dialektik, die scheinbar am weitesten vom hohen philosophischen Anspruch der platonischen Dialektik abliegen, die „gymnastische" und die „peirastische" 7 2 , sind teils durch Piatons Spätwerk 73 , teils durch das bekannte Epikrates-Zeugnis 74 für die zeitgenössische Akademie belegt. 7. Daß der Aristoteles der ,Topik' die akademische Diskussionspraxis im Auge hat, illustriert eindringlich die Tatsache, daß Aristoteles überall dort, wo er in den Pragmatien über eine akademische Diskussion referiert, sich der dialektischen Terminologie der ,Topik' bedient. Ryle hat dies bereits treffend für die in E N Κ berichtete Hedone-Diskussion beobachtet 75 ; deutlicher noch läßt es sich an der Fassung von E N Η zeigen, ζ. B. anhand der Position Speusipps: ώς γάρ Σπεύσιππος ελνεν, ού συμβαίνει ή λνσις, ώσπερ το μείζον τω έλάττονι καί. τω ϊσω εναντίον ( l l 5 3 t> 4-6). Speusipp begegnet hier dem dialektischen Syllogismos des E u doxos:

Sammelband: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hggn. v. F. P. H A G E R , Darmstadt 1969, 401; R Y L E I I 74; zu den sachlichen Voraussetzungen in der platonischen Korrektur des Eleatismus Verf. AGPh 51, 1969, 7 ff. Vgl. ferner 177 b 8 f.: οΰ πάντες οί έλεγχοι παρά τό διττόν, καθάπερ τινές φασιν. 70

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R Y L E I 59, 64

F

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F

·

Die κοινά von möglichst hoher Allgemeinheit (καθόλου) Θ 14, bes. 163 b 32, 164 a 3 ff.; Soph. El. 9, 170 a 35 ft., 1 1 , bes. 172 a 13, 28 £E., erläutert durch Metaph. Β ι, 995 b 21 ff., Γ 2, 1005 a 15 ff. Vgl. z. Β. Α ι , 101 a 27 ff.; Θ 3, 159 a 8; 5, 159 a 25 ff.; 1 1 , 161 a 25; 14, 163 a 29, b 3; Soph. El. 2, 165 a 39 ff.; 8, 169 b 24 ff.; 1 1 , 171 b 3 ff. (Peirastik Teil der Dialektik, der das Nichtwissen des Partners aufdeckt), 172 a 21 ff.; 1 6 , 1 7 5 a 12 ff. („Übung" in der Methode der Gesprächsführung). Eine dritte Funktion, diejenige gemeinsamer σκέψις (bes. Θ 5), ist sachbezogen und leitet bereits zur philosophischen Anwendung der Dialektik über. Die dialektische γυμνασία z. B. Parm. 135 C 8, D 4, 7, 136 A 2, C 5; μελέτη Polit. 286 A 4, Β ι ; die πεΐρα ep. V I I 340 Β ff. Zum Fortschritt der διαλεκτική ίσχύς Ar. Metaph. Μ 4, 1078 b 23 ff., die jetzt Gegensätze ohne das τί έστιν betrachten könne, richtig Ross, Ar. Met. I I 422 Komm. z. St. unter Hinweis auf Piatons Spätdialoge. Athen. I I 59 D/E = Epikrates fr 1 1 Vol. I I p. 287 f. K O C K , Vol. I I p. 354 ff. E D M O N D S (es handelt sich um μειράκια!). R Y L E I I 73, Argument 3 b). Vgl. in der Tat im einzelnen: έπιστεύοντο οί λόγοι 1172 b 15, ό λόγος 26, άναιρεϊ 29, οί δ' ένιστάμενοι 35 ί·» & γάρ πασι δοκεΐ, ταϋτ' είναί φαμεν 36 f. (ένδοξα!), δ S' άναιρών 1 1 7 3 a ΐ ·

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βτι και ή λύπη κακόν, ομολογείται (ένδοξον!) τω δέ φευκτω τδ έναντίον ή φευκτόν τι καΐ κακόν, άγαθόν [ή δ' ήδονή τη λύπη έναντίον] ανάγκη οδν την ήδονήν άγαθόν τι είναι mit einer dialektischen λύσις78, die in der ,Topik' generell definiert wird als έμφάνισις ψευδοϋς συλλογισμοϋ (Soph. El. 18, 176 b 29 f.), ζ. Β. durch Aufhebung (άνελεΐν technisch) einer Prämisse (πρότασις). Eben dies trifft im Falle Speusipps zu, der die zweite Prämisse des Eudoxos anfocht, weil ein Übel auch einem anderen Übel entgegengesetzt sein könne (deutlicher EN 1173 a 7 ff.)· Hier liegt eine Bedeutungsunterscheidung vor, nämlich der Hinweis darauf, daß έναντίον in der Akademie - aristotelisch gesprochen - ein πολλαχώς λεγόμενον ist 77 , sei es dihairetisch-synonymisch, sei es homonymisch, wobei sich Speusipp auf seine eigene Systematik der möglichen Verhältnisse von δνομα und λόγος mit den Fällen der Synonymie und Homonymie berufen konnte78. Der ,Topik' zufolge ist gerade die Bedeutungsunterscheidung eines der wichtigsten Kampfmittel des „antwortenden" Partners im dialektischen Gespräch79. Aber auch die Entscheidung, die Aristoteles selbst im Kontext der EN fällt (ού γαρ αν φαίη δπερ κακόν τι είναι τήν ήδονήν)80, trägt noch dialektischen Charakter, denn er beruft sich damit implizit in Analogie zur ersten Prämisse des Eudoxos - auf die allgemeine Einschätzung der Hedone als auf ein ένδοξον, wogegen die Schlußfolgerung Speusipps - wiederum nach Regeln der ,Topik' - als ein παράδοξον erscheint. Das Referat bezieht sich, wie die Tempuswahl zeigt, auf mündliche Diskussionen in der Akademie 81 . Sie vollzogen sich offensichtlich im

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Vgl. λύεται 1153 a 29 (Speusipp). Vgl. die Stellungnahme des Arist. E N Κ 1173 a 8 f.: λέγοντες ταϋτα ού κακώς. Tatsächlich hat Arist. die Unterscheidung in seiner Gegensatzschrift selbst angeführt (fr 124 ROSE3 = fr 6 Ross), vgl. Cat. 14 a ι ff., Top. 113 a 5 ff., 123 b 27 ff. Speusipp fr 32 a - c LANG mit dem wörtlichen Zitat aus seiner Bestimmung der Homonymie (ό δέ λόγος έτερος fr 32 b). Soph. El. 16, 175 a 6 ff.; 19, 177 a 9 ff., vgl. 4 f. (δπως ή διαιροϋντες ή άναφοϋντες λύωμεν); ζο, \ηη b 10 ff.; grundsätzlich A 18, bes. 108 a 27 ff. und Θ 14, 164 b 5 ff. Zum Inhaltlichen A 15 (mit der Gegensatzlehre 106 a 36 ff.). Über die richtige Definition Η 1/2. Ähnlich die Parallele E N Κ 1173 a 11 ff. So R. PHILIPPSON, Akademische Verhandlungen über die Lustlehre, Hermes 60, 1925, 449 ff.

K o n t i n u i t ä t der a k a d e m i s c h e n D i a l e k t i k

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wesentlichen nach Maßgabe der Regeln, die Aristoteles in der ,Topik' für das dialektische Gespräch formuliert. Ähnliches läßt sich anhand der Ideenschrift oder von doxographischen Partien der .Metaphysik' zeigen82. 8. Aristoteles betont zwar am Ende der Soph. El., daß er die Theorie der Dialektik gleichsam aus dem Nichts geschaffen habe, doch wird dies einmal auf die Theorie des συλλογίζεσθαι hin näher präzisiert (184 b ι ff.)83, zum andern auf die Funktion des antwortenden Partners hin eingeschränkt84. In der Tat ist es keineswegs ausgeschlossen, daß die umfangreichen Arbeiten zur Theorie der Dialektik, die das Schriftenverzeichnis des Xenokrates anzeigt85, entweder in Zusammenarbeit mit Aristoteles89 oder zur gleichen Zeit unabhängig von ihm, oder auch teilweise schon vor ihm in Angriff genommen worden sind. Die Theorie des dialektischen Verfahrens, die in der,Topik' vorliegt, ist jedenfalls in der Akademie nicht die einzige gewesen. 9. Man wird nach all dem in der Akademie mit einer Zweigleisigkeit der dialektischen Bemühungen rechnen müssen, bei der neben die ontologisch intendierte Ideen-Dialektik, die Dialektik im engeren Sinn87, eine propädeutisch-gymnastische Form der Dialektik trat, von der außer der aristotelischen ,Topik' die Sammlungen von Definitionen und Einteilungen oder der spielerisch-propädeutische Charakter des dihairetisch-definitorischen Verfahrens in den Spätdialogen Piatons Zeugnis ablegen88. Das Verhältnis jener elementaren, propädeutischen Dialektik zur Ideenwissenschaft ist vergleichbar mit der Art, wie die Dialektik zuletzt auch bei Aristoteles in den Dienst der wissenschaft-

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V g l . das F o l g e n d e S. 29, 27 A n m . 1 1 5 .

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V g l . 1 7 2 a 35 f.: 6 τέχνη συλλογιστική πειραστικ&ς διαλεκτικός (gegenüber d e m Laien). Θ 5, 159 a 34 f. (ού διήρθρωταί π ω τίνος δει στοχάζεσθαι τον άποχρινόμενον), v g l . d a z u J. BRUNSCHWIG, I n t r o d u c t i o n X X X A n m . 2 und MORAUX 292. D . L . I V 1 3 : 14 B ü c h e r της περίτί> διαλέγεσθαιπραγματείας, I i B ü c h e r θέσεις, 2 B ü c h e r λύσεις, wahrscheinlich a u c h die 10 B ü c h e r λύσεις (Menag.: λύσις codd.) των περί τούς λόγους. H i n z u treten die 2 B ü c h e r λύσεις έριστικαί und ι B u c h λύσεις des A k a d e m i k e r s Herakleides D . L . V 88.

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So die V e r m u t u n g v o n R Y L E I I 70. D a s λογικών μέρος της φιλοσοφίας X e n o k r a t e s fr ι Η . (zur E r l ä u t e r u n g v g l . PI. P h a i d . 99 E , Ar. Met. A 987 b 31 ff., Μ 1084 b 25, ZELLER 183 u n d u n t e n S. 342 A n m . 378). R Y L E I 5 5 : " W e g e t t h e impression t h a t in t h e A c a d e m y , a t t h e same m o m e n t , t h e w o r d 'dialectic' is being used in t w o entirely different w a y s " , 62 ff., 67.

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liehen Philosophie tritt 8 9 , sei es nun als Organon der Denkschulung 90 , der Bedeutungsunterscheidung 91 oder Hypothesenprüfung 92 , sei es der heuristischen Problemexposition 93 - wozu weitgehend auch die kritische Doxographie zählt - , sei es der Prinzipienfindung 94 . Die Rehabilitierung der aristotelischen Dialektik und ihre Integration zumal in die Erste Philosophie ist durch J . M. Le Blond und E. Weil von den beiden zuletzt genannten Funktionen her geleistet worden 96 . Dadurch ist eine weitere Annäherung zwischen dem platonisch-akademischen und dem aristotelischen Begriff von Dialektik erreicht, die eine außerakademische Herleitung der aristotelischen Dialektik wohl endgültig unmöglich macht. Die Erste Philosophie des Aristoteles tritt dabei, sie überbietend9®, an die Stelle der ontologischen Ideen-Dialektik der Akademie. Der Top. A 2, ι ο ί a 27 f.: πρδς τάς κατά φιλοσοφίαν έπιστήμας, 34! © *4· 163 b g f.: πρός τε γνώσιν καΐ τήν κατά φιλοσοφίαν φρόνησιν, Soph. El. 16, 175 a 5 : πρϊ>ζ μέν φιλοσοφίαν διά δύο. 90 Θ 163 b 2 ff., 175 a 9 ί·. m i t der Erläuterung durch De caelo Β 13, 294 b 6 ff. (grundlegende Bedeutung für die Methode der Forschung). 91 Soph. El. 16, 175 a 7 f. 92 Θ 14, i63 b 1 0 f. 93 A 2, 101 a 34 ff.: πρός δέ τάς κατά φιλοσοφίαν έπιστήμας, δτι δυνάμενοι πρός Αμφότερα διαπορήσαι ρδον έν έκάστοις κατοψόμεθα τάληθές τε και τό ψεΰδος. Zur Anwendung in den Pragmatien vgl. ζ. B. De caelo 279 b 4 ff., 294 b 6 ff., De an. 403 b 20 ff., EN 1145 b 2 ff., Anal. post. 90 a 37 ff., insbesondere das Aporienbuch der 'Metaphysik', und dazu Z E L L E R II 2 , 2 4 3 ff.; SICHIROLLO 149 ff. 94 A 2, 101 a 36 ff.: πρός τά πρώτα των περί έκάστην έπιστήμην. Diese seien nur von den ένδοξα her anzugehen, was das eigentliche Geschäft der Dialektik sei: εξεταστική γαρ οδσα πρός τάς άπασων των μεθόδων άρχάς όδόν έχει. 95 J. Μ . L E BLOND, Logique et m6thode chez Aristote, Paris 1 9 3 9 , Nachdruck 1970, bes. 42 ff., 50 ff., 432 (Bestimmung des Verhältnisses von Dialektik und Erster Philosophie); E. W E I L , La place de la logique dans la pens6e aristotölicienne, Rev. de metaph. et de mor. 56, 1951, 283 ff. (Rehabilitierung der Dialektik gegenüber der Apodeiktik, weitere Integration ins System); G. E. L. OWEN, Logic and Metaphysics . . . (vgl. oben Anm. 69), 2 4 0 I ff. (Mehrdeutigkeit auch in der Ersten Philosophie dialektisch, erst der Zusammenhang spezifisch); P. AUBENQUE 2 9 4 ff.; SICHIROLLO 1 3 8 ff.; zuletzt ROUTILA 98 ff. (Präzisierung des Verhältnisses Dialektik - Erste Philosophie). Vgl. auch den instruktiven Forschungsrückblick bei E. B E R T I , La dialettica in Aristotele, in: Studia Aristotelica 3, Padua 1970, bes. 51 ff. 96 Die Dialektik bleibt bei Aristoteles auch in ihren höchsten Formen insofern inferior, als sie sich - im Bereich der ένδοξα verweilend - nur hinführend und prüfend (πειραστική), nicht aber wie die Erste Philosophie, die über das αληθές verfügt, erkennend (γνωριστική) verhält. Aristoteles meint damit, wie Metaph. Γ 2 zeigt, die eigene Seinsanalyse nach ihrem inneren Zusammenhang, vor allem nach dem Vorrang der ούσία nebst ihrer noetischen Erfassung, wogegen

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Zusammenhang läßt sich beim frühen Aristoteles noch verfolgen, wo das akademische λογικδν μέρος της φιλοσοφίας - die Dialektik im engeren Sinne - neben Physik und Ethik steht, während die Dialektik in weiterer Bedeutung sich auf alle drei Gegenstandsbereiche zugleich bezieht97. Aristoteles hat dann den vorbelasteten Titel der Logik oder Dialektik durch den einer Ersten Philosophie ersetzt und damit die Zweideutigkeit im akademischen Begriff der Dialektik vermindert, wenngleich auch die aristotelische Dialektik noch ganz verschiedene Funktionen wahrnimmt, die sie mit der akademischen teilt. Im übrigen hat man die Unterscheidung von Dialektik und Apodeiktik der Sache nach bereits der Akademie zugesprochen, und auch wer gegenüber Solmsens Herleitung der Apodeiktik aus der mathematischen Beweismethode und zuletzt der mathematisierenden Metaphysik der Akademie Vorbehalte hegt, wird in dem wachsenden Übergewicht des akademischen Lehrgesprächs und des Lehrvortrags (άκρόασις), wie es sich auch in den Spätdialogen Piatons ausdrückt, gegenüber der lebendigen dialektischen Auseinandersetzung den wohl ausschlaggebenden Faktor bei der Trennung von Dialektik und Apodeiktik erkennen müssen98. Weil99 hat im übrigen mit Recht darauf hingewiesen, daß die Apodeiktik nicht höher steht, sondern wie die Dialektik als τέχνη - nicht έπιστήμη - von der έπιστήμη in Dienst genommen wird. Beide unterliegen ferner denselben syllogistischen Formalgesetzen, die

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die Dialektik — die Bezugnahme auf die Akademiker ist unübersehbar — bei den συμβεβηκότα und υπάρχοντα der ουσία stehen bleibt (vgl. bes. 1004 b 8-10). Indessen ist das Prinzip der Seinsanalyse selbst dialektischer Herkunft (Für die Kategorienlehre nachgewiesen von C. M. GILLESPIE, The Aristotelian Categories, Cl. Quart. 19, 1925, 95 ff.; LE BLOND a. O. 5 3 ; E . KAPP, Ursprung 46 ff., vgl. 30 f.; vgl. jetzt auch G. E . L . OWEN, The Platonism of Aristotle, Proc. of the British Academy, Vol. L I , 1965, London 1966, 1 3 2 ff.; ders.. Dialectic and Eristic in the treatment of the Forms, in: Aristotle on Dialectic: The Topics, Proc. III. Symp. Arist., Oxf. 1968, 104; zuletzt ROUTILA 138), und neuerdings glaubte P. AUBENQUE sogar zeigen zu können, daß die Erste Philosophie als eine „gesuchte" (ζητουμένη) Wissenschaft entgegen ihren eigenen Intentionen selber zetetisch-dialektisch bleibt (300 ff.; ders., Aristoteles u. d. Problem d. Metaphysik, Zeitschr. f. philos. Forschung 15, 1961, 3 2 1 ff.). Top. A 14, 105 b 19 ff. (προτάσεις ήθικαί, φυσικαί, λογικαί - die Einteilung entspricht der von Xenokrates fr 1 - gemeinsam Gegenstände der Dialektik). Zum Unterschied von „ L o g i k " und „Dialektik" treffend SOLMSEN 192 Anm. i. Zur Logik gehört z. B. die Gegensatzlehre; demgemäß hat Arist. die akademische Gegensatzlehre in die Erste Philosophie übernommen (Met. Γ, I, K).

88

V g l . SOLMSEN 2 4 7

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W E I L a . O . 2 8 3 ff., 3 0 0 ff., 3 1 2

3 Kr&mer. Platonismua

ff. ff.

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im übrigen - E. Kapps100 bahnbrechenden Einsichten zufolge - wesentlich aus den Voraussetzungen des dialektischen Gesprächs entwickelt worden sind, woher sich der Grundcharakter der aristotelischen Logik nicht als Denklehre, sondern als Technik kommunikativen Argumentierens und Darstellens aufgrund vorgegebener Thesen versteht. Der Formalismus der aristotelischen Dialektik endlich, d. h. ihre rein technische Funktion ohne sachliche Kompetenz für bestimmte Seins- oder Gegenstandsbereiche, ist nicht etwa erst durch die Destruktion der platonischen Ideenwelt zustandegekommen. Dies ist allein schon deshalb unwahrscheinlich, weil Speusipp, der die Ideenlehre verwarf, eine ähnliche Auffassung der Dialektik schon vor Aristoteles vertreten haben muß. Aber auch andere Mitglieder der Akademie haben eine solche Dialektik in Gestalt jener propädeutisch-gymnastischen Gesprächsübung praktiziert, die auf die eigentliche Ideenwissenschaft erst vorbereiten sollte. In diesem Punkt entspricht das Verhältnis von elementarer und ontologischer Dialektik in der Akademie durchaus demjenigen zwischen Dialektik und Erster Philosophie bei Aristoteles. Wenn es in der Älteren Akademie eine elementare Form des dialektischen Verfahrens gegeben hat 101 und wenn die ,Topik' in der Hauptsache diese Art akademischer Dialektik beschreibt, dann ist es möglich, aus der Darstellung der ,Topik' auf die Grundlinien der akademischen Praxis zurückzuschließen. Dabei kommt es hier nicht darauf an, das oft geschilderte Verfahren102, wie es die Bücher I, VIII u. IX (Soph. El.) der ,Topik' sichtbar machen, noch einmal in extenso vorzuführen, sondern diejenigen Punkte herauszugreifen, die für den Vergleich mit der Methode der Neuakademiker wichtig sind: 100 101

E. KAPP, R E IV A (1931) s. v. 'Syllogistik', bes. Sp. 1055 ff.; ders. Ursprung passim, bes. 56, 86 ff., 100 ff. So z. B. - außer RYLE - auch ROBINSON, The historical background of Aristotle's Topics VIII, in: Proc. of the Seventh International Congr. of Philosophy, Oxf. - London 1931, 437 ft., bes. 441 f.; THROM 34 Anm. 3; KAPP, Ursprung 23, 72 ff., 76, 87; vgl. ders. R E 'Syllogistik' 1055 f., 1064, 1066; W E I L a. O . 3 0 5 , 3 1 3 ; DÜRING, A r i s t o t e l e s 6 9 f . ; v g l . g r u n d s ä t z l i c h SOLMSEN,

102

The Philos. Rev. 60, 1951, 570: "Altogether it is perhaps better to think of Aristotle in his formative period primarily as a member of the Academy, participating in its philosophical life and indeavors, rather than as a careful student of Plato's earlier dialogues." - Isokrates bekämpft Panath. 26 (vgl. Ant. 258, 261) die akademische παιδεία in Mathematik und Eristik. Besonders instruktiv KAPP, Ursprung 99 ff.; WEIL a. O. 306 ff.; MORAUX 277 ff.

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a) Das dialektische Gespräch vollzieht sich zwischen zwei Partnern, und zwar in der Regel öffentlich bzw. halböffentlich vor einem Auditorium nach Art einer Disputation103. b) Die beiden Partner übernehmen die Rollen des fragenden (δ ερωτών) Angreifers (έπιχειρών, έλέγχων) und des antwortenden (ό άποκρινόμενος) Verteidigers (υπέχων). Der Angreifer eröffnet die Auseinandersetzung, indem er dem Partner in Frageform ein Thema anbietet, zu dem dieser in der einen oder anderen Weise Position bezieht. Der Angreifer nimmt dann in jedem Falle die Gegenposition ein und versucht durch weitere Fragen die These (θέσις, κείμενον) des Partners zu widerlegen (άναιρεΐν) und ihn mittels geschickt vorgetragener Prämissen zur Anerkennung der Gegenthese (άντίφασις, άντικείμενον) zu zwingen; der Partner hat demgegenüber die Aufgabe, über seine These Rechenschaft zu geben und sie gegen die Argumentation des Angreifers durch Nichtanerkennung der vorgebrachten Prämissen oder durch Einwände (ενστάσεις, wozu auch die λύσις) zu verteidigen. c) Beide Kontrahenten müssen sich im Bereich des Endoxen bewegen: Der Verteidiger darf sich nicht im Verfolg seiner These zu Konsequenzen nötigen lassen, die außerhalb des allgemein Anerkannten stehen (άδοξα) oder ihm gar widersprechen (παράδοξα); der Angreifer darf sich nur auf endoxe Prämissen stützen, wobei die Anerkennung durch den Partner selbst stets zu berücksichtigen ist, vor allem dann, wenn dessen eigener Wissensstand kritisch („peirastisch") überprüft werden soll104. d) Zu den Methoden der Auseinandersetzung gehören auf der Seite des Angreifers neben dem Syllogismos das Operieren mit Beispielen (Epagoge mit παραβολαί) oder die Analogie106, auf der Seite des Verteidigenden die Begriffs- und Bedeutungsunterscheidung10®. e) Zwei Arten von dialektischen Schlüssen sind zu unterscheiden: das έπιχείρημα als der nicht näher bestimmte dialektische Schluß und 108

0 2, 158 a 10; Soph. El. 15, 174 a 36. 104 Vgl. Soph. El. 2, 165 b i f i . . : διδασκαλικοί μέν οί . . . ουκ έκ των τον άποκρινομένου δοξών συλλογιζόμενοι sc. λόγοι. . . πειραστικοί δ' οί έκ των δοκούντων τω άποκρινομένω . . . los Α ΐ2, Ι05 a 10 ff. (πόσα των λόγων εΐδη των διαλεκτικών. 2στι δέ τό μέν έπαγωγή, τό δέ συλλογισμός), Θ ι, 155 b 21 f., 157 a 6 iL, 2, 157 a 34 ff., 8, 160 a 35 ff.; 14, 164 a 12 ff. (έπακτικοί - συλλογιστικοί sc. λόγοι); Soph. El. 4, 165 b 28; Anal, post. Α ι, 71 a 5 ff. Zur Analogie A 13, 105 a 25; 17, 108 a 7 ff.; 18, 108 b 7 ff.; Θ ι, 156 b 10 ff. 10« Vgl oben S. 20 Anm. 79.

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das άπόρημα als der definitive Schluß auf die Gegenthese, der „Widerspruchs·" oder „Alternativschluß" (συλλογισμός διαλεκτικός άντιφάσεως Θ I I , 1 6 2 a 1 6 - 1 8 ) 1 0 7 . Der Widerspruchsschluß tritt vor allem dann ein und führt zur Aporie, wenn es sich um in der Sache begründete Kontroversfragen (προβλήματα) handelt, denn bei ihnen gibt es von vornherein entgegengesetzte Schlüsse, die beide überzeugend begründet werden können: έστι δέ προβλήματα και ών ενάντιοι εϊσί συλλογισμοί' άπορίανγαρ ίγει πότερον οϋτως εχει ή ου χ ούτως, δια το περί αμφοτέρων είναι λόγονς πιθανούς (Α ι ι , 1 0 4 b 1 2 - 1 4 ) · Im sechsten Buch präzisiert Aristoteles die anderweitig, wahrscheinlich von akademischer Seite vorgegebene Definition der άπορία als „Gleichgewicht entgegengesetzter Erwägungen" (ίσοτης έναντίων λογισμών)108, was sinngemäß auch auf die dialektische Aporie zu beziehen ist. In der Tat gehört die Feststellung, Formulierung und Auflösung (λύσις) von Aporien zur bevorzugten Aufgabe der Dialektik 109 . f) Da es sich um Übungsgespräche handelt, vertreten die Partner ihre Thesen grundsätzlich nicht aus Überzeugung, sondern nur discussionis gratia (λόγου χάριν Θ g, 160 b 21 f.), so etwa wenn ein Teilnehmer die These eines bekannten Philosophen zu verteidigen übernimmt (ausführlich Θ 5,159 b 2 7 ff·)110· D i e s führt weiter folgerichtig dazu, daß die Partner gelegentlich im Verlauf eines Gesprächsganges ihre Thesen vertauschen und gleichsam mit verkehrten Fronten fechten können (ποιοϋσι δέ τοϋτο και οί παρ' άλλήλων δεχόμενοι τάς θέσεις 33 f·)· Erst recht gilt dies natürlich für zwei verschiedene Gesprächsgänge, zu denen dieselben Partner ohne weiteres über dasselbe Thema aus jeweils entgegengesetzten Positionen heraus antreten mögen111. Mit dieser Mög107

Ähnlich die Unterscheidung des eristischen συλλογισμός schlechthin als σόφισμα (ebendort) und des eristischen συλλογισμός άντιφάσεως als ϊλεγχος (Soph. E l . 6, 1 6 8 a 3 6 f., vgl. 5, 1 6 7 a 2 1 ff.). 108 Ζ 6, 1 4 5 a 3 7 ff.: . . . δσοι λέγουσιν δτι . . . ή άπορία ίσότης έναντίων λογισμών, mit der Korrektur 1 4 5 b 1 7 f.: . . . της άπορίας δόξειεν άν ποιητικόν είναι ή των έναντίων Εσότης λογισμών. 109 Vgl. Α 2, ι ο ί a 3 5 : πρός άμφότερα διαπορησαι, Θ 3. b 2 0 : άπορία der προβλήματα, Ε Ν Η 1 1 4 6 b 7 f · : λύσις της άπορίας εΰρεσις, vgl. άνελεϊν η, Anal, post. A 7 1 a 2 9 fif.: άπόρημα — λύειν. no Vgl. dort 3 2 f . : ούχ ώς ού δοκοϋν αύτοΐς τοϋτο, άλλ' δτι καθ' Ήράκλειτον ουτω λεκτέον, Θ 4. 1 5 9 a 2 1 ί · : μή δι' αυτόν . . . άλλά δια την θέσιν. 111 Treffend RYLE II 7 6 : „Dialectic is . . . a polemic not between persons, but between theses and counter-theses. Theses are not personal property, nor arguments", 7 5 : „discussions . . . repeated . . . with the same or with different questioners and answerers."

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lichkeit des Positionswechsels, der nachgerade ein integrierender Bestandteil dialektischer Übung ist112, ist ein Grundzug des sophistischen εις έκάτερον έπιχεφεϊν (in utramque partem disserere) innerhalb der technisch verbesserten und von eristischen Elementen weitgehend gereinigten akademischen Dialektik bewahrt113. g) Die Form des Wechselgesprächs mit der Abfolge von Frage und Antwort wird im allgemeinen festgehalten, doch gibt es gelegentlich taktisch begründete Ansätze zur zusammenhängenden Rede, so etwa wenn eine gewisse Breite (μήκος) zur Täuschung des Gegners empfohlen oder geraten wird, die letzten Schlußfolgerungen nicht mehr als Frage zu stellen, sondern kurzerhand in assertorischer Form selbst zu ziehen114.

II. Der Überblick über die Formen115 altakademischer Dialektik ist indessen noch nicht vollständig. Der Titel ,,Topik" zeigt schon an, daß hier ein Regelwerk angestrebt wird, das ein freieres Seitenstück zu den Θ 14, 163 a 37 ff.: πρός άπασάν τε θέσιν, και δτι οϋτως και δτι ονχ οϋτως, τ£> έπιχείρημα σκεπτέον . . . οΰτω γάρ άμα συμβήσεται πρός τε τό έρωταν καΐ πρδς τ£> άποκρίνεσθαι γεγυμνάσθαι, b 7 ff·: · . · δταν εύπορη τις και δτι οϋτως καΐ δτι ονχ όντως (πρός τά εναντία γάρ συμβαίνει ποιεΐσθαι την φυλακήν). Dazu DÜRING, Aristoteles 77 (>>IN utramque partem argumentieren"), modifizierend MORAUX 303· LXS Vgl. auch RYLE I I 74. 1U Θ 2, 158 a 7 ff., Soph. El. 15, 174 a 17 ff. (vgl. Θ ίο, 161 a 9 ff.; Soph. El. 13, 1 7 3 a 3 2 ff.); 3 3 ff., b 8 ff., 38 ff.; vgl. 1 7 , 1 7 5 b 1 0 ff. 115 Thematisch gewährt neben der 'Topik' und den EN-Referaten zur HedoneDiskussion vor allem das Aporienbuch der 'Metaphysik' Einblick in Diskussionen der Akademie. Aristoteles stützt sich hier auf Thesen und Argumente der Vorgänger (Met. Β 995 a 25 ff.), die er mit deutlicher Anlehnung an das dialektische Programm der 'Topik' (διαπορησαι 995 a 28, 35, b 5, 996 a 17, 1002 b 33 ~ Top. 101 a 35 f.; vgl. λύσις 995 a 29, άμφισβητοϋντες λόγοι 995 b 3 f·, derselbe Ausdruck für die Aporien zur Frage der Weltewigkeit De caelo A 10, 279 b 9) dialektisch-antithetisch entwickelt. Es ließe sich zeigen, daß bei der Mehrzahl der Aporien These und Antithese mit bestimmten Vertretern innerhalb der Akademie verknüpft werden können, und daß darum auch die von Aristoteles pro und contra angeführten Argumente vermutlich in der akademischen Diskussion eine Rolle gespielt haben. Freilich gehörten die hier anstehenden zentralen Fragen der Systembildung, der Seins- und Prinzipienlehre schwerlich zu den Gegenständen des dialektischen Trainings, sondern zur „Logik" und Dialektik im engeren Sinne, an die die Erste Philosophie sich 112

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mnemotechnisch bestimmten Anleitungen rhetorischer oder mathematischer Art abgeben soll. Θ 14 (bes. 163 b 17-33) macht dabei deutlich, daß es sich nicht nur um formale Argumentationsmittel oder allgemeinste Grundbegriffe und Vordersätze, sondern auch um inhaltlich bestimmte Argumentationen für die am häufigsten wiederkehrenden Sachfragen handelt, die es stets präsent zu haben gilt (πρός τε τά πλειστάκις εμπίπτοντα των προβλημάτων έξεπίστασθαι δει λόγους 163 b 17 f., vgl. auch A 14, 105 b 12 ff.: Anlage von διαγραφαί nach den einzelnen Sachbereichen). In der Tat liegt es in der Natur einer auf ständiger Wiederholung beruhenden Diskussionspraxis, zu den wichtigsten Thesen feste Argumentationsschemata zu entwickeln, die sich allmählich zu kompakten, aber doch stets erweiterungsfähigen Argumentationsketten pro oder contra zusammenschließen können. Eine solche Regulierung und Vorzeichnung des Gesprächsverlaufs, wie sie die Schulpraxis unvermeidlich mit sich brachte, mußte dem Wechselgespräch von Frage und Antwort auf die Dauer gesehen Abbruch tun: Je mehr die Argumente bei den Partnern schon im voraus bekannt waren, desto weniger war die Frageform des Argumentierens beim einen oder die kontrollierende Stellungnahme von Seiten des anderen Partners von sachlichem Interesse. Dies führte zur Verselbständigung der Argumentationsreihen pro und contra und zu ihrer Ablösung vom Wechselgespräch, dem mehr und mehr die Spontaneität verlorenging. Neben das problematische Verfahren von Frage und Antwort zwischen zwei Partnern trat zunehmend das abgekürzte assertorische Nach vollziehen von Argumentationsfolgen pro und contra, die jeder für sich selbst zu einer bestimmten These reproduzieren mochte. Dieser Vorgang steht in Wechselwirkung mit dem Aufkommen des Lehrvortrags, der Vorlesung vor dem Auditorium der Schule. Sie fußt zwar ursprünglich auf den Ergebnissen vorangegangener Diskussionen, verzichtet aber weitgehend auf eine erneute Kontrolle durch die Teilnehmer, sondern führt die Argumente in ihrem sachlichen Zusammenhang „apodeiktisch" vor. Eine Zwischenstellung nimmt das Lehrgespräch ein, das die Kontrolle in reduzierter Form - beschränkt auf anschließt. W o diese Themen in der Akademie dialektisch diskutiert wurden, geschah es mit der sachlichen und sittlichen Verbindlichkeit sokratischer Art, von der noch der V I I . Brief Piatons (341 C, 343 Ε ff., bes. 344 Β 6) und der Titel περί τοϋ άγαθοϋ Zeugnis ablegen, während die aristotelische Aporetik nurmehr - als heuristische Problemexposition der Prinzipienfindung - im Dienst einer rein theoretischen Philosophie steht.

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das Einverständnis des Lernenden - bestehen läßt, aber gleichfalls von feststehenden Ergebnissen aus argumentiert116. Die Lehrvorträge haben in der Regel in Lehrschriften ihren Niederschlag gefunden. Zwar sind die originalen Lehrschriften der Akademie verloren, doch haben sich glücklicherweise für alle drei Hauptdisziplinen der Philosophie: die Ontologie („Logik"), die Physik und die Ethik akademische Argumentationszusammenhänge in den Lehrschriften des Aristoteles erhalten, die Rückschlüsse auf die Lehrtätigkeit und vielleicht sogar auf die Anlage von Lehrschriften der Akademiker zulassen. Es handelt sich um die in abgekürzter Form in die Referate der .Metaphysik' eingegangenen, durch Alexander vollständiger erhaltenen Ideenargumente aus der Streitschrift περί ιδεών, die fünf zu Beginn des peripatetischen Traktats περί άτόμων γραμμών referierten Argumente für die Existenz physikalischer und mathematischer Minima, sowie um die schon berührten Argumentationsketten in den Hedone-Traktaten der Nikomachischen Ethik. Diese drei Gruppen von Argumenten sind vermutlich als letzte Konzentrate aus dialektischen Diskussionen hervorgegangen, denn jede der drei zugehörigen Thesen zählt zu den bevorzugten Exempeln der .Topik'117. Bei den Referaten der Ethik steht der originäre Diskussionscharakter ohnehin in vielen Punkten fest; aber auch die Darstellung von περί ιδεών scheint sich weitgehend dialektischen Vokabulars bedient zu haben118, während das Referat von περί άτόμων γραμμών immerhin mit weitläufigen Syllogismen operiert, die recht wohl auf dialektischem Boden erwachsen sein können119. In allen drei Fällen120 scheinen zunächst die Argumente der Gegenthese vom Berichterstatter zusammenhängend dargestellt und lle

Unterschieden vom dialektischen Gespräch ζ. B. Top. Θ 3, 159 a 11 ff.; 5, 26 ff.; Soph. El. 2, 165 a 38 ff.; io, 171 a 38 ff. 117 Yg] oben S. 18 Anm. 67 (Ideen und Hedone). Die Atomlinien Δ ι , i2i b 19 f., vgl. Ζ 6, 143 b 1 1 ff· Zur EN vgl. DIRLMEIER im Kommentar 586: „Ar. beschäftigt sich nicht mit Thesen der Sophisten oder etwa des Demokrit, sondern mit denen, die organisch in der Schule erwachsen waren." 118

119 120

κατασκευάζει, κατασκευή, ομολογείται fr 3 Ross, κατασκευάζειν, άναιρεΐν, θέσις

fr4. Über die primäre Zugehörigkeit zur Physik des Xenokrates Kap. IV Exkurs. Eine Ausnahme bildet EN K, wo im Unterschied zu EN Η nur die positiven Argumente des Eudoxos zusammenhängend referiert werden (1172 b 9 ff.), während die einzelnen Einwände der Lustgegner innerhalb des λεγόμεναReferats jeweils eine unverzügliche Widerlegung erfahren - zweifellos ein abkürzendes Verfahren in konstruktiver Absicht, vgl. DIRLMEIER im ENKommentar 586/87.

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dann zusammenfassend widerlegt worden zu sein, auch in περί ιδεών, wo das erste Buch das Referat der vier Hauptgruppen von Argumenten nebst weiterer Untergliederung, das zweite die entsprechenden Gegenargumente enthielt121, die Aristoteles später gesondert in die .Metaphysik' übernommen hat. Das in den Referaten enthaltene Material ist schwerlich von Aristoteles zum ersten Mal zusammengestellt, sondern aus der akademischen Schulpraxis übernommen worden: Es handelt sich zweifellos um die Resultate eines allmählichen Kondensierungsund Komprimierungsprozesses, in dessen Verlauf die besten und bewährtesten λόγοι der dialektischen Diskussion für die Erfordernisse des Lehrens und Lernens zu standardisierten Sequenzen zusammengefaßt wurden122. Der Verlust, den die Dialektik durch ihre Aufhebung im Lehrvortrag erlitt, blieb jedoch ein partieller. In der Akademie der Jahrhundertmitte konnte sich nämlich nicht nur das Übungsgespräch, wie die ,Topik' zeigt, neben dem Lehrvortrag behaupten, sondern es bildete sich eine dritte Form heraus, die zwischen Lehrvortrag und Wechselgespräch in der Mitte stand und dabei das agonale Prinzip des letzteren bewahrte, aber doch nach der Art des ersteren der zusammenhängenden Argumentation Raum bot: die Disputation in Rede und, Gegenrede. Schon in den Dialogen Piatons immer wieder vordrängend, scheint sie in der akademischen Schule mit der Minderung des ursprünglichen Impulses der Frage-und-Antwort-Technik rasch an Bedeutung gewonnen zu haben. Zwar hat sich dafür keine direkte Bezeugung erhalten wie für Lehrvortrag und Wechselgespräch, doch reichen die mittelbaren Zeugnisse zur Rekonstruktion aus, die in den DisputaAlex. Aphr. in met. 79, 3 ίϊ.; g8, 20 ff. H. Alexander selbst läßt dagegen im Anschluß an die Kurzfassung des 'Metaphysik'-Textes die Widerlegungen unmittelbar auf die einzelnen Gruppen von Argumenten folgen. 122 v g l . R y l e II 75: "Written minutes or abstracts of the argument-sequences deployed are kept and consulted. Consequently the arguments for and against a given thesis undergo a progressive development and crystallization." Auch die Gegenargumente stammen daher nur teilweise von Aristoteles; zum größeren Teil sind sie in den ständigen pro- und contra-Diskussionen der Akademie, wie sie die 'Topik' voraussetzt, aufgebracht worden. Für die Hedone-Diskussion belegt dies der Vorgang des Eudoxos, für die Kontroverse um die Ideenlehre der platonische 'Parmenides' oder auch die Ideenkritik Speusipps, auf den die Ablösung der Ideen durch die entsubstantialisierten κοινά in der Kritik der Ideen-Argumente zurückgehen könnte (Alex, in metaph. 79, 19; 85, 21 H. = De ideis fr 3 und 4 p. 122/6 Ross. Der Terminus κοινόν als für Speusipp charakteristisch überliefert D. L . IV 2 = Test. 4 L A N G , vgl. Ar. Top. A 18, 108 b 22, 27, 31). 121

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tionsdialogen des Aristoteles und Herakleides noch greifbar sind. Schon Hirzel hat in seiner Monographie über den Dialog klar erkannt123 und andere haben es seither wiederholt124, daß Aristoteles mit seiner Dialogform - Abwerfen der Maske des Sokrates, Auftreten in eigenem Namen, zeitgenössische Datierung des Gesprächs, Prinzip von Rede und Gegenrede, Buchteilung mit Proömien - lediglich die Konsequenzen aus der Erstarrung des Wechselgesprächs und der zunehmenden Vorherrschaft des Lehrgesprächs zieht und dabei zumal die Situation der zeitgenössischen Akademie als Modell vor Augen hat. Der Aristotelius mos, den Cicero in ,De oratore' nachzuahmen strebt125 und den er dort als die Methode, de omnibus rebus in utramque partem dicere et in omni causa duas contrarias rationes explicare, näher erläutert (III 8o)12e, ist nicht durch einen unvermittelten Rückgriff auf die sophistische Antilogistik zustande gekommen, sondern entwirft für ein bestimmtes Stadium des Kondensierungsprozesses, dem die dialogisch-dialektische Methode127 der Akademie zur Zeit des Aristoteles unterworfen war, ein ungetrübtes literarisches Spiegelbild. Daß Aristoteles nicht theoretisch einen neuen Dialogstil erdacht hat, sondern ebenso gut wie Piaton an der Praxis des sokratischen, so an der des akademischen Gesprächs orientiert ist, beweist die Tatsache, daß er mit dem Prinzip der oratio continua und der Gegenrede nicht allein steht: Auch der Piatonschüler Herakleides hat in seinen Dialogen περί ήδονής und περί των έν ούρανφ dieses Prinzip angewendet128, wobei sich das Thema im zweiten Fall an astronomische

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R . HIRZEL, D e r D i a l o g I, L e i p z i g 1895, 292 ff. M. POHLENZ, Cie. T u s c . disput. I / I I m i t Erklärungen, N a c h d r u c k A m s t e r d a m 1965 (7. Aufl.), 20; W . JAEGER, Aristoteles, 1955 2 , 28 ( „ R e d e gegen R e d e . . . wie es der W i r k l i c h k e i t des wissenschaftlichen L e b e n s in der späteren A k a demie e n t s p r a c h " ) ; SOLMSEN 2 4 7 - 2 4 9 . A d f a m . I 9, 23; d a z u HIRZEL, D i a l o g I 276 f. D i e Stelle j e t z t bei R o s s , Arist. f r a g m . sei., O x f . 1955, S. 2 richtig unter den T e s t i m o n i e n der D i a l o g e eingeordnet. V g l . a u c h J. BERNAYS, D i e D i a l o g e d. Aristoteles, 1863, N a c h d r u c k 1968, 4, 137. Z u m dialektischen G r u n d c h a r a k t e r der aristotelischen D i a l o g e v g l . A l e x a n d e r v . A p h r . b. E l i a s in C a t . 1 1 5 , 3 ff. Β . : έν μέν τοις ακροαματικοί? τά δοκοϋντα αύτω λέγει καΐ τά άληθή, έν δέ τοις διαλογικοϊς τά άλλοις δοκοϋντα, τά ψευδή. D a s V e r f a h r e n v o n F r a g e und A n t w o r t w i r k t i m E u d e m o s (fr 6 W . u. R.) noch n a c h u n d b e z e u g t den engen Z u s a m m e n h a n g beider Gesprächsformen (vgl. JAEGER, Aristoteles 29).

las VGL. D . L . V 87/88, fr 5 5 - 6 1 u n d fr 1 1 0 WEHRLI, mit d e m K o m m e n t a r bei WEHRLI p. 7 7 - 7 9 , 94, 98; v g l . i m übrigen auch HIRZEL a. O. 323 A n m . 1. D i e A n l a g e der Dialoge des Herakleides n a c h R e d e u n d Gegenrede wird durch die N a c h f o l g e Ciceros b e s t ä t i g t : v g l . fr 24 a/b ('De re publica'!), fr 27 a - f .

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Problemstellungen Piatons und Schuldiskussionen in der Akademie anschließt129. Vermutlich haben auch noch andere Platoniker, deren Dialoge nicht mehr faßbar sind, die Anlage nach Rede und Gegenrede bevorzugt130. Sie alle hätten nach Form und Inhalt zeitgenössische Debatten und Disputationen in der akademischen Schule nachgeahmt, bei denen die Partner einander zwar noch als Vertreter von These und Antithese, aber nur ausnahmsweise als Fragender und Antwortender gegenübertraten. Da diese Dialoge in der hellenistischen Epoche das Bild von Akademie und Peripatos fast ausschließlich bestimmt haben, ist es zu jener weitgehend einheitlichen Auffassung der beiden Schulen nach Methode und Sache gekommen131, von der zuletzt auch Cicero Zeugnis ablegt, wenn er Aristoteles als Urheber des in utramque partem disputare feiert, ohne die präliterarischen Voraussetzungen und den lebendigen historischen Umkreis der aristotelischen Dialoge132 mehr überblicken zu können. III. Die Bestandsaufnahme dialektischer Methoden der Älteren Akademie führt, wenn man von der ,Topik' ausgeht, bis in die Periode der Vierziger, wenn man die Dialoge des Herakleides hinzunimmt, viel129 WEHRLI im Kommentar zu fr n o p. 96, 98 mit dem Hinweis auf Simpl. in de caelo 488, 19 ff. H. = Eudemos fr 148 WEHRLI = Test. Plat. 16 GAISER (zu vergleichen ist Ac. Philos. Ind. Here. col. Υ p. 15-17 Μ. = Test. Plat. 17 G.). WEHRLI a. O.: ,,H.s Dialog mag hier die Spiegelung platonischer Schuldebatten sein"; ders. R E Suppl. Bd. X I (1968), s . v . 'Herakleides Nr. 45 der Pontiker' Sp. 685: „Die Schrift wurde dadurch zum Abbild der mündlichen Debatten, die damals in den Philosophenschulen über solche Probleme geführt wurden" (mit Hinweis auf die Akademie). Auch das Thema des Dialogs περί ήδονής steht in akademischer Tradition: Er wandte sich wahrscheinlich gegen Aristipp wie schon der ältere Dialog 'Aristippos' Speusipps (D. L. I V 5, vermutlich identisch mit περί ήδονής I V 4). 180 Vgl. WEHRLI im Lexikon der Alten Welt (1965) s. v. 'Dialog' Sp. 725: Aus dem Lehrgespräch des späteren platonischen Dialogs „wurde bei Aristoteles und anscheinend seinen Mitschülern der zusammenhängende Vortrag oder das Redepaar mit abgetrenntem Vorwort". 181 Dies hat WEHRLI in seinem „Rückblick: Der Peripatos in vorchristlicher Zeit" überzeugend herausgearbeitet (Die Schule des Aristoteles, Heft X ,

I9591. 98).

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So behebt sich auch weitgehend die Schwierigkeit von MORAUX 302 ff., den das Nebeneinander der 'Topik'-Dialektik und des Prinzips der Wechselrede in den Cicero-Referaten irritiert. - An einigen Stellen (fin. V 10, Tusc. II 9, Or.

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leicht bis in die Zwanziger Jahre des vierten Jahrhunderts. Arkesilaos dürfte zwar seine Akme schon im zweiten oder dritten Jahrzehnt des folgenden Jahrhunderts erlebt haben 133 , trat aber gewiß erst nach 270 das Scholarchat der Akademie an. Welchen Geschicken unterlag die akademische Dialektik während der langen, für uns Heutige recht unübersichtlichen Epoche unter Xenokrates und Polemon? Einen ersten Anhalt bieten hier die bereits erwähnten umfangreichen Schriften des Xenokrates zur Theorie der Dialektik, die dessen Titelverzeichnis aufführt. Sie legen es nahe, daß zum wenigsten unter dem Scholarchat dieses letzten universalen Akademikers, der Dialektik, Physik und Ethik noch mit gleichmäßiger Intensität bearbeitete, der Dialektik auch in der Praxis der Schule ein nicht unerheblicher Rang erhalten blieb. Über den weiteren Fortgang unterrichtet ein Zeugnis aus der Polemon-Vita des Diogenes (IV 18), das im Wortlaut hergesetzt sei: έφασκε δέ 6 Πολέμων δεΐν έν τοις πράγμασι γυμνάζεσθαι και μή έν τοις διαλεκτικοϊς θεωρήμασι, καθάπερ άρμονικόν τι τέχνιον καταπιόντα και μή μελετήσαντα, ώς κατά μέν την έρώτησιν θαυμάζεσθαι, κατά δέ την διάθεσιν έαυτοϊς μάχεσθαι. Daraus 1 3 4 geht Folgendes hervor: 1. Polemon pflegte diese Ermahnung wiederholt zu erteilen (έφασκε iterativ) 136 , offenbar im Rahmen seines Unterrichts und an seine Schüler gerichtet. 2. Wie der Schluß zeigt13®, handelt es sich um das Verhältnis von ethischer Praxis und ethischer Theorie und nicht etwa um das Verhältnis von Theorie

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46) scheint Cicero allerdings praktische rhetorische Übungen des Arist. im Auge zu haben, bei denen in utramque partem argumentiert wurde, doch bezieht DÜRING, Aristotle in the ancient biographical tradition, 1957, 3 I2 > 42® die Äußerungen wohl mit Recht teils auf die 'Topik' und die 'Rhetorik', teils auf die in den Schriftenverzeichnissen erscheinenden Θέσεις; vgl. auch THROM 177. Etwas anders die Notiz b. D. L. V 3. Die Angabe Apollodors bei D. L. I V 45 fin., wonach sie in die 120. Olympiade (300-296) fiele, scheint verderbt zu sein (vgl. v. ARNIM, R E 'Arkesilaos' 1164), wenn man vom Geburtsjahr 316/15 nach Hermipp D. L. I V 44 ausgeht. Kürzer ist die Parallelfassung Ac. Phil. Ind. Here. col. X I V p. 52 MEKLER (wo jedoch die wichtige Wendung τάς έρωτήσεις begegnet). Vgl. die Übersetzung von HICKS: ,,Polemo used to say." Das sokratische Motiv der Übereinstimmung mit sich selbst begegnet auch in dem Referat über die Ethik des Polemon (und Xenokrates) bei Plut. comm. not. 23, 1069 F (τήν άληθώς τη φύσει πρόσφορον καΐ συνωδόν δμολογίαν άποδιδόντες), möglicherweise als Vorstufe der stoischen Telosformel (vgl. den Kontext bei Plutarch). Auch der musikalische Vergleich (άρμονικόν) ist traditionell, vgl. z. B. Piaton Pol. 443 D ; eine ähnliche Äußerung Polemons über den Charakter des von ihm bewunderten Xenokrates D. L. I V 19; αρμονία bei Polemon selbst Ac. Phil. Ind. Here. col. X I V xi p. 52 Μ.

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schlechthin - etwa der Logik - zur Praxis. Die ethische Theorie verfährt dabei „dialektisch", und zwar als „Gymnastik" im „Fragen" (έρώτησις) und, wie man hinzufügen darf, im Antworten. Es liegt also die aus der aristotelischen ,Topik' bekannte Art der Dialektik vor, die in Frage und Antwort über Themen der Physik, Logik oder Ethik - ζ. B. über die Bewertung der Hedone - zu diskutieren erlaubt. 3. Der „technische" Charakter der Theorie, der durch den Vergleich mit einer Harmonielehre gut erläutert wird, erinnert deutlich an jene Argumentationen (λόγοι,), die Aristoteles in der ,Topik' für die wichtigsten Probleme zu memorieren empfiehlt137. 4. Polemon selbst steht dieser Art von dialektischer Übung mit Vorbehalten gegenüber, weil darüber die ethische Praxis zu kurz kommt. Der Umstand jedoch, daß er sich wiederholt für die letztere einsetzt, beweist, daß die tatsächlichen Gewichtsverhältnisse andere waren und daß zum mindesten das dialektische Gespräch in Frage und Antwort in der Akademie noch eine beträchtliche Rolle spielte. Im übrigen ist vorauszusetzen, daß in den übrigen Disziplinen der Philosophie, zu denen Polemon hier nicht Stellung nimmt, die dialektische Auseinandersetzung in ähnlichem Maße florierte. Die für Polemons Eigenart höchst bezeichnende Äußerung, an deren Authentizität zu zweifeln kein Anlaß besteht, garantiert den kontinuierlichen Fortbestand des dialektischen Wechselgesprächs ^somatischer" Art innerhalb der akademischen Schule bis zur Periode der Zugehörigkeit des Arkesilaos. Ein zweiter Bericht, der gleichfalls durch charakteristische Einzelheiten Vertrauen erweckt, tritt bestätigend hinzu, scheint aber daneben Züge der oratio continua, ja des Lehrgesprächs zu enthalten138. Doch kann man innerhalb der Spätphase der Älteren Akademie noch genauer differenzieren. Arkesilaos galt als spezieller Schüler Krantors, der ihn der Akademie zugeführt hatte und mit dem er offenbar ebenso freundschaftlich verbunden war wie Krates mit Polemon. Be137 Vgl. oben S. 28. Auch dort ist es ganz wie bei Polemon der Fragende, dem diese Vorbereitung zukommt; vgl. ferner das έξεπίστασθαι der 'Topik' (163 b 18, 28) mit dem verwandten Ausdruck καταπιόντα bei Polemon. Zum Ausdruck θεωρήματα vgl. θεώρημα in der Definition des dialektischen πρόβλημα Top. Α Ii, 104 b i. 138

D. L . I V 1 9 : άλλά μην ούδέ καθίζων ελεγε πρός τάς θέσεις (sc. Polemon), περίπατων δέ έπεχείρει. Vgl. Philod. Rhet. I I p. 173, 5 Sudh. über Xenokrates: τόν Ξενο(κράτην, ώς) είώθει διαπε(ραίνεσθαι) πρός θέσιν έν Ά(καδημ[α) . . dazu die Unterscheidung zwischen Rhetorik und Dialektik X s . fr 13 Η. (λέγειν έν μήκει καΐ διεξόδω — λαμβάνειν καΐ διδόναι λόγον).

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reits der Umstand, daß man später manche Schriften Krantors Arkesilaos zuschrieb139, läßt jedoch vermuten, daß die Beziehung nicht nur persönlich, sondern auch sachlich begründet war. D a Krantor in περί πένθους mit dem Eintreten für die Metriopathie - ganz im Gegensatz zu Polemon 140 - gegen die kynisch-stoische Apathie Stellung nahm 141 , und ferner - vielleicht im Blick auf die platonische .Apologie' - allgemein agnostische Töne anklingen ließ142, ist seine Rolle als Wegbereiter des Arkesilaos in doppeltem Sinne - in der Frontstellung gegen die Stoa und in einer der Beschränktheit menschlichen Erkennens bewußten Grundhaltung - noch in Umrissen ersichtlich. Manches deutet in der T a t darauf hin, daß die Ältere Akademie in ihrer Spätphase, nach der verhältnismäßig homogenen Epoche unter Xenokrates, zwei untereinander recht verschiedene Richtungen beherbergt hat. Dies war nichts Ungewöhnliches in einer Institution, deren einzigartige Liberalität ein halbes Jahrhundert zuvor die interne Polemik des Aristoteles und einen Gegner der Ideenlehre als Nachfolger Piatons ertragen hatte 143 . Beide Richtungen gingen sichtbar von Xenokrates aus, führten ihn aber in ganz verschiedener Weise weiter. Während die Gruppe um Polemon einen betont frühsokratischen, prästoischen144 ethischen Rigorismus 139

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D. L. IV 24: (Krantor) κατέλιπεν υπομνήματα . . . ών τινά τίνες Άρκεσιλάω προσάπτουσι. Ac. Phil. Ind. Here. col. X V I p. 6o, col. X V I I I p. 69 M. Der Akademiker-Index betont stark den Unterschied zwischen den beiden Xenokrates-Schülern: col. X V I p. 60 M.: Krantor später auch Schüler des Polemon, καίτοι πολύ διαφέρων. Auffällig auch die D. L. I V 24 berichtete Anekdote, Krantor sei durch ein Mißverständnis in den Ruf gekommen, eine neue Schule eröffnen zu wollen (βούλεσθαι . . . σχολήν συστήσασθαι); sie geht zum mindesten von der Voraussetzung starker Eigenständigkeit aus. fr 8 K A Y S E R und M U L L A C H = Plut. Cons, ad Apoll. 102 D f., Cie. Ac. I I 135, Tusc. III 12, vgl. Sen. Cons, ad Helv. 16, Cons, ad Polyb. 66. fr 9/10 K A Y S E R und M U L L A C H = Plut. Cons, ad Apoll. 6, 104 C; 14, 109 D ; Cie. Tusc. I 115 (άδηλος τύχη, ήλίθιαι φρένες άνδρών (?), Cicero übersetzt: ignaris homines in vita mentibus errant). Zur „skeptischen" Grundhaltung vgl. ζ. B . H I R Z E L , Der Dialog I 349; H.-Th. J O H A N N , Trauer und Trost, Eine quellen- und strukturanalytische Untersuchung der philosophischen Trostschriften über den Tod, München 1968, 31 f., 162 f. (mit dem Hinweis auf Arkesilaos). Dem entspricht ganz die Empfehlung des Arkesilaos an seine Schüler, auch andere Lehrer zu hören (D. L. IV 42). Ideal der αύθάδεια und σκληρότης D. L. I V 18, Haltung der Apathie etwa gegenüber der Tragödie (ib. 17: bt τε τοις θεάτροις άσυμπαθέστατος ήν, vgl. Ac. Phil. Ind. Here. p. 51 Μ., als Vorstufe der moralisierenden Auffassung der Tragödie in der Stoa eingeordnet bei K. V O N F R I T Z , Tragische Schuld und poetische Gerechtigkeit in der griechischen Tragödie, in: Antike und moderne Tragödie, Bln. 1962, 25, 38, vgl. X I I I f., 21 f.; umgekehrt Krantors positives

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verfocht - Polemon war nicht zufällig der Lehrer Zenons von Kition -, für die rein theoretischen Disziplinen der Physik und Logik oder für die als Selbstzweck betriebene Dialektik aber wenig übrig hatte, war Krantor bemüht, die .Timaios'-Exegese des Xenokrates fortzuführen; mit einer human aufgelockerten Ethik145 stand im Einklang der Sinn für die literarische Form und den sprachlichen Ausdruck146. Mit ihm konnte man wiederum an die sprachlichen Untersuchungen des Xenokrates anknüpfen147, die ihrerseits eng mit seinen theoretischen Schriften zur Dialektik zusammenhingen148. Es liegt deshalb am nächsten, daß Arkesilaos am Ende eines Weges steht, der innerhalb der Akademie von Xenokrates über Krantor führt. Dadurch, daß Arkesilaos das dialektisch-aporetische Moment, das in der platonischen Schule von jeher seine Stätte gehabt hatte, in den Mittelpunkt der akademischen Position rückte, ist er in der späteren Philosophiegeschichtsschreibung zum Begründer einer zweiten Akademie geworden. Es wäre jedoch verfehlt, wenn man annehmen wollte, Arkesilaos habe erst nach dem Antritt seines Scholarchats den entscheidenden Durchbruch vollzogen. Da die Akme des Arkesilaos wesentlich früher liegt, wird man die grundlegenden Konzeptionen in die Siebziger, ja in die Achtziger Jahre des dritten Jahrhunderts zurück-

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Urteil über Euripides D. L. I V 26: συμπαθώς, vgl. zusammenfassend M. GIGANTE, Poesia e critica letteraria nell' Academia antica, Miscellanea Α. Rostagni, Turin 1963, bes. 237 ff.); weitere Beispiele ib. 17, 24, Ac. Phil. Ind. Here. p. 50 Μ.; aufschlußreich sein Xenokrates-Bild D. L. IV 19, zu dem die bekannte Bekehrungsgeschichte paßt (die Zeugnisse gesammelt b. ZELLER II i e , 994 Anm. ι und MEKLER p. 48 f., dazu WILAMOWITZ, Antigonos v. Karystos, 19652, 56). Mit den Zeugnissen für περί πένθους ist zusammenzunehmen der praktische Hedonismus des Arkesilaos D. L. I V 40 (έτερος 'Αρίστιππος, Ark. mit AristippZitaten), auch wenn dabei mit Übertreibungen der Biographie gerechnet werden muß, die auf die stoischen (Ariston v. Chios) und peripatetischen (Hieronymos) Gegner zurückgehen. D. L. IV 27 (Krantor), 30, 33 f. (Arkesilaos). Zum Urteil des Panaitios und Cicero über π. πένθους, das wohl auch ein Stilurteil ist: Cie. Ac. II 135. Die umfangreichste Schriftengruppe im Titelverzeichnis des Xenokrates: Insgesamt 31 Bücher (15 + 16) περί μαθημάτων των περί τήν λέξιν. Im einzelnen ist nichts erhalten; Parallelen bieten die Bücher περί λέξεως des Aristoteles und des Theophrast (D. L. V 24, 47). Der Zusammenhang im Schriftenverzeichnis D. L. I V 13 vielleicht durch die Abfolge (μετά τοϋτο) hervorgehoben. Wahrscheinlich waren u.a. Fragen der Bedeutungsunterscheidung (Äquivokation, Synonymik) behandelt, die seit Speusipp (vgl. oben S. 20 Anm. 78) in der Akademie im Bück auf die Dialektik systematisch erörtert wurden.

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datieren dürfen. Welcher Verschiebung der Akzente es dabei im einzelnen bedurfte, ist im folgenden anhand der neuakademischen Methode selbst zu prüfen.

IV. Alle Berichte über das Verfahren des Arkesilaos stimmen darin überein, daß er keine eigene Lehre vertreten, sondern „gegen" (contra) die von andern aufgestellten Thesen argumentiert habe149. Arkesilaos war in der Lage, zu „jeder" These (sententia) unverzüglich die Gegenposition zu beziehen und sie mit Geschick, Einfallsreichtum und Brillanz durchzusetzen160. Über den Verlauf der Diskussionen gibt Cie. fin. I I 2 nähere Auskunft: Arkesilaos forderte seine Hörer auf, u t . . . ipsi dicerent, quid sentirent; quod cum dixissent, ille contra, sed eum qui audiebant, quoad poterant, defendebant sententiam suam. E s handelte sich demnach um Diskussionen, bei denen die Partner wiederholt zu Wort kamen, also um genauer zu bestimmende Wechselgespräche zwischen den Verteidigern der These und dem Angreifer Arkesilaos als dem Anwalt der Gegenthese. Cicero unterstreicht dies noch, wenn er anschließend beklagt, daß neuerdings (iam) nach der Aufstellung einer These lediglich perpetua oratione contra disputatur, ohne daß es mehr zu einem wirklichen Streitgespräch komme 161 . Daß bei den Diskussiönen des Arkesilaos auch die Frage-und-Antwort-Technik eine Rolle 149

150 161

Cie. De or. III 67: Arcesilas . . . aspernatum esse omne animi sensusque iudicium primumque instituisse . . . non quid ipse sentiret ostendere, sed contra id, quod quisque se sentire dixisset, disputare. 80: sin aliquis exstiterit aliquando, qui . . . possit . . . hoc Arcesilae modo et Carneadi contra omne, quod proposition sit, disserat. fin. II 2: Arcesilas . . . instituit. . . ut ii, qui se audire vellent, non de se quaererent, sed ipsi dicerent, quid sentirent; quod cum dixissent, ille contra. V 10: . . . contra omnia semper, sicut Arcesilas . . . n. d. I II : haec in philosophia ratio contra omnia disserendi nullamque rem aperte iudicandi . . . repetita ab Arcesila . . . Ac. I 45: Arcesilas . . . contra omnium sententias disserens, Ac. Phil. Ind. Here. p. 72 MEKLER: ποφαινό< μένος 8' αύτέος ουδέ 2ν, μόνον δέ τάς ίίλλας έλέγχων αιρέσεις. Vgl. ζ. Β. D. L. IV 37· Cicero bemerkt dazu (fin. II 2): perpetua oratione contra disputatur, ut facile intellegi possit eos, qui aliquid sibi videri dicant, non ipsos in ea sententia esse, sed audire velle contraria. Auch dieser Zug findet sich als taktische Anweisung bereits in der 'Topik' vorgebildet (wenngleich auf den Fragenden, nicht den Antwortenden bezogen): Soph. El. 15, 174 a 31 f.: έξ άποφάσεως έρωτητέον ώς τουναντίον βουλόμενον . . .

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spielte, ist von vornherein wahrscheinlich. Sie ward ihm jedoch von Diogenes Laertios ausdrücklich zugeschrieben (IV 28): . . . τ£>ν λόγον εκίνησε τον ύπο Πλάτωνος παραδεδομένον και έποίησε δι' έρωτήσεως και άποκρίσεως έριστικώτερον. Cicero bestätigt dies, wenn er fin. II 3 der oratio perpetua ein Verfahren vorzieht, das offensichtlich auf die kurz zuvor geschilderte Methode des Arkesilaos zurückgreift und im folgenden Dialog zwischen Cicero und Torquatus (II 6-17) praktiziert wird: cum in rebus singulis insistas et intellegas quid quisque concedat, quid abnuat, ex rebus concessis concludi quod velis et ad exitum perveniri. Hier sind Prämissen gemeint, die der eine Partner dem anderen zugesteht oder verweigert; dieser zieht im ersten Fall daraus „syllogistisch" seine Schlüsse. Die dialektische Frageform bezeugt vor allem der Übergang vom folgenden Wechselgespräch zur zusammenhängenden Rede, wo Torquatus bittet, finem interrogandi zu setzen und von den dialecticae captationes Abstand zu nehmen (II 17). P. Moraux 162 hat kürzlich nicht nur diese beiden Stellen, sondern auch die einleitende Dialogpartie im ersten Buch der ,Tusculanen' (I 9-17) eingehend mit der aristotelischen ,Topik' verglichen und ist dabei auf überraschende Ähnlichkeiten gestoßen. Wie Arkesilaos in De fin. II 2 läß t Cicero dort den Partner eine These aufstellen (ponere iubebam, de quo quis audire vellet 1 7 fin.)153 und zwingt ihn dann als Angreifer (tum ego contra I 8) durch Fragen zum Selbstwiderspruch164, zur Präzisierung 165 und endlich zum Zugeständnis der Gegenthese166, worauf dieser wie Torquatus in ,De finibus' (II 17) bittet, zur oratio continua überzugehen (I 16)167. Aber auch die folgenden Bücher zeigen vor der zusammenhängenden Erörterung Ciceros knappe Ansätze zum Dialog in Frage und Antwort (II 14-15, IV 8-10, V 12-15, vgl. I 25), wobei der Verstoß gegen in Geltung stehende Sätze 158 oder das Argumentieren a fortiori169 wieder an die ,Topik' erinnern. Daß Cicero hier überall an die 152

MORAUX 3 0 5 - 3 0 7 .

153 YGI D AS Folgende: ad id aut sedens aut ambulans disputabam mit der Praxis Polemons oben S. 34 Anm. 138 (dazu THROM 180). 154 I 12 in., 13 m. 155 J I 2 fin. I 14: Age, iam concedo . . . quoniam extorsisti, ut faterer . . ., 15 fin.: . . . coegisti, ut concederem . . . 167 y g i ferner commodius Tusc. I 8 ~ commodius fin. II 3, dialecticorum remis Tusc. I V 9 ~ dialecticas captationes fin. II 17. 1 5 8 I I 14: non audeo id dicere equidem, et me pudet tarn cito de sententia esse deiectum. 159 I V 8. Vgl. damit 'Topik' Ε 8, bes. 138 a 4 ff., 13 ff., 21 ff. 158

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neuakademische Praxis anknüpft, zeigt die Zurückführung des Verfahrens auf Karneades V ι ι 1 β 0 und der Rückblick in ,De fato'1®1, aber auch der beständige Probabilismus Ciceros162 und der Name des speziellen Diskussionsortes163. Das Wechselgespräch von Frage und Antwort repräsentiert dabei die ältere, zur Zeit Ciceros weitgehend zurückgedrängte Form der Diskussion, die - wie der Eingang von De fin. II im Zusammenhang betrachtet nahelegt - für Arkesilaos noch von maßgebender Bedeutung gewesen ist. Die Übereinstimmung mit der ,Topik' beweist jedoch darüber hinaus, daß Arkesilaos damit in der Tradition der altakademischen Dialektik von Frage und Antwort steht, die Aristoteles in der ,Topik' vor Augen hat und die sich offenbar über Xenokrates, Krantor und Polemon bis zu Arkesilaos hin durchgehalten hat. (Es versteht sich von selbst, daß Arkesilaos nicht auf die dialektische Theorie der ,Topik' zurückgegriffen, sondern sich an der zeitgenössischen Praxis der Akademie orientiert hat: Die Neuakademiker haben zwar die Praxis der Dialektik geübt, lassen aber von einer der ,Topik' vergleichbaren Theorie nirgends auch nur Spuren erkennen.) Die Berichte, die Arkesilaos in der Auseinandersetzung mit der Stoa vorführen, gewähren noch genaueren Einblick in seine polemische Methode. Sie erlauben es, das bisher gewonnene Ergebnis weiter zu sichern. Es handelt sich zunächst um das große Referat bei Sextus Emp. adv. log. I = adv. math. VII150-158, das die Kritik des Arkesilaos an der stoischen Erkenntnislehre zusammenfaßt. Seit Couissins164 grundlegender Interpretation steht es fest, daß der gesamte Begriffsapparat, mit dem Arkesilaos hier operiert, rein stoisch ist und daß es sich demgemäß fast durchweg um eine dialektisch-immanente Kritik des stoischen Systems handelt, das als in sich selbst widersprüchlich ad absurdum geführt werden soll. Von einem eigenen, positiven Standort des Arkesilaos, der über die bloße Antithese zur Stoa hinausginge, kann 160

quem morem cum Carnead.es . . . tenuisset, fecimus et alias saepe et nuper in Tusculano, u t ad eam consuetudinem disputaremus. et quadridui quidem sermonem superioribus ad te perscriptum libris misimus, quinto autem die

161

4: . . . hanc Academicorum contra propositum disputandi consuetudinem indicant te suscepisse Tusculanae disputationes. I 8, 17 (gegen die Stoiker!), 23, 35, 60; vgl. 65, 70, 78, 97, 99 fin. Die kleine „ A k a d e m i e " in T u s c u l u m : I I 9 fin., I I I 7 in. - V g l . ferner die historische disputatio zwischen den Akademikern Antiochos und Heralditos und ihren Anhängern in Alexandria, über die Cie. Ac. I I 1 2 ; 49 berichtet und die sich wie die der 'Tusculanen' über mehrere T a g e hin erstreckte. CouissiN, Stoicisme 242 ff.

162 163

1M

1 Kr&mer, Platoniemue

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keine Rede sein. Im einzelnen zerfällt die Argumentation in folgende Schritte: 1. Die κατάληψις, die als συγκατάθεσις καταληκτικής φαντασίας, als „Zustimmung zu einer erkenntnisvermittelnden Vorstellung" definiert ist, kann nach Arkesilaos nicht, wie die Stoiker behaupten (VII 1 5 1 f.) 1 ® 5 „zwischen" (μεταξύ) der έπιστήμη des σοφός und der δόξα der φαϋλοι eine mittlere Stellung einnehmen. Die Stoiker wollten damit zum Ausdruck bringen, daß die κατάληψις (συγκατάθεσις) noch weiterer Prüfung bedürfe, ehe sie zur επιστήμη erhoben werden könne; solange dies nicht geschehen sei, bleibe sie lediglich eine gleichsam neutrale, beiden gemeinsame (κοινήν άμφοτέρων V I I 152) Voraussetzung von έπιστήμη oder δόξα bzw. άγνοια166. Arkesilaos macht demgegenüber geltend, daß es zwischen dem σοφός und dem φαϋλος nach stoischer Lehre kein Mittleres geben könne und daß deshalb die κατάληψις entweder έπιστήμη oder δόξα sein müsse 167 . 2. Die Bestimmung der κατάληψις als συγκατάθεσις καταληπτικης φαντασίας steht im Widerspruch zur anderweitig gegebenen Beziehung der συγκαταθέσεις auf άξιώματα (Urteile) innerhalb des λόγος (VII 154). In der Tat gehört die συγκατάθεσις ihrer Natur nach eher zur Urteilslehre 168 , die die Stoiker aber einem ganz anderen ontologischen Bereich iss Vgl Ci c . Ac. I 42: sed inter scientiam et inscientiam comprehensionem illam quam dixi collocabat, eamque neque in rectis neque in pravis numerabat sc. Zeno. Beide Texte S V F I 69, vgl. 67/8, II 90. Da die δόξα unter die άγνοια fällt, kann bei Cicero die άγνοια, bei Sextus spezieller die δόξα als Gegensatz der έπιστήμη erscheinen. 1,4 Die έπιστήμη definiert als κατάληψις άσφαλής, βεβαία, άμετάθετος υπό λόγου S. Ε. V I I 1 5 1 = SVF II go, weiteres I 68, I I 93. 951 die δόξα als συγκατάθεσις άσθενής καΐ ψευδής S. Ε. VII 151 = SVF I 67 (vgl. aber I I I 548 Ρ· Ι47· 4 *·)> die άγνοια als συγκατάθεσις μεταπτωτική καΐ άσθενής Stob. Eel. I I p. HI, 20 W. = SVF I 68. Vgl. Η. HARTMANN 20. Aufschlußreich das für Zenon überlieferte Bild der umschlossenen Faust SVF I 66. 167 D. L. V I I 227 = SVF I I I 536: άρέσκει δέ αΰτοϊς μηδέν μέσον είναι άρετης καΐ κακίας, vgl. SVF I I I 524 ff- im Zusammenhang und unten Kap. I I I S. 228 ff. Arkesilaos hätte sich als Akademiker auf die Gegensatzlehre seiner Schule nach Art von Xenokrates fr 76 H. berufen können, an die die Stoiker selbst angeknüpft hatten (vgl. S. 229 f., anders die Kontroverse über die Gegensatzlehre zwischen Epikur und Speusipp S. 199, vgl. 2070.), doch liegt ihm hier allein daran, den für die stoische Ethik charakteristischen kontradiktorischen Gegensatz als Einwand ins Feld zu führen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die έπιστήμη nach stoischer Auffassung eine Arete ist: SVF I I I 95, 257 (vgl. die Kennzeichnung der Arete SVF I 202: βέβαιος καΐ άμετάπτωτος wie die der έπιστήμη S. Ε. V I I 151). - CouissiN geht auf diese Voraussetzungen der Kritik nicht ein. us SVF I I I 171: συγκαταθέσεις μέν άξιώμασί τισιν.

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zugewiesen hatten als die φαντασία: dem der unkörperlichen λεκτά1®9. Darin liegt eine Spaltung des Wahrheitsbegriffs170, die sich in einer nicht eindeutigen Theorie der συγκατάθεσις ausdrückt und die Arkesilaos hier polemisch gegen die stoische Erkenntnislehre auswertet. 3. Es kann schon deshalb keine κατάληψις geben, weil es keine φαντασία καταληπτική gibt, die der stoischen Definition entspräche (VII, 154 f.). Hier operiert Arkesilaos ausnahmsweise nicht mit Widersprüchen, sondern hebt die erste Voraussetzung der stoischen Erkenntnislehre von außen her auf, und zwar durch die Berufung auf zahlreiche und verschiedenartige Belege (ώς διά πολλών καΐ ποικίλων παρίσταται). Man hat mit Recht vermutet171, daß es sich dabei im wesentlichen schon um dieselben Argumente handelt, die bei Sextus (VII401 ff.) und Cicero (Ac. II 40 ff., 76 ff.) für Karneades überliefert sind und die man auf drei Gruppen falscher, aber gleichwohl subjektiv evidenter Vorstellungen beziehen kann: die Phantasmen, die durch Sinnestäuschungen und die durch Verwechslung entstandenen (Prinzip der Aparallaxie)172. Davon waren aber wiederum die beiden ersten Gruppen schon von den Stoikern anerkannt, doch als πιθαναί φαντασίαι von den καταληπτικαί φαντασίαι noch qualitativ unterschieden gewesen173. Arkesilaos hat diesen Unterschied anhand geeigneter Erfahrungsbeispiele bestritten und damit das stoische Wahrheitskriterium aufgehoben174. 4. Aus der induktiv gewonnenen Prämisse, daß es das stoische Kriterium nicht gibt, zieht Arkesilaos in einer Kette von Schlußfolgerungen die Konsequenzen für die stoische Lehre im ganzen (VII 15557): Wenn es keine φαντασία καταληπτική gibt, dann auch keine κατάληψις; wenn aber keine κατάληψις, dann sind alle Dinge άκατάληπτα. Sind aber alle Dinge άκατάληπτα (d. h. in ihrem Wahrheitsgehalt nicht sicher identifizierbar), dann folgt daraus (άκολουθήσει) „auch nach den Voraussetzungen der Stoiker" (καΐ κατά τούς στωικούς), daß der σοφός Epochi üben muß (έπέχειν τόν σοφόν). Diese Voraussetzungen bestehen darin, daß Zustimmung (συγκατάθεσις) zu einem άκατάληπτον δόξα, δόξα aber den Stoikern zufolge (κατ* αυτούς) eine Art von άφροσύνη und ι«» Das άξίωμα gehört zu den λεκτά αυτοτελή: S V F I I 182, 187, vgl. 193 ff. 1 7 9 Zur Sache HARTMANN 20 ff.; C. A . VIANO, L a dialettica stoica, Rivista di Filosofia 49, 1958, 207 ff., 216 ff. 171

ROBIN 50 f., vgl. GOEDECKEMEYER 36 f., 58 f. 172 v g l DIE Einteilung bei HARTMANN 32 ff. 178 S. Ε . V I I 242 ff. = S V F I I 65, vgl. 201. Zur Sache HARTMANN 14 ff. 174 A . leugnet, daß es Vorstellungen gibt, deren subjektive Überzeugungskraft zusätzlich auf ihren objektiven Realitätsgehalt verweisen kann.

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Ursache von sittlichen Verfehlungen (άμαρτημάτων) ist. Der Begriff des σοφός schließt daher den der δόξα aus. Daraus folgt (άρα), daß der σοφός in allen Dingen (περί πάντων) auf Zustimmung verzichten (άσυγκαταθετεΐν), d. h. aber Epoche üben muß. - Mit Ausnahme der ersten sind in diesem Gedankengang alle Prämissen stoisch; aber auch die Verknüpfungen zwischen Vorder- und Nachsatz sind durchaus stoisch, wobei es naheliegt, daß Arkesilaos bewußt das stoische συνημμένον verwendet hat, wie dies Cicero für einen ganzen Syllogismus zu bezeugen scheint 175 . Doch wird der gesamte Gedankengang durch die Umkehrung der ersten Prämisse - es gibt keine φαντασία καταληπτική - in den Dienst der Gegenthese gestellt. Sie besteht indessen lediglich darin, daß der σοφός περί πάντων Epoche üben soll; als Ausnahmefall zwischen den Regelfällen der συγκατάθεσης oder άνάνευσις war die έποχή schon von den Stoikern anerkannt 176 ; Arkesilaos setzt also lediglich generalisierend durch die generelle Leugnung der φαντασία καταληπτική - den Ausnahmefall als allgemeingültig an. 5. Bei aller Akatalepsie bleibt nach Arkesilaos dem σοφός ein praktisches Kriterium in Gestalt des Wahrscheinlichen (εΰλογον), welches das richtige Handeln (κατόρθωμα) in der Betätigung der φρόνησις und damit die Eudämonie möglich macht (VII 158). Hier benutzt Arkesilaos Grundbegriffe der stoischen Ethik, um die Eudämonie selbst nach stoischen Voraussetzungen innerhalb der Akatalepsie als realisierbar erscheinen zu lassen: Das ευλογον ist der stoischen Definition des καθήκον entnommen 177 , die hier allerdings, da es sich um den σοφός handelt, Cie. Ac. II 67: 'si ulli rei sapiens adsentietur umquam, aliquando etiam opinabitur; numquam autem opinabitur; nulli igitur rei adsentietur.' hanc conclusionem Arcesilas probabat. Vgl. COUISSIN, Stoicisme 245. Das Vorhergehende zeigt, daß es sich bei Cicero um den gleichen Zusammenhang handelt wie bei Sextus. 174 Cie. Ac. II 48 fin. = S V F I I I 551: cum ipsi dicatis sapientem in furore (Grenzfall!) sustinere se ab omni adsensu, quia nulla in visis distinetio appareat. Vgl. HARTMANN 18, COUISSIN R E G 1929, 391 f. 177 S V F I 230, I I I 493 f. (δ πραχθέν ευλογον ίσγει απολογισμών, εΰλογον άπολογίαν, probabilis ratio), dazu schon vor Couissin grundsätzlich v. ARNIM R E 'Arkesilaos' Sp. 1168. Vgl. ferner D. L. VII 76: εΰλογον δέ έστιν άξίωμα xö πλείονας άφορμάς ϊχον εις τό άληθές είναι, οίον 'βιώσομαι αΰριον'. E s ist deshalb abwegig, aus dem Terminus eine direkte Beziehung auf die sokratische Dialektik herauszuhören (so PATRICK 1 1 8 ; Ähnliches gilt für den hier begegnenden φρόνησις-Begriff, bei dem nicht mit CREDARO II 283 ff. an Xenokrates zu denken ist: vgl. S V F III 262 ff., 598). Zur peripatetischen Vorgeschichte und zur praktischen Wendung des Ausdrucks in der Stoa und bei Arkesilaos vgl. die Monographie von J. M. LE BLOND, Eulogos et l'argument de convenance 175

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mit dem κατόρθωμα verbunden wird178. Man kann darin mit Couissin179 eine Ironisierung des stoischen Weisen sehen, dessen τέλειον καθήκον sich - in Ermangelung sicheren Wissens - vom μέσον καθήκον des Durchschnittsmenschen nicht mehr unterscheidet und der dadurch ad absurdum geführt wird. 6. Eine Weiterführung des letzten Abschnitts bei Sextus nach der psychologischen Seite hin bietet Plutarch in den Streitschriften. Er referiert am Ende von De Stoic, rep.180 und im 26. und 27. Kapitel Adv. Col.181 ausführlich über die Auseinandersetzung zwischen Arkesilaos und den Stoikern wegen des praktischen Kriteriums: Arkesilaos hat danach betont, daß die Vorstellung (φαντασία) des Zugehörigen (οίκεΐον) und der natürliche Trieb (ορμή) danach der Zustimmung (συγκατάθεσις) nicht bedürfe, und daß umgekehrt durch die Epoch6 der letzteren, die nur von den δόξαι befreie, der natürlichen Regung und damit dem praktischen Handeln kein Abbruch geschehe182. Arkesilaos hat dabei nicht nur die Unterscheidung von φανταστικόν, όρμητικόν und συγκαταθετικόν im ήγεμονικόν, sondern auch den Begriff der οικεία von der Stoa übernommen183. Daß er auch hier eine Alternativlösung der Stoiker polemisch ausnützt, um den stoischen Zusammenhang von Erkennen und Handeln aufzuheben, wird durch die von Plutarch angeführte Äußerung Chrysipps wahrscheinlich gemacht184. 7. Auch eine gegen die stoische Physik gerichtete Argumentation des Arkesilaos hat Plutarch De comm. not. 37 erhalten186: Danach hat chez Aristote, Paris 1938, 7 ff., 10 ff., 15 ff., 51 f. (vgl. die Materialsammlung 58 ff. und ders., Aristote, L e livre premier du traits sur les parties des animaux, Paris 1945, Introd., 71 f.). - Mit d e m πιθανόν des Karneades h a t das ad hominem operierende εϋλογον des Arkesilaos nichts zu t u n (unrichtig ζ. B . B E V A N 133 f., HARTMANN 50 ff., v g l . GEFFERS I 27). 158 fin.: τό δέ κατόρθωμα είναι δπερ πραχθέν εΰλογον ϊχει τήν άπολογίαν. COUISSIN, Stoicisme 251 f. 180 Mor. 1057 A - C = S V F I I I 1 7 7 und I I I p. 246 f. = A n t i p a t e r v . T . fr 19. 1 8 1 Mor. 1 1 2 2 A - 1 1 2 3 Α . lea 1 1 2 2 C : ή γάρ πραξις δυοϊν δεΐται, φαντασίας τοϋ οικείου και. πρός τδ φανέν οίκεΐον όρμής, ών ούδέτερον rfj ίποχχΐ μάχεται, F : ό μέν γάρ της έποχής λόγος . . . τάς δόξας μόνον άναιρεϊ, χρηται δέ τοις άλλοις ώς πέφυκεν. V g l . Karneades bei Cie. D e f a t o 7 ff., 24, w o neben die adpetitio (όρμή) die v o l u n t a s (βούλησις, entsprechend der stoischen συγκατάθεσις) tritt. Zur B e d e u t u n g für den späteren Voluntarismus WEISCHE 47 ff. (vgl. PATRICK 1 1 6 f.), w o freilich der Hintergrund der stoisch-peripatetischen Oikeiosislehre zu wenig b e a c h t e t ist. iss v g l POHLENZ, D i e S t o a I 174 f. 178 179

184

185

1057 A / B = S V F I I I 177. V g l . dazu GIGON 59: „ E r h a t d a m i t eine Lehre der S t o a gegen sie selber g e k e h r t . " Mor. 1078 C/D.

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Arkesilaos in seinen philosophischen Gesprächen immer wieder (τ6 θρυλούμενον έν ταϊς διατριβαϊς) die stoische κρασις δι' δλων dadurch ad absurdum zu führen gesucht, daß er die Flotten der Perser und Griechen hypothetisch in einem einzigen, im Meer aufgelösten „Schenkel" (σκέλος) kämpfen ließ. Vergleicht man die polemische Argumentationstechnik des Arkesilaos, wie sie sich in diesen Zeugnissen darstellt, mit der dialektischen Praxis der Älteren Akademie, wie sie sich in der ,Topik' widerspiegelt, so fallen unmittelbar folgende Berührungspunkte ins Auge: a) Arkesilaos gewinnt die Prämissen der Widerlegung durchweg aus der stoischen Lehre selbst, geht also von den speziellen ένδοξα der Stoiker aus, deren Anerkennung er gewiß sein darf, und gelangt von da aus zur Schlußfolgerung auf die Gegenthese. b) Er konstatiert den Widerspruch in der stoischen Lehre entweder direkt (i. 2.) oder gelangt erst über eine Reihe von vermittelnden Schlüssen zum Widerspruchsschluß (4.). c) Die entscheidende Prämisse, daß es keine φαντασία καταληπτική gebe, entnimmt Arkesilaos einerseits dem von den Stoikern zugestandenen Grenzfall der Epoche, verallgemeinert ihn aber andererseits auf Grund zahlreicher typischer Fälle zu genereller Geltung (3.): Es ist dies ganz offensichtlich das Verfahren der Epagog£, das Aristoteles in der ,Topik' als zweite dialektische Methode neben den Syllogismos stellt und das nach sokratischer Art mit παραβολαί operiert188. Kapp und Düring haben mit Recht darauf hingewiesen, daß Aristoteles damit nicht nur an die έπακτικοί λόγοι des Sokrates anknüpft, sondern vor allem in einer Tradition steht, die von Piatons Spätdialogen (,Politikos' 278 A 5 ff.: παραδείγματα, επάγε iv, άνάγειν επί, παραβάλλει) und Speusipps "Ομοια herkommt und die über die dialektische Praxis führt, wie sie in der Akademie geübt wurde187. Auch mit der induktiven Prämissenfindung, von der Sextus berichtet, führt darum wohl Arkesilaos die altakademische Dialektik fort. is« Ygi 0 ben Anm. 105. Regeln für die Anwendung der Epagoge im dialektischen Kampfspiel: Top. 105 a 13 f., 157 a 21 f., 34 f., 160 b 3 ff., 174 a 33 ff. (Schluß von den καθ' Ικαστα und πολλά auf das καθόλου). Vgl. K. VON FRITZ, Die έπαγωγή bei Aristoteles, Bayr. Ak. d. Wiss., phil. hist. Kl., Sitzungsberichte, Jgg. 1964/3, bes. 47 ff., 62 ff. (Unterscheidung der wissenschaftlichen Induktion von der weniger exakten, ζ. B. der dialektischen, die als solche eine größere Zahl von Beispielen erfordert).

187

KAPP, Ursprung 89 f., 9 1 , 99; DÜRING, Aristoteles 79.

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d) Wenn Arkesilaos die „durchdringende Mischung" der Stoiker karikiert und durch die Wahl eines extremen Beispiels der Lächerlichkeit (μετά γέλωτος) preiszugeben sucht (7.), so entspricht dem in der ,Topik' einerseits die Taktik der Einführung von Parallelfällen188, zum andern die bekannte reductio ad absurdum (εις παράδοξον άγειν)189, durch die der Gegner gezwungen wird, in der Konsequenz seiner These „paradoxe" Sätze aufzustellen und damit gegen das Prinzip des δοξον: die Beobachtung des allgemein Anerkannten zu verstoßen. e) Die generelle Epoche des σοφός wird damit begründet, daß er im Falle der Zustimmung zu den άκατάληπτα der δόξα und dem αμάρτημα verfallen müßte (4.). Es ist dies eine reductio ad impossibile (άπαγωγή είς άδύνατον), wie sie auch in der ,Topik' wiederholt begegnet190. f) Dort, wo Arkesilaos der stoischen Einheit von Erkennen und Handeln eine Alternativlösung entgegenstellt, die ohne συγκατάθεσις auskommt und doch in der stoischen Lehre selber wurzelt, zeigt er entweder die innere Widersprüchlichkeit dieser Philosophie auf oder erhebt gegen sie den dialektischen Einwand mangelnder Unterscheidung (5. 6.). Die polemische Methode des Arkesilaos findet demnach weitgehend an der dialektischen Theorie Anhalt, die die aristotelische ,Topik' für die dialektische Praxis der Älteren Akademie formuliert. Man darf ferner mit guten Gründen voraussetzen, daß Arkesilaos, der keine Schriften hinterlassen hat, den größten Teil seiner Argumentationen im Wechselgespräch von Frage und Antwort zu entwickeln pflegte. Die Methode der Induktion (3.) und der konsequenzlogischen Schlußketten (4.) fordert zur dialogischen Entfaltung geradezu heraus. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise dafür, daß schon Arkesilaos sich daneben der oratio continua bedient hat, und daß die Form des in utramque partem disserere, wie sie Karneades und Cicero in den Akademikerschriften (Ac., n. d., div.) angewendet haben, nämüch die Abfolge von Rede und Gegenrede, im Ansatz bis auf den Reformator der Akademie zurückgeht : Der Bericht über die Methode des Arkesilaos Cie. fin. II 2 läßt es offen, inwieweit sich das Wechselgespräch nicht auch in längeren bei188 189 190

Z. B. 108 b 7 ff., 156 b 10 ff., 157 a 22 ff. Z. B. 104 a 10 ff.; bes. 1 5 9 a 18 ff.; 165 b 14, bes. 19 f.; 172 b 10 ff., 29 ff.; 173 a 7 ff., 27 ff. Z. B. 159 a 21, 167 b 22 ff., 181 a 32. Der apagogische Beweis hat bei Aristoteles seinen eigentlichen Ort freilich in der Apodeiktik: vgl. Top. 157 b 3 4 ff. u n d B O N I T Z I n d . A r . 1 0 b 5 6 ff.

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Ältere und Neuere Akademie

derseitigen Ausführungen, unter Verzicht auf die spezifische Fragetechnik, nach Art einer Disputation vollziehen konnte. Vor allem aber legt der Vergleich mit Aristoteles, den Cicero wiederholt vornimmt1®1, den Schluß nahe, daß Arkesilaos sich zwar dadurch, daß er stets die Gegenposition bezog, von Aristoteles unterschied, im übrigen aber, und das heißt doch wohl auch in der Abfolge von Rede und Gegenrede, mit Aristoteles übereinstimmte192. Doch wie mit der Frage-und-AntwortTechnik, so folgt Arkesilaos auch mit dem Prinzip von Rede und Gegenrede der akademischen Diskussionspraxis: Wie dort an die dialektische „Gymnastik", so konnte er hier an die größeren akademischen Disputationen und Debatten anknüpfen, die die Disputationsdialoge verschiedener Akademiker abbilden, wobei er freilich diejenige Variante bevorzugte, die der Grundform von Dialektik noch näher stand: die kritisch-elenktische, auf Widerlegung bedachte (nicht, wie Aristoteles, die beiderseits konstruktive, die zwei positive Thesen nebeneinanderstellte)193. Die Methode des in utramque partem disserere, die für die Neuere Akademie durchweg als besonders charakteristisch gilt194, ist mit dem dialektischen Auseinandertreten von These und Antithese bereits gegeben: Wer als Teilnehmer einer Diskussion, zumal als Vertreter der Antithese, am Zustandekommen einer sachlichen Auseinandersetzung beteiligt ist, betreibt das in utramque partem disserere. Cicero hat, wie der Rückblick in ,De fato' zeigt195, seine Akademikerschriften so auf191

192

193 194

195

Cie. De or. I I I 80: sin aliquis exstiterit aliquando, qui Aristotelio more de omnibus rebus in utramque partem possit dicere et in omni causa duas contrarias orationes . . . explicare aut hoc Arcesilae modo et Carneadi contra omne, quod propositum sit, disserat. . . De fin. V 10: . . . a b Aristotele que principe de singulis rebus in utramque partem dicendi exercitatio est instituta, ut non contra omnia semper, sicut Arcesilas, diceret . . ., vgl. Tusc. II 9. Neben dem Wechselgespräch in Frage und Antwort und dem Prinzip von Rede und Gegenrede (in einem oder in mehreren Durchgängen) kommt drittens in Frage die oratio continua gegen eine aufgestellte These, ein Verfahren, das nach fin. II 2 in Ciceros Zeit zur Herrschaft gelangt war und das dieser selbst in den 'Tusculanen' anwendet. - Mehrdeutig bleibt in diesem Zusammenhang die Notiz b. D. L. I V 40 (Arkesilaos πρός τάς θέσεις λέγων έχρόνισεν, vgl. IV ig). Entsprechendes gilt für den Einfluß des Lehrvortrags auf das in Anm. 192 angeführte Verfahren. Vgl. ζ. B. Cie. Tusc. II 9; De or. I I I 80, 107, vgl. 1 1 5 8 ; Ac. II 7 fin., 6ο, 1 4 6 , n. d. I χι, De fato 1 ; Quintil. X I I 25, 35; Galen De opt. doctr. c. 1 - 3 passim; D. L. I V 28; vgl. S V F I 78. ι : Quod autem in aliis libris feci, qui sunt de natura deorum, itemque in iis, quos de divinatione edidi, ut in utramque partem perpetua explicaretur oratio . . .

Kontinuität der akademischen Dialektik

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gefaßt. Es liegt jedoch im Wesen des dialektischen Verfahrens selbst, daß die Vertreter von These und Antithese ihre Positionen fast beliebig vertauschen können: Der Angreifer ist in seinen Intentionen von der These, die man ihm zur Diskussion stellt, vorbestimmt, und es ist durchaus möglich, daß er sich heute gegen diese und morgen gegen die ihr entgegengesetzte These wenden muß. Daraus erwächst ein engerer Begriff des in utramque partem disserere: die Fähigkeit des geübten Dialektikers, zu einem bestimmten Thema je nach Bedarf bald pro, bald contra zu argumentieren. Eine weitere, noch engere Bedeutung stellt sich dann folgerichtig von selbst ein: daß der Dialektiker die Rollen des Anwalts pro und contra nacheinander selbst durchspielt, sei es in der Vorbereitung auf das dialektische Turnier, sei es in der Praxis wie Karneades in den römischen Reden, sei es Uterarisch wie Aristoteles und Cicero, wenn sie als Autoren Disputationsdialoge entwerfen und in Szene setzen. Es war im vorigen darauf hinzuweisen196, daß der Positionswechsel in der Älteren Akademie ein fester Bestandteil dialektischer Übungen gewesen ist. Damit sind alle drei Bedeutungen des in utramque partem disserere, über die die Neuere Akademie verfügt, der Ausführung oder der Anlage nach auf die Ältere Akademie zurückführbar.

V. Lassen sich demnach zahlreiche wesentliche Momente der neuakademischen dialektischen Methode197 aus der akademischen Tradition ableiten, so bedarf es um so dringender einer Erklärung der Wendung, die die Akademie des Arkesilaos von der Älteren unterscheidet, nach ihren systematischen Voraussetzungen. Dabei steht zur Frage, inwieweit auch diese Voraussetzungen zuletzt in der älteren Dialektik wurzeln oder ob hier Einflüsse von anderer Seite angenommen werden müssen. Der eigentümliche Ansatz des Arkesilaos zerfällt - von der älteren Dialektik her gesehen - in zwei Punkte: m 1,7

Oben S. 26 f. mit Anm. 112. Zur Kontinuität der Thematik vgl. oben S. 18 Anm. 67 (Hedone) und S. 19 f. mit Cie. fin. II 2: qui audire vult, ita dixit: 'Voluptas mihi videtur esse summum bonum', oder die Behandlung der δικαιοσύνη Top. 143 a 15 ff., 145 b 36 ff., 149 b 32 ff., 150 a 3 ff., 151 b 31 ff. mit der fieilich viel prinzipielleren durch Karneades in Rom.

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Altere und Neuere Akademie

I. Die Dialektik der Diskussion und Disputation, die ursprünglich der Ideen-Dialektik Piatons untergeordnet war, emanzipiert sich und verdrängt die Ideen-Dialektik vollständig. Es gibt fortan nur noch eine mehr oder weniger formale Dialektik. II. Die Dialektik wird bei Arkesilaos zum Organon einer prinzipiellen Aporetik und ändert damit ihre Zielsetzung weitgehend. Beide Veränderungen sollen im folgenden untersucht werden, und zwar zunächst die zweite: Auszugehen ist von der historischen Leistung des Arkesilaos, wie sie Diogenes Laertios IV 28 zusammenfassend bezeichnet: οδτός έστιν 6 της μέσης Άκαδημείας κατάρξας, πρώτος έπισχών τάς άποφάσεις διά τάς έναντιότητας των λόγων, πρώτος δέ και εις έκάτερον επεχείρησε, και πρώτος τδν λόγον έκίνησε τόν ύπί> Πλάτωνος παραδεδομένον καΐ έποίησε δι' έρωτήσεως και άποκρίσεως έριστικώτερον. Arkesilaos wird hier dreierlei zugeschrieben: die Einführung a) der Frage-und-AntwortTechnik, b) des in utramque partem disserere (anscheinend im engeren Sinn), c) der Epochö des Urteils (άπόφασις anstelle des stoischen Ausdrucks αξίωμα nebst συγκατάθεσις) auf Grund des Widerspruchs der (beiderseitigen) Argumente. Der Anspruch auf Originalität (πρώτος) kann in keinem der drei Fälle absolut gemeint sein, selbst dann nicht, wenn man „innerhalb der Akademie" oder ,,nach Sokrates" versteht 198 . Gemeint ist offenbar, daß Arkesilaos als erster diese drei Methoden zu allgemeiner Geltung erhoben, d. h. als die philosophischen Methoden schlechthin etabliert hat. a) hängt mit b) zusammen, ist aber nicht damit identisch, während c) der Sache nach auf b) aufbaut: Die Erörterung der Argumente (λόγοι) pro und contra ist die Voraussetzung für die Konstatierung ihres (unüberwindlichen) Widerspruchs und die dadurch bedingte Enthaltung vom Urteil. Cicero bestätigt diesen Zusammenhang und erläutert zugleich, daß es sich beim „Widerspruch" genauer um ein Gleichgewicht der Argumente handelt (Ac. I 45): Arcesilas . . . faciebat, ut contra omnium sententias disserens de sua plerosque deduceret, ut („damit") cum in eadem re paria contrariis in partibus momenta rationum (λόγοι!) invenirentur facilius ab utraque parte assensio sustineretur199. Ähnliches 1,8 199

So faßt ζ. B. RYLE I 54 f. die Stelle auf („obviously erroneously"). Vgl. Ac. II 124: ita sunt in plerisque contrariarum rationum paria momenta, 133: quae dicuntur . . . in utramque partem . . . paria. Numen. b. Eus. pr. ev. X I V c. 8, 7: (Karneades) άγαγών εις τάς ϊαας. Vgl. Ph. DE LACY, Phronesis 3, 1958, 67 f.

Kontinuität der akademischen Dialektik

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berichtet Eusebios von Arkesilaos (pr. ev. X I V c. 4,15): είναι. . . τούς είς έκάτερα λόγους ίσοκρατεϊς άλλήλοις. Hier zeigt sich, daß die dialektische Methode nicht Selbstzweck ist, sondern im Dienst der Epoche steht und daher geradezu auf ein Gleichgewicht der Argumente hinarbeitet. Auch die Polemik wird bei Arkesilaos zunächst nicht um ihrer selbst willen geführt, sondern ist ein Mittel, um die Vertreter der Gegenposition unsicher zu machen und dadurch zur Epoch6 zu nötigen. Karneades hat später diese Zielsetzung grundsätzlich festgehalten - der Probabilismus bewegt sich innerhalb

der Epochi 200

sei es in einfachen Antithesen

nach Art der römischen Reden, die die Beweise für die Gerechtigkeit in Zweifel ziehen sollten201, sei es in den komplizierteren Antinomien der Götterkritik, die negativ in ein ,Weder-Noch' hineinführen - tertium non datur - und damit die Unfaßbarkeit des Gottesbegriffs besonders stark hervorheben202. Die dialektische Grundstruktur liegt selbst den dogmatischen „Widersprüchen" zugrunde, die die Doxographie der Neuakademiker zwischen den verschiedenen Philosophenschulen aufspürt und auf die Epoch£ hin systematisch auswertet203 - : Beispiel für Dies wird am deutlichsten dort, wo Cicero nach Kleitomachos zwei Arten von Epoch6 unterscheidet, eine totale und eine nur prinzipielle: Ac. II 104, dazu R E I D im Kommentar. Auch der Probabilismus setzt ein Gleichgewicht in bezug auf den Wahrheitsgehalt voraus, was C O U I S S I N R E G 1929, 392 ff. verkennt. Andererseits kann es innerhalb des Probabilismus den Grenzfall des absoluten Gleichgewichts geben (z. B. Ac. II 124 fin.). 201 Cie. De re publ. III 7, 11 = Lact. epit. 50, 8: non quia vituperandam esse iustitiam sentiebat sc. Carneades, sed ut illos defensores eius ostenderet nihil certi nihil firmi de iustitia disputare. Ähnlich die dialektische Umkehrung der anthropozentrischen Teleologie der Stoiker durch Karneades b. Porph. De abst. III 20 p. 210 N A U C K . 202 S. Ε. I X 1480.: Weder πεπερασμένον noch άπειρον, 151: weder σώμα noch άσώματον, 178 f.: weder φωνδεν noch άφωνον, i8o f.: weder σύγκριμα noch άπλοϋν und στοιχβϊον. 203 Cie. Ac. II 121 fin.: nec Stratoni tarnen adsentior nee vero tibi; modo hoc modo illud probabilius videtur. 124: . . . utramque in partem multa dicuntur . . . ne quid maxime quidem probabile sit occurrit; ita sunt in plerisque contrariarum rationum paria momenta, 133: quae dicuntur . . . in utramque partem . . . paria, nonne caveam ne scelus faciam? . . . ne incognito adsentiar, 134: distrahor, tum hoc mihi probabilius tum illud videtur . . . verum in his discrepant. Cie. Tusc. I 19-23 speziell zur Seelenlehre; die sog. Carneadea divisio Cie. fin. II 34 f., III 30, IV 49 f., V 16 ff., Ac. II 130 f., Tusc. V 84 f., Leg. I 38 f., vgl. Aug. C. D. X I X 1 (nach Varro) zur Teloslehre. Akademisch ist daher zuletzt auch die auf Widersprüche hin angelegte Doxographie zur Ethik bei Sextus adv. math. X I 36 ff., 68, 73 ff., 77 f., 90 ff., 173 ff. - Die schon bei Chrysipp vorbereitete (Cie. Ac. II 138) Einteilung des Karneades erinnert an verwandte Schemata bei Aristoteles ( G I G O N , Entr. Fond. Hardt III, 1955, 41), gewinnt aber einen von der älteren heuristischen Dialektik 200

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Ältere und Neuere Akademie

eine in die historische Dimension hinein erweiterte permanente Dialektik, die gerade als nicht ausdiskutierte und auch nicht mehr ausdiskutierbare die Akatalepsie befestigt. In diesem Zusammenhang verdient schließlich die Methode des Sextus Empiricus Beachtung, die Auffassungen der Dogmatiker nicht schlechthin zu widerlegen, sondern ihnen nach ausdrücklicher Versicherung lediglich eine gleich wahrscheinliche Antithese gegenüberzustellen, um zur Epochö zu gelangen204. Dies entspricht so vollständig der dialektischen Praxis der Neuakademiker und insbesondere des Arkesilaos, dessen Übereinstimmung mit dem späteren Pyrrhonismus Sextus in der Tat eigens unterstreicht206, daß man darin zum wenigsten teilweise eine Fortwirkung der neuakademischen polemischen Methode wird erkennen dürfen. Der Gedanke der Isokratie, Isosthenie, Isorrhopie oder kurz der ίσότης λόγων ist jedoch weder durch eine Generalisierung der stoischen Epoch6 noch durch pyrrhoneische Einflüsse in die akademische Dialektik hineingekommen. Er ist im Grunde schon im älteren Prinzip des Positionswechsels in wesentlichen Momenten präformiert. Doch gehört darüber hinaus die ίσότης λόγων und die daraus resultierende Aporie nach Aristoteles zu den Grundphänomenen der Dialektik überhaupt, so sehr, daß Aristoteles den Schluß auf die Gegenthese mit dem Terminus άπόρημα bezeichnen kann (vgl. oben S. 26 e)). In der Tat verbirgt sich hinter der neuakademischen Epoch6, die von ihren stoischen Ursprüngen her eine viel engere, durch die Begriffe der φαντασία und der συγκατάθεσις terminierte Bedeutung hat, der umfassendere Begriff der Aporie20e, der im Sinne des Zweiwegs und ,,Zwei-fels" auf jede Art gleichgewichtig konkurrierender Argumente bezogen werden kann. Die völlig verschiedenen Sinn (charakteristisch die abschließende Bewertung Cie. Ac. II 139: Clitomachus adfirmabat numquam se intellegere potuisse quid Carneadi probaretur). Vgl. ferner die Bestreitung des Naturrechts auf Grund der natürlichen Verschiedenheit der menschlichen Rechtsverhältnisse bei Karneades (Cie. De re publ. III 12, 21). 204 Vgl. z Β. Η. P. I 12, II 79 ( . . . ού πρόκειται ή μ ΐ ν άποφήνασθαι δτι άνύπαρκτόν έστι τό κριτήριον . . . άλλ' . . . πιθανούς δοκοϋντας είναι λόγους άντεθήκαμεν . . . διά τ ή ν φ α ι ν ο μ έ ν η ν ϊσην πιθανότητα . . . τ ή ν έποχήν σ υ ν ά γ ο ν τ ε ς ) , I I 103, 130 ff·. 1 8 0 fin., 192, III 29, 49. 65, 81, 135· 205

206

Η. P. I 232 ff., (ώς μίαν είναι σχεδ&ν τήν κατ' αύτόν άγωγήν καΐ τήν ήμετέραν οΰτε γάρ περί υπάρξεως ή άννπαρξίας τινός άποφαινόμενος ευρίσκεται). Die Doxographie gebraucht die Bezeichnungen άπορητικοί und σκεπτικοί unterschiedslos, vgl. ζ. B. Gell. Ν. Α. X I c. 5, 6: utrique enim (sc. Pyrrhonii et Academici) σκεπτικοί, έφεκτικοί, άπορητικοί dicuntur, Sextus Ρ. Η. I 234: Arkesilaos als άπορητικός, I 7 : ή σκεπτική . . . άγωγή καλείται . . . άπορητική, vgl. die Indices zur Teubner-Ausgabe des Sextus Empiricus (Vol. IV, 19622)

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Epoche ist genauer die Konsequenz der Aporie, wie sie auf dem Boden der stoischen Erkenntnistheorie angesichts des Gleichgewichts entgegengesetzter Positionen auftritt. Die neuakademische Wendung besteht nun darin, daß sie die Aporie, die in der älteren Dialektik nur die Funktion eines einzelnen Moments - vorläufiger, heuristischer, selten endgültiger Art - gehabt hatte, isoliert und absolut setzt. Dies äußert sich in der Weise, daß jetzt zwischen Thesis und Antithesis keine Synthesis mehr intendiert, oder aristotelisch formuliert: daß keine λύσις der άπορία mehr angestrebt wird. Während in der älteren Dialektik die Aporie nach Möglichkeit zu überwinden und die Zweiheit der Thesen durch eine einzige - die eine oder die andere oder eine dritte - zu ersetzen war - Aristoteles bietet dafür in der Problemtafel der .Metaphysik' ein instruktives Beispiel, und es ist anzunehmen, daß andere Akademiker im Prinzip ähnlich verfuhren207 - , ist bei Arkesilaos die Aporie kein Durchgangsstadium des dialektischen Prozesses mehr, sondern sein Abschluß. Die Methode des in utramque partem disserere verfolgt daher von vornherein nicht das Ziel, die „wahre" Auffassung von der „falschen" zu unterscheiden, sondern das Gleichgewicht der Thesen und damit die Aporie herbeizuführen. Diese Wendung erscheint, gemessen an der älteren Dialektik, als künstlich, entspringt aber der tieferen Einsicht, daß es keine These gibt, der man nicht doch eine gleichgewichtige Gegenthese gegenüberstellen könnte, wenn man nur konsequent genug weiterfragt, während

207

von K . J A N Ä C E K p. 40 f. und im einzelnen etwa die Referate über die Akademiker Polyb. X I I 26 C 2 (είς άπορίαν άγειν . . . διαπορεΐν . . . καΐ διστάζειν), Sext. Emp. V I I 410 (άπορίαν . . . πότερον . . . ή), 4 r 4 (άπορία zwischen Gegensätzen). Im Lateinischen entspricht dubium, dubitare: vgl. z. B. Cie. Ac. I 17 fin. (illam . . . Socraticam dubitanter... et nulla affirmatione adhibita consuetudinem disserendi), II 107 (cum . . . dubitare se dicat . . . seque ab adsensu sustineat; - est aliquid quod positum vel inprobare vel adprobare possit sc. sapiens, dubitare non possit?), 1 1 9 fin. (mihi ne ut dubitem quidem relinquatur?), Aug. C. Acad. I l l 7, 16 = Cie. Ac. fr 20 M Ü L L E R (Academicus . . . dubitare se dicet); div. II 8. Die Diskussionen in der Akademie, z. Β. über die Bewertung der Hedone, führten insofern nicht zu einer echten Aporie, als die Vertreter der einzelnen Thesen jeweils die Gegenthesen überwunden zu haben glaubten und daher stets nur eine einzige - ihre eigene - These propagierten. So legt sich Aristoteles die Thesen der Vorgänger antithetisch zurecht (zum διαπορεΐν oben S. 27 Anm. 115), um sich dann mit bestimmten Modifikationen der einen oder der anderen anzuschließen, die er für die wissenschaftlich richtige hält. Die neuakademische Doxographie verfährt gerade umgekehrt, wenn sie die Antithesen der Tradition unaufgelöst stehen läßt.

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der Abbruch des dialektischen Prozesses mit der Wahl einer bestimmten These seinerseits willkürlich und die damit gewonnene Beruhigung nur scheinbar bleibt. Arkesilaos hat damit den eigentümüchen Charakter der Zweiseitigkeit, des In-der-Schwebe-Lassens und In-der-Schwebe-Bleibens der neuzeitlichen Dialektik in manchen Stücken vorbereitet. Genau besehen ist seine Position die weiterreichende: Wenn er anstelle der bloß methodischen oder propädeutischen Aporie die unlösbare setzt oder, anders gewendet, den Sonderfall der unlösbaren Aporie, den die ältere Dialektik sehr wohl kannte, zum Regelfall erhebt - ganz ähnlich der Verallgemeinerung der stoischen Epochö - , dann fällt er damit nicht hinter die ältere Position zurück, sondern geht umgekehrt einen Schritt darüber hinaus, indem er jede scheinbar endgültige Einsicht erneut in Frage stellt. Wenn man neuerdings mit Recht vorgeschlagen hat, die Neuere Akademie nicht als „skeptische", sondern als ,,aporetische" Phase in der Geschichte der Akademie zu kennzeichnen208, so erscheint dies von der älteren Dialektik her sachlich begründet und systematisch geboten, wobei man freilich nicht an eine nur literarisch greifbare, antiquarisch wiederbelebte sokratische Aporetik, sondern an die zeitgenössische Dialektik der Älteren Akademie zu denken hat, von der Arkesilaos selbst ausgegangen ist. Die denkerische Leistung des Arkesilaos besteht darin, die dialektische Methode der Akademie neu durchdacht und das aporetische Moment entschlossen ins Zentrum gerückt zu haben. Daß diese Verschiebung der Akzente sich in den von der Akademie vorgegebenen Bahnen bewegt, verbürgt der theologisch-anthropologische Horizont, den Arkesilaos als tiefere Begründung der aporetischen Position so gut wie unverändert von der Älteren Akademie übernommen hat: Man hat wiederholt darauf hingewiesen209, daß die Vorstellung O. GIGON im Lexikon der Alten Welt (1965) s. v. 'Akademiker' Sp. 91/92. 209 v g ] bes. CREDARO II 2 1 1 , 270, 275 mit dem Hinweis auf PI. Apol. 21 Β ff., Phaidr. 278 D, Symp. 202 Α ff., vgl. 204 Α ff., Parm. 134 D und den Vermittler Herakleides Pontikos fr 87 WEHRLI = D. L. 1 1 2 ; GIGON 55 (Phaidr. 278 D, Herakleides). Hinzuzufügen ist 'Lysis' 218 A, Xenokrates fr 6 Η. (σοφία άνθρωπίνη) und vielleicht das Fragment χ Ross ( = Test. Plat. 1 1 GAISER = Vita Ar. Marciana p. 69/70 GIGON) aus Arist. περί τάγαθοϋ, das im Schülerkreis besonders stark gewirkt haben könnte (das aber jetzt J . BRUNSCHWIG der Kritik des Arist. an Piaton zuweist, in: Unters, zur Eudemischen Ethik, Akten des 5. Symp. Arist., Peripatoi 1, Bln. 1971, 217-20). Wichtig ist ferner 208

K r a n t o r f r 1 0 K A Y S E R u n d MULLACH

(vgl. oben S . 3 5 A n m . 1 4 2 ) . -

Die

neuakademischen Belege sind zum größten Teil verzeichnet bei GOEDECKEMEYER 3 4 m i t A n m . 3 , 5 9 , 1 2 3 : Cie. A c . I 4 5 , I I 9 2 , 1 1 7 , 1 2 2 ; D e or. I I I 6 7 ;

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einer Differenz zwischen göttlichem und menschlichem Wissen und der Unzulänglichkeit des letzteren sich von Piatons Dialogen über die älteren Akademiker kontinuierlich bis zu den späteren hin verfolgen läßt. Wenn die Wahrheit dem intellectus divinus vorbehalten ist, dann ist die stoische κατάληψις. die die Möglichkeit des Irrtums ausschließt, von vornherein in Frage gestellt, ίσότης λόγων, Aporie und Epoche haben in der Tat bei Arkesilaos lediglich die Funktion, die Irrtumsmöglichkeit als einen Grundzug menschlichen Erkennens offenzuhalten. Sie treten, so betrachtet, in den Dienst der überkommenen Differenz von göttlichem und menschlichem Wissen. Gerade das ist freilich das Neue, daß die gesamte Dialektik auf den Nachweis einer solchen Differenz hin ausgerichtet wird. Diese Wendung erklärt sich aus den spezifischen philosophiegeschichtlichen Bedingungen zu Beginn des dritten Jahrhunderts, nämlich aus der Situation der Defensive, in die die Akademie durch den herrschenden stoischen Dogmatismus geraten war. Die übermächtige Konkurrenz des Stoizismus, der in der Physik und der Ethik das Erbe der klassischen Schulen weitgehend usurpiert und radikalisiert hatte, nötigte die Akademie, sich auf die Dialektik zurückzuziehen und sie ihrerseits ins prinzipiell Aporetische zu radikalisieren, um für den Kampf gegen die Stoa eine Basis zu gewinnen. Ein solches flexibles Überspringen auf eine neue Denkbahn entspricht ganz der traditionellen Vielseitigkeit der Akademie, die von jeher den verschiedensten Positionen und Methoden großzügig nebeneinander Raum geboten hatte. Da die wie immer geartete Dialektik stets die übergreifende Methode der Akademie gewesen war, blieb dabei die Kontinuität der Schule in den letzten, allgemeinsten Grundlagen gewahrt. Der dialektisch-aporetische Antidogmatismus der Akademie, der sich in konsequenter Zuspitzung vor allem gegen die stoische ErkenntEuseb. pr. ev. X I V c. 4, 1 5 ; Arnob. nat. I I 9; Lact. inst. I I I 6, 1 ff.; Epiphan. haer. I I I 2g f.; Aug. C. Acad. I I 5, 1 2 ; I I I 10, 2 2 ; Joh. Saresb. Enthet. V . 7 3 3 f. Hinzuzufügen wären Cie. Tusc. I 17, 23, gg, vgl. 7 3 ; Aug. C. Acad. I 3, 9; 8, 2 3 ; I I I 9, 19 f. Die Epiphanios-Stellen seien ausgeschrieben (vgl. Doxogr. Gr. p. 592 D., aber auch die Praefatio p. 1 7 5 ff.): Άρκεσίλαος έφασκε τω θεω έφικτόν είναι μόνω τί> άληθές, άνθρώπω 8' oö. - Καρνεάδης τά αύτά τω Άρκεσιλάω έδόξασεν. Arnobius schlägt im übrigen die Brücke zur Älteren Akademie (vgl. Doxogr. Gr. p. 1 7 2 D.): qui nihil ab homine comprehendi atque omnia caecis obscuritatibus involuta non Arcesilao Carneadi, non alicui denique Academiae veteris recentiorisque cultori ? (sc. credit). Die bei Xenokrates, Herakleides und Krantor nachweisbaren Belege machen die Annahme einer rein literarischen Orientierung der Neuakademiker - etwa an Piatons 'Apologie' - überflüssig.

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nistheorie als die Grundlage des stoischen Dogmatismus wandte, ist schwerlich - im Sinne eines negativen Dogmatismus - selbst dogmatisch vertreten worden. Da die IrrtumsMöglichkeit zur Erschütterung des Dogmatismus ausreicht, kann sich die aporetische Grundhaltung selbst immer wieder in Frage stellen lassen, ohne sich dadurch aufzuheben, und die Angabe Ciceros (Ac. I 45) hat vieles für sich, schon Arkesilaos habe über Sokrates hinaus die περιτροπή vollzogen und sogar das Wissen um das eigene Nichtwissen für unsicher erklärt210. Die dialektisch-aporetische Position ist erst dann folgerichtig durchgeführt und in sich abgeschlossen, wenn sie, auf sich selber angewendet, sich selbst gleichsam in der Schwebe hält, ohne dadurch im geringsten an Effekt und Durchschlagskraft einzubüßen. Ist damit der systematische Hintergrund der neuakademischen Epoche in der altakademischen Aporie und ihrer Verallgemeinerung erkannt, so gilt Ähnliches für die erste Frage nach dem Sieg der Formaldialektik über die Ideen-Dialektik. Die ontologisch unverbindliche Dialektik der Diskussion, der Propädeutik und des dialektischen Trainings, die in der Akademie neben der Ideen-Dialektik Piatons einherging, war von vornherein universell angelegt, insofern sie für alle Themen der „Logik", Physik und Ethik zuständig war. Die IdeenDialektik war demgegenüber von vornherein regional begrenzt, da streng genommen weder Physik noch Ethik in ihre Kompetenz fielen. Das Übergewicht der Formaldialektik war daher schon vom Umfang der Gegenstandsbereiche her mitgegeben. - Noch wichtiger ist dann geworden, daß die aporetische Akademie in ihrer antistoischen Kritik auch materialiter immanent operierte und sich dabei völlig auf den Boden der hellenistischen und insbesondere der stoischen Diesseitigkeit und ihres Materialismus stellte. Die Metaphysik des älteren Platonismus, die in keiner Weise mehr zeitgemäß war, wurde dabei stillschweigend suspendiert211. Die Zeugnisse der Doxographie für einen versteckten, „esoterischen" Piatonismus der aporetischen Akademie verraten durchweg die Tendenz, die Originalität der akademischen „Skepsis" gegenüber dem Pyrrhonismus herabzusetzen oder die aporetische Wendung bzw. die spätere Rückkehr zum Dogmatismus zu rechtfertigen,

Arcesilas negabat esse quicquam quod sciri posset, ne illud quidem ipsum quod Socrates sibi reliquisset, ut nihil scire se sciret. Dazu GOEDECKEMEYER 37 f.; CouissiN, Stoicisme 257. 2n Vgl. auch v. ARNIM, R E 'Arkesilaos' Sp. 1166, 33-35; POHLENZ, Die Stoa 1 1 7 4 . 210

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K o n t i n u i t ä t der akademischen Dialektik

und verlieren dadurch an Glaubwürdigkeit212. Tatsächlich ist eine „Esoterik" der aporetischen Akademie weder verifizierbar noch im einzelnen konkretisierbar noch auch in irgendeinem nachweisbaren Grade geschichtlich wirksam geworden. Die Wendung des Antiochos von Askalon beweist im Gegenteil, daß ein Neuakademiker, der zum Dogmatismus überging, Stoiker werden mußte, und die positiven An212

Die wichtigsten Belege h a t nach anderen zuletzt WEISCHE 20-26 eingehend behandelt: Sextus E m p . t r ä g t Η . P . I 234 die These trotz klar erkennbarer Tendenz nur zögernd (εί δέ Set . . . πιστεύειν) und mit verkehrter D e u t u n g des Ariston-Verses v o r ; Diokles v . Knidos b. Euseb. pr. ev. X I V c. 6, 6 g i b t eine unhaltbare Begründung (φόβω των Θεοδωρείων τε καΐ Βίωνος τοϋ σοφιστοϋ) und wird daher v o n Numenios mit R e c h t abgetan; Cie. Ac. I I 60 bezieht sich wie I I 139 auf die Kontroversfragen der hellenistischen Philosophie, nicht auf den klassischen Piatonismus. W a s die v o n Weische nicht behandelten Stellen angeht, so bereitet die v o n Numenios bei Euseb. pr. ev. X I V c. 8, 12 und 14 vertretene „ E s o t e r i k " des Karneades, die eine Ehrenrettung ermöglichen soll (8, 14: τά χρηστά δέ αύτών έστι κάτω καΐ έν άφανεϊ ist vor dem Hintergrund des Titels zu sehen, den Numenios seinem philosophiegeschichtlichen W e r k gegeben h a t : περί της των 'Ακαδημαϊκών πρός Πλάτωνα διαστάσεως), schon der v o n Augustin aus Cicero herausgesponnenen, ganz auf den Neuplatonismus hin ausgerichteten akademischen „ E s o t e r i k " einer Transzendenzphilosophie den W e g (Contra A c . I I I 17, 37 ff.; 20, 43, mit charakteristischer U m d e u t u n g des veri simile = πιθανόν auf das είκός/εϊκών des 'Timaios'; vgl. ferner I I 6, J4; 10, 24; 13, 29; I I I 7, 14) - eine Geschichtskonstruktion, der sich freilich der „ f a l s c h e " Dogmatismus des Antiochos peinlich widersetzt (III 18, 41). Eine ähnliche, mit der Karneades-Deutung des Numenios übereinstimmende Interpretation v o m Standort des Mittelplatonismus aus bietet wohl der A n . K o m m . z. 'Theaitetos' = Pap. 9782 c. 54, 38 ff. DIELS-SCHUBART (Berl. Klassikertexte H . 2, Bln. 1905). Andererseits weist die Karneades-Interpretation des K.-Schülers Metrodor von Stratonikeia (Ac. Phil. Ind. Here. col. X X V I 4 ff. p. 91 Μ . ; A u g . C. A c . I l l 18, 41) bereits auf den stoizisierenden Neudogmatismus des Antiochos voraus (vgl. unten S. 106 A n m . 419). - V o r WEISCHE hatten sich gegen eine neuakademische Esoterik ausgesprochen: Z E L L E R 5 1 0 , G O E D E C K E M E Y E R 38 A n m . 7, 69 A n m . 7 ; P R A E C H T E R 467, R O B I N 6 7 ff., D A L P R A I I I ff., w ä h r e n d H I R Z E L I I I 1 6 0 A n m . 2 , 2 1 6

ff.,

BROCHARD

114 ff. und v. ARNIM R E 'Arkesilaos' Sp. 1167, 33 ff. zwar einen esoterischen Dogmatismus ablehnen, einen esoterischen Probabilismus aber für möglich halten. F ü r einen esoterischen Dogmatismus im Sinne der antiken D o x o graphie sind eingetreten: GEFFERS I 16 ff., bes. 19, I I 2χ ff.; ausführlich C R E D A R O I I 1 7 7 ff., 1 9 2 ff., 2 0 0 ff.; G I G O N 5 5 f . ; W . T H E I L E R i n : D i e V o r b e r e i -

t u n g des Neuplatonismus, I9Ö42, V o r w o r t z u m Neudruck. GIGONS Hinweis auf die E t y m o l o g i e des Namens P y t h a g o r a s (δτι τήν άλήθειαν ,,ήγόρευεν" ούχ ήττον του „Πυθίου") in der Schrift περί φυσιολόγων des Arkesilaos-Enkelschülers Aristipp v o n K y r e n e (D. L . V I I I 21) ist beachtenswert, reicht aber, da wir den Zusammenhang nicht kennen, zur B e g r ü n d u n g einer „ E s o t e r i k " schwerlich aus, während der Vergleich m i t der Älteren A k a d e m i e (GIGON a. O.) insofern problematisch ist, als die entscheidende Differenz v o n Schriftlichkeit und Mündlichkeit bei den Neuakademikern fehlt.

6 Krämer, Platonismus

56

Ältere und Neuere Akademie

sätze, die gelegentlich in der Polemik des Karneades aufscheinen, verraten eher eine Nähe zu Straton und zu Epikur. Eine probabilistische Zwischenlösung verbietet sich für Arkesilaos schon deshalb, weil der Probabilismus erst der Akademie des Karneades angehört213. Daß schließlich die Neuakademiker nur den stoischen Sensuaüsmus bekämpft hätten, ist ein Irrtum214: Sie gingen in gleicher Weise gegen den stoischen λόγος an, ohne daß daneben jemals von einem dritten, transzendenten Erkenntnisvermögen die Rede wäre215. Im Zeitalter des Hochhellenismus war der metaphysische Piatonismus keine ernst zu nehmende philosophische Position mehr, und die Akademiker haben von Arkesilaos an die Konsequenzen aus dem Geist der Epoche gezogen und sich dem Weltbild des Hellenismus angepaßt, wobei sich als die spezifische akademische Position die reduzierte einer gleichsam parasitär operierenden, aporetischen Dialektik ergab. Damit ist zugleich klar geworden, daß die Ideen-Dialektik mit der formalen überhaupt nicht mehr konkurrieren konnte, sondern daß sie, indem sie definitiv abtrat, dieser den ersten und einzigen Platz überließ. Die ursprünglich untergeordnete Formaldialektik ist fortan die akademische Dialektik schlechthin, die mit der sophistisch-sokratischen, etwa der megarischen, auf gleicher Stufe steht. Gleichwohl ist die Ideen-Dialektik nicht spurlos untergegangen, sondern, wie sich im folgenden zeigen wird, insoweit in modifizierter Form erhalten geblieben, als sie sich ins Formale und Kategoriale umsetzen und für die Bekämpfung einer immanentistisch orientierten dogmatischen Philosophie 213 V g l Euseb. pr. ev. X I V c. 6, 5: Die Pyrrhoneer Mnaseas, Philomelos und Timon verstanden Arkesilaos als einen ihresgleichen, άναιροϋντα καΐ αύτόν τό αληθές καΐ τό ψεϋδος καΐ τό πιθανόν. Das von Cicero vertretene verum invenire velle gehört zum Probabilismus des Karneades, nicht zu Arkesilaos (beim einzigen scheinbaren Gegenbeleg Ac. I I 76 f. handelt es sich um eine Schlußfolgerung Ciceros). Die Auffassung v . ARNIMS, R E 'Arkesilaos' Sp. 1166, 58 ff. und GIGONS 55 ist unrichtig. (Auch hat Arkesilaos nach Sextus Η. P. I 232 und Cie. fin. I I I 31, vgl. Clem. Strom. I I 2 1 ; 129, 8 nicht das Suchen, wie G. meint, sondern die Epoch6 als G u t bestimmt - und auch dies nur ad hominem nach den Prämissen der stoischen Position.) 214

Z. B . b. GEFFERS I I 23 f., v . ARNIM R E 'Arkesilaos' Sp. 1 1 6 7 , 49 ff., GIGON 53.

215

Cie. Ac. I 45: (Arcesilas) neque esse quicquam quod cerni aut intellegi posset, D e or. I I I 67: (Arcesilas) nihil esse certi quod aut sensibus aut animo pereipi possit. . . aspernatum esse omne animi sensusque iudicium; Eus. pr. ev. X I V c. 4, 15: (Άρκεσίλαος) και τάς αισθήσεις δέ άπιστους είναι καΐ πάντα λόγον, vgl. Cie. Ac. I I 42: ut ne ratione quidem et coniectura ulla res pereipi possit. Aufschlußreich auch Änesidem b. Phot. Bibl. c. 212 p. 169 b 20 f. Β . : ουδέν βέβαιον είς κατάληψιν, ουτε δι' αίσθήσεως, άλλ' οϋτε μήν διά νοήσεως. Vgl. auch die treffende Beurteilung ZELLERS 509 f.

Kontinuität der akademischen Dialektik

57

fruchtbar machen ließ. In dieser formaldialektischen Gestalt - und nur in ihr - lebt die altakademische Metaphysik in der aporetischen Akademie fort. Die hiermit entwickelte historische Erklärung der neuakademischen Methode kommt - ein zusätzliches Indiz ihrer Richtigkeit - mit der geringsten möglichen Zahl von Voraussetzungen aus: Sie rechnet allein mit der inneren Situation der akademischen Schule und ihrem Zusammenstoß mit der Stoa in der Periode des Frühhellenismus. Diese beiden Faktoren reichen allem Anschein nach zum Verständnis der neuakademischen Wendung aus. Eine solche Wendung hat zweifellos stattgefunden: Es hat auch in der Akademie keinen Arkesilaos vor Arkesilaos gegeben. Aber es ist überflüssig, weitere Faktoren wie den Einfluß Pyrrhons, des Peripatos oder den antiquarischen Rückgriff auf die Sokrates-Literatur hypothetisch hinzuzunehmen, die entweder über die philosophische Situation des Frühhellenismus oder über die akademische Schule hinausführen und die dadurch einer zusätzlichen Beweislast unterliegen. Gewiß hat Arkesilaos die Sokrates-Figur nachträglich zur Legitimierung herangezogen, weil alle Schulen des Hellenismus sich auf Sokrates beriefen und in der Auseinandersetzung um das „wahre" Sokrates-Bild ein Feld polemischer Argumentation und historischer Selbstbehauptung lag. Aber Arkesilaos ging primär von der theoretisierten, universell orientierten Dialektik der Älteren Akademie aus, die im übrigen das aporetische Moment und seine theologische Begründung stets einschloß. Desgleichen könnte man geltend machen, daß in der Nachfolge der aristotelischen ,Topik' auch im Peripatos die elementare Dialektik ihre Stätte gehabt hat216 und daß daher Arkesilaos an beide klassische Schulen habe anknüpfen können. Indessen ist die Ältere Akademie die eigentliche Konkurrentin der Stoa gewesen, vor allem im Kernbereich der Ethik, wo der Polemonschüler Zenon akademische Lehren usurpiert zu haben scheint217, und es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Arkesilaos die generelle Aporie erst als Akademiker in die Dialektik inauguriert hat, die als solche naturgemäß primär diejenige der Akademie gewesen ist218. Was endlich Pyrrhon angeht, so war der Fortschritt von der speziellen zur generellen Aporie auch ohne sein ί1β

Das Material gesammelt bei T H R O M 171 ff., M O R A U X 300 ff. Vgl. bes. D. L . V 3, Quint. X I I 25, Alex. Aphr. in top. = CAG II 2 p. 27, 7 ff. W . 217 Vgl. grundsätzlich unten S. 230 Anm. 179. 218 Dafür spricht auch die theologische Begründung, die nur der Akademie, nicht aber dem Peripatos entnommen sein kann.

58

Ältere und Neuere Akademie

Beispiel allein aus den Erfordernissen der Konfliktsituation heraus möglich, wenngleich ihm dabei eine bestätigende oder befördernde Rolle zufallen mochte.

3. Die Umbildung der Ideenbeweise Die stoische Philosophie steht, wie in anderer Weise die epikureische, im Zeichen zweier verschiedener Tendenzen, die oft im Zwiespalt miteinander liegen und daher der neuakademischen Kritik immer wieder günstige Ansätze boten: Als Erbin der Kyniker und Megariker219 führt sie die sophistisch-sokratische Gegenposition zum Eleatismus bewußt weiter, und zwar in erklärter Abgrenzung von der gleichfalls durch Protagoras und Sokrates hindurchgegangenen, aber den Eleatismus kritisch erneuernden Ontologie von Piaton und Aristoteles. Aus dieser Tradition stammt der ausgesprochen diesseitige Grundzug der stoischen Lehre. Während jedoch Sophistik und Sokratik, ohne die Lehre vom Sv ov zu teilen, die Welt der Vielheit, des Werdens und der Wahrnehmung weitgehend in eleatischem Sinne interpretierten, nötigt das Autarkiebedürfnis des Frühhellenismus die Stoa zu einem diesseitigen Dogmatismus: Sie muß zum ersten Mal in der erkenntnistheoretisch verrufenen Wahrnehmungswelt eine Erkenntnislehre etablieren, die von der Erfahrung zum sicheren Wissen und zur Eudämonie aufsteigt. Die Schwierigkeit dieses Ansatzes, bei dem innerhalb des beliebig Wahrnehmbaren Wahres und Falsches zu scheiden ist, hat erst das Problem des Kriteriums hervorgerufen, das sich durch innere Evidenz ausweist, hat aber auch die Neuakademiker dazu herausgefordert, dagegen im Namen und mit den Mitteln eben jener sophistisch-sokratischen, zuletzt von der eleatischen Bewertung der Wahrnehmungswelt herkommenden Tradition anzugehen, auf die sich die Stoiker in anderer Weise selbst beriefen. In der akademischen Polemik gegen das Kriterium der φαντασία καταληπτική ist daher das geschichtlich älteste Substrat nicht schon das 219

Zur philosophiegeschichtlichen Bedeutung der Megariker als Vorläufer der Stoa ausgezeichnet C. A. VIANO, La dialettica stoica, Riv. di Filos. 49, 1958, bes. 186 ff., 204 ff. ('Zenone e la trasformazione stoica della dialettica megarica').

Die Umbildung der Ideenbeweise

59

platonische, sondern das eleatisch-megarische: Bekannte Argumentationsformen der Akademiker wie der σωρίτης, der έγκεκαλυμμένος λόγος220, aber auch der berühmte ψευδόμενος (sc. άνθρωπος)221, gehen auf den Megariker Eubulides von Milet, den Zeitgenossen des Aristoteles, zurück, dem noch zahlreiche weitere Fangschlüsse zugeschrieben werden222. Der „Haufenschluß" läßt sich im Prinzip bereits bei Zenon von Elea nachweisen (Beispiel vom Kornscheffel)223. Es handelt sich in allen diesen Fällen um Instrumente jener destruktiv-eristischen Dialektik, die in ursprünglich ontologischer Absicht die Welt der Vielheit als in sich widersprüchlich und logisch nicht faßbar erweisen sollte und die - später vorzugsweise von den Megarikern vertreten - in hellenistischer Zeit häufig als die Dialektik schlechthin galt224. Während die Stoiker sich früh mit dieser megarischen Dialektik auseinandersetzten und sie teils - wie bei der Implikationstheorie des συνημμένον228 - in ihre eigene Dialektik übernahmen und weiter ausgestalteten, teils seit Chrysipp wenigstens zu neutralisieren suchten226, machten sich die Neuakademi-

220

221

Der έγκεκαλυμμένος Sext. Emp. V I I 410 nach Karneades; zum Sorites unten S. 75 & Zur Verwendung bei den Neuakademikern Cie. Ac. I I 95, 147; div. I I 1 1 ; Plut. comm. not. 1059 D - F ; Aug. C. Acad. I I 5, 1 1 , und dazu A. RÜSTOW, Der Lügner. Theorie, Geschichte und Auflösung, Diss. Erlangen 1910, 86 ff.; vgl. a u c h GOEDECKEMEYER 56.

222

D. L. I I 108: Εύβουλίδης δ Μιλήσιος, δς καΐ πολλούς έν διαλεκτική λόγους ήρώτησε, τόν τε ψενδόμενον καΐ τόν διαλανθάνοντα καΐ Ήλέκτραν και έγκεκαλνμμένον καΐ σωρίχην καΐ κερατίνην και φαλακρόν. Vgl. I I H I : Diodoros Kronos πρώτος δόξας εύρηκέναι τόν έγκεκαλνμμένον καΐ κερατίνην λόγον κατά τινας, vgl. dessen κυριεύων λόγος. Zur Erklärung der einzelnen λόγοι PRAECHTER, Grundriß 157. Über E u b u l i d e s NATORP R E V I 1 ( 1 9 0 7 ) s. v . ' E u b u l i d e s ' N r . 8, S p . 8 7 0 ; RÜSTOW

223

224

a. O. 42 ff. Der ψευδόμενος wohl bereits greifbar b. Arist. Soph. El. 25, 180 a 39 ff., ähnlich der έγκεκαλυμμένος 24, 179 a 33 ff. Arist. Phys. Η 5, 250 a 9 ff., Simpl. in phys. 1108, 18 ff. D. = VS 29 A 29. Das Argument zeigt ausgesprochen dialektischen Charakter, denn es wird in der Form von (wiederholter) Frage und Antwort entwickelt (zusammenfassend: ό μέν οδν Ζήνων οΰτως ήρώτα τόν λόγον), die freilich kaum auf Zenon selbst zurückgeht, vgl. zuletzt W. K. C. GUTHRIE I I 81. Vgl. Cie. Ac. I I 49: genus interrogationis, I I 92: vitiosum interrogandi genus. V g l . P . NATORP R E V ( 1 9 0 5 ) s. v . ' D i a l e k t i k e r ' S p . 3 2 1 . D i e M e g a r i k e r a l s

διαλεκτικοί ζ. Β. D. L. I I 106, vgl. 108, 1x1 und oben Anm. 55. Vgl. Sext. E m p . Η. P. I I 110, adv. math. I 309 ff., V I I I 1 1 3 ff.; Cie. Ac. I I 143; dazu Μ. HURST, Implication in the fourth century Β. C., Mind 44, 1935. 484 ff.; Β. MATES, Diodorean implication, The Philos. Rev. 58, 1949, 234 FF. sowie die meisten Darstellungen der stoischen Logik. 22« S V F I I 270-287. Vgl. bes. D. L. V I I 44, 82 mit der Aufzählung der wichtigsten Sophismata (Fangschlüsse). 225

60

Ältere und Neuere Akademie

ker vor allem den Sorites in verschiedener Weise zunutze, um den stoischen Sensualismus und sein Kriterium zu erschüttern. Der Anschluß an die megarische Argumentationstechnik lag um so näher, als sie handliche Formeln und Topoi der Polemik bereitstellte. E s wird sich indessen im folgenden zeigen 227 , daß die Neuakademiker die megarischen Sophismata nirgends rein übernommen haben, sondern daß selbst in den Sorites die platonische Tradition maßgeblich hineinwirkt. In besonderem Maße trifft dies jedoch für das Prinzip der Aparallaxie zu, demzufolge sich die von der stoischen Erkenntnistheorie postulierten „Unterschiede" in der Wahrnehmungswelt - etwa zwischen wahren und falschen Eindrücken - durchweg nicht mit Sicherheit feststellen lassen, so daß die Möglichkeit der Verwechslung stets offenbleibt. Gigon 228 hat bereits darauf hingewiesen, daß die Nichtidentifizierbarkeit der einzelnen Wahrnehmung, auf der die Neuakademiker gegenüber den Stoikern insistieren, platonischer Herkunft ist und auf das platonische Zwei-Welten-Modell zurückgeht. Zwar fällt es nicht schwer, auch dafür zuletzt das eleatisch-zenonische Vorbild verantwortlich zu machen, wie es Piaton selbst im Eingang des ,Parmenides' darstellt (127 D ff.). Doch liegt Piaton nicht nur chronologisch und als Archeget der Akademie näher, sondern auch deshalb, weil die Neuakademiker nachweisbar von einer Kritik der Wahrnehmungswelt ausgehen, die nicht das eleatische lv 6v, sondern die platonische Ideenlehre voraussetzt. Zunächst sei an einige Texte des Corpus Platonicum erinnert, die in eleatischer Nachfolge das Prinzip der Aparallaxie des Wahrnehmbaren in wesentlichen Punkten präformieren, ja der Sache nach bereits enthalten. Schon der .Phaidon' formuliert allgemein, daß die πολλά καλά im Gegensatz zum αύτό καλόν οΰτε αυτά αύτοϊς ουτε άλλήλοις ούδέποτε ώς έπος ειπείν ούδαμώς κατά ταυτά έχει (78 Ε), was das .Symposion' im einzelnen präzisiert: (τό καλόν αύτό) ού τη μέν καλόν, τη δ' αίσχρόν, ούδέ τοτέ μέν, τοτέ δέ oö, ούδέ πρός μέν τό καλόν, πρός δέ τό αίσχρόν, ούδ' ένθα μέν καλόν, ένθα δέ αίσχρόν, ώς τισί μέν δν καλόν, τισί δέ αίσχρόν (211 A). Die .Politeia' erweitert den Gedankengang, wenn sie nicht nur die πολλά καλά, sondern auch die πολλά δίκαια, δσια, διπλάσια, μεγάλα, σμικρά, κοϋφα, βαρέα usf. zugleich als ihr Gegenteil (τάναντία) erscheinen (φαίνε227

a2e

Vgl. den folgenden Abschnitt S. 76 ff. GIGON

51-53.

D i e U m b i l d u n g der Ideenbeweise

61

ται) und gleichsam schwanken (έπαμφοτερίζειν) läßt, so daß man nicht sagen kann, ob sie das sind oder nicht sind (πότερον ούν έστι μάλλον ή ουκ έστιν), als was man sie bezeichnet (479 Α ff.)229. Die Einzeldinge sind nicht mit sich selbst identisch und daher auch nicht fixierbar und identifizierbar. Etwas später kommt Piaton auf die hinführende Funktion zu sprechen, die eine solche der Wahrnehmung entspringende (έπειδάν ή αΐσθησις μηδέν μάλλον τούτο ή τδ έναντίον δηλοΐ 523 C) Aporie (άπορεΐν 524 Α η, Ε 5) für die noetische Erkenntnis besitzt. Die Belege ließen sich anhand der späteren Dialoge Piatons wie des .Parmenides' (127 ff.), .Theaitet' (157 Α ff.), .Timaios' (27 D f., 49 C ff.), ,Philebos' (24 Β ff.) oder des Siebten Briefes (343 A) leicht vermehren. Doch bleibt es auch hier fraglich, ob die Neuakademiker sich primär an Piatons Schriften und nicht vielmehr an der lebendigen Kontinuität der akademischen Schule orientiert haben, für die es an einschlägigen Zeugnissen keineswegs fehlt. So berichtet Hermodor230 vom Materialprinzip der Wahrnehmungswelt aus den άγραφα δόγματα Piatons: τω τοιούτω δέ ού προσήκειν ουτε άρχής οΰτε ουσίας, άλλ' έν άκρισία τινί φέρεσθαι - ein „unentschiedener Zustand" also, der seinerseits der Zweideutigkeit aller Phänomene der Wahrnehmung zugrunde liegt. Xenokrates greift diesen. Gedanken sichtlich auf, wenn er das Materialprinzip als das „Immerfließende" (άέναον) bezeichnet, wobei dem Doxographen zufolge zugleich etymologisierend auf den Charakter der Vielheit (ά-έν), ja, wie man hinzufügen mag, nach Art Hermodors auch auf den des Nichtseienden (ά-δν) angespielt ist (fr 28 H.) 231 . Daß die Vorstellung vom Fluß der Sinnenwelt in der .Timaios'-Interpretation des Xenokrates und vermutlich auch Krantors auf die aporetische Akademie eingewirkt haben kann, wird weiterhin durch folgende Texte nahegelegt:

229

V g l . C 3 ff.: και οϋτ' είναι οΰτε μή είναι ουδέν αύτών δυνατόν παγίως νοήσαι, οΰτε άμφότερα ουτε ούδέτερον. - D e r eleatische H i n t e r g r u n d a m deutlichsten 4 7 7 A ι : D i e γνώσις r i c h t e t sich auf das ov. πώς γάρ αν μή Öv γέ τι γνωσθεΐη; — P i a t o n l e g t dort b e k a n n t l i c h das S c h w a n k e n zwischen Sein u n d N i c h t s e i n auf eine ontologische Zwischenstellung zwischen δν (Idee) u n d μή 6v h i n aus.

230

Simpl. in p h y s . 248, 14 f. D . =

231

A e t . P l a c . I 3, 2 3 : Ξενοκράτης συνεστάναι τ£> παν έκ τοϋ ένός καΐ τοϋ άενάου, άέναον τήν ΰλην αίνιττόμενος δια τοϋ πλήθους. Zur d o p p e l t e n E t y m o l o g i e u n t e n S. 1 1 9 A n m . 54, A n m . 60 (H. CHERNISS, J. WIPPERN). - A u c h die weniger angehobene als vielmehr systematisierte Rolle der αϊσθησις bei Speusipp (fr 29 L.) u n d X e n o k r a t e s (fr 5 H.) ändert a n diesem B e f u n d nichts Wesentliches (vgl. GIGON 50).

T e s t . P l a t . 31 p. 496 GAISER.

Ältere und Neuere Akademie

62 PI. Tim. 27 D f.:

Cie. Ac. I 30 f.:

Cie. Or. 3,10:

τί τί> δν άεί, γένεσιν δέ ούκ έχον, καΐ τί τδ γιγνόμενον μέν άεί, δν δέ ουδέποτε; τί> μέν δή νοήσει μετά λόγου περιληπτόν, άεί κατά ταύτά βν, τό δ' αΰ δόξΐ] μετ' αίσθήσεως αλόγου δοξαστόν, γιγνόμενον και άπολλνμενον, όντως δέ ουδέποτε δν.

mentem volebant rerum esse iudicem . . quia sola cerneret id quod semper esset simplex et unius modi et tale quale esset. . sensus autem omnis hebetes et tardos esse arbitrabantur nec percipere ullo modo res . . quod essent . . ita mobiles et concitatae ut nihil umquam unum esset et constans, ne idem quidem, quia continenter laberentur et fluerent omnia, itaque hanc omnem partem rerum opinabilem appellabant.

has rerum formas appellat ιδέας ille . . gravissimus auetor et magister Plato easque gigni negat . . cetera nasci occidere, fluere labi nec diutius esse uno et eodem statu.

Die beiden auf Antiochos 232 zurückgehenden Cicero-Texte lassen jeweils den Zusammenhang mit dem .Timaios' erkennen 233 , gehen aber durch die Flußlehre darüber hinaus, die ihrerseits an das Immerfließende des Xenokrates erinnert 234 . Das Bild vom Fluß der Wahrnehmungswelt erhält dabei durch die Ausdrucksweise (nec pereipere ullo modo) einen aktuellen erkenntniskritischen, neuakademischen Ac. I 14; 35. Für die Stelle des Orator' W. Theiler, Die Vorbereitung des Neuplatonismus, 19642, 40 und Vorwort zum Neudruck; zuletzt Burkert 190 f. Anm. 45. 288 Der Zusammenhang ist im ersten Referat vor allem durch den Schlußsatz, im zweiten auch durch den (hier nicht abgedruckten) Kontext gegeben, vgl. dazu W. Theiler a. O. 17; E. Birmelin, Philol. 88, 1933, 404 f., 408 ff.; Verf., Theologie und Philosophie 44, 1969, 492 ä. Vgl. ferner das akademische Doxographon Cie. Ac. II 118 fin. (Plato ex materia in se omnia reeipiente mundum factum esse censet a deo sempiternum). 284 Ygi Numenios fr 12 Leemans: ποταμός γαρ ή ύλη ^οώδης καΐ όξύ^οπος, fr 20 L.: Die ΰλη ( = die δυάς) ρέουσα, fluida Test. 3° Ρ· 9 2 . ι8 L. (wahrscheinlich nach Xenokrates, vgl. Verf. UGM 78). 23a

Die Umbildung der Ideenbeweise

63

Akzent 236 . Sie tritt deutlicher hervor in zwei verwandten Texten, die in ausgesprochen skeptischem Zusammenhang begegnen. Es handelt sich um die von Bignone und anderen eingehend behandelte und diskutierte23® Auseinandersetzung des Epikureers Diogenes von Oinoanda mit der durch die Flußlehre begründeten Akatalepsie des „Aristoteles" und die von Pisano237 beigebrachte Parallele über Piaton bei Sextus VIII 6f.: Diog. Oen. fr 4 Grilli und Chil-

S. Ε. adv. math. V I I I 6 f . :

ton 238 : δταν γάρ άκατάλημπτα φάσκωσιν εί-

οί δέ περί τ6ν Πλάτωνα . . μόνα τά

ναι τά πράγματα, τί άλλο φασίν ή δτι

νοητά ύπενόησαν αληθή είναι . . ., δ

μή δεΐφυσιολογεΐνήμας; τίςγάρ αίρή-

δέ Πλάτων διά τά γίγνεσθαι μέν άεΐ

σεται ζητεΐν ά μήποθ' εΰρη; 'Αρι-

τά αισθητά, μηδέποτε δέ είναι, ποτα-

στοτέλης οΰν και οί τί>ν αύτδν Ά ρ ι -

μοϋ δίκην ρεούσης της ουσίας, ώστε

στο [τ] έλε ι . . . ίντες περίπατον ούδέν

ταύτά μή δύο τούς έλαχίστους χρό-

έπιστητόν φασιν είναι- ρεϊν γάρ αίεΐ

νους ύπομένειν, μηδέ έπιδέχεσθαι,

τά πράγματα και δι' οξύτητα της

καθάπερ έλεγε καΐ ό Άσκληπιάδης,

ρεύσεως τήν ήμετέραν έκφεύγειν άν-

δύο επιδείξεις διά τήν οξύτητα της

τίλημψιν. ημείς δέ τήν μέν ρεϋσιν

ροής.

αότήν όμολογοϋμεν, ού μέντοι και το οϋτως όξεϊαν αύτήν ύπάρχειν, ώστε μηδενΐ χρόνω τήν εκάστου φύσιν καταλημπτήν αίσθήσ[εσι είναι]. 286

286

Zur Bewertung der Sinne in demselben Text vgl. Stob. Eel. I p. 475 Nr. 18 W.H. = Aet. IV 9, 2 p. 396 b 17 ff. D.: οί δέ άπό της 'Ακαδημίας ύγιεϊς μέν, δτι δι' αύτών οΐόν τε ( U S E N E R : οϊονται L) λαβείν άληθινάς φαντασίας, ού μήν άκρφεΤς (sc. τάς αισθήσεις νομίζουσιν). Aet. IV 8, 13 zeigt, daß es sich primär um die Neuakademiker handelt. E. B I G N O N E , Nuove ricerche e testimonianze sulla prima dottrina e sulle opere perdute di Aristotele attraverso gü scritti degli Epicurei, Rivista di Filologia 61, 1933. 16 ff., 155 ff.; ders. A P I 1-58; ders. Aristotele e Diogene di Enoanda, Atene e Roma III 6, 1938, 214-232; R. P H I L I P P S O N , Diogenes von Oinoanda, R E Suppl. Bd. V (1931), Sp. 157 f., 169; ders. Diogene di Enoanda e Aristotele, Rivista di Filologia 66, 1938, 235-252; G . C A P O N E B R A G A , Aristotele e Diogene di Enoanda, Atene e Roma III 8, 1940, 35-47, später aufgenommen in den Sammelband G . C A P O N E B R A G A , Studi su Epicuro, Milano 1951, 36-46; G . P I S A N O , Colote, Epicuro e Diogene di Enoanda, Atene e Roma III 10, 1942, 67-75; A . G R I L L I , I frammenti dell' Epicureo Diogene da Enoanda, in: Studi di Filosofia greca in onore di R. Mondolfo, a cura di A L F I E R I e U N T E R S T E I N E R , Bari 1950, Note, 373 f.

237

PISANO a. O. 67

288

In der Textgestaltung folge ich

ff. CHILTONS

Ausgabe.

64

Ältere und Neuere Akademie

Da Philippsons Zurückführung des Diogenes-Referats auf Favorinus wenig Wahrscheinlichkeit besitzt und sich wohl mit Recht nicht durchgesetzt hat, wird man entweder mit Bignone an die Streitschrift des Kolotes gegen die übrigen Schulen denken müssen, in der dieser nach Plutarch (mor. 1115 A) Aristoteles, dem Peripatos und Xenokrates die Übereinstimmung mit der Lehre Piatons zugeschrieben hatte, oder an die freilich fernerstehende, bei Cicero zugrunde liegende Auffassung des Antiochos239 von der Einheit der altakademischen und der peripatetischen Lehre. Doch einerlei, ob hier wirklich zuletzt auf eine platonisierende Frühschrift des Aristoteles Bezug genommen wird240 oder an eine spätere philosophiegeschichtliche Konstruktion zu denken ist: Es handelt sich beim Referat des Diogenes wie bei den übrigen Belegen unbestreitbar um altakademisches Lehrgut, dessen Affinität zur „Skepsis" gewiß nicht erst späteren Epikureern aufgegangen ist, sondern das mit der Flußlehre der Wahrnehmungswelt den Aparallaxiegedanken der aporetischen Akademie unmittelbar vorbereitet haben dürfte. Wenn selbst in der mutmaßlichen Interpretation des Antiochos, der die Ältere von der Neueren Akademie gerade trennen wollte, die Darstellung der Älteren auf die Epikureer noch skeptisch wirkte, dann liegt darin ein starkes Argument für die Einwirkung der altakademischen Flußlehre auf die neuakademische Bestreitung des stoischen Sensualismus. Tatsächlich verknüpft Hippolytos Philos. 23 (D. Gr. 572, 20 ff. D.) die Flußlehre ausdrücklich mit der „akademischen Schule" der Akataleptiker, die allerdings sehr weit gefaßt ist und den Pyrrhonismus einschließt (ρευστήν τε είναι την ούσίαν πασαν καΐ μεταβλητην και μηδέποτε έν τω αύτω μένειν). Im Fortgang dieses Referats läßt sich jedoch der Einfluß des ,Timaios' ziemlich deutlich fassen, wenn den Akademikern teils die absolute Epochs (τήν άρχήν περί μηδενός άποφαίνεσθαι), teils die Enthaltung von der näheren Bestimmung oder die qualitative anstelle der Wesensbestimmung zugesprochen wird (oi δέ 239

240

Ζ. Β. Ac. I 30: tertia deinde philosophiae pars . . . sic tractabatur ab utrisque, 33: praeclaxe . . . explicatur Peripateticorum et Academiae veteris auctoritas. Der an der Parallelstelle bei Sextus erwähnte Asklepiades v. Bithynien war im übrigen (nach Sext. VII 201 f.) ein Zeitgenosse des Antiochos, der ihn in seinen κανονικά berücksichtigt haben soll. Der Hauptteil des Referats unter die Dialog-Testimonien des Aristoteles aufgenommen von R. WALZER (Arist. dial, fragm., Florenz 1934, Nachdruck Hildesheim 1963, p. 6) und von Ross (Arist. fragm. sei., Oxf. 1955, P· 5)· Die neuere Diskussion hat indessen der These Jaegers und Bignones vom Aristoteles platonizans mehr und mehr den Boden entzogen.

Die Umbildung der Ideenbeweise

65

τί> μάλλον προσέθεσαν λέγοντες ου μάλλον τό πϋρ πυρ είναι ή αλλο τι. ού μέντοι άπεφήναντο αύτί> > τί έστιν, άλλα τί> τοιόνδε)2*1. Der Gedankengang entspricht bis in die Wahl des Beispiels hinein (πϋρ) einer Partie im Mittelteil des jTimaios'242. Es ist nun auffällig, daß auch das Referat des Diogenes von Oinoanda die Flußlehre der „skeptischen" Gegner durch ein von diesen angeführtes Beispiel illustriert, bei dem es sich, wie die Reste der hier beschädigten Inschrift noch mit einiger Sicherheit erkennen lassen, um den Wechsel des Schwarzen (μέλαν) und des Weißen (λευκόν) im Bereich des Wahrnehmbaren handelt243. Dasselbe Beispiel begegnet nämlich auch an der genannten .Timaios'-Stelle, und zwar als zweites Paradigma neben dem vom Feuer (τδ δέ όποιονοϋν τι, θερμόν ή λευκόν ή καΐ ότιοΰν των εναντίων . . . μηδέν εκείνο αδ τούτων καλεΐν: 50 Α). Dahinter steht eine Einteilung der Gegensätze, die in der akademischen Schule mit denselben Paradigmen weitergewirkt hat244. Nimmt man alles zusammen, so drängt sich die Annahme auf, daß die Flußlehre in Gestalt einer ,Timaios'-Interpretation246, die sehr wahrscheinlich diejenige des Xenokrates und seiner Nachfolger gewesen ist, zu den Neuakademikern herreicht und daß sie ferner, wie Hippolytos zeigt, mit dem Prinzip der Aparallaxie aufs engste zusammenhängt. Die aporetische Akademie hat den Gedanken der Nichtidentifizierbarkeit des Wahrnehmbaren im Bück auf das stoische Kriterium dahin zugespitzt, daß sich wahre und falsche Vorstellungen in ihrem Evidenzgrad nicht voneinander unterscheiden. Der historische Zusammenhang beschränkt sich jedoch nicht auf Beziehungen allgemeinerer Art, wie sie das Bild vom Fluß der Wahr241 Y g i d a m i t Karneades b. Sext. E m p . V I I 4 1 3 : τό μέν οΰτως αΰτό ποικίλλεσθαι γινώσκειν ήμας, τό δέ τί έστι τό κατ' άλήθειαν άγνοεΐν (nachgewiesen für χρώμα und σχήμα 4 1 4 : V^-Q αΰτό λεϊον καΐ τραχύ usw.). 242

49 C ff. Vgl. 'Theaitet' 1 5 7 Β . Der Zusammenhang ist erkannt auch von Ph. DE LACY, Phronesis 3, 1958, 68 mit der Folgerung: „it may reflect some authentic Academic tradition".

248

f r 4 col. I I I Z . 5 ff. p . 9 CHILTON, p . 3 6 GRILLI.

214

Die konträren Gegensätze (έναντία) waren in der Akademie nach Wertgesichtspunkten weiter untergeteilt, und zwar in die drei Gruppen άγαθόν - κακόν, ούδέτερον — οΰδέτερον, κακόν - κακόν, die durch bevorzugte Beispiele repräsentiert wurden: σπουδαϊον — φαϋλον, λευκόν — μέλαν, θερμόν - ψυχρόν. Vgl. ζ. Β . D i v . A r . N r . 2 7 D . L . , 2 3 c. M . , 6 8 c. M . p. 6 6 , 3 ίϊ. MUTSCHMANN, A r . C a t . 4 a

246

19 ff., 3 1 f., 1 3 a 2 1 ff.; Top. A 14, 105 b 34 ff. sowie HAMBRUCH 17. Vgl. die platonische Wendung οΰτε τά αύτά ουτε ωσαύτως ίνδάλλεται ήμϊν τά πράγματα b. Sextus V I I 425 (Karneades) mit dem Eingang des oben S. 62 ausgeschriebenen Textes aus Cie. Ac. I (30 f.).

66

Ältere und Neuere Akademie

nehmungswelt repräsentiert, sondern ist darüber hinaus spezieller, ja geradezu technischer Natur. Dort, wo Sextus Empiricus die Aparallaxie nach Karneades näher beschreibt, fällt bei den immer wiederkehrenden Beispielen von den einander gleichenden Eiern, Zwillingen, Siegelabdrücken u. dgl. eine doppelte Art der Argumentation ins Auge, bei der nicht nur negativ die Nichtidentifizierbarkeit des Einzelwesens registriert, sondern auch positiv das Allgemeine in Gestalt der Art oder Gattung ins Spiel gebracht wird, die sich bei der Suche nach der Individualität des Einzelnen immer wieder vordrängt: έπί, γαρ των όμοιων246 μεν κατά μορφήν, διαφερόντων δέ κατά τό ύποκείμενον άμήχανόν έστι διορίζειν την καταληπτικήν φαντασίαν άπό της ψευδοΰς και άκαταλήπτου (VII 4°9)· Beispielsweise wird bei Eiern, die einander völlig gleichen, auch der σοφός nicht sicher sagen können, ob ihm nur ein (Sv) Exemplar vorgezeigt wird oder immer wieder ein anderes (ή άλλο και άλλο). Entsprechendes gilt angesichts eines Nestes mit zahlreichen (πολλοί) Schlangen für die „Aporie, ob dasselbe oder ein anderes Exemplar (ό αύτός ή έτερος) sich daraus erhoben hat" (410). Hier kann augenscheinlich überall nur die Gattung, nicht aber das Individuum identifiziert werden. Die Identität des Individuums, das was Aristoteles und die Älteren Akademiker ταύτδ άριθμω nennen, läßt sich nicht fixieren; man stößt vielmehr bei dem Versuch, dies zu tun, immer wieder auf die Identität der Art und Gattung, unter die man aber nicht weiter bis ins Individuelle herabsteigen kann. Das Argument vom „Verhüllten" (έγκεκαλυμμένος λόγος), das Karneades in den Zusammenhang hineinzieht (410), gewinnt dadurch einen von der ursprünglichen megarischen Bedeutung ganz verschiedenen Sinn247. Die Darstellung des Sextus wird durch die Referate Ciceros in den ,Academica' bestätigt. Zunächst zeigt die stoisch inspirierte Polemik des Antiochos ebenso wie die Replik Ciceros, daß es den Akademikern nicht um bloße Ähnlichkeit (similitudo), sondern - im Sinne des späteren principium identitatis indiscernibilium - um Identität der Erschei2U 247

δμοιον hier nicht „ähnlich", sondern „gleichartig" im Sinne von artgleich. Der Fangschluß bezieht sich ursprünglich auf den simplen Widerspruch, daß man jemand, den man kennt, wenn er sich verhüllt, d. h. unkenntlich gemacht hat, sowohl kennt als auch nicht kennt. Als Beispiel wird Orest vor Elektra in der sophokleischen Tragödie angegeben (daher der „Verhüllte" wohl identisch mit dem Argument „Elektra"). Der Kern des Gedankenganges wird bei Karneades viel allgemeiner und grundsätzlicher gefaßt. Über den rein eristischen Charakter der megarischen Fangschlüsse (mit Ausnahme des Sori-

tes) treffend ZELLER I I i e , 2 6 5 .

Die Umbildung der Ideenbeweise

67

nungen zu tun war (eadem, eosdem, idem, eiusdem modi Ac. II 50, 52, 55. 56, 85 f.). Diese Identität ist natürlich keine faktische, derart, daß die Individuen tatsächlich zusammenfielen, sondern die phänomenale der gemeinsamen „Erscheinung", die zugleich die generischen Züge der „Art" trägt: quod interdum soletis dicere, cum visa in animos inprimantur, non vos id dicere, inter ipsas inpressiones nihil interesse, sed inter species et quasdam formas eorurn sc. visorum (II 58). Mit dem Hendiadyoin wird dieselbe Vorstellung umschrieben, die das Referat des Sextus mit μορφή wiedergibt. Karneades, auf den beide Berichte zuletzt zurückgehen, hat offenbar in einem doppelten Sinne vom Begriff des ,Eidos' Gebrauch gemacht: im ursprünglichen Sinne der „Erscheinung" und „Gestalt" (μορφή, species) in Anlehnung und mit Rücksicht auf die stoische φαντασία, und im Sinne der Identität der Art und Gattung, hinter der die tatsächlichen Unterschiede der Individuen gleichsam verschwinden. Dies bedeutet nicht, daß Karneades in irgendeiner Weise die Ideenlehre Piatons oder die Eidoslehre des Aristoteles erneuert hätte, sondern lediglich, daß er gewisse Denkweisen, die die klassische Philosophie des vierten Jahrhunderts dem Verhältnis von Einzelnem und Allgemeinem abgewonnen hatte, sich rein argumentativ zunutze machte. Ciceros ,Academica' zeigen genauer, daß die communitas, das κοινόν zwischen verschiedenen Exemplaren (in pluribus) gemeint ist248 - ein logisches Verhältnis, mit dem sich kein ontologischer Anspruch verbindet. Karneades ist damit von der platonischen und der aristotelischen Eidoslehre gleich weit entfernt 249 . Daß jedoch die Argumentation im ganzen - trotz der gelegentlich aristotelisierenden Terminologie - mehr auf die erstere weist, zeigt der Vergleich mit der Älteren Akademie: Karneades geht es in der Auseinandersetzung mit dem stoischen Sensualismus um das erkenntnistheoretische Problem, inwieweit dem Einzelnen die Qualität des άληθές zukommt und ob sie dem menschlichen Erkennen in eindeutiger Weise zugänglich ist (καταληπτόν). Er verneint den entscheidenden zweiten Teil der Frage mit dem Hinweis 248

219

Ac. II 34: in eo sc. viso autem si erit communitas cum falso, nullum erit iudicium, quia proprium in communi signo notari non potest, 54: nec sit in duobus aut pluribus nulla re differens ulla communitas ? vgl. 33. Terminologisch schließt sich Karneades weitgehend der stoischen Unterscheidung von κοινώς und ιδίως ποιά an (vgl. Anm. 250), von denen die ersteren die Arten und Gattungen umfassen. Vgl. S V F II 378, 395-398 und dazu Μ. E. REESOR, The Stoic concept of quality, A J P h 75, 1954, 5 2 '· J · M. RIST, Stoic Philosophy, 1969, 164-167.

68

Ältere und Neuere Akademie

darauf, daß streng genommen Identifizierung und Unterscheidung (distinctio Cie. Ac. II 86) nur im Bereich des κοινόν möglich sind, während sich das von der stoischen Erkenntnislehre postulierte ίδιον, die propria nota des Einzelnen260, dem erkennenden Zugriff wesentlich entzieht. Karneades konnte mit dieser Position innerhalb des älteren Piatonismus vor allem an denjenigen Teil des Systems anknüpfen, in dem das Problem des Einzelnen und des Allgemeinen nach seiner erkenntnistheoretischen Seite hin zusammenhängend durchdiskutiert worden war: an die systematisierte Form der Ideenlehre in der akademischen Schule, wie sie in den sogenannten Ideenbeweisen vorliegt, die am ausführlichsten in den Extrakten aus der aristotelischen Schrift περί ιδεών überliefert sind. Von den vier Hauptgruppen von Argumenten, die die »Metaphysik' aufführt 261 : den λόγοι έκ των επιστημών, denen κατά xb Ιν επί πολλών κατηγορούμενον, κατά τδ νοεΐν τι φθαρέντος262 und den ακριβέστεροι λόγοι ist vornehmlich die erste Gruppe aufschlußreich, weil sie das erkenntnistheoretische Problem besonders deutlich formuliert. Diese Gruppe ist im Umriß bereits im fünften Buch von Piatons ,Politeia' erkennbar (475 B-480 A), und es darf im Hinblick auf die im Eingang des ,Parmenides' hervortretenden Gegenargumente vermutet werden, daß die weiter ausgeführte, systematisierte Form nach Art der aristotelischen Ideenschrift bereits im Hintergrund der ,Politeia' steht263. Während schon die Darstellung der ,Politeia' jede Art von επιστήμη und γνώσις mit der generischen Einzigkeit (έν) ihres Gegenstandes - im Unterschied zur Vielheit (πολλά) seiner einzelnen Abbilder264 - und ferner mit seinem Charakter der Selbstidentität (άεί κατά ταντά ωσαύτως έχον)256 - im Gegensatz zur inneren Widersprüchlichkeit der Wahrnehmungswelt 266 - verknüpft, erscheinen in den akademischen Referaten aus περί ιδεών drei klar voneinander abgegrenzte267, 260

Cie. Ac. II 33, 34, 35, 36, 56, 69, 71, 84, 101, 103 f" 1 ·. vgl· 1 1 0 u ; n. d. I 12, div. II 128. Vgl. Ιδίωμα b. Sext. Emp. V I I 408, 411 nach Karneades. nota gibt σημεϊον wieder, zur Einordnung in die stoische Logik S V F II 221 und

251

Met. A 9, 990 b I I ff.; Μ 4, 1079 a 7 ff. Dazu im Folgenden S. 72. M. UNTERSTEINER, Piatone, Repubblica, Libro X , studio introduttivo, testo greco e commento, Neapel 19663, 122 ff., 128 f., 246, findet das Argument vom τρίτος άνθρωπος bereits in der 'Politeia' berücksichtigt. 476 A, 479 A, vgl. E . 479 A 2, Ε 7 f., 480 Β 4. Vgl. oben S. 60 f. Alex, in met. 79, 5-8; 8 - 1 1 ; 1 1 - 1 5 Η.

SCHMEKEL 1 9 3 8 S . 353. 252 259

264 265 258 267

Die Umbildung der Ideenbeweise

69

präzise formulierte λόγοι έκ των επιστημών, die den Zusammenhang von έπιστήμη und Ideenlehre unter den drei Aspekten der Einzigkeit und Identität (προς εν τι και το αυτό)268, der Begrenztheit und Bestimmtheit (αϊ δέ έπιστημαι ώρισμένων im Gegensatz zu den άπειρα τε και αόριστα καθ' έκαστα) und der Allgemeingültigkeit (άπλώς, αύτό καθ' αυτό im Gegensatz zu den Einzelfällen) des Gegenstandes herausarbeiten (Alex. Aphr. in metaph. 79, 3 ff. H.)269. Einzelne Formulierungen der übrigen Argumentationsgruppen treten explizierend und ergänzend hinzu, so etwa, wenn die Veränderlichkeit der Wahrnehmungswelt hervorgehoben280 und ihr die Exaktheit abgesprochen wird (ουδέ άκριβώς)261. - Die Einwände des Aristoteles machen geltend, daß die Beweise έκ των επιστήμων zwar auf τινά παρά τά καθ' έκαστα και αισθητά, aber noch nicht auf ίδέαι im Sinne substantieller und transzendenter Wesenheiten führen: ίστι γάρ παρά τά καθ' έκαστα τά κοινά, ών φαμεν καΐ τάς έπιστήμας είναι (Alex, in met. 79. ^ f.)262. Diese Korrektur, die die Beweise im Grundsätzlichen anerkennt, aber in ihrer ontologischen Tragweite reduziert, führt nicht etwa, wie man gemeint hat263, zur aristotelischen Eidoslehre, die selbst noch durchaus substantiell bestimmt ist, sondern zu jenem entsubstantialisierten Gerüst der γένη, des καθόλου, das die aristotelische Ontologie später neben den άτομα είδη als den eigentlichen Seinsträgern mit sich führt. Es war ferner im vorigen anhand des dialektischen Charakters der Ideenschrift darauf hinzuweisen2®4, daß es voreilig wäre, die Gegenargumente allein Aristoteles und nicht zu einem guten Teil der akademischen Diskussion zuzuschreiben. Gerade der Begriff des κοινόν im Sinne des nichtsubstantiell Allgemeinen ist nach D.L. IV 2 = Test. 4 Lang und Arist. Top. A 18 (108 b 22 ff.) für Speusipp, den akademischen Gegner der Ideenlehre, charakteristisch gewesen, der offenbar in seiner Ontologie schon vor Aristoteles, aber 258 Y g i auch yg, 20; 81, 14; 17 (πρύς £ν τι); 8o, 14; 20 (fiv έπί πολλοίς, έπΐ πολλών, vgl. 'Parmenides' 131 Β 1, 9); 82, 12 f. (μίαν τινά δηλοϋν φύσιν); 82, 12 (ταύτόν τι); 83, 7 (ό αύτός . . . λόγος). 2ä »

= f r 1 8 7 ROSE 3 = f r 3 R o s s p . 122.

280

p. 83, 8—10 Η.: κινείται γάρ τ6 ποσόν έν τοις αίσθητοΐς καΐ μεταβάλλει συνεχώς και, ούκ ϊστιν άφωρισμένον.

261

ρ. 83, ί ο Η.

262

Vgl. 85, 21: τό κοινόν; 8ι, g; 10 f.; vgl. 20; 83, 3 4 8 4 , 3 (τό κοινώς κατηγορούμενον, τά κοινώς κατηγορούμενα). Ζ. Β. Ε. BERTI, L a Füosofia del primo Aristotele, Padua 1962, 211, 232, 242, 246 ff., 553, der die Kritik des Aristoteles lediglich auf den Chorismos der Idee bezieht. S. 30 Anm. 122.

2,8

264

70

Ältere und Neuere Akademie

noch radikaler als dieser, das Allgemeine als Gegenstand des Wissens auf einen ontisch entmächtigten Status reduziert hat. Man wird deshalb damit rechnen können, daß das Verhältnis von Allgemeinem und Einzelnem, von γένος (καθόλου) und καθ' εκαστον, von κοινών (δμοιον) und ΐδιον in der Akademie bereits in einer umfassenderen Weise diskutiert worden ist, die über den engeren Streit um die Ideenlehre eigentlich schon hinaus war2®5. Als Fazit der akademischen Debatten wird man daher Folgendes verbuchen: Erkennen im strengen Sinn, zumal als Wissenschaft (επιστήμη), kann es vom Einzelnen und Wahrnehmbaren bei seiner Unbestimmtheit und Veränderlichkeit nicht geben, wohl aber vom - ontologisch wie immer verstandenen - Allgemeinen. Nun gibt es aber wissenschaftliches Erkennen. Also, so lautet die Folgerung, gibt es notwendig außer den Einzeldingen (παρά τα καθ' έκαστα) auch ein Allgemeines. Die bei Sextus und Cicero faßbaren neuakademischen Argumente kehren nun diese Gedankenfolge in charakteristischer Weise um: Erkennen im Sinne der Identifizierung und Unterscheidung gibt es allenfalls im Bereich des Allgemeinen. Auch wo man das Ϊδιον des Einzelnen erkennend zu erfassen sucht, stößt man immer nur auf das κοινόν. Also, so lautet die Schlußfolgerung, sind wir wesentlich außerstande, das Einzelne in seiner Individualität sicher zu erfassen. Obwohl die Elemente der Argumentation in beiden Fällen die gleichen sind, begegnen sie bei den späteren Akademikern in neuer Akzentuierung: Geht es ursprünglich um die Existenz des Allgemeinen, so im zweiten Falle negativ um die Nichterfaßbarkeit des Einzelnen. Was zuerst Ausgangspunkt ist, wird später zum Ergebnis, und umgekehrt. Daß die Neuakademiker sich dabei unmittelbar an die in ihrer Schule vorgegebenen Argumentationen angeschlossen und ihnen eine Wendung gegen den stoischen Sensualismus und damit gegen die Grundlagen der stoischen Erkenntnislehre gegeben haben, wird zusätzlich durch folgende Erwägungen nahegelegt : 4,5

Das 64. Stück der sogenannten Divisiones Aristoteleae des Codex Marcianus verwendet wie die Ideenschrift die Ausdrücke τό κοινόν κατηγορούμενον, κοινώς κατηγορείται (ρ. 63, 17 ί·. 2 1 ; ρ. 64, 3 f· MUTSCHMANN) und bezieht sie auf das γένος mehrerer είδη. Zur akademischen Abkunft dieses Textes, der die Ideenlehre offenbar schon hinter sich gelassen hat (CHERNISS, Criticism 524; ders. The Riddle of the Early Academy, 1 9 6 2 2 , 4 1 ) , ausführlich HAMBRUCH 6 ff., der 25 (mit Anm. 3) auf Hipp, maior 300 Α und Arist. Top. A 18, 108 b 27 ff. hinweist. Vgl. im übrigen die "Ομοια Speusipps.

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ι. Die altakademischen Argumentationen kehren an der Ideenlehre den erkenntnistheoretischen Aspekt hervor26®, und die Erkenntnistheorie steht auch im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Stoa und Neuerer Akademie. Die Bedeutung des Allgemeinen für das Erkennen und sein Verhältnis zum Einzelnen ist ferner weder vorher noch später so energisch und intensiv diskutiert worden wie in den Debatten der Älteren Akademie. 2. Die Begriffe der Identität (ταύτό, idem, par) und Differenz (έτερον, differens, distinctum), aber auch die der Einheit (έν) und Vielheit (πολλά, multa, pluria), mit denen die Späteren beständig operieren, sind Grundbegriffe der altakademischen Dialektik, die gerade in den Ideenbeweisen eine Rolle spielen287 und die ferner in der Akademie schon graduell abgestuft - Einheit bzw. Identität nach Zahl, Art, Gattung, Analogie - verwendet worden sind2®8. 3. Die · Charaktere der Wahrnehmungswelt in περί ιδεών (άπειρα, άόριστα, κίνησις, μεταβολή, mangelnde ακρίβεια), die durch die xenokratische Flußlehre zu ergänzen sind, entsprechen durchweg dem, was im vorigen über die Auffassung der Wahrnehmungswelt bei den Neuakademikern ausgemacht werden konnte. Auch der weitere Rahmen, in dem sich die speziellen Erörterungen zur Aparallaxie bewegen, ist demnach altakademischer Herkunft. Es bedarf wohl keiner eigenen Darlegung, daß die Neuakademiker nicht von den unvollständigen Äußerungen der ,Politeia' oder gar des ,Theaitet'2®9, sondern von der systematisch-technischen, um nicht zu sagen scholastischen, Fassung der Ideenbeweise in der Akademie aus2ee Ygi ρ Wilpert, Zwei arist. Frühschriften über die Ideenlehre, Regensburg 1949. 5 1 f· zur arist. Ideenschrift („erkenntniskritische Reflexion", „die ontologischen Probleme . . . werden selbst erkenntnistheoretisch gefaßt", „Eine starke Neigung zu logisch-erkenntnistheoretischer Fragestellung . . ."); vgl. I. Düring, Aristoteles, 246. 267 Vgl. S. 69 Anm. 258, insbesondere den Ausdruck ίν έπΐ πολλοίς (πολλών) oder die καθ' έκαστα als όίπειρά τε καΐ άόριστα (ΑΙ. in met. 79. 1 0 Η.). 2.8 Vgl. J. Sxenzel, Kleine Schriften ζ. gr. Philosophie, 1956, 194 ff.; ders. ZG3, 159 ff., 165 f., vgl. 157; und zuletzt mit weiterem Material Verf., Rh. Mus. i n , 2.9

1968, b e s . 299-303.

Ebensowenig natürlich von der aristotelischen Frühschrift über die Ideen, zumal da genügend viele Schriften anderer Akademiker über die Ideenlehre vorlagen (Xenokrates περί ιδεών α', περί ειδών α' D. L. IV 12, περί γενών καΐ ειδών α' IV 13, Speusipp περί γενών καΐ ειδών παραδειγμάτων D. L. IV 5. Herakleides περί ειδών α' D. L. V 88). - Viel ferner stehen die speziell auf όρισμός und άπόδειξις zugespitzten eigenen Äußerungen des Aristoteles über die Unerkennbarkeit des Einzelnen (ζ. B. Metaph. Ζ 15, Μ ίο).

β Krftmer, Platonismua

Ältere und Neuere Akademie

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gegangen sind. Dafür spricht auch - außer der erkenntnistheoretischen Wendung - die Chronologie, derzufolge die akademischen Ideenbeweise - als Schulgut über Jahrzehnte hin immer wieder diskutiert, verbessert, im Unterricht gelehrt und nachgelernt - bis an die Schwelle der Neueren Akademie hin weitergegeben werden konnten. Daß dies in der Tat der Fall gewesen ist, läßt sich wahrscheinlich machen. Wie die akademischen Argumente für Atomgrößen nach dem Ausweis der Schrift περί άτόμων γραμμών bis in die Zeit Theophrasts Gegenstand polemischer Kontroversen geblieben sind270, so läßt sich auch die Auseinandersetzung mit den Ideenbeweisen noch in späterer Zeit verfolgen, wobei nicht ihre Stichhaltigkeit, sondern ihre Originalität in Zweifel gezogen wurde: In seinen vier gegen den Piatonschüler Amyntas 271 gerichteten Büchern hat Alkimos, ein Schüler des auch als Kritiker der Ideenlehre hervorgetretenen 272 Megarikers Stilpon, gegen Ende des vierten Jahrhunderts die Abhängigkeit Piatons von Epicharm nachzuweisen versucht. In den von Diogenes Laertios III 9 ff. erhaltenen Exzerpten wird Piaton neben Motiven aus dem ,Timaios' und ,Parmenides' (III 9/10273, 12/13) folgende Lehre zugeschrieben (III 15): Πλάτων έν τη περί των ιδεών ύπολήψει φησίν, εϊπερ εστί μνήμη, τάς ιδέας έν τοις οδσιν ύπάρχειν δια τδ την μνήμην ήρεμοϋντός τίνος καί μένοντος είναι· μένειν δέ ούδέ έτερον ή τάς Ιδέας. Der Gedankengang findet, wie Cherniss mit Recht festgestellt 274 hat , in den Dialogen Piatons keinerlei Anhalt. Er zeigt jedoch strukturell und inhaltlich eine starke Verwandtschaft 276 mit dem zweiten Ideenbeweis aus περί ιδεών, dem λόγος κατά τό νοεΐν τι φθαρέντος (Alex, in met. 81, 25 ff. Η.): εί έπειδάν νοώμεν άνθρωπον ή πεζί>ν ή ζωον27β, τών βντων τέ τι νοοϋμεν καί ούδέν τών καθ' έκαστον - και γάρ φθαρέντων τούτων μένει ή αυτή έννοια — δήλον ώς έστι παρά τά καθ' έκαστα και αισθητά δ καί δντων εκείνων καί μη δντων νοοϋμεν . . . τοϋτο δέ είδός τι καί ιδέα εστίν. «ο Vgl. Kap. I V S. 336 f. 271 Aufgeführt in der Schülerliste Ac. Phil. Ind. Here. p. 33 MEKLER, wahrscheinlich identisch mit dem gleichfalls aus Herakleia stammenden "Αμυκλος in der Schülerliste D. L. III 46, vgl. Eudemos fr 133 W. (p. 55, 22 W.) = Procl. in Eucl. Elem. p. 67 FRIEDLEIN. 272 D. L. II 119. 273 Auffallend die Flußlehre III 10: (αισθητών) . . . άεΐ ρέον καί μεταβάλλον. 271

CHERNISS 498.

276

CHERNISS 499 : ,.a close resemblance", „possibly . . . a further disfigurement of it". Es handelt sich bei den Beispielen deutlich um eine Abfolge von Art, Artunterschied und Gattung, vgl. dazu Div. Arist. c. M. Nr. 64.

278

Die Umbildung der Ideenbeweise

73

Hinzu kommt, daß Alexander kurz vorher (78, 15 H.) einen weiteren Ideenbeweis anführt, der wahrscheinlich gleichfalls aus περί ιδεών stammt 277 , aber dem des Alkimos genau entspricht: εί μνήμη έστιν, έστι τά είδη· ή γάρ μνήμη τοΰ μένοντος. Das Argument mußte als akademisch anerkannt sein, da es nur so der Zielsetzung des Alkimos dienen konnte278. Er hat es natürlich nicht der Jugendschrift des Aristoteles279, sondern den Lehrschriften, Vorlesungen oder anderen mündlichen Äußerungen akademischer Zeitgenossen entnommen. In welchen geschichtlichen Umkreis es gehört, zeigt der Fortgang des Alkimos-Referates, wo „Piaton" wörtlich zitiert wird: τίνα γάρ άν τρόπον, φησί, διεσφζετο τά ζώα μή της Ιδέας έφαπτόμενα καΐ πρός τούτο τ&ν νοϋν φυσικώς είληφότα; νυν δέ μνημονεύει της δμοιότητός τε καΐ τροφής . . . ένδεικνύμενα διότι πδσι τοις ζφοις έμφυτός έστιν ή της όμοιότητος θεωρία· διό καΐ τών ομοφύλων αισθάνεται. Diese unplatonische Lehre vom Nus der Tiere weist auf Xenokrates, der den άλογα ζωα eine έννοια περί τοϋ θείου zugeschrieben (fr. 21 Η.)280 und wie Speusipp auch der άλογος ψυχή Unsterblichkeit zugebilligt hatte (fr 75 H., vgl. fr 55 Lang). An Speusipp erinnert im besonderen die όμοιότητος θεωρία281. Da das Ideenargument mit dem Tierbeispiel fest zusammenhängt (ίδέα, μνημονεύει), wird man schließen können, daß das Argument bestimmt unter Xenokrates und wahrscheinlich noch in seiner Nachfolge in der Akademie im Gebrauch gewesen ist, was mit der anderweitig bekannten Chronologie des Alkimos 282 übereinkommt. Damit ist

277

P . W I L P E R T , F r ü h s c h r i f t e n 48 A n m . 5 5 ; I. DÜRING, A r i s t o t e l e s , 1 9 6 6 , 2 4 7 , v g l .

178

249. So sinngemäß auch K . GAISER, P U L 544 Komm, (der Text dort als Test. Plat. Nr. 65 eingeordnet).

278

S o g r u n d l o s D Ü R I N G a. O . 2 4 5 A n m . 5, 2 4 7 A n m .

280

A n Parallelen vgl. etwa Aetios V 20, 4 und D. L. V I I I 30, die - wie häufig unter dem Titel „Pythagoras" altakademisches Lehrgut zu enthalten scheinen. Vgl. außer dem Schriftentitel "Ομοια, für den Photios Lex. I I 88 N. = Speusipp fr 10 L. die Variante 'Ομοιότητες angibt, den Eingang des auf Speusipp zurückgehenden letzten Abschnittes von Ar. Top. A (108 b 7): ή δέ τοϋ όμοΐου θεωρία . . . Daß der hier gemeinte Alkimos mit dem Stilponschüler (D. L. II 114) identisch ist, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich und wird allgemein angenom-

281

282

15.

m e n : v g l . WILAMOWITZ, P i a t o n I I 28 A n m . 2 ; G E F F C K E N , G r . L i t g e s c h .

II

(1934), 125; CHRIST-SCHMID, Gr. Litgesch. I 8 , 401 Anm. 3, 664 Anm. 7, II 1, 218 A n m .

1 2 ; D I E L S - K R A N Z V S I 5 , 1 9 3 ; CHERNISS, C r i t i c i s m 4 9 8 ;

JACOBY

FGrHist I I I b 518 (zögernd; J. erwägt übrigens wenig überzeugend Amyntas, Sohn des Perdikkas, nicht den gleichnamigen Piatonschüler als „Adressa-

74

Ältere und Neuere Akademie

anhand eines exemplarischen Falles 283 die generelle Fortwirkung der Ideenargumente in der Älteren Akademie plausibel gemacht, und man darf annehmen, daß der Kreis der Argumente, solange die Ideenlehre unter Polemon fortbestand284, im Unterricht der Schule seinen Platz behauptete. Die Folgerungen für die Anfänge der aporetischen Akademie liegen auf der Hand. Zwar gehören die ausführlichen Berichte über das Aparallaxie-Prinzip bei Cicero und Sextus zunächst in die Nachfolge des Karneades, aber es ist nach dem Vorgang anderer auch oben ausgesprochen worden286, daß die Vielzahl der nicht näher bestimmten Argumente, mit denen Arkesilaos dem verkürzenden Bericht bei Sextus VII 154 f. zufolge das stoische Kriterium bekämpft hat (ώς δια πολλών και ποικίλων παρίσταται), im wesentlichen mit den von Karneades verwendeten identisch ist. Über den sachlichen Zusammenhang hinaus ist damit wohl auch der chronologische so gut wie lückenlos gegeben. Die aporetische Akademie hat, so zeigt sich hier, die Kontinuität der Schule tatsächlich gewahrt, indem sie die erprobten Denkmittel der Älteren übernommen und ihnen in der Polemik gegen die Stoa eine neue Wendung gegeben hat. Abgesehen von der Veränderung der Funktion liegt der tiefere Unterschied freilich darin, daß der ontologische Grundcharakter der Argumente völlig entfallen und endgültig durch eine rein erkenntnistheoretische Fragestellung ersetzt worden ist. Es ist dies ein Vorgang, der auch bei den folgenden Betrachtungen zum Verhältnis zwischen

ten"); anders ohne plausiblen Grund nur SCHWARTZ R E I 2, 1894, Sp. 1544. Man gelangt damit etwa ins letzte Drittel des vierten Jahrhunderts hinab (Die Lehrtätigkeit Stilpons „derjenigen des Theophrast ziemlich gleichzeitig": Z E L L E R I I i e , 2 4 8 A n m . 2, ähnlich K . PRAECHTER, R E I I I A 2 ( 1 9 2 9 ) , s. v .

283

281 285

'Stilpon' Sp. 2 5 2 7 ; sowie K . VON FRITZ im Lexikon der Alten Welt, 1965, Sp. 2927). Daß die inneren Indizien des oben behandelten Arguments auf Piatons Nachfolger weisen, gereicht dem nur zur Bestätigung. (Wenn Alkimos sich gegen „ P i a t o n " wendet, so ist daran zu erinnern, daß es bei schulexternen Kritikern illusorisch bleibt, zwischen Piaton selbst und seiner Schule scheiden zu wollen.) Das Argument entkräftet zugleich den Einwand, die altakademischen Beweise bewegten sich in einer anderen Höhenlage als die vorwissenschaftlichen, alltäglichen Erfahrungen, auf die sich die neuakademischen Gegner des Sensualismus berufen. Vollends das Tierbeispiel belegt, auf was für elementare Sachverhalte diese Beweise zurückgreifen konnten. Cie. Ac. I 34 (nach Antiochos); Euseb. pr. ev. X I V c. 5, 1/2 (Numenios). S. 4 1 .

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

75

Älterer und Neuerer Akademie zu beobachten sein wird: die Umsetzung ursprünglich ontologischer Denkstrukturen ins Formal-Dialektische und Argumentativ-Methodische.

4. Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre I. Der Haufenschluß der Megariker (σωρίτης, σωρείτης sc. λόγος, acervalis) ist zur bevorzugten Argumentationsform der Neuakademiker geworden (Cie. Ac. II 49, vgl. 47; 92 ff.; n. d. III 43-52; div. II 11; Sext. Emp. adv. math. V 65-67, V I I 416-21, I X 182-190; Plut. mor. 1084 Α-D). Mit dem Prinzip der gleitenden Übergänge kann er in den Dienst des Aparallaxieprinzips treten, indem er durch die graduelle Annäherung von wahrer und falscher, aber gleichwohl überzeugender, Vorstellung die Auszeichnung des stoischen Kriteriums aufhebt (Cie. Ac. II 49 f., Sext. VII 416 ff.). Er fällt ferner im weiteren Sinne selbst unter das Aparallaxieprinzip286, insofern es sich auch hier um die Identität und Differenz von Begriffsbereichen und ihre mangelnde Abgrenzung und Fixierbarkeit in der Realität handelt. So gibt es zwar den Begriff des ,Armen' und des ,Reichen', die als solche klar voneinander unterschieden sind, aber in der Realität läßt sich eine eindeutige Grenzziehung nicht durchführen287, weil die Bereiche des ,Armen' und des .Reichen' immer wieder ineinander verfließen. Trotzdem unterscheidet sich der Sorites vom Aparallaxieprinzip im engeren Sinn dadurch grundlegend, daß er sich weniger auf die Individualität des Einzelwesens als auf Eigenschaften und Prädikate bezieht, und zwar primär auf quantitative Verhältnisse, in zweiter Linie dann auf Qualitäten, die sich gleichfalls quantitierend zwischen Gegensätzen bewegen. Die eleatische Grundlage des Sorites ist unverkennbar: Ein Vergleich mit den Infinitesimalargumenten Zenons288 oder mit den im 28« Y g l 287

288

COUISSIN 1941, 57.

Cie. Ac. I I 92: rerum n a t u r a n u l l a m n o b i s dedit C o g n i t i o n e n ! finium (πέρατα!), ut i n u l l a re statuere possimus quatenus. Y S 29 Β 1 - 3 .

76

Ältere und Neuere Akademie

Eingang des platonischen .Parmenides' referierten Argumenten gegen die Vielheit, die auf Grund gegensätzlicher Prädikate in sich selbst widersprüchlich wirkt, zeigt ebenso wie das Beispiel vom Kornscheffel bei Zenon selbst (VS 29 A 29), in welchem Umkreis und aus welchen Intentionen das Argument ursprünglich erwachsen ist288. Die einfacheren Anwendungen des Sorites, etwa in der Kritik der Theologie bei Karneades (Cie. η. d. III 43 ff., Sext. IX 182 ff.), wird man daher uneingeschränkt aus der eleatisch-megarischen Tradition ableiten können, ohne mit W. Burkert290 die platonische αόριστος δυάς des μέγα μικρόν zur Erklärung bemühen zu müssen. Trotzdem wird man Burkerts These insoweit aufrechterhalten können, als überall dort, wo der Sorites sich auf eine in quantitierenden Gegensätzen fluktuierende Struktur der Wahrnehmungswelt bezieht, das Substrat der eleatischmegarischen Tradition durch eine andere Komponente angereichert und überlagert erscheint, die auf die platonisch-akademische Ontologie des ,Mehr und Weniger' zurückgeht. So fällt etwa die allseitige Anwendung des Sorites-Gedankens Cie. Ac. II 92 auf, die auch in den Beispielen an platonisch-akademische Vorbilder erinnert291: nec hoc in acervo tritici solum, unde nomen est, sed nulla omnino in re minutatim interrogati, dives pauper clarus obscurus sit, multa pauca magna parva longa brevia lata angusta, quanto aut addito aut dempto certum respondeamus non habemus. Hier findet sich die Körperwelt in ihren dimensionalen

288

290

281

Umgekehrt wird die quantitative Graduierung vom eleatischen έν δν ausgeschlossen: Parm. 28 Β 8, 22 ff.; 44 ff.; Melissos 30 Β 7 § 8. Zum Zusammenhang mit Zenons Infinitesimalargumenten W . KULLMANN, Zenon u. d. Lehre d. Parmenides, Hermes 86, 1958, bes. 166-169. Zur Echtheit des KornscheffelArgumentes J. MAU, Zum Problem d. Infinitesimalen b. d. antiken A t o misten, Bln. 1957 2 , 1 8 >w· K . C. GUTHRIE I I 97. BURKERT 191: „Piaton hat wiederholt formuliert, daß es im materiellen Bereich keine Grenze des 'Großen und Kleinen', des 'Mehr und Weniger' gebe . . . darum heißt das materielle Prinzip das 'Große und Kleine', die 'unbestimmte Zweiheit'. Hier ist der Ursprung der berühmtesten polemischen Methode der Akademiker, des 'Sorites': wieviele Getreidekörner machen einen Haufen?" Zur Unterscheidung von πολύ-όλίγον (Zahl) und μέγα-μικρόν (Größen) vgl. Ps. Arist. D e lin. insec. 968 a 3 ff. = Xenokrates fr 42 H . ; Arist. Metaph. 992 a 15 ff., 1056 b 10 f., 1087 b 16 f., xo88 a 15 ff.; Alex, in metaph. 56, 9 ff. H., Alex. b. Simpl. in phys. 454, 29 ff. D . (nach Piatons πβρί τάγαθοϋ). Zur Unterscheidung verschiedener Dimensionen des μέγα-μικρόν (μακρόν-βραχύ, πλατύ-στενόν, βαθύ-ταπεινόν) Ar. Metaph. 992 a 10 ff., 1085 a 7 ff., Alex, in met. 117, 22 ff. H., Ps. Alex, in met. 777, 9 ff. Η. ( = Test. Plat. 26 A - 27 Β G.) und unten S. 361 f.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

77

Aspekten nach jenen Gegensätzen des Langen und Kurzen, Breiten und Schmalen gegliedert, die bei Piaton und den Älteren Akademikern Unterarten des Großen-und-Kleinen (μέγα - μικρόν), des Materialprinzips auch der Körperwelt 282 , darstellen. Daß die aporetische Akademie wirklich, wie auch im Falle der Aparallaxie, auf die platonische Struktur der Wahrnehmungswelt und ihren vom Prinzip der Dyas geprägten ontologischen Grundcharakter des ,Mehr und Weniger' zurückgegriffen hat, ergibt eine Analyse der Tropenlehre der späteren Skeptiker, wie sie vor allem bei Philon Al. De ebrietate 166-205 (vgl. Jos. 125-43), Sextus Emp. Η. P. I 36-186, Diog. Laert. I X 79-89, Euseb. praep. ev. X I V c. 18, 11-12 (nach Aristokles) und Gell. Ν. Α. X I c. 5, 6-8 (nach Favorinus) überliefert ist. Sie geht in der Fassung der zehn Tropen, für die Sextus die richtige Reihenfolge gibt, aber auch der acht gegen die Kausalität gerichteten Spezialtropen (Sext. Η. P. 1180 ff.) auf den ehemaligen Neuakademiker Ainesidemos von Knossos293, in der erweiterten Fassung der fünf und der daraus abstrahierten zwei Tropen auf den späteren Agrippa zurück, während die drei generischen, die Zehn-Tropen-Lehre zusammenfassenden und ihrerseits auf den allgemeinsten Tropos der Relation (πρός τι) zurückgeführten Tropen (Sextus Η. P. I 38 f.) möglicherweise Menodot zugehören. Schmekel, der der Filiation am eingehendsten nachgegangen ist, hat nach anderen auch das Verhältnis der Tropenlehre zur aporetischen Akademie noch einmal gründlich erwogen und in Übereinstimmung mit Hirzel, Credaro u. a. abschließend festgestellt, daß zwar den späteren Skeptikern eine fortschreitende Systematisierung und Hand in Hand damit eine zunehmende Heraushebung des Relativitätsprinzips zufällt, daß aber der Sache nach „alle oder fast alle Tropen, die wir bei Aenesidemus und Agrippa lesen, schon bei Karneades als Beweisgründe, als Beweismaterial ihre Anwendung fanden." 294 Es ist für die Situation der Forschung bezeichnend, daß die der späteren Tropenlehre weitgehend entsprechende Argumentationslehre bei Philon De ebr. 166 ff. als ganzes in ihrer Zuweisung umstritten ist, wobei Zeller,

Arist. Phys. 209 b 11 ff., 33 ff. mit den Kommentatoren ( = Test. Plat. 54 A Β ' G.), Hermodor b. Simpl. in phys. 247, 30 ff. D. ( = Test. Plat. 31 G.) und im einzelnen PL 'Philebos' 24 Α ff. 2*s Vgl. dazu auch den Auszug bei Phot. Bibl. cod. 212 p. 170 b 3 ff, BEKKER.

2M

M

SCHMEKEL 1 9 3 8 S . 306.

78

Ältere und Neuere Akademie

Bernays, Schmekel und Weische für neuakademische, v. Arnim, Robin und Br6hier für änesidemische Abkunft eingetreten sind296. Dieser Streit kann im folgenden auf sich beruhen bleiben, zumal es wie bei der gesamten späteren Tropenlehre auch hier ratsamer erscheint, nicht ganze Tropenfolgen, sondern zunächst einmal die einzelnen Tropen auf ihre neuakademische Herkunft hin zu befragen und das akademische Gut nach Möglichkeit rein herauszulösen296. Hier trifft es sich günstig, daß das gleiche Verfahren neulich durch K. v. Fritz von der anderen Seite, vom älteren Pyrrhonismus her, in Angriff genommen worden ist, wobei sich für die fünf ersten Tropen des Diogenes Laertios, dessen Anordnung altertümlicher zu sein scheint als die systematisierte des Sextus (und Änesidem), demokriteischer und empedokleischer Einfluß, d. h. aber doch wohl altpyrrhoneische Herkunft wahrscheinlich machen ließ, während dies für die fünf letzten Tropen, die offenbar an den Grundstock angehängt worden sind, in viel geringerem Maße gilt297. Gerade diese späteren Tropen, vor allem der siebte (bei Sextus: fünfte, bei Philon: vierte), achte (bei Sextus: siebte, bei Philon: fünfte) und zehnte (bei Sextus: achte, bei Philon: sechste), bestätigen nun bei genauerer Betrachtung, daß die von Änesidem ausgehenden Skeptiker bei der aporetischen Akademie „massive Anleihen" gemacht haben298. Die Paradigmen des siebten (fünften, vierten) Tropos, der die Relativität sinnlicher Eindrücke in bezug auf Abstand, Ort und Lage (παρά τάς άποστάσεις, θέσεις, τόπους) aufzeigt, sind durch Cie. Ac. I I 79 ff., (vgl. die Fragmente zum zweiten Buch der Acad. post. p. 20 f. Piasberg) und Sextus V I I 4 1 3 f. für die aporetische Akademie gesichert. Sie führen die Wahrnehmungswelt in Gegensätzen vor, die überwiegend quantitativ bestimmt sind (μεγάλα - μικρά, τετράγωνα - στρογγύλα,

295

Z E L L E R I I I 2β, 4 5 9 A n m . 3 ; A b h a n d l u n g e n I, 1 8 8 5 , 3 5 1 ;

J . B E R N A Y S , Herennios u n d L o n g i n o s ,

Ges.

SCHMEKEI. 1 9 3 8 S . 3 0 6 ff. A n m . 3 ; W E I S C H E in

dem Kapitel „ D e r neuakademische Skeptizismus bei Philon von Alexandrien" 83 ff., bes. 93 ff.; H. v. ARNIM, Quellenstudien zu Philo v. Alexandria, B l n . 1 8 8 8 , I I . Philo u n d A e n e s i d e m 5 3 ff., bes. 7 0 f f . ; ROBIN 1 4 1 ; έ . BRÄHIER,

296

297

298

Les id6es philos. et röligieuses de Philon d'Alexandrie, Paris 1950 s , 2 1 0 ff. Als eindeutig neuakademisch erweist sich auf den ersten Blick die nach Physik, Ethik und Logik gegliederte, auf Widersprüche hin ausgelegte Doxographie der Philosophen ebr. 198-205, die in der Anlage etwa mit Cie. Ac. I I 1 1 6 ff. übereinstimmt. In ähnlicher Weise erinnert die Doxographie De somn. I 30 ff. an Cie. Tusc. I 18 ff. VON FRITZ S p . 1 0 1 - 1 0 5 .

GIGON im Lexikon der Alten Welt (1965) s. v. 'Akademie' Sp. 91.

D i e U m b i l d u n g der K a t e g o r i e n - und Prinzipienlehre

79

ομαλά - έξοχάς έχοντα, ορθά - κεκλασμένα, λεία - τραχέα D. L. I X 85, ähnlich Sextus Η. P. I ι ι 8 ff., Philon ebr. 181 ff. mit μέγα - μικρόν, βραχύτατα - περιμηκέστατα u. a.). Noch deutlicher wird dies beim folgenden achten (siebten, fünften) Tropos, der speziell die Relativität in bezug auf Quantitäten (ποσότητες) behandelt (τό πλέον ή ελαττον, . . . το μέν γάρ ελαττον χαλα, το δέ πλέον έπιτείνει Philon ebr. 184 f-, μέτριος — πλείων D. L. I X 86, σύμμετρος - πλείων, πολλά Sextus Ρ. Η. I 1 3 1 f.), aber auch quantitierend verstandene Qualitäten hineinzieht (λειότης τραχύτης, πυκνότης - μανότης Philon ebr. 185, θερμότης - ψυχρότης, ταχύτης - βραδυτής D. L. a. Ο.). Die anerkanntermaßen skeptische Partie bei Philon Jos. 141 f., die mit dem Abschnitt in De ebr. motivisch verklammert ist299, verknüpft die Gegensatzlehre nicht nur mit der Vorstellung vom reißenden Fluß der Wahrnehmungswelt300, sondern faßt auch den raschen Umschlag, ja die Simultaneität entgegengesetzter Quantitäten in den Formeln des μεγαλό μικρόν und ύψηλοτάπειvov anschaulich zusammen301. Das Groß-und-Kleine (μέγα - μικρόν) der Älteren Akademiker wirkt hier ebenso nach wie später bei Plutarch 302 oder Plotin 303 ; es kennzeichnet, wie schon bei Piaton und Xenokrates304, die zwischen nichtfixierbaren Quantitäten und Gegensätzen306 hin- und herpendelnde Struktur der durch die Sinne wahrnehmbaren Wirklichkeit. Daß dabei nicht lediglich der platonische .Philebos' benutzt ist, beweist der speziell der Relativität (πρός τι) gewidmete Tropos, der bei 299

D a s B i l d v o m D u n k e l J o s . 1 4 0 ~ ebr. 1 6 7 ff. (vgl. dasselbe B i l d Cie. A c . I 4 4 f., I I 6 1 , 1 2 2 ) . 800 καΐ ώσπερ . . . κάν τοις χειμάρροις τό φερόμενον ρεϋμα φθάνει παραδραμόν δξύτητι τάχους τήν κατάληψιν, οδτω καΐ τά έν τ ω βίω πράγματα φερόμενα καΐ παρεξιόντα φαντάζεται μέν ώς υπομένοντα, μένει 8' ούδ' έπ άκαρές, άλλ' άεΐ ύποανρεται. 301 τό δ' ύψηλοτάπει,νον και μεγαλόμικρον καΐ παν δσον άνισότητι καΐ άνωμαλίφ συγγενές άπεργάζεται καΐ σκοτοδινιαν άναγκάζει καΐ πολύν έμποιεΐ ϊλιγγον. ν . ARNIM, Quellenstudien zu Philo v . A l e x a n d r i a 79, 98 h a t die akademische H e r k u n f t der B e g r i f f e w i e der Flußlehre v e r k a n n t u n d sie fälschlich auf den „ h e r a k l i t i sierenden" Ä n e s i d e m bezogen. 802 Is. Os. 3 7 6 F f . : άλλ' απλώς δσον έστίν έν τούτοις αμετρον καΐ άτακτον ύπερβολαϊς ή ένδείαις . . . Z u r Z u r ü c k f ü h r u n g auf X e n o k r a t e s H E I N Z E , X e n o k r a t e s 3 6 A n m . 4; Verf. U G M 95. so3 Y g i (ji e N a c h w e i s e des V e r f . s U G M 2 9 7 A n m . 409. 304 Z u P i a t o n vgl. oben S . 7 7 A n m . 2 9 2 , X e n o k r a t e s b. A e t . I 3, 8 (D. Gr. 2 8 1 a 6 ff., b 4 ff.), I 7, 1 8 (D. Gr. 3 0 2 a 6 ff., b 1 7 ff.), P s . Galen Hist. phil. 3 5 (D. G r . 6 1 8 , 1 2 ff.) neben f r 2 8 H . D i e K o m p a r a t i v e b. Philon ebr. 1 8 4 f. (πλέονέλαττον) erinnern a n den H e r m o d o r - B e r i c h t über P i a t o n oder den 'Philebos'. 305 A u c h die G e g e n s a t z - P a r a d i g m e n sind sämtlich altakademisch nachweisbar.

80

Ältere und Neuere Akademie

Diogenes als letzter (zehnter), bei Sextus als achter, bei Philon als sechster eingeordnet ist und der dort überall schon auf die übergreifende Bedeutung vorausweist, die er in der nachänesidemischen Skepsis erhalten hat: D.L. I X 87:

Philon ebr. 186/7:

Δέκατος ό κατά τήν πρός άλλα σύμβλησιν, καθάπερ τό κοϋφον παρά τό βαρύ, τό ίσχυρόν παρά τό άσθενές, τό μείζον παρά to έλαττον, τό άνω παρά τό κάτω. τό γοϋν δεξιόν φύσει μέν ούκ έστι δεξιόν, κατά δέ τήν ώς προς τό ίτερον σχέαιν νοείται* μετατεθέντος γοϋν έκείνου, ούκέτ' έσται δεξιών, δμοίως καΐ πατήρ καΐ άδελφός ώς πρός τι καΐ ήμέρα ώς πρός τόν ήλιον καΐ πάντα ώς πρός τήν διάνοιαν. άγνωστα οδν τά πρός τι κάθ' έαντά.

. . . των δντων σχεδόν έξ αύτοϋ και καθ' αύτό νενόηται τό παράπαν ουδέν, τη δέ πρός τό έναντίον παραθέσει δοκιμάζεται, οίον τό μικρόν παρά τό μέγα, τό ξηρόν παρά τό ύγρόν, παρά τό ψυχρόν τό θερμόν, παρά τό βαρύ τό κοϋφον, τό μέλαν παρά τό λευκών, τό άσθενές παρά τό ίσχυρόν, τά όλίγα παρά τά πολλά. . . . καΐ πάντα μέντοι τά άλλα δσα έν κόσμω σκοπών άν τις εδροι κατά τόν αύτόν τύπον λαμβάνοντα τήν έπίκρισιν· έξ έαυτοϋ μέν γάρ Ικαστον άκατάληπτον, έκ δέ της πρός έτερον συγκρίσεως γνωρίζεσθαι δοκεΐ . . .

Hier hat sich die altakademische Seinseinteilung von καθ' αύτά und πρός έτερα (πρός τι) 8ντα bis in die Terminologie und die Charakterisierung hinein (Komparative: μείζον - έλαττον) in verwandelter Funktion erhalten. Sie tritt noch im Relationstropos Agrippas deutlich hervor (D. L. I X 88: 6 δέ προς τι ουδέν φησι καθ' εαυτό λαμβάνεσθαι, άλλα μεθ' ετέρου). Die argumentative Nachwirkung der altakademischen „Kategorienlehre" 30 ® beweist, daß die zugehörige Struktur der Wahrnehmungswelt der Systematik der Älteren Akademie entstammt und mit dem Prinzip der unbegrenzten Zweiheit des Groß-Kleinen in seiner kosmologischen Ausformung eng zusammenhängt. Die Seinseinteilung hat sich im übrigen nicht nur in der Brechung späterer Tropenlehren erhalten, sondern wird von dem kaiserzeitlichen Neuakademiker 307 Favorinus den Pyrrhoneern und den Akademikern

,oe 407

Zu Sext. Η. P. I 135 ff., Adv. math. VIII 161 ff. unten S. 98 f. Gell. Ν. Α. X X c. 1, 9 neben 21; Gal. De opt. doctr. 1 p. 40 f. K.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

81

ausdrücklich zugeschrieben nach Gell. Ν. Α. X I c. 5, 7 f.308: Itaque omnes omnino res, quae sensus hominum movent, των πρός τι esse dicunt. Id verbum significat nihil esse quicquam, quod ex sese constet, nec quod habeat vim proprium et naturam, sed omnia prorsum ad aliquid referri taliaque videri esse, qualis sit eorum species, dum videntur, qualiaque apud sensus nostros, quo pervenerunt, creantur, non apud sese, unde profecta sunt. Cum haec autem consimiliter tam Pyrronii dicant quam Academici . . . Es ist nicht recht ersichtlich, weshalb Favorinus lediglich - nach der Einteilung des Sextus309 - das Verhältnis πρ6ς τ6 κρίνον, und auch dies nur für die sinnliche Wahrnehmung, nicht aber das gleichberechtigte - und historisch ältere - προς τά συνθεωρούμενα anführt. Vermutlich ist die weitergehende, das erkennende Subjekt einbeziehende Form der Relation bewußt herausgehoben, die selbstverständliche der Sachen untereinander aber beiseite gelassen. Die Unterscheidung zwischen πρός τι und πρός αύτω (καθ' αυτό), έξ εαυτοί) entspricht jedenfalls der altakademischen „Kategorienlehre", und wenn sie hier der aporetischen Akademie zuerkannt wird, so ist damit die Kontinuität der akademischen Schule ebenso gewährleistet wie die Abhängigkeit der späteren Pyrrhoneer von der aporetischen Akademie.

II. Ehe diesem Befund genauer nachgegangen werden kann und ehe daraus weitere Folgerungen für das Verhältnis zwischen Älterer und Neuerer Akademie zu ziehen sind, bedarf es einer exkursorischen Vergegenwärtigung der Spuren, die die altakademische „Kategorienlehre" in der Philosophie des Hellenismus hinterlassen hat. Sie wird das bisher gewonnene Ergebnis sichern helfen und im einzelnen weiter präzisieren. Hier ist es nun in höchstem Grade aufschlußreich, daß die altakademische Einteilung nicht erst im Mittleren Piatonismus der Kaiserzeit wieder zum Vorschein kommt 310 , sondern daß es keine einzige unter den Quelle sind wohl die zehn Bücher Πυρρωνβίων τρόπων des Favorinus (vgl. A. BARIGAZZI, Favorino di Arelate, Florenz 1966,174 zu Nr. 26). Zu beachten ist, daß Gellius-Favorin im folgenden Satz (§ 8) hinsichtlich der πβριτροπή zwischen Pyrrhoneern und Akademikern differenzieren. s o · Η. P. I 135 f., 167. Vgl. auch das Diogenes-Zitat a. E. oben S. 80 (καΐ πάντα 808

ώς κρ6ς τήν διάνοιαν).

«ίο v g l v e r f . UGM 102, 112, 222 Anm. 79, 297 Anm. 409.

Ältere und Neuere Akademie

82

großen Philosophenschulen der hellenistischen Epoche gibt - seien es nun die Epikureer, die Stoiker, die Peripatetiker oder die dogmatischen Akademiker um Antiochos, ja selbst das pseudopythagoreische Schrifttum

die nicht die fortdauernde Existenz und den deutlich erkenn-

baren Einfluß jener altakademischen „Kategorienlehre" verriete. Die altakademische Einteilung der Seinsarten (γένη των όντων) erscheint in Spuren angedeutet in Piatons Dialogen, dann systematisch entwickelt in der von Piatons περί τάγαθοϋ ausgehenden Überlieferung und bei Xenokrates; gelegentlich wird sie den Akademikern generell zugeschrieben311. Aristoteles312, Alexander Aphr. (άντικείμενα) und Hermodor313 (προς ετερα) bezeugen übereinstimmend, daß die Einteilung dichotomisch angelegt war: Absolutes und antithetisch-relatives Sein standen einander gegenüber, wovon das letztere weiter in Gegensätze und Korrelativa zerfiel: τά καθ' αυτά

τα πρδς έτερα, άντικείμενα , , Π τα εναντία

1

—1, τα προς τι

In der für Xenokrates überlieferten Einteilung το καθ' αύτό - τό πρός τι (fr 12 Η. =

Simpl. in Cat. 63, 21 ff. Κ.) entspricht το πρός τι dem

Ausdruck πρός έτερα, bezieht sich also als Oberkategorie auf das relative Sein überhaupt und nicht speziell auf die Korrelativa 314 . Dies wird, 311

PI. Soph. 255 C (anders G. E. L. OWEN in: New Essays on Plato and Arist., ed. b y R . BAMBROUGH, 1965, 71 A n m . 1; M. FREDE, P r ä d i k a t i o n u n d E x i s t e n z -

aussage, Hypomnemata 18, 1967, 11-37; E. SCHEIBE, Über Relativbegriffe i. d. Philosophie Piatons, Phronesis 12, 1967, 49, Korrekturzusatz); Polit. 283 C ff., Phileb. 51 C/D, Parm. 133 Cf., vgl. Charm. 168 Β f., Pol. 438 Β ff., Theait. 160 B. Hermodor b. Simpl. in phys. 248, 2 ff. D. = T. PL 31 G.; Alex. Aphr. in metaph. 56, 13 ff. H. = T. PI. 22 B ; Sext. Emp. X 263-275 = T. PI. 32. Xenokrates fr 12 H. = Simpl. in Cat. 63, 21 ff. K., dazu Arist. EN A 4, 1096 a 20 f.; Div. Ar. ap. D. L. III 108, c. M. 67 = T. PI. 43. Arist. Top. A 14, 105 b 3 3 f- ( v g l · E . HAMBRUCH 16), 14, 164 a 1 f . ; Cat. 10, 11 b 17 ff. - 12 a 25, v g l .

812 313 314

II, 13 b 36 - 14 a 25; ferner Cat. 5, 3 b 24 ff.; 6, 5 b 11 ff.; 6 a 19 ff.; 7, 6 b 15 ff.; 8, 10 b 12 ff., 26 ff.; 9, II b Ι ff. (dazu Ph. MERLAN, Philol. 89, 1934, 35 ff., bes. 44 ff.); Metaph. A 9, 990 b 16, 20 f.; Μ 4, 1079 a 12, 17; vgl. Alex, in met. 82, II ff. Η. = Ar. De id. fr 3 Ross (vgl. G. E. L. OWEN J. H. St. 77, 1957 = Studies in Plato's Metaphysics ed. by R. Ε. ALLEN, 1965, 302 ff.; ders. in: Ar. on Dialectic: The Topics, III. Symp. Ar. 1968, 113 f.). Top. 105 b 33, vgl. Cat. I I b 17 u. ö. a. O. 248, 3 D. Dies ist richtig erkannt bei K . VON FRITZ, Der Ursprung der aristotelischen Kategorienlehre, AGPh 40, 1931, 469, 471, 472, 473, 486 (die dort von Aristoteles her erschlossene Unterkategorie ποιόν ist freilich durch die von v. Fritz übersehene vollständige akademische Einteilung mit den έναντία und πρός τι im engeren Sinn zu ersetzen).

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

83

abgesehen von der vollständigen platonischen Einteilung, nahegelegt durch den Vergleich des Berichterstatters Simplikios mit dem aristotelischen συμβεβηκός, d. h. der Gesamtheit der nichtsubstantialen Kategorien316. Die Klärung dieses Sachverhalts ist wichtig, weil die akademische Seinseinteilung überall dort, wo sie in der hellenistischen Philosophie fortwirkt, von der Fassung des Xenokrates ausgeht. Zunächst verdient der dritte Teil der unter den Herculanensischen Papyri überkommenen Schrift περί άλόγου καταφρονήσεως des Polystratos, des dritten Scholarchen des Kepos (D. L. X 25), eine genauere dogmengeschichtliche Analyse, die ihm in den sonst verdienstvollen erklärenden Beiträgen von C. Wilke318 und R. Philippson317, aber auch - trotz eines Hinweises von P. Wilpert318 - in den neueren Stellungnahmen von Mette319 und Steckel320 nicht zuteil geworden ist. Polystratos verteidigt vornehmlich gegen die Kyniker (col. X I I a 8)321 die Geltung konventioneller Wertmaßstäbe (καλόν - αίσχρόν), auch wenn diese nicht wie Naturdinge (λίθος, χρυσός, χαλκός) immer gleichartig und eindeutig sind. Die Unterscheidung läßt sich mit Wilke322 bis zu den Δισσοί Λόγοι zurückverfolgen323, reicht also ebenso wie die Antithese von νόμος und φύσις (XII b 8) über die Sokratik zur Sophistik zurück. Polystratos widerlegt die These von der Unwirklichkeit der Wertset315

Simpl. in Cat. 63, 24 ff. Κ.: άλλοι δέ είς ούσίαν καΐ συμβεβηκός διατέμνουσιν. καΐ ούτοι δέ ταύτόν πως δοκοϋσι τοις προτέροις λέγειν, τοις τά συμβεβηκότα πρός τι λέγουοιν, ώς άλλων άεί δντων, και την ούσίαν καθ' αύτό. V g l . VON FRITZ a. Ο. 469.

C. WILKE, Polystrati Epicurei περί άλόγου καταφρονήσεως libellus, Diss. Kiel, Lpzg. Teubner 1905 (danach zitiert), Praefatio. 317 R. PHILIPPSON, Polystratos' Schrift über die grundlose Verachtung der Volksmeinung, Ν. Jahrbücher f. d. class. Altertum 23, 1909, 487 ff. SIE Ρ WILPERT, Eine Elementenlehre im platonischen Philebos, Studies presented to D. Μ. Robinson, St. Louis 1953, II 575. 314

31

» R E X X I 2 ( 1 9 5 2 ) S p . 1 8 3 3 s. v . ' P o l y s t r a t o s ' .

320

321

R E Suppl. XI (1968) s. v. 'Epikuros' Sp. 642 (unrichtige Deutung auf „die aristotelische Kategorie der Relation"). Z u r S t r e i t f r a g e ( W I L K E X I I I f f . : P y r r h o n e e r ; PHILIPPSON a. O. 494 f f . : s p ä -

tere Kyniker) zuletzt A. BARIGAZZI, ßpicure et le scepticisme, Actes du VIII e Congres de 1'Association Bud6 1968, Paris 1970, 288 f. (Stoiker). Falls je die Neuakademiker (Arkesilaos) (mit) gemeint sein sollten (erwogen, aber verworfen von WILKE XVIII), würde es sich um eine immanente Argumentation handeln, die die Akademiker mit eigenen Waffen schlägt. 322

W I L K E a. Ο. X I V A n m . 2.

323 Vgl. bes. VS 90 c. 2, 27 f.; 5, 1 ff. Die Beispiele stimmen weitgehend überein: Dingen wie χρυσός, χαλκός stehen „Werte" wie καλόν - αίσχρόν, aber auch Maßverhältnisse wie μέζον - μήιον, πλέον — έλασσον, βαρύτερον - κουφότερον gegenüber. Anklänge auch PI. Phaidr. 263 Α, Alk. I H I B.

84

Ältere und Neuere Akademie

zungen in doppelter Weise: a) Er vergleicht zunächst die Wertbegriffe mit allen Arten von Maßverhältnissen (XV a 8 ff., XVII a 2 fE.) und Gegensatzpaaren (XV b g ff., vgl. XVII b ι ff.) und faßt sie mit diesen unter der Kategorie der Relation (πρός τι: X V I b 2, 6, XVII b 14, πρδς άλλο XVII a 10) zusammen, die er derjenigen des Ansichseienden gegenüberstellt (καθ' αυτό XVII a 8, τά καθ' αυτά XVIII a 2 f., vgl. τά κατά τήν ιδίαν φύσιν λεγόμενα X V I b 4 f·)· b) Er unterstreicht immer wieder, daß die πρός τι als δντα ebenso am Sein teilhaben wie die καθ' αυτά, also in gleicherweise wirklich sind und Geltung haben (XVI b 7 f., 10 f., XVII b 8, 13, X I X a 13; die Gegenthese XII b 5, 11 ff., vgl. b 2 ff.). Es ist ohne weiteres klar, daß es sich bei der Unterscheidung von καθ' αυτά und πρός τι ίντα um die akademische Seinseinteilung handelt, und zwar genauer - da die πρός τι Qualitäten und Quantitäten, Gegensätze und Korrelativa umfassen - um ihre xenokratische Version, Wenn der Epikureer Polystratos hier auf ein platonisches Lehrstück zurückgreift, so deshalb, weil es geeignet ist, die sophistisch-kynische Kritik der Wertbegriffe in einer systematischen Ontologie aufzufangen: Die Pointe liegt gerade darin, daß das Relative zwar eine andere Seinsart darstellt als das Absolute, aber nichtsdestoweniger gleichfalls ein Sein ist, dem als solchem Existenz und Realität zukommt. Es ist die spezifische ontologische Relevanz und Leistungsfähigkeit dieser ältesten „Kategorienlehre", derzufolge auch die πρός τι δντα ells βντα am 8v teilhaben, die den konservativen Epikureer anzieht und ihn sich klassischer Denkmittel bedienen läßt. Dabei empfiehlt sich die einfachere akademische Einteilung, die der sophistischen nahesteht und ihr vermutlich folgt, vor der komplizierteren, weniger übersichtlichen des Peripatos. Da Polystratos wohl um die Mitte oder in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts geschrieben hat, ist die Nachwirkung der akademisch-xenokratischen Seinseinteilung324 selbst außerhalb der Akademie für die Zeit von Arkesilaos' Scholarchat (- 241/40) oder kurz danach bezeugt. Weniger gut datierbar ist demgegenüber die erst von Simplikios in Cat. 165, 32 ff. K. = SVF II 403326 referierte „kategoriale" Einteilung, die neben der bekannten stoischen Vierteilung (ύποκείμενον - ποιόν - πώς έχον - πρός τί πως έχον) einen näher zu definierenden Platz einnimmt 424

825

Auch die Exempel für die Relativa sind ausnahmslos durch altakademische Parallelen gedeckt. Ich folge den Verbesserungen von KALBFLEISCH (CAG VIII) und von RIETH 70 Anm. Ι (zu 132, 36 mit dem Parisinus) gegenüber v. ARNIMS Text.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

85

und die zwischen τά καθ' αύτά δντα und πρός τι δντα sowie zwischen τά κατά διαφοράν βντα und τά πρός τί πως έχοντα im Sinne einer doppelten Antidihairesis (SVF II p. 132, 24; vgl. εναντία 37) unterscheidet. Am eingehendsten hat sich Rieth32® dieser Einteilung angenommen, dem Elorduy 327 , Pohlenz328 und Reesor329 mit ergänzenden Beiträgen folgten, ohne daß der im Referat erkennbare Zusammenhang der vier Begriffe hinreichend klar geworden wäre. Es empfiehlt sich, vorschnellen Harmonisierungsversuchen im Bück auf die bekanntere Vierteilung (Rieth, Pohlenz) oder die Prinzipienlehre (Elorduy) zunächst aus dem Wege zu gehen und das Schema des Textes aus sich selber zu verstehen. Es ist vor allem zu fragen, wie die beiden Dihaireseis ineinandergreifen und wie sich insbesondere die πρός τι und die κατά διαφοράν βντα zueinander verhalten. Dabei zeigt sich, daß das Differentiellseiende immer zugleich auch Relatives ist (132, 32 ff.: τ6 γάρ γλυκύ καΐ πικρόν διαφοράς μέν έχει . . . ού μέντοι καθ' αύτά έση τά τοιαύτα άλλά πρός τι, 36 f.: τό δέ γλυκύ καΐ πικρόν πρός τι βντα κατά διαφοράν έστι). Der weitere Begriff ist dabei das Relative, weil dieses auch das - dem Differentiellseienden entgegengesetzte - Korrelative unter sich begreift (132, 34 f.: τά δέ πρός τί πως έχοντα, άπερ άντίκειται τοις κατά διαφοράν, πάντως καΐ πρός τι έστίν. έ γάρ δεξιός και πατήρ μετά του πρός τί πως έχειν και πρός τι είσίν)330. Im ganzen ergibt sich daher eine hypodihairetische Gliederung 331 : τά καθ' αύτά τά πρός τι τά κατά διαφοράν τά πρός τί πως έχοντα Die Glieder der Einteilung sind derart charakterisiert, daß es sich beim O. RIETH, Kap. 4: Die Einteilung des Seienden, S. 70S., bes. 82 fl., sowie Exkurs 10: Zur stoischen Kategorienlehre, S. 190 f. Unter den älteren Behandlungen ragen heraus: A. TRENDELENBURG 229 ff.; C. PRANTL, I 435. 887 E. ELORDUY, Die Sozialphilosophie der Stoa, Philol. Suppl. Bd. X X X V I I I 3, 1936, 62 ff., bes. 89 ff. 328 Μ POHLENZ, Die Begründung d. abendländischen Sprachlehre durch die Stoa, Nachrichten d. Akad. d. Wiss. z. Göttingen, Jgg. 1939, I 3, 6 = Kl. Schriften I, 1965, bes. 73-76; ders., Die Stoa I 69 f., II 40. Ί2Β Μ. Ε . REESOR, The Stoic Categories, A J P h 78, 1957, bes. 72 ff. sso Vgl 133, 12 f.: ώς οί Στωικοί λέγουσι τω μέν πρός τί πως έχοντι τό πρός τι έπεται, τω δέ πρός τι ούκέτι τό πρός τί πως έχον. Vgl. TRENDELENBURG 230. Demgemäß wird das Korrelative nur vom Ansich- und Differentiellseienden, nicht vom Relativen abgesetzt 132, 38 f.: τά μέν πρός τί πως έχοντα άδύνατον καθ' αύτά είναι ή κατά διαφοράν. Unrichtig SCHMEKEL 1938 S. 629 (mit falscher Herleitung von Aristoteles). M 1 RIETH 82 f., vgl. 71 verkennt diese Gliederung, weil er die Kategorie des Differentiellseienden auch auf das Ansichseiende bezieht. Der T e x t spricht S2E

86

Ältere und Neuere A k a d e m i e

Ansichseienden um selbständige Einzelwesen handelt, vermutlich um die ιδίως ποιά der bekannten Vierteilung 332 . Mit dem Differentiellseienden, das ihnen im Sinne einer irreversiblen Bedingungsfolge (άκολουθία) anhaftet 331 , sind gegensätzliche Eigenschaften wie λευκόν - μέλαν, γλυκύ - πικρών gemeint, die zwar ein spezifisches Gepräge haben (132, 27: τά κατά τι είδος χαρακτηριζόμενα, vgl. Ζ. 33. 4 1 . 42)> aber doch im Unterschied zum Ansichseienden - auf anderes verweisen (πρός έτερον Ζ. 39, 43, 46). Die Korrelative besitzen dagegen keinerlei Eigensein mehr, sondern sind wesentlich durch das Korrelat, d. h. von „außerhalb" her bestimmt (Z. 39: έκ γάρ της πρός έτερον σχέσεως ήρτηται μόνης, 133» 2 f.: ό γάρ υιός και ό δεξιός εξωθέν τίνων προσδέονται πρός την ύπόστασιν). E s handelt sich also um eine kontinuierliche Reihe von Relationsgraden, die von der reinen Beziehungslosigkeit des Ansichseienden über das bereits bezügliche Differentiellseiende bis zum engsten Grad des Bezuges in der Korrelation fortschreitet. Das Prinzip dieser Einteilung ist daher ein ganz anderes als das der bekannten Vierteilung, die zwar auch der Spezialisierung und wachsenden Differenzierung und Bestimmtheit unterüegt, aber mit Ausnahme der letzten Kategorie, in der sich beide Einteilungen kreuzen, keine Relationsgrade, sondern eher Seinsgrade angibt, wenn auf das Substrat (ύποκείμενον) und seine Qualifikationen (ποιόν) die Eigenschaften (πώς έχον) und endlich die äußerlichen Korrelationen folgen. Man kann daher nicht die Einteilung des Simplikios als spätere Deformation der Vierteilung verstehen und aus einer Spaltung der vierten „Kategorie" hervorgehen lassen 333 . Damit bliebe nicht nur das Ansichseiende unberücksichtigt, sondern auch die Tatsache, daß das Differentiellseiende nicht der vierten, sondern der dritten und möglicherweise auch der zweiten „Kategorie" der Vierteilung entspricht 334 ; die Kategorie des Relativen jedoch nicht davon, daß die Ansichseienden Differenzen sind, sondern lediglich, daß sie Differenzen haben, die ihnen anhaften, nicht aber umgekehrt (132, 30 ff.: τοις μέν γάρ καθ' αυτά συνυπάρχει τά κατά διαφοράν. και γάρ τά καθ' αύτά δντα διαφοράς εχει τινάς . . . ού μέντοι τοις κατά διαφοράν τά καθ' αυτά συνυπάρχει), vgl. S V F I I 390 f. 332 RIETH 72, 82 f.; vgl. 86; danach REESOR 74 ff. 333 POHLENZ Begründung 187 f. = I 75 f. mit A n m . 1 ; D i e Stoa a. O. 334 R i c h t i g wohl schon ZELLER I I I i " , 103: „ D a s einfache πρός τ ι " , das „ n i c h t bloß zufällige, sondern auch wesentliche Eigenschaften (ποιά) unter sich begreift, welche ein bestimmtes Verhalten zu anderem in sich schließen". Ä h n lich, für das κατά διαφοράν RIETH 81, 83 (der es 70 nur auf die dritte „ K a t e gorie" des πώς έχον bezieht); REESOR 77. Die beiden Einteilungen decken sich weder noch implizieren sie einander, sondern sie überschneiden sich lediglich

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

87

vollends steht nicht neben der des Korrelativen, sondern übergreift sie. Pohlenz' Mißdeutung beruht auf einer ungenauen Interpretation des Simplikios-Referates und auf dem Umstand, daß er einem von W . Theiler angeregten Hinweis Rieths 336 nicht genügend Rechnung getragen und das Referat weder mit der platonischen Einteilung noch gar mit der vermittelnden Version des Xenokrates (mit der Überkategorie πρός τι) in Verbindung gebracht hat 336 . D a ß die gesamte Einteilung des Simplikios in der Nachfolge der xenokratischen „Kategorienlehre" steht, bedarf keiner weiteren Ausführung: Die Hypodihairesis, das Fortschreiten im Relationsgrad, die Unterscheidung von Gegensätzen und Korrelativa, die Termini καθ' αυτά und πρός τι sind durchweg akademisch-xenokratisch 337 . Man wird im ganzen und einzelnen: Die καθ' αυτά können in der ersten und zweiten (und dritten?), die κατά διαφοράν (πρός τι) in der zweiten und dritten „ K a t e g o r i e " vorkommen. 335

RIETH 91 A n m .

336

P. unterschätzt das Simplikios-Referat ( S Y F I I 403) durchweg, weil er es irrtümlich im Konflikt mit der bekannteren Vierteilung sieht. - Lediglich für die von Dion. T h r a x Gr. Gr. I 1 p. 35, 3 f. gegebene stoische Einteilung: (4) Πρός τι ϊχον δέ έστιν ώς πατήρ υίός φίλος δεξιός — (5) Ώ ς πρός τι έχον δέ έστιν ώς νύξ ή μέρα θάνατος ζωή hat POHLENZ, Begründung 74 f· - dem Hinweis RIETHS folgend - die platonische Einteilung unvollständig (ohne die καθ' αυτά) zum Vergleich bemüht. Die Unterscheidung des Grammatikers findet in der T a t bis in die Beispiele hinein (ζωή θάνατος) bei den Referaten der platonischakademischen Seinseinteilung Sext. Emp. X 264 ff., Simpl. in phys. 248, 2 ff. D. (nach Hermodor) Anhalt (vgl. POHLENZ a. O., der auch auf die Erläuterungen Schol. Dion. Thr. p. 235, 387 f.; Prise. II 28 f., vgl. Gr. Gr. II 3 p. 49, 37 ff. verweist, wonach - wiederum in Übereinstimmung mit den Referaten die πρός τι notwendig koexistieren, die ώς πρός τι dagegen alternieren. Der Scholien-Apparat z. St. bietet jedoch noch weitere, von P. nur ungenügend herangezogene Parallelen: z. B. zu (4) μέγα μικρόν (!), zu (5) τλ πρός ετερον λεγόμενον, κατ' έναντιότητα δέ φθαρτικήν, wo der Zusammenhang mit den Gegensätzen der akademischen Einteilung eindeutig hergestellt ist). Aristotelischer Einfluß scheidet damit grundsätzlich aus (selbst von Seiten der akademisierenden Partien der Postprädikamente, wo der Ausdruck καθ' αυτά fehlt). Die Beispiele für die πρός τι 132, 46 f. (έξις, έπιστήμη, αϊσθησις) sind nicht Referat, sondern Erläuterung des Simplikios, der sich an Ar. Cat. 6 b 3, 7 b 23 ff. anschließt, vgl. POHLENZ, Die Stoa II 40. Sie können daher den Gegensatz-Charakter der κατά διαφοράν nicht aufheben. (Die stoische Zweiteilung der πρός τι kann aus demselben Grunde nicht mit der Unterscheidung eines engeren und weiteren Begriffes von πρός τι Ar. Cat. 6 a 36 ff., 8 a 28 ff., vgl. b 15 ff. in Verbindung gebracht werden, obgleich der Terminus für den ersteren aristotelisch sein mag: vgl. Anm. 340 und zur Fortwirkung der 'Cat.'Stelle PRANTL I 90 Anm. 5; I. HUSIK, The Categories of Aristotle, in: Philosophical Essays, Oxf. 1952, 106 f.). - Zum Ausdruck κατά διαφοράν vgl. Ps. PL Def. 416, 24 f.: έναντιότης των ύπό τό αύτδ γένος κατά τινα διαφοράν πιπτόντων ή πλείστη διάστασις (zum Zusammenhang mit der Stoa aufschlußreich Simpl. in

337

7 Kr&mer, Platonlsmus

4.

88

Ältere und Neuere Akademie

daher - auch angesichts der von Rieth beigebrachten Parallelen aus Chrysipp-Fragmenten338 - mit der Datierung nicht unter Chrysipp, den Schüler des Arkesilaos339, hinabgehen wollen. Es muß im übrigen offen bleiben, welche der beiden Einteilungen, die akademisierende des Simplikios oder die peripatetisierende, durch Plotin und Simplikios überlieferte Vierteilung, zuerst in der stoischen Philosophie aufgekommen ist340. Zweifellos hat das der Akademie entlehnte Schema neben der geläufigeren Lehre nur eine geringe Rolle gespielt. Die wenigen Anwendungen im Bereich der Ethik legen es nahe, daß dem wachsenden Relationsgrad und der Schwächung des Eigenseins eine Wertminderung entsprochen hat. Die stoische Indienstnahme der Einteilung wäre damit der epikureischen bei Polystratos entgegengesetzt gewesen, hätte sich aber darum nicht weniger als diese in authentisch-akademischen Bahnen bewegt. Ein weiterer Kreis der Fortwirkung altakademischer „Kategorienlehre" eröffnet sich in den hellenistischen Pseudopythagorica, vor allem in den Pseudo-Archytea der Schrift περί αντικειμένων (Thesleff 341 15 ff., Nolle 39 ff., Mullach FPG II 125 ff.) und des Kategorienbuchs (Thesleff 22 ff., Nolle fr 35)342, aber auch bei Ps. Kallikratidas De dorn, felic. (Thesleff 103 ff., Mullach II 28 ff.). Der Verfasser der Archytea knüpft in der Regel an den frühen Aristoteles, zumal die Kategorienschrift an, geht aber in einigen Punkten darüber hinaus, zu denen die Unterscheidung von καθ' εαυτό, καθ' έαυτά und πρός τι, πρός άλληλα gehört343. Sie kommt in so prägnanter Form bei Aristoteles nicht vor und muß dem ,,pythagoreisch"-akademischen Quellbereich des Autors zugerechnet werden, auf den auch das ausgedehnte Interesse für Wertmitten zwischen Korrelativa zurückzuführen ist344. In den Callicratidea vollends Ar. Cat. 387, 23 ff.; 388, 1 ff. K.), Speusipp fr 31 LANG und die Rolle des „Artunterschieds" bei Aristoteles, ÄSE S V F I I 550, I I I 1 1 2 , I I I 259, v g l . I 3 7 5 , I I 534. V g l . R I E T H 84 ff. 339 340

341

342

D. L. V I I 183 f. (nach Sotion). Der Ausdruck πρός τί πως έχον bietet kein Indiz, da er keine Fortbildung von πώς έχον darstellt, sondern schon bei Aristoteles vorkommt (vgl. ζ. B. Cat. 8 a 32, b i f f . ; Top. 170 b 30, 39; Phys. Η 3, 246 b 4; 247 a 2, b 3). The Pythagorean texts of the Hellenistic period, collected and edited b y H. THESLEFF, Acta Acad. Aboensis Ser. A, 1965. Zur Datierung nach Andronikos und Eudoros jetzt Th. SZLEZÄK, PseudoArchytas über die Kategorien, Bln. De Gruyter 1971 (im Druck).

843

Ζ . Β . T H E S L E F F 22, 1 5 ff.

344

THESLEFF 16, 19 ff.; 17, 7 ff.; vgl. Ps. Metopos 120, 4 ff. mit mathematischen Vergleichen; Ps. Theages 191, 23 ff.; Vita Pyth. b. Phot. Bibl. c. 249 p. 438 b ff. B E K K E R =

T H E S L E F F 2 3 7 , 1 9 ff.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

89

erscheinen καθ' αυτό und πρός τι eindeutig mit den Prinzipien μονάς und δυάς verknüpft345. Es ist gewiß kein Zufall, daß auch die platonisierenden Zahlentraktate der Kaiserzeit wie Nikomachos' Introductio arithmetica346 oder Jamblichs Schrift De communi mathematica scientia347 die akademische Seinseinteilung reproduzieren, wobei der platonistische Kontext348 Zweifel an der Herkunft ausschließt. Eine Reihe von Akademikern und Peripatetikern hat endlich im letzten vorchristlichen Jahrhundert die akademisch-xenokratische Seinseinteilung der aristotelischen Kategorienlehre entgegengestellt oder damit zu kombinieren gesucht. Dazu gehört in erster Linie Eudoros von Alexandria, der von der Position der xenokratischen ZweiKategorien-Lehre an der aristotelischen Zehn-Kategorien-Lehre Kritik übt: αΐτιαται δέ δ Ευδωρος, δια τί άντιδιηρημένου τοϋ καθ' αυτό τω πρός τι περί μέν τοϋ πρός τι διείλεκται β 'Αριστοτέλης, περί δέ τοϋ καθ' αύτό ούκέτι349. Zwei weiteren Einwänden des Eudoros350 begegnet Simplikios mit der Anspielung auf eine Zwei-Kategorien-Lehre, die offenbar wiederum Eudoros' eigenen Standort bezeichnet361. K. Praechter hat aber nun in einem berühmt gewordenen Aufsatz nicht nur gezeigt, daß die Kritik der platonischen Orthodoxie an der aristotelischen Kategorienlehre von Plotin, mit dem sie abbricht, über Nikostratos bis zu Eudoros THESLEFF 103, I i ff·: ά μέν γάρ μονάς έστι τό γεννών καΐ όρίζον, ά δέ δυάς τό όριστόν καΐ όριζόμενον. καΐ τό μέν περιττών έκ τας καθ' αύτό φύσιος, τό δέ ίρτιον έκ τας πρός τ»' διότι τό μέν xaff αύτό περαίνει, καΐ τό άρτιον έκ τας πρός τι. 848 L . I c. 5» ι · προγενέστερον τό xaff αύτό τοϋ πρός άλλο, L . I I c. 6, ι : τό xaff αύτό ποσόν - τό πρός έτερόν πως έχον. 917 c. I I p. 12, 3 ί· F . : τά μέν ώς καθ' αύτά, τά δέ ώς πρός έτερα διαιρετέον. c. V ρ. ig, 8: τό xaff αύτό καΐ τό πρός τι. Vgl. Jambl. in Nicom. arith. introd. 49. 818 Vgl. Verf. U G M 24 f.; MERLAN, From Platonism to Neoplatonism, 1960®, 9 6 140. 8 " Simpl. Cat. 174, 14 ff. K . - Die folgende Replik des Simplikios, die neun ersten Kategorien seien καθ' αύτό, doch gehöre ihnen jeweils auch das πρός τι an, ist natürlich weder für Aristoteles noch für Eudoros verbindlich. 860 Der Name wird nur 256, 16 K . genannt, doch sind die beiden Einwände einander so ähnlich, daß sich auch hinter dem φασίν 236, 1 2 Κ . Eudoros verbergen dürfte. sei 236, 1 3 ff. Κ . : ή πολλάκις είρηται πρός τοϋτο, ώς ούδέν κωλύει τό αύτό . . . τάττεσθαι . . . ύπό τά πρός τι καΐ δλλην sc. κατηγορίαν τινά, εϊπερ ού xaff έαυτά έστιν τά πρός τι, άλλ' έν ταϊς άλλαις κατηγορίαις ύφέστηκεν. 256, 23 f. Κ . : ώς δ Σωκράτης καθό μέν άνθρωπος ούσία αν εϊη, καθό δέ πατήρ των πρός τι. Vgl. dazu Η . DÖRRIE, Der Platoniker Eudoros von Alexandria, Hermes 79, 1944, 29: „Deutlich hat schon Eudoros diese Zwei-Kategorienlehre vertreten, da Simplikios ihm vorhält, daß auch sie nicht gegen jenen Einwand Stich hält", vgl. 3 2 . 37·

445

90

Ältere und Neuere Akademie

zurückführt 362 , sondern auch wahrscheinlich gemacht, daß Eudoros selbst damit in der Tradition der aporetischen Akademie des Karneades steht 363 . Tatsächlich zeigt Eudoros auch sonst Berührungen mit der Neueren Akademie, etwa in seiner Einteilung der Philosophie, die ,,problematisch"-gliedernd verfährt und damit das systematische, alle denkbaren Lösungen versammelnde Fächerwerk der aporetischen A k a d e miker fortsetzt 354 . Weder Praechter noch Dörrie haben indessen beachtet, daß des Eudoros eigene Kategorienlehre, von der her er die aristotelische kritisiert, die akademisch-xenokratische ist. Eine Äußerung des Nikostratos zum Verhältnis von εναντία und πρός τι in den Postprädikamenten des Aristoteles bietet dazu ein wünschenswertes Detail: Nikostratos behauptet gegen die Einteilung der Postprädikamente (11 b 32-38), daß auch die εναντία unter die πρός τι fallen 355 . E s liegt nahe, daß hier wie schon bei Eudoros zuletzt von der Zwei-Kategorien-Lehre des Xenokrates aus argumentiert wird, bei der Gegensätze und Korrelativa gemeinsam der Überkategorie des Zuetwas (πρός τι =

πρ£>ς έτερον)

subordiniert sind. Die Dokumente für die Fortwirkung der altakademischen Seinseinteilung in der aporetischen Akademie, wie sie bei Eudoros, F a v o -

352 353

354

355

K . PRAECHTER, Nikostratos der Platoniker, Hermes 57, 1922, bes. 495 ff. PRAECHTER a. O. 510, 5 1 1 : „ D e m n a c h liegt dieser Teil der Tätigkeit des Eudoros nicht in der eklektisch-harmonistischen Richtung des Antiochos, sondern in der kritischen des Karneades und Kleitomachos, die j a auch weiterhin in der Schule sich erhalten hat, nicht nur in dem Skeptizismus Favorins, sondern auch in der Verteidigung der έποχή durch Plutarch." 517: „ D i e . . . Linie . . . der Verneinung hat ihren Ausgangspunkt in der skeptischkritischen neuen Akademie, innerhalb deren sie für uns noch durch Eudoros vertreten i s t . . . Die orthodoxe Gruppe der Schule . . . die sich in der Abwehr des Aristoteles die neuakademische Kritik zunutze macht . . ." Stob. Eel. eth. II 42, 7 W . : £στιν ούν Εύδώρου . . . διαίρεσις τοϋ κατά φιλοσοφίαν λόγου . . . έν φ πασαν έπεξελήλυθε προβληματικως την έπιστήμην, vgl. 45.8 ft. W . und dazu ZELLER I I I i e , 634 Anm. 2; DÖRRIE a. O. 31 (unter Hinweis auf Stob. I I 44, 15: ένιοι γάρ και τοϋτον ύπό τόνδε τάττουσιν, vgl. in der T a t die Dihairesis Philons v. L. 39, 19 ff.!): „ W e n n es noch eines Beweises bedurft hätte, so ist es hier mit Händen zu greifen: Bei seiner Einteilung greift Eudoros auf Arbeiten der skeptischen Akademie zurück." Simpl. Cat. 385, 10 ff.: Νικόστρατος δέ δεικνύναι νομίζει, δτι τά έναντία πρός άλληλα λέγεται, vgl. Ζ. iy ί.: και έστιν μέν θαυμαστόν, πώς τά εναντία καθό έναντία ούκ 8στιν έναντία άλλά πρός τι. Vgl. dazu ausführlicher PRAECHTER a. Ο. 500 f. Die von Nikostratos vorausgesetzte Zwischenlösung, daß zwar nicht τά έναντία, wohl aber τό έναντίον αυτό unter die Korrelation falle (dazu Simpl. 385, 4 ff.), dürfte unter akademischem Einfluß in den Peripatos eingedrungen sein.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

91

rinus und in den skeptischen Tropen vorliegen, stützen einander gegenseitig. Das gleiche gilt vermutlich für die Diskussion des πρός τι-Charakters des Kosmos bei Ariston, dem Mitschüler des Eudoros 366 , oder für die mittelplatonische Bestimmung der Idee nach verschiedenen πρόςVerhältnissen - zum Kosmos, zur Hyle, zum Denken - im Unterschied zum Verhältnis πρός αυτήν als ούσία (καθ' αυτό!) 357 . Dem zunehmenden geistigen Austausch der hellenistischen Philosophenschulen untereinander schließt sich in Sachen der Kategorienlehre auch der Peripatos an. Andronikos von Rhodos hat bekanntlich die akademische Zwei-Kategorien-Lehre übernommen und sich dabei anscheinend auf Xenokrates berufen 368 , während sein Schüler Boethos von Sidon, der sich über Lehren des Speusippos gut informiert zeigt 369 , die aristotelische Bestimmung des πρός τι bei Piaton nachzuweisen suchte 360 . D a Andronikos die Zehnzahl der aristotelischen Kategorienlehre beibehielt 361 , hat er die akademische Zweiteilung von καθ' αυτό und πρός τι in der Funktion von Überkategorien verwendet - eine Art der Synthese, der sich eine Reihe von Autoren wie Clemens Alex., Aspasios und vielleicht Albinos angeschlossen haben 362 . Dabei konnte 356

Simpl. Cat. i88, 31 ff. = Ariston fr 2 M A R I O T T I ( I . M A R I O T T I , Aristone d Alessandria, Bologna 1966; M. interpretiert die Äußerung 48 ff. von der Stoa her, umgekehrt P. K R A F F T in seiner Rez. im Gymn. 76, 1969, 104 f. vom Peripatos aus, zu dem Ariston bekanntlich übergetreten ist. Vgl. indessen R. E. W I T T , Albinus, 1937, 66 f., der darauf hinweist, daß die Negation des πρός τι-Charakters die Gegenkategorie καθ' αύτό impliziert). 357 Alb. Didask. c. I X p. 163, 12 ff. H., beobachtet von W I T T a. O. 67. Ausführlicher Chalc. in Tim. c. 339 p. 363, 5 ff. Wr. = p. 332, 6 ff. W A S Z I N K . 358 Simpl. Cat. 63, 21 ff. K. = Xenokrates fr 12 H. = Andronikos v. Rh. bei Fr. L I T T I G , Progr. Erlangen, I I I . Teil, 1895, p. 2 1 : άλλοι δέ κατ' άλλον τρόπον αίτιώνται τήν περιττότητα· οι γαρ περί. Ξενοκράτη καί Άνδρόνικον πάντα τω καθ* αύτό καί τω πρός τι περιλαμβάνειν δοκοϋσιν, ώστε περιττών είναι κατ' αύτούς τό τοσούτον των γενών πλήθος. Andronikos hat auch die Seelendefinition des Xenokrates gegen die aristotelische Kritik verteidigt: Themist. in De an. CAG V 3 p. 32, 24-36 H . = Andronikos I I I p. 32 L I T T I G = Xs. fr 61 H . ; vgl. dazu L I T T I G a. O. 5; Z E L L E R U l i , 646 Anm. 1. Zur Berufung auf Xs. in der Kategorienlehre L I T T I G a. O. 5 Anm. 3; W I T T a. O. 62, 66; L . E L D E R S , Aristotle's Theory of the One, 1961, 29 Anm. 1. 359 Simpl. Cat. 36, 28 ff.; 38, 19 ff.; vgl. 29, 5 ff. Κ . = Speusipp fr 32 a-c L A N G . 380 Simpl. Cat. 159, 14 f. Κ. Vgl. P R A N T L I 542 f. sei vgl. die Sammlung der Belege bei L I T T I G I I I p. 21-27. 362 Clem. Al. Strom. V I I I c. 8; 24, 1 (der akademische Einfluß zeigt sich 24, 2 ff. in der Einteilung der Namen nach Speusipp, die auch bei Boethos v. S. auftritt, vgl. Anm. 359 und W I T T a. O. 38); Aspas. in E N CAG X I X 1 p. 12, 2 ff. H.; Alb. Did. V p. 56, 21-23 Η. neben I X p. 163, 12 ff. Vgl. W I T T a. O. 38 Anm. 5, 67 (wo versehentlich Adrast steht): Albinus „regarding the last nine sc. categories as πρός τι or συμβεβηκότα".

92

Ältere und Neuere Akademie

bald der einen, bald der anderen Seinsart das größere Gewicht zufallen: Bei der mehr peripatetischen Akzentuierung blieb das aristotelische πρός τι erhalten und das καθ' αύτό wurde zur Obergattung aller übrigen Kategorien - so deutlich bei Clemens363 bei der mehr akademischen Ponderierung blieb das Ansichseiende der ούσία vorbehalten, während das πρός τι mit den συμβεβηκότα zusammenfiel: so vermutlich - trotz scheinbar widersprechender Zeugnisse - auch Andronikos3®4. In beiden Fällen mußten die akademischen Seinsarten natürlich, ihrer verwandelten Funktion entsprechend, einen neuen Begriffsgehalt gewinnen. Überblickt man zusammenfassend den direkten Einfluß der altakademischen Seinseinteilung auf die hellenistische Philosophie, so ergibt sich folgendes Schema: Platon

καθ' έαυτά

πρός έτερα, άντικείμενα I εναντία

1

Xenokrates

καθ' εαυτό

πρός τι

Neue Akademie (Tropen, Eudoros)

καθ' έαυτά(-ό)

πρός τι

Polystratos

καθ' έαυτά

πρός τι

Stoa

καθ' έαυτά

πρός τι I κατά διαφοράν

Andronikos

καθ' έαυτό

I πρός τι

πρός τί πως έχοντα

πρός τι

Die eigentlichen Seinseinteilungen3®8 Epikurs (φύσεις καθ' έαυτάς, 868 864

385

a. Ο. 24, ι : τά μέν καθ' αΰτά λέγεται, ώς αϊ ίννέα κατηγορίαι, τά δέ πρός τι. Die Aussage des Simplikios (Zitat oben S. 83 Anm. 315), Xenokrates und Andronikos hätten die συμβεβηκότα πρός τι, die ούσία καθ' αύτό genannt, ist eindeutig. Dagegen vermag trotz PRANTL I 537, LITTIG I I 13 und ZELLER I I I i, 645 Anm. ι die Feststellung, A. habe τά πρός τι nach allen Kategorien angesetzt (μετά πάσας θέντα τάς κατηγορίας Simpl. Cat. 157. Γ 9 Κ . = LITTIG I I I ρ. 21, 20 f f . , ähnlich die p. 22 aufgeführten Belege aus Elias), nicht anzukommen. Möglicherweise ist ähnlich wie bei Xenokrates mit einem engeren - in diesem Fall dem aristotelischen - und einem weiteren - der akademischen Überkategorie - Begriff von πρός τι zu rechnen. Der ontologische, auf die platonisch-aristotelische Seinsdifferenzierung zurückweisende Ansatz auch der epikureischen Einteilung deutlich Ep. ep. I 69: συμβεβηκότα . . . οΰθ' ώς καθ' έαυτάς είσι φύσεις δοξαστέον . . . οϋτε δλως άς ούκ εΜν, οΰθ' ώς 2τερ' άττα . . . άσώματα . . . sowie 7 1 über die συμπτώματα: καΐ

Die Umbildung der Kategorien- u n d Prinzipienlehre

93

per se - συμβεβηκότα, coniuncta - συμπτώματα, event a)366 und der Stoiker (ύποκείμενον - ποιόν - πώς έχον - πρός τί πως έχον) 367 stellen sich freilich schon terminologisch weitgehend in die Nachfolge der peripatetischen368, wobei immerhin bei der ersten Seinsart des καθ' έαυτά,

ούκ έξελατέον έκ τον δντος ταύτην τήν ένάργειαν, δτι ούκ έχει την τοϋ δλου φύσιν . . . - Die Stoiker sprechen wohl von πρώτα γένη τοϋ δντος: S V F I I 369, 37 1 . v g l · 3 2 9 ff. u n d R I E T H 90, 1 9 1 . Sie

867 8,8

E p i k u r e p . I 6 8 - 7 3 ; D e n a t . P a p . H e r e . 1 0 5 6 p . 323/4 ARRIGHETTI; S. Ε . X

219-227, vgl. 2 3 8 0 . ; Lucr. I 440-482; Cie. n. d. I I 82. Z u m Problem der Abgrenzung zwischen συμβεβηκότα u n d συμπτώματα a m besten noch immer die älteren Erläuterungen von GIUSSANI Lucr. I 27 ff. 'coniuncta et eventa', bes. 32 ff.; BAILEY, Atomists 300 ff. 'properties a n d accidents'; vgl. ferner P . NATORP, Forschungen z. Gesch. d. Erkenntnisproblems im Altertum, 1884, N a c h d r u c k 1965, 228 ff.. Plotin E n n . V I 1, 25, 1 ff. = S V F I I 3 7 1 , Simpl. Cat. 67, 1 f. Κ. = S V F I I 369. Arist. versteht u n t e r κατά συμβεβηκός 6v das zufällige Sein (Metaph. Δ η, το\η a 7 ff.; Ε 2-3, 1026 b 2 ff.), unter συμβεβηκότα die Eigenschaften der ούσία, u n d zwar unterschieden in Wesenseigenschaften, συμβεβηκότα καθ' αύτά, die zum Gattungsbegriff gehören, u n d zufällige Eigenschaften des Individuums, συμβεβηκότα ούκ άναγκαϊα (Anal. post. A 4, 73 a 34 ff.; 6, 74 b 6 f.; 75 a 18 f., 28 ff.; 22, 84 a I I ff.; vgl. Metaph. Δ I8, 1022 a 27 ff.; 30, 1025 a 30 ff.; Ζ 5, 1030 b 18 ff.; I I, 1052 a 18 f.). Andererseits gebraucht Arist. im Bereich der P h y s i k (vgl. auch schon Top. 126 b 40, Cat. 9 b 20, 10 a 3) f ü r a- u n d dysteleologische Erscheinungen, die sich nicht zweckhaft deuten lassen u n d dem Zufall unterliegen (τά συμπτώματα καΐ τά άπό τύχης R h . 1367 t> 24, vgl. bes. Phys. Β 8, 199 a ι ff.), den Terminus σύμπτωμα (vgl. ζ. B. De an. Γ 434 a 32, P . Α. I V 2, 677 a ι 8 ; G. Α. IV ίο, ηηη b 8; sowie Β ο ν ι τ ζ I n d . Ar. 719 a 10 ff.; DÜRING, Aristoteles, 534 f.), der bei T h e o p h r a s t in gleicher Bedeutung weiterwirkt (Metaph. 10 a 26: συμπτωματικής, b 19: συμπτώματα, Η . PI. V 4, 6; V I I 15, 1; De vent. 1 7 ; 3 1 ; vgl. ferner G. SENN, Die Entwicklung d. biol. Forschungsmethode i. d. Antike u n d ihre grundsätzliche Förderung d u r c h T h e o p h r a s t v. E., Aarau 1933, E x k u r s I : 'συμβαίνειν'). Epikur k o n n t e daher m i t der Unterscheidung von fixen u n d t e m p o r ä r e n Eigenschaften an Arist. a n k n ü p f e n u n d auch m i t der terminologischen Differenzierung zwischen συμβεβηκότα und συμπτώματα auf den Peripatos zurückgreifen (dieser Schritt noch ablesbar a n der Rolle des συμβεβηκός als Obertitel aller Eigenschaften ζ. B. Cie. n. d. I I 82, vgl. C. M. FRANCKEN, J b b . f. cl. Philol. 26, 1880 = N J b b . f. Philol. u. P ä d . 1 2 1 , 768 f.). D a r ü b e r hinaus gebraucht Arist. gelegentlich den Ausdruck καθ' αύτό auch f ü r das ύποκείμενον u n d τί ήν είναι in der Abgrenzung von den συμβεβηκότα (Anal. post. A 4, 73 b 5 ff.: καθ' αύτά . . . δ μή καθ' ύποκειμένου λέγεται . . . ή δ' ούσία, και 8σα τόδε τι σημαίνει . . . τά μέν δή μή καθ' ύποκειμένου καθ' αύτά λέγω, τά δέ καθ' ύποκειμένου συμβεβηκότα, Metaph. Δ Ι8, ΙΟ22 a 25 f.: Sv μέν γάρ καθ' αύτό τό τί ήν είναι έκάστω, Ζ 4, 1029 b 13 f.: έστί τό τί ήν είναι έκάστω δ λέγεται καθ' αύτό). D a E p i k u r die 'Analytiken' nachweisbar gelesen h a t (Philod. adv. [Soph.] p. 75 SBORDONE), liegt ein allseitiger Anschluß der epikurischen Dreiteilung an den Peripatos u n d insbesondere die Zweiten Analytiken im Bereich des Möglichen. - Von den stoischen πρώτα γένη v e r r a t e n drei in der Terminologie peripatetische Her-

94

Ältere und Neuere Akademie

Kepos (καθ' αυτά)389 und der letzten der Stoa (Korrelativa)370 akademischer Einfluß zu erwägen bleibt. Dennoch zeichnet sich in der gemeinsamen Tendenz der hellenistischen „Kategorienlehren" zur Verkürzung und Einschränkung der Kategorienzahl gegenüber der peripatetischen Kategorienlehre

eine Verwandtschaft mit der Seinseinteilung

der

Akademie - der Älteren wie der Neueren - ab, der einen mehr generellen philosophiehistorischen

Zusammenhang wahrscheinlich

macht:

Mag auch Aristoteles selbst die abhängigen Kategorien gelegentlich als συμ,βεβηκότα oder πάθη der ουσία zusammenfassen371, - die Polemik des Xenokrates gegen die „Überzahl" (περιττον πλήθος) der aristotelischen Kategorien und die Bildung akademischer Oberkategorien bei den ihm nachfolgenden hellenistischen Peripatetikern wie Andronikos zeigt deutlich, daß die Anzahl der „Kategorien" ein Kontroverspunkt schon zwischen den beiden klassischen Schulen von Akademie und Peripatos

8,8

370

871

kunft (ύποκείμενον, ποιόν, zum πρός τί πως ίχον vgl. oben S. 88 Anm. 340), haben aber eine Bedeutungsverschiebung erfahren. Genauere Vergleiche fehlen m. W. noch weitgehend; zum generellen Zusammenhang zwischen stoischer und peripatetischer „Kategorienlehre" vgl. ζ. B. T R E N D E L E N B U R G 217 ff.; W. L U T H E , Beiträge z. Logik II, 1877, 28, 38, vgl. 36; Z E L L E R III i e , 93 ff.; P O H L E N Z , Die Stoa I 69. Im Falle des Epikureismus scheint bisher selbst dieser unbemerkt geblieben zu sein. Im Unterschied zur Vieldeutigkeit des aristotelischen καθ' αύτό (Met. Δ 1022 a 25: τό καθ' αύτί> πολλαχως άνάγκη λέγεσθαι) ist der akademische Begriff der καθ' αύτά auf das substantiale Sein festgelegt und erscheint außerdem als Glied einer bestimmten, gleichfalls dreiteiligen Seinseinteilung. Im übrigen führt die auf Epikur vorausweisende Bedeutung des aristotelischen καθ' αύτό die entsprechende akademische fort (deutlich EN A 4, 1096 a 20 f., vgl. auch G. E. L. O W E N in: New Essays on Plato and Aristotle, ed. by B A M B R O U G H , 1965, 71 Anm. ι zu Anal. post. A 73 b 5-10; M. I S N A R D I P A R E N X E , A proposito di καθ' αύτό e δυνάμει in Aristotele Phys. A 8-9, Riv. di Filol. 96, 1968, 129 fl.). Die stoischen Korrelativa sind historisch ohne die akademisch-peripatetischen πρός τι nicht denkbar. Ein direkter akademischer Einfluß ist durch die zweite stoische „Kategorienlehre" (oben S. 85 s.) nahegelegt. Vgl. auch W. T H E I L E R in: Plotins Schriften, Hamburg Meiner, Bd. IV b, 1967, 458 zu Enn. V I i, 30, 21 ff. B O N I T Z Ind. Ar. 714 a 20 ff. (συμβεβηκότα), 556 a 60 ff., bes. b 19 flf. (πάθη). Daneben unterscheidet Aristoteles ούσίαι, πρός τι und πάθη (die übrigen Kategorien) : Met. Ν 1089 b 23 f. - Daß Theophrast die Zahl der arist. Kategorien reduziert und die des Ortes, der Zeit, des Tuns und Leidens unter der Überkategorie φορητόν (Simpl. in phys. 413, 3 D.) zusammengefaßt habe (so die Vermutung v. P. S T E I N M E T Z , Die Physik d. Theophrastos v. Eresos, 1964, 153), ist nicht erweisbar, und selbst dann blieben immer noch sieben Kategorien übrig.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

95

war und daß die aufkommenden jüngeren Schulen in diesem Streit eine vermittelnde Position bezogen haben 372 : Akademie

καθ' αυτά

Peripatos Kepos Stoa

ύποκείμενον

πρός ετερα (πρός τι) έναντία πρός τι ούσία ποιόν ποσόν πού ποτέ κεΐσθαι έχε ιν ποιεϊν πάσχειν πρός τι373 καθ' αύτά συμβεβηκότα συμπτώματα 374 ποών πώς Ιχον πρός τί πως έχον

Überkreuzen sich demnach in den hellenistischen „Kategorienlehren" peripatetische (Grundstruktur der Inhärenz und Termini) und akademische (wenige Hauptkategorien) Einflüsse, so unterscheiden sich doch die vier Einteilungen nach Zielsetzung und Funktion grundlegend voneinander: Die akademische Disjunktion 375 steht im Dienst einer Metaphysik des Absoluten und Relativen, wenn die Seinsarten die Ordnung und Zurückführung des Seienden auf eine dualistische Prinzipienlehre übernehmen 378 ; die aristotelische Kategorienlehre dringt vom Prädikationsproblem zur Seinsanalyse vor, wobei das Prinzip der Seinsdifferenzierung in der Auseinandersetzung mit der Eristik gewonnen wird; die epikureische Einteilung ist weder metaphysisch noch logisch, sondern physikalisch orientiert und formuliert Lehrgehalte des Atomismus mit Hilfe klassischer Denkmittel schärfer; die stoische schließlich ist gleichfalls primär physikalisch von der stoischen Pneumalehre her kon-

872

873

371

Die stoische Kritik an der Überzahl der aristotelischen Kategorien (κατηγοροϋντες της εις τοσούτον πλήθος διαιρέσεως Simpl. Cat. 62, 24 ίϊ. Κ. nach Athenodor von Tarsos, vgl. 18, 27 f.) erinnert an die des Xenokrates. Vgl. die peripatetische Gegenkritik bei Simpl. Cat. 66, 32 ff. K. = S V F II 369: ol δέ γε Στωικοί είς έλάττονα συατέλλειν άξιοϋσιν τόν των πρώτων γενών αριθμών καί τινα έν τοις έλάττοσιν ύπηλλαγμένα παραλαμβάνουσιν (Über- und Unterkategorien!). καΐ δήλον δτι πλείστα παραλείπονσιν. Ähnlich Dexipp Cat. 34· 19 ff- Β. = SVF II 399· Zur Endposition der Korrelation vgl. Ar. Metaph. Ν IO88 a 22 ff., E N A 1096 a 2 1 f. Vgl. TRENDELENBURG 228: „Die πώς ϊχοντα begreifen daher mit Ausnahme des πρός τι alle Kategorien des Aristoteles außer der Substanz." Ähnlich ZELLER I I I I E , 1 0 3 .

875 878

Zur sophistischen Vorstufe oben S. 83. Auch bei Xenokrates, vgl. HEINZE, Xenokrates 37.

96

Ältere und Neuere Akademie

zipiert, wenngleich logische, ja konzeptualistisch-nominalistische Charaktere hineinspielen mögen. III. Darüber hinaus ist die akademische Einteilung - und damit kehren wir zum Hauptgedankengang zurück - als einzige einer tiefgreifenden Wandlung innerhalb ihrer eigenen Schule unterworfen gewesen: War sie ursprünglich, in ihrer klassischen Form, metaphysisch-ontologisch intendiert, so wurde sie in der aporetischen Akademie der hellenistischen Epoche ins Argumentativ-Methodische formalisiert. Am ausführlichsten stellt sich das Resultat dieser Umbildung in dem Sammelwerk des Skeptizismus: den Schriften des Sextus Empiricus dar, wo die Entfaltung der im vorigen behandelten Tropenlehre im einzelnen verfolgt werden kann. Auszugehen ist von dem für die spätere Skepsis wichtigsten Tropos des Relativen, Bezüglichen (πρός τι), der sowohl als spezieller (Sextus: achter, Diogenes: zehnter, nach Änesidem; bei Agrippa: dritter) wie auch - da auch auf andere Tropen übergreifend377 - als Übertropos (γενικώτατος Ρ. Η. I 39) auftritt. Zum Bezüglichen gehört als von den Skeptikern negierter Gegenbegriff der des Unbezüglichen im weitesten Sinne, der im Unterschied zu der konstanten Bezeichnung des Bezüglichen (als πρός τι, πρός έτερον)378 mit den verschiedensten Formulierungen umschrieben wird (καθ' εαυτό, έαυτά, κατά διαφοράν, φύσις, πρός, κατά τήν φύσιν, κατά (ιδίαν) περιγραφήν, άπόλυτα, άπολύτως, άπολελυμένα, άφεστηκότα, διεστώτα, κεχωρισμένα, διεζευγμένα, άπλώς, είλικρινώς u. a.)379. Hier läßt sich überall ein zweigliedriges Argumentationsschema greifen, das einem Fürsich- und Ansichseienden ein Zuetwas-anderem-Seiendes gegenüberstellt. Es stimmt im Grundsätzlichen mit der akademischen, von Favorinus der aporetischen Akademie ausdrücklich zugeschriebenen Seinseinteilung überein, widerspricht dagegen dem Inhärenzverhältnis der aristotelischen, stoischen 877 378 879

Ρ. Η. I 78 fin., 104, 123 f., 132,163. Ausnahmsweise begegnen gelegentlich die Ausdrücke κατά τι (Ρ. Η. I 123) oder σύν τινι (I 124 f·). P. Η. I 59, 78, 104, 123, 124, 125, 132, 135, 137, 140, 163, 167, 177, vgl. 178; 186, 207, vgl. 233; I I I 232. Adv. math. V I I I 37 f., 1 6 1 - 1 6 3 , 206, 273, 335, 387, 394; I X 239, vgl. 78, 220; X I 114, 118.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

97

oder epikureischen „Kategorienlehre"380. Für die Beurteilung der Traditionsverhältnisse ist es ferner nicht unerheblich, daß die bisher gründlichste quellenanalytische Untersuchung von A. Schmekel eine ganze Reihe von Textpartien für Karneades-Kleitomachos in Anspruch genommen hat, die das Schema enthalten und kritisch auf Grundbegriffe der stoischen und epikureischen Logik anwenden381. Aber auch wer Schmekels Methoden und Ergebnissen zurückhaltend gegenübersteht382, wird dies vor allem deshalb tun müssen, weil dieser zu einseitig Vorlagen scheidet, ohne aus der Tatsache, daß Änesidem selbst in akademischer Tradition steht383, ausreichende Folgerungen zu ziehen. Im übrigen läßt sich nicht nur die Korrelation zwischen Quantitäten (Sorites)384, sondern auch zwischen Erkennendem und Erkanntem (Favorinus!) oder ganz allgemein zwischen einander entsprechenden Begriffen bis auf Piaton und die Akademie zurückverfolgen385. Alle 880

381

882

Die nachgeordneten Seinsarten (συμβεβηκότα, πάθη, συμπτώματα usw.) sind dort überall (ausgenommen ist nur die akademisierende zweite Einteilung der Stoa) in ihrem B e z u g zur ersten (ούσία, ύποκείμενον, καθ' αύτά) gesehen, in der akademischen und skeptischen Einteilung aber primär im B e z u g ihrer Glieder zueinander. S. Ε . V I I I 183-214, 244-263 (σημείον, άπόδειξις), 316-334, 396-462 (άπόδειξις), I X 2 3 7 ~ 3 2 ° (αίτιον, δλον - μέρος); vgl. SCHMEKEL 1938 S. 3 5 ° FF·. 359 FF·. 368 ff., 417 ff., dazu grundsätzlich 304 ff. Ζ. B . DE LACY A J P h 61, 1940, 376 f.; anders SOLMSEN CI. W e e k l y 33, 1940, 164; WILPERT D L Z

888 881

885

1940, 795

ff.

Darüber SCHMEKEL selbst 1938 S. 293 ff. Z u m Zusammenhang v o n Sorites und πρός τι math. I 68 ff., vgl. auch unten S. 99 A n m . 39 t. έπιστήμη - άλήθεια im Verhältnis der Ideen, δσαι πρός άλλήλας είσΐν αϊ είσιν, αύταΙ πρός αύτάς τήν ούσίαν ίχουσιν: PI. P a r m . 133 C f., 134 Α ff.; ähnlich D i v . Arist. c. M. 67 = T. PI. 43 G . : ή έπιστήμη πρός άλλο τι neben τό διπλάσιον πρός τό ήμισυ als Paradigmen für die πρός τι in der akademischen Seinseinteilung, sowie dieselben Beispiele in den Postprädikamenten der arist. Kategorienschrift 11 b 24 ff. für das akademische πρός τι (vgl. dagegen die K o r r e k t u r im Zusammenhang v o n Aristoteles' eigener Behandlung der Kategorie πρός τι: Cat. 7 b 22 ff. gegen 15 ff.!). - Allgemeine Korrelatbegriffe: δεσπότης - δοϋλος, δεσποτεΐα - δουλεία πρός άλλήλας PI. Parm. 133 D f., danach wohl Arist. Cat. 6 b 29 f., 7 a 28 ff., b 4 ff., 17 f. neben μείζον - έλαττον, διπλάσιον - ήμισυ. - Der Gedanke, alle φαινόμενα seien nicht αύτά καθ' αύτά, sondern πρός τι auf den Erkennenden hin, begegnet wohl zuerst in der aristotelischen Erörterung des principium contradictionis Metaph. Γ 6, i o n a 17 ff., b 4 ff., und zwar als m i t den Mitteln der akademischen Seinseinteilung operierende - E x p l i k a t i o n der v o n Arist. b e k ä m p f t e n protagoreischen Gegenthese. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen der späteren D e u t u n g der Erkenntnisrelation (πρός τό κρίνον) als K o r r e l a t i w e r h ä l t n i s (b. Favorinus und in der Tropenlehie) und der Aristoteles-Stelle. D a jedoch Arist. für die wichtigere

98

Ältere und Neuere Akademie

Typen von Anwendungen des Tropos können daher im Kern auch für Karneades-Kleitomachos angenommen werden, während das Schweigen Ciceros in den .Academica' sich ohne weiteres daraus erklärt, daß Cicero im Unterschied zu Sextus zwar die akademische Kritik an der stoischen Kriterienlehre (Erkenntnistheorie), aber nicht die an der stoischen Dialektik und Methodenlehre referiert 386 . Im einzelnen läßt das Argumentationsschema, wo es bei Sextus ausführlicher entwickelt wird (Ρ. Η. 1 1 3 5 ff., math. V I I I 3 7 ff., 1 6 1 ff.), Rückschlüsse auf seine historische Genese zu. Die Skeptiker gehen dort von einer Seinseinteilung in Differentiell- und Relativseiendes aus 387 und versuchen, das erstere ins letztere einzubeziehen388, was der Intention nach bedeutet, daß beide nicht mehr verschiedenes Seiendes, sondern durchweg Aspekte desselben Seienden ausmachen, das nur in seinem Relativsein, nicht aber in seinem Ansichsein erkennbar ist 389 . Die V I I I 1 6 1 ff. vorgelegte Zweiteilung entspricht weder der akademischen noch der ihr folgenden stoischen Einteilung genau, da sie zwischen καθ' αυτά und κατά διαφοράν οντά bzw. εναντία nicht mehr unterscheidet 390 und statt dessen - mit neuer Grenzziehung - die üCorrelativa beiden isoliert gegenüberstellt. Dieser Rückgang auf die πρός τι im

objektive Anwendung (πρδς τά συνθεωρούμενα) und für einzelne Charakteristica (Komparative u. a.) keinen Anhalt bietet, könnte es sich nur um eine partielle Anregung gehandelt haben, die die innerakademische Vermittlung der Seinseinteilung im ganzen und ihre erkenntniskritische Auswertung nur bedingt tangiert. (Bei Arist. schließen übrigens καθ' αύτά und πρός τι einander noch aus und sind nicht schon Aspekte derselben Sache wie bei den Späteren.) 386 Unzureichend die knappe, auf Fangschlüsse zugespitzte Behandlung Ac. II 91-98. 387 V I I I 161 f.: των οδν ΰντων, φασίν οί άπ& της σκέψεως, τά μέν έστι κατά διαφοράν τά δέ πρός τι πώς έχοντα, και κατά διαφοράν μέν όπόσα κατ* Ιδίαν ύπόστασιν καΐ άπολύτως νοείται, οίον λευκών μέλαν, γλυκύ πικρόν, παν τό τούτοις παραπλήσιον . . . πρός τι δέ έστι τά κατά τήν ώς πρός ετερον σχέσιν νοούμενα και ούκέτι άπολελυμένως λαμβανόμενα, τουτέστι κατ' Ιδίαν, οίον τό λευκότερον καΐ μελάντερον και γλυκύτερον και πικρότερον . . . Vgl. 37 · άληθές ήτοι των κατά διαφοράν και φύσει ή των πρός τι. 388 Ρ. Η. I 137 : · · · πάντα έστι πρός τι . . . πότερον διαφέρει των πρός τι τά κατά διαφοράν ή οΰ; εΐ μέν ού διαφέρει, καΐ αύτά πρός τι εστίν" εί δέ διαφέρει, έπεί παν τδ διαφέρον πρός τι έστίν ( ! ) . . . πρός τΐ έστι τά κατά διαφοράν. 38s Für die πρός τι trifft dies schon immer zu: vgl. die Belege aus Philon und Diog. Laert. oben S. 8o. 390 Die Disjunktion V I I I ι 6 ι (των ούν 8ντων . . . τά μέν έστι κατά διαφοράν τά δέ πρός τί πως έχοντα) ist vollständig (163: τρίτη γάρ μεταξύ τούτων ιδέα των πραγμάτων ούκ έστιν), exemplifiziert aber das Fürsichseiende nicht mit substantiellen Wesenheiten, sondern mit qualitativen Gegensätzen. Dies über-

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

99

engeren und strengeren Sinne - im Unterschied etwa zu den akademischen Tropen bei Philon - und die damit verbundene Verschiebung des Schwergewichts der Einteilung dient zweifellos der Präzisierung der Argumentationsbasis

und

der

Schärfung der Beweisführung.

Die

stoische Form der Einteilung kann dabei eine vermittelnde Rolle gespielt haben, wenn sie die Gegensätze bereits κατά διαφοράν nennt, sie aber weiterhin den προς έτερα unterstellt und nicht mit den καθ' αύτά identifiziert. E s ist nicht ausgeschlossen, daß die bei Sextus greifbare Form der Einteilung verschiedene Phasen der Auseinandersetzung zwischen Aporetik und Skepsis einerseits und der Stoa andererseits widerspiegelt, ohne daß an der akademischen Abkunft der Grundunterscheidung Zweifel bestehen können 391 . Die elenktische Auswertung des (Kor) Relativitätsprinzips (πρός τι) vollzieht sich nun nach zwei Hauptrichtungen hin, die beide im wesentlichen schon der aporetischen Akademie zuzurechnen sind. Einerseits

891

sehen W . T H E I L E R (Einheit und unbegrenzte Zweiheit von Plato bis Plotin, in: Isonomia, Bln. 1964, 89) und K . G A I S E R (Quellenkritische Probleme der indirekten Platonüberlieferung, in: A H A W 1968/2, 72 Anm. 93), wenn sie die Stelle auf die stoische oder die altakademische Einteilung X 263 ff. beziehen. Es ist andererseits fraglich, ob der Ausdruck κατά διαφοράν für die καθ' αύτά im Platon-Referat X 263 ff. überhaupt stoischer Herkunft ist ( T H E I L E R , in: Parusia f. Hirschberger, 1965, 208; G A I S E R a. O. 72), da die stoische Einteilung beide nicht identifiziert, sondern κατά διαφοράν den Gegensätzen vorbehält, und andererseits die διαφορά der Wesenheiten schon Terminus der Älteren Akademie gewesen sein dürfte (vgl. oben Anm. 337). - „Differentiell" (κατά διαφοράν) seiend bedeutet bei Sextus soviel wie schlechthin getrennt, für sich seiend, unbezüglich und infolgedessen auch an sich seiend (vgl. ζ. Β. V I I I 37: τά κατά διαφοράν και φύσει), in der Stoa dagegen lediglich eine abgeschwächte Form der Bezüglichkeit. Die Nachwirkung der akademischen πρός τι besonders deutlich in den Komparativen V I I I 162, 165. Wenn hier die πρός τι strenger auf komparativische und diesen äquivalente Verhältnisse beschränkt bleiben (λευκότερον - μελάντεpov: wie das akademische ήττον - μάλλον!), ohne wie bei Diogenes und Philon (oben S. 80) auch auf einfache Gegensätze (λευκών - μέλαν) Anwendung zu finden, die hier unter die κατά διαφοράν οντα fallen, so ist zu beachten, daß in der altakademischen Seinseinteilung die πρός έτερα (άλλα) sowohl die έναντία die Gegensätze - wie die eigentlichen πρός τι βντα - die Korrelativa - unter sich befassen. Für die Zwecke der Aporetiker und Skeptiker genügte in der Regel die Relativität im weiteren Sinne (πρός έτερα), und nur dort, wo das Beweisziel die strengere Korrelation erforderte, wurde auf die πρός τι im engeren Sinn zurückgegriffen (zu der Sextus V I I I 161 fif. folgenden Anwendung auf das Paar σημεΐον - σημειωτόν, die nach stoischer Auffassung gleichzeitig, d. h. in strikter Bedeutung korrelativ sind, vgl. H. S T E I N T H A L , Gesch. d. Sprachwissenschaft I, 189ο2, 308 ff., sowie das Folgende).

100

Ältere u n d Neuere A k a d e m i e

wird die Erkenntnisrelation als Korrelativverhältnis aufgefaßt 392 und damit dem Phänomenalismus überantwortet: Die Dinge sind uns nur in der unserem Erkenntnisvermögen zugeordneten Beziehung, nicht aber in ihrem Ansichsein zugänglich - eine Unterscheidung, die mit dem Streit um das stoische Kriterium aufs engste zusammenhängt. Die Korrelation betrifft die Wahrnehmung 393 ebenso wie das Denken 394 und wird im Rahmen der Tropenlehre im einzelnen entfaltet. Ungleich wichtiger ist auf der Seite der objektiven Korrelativa, daß Grundbegriffe der dogmatischen, vornehmlich stoischen Logik als Glieder eines πρός τι-Verhältnisses gedeutet werden. Es handelt sich vor allem um die Schlüsselbegriffe des Zeichens (σημείον), des Beweises (άπόδειξις), der Ursache (αίτιον) und verwandter Termini 395 , deren Tragfähigkeit dadurch erschüttert werden soll. Das stoische σημεϊον ist der Vordersatz (ήγούμενον) eines Bedingungsgefüges (συνημμένον), der die nicht direkt zugängliche Wahrheit des Nachsatzes (λήγον) hinweisend enthüllen soll (έκκαλυπτικόν)39®, und damit die Grundlage der stoischen Lehre vom wissenschaftlichen Beweis. Die Argumentation der Kritiker stellt demgegenüber σημεϊον und σημειωτόν ins Verhältnis von Korrelativa (πρός τι) und zieht daraus die Konsequenz, daß sie als πρός τι ebenso wie .rechts' und .links', .oben' und ,unten' oder ,mehr' und ,weniger' nicht nur zugleich sind (άμφότερα συνυφέστηκεν άλλήλοις)397, sondern auch zusammen aufgefaßt werden (συγκαταλαμβάνεσθαι άλληλοις)398. Damit ist aber ein Erkenntnisfortschritt vom Bekannten zum Unbekannten 399 , wie ihn die stoische Logik voraussetzt, ausgeschlossen, 892

Vgl. S. Ε . Ρ . Η . I 135 ff.: έπεί πάντα έστί πρός τι, περί τοϋ τίνα έστίν απολύτως καΐ ώς πρός τήν φύαιν έφέξομεν, m i t der U n t e r t e i l u n g πρός τό κρίνον (τό γαρ έκτός ύποκείμενον και κρινόμενον πρός τό κρίνον φαίνεται) u n d πρός τά συνθεωρούμενα (ζ. Β. rechts-links); ähnlich I 167; grundsätzlich in der Z u s a m m e n f a s s u n g der zehn T r o p e n I 38 f. m i t den U b e r t r o p o i άπό τοϋ κρίνοντος - άπό τοϋ κρινομένου έξ άμφοϊν, die ihrerseits der Universalkategorie πρός τι u n t e r s t e h e n . 393 F a v o r , b. Gell. Ν. Α. X I 5, 7 *·: S. Ε . P. Η . I 175: «τι δέ καΐ πρός τί έστι πάντα τά αισθητά, δήλον- ίστι γαρ πρός τούς αίσθανομένους. 394 S. Ε . a. Ο. 177 : άλλά καΐ πρός τί έστι τά νοητά - πρός γάρ τόν νοοΰντα λέγεται. D. L. I X 88: πάντα ώς πρός τήν διάνοιαν (vgl. o b e n S. 80). ass Vgl. d i e A u f z ä h l u n g D. L. I X 90 in. 398 Vgl. die Definition Ρ. Η . I I 104 = m a t h . V I I I 244 = S V F I I 221. 897 S. Ε. V I I I 273. 398 Ζ. Β. Η . P . I I 119: ει μέν πρός τί έστι καΐ πρός τω σημειωτφ sc. τό σημεϊον, ανγκαταλαμβάνεσθαι πάντως όφείλει τω σημειωτφ, καθάπερ τό άριστερόν τω δεξιω καΐ τό άνω τω κάτω και τά άλλα πρός τι. U b e r e i n s t i m m e n d I I 117 ff., 125, 169; m a t h . V I I I 164 ff., 169 f., 174, 175, vgl. 206; 273, 394. Vgl. D. L. I X 96 f . : τό σημεϊον των πρός τι δν ανγκαταλαμβάνεσθαι όφείλει τ ω οΰ έστι σημεϊον. 899 προκαταλαμβάνεσθαι - έπικαταλαμβάνεσθαι Ρ. Η . I I ι ι 8 ff., m a t h . V I I I 175·

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

101

denn das σημειωτόν ist dann zur gleichen Zeit im gleichen Grade bekannt wie das ση μείον selbst, d. h. es kann nur aus sich selbst erkannt werden 400 . Der Korrelatcharakter steht demnach mit der Verweisungsfunktion im Widerspruch und hebt den Begriff des ση μείον geradezu auf 401 . Damit ist zwar nicht das empirische Schließen, wohl aber seine logische Grundlegung im Kern getroffen. Wird so das Verhältnis v o n Zeichen und Bedeutetem durch das Prinzip von der Parität der Korrelate entkräftet, so finden sich unter den zahlreichen Widerlegungen des Beweises

(άπόδειξις)402 nicht weniger

als drei verschiedene Anwendungen des Korrelationstropos. Zunächst gilt das v o m σημεΐον Gesagte auch für die άπόδειξις: Sie ist ein προς τι auf ein Beweisziel hin, das als πρός τι mit ihr zusammen aufgefaßt wird, wodurch der postulierte Fortschritt des Erkennens entfällt 403 . Daneben besteht ein Widerspruch zwischen dem πρός τι-Charakter der άπόδειξις und dem Umstand, daß das Beweisziel in Gestalt des Schlußsatzes (έπιφορά bzw. συμπέρασμα) ihr selbst zugerechnet wird, denn das Korrelat ist per definitionem außerhalb (εκτός) dessen, von dem es Korrelat ist 404 . Schließlich wird in einem immanent gegen die Stoa gerichteten Gedankengang argumentiert, der άπόδειξις komme als πρός τι überhaupt keine reale Existenz zu (ΰπαρξις), da die πρός τί πως έχοντα nach stoischen Voraussetzungen lediglich den Status von νοούμενα hätten 408 . math. V I I I 273: εί δέ συνυφέστηκεν, έκάτερον έξ αύτοϋ καταληπτόν έστι καΐ ούδέτερον έκ θατέρου, vgl. 394 : δέ συγκαταλαμβανόμενα ούκ έξ άλλήλων έκκαλύπτεται άλλ' έξ αύτών έστί πρόδηλα. 401 Ρ. Η. II ΐ2ο: αδύνατον άρα έπινοεΐν τι χαϊ πρός τι 8ν και έκκαλυπτικόν έκείνου υπάρχον πρός ω νοείται, τό δέ σημεΐον και πρός τί φασιν είναι χαϊ έκκαλυπτικόν του σημειωτοϋ" άδύνατον άρα έστίν έπινοήσαι το σημεΐον. Ähnlich math. V I I I 165: τό συγκαταλαμβανόμενον δέ αύτω (sc. τω οδ έστί σημεΐον) ούκ ϊσται σημεΐον αύτοϋ. 402 Zur Definition Ρ. Η. II 135 = math. V I I I 314 = S V F I I 266. Die Bücher P. Η. I I und math. V I I I enthalten bekanntlich die einzige zusammenhängende Darstellung der stoischen Zeichen- und Beweislehre, vgl. die Ubersicht über die Quellenlage zur stoischen Logik b. H . J. METTE, Gnomon 23, 1951, 31-36, bes. 35. 403 Ρ. Η. II 179: έπεί γάρ πρός τι έστίν sc. ή άπόδειξις, τά δέ πρός τι άλλήλοις συγκαταλαμβάνεται, συγκαταλαμβανόμενον τη προδήλφ άποδείξει τό άποδείκνυσθαι λεγόμενον πρόδηλον έσται, übereinstimmend math. V I I I 394! die Anknüpfung an die Kritik des Zeichens ausdrücklich Ρ. Η. II 134: εύρήσομεν τούς περί τοϋ σημείου λόγους . . . καΐ κατά της άποδείξεως, έπεί και πρός τι είναι δοκεΐ καΐ έκκαλυπτική . . . οίς ήκολούθει τά πρός τό σημεΐον ήμΐν είρημένα σχεδόν άπαντα. 4°4 Ρ. Η. II 175, math. V I I I 387. 405 math. V I I I 453-462 (mit S V F II 404), 335. Zur Streitfrage H. v. ARNIM, Die europäische Philosophie d. Altertums (in: K u l t u r d. Gegenwart, hggn. v . HINNEBERG, Bd. I 5, 1923 5 ), Der Stoizismus, S. 207; E . BRÄHIER, L a th6orie des incorporels dans l'ancien Stoicisme, 1962 s , 43 f.; RIETH 78 fi. 400

102

Ältere und Neuere Akademie

Ganz ähnlich verfällt der Begriff der Ursache (αίτιον) in verschiedener Weise der Korrelation: Ursache und Wirkung (άποτέλεσμα) können als Korrelate (πρός τι) nur zusammen bestehen (συνυπάρχειν) und gedacht werden (συννοεΐσθαι άλλήλοις); es gibt daher keine Wirkung ohne Ursache, aber auch keine Ursache ohne Wirkung; die Ursache kann daher der Wirkung ebensowenig vorhergehen wie die Wirkung der Ursache folgen406. Ferner erhebt sich nach der Analogie der άπόδειξις der Vorwurf, daß das αίτιον als πρός τι nicht existiere, sondern nur gedacht sei407; und endlich wird der Versuch der dogmatischen Aitiologie, den regressus ad infinitum unter bestimmten Bedingungen abzubrechen, als Etablierung der Relativität (der Ursache) in bezug auf eben diese Bedingungen entlarvt 408 . Umgekehrt gelangt die Korrelation insofern zu elenktischer Anwendung, als etwa von der Widerlegung des einen Korrelats auf die Widerlegung des anderen geschlossen wird, wie im Falle von Teil und Ganzem409. Der vermutlich zuerst von Agrippa410 gesondert formulierte Tropos der Diallele (6 διάλληλος τρόπος: vitiöser „Zirkel") ist nach dem Vorgang Zellers von Schmekel mit Nachdruck schon für Karneades in Anspruch genommen worden411. Er stellt in der Tat gleichsam ein potenziertes πρός τι-Verhältnis dar, bei dem sich die beiden Korrelate jeweils in der gleichen Weise zu einander verhalten und daher vertauschbar sind. Der Zusammenhang wird dadurch evident gemacht, daß die Korrelation von Ursache und Wirkung in zugespitzter Form als Diallele erscheinen kann 412 . Der Sache nach hat Karneades die Diallele gegen 406

407

Η. P. III 25, 27; math. I X 209, 234: τά πρός τι κατ' άνάγκην δει συνυπάρχειν άλλήλοις καΐ ού τό μέν προηγεϊσθαι τί> δέ ύστερεΐν, vgl. 239 FF· math. I X 208 (mit Anknüpfung an VIII 453 ff.). Übereinstimmend D. L. I X 97·

408

Ρ. Η. I 186.

409

P. H. III 101 (τά δέ πρός τι άλλήλοις συναναιρεΐται), math. I X 357 (τοϋ έτέρου των πρός τι άναιρεθέντος συναναιρεΐται και τό λοιπόν). Ρ. Η. I 164, 169; D. L. I X 88 f. (mit übereinstimmender Erläuterung).

410 411

412

SCHMEKEL 1 9 3 8 S . 3 0 6 , 3 8 9 ff., v g l . 3 8 4 ; 5 2 6 ff.

P. H. III 22: εί. . . ί'να μέν έννοήσωμεν τό αίτιον, δει προεπιγνώναι τό άποτέλεσμα, ίνα δέ τό άποτέλεσμα γνώμεν . . . δει προεπίστασθαι τό αίτιον, ό διάλληλος . . . τρόπος άμφω δείκνυσιν άνεπινόητα . . . έκατέρου γαρ αύτών δεομένου της παρά θατέρου πίστεως, ούχ 2ξομεν άπό τίνος αύτών άρξάμεθα της έννοιας. Verwandte Diallelen werden aufgedeckt zwischen Kriterium und Beweis (Ρ. Η. I 117, II 20, 183, III 35), νοητόν (διάνοια) und αίσθητόν (Ρ. Η. I 172, 176, II 68), sowie zwischen φαινόμενα oder άσώματα untereinander (Ρ. Η. II 92, 93, III 53). Die Diallele erscheint als Alternative zum Tropos είς άπειρον ζ. Β. Η. P. I 179. ι86.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

103

den Beweis gekehrt, indem er generische und spezifische άπόδειξις gegeneinander ausspielte (math. V I I I 3 3 7 a - 347 413 , durch die 348 ff. referierte Replik des Demetrios Lakon datierbar) 414 , aber wohl auch den peripatetischen und stoischen Syllogismos damit bekämpft, indem er -

vielleicht im Blick auf die epikureische Induktionslogik -

die

Abhängigkeit des Schlußsatzes vom Obersatz umkehrte und beide zirkulär aufeinander bezog 4 1 6 ; Ähnliches gilt für die innere Folgerichtigkeit des hypothetischen Urteils (συνημμένον) im Verhältnis zum B e weis 416 . In allen diesen Fällen dürfte Karneades den späteren Tropos der Diallele als Spezialfall der Korrelation (πρός τι) aufgefaßt haben. In einem früheren Abschnitt war zu zeigen, daß die elenktische Methode der aporetischen Akademie die propädeutische Dialektik der Älteren Akademiker fortsetzt. Im vorigen ist deutlich geworden, daß in diese Methode im einzelnen auch Bestandteile der älteren Metaphysik wie die Einteilung des Seienden in Absolutes und Relatives eingegangen sind 417 . Diese zweite A r t historischer Kontinuität ist keineswegs selbstverständlich. Sie besagt nichts Geringeres, als daß die Aporetiker in jene formale Technik der Diskussion und Widerlegung, die sie zunächst als einziges Erbteil vom klassischen Piatonismus übrigbehalten hatten, dennoch auch Elemente der großen Ontologie übernommen haben. 413 V g l b e s . math. V I I I 342: . . . μετά τοϋ καί εις τον δι αλλήλων τρόπον ή μας έμπίπτειν ίνα μέν γάρ ή γενική άπόδειξις βεβαιωθη, τήν είδικήν ή μας ϊχειν δει πιστήν, ίνα δέ ή ειδική όμολογηθη, τήν γενικήν έχειν βέβαιον, ώστε μήτε έκείνην πρί> ταύτης ϊχειν δύνασθαι μήτε ταύτην πρό έκείνης. 414 YGI 415

116

417

ZELLER I I I ι · , 5 2 2 ; SCHMEKEL 1 9 3 8 S . 3 8 1 m i t A n m . 1 .

Ρ . Η . I I 193 ff., bes. 197 fin., 199 fin., 200 fin. Vgl. dazu SCHMEKEL 1938 S. 390 ff., der 306 auch Cie. Ac. II 95 und Karneades b. Stob. Eel. II 23, 23 ff.. W . (Vergleich der stoischen Dialektik mit einem Penelopegewebe und mit einem sich selbst verzehrenden Polypen) auf Diallelen bezieht. P. H . II 1 1 3 - 1 1 5 : Diallele in der wechselseitigen Überprüfung von συνημμένον und άπόδειξις. Die akademische A b k u n f t des Korrelationstropos (πρός τι) in der späteren Skepsis ergibt sich zusätzlich aus folgender, anhand von Sextus gewonnener Erwägung: Der zugehörige Begriffsapparat (συνυπάρχειν, συνύπαρξις, συναναιρεϊν, συναναιρεΐσθαι, αμα δν) verbindet in der Älteren Akademie die Korrelation (πρός τι) mit der πρότερον-ΰστερον-Relation, ζ. B. wenn das Verhältnis zwischen γένη und είδη dem συναναιρεΐν και μή συναναιρεΐσθαι des γένος unterliegt (ζ. Β. S. Ε. Χ 267 zu 269; Div. Arist. c. Μ. c. 65 zu 66; Arist. Cat. c. 13 [Postprädikamente], vgl. c. 12). N a c h Sextus math. V I I I 338 f. scheint aber Karneades die letztere gebraucht zu haben, wie sie denn auch im Mittleren Piatonismus Spuren hinterlassen hat (Verf. U G M 24). E s ist wohl kein Zufall, daß auch Sextus math. I X 232 ff. beide Relationen verbindet.

8 Krämer, Piatonismus

104

Ältere und Neuere Akademie Ihre Integration setzte allerdings eine Umformung und Anpassung

an die Bedürfnisse der elenktischen Argumentationstechnik voraus. Jedes eigenen ontologischen Anspruchs entkleidet, erhält die Seinseinteilung jetzt einen neuen, durchaus einseitigen Akzent: Der Gesichtspunkt des Relativen (πρός τι) tritt beherrschend in den Vordergrund und triumphiert; der des Ansichseienden hingegen wird ihm als bloßer Komplementärbegriff

durchweg

subordiniert.

Das

Interesse

an

erkenntniskritischer Auswertung führt dabei zu einer charakteristischen Verschiebung der Gesamtstruktur: .Relativ' und ,Ansich' sind nicht mehr primär Titel für verschiedenes Seiendes, sondern zwei Aspekte desselben Seins: Alles Relative ist zugleich für uns in seinem Ansichsein unerkennbar. In der Konsequenz dieser erkenntnistheoretischen Wendung 418 hegt es, daß mit der Ausweitung des Relativitätsprinzips zu universaler Geltung -

etwa für die Erkenntnisrelation

schlechthin - das Ansichseiende überhaupt nicht mehr selbständig auftritt, sondern gleichsam als „Ding an sich" hinter der Relativität aller Dinge verschwindet. Das καθ' αυτό wird damit zum Synonym des αληθές und teilt mit ihm den Status des άκατάληπτον419. Eine ursprünglich

Der Funktionswandel macht sich auch terminologisch bemerkbar: Korrelative sind nicht nur zusammen und werden zusammen aufgehoben, sondern werden auch zusammen aufgefaßt (συγκαταλαμβάνεται). Vgl. S. ioo Anm. 398. 419 Die von Antipater von Tarsos über Mnesarch zum stoisierenden Apostaten Antiochos reichende (vgl. S C H M E K E L 1892 S. 397 ff.), bei Cicero und Augustin faßbare stoische Metakritik an der akademischen Aporetik ist neuerdings wieder aufgegriffen und weiter ausgeführt worden, um für die radikalere, untheoretische Skepsis des Pyrrhonismus eine Folie zu gewinnen (M. H O S S E N F E L D E R , Ungewißheit und Seelenruhe, Diss. Gießen 1964, wieder abgedruckt als Einleitung zur Übersetzung von Sextus Empiricus' Grundriß der pyrrhonischen Skepsis, Theorie 1, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1968). Abgesehen vom Mangel an historischer Differenzierung (die Aporetik mit Karneades' Probabilismus gleichgesetzt, Chronologie und Quellenfrage des Pyrrhonismus, etwa in der Tropenlehre, übergangen, die Lückenhaftigkeit akademischer Überlieferung unberücksichtigt) verkennt H. die dialektische Grundlage der akademischen Aporetik und gelangt dadurch vorschnell zu absprechenden Urteilen. Gewiß reicht die Antwort Ciceros (Ac. II i n fin.) auf Antiochos' „Erkenntnis des grundlegenden Widerspruchs" (H. 30, vgl. 19 f., 22 Anm. 30) zwischen der Aparallaxie wahrer und falscher Vorstellungen und der Tatsache, daß die Akademiker überhaupt 'Wahr' und 'Falsch' unterscheiden, also die Erfahrung des 'Wahren' besitzen müssen (Ac. II 44; i n ) , nicht aus. Aber die vermeintliche Selbstaufhebung findet nicht statt, denn die Erfahrung, daß es täuschende Vorstellungen gibt, kann zwar die Unterscheidung eines relativ Wahren und relativ Falschen hervorrufen, aber noch nicht die eines absolut Wahren und absolut Falschen im Sinne der Stoa sichern und begründen. Auch die relativ wahren Vorstellungen können absolut (καθ' αύτό) 418

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

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metaphysisch intendierte Disjunktion erscheint hier umgebogen zum methodischen Vehikel der Bestreitung des stoischen Kriteriums, der φαντασία καταληπτική. Auf der anderen Seite blieben gerade die formalen Charaktere der Korrelation, die die ältere Dialektik herausgearbeitet hatte, intakt und stabil, weil sie der Aporetik im Blick auf die stoische Konsequenzlogik ein besonders wirkungsvolles polemisches Instrumentarium zur Verfügung stellten: Das Prinzip der Simultaneität mit den Regeln des gesehen täuschend, die relativ falschen absolut gesehen wahr sein. Die Unterscheidung der Begriffe 'Wahr' und 'Falsch' impliziert also nicht die Unterscheidbarkeit des Wahren und des Falschen im Sinne des Ansichseins der Dinge. In diesem letzten Sinne sind 'Wahr' und 'Falsch' nicht Gegenstände der Erfahrung, sondern bloße Reflexionsbegriffe. - Ebensowenig berechtigt ist der Vorwurf, den H. im Anschluß an die Kontroverse zwischen AntipaterAntiochos und Karneades (Cie. Ac. II 28 ff., 109 f. = S V F III Antipater Nr. 21) und in Übereinstimmung mit Ph. D E L A C Y (Ού μάλλον and the antecedents of ancient scepticism, Phronesis 3, 1958, bes. 69 fi., vgl. 67) in der Frage der Selbstanwendung (περιτροπή) der έποχή gegen die Akademie erhebt: In dem Dilemma zwischen negativem Dogmatismus (das Wissen um die Akatalepsie selbst kataleptisch) oder der περιτροπή des konsequent an sich selber zweifelnden Zweifels verfalle die Aporetik in jedem Falle der Selbstaufhebung (a. O. 24-26). Tatsächlich sind unter den Beispielen für die Selbstanwendung von Sätzen in der griechischen Philosophie zwei Gruppen streng voneinander zu trennen: a) Kategorische Sätze allgemeiner Art, die auch die Gegenthese unter sich begreifen und dadurch fehlerhaft werden (Protagoras' homomensura-Satz in der Kritik Demokrits S. E. math. V I I 389 f. = V S 68 A 114 und Piatons 'Theaitet' 171 Α ff., die Sätze „Alle Sätze sind wahr" und „Alle Sätze sind falsch" in der des Aristoteles Metaph. Γ i o i 2 b 13 ff.; die klassische Form dieses Typs ist das Argument vom ψευδόμενος); b) Sätze disjunktiven Inhalts, die einer skeptischen Grundhaltung entspringen, wie das ούδέν μαλλον-Argument oder die ihm entsprechende Aparallaxie der Akademiker oder die schon mit der περιτροπή verbundenen älteren Äußerungen des Metrodor von Chios (Cie. Ac. II 73 = V S 70 Β ι : nego scire nos sciamusne aliquid an nihil sciamus ne id ipsum quidem nescire aut scire scire nos, vgl. A 25) und des Protagoras (Sen. ep. mor. 88, 43 = V S 80 A 20: P. ait de omni re inutramque partem disputari posse ex aequo et de hoc ipsa, an omnis res in utramque partem disputabilis sit). Diese Sätze heben sich nicht dadurch auf, daß sie sich selbst in Frage stellen, weil bereits ihre bloße Möglichkeit voll ausreicht, die Selbstgewißheit des Dogmatismus zu erschüttern. Die (damals keineswegs tabuisierte) Selbstanwendung mag dabei bis ins Unendliche weitergeführt werden - die Irrtumsmöglichkeit bleibt in jeder neuen Alternative als Unsicherheitsfaktor enthalten und hält die Lösung offen. Etwas anderes als dieses permanente Inderschwebehalten von These und Antithese hat die akademische Dialektik, wie die Arkesilaos-Referate zeigen, grundsätzlich nicht erstrebt, wenngleich sie - äußerlich betrachtet - zunächst die Antithese zur Thesis des stoischen Dogmatismus etablieren mußte (vgl. den zweiten Abschnitt oben S. 48 ff.). Der Probabilismus, der der prinzipiellen έποχή imma-

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Ältere und Neuere Akademie

Koexistierens und Mitaufhebens (συνυπάρχειν - συναναφεΐν) wird unverändert reproduziert oder verschärfend zur Diallele weitergeführt 420 . Doch nicht nur in solchen freilich signifikanten Schematismen, sondern auch in einer tieferen Schicht hat die ältere Dialektik ihre Spuren hinterlassen: Hinter der Korrelation quantitativer (und qualitativer) Gegensätze, wie sie dem Sorites zugrunde liegen, verbirgt sich, historisch gesehen, die Dyas des Großen und Kleinen. Sofern die Methode des in utramque partem disserere auf der Mehrdeutigkeit und Antithetik der Wahrnehmungswelt aufbaut 421 , erweist sie sich als untergründig verbunden mit der hohen Dialektik der Älteren, die gleichfalls in jenem Prinzip der Entzweiung und Diversität einen Grund ihrer Ermöglichung gefunden hatte. Umgekehrt wirkt das Prinzip der Einheit und der Identität nicht nur im zweiten methodischen Hauptsatz

420

421

nent bleibt (Cie. Ac. II 104, vgl. den Satz: πάντα μέν είναι άκατάληπτα, ού πάντα δέ άδηλα Eus. pr. ev. X I V c. 7, 15), tritt bei Karneades zur dialektischen Grundbewegung nur sekundär hinzu und kann daher keine Wesensdifferenz zur pyrrhonischen Isosthenie begründen (anders H. a. O. 28). Andererseits läßt er in der περιτροπή die Akatalepsie selbst als πιθανόν erscheinen (Ac. II n o ) - eine „Glaubhaftigkeit", die wiederum nicht dadurch aufgehoben wird, daß ihr andere glaubhafte Vorstellungen entgegenzustehen scheinen. (Der höchste Glaubhaftigkeitsgrad ist übrigens nicht, wie H. a. O. 25 meint, die Evidenz im Sinne der ενάργεια, sondern ihre Verbindung mit der kritischen Uberprüfung ihres Zusammenhangs - in der φαντασία πιθανή καΐ άπερίσπαστος καΐ διεξωδευμένη S. Ε. math. V I I 166 ff., dazu gut H A R T M A N N 54 ff. - ein Vorzug, den die Akademiker für ihre empirisch gestützte These von der Aparallaxie in Anspruch zu nehmen berechtigt waren.) - Der konsequente Phänomenalismus der aporetischen Akademie ist im Bereich der antiken Logik nicht widerlegbar und andererseits im Unterschied zum Pyrrhonismus (vgl. H. a. O. 88) die einzige philosophisch durchreflektierte Form der Skepsis in der Antike. Sein historischer Niedergang erfolgte darum auch keineswegs deshalb, weil Antiochos plötzlich seine innere Widersprüchlichkeit durchschaut hätte (!), sondern weil der von Karneades über Metrodor von Stratonikeia (Cie. Ac. II 78, vgl. Aug. C. Acad. III 18, 41, Ac. Phil. Ind. Here. p. 91 f. Μ.) bis zu Philon (nur die stoische Form der κατάληψις ausgeschlossen: S. Ε. P. Η. I 235, vgl. Cie. Ac. II 11 f.; 18 und die richtige Erklärung bei H I R Z E L III 195 ff.) zunehmend ausgestaltete Probabilismus sich vom Dogmatismus nur durch einen theoretischen Vorbehalt, ein skeptisches „Einklammern" der gleichwohl praktikablen Wirklichkeit unterschied, das sich - da ohne Konsequenzen für die Praxis - über kurz oder lang zu Tode laufen mußte: Die Aporetik erlosch in dem Augenblick, als das Interesse an jenem Vorbehalt verblaßte, d. h. als die Frage der Erkenntniskritik, die die hellenistische Philosophie fast zwei Jahrhunderte hindurch bewegt hatte, überlebt war. In der Parität der Korrelate liegt im übrigen ein wesentlicher Anstoß zur Isosthenie und damit zur Epoche, vgl. ζ. Β. Ρ. Η. I 117, 169, III 36 u. ö. Vgl. oben S. 60 ff., 760.

Die Umbildung der Kategorien- und Prinzipienlehre

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neben der Relativität, dem der Aparallaxie422, sondern auch im Gegenbegriff zum Relativen, dem des Absoluten, der stets das einheitliche Ansichsein (καθ' αυτό) des Dinges hinter der Vielzahl seiner „Erscheinungen" (φαινόμενα) bezeichnet, von ferne nach. Aber auch die Disjunktion zwischen Relativem und Absolutem selbst zehrt vom analytischen Potential der ontologischen Dialektik, wenn diese innerhalb des Begriffs δν dihairetisch verschiedene Bedeutungen unterschieden hatte. Solche weiterreichenden Implikationen sind seit dem Sieg der formalen Dialektik in der Akademie, seit der Abdankung der Ontologie zugunsten der emanzipierten Methode nurmehr von historischem Interesse. Doch bleibt, was das Verhältnis von Älterer und Neuerer Akademie angeht, immerhin dreierlei festzuhalten: 1. Die argumentative Fortwirkung der „Kategorien"- und - mittelbar - der Prinzipienlehre in der aporetischen Akademie liefert ein gewichtiges Präjudiz für die bevorzugte Abkunft der Aporetik aus der Akademie selbst und gegen die Theorie ihres heterodoxen Ursprungs aus der Sophistik oder Sokratik, dem Pyrrhonismus oder dem Peripatos423. 2. Der genauere Vergleich lehrt, welche Denkansätze der Älteren Akademie die Aporetik seiegierend aufgegriffen und fortentwickelt hat, und gewährt damit erweiterten Einblick in ihre treibenden philosophischen Motive: Die Hochkonjunktur des Relativitätsprinzips, das in breiter Auffächerung vom Sorites bis zur Diallele alles überzieht, isoliert aus der älteren Systematik gerade die Momente des Instabilen und Agnostischen, um sie - ganz wie im Falle der Ideenbeweise - gegen die empiristische Erkenntnislehre des Hellenismus ins Feld zu führen. 3. Der Nachweis, daß die Metaphysik des klassischen Piatonismus in der aporetischen Akademie in einer residualen Fassung weiterlebt, die eine Umsetzung in formallogische Argumentationstechnik darstellt, macht es in höchstem Grade unwahrscheinlich, daß die Neuakademiker daneben die klassische Metaphysik in Gestalt einer Geheimlehre vertreten und gepflegt hätten.

422 423

Vgl. oben S. 71. Auch in der Güterlehre (Cie. Ac. II 1 3 1 , fin. V 20: Karneades, dazu v. A R N I M , R E X 2, 1919, s. v. 'Karneades' Nr. 1 von Kyrene, Sp. 1982 f.) und Freiheitslehre (Cie. De fato 1 1 , 23; 17, 39; vgl. PI. Phaidr. 245 C if., W E I S C H E 49) lassen sich bekanntlich Fäden von der Neueren Akademie zur altakademischen Tradition ziehen.

II. THEOLOGIE UND PRINZIPIENLEHRE VOM TIMAIOS ZUM FRÜHHELLENISMUS

i. Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre I. Die beiden άρχαί der stoischen Physik sind die (πρώτη) άποιος δλη und der Logos, der sich unter theologischem Aspekt demiurgisch-providentiell, unter physikalischem als Feuer oder Pneuma und unter „biologischem" - im Blick auf das Welt-Zoon - als λόγος σπερματικός darstellt. Beide sind körperhaft, aber als das Wirkende (το ποιοϋν) und das Leidende (τί> πάσχον) voneinander unterschieden. Das Verständnis dieser Prinzipienlehre wird dadurch wesentlich erleichtert, daß man in der stoischen Kosmogonie zwei Phasen, eine prä- und eine postelementare, deutlich voneinander abhebt. In der zweiten Phase, nach der Bildung der Elemente, wird das aktive Prinzip als Pneuma vorzugsweise von den Elementen Feuer und Luft, das passive hyletische Prinzip von den Elementen Wasser und Erde repräsentiert. Das Pneuma durchdringt jedoch vermöge der κρασις δι' δλων die Hyle bis ins einzelne und formt sie. Es tritt dabei in den vier Hauptstufen von νοϋς - ψυχή φύσις - έξις auf 1 und übernimmt in der stoischen Allegorese je nach der Art, wie es sich mit der Hyle verbindet, die Funktionen verschiedener Götter der Volksreligion, doch bleibt dabei die Einheit des aktiven Prinzips bewahrt: Es gibt zuletzt nur einen Logos, eine Gottheit und eine Weltseele2. Die beiden άρχαί sind jedoch von den vier Elementen verschieden und gehen ihnen in der Weltbildung vorher3. Für die Hyle, die als 1 2 3

S V F I 158, I I 634 (D. L . V I I 138 f.). S V F I I 1021, 1027, 1045, 1049, v g l . 1055, 1070, 1108. S V F I I 299 = D . L . V I I 134: διαφέρειν δέ φασιν άρχάς και στοιχεία· τάς μέν γάρ είναι άγενήτους άφθάρτους, τά δέ στοιχεία κατά τήν έκπύρωσιν φθείρεσθαι. άλλά καΐ σώματα είναι τάς άρχάς καΐ άμόρφονς, τά δέ μεμορφώσθαι (ν. ARNIM liest wie COBET, HIRZEL, LIPSIUS und neuerdings HICKS, MOREAU und LONG m i t der S u d a s t a t t σώματα: άσωμάτους. D a g e g e n wohl richtig ZELLER P h . d. Gr.

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

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υποκείμενον und ούσία άποιος alle Qualitäten potentiell in sich enthält 4 , bereitet dies keinerlei Schwierigkeit. Aber auch das Urfeuer der Ekpyrosis, das Träger des Logos ist, ist streng genommen mit dem kosmischen Element Feuer (Äther) nicht identisch, sondern als θερμότης άκρα im Sinne der aristotelischen Elementarqualität anders und ursprünglicher definiert6. Die beiden άρχαί verhalten sich in dieser präelementaren Phase so zueinander, daß der göttliche Logos die an sich qualitätsfreie Hyle, das Substrat des Weltprozesses (υποκείμενον), durch die ποιότης des Urfeuers (θερμότης) qualifiziert, ehe er durch weitere Differenzierung (vor allem mittels des Urfeuchten: ύγρόν®) die Weltbildung aktiv in Gang setzt. Die Hyle entspricht dabei der ersten, der Logos der zweiten Kategorie der stoischen „Kategorienlehre" 7 . Der präelementare Hylebegriff ist, wie leicht zu ersehen, weiter gefaßt als der postelementare, weil auch das Pneuma, der kosmische Träger des Logos, mit Hilfe der präelementaren Hyle erzeugt wird8. Wichtiger erscheint indessen, daß der Urdualismus der Prinzipien selbst in der Ekpyrosis nicht aufgehoben ist9, mag er auch hier eher latent bleiben. Der geschichtliche Ort der stoischen Prinzipienlehre läßt sich von der Vorsokratik und Sokratik her nur unzureichend bestimmen; sie I I I i , 1 1 9 f. A n m . 2 ; S C H M E K E L 1 9 3 8 S . 2 4 3 ff., b e s . 2 4 5 A n m . 4 , POHLENZ I I 3 8 : vgl. S Y F I 98, I I 3 0 5 , 3 1 0 , 3 1 3 , 3 1 5 , 3 2 0 , 1 0 2 8 ff.). S V F I I 4 0 8 = Gal. De

elem. sec. Hipp. I 6 : Die Hyle άγένητός τε καΐ όίφθαρτος. καΐ διήνεγκε στοιχεΐον άρχής, έν τω τάς μέν άρχάς ούκ έξ ανάγκης δμογενεϊς είναι τοις πράγμασιν, ών ύπάρχουσιν άρχαί, τά δέ στοιχεία πάντως ομογενή (zum Kontext unten Anm. 5). Zur Erzeugung der Elemente S V F I 102, I I 580, 581, vgl. I I 579, 619. 4 S V F I I 380 = Plut. comm. not. 1086 Α: τινές αύτών . . . ώς άίποιον τήν ούσίαν δνομάζοντες, ούχ δτι πάσης έστέρηται ποιότητος άλλ' δτι πάσας έχει τάς ποιότητας . . . vgl. I I 374. 408. s S V F I I 408 = Gal. De el. sec. Hipp. I 6: άπλούστερόν έστι πυρός ή äxga θερμότης . . . ταύτης έγγινομένης τη νλτ) πϋρ άποτελεϊται . . . ώς άρχή της τοϋ πυρός γενέσεως ϋλη τίς έστιν ή άπασιν ύποβεβλημένη τοις στοιχείοις ή άποιος ή τ* έγγινομένη ταύτη θερμότης ή άκρα . . . ' S V F I 1 0 2 - 1 0 4 , I I 580/1 (ύγρόν, ύγρότης als Hyle der Elemente). 7 S V F I I 320 = Plot. Enn. I I 4, 1: αυτόν τόν θεόν δλην ταύτην πώς ϊχουσαν είναι, I I 526 = D. L. V I I 137: αύτόν τε τόν θεόν τόν έκ της άπάσης ούσίας Ιδίως ποιόν, vgl. BAEUMKER 346 ff· Umgekehrt kann von Gott gesagt werden, daß er in der Ekpyrosis die Gesamtsubstanz (τήν άπασαν ούσίαν) in sich aufzehre (άναλίσκων είς έαυτόν I I 526, vgl. I I 604: μέχρις άν εις αύτήν καταναλώση τήν ΰλην sc. ή τοΰ κόσμου ψυχή). 8 S V F I I 580 = D. L. V I I 137: τά δή τέτταρα στοιχεία είναι όμοϋ τήν ίίποιον ούσίαν, τήν ΰλην. I I 320: μίαν τε τήν ΰλην λέγουσι καΐ τοις στοιχείοις ύποβεβλήσθαι, καΐ αύτήν είναι τήν ούσίαν. Über die dadurch hervorgerufene Mißdeutigkeit im Hylebegriff der Stoa BAEUMKER 353 f., 363 mit antiken Belegen. 9 Vgl. S V F I I 1047 = Alex. Aphr. mixt. 226, 1 6 ff. B r . : έν τη έκπυρώσει. . . έν τφ πυρί . . . ή ΰλη καΐ ό θεός σφζονται μόνοι.

110

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

setzt vielmehr die klassische Philosophie des vierten Jahrhunderts voraus. Im Weltbild Heraklits haben die Gegensätze keinen Prinzipiencharakter, sondern weisen auf das in ihnen waltende Weltgesetz zurück10. Aber auch die Philosophie des Diogenes von Apollonia, dessen pantheistisches, teleologisch-providentiell wirkendes Luft-Prinzip verschiedentlich auf die Stoa vorausweist11, ist rein monistisch orientiert; mit dem Prinzipiendualismus fehlt darum auch ein eigentliches Demiurgen- und Technitentum, das - wie C. J. Classen12 gezeigt hat - erst der platonischen Philosophie zufällt. Seit H. Siebecks grundlegender Abhandlung neigte die moderne Forschung überwiegend dazu, die stoische Physik und mit ihr auch die stoische Prinzipienlehre vom Peripatos herzuleiten13. Die Lehre von den Elementen und Elementarqualitäten, die damit zusammenhängende Unterscheidung von Wirkendem (ποιητικόν) und Leidendem (παθητικόν) in der Naturphilosophie des Aristoteles und Theophrast14 und endlich die Prinzipienlehre, die bei beiden Denkern häufig in die Dualität von Hyle und Eidos oder Hyle und Bewegendem zusammengezogen erscheint15, legen es nahe, im Peripatos die eigentliche Vorstufe 10

Vgl. POHLENZ 160: „Heraklits Interesse geht auf das Absolute als den Ursprung der Vielfalt, Zenon will das Einzelne aus den Urprinzipien verstehen."

11

Vgl. d a z u

12

13

z.B. W.

THEILER 57 FF., 104; H .

DILLER, Die

philosophie-

geschichtliche Stellung d. Diogenes v. Apollonia, Hermes 76, 1941, bes. 376 ff., 379 ff· C. J . CLASSEN, The Creator in Greek Thought from Homer to Plato, Class, et Mediaevalia Bd. X X I I I ι, 1962, 1 ff., bes. 16 ff.; vgl. W. THEILER 52, 54; zu X e n . M e m . I 4, 7 CLASSEN a . O . 2 0 f . H . SIEBECK 1 8 1 ff.; r e z i p i e r t v o n Z E L L E R , P h . d . G r . I I I 1 , 3 6 7 f . , 3 7 1 f . ; v g l . a u c h BAEUMKER 3 2 7 ff., E . BRÄHIER 1 2 9 ff. ( v g l . a b e r 1 4 6 ff.); n o c h POHLENZ

II 38 (vgl. aber I 67).

14

15

V g l . BONITZ I n d . A r . 5 7 2 b 7 ff., 6 1 0 a 2 2 ff., b e s . D e g e n . e t c o r r . 3 2 2 b 2 1 ff.,

324 a 3 ff., 329 b 21 ff., 335 b 27 ff.; SOLMSEN System 353 ff.: „Acting" and „Suffering"; kritisch differenzierend G. A. SEECK, Über die Elemente i. d. Kosmologie d. Arist., Zetemata 34, 1964, 39 ff. Theophrast Met. 7 b 21 f., De igni 10, 64, De lap. 4, Hist, plant. V 9, 7. Zur Aktivität des Wärmestoffes (θερμόν) gegenüber der Passivität der übrigen Elemente b. Theophrast vgl. den syrischen Auszug der Meteorologie d. Theophrast, hggn. u. übersetzt v. E. WAGNER, eingeleitet u. erklärt von P. STEINMETZ, Ak. d. Wiss. u. d. Lit. in Mainz, Abh. d. geistes- und sozialwiss. Kl., Jgg. 1964 Nr. 1, S. 12 sowie P. STEINMETZ, Physik 170, 325, 327, zum möglichen Einfluß auf die Stoa 330 (freilich basiert das stoische Pneuma auch auf der L u f t und die S. 328 f. ausgesprochene Datierung bereitet chronologische Schwierigkeiten). Arist. Phys. A 190 b 29 f. (Ιστι μέν ώς δύο λεκτέον είναι τάς άρχάς, Ιστι δ' ώς τρεις), BONITZ Ind. Ar. 218 b 56 ff., 785 b 55 ff.; Theophr. Met. 6 b 23 ff., vgl. II a 27 ff., Hist, plant. I 12, 2; b. Themist. in de an. 108, 20 ff. H. = fr 53 b

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

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der stoischen Prinzipienlehre zu suchen. Die Immanenz der έ'νυλα είδη und - terminologisch noch näher - der λόγοι ενυλοι im Stoff scheint darüber hinaus die Immanenz des Logos in der Hyle vorzubereiten16; Ähnliches gilt für die organologische und teleologische Auffassung des Kosmos, die zur reinen, pantheistischen Kosmologie hintendiert, wobei die Position Theophrasts bereits dicht an die stoische heranführt17, während der stoische ,,Natur"-Begriff direkt an die demiurgisch-planvoll waltende aristotelische φύσις anknüpfen konnte18. Selbst spezifisch vorsokratische Lehrstücke scheinen der Stoa auf dem Umweg über die peripatetische Doxographie vermittelt worden zu sein19. Man braucht indessen die Tragfähigkeit solcher Verknüpfungen nicht grundsätzlich in Zweifel zu ziehen20, wenn man feststellt, daß die an Siebeck orientierte Forschungsrichtung wesentliche Unterschiede zwischen Peripatos und Stoa übersehen und andererseits das geschichtliche Einzugsgebiet der stoischen Physik künstlich verkürzt hat. Zunächst ist auch das aristotelische είδος nicht materiell wie der stoische Logos, sondern ebenso unkörperlich wie die platonische Idee; es ist ferner nicht aktiv-dynamisch wie der Logos - dynamisch ist bei Aristoteles umgekehrt die strebende Hyle -, sondern statisch und entbehrt darüber hinaus aller Bewußtseinsqualitäten. Aber auch außerhalb der Eidoslehre gibt es in der peripatetischen Philosophie keine Wesenheit, die mit der Verbindung von kosmogonischer Aktivität und Intelligenz dem wirkenden Prinzip der Stoa auch nur einigermaßen

16

17

18 19

20

Wi. (Didot-Ausgabe): φαμέν έν πάαχ) φύσει το μέν ϋλην καί δυνάμει, τ£> δέ αίτιον καί ποιητικόν, ähnlich die Doxographie fr 44 fin., fr 46, 48 Wi., für die Verbindung mit der Elementenlehre wichtig Simpl. in de caelo 700, 3 ff. H. (die Elemente ειδικά oder ύλικά). De igni 5 - 7 (τό γαρ θερμόν . . . άρχή), dazu STEINMETZ, Physik 119 f.; doch schon bei Aristoteles sind die Grundqualitäten α Mat und άρχαί der Elemente (BONITZ Ind. Ar. 702 b 7 ff.). SIEBECK 226 ff. („Der λόγος σπερματικός der Stoiker . . . enthält . . . keinen einzigen Theilbegriff, der nicht von Aristoteles entlehnt wäre"); vgl. ferner M. HEINZE 124 f.; H . MEYER 13 ff., 19 ff., 75; PRAECHTER, Grundriß d. Gesch. d. Philos. I 421. SIEBECK 183 ff., 222 ff., vgl. 237, 242 ff.; die vermittelnde Stellung Theophrasts ist noch genauer herausgearbeitet worden durch E . GRUMACH, Zweites Kapitel: Zur Genesis d. stoischen Naturbegriffs, 44 ff., bes. 59 ff.. SIEBECK 220 ff.; ZELLER Ph. d. Gr. I I I 1, 367. SIEBECK 229, 245 ff.; J . KERSCHENSTEINER, Der Bericht des Theophrast über Heraklit, Hermes 83, 1955, 3§5 ff·, bes. 404 ff. Dies empfiehlt sich jedoch gegenüber der Erwägung von POHLENZ I 69, „auch hier an Zenons A b k u n f t " zu „denken", vermöge deren er vielleicht „aus dem Osten die Idee eines transzendentalen Schöpfergottes mitbrachte".

112

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

entspräche. In einer vorzüglich klärenden Studie hat F. Solmsen21 den Unterschied zwischen dem platonischen und stoischen Demiurgen einerseits und dem aristotelischen Physisbegriff andererseits deutlich gemacht. Die aristotelische φύσις wirkt zwar zweckhaft-planvoll, entbehrt aber des Bewußtseins eines übermenschlichen intellectus divinus und der geistigen Akte des Denkens, Überlegens, Planens und Wollens, die dem Demiurgen des 'Timaios' ebenso zukommen wie dem der Stoiker. Das „Demiurgische" der φύσις22 ist bei Aristoteles nur noch Analogie und Metapher23 und läßt in dieser Widersprüchlichkeit noch die Herkunft vom akademischen Techne-Modell erkennen, das auch der aristotelische Terminus „Hyle" voraussetzt24. Die aristotelische φύσις wirkt ferner nur innerweltlich-biologisch, nicht wie der platonische und stoische Demiurg auf das Weltganze26. Aus beiden Gründen fällt sie als Fremdkörper aus dem vom 'Timaios' zur Stoa führenden geschichtlichen Zusammenhang heraus26 und kann nicht primär als Vorbild des aktiven Prinzips der Stoa in Frage kommen. Schon vor Solmsen hatte das Buch J. Moreaus den Horizont Siebecks grundsätzlich gesprengt und den 'Timaios' Piatons als den gemeinsamen Ausgangspunkt der peripatetischen und der stoischen Naturphilosophie aufzuweisen gesucht, wobei es sich für die Anknüpfung der Stoa an den 'Timaios' auf die antike Doxographie berufen konnte27. Bei Moreau erscheint ferner zum ersten Mal die Ältere Akademie als der eigentliche geschichtliche Bereich, in dem sich die Bildung der stoischen Physik vorbereitet28 und in den sich auch Aristoteles einordnet, soweit er als Vorläufer der Stoa in Betracht zu ziehen ist29. 21

F. SOLMSEN, Nature as Craftsman in Greek Thought, bes. 488 ff. ( = Kl. Schriften I, 1968, 347 ff.).

22

V g l . BONITZ I n d . A r . 8 3 6 a 5 7 ff., b 1 0 ff., 5 5 ff., v g l . 1 7 4 b 2 1 ff. SOLMSEN 4 9 0 . SOLMSEN 493 f.; vgl. auch H . G . GADAMER, Plato und die Vorsokratiker,

23 24

in: Festschrift f. H. Kuhn, München 1964, bes. 120 f., 141 f.; HAPP, Hyle 275 Anm. 1003, 276 Anm. 1008.

25

SOLMSEN 4 9 1 . SOLMSEN 4 9 5 :

26

27 28 20

„For them (sc. the Stoics) purpose in nature is again what it had been in Plato's Timaeus, something deliberately pursued by a conscious divine agent." - Vgl. dazu ferner W . THEILER 90; MOREAU 1 2 8 ; H . DILLER, Der griechische Naturbegriff, Neue Jahrbücher 114, 1939, 241 ff., bes. 253 ff.; G. B A R R A , Δαιμόνια Φύσις, Rendiconti della Accademia di Archeologia Lettere e Belle Arti Napoli, N. S. X X X I I , 1957, 75 8., bes. 78 ff., 81 ff. Zur Bedeutung der πρόνοια des 'Timaios'-Demiurgen für die Stoa auch FESTUGIÄRE 3 3 3 . S V F I 87, 98, 110, II 307. MOREAU 2, 1 2 4 , 1 4 5 - 1 5 7 , 1 6 0 , 1 7 5 , 1 8 1 , 1 8 7 f . MOREAU 1 1 6 , 1 2 1 f . , 1 7 3 f .

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

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Dies gilt vor allem für den frühen Aristoteles der Dialoge, dessen Kosmologie nicht nur der platonisch-akademischen, sondern auch der stoischen näher steht und offenbar - Moreau begegnet sich hier teilweise mit Bignone - stärkeren Einfluß geübt hat als die der Lehrschriften30. Was speziell die stoische Prinzipienlehre angeht, so vertritt Moreau die platonistische Herkunft ihres Dualismus und insbesondere des demiurgisch wirkenden Prinzips31. Eine Bestätigung der Ergebnisse Moreaus erbrachte die Abhandlung W. Wiersmas, der unter Hinweis auf die platonisch-akademischen (Welt-Zoon32, Heimarmene33, Elementen30

31 32

33

Vgl. das argumentum ex gradibus b. Kleanthes S V F I 529 ~ Arist. De philos. fr 16; vgl. Chrysipp S V F I I 1011/12 mit De philos. fr 13. MOREAU 99, 1 3 5 A n m . 10, 1 4 5 ; bes. 160,

181.

197 f., 213. Vgl. Tim. 30 Β η ί.: δει λέγειν τόνδε τόν κόσμον ζωον έμψυχον έννουν mit S V F I I 633 = D. L. V I I 142: ζωον ό κόσμος καί λογικών καί έμψυχον καί νοερόν, dazu S V F I n o = Sext. Emp. I X 107: δυνάμει δέ τόν αύτόν τω Ζήνωνι λόγον έξέθετο (sc. Πλάτων), καί γαρ αύτός τό παν κάλλιστον είναι φησιν κατά φύσιν άπειργασμένον ϊργον καί κατά τόν εικότα λόγον ζωον εμψυχον, νοερόν τε καί λογικόν. Vgl. P O H L E N Z I ηη. Der Gedanke wirkt wahrscheinlich bei Xenokrates (fr 15: θεόν δ' είναι καί τόν ούρανον) und Polemon, dem Lehrer Zenons, weiter (Aet. Plac. I 7, 29: Πολέμων τόν κόσμον θεόν άπεφήνατο). Den Äußerungen Theophrasts zur Weltbeseelung (Metaph. 5 a 28 - b 7, b 10-26, vgl. 10 a 9 ff.; Procl. in Tim. 177 A ß . = Vol. I I p. 122, 11 ff. D I E H L nach περί ούρανοϋ [fehlt bei W I M M E R ] ) kommt demgegenüber ein mehr aporetisch-hypothetischer Charakter zu (vgl. S T E I N M E T Z , Physik 159). W I E R S M A 195 f. mit dem Hinweis auf Xenokrates' Schriftentitel περί ειμαρμένης (D. L. I V 12), zu dem jetzt H. D Ö R R I E Sp. 1515 Anm. 2 bemerkt: „Sehr lehrreich! ειμαρμένη also schon Fachwort altakademischer Schulsprache . . . " Die Richtung .von Xenokrates' Schicksalslehre, die zweifellos Ansätze Piatons ausgestaltet und systematisiert (Phaid. 113 A 3, 115 A 6, Pol. 619 C 1, Polit. 272 Ε 6, Tim. 41 Ε 2 f., bes. Nom. 904 C 8 mit Kontext), zeigt seine Theorie der Weltseele an (dazu unten Anm. 42). Ausgehend von der akademisierenden Pythagoras-Vita Phot. Bibl. cod. 249 p. 438 b ff., bes. 439 b 33 ff. B . hat O. I M M I S C H , Agatharchidea, S B Heidelb. Ak. d. Wiss., Jgg. 1919/7, 76 ff. vermutet, daß die Stoa dem Xenokrates nicht nur den technischen Begriff der Heimarmene, sondern auch die beliebte falsche Etymologie (ειμαρμένη zu είρμός = Reihe, είρω, εϊρω = reihen, vgl. S V F I 175, I I 913 ff., 945 ff·» 962, 986, 1000) und die zugrunde liegende Vorstellung des kosmischen Syndesmos und dynamischen Kontinuums (dazu zuletzt zusammenfassend S . S A M B U R S KY, Das physikalische Weltbild der Antike, Zürich und Stuttgart 1965, 227 ff., bes. 244 ff.) verdanke. E r stützt dies durch die in diesem Zusammenhang fortwirkende xenokratische Moiren-Lehre ( S V F I I 913 f., 930, 1092 zu X s . fr 5 H.) und die Annahme, daß altertümlich aspiriertes εϊρω (lat. serere), das die Etymologie voraussetzt, im vierten Jahrhundert noch lebendig gewesen sein könne. Immischs Rekonstruktion bleibt hypothetisch und geht wohl zu weit, denn erst die Stoa hat die Kontinuums- und Kausalitätslehre durch die Theorie vom Pneuma physikalisch begründet und bis zum konsequenten Determinismus fortentwickelt. Aber Zusammenhänge bestehen gewiß, und

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114

Theologie u n d Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

lehre34, Dreiteilung der Philosophie in Logik, Ethik und Physik35) und die - vielleicht durch die Akademie vermittelten - pythagoreischen Motive der stoischen Physik (άπειρον κενόν, Großes Welt jähr und Ewige Wiederkehr des Gleichen36, ev. Welt-Sperma) den peripatetischen wie den herakliteischen Einfluß für sekundär erklärt und im stoischen Prinzipiendualismus die materialistische Umsetzung eines, freilich nicht näher bestimmten, akademischen Dualismus zu erkennen glaubt37. In der Tat gibt es nur wenige Punkte, in denen die durch den 'Timaios' und die - wenngleich nur trümmerhaft faßbare - 'Timaios'Nachfolge repräsentierte akademische Physik nicht mit der peripatetizwar in viel höherem Grade als etwa zu Heraklit hin (vgl. VS 22 Β 137, Α χ, A 5, A 8, Parmenides 28 A 32). 84 W I E R S M A 196 f. m i t Einschränkungen (das Ätherelement entfällt in der Stoa, vgl. Cie. Ac. I 39), doch bleibt die Übereinstimmung m i t der Vier-ElementenLehre nebst Schichtung im 'Timaios' 62 C ff. (vgl. 53 A) und bei Xenokrates fr 15 und fr 56 (zur F ü n f z a h l der Elemente fr 53 zurückhaltend P . M O R A U X Sp. τι 93, vgl. 1187; vgl. jedoch u n t e n S. 126 Anm. 88). 35 W I E R S M A 195, P O H L E N Z I 33. Vgl. Xenokrates fr 1 = S V F I I 38 = Sext. E m p . V I I 16, Xs. fr 80 = S V F I 45 = Cie. fin. I V 4; S V F I 46, I I 35-44. D a n a c h h a t schon Zenon die xenokratische Einteilung in der Schrift περί λόγου behandelt, Chrysipp sie auf die άρχαΐοι zurückgeführt (II 42). Xenokrates gibt der „ P h y s i k " erstmals den Begriflsumfang (vgl. die Schriftentitel περί φύσεως und φυσική άκρόασις D. L. I V 11, 13), den sie in der Stoa behält, während die ursprünglich auf die platonische Ideen-Dialektik bezogene „Logik" (vgl. ζ. B. PI. Phaid. 99 E, Arist. Met. A 987 b 31 ff., Μ 1084 b 25, Z E L L E R P h . d. Gr. I I 2 5 , 183) in der Stoa eine neue, auf die Wissenschaft v o m menschlichen, im Denken u n d Sprechen sich manifestierenden Logos beschränkte Bedeutung erhält und d a d u r c h von der übergreifenden zur engsten Disziplin herabsinkt, die nicht n u r hinter der Physik, sondern auch der E t h i k zurücktritt. Andererseits erscheinen die drei Disziplinen in der Stoa inniger aufeinander bezogen und in ihrem Z u s a m m e n h a n g tiefer begründet durch die gemeinsame Wissenschaft vom Logos ü b e r h a u p t (vom Weltlogos in der - jetzt umgreifenden Physik, v o m menschlichen Logos in seinem Verhältnis zur (Um)Welt in der Ethik, u n d vom menschlichen Logos an sich selbst in der Logik). - D a ß die kosmische Orientierung der stoischen E t h i k dem 'Timaios' Piatons (man darf hinzufügen: auch der akademischen Tim.-Nachfolge), nicht aber Aristoteles entspricht, b e t o n t F E S T U G I E R E 279. 36 F ü r die vorstoischen Pythagoreer belegt durch Aristoteles (VS 58 Β 26, 28, 30) und Eudemos v. Rhodos (fr 65 W. = VS 47 A 24, fr 88 W. = VS 58 Β 34), vgl. d a m i t S V F I 94 ff., I I 522 ff., 534 ff.; I I 597, 623 ff.; I I 599, 624 f.; ferner die Welt-Katharsis durch Ekpyrosis S V F I I 598, 606. Zenon schrieb Πυθαγορικά wie die Akademiker (SVF I 41 = D. L. V I I 4), u n d schon die antike Doxographie bringt Pythagoreer u n d Stoiker zusammen (SVF I 94, 96). Vgl. W I E R S M A 205-211; PI. Tim. 39 D, 22 Cf. u n d dazu selbst S I E B E C K 251 (vgl. 231 Anm. 5). Ähnlich schon P . B O Y A N C £ , S t ü d e s sur le Songe de Scipion, 1936, 96 ff.; ders. R E G 65, 1952, 344 f. 37

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214.

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

115

sehen hinsichtlich des Anspruchs konkurrieren könnte, diejenige der Stoiker angeregt zu haben38. Von der äußeren Schulgeschichte her Zenon galt als Polemons, nicht aber Theophrasts Schüler39 aber auch sachlich, nämlich in wesentlichen Zügen der Prinzipienlehre, die zunächst das wirkende Prinzip, dann den Dualismus betreffen, bietet die Akademie sogar bessere Ansätze für die Erklärung der stoischen Physik: a) Der stoische Logos weist, wie gezeigt, mit der Verbindung von weltschöpferischer Potenz und kognitiv-providentiellen Eigenschaften auf den Demiurgen des 'Timaios' zurück. b) Die im Logos enthaltenen λόγοι σπερματικοί, die Formträger bei der Weltbildung, entsprechen in ihrer präformierenden Rolle (modellhafte „Matrixstrukturen" des Kosmos) den Ideen des Platonismus in ihrer Funktion als Weltmodell (παράδειγμα) der platonischen Kosmogonie40. 38

Uber das Verhältnis der materiellen Seelenauffassung des Herakleides v. P. zur Stoa P. MORAUX Sp. 1195, 58 ff- Die Fortwirkung von Tim. 44 D ff., 69 C und ev. 41 Ε im Zeus-Hymnus d. Kleanthes SVF I 537 V. 4/5 weist nach K. GAISER, Hermes 96, 1968, 243 ff. Zum Zusammenhang des stoischen Terminus ήγεμονικόν mit Tim. 41 C 7 R. HARDER, Kl. Schriften, I960, 367 f. (Terminologische Einflüsse der Akademie in der stoischen Philosophie verzeichnen

auch

H. v.

ARNIM,

SB Wien,

202/2,

1924,

22-30;

M.

ISNARDI

PARENTE, La parola del passato 53-57, 1957, 429 Anm.) - Für die stoische Prinzipienlehre ist bedeutsam die Bestimmung des 6v durch die δύναμις τοϋ ποιεΐν ή πάσχειν an hervorgehobener Stelle Plat. Soph. 247 Di., auf die schon MOREAU 135, 160 verweist, während SOLMSEN, System 356 ff. hier und an anderen Stellen der späteren Dialoge (Theait. 156 A, Tim. 56 C ff.) die wichtigsten Vorstufen für den aristotelischen Gegensatz von ποιοϋν und πάσχον findet. Vgl. SCHMEKEL 1938 S. 247, 255. 39

40

SVF I i, 5, 10-13. Möglicherweise hat Zenon auch noch Xenokrates gehört (Num. b. Eus. pr. ev. XIV 5, 11 = SVF I n , Timokr. b. D. L. V I I 2 = SVF I i, freilich nicht, wie die letzte Stelle angibt, ein volles Jahrzehnt). Zu skeptisch POHLENZ II 14; vgl. die behutsame Behandlung bei C. O. BRINK, Phronesis I 2, 1956, 142 f. Der λόγος σπερματικός wohl schon b. Zenon περί τοϋ δλου SVF I 102 = D. L. V I I 136, vgl. POHLENZ I 78, 195, 219. Obgleich durch ihren materiellen, individuellen und ,,biologisch"-dynamischen Charakter von den klassischen ίδέαι und είδη unterschieden, sind die λόγοι σπερματικοί durch ihre Unvergänglichkeit (άφθαρτοι SVF II 717, vgl. I 108) und Modellhaftigkeit (καθ' ούς έκαστα καθ' ειμαρμένη ν γίνεται Aet. plac. I 7. 33 = SVF II 1027) den platonischen Ideen eng verwandt. Das gleiche gilt für die Organisation und Inhärenz im Logos und im „intelligiblen Lebewesen" des Ideenkosmos (SVF II 1027: έμπεριειληφύς πάντας τους σπερματικούς λόγους, vgl. II 1051 [zum möglichen Einfluß d. Poseidonios und dessen Rückgriff auf Zenon v. ARNIM in der Praefatio XLIV f.] PI. Tim. 30 C ff.: πάντα έν έαυτω περιλαβδν έχει, έντός

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c) Die Einheit des stoischen Logos und seine Allgegenwärtigkeit im Weltganzen entsprechen der Einheit der platonisch-akademischen Weltseele und der Art, wie sie sich in räumlicher Erstreckung omnipräsent von der Peripherie durch die Elementarbereiche bis zum Weltmittelpunkt hindurchzieht41. Wie dem stoischen Logos fallen auch ihr teils kosmogonische, teils providentielle Funktionen zu42, die gleichfalls - wie beim Demiurgen, aber im Unterschied zu allem Vergleichbaren bei den Peripatetikern - mit der vollen geistigen Klarheit des Bewußtseins wahrgenommen werden43. -

ίχον έαυτοΰ, περιέχον πάντα, 39 Ε : πάντα . . . έντός αΰτοϋ . . . περιειληφέναι, vgl. Ar. De an. 404 b 19 ff.) sowie für die Ähnlichkeit des kosmogonischen Zeugungsmythos bei Chrysipp (SVF I I 1074: τούς σπερματικούς λόγους τοϋ θεοϋ ή ϋλη παραδεξαμένη) und im 'Timaios' (50 D : προσεικάσαι πρέπει τό μέν δεχόμενον μητρί, τό δ' δθεν πατρί, . . . των Ιδεών δσας μέλλοι δέχεσθαι . . .). Auch die Beschränkung der λόγοι auf den Naturbereich wird durch die xenokratische Ideendefinition vorbereitet, die nur Ideen von Naturdingen zuläßt (fr 30 H . = Procl. in PI. Parm. p. 691 St. = p. 888 Cous.: είναι τήν ίδέαν θέμενος αίτίαν παραδειγματικήν των κατά φύαιν άεί συνεστώτων, übereinstimmend die Referate Arist. Metaph. 991 b 6 f. = 1080 a 5 f., 999 b 19 f., 1060 b 28, vgl. De ideis fr 3 p. 122/3 Ross). Die Hinweise von M . H E I N Z E und H . M E Y E R (vgl. oben Anm. 16) auf die gelegentlich bei Aristoteles auftretenden λόγοι Ινυλοι (Belege b. M E Y E R 22 Anm. 1) sind demgegenüber schon von A . A A L L berichtigt worden (Der Logos, Bd. I : Geschichte d. Logosidee in der griech. Philosophie, Lpzg. 1896, 128 Anm. 3: „Was aber diesen speciellen Ausdruck bei Aristoteles um seine prägnante Bedeutung bringt, ist, daß derselbe kein Glied eines durch λόγος technisch bestimmten Systems repräsentiert. Die λόγοι Ινυλοι, die hier vereinzelt bei Aristoteles auftreten als Varianten von seinen είδη τά έν τη ΰλη, sind einer anderen Vorstellungsgruppe entsprungen als diejenigen der λόγοι σπερματικοί. Zur ideengeschichtlichen Erklärung der letzteren werden sie deswegen kaum dienlich sein."). Am primären Einfluß der platonischen Ideenlehre hält außer Aall fest ζ. B. F. A. F E R R A R I , Bilychnis 30, 1927, 97, 102. 41 Tim. 34 Β 3 f., 36 D 9 ff., dazu G A I S E R P U L 59 f., 153 ff., 349 Anm. 46. Ähnlich wohl die flächenhafte Seele b. Speusipp fr 40 L. (ιδέα τοϋ πάντη διαστατοϋ) mit den UGM 209 Anm. 48 gesammelten Belegen aus dem späteren Piatonismus, vgl. G A I S E R 546 f.; für Xenokrates aufschlußreich Porph. De abst. I I 37 in.: ή τοϋ κόσμου ψυχή έχουσα . . . τό τριχη διαστατόν, dazu Ρ. ΒοΥΑΝοέ 225 Anm. 3. In diesem Sinne beherrscht die xenokratische Allseele (ψυχή τοϋ παντός) auch den Bereich „unterhalb des Himmels" (entsprechend ihrer Funktion im 'Timaios'; vgl. unten S. 124f.). 42 Bes. PI. 'Nomoi' X 903 Β - 905 C, ähnlich Xenokrates fr 15 (της ύπό τόν ούρανόν λήξεως ήγουμένη), Weiteres unten S. 127. Daß die aktive Funktion zumal der xenokratischen Weltseele auf den Logos der Stoa vorausweist, bemerken übereinstimmend M O R E A U 52 Anm. 3, 145 mit 156; B O Y A N C Ä 227 Anm. 3, vgl. 225 Anm. 3. 43 PI. Tim. 30 B, 37 B f . , 'Nomoi' 903 C ff. mit 892 B ; so wohl auch Xenokrates fr 15 mit fr 68. Weiteres unten S. 127, 129 Anm. 98.

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

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II. Indessen sind damit zwar einige wesentliche Momente der stoischen Prinzipienlehre bezeichnet, doch ist der Prinzipiendualismus selber als ein technischer in der 'Timaios'-Nachfolge der Akademie noch nicht ausreichend sichtbar geworden. Hier läßt sich durch eine Korrektur Moreaus beträchtlich weiterkommen. Moreau hatte richtig gesehen, daß in der nachplatonischen Akademie das dialektische, kritisch-begründende Element zurückgedrängt und durch einen zunehmenden Dogmatismus ersetzt wird, der die dogmatische Form der hellenistischen Philosophien vorbereitet44. Unglücklicherweise hatte Moreau jedoch diesen Prozeß gleichgesetzt mit der Destruktion der Transzendenz überhaupt und der Hinwendung zu einem kosmologischen Immanentismus, die bereits die ersten Schüler Piatons - Xenokrates, der frühe Aristoteles, Philipp v. 0. - vollzogen haben sollen und die geradeswegs zum biologischen Materialismus der Stoa weiterführt48. Moreau erreicht also eine sehr starke Annäherung zwischen Akademie und Stoa um den Preis, daß er die Akademiker von Piaton abtrennt und den entscheidenden Einschnitt in die Akademie selbst verlegt. Die Vorstellung einer Emanzipation der Weltseele und der ihr zugeordneten reinen Kosmologie und Physik vom dialektischen Idealismus des 'Timaios' beruht jedoch auf einer unhaltbaren Auslegung der Überlieferung, die die Stilisierung der 'Epinomis' nicht durchschaut46, die Entwicklung des Aristoteles umkehrt47 und die Fragmente des Xenokrates und Aristo44

45

48

47

M O R E A U 4 5 ff., 5 2 m i t A n m . 3 , 5 4 f., 7 9 f., 1 0 3 , 1 4 1 ,

187.

MOREAU Z. B . 49 ff., 84 ff., 1 1 4 ff., 1 2 4 ff., 1 4 5 ff., 1 8 7 (zusammenfassend: , , L e

but de notre 6tude a έΐέ . . . de montrer que des l'Ancienne Acadömie oü le dogme platonicien est s6par6 de la critique, oü dans l'oubli de la transcendance ontologique se conserve seulement la thiologie astrale, le Stoicisme, du moins sa cosmologie, est virtuellement fait."). Mit Moreau stimmt weitgehend überein F E S T U G I E R E Ch. V I - V I I I („De Piaton aux Stoiciens"), vgl. bes. pp. 153 ff., 160, 228, 242 ff. Die Schrift führt Piatons Gesetzeswerk ausdrücklich weiter (973 Α f., 992 D), das die philosophische Position des späten Piaton nicht vollständig wiedergibt. Die Stellen 981 Β 5 ff., 983 D 2 ff. können die Transzendenz nicht definitiv ausschließen (wie zuletzt E . DÖNT, Piatons Spätphilosophie und die Akademie, 1967, 60 f. meint), da sie durch den Kontext relativiert sind (γίγνοιτ' όίν! κοινόν!), vgl. 'Nomoi' 896 Β 2. Ähnliches gilt für den Astronomen als σοφότατος 990 Α. Die Dialektik ist angedeutet 991 C wie 'Nomoi' 963 ff.; Anspielungen auf die Ideen-Zahlen: 978 B, auf das έν : 991 Ε 3, 5, 992 A 1, B6. MOREAU 1 1 2 Anm. 4, 124, vgl. 160 Anm. 9 mit der Annahme einer Rückkehr des klassischen Aristoteles zur dialektischen Transzendenz-Philosophie in Gestalt der Lehre vom Unbewegten Beweger. Zur Frage vgl. grundsätzlich Verf. UGM 139 mit Anm. 40.

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Theologie u n d Prinzipienlehre v o m T i m a i o s z u m Frühhellenismus

teles schlechterdings mißdeutet 48 . Viel schwerer wiegt jedoch, daß Moreau infolge der vermeintlichen Annäherung den Gesamtaufbau des akademischen Systems und dessen systematische Prinzipienlehre aus dem Blick verliert und dadurch am wichtigsten historischen Ansatzpunkt der stoischen Prinzipienlehre vorbeigeht. Zunächst ist für die führenden Akademiker eine universale, dialektische Zwei-Prinzipienlehre bezeugt (έν - δυάς, πλήθος), die in streng technischer Bedeutung im Hintergrund auch der kosmologischen Entwürfe steht und sie übergreift. Methodisch ist an ihrem Vorbild zuletzt auch die spezielle kosmologische Prinzipienlehre orientiert, die in der 'Timaios'-Exegese der Akademie ausgearbeitet worden ist49. Während der εΐκώς μϋθος des platonischen 'Timaios' allenfalls Ansätze zu einer solchen Prinzipienlehre erkennen läßt 50 und die einschlägigen Äußerungen des 'Philebos' 61 teils zu allgemein, teils zu dunkel bleiben, treten bei Xenokrates fr 30 die Umrisse einer Drei-Prinzipienlehre hervor, die die aus dem Mittleren Piatonismus bekannte Einteilung von θεός - ΰλη παράδειγμα im wesentlichen vorwegnimmt 62 und der auch Speusipp nahezustehen scheint63. In diesem System von αϊτίαι tritt der aktiven, demiurgischen Ursache eine wie immer geartete Materialursache gleichursprünglich gegenüber - ein Dualismus, der für denjenigen der stoischen Prinzipienlehre bestimmend gewesen sein dürfte. Gerade diese Zweiheit wird noch schärfer herausgearbeitet bei Xenokrates fr 28 (συνεστάναι τδ παν, d. h. der Kosmos, έκ τοϋ ένύς και τοϋ άενάου, άέναον τήν ΰλην αίνιττόμενος διά τοϋ πλήθους)64 und in den damit 48

49

50 51 52

53 54

V g l . bes. X e n o k r a t e s fr 5, 15 (dazu j e t z t Verf., Theologie und Philosophie 44/ 4, 1969, 484 ff.), fr 26, fr 29 ff. H . sowie die einschlägigen T i t e l des Schriftenverzeichnisses; Arist. D e philos. fr 16, 26 W . u. R . , D e caelo 279 a 18 ff., dazu zuletzt B . E F F E 105 ff., 1 1 9 ff., 144 f., 164 (anders MOREAU 1 1 4 ff., 142). D a s gleiche gilt f ü r die aristotelische Prinzipienlehre, die in der N a c h f o l g e sowohl des 'Timaios' als auch der akademischen Zwei-Prinzipienlehre steht (zum letzteren bes. P h y s . Α c. 7 ff.), v g l . d a z u vorläufig H . HAPP, H y l e 260 ff., v g l . 252 A n m . 867. Ich hoffe an anderer Stelle darauf z u r ü c k z u k o m m e n . Bes. 50 C f. (τριττά γένη), v g l . αίτιον 28 Α ff., άρχή/άρχαί 48 Β ff. 23 C ff. (fünf γένη, d a v o n zwei αϊτίαι). D e r T e x t oben S. 1 1 6 A n m . 40. D e r A u s d r u c k αιτία παραδειγματική verweist auf die Korrelate einer αιτία δημιουργική und (der S a c h e nach) einer αιτία ύλική —: eine der f ü r X e n o k r a t e s charakteristischen Dreiteilungen, v g l . d a z u R . HEINZE, X e n o k r a t e s , 1892, N a c h d r u c k 1965, 5 1 ; R . E . WITT, A l b i n u s , 1937, 7 5 ; Verf., Theologie u. Philosophie 44/4, 1969, 489 f . ; v g l . R o s s , Arist. P h y s . Introd., 1936, 38; SOLMSEN, S y s t e m 1 1 6 f. ( „ A k a d e m i e " ) . fr 4 p. 54, 16 f. LANG (παράδειγμα — ό τοϋ παντός ποιητής θεός). A e t . Plac. I 3> 23 = D . Gr. 288, 15 ff. D . Z u r B e d e u t u n g „ K o s m o s " f ü r τό παν Η . HAPP, H y l e 245 A n m . 838, v g l . Verf. U G M 57 f. D a s gv ist d e m g e m ä ß nicht

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

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übereinstimmenden, neuerdings als xenokratisch erwiesenen pseudopythagoreischen Testimonien der Doxographie (Aet. I 3,8; I 7,18 = D. Gr. 281 a 6 ff., b 4 ff., 302 a 6 ff., b 17 ff.)65. Hier stehen einander zwei kosmologische Prinzipien (άρχαί) gegenüber: ein transzendenter νοϋς θεός, der näher als Wirk- und Fonnursache (ποιητικόν αίτιον και είδικόν) sowie als Gutes (τάγαθόν)5® bestimmt wird, und eine Materialursache des Kosmos, die primär auf das ύλικδν πλήθος bezogen 67 und teils als passiv (παθητικόν)68, teils als dämonisch-böse (δαίμονα καΐ

κακόν)69 geschil-

dert wird. Es handelt sich um eine 'Timaios'-Exegese, die sich durch zahlreiche Eigenheiten als xenokratisch ausweist60. Die pythagoreisierende Einkleidung (μονάς - αόριστος δυάς), die an die Syzygien (μονάς das Universalprinzip gv, sondern das demiurgische Formprinzip des Kosmos im Sinne der μονάς der oben im Fortgang des Textes behandelten doxographischen Stücke, d. h. der Inbegriff des unteilbaren, immateriellen Seinsbereichs (etymologisierend fortgeführt in dem mehrdeutigen Gegenbegriff ά-έν-α-ον des Textes, vgl. grundsätzlich Verf., Theologie u. Philosophie 44/4, 1969, 485 f. Anm. 83, ferner J. W I P P E R N , "Ονομα und 8v, in: Die Sprache im Denken Piatons, Academica Bd. 1, Heidelb. 1972. 55 Danach ferner Ps. Gal. hist, philos. 35 = D. Gr. 618,12 ff. D. Vgl. außerdem Aet. Plac. I 7, 31 = D. Gr. 304 a 2 ff., b 23 ff. D. Zur akademisch-xenokratischen Herkunft W . B U R K E R T 5 I ff.; W . T H E I L E R , Einheit und unbegrenzte Zweiheit von Plato bis Plotin, in: Isonomia, hggn. v. J. M A U U. E. G . S C H M I D T , Bln. 1964, 104; Verf. U G M 56 ff.; zuletzt H. H A P P , Hyle 249 f.; vgl. auch H . C H E R N I S S , Aristotle's Criticism of Plato and the Academy, 19628, 571. Eine weitere Zuschreibung xenokratischen Lehrgutes an „Pythagoras" Aet. Plac. I V 2, 3 mit der xenokratischen, gleichfalls am 'Timaios' orientierten Seelendefinition ( = Xs. fr 60 p. 182, 4 ff. Η., ähnlich fr 63 Η.). Vgl. grundsätzlich B U R K E R T 57: „Die spätere Pythagorastradition fußt zu einem guten Teil auf der 'Timaios'-Exegese des Xenokrates". Zur akademischen Fünf-Elementenlehre beim „Pythagoras" des Aetios unten Kap. I V S. 319 Anm. 301. 66 Wie der Demiurg des 'Timaios': 29 A 6, Ε 1, 30 A 7. 57 Aet. I 7, 18 = D. Gr. 302 a 10, b 21 D. 58 Aet. I 3, 8 = D. Gr. 281 a 11, b 9; vgl. I 7, 31 = D. Gr. 304 a 7, b 30 D. 69 Aet. I 7, 18 = D. Gr. 302 a 9 f., b 20; vgl. Ps. Gal. hist, philos. 35 = D. Gr. 618, 14 D. 60 μονάς und νοϋς ~ fr 15 = Aet. I 7, 30; άόριστος δυάς von Xenokrates vor bis dahin in der Akademie paritätisch verwendeten Ausdrücken bevorzugt: Ar. Metaph. Ν io88 b 28 ft. mit R o s s z. St. Komm. II 474 f., II 434; δαίμων entsprechend der xenokratischen Dämonologie (fr 23 ff.), ύλικόν πλήθος im Gegensatz zu lv und μονάς ~ fr 28 = Aet. I 3, 23 (vgl. oben Anm. 54, zur möglichen Authentizität der dort gebrauchten Formulierung διά τοϋ πλήθους HEINZE, Xenokrates 14 f., der Sache nach ist πλήθος freilich schon in άέναον enthalten, vgl. C H E R N I S S a. O . 485; zum πλήθος als Gegenprinzip der Akademie Xs. fr 68, Speusipp fr 35 a - d L., Arist. Met. Γ 1004 a 10 ff., b 27 ff., Κ IO6I a II ff.); die Aet. I 3, 8 im Kontext (D. Gr. 282 a 10, b 5) zitierte pythagoreische Eidesformel mit άέναον ~ Xs. fr 28 (darüber C H E R N I S S a. O . 5 7 1 ; B U R K E R T 64 f.).

9 Krämer, Platonlsmus

120

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

δυάς usw.) im verwandten Fragment 1 5 H. erinnert, ergibt sich zwanglos aus dem Umstand, daß der Sprecher des 'Timaios' Pythagoreer ist, und enthält darüber hinaus wohl auch eine (exoterische ?) Anspielung auf die Universalprinzipien des akademischen Systems. Damit ist zugleich gesichert, daß die hier in den 'Timaios' hineingedeutete systematische Prinzipienlehre®1 nicht erst das Werk der peripatetischen Doxographie, d. h. des Theophrast der φυσικών δόξαι ist, sondern der Akademie angehört 62 . Hinzu tritt bestätigend die aus fr 30 zu erschließende

61

Der Terminus άρχή für Piatons innerakademische Lehre gesichert durch Arist. E N 1095 a 30 ff. = Test. Plat. 10 G. Vgl. auch PL Pol. 510 Β ff., 533 C, Tim. 48 Β ff., 53 D u. ö., dazu A. LUMPE, Der Terminus „Prinzip" (άρχή) v. d. Vorsokratikern bis auf Aristoteles, Arch. f. Begriffsgeschichte 1, 1955, 104 ff., bes. 1 0 7 ff. 42 Da Theophrast Met. 11 a 27 ff. die akademische Rückprojektion platonischer (Prinzipien-) Lehre auf den Pythagoreismus mitvollzieht, besteht zunächst theoretisch die Möglichkeit, daß Einkleidung und Systematisierung auf Theophrast zurückgehen. Doch zeigt das wahrscheinlich der 'Physik' Theophrasts entstammende (STEINMETZ, Physik d. Theophr. 334 ff., 347) Doxographon fr 48 Wi. = Simpl. in phys. 26, 7 ff. D. = D. Gr. 484 f. D. Nr. 9, daß Theophrast selbst den 'Timaios' Piatons anders interpretiert h a t : In enger Anlehnung an die Doxographie Arist. Metaph. A 6 (vgl. DIELS D. Gr. 484, 19 ff. Apparat, und grundsätzlich E. ZELLER, Über die Benützung d. arist. Metaphysik i. d. Schriften d. Älteren Peripatetiker, Abh. Berl. Ak. 1877, 145 ff., bes. 150 ff.; J. B. Mc DIARMID, Theophrastus on the presocratic causes, Η. St. CI. Phil. 61, I 953. 85 ff., bes. 129 ff.) findet er im 'Timaios' das peripatetische Bewegungsund Materialprinzip (ύποκείμενον/υλη - αϊτιον/κινοϋν), wozu sich (wie Met. A 6) die Zweckursache (άγαθόν) gesellen mag. Diese Lehre gilt als Intention Piatons (βούλεται ποιεΐν, dazu grundsätzlich K. VON FRITZ, Βούλεσθαι λέγειν = 'Implizieren' oder 'Etwas unter Etwas verstehen' und das Verhältnis des Aristoteles zur Akademie, Miscellanea Rostagni, Turin 1963, 3-6); von der pythagoreisch-akademischen Prinzipienlehre fehlt jede Spur, und der bei Aetios zentrale Begriff des νοϋς mangelt ebenso wie der dort entwickelte der Formursache (ειδικών αίτιον, vgl. Ar. Met. 988 a 10). Da die Version des Aetios in I 7, 31 weitgehend auch Piaton selber zugeschrieben wird und die Xenokratismen unübersehbar sind, muß Theophrast als Urheber ausscheiden. Wenn diese Referate überhaupt in der Tradition von Theophrasts φυσικών δόξαι stehen (so BURKERT 55; nach STEINMETZ' Umschreibung des Primärmaterials der φ. δ. auf die Physik ist jedoch DIELS' Hauptthese neuer Verifikation bedürftig; vgl. immerhin die των Ξενοκράτους συναγωγή D. L. V 47 [ähnlich Arist. D. L. V 25], wozu DÖRRIE, Sp. 1528), dann setzen sie schon bei Theophrast selber die gemeinakademische Rückprojektion akademischer Lehre auf Pythagoras und mithin diese Lehre selbst voraus (vgl. den Kontext Aet. I 3, 8!). - Daß die Systematisierung des 'Timaios' in der Physik Theophrasts die stoische Prinzipienlehre nennenswert beeinflußt hätte, ist unwahrscheinlich : Die Äußerung ist dafür zu singulär und wird durch die lebendigen Kontakte, die - anders als im Falle Heraklits - zwischen der Akademie und der jungen Stoa bestanden, vielfach aufgewogen.

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

121

kosmologische Ursachenlehre. Lediglich in einzelnen Termini mag die Sprache der peripatetisierenden (εΐδικόν - ύλικόν) oder stoisierenden (ποιητικών - παθητικών) Doxographie einwirken, doch ist gerade das letzte Begriffspaar der Sache nach adäquat und überdies terminologisch durch den 'Sophistes' und den 'Timaios' selbst gedeckt83. Wenn die „paradigmatische Ursache" von fr 30 bei Aetios zurücktritt, so beruht dies weniger auf der pythagoreisierenden Einkleidung im Kontext kommen Ideen durchaus vor84 - als auf einer durch den 'Timaios' (50 D) es selbst nahegelegten Vereinfachung, vermöge deren die paradigmatische Ursache durch die demiurgische mit repräsentiert wird - eine Wendung, die in dem mittelplatonischen, schon bei Cicero anklingenden Dogma von den Ideen im Geiste Gottes deutlicher hervortritt 66 . Wie der kosmologische Prinzipiendualismus der Stoa, so kann auch die Immanenz der λόγοι σπερματικοί im Weltlogos von der hier greifbaren akademischen Lehre beeinflußt sein. Die Übereinstimmung reicht jedoch noch weiter: Das aktive Prinzip wird hier wie fr 15 als demiurgische Intelligenz (νοϋς) bestimmt. Der Bewußtseinscharakter des Demiurgen, der im 'Timaios' nur unter den Bedingungen des Mythos und nirgends systematisch eingeführt war, erhält hier nicht nur einen dogmatisch-systematischen Stellenwert, sondern wird geradezu zum wesensbestimmenden Merkmal des Gottes erhoben67. Es handelt sich, an Piaton gemessen, um eine Intensivierung des subjektiven Moments, das die im 'Timaios' skizzierte providentielle Funktion notwendig einschließt und deutlicher als dort auf den Logos der Stoa vorausweist. Auch in diesem Belang stellt sich die akademische Prinzipienlehre als das geschichtliche „missing-link" zwischen der platonischen und der stoischen Kosmologie dar. Der tiefere Grund für die Wandlung Hegt im gesteigerten Interesse der Schülergeneration für die philosophische Theologie, das bei Xenokrates zu einer bevorzugten Interpretation der platonischen Mythen - zu denen bekanntlich auch Vgl. S. 115 Anm. 38; Tim. 28 C 3 ποιητής, 31 Β 2 ό ποιών, 37 D 5 f· ποιήσαι, ποιεί, 52 D 6 f. πάθη πάσχουσα, Xs. fr 15 = D. Gr. 304 b 3 D.: πατήρ, fr 36 fin.: ποιητής των πάντων, vgl. Speusipp fr 4 p. 54, 16 L.: ό τοϋ παντός ποιητής. Μ Aet. I 3, 8 = D. Gr. 282, 18 ίϊ. D. · 5 Das ideale παράδειγμα wird wie sonst der Demiurg als πατήρ bezeichnet und so die Identität beider suggeriert. ββ Darüber zuletzt ausführlich Verf., Theologie u. Philosophie 44/4, 1969, 481 ff. („Xenokrates und die Ideen im Geiste Gottes"), bes. 486-496. •7 Vgl. ζ. B. Aet. I 7, 31 (dazu Verf. a. O. 485 Anm. 82) = D. Gr. 304 b 25 s . : πάντα δέ τά τοιαύτα των όνομάτων είς τόν νουν σπεύδει· νους οδν δ θεός . . .

es

122

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

der 'Timaios' zählt zur bewußten Remythisierung des Logos®8 und damit zur theologischen Allegorese führte, mit der er, wie man längst erkannt hat, der Stoa den Weg bereitete69. Die mit fast scholastischer Gründlichkeit ausgearbeitete Götter- und Dämonenhierarchie des Xenokrates enthält eine Stufenfolge des Geistigen, die vom TriebhaftDumpfen des dämonischen Materialprinzips bis zur höchsten Bewußtheit der als Zeus allegorisierten demiurgischen Intelligenz aufsteigt. Nicht nur in diesem letzten Punkte, sondern auch in der Theorie der Weltseele70 und in der Elementenallegorese laufen zahlreiche Fäden von der theologischen Systematik des Xenokrates zur stoischen Theologie hinüber71. Lediglich die Basis des Gebäudes, das kosmologische Materialprinzip, ist in der Stoa gründlich entdämonisiert und aller Aktivität entkleidet worden72. Im ganzen steht die άποιος ΰλη, das ύποκείμ,ενον und πάσχον der stoischen Physik - sehr im Unterschied zum aktiven Prinzip - dem peripatetischen Hylebegriff näher als dem akademischen73, wenngleich es sich auch vom ersteren beträchtlich unterscheidet74. 88

Vgl. Ph. MERLAN, Monismus und Dualismus bei einigen Piatonikern, in: Parusia f. J . Hirschberger, Frankfurt 1965, 154 zu Xs. fr 1 5 : i s t es so sicher, daß er hier den Mythus logisiert und nicht etwa den Logos mythisiert?"

69

V g l . ζ . Β . Α . B . KRISCHE 3 2 3 .

Vgl. oben S. 1x3, 116 Anm. 33 und Anm. 42. Vgl. die Elementenallegorese auf den olympischen Götter kreis hin bei Xen. fr 15 = Aet. I 7, 30 = D. Gr. p. 304 b 14 ff. D. und SVF I 169, 539 ff., II 1021, 1070, 1077 ff., bes. 1076 (wozu v. ARNIM in der Anmerkung auf Xenokrates verweist), III Diog. Bab. 33 f.; vgl. die drei Moiren II 1092 wie Xs. fr 5; das oberste Prinzip als Zeus Xs. fr 15 = D. Gr. 304 b 5 wie SVF I 162, 169, 535 ff., II 1061 ff., 1076 ff.; verschiedene Stufen des „Zeus" unterschieden Xs. fr 18 wie SVF II 1076, III Diog. Bab. 33. Den Zusammenhang hat für die Elementarallegorese schon die antike Doxographie bemerkt: vgl. den Schlußsatz von fr 15 = D. Gr. 304, 20 D. (ταϋτα 8h χορηγήσας τοίς Στωικοϊς sc. Ξενοκράτης). Die Götterallegorese des älteren Kynismus (Antisthenes fr 24 MULLACH = fr 39 Α ff. CAIZZI, dazu PRAECHTER, Grundriß d. Gesch. d. Philos. 165 f.) ist demgegenüber viel weniger differenziert. 72 Freilich wird gelegentlich auch die Hyle in die Allegorese einbezogen: Chrysipp SVF II 1074; vgl. 1070. 73 Darüber allgemein MORE AU 160 (,,On peut observer que si la matiere des Stoiciens est definie en des termes qui sont un 6cho direct des formules aristot&iciennes, leur conception de la cause se rattache plutöt au platonisme"). Näheres bei BAEUMKER 301, 326 ff. 74 Zur Aktivität auch der aristotelischen Hyle BAEUMKER 267 ff. und jetzt HAPP, Hyle 295 f. (vgl. bes. Phys. A 9); zur Abgrenzung von der Passivität der stoischen Hyle B R ^ H I E R 129 f.; zur größeren Selbständigkeit des stoischen ύποκείμενον gegenüber dem aristotelischen und seinem - unaristotelischen ontologischen Primat vor der Form BAEUMKER 336 ff., 346 f., H A P P 809 ff. Daß auch die aristotelische Hyle wie die akademische zuletzt „idealistisch"

70 71

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

123

III. Die kosmologisch-theologische Variante 75 des akademischen Systems, die sich in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts mehr und mehr durchsetzt und das umfassendere στοιχεΐον-System zurücktreten läßt, umschreibt im Grundriß den geschichtlichen Ort, von dem die Physik der Stoiker ihren Ausgang genommen hat. Der Rahmen dieses Ursprungsfeldes muß sich nun weiter bewähren, wenn es gilt, die These Moreaus zu verifizieren, daß die stoische Physik eine Reduktionsform des Piatonismus darstellt. Dabei ist der Hintergrund der kosmologischen Prinzipienlehre der Akademiker stets im Auge zu behalten. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, betrifft die genauere Einsicht in den Vorgang, vermöge dessen die transzendenzphilosophisch konzipierte Prinzipienlehre des Piatonismus in die immanentistische, materialistische der Stoa transformiert werden konnte. Diese Umsetzung, die sich in zwei Hauptschritten vollzieht, war und damit bestätigt sich die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung - im Rahmen des akademischen Systems schon vorbereitet. Es hat in der Älteren Akademie Ansätze zu einem innerkosmischen Prinzipiendualismus gegeben, der den prä- und suprakosmischen Dualismus zwischen Demiurg und Materialprinzip im kleinen „mimetisch" nachbildet. Moreau hat dafür schon wichtige Belege beigebracht, aber weder die Grundlegung des 'Timaios' noch die systematischen Implikationen berücksichtigt. Zunächst ist es aufschlußreich, daß das Gesetz der Seinsstufen, welches das στοιχεΐον-System der Akademie im großen beherrscht (άρχαί — άριθμοί / ίδέαι — μεγέθη — μαθηματικά — αισθητά, mit verschiedenen Abwandlungen), auch innerhalb des Kosmos - gleichsam ins kleine gespiegelt - seine Analoga besitzt. Wenn das Speusipp-Exzerpt Jamblichs fünf mit Ordinalzahlen bezeichnete Seinsbereiche unterscheidet (comm. math. sc. IV p. 18,5 ff., vgl. 16,13; 17.23 ff. Festa), so führt die 'Epinomis' fünf mit Ordinalzahlen benannte Elementarbereiche des

75

Seinsprinzip ist und sich dadurch von der konkreten Stofflichkeit der stoischen wesenhaft unterscheidet, ist jetzt von HAPP grundlegend herausgearbeitet worden (a. O. 678-807 in dem Kapitel „Die Hyle als Seinsprinzip", vgl. die Zusammenfassung 808 ff., wo aristotelischer und stoischer Hylebegriff konfrontiert und die möglichen Ansätze für den letzteren bei Aristoteles im einzelnen diskutiert werden). - Gemeinsam bleibt die Unbestimmtheit gegenüber allen möglichen Modifikationen. Ich setze diesen Ausdruck anstelle des sonst üblichen der „Astraltheologie", der den verbleibenden Dualismus von Transzendenz und Kosmos nicht zur Geltung bringt.

124

Theologie und Prinzipienlehre v o m Timaios zum Frühhellenismus

Lebendigen auf (984 C 7 ff.) 7e . Xenokrates unterscheidet in der Theologie nicht nur einen πρώτος θεός = μονάς von der folgenden δυάς und den übrigen Göttern, sondern auch drei „Hypostasen" des „Zeus" (fr 18: supramundan, supra- und sublunarisch: ΰπατος - [μέσος] - νέατος), und ferner in der engeren Kosmologie drei mit Ordinalzahlen aufgeführte Stufen eines als Materialprinzip verstandenen „Dichten" (πυκνόν fr 56 fin.). Das zuletzt erwähnte Beispiel gibt weiter zu erkennen, daß nicht nur im στοιχεϊον-System Speusipps, sondern auch bei anderen Akademikern wie Xenokrates für die einzelnen Seinsbereiche spezielle Form- und Materialprinzipien vorliegen können, die die Universalprinzipien gleichsam vertreten und die gerade in der Kosmologie eine wichtige differenzierende Rolle spielen. Ph. Merlan und H. Happ 77 haben vor kurzem unabhängig voneinander auf diesen Befund aufmerksam gemacht und gezeigt, daß er auch bei Aristoteles - etwa in der Konzeption einer ΰλη τοπική für die Himmelssphäre - Spuren hinterlassen hat. Was für die στοιχεία des Gesamtsystems gilt, trifft in ähnlicher Weise auch für die άρχαί und αίτίαι der kosmologischen Prinzipienlehre zu. Es versteht sich hier nicht nur in dem beschränkten Sinne, daß die άνθρωπίνη τέχνη der θεία τέχνη korrespondiert und daß darum auch der menschliche Demiurg notwendig mit „ΰλη" und παραδείγματα zu tun hat. Der entscheidende Ansatz liegt vielmehr in der Vorstellung von Untergöttern, der Weltseele und der Gestirngötter, im platonischen 'Timaios', welche die spezielle Weltbildung vornehmlich des sublunarischen Bereichs an Stelle und im Auftrag 78 des welttranszendenten Demiurgen übernehmen. Diese innerkosmischen Untergötter (νέοι θεοί 42 D 6) ahmen die Tätigkeit des Demiurgen, dessen Wirksamkeit sich im wesentlichen auf die Himmelssphäre beschränkt, auf einer tieferen Stufe nach (Verhältnis der μίμησις)79 und haben insofern selbst den Status kosmischer Demiurgen80. Das demiurgische Prinzip ist demnach in eigentümlicher Spiegelung auch innerhalb des Kosmos selbst gegen76

δεύτερα δέ καΐ τρίτα καΐ τέταρτα καΐ πέμπτα,

77

γενέσεως, είς ή μας τούς άνθρώπους άποτελευταν. Ph. MERLAN, Zwei Bemerkungen zum Aristotelischen Plato, Rh. Mus. i n ,

ά π δ θεών τ ω ν φανερών ά ρ ξ ά μ ε ν α

1968, Ι ff.; H . HAPP, H y l e 262, 497 ff.

' 8 Tim. 4 1 C, 42 E, 6 9 C. 79 41 C 5: μιμούμενοι τήν έμήν δύναμιν, 42 Ε 8: μιμούμενοι τδν σφέτερον δημιουργόν, 44 D 4 : τοϋ παντός σχήμα άπομιμηβάμενοι, 6g C 5 '· οί δέ μιμούμενοι . . . 80 41 C 4 ί·: τρέπεσθε . . . έπΐ τήν . . . δημιονργίαν, 6g C 3 ff·: των δέ θνητών τήν γένεσιν . , . δημιονργεΐν προσέταξεν, 75 ® 7 ί· : τ ο ' ? • · • δημιονργοϊς, vgl. D η.

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

125

wärtig und dort durch Wesenheiten repräsentiert, die sich zum elementaren Baustoff der Welt in einer dem Weltdemiurgen analogen Weise verhalten. Daß es sich dabei in erster Linie um die Weltseele handelt, bestätigt die kosmische Ordnungsfunktion der Weltseele im zehnten Buch der 'Nomoi', die mit einem έντεχνος δημιουργός verglichen wird 81 , während der eigentliche Demiurg gemäß dem Standort dieser Schrift im Hintergrund bleibt. Im engsten Zusammenhang mit den beiden Schriften Piatons steht die xenokratische Theorie der Weltseele fr 1 5 : Die Abgrenzung der Wirkungsbereiche von Demiurg und Weltseele (έν ούρανω - υπό τόν ούρανόν) entspricht genau der Darstellung des 'Timaios' 82 . Doch tritt zur demiurgischen Funktion eine für die Stoa bedeutsame ethischprovidentielle im Sinne von 'Nomoi' X hinzu (Δίκη - λήξεως ηγουμένη)83. E s ist deutlich, daß die Weltseele als zweite Gottheit in beiderlei Rücksicht den ersten, welttranszendenten Gott innerkosmisch und sublunarisch84 vertritt und daher von der fr 30 hervortretenden kosmologischen Ursachenlehre das demiurgische - aktive und intelligente - Prinzip repräsentiert. Die Vorstellung wirkt im kaiserzeitlichen Piatonismus bei Philon, Numenios und in der Gnosis in akademisch-xenokratischer Tradition weiter 86 - charakteristisch die Prinzipienlehre von μονάς und αόριστος δυάς bei Numenios, aus denen wie bei Xenokrates fr 68 die 81 82 88

84

85

903 C 6, vgl. δημιουργών 902 Ε 5; τέχνη, νοϋς 892 Β, έμηχανήσατο 904 Β 4. 6. Vgl. Verf., Theologie u. Philosophie 1969, 484 f. Vgl. 'Nomoi' X 902 C - 905 C, mit λαγχάνειν ~ Χήξις Xs. fr 15 (903 Ε ι), ειμαρμένη (904 C 8), δίκη (904 Ε 4 ff.). Zur λήξις vgl. ferner die Moira Lachesis in der Himmelssphäre Xs. fr 5 und die Moiren PI. Pol. 617 C mit der Etymologie Λάχεσις - λαχεΐν 620 D 7, vgl. D 8 f., Ε 4 mit Phaid. 107 D 7, dazu grundsätzlich P. Boyancä 227 ff. (mit der wohl richtigen Großschreibung Δίκη Xs. fr 15). Die λήξις PI. 'Kritias' 1 1 3 B, 114 Α 1, Β ι, 1 1 6 C 8 vergleicht K r i s c h e 317. λήξεως ήγουμένη etwa: „über das Los gebietend, das Los zuweisend". Dies gilt nur für den bevorzugten Wirkungsbereich, nicht für den eigenen Standort der Weltseele, die als solche im gesamten Kosmos, auch in der Himmelssphäre, gegenwärtig ist (vgl. oben S. 1 1 6 Anm. 41). Für Philon vgl. die Belege UGM 276 Anm. 318; für Numenios Test. 24 Leemans ~ Tim. 42 Ε 6 f.; fr 20, 21 L. ~ Tim. 42 Ε 5 f. (vgl. B e u t l e r R E s. v. 'Numenios', 1940, Sp. 671); fr 24 fin., 22 L. ~ Tim. 42 Ε 6 f.; bes. fr 22 L. ~ Tim. 41 C 8 f., D 8 f., Ε 4 f., 42 D 4-6. Weitere Mittelplatoniker: Plut. Is. Os. 373 B, 377 A, vgl. 376 C (vgl. UGM 96); Alb. Didask. X p. 165, 3 f. Herrn. Für die Gnosis vgl. den Nachweis von P. Boyancä, Dieu cosmique et Dualisme. Les archontes et Piaton, in: Studies in the History of Religions, Supplements to 'Numen' X I I : Le origini dello Gnosticismo. The origins of gnosticism. Colloquium von Messina 1966, 340 ff., bes. 352 ff. (wo neben dem 'Timaios' auch der 'Politikos' und Xenokrates ins Gesichtsfeld treten).

126

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

zahlenhafte (Welt)Seele abgeleitet wird 88 wobei das Motiv der μίμησις 87 des ersten Gottes durch die Weltseele , die bei Numenios zum eigentlichen Demiurgen des Kosmos geworden ist, Rückschlüsse auf Xenokrates fr 1 5 nahelegt. Die Fortwirkung in der Kaiserzeit macht es zugleich wahrscheinlich, daß auch der Frühhellenismus, d. h. vor allem die in den Anfängen stehende stoische Physik, von diesen Gedanken berührt worden ist. Die 'Epinomis' des Akademikers Philipp von Opus, die zu Xenokrates starke Affinität besitzt 88 , stellt mit besonderem Nachdruck den fünf Elementarkörpern die (Welt)Seele als das demiurgische Prinzip gegenüber89. Dabei klingt die Ursachenlehre deutlich an, wenn die Seele als das aktive, der Körper als das passive Moment charakterisiert wird (983 C 6 f.: τί> μέν αίτιον άπάντων, τδ δέ άναίτιον πάσης πάθης). Das pseudophilolaische Fragment über die Weltseele (περί ψυχής 86 87

88

89

Test. 31 L. = Procl. in Tim. 187 Α f. fr 25 L. ~ Tim. 41 Α ff., 42 Ε ff. Daß der zweite Gott der Weltseele des 'Timaios' entspricht, vertritt nach PUECH, Mölanges Bidez II, 1934, 758 und Verf. UGM 72 ff. jetzt weitgehend auch J. H. WASZINK, Porphyrios und Numenios, Entr. de la Fond. Hardt, Τ. X I I : Porphyre, Genf 1966, 74. J. PAVLU, Die Abfassungszeit der pseudoplatonischen Epinomis, W. St. 55, !937. 55 ff·; vgl· auch W. THEILER, Gnomon 7, 1931, 348 ff.; J. MOREAU 103. Im einzelnen finden sich folgende Ubereinstimmungen: Die Dämonologie Ep. 984 Ε ff. ~ Xs. fr 15, fr 23 ff., insbesondere die zugehörigen Kulte 985 C ~ Xs. fr 24 f., drei Moiren 982 C 4 ~ Xs. fr 5, acht Gestirngötter 986 Α f. ~ Xs. fr 17, die bevorzugte Stellung der Astronomie innerhalb der μαθήματα 990 Α ff. ~ Xs. fr 5, der Terminus σοφία 973 Β, 974 Β ff., 976 C ff., 979 C ff., 981 A, 987 C, 989 A, 990 A, 992 Β ff., Xs. fr 6, vgl. den Schriftentitel περί σοφίας ς' b. D. L. IV I i , die Neunzahl 991 Α f. ~ Xs. fr 58, der Äther als fünftes Element 981 Β f., 984 Β ~ Xs. fr 53 (Die Zwischenstellung des Äthers zwischen Feuer und Luft in der 'Epinomis' erklärt vielleicht den scheinbaren Widerspruch zwischen der Fünf-Elementenlehre Xs. fr 53 und fr 15, fr 56, wo zwar das Feuer die erste Stelle unter den Elementen einnimmt, aber der Äther als oberste Luftschicht - so bei Piaton Phaid. 109 B, Tim. 58 D, danach offenbar die 'Epinomis' - vereinfachend übergangen sein kann. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Xs. von der fr 53 referierten „platonischen" Lehre abgegangen sein sollte. Anders P. MORAUX Sp. 1 1 9 3 ; vgl. Sp. 1 1 8 7 0 . zur 'Epinomis', wo die „tiefgehenden Unterschiede" zur aristotelischen FünfElementenlehre herausgehoben werden.) Vgl. neuerdings auch K. GAISER in: A H A W 1968/2, 4 3 f.

981 Β 8: φ μόνω πλάττειν και δημιουργεϊν προσήκει, σώματι δέ . . . πλάττεσθαι καΐ γίγνεσθαι, 984 Β 6 f . , C3: πλάττειντήν ψυχήν (vgl. Tim. 4 2 D 6 : τοις νέοις παρέδωκεν θεοϊς σώματα πλάττειν), 984 C 4 f - : πάντα δέ δημιουργηαασαν ταϋτα ψυχήν . . . Dazu treffend MOREAU 99 f·: · · · ici les deux principes (sc. 1'a.me et le corps) constituent deux r6alit6s, deux genres distincts, 616ments d'un dualisme absolu; et leur opposition est d£crite en des termes qui d6jä annoncent ceux de la physique stojcienne."

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

127

Stob. Eel. I 20, 2 = V S 44 Β 2 i Vol. I e p. 417/18) ist schon von E. Frank mit zahlreichen Gründen der Älteren Akademie zugeschrieben90 und dann von Moreau für den hier verfolgten Zusammenhang herangezogen worden 91 . Es bestätigt beispielhaft, daß man in der Akademie hinsichtlich der Kosmogonie auf zwei verschiedenen Ebenen argumentiert hat. E s unterscheidet scharf zwischen supra- und sublunarischem Bereich und weist dem ersten die Weltseele (ψυχή) zu, die auch νοϋς und θεός heißt und als πατήρ und δημιουργός wirkt 92 . Beide Bereiche stehen einander als Bewegendes (κινέον, άεικίνατον) und Leidendes (άειπαθές) gegenüber93. Der Demiurg ist hier völlig mit der im Himmelsbereich angesiedelten Weltseele identifiziert und in seiner Wirksamkeit auf den sublunarischen Raum beschränkt, ohne daß indessen mit der Weltewigkeit die Existenz eines übergeordneten, aber nur metaphorisch wirkenden kosmogonischen „Demiurgen" von vornherein ausgeschlossen wäre94. Die Weltseele scheint dabei als αίτια der Bewegung und Veränderung angesprochen zu sein96. Im Blick auf die Stoa ist ferner zu beachten, daß wie in der 'Epinomis' Aktives und Passives korrespon90

E. FRANK, Plato und die sogenannten Pythagoreer, 1923, Nachdruck 1962, 282 ff. Fr. hat bereits alle wichtigeren Parallelen herangezogen; über seine Beurteilung des Stückes ist im einzelnen, aber schwerlich im ganzen hinauszugelangen. Die jüngste Behandlung durch B. EFFE 34 ff., 41 ff., 52, vgl. 61 f., die das Stück neben großen Teilen von Oc. Luc. De univ. nat. für den aristotelischen Dialog 'Über die Philosophie' zurückzugewinnen sucht, erspart sich den Vergleich mit der Akademie im ganzen und bleibt dadurch notwendig einseitig. Gewiß finden die Etymologie I 418, 5 oder der Lebenszyklus der Arten 418, 9 ff. bei Arist. den besten Anhalt, aber die Annahme der Weltewigkeit und die Unterscheidung von Himmel und sublunarischem Raum ist ebenso gemeinakademisch wie der Gedanke des Demiurgen oder der „allumfassenden" Weltseele, der unverkennbar an PI. Tim. und 'Nomoi' X ank n ü p f t (FRANK 282 m i t A n m . 1, 284 f . ; a u c h EFFE 35 A n m . 142 m u ß kon-

zedieren, daß hier „platonische Vorstellungen in den Gedankengang eindringen"). Terminologisch weisen πρατον - ύστερον 418, 3 f., κατά τδ αΰτό καΐ ωσαύτως έχων 418, 8 und άεικίνατον 4!8, Ι (dazu EFFE 36) primär auf die Akademie (vgl. bes. Xenokrates fr 15, fr 18 H.). Auch wenn das Stück aristotelisches Material enthält, bleibt es als ganzes im Umkreis der altakademischen 'Timaios'-Nachfolge. Vgl. zur Beurteilung auch R. HARDER, Ocellus Lucanus, Text u. Kommentar, N. Philol. Unters. Heft 1, 1926, Nachdruck 1966, 1 5 1 A n m . 2; W . BURKERT 225 f. (ungenügend W . THEILER, G n o m o n 2, 1926, 587). MOREAU 1 4 5 - 1 5 4 . 92 V S I e P . 4 1 7 , 1 6 ; 4 1 8 , 2 ; 6 ; I I . 93 V S I p. 4 1 7 , 1 8 ; 4 1 8 , ι f. 91

94

Vgl. unten Anm. 97. Voreilig ist der Schluß ex silentio bei MOREAU 146 ff., vgl.

96

V S I p. 4 1 7 , 9·

d a g e g e n BURKERT 226.

128

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

dieren, nur daß dort Seele und Körper, hier primär die beiden Weltbereiche gemeint sind. Das Bild, zu dem sich diese Zeugnisse zusammenschließen und dem sich mit gewissen Modifikationen auch der Aristoteles von περί φιλοσοφίας einordnen ließe 96 , führt dicht an die Position der stoischen Physik heran. Der innerkosmische Dualismus der akademischen Physik - ob nun zwischen Weltseele und Weltkörper oder den Bereichen über und unter dem Monde - entspricht im Aufriß dem der stoischen Kosmologie. Ferner: Während die Akademiker die Kosmopoiie des Weltdemiurgen nur „didaktisch-theoretisch", d. h. metaphorisch werteten 97 , ist das Demiurgentum der Weltseele realistischer aufzufassen, weil es sich auf konkrete Veränderungen zumal der sublunarischen Welt bezieht. Schon deshalb steht es dem stoischen Logos näher als der übergreifende Dualismus von Welt und Überwelt. Auf der anderen Seite jedoch ist der stoische Dualismus der Prinzipien nicht nur innerkosmisch, sondern zugleich im engeren Sinne kosmogonisch verstanden und weist als solcher eher auf die eigentliche " Vgl. MOREAU 1 1 7 ff. περί φιλοσοφίας kennt nicht nur wie das pseudophilolaische Fragment eine göttliche, intelligent-beseelte Astralsphäre über dem sublunarischen Bereich, sondern auch einen kosmogonischen Demiurgen, der zunächst an den 'Timaios' erinnert (fr 12 a/b, 13, 17 Ross). Da Aristoteles hier die Weltewigkeit voraussetzt (fr 20 u. ö.), kann man den Demiurgen entweder den Referaten platonischer Lehre im Zusammenhang des Dialogs zuweisen wie E. BIGNONE (AP II 5 2 8 ff.) oder M. UNTERSTEINER (II περί φιλοσοφίας di Aristotele, Riv. di Filol. 38, I960, 3 5 3 R.; ders., Aristotele, Deila Filosofia, introd., testo, traduzione e commento, Roma 1963, 180, 183), oder aber als metaphorische, platonisierende Einkleidung der Nus-Theologie (Metaph. Λ) auffassen wie E. B E R T I (La Filosofia del primo Aristotele, Padova 1 9 6 2 , 3 5 0 ff., vgl. 3 6 3 f., 3 7 1 f., 387, 5 5 5 f., noch positiver C. J. DE VOGEL, Greek Philosophy, Leiden 1953, II 31 f.), d. h. als ein aristotelisches Seitenstück zur „didaktisch-theoretischen" Auslegung des kosmogonischen Demiurgentums bei den Akademikern. Doch selbst wenn man diese weiterreichende Lösung zugrundelegt, bleibt das Gesamtbild der Frühschrift im Vergleich mit der Akademie lückenhaft: Weder eine Weltseele noch gar ein Weltmodell (vgl. fr 10 und I i Ross!) oder eine kosmogonische Prinzipienlehre (eher die aristotelische: vgl. fr 6, Asel, in met. 1 1 2 , 1 8 f. H. = p. 73 Ross und die Vermutung von JAEGER, Aristoteles 1 7 1 ) sind nachweisbar. Mag darum auch die Schrift bei Kleanthes wie bei Epikur Spuren hinterlassen haben - sie liegt nicht nur chronologisch - der klassische Aristoteles steht dazwischen -, sondern auch sachlich betrachtet zu weit ab, als daß sie neben den zur Zeit Zenons noch unmittelbar präsenten akademischen Weltentwürfen entscheidend hätte ins Gewicht fallen können. " Speusipp fr 54 a/b L., Xenokrates fr 54 Η. (διδασκαλίας χάριν ώς μάλλον γνωριζόντων u. a., mit der Analogie der mathematischen Konstruktion). Ähnlich Krantor b. Plut. mor. 1012 F f.

Zur Vorgeschichte der stoischen Prinzipienlehre

129

kosmogonische Ursachenlehre der Akademie zurück. Die Prinzipienlehre der stoischen Physik ist zweitens als eine philosophisch-technische schwerlich geradlinig aus dem - terminologisch nicht genügend verselbständigten - weltimmanenten Abbild der akademischen Prinzipien herzuleiten, sondern muß darüber hinaus an den übergreifenden kosmogonischen Dualismus von transzendentem Demiurgen und hyletischem Prinzip, d. h. an die reguläre, technisch fixierte Prinzipienlehre der akademischen Physik angeknüpft haben. Nur so versteht es sich schließlich, daß der stoische Logos sowohl Züge der platonischen Weltseele wie auch solche des platonischen Demiurgen und des platonischen Weltmodells in sich vereinigt. Es ist daher damit zu rechnen, daß die stoische Physik in einem doppelten Sinne von der Älteren Akademie angeregt worden ist: Zum primären, materialen Vorbild der Organisation des Kosmos traten Einstrahlungen mehr kategorialer Art hinzu, die den gesamten Horizont des akademischen Systems in den Gesichtskreis einbezogen. Dieses Hereinspiegeln des älteren Gesamtentwurfs und seiner Begrifflichkeit in eine immanentistisch reduzierte Kosmologie hat der Formulierung der stoischen Prinzipienlehre zweifellos Vorschub geleistet. Es war möglich, weil - wie gezeigt - schon auf dem Boden der akademischen Physik selbst wesentliche Ansätze dazu bereitgelegt waren, die systematisch im platonischen είκών-, εϊδωλον- und μίμησις-Gedanken wurzelten. Auch der hohe Bewußtseins- und Intelligenzgrad des stoischen Logos läßt sich seiner Vorgeschichte nach gewiß angemessener erfassen, wenn man ihn nicht nur von der Intelligenz der akademischen Weltseele her erklärt88, sondern ihn zugleich in die Nachfolge der NusTheologie des eigentlichen Demiurgen rückt. Wenn die xenokratische Weltseele die perfekte Intelligenz - den νοϋς αύτός, wie der Doxograph formuliert" - des demiurgischen Prinzips nachahmt, so liegt darin ein letzter Rest von Bedürftigkeit, den der stoische Logos abgestreift hat. Insofern auch er perfekte Intelligenz ist, hat er - äußerlich die Funktion der Weltseele weiterführend - zugleich den Vorzugscharakter des transzendenten νοϋς-θεός in sich aufgenommen. 88

Ζ. B. 'Epinomis' 982 Β ff. (νοϋς), Pseudo-Philolaos π. ψυχής V S I p. 418, 2 (νοΰς), gewiß auch Xenokrates nach PL Tim. 30 B, 'Nomoi' X 897 Β ff.: vgl. Plut. Is. Os. 3 5 1 F, 352 B, 375 C έπιστήμη, φρόνησις, νοϋς, σοφία (nach Xenokrates, vgl. UGM 96). »· Aet. I 7, 18 = D. Gr. p. 302 a 8, b 19 D. Vgl. Ps. Gal. hist, philos. 35 = D. Gr. p. 618, 13 D.

130

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

Es ist damit wohl deutlicher geworden, daß und in welchem näher bestimmten Sinne in der stoischen Prinzipienlehre, wie man vermutet hat, ,,der akademische Dualismus" nachwirkt 100 . Es bestätigte sich zunächst, daß die Gründer der Stoa sich nicht in literarischem Rückgriff über sechs Jahrzehnte hinweg am 'Timaios' Piatons orientiert haben, sondern von der zeitgenössischen, dogmatisch systematisierenden (Prinzipienlehre, Nus-Theologie) 'Timaios'-Nachfolge ausgegangen sind. Zum zweiten hat es sich als unzureichend erwiesen, lediglich die vermeintlich emanzipierte - reine Kosmologie der Akademie zugrunde zu legen. Der Traditionsvorgang ist wesentlich komplexer, und gerade wer die stoische Prinzipienlehre als ganzes historisch einzuordnen versucht, kann des Gesamtbilds nicht entraten, welches das kosmo-theologische System der Akademie in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts zur Verfügung stellt. Erst in der Stoa hat sich die Emanzipation der reinen Kosmologie vollzogen, doch in der Weise, daß bestimmte Charaktere der Überwelt dem immanentistischen Standort adaptiert wurden. Ob und inwieweit die entscheidende Wendung selbst im Bereich der Akademie vorbereitet war, entzieht sich unserer Kenntnis. Immerhin läßt sich die These nicht mit hinreichender Sicherheit vertreten, der stoische Immanentismus sei speziell durch die Problematisierung der Transzendenz im Peripatos angebahnt worden 101 : Die aus dem fraglichen Zeitraum erhaltene 'Metaphysik' Theophrasts hält trotz mancher Reserven faktisch noch an der Überwelt fest102, und andererseits ist die Situation der Akademie zur Zeit Polemons zu wenig überschaubar, als daß für sie eine vergleichbare Problematisierung der Transzendenz von vornherein ausgeschlossen werden könnte 103 . Die weiteren Unterschiede sind bekannt und seien hier nur in Kürze angeschlossen. Sie hegen teils in der Konsequenz der im vorigen gezeichneten Denkbewegung, teils ergeben sie sich aus dem Rückgriff 100 101

102

103

Vgl. oben S. 114. So in der Nachfolge Siebecks: GRUMACH 59 ff.; O. R E G E N B O G E N , R E Suppl. Bd. VII s. v. 'Theophrastos' (1940) Sp. 1393 (mit älterer Literatur), 1550, 1558; K. O. B R I N K , R E Suppl. Bd. VII s. v. 'Peripatos' Sp. 921, vgl. 926 f. So auch GRUMACH 64, aufgenommen von R E G E N B O G E N a. O. Sp. 1393. Wohl zu weit gehend die Schlußfolgerungen von G . R E A L E , Teofrasto e la sua aporetica metafisica, Brescia 1964, bes. 155 ff. Stratons Immanentismus liefert kein brauchbares Argument, da er nachstoisch ist. Der Versuch, die stoische Position aus der inneren Entwicklung des Peripatos zu erklären, ist also nur durch die günstigeren Überlieferungsverhältnisse methodisch gerechtfertigt.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

131

auf sokratische und vorsokratische Ansätze: a) In der Stoa ist der göttliche Demiurg nicht nur weltimmanent wie die akademische Weltseele, sondern er ist darüber hinaus - in einem zweiten Schritt der Umsetzung - auch körperhaft geworden104 und durchdringt die Hyle so innig, daß beide nur noch begrifflich voneinander geschieden werden können105. Prinzipiendualismus und Weltmodell sind damit in eine neue Realitätsebene materialistischer und vitalistischer Art transponiert worden, b) Die Kosmogonie versinnbildlicht in der Stoa nicht mehr wie bei den Akademikern, die die Weltewigkeit voraussetzen, lediglich „didaktisch" die ontologische Dependenz der Seinsbereiche, sondern ist durchaus real in Raum und Zeit vorgestellt, c) Die Kosmogonie wiederholt sich wie die Weltverbrennung unendlich oft, um die schöpferische Produktivität des Logos sich immer wieder neu bewähren zu lassen. Trotz dieser gewichtigen, tiefgreifenden Unterschiede wird man, faßt man alles zusammen, nicht umhin können, die Physik der Älteren Akademie als das eigentliche Ursprungsfeld der stoischen Prinzipienlehre in Rechnung zu stellen. Die notorische Abhängigkeit auf dem Gebiet der Ethik106 gereicht diesem Befund nur zur Bestätigung.

2. Aristotelische, akademische und epikureische Theologie I. Der Einfluß des Peripatos auf die Physik des Epikureismus ist vielfältig und bedeutend gewesen. Dies gilt nicht nur für die Beziehungen zum - eher akademisch orientierten - frühen Aristoteles des Dialoges 'De philosophia', die Bignone herausgearbeitet hat107, oder zur 104

Eine ähnliche Umwandlung erfährt das akademische Hyleprinzip selbst, das wie das aristotelische (vgl. oben S. 122 Anm. 74) als Prinzip von Körperlichkeit - ob nun als χώρα oder δυάς verstanden - selbst unkörperlich ist, während die stoische Hyle als der Inbegriff der (passiven) konkreten Stoffmasse erscheint. 105 Die in der Stoa durch die κρασις δι' δλων beförderte gegenseitige Durchdringung der beiden Prinzipien findet in der Räumlichkeit der akademischen Weltseele und ihrer dadurch möglichen Omnipräsenz im Kosmos ein vergleichbares Gegenstück, vgl. oben S. 116 Anm. 41. 106 v g l Kap. III 2 S. 230 Anm. 179. 107 B I G N O N E A P Vol. II Kap. V I I I - X .

132

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

Doxographie und Meteorologie Theophrasts108; auch die physikalische Vorlesung, die Himmels- und die Seelenschrift des Aristoteles hat Epikur gekannt und ihre Kritik am älteren Atomismus und an der akademischen Physik berücksichtigt109. Insbesondere setzen die Vorstellungen vom senkrechten Fall, der Schwerkraft, der gleichen Grundgeschwindigkeit und mittelbar auch das clinamen der Atome das klassische, vor allem von Aristoteles im vierten Buch von De caelo entwickelte Weltbild (mit dem „natürlichen Ort" der Elemente, daher „Oben" und „Unten" im Kosmos) voraus, das sie auf das Universum des Atomismus (άπειρον) übertragen110. Was speziell die Theologie anlangt, so hat man schon in der Antike beobachtet111, daß zwischen den Göttern Epikurs und des Aristoteles trotz der Materialität, unendlichen Zahl und dem Anthropomorphismus der ersteren - eine Affinität besteht. In der Tat unterscheidet sich die epikureische Theologie von der altatomistischen Demokrits dadurch grundlegend, daß sie die Götter nicht theistisch im Kosmos wirken läßt, sondern in die Intermundien versetzt und von jeder Einwirkung auf den Kosmos freispricht. Extramundane Position und Deismus erinnern dabei stark an die aristotelische Theologie112, wobei zu beachten bleibt, daß auch Aristoteles wie Epikur Polytheist ist und mit einer Mehrheit transzendenter Götter (genau: mit sechsundfünfzig) rechnet113. 108

109

G. BERGSTRÄSSER - F. BOLL, Neue meteorologische Fragmente d. Theophrast, arabisch und deutsch, SB Heidelb. Ak., phil. hist. Kl. 1918/9, Nachwort und Nachtrag von BOLL; E . REITZENSTEIN, Theophrast bei Epikur und Lucrez, Orient und Antike 2, Heidelb. 1924; vgl. O. REGENBOGEN, R E Suppl. Bd. V I I , 1940, s. v. 'Theophrastos v. Eresos', Sp. 1539 f.; BAILEY, T. L. Cari De rer. nat. libri sex, 1947, I I I 1745 ff. Philod. A d v . [Sophistas] fr l3, 1 1 - 1 3 SBORDONE = Nr. 118 ARRIGHETTI (Άριστοτέ[λους τ'] άναλυτικά και [τά περί] φύσεως); die Kenntnis von De caelo hat nachgewiesen W. SCHMID, Epikurs Kritik d. plat. Elementenlehre, Kl. phil. Studien H. 9, 1936, 17 ff., 22 ff., 31 ff., diejenige von Phys. Ζ vor allem D. J. FURLEY (vgl. unten S. 280ff., dort auch zu Phys. Γ). Zum Einfluß von De anima und anderer Schriften DIANO, G. C. F. I. 20-23, I 9 3 9 - I 9 4 2 ; FURLEY a. O. 165 ff.

110 vgi_ FR 2 9 9 U s . u n d A . G O E D E C K E M E Y E R 99, 1 1 5 , 1 2 3 ff., 1 3 4 f. 111 112

113

Attikos fr I I I BAUDRY = Eus. pr. ev. X V 5 , 1 1 p . 358 f. MRAS. Zum Zusammenhang haben sich beispielsweise geäußert: ZELLER Ph. d. Gr. I I I I', 493 f.; R. MONDOLFO, L'infinito nel pensiero dell' antichitä classica, 19562, 497 ff.; bes. E . ALFIERI, Atomos Idea, 1953, 164 ff. Kap. 8: L a concezione de! divino; O. GIGON, Aristoteles, Einführungsschriften, Zürich und Stuttgart 1961, 214, vgl. 216; Ph. MERLAN 1967 passim; J. MOREAU, fipicure et la physique des dieux, R E A 70, 1968, 286 f., vgl. 293. Darauf weist nachdrücklich hin MERLAN 1967 passim, der im Deismus bei Aristoteles und Epikur geradezu den Versuch erkennt, die im Polytheismus

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

133

In seinen 'Studies in Epicurus and Aristotle' hat Ph. Merlan 114 darüber hinaus versucht, eine Strukturanalogie zwischen aristotelischer und epikureischer Götterwelt aufzuzeigen und damit seine zuerst 1933 entwickelte Theorie von zwei Götterklassen Epikurs historisch abzusichern. Obgleich Merlans Epikur-Interpretation bisher kaum Anerkennung gefunden hat, wird es im Blick auf das Verhältnis Aristoteles-Epikur nötig sein, sie im folgenden genauer zu prüfen und dabei vergleichend in den forschungsgeschichtlichen Zusammenhang zu rükken, der sich im Laufe der letzten hundert Jahre 116 an die fraglichen Textzeugen geheftet hat (D. L. X 139 =

Schol. in R. S. I = fr 355

Us. 1 1 8 ; Cie. η. d. I 49 = fr 352 p. 234 f. U s . 1 1 7 , 1 1 0 5 ; Philod. De dis I I I 8, 33 ff.; 9, 20 ff.; 10, 2 ff. D.). Auszugehen ist in jedem Falle vom Scholion des Diogenes 118 , wo die Lehre von zwei Götterklassen allein explizit hervorzutreten scheint. Die bisher vorgelegten Interpretationen des Scholions lassen sich in drei Hauptgruppen zusammenfassen: Die Deutungen der ersten Gruppe erklären die Zweiteilung mehr subjektiv vom menschlichen Betrachter her, die der zweiten mehr objektiv, von der Struktur der Götterwelt selbst ausgehend, während die Vertreter einer dritten Gruppe subjektive und objektive Erklärungsgründe in charakteristischer Weise miteinander verbinden.

114

115

11β

117

118

liegenden Schwierigkeiten, wie sie etwa in der Tragödie aufscheinen, zu überwinden. Vgl. zum arist. Polytheismus auch M E R L A N , Aristotle's unmoved movers. Traditio 4, 1946, ι ff.; ders. Two problems of Aristotle's Theology, Apeiron 1, 1966, 3 fi. M E R L A N i960, Kap. I I : How many kinds of Divinities did Epicurus recognize? p. 38 ff., der Vergleich mit Aristoteles 72, 97. Forschungsrückblicke: V I C O L , F R E Y M U T H 1953, M O R E S C H I N I , F R A S S I N E T T I 1964, zuletzt kurz O. R. B L O C H , fitat pr6sent des recherches sur l'6picurisme grec, in: Actes du V I I I E Congres de 1'Association Bud6, Paris 1968, 129 f. έν άλλοις δέ φησι sc. 'Επίκουρος τούς θεούς λόγφ θεωρητούς, οδς μέν κατ' άριθμδν ΰφεστώτας, οδς δέ κατά όμοείδειαν έκ της συνεχοϋς έπιρρύσεως των όμοιων ειδώλων έπΐ τ£> αύτ£> άποτετελεσμένων, άνθρωποειδεΐς. Epicurus autem, qui res occultas et penitus abditas non modo videat animo sed etiam sie tractet ut manu, docet earn esse vim et naturam deorum, ut primum non sensu sed mente cernatur, nec soliditate quadam nec ad numerum, ut ea quae ille propter firmitatem στερέμνια appellat, sed imaginibus similitudine et transitione pereeptis, cum infmita simillumarum imaginum species ex innumerabilibus individuis existat et ad nos ( L A M B I N U S : ad deos codd.) adfluat, cum maximis voluptatibus in eas imagines mentem intentam infixamque nostram intellegentiam capere quae sit et beata natura et aeterna. Mutmaßungen über die doxographische Quelle b. W . C R Ö N E R T , Kolotes und Menedemos, 1906, Nachdruck 1965, 140 (Antisthenes v. Rhodos).

134

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

Innerhalb der subjektiv argumentierenden Gruppe ist die am häufigsten vertretene Deutung diejenige, die in der Notiz zwei Arten von Götterbildern (είδωλα) unterschieden findet (I). Sie zerfällt ihrerseits in mehrere spezielle Lösungsversuche: I. a) Hirzel119, dem sich Zeller120 anschließt, erkennt in den Göttern κατά όμοείδειαν innerweltliche Bilder demokriteischer Art, die sich von den eigentlichen, transmundanen Individualgöttern (κατ' άριθμόν)121 als populär-scheinhafte Gebilde abheben; sie bieten nur ein gattungsgetreues Abbild der letzteren, da sie durch die Verbindung „ähnlicher", d. h. von verschiedenen Individualgöttern stammender είδωλα zustande gekommen sind. Cicero habe die Götterbilder mit den eigentlichen Göttern verwechselt (nec ad numerum sc. cernatur) 122 . I. b) Diels123, dem sich mit Modifikationen Freymuth, Arrighetti, Moreschini und Kleve anschließen124, geht primär von Philodem De dis III 125 aus und unterscheidet danach auch im Scholion, dessen Zweiteilung er mit Philippson12® prädikativ-aspekthaft versteht (οδς μέν οδς δέ : „einerseits - andererseits"), zwei Arten von Götterbildern, solche, die den Menschen unverfälscht erreichen und daher einen individuellen Eindruck vermitteln, und getrübte, die lediglich eine Allgemeinvorstellung hervorrufen. Während Diels die subjektive Bildertheorie nicht konsequent durchhält, neigen Freymuth und Moreschini dazu127, das Scholion zu verwerfen, weil es die bei Epikur vorliegende Unterscheidung zweier Bilderaxten fälschlich mit derjenigen zweier Götteraxten verwechsle. II. Gleichfalls zur Gruppe der subjektivierenden Deutungen gehört die Erklärung, derzufolge im Scholion nicht zwei Arten von Götterbildern, sondern zwei Erkenntnisweisen der Götterwelt unterschie119

H I R Z E L 7 2 ff., v g l . 4 6 ff.

120

ZELLER P h . d . G r . I I I i", S . 4 4 6 f. A n m .

121

Der aristotelische Terminus zuerst von

122

H I R Z E L 6 9 ff., Z E L L E R a . O . 4 4 7

123

DIELS

124

FREYMUTH

III 25-37,

BES.

1 9 5 3 S. 8,

1.

HIRZEL

54 f. identifiziert.

Anm.

36 f. 1 9 ff., 2 2

ff.,

38;

1 9 5 5 S. 2 4 4 ;

1958 S.

GHETTI 1 9 5 5 S . 4 0 4 f . , 4 1 2 ff.; M O R E S C H I N I 3 5 5 ff.; K L E V E 5 9 126

col. 8, 33 ff.; 9, 20 ff. Zum Text inzwischen

ARRIGHETTI

F R E Y M U T H 1 9 5 8 S . 1 4 8 ff.; M O R E S C H I N I 3 5 4 A n m .

1480.;

ARRI-

ff.

1955 S. 405-407,

28.

126

PHILIPPSON 1 9 1 6 S. 5 8 0 ; 1 9 1 8 S. 3 6 0 f., 1 9 3 4 S. 1 7 1 ; DIELS I I I 2 9 A n m .

127

F R E Y M U T H 1 9 5 3 S . 2 3 , 1 9 5 5 S . 2 3 4 ff., 2 4 4 m i t A n m .

1; 1 9 5 8 S. 3 4 8 ;

3.

MORE-

358 f., 372. Beide folgen darin D I A N O 1946 S . 13 App., 118 f.; 1949 S . 212. Gegen die Authentizität des Scholions hatten sich schon früher ausgesprochen: S C H W E N K E 617, 628 f., vgl. 633; SCOTT 221; G I U S S A N I 234; vgl. auch P E A S E 316. SCHINI

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

135

den werden: Phüippson, dem Vicol und Frassinetti gefolgt sind, faßt im Scholion die Zweiteilung prädikativ, versteht aber den λόγος in λόγω θεωρητοί speziell als rationales Reflexionsvermögen im Gegensatz zur geistigen Wahrnehmung der διάνοια (mens bei Cie.)128. Die letztere liefert in der Regel lediglich eine Allgemeinvorstellung von den Göttern - individuelle Götterbilder können freilich in seltenen Ausnahmefällen vorkommen 129 während die erstere u. a. auf den individuellen Charakter der Götter zurückzuschließen vermag (Ph. bezieht λόγφ θεωρητοί vor allem auf das erste Glied der Zweiteilung) 130 . III. Bei Pfligersdorffer potenziert sich die subjektivierende Betrachtungsweise dadurch, daß er die Götter überhaupt nur als vom Menschen hinausprojizierte Bilder gelten läßt 1 3 1 , die im Scholion unter partiellen Aspekten - als Individuen oder generell - in Erscheinung treten können, wobei sich Pfligersdorffer im einzelnen an Phüippson und Frassinetti anschließt 132 . Die zweite Hauptgruppe der objektiven Erklärungen verlegt demgegenüber die Unterscheidung des Scholions in die Götterwelt selbst und versucht daraus Aufschlüsse über ihre Gliederung oder über die Seinsweise der Götter zu gewinnen: IV. Die von Lacheher inaugurierte und von Scott, Giussani, Bignone, Bailey und zuletzt noch von De Witt, Farrington und Moreau vertretene Auffassung 133 , hier werde die formale, „ideelle" Existenz (όμοείδεια) der epikureischen Götter gelehrt, die individuelle (κατ' άριθμόν) dagegen verneint, ist sichtlich vom Cicero-Referat inspiriert (ad deos!), auf das auch die von Gassendi übernommene Konjektur (ού μέν . . . ~ nec ad numerum) zurückgeht. Sie bezieht den ständigen Zufluß (συνεχής έπίρρυσις) der είδωλα auch im Scholion auf die Götter, die sich 128 PHILIPPSON 1 9 1 6 S. 5 6 8 - 5 8 2 ;

1 9 1 8 S. 360 f . ; 1 9 3 4 S. 1 7 1 f . ; V I C O L 1 9 9

ff.;

FRASSINETTI 1954 S. 119 ff., 1 2 7 0 . ; 1964 S. 214 ff. Philippsons Erklärung findet sich übrigens im wesentlichen schon bei HIRZEL 74 Anm. 1 vorweggenommen. 129

PHILIPPSON 1 9 1 8 S . 3 6 2 f.

130 PHILIPPSON 1916 S. 580-582. 131

PFLIGERSDORFFER 243 ff.

132 PFLIGERSDORFFER 248 ff. 133

LACHELIER 264 ff.; danach W. SCOTT 212 ff.; ders. Fragmenta Here., 1885, 1 9 6 f . ; GIUSSANI 2 3 3 ff., v g l . 2 5 7 ; B I G N O N E 5 5 f. A n m . 3 ; B A I L E Y

Epicurus

348; Atomists 449-461 (hier mit Vorbehalt); DE WITT 261 ff.; B. FARRINGTON, The faith of Epicurus, 1967, 116; J. MOREAU, R E A 70, 1968, 289. Ähnlich auch, disparate Ansätze Phiiippsons verbindend, VICOL 202 ff. zum zweiten Teil des Scholions. Vgl. O. GILBERT, Griech. Religionsphilosophie, Lpzg. 1911, 480 f. Anm. 1.

10 Krämer, Platoniamua

136

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

bei gleich starkem Abfluß - in jedem Augenblick materialiter neu konstituieren, formaliter aber erhalten bleiben. Die Theorie mehrerer Götterklassen ist in ganz verschiedener Weise vertreten worden: V. a) Insofern Hirzel die innerweltlichen Götterbilder auf die Volksgötter bezieht und mit den Göttern κατά όμοείδειαν des Scholions verknüpft, nimmt er bereits zwei selbständige, wenngleich verschiedenwertige, Götterarten an134 und ist in der Folge auch, etwa von Körte 136 , so verstanden worden. V. b) In noch höherem Grade ist dies bei Diels der Fall, der mit einer oft als Bruch empfundenen 136 Wendung137 von der Unterscheidung zweier Bilderarten in die zweier Götterklassen hinübergleitet, indem er die getrübten Bilder als die Gestirngötter interpretiert. V. c) Die im Kern schon von Mayor138 vorweggenommene These Merlans139 kehrt, von Cicero ausgehend (nec ad numerum!), die seit Hirzel übliche Bewertung der beiden Götterklassen um und stellt die Klasse der artgleichen Götter (κατά όμοείδειαν) als die der eigentlichen, genuin epikureischen über die Individualgötter (κατ' αριθμόν) der Volksreligion. Damit soll u. a. die Darstellung Ciceros gerechtfertigt und die Brücke zu bestimmten Erscheinungen der religiösen Tradition (Gruppengötter wie Moiren u. dgl.) geschlagen sein. V. d) Gigon nimmt die Ausdrücke κατ' άριθμόν bzw. nec ad numerum wörtlich und unterscheidet danach eine Götterklasse „in bestimmter Zahl", die Olympier, und eine andere von offenbar unbestimmter

134

135

H I R Z E L 72 zu Cicero: ,, . . . sobald wir annehmen, daß Epikur in ungenauer Ausdrucksweise zwei Arten von Göttern unterschied, die rechten und die wahren, welche in den Zwischenwelten wohnen, und die Bilder, welche das Göttliche innerhalb der Welt repräsentiren und von der Mehrzahl der Menschen für Götter gehalten werden." 74 zum Scholion: „Gar aber an dieser Thatsache zu zweifeln, daß Epikur noch eine zweite Art von Göttern anerkannt habe, ist kein Grund vorhanden." Metrodori Epicure) fragmenta, coll. A. K O E R T E , Lpzg. 1890 ( = Jbb. f. class. Philol. Suppl. 17), 544 (,,duo, complura deorum genera").

ΐ3β F R E Y M U T H

1953

S. 2 0 f . ; ARRIGHETTI

1955

S. 412,

vgl.

404;

MORESCHINI

356 f· « 7 D I E L S I I I 3 6 f. 138

138

M A Y O R 147 Anm. 2 : ,, . . . there were two distinct systems of theologyrecognized in the Epicurean school, one of a more esoteric nature . . . the other more suited to the popular belief", mit Bezug auf die Götter κατά όμοείδειαν und die κατ' αριθμόν. M E R L A N 1 9 3 3 S. 200-204; i960 S. 38-72.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

137

Zahl, d. h. mit „einer grenzenlosen Fülle von Gottheiten" 140 , wobei offen bleibt, was für Götter damit konkret gemeint sind. Eine dritte Gruppe von Lösungsversuchen findet im Doxographon des Scholiasten objektive und subjektive Aussagen verknüpft: VI. Krokiewicz 141 und Diano 142 schließen aus der όμοείδεια der Bilder im Scholion, daß es bei Epikur lauter gleichartige Götter gebe, und modifizieren danach die Diels'sche Bildertheorie: Die Götter, die in unendlicher Zahl auftreten, können ausnahmsweise einzeln143, in der Regel aber nur in Form einer Gesamtvorstellung wahrgenommen werden, weil sich die Abbilder verschiedener Individuen verbinden. Auch Diano läßt den Scholiasten die beiden Bilderarten mit zwei Götterarten verwechseln144. VII. Neuerdings hat D. Lemke 146 den Begriff der όμοείδεια neu gefaßt und nicht wie bisher auf die Gesamtheit möglicher Götterformen, aber auch nicht auf eine besondere Klasse überindividueller Gottheiten, sondern auf die mit dem atomistischen Weltbild unmittelbar gegebene Dimension unendlich vieler Exemplare innerhalb jeder einzelnen Götterform bezogen. Die geistig wahrgenommenen „Individuen" können daher teils wirkliche Götterindividuen (κατ' αριθμόν), teils eine generelle Gesamtvorstellung der jeweiligen Götterart sein (κατά όμοείδειαν), zu der sich die von den einzelnen gleichartigen Exemplaren ausgehenden Bilder verbinden, ohne daß eine Scheidung der Individuen anders als durch die rationale Reflexion des Epikureers möglich wäre. Diese Interpretation, in die die Ansätze Philippsons und Krokiewicz-Dianos als partielle Aspekte eingegangen sind, erkennt im

140

141

142

143 144

145

GIGON 2 53 = 1 X L V I I I . Vgl. die Übersetzung des Scholions 2 I33 = („zahlenmäßige K o n s t a n z " . . . „gebildet auf Grund der Gleichartigkeit"). KROKIEWICZ IOO, der primär v o n Cie. η. d. I 8o (Cotta) ausgeht, aber dann das Scholion einbezieht: „Sequitur simulacra divina adeo inter se similia esse, u t homines . . . diiudicare nequaquam possint. Scilicet . . . pari pollent effectu. Quae cum ita sint . . . t o t u m scholium perspieuum et perlucidum fit." DIANO 1946 S. 1 1 8 f., bes. 1949 S. 208 f . : ,,se i simulacri sono ομοειδή . . . e fanno che gli dei n o i . . . conosciamo . . . κατά όμοείδειαν, e questo e un f a t t o e non una nostra illazione, dobbiamo concludere che essi stessi gli d£i sono ομοειδείς . . . se gli dei, oltre che materialmente e secondo il numero, fossero distinti 1' uno dall' altro anche secondo la forma, i simulacri non potrebbero mai essere formalmente gli stessi", 212 f., 214 f. DIANO 1946 S. 118 m i t B e r u f u n g auf Philod. D e piet. fr 1 1 8 p. 134 Go. DIANO 1946 S. 118, 1949 S. 220. D . erkennt mithin wie F r e y m u t h und Moreschini den Aspektcharakter der Einteilung sprachlich nicht an. LEMKE K a p . V M i t t e (zum Scholion).

138

Theologie u n d Prinzipienlehre v o m T i m a i o s z u m Frühhellenismus

Scholion und übereinstimmend bei Cicero die Vertiefung der religiösen Tradition durch das atomistische Weltbild und die daraus erwachsenden Konsequenzen für die Erkenntnis der Götter, wobei sich objektive und subjektive Momente in eigentümlicher Weise verbinden. Überblickt man die bisher entwickelten Erklärungsversuche, so bieten die meisten von ihnen der Kritik zahlreiche Angriffspunkte, die in der Diskussion auch schon ausgiebig zur Geltung gekommen sind. I. a) Die Hirzel-Zellersche Theorie146 kann sich für die Gleichsetzung von Abbildern und Göttern und für die Unterordnung der Volksgötter unter die Individualgötter, aber auch für die aus verschiedenen Götterarten gebildeten Allgemeinvorstellungen auf keinerlei Zeugnisse stützen. Argwohn erregt von vornherein, daß Cicero durchweg die Bilder mit den eigentlichen Göttern verwechselt haben soll. Im übrigen wird Philodem noch kaum berücksichtigt, während das polemische Referat Cottas bei Cicero überbewertet erscheint. I. b) Die Bildertheorie hat zwar manches für sich, ist aber bei Diels durch die Zuspitzung auf das bei Philodem hervortretende Problem der Gestirngötter, die Diels bald mit den Volksgöttern, bald mit den von den extramundanen Individualgöttern ausgehenden Allgemeinvorstellungen verknüpft, diskreditiert worden. Gestirngötter, Allgemeinvorstellungen und die (entstellten)147 Götter des Volksglaubens haben zunächst nichts miteinander zu tun; ferner gerät Diels mit sich selbst in Widerspruch, wenn er die Zweiteilung des Scholions zuerst aspekthaft erklärt, aber dann doch nach der Art Hirzeis auf zwei Götterklassen hinausgelangt. Das Scholion hat freilich immer wieder den Eindruck einer ontologischen Aussage erweckt und sich damit einer konsequenten Bildertheorie widersetzt. Die Eliminierung des Schoüons bei den späteren Vertretern der Bildertheorie (Freymuth, Moreschini) macht dies besonders augenfällig, zeigt aber auch die Grenzen und die Schwächen der Theorie selbst an148. Nicht die kleinste Schwierigkeit liegt schließlich darin, daß die auf Grund des Scholions postulierte Allgemeinvorstellung der Götterfamilie weder empirisch gegeben noch

146

D a g e g e n SCOTT 220 f., 226 ff.; GIUSSANI 2 3 2 0 . ; 589 f.

147

KLEVE 68 ff. unterscheidet daher j e t z t m i t R e c h t drei A r t e n v o n G ö t t e r bildern. Ähnliches gilt f ü r KLEVE, der 62 A n m . 1 ύφεστώτας im Scholion nur auf d a s erste Glied beziehen möchte, weil er unter όμοείδεια die bloße „ Ä h n l i c h k e i t " der Bilder versteht. V g l . dazu A n m . 149.

148

BAILEY, A t o m i s t s 459 f.,

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

139

theoretisch konstruierbar ist, da bei der Mischung verschiedenartiger Bilder eher neue, zusätzliche Typen erwartet werden müßten149. II. Philippsons Unterscheidung zweier Erkenntnisvermögen läßt sich im Text des Scholions nicht mit ausreichender Sicherheit verifizieren: λόγω θεωρητοί bedeutet wahrscheinlich nur „übersinnlich erkennbar" 150 . Ihre Anwendung auf die Zweiteilung zwingt Philippson, der geistigen Wahrnehmung (διάνοια, mens) nur Allgemein vor Stellungen von den Göttern zuzuerkennen und die Erkenntnis der Individualgötter dem schließenden έπιλογισμός zuzuweisen, d. h. die Prolepsenbildung der religiösen Tradition zu leugnen. Darin liegt zweifellos eine Unterschätzung der ersten und eine Überschätzung der zweiten Erkenntnisart, die mit Philippsons originärem Interesse am jungepikureischen Zeichenschlußverfahren zusammenhängen dürfte. Daß die Gewichte des Scholions damit unzulässig verschoben sind, äußert sich darin, daß Philippson selbst nicht umhin kann, individuelle Götterbilder als Ausnahmefälle zuzulassen und damit faktisch zur Theorie der Bilderarten zurückzukehren. Ein gewichtiges Gegenindiz hegt ferner darin, daß Cicero von der reflexiven Erkenntnisart schweigt. III. Pfligersdorffers Hauptthese beruht auf der Ausweitung eines umstrittenen Cicero-Kolons ins Grundsätzliche, wobei unversehens eine moderne Reflexion über den Epikureismus für diesen selbst eintritt, und erklärt an der Zweiteilung des Scholions nichts. IV. Gegen die Lachelier-Scottsche These hat man zunächst generell eingewendet, daß sie kein Spezifikum der Götterwelt beschreiben könnte, sondern auch auf die intramundanen στερέμνια zutreffen müßte 161 . Ferner kann auch bei der Annahme einer ständigen materiel149

Nach Analogie der durch Bilderkombination erzeugten „ Phantasie"-gebilde Lucr. IV 724-743. Mit der Hypothese der „Allgemeinvorstellung" hängt die unrichtige Auffassung zusammen, der ομοιον-Begriff beziehe sich nicht aui das Verhältnis der Bilder untereinander, sondern auf das zwischen Bildern und

150

Entsprechend Cie. n. d. I 49: ut non sensu sed mente cernatur, vgl. MORE-

G ö t t e r n (DIELS, FREYMUTH, FRASSINETTI, K L E V E ) . SCHINI 3 5 6 A n m . 3 1 ; K L E V E 3 6 m i t A n m . 2. Z u r grundsätzlichen P r o b l e m a t i k

von Philippsons Versuch, die beiden Erkenntnisvermögen terminologisch festzulegen und auf die theologischen Zeugnisse anzuwenden BAILEY, Atomists 5 9 0 ff.; MERLAN 1 9 3 3 S . 1 9 8 f . ; FREYMUTH 1 9 5 3 S. 2 9 f. A n m . 2, 1 9 5 5 S . 2 3 9 ff.; PFLIGERSDORFFER 2 3 8 , 2 4 0 ; MORESCHINI 3 6 2 f . ; K L E V E 2 1 A n m . 2

sowie Zur epikureischen Terminologie, Symb. Osl. 38, 1963, 25 ff.; gut die Darstellung der Erkenntnisvermögen selbst bei DIANO G. C. F. I. 20, 1939, 140 ff.; zur Kontroverse um den έπιλογισμός G. ARRIGHETTI, Par. del passato 7, 1952, 119 ff.; Ph. DE LACY, A J P h 79, 1958, 179 ff. 151

DIANO 1 9 4 6 S . 1 1 9 , 1 9 4 9 S . 2 1 1 ; d a n a c h MORESCHINI 3 7 0 .

140

Theologie und Prinzipienlehre v o m Timaios zum Frühhellenismus

len Erneuerung der Götter der aristotelische Terminus κατ' αριθμόν (ad numerum) nicht von den göttlichen Individuen selbst, die ja als individuelle bestehen bleiben, sondern nur von den jeweils ausgetauschten Atomen negiert werden 152 . Die Theorie leistet daher weder zur Erklärung des Terminus und seines Gegenstücks noch zur Einteilung des Scholions einen Beitrag. Wie wenig sie in den hier vorliegenden Zusammenhang paßt, zeigt die Fülle zweifelhafter Konjekturen, die man ihr zuliebe im Diogenes- und Cicero-Text gemacht hat 163 . V. Über die Theorie der Götterklassen bei Hirzel und Diels (a/b) ist schon im vorigen geurteilt worden154. Gigon (d) scheint den seit Hirzel allgemein akzeptierten terminologischen Charakter von ad numerum / κατ' άριθμόν nicht anerkennen zu wollen 155 , doch ist die vollständige Fassung des Terminus bei Philodem (De dis III ίο, 22)156 sicher überliefert und seine Geltung im Scholion durch den Gegenbegriff der όμοείδεια (έν, ταύτον εϊδει!) zusätzlich indiziert. Bei der von Gigon angenommenen zweiten Klasse zahlenhaft unbestimmter, d. h. unendlich zahlreicher Götter wird nicht klar, wie sie einzuordnen sind und welche Vorstellung man damit verbinden soll. Während Mayors Äußerung aperguhaft blieb, trägt die weitere Ausführung der These bei Merlan (V. c), die zugestandenermaßen von der Theorie Krokiewicz' inspiriert ist 157 und diese erweitert, in der 152

153

D I A N O 1 9 4 6 S. 1 1 9 , 1 9 4 9 S. 2 1 1 , vgl. 2 1 4 . Tatsächlich werden die Götter bei Philodem mehrfach als ενότητες κατ' άριθμόν bezeichnet (De dis III 10, 22; 3 6 ff.; D e piet. fr 1 2 3 , 1 3 ff. p. 1 3 8 Go.), vgl. M O R E S C H I N I 3 7 0 . ού μέν . . . ώς δέ G A S S E N D I : ού μέν . . . γνωστούς δέ S C H Ü M A N N : ού μέν . . . οίους δέ BIGNONE. άποτετελεσμένους KUEHN. Cie. I 49: simillumarum imaginum codd.: s. rerum P H I L I P P S O N : similium rerum D I E L S (übernommen von P H I LIPPSON,

154

155

FREYMUTH).

Die Stellen Philod. De dis III 8, 36 ff.; 9, 20 ff. geben für sich genommen nichts für eine zweite Götterklasse aus, da sie astraltheologische Vorstellungen mit Hilfe der Bildertheorie widerlegen, vgl. dazu F R E Y M U T H 1 9 5 3 S. 1 6 ff., A R R I G H E T T I 1 9 5 5 S. 4 0 8 ff. Zu col. 1 0 , 2 ff. vgl. das Folgende. Unergiebig bleiben ferner (gegen D I E L S III 6 9 ) De dis III fr 3 9 d, 4 ff. und De dis I 2 4 (dazu D I E L S I 8 9 ff.). Ygi ( J A Z U W . S C H M I D RAC Sp. 7 3 8 ; zur Kritik auch F R E Y M U T H 1 9 5 3 S . 1 0 Anm. i. Vorher hatte lediglich S C H W E N K E 6 2 1 f. gegen H I R Z E L S ( 5 4 ff.) Klarstellung Einwände erhoben. Unrichtig auch die Beurteilung bei P. A U B E N Q U E , R E G 1 9 6 1 , 3 2 5 f. (Rez. von Merlan i 9 6 0 ) ; überflüssig die abweichende Auffassung v o n ad numerum bei F R E Y M U T H 1 9 5 3 S. 1 0 , 3 8 ; P F L I G E R S D O R F F E R 240, 250.

ΐ5β Vgl ferner Philod. De ira col. 30, 17 (συνεχώς - κατ' άριθμόν), Philod. De piet. fr 118, 9 ff. p. 134 Go., wo sich την αύτήν zu κατ' άριθμόν aus dem Kontext ziemlich sicher ergänzen läßt. 157

M E R L A N 1960 S . 5 1 .

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

141

Retraktation von i960 apologetische Züge und gelangt nirgends über Denkmöglichkeiten hinaus. Der Versuch einer harmonisierenden Verknüpfung des Scholions mit Philod. De dis I I I 10, 2 ff. 1 8 8 kann an der letzten Stelle weder die Dreizahl 169 verehrungswürdiger Wesenheiten im Unterschied zur Zweizahl des Scholions - noch die Beziehung der beiden letzten Stufen auf (intermundiale) Göttersitze und Göttertempel 190 und vor allem nicht die naheliegende Möglichkeit ausschließen, daß es sich um die innere Organisation und Komplettierung der einen Götterfamilie selbst handelt 1 6 1 . Einen positiven Anhalt dafür, daß 158

159

διά δή τά προειρημένα κ(αί) καλώς έχει τιμαν καί σέβεσθαι και ταύτα, [κ]αΙ μδλλον ή τους νεως τά κατασκευαζόμενα πρ(ός) ήμών εδη κ' ναούς (zur richtigen Lesung der Korrektur G. A R R I G H E T T I , Filodemo De dis III, col. X - X I , Studi classic) e orientali 7, 1958, 90 ff., vgl. 85 f. App.), έ[πεί] τά μεν άεί συνάπτεται τοϊς [γε] σεβασμού τοϋ παντός άξίοις, τά δ' ούχ ομοίως. In der Kontroverse um die Bedeutung des μάλλον ή Philod. De dis I I I 10, 3 stehen einander P H I L I P P S O N 1 9 3 4 S . 1 7 2 , F R E Y M U T H 1 9 5 3 S . 1 2 , 1 9 5 5 S . 2 3 5 Anm. 2 und M O R E S C H I N I 3 5 0 f. einerseits („mehr als") und D I E L S I I I 3 3 f. und M E R L A N 1 9 3 3 S . 2 0 0 f., I 9 6 0 S . 4 0 f. andererseits („eher als") gegenüber. Eine Entscheidung ist hier ebensowenig möglich wie beim folgenden ούχ ομοίως.

i«o P H I L I P P S O N 1 9 1 8 S . 3 6 6 A n m . 1, 3 8 4 ; 1 9 3 4 S . 1 7 3 f . ; d e m F R E Y M U T H 1 9 5 3 S . I

7. 1955 S. 2 3 6 (zögernd) und M O R E S C H I N I 3 5 1 folgen, bevorzugt De dis I I I 10, 4 die Lesart έδη καί ναούς, d. h. die Göttertempel des Kultus, und schließt daraus, daß es sich bei der mittleren Klasse verehrungswürdiger Wesenheiten (και ταϋτα) um die Intermundien als die eigentlichen Göttersitze handle (vgl. sedes deum sanctas Lucr. V 1 4 6 f.). M E R L A N , der mit D I E L S (II 3 0 App.) die Lesung είδη καί τους νέους θεούς für die richtige hält ( 1 9 3 3 S. 2 0 0 , I 9 6 0 S. 4 2 f.) - es würde sich dann um die col. 8, 40; 9, 35 erwähnte Apotheose von Menschen (und ihre Standbilder?: εϊδη: P H I L I P P S O N 1 9 3 4 S. 1 7 3 ) handeln - , konzediert I 9 6 0 S. 4 2 selbst: „I do not think that Philippson's interpretation can be ruled out." Immerhin besteht Μ. mit einigem Recht darauf, daß Philippsons Deutung ebensowenig beweisbar ist und daß daher zum wenigsten die Frage offenbleibt. 161 In den Kolumnen 8-10 wird die Theologie der Gestirngötter widerlegt und zugleich - durch die Theorie abgelenkter und entstellter bzw. falsch kombinierter Bilder - erklärt, doch offenbar so, daß die dem olympischen Götterkreis nahestehenden Götter Helios und Selene (9, 2) selbst zu den Intermundialgöttern gerechnet und darum von den gleichnamigen Himmelskörpern getrennt werden (9, 22 f.: ού γάρ άχωριστεΐνκαΙσυμπεριπολε[ΐντούτοις] τοις δστροις ύπολη[π]τέον τούς θεούς). D I E L S I I I 3 3 h a t darüber schon Wesentliches gesagt, ist aber, da er nicht zwischen Intra- und Extramundanem, sondern nur zwischen Supra- und Sublunarischem unterschied, auf halbem Wege stehengeblieben und daher der Kritik von P H I L I P P S O N 1 9 1 8 S. 3 5 8 - 3 7 0 und M E R L A N 1 9 3 3 S . 2 0 1 verfallen; vgl. jetzt richtig L E M K E Kap. I V Anfang. Epikur hatte prinzipiell keinen Grund, die zum griechischen Mythos gehörigen, anthropomorphen Götter Helios und Selene vom epikureischen Götterkreis auszuschließen. Es liegt daher nahe, in ihnen die col. 10, 3 zusätzlich aufgeführten Götter (καί ταϋτα) zu erkennen, wenngleich die Andeutung eines

142

Theologie und Prinzipienlehre v o m Timaios zum Frühhellenismus

die erste Stufe bei Philodem mit den όμοείδεια-Göttern, die zweite mit den κατ' άριθμόν- (Volks) Göttern des Scholions identisch sind, gibt es nicht. Die weiteren „Belege" bei Aetios und Cicero, die Merlan, teilweise Körte folgend, zur Stütze seiner These beibringt, beruhen sichtlich auf Überinterpretationen 182 . Aber auch der Text des Scholions selbst erscheint nicht adäquat interpretiert: Merlan versteht unter den Göttern κατ' άριθμόν und κατά όμοείδειαν individualisierte (die Götter der Volksreligion) und nichtindividualisierte Götter 183 . Indessen sind die aristotelischen Termini für diese Art der Unterscheidung kaum geeignet, da κατ' άριθμόν primär die Individuität, nicht auch schon die Individualität, bezeichnet, und umgekehrt die ,,Artgleichheit" die Individualität der einzelnen Exemplare nicht ausschließt; ferner sind artgleiche Wesen, sofern sie Individuen sind, ihrerseits κατ' άριθμόν. Die beiden Termini schließen einander also keineswegs aus, sondern beleuchten lediglich dieselben Individuen unter verschiedenen Aspekten: einerseits als solche, andererseits in ihrem Verhältnis zu anderen Individuen derselben Art oder Gattung. Sie können dann aber nicht die Unterscheidung von zwei selbständigen Klassen von Wesenheiten zureichend indizieren. Was die Konzeption der nichtindividualisierten Gruppengötter (im Sinne der Krokiewicz-Dianoschen Theorie) für sich genommen angeht, so läßt sich weder über ihre nähere Bestimmung - in der Abgrenzung von den Göttern der Volksreligion - noch über den Grund ihres Vorrangs vor den Volksgöttern, den Merlan aus Cicero erschließt, etwas Sicheres aussagen. Die Beispiele, die Merlan aus dem Mythos und der bildenden Kunst für Gruppengötter beibringt1β4, sind eher geeignet, den Unterschied der beiden Götterklassen aufzuheben,

1,2

Rangunterschieds (σεβασμού τοϋ παντός άξίοις) neue Probleme aufwirft, die jedoch L E M K E Kap. V Mitte ansprechend v o n der religiösen Tradition her löst (Sonderstellung der zwölf Olympier). M E R L A N 1933 S. 201, vgl. K Ö R T E , Metrod. Epic, fragm. 544: Aet. I 7, 34 = fr 355 Us.: 'Επίκουρος ανθρωποειδείς μέν τούς θεούς, λόγω δέ πάντας θεωρητούς 8ιά τήν λεπτομέρειαν της των ειδώλων φύσεως soll besagen, daß „Epicurus complura deorum genera distinxit". Doch selbst dann, wenn man πάντας nicht auf die zunächstliegende Gesamtheit der Götterfamilie bezieht und signifikant faßt, bietet sich die weitere Erklärung an, alle einzelnen Exemplare aller Götterarten seien gemeint. Wieder anders hatte P H I L I P P S O N 1916 S. 578, 582 die Stelle aufgefaßt (,,Gesamterkenntnis" der Götterfamilie durch die διάνοια). N o c h schlechter bestellt ist es mit Cie. n. d. I 75 (species quaedam deorum!) bei MERLAN 1 9 3 3 S.

201.

163

MERLAN 1 9 6 0 S. 39, 4 8 f., 51, 55, 5 7 A r m .

164

MERLAN

Mitte.

i960

S.

40.

66 ff. Vgl. zum folgenden Gegenargument

LEMKE

Kap. V

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

143

da sie durchweg dem Vorrat der religiösen Tradition entnommen sind. Wenn beispielsweise Darstellungen mit mehreren Exemplaren der Athene aufgeboten werden165, so bleibt zu fragen, welche unter den Olympiern noch für die Klasse der Individualgötter übrigbleiben. Die Paradigmen machen es ferner wahrscheinlich, daß es mehrere Gruppen von Gruppengöttern geben müßte, jeweils etwa für Zeus - Athene Hera usf., wodurch die Struktur der Götterwelt zunehmend komplizierter würde16®. Dies lenkt auf den entscheidenden Einwand hin, den Merlan zwar selbst erwogen167, aber nicht zu Ende gedacht hat: Daß innerhalb des atomistischen Systems die Götter der Volksreligion selbst ausnahmslos in unendücher Vervielfältigung auftreten müssen, womit der Unterscheidung der beiden Götterklassen jeder Boden entzogen ist. Merlan kann diesen Einwurf nicht entkräften, sondern postuliert lediglich, man dürfe einen Denker nicht mit allen logischen Konsequenzen seiner Theorie belasten168. Doch abgesehen davon, daß dies für Merlans eigene Schlußfolgerungen in viel höherem Grade zuträfe: Epikurs Satz, daß es zwar eine endliche Zahl von Atomformen, aber von jeder Form eine unendliche Zahl von Exemplaren gebe169, führt ebenso wie die Annahme mehrerer, ja unendlich vieler koexistenter Welten im άπειρον170 zwangsläufig zur Existenz unendlich vieler Götterfamilien, die in den Intermundien zwischen diesen Welten ihr Dasein führen 171 . Hinzu kommt das Isonomiegesetz, demzufolge die Menge des Unvergänglichen der des Vergänglichen genau entspricht172. Mit Sicherheit kann 165 1ββ

167 168

169

MERLAN i 9 6 0 S. 70, mit dem Analogieschluß auf „Zeus, Hermes, e t c . " (!). Die Konsequenz zieht MERLAN i960 S. 5 1 tatsächlich (,,gods differing specifically, but containing in each species a multitude of gods not discernible from one another"). MERLAN i960 S. 5 5 f. („One grave objection"). MERLAN i960 S. 56. E s entbehrt nicht einer gewissen objektiven Ironie, wenn M, selbst 46 f. die NichtUnterscheidbarkeit gleichartiger Atome, A t o m komplexe und Welten im atomistischen System zur Stütze der Gruppengöttertheorie aufbietet. ep. I 42.

lie Y g i . ep, χ 171

172

un(

j DI E bei U S E N E R f r 3 0 1 , f r 3 0 4 , f r 3 0 6 zusammengestellten

Zeugnisse, sowie Demokrit V S 68 A 81. Schon allein der Umstand, daß von mehreren Intermundien die Rede ist (fr 3 5 9 Us., Cie. η. d. I 18), macht die Existenz mehrerer Götterfamilien wahrscheinlich, deren Exemplare untereinander artgleich sind und insofern den Charakter von Gruppengöttern besitzen. Cie. η. d. I 5 0 : ex hac igitur illud efficitur, si mortalium tanta multitudo sit, esse inmortalium non minorem (vgl. ib.: summa vero vis infinitatis), dazu die treffenden Bemerkungen bei SCHMID R A C 7 3 8 f. („eine jede Form, deren Möglichkeit feststeht, tritt unendlich oft a u f " ) ; KLEVE 73 Anm. 3, 1 0 1 f.

144

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

daher soviel behauptet werden, daß es keine einzige Götterform gibt, die nicht wenigstens durch mehrere, wenn nicht gar unendlich viele, Exemplare vertreten wäre. Damit hat sich die Theorie der Götterklassen in der Fassung von Mayor und Merlan endgültig als unhaltbar erwiesen. VI. Die Krokiewicz-Dianosche Theorie vermeidet zwar die Hypothese einer „AllgemeinVorstellung" des Götterkreises, zerreißt aber den Zusammenhang zwischen den Göttern Epikurs und der religiösen Tradition, ohne sich selbst auf Belege stützen zu können (gewissen reductiones ad absurdum Cottas kommt kein Überlieferungswert zu)173, während die - von Krokiewicz, nicht Diano, in Rechnung gestellte - Unterscheidung männlicher und weiblicher Gottheiten ihr entgegensteht174. Ähnliches gilt für die Kommunikation der Götter, die durch ihre Gleichartigkeit entleert würde175. Die Theorie kann nicht einmal erklären, wie es zur Vorstellung einer Mehrzahl von Göttern gekommen ist 176 , wobei selbst die Möglichkeit, daß mehrere gleichartige Götter zusammen erscheinen, außer Betracht bleibt177. Ihr πρώτον ψεϋδος liegt in einem logischen Sprung, nämlich darin, die - zu Recht auch ontologisch verstandene - όμοείδεια nicht auf die zunächstliegende Gleichartigkeit innerhalb einer einzelnen Götterart, sondern sogleich auf alle Götter zu beziehen. VII. In der Lösung Lemkes wird demgegenüber dieser Denkfehler vermieden und zugleich das entscheidende, gegen Merlan gerichtete Argument - jede Götterform hat zahllose Exemplare - ins Positive gewendet. Sie vermag die Zweiteilung des Scholions zunächst - von der Bildertheorie her (λόγω θεωρητοί) - partitiv zu verstehen178, aber darüber hinaus auf die Struktur der Götterwelt selbst zu beziehen und dabei dem terminologischen Charakter der Ausdrücke κατ' αριθμόν und κατά όμοείδειαν voll gerecht zu werden: Die Götter können als Exem173

Cie. n. d. I 80, 8 3 , 8 4 , d a z u M E R L A N I 9 6 0 S . 5 2 .

174

V g l . M E R L A N I 9 6 0 S. 5 1 ; MORESCHINI

175

AMERIO 1 3 7 ; derselbe V o r w u r f gegen M E R L A N 1 9 3 3 bei PHILIPPSON 1 9 3 4 S .

176

M E R L A N I 9 6 0 S. 5 2 ; MORESCHINI

177

F R A S S I N E T T I 1 9 5 4 S . 1 2 5 f.

361.

174·

178

361.

Die vornehmlich von italienischer Seite (AMERIO 1 3 5 f., MORESCHINI 3 5 7 ff., beide übersehen freilich die Herodot-Stelle I 44 b. PHILIPPSON 1 9 3 4 S. 1 7 1 Anm. 1 ; vgl. auch BAILEY, Atomists 5 9 3 ; DIANO oben S. 1 3 7 Anm. 144) geäußerten grammatischen Bedenken gegen die von Philippson vorgeschlagene und weithin akzeptierte prädikativ-aspekthafte Auffassung der Zweiteilung können daher auf sich beruhen bleiben.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

145

plare einer A r t teils als Individuen 1 7 9 , teils kollektiv in der Mehrzahl oder gar der Gesamtheit der Exemplare ihrer Art geistig wahrgenommen werden, wobei es sich im einleitend aufgeführten Ausnahmefall um wirkliche, im folgenden (δέ) Regelfall um scheinbare Individuen handelt, die der epikureische έπιλογισμός als Täuschungen entlarvt. Der Regelfall tritt bei Cicero beherrschend hervor (nec ad numerum), wogegen der Sonderfall als quantit6 negligeable im Hintergrund bleibt 180 . Während Hilfskonstruktionen wie die einer Allgemeinvorstellung der gesamten Götterfamilie definitiv verabschiedet werden können, klären sich manche Einzelheiten der T e x t e erst jetzt auf, ζ. B. der Plural ομοιότητες 181 oder der ciceronische Superlativ simillumarum: D a die Zahl der Götterformen wie die der Atomformen endlich ist, sind die Exemplare einer Form nicht nur „ähnlich", sondern bis ins einzelne „gleichartig" (so der gr. Terminus δμοι,ον, der bei Philodem 182 dem ταύτό 179

So auch die Unterscheidung Philod. D e piet. fr 118, 5 ff. p. 134 Go. (in der T e x t f a s s u n g v o n D I E L S I I I 30 u n d PHILIFPSON 1 9 1 6 S. 5 9 1 , 1 9 2 1 S. 3 9 1 ) : τ ω ν

180

[εί]δ[ώλω]ν όμοίαν λαμβα[νόν]των ή γεγεννη[μένη]γ κάν έξ ύπερβά[σεως] των μεταξύ [vfjv αΰτ]»)[ν] κατ' άριθμόν [σύγ]κρισιν ότέ μέν έκ [τών] αυτών καλεν [ότέ δ]έ τήν έκ των [όμοιων], E s wäre verlockend, ihn im Ausdruck similitudine et transitione wiederz u e r k e n n e n , (so z ö g e r n d DIELS I I I 28 A n m . 1 u n d FREYMUTH 1 9 5 3 S . 23 f.,

181

38; entschieden KROKIEWICZ 101 f.), doch wird hier eher PHILIPPSONS (De Philodemi libro qui est: περί σημείων και σημειώσεων et Epicureorum doctrina logica, Diss. Bln. 1881, 71 f.; ders. 1916 S. 602) und SCHWENKES (623 f.) Deutung auf das Analogieschlußverfahren (die μετάβασις κατ' ομοιότητα) oder - mit noch größerer Wahrscheinlichkeit - LEMKES Erklärung auf den Zustrom („Übergang") 'gleichartiger' Bilder im Sinne des Scholion-Schlusses zutreffen (a. O. K a p . V Ende). - Cicero konnte auf den Spezialfall um so leichter verzichten, als er im einzelnen gar nicht identifizierbar ist. Aet. I 7, 34 (Plut. Ep. I 7, Stob. Eel. I 2, 29) = Us. p. 239 A p p . : ό 8' αυτός sc. ' Ε π ί κ ο υ ρ ο ς ά λ λ ω ς (einige P l u t . - c o d d . , GASSENDI, SCOTT, GIUSSANI, B A I L E Y ,

182

FREYMUTH) τέτταρας φύσεις κατά γένος άψθάρτονς τάσδε, τά άτομα, τό κενόν, τό άπειρον, τάς ομοιότητας" αύται δέ λέγονται όμοιομέρειαι καΐ στοιχεία. Gegen BIGNONE, der Bollettino di Filol. class. 17, 1910/11, 135 ff. darunter „uguaglianze formali degli atomi delle diverse forme" versteht, verweist FREYMUTH 13 f. Anm. 4 mit SCOTT 231 ff. ebenso treffend auf die δμοια der Göttermaterie (daher όμοιομέρειαι, doch ist der Schlußsatz wohl mit FREYMUTH a. O. auf alle vier φύσεις zu beziehen) wie AMERIO 125 auf die übereinstimmenden vier Arten des Unvergänglichen Lucr. I I I 806-818 (corpora - inane - summarum summa - vitalibus ab rebus munita = Götter). E s handelt sich, wie sich jetzt zeigt, um die innerhalb der Gattung (κατά γένος) 'Gott' nach Arten (ομοιότητες ~ όμοείδεια) zusammengefaßten Götter, also die einzelnen Glieder der Götterfamilie (Zeus, Hera usw.). De piet. fr. 118 p. 134 Go. (oben Anm. 179), fr 80 p. n o Go. = fr 40 Us. (zum T e x t PHILIPPSON 1 9 1 8 S . 3 7 5 f., B A I L E Y , A t o m i s t s 4 5 3 A n m . 3), f r 83 p . 1 1 3

Go. (vgl. unten S. 180f.). δμοιον bedeutet auch in der Atomlehre nicht „ähn-

146

Theologie und Prinzipienlehre v o m Timaios zum Frühhellenismus

κατ' άριθμόν, der Identität desselben Individuums, gegenübersteht)183. Anstöße oder Schwierigkeiten in der Erklärung der Texte bietet diese Auffassung nicht184. Dagegen besteht ihr wesentlichster sachlicher Vorzug darin, daß sie mit einem Minimum an Voraussetzungen auskommt: der Götterwelt der griechischen Tradition und der Multiplizität185 des atomistischen Weltbilds186.

II. Wendet man sich nach diesen Überlegungen zur Struktur der epikureischen Götterwelt erneut dem Vergleich mit Aristoteles zu, so erweist er sich auf der Basis Merlans, der ihn zum ersten Mal gezogen hat, in dreifacher Hinsicht als unbefriedigend: Zunächst nimmt Merlan selbst an, daß lediglich die Klasse der epikureischen Gruppengötter den fünfundfünfzig göttlichen „Bewegern" der aristotelischen Theologie entspreche, weil diese gleichfalls nicht individualisiert seien187. Aristoteles und Epikur hätten danach zwar die traditionelle Theologie in einer ähnlichen, platonisierenden Weise überwunden, doch mit dem gewichtigen Unterschied, daß Epikur - von allen anderen Differenzen abgesehen - die Götter der Volksreligion daneben doch noch als zweite Klasse bewahrte, wofür sich bei Aristoteles keine Parallele findet. Die Verwandtschaft wird ferner dadurch gemindert, daß die epikureischen Gruppengötter selber nach Merlan in verschiedenen Götterformen auflich", sondern „gleichartig" im Sinne v o n „artgleich": Ep. ep. I 42: κατ' έκάστην δέ σχημάτισα άπλώς άπειροι είσιν αϊ δμοιαι, Lucr. II 526 f.: necesse est 183

quae similes sint esse infinitas. Mit Recht bezieht L E M K E den cum-Satz auf den Bilderstrom von den Göttern zu den Menschen und schreibt daher ad nos (mit L A M B I N U S , S C H O E M A N N , MAYOR,

BRIEGER,

RACKHAM,

DIANO,

HIRZEL, GIGON,

USENER, W.

SCHMID,

ZELLER, AMERIO,

LÖRCHER,

KROKIEWICZ,

MORESCHINI,

SWOBODA,

MOREAU). 184 185

186

187

Zu Cie. n. d. I 105 (Cotta) L E M K E Kap. V Ende. So erklärt sich auch mühelos und ohne spekulative Hypothesen ( M E R L A N i 9 6 0 S. 47 f.) die bekannte Stelle Philod. D e pietate 17, 26 ff. p. 84 Go.: ήμών sc. των 'Επικούρειων ού μόνον δσους φασίν οί Πανέλληνες άλλα και πλείονας είναι λεγόντων (sc. θεούς). Sie genügt ferner der Feststellung S C H M I D S R A C 739, daß es „von entscheidender Wichtigkeit" ist, „die Aussage dieser Fragmente nicht nur auf den 'gnoseologischen', sondern zugleich auf den 'ontologischen' Aspekt der Theologie zu beziehen". M E R L A N i 9 6 0 S. 97: „And Aristotle's fiftyfive Changeless Changers in this respect resemble one class of the gods of Epicurus."

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

147

treten, während die aristotelischen lediglich eine einzige Gruppe bilden. Schließlich erfährt die Parallelität dahingehend eine Einschränkung, daß die von Merlan angenommenen Gruppengötter Epikurs untereinander beliebig vertauschbar sind, während die aristotelischen Götter bei aller Gleichartigkeit untereinander doch im Verhältnis von Gliedern einer Reihe stehen, die mit der Zahlenreihe verglichen wird, und daher jeweils einen spezifischen - man könnte sagen: individuellen - , unvertauschbaren Stellenwert besitzen. Sie geraten damit, was Merlan in diesem Zusammenhang übersehen hat, wenigstens in einer bestimmten Hinsicht in die Nähe der Individualgötter Epikurs und nehmen zwischen diesen und den Gruppengöttern (im Sinne Merlans) eine Art von Zwischenstellung ein. Setzt man also einmal bedingungsweise voraus, daß Merlans Epikur-Interpretation richtig sei, so zeigen sich im Verhältnis zwischen aristotelischer und epikureischer Theologie neben Konvergenzen auch gewisse Unterschiede der Struktur, die es zum mindesten unratsam erscheinen lassen, die erstere zur historischen Legitimation einer in sich fragwürdigen Interpretation der zweiten in Anspruch zu nehmen. Die jüngst entwickelte und, wie es scheint, richtige Erklärung der epikureischen Götterwelt nach ihrer inneren Gliederung bietet dagegen für den Vergleich eine tragfähige Grundlage. Dabei erweist sich die Beziehung zunächst dadurch als enger, daß Epikur wie Aristoteles primär nur eine einzige Klasse von Göttern ansetzt. Daß die Reihe der fünfundfünfzig „Beweger" in der Tat nicht mit den zahllosen gleichartigen Exemplaren einer einzelnen Götterform bei Epikur, sondern mit dessen Götterformen selber parallelisiert werden muß, ergibt sich zweifelsfrei aus drei Gründen: a) Die Beweger sind ahyletische είδη188 und entsprechen insofern den generischen Formen Epikurs (όμο-etdßtct!), b) Sie sind der Zahl nach begrenzt wie die von der religiösen Tradition der Griechen bestimmte Götterfamilie Epikurs, c) Aristoteles selbst grenzt ihre Anzahl in einer gegen ältere Kosmologien einschließlich des Atomismus gerichteten Argumentation ab, indem er die hyletische Vervielfältigung des Ersten Bewegers und damit eine Vielheit von Welten ausschließt (Metaph. Λ 8, 1074 a 31-38). Aristoteles gebraucht dabei die Termini έν εί'δει, Iv αριθμώ, πολλά άριθμω und stellt fest, daß der Erste Beweger - man darf den Analogieschluß für die übrigen Beweger ziehen - als reine Aktualität keine Hyle habe und 188

Λ 8, 1074 a 35 f.

148

Theologie und Prinzipienlehre v o m Timaios zum Frühhellenismus

daher nicht άριθμώ πολλά sein könne. Die Struktur der Götterwelt, auf die sich hier für einen Moment ein hypothetischer Ausblick eröffnet, nimmt diejenige der epikureischen Theologie in den wesentlichen Umrissen und teilweise auch in der Terminologie (κατ' άριθμόν, κατά όμοείδειαν) vorweg: Es wird der Fall erwogen und geleugnet, daß die Reihe transzendenter „Beweger" vervielfältigt vorkommen und einer Mehrzahl von Welten zugeordnet werden könnte - ganz ähnlich wie die Götterfamilien Epikurs in immer wieder anderen Intermundien zwischen den einzelnen Kosmoi lokalisiert sind. Vor diesem Hintergrund läßt sich die Stellung der aristotelischen ,,Beweger"-Reihe in ihrem Verhältnis zur Götterwelt Epikurs eindeutig bestimmen: Sie entspricht der originären Götterfamilie Epikurs selbst und nicht etwa den zahllosen Exemplaren einer Götterform, die bei Aristoteles der Sache nach keine Parallele haben 189 . Auf dem Boden dieser grundsätzlichen Klärung ist es indessen möglich, die Frage der Strukturverwandtschaft noch etwas weiter zu verfolgen. Durch ihre fast vollständige Entindividualisierung erreichen die aristotelischen Götter einen Grad von Gleichartigkeit, der sie auch in die Nähe der zahllosen gleichartigen Exemplare einer einzelnen Götterform bei Epikurs rückt. Die Entsprechung ist daher eine doppelte : Sie besteht der Substanz nach zwischen dem beiderseitigen Grundbestand des Götterkreises, der endlich ist und mit dem sich auch Aristoteles in die Nachfolge der Volksreligion stellt (vgl. u. S. I54ff.). Sie besteht aber auch der Struktur nach zwischen der Gleichartigkeit der Individuen hier und dort, die freilich bei Aristoteles und Epikur ganz verschieden begründet ist: bei Aristoteles dadurch, daß die Pluralität 189

Der Strukturvergleich der Götterwelt wirft die Frage auf, ob die endliche Zahl von Göttertypen in der religiösen Tradition, an der Epikur innerhalb des atomistischen Systems festhält, nicht an der beschränkten Anzahl der 56 in mancher Hinsicht verwandten aristotelischen Götter einen philosophischen Rückhalt gefunden hat. Doch muß diese Frage wahrscheinlich negativ entschieden werden: Einerseits lassen sich konkrete Anzeichen für eine Abhängigkeit — um eine solche müßte es sich handeln - in diesem Punkte nicht nachweisen, zum andern reicht die bekanntermaßen endliche Zahl der Atomformen (Epikur ep. I 42, Lucr. II 478 ff., 512 ff.) zur Erklärung wohl aus. Zwar ist der Formenreichtum der Atome immerhin unüberschaubar (άπερίληπτοι: Epikur 1. c. bis), doch kann davon ausgegangen werden, daß nur bestimmte Atomsorten zum Aufbau der feinstrukturierten Götter geeignet sind. Der Kreis der gegebenen Atomgrößen und -figuren wird dadurch so stark eingeschränkt, daß die verbleibenden Konfigurationsmöglichkeiten mit dem Pantheon der religiösen Tradition einigermaßen zur Deckung gebracht werden können, ohne nennenswert überzuschießen.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

149

transzendenter Wesenheiten nur funktional aus ihrer kosmologischen Wirksamkeit abgeleitet wird, die keinen Wesensunterschied begründen kann; bei Epikur dagegen aus der Verflechtung zweier kosmologischer Axiome: der Endlichkeit der Götterformen auf Grund der Endlichkeit der Atomformen und der Unendlichkeit ihrer einzelnen Exemplare. In beiderlei Rücksicht jedoch bleibt der spezifische, vom astronomischen System der homozentrischen Sphären her begründete Zusammenhang der aristotelischen Reihe ohne Entsprechung. Während die auf die Volksreligion zurückgreifende „Götterfamilie" Epikurs allenfalls genealogische Zusammenhänge erlaubt, ist ein Gliederungsprinzip bei den einzelnen Exemplaren einer Götterform überhaupt nicht mehr erkennbar; sie lassen sich in ihrem gegenseitigen Verhältnis höchstens fallweise durch ihre relative Position im άπειρον bestimmen. Dieser „Strukturverlust" bleibt im Auge zu behalten, wenn es sich darum handelt, die Frage der Affinität oder gar des historischen Einflusses abschließend zu klären.

III. Zuvor jedoch sind - nach (a) Deismus und (b) innerer Organisation der Götterwelt - eine Reihe weiterer, bisher kaum beachteter Beziehungspunkte zwischen epikureischer und aristotelischer Theologie aufzuzeigen und nach ihrer Tragweite zu bemessen. c) Die πρώται ούσίαι χωρισταί και άκίνητοι des Aristoteles sind als θεοί (Met. A 8,1074 b 2, 9) „Lebewesen": ζφα (Met. A 7,1072 b 26 ff. 190 ; De caelo A 9, 279 a 21 191 ). Dabei kommt nicht nur dem Beweger des Fixsternhimmels, sondern auch den fünfundfünfzig Sphärenbewegern der Charakter des νοϋς zu, denn die Beschreibung des Gottes in A 7 wird bei der Einführung der erweiterten Bewegerlehre in A 8 als maßgebend vorausgesetzt (1073 a 14: πότερον δέ μίαν θετέον tj)v τοιαντην ούσίαν ή πλείους . . .), und als höchste Energeia des ersten, immateriellen Seinsbereichs (πρώτη ούσία) kommt ohnehin nur die νόησις in Frage. Es ist 190

U b e r den Ersten Beweger: K a i ζωή δέ γε υπάρχει· ή γάρ νοϋ ένέργεια ζωή . . . φαμέν δή τί>ν θεόν είναι ζφον άίδιον άριστον, ώστε ζωή καΐ αΙών . . . υπάρχει τ ω θεω.

191

(τά υπέρ τήν έξωτάτω τεταγμένα φοράν) . . . τήν άρίστην έχοντα ζωήν καΐ τήν αύταρκεστάτην διατελεί τόν άπαντα αιώνα. Der Plural impliziert nicht notwendig - aber doch mit großer Wahrscheinlichkeit - eine Mehrheit transzendenter Wesenheiten, vgl. jedoch das oben im T e x t Folgende.

150

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

deshalb weder zufällig noch als Anpassung an die Volksreligion zu verstehen, wenn das zehnte Buch der Nikomachischen E t h i k

„den

Göttern" die θεωρία des νους zuschreibt 192 . - Die Götter Epikurs sind nun gleichfalls ζωα und animantia, denen ζωή und vita zukommt 1 9 3 . Ihnen eignen ferner gleichfalls intellektuelle Vermögen wie σοφία, φιλοσοφία bzw. sapientia, mens 194 , aber auch φρόνησις, εύλογιστία, ευλάβεια bzw. prudentia, consilium, ratio, daneben auch α'ίσθησις bzw. sensus 196 . E s handelt sich also, aristotelisch gesprochen, um dianoetische άρεταί, von denen die eingangs aufgeführten theoretischen grundsätzlich denen der aristotelischen Götter entsprechen. Sie werden in beiden Fällen als Bedingungen der göttlichen μακαριότης bzw. ευδαιμονία (beatitudo) eingeführt 196 . - Noch aristotelischer klingt es, wenn Philodem D e dis I I I 12, 18 f. D . dem epikureischen Gott permanentes Wachsein zuschreibt. (ο[ύ] γαρκοπιαν αυτόν ο[ύ]δ καθεύ[δ]ειν [πρέ]πει[ν] άλλα συνεχώς ρέναι δι αΙώνο[ς]),

έγρηγο-

denn auch der aristotelische Gott ist von „Schlaf" frei

(EN 1178 b 19 f.: ού γάρ δή καθεύδειν ώσπερ τί>ν Ένδυμίωνα, vgl. Met. Λ 9, 1074 b Ι 8 : ώσπερ άν εί 6 καθεύδων) und in unablässiger Denktätigkeit begriffen (1075 a ΙΟ: ούτως δ'έχει αύτη αύτης ή νόησις τον άπαντα

αιώνα)19"3,

weshalb ganz allgemein Wachsein, Wahrnehmung und Denken das Angenehmste sind (Λ 7, 1072 b 1 7 : καΐ δια τοϋτο έγρήγορσις

αϊσθησις

b 18 ff.: . . . ζην γε πάντες ύπειλήφασιν αυτούς καΐ ένεργεϊν δρα . . . τω δή τοϋ πράττειν άφαιρουμένου, έτι δέ μάλλον τοϋ ποιεΐν, τί λείπεται πλήν θεωρία; vgl. 1179 a 22 ff. (νοϋς-θεοί). Dazu DIRLMEIER im Komm. z. St. („hier . . . in der EN denkt Ar. systematisch"). 19S Epikur ep. III 123 (τον θεόν ζφον άφθαρτον καΐ μακάριον νομίζων), Philod. De dis I 2, 9 f.: τ]όνθεί>ν £ώ«ον/άίδιον καΐ άφθαρ]τον, I 24,6; 15 f., 22 f. (τά μακάρια ζώια), III 12, 22; vgl. 10, 12; 13, 22; De piet. p. 129 Go. HI, 27 f.; De sign. col. XXII 24 ff.; Cie. n. d. I 36, 48: deus autem animans est; Lucr. II 1093 f., V 82; fr 361 Us. (τί> μακάριον καΐ άφθαρτον ζφον), fr 363194 Philod. De dis I 7, 5 ff. (φρονοϋντες, φι[λοσοφο]ϋ[σιν), Cie. n. d. I 45 fin. (actio mentis atque agitatio), 51 (sapientia), 76 fin. (mens), 84 fin. (sapientia). iss philod. De dis III fr 32 a (μετά τοϋ λογισμού κ(αΐ) . . . εΰλαβείας), fr 44. 18 f. (δύναμιν . . . 2χεις δαγνώσεως), fr 74. 7 f· ([φρό]νησιν-άφροσύνης), fr 81, 8 (εύλογιστί[αν]); De sign. col. XXII 24 ff. (φρόνησις); Cie. n. d. I 30 ff. (prudentia, sensus passim), 48 (ratio), 87 (ratio, consilium), 89 (ratio). 184 Z. B. Arist. EN Κ 1 1 7 8 b 21 ff.: ώστε ή τοϋ θεοΰ ενέργεια, μακαριότητι διαφέρουσα, θεωρητική αν εϊη· και των άνθρωπίνων δή ή ταύτη συγγενεστάτη εύδαιμονικωτάτη. Cie. n. d. I 48: quoniamque deos beatissimos esse constat, beatus autem esse sine virtute nemo potest nee virtus sine ratione constare . . . Die sokratische Provenienz des Gedankengangs ist hier freilich zu offensichtlich, um für den Einstrom aristotelischen Gedankengutes Raum zu lassen. 197 Vgl. 1072 b 15: οδτω γάρ del έκεϊνο, 25: δ θεός άεί, ΕΝ Η 1154 b 26: ό θεός del μίαν καΐ άπλήν χαίρει ήδονήν. 182

1178

ζώντι

151

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

νόησις ήδιστον)198. Sogar der Rückbezug des göttlichen Bewußtseins auf den Gott selber fehlt im Epikureismus nicht, nur daß es bei Aristoteles das Denken selbst, bei den Epikureern die Eudämonie und wohl auch die Hedone ist, die bedacht werden (Cie. n. d. 1 1 1 4 : 'Cogitat' inquiunt 'adsidue beatum esse se; habet enim nihil aliud quod agitet in mente') 199 . Diesen weitreichenden Berührungen stehen freilich bei genauer Betrachtung gewichtige Unterschiede gegenüber, die in der Materialität und der Leiblichkeit der epikureischen Götter begründet sind: Ihre geistige Tätigkeit erschöpft sich nicht im Selbstbezug, sondern ist ebenso sehr nach außen gerichtet. Sie ist demgemäß nicht nur theoretischer, sondern auch praktischer Natur (φρόνησις, prudential). Es ist darum ferner nicht überraschend, wenn den epikureischen Göttern auch einige ήθικαΐ άρεταί, deren sie zu ihrer Selbsterhaltung bedürfen, wie die άνδρεία, abweichend von Aristoteles zugesprochen werden200, der von seinen immateriellen νόες-θεοί alle ήθικαί. άρεταί und die ihnen zugehörige φρόνησις dezidiert fernhält 201 . Darüber hinaus ist die geistige Tätigkeit der epikureischen Götter, ob theoretisch oder praktisch gerichtet, von derjenigen der aristotelischen grundsätzlich verschieden: Sie ist nicht Ausdruck des βίος θεωρητικός, sondern des βίος φιλόσοφος im Sinne des epikureischen σοφός, dessen Idealbilder diese Götter sind. Damit steht die frühsokratische Orientierung in allem wesentlichen fest, und 'Nomoi' VII 8 0 8 A, Ar. Protrept. fr 7 W. u. R. = Β ηζ D Ü R I N G , E E f. 199 Ygi : sua sapientia et virtute gaudet, habet exploratum fore se semper cum in maximis tum in aeternis voluptatibus; ähnlich fr 361 Us.: τό γάρ μακάριον καΐ όίφθαρτον ζφον . . . δλον δν περί την συνοχήν της ιδίας ευδαιμονίας τε καΐ άφθαρσίας (dazu B A I L E Y , Atomists 47 2 )· Vgl. dazu Z E L L E R , Ph. d. Gr. III i e , 4 9 3 f.: ,, . . . die epikureischen Götter . . . welche in ihrer isolierten Selbstanschauung mit nichts anderem größere Ähnlichkeit haben als mit dem gleichfalls aller Einwirkung auf den Weltlauf sich enthaltenden, nur sich selbst denkenden Gotte des Aristoteles" . . . „Der Zusammenhang beider Vorstellungen i s t . . . nicht zu verkennen." Vgl. auch D I A N O 1 9 4 6 S. 1 1 6 Z. 1 8 fi., kritisch dagegen 198 Y G I . P I . 1219

a

24

AMERIO 130. 200

Zu den άρεταί der epikureischen Götter Ph. 492 f.; W .

S.

210-212, 1967 fi.;

S.

KLEVE

fif.; jetzt grundsätzlich auch G I G O N 2 i 7 i (Erkl. 1 zu R. S. I, anders Vgl. z. B. Epikur ep. III 1 2 4 , wo mit J E N S E N , P H I L I P P S O N , A R M S T R O N G , W . S C H M I D und danach L I E B I C H , F E S T U G I E R E und A R R I G H E T T I als Subjekt des Schlußsatzes die Götter anzunehmen sind; Cie. n. d. I 48, 51, 89; speziell zur ανδρεία Philod. De dis III fr 8 1 , 4 f.; vgl. fr 7 4 , 6 mit D I E L S im Kommentar S . 7 6 f., 8 6 . E N Κ 8, 1 1 7 8 a 9 ff., bes. b 7 fi. 118, 121

3

201

MERLAN 1933

SCHMID 1 9 5 1 S . 1 4 0 f f . ; A M E R I O 1 2 5 f f . ; DE W I T T 2 6 7

II4).

11 Krämer, Piatonismus

152

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

die spezielle Übereinstimmung mit Aristoteles verbleibt im Einzelnen und Peripheren. Von hier aus fällt auch erhellendes Licht auf den äußerlich gemeinsamen Deismus: Er ist bei Aristoteles begründet im Ideal des βίος θεωρητικός, bei Epikur dagegen aus der Ewigkeit und Eudämonie der Götter, die Freiheit von allen Aufgaben und Affekten voraussetzt. In beiden Fällen spiegelt die Theologie die Ethik wider; der Unterschied in der ethischen Zielsetzung führt darum auch in der Theologie zwar zu verwandten deistischen Konsequenzen, aber zu ganz verschiedenartigen inneren Begründungen. d) Vergleichbar ist bei Aristoteles und Epikur ferner der theologische Hedonismus. Nicht nur den epikureischen Göttern kommt höchste Freude zu (ήδονή, χαρά, ευφροσύνη)202 - sie sind darin wiederum das Idealbild des epikureischen σοφός-, sondern auch den sechsundfünfzig immateriellen Gottheiten des Aristoteles: Der Vollzug der θεωρία ist von höchster ηδονή begleitet (Met. Λ 7, 1072 b 16: ηδονή ή ενέργεια τούτου, 24: και ή θεωρία τδ ήδιστον και άριστον), die bei der Unveränderlichkeit der Götter stets ein und dieselbe bleibt (EN VII 1154 b 24 ff.: έπεί εΐ του ή φύσις άπλή ειη, άεί ή αύτή πραξις ήδίστη εσται. διό ό θεός άεί μίαν και άπλήν χαίρει ήδονήν . . . ). Daß alle Götter diese ήδονή genießen, folgt unmittelbar aus ihrer Denktätigkeit (angedeutet in der zugehörigen ήδονή οικεία EN X 1177 b 21 im Zusammenhang des Kontextes, enthalten auch in der άριστη ζωή De caelo 279 a 21). Die göttliche Denktätigkeit und die mit ihr verbundene Freude übersteigen die des Menschen extensiv (άεί) und intensiv (εΐ δέ μάλλον, έτι θαυμασιώτερον Met. Λ 7, 1072 b 25 f.) und verbürgen die höchste Eudämonie (EN X 1178 b 21 f.: ή του θεοϋ ενέργεια, μακαριότητι διαφέρουσα, vgl. EE 1217 a 22 ff.). - In der gleichen Weise erreichen die epikureischen Götter den höchsten Grad an Freude (έν τη άκροτάτη ευφροσύνη fr 359 Ρ· 24Ι> 3 Us., παρασκευαστικοί της τελειοτάτης ήδονής Philod. De dis III fr 85, 6 f. p. 17 D., ήδονή άκροτάτη, συνόλη, ohne άνεσις έλαχίστη ib. fr I, 20 ff. p. 42 D., vergleichbar die άνυπέρεκτος άκρότης aller Götter im Sinne der Arete ib. col. 5, 27) und damit der Eudämonie (D. L. X 121 = fr 407 Us.: τήν εύδαιμονίαν . . . άκροτάτην, οία εστί περί τόν θεόν, έπίτασιν οΰκ έχουσαν, ep. II 92: έν τη πάση μακαριότητι, Philod. De piet. col. 80, 7 f. p. 110 Go.: έχειν τήν τελείαν εύδαιμονίαν, col. 105, I I f. p. 123 Go.: τ)ήν άκραν μακα(ριότητ)α τοϋ θ(ε)οϋ). Schließlich entspricht die reine, hyle-und prozeßfreie 202 vg] a u ßer den im folgenden gebotenen Belegen etwa: Philod. De dis III 14, 39 f., fr 18, 3, fr 19, 5, fr 25 b; Cie. n. d. I 30, 51, i n f., 116.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

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Energeia der aristotelischen Götter, die die höchste Hedone einschließt (EN VII 1154 b 26 ff.: ού γαρ μόνον κινήσεως έστιν ενέργεια άλλα καΐ ακινησίας, και ηδονή μάλλον έν ηρεμία εστίν ή έν κινήσει mit Bezug auf den Gott), der vollkommenen katastematischen Freude der Götter Epikurs203. Trotzdem sind auch hier über der äußeren Verwandtschaft die tiefen inneren Unterschiede nicht zu verkennen. Der Begriff der Energeia deckt als solcher Ruhe und Bewegung und wird daher von Epikur verworfen204, und umgekehrt ist die katastematische Lust Epikurs, von Aristoteles her gesehen, keineswegs prozeßfrei, sondern mit der stetigen, harmonischen Bewegung der Seelen-und Körperatome selbst verknüpft 206 . Vor allem ist die Freude der Götter inhaltlich verschieden bestimmt: bei Aristoteles allein durch den Vollzug der θεωρία, bei Epikur dagegen umfassend-vital und Seele wie Leib gleichermaßen einschließend, wobei neben der katastematischen auch die kinetische Lust zur Geltung kommt. e) Im Zusammenhang mit dem Deismus begegnet ein weiterer gemeinschaftlicher Zug: die Affektlosigkeit und die Befreiung von allen demiurgisch-providentiellen Funktionen. Epikur leitet beide aus dem Begriff Gottes ab, zu dem als wesensbestimmende Merkmale Unvergänglichkeit (αφθαρσία, aeternitas) und Glückseligkeit (μακαριότης, ευδαιμονία, beatitudo) gehören206. Sie schließen zunächst jede affektive Stellungnahme in Ablehnung oder Zustimmung (οργή - χάρις, ira gratia) aus, da diese das göttliche Wohlbefinden beeinträchtigen und als eine Art von Schwäche (έν άσθενεϊ γαρ παν το τοιούτον R. S. I, vgl. Cie. n. d. I 45)207 die Vergänglichkeit nach sich ziehen müßten. Affekte sind daher wie Schmerz und Krankheit den Göttern fremd208, während die menschliche Seele, die ihnen zugänglich ist, eben deshalb dem Vergehen unterliegt209. Daraus folgt weiter, daß jedes schmerz- oder affektgeladene Handeln, d. h. auch jedes regulierende Eingreifen in Kosmos Zum Zusammenhang genauer Kap. III S. 196, 202. 204 vgl. unten S. 202 Anm. 73. 808

205

Vgl. auch DIANO G. C. F. I. 21, 1940, 151 ff., bes. 156 f.

Z. B. Cie. n. d. I 45: quae enim nobis natura informationem (vgl. antieipationem, praenotionem, πρόληψιν deorum 44) ipsorum deorum dedit, eadem insculpsit in mentibus ut eos aeternos et beatos haberemus. 207 Vgl. G. V. ι und im übrigen die reichen, bei USENER im Subsidium Interpretationis 394 zusammengestellten Parallelbelege. 209 Vgl. ζ. B. Lucr. I 44 ff. = II 646 ff. (ira neben dolor). 2°" Lucr. III 824 ff.

208

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und Menschenwelt entfällt (ουτε αύτο πράγματα έχει οΰτε άλλω παρέχει R. S. I), womit sich Epikur nicht nur von der Volksreligion, sondern auch von philosophischen Theologien nach der Art Piatons oder der Stoa distanziert210. - Für Aristoteles ist der νους (ποιητικός) χωριστός ganz allgemein nicht affizierbar (άπαθής και άμιγής De an. III 5, 430 a 18, 24) und daher unsterblich und unvergänglich (άθάνατον και άΐδιον 23). Das gleiche gilt für die ουσία άΐδιος και άκίνητος και κεχωρισμένη των αισθητών, den νοϋς-θεός (άπαθές και άναλλοίωτον Met. Λ η, 1073 a Ii). Die Nichtaffizierbarkeit betrifft auch die Affekte im engeren, ethischen Sinn (πάθη), die Aristoteles mit den ήθικαί άρεταί zusammen, deren Material sie bilden, dem körperhaften, hyletischen Wesen (σύνθετον), d. h. dem Menschen zuerkennt, während er das göttliche Leben des νοϋς und seine Eudämonie davon abtrennt (ή δέ του νου κεχωρισμένη EN Χ 1178 a 1922). Im νοΰς-θεός haben daher irgendwelche Affekte neben der θεωρία keinen Raum: Es fehlen - anders als bei Epikur - bereits die ontologischen und psychologischen Voraussetzungen dafür. Wenn die Götter in den Weltlauf nicht aktiv eingreifen, so stehen dabei freilich, wie die Kritik der platonischen Weltseele nahelegt (De caelo Β ι , 284 a 27 ff.: ούδέ . . . άλυπον και μακαρίαν sc. ζωήν, άσχολον, Vergleich mit Ixion) 211 , auch Gedankengänge im Hintergrund, die denen Epikurs verwandt sind. Doch führen sie zuletzt in eine andere Richtung: Daß die Götter sich nicht einmal erkennend der Welt zuwenden, wird unmittelbar aus dem Rang und der Würde (τίμιον) der göttlichen θεωρία (νόησις) abgeleitet (Met. Λ 9). Hier zeigt es sich, daß auch die Affektlosigkeit der Götter in verschiedenen Zusammenhängen steht: Wohl handelt es sich beidemale um ethische Idealvorstellungen, die in die Ebene des Theologischen projiziert sind, doch sind sie von der jeweiligen Ethik, aber auch von der jeweiligen Metaphysik bzw. Physik her anders begründet. Im übrigen erhält die Affektlosigkeit der Götter bei Epikur größeres Gewicht als bei Aristoteles, weil der daraus abgeleitete Deismus mit im Zentrum der epikureischen Heilslehre steht. f) Der Passus Ar. Metaph. A 8, 1074 a 38 - b 14 zeigt, daß Aristoteles das Verhältnis seiner Theologie zur Volksreligion und zum Mythos ganz ähnlich bestimmt hat wie Epikur. Wenn Epikur alle 210 211

Vgl. z. B. Ep. ep. I 76 f.; ep. I I 97, 113; fr 361 Us. Zum Zusammenhang der Stelle mit Epikurs Kritik am Piatonismus BIGNONE A P I I 389.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

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theistisch-affektiven Züge als „ M y t h o s " 2 1 2 aus dem Bild der Götter eliminiert und es nach Begriff und Anschauung in seiner ursprünglichen Reinheit wiederherzustellen trachtet, so erkennt Aristoteles in der Volksreligion (πάτριος δόξα) eine „ m y t h i s c h e " Ausgestaltung (έν μύθου σχήματι b ι f., μυθικως b 4) der philosophischen Wahrheit, daß es göttliche πρώται ούσίαι im Sinne der aristotelischen „ B e w e g e r " gibt. Diese Wahrheit, die gemäß der von Aristoteles angenommenen K a t a strophen- und Kulturzyklentheorie wiederholt entdeckt und dann jeweils bis auf mythische Residuen wieder in Vergessenheit geraten ist, gilt es durch einen A k t der Entmythologisierung (ων εΐ τις χωρίσας b 8) auch aus der religiösen Überlieferung herauszuarbeiten und rein herzustellen. Sie ist wie bei Epikur (ep. I I I 123 fin.: δόξας θεοΐς προσάπτων) auch bei Aristoteles durch „ Z u f ü g u n g e n " (προσήκται b 4) verdunkelt worden, die - ein bei Epikur nicht nachweisbarer Gedanke - den praktischen Erfordernissen einer politischen Theologie entspringen 213 . In beiden Fällen gehört diese Entstellung bereits der Frühzeit des Menschengeschlechts an, nämlich bei Aristoteles den ersten Generationen unserer Weltperiode (ή παρά των πρώτων sc. δόξα b 14), bei Epikur den ersten Menschen der Kosmogonie, wie dies treffend ein Zitat aus dem zehnten B u c h von περί φύσεως beleuchtet, das Philodem De piet. col. 83, 23 ff. p. 1 1 3 Go. überliefert 2 1 4 : το]ύς πρώτους φη[σίν ά]νθρωπους έπιν[οή]ματα λαμβάνειν άφθάρτων φύσεων. Die „ Z u g e d a n k e n " , die sich bei der Prolepsenbildung eindrängten, verstießen gegen den Begriff Gottes (άνάξια της ν[οο]υμένης άφθασία[ς] . . . και . . . μακαρι[ό]τητος). Sie Hegen bei Epikur in der affektiv-theistischen Interpretation der Götterwelt, während bei Aristoteles die entscheidende Verfälschung bereits mit dem Anthropomorphismus der Göttervorstellung einsetzt, aus dem alles weitere folgt 2 1 8 . Gemeinsam ist der Religionsphilosophie des Aristoteles und Epikur, daß sie die religiöse Tradition kritisch-destruierend auf ihren haltbaren philosophischen Kern zurückzuführen suchen. Während sich aber Epikurs eigene Theologie in Anlehnung und A b s t o ß u n g primär an der Volksreligion orientiert und sich immanent-kritisch innerhalb der v o n 212 213 211

215

Ep. ep. I 81, ep. II 115 f., ep. III 134, R. S. XII, Philod. De piet. p. 147 Go. Met. 1074 b 4 f. Der Text nach P H I L I P P S O N 1921 S . 377; danach jetzt auch bei S C H M I D 126, A R R I G H E T T I Ausgabe 249 (vgl. den Kommentar 490); die wesentlichen Verbesserungen schon bei U S E N E R (fr 84). 1074 b 5 ff.: άνθρωποειδεϊς τε γαρ τούτους . . . λέγουσι, και τούτοις 8τερα άκόλονθα και παραπλήσια τοις είρημένοις.

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Theologie und Prinzipienlehre v o m T i m a i o s z u m Frühhellenismus

ihr vorgegebenen Bahnen bewegt, ist die Bezugnahme des Aristoteles durchaus sekundär. Er geht von dem eleatisch-platonischen Gottesbegriff der Philosophie aus, der den Bruch mit dem Anthropomorphismus der Volksreligion längst vollzogen hatte, und versucht nachträglich, die letztere in die philosophische Position zu integrieren und ihr als mittelbares Zeugnis dienstbar zu machen. Die Absage an den Anthropomorphismus impliziert darum bei Aristoteles - nicht bei den Platonikern - diejenige an den Theismus, während sich die Kritik Epikurs speziell auf diesen beschränkt und darum viel weniger radikal erscheint, aber gerade deshalb im einzelnen um so angestrengter um Abgrenzung zu ringen hat. g) Was die Beziehung zwischen Mensch und Gott angeht, so verbindet Aristoteles und Epikur die Vorbildlichkeit des Gottes für den Menschen218, genauer die schon mehrfach berührte Rolle des Gottes als idealen Richtmaßes für die Ethik. Der Gedanke tritt bei Aristoteles am deutlichsten hervor in Texten wie Met. A 7 (1072 b 14-26) und EN X (1177 b 26 ff., 1178 b 7 ff., 1179 a 22 ff., mit den Motiven der θεοφιλία und συγγένεια zwischen Gott und Mensch) sowie in dem für Epikurs Menoikeus-Brief wichtigen 'Protreptikos' (fr 10 c W . u. R. = 61 Rose = Β i o 8 - i i o Düring) 217 . Doch besteht ein doppelter Unterschied: Einmal ist die Gottverwandtschaft bei Aristoteles ganz auf den Vollzug des βίος θεωρητικός gestellt, bei Epikur dagegen im engeren Sinne „ethisch" bestimmt 218 . Zur inhaltlichen Differenz tritt eine terminologische, insofern die für Epikurs Auffassung offenbar konstitutive Vorstellung der „Gottähnlichkeit" des Weisen und seiner „Anähnlichung" an Gott (δμοιοι, οικείοι, όμοίωσις, όμοιωθήναι τω θεω u. a.219) bei Aristoteles ganz zurücktritt 220 . 216

217 218

218

Z u m Z u s a m m e n h a n g v g l . z. B . O. GIGON, Aristoteles, Einführungsschriften, 1961, S. 213 f., 216. V g l . BIGNONE A P I 135. D a z u die Vergleiche bei W . SCHMID 1951 S. 128 mit A n m . 88, und d a n a c h W . LIEBICH, A u f b a u , A b s i c h t und F o r m der Pragmateiai Philodems, Bln. i960 (Diss. 1956), 85 ff. A n m . 4; grundlegend waren dafür die Untersuchungen F . DIRLMEIERS, Θεοφιλία - Φιλοθεία, Philol. 90, 1935 ( = A u s g e w ä h l t e Schriften zu D i c h t u n g u. Philosophie d. Griechen, Heidelb. 1970, 85 ff.), bes. 59 ff. (zur Sonderstellung der platonisierenden E E , v g l . ζ. B. 1247 a 28 ff.), der auch ein allmähliches Zurücktreten der φιλία πρδς τόν θεόν bei Aristoteles b e o b a c h t e t (a. Ο . 59, 63, igo). E p . ep. I I I 124: οίκειούμενοι . . . τούς όμοιους, fr 364 p. 243, 26 f. U s . : πάντας . . . έξομοιωθηαομένονς έκείνοις τοις θεοΐς παρακαλεί (in der Paraphrase), Philod. D e dis I I I fr 86 a 4 - 6 p. 18 D . : τό γάρ θαυμάζειν . . . π(ροσ)οικειώσεως δραστ[ικόν] λέγ[ε]τα[ι], v g l . col. 2, 14; 22; Philod. πραγματεΐαι P a p . Here. 1418 col. X X I I I

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

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Der Zusammenhang zwischen Theologie und Ethik stimmt daher bei Aristoteles und Epikur in den großen Konturen überein, doch ist es ebenso deutlich, daß er bei Epikur Züge enthält, die aus der peripatetischen Tradition nicht abgeleitet werden können. IV. Der Vergleich zwischen aristotelischer und epikureischer Theologie führte auf eine ganze Reihe gemeinsamer oder doch verwandter Züge: extramundane Lokalisierung, Deismus, Gleichartigkeit, Affektlosigkeit, Intelligenz und hedonische Existenz der Götter, ferner das Verhältnis zwischen Mensch und Gott und die Stellung zur Volksreligion. Ob und inwieweit in einem dieser Punkte ein geschichtlicher Zusammenhang besteht, kann freilich aussichtsreich erst gefragt werden, wenn der historische Umkreis des zeitgenössischen Piatonismus in die Betrachtung einbezogen und seinerseits mit Epikur konfrontiert worden ist. Zunächst empfiehlt es sich, die aristotelische Theologie

220

14 f. DIANO : ένεΐ[ναι τ] ι θείον άνδρ[άσ]ιν [οΙ]κεΙωμ[α\ (vgl. die Textgestaltung bei LIEBICH 62 f., 85). Hierher gehören ferner Äußerungen wie Philod. De piet. p. 148 Go. col. 28, 16 ff.: ώς θνητοί μειμε[ΐσ]θαι την έκείνωνεύδαιμονίανθελήσουσιν, D e dis I I I 1, 15 ff. D . : πειράται συνεγγί[ζει]ν αύτηι (sc. τη των θεών φύσει) κ(α'.) καθάπερ εί γλίχεται θιγε[ΐ]ν κ(αί) [συ]νεΐναι (mit der folgenden Bemerkung über die recht verstandene θεοφιλία), ferner G. V . 33. Zur Sache vgl. auch BAILEY, Atomists 471, 479. Aristoteles wird daher in der monographischen Darstellung H . MERKIS ausgespart. W . JAEGERS Rezension Gnomon 27, 1955, 573 ff. = Scripta minora II, i960, 471 f., bezieht zwar Arist. der Sache nach ein ( E N K , Met. Λ), geht aber, gleichfalls von dem F a k t u m aus, daß „ d a s W o r t όμ. θ. s e l b s t . . . bei ihm f e h l t " . (Nur ein entfernter, unterminologischer Reflex ist das όμοίωμα E N Κ 1178 b 27). - D a s dynamische Moment tritt o b j e k t i v gesehen bei Aristoteles am deutlichsten hervor im platonisierenden άθανατίζειν E N Κ 1177 b 33 (nach Tim. 90 C ι ff., vgl. unten S. 172; JAEGERS A n k n ü p f u n g an 'Theaitet' 176 A trifft k a u m zu). I h m entspricht in der Kosmologie, daß der G o t t als Erster Beweger - und analog die Sphärenbeweger - ώς έρώμενον bewegt (Met. Λ 1072 b 3, vgl. a 26 ff.). Die kosmologische Bewegerfunktion der Götter bleibt aber im Epikureismus ohne Gegenstück, nicht nur wegen der Preisgabe der Teleologie, sondern auch deshalb, weil die B e w e g u n g den A t o m e n ursprünglich z u k o m m t und daher einen besonderen Beweger überflüssig macht. (Man könnte versucht sein, hier v o n der aristotelischen zur epikureischen Theologie eine kontinuierliche Linie zu ziehen, bei der Theophrasts K r i t i k der aristotelischen Bewegerlehre Metaph. c. I I das vermittelnde Glied abgäbe. A b e r diese K r i t i k läßt mit der Bewegerlehre die Transzendenz selbst fraglich erscheinen, die bei Aristoteles auf den Beweger-Beweis gestellt worden war, und ist daher eher geeignet, das B a n d ganz zu durchschneiden, das v o n Aristoteles zur epikureischen Theologie führen mag.)

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Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

selbst vor den Hintergrund ihrer akademischen Ursprünge zu stellen und in das aus der Timaios'-Exegese erwachsene kosmologisch-theologische System der platonischen Schule einzuordnen. Die Linie führt dabei von der Theologie des Buches Lambda der 'Metaphysik' rückwärts über das dritte Buch der Frühschrift περί φιλοσοφίας zum 'Timaios' Piatons und die daran anknüpfenden Diskussionen und Interpretationen des Platonikerkreises. Die Frühschrift, die die Grundlegung der aristotelischen Theologie enthielt, steht, wie vor allem die Untersuchungen Bertis über den frühen Aristoteles gezeigt haben221, mit Prinzipien-und Harmonielehre, Gestirnbeseelung und Elementenlehre, Welt jähr und Katastrophenzyklus, insbesondere aber mit dem als Weltordner und -beweger fungierenden222 transzendenten Gott in der Nachfolge des 'Timaios' und seiner Konzeption des Weltdemiurgen. Aber auch das zwölfte Buch der 'Metaphysik', dessen wesentliche Übereinstimmung mit dem dritten Buch von περί φιλοσοφίας Untersteiner herausgearbeitet hat223, läßt noch zahlreiche Spuren der Nachwirkung des 'Timaios' erkennen, die von der Sonderstellung des uranischen Bereichs und der dadurch veranlaßten, bezeichnenderweise mit Xenokrates (fr 5) übereinstimmenden Dreistufung der Seinsbereiche (ούσίαι)224 über den an Tim. 30 C ff. anschließenden Beweis für die Einzigkeit der Welt (1074 a 31 ff.) und die kosmische Zyklentheorie (Λ 8 a. Ε.) bis zur Unterscheidung der Bewegungen in der Äquatorialebene und der Ebene der Ekliptik reichen225. Der Vergleich mit περί φιλοσοφίας zeigt vor allen Dingen, daß der Beweger des Fixsternhimmels, dem die theologischen Aussagen des Buches vorzugsweise gelten, historisch gesehen der unter der Voraussetzung der Weltewigkeit 226 umgebil221

222

223

224

225 226

E. BERTI, La Filosofia del primo Aristotele, Padova 1962, Cap. IV: II Dialogo 'Sulla Filosofia', bes. 317, 323, 348 ff., 357, 360, 361, 363 f., 366, 369, 371, 373, 375. 387. 402 f., 553. 555 ff· Die richtige Deutung, daß der „Demiurg" der Texte in übertragener Bedeutung aufzufassen ist, bei BERTI a. O. 350 ff., vgl. 363 f., 371 f., 387, 555 f.; vgl. C. J. DE VOGEL, Greek philosophy, 1953, II 31 f. M. UNTERSTEINER, II περί φιλοσοφίας di Aristotele, Riv. di Filol. 39, 1961, 1 2 1 159. Vgl. auch das Ergebnis von B. EFFE, Studien z. Kosmologie u. Theologie d. arist. Schrift 'Über die Philosophie', Zetemata H. 50, 1970, 164 f., ferner zu fr 26 K . GAISER in: Naturphilosophie b. Arist. u. Theophrast, IV. Symp. Arist., Heidelb. 1969, 112 f. Met. Λ ι, 1069 a 30 ff., 6, 1071 b 3 f., 8, 1073 b 6. Übereinstimmend auch die pythagoreisierende Syzygienlehre Xenokrates fr 15 und Met. Λ η, 1072 a 31 ff. Zum Zusammenhang I. DÜRING, Aristoteles, 1966, 210. Zur Umdeutung der Kosmogonie des 'Timaios' schon in der Akademie im folgenden S. 164.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

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dete, nämlich von der ποίησις entlastete und in reiner Selbstzuwendung auf die θεωρία des βίος θεωρητικός beschränkte Demiurg der 'Timaios'Tradition ist 227 , der in ähnlich dogmatisch verfestigter Form auch in der xenokratischen Theologie (fr 15) begegnet. Angesichts dieser Sachlage ist zu prüfen, ob sich manche der auf Epikur vorausweisenden Züge der aristotelischen Theologie bereits in der gemeinakademischen 'Timaios'-Exegese finden oder gar im zeitgenössischen Piatonismus parallel neben der aristotelischen Theologie einhergehen und bis an die Schwelle der hellenistischen Philosophie heranreichen. i . Was zuvörderst die Struktur der epikureischen Götterwelt angeht, so bildet das Argument für die Einzigkeit der Welt im Lambda der 'Metaphysik' (8, 1074 a 31-38), das einen hypothetischen Ausblick auf die Gliederung der späteren epikureischen Theologie gewährt, die Argumentation 'Timaios' 30 C - 31 Β nach 228 . Die epikureische Verbindung eines Finitismus der Götterarten229 mit der atomistischen Zahllosigkeit einzelner Exemplare ist also schon dort theoretisch vorweggenommen und zurückgewiesen, wobei der für den Atomismus bedeutsame Gegensatz von Einzigkeit und Unendlichkeit besser als bei Aristoteles (έν — πολλά) heraustritt (31 Β 2: ουτε δύο ουτ' απείρους έποίησεν ό ποιών κόσμους). Was aber die annähernde Gleichartigkeit der aristotelischen Götter angeht, die lediglich durch ihren Stellenwert in der der Sphärenkette entsprechenden Reihe der „Beweger" individuell bestimmbar sind (Λ 8, 1073 b 2 f.: καί τούτων τις πρώτη και δευτέρα κατά την αύτήν τάξιν ταΐς φοραΐς των άστρων), so hat man mehr und mehr erkannt 230 , daß diese Reihe die platonisch-akademische Reihe der idealen Zahlen ersetzen und verbessern soll, an die Aristoteles in diesem Zusammenhang ausdrücklich erinnert 231 . Das Ordnungsprinzip der am 227

228

229

230

231

Zum ganzen Zusammenhang ausführlicher Verf., Theologie u. Philosophie 44/ 4, 1969, 497-499. Die Fortentwicklung des platonischen Demiurgen im Ersten Beweger des Aristoteles erkennen auch A. CARLINI in der Enciclopedia Filosofica I, 1957, s. v. 'Atto' Sp. 466; I. DÜRING a. O. 214. Zum Unterschied der beiden Argumente im einzelnen im Rahmen der jeweiligen Ontologie Verf. U G M 167 Anm. 142. Zur Frage der Göttlichkeit der transzendenten Wesenheiten vgl. das unter 2. im T e x t Folgende. Seit MERLANS bahnbrechendem Aufsatz: Aristotle's unmoved movers. Traditio 4, 1946, 1-30; davon unabhängig Verf. U G M 163. Λ 8, I073 a 18-23. Der Zusammenhang wird im Fortgang des Textes weiter verdeutlicht durch die Abgrenzung der für die Anzahl der Beweger zuständigen Astronomie von der Arithmetik und Geometrie (1073 b 3 ff.).

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Theologie u n d Prinzipienlehre v o m T i m a i o s z u m Frühhellenismus

Grundmodell der Vier- (Tetras) bzw. Zehnzahl (Dekas) orientierten akademischen Zahlenreihe, die die Erste Philosophie des Aristoteles zu mannigfaltigen, argumentativen oder konstruktiven Denkansätzen evoziert hat232, ist aber nun gleichfalls die Bestimmung jedes einzelnen Gliedes durch seine Position im Zusammenhang der Reihe bei sonst weitgehender Gleichartigkeit. Das Referat Arist. De an. A 2, 404 b 18 ff., ein Selbstzitat der Frühschrift περί φιλοσοφίας, belegt, daß die ideale Zahlenreihe in der Akademie mit der 'Timaios'-Exegese und insbesondere der Stelle Tim. 30 C ff. verknüpft worden ist (αυτό τί> ζωον!)233. Da nach Auskunft des Themistios auch Xenokrates in seiner 'Physik' diese Lehre vertreten hat (fr 61 H. = CAG V 3 p. 11,18-12, 33 H.) und ebenso für Speusipp die Zehnzahl als Weltmodell im Sinne des 'Timaios' gesichert ist (fr 4 p. 54 L.), kann mit einer breiten, autoritativen Fortwirkung dieser Konzeption im Bereich der Älteren Akademie gerechnet werden. Die Gemeinsamkeiten der Struktur, die im vorigen zwischen der aristotelischen und der epikureischen Götterwelt festzustellen waren, können daher grundsätzlich auf den gesamten Platonismus der Zeit ausgedehnt werden, wobei es unerheblich bleibt, ob der von Aristoteles übernommene Beweis des 'Timaios' für die Einzigkeit der Welt in diesem Zusammenhang auch in der Akademie - es gibt kein sicheres Zeugnis dafür234 - weitergegeben worden ist. Darüber hinaus liefert die akademische Elementenphilosophie die historische Begründung für den Finitismus der Götterarten innerhalb 232 Vgl. die Ü b e r s i c h t des Verf.s, Zur geschichtl. Stellung d. arist. Metaphysik, II. Zur arist. Ontologie, K a n t - S t u d i e n 58/3, 1967, 342 ff., 348 ff., u n d j e t z t ausführlich H. HAPP, H y l e , 1971, 337-385. H i n z u z u f ü g e n ist die s c h o n v o n ZELLER P h . d. Gr. I I 25, 266 u n d A. GERCKE, Arch. f. Gesch. d. Philos. 4, 1891, 434 f.; vgl. a u c h H . MAIER, Syll. d. Arist. I I 2, 306; richtig beurteilte Zehnzahl der K a t e g o r i e n b e i m frühen Aristoteles (Cat. 1 b 26 f., Top. 103 b 22 f.; d a z u Anal. post. A 22, 83 b 15 f.). 233 Vgl. j e t z t die eingehende B e h a n d l u n g der Stelle durch K. GAISER, in: A H A W 1968/2, 49-63. D a n a c h k a n n es als ziemlich sicher gelten, d a ß der I n h a l t des Referates i m w e s e n t l i c h e n auf P i a t o n selbst zurückgeht, w a s natürlich n i c h t ausschließt, daß sich a u c h andere A k a d e m i k e r dieser ' T i m a i o s ' - D e u t u n g angeschlossen haben. 234 v g l . i m m e r h i n die μονάς bei X e n o k r a t e s fr 15 H . , die w o h l a u c h a n die μόνωσις des 'Timaios'-Arguments (31 Β 2) erinnern soll (Verf., Theologie u. Philosophie 44/4, 1969, 485 A n m . 83). - Zur Gipfelstellung der idealen Zahlenreihe, die dafür repräsentativ u n d strukturbildend ist, innerhalb des p l a t o n i s t i s c h e n I d e e n k o s m o s L. ROBIN, fitudes sur la signification et la place de la p h y s i q u e d a n s la philosophie de Piaton, R e v . philos. de la France 1918, bes. 218 f., 375 f., 411 f.; K. GAISER P U L 124 ff., 494; für die F o r t w i r k u n g bei P l o t i n Verf. U G M 297 ff., 315 ff.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

161

des atomistischen Systems. Er beruht bei Epikur, wie im vorigen angedeutet ist238, auf der endlichen Zahl der Atomgrößen und -formen, die ihrerseits - hier kann auf das vierte Kapitel verwiesen werden - in der Minimalehre akademischer Provenienz begründet ist. Nicht die transzendenten Wesenheiten des Aristoteles oder der Platoniker sind also dafür Maßstab gewesen, sondern primär die Grundlagen des epikureischen Atomismus selbst und mittelbar die akademische Theorie der physikalischen Diskontinuität. 2. Die 'Timaios'-Interpretation der Akademie ist wie bei Aristoteles weitgehend philosophische Theologie gewesen. Die Metaphorik des Mythos wurde dabei wie die anderer Mythen Piatons - des 'Phaidros', des 'Politikos', des 'Symposion' - wörtlich und für die Sache selbst genommen und dogmatisierend in ein theologisch-kosmologisches System überführt, das vom Demiurgen über die Weltseele und die Gestirngötter bis zu den Dämonen und Elementargöttern herabführen mochte. Von der Bildhaftigkeit der Mythen her bahnte sich nicht nur die dogmatische Verfestigung des Zwei-Welten-Modells an, das jetzt räumlich als Schichtung erscheint und dadurch erst die ChorismosKritik des Aristoteles voll entfacht hat238, sondern auch eine zunehmende Subjektivierung, ja Personifizierung des Weltbildes, das die dialektische Denkbewegung Piatons mehr und mehr hinter einer Fülle göttlicher Gestalten, selbst der allegorisierend einbezogenen Volksreligion, zurücktreten Heß. Im einzelnen äußert sich diese Tendenz im Hervortreten einer Nus-Theologie des Demiurgen bei Speusipp (fr 38 L.), Xenokrates (fr 15 H.) und Aristoteles, die bei Xenokrates eine enge allegorische Verbindung mit der Volksreligion eingeht (Ζεύς fr 15, fr 18)237. Steht Aristoteles darin nicht allein, so läßt sich das gleiche für die einzelnen transzendenten Wesenheiten wahrscheinlich machen. Wenn sie nach Met. A 7 und De caelo A 9 (279 a 18 ff.) Lebewesen (ζωα) sind, denen höchstes Leben (ζωή) zukommt, so führt der Weg einerseits über die Frühschrift περί φιλοσοφίας, an die die De caelo-Stelle238 und das De anima-Referat (404 b 18 ff.: ζωον αΰτό) anknüpfen, andererseits über den Beweis für die Einzigkeit der Welt (A 8,1074 a 31 ff.) auf 'Timaios' S. 148 Anm. 189. Zum Einfluß des 'Phaidros'-Mythos etwa auf Xenokrates fr 5 unten S. 162 Anm. 242. 237 Zur traditionellen Götter-Genealogie vgl. Xenokrates fr 19 (nach PL Tim. 40 D ff.). 238 Vgl. Anm. 240. 235

236

162

Theologie u n d Prinzipienlehre v o m T i m a i o s z u m Frühhellenismus

30 C ff. zurück, wo das „vollkommene intelligible Lebewesen" (ζωον) alle einzelnen „intelligiblen Lebewesen" (ζωα) „zusammengefaßt in sich enthält". Das De anima-Referat beweist, daß die Stelle in der Akademie auf den Ideenkosmos hin interpretiert worden ist, den hier die vier ersten Zahlen repräsentieren, und daß darum nicht etwa bloß an (begriffliche) Ideen von Lebewesen gedacht war, sondern der Charakter der Lebendigkeit den Ideen und idealen Zahlen ausnahmslos und als solchen zuerkannt wurde. Unabhängig davon, wie man den in der modernen Forschung umstrittenen 'Timaios'-Passus selbst auffaßt 239 , steht es fest, daß die akademische, gewiß auf mündliche Äußerungen Piatons selbst zurückgehende Interpretation im Einklang mit der allgemein erkennbaren Tendenz steht, den platonischen Mythos wörtlich zu nehmen, die subjektiven Elemente zu intensivieren und in eine möglichst umfassende Theologie einzubringen, und daß der Weg von dieser Interpretation geradeswegs zu den transzendenten ζωα der aristotelischen Theologie weiterführt. Die De caelo-Stelle bestätigt dies von einer anderen Seite her, wenn sie bemerkenswerte Reminiszenzen an den Mythos des 'Phaidros' aufweist 240 , wo den Ideen in der Mysteriensprache u . a . - mit einem leisen subjektiven Anklang 2 4 1 - ευδαιμονία zugesprochen wird. D a ß auch Xenokrates sich vom 'Phaidros'-Mythos hat leiten lassen, belegt die Einteilung der Seinsbereiche fr 5242, die ihrerseits mit derjenigen des zwölften 'Metaphysik'-Buchs übereinkommt. D a Xenokrates dabei nicht ansteht, im Bück auf die Mythen 239

D a z u Verf. U G M 200 f. F ü r den Ideenkosmos i m ganzen sprechen a) die A b l e i t u n g der E i n z i g k e i t des K o s m o s 31 Α f., b) die A b l e i t u n g der Zeit als A b b i l d der E w i g k e i t des intelligiblen Zoon 37 C 8 ff.

τά έκεΐ, τά ύπέρ την έ ξ ω τ ά τ ω φ ο ρ ά ν ~ Phdr. 247 C : ή περιφορά, τ ά έ ξ ω , ύπερουράνιον - άναλλοίωτα καΐ άπαθή τήν άριστη ν έχοντα ζωήν ~ Phdr. 250 C : die Ideen ολόκληρα καΐ άπλα καί άτρεμή και εύδαίμονα φάσματα. Z u m A n s c h l u ß an περί : καθάπερ έν τοις έγκυκλίοις φιλοσοφήμασι περί τά θεία m i t φιλοσοφίας 2 7 9 a 3 ° Simpl. z. St. = π. φιλοσοφίας fr 16 W . u. R . D e r zitierte Passus selbst bei Walzer, Arist. dial, fragm. 1934, N a c h d r u c k 1963, fr 28, und bei Untersteiner, Aristotele D e i l a Filosofia, 1963, fr 38. Z u r i m T e x t folgenden Erörterung des ζ ω ή - und αίών-Begriffs v g l . T i m . 37 D 1 ff. (danach a u c h i m L a m b d a 1072 b 29: ζωή καί αίών συνεχής καί άίδιος). 241 V g l in demselben S a t z : συν εΰδαίμονι χορω v o n den E i n z u w e i h e n d e n (250 Β 6). 240

212

πάντα τά έκτός ούρανοϋ ~

Phdr. 247 C 2 f . : τά Ι ξ ω τοϋ ούρανοϋ, ό ύπερουράνιος

τόπος. Z u m Z u s a m m e n h a n g ZELLER Philos. d. Gr. I I i 6 1013 A n m . 1 ; HEINZE ' X e n o k r a t e s ' 5 A n m . 1 ; BOYANC£, R e v . fit. gr. 65, 1952, 330 ff., v g l . 343 f . ; ders. Miscellanea R o s t a g n i , 1963, 46; W . THEILER J. H . St. 77, 1957, 130. Z u m E i n f l u ß des 'Timaios' in fr 5 v g l . T i m . 39 E , 41 Β ff. (Sonderstellung des uranischen Bereichs); 35 Β 2, 37 A 4 (Ansatz zur Moiren-Al legorese, d a z u P, B o Y A N c i , R E A 50, 1948, 230 A n m . 2).

Aristotelische, a k a d e m i s c h e u n d epikureische T h e o l o g i e

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des 'Timaios' und der 'Politeia' (X) den Seinsbereichen, darunter auch dem transzendenten ("Ατροπος), allegorisch Moiren zuzuschreiben, liegt es nahe, daß die Wesenheiten des überhimmlischen Orts (πάντα τά έκτος ούρανοΰ), die Ideen, hier ähnlich mythisch belebt gedacht sind wie (dem Anschein nach) Tim. 30 C ff. und Arist. De caelo A 9. Tatsächlich hat nach Arist. E E 1218 a 24 ff. offenbar schon Piaton selbst in περί τάγαθοϋ in universaler Ausweitung des Eros-Gedankens die Zahlen zum Einen und Guten „hinstreben" (έφίενται) lassen243, was nach Aristoteles Leben (ζωή) voraussetzt und worin ihm Xenokrates gefolgt zu sein scheint (Procl. in Parm. 888, 30 f. Cous. = fr 30 p. 170, 10 f. H.)244. So wenig Konkretes sich an der akademischen Ideenlehre noch fassen läßt, so sehr macht es doch die vielfältig nachweisbare Mytheninterpretation im Verein mit der kontrollierbaren Nus-Theologie des Timaios'-Demiurgen wahrscheinlich, daß die aristotelische Theologie auch mit ihrem Polytheismus nicht allein steht, sondern sich wie mit dem Fixsternbeweger, so auch mit den einzelnen Sphärenbewegern in das aus dem 'Timaios'-Mythos herausgesponnene theologisch-kosmologische System der Akademie und seine Astraltheologie als Ausläufer eigener Art einordnet. Die Tatsache, daß auch die fünfundfünfzig aristotelischen Götter nicht (materielle) Einzelwesen sind, sondern Eidoscharakter tragen245 und verschiedentlich mit dem 'Timaios' und seiner Nachfolge verknüpft sind, verbietet es wohl, zwischen den aristotelischen )( Göttern" und den „Ideen" der zeitgenössischen Platoniker einen Gegensatz und nicht vielmehr graduelle Unterschiede zu konstatieren. Nimmt man hinzu, daß die Ideenlehre im Kontext der weitgespannten theologischen Schematik etwa des Xenokrates fast unvermeidlich selber in theologische Beleuchtung geraten mußte, so ist es methodisch gewiß richtiger, beim Vergleich mit Epikur nicht ausschließlich die aristotelische Theologie zugrunde zu legen246. 243

F ü r die Z u w e i s u n g des R e f e r a t e s an P i a t o n u n d die E r k l ä r u n g des G e d a n k e n g a n g e s i m einzelnen k a n n j e t z t auf die A b h a n d l u n g v o n J . BRUNSCHWIG, E E I 8, 1 2 1 8 a 1 5 - 2 2 e t le περι τάγαθοϋ, in: U n t e r s u c h u n g e n zur

Eudemischen

E t h i k , A k t e n des 5. S y m p . Arist. 1969, B l n . 1 9 7 1 , 1 9 7 - 2 2 2 verwiesen werden. 244

μέση γάρ οδσα άμφοΐν sc. ή ιδέα τοϋ μέν έφίεται,

τοϋ δ' εστίν έφετόν. F ü r die

A u t h e n t i z i t ä t des (nicht g a n z sicheren) R e f e r a t e s h a b e n sich ausgesprochen: v . ARNIM, S B W i e n 207/5, 1928, 6 2 ; W . THEILER, MUS. H e l v . 15, 1958, 103 A n m . 6 1 ; H . FLASHAR, S y n u s i a f. S c h a d e w a l d t , P f u l l i n g e n 1965, 232, 243 f. A n m . 41. 245

M e t . A 8, 1074 a 3 3 - 3 7 .

243

D i e Affektlosigkeit

der G ö t t e r in der A k a d e m i e v e r g l e i c h t schon BIGNONE A P

191 £f., v g l . i m einzelnen PI. Phileb. 21 E ,

22 C , 32 Ε ff.; ' N o m o i ' 792

I D,

164

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

3. Unter den Zügen, die aristotelische und epikureische Theologie verbinden, ist der Deismus wohl immer der augenfälligste gewesen. Doch gerade hier muß es bei einer einfachen Parallelität bleiben, die sich nicht in eine philosophiehistorische Dependenz verwandeln läßt. Epikurs Deismus ist nicht nur anders und vielseitiger motiviert als der aristotelische, sondern gemäß Rodenwaldts archäologisch begründetem Nachweis247 der adäquate Ausdruck der frühhellenistischen Religiosität. Selbst wenn Aristoteles' rund vier Jahrzehnte ältere Theologie von der „Mühelosigkeit", „Seligkeit" und „Autarkie" „des göttlichen Daseins" 248 in der neuen Gottesvorstellung berührt gewesen sein sollte, stehen die olympischen Götter selbst, wie sie in seiner Zeit gesehen werden, Epikur unmittelbar näher. Aber auch im engeren Bereich der Philosophie darf der Vorgang des Aristoteles nicht überschätzt werden, weil die Nachfolger Piatons in der Akademie (Speusipp fr 54 a - b L., Xenokrates fr 54 H.) die Kosmogonie des 'Timaios' zwar dem Buchstaben nach - gleichsam exoterisch - beibehielten und damit auch auf die Stoa gewirkt haben, der Sache nach aber - sozusagen esoterisch und abweichend von der gewohnten Interpretationsweise - unter der Voraussetzung der Anfangslosigkeit der Welt didaktisch-theoretisch, d. h. metaphorisch verstanden wissen wollten. Damit hatte die Theologie des transzendenten „Demiurgen" de facto eine Wendung zum Deismus genommen und unterschied sich von derjenigen des Aristoteles nur noch äußerlich249, mag daneben auch der Theismus der weltimmanenten Untergötter: der Weltseele und der Dämonen um so angelegentlicher gepflegt worden sein. 4. Der theologische Hedonismus, wie er bei Aristoteles und Epikur vorliegt, ist zwar gewiß unplatonisch250 und - wenn man Speusipp oder Philipp v. O. Epin. 985 A 5 - 7 ; sie betrifft bei den Akademikern jede Art von ήδονή (und λύπη) und zieht sich mit der Unkörperlichkeit bzw. dem Apanthropomorphismus der Götter die Kritik des Epikureers bei Cicero zu (n. d. I 30 Piaton: careat enim sensu necesse est . . . careat voluptate sc. deus, I 34 Herakleides = fr i n W . : sensuque deum privat, vgl. I 33 Aristoteles, I 35 Straton). 247

G. RODENWALDT, Θεοί £εϊα ζώοντες, Abh. Preuß. Ak. d. Wiss., Jgg. 1943, phil. hist. Kl. Nr. 13, Bln. 1944; zu Epikur S. 24, vgl. S. 12 („Meeresstille des Gemüts" wie Epikurs Bild von χειμών und γαλήνη z. B. ep. I 83, III 128, fr 425 Us.).

248

R O D E N W A L D T a. O . 2 1 , 2 2 ; v g l . 1 5 , 1 6 u. ö.

249 Y g i j m einzelnen Verf., Theologie u. Philosophie 44/4, 1969, 499. Die Polemik Epikurs gegen den göttlichen Demiurgen fr 361 Us. fin. bezieht sich ausdrücklich auf Piaton selbst und nicht auf dessen Nachfolger; vgl. Cie. n. d. I 30 f. 250 Vgl. Anm. 246.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

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Xenokrates vergleicht - auch nicht gerade akademisch, ist aber offenbar in der akademischen Hedone-Diskussion von Eudoxos von Knidos repräsentiert gewesen, der hier wie auch sonst zusammen mit dem von ihm beeinflußten Aristoteles die akademische „Linke" bildet. Daß die hedonistische Ethik Epikurs weniger von den Kyrenaikern als von Eudoxos herkommt, ist in jüngerer Zeit vor allem von Schwartz und Merlan mit Nachdruck vertreten worden261. Dafür sprechen zunächst die folgenden allgemeinen Gründe: Im Unterschied zu den unübersichtlichen und theoretisch wenig durchgebildeten Ansätzen der älteren Kyrenaiker hat Eudoxos mit den begrifflichen Mitteln des Platonismus252 und in der Auseinandersetzung mit seinen Hauptvertretern den Hedonismus als philosophische Position überhaupt erst systematisch begründet, und zwar sowohl mit der Bestimmung des obersten Wertes (τδ άγαθόν) als Hedone wie mit der dialektischen, empirischen263 und naturphilosophischen Fundierung. Wenn Epikur, wie Bignone gezeigt hat, in der Auseinandersetzung mit dem Platonismus die Rehabilitierung des hedonischen Lebensideals betrieb, so mußte seine Ethik in erster Linie eine „Rechtfertigung"264 des fortgeschrittenen, in detaillierten Diskussionen mit den Piatonikern herausgebildeten eudoxischen Hedonismus im Auge haben, gegen den sich die antihedonistische Polemik der Akademie primär richtete. Dieser lag auch näher als der kri261

E. SCHWARTZ, Ethik der Griechen, 1951, 99, 179 ff.; ders. Charakterköpfe aus

d e r A n t i k e , 1 9 4 3 4 , 1 4 9 f . ; MERLAN I960 S. 28 ff.; v g l . a u c h M. POHLENZ,

Gestalten aus Hellas, 1950, 571; W. SCHADEWALDT, Eudoxos v. Knidos u. d. Lehre vom Unbewegten Beweger, zuerst 1951, dann i. d. Sammelband Hellas und Hesperien I9601, 467, 197Ο2, I 650 f. Daß Eudoxos seinerseits von Demokrit ausgegangen sei, vermuten H. USENER, Preuß. Jb. 53, 1884, 16; R.

252

PHILIPPSON, Hermes 60, 1925, 459, 475.

Darüber jetzt zusammenfassend F. LASSERRE, Die Fragmente d. Eudoxos v. Knidos, Bln. 1966, 153 f. Zur dialektischen Methode des Eudoxos oben Kap. I S. 19 ff., daher auch der Naturforscher Eudoxos zu den άντιλογικοί gerechnet

Philod. De dis I 21, 27 f. D. = F 127 LASSERRE mit DIELS' Kommentar S. 8 3 -

85 (DIELS' Vergleich der Stelle mit Ar. Top. 116 b 22 - „altakademische Anregungen . . . Eudoxos wie Aristoteles haben denselben Ausgangspunkt" ist zwar nach der genaueren Erklärung LASSERRES a. O. 213 nicht mehr haltbar, doch kann dafür leicht Top. 117 a 5 ff. eintreten, vgl. auch BIGNONE AP II 79). Uber die Ausweitung des platonischen Eros-Gedankens zum universalen Weltprinzip alles Lebendigen SCHADEWALDT 14Ö3, vgl. LASSERRE 153. 253

254

Arist. E N Κ 1 1 7 2 b 1 2 - 1 5 , 1 8 - 2 5 .

SCHWARTZ, Ethik d. Gr. 99 macht sich „anheischig, Epikurs Ethik als Rechtfertigung der Eudoxischen Lehre aufzufassen." BIGNONE AP I 400 erkennt in Epikurs Ethik das erste System des Hedonismus, das als solches - im Unterschied zu Demokrit und den Kyrenaikern - erst im Gegenzug zur HedoneKritik der klassischen Philosophie möglich geworden sei.

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Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

tisch-gemäßigte des Aristoteles, weil er durch die Einbeziehung aller Lebensäußerungen ursprünglicher und folgerichtiger wirkte als die aristotelische Zuspitzung auf die θεωρία (in EN Κ und Metaph. Λ) und daher der auf die Lebensführung des durchschnittlichen Menschen gerichteten Ethik Epikurs mehr entgegenkam255. Was den historischen Zusammenhang angeht, so war ein solcher zunächst durch Epikurs Bekanntschaft mit der Nikomachischen Ethik gegeben; schriftliche und mündlich vorgetragene Äußerungen anderer Akademiker zur Hedone-Kontroverse mochten hinzutreten. Im einzelnen greift Epikur auf das argumentum e contrario des Eudoxos zurück und bringt es gegen Speusipps Einspruch erneut zur Geltung, wenn er den mittleren Zustand zwischen Schmerz und Lust leugnet256. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von epikureischen Zeugnissen, die vor allem durch Philippson und Bignone ausgewertet worden sind und die personelle und ideelle Beziehungen zwischen dem Kepos - vornehmlich der Tochterschule im benachbarten Lampsakos - und der von Eudoxos in Kyzikos gegründeten und dort fortbestehenden Schule belegen257. Die Gegner255

Dazu treffend die Vergleiche bei S C H A D E W A L D T a. O. 1 4öo f., 4 6 3 ff., 4 7 0 f.; ff., 3 2 ff. ( 3 0 : „Eudoxos stands midway between Aristotle, the author of Nie. E t h . K, and Epicurus"). 25β v g l unten Kap. I I I S. 199, 202. 257 VGI 4 grundsätzlich R. P H I L I P P S O N , Akademische Verhandlungen über die Lustlehre, Hermes 6 0 , 1 9 2 5 , 5 . Eudoxos über die Götter, 4 7 8 - 8 1 ; ders., Neues über Epikur und seine Schule II, Nachrichten von der Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Jgg. 1 9 3 0 , phil. hist. Kl., 6 ff.; A. V O G L I A N O , Epicuri et Epicureorum scripta in Here. Pap. servata, Bln. 1 9 2 8 , 1 2 2 (Komm.); H . K A R P P , Unters, z. Philos. d. Eudoxos v. Knidos, 1 9 3 3 , 4 9 M I T Anm. 2 3 ; B I G N O N E A P I 3 0 5 ff., I I 7 6 - 8 5 ; ders., Conferme ed aggiunte all' A P . . ., Melanges Boisacq, Brüssel 1 9 3 7 , bes. 9 7 ff.; C . D I A N O , Lettere di Epicuro e dei suoi, Florenz 1 9 4 6 , 2 8 - 3 1 ; ders. Lettere di Epicuro agli amici di Lampsaco a Pitocle e a Mitre, St. I t . di Filol. Class. Ν. S. 2 3 , 1 9 4 8 / 9 , 6 0 ; W. L I E B I C H , Aufbau, Absicht und Form der Pragmatien Philodems, Diss. Bln.-Ost 1 9 5 6 , 4 2 - 5 5 ; A R R I GHETTI, Epicuro Opere 4 7 6 f. (Komm.); kurz M E R L A N I 9 6 0 S. 3 0 ; zuletzt auch L A S S E R R E a. O. 1 5 6 f. - Im einzelnen: a) D. L . X 8 = A R R I G H E T T I Nr. 9 3 p. 4 2 1 : Epikur nennt im Mytilenäer-Brief τούς τε Κυζικηνούς έχθρούς της Ελλάδος (die Überlieferung gegen die Konjekturen G A S S E N D I S und R E I N E S ' wiedereingesetzt b. B I G N O N E a. O. und jetzt allgemein akzeptiert, übersehen von 2 L O N G in der OCT-Ausgabe des D. L . 1 9 6 4 ) ; - b) Philod. πραγμ. col. I I I VH I MERLAN I 9 6 0 S. 2 4 S . , 2 8

110, bei DIANO 1946 p . 29 f. =

ARRIGHETTI N r . 8 9 p . 4 1 7 ( v g l . f r 1 0 9

Us.):

Κυ[ζί]κωι [αυτών] εύ[μεν]ώς έπιμεληθείς γ' (sc. ό Επίκουρος), ά συνεϊόε περί της αίρέσεως αυτοΰ (des Eudoxos?: L I E B I C H a. Ο. 52) διασαφεί τοις έν κατά τά έν

Λαμψάκωίλο[ις έπι]στέλλων. - c) Philod. De Epic. Β Pap. 1289fr 6col. III, bei V O G L I A N O 1 9 2 8 p. 6 0 = A R R I G H E T T I Nr. 1 4 6 p. 4 7 7 : [πε]ρΙ Κυζικψον τίνος άατρολογογ[ε]ωμέτρου παρίστήσω 2εοφ[άνε]ι καΐ τοις π[ερΙ τ]όν 'Ιδομενέα καΐ [Λ]ε[ο]ντέα πορρωτέρω προβαίνουσι περί [τη]ς άναιρέσεως της άποδ[είξεως, καΐτούς

Aristotelische, akademische u n d epikureische Theologie

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schaft, die sich darin ausspricht und die primär auf Epikurs Verwerfung der mathematisch-astronomischen Wissenschaften beruht, schließt Gemeinsamkeiten im Bereich der Ethik nicht aus, sondern wird im Gegenteil durch die damit zusätzlich gegebene Rivalität nur noch verständlicher. Nach D. L. V I I I 89 hat Eudoxos in seiner Lehrtätigkeit u. a. περί θεών, περί κόσμου und περί των μετεωρολογουμένων gehandelt. Das zuerst genannte Thema muß, wie der Zusammenhang zeigt, mit den beiden folgenden Themen, die Eudoxos' astronomische und geographische Forschungen betrafen, in enger Verbindung gestanden haben 258 . E s kann als sicher gelten, daß es sich um dieselbe Art von Astraltheologie handelt, die Piaton und die Akademiker im Bück auf die - nicht zuletzt durch Eudoxos gewonnenen - Fortschritte der zeitgenössischen Astronomie entwickelt haben269. Eudoxos hat aber auch in der HedoneDiskussion theologisch argumentiert und Ethik und Theologie dadurch auf dem Boden einer umfassenden Natur- und Lebensbetrachtung miteinander vermittelt: λόγους αύτών ώς πο]νη[ρ]ούς φαί[ν]εται δυσχε[ρ]αίνειν. Wahrscheinlich ist n i c h t E u d o x o s selbst (so V O G L I A N O b. P H I L I P P S O N 1 9 2 5 , 4 7 9 f., B I G N O N E A P I I 7 9 ) , sondern ein Schulgenosse gemeint ( P H I L I P P S O N a. O., L I E B I C H 4 5 , L A S S E R R E 157). Zur inhaltlichen B e d e u t u n g u n t e n A n m . 264, zu Philod. D e dis I 21, 27 f. oben A n m . 252. - Zweifelhaft bleibt Philod. πραγμ. P a p . Here. 1418 col. X I I , bei D I A N O 1 9 4 6 Nr. I V p. 9 : E i n neugewonnener Schüler . . . άπειρος δέ λεπτολογίας Stä τί> μηδέ τόν Εϋδοξον ίκανώς ένδελεχίζειν έν φιλοσοφίαι . . . D a ß der Lehrer des Proselyten E u d o x o s v o n K n i d o s sei, wird zwar allgemein a n g e n o m m e n , ist aber problematisch, d a der Lehrer offenbar, wie der F o r t g a n g des T e x t e s zeigt, als n o c h t ä t i g gilt (LASSERRE 157). Ganz ausscheiden m u ß Philod. D e lib. die. f r 6 Ol., wo die auf falscher Lesung u n d K o n j e k t u r b e r u h e n d e Beziehung auf E u d o x o s (PHILIPPSON 1925 S. 479, 1930 S. 24, V O G L I A N O 1 9 2 8 S. 1 2 2 ) inzwischen d u r c h D I A N O S papyrologische Klarstellung (sovrapposto!) erledigt ist (DIANO 1949 S. 60, vgl. 1946 S. 29, m i t der R ü c k k e h r zu O L I V I E R I S T e x t f a s s u n g ; d a n a c h L I E B I C H 4 8 f., A R R I G H E T T I Nr. 6 2 p. 3 9 8 , L A S S E R R E 1 5 6 f.). - E s bestehen ferner Z u s a m m e n h ä n g e zwischen der Kyzikenerschule u n d den Personen des in L a m p s a k o s zu E p i k u r gestoßen e n Polyainos (vgl. K . Z I E G L E R R E X X I 2 , 1 9 5 2 , Sp. 1 4 3 1 s. v. 'Polyainos' N r . 6; Beziehungen zu Kyzikos erschließbar a u s P l u t . m o r . 1098 B, vgl. B I G N O N E A P I I 7 8 , 8 3 ; D E W I T T , E p i c u r u s 8 1 f.; L I E B I C H 5 5 ; S T E C K E L R E ' E p i k u r o s ' Sp. 588) u n d seines Schülers Pythokles, d e m der gleichnamige Lehrbrief περί των μετεώρων m i t der K r i t i k der Astraltheologie (z. Β. 97, 1 1 3 , 115) gewidmet ist ( B I G N O N E I I 8 2 f., D I A N O 1 9 4 6 , 3 0 ; auffallend a u c h E p i k u r s W a r n u n g v o r der παιδεία gegenüber P y t h o k l e s : Nr. 8 2 / 3 A R R I G H E T T I , B I G N O N E I 3 0 6 ff.). Vgl. zuletzt S T E C K E L R E a. O. 5 9 0 . 258 VGL

LASSERRE a. O . 208.

259 Vgl. a u c h L A S S E R R E a. O. Zu b e a c h t e n ist, d a ß der B e r i c h t e r s t a t t e r des Diogenes, Chrysipp v o n Knidos, A r z t war.

12 Krämer, Piatoniemus

168

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

Arist. E N A HOI b 27 ff.:

Arist. Ε Ν Η 1153 b 25 ff.:

δοκεϊ δέ καί Ενδοξος . . . συνηγορήσαι περί των άριστείων τη ηδονη· τδ γάρ μή έπαινεΐσθαι των άγαθών οδσαν μηνύειν ώετο 6τι κρεϊττόν έστι των επαινετών, τοιούτον δ'εϊναι τον θεόν καί τάγαθόν προς ταΰτα γάρ τάλλα άναφέρεσθαι.

καί τδ διώκειν δ'άπαντα καί θηρία καί άνθρώπους την ηδονή ν σημεΐόν τι τοϋ εϊναί πως τδ άριστον αύτήν . . . (vgl. Κ 1172 b 9 f f - Ενδοξος μέν οδν την ήδονήν τάγαθδν ώετ' είναι δια τδ πάνθ'όραν έφιέμενα αυτής, καί ελλογα καί άλογα . . .) 31 f.: 'ίσως δέ καί διώκουσιν ούχ ήν οΐονται ούδ'ήν αν φαϊεν, άλλα την αυτ ή ν πάντα γάρ φύσει έχει τι θείον260.

Der neuerdings von Schadewaldt und Merlan eingehend interpretierte Gedankengang läßt zweierlei erkennen: 1. Gott wird zwar nicht mit „dem Guten", der Hedone, identifiziert, aber doch ihr gleichgeordnet. D a die von Eudoxos vertretenen Astralgötter - ό θεός ist wohl im Referat kollektiv gebraucht 261 - selber Lebewesen sind, müssen sie in der Tat an der Hedone in ausgezeichneter Weise teilhaben. 2. Alles Luststreben ist zuletzt, unbewußt, auf eine höchste, göttliche Lustform angelegt (έχει τι θείον), unter der man wohl mit Merlan 262 nach der Analogie von Metaph. A 1 / 2 die θεωρία zu verstehen hat. - Daraus folgt, daß Eudoxos wie nach ihm Aristoteles und Epikur, aber im Gegensatz zur akademischen Orthodoxie, einen theologischen Hedonismus vertreten hat, demzufolge bei Eudoxos die Götter der Himmels- und Gestirnsphäre - die Planeten und der Fixsternhimmel - die höchste Freude der Theorie genießen und damit in der reich differenzierten Pyramide der Lebens- und Lustgestalten die oberste, normative Spitze einnehmen (πρδς ταϋτα . . . τάλλα άναφέρεσθαι). Aristoteles hat diesen wohl im Bereich der Kosmologie verbleibenden Ansatz weitergeführt 260

261

262

Auch die beiden letzten Sätze erscheinen „völlig aus dem Geiste des Eudoxos gesprochen" (SCHADEWALDT ^ÖG). Der bei D. L. V I I I 89 angeführte Themenkreis wird mit περί θεων umschrieben ! MERLAN i960 S. 28: „Aristotle's treatment of contemplation must very much have been indebted to Eudoxos. I t was probably he who suggested as the summum bonum something in which contemplation and ήδονή coincide", vgl. S. 30 sowie die eingehende Interpretation der einschlägigen Partien von E N Η S. 20-24. Anders SCHADEWALDT 1 47i, vgl. dessen Interpretation 461-468. Die skeptische reductio ad minimum, die jetzt LASSERRE-KARPP folgend - Eudoxos in philosophicis zuteil werden läßt, mag vorerst eine heilsame kathartische Wirkung haben — das letzte Wort wird sie kaum bedeuten.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

169

und auf die - durch das Beweger-Problem damit verknüpfte - Überwelt des Piatonismus ausgedehnt: Die höchste Hedone kommt nicht dem Ersten Bewegten, sondern dem ihm zugrundeliegenden Ersten Unbewegten zu 263 . Epikur dürfte teils über die Referate der Nikomachischen Ethik, teils über die Eudoxos-Schule in Kyzikos von der eudoxischen Theologie Kenntnis erlangt haben2®4. Er mußte ihre astraltheologische Sub263

264

I c h k a n n jetzt SCHADEWALDTS These nicht mehr folgen (vgl. dagegen U G M 181-184, 187). E u d o x o s habe die Konzeption des Unbewegten Bewegers vorweggenommen. E s gibt keinen Beleg dafür, daß der Naturforscher E u doxos ein transzendentes Seiendes im Sinne des Piatonismus philosophisch vertreten h ä t t e : τό άγαθόν ist ein Terminus der E t h i k und nicht im Sinne der Ideenlehre aufzufassen (vgl. G. LIEBERG, Lehre v. d. L u s t in den E t h i k e n d. Arist., Zetemata 19, 1958, 50; LASSERRE a. O. 153 f.); die gelegentliche Stellungnahme des E u d o x o s zur Ideenlehre (Ar. Metaph. A 991 a 15 ff. = Μ 1079 b 19 ff., dazu A l e x , in met. 96, 39 ff. H. = D 1/2 LASSERRE) sucht lediglich einen - unorthodoxen - Beitrag zum Methexisproblem zu leisten (VON FRITZ, Die Ideenlehre d. E u d . v. K n . und ihr Verhältnis zur plat. Ideenlehre, Philol. 82, 1927, bes. 10 ff.), der wahrscheinlich nur in dialektischer A b s i c h t vorgetragen wurde (G. RYLE, Dialectic in the A c a d e m y , in: Aristotle on Dialectic, Proc. of the Third Symp. Arist., Oxf. 1968, 74: ,, . . . E u d o x o s produced the theory in the course of elenctic disputation . . . the theory was not one which E u d o x o s necessarily agreed w i t h . . ."). D a ß E p i k u r über die Dogmen der Kyzikenerschule allgemein informiert war, zeigen die A n m . 257 aufgeführten Belege a) und b). E s ist vielleicht kein Zufall, daß Epikurs Theologie bei P y t h o k l e s und seinem Mentor Polyainos (vgl. A n m . 257 a. E.!) auf Schwierigkeiten stieß: Vgl. Philod. De lib. die. fr 6 OLIVIERI = Nr. 62 ARRIGHETTI : διό καί 'Επίκουρος, Λε[οντ]έως διά Πυθοκλέα πία\τιν\ (edd.: πυσ pap.) θεώ [ν] ού παρέντο[ς], Πυθοκλεϊ μεν [έ]πιτιμαι μετρίως, πρός δέ τόν γράφει. [τ]ήν> λαμπράν καλουμένην έπισ[τολ]ήν, λα(ϊώ[ν άρχήν άπό τοΰ] Πυθ[οκλέους] sowie den freilich arg verstümmelten Passus Philod. De piet. p. 105 Go., jetzt Nr. 79 ARRIGHETTI : άλλά κα[1 πρός Πολ]ύαινον [συνεορτασ]τέα κ' Άν[θεστήρι]α· καί γαρ τώ[ν θεών PHILIPPSON του θείου USENER] έπιμνηστέ[ον ώς αΐ] πολλών [άγαθών δντω]ν. PHILIPPSON (1925,479) hat, v o n dem ersten Zeugnis ausgehend (vgl. oben A n m . 257), auch die oben A n m . 257 unter c) aufgeführte K r i t i k an dem kyzikenischen Astronomen auf die Theologie beziehen und die άναίρεσις αποδείξεως als A u f h e b u n g des Beweises für das Dasein der (Volks) götter verstehen wollen, wozu der Vergleich mit Xenophanes zu passen schien (DIELS bei VOGLIANO 1928, 121, verwies auf X e n o phanes V S 21 Β 34: ούδέ τις έσται είδώς άμφί θεών τε καί οίσσα λέγω περί πάντων . . . δάκος δ' επί πασι τέτυκται). Doch ist diese spezielle Auslegung nicht verifizierbar, weshalb man heute allgemein mit einer generellen erkenntnistheoretischen Kontroverse rechnet (schon VOGLIANO a. O. 122; BIGNONE A P I I 80 f., v g l . 7 8 ; D I A N O 1946, 3 1 ; L I E B I C H 5 1 f . ; ARRIGHETTI 4 7 7 ;

LASSERRE

1 5 7 ; STECKEL R E a. O. 588, 589), wie j a auch die Xenophanes-Parallele eine weiterreichende D e u t u n g zuläßt. O b sich darin ein latenter Piatonismus des Kyzikenerkreises ausspricht, den E p i k u r als Skepsis deutet (BIGNONE a. O., LIEBICH a. O.), ist nicht zu entscheiden.

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Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

stanz ebenso ablehnen wie ihre Wendung ins Kontemplative, konnte aber ihren Hedonismus und den damit verbundenen ethischen Unterbau bejahen. Stand Aristoteles mit der extramundanen Position seiner Götter näher, so blieb Eudoxos doch in den Grundlagen des Hedonismus der verwandtere. Es empfiehlt sich daher jedenfalls, bei der Beurteilung des Verhältnisses von aristotelischer und epikureischer Theologie auch in der Frage des hedonischen Moments Zurückhaltung zu üben. Wenn Epikur hier überhaupt auf Präfigurationen in der älteren Philosophie zu beziehen und problemgeschichtlich einzuordnen ist, so kann Aristoteles nicht isoliert, sondern nur im Ganzen der akademischen Hedone-Diskussion gesehen werden, die die Frage eines theologischen Hedonismus stets einschloß. Ob dabei dem Hauptvertreter des Hedoniker-Flügels der Akademie, Eudoxos von Knidos, nicht die wichtigere Rolle zufällt 266 , muß offen bleiben. 5. Während Epikur mit Aristoteles die Vorbildlichkeit der Götter für die philosophische Lebensführung teilt, war für die im Epikureismus verbreitete Vorstellung von der,,Gottähnlichkeit" und der ,,Anähnlichung" (όμοίωσις) des Philosophen an Gott bei Aristoteles ein terminologisches Defizit zu verzeichnen. Nachdem schon Festugiere266 das Moment der religiösen Kontemplation (Theoskopie) bei Epikur mit Piaton verknüpft hatte, hat - nach einem knappen Hinweis Bignones267 - W. Schmid das Motiv der όμοίωσις τω θεω zum ersten Mal umfassend aus den epikureischen Texten herausgearbeitet und in seinen systematischen wie historischen Zusammenhang gerückt268. Dabei ergab sich bei der Auswertung aller epikureischen und platonischen Belege eine überraschende Nähe Epikurs zum Piatonismus, deren terminologische Eindeutigkeit es ausnahmsweise erlaubt, von historischer Dependenz zu sprechen269. Inhaltlich bieten die platonischen Belege jene VerknüpDen historischen Zusammenhang zwischen dem theologischen Hedonismus des Eudoxos und der Theologie Epikurs erwägt in der Nachfolge von E. Schwartz SCHADEWALDT a. O. 14Ö7· 2ββ FESTUGIERE 95 f. Vgl. dessen früheres Werk: Contemplation et vie contemplative selon Piaton, 1935 1 , 45 ff., 358 ff. 265

267

BIGNONE A P I 135.

SCHMID 1951 S. n o , 115, 127 ff., 139 f., 154 f. Die Belege oben S. 156 Anm. 219. 2β9 VGL jetzt bei D. ROLOFF, Gottähnlichkeit, Vergöttlichung und Erhöhung zum seligen Leben, Unters, z. Herkunft d. plat. Angleichung an Gott, Bln. 1970, 206, das abschließende Urteil über die vorplatonische Tradition: „In den entscheidenden Punkten - erstes Auftreten des Begriffs όμοίωσις θεω und Umwandlung der rechten Lebensführung aus einem bloßen Mittel zum Er2,8

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

171

fung der Gottähnlichkeit und Vergöttlichung mit der rechten Lebensführung und den ethischen άρεταί (δικαιοσύνη, σωφροσύνη), welche die aristotelische Wendung zur reinen θεωρία hin vermissen läßt, die aber für Epikur in verwandter Weise charakteristisch ist. Schmids Ergebnissen, die sich im einzelnen vielleicht noch etwas weiterführen ließen270, kommt daher für die historische Einordnung der epikureischen Theologie eine Art von heuristischer Schlüsselfunktion zu. Es mag darum von Interesse sein, ihre Basis nach Möglichkeit zu verbreitern und zunächst die Frage zu stellen, ob Epikur unmittelbar und ausschließlich auf die einschlägigen Stellen der platonischen Dialoge (Pol. 500 C 5 ff., 613 Β ι , Theait. 176 Β ι , vgl. C 2 , 1 7 7 A l f . ; Tim. 90 D 4 f.; Nomoi 716 C 6 ff.) zurückgegriffen hat oder nicht zugleich oder gar primär - in der Nachfolge des systematisierenden Piatonismus seiner Zeit steht. Zwar hat Epikur, wie seine Polemik zeigt, die 'Politeia' und den 'Timaios' Piatons gekannt 271 , doch wird der formelhafte Gebrauch der όμοίωσις τω θεω gemeinhin erst der Mittleren Stoa, die Verwendung als Telosformel erst dem kaiserzeitlichen Piatonismus zugeschrieben272. Sollte Epikur selbst das Motiv den - mit Ausnahme des 'Theaitet'-Passus - doch recht isolierten Platon-Stellen abgewonnen haben, so hätte der Heterodoxe die Tendenz und die Leistung der späteren platonistischen Schultradition in nuce antizipiert und im voraus der eigenen Lehre dienstbar gemacht. So wenig sich diese Möglichkeit ausschließen läßt, so sehr bleibt doch zu vermuten, daß Epikur sich hier bereits vorgeformter Interpretamente und Formeln bedient, die zum Lehrbestand der nachplatonischen Akademie gehörten und von dort aus in die konkurrierenden Schulen eindrangen. Schmid hat nun ganz richtig gesehen, daß die trümmerhafte Überlieferung altakademischer Philosophie keine Belege für die όμοίωσις τω θεω mehr erkennen läßt. Es besteht jedoch begründete Aussicht, die Bedeutung dieses Lehrstücks - das Wort ist dabei mit Bedacht gewählt - für den Älteren Piatonismus plausibel, ja wahrscheinlich zu machen. Dabei ist davon auszugehen, daß die an der 'Timaios'-Exegese werb 'ewiger Seligkeit' in die Angleichung an Gott - steht Piaton somit, der vorplatonischen literarischen Überlieferung nach zu urteilen, tatsächlich als Neuerer d a . " 270 Zu Philodems Ausdruck μειμεϊσθαι (De piet. p. 148 Go. col. 28, 16 f.) vgl. PL Pol. 500 C 5, 7; zu συνεΐναι (De dis I I I 1, 14) vgl. Symp. 2 1 1 D 6, 8, 2 1 2 A 2. 271 Vgl. unten S. 3 1 8 . 272 V g l z 3 Q A p e l t , Das Prinzip der platonischen Ethik, Plat. Aufsätze, 1912,

109 ff., 119 f.; H . M e r k i i ff.

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erwachsende philosophische Theologie der Akademie vor allem an Tim. 90 D anknüpfen mußte 2 7 3 . Dort war im Unterschied zu 'Politeia' V I und dem 'Theaitet' in der Astraltheologie und zuletzt im Demiurgen ein reales göttliches Vorbild gegeben, das es erlaubte, die Wendung von der όμοίωσις τω θεώ sowie die θεοφιλία wörtlich zu nehmen und unmittelbar in das System einer philosophischen Theologie zu überführen. In dieselbe Richtung weist zuletzt auch die Stelle Pol. 613 B , weil sie sich auf den folgenden kosmologischen Schluß-Mythos des Werkes (614 Α ff.) bezieht 2 7 4 , der seinerseits mit dem 'Timaios'-Mythos und insbesondere durch die Motive der Seelenordnung und des έντδς δαίμων - mit der Stelle go C/D durch zahlreiche F ä d e n verknüpft ist. Beide Belege deuten zumal auf die Mythen-Interpretation und die Dämonologie des Xenokrates, der in der Moiren-Allegorese (fr 5) nachweisbar den 'Politeia'-Mythos benutzt hat. In der T a t läßt sich zeigen, daß nicht nur Aristoteles an einer herausgehobenen Stelle der Nikomachischen E t h i k (K I i 7 7 b 31 ff.) 275 , die vielleicht auf einen platonisierenden Dialog zurückgeht 2 7 6 , sondern auch - es m u ß sich um ein gemeinakademisches Motiv handeln - Xenokrates an Tim. 90 C/D angeknüpft h a t : E r führt, wie dort Piaton, die „ E u d ä m o n i e " des ευδαίμων etymologisierend auf den guten, geordneten Seelen-δαίμων zurück, während umgekehrt - und hier ist Xenokrates selbständig 277 - die Unseligen (κακοδαί μονές) nach der Schlechtigkeit ihres δαίμων (δαίμονος κακία) benannt sein sollen 278 . 90 C 7 ff.: τφ δ' έν ήμΐν θείω συγγενείς είσιν κλήσεις αί τοϋ παντός διανοήσεις και περιφοραί" ταύταις δή συνεπόμενον 2καστον δει . . . τφ κατανοουμένφ τό κατανοούν εξομοιωσαι . . . όμοιώσαντα δέ τέλος ίχειν τοϋ προτεθέντος άνθρώποις ύπό θεών αρίστου βίου . . . 274 Nach 612 Β j ft. sollen die äußeren Vorteile der Gerechtigkeit von Seiten der Götter und Menschen im Leben und im Tode behandelt werden. 613 A/B faßt die Leistungen seitens der Götter, 613 E i . die der Götter und Menschen für die Lebenden zusammen, worauf 614 Äff. der Mythos die Folgen für die Abgeschiedenen entfaltet, in dem die kosmologisch gesehenen Moiren, die Buße und Lebenswahl überwachen, die Götter repräsentieren. 275 Zum Zusammenhang der beiden Stellen jetzt ausführlich I. DÜRING, Aristoteles, 1966, 471 f. Vgl. ferner 1179 a 22 f. (ό δέ κατά νουν ένεργων και τοϋτον θεραπεύων), EE Θ 1249 b 20 (τόν θεών θεραπεύειν καί θεωρεϊν) mit Tim. 90 C 4 (θεραπενοντα τό θείον). 276 So die Annahme von W. J A E G E R , Scripta minora, I 9 6 0 , 4 7 1 ('Protreptikos'). 277 Vgl. R. HEINZE, Xenokrates 144. Gegen Heinze kann wohl in beiden Zeugnissen der Bezug auf die Denkseele nicht ausgeschlossen werden. 278 Yg] Tim. go C 4 f.: (πασα άνάγκη . . .) ίχοντα . . . αυτόν εδ κεκοσμημένον τόν δαίμονα σύνοικον έαυτφ, διαφερόντως εύδαίμονα είναι mit Xs. fr 81 = Ar. Top. 112 a 36 ff.: όμοίως δέ καΐ εύδαίμονα, οδ άν ό δαίμων ή σπουδαίος, καθάπερ Ξενοκράτης φησίν εύδαίμονα είναι τόν τήν ψυχήν έχοντα σπουδαίαν- ταύτην γαρ έκαστου 273

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Xenokrates hat damit, wie mit seiner ganzen Dämonologie, stark auf Poseidonios gewirkt. Für Poseidonios, dessen Rückgriff auf die Ältere Akademie auch sonst vielfach belegt ist 279 , wird u. a. folgende Telosformel überliefert 280 : πρώτον έστι το κατά μηδέν άγεσθαι υπό του αλόγου τε και κακοδαίμονος καΐ άθέου της ψυχής, was näherhin erläutert wird: . . . του κακοδαίμονος βίου (αίτιον) τ£> μη κατά παν επεσθαι τω έν αύτοΐς δαίμονι συγγενεΐ τε δντι καί τήν δμοίαν (!) φύσιν έ'χοντι τω τον δλον κόσμον διοικοϋντι. Hier erscheint, wie Heinemann und Pohlenz treffend beobachtet haben 281 , in stoischer Umformung der gesamte Gedankengang von Tim. 90 C/D wieder, und zwar, wie man auf Grund des Etymologisierens annehmen darf, unter xenokratischem Einfluß. Hinzu tritt Weiteres: Areios Didymos schreibt bei Stobaios 282 die όμοίωσις θεω als τέλος nicht nur dem Sokrates und Piaton, sondern auch dem Pythagoras zu (έπου θεω), der den Gott nicht als sichtbaren, sondern als intelligiblen aufgefaßt habe (δήλον ώς ούχ όρατω και προηγουμένω, νοητω δέ καί της κοσμικής ευταξίας άρμονικω). E s ist klar, daß die hier vorliegende, vielleicht über Poseidonios führende platonistische Tradition eine Rückprojektion platonischen Lehrguts - in diesem Falle der όμοίωσις τω θεω und des zugehörigen Gottesbegriffs - auf Pythagoras vorgenommen hat, wie sie für die Ältere Akademie und - gerade in

είναι δαίμονα, S t o b . E e l . I V 40, 24 = V o l . V 9 2 5 , 13 ff. W . = X s . fr 8 3 : Ξενοκράτης ίλεγεν . . . δαίμονος κακία τούς πονηρούς κακοδαίμονας όνομάζομεν. Z u m Z u s a m m e n h a n g Α. Ε . TAYLOR, A c o m m e n t a r y o n P l a t o ' s T i m a e u s , 1 9 2 8 1 , N a c h d r u c k 1 9 6 2 , 6 3 1 infra. Zur F o r t w i r k u n g d e s X e n o k r a t e s i m F r ü h h e l l e n i s m u s P . BOYANCÄ, L e s d e u x d 6 m o n s p e r s o n n e l s d a n s l ' a n t i q u i t ö g r e c q u e e t latine, R e v . d e P h i l . 9, 1 9 3 5 , bes. 200 f. 279 v g l . z. B . R . HEINZE, X e n o k r a t e s , 1 8 9 2 , N a c h d r u c k 1 9 6 5 , 97 ff., 1 2 6 ff., 132 ff.; ANDRES, R E S u p p l . I I I (1918) s. v . ' D a i m o n ' Sp. 296 ff.; P h . MERLAN, P o s e i d o n i u s ü b e r d i e W e l t s e e l e in P i a t o n s T i m a i o s , P h i l o l . 89, 1 9 3 4 , 1 9 7 ff. ( S p e u s i p p ) , v g l . a u c h R . M. JONES, T h e P l a t o n i s m of P l u t a r c h , 1 9 1 6 , 7 6 ; z u l e t z t Μ. UNTERSTEINER, P o s i d o n i o nei p l a c i t a d i P i a t o n e s e c o n d o D i o g e n e L a e r z i o III, B r e s c i a 1970, 19 f., 29-34, 4^, 55 f·. 75. 8°. 87, 91; J. MANSFELD, T h e P s e u d o h i p p o c r a t i c t r a c t περί εβδομάδων Ch. ι - ι ι a n d Greek P h i l o s o p h y , Assen 1 9 7 1 , 160. 280 Galen, D e H i p p , e t P l a t . P l a c . 448, 15 if. Ml. 281 I. HEINEMANN, P o s e i d o n i o s ' m e t a p h y s i s c h e S c h r i f t e n I, 1 9 2 1 , 60, 6 4 0 . ; POHLENZ, D i e S t o a I 229, I I 1 1 5 , 1 3 3 ; d i f f e r e n z i e r e n d REINHARDT R E s. v . ' P o s e i d o n i o s ' Nr. 3 (1954) Sp. 748, der a u c h X e n o k r a t e s fr 8 1 e i n b e z i e h t („aber d a f e h l t e der B e z u g auf d e n A l l g o t t " gilt z w a r f ü r d a s F r a g m e n t , a b e r s c h w e r l i c h f ü r d e n g e d a n k l i c h e n Z u s a m m e n h a n g , d e m es e n t n o m m e n ist). V g l . a u c h L. EDELSTEIN A J P h 57, 1 9 3 6 , 3 1 5 A n m . 1 1 3 . - Zur P o s e i d o n i o s N a c h f o l g e MERKI 8 - 1 2 ; UNTERSTEINER 1 9 7 0 a. O. S. 85 f. s 82 S t o b . E e l . E t h . I I 7, 3 p . 49, 8 ff.. W .

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der Theologie 283 - speziell für Xenokrates kennzeichnend ist. Dabei ist wiederum daran zu erinnern, daß die Titelfigur des 'Timaios' Pythagoreer ist. Areios/Stobaios weisen im folgenden Satz selbst auf diesen Umstand hin, wenn sie das Telos der όμοίωσις τω θεω dreiteilen: είρηται δέ παρά Πλάτωνι κατά τό της φιλοσοφίας τριμερές, έν Τιμαίω μέν φυσικώς (προσθήσω δέ και Πυθαγορικώς) . . . έν δέ τη Πολιτεία ηθικώς• έν δέ τω Θεαιτήτω λογικώς281. Die hier zugrunde gelegte Dreiteilung der Philosophie ist aber diejenige, die Xenokrates als erster eingeführt und stets gelehrt hat (fr i). Auch wenn die hier vorliegende Anwendung nicht von Xenokrates selbst stammt, der immerhin auch sonst Dreiteilungen bevorzugt, so mag damit doch ein Hinweis auf den Ursprung der Tradition gegeben sein, in der die hier erscheinende Formel steht 285 . Darüber hinaus hat Xenokrates eine systematische Einteilung des Seienden nach den Gesichtspunkten des άγαθόν, κακόν und des οΰτε αγαθόν οΰτε κακόν gegeben (fr 76 Η. = Sext. Emp. X I 3), die in doppelter Dihairesis zunächst άγαθόν und ουκ άγαθόν einander kontradiktorisch gegenüberstellt und dann in einem zweiten Schritt innerhalb des ουκ άγαθόν konträr zwischen ουτε άγαθον ουτε κακόν und κακόν differenziert. Luschnat hat den Bericht als erster eingehend gewürdigt und gezeigt, wie die Stellung des stoischen προκόπτων innerhalb der notorischen stoischen Kontradiktion von άρετή und κακία von der xenokratisch-akademischen Einteilung her verständlich gemacht werden Vgl. oben S. 119 f. und Verf. UGM 56 ff. Was die in diesem Zusammenhang erscheinende 'Theaitet'-Stelle betrifft, so ist es auffällig, daß dort im Rückblick auf die 'Politeia' die όμοίωσις θεω von der Gerechtigkeit her definiert wird (176 Β 2 f.: όμοίωσις δέ δίκαιον και οσιον μετά φρονήσεως γενέσθαι, Β 8 ff.: θεός ούδαμη ούδαμώς άδικος, άλλ' ώς οΐόν τε δικαιότατος, και ούκ έστιν αύτω όμοιότερον ούδέν ή δς αν ήμών αύ γένηται δτι δικαιότατος, das gleiche gilt in der Tat auch für die Stelle Pol. X: ού γάρ . . . ύπό γε θεών ποτε αμελείται δς άν . . . έθέλη δίκαιος γίγνεσθαι καΐ . . . όμοιοϋοθαι θεφ). Δίκη heißt nämlich bei Xenokrates (fr 15) die Weltseele (vgl. oben S. 125 Anm. 83), dieselbe Weltseele, auf die hin sich im 'Timaios' 90 D die όμοίωσις vollzieht. Im Unterschied zur Fortwirkung bei Aristoteles (EN K) ist daher bei Xenokrates auch die ethische Relevanz einer όμοίωσις θεφ gewährleistet (vgl. auch fr 83: ol πονηροί!) und damit die entscheidende Verbindung zur hellenistischen Philosophie hergestellt. 285 Die Vermutung von H. DÖRRIE, die Telosformel des Areios Did. gehe auf Eudoros von Alexandria zurück (Hermes 79, 1944, 3 1 f·)· entbehrt jeder Grundlage und ist durch POHLENZ' Nachweis, daß schon Poseidonios sie verwendet, vollends unwahrscheinlich gemacht: vgl. dazu H. M E R K I 2. Gegen W . T H E I L E R S Versuch, das Referat mit S T R A C H E auf Antiochos v. A. zurückzuführen (Die Vorbereitung d. Neuplatonismus, Bln. 1930, Nachdruck 1964,

283

284

53) DÖRRIE a . O . 32.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

175

kann 286 . Luschnat hat auch erkannt, daß es sich hier um eine systematisierende Ableitung (άπόδειξις S. E. a. O.) des platonischen φιλόσοφοςBegriffs handelt, der im Zentrum der Einteilung steht (οΰτε άγαθόν ουτε κακόν)287. In der T a t ist der philosophierende platonische Eros im 'Symposion' (und ähnlich im 'Lysis') als ein Mittleres (μεταξύ, μέσον) zwischen άγαθόν und κακόν bestimmt, das selber ουτε άγαθόν ουτε κακόν ist 288 . Xenokrates mußte an einer Klärung der Begriffsverhältnisse umso mehr gelegen sein, als das 'Symposion' den Eros als Daimon einführt und in diesem Zusammenhang eine Grundlegung der Dämonenlehre entwirft (202 Ε f.), auf der die Dämonologie des Xenokrates weitgehend aufbaut. Für den hier verfolgten Zusammenhang ist es nun wichtig, daß der philosophische Eros des 'Symposion' durch seine Bedürftigkeit und zugleich durch das Bestreben (έπιθυμία 202 D 2) charakterisiert ist, sie zu überwinden und nach Art der Götter289 der σοφία teilhaftig zu werden (έπιθυμεΐ σοφός γενέσθαι 204 Α ι f., 3 f. vgl. Β). Darin liegt der Sache nach eine όμοίωσις τω Θεω, die folgerichtig in der θεοφιλία gipfelt (212 Α). D a Xenokrates den dynamischen Philosophiebegriff Piatons übernimmt und von der göttlichen σοφία abgrenzt (σοφία ανθρωπινή fr 6), wird man im άγαθόν der Einteilung, die sich umfassend als Seinseinteilung gibt (παν τό δν), in erster Linie die Götter des theologischen Systems, d. h. den als άγαθόν290 prädizierten transzendenten νοϋς-θεός (σοφία!) oder die providentielle Weltseele (Δίκη) nebst den Gestirngöttern erkennen dürfen 291 , an die sich der Philosophierende 286

287

288

289

290

291

O. LUSCHNAT, D a s Problem des ethischen Fortschritts in der A l t e n Stoa, Philol. 102, 1958, 178 ff., bes. 212 ff., Näheres unten K a p . I I I S. 229 f. LUSCHNAT 207-209, 2 1 1 ff., grundsätzlich bedeutsam für das Verhältnis der hellenistischen Philosophie z u m Piatonismus die Folgerung 2x4: „ G e w i ß haben Zeno und Chrysipp Piatos Dialoge eifrig studiert, aber die Systematisierung seiner Erkenntnisse haben nicht sie als erste vollzogen." S y m p . 202 Β 2 ff.: τόν "Ερωτα . . . μή είναι άγαθόν μηδέ καλόν, μηδέν τι μάλλον . . . αύτόν αισχρών καΐ κακόν είναι, άλλά τι μεταξύ . . . τούτοιν. Vgl. L y s . 218 Β ι f.: διό δή καΐ φιλοσοφοϋσιν οί ουτε άγαθοί ουτε κακοί πω οντες (vgl. 217 Ε 4 ff·)· S y m p . 204 A l f . : θεών ουδείς φιλοσοφεί ούδ' έπιθυμεΐ σοφός γενέσθαι ίστι γάρ, 2θ2 C ff., bes. D 13 f.: παν τό δαιμόνιον μεταξύ έστι θεοϋ τε και θνητοϋ, vgl. L y s . 218 A 2 ff.: . . . φαΐμεν αν . . . τούς ήδη σοφούς μηκέτι φιλοσοφείν, είτε θεοί είτε άνθρωποι είσιν, Phaidr. 278 D 3 ί · : τό μέν σοφόν . . . δοκεϊ . . . θεώ μόνω πρέπεητ τό δέ . . . φιλόσοφον, eindringlich das Bild der Götterschau (θεωρία, θεών βίος) im M y t h o s des 'Phaidros' 247 Β 6 — 248 Α ι in der Unterscheidung von „ d e n übrigen Seelen". A e t . I 7, 18; vgl. I 7, 3 1 ; Ps. Galen, hist. phil. 35 = D. Gr. 618, 12 ff. D . Vgl. oben S. 119. D i e spätere Doxographie bezieht die Formel auf den θεός κοσμοποιός καΐ κοσμοδιοικητικός: Ar. Did. b. Stob. a. Ο., oder den θεός έπουράνιος (die W e l t -

176

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

im Sinne einer όμοίωσις θεώ anzugleichen trachtet. Wo die Philosophie, wie bei Xenokrates, zu einem guten Teil - und weit mehr als bei Piaton 292 - zur philosophischen Theologie geworden ist, war es aber dann fast unvermeidlich, den im ,,Philosophie"-Begriff von jeher angelegten theologischen Bezug im Begriff der όμοίωσις θεω auch terminologisch explizit zu machen. 6. Ähnliches wie für die όμοίωσις θεω gilt für die Seinsweise der Götter. Zunächst ist die Intelligibilität der Götter (λόγω θεωρητοί D. L. X 139, non sensu sed mente cernatur Cie. n. d. I 49, natura deum longe remota sensibus ab nostris animi vix mente videtur Lucr. V 148 f.) wie überhaupt die Unterscheidung zwischen sinnlicher und übersinnlicher Wahrnehmung (διάνοια, νοϋς, λόγος), die Demokrit noch abgeht293, ohne die platonisch-aristotelische Noologie und die zugehörige Unterscheidung zweier Seinsbereiche kaum denkbar294. Freilich ist die übersinnliche Existenz der Götter selber, ihre Durchsichtigkeit (perlucidi), Feinheit (λεπτομερές, exile, tenue) sowie ihr geringer Grad an Gewicht (levis)295 und materieller Dichte (πυκνότης, πύκνωμα, soliditas)296 innerhalb des atomistischen Systems durch die Notwendigkeit begründet, sie der Vergänglichkeit allzu massiver Körperlichkeit zu entziehen: Andringende Fremdkörper (aliena salutis, αλλότρια, άλλόφυλα, άνοίκεια)297 können so außer durch Repulsion auch durch - gleichfalls durch παρέγ-

292

293

seele): Alb. Didask. X X V I I I p. 181, 36 Herrn, (mit dem folgenden Wortspiel δαίμων - ευδαιμονία/κακοδαιμονία). Eine philosophische Theologie begann Piaton erst im Spätwerk zu entwickeln, was u. a. erklärt, daß die όμοίωσις θεφ im 'Symposion' noch nicht formuliert wird. GOEDECKEMEYER 8 3 - 9 2 .

2 49: „Epikur kommt hier dem für Piaton und Aristoteles selbstverständlichen Gedanken nahe, daß die Gottheit ein geistiges Wesen sei und nur mit dem Geiste erfaßt werden könne." 295 philod. De dis III 11, 13; 13, 11 f. (λεπτομερές); Lucr. V 148 (tenuis natura); Cie. n. d. I 74, 123 (species pura levis perlucida, deus exilis . . . atque perlucidus), div. II 40 (deos perlucidos et perflabilis). Zu den Ausdrücken liniamenta, dei adumbrati, monogrammi (Cie. n. d. I 75, 98, 123; II 59, vgl.

294

GIGON

USENER E p . p . 234 A p p . ) P E A S E 392 f .

2ββ Philod. De dis III 11, 7 f.; 19 f.; 21 (xb μή πύκνωμα στερέμνιον ύποκεΐσθαι, πυκνότης νοητή); Dem. Lac. Pap. Here. 1 0 5 5 col. 2 1 p. 78 DE FALCO (ούδέν αίσθητόν άθάνατον ή πυκνότης γάρ άντεικόπτει πρός τοϋτο, δεχομένη πληγάς ίσχυράς); Cie. n. d. I 49, 75, 105 (nec soliditate quadam, nec esse in ea ullam soliditatem, nihil concreti, nihil solidi, vgl. dazu PHILIPPSON, Symb. Osl. 19, 1939. 3 3 ; P E A S E 3 1 5 ) . 297

Philod. De dis III fr 18, 5 f.; fr 32 a, 3 f.; fr 41, 1 ff.; fr 53, 2; fr 54 a, 2; fr 77, 2 f.; vgl. fr ι, 14; Lucr. III 821.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

177

κλισις gesteuerte298 - Ausweichbewegungen des nach Art der verwandten Seelenstruktur299 weitmaschigen Atomnetzes abgewehrt bzw. unterlaufen werden. Aber die Verhältnisse der Analogie und der Ähnlichkeit (άναλογία, όμοιότης, similitudo)300, die sich zwischen sinnlich und übersinnlich wahrnehmbaren Atomaggregaten einstellen - dazu zählen auch Wendungen wie σύγκριμα νοητόν, πυκνότης νοητή, quasi corpus, quasi sanguis u. dgl.301 erinnern an jene Verfahren des έπιλογισμός, die wohl schon Epikur selbst in der erkenntnistheoretischen Grundschrift behandelt hat (D. L. X 32 = fr 36 Us.: άναλογία und όμοιότης neben περίπτωσης und σύνθεσις) und die zusammenhängend und gleichfalls auf die Theologie bezogen bereits in der 'Metaphysik' Theophrasts auftreten (4 b 12 f.: είτε κατ' άναλογίαν εΐτεκατ' άλλην όμοίωσιν, vgl. 8 a 19 f.; 9 a 2 1 f·)· Da beide Methoden auch im Bereich der Stoa302 und des Mittel- und Neuplatonismus eine Rolle spielen303, läßt sich die gemeinsame Abkunft vom Älteren Piatonismus erschließen. Tatsächlich hat schon Stenzel304 gezeigt, daß die Auffassung der Analogie als Spezialfall der όμοιότης bei Theophrast auf den akademischen Ähnlichkeitsbegriff, vor allem in der Ausprägung der "Ομοια Speusipps hinweist, dem Theophrasts 'Metaphysik' auch sonst auffallend nahesteht305. Die bei Theophrast als dritte hinzutretende Methode καθ' ύπεροχήν (4 b 13 ff.: άνάγκη δ' ίσως δυνάμει τινί και υπέροχη των άλλων λαμβάνειν, ώσπερ αν εΐ τόν θεόν) erscheint wie das Verfahren der „Abstraktion" (άφαίρεσις) auch im kaiserzeitlichen Piatonismus308. Sie steht 298

K . KLEVE,

Die Unvergänglichkeit der Götter im Epikureismus, Symb. Osl.

36, I960, b e s .

123-126.

Lucr. I I I 370 ff. 300 Philod. De dis I 2, 8 ff.; 7, 31; I I I fr 6, 5 ff.; fr 37, 2 ff.; fr 39 d, 2 f.; fr 60 b, 3, vgl. 60 a, 5; vgl. De signis col. 22, 15 ff.; Cie. n. d. I 75, 97 f. (similitudin.es). 301 Philod. De dis III 11, 19, vgl. fr 6, 5 ff.; Cie. n. d. I 49, 68, 71, 73 f. 302 D. L. V I I 52, Sext. Emp. V I I I 56 = S V F I I 87/8, vgl. Sext. Emp. I I I 40, I X 393 ff., Cie. fin. I I I 33. Dazu RIETH, Grundbegriffe d. stoischen Ethik, Probl. 9. 1933. 6 5 ; M. SCHÄFER, Ein frühmittelstoisches System bei Cie., Diss. München 1934, I 7 7 POHLENZ, Grundfragen d. stoischen Philosophie, Abh. Gött. Ges. d. Wiss., phil. hist. Kl. III 26, 1940, 86 Anm. 4. sea vgl. Verf. UGM 105 f., 350 f. 304 J . STENZEL ZG 3 1 5 9 f.; dort auch die Zuriickführung der Reihe αριθμώ - εϊδει - γένει - άναλογία und des Analogiebegriffs (Theophr. Met. 9 a 4 ff.) auf die mathematisierende Methodenlehre der Akademie. 305 vgl. Verf., Rh. Mus. i n , 1968, 327 Anm. 125. Speusipp Test. 4, fr 5 ff. L., Ar. Top. A 17/8. 3oe Vgl. Verf. UGM a. O. Das Verfahren κατ' άφαίρεσιν klingt bei Theophrast Met. 5 a 11-13 an und ist bei Aristoteles ausreichend belegt. Vielleicht besteht ferner ein Zusammenhang mit der indirekten, negativen Erkenntnis, über die 299

178

Theologie und Prinzipienlehre v o m Timaios zum Frühhellenismus

im Zusammenhang mit dem argumentum ex gradibus beim frühen Aristoteles (De philos. fr 16 W. u. R.), das seinerseits dem πρότερονΰστερον-Verhältnis des akademischen Stufenbaus, d. h. einer reihenhaften, ursprünglich ebenso wie die άφαίρεσις mathematisierenden Struktur folgt307. In der epikureischen Theologie entspricht dem Weg καθ' ύπεροχήν die αΰξησις, die durch Steigerung menschlicher Verhältnisse zum Begriff einer höchsten (άκρον) göttlichen Eudämonie und Dauer aufsteigt308. Zwar hat Philippson309 diesen Weg mit der jungepikureischen μετάβασις des Schlußverfahrens in Verbindung bringen wollen, doch war er der Sache nach in der epikureischen Theologie von jeher enthalten und dürfte, wenn man den Vorgang der platonistischen Methode καθ' ύπεροχήν im Verein mit dem Analogie-und Ähnlichkeitsverfahren in Rechnung zieht, auch schon frühzeitig formuliert worden sein310. Wesentlicher ist indessen die allgemeine und entschiedene ontologische Aufwertung, die die Götter im Epikureismus gegenüber dem älteren Atomismus Demokrits erfahren311 und die die Regeln des atomistischen Systems - ewig sind nur Atome und Leeres, alle συγκρίσεις sind geworden und vergänglich - in einem Spezialfall gleichsam außer Kraft setzt312. Wie dies im einzelnen ethisch (Arete) oder physikalisch

307

308 309 310

Theophr. 9 a 18 ff. kritisch referiert (εί δέ καΐ ένια γνωστά τφ άγνωστα είναι, καθά πέρ τινές φασιν, ίδιος αν ό τρόπος εϊη, vergleichbar T h . selbst 8 b 13 ff.), obgleich dabei ursprünglich an ein eristisches A r g u m e n t gedacht zu sein scheint: vgl. Arist. R h e t . Β 24, 1402 a 2 - 7 ; Soph. El. 25, 180 a 32 ff.; W . D. R o s s , Theophrastus Metaphysics, Oxf. 1929, K o m m . p. 67 f. Zur N e g a t i v i t ä t der Prinzipien bei Speusipp Verf. U G M 351-355. Arist. spricht dort v o m άριστον und v o m πρώτον und άκρότατον entsprechend dem πρώτον in der Reihe (πρώτη ούσ(α!). Z u m daran anschließenden Argument für die Unveränderlichkeit des Gottes vgl. Piaton Pol. 380 f. - I m übrigen ist auch die Analogie ursprünglich reihenhaft gesehen: Verf., K a n t Studien 58, 1967, 345. Sext. E m p . I X 43-46. S y m b . Osl. 20, 1940, 31 f. D a s Verfahren κατ' άφαίρεσιν der Sache nach bei Philod. De dis I 2, 8 ff. D., v g l . d a z u AMERIO 109.

311

312

D a z u grundlegend der Vergleich bei V . E . ALFIERI, A t o m o s Idea, 1953, 164 ff.; zur Theologie Demokrits vgl. ferner W . JAEGER, Die Theologie der frühen griechischen Denker, Stuttgart 1953 (Nachdruck D a r m s t a d t 1964), 205 ff., 299 ff.; kurz MERLAN i960 S. 65 f.; W . K . C. GUTHRIE, A History of Greek Philosophy II, 1965, 478 ff. Zu weitgehend M c GIBBON, T h e religious thought of Democritus, Hermes 93, 1965, 385 ff., dagegen j e t z t richtig Η. EISENBERGER, Demokrits Vorstellung v o m Sein u. W i r k e n der Götter, Rh. Mus. 113, 1970, 141 ff., bes. 157 f. V g l . Phüod. D e piet. fr 121, 6 ff. p. 136 Go., in der Textfassung von PHI-

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(Übersinnlichkeit, παρέγκλισις) bewerkstelligt wird, interessiert hier weniger als die Tatsache, daß Epikur mit der Annahme der Unvergänglichkeit (άφθαρσία)313 des göttlichen Bereichs innerhalb des Atomismus eine Wendung vollzieht, die im Vergleich mit Demokrit als eine Annäherung an das Zwei-Welten-Modell des Piatonismus erscheinen muß. Daß zwischen dem exzeptionellen ontologischen Status der epikureischen Götterwelt und der klassischen Metaphysik Beziehungen bestehen, lassen zunächst äußere Übereinstimmungen der Terminologie vermuten, die bereits Philippson314 gründlich herausgearbeitet hat, ohne freilich ihrer vollen Tragweite gewahr zu werden. Es handelt sich um die Unterscheidungen des ταύτόν (κατ* άριθμόν) — δμοιον (— ταύτόν ε'ίδει : όμοείδεια) — ετερον sowie des Sv — πολλά, die untereinander in einem näher zu bestimmenden Zusammenhang stehen. Sie dienen zunächst der Unterscheidung der atomaren Bestandteile der συγκρίσεις316 sowie der von ihnen ausgehenden Bilderarten 316 : Bestandteile und Bilder können entweder demselben Individuum angehören (ταύτά) oder aber artgleichen - und insofern verwandten Individuen entstammen (δμοια), während artfremde Bestandteile (έτερα) auf Individuen zurückgehen, die nicht derselben Art angehören, und daher als fremdartige (άλλόφυλα, άλλότρια, άνοΐκεια u. a.) schädlich zu wirken vermögen. Daraus ergeben sich Gradunterschiede im Begriff der Einheit (ένότης) der Individuen, je nachdem, ob es sich um Atome, Götter oder vergängliche (innerkosmische) Atomkomplexe handelt 317 . LippsoN 1918, 373 f.; 1921, 393; fr 122, 8 ff. p. 137 Go. ( = Metrodor fr 9 K Ö R T E ) in der Fassung von P H I L I P P S O N 1921, 394; vgl. 1918, 374. Die beiden Texte mit etwas abweichenden Ergänzungen auch bei DIELS III 31 Anm. 1. Ferner Lact. De ira 10, 28 = fr 354 Us.; Orig. C. Cels. IV 14. 313 Die beiden Wesensbestimmungen der Götter: άφθαρσία und εύδαιμονία, bedingen einander wechselseitig, weil ein Defekt der Eudämonie, ζ. B. Schmerz, zur Störung und zuletzt zur Auflösung führt, vgl. Philod. De dis III fr 13, 3 ff.: 8τ)[λ]ότατον δτι της αφθαρσίας στοχασαμένους σ[τ]ερήσαι της ευδαιμονίας αύ[τούς] στερητέον sowie P H I L I P P S O N 1916 S. 597· Daß umgekehrt die Unvergänglichkeit die höchste Eudämonie bedingt, beweist, daß Epikurs Lehre im Letzten an einem Ideal orientiert ist, das den Leistungsanspruch der Ethik trotz aller Annäherung zwischen dem Weisen und Gott übersteigt: Die Zeitüberhobenheit des σοφός (vgl. dazu unten Kap. III S. 188 ff.) wird durch die Ewigkeit des Gottes eingeschränkt. Darüber gut G. NEBEL, Epikur, in: Griechischer Ursprung, 1948, 286. 314 R. P H I L I P P S O N 1918 S. 370-381; vgl. ders., Hermes 54, 1919, 216 f. 315 Ich folge darin mit einigen Einschränkungen den Ermittlungen P H I L I P P S O N S 1916 S. 586-593; 1918 S. 374-381. 318 Dafür kann auf die oben S. 137 f., 1440. referierte These L E M K E S verwiesen werden. 317 Für die Einbeziehung der Atome kann man sich wohl mit P H I L I P P S O N (1916 S.

180

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

Während die Atome stets aus denselben Bestandteilen (Minima) zusammengesetzt sind, vollzieht sich bei den göttlichen Aggregaten ein immerwährender Stoffwechsel, der aber auf artgleiche (δμοια) und daher zugehörige (οικεία) Bestandteile beschränkt bleibt; die vergänglichen Komplexe unterliegen demgegenüber der Einwirkung auch fremdartiger Körper, die sie nicht abwehren können und die daher zunächst ihre qualitative und quantitative Veränderung („Altern") und zuletzt ihre Auflösung herbeiführen. Nur die Götter bleiben daher neben den Atomen - stets ein und dieselbe Wesenheit ([κα]τά συντέλεσαν] ε [ν] και ταύ[τόν συν]εχω[ς υπάρχον Philod. De piet. col. 83, 9 - 1 1 p. 113 Go. = Nr. 18/3 p. 171 Arrighetti, nach Epikurs περί όσιότητος Β, [έ]ν κ(αί) ταύτί> κα[τ' ά]ριθμδν πρδς τ&ν αιώνα Philod. De dis I I I 10, 22 f. D.) und sind in diesem Sinne ένότητες genannt; die αίσθηται ένότητες hingegen bewahren ihre Identität nur als Individuen, aber nicht notwendig als Individualitäten 318 , wobei zwischen Aggregaten unterschieden wird, die, wie der Kosmos und die Gestirne, eine Weltzeit überdauern oder die sich nur eine kurze Spanne Zeit erhalten können (των αισθητών ένοτήτων . . . [τ]ών μ[έν εις] τόν άιω[να] διαμενουσών τε κα[1 ά]λλαττομένων, των [δ' όλιγοχρονίων] Dem. Lakon Pap. Here. 1055 col. 7 p. 70 De Falco, ούχ [έ]ν κ(αί) ταΰτδ κα[τ' ά]ριθμδν πρός τόν αίώνα, καθάπερ ήμεΐς ο319 πρ(δς)

318

319

589 f.; 1918 S. 375_378) auf Philod. De piet. fr 80 und 83 berufen (Einheiten aus identischen Bestandteilen). Deutlicher ist der Vergleich gezogen Philod. De dis III fr 39 d, 5 f.: ουτ' δφθαρτον οΰ[τως] τόγ θεί>ν έπεβ[λέ]ψαμεν ώς τάς άτ[ό]μ[ου]ς sowie an der von Ph. konfrontierten Lukrez-Stelle I 609 ff., wo die aeterna simplicitas der aus minimae partes aufgebauten Atome dem κατά συντέλειαν 6v καΐ ταύτόν Philodems entspricht (vgl. im Text das Folgende). £v κατ' αριθμόν bezeichnet in diesem Zusammenhang die Individuität, d. h. die Konstanz des Einzelwesens, ταύτό κατ' άριθμόν die (qualitative) Individualität, d. h. die Konstanz der Eigenschaften. (Gegenbegriffe sind im ersten Fall πολλά, im zweiten ομοια und έτερα, doch kann in einem erweiterten Sinn auch hier von πολλά die Rede sein: vgl. das oben folgende Zitat aus Philod. De dis I I I 10, 36 ff.). Nur den (Atomen und) Göttern kommt beides, die Konstanz der Individuität und der Individualität, d. h. die Identität auch der Form zu, während alle übrigen Aggregate sich nicht nur stofflich, sondern auch der Form nach ständig wandeln (vgl. P H I L I P P S O N 19x6 S. 587 ff.). Ich folge trotz den sprachlichen Bedenken von D I E L S I I I 36 Anm. 1, der selbst 6 schreibt, der überlieferungsnäheren Textfassung von P H I L I P P S O N 1916 S. 587; 1918 S. 379. Aus Diels' Version ergäbe sich eine Hervorhebung des Menschen, die im vorliegenden Zusammenhang kaum zu rechtfertigen wäre. Anders nach neuer, freilich unsicherer Lesung die an S C O T T I anschließende Vermutung von A R R I G H E T T I , Studi class, e orientali 7, 1958, 94 ff. ([κ(αί)]) mit weiterreichenden Folgerungen, die jedoch das Gesamtresultat Philippsons Abstufung der Einheit und Identität von den Atomen über die Götter zu den vergänglichen Aggregaten - nicht in Frage stellen können.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

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[δλον] τον ßio[v] Philod. De dis III col. io, 22 f. D.)· Die Einheit und Identität, wie sie den Göttern zukommt, wird schon bei den Gestirnen in Mitleidenschaft gezogen, die durch die Positionsänderung im Kosmos gleichsam zu - einander nur gleichartigen - Vielheiten werden: εν γαρ είναι δει τί> κινούμενον, άλλ' ού πολλ[ά] επί των έξης τόπων, και τύ ζών άεί τ αυτόν, άλλ' ούχ δμοια πολλά (Philod. De dis III ΙΟ, 36-38 D., vgl. ετερα io, 21; ετέρω[ν\ I i , 1). Hier werden deutlich dem έν die πολλά und dem ταύτόν die δμοια und έτερα entgegengesetzt320, έν und ταύτόν im strengen Sinne sind nur die Götter, alle intramundanen Aggregate erscheinen demgegenüber als ständig sich (qualitativ) wandelnde und zuletzt vergängliche ,,Andersheiten" und „Vielheiten". Philippson hat diese Unterscheidungen, die auch in den durch Demetrios und Philodem erhaltenen Einzelheiten gewiß auf Epikur selbst zurückgehen321, angelegentlich mit den aristotelischen Erörterungen über έν - πολλά, ταύτόν - έτερον und δμοιον in den Büchern Δ und I der 'Metaphysik' verglichen322 und dabei auch schon die Herkunft der gesamten Thematik aus Piatons περί τάγαθοϋ ins Auge gefaßt323. Dank jüngeren Forschungen sehen wir darin heute etwas klarer, z. B. steht es fest, daß die Reihe άριθμφ - εϊδει - γένει - άναλογία έν (ταύτόν) bereits akademisch ist und daß neben und vor Aristoteles auch Speusipp den Problemkreis von ταύτόν - έτερον und δμοιον weiter auf seine logischen Konsequenzen hin untersucht hat324. Darüber hinaus hat Philippson zwei Belege platonistischer Tradition (Plut. De Ε apud Delphos 392 D - 393 D, Philon Leg. all. 166) zum 320

821

Dagegen bleibt PHILIPPSONS Beziehung von τά πολλά Philod. De piet. fr 80 p. xio, 25 auf die ένότητες Ζ. 12 bzw. die θεοί unsicher (1916 S. 593; 1918 S. 376; ebenso AMERIO 1 2 4 ) ; es kann sich auch um einen adverbialen Ausdruck handeln. - Im Unterschied zu den Göttern, wo sich δμοιον auf die verschiedenen Exemplare einer Art bezieht, dient es im oben vorliegenden Zusammenhang zur Bezeichnung der Nichtidentität eines einzelnen Individuums mit sich selbst. Entsprechendes gilt für έτερον. Die Götter als ένότητες für Epikur gesichert durch das Zitat aus περί δσιότητος bei Philod. De piet. fr 80, 12 p. 110 Go. = Nr. 18, 4 ARRIGHETTI (fr 40 Us.), vgl. fr 83, 12 p. 1 1 3 Go. = Nr. 18, 3 ARRIGHETTI (fr 39 Us.) mit der Ergänzung v o n PHILIPPSON b z w . ARRIGHETTI.

322 PHILIPPSON 1 9 1 8 S . 3 7 0 ff. 82a PHILIPPSON 1 9 1 8 S . 3 7 0 A n m . 2. 324

Vgl. J. STENZEL ZG3 1 5 9 ff.; ders., Kleine Schriften z. griech. Philos., Darmstadt 1 9 5 6 , 1 9 4 ff.; Verf., Rh. Mus. i n , 1968, 3 0 0 - 3 0 3 . Vgl. die Vermutung von D I A N O 1 9 4 9 S. 206 mit dem Hinweis auf Ar. Top. 103 a 8. - Speusipp fr 3 1 a = Ar. Anal. post. 97 a 8-11; vgl. fr 3 1 b-e. STENZEL RE III A (1929), s. v. 'Speusippos' Sp. 1 6 5 0 ff.; vgl. E. HAMBRUCH, Logische Regeln d. plat. Schule in d. arist. Topik, 1904, 27 ff.

182

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

Vergleich herangezogen 325 , wo die Einheit und Identität des Gottes der Vielheit (πολλά, πολλοί) und Diversität (έτερος έξ ετέρου, ό αυτός ούκ εστίν) der ständig sich wandelnden Einzelwesen (ώς ήμών έκαστος ~ καθάπερ ήμεϊς Philod. a. Ο. I I I ίο, 23) gegenübergestellt ist. Wenn sich diese mittelplatonische Unterscheidung bis zur Theologie der Älteren Akademie zurückverfolgen läßt, dann ist über die bloß terminologische Anlehnung hinaus ein innerer Zusammenhang zwischen der klassischen Zwei-Welten-Lehre und der epikureischen Unterscheidung unvergänglicher und vergänglicher Wesen hergestellt. Dies ist in der Tat in ausreichendem Grade möglich: Der aus dem Demiurgen des 'Timaios' entwickelte πρώτος θεός des Xenokrates ist bekanntlich 326 έν (fr 28 H.) und μονάς (fr 15 H „ Aet. Plac. I 3, 8; I 7 , 1 8 ; Ps. Gal. Hist. Phil. 35; vgl. ή τοϋ ένος φύσις Aet. I 7» 18; τό έν, τό μονοφυές, τ£> μοναδικόν Aet. I 7, 3 1 > πρώτος θεός αμέριστος Porph., De abst. I I 37)327 in einem Sinne, der sich aus der Entgegensetzung des Materialprinzips als ά-εν-α-ον (fr 28 H.) oder Ursache der Vielheit (πλήθος fr 28, Aet. I 7, 18 fin.) ergibt, άέναον ist eigentlich das Ewigfließende und -bewegte 328 , also Prinzip der Veränderung in der wahrnehmbaren Welt, womit der Charakter der Vielheit eng zusammenhängt. Der transzendente göttliche Bereich ist demgegenüber, da immateriell, sowohl unteilbar-einheitlich als auch unveränderlich-beharrend: Der Titel μονάς, αμέριστος usw. knüpft an die Unterscheidung von ουσία αμέριστος und μεριστή (σκεδαστή) und von φύσις τοϋ αύτοϋ und τοϋ ετέρου, d. h. zwischen dem Unteilbar-Identischen des immateriellen und dem Teilbar-Anderen des körperhaften (κατά τα σώματα) Bereichs im 'Timaios' an (35 Α f., 3j A-C) und enthält wohl auch eine etymologisierende Anspielung auf μένειν (nach Tim. 42 £)329. Die beiden Aspekte entsprechen der epikureischen Unterscheidung von έν - πολλά und von ταύτόν - έτερον (δμοιον) im Verhältnis von unvergänglichen und vergänglichen Atomaggregaten. Daß die vergängP H I L I P P S O N , Z U Philodem περί θεών άγωγης, Hermes 54, 1919, 216 f. („Beleg" dafür, „daß die Epikureer hier mit platonisch-peripatetischen Gedanken pflügen"). 82β Ygj j m vorigen Abschnitt S. 118 ff. 327 Xenokratisch nach H E I N Z E , Xenokrates 119 ff.; B O Y A N C Ä REA 50, 1948, 225 f. mit Anm. 3; Verf., Theologie u. Philosophie 44/4, 1969, 485 Anm. 82. 328 v g l p! Nomoi' 966 Ε 2. 329 Vgl. Verf., Theologie u. Philos. 1969, 485 Anm. 83 mit weiteren Bezügen. Zur systematischen Auswertung der beiden Begriffspaare in der Akademie vgl. auch Xenokrates fr 68; ferner das Referat Arist. De an. 404 b 17 (zur letzten Stelle vgl. die Erklärung K . G A I S E R S in: AHAW 1968/2, 50, 63 sowie Xenokrates fr 39). 325

R.

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

183

liehen Einzelwesen auch bei Xenokrates nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch als einzelne πολλά sind, ergibt sich aus ihrer Wandelbarkeit, die durch Stellen der platonischen Schriften eindrucksvoll belegt wird330. Hier zeigt es sich, daß von der philosophischen Theologie und 'Timaios'-Interpretation der Akademie direkte Verbindungslinien zur Theologie Epikurs hinüberlaufen. Aristoteles tritt hingegen trotz seines wahrscheinlich reicheren analytischen Potentials zurück, weil bei ihm die Begriffe έν - πολλά (πλήθος), ταΰτόν - έτερον u. dgl. ihre metaphysisch-theologische Bedeutung entweder eingebüßt haben (Metaph. Λ) oder nicht mehr deutlich genug erkennen lassen (Metaph. Γ 2, Κ 3)331. Auf ein weiteres Indiz sei in diesem Zusammenhang kurz hingewiesen : Die πυκνότης νοητή der epikureischen Götter erinnert stark an Xenokrates fr 56 H. = Plut. De fac. lun. 943 Ε f., wo der Terminus πυκνόν - im Unterschied zu Aristoteles, der den Ausdruck nicht signifikant gebraucht, - als Bezeichnung einer Wesenseigenschaft von Körpern in statu nascendi beobachtet werden kann. Die platonische Unterscheidung von Welt und Überwelt hat offenbar ganz ähnlich wie in der Stoa332 auch im Epikureismus die Unterscheidung zweier qualitativ verschiedenwertiger Bereiche innerhalb der materiellen Welt befördert und mit ihren begrifflichen und kategorialen Mitteln zu deren Ausgestaltung beigetragen. Im Lichte dieses Zusammenhangs erweist sich der ontologische Ausnahmestatus der epikureischen Götter im atomistischen System als kryptoontologisch in dem wohlverstandenen Sinne, daß er zwar die Grenzen der spezifischen 330

Symp. 207 D ff. (ούδέποτε οί αύτοί έσμεν . . .), 'Phaidon' 78 D f. (οΰτε αύτά . . . ούδαμώς κατά ταύτα), Pol. 479 Α ff., 523 C ff., vgl. das μεριστόν und έτερον κατά τά σώματα des 'Timaios' (oben im Text). Zur Fortwirkung in der aporetischen Akademie, die an die Ältere anknüpft, oben Kap. I S. 60 ff.. - Im übrigen steht die aristotelische Unterscheidung von Wesenheiten und Eigenschaften in engem Zusammenhang mit einer gleichartigen akademischen Einteilung, darüber zuletzt Verf., Rh. Mus. i n , 1968,

αΰτοϊς ούτε άλλήλοις ούδέποτε

317 & Zu den kontroversen Texten von Met. Γ 2 und Κ 3 vgl. jetzt die eingehende Interpretation bei HAPP, Hyle, 1971, 421-447. A u c h von der Vorstellung der generischen Identität (ταύτό εϊδει) im sublunarischen Kreislauf der Elemente und der Einzelwesen einer Gattung De gen. et corr. B 1 1 , 338 b und möglicherweise im Dialog 'De philosophia' (B. EFFE, Zetemata 50, 1970, 41 ff., 163) führt kein W e g zu Epikur, der umgekehrt platonisierend die Nichtidentität hervorhebt und zwar stets im Blick auf die Veränderung des einzelnen Individuums. 882 Vgl. den vorhergehenden Abschnitt S. 128 ff., vgl. 123 ff.

331

13 Krämer, Platonismus

184

Theologie und Prinzipienlehre vom Timaios zum Frühhellenismus

atomistischen Ontologie keineswegs überschreitet, aber doch innerhalb ihrer eine Schwerpunktsverlagerung bewirkt, die auf den untergründigen Einfluß einer zweiten andersartigen, teils rivalisierenden, teils imitierten, teils legitimierenden - die Motive lassen sich kaum trennen Ontologie zurückweist. In der Geschichte der philosophischen Theologie aber stellt sich Epikurs Theologie dar als der Versuch, den anthropomorphen Gottesbegriff der religiösen Tradition in maßvoller Weise mit dem von Xenophanes über Piaton ins vierte Jahrhundert hereinreichenden rationalen Gottesbegriff zu verbinden und so zu einer gereinigten (Deismus gegenüber dem Theismus der Volksreligion) und zugleich erhöhten (Ewigkeit und qualitative Unveränderlichkeit der Götter) Form weiterzubilden.

V. Auf Grund aller einzelnen Vergleiche ist es möglich, abschließend ein Gesamturteil über die Stellung der epikureischen zur klassischen Theologie zu formulieren. Da sich im vorigen gezeigt hat, daß die herkömmliche Konfrontation Epikurs mit der aristotelischen Theologie durch diejenige mit dem zeitgenössischen Piatonismus ergänzt werden muß, wird eine Synkrisis des Platonisch-Akademischen und des Aristotelischen dabei unvermeidlich sein. Zunächst ist festzustellen, daß es sich bei der Mehrzahl der Vergleichspunkte lediglich um Analogien und Affinitäten handelt, die entweder zufälliger Natur sind oder auf einer wie immer gearteten Traditionsgemeinschaft beruhen; eine Dependenz ist hingegen nicht wirklich nachzuweisen. Fast alle Züge der epikureischen Theologie, die mit solchen der klassischen übereinzustimmen scheinen, sind nicht nur systemimmanent ohne Rest erklärbar, sondern auch weitgehend anders motiviert. So steht gleich die am meisten ins Auge fallende Parallele, der Deismus, im Zentrum sowohl der epikureischen Soteriologie wie ihrer Theodicee; er wird ferner - in charakteristischer Verschlingung der Motive - aus dem Gottesbegriff selbst entwickelt und entspricht dem religiösen Bedürfnis der Zeit. Der theologische Hedonismus, die Bewußtseinsqualitäten, die Affektlosigkeit der Götter ergeben sich folgerichtig und ohne Zwang aus ihrer Modellfunktion im Hinblick auf den epikureischen σοφός, der seinerseits weniger in klassischer als in

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

185

frühsokratischer Nachfolge konzipiert ist. Analogien in der Struktur der Götterwelt bleiben unscharf und äußerlich, während die extramundane Position bei Epikur in der Konsequenz des deistischen Grundansatzes liegt. Stärker erscheint die Affinität beim Modellgedanken selber, der vorplatonisch so nicht nachgewiesen werden kann, und hier läßt denn auch die Gemeinsamkeit der Terminologie ausnahmsweise einigermaßen fundierte Schlüsse auf die historische Dependenz oder besser Affiliation zu. Das gleiche gilt für den damit zusammenhängenden Sonderstatus der Götterwelt im atomistischen System, dessen mutmaßliche platonistische Komponente sich tatsächlich terminologisch verifizieren läßt. Auf diese beiden freilich zentralen Punkte bleibt der nachweisbare Einfluß der klassischen auf die epikureische Theologie beschränkt. Dabei zeigt sich in beiden Fällen, daß der Sache nach die aristotelische und die platonisch-akademische Theologie gleichermaßen als Vorläufer in Frage kommen, daß aber die terminologischen Indizien eher auf die Akademie und hier im ganzen gesehen wieder auf die Nachfolger Piatons hindeuten. Dieser Befund im Bereich der Theologie erhält eine Stütze durch bereits bekannte Dependenzverhältnisse innerhalb der epikureischen Physik im ganzen: Wie die Stoiker hat auch Epikur im Prinzip die xenokratisch-akademische Dreiteilung der philosophischen Disziplinen und damit die spezifische Abgrenzung des Physik-Begriffs übernommen333. Er hat ferner, wie Bignone und Solmsen gezeigt haben334, die im 'Timaios' grundgelegte organologische Auffassung des Kosmos polemisch gegen die Lehre der klassischen Kosmologie von der Ewigkeit des Kosmos gewendet, obgleich sie seinem eigenen, mechanistischen Weltbild von Hause aus fernlag. Epikur hat schließlich mit der Annahme eines vierten, „namenlosen" - auch hier ist die terminologische Beziehung eindeutig - Seelenstoffes, des eigentlichen Empfindungs- und Bewegungsträgers, auf die früharistotelische und gemein333 Vgl unten S. 319 und oben S. 114 mit Anm. 35. 384

BIGNONE A P I I 475 ff., 502 ff.; F. SOLMSEN, Epicurus on the growth and

decline of the cosmos, AJPh 74, 1953, 34 fif. = Kl. Schriften I, Hildesheim 1968, 484 ff. Vgl. Epikur fr 305 = Aet. II 4, 10; Lucr. IV 1105-1174, V 338 fif. Die von Solmsen aufgezeigten Unterschiede (Ernährung des Kosmos von außen bei Epikur) heben die von Bignone herausgearbeiteten polemischen Bezugnahmen, die mit immanenter Argumentation operieren, nicht auf.

186

Theologie und Prinzipienlehre v o m Timaios zum Frühhellenismus

akademische Seelen- und Bewegerlehre zurückgegriffen 335 . Man wird dabei Bignone 338 darin folgen dürfen, daß die παρέγκλισις dieser Seelenatome, die auch den Göttern zukommt, eine Reduktionsform der klassischen Selbstbewegung der Seele darstellt 337 , wobei es offen bleiben mag, ob auch die kosmogonische und generelle παρέγκλισις bei Epikur vor dem Hintergrund etwa der platonistischen Weltseele gesehen werden muß 338 . Von der Theorie des Minimums, die an die Fundamente des 835

Epikur fr 3x4, fr 315 Us., Lucr. I I I 241 ff., 270 ff., vgl. ep. I 63, ein weiteres Zeugnis jetzt bei E . G. SCHMIDT, Nachtrag zu Epicurea fr. 314/15 Us., Philol. 112, 1968, 1 2 9 - 1 3 1 ; Arist. De philos. fr 27 W . u. R. Zum Zusammenhang R . HIRZEL,

Rh.

BIGNONE A P

336

337

338

Mus.

39,

1884,

I 249-261;

169

ff.;

GIUSSANI

187;

BAILEY

C. DIANO, G . C . F . I . 1 9 3 9 ,

i n

Atomists

ff.;

391;

zuletzt

P.

MORAUX, R E X X I V i, 1963, s. v. 'quinta essentia', Sp. 1247 f. (mit der richtigen Abtrennung v o m Thema der stets materiellen quinta essentia). Das aristotelische άκατονόμαστον (vacans nomine, incompellabile) umschreibt in vorläufiger Form die Seelennatur, nachdem deren mathematische Substanz akademischer Provenienz gefallen war. Zur akademischen Einordnung BIGNONE a. O., S. MARIOTTI, L a quinta essentia nell' Aristotele perduto e nelT Accademia, R i v . di Filol. 68, 1948, 179 ff.: Die Seele ενδελέχεια (vgl. PL Tim. 43 C 8,58 C 4) als Quelle unbegrenzter (Selbst)bewegung, quasi quandam continuatam motionem et perennem (Cie. Tusc. I 10, 22), daher noch später (De an. 407 a 7 ff.) die Denkbewegung οΰχ ώς μέγεθός τι συνεχής (άλλ') ώς ό αριθμός (vgl. gen. et corr. 336 a 34 ff.) ~ Xenokrates' Seelendefinition fr 63 p. 184, 10 HEINZE (άριθμός συνεχής), vgl. unten S. 349 sowie die Parallelisierung Cie. Tusc. I 17, 41. Weiteres bei BIGNONE a. O., zu skeptisch MORAUX, R E Sp. 1221. Das epikureische άκατονόμαστον (nominis expers vis, natura) ist materiell und besteht aus einer feinsten Atomsorte, die - abweichend von den feurigen Seelenatomen Demokrits (VS 68 A 101 ff.) - jenseits der vier bekannten Elemente liegt. E . BIGNONE, L a dottrina epicurea del „clinamen", sua formazione e sua cronologia, in rapporto con la polemica con le scuole avversarie. Nuove luci sulla storia dell' atomismo greco. Atene e R o m a 42 = I I I 8, 1940, 159-198, bes. 174 ff., 193 ff. D. J. FURLEY, T w o Studies in the Greek Atomists, 1967, Study I I : Aristotle and Epicurus on voluntary action, 161 ff., bes. 232 ff., strebt neuerdings eine Lockerung im Verhältnis von voluntas und clinamen bei Epikur an, geht aber auf die historische Herleitung Bignones nicht näher ein. Zum möglichen Zusammenhang zwischen minimaler Aberration und der Kreisbewegung der platonistischen Seele unten K a p . I V S. 373 Anm. 288. Der diesbezügliche Teil von BIGNONES These beruht auf der Gleichsetzung des Pythagoreers Ekphantos (Hippol. Ref. I 15; Aet. II 3, 3 = V S 51, 1; 4) mit dem Piatonschüler Herakleides v. P. (vgl. bes. Cie. n. d. I 13, 34 = fr h i W . neben fr 118 ff. W.), die aber in der Forschung mehr und mehr bestritten wird, v g l . z. B . D I E L S V S I 3 ( 1 9 1 2 ) 340 A n m . , v g l . I e , 4 4 1 ; PRAECHTER, G r u n d r i ß d .

Gesch. d. Philos. 345; W . KRANZ, Die Entstehung d. Atomismus, in: Convivium f. Κ . Ziegler, 1954, 26 ff.; G. VLASTOS, Gnomon 25, 1953, 32 Anm. 1 ; zuletzt ausführlich W. K . C. GUTHRIE, A History of Greek Philosophy I, 1962, 1967 2 , 323 ff.; unentschieden F . WEHRLI in: Die Schule d. Aristoteles, H e f t

Aristotelische, akademische und epikureische Theologie

187

epikureischen Atomismus rührt, und ihrem Zusammenhang mit der akademischen Atomlinientheorie wird noch ausführlich die Rede sein339. Überwiegt in allen diesen Punkten die Affiliation der epikureischen Physik an den Piatonismus akademischer Provenienz, so gilt für die Theorien von der Schwerkraft, dem senkrechten und gleichschnellen Fall der Atome oder die Psychologie im ganzen340 eher das Umgekehrte: Der aristotelisch-peripatetische Einfluß steht im Vordergrund; doch ist auch hier das zugrunde liegende Modell vom „natürlichen Ort" und der konzentrischen Schichtung der Elemente im Kosmos schon älter und insbesondere platonisch-akademisch vorgebildet (Tim. 62 C ff., vgl. 53 A ; Xenokrates fr 15 H.) 341 . Im ganzen befestigen solche Parallelen den Eindruck, der sich bei der speziellen Analyse der Theologie ergeben hat. Es kann daher künftig davon ausgegangen werden, daß bei der Frage der Kontinuität zwischen klassischer und epikureischer Philosophie wie sonst so auch in der Theologie Aristoteles nicht einseitig und isoliert - die perspektivische Täuschung durch das erhaltene Corpus Aristotelicum und die vermeintliche Sukzession der Schulen drängt sich immer wieder auf - , sondern im Zusammenhang mit dem gesamten Piatonismus seiner Zeit in Betracht gezogen werden sollte und daß der aristotelisch-peripatetische Anteil dabei naturgemäß teils ergänzt, teils erheblich eingeschränkt werden muß.

339 340 341

V I I : Herakleides Pontikos, 19692, 96, 102. Die Vorstellung beseelter, selbstbewegter Atome ist daher für die Akademie nicht nachweisbar (BIGNONES Berufung auf Herakleides' späthellenistischen Nachfolger Asklepiades bei Cael. Aurel. De morb. acut. I 14: corpuscula . . . vim in semet mutationis habentia beruht, wie der Kontext zeigt, auf Überinterpretation). Kap. I V S. 288 ff. Es sei vor allem an die Arbeiten C. DIANOS und D. J. FURLEYS erinnert. Im einzelnen vgl. dazu F. SOLMSEN, Aristotle's System of the physical world, i960, 280; I. DÜRING, Aristoteles, 1966, 333.

III. ZUM HELLENISTISCHEN ARETE- UND EUDÄMONIEBEGRIFF

i. Epikureismus Aristoteles referiert und widerlegt im siebten und zehnten Buch der Nikomachischen Ethik Argumente von Lustgegnern, wobei die Frage im Mittelpunkt der Erörterung steht, ob die Lust als Bewegung und Werden vom Zielhaften (τέλος, τέλειον) und Guten verschieden sei (EN Η 12,1152 b 12-15, 22 f.; 13,1153 a 7-17; Κ 2,1173 a 29 - b 20). In der abschließenden eigenen Bestimmung der Lust 1 greift daher Aristoteles noch einmal auf das Argument zurück (K 3,1174 a 13 - b 14), ehe er die Lust endgültig als Vervollständigung der Tätigkeit definiert (4,1174 b 14-5, 1175 a 21). Dabei wird die Lust von κίνησες und γένεσις dadurch phänomenologisch abgehoben, daß ihre Gestalt (είδος) als zielhaft (τέλειον) und ganz (δλον), d. h. aber als entwicklungsfrei und zeittranszendent dargestellt wird2. Was aber nicht durch die Zeit affizierbar ist, unterliegt auch nicht dem Werden und der Bewegung (1174 a 19 f., b 8 ff.). Der aristotelische Gedanke von der Zeitunabhängigkeit der Lust, der lediglich als Indiz für eine positive ontologische Bewertung inauguriert war, kehrt in der epikureischen Ethik in abgewandelter Funktion wieder. Die Zeitenthobenheit der Lust, genauer: ihre Unfähigkeit zur Steigerung in der Zeit wird dort soteriologisch ausgewertet und zu einem Trostmotiv bei einem durch den Tod oder äußere Umstände abgekürzten Genuß der Lust umgedeutet. Eine Reihe von Belegen läßt den Zusammenhang, aber auch die Veränderung gegenüber Aristoteles deutlich erkennen: Ar. EN Κ 3, 1174 a 17 ff.: και κατ' ούδένα χρόνον λάβοι τις άν ήδονήν ής έπΐ πλείω χρόνον γινομένης τελειωθήσεται τί> είδος. 1

2

Eine polemische Nebenabsicht enthält darum auch der theologische Abschluß von E N Η ( i i 5 4 b 27 f.: καί ήδονή μάλλον έν ήρεμΙ$ εστίν ή έν κινήσει). Vgl. BIGNONE A P I 208 f. Vergleichbar ist die Argumentation gegen die Ideenlehre E E A 8, 1218 a 12 f.

Epikureismus

189

Ep. R . S. X I X : 6 άπειρος χρόνος ίσην έχει την ήδονήν καΐ δ πεπερασμένος, έάν τις αύτης τά πέρατα καταμετρήση τω λογισμω (Ahnlich Gnom. Vat. 22). R . S. X X : ή μέν σάρξ άπέλαβε τά πέρατα της ήδονής άπειρα, και 3 άπειρος αυτήν χρόνος παρεσκεύασεν. ή δέ διάνοια τοϋ της σαρκός τέλους και πέρατος λαβοϋσα τον έπιλογισμόν και τούς υπέρ τοϋ αιώνος φόβους έκλύσασα τον παντελή βίον παρεσκεύασε, και ούθέν ετι τοϋ άπειρου χρόνου προσεδεήθη Philodem, De morte I V col. I I I 34 ff.: [τήν4 ή]δονήν όπόσος χρόνος τώι ά[νθρώπωι]5 παρασκευάζειν πέφυκεν 8τ[αν τις αύ]6 της καταλάβη[ι] τούς δρους τό [θ' άμ]7α τό σάρκινον ευθύς άπολα[βεϊν8 τ]ό μέγεθος της ήδονης δπε[ρ και ό]9 άπειρος χρόνος περιεποίη[σεν ΐσον10]. Philodem, De morte IV col. X I I ι ff. [Kuiper]: διότι τήν άωρον τελε[υτήν ώς κακόν] τίνες έκκλ[ίνου]σιν έλπ[ίζοντες πολ]λων άγαθώ[ν έ]ν τώι πλεί[ονι χρόνωι κ]τησιν εξειν. Philodem, De morte IV col. X X X V I I I 1 4 ff.: ό δέ νοϋς έχων . . . τήν μίαν ήμέραν ώς αιώνα κερδα[ί]νει, παραιρουμένης δέ οΰτε [σ]τενάζων ε[ί] ούτως ελλείπων τι τοϋ κ[ρ]ατίστου β[ί]ου συνακολουθεϊ προθα[νοΰσ]ι1:1, και τήν έκ τοϋ χρ[ό]νου προσθή[κ]ην άξιο[λόγ]ως ά[π]ολαβών ώς παραδόξω συνκε[κ]υρηκώς εΰτυχία[ι κ]αί κα[τ]ά τ[ο]ΰτο το[ϊς] πράγμασιν εύχα[ρ]ιστεϊ. Cie. fin. I i g , 63: optime vero Epicurus, quod exiguam dixit fortunam intervenire sapienti . . . neque maiorem voluptatem ex infinito tempore aetatis percipi posse, quam ex hoc percipiatur, quod videamus esse finitum. Cie. fin. I I 27, 87 f.: negat Epicurus diuturnitatem quidem temporis ad beate vivendum aliquid afferre, nec minorem voluptatem percipi in brevitate temporis quam si ilia sit sempiterna 12 . 3

Ich folge wie lieferung.

4

G I G A N T E ( Μ . G I G A N T E , Filodemo De morte I V 3 , Rendiconti della Accad. di Arch., Lettere e Belle Arti, N. S. 28, 1953, Neapel 1954, Ι Γ 9 *·)·

5

KUIPER.

6

BURESCH.

7

GIGANTE.

8

VOGLIANO

9

BURESCH.

10

GIGANTE, ap.

11

12

BIGNONE, B A I L E Y , DIANO, GIGANTE

ined. ap.

D I A N O (C. DIANO,

und

ARRIGHETTI

Epicuri Ethica, Florenz

der Über-

1946, 1 2 2

cf. Δ[περ ούδ' αν δ #]πειρος χρόνος περιεποίη[σεν μείζον]

f.).

VOGLIANO

DIANO.

G I G A N T E (Μ. G I G A N T E ,

Filodemo De morte I V 3 7 - 3 9 , La Parola del Passato 10, 1955, 371 = Ricerche Filodemee, Neapel 1970, 79), cf. προβασ[ιν ή]δη V O G L I A N O ined. ap. D I A N O a. O. Das Referat fährt fort: negat infinito tempore aetatis voluptatem fieri maio-

190

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

Vgl. D. L. X = Ep. ep. III 126: δ δέ σοφός . . . χρόνον ού τον μήκιστον άλλά τόν ήδιστον καρπίζεται13. Nach Brochard14 hat vor allem Bignone die Übereinstimmung zwischen der epikureischen Ethik und den Hedone-Abhandlungen der EN klar erkannt, aber seinem Vorurteil zuliebe, Epikur habe nur die aristotelischen Dialoge, nicht die Lehrschriften gelesen, den direkten Einfluß der Akademie vorgezogen, zu dem Epikurs eigene Minimatheorie der Zeit und die μονόχρονος ήδονή der Kyrenaiker getreten seien15. Da jedoch Epikurs Kenntnis der EN beim gegenwärtigen Stand der Diskussion1® nicht mehr bezweifelt werden kann, wird man jedenfalls hinsichtlich der Zeitenthobenheit der Lust den Einfluß der EN anerkennen müssen, zumal Bignones Haupteinwand, Aristoteles unterscheide nicht wie Epikur zwischen kinetischer und katastematischer Lust, durch die aristotelische Abgrenzung der Lust von der Bewegung an Gewicht verliert. O. Gigon hat den sachlichen Zusammenhang noch schärfer herausgearbeitet17. Er schließt sich zunächst darin an Bignone an, daß er die epikureische „Umgestaltung der (älteren) Lehre (von der Lust) durch Diskussionen in der platonischen Akademie und im Peripatos des Aristoteles veranlaßt" sieht. Er geht jedoch einen entscheidenden Schritt über Bignone hinaus, indem er die rein ethische Betrachtungsweise Bignones zurückläßt und den Charakter der epikureischen Lust als eines Begrenzten, Ruhenden, Gestalteten und Zeitüberhobenen18 darauf zurückführt, daß sie ein Seiendes ist, das in einer zuletzt vom Eleatismus herrührenden ontologischen Tradition steht19. In der Tat wird man in dem Maße, wie man Bignones These bejaht, die polemische und apologetische Auseinandersetzung mit den klassischen Schulen sei ein primum movens der epikureischen Philosophie rem quam finito atque modico . . . negat enim summo bono afferre incrementum diem . . . negabit voluptatem crescere longinquitate . . . 1 3 Vgl. ferner etwa G. V . 42. 14 BROCHARD 2 6 5 ff., zur Zeitüberhobenheit 271. 15 BIGNONE A P II 327-334, vgl. 12 ff., 317 ff.; zur Sache auch 161, 189 ff. 16 Vgl. unten S. 2 7 8 Anm. 177 und im einzelnen etwa R . PHILIPPSON, Epicurea, R h . Mus. 87, 1938, 169 ff. (zum άμαυροϋσθαι der ήδονή Ar. E N Κ 4, 1175 a i o ~ E p . fr 4 4 1 Us. mit App.). 17 O. GIGON, Einleitung 223-26. 18 GIGON a 23, 24, 25, 26. 18 GIGON 2 25: „ D i e Lust ist so sehr ein Seiendes im ursprünglichen Sinne des Parmenides, daß sie nicht in der Kategorie der Zeit steht", ebenso 23, 26, 174 f.

Epikureismus

191

gewesen, nicht umhin können, in den zentralen Begriffen und Vorstellungen dieser Lehre die Nachklänge nicht nur der klassischen Ethik und Physik, sondern auch prinzipieller der klassischen Ontologie aufzuspüren. Gigon hat indessen die Aufgabe nur allgemein bezeichnet, ohne die bei Epikur nachwirkende Ontologie über ihren eleatischen Grundcharakter hinaus genauer zu bestimmen. Es wird deshalb nötig sein, die Vorgeschichte der epikureischen Ethik über Bignone hinaus weiter zu analysieren und vor allem Epikurs Vorstellung der katastematischen Lust in größere philosophiegeschichtliche Zusammenhänge zu rücken. Der Gedanke der Zeitenthobenheit der Lust, den Aristoteles in E N Κ 3 entwickelt und an den Epikur nachweisbar angeknüpft hat, baut auf dem antihedonistischen Argument auf, die Lust sei κίνησις und γένεσις und kein τέλειον, und sucht die Lust innerhalb des vorgegebenen Rahmens anders einzuordnen. Dieses Argument ist, wie etliche andere in den λεγόμενα-Referaten der EN, wohl primär dem platonischen 'Philebos' entnommen, wo es in etwas anderer Terminologie (γένεσις - ούσία) ausführlicher entwickelt wird (53 C - 55 A)20. Piaton trägt den Gedanken indessen nicht im eigenen Namen vor, sondern referiert ihn als die Meinung gewisser Lustgegner (κομψοί τίνες), denen er sich selbst nicht ohne Vorbehalt anschließt21. Zellers Versuch22, die κομψοί dadurch zu Lustfreunden in Gestalt des Aristipp zu machen, daß die These auseinandergerissen und die γένεσις-Hälfte den κομψοί, die οΰσία-Hälfte aber Piaton selbst zugewiesen wird, widerspricht dem klaren Wortlaut des Textes 23 und kann seit dem Aufsatz von A. Mauersberger24 als widerlegt 20

21

22

DIRLMEIER 499 weist mit Recht darauf hin, daß der τέλος-Gedanke auch in der 'Philebos'-Partie vorkommt. Die Verwandtschaft der Beispiele (ναυπηγία - οίκοδόμησις) heben treffend hervor G. GIANNANTONI 161 Anm. 1 und J . TRICOT 3 6 5 K o m m . ; v g l . G. L I E B E R G 7 2 m i t A n m . 2.

Zur isolierten Stellung des Passus, der die vorangegangenen Differenzierungen wieder umzustoßen scheint, im Aufbau des 'Philebos' H. G. GADAMER, Piatos dialektische Ethik, 1931, Nachdruck 1968, 158; H. P. HARDING, Zur Echtheitskritik u. Interpretation d. plat. Philebos, Diss. Kiel 1954 (masch.), 72 ff. ; LIEBERG 70 ff. (mit dialogisch-szenischer Begründung). ZELLER, Philos. d. Gr. II i e , 352 f. Anm. 1 (vgl. Arch. f. Gesch. d. Philos. I, 1 8 8 8 , 1 7 2 ff.); wiederholt v o n WILAMOWITZ, P i a t o n I I , 1 9 6 2 3 , 2 7 3 f., A . DIES,

Piaton, Philebe, Bud£-Ausgabe Vol. I X 2, 1949, L X I I ff. und zuletzt noch von DIRLMEIER 499. 23

24

5 3 C 4 - 7 , 54 D 5 F.

A. MAUERSBERGER, Plato und Aristipp, Hermes 61, 1926, 208 ff., 305 ff.; bes. 2 1 5 ff., 227 ff. (mit Abtrennung der Hedoniker E N Η 1 1 5 2 b 1 5 - 1 7 , verbessert bei LIEBERG 66 ff.). GIANNANTONI 161 Anm. 2 weist mit Recht darauf hin, daß die Kyrenaiker stets nur von κίνησις, nie von γένεσις sprechen.

192

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

gelten. Die neuere Forschung hat darum in den κομψοί entweder Megariker 25 oder Akademiker und zwar mit überwiegender Mehrheit Piatons Neffen und Nachfolger Speusippos2® erkannt, der als notorischer Lustgegner noch in den Referaten der E N eine beherrschende Rolle spielt. In der T a t weisen verschiedene Indizien auf Speusipp: Die Systoichienlehre 54 Cf. (ή του άγαθοΰ μοίρα - άλλη μοίρα ~ Ar. Ε Ν Α 4, 1096 b 6 f. = Speusipp fr 37 a L . : ή των άγαθών συστοιχία) ebenso wie die Verknüpfung mit dem τρίτος (μέσος) βίος, έν φ μήτε χαίρειν μήτε λυπεΐσθαι 55 Α Speusipp fr 57. 60 a, b, i L.). A u c h die Ausdrücke οδ ένεκα, ενεκά τίνος deuten in Verbindung mit der Systoichien- und Analogielehre Ar. Met. A 1072 a 35 ff. 27 auf Speusipp, desgleichen der Terminus αύτο καθ' αυτό 53 D 3 auf die Akademie 2 8 . Hinzu kommt, daß das Argument E N Η im Zusammenhang mit anderen Argumenten Speusipps eingeführt wird 29 . 25

26

O. APELT im Kommentar zum Phileb., Lpzg. 1912, z. St.; MAUERSBERGER a. O. 229. J. BURNET, The Ethics of Aristotle, London 1900, 330 f.; Α . Ε. TAYLOR, Plato, 1926, 423 Anm. ι ; ders. A commentary on Plato's Timaeus, Oxf. 1928, 460 ft.;

A.-J.

FESTUGIERE

p.

L X I I fit., b e s .

Note

4;

HACKFORTH,

Plato's

Examination of Pleasure, Cambr. 1945, 106; Η. H. JOACHIM, 234 mit Anm. 1, vgl. 264; G. GIANNANTONI 145-164 (mit umfassendem Forschungsrückblick); J . TRICOT 3 6 4 ff. K o m m . ; GAUTHIER-JOLIF 27

28

29

2

II 777, 788 K o m m . ; LIEBERG 73

denkt an nicht näher bestimmte Akademiker. Dieser T e x t jetzt als Test. Plat. 47 Α bei GAISER P U L , vgl. dort den Kommentar 525 f. (Zusammenhang mit π. φιλοσοφίας und π. τάγαθοϋ), zur akademischen Herkunft der Systoichienlehre Verf. U G M 154 ff. D a ß das πρώτον nur „ a n a l o g " zum άριστον ist, erinnert an Speusipp fr 37 a L., zur Herkunft der Analogie in A 4/5 von Speusipp MERLAN, From Platonism to Neoplatonism, i960 2 , 119. Anklänge der platonisch-akademischen Kategorienlehre auch Phileb. 51 C f. (αύτάς καθ' αύτάς - πρός έτερον). Auf die früher übliche, unterschiedslose Zuweisung aller oder doch der meisten lustfeindlichen Argumente im λεγόμενα-Referat an Speusipp (BURNET, PHILIPPSON,

TAYLOR,

FESTUGIERE,

letzt DÜRING, Aristoteles,

1966,

BIGNONE,

Ross,

JOACHIM, TRICOT,

148, 456) i s t b e i L I E B E R G 64 f. u n d

zu-

DIRL-

MEIER 497, 575 eine begreifliche Reaktion erfolgt, die aber - da Aristoteles nun einmal primär einen Beitrag zur akademischen Lustdiskussion leisten möchte - nicht zum Gegenextrem führen sollte. Z. B. überzeugt DIRLMEIERS Abtrennung des άλυπον E N Η 1152 b 16, 1153 a 28, 31 von Speusipp fr 57 L . nicht, denn wir können weder wissen, ob Sp. in περί ηδονής nur wie in der Telosformel von άοχλησία gesprochen hat, noch können wir von Arist. erwarten, in einer Abhandlung περί ήδονής καΐ λύπης (ι 152 b 1) nicht den spezielleren Ausdruck durch den geläufigeren zu ersetzen; zur terminologischen Anpassung grundsätzlich LIEBERG IOI. Zur άλυπία in der Akademie unten S. 205, 210, zu 'Phüebos' 43 f. S. 205 f., für Speusipp als Urheber des άλυπον- und des ποιότηςArguments E N Κ 1173 a 13 ff. LIEBERG 74, 98 f., zum letzteren auch sehr gut BIGNONE A P II 320 f., zum μείζον - έλαττον - Argument, wo Sp. ausdrücklich

Epikureismus

193

Da andererseits weder die Megariker noch gar megarisierende Akademiker30 einen brauchbaren Anhalt bieten, wird man der Speusipp-These bei weitem die größte Wahrscheinlichkeit einräumen müssen. Die einzige, von Lieberg und Rabinowitz vorgebrachte 30 Gegeninstanz, Speusipps άγαθόν sei ein Resultat der γένεσις und keine reine ουσία wie im 'Philebos', geht mehrfach fehl: Wie das Beispiel vom Schiffsbau 54 Β und die allgemeine Formulierung 54 C zeigt, sind hier γένεσις und ούσία - wie auch ΰλη C 2 31 - schon im weitesten, fast aristotelischen Sinn gebraucht, was durch die Systoichienlehre und die Auffassung des Aristoteles im Referat der EN bestätigt wird. Auch im 'Philebos'-Passus ist die ουσία offenbar überwiegend als Resultat eines Prozesses aufgefaßt - im Falle der ήδονή ist es der aus dem „Werden" der Lust (55 A : γένεσις - φθορά) hervorgehende μέσος βίος32 - , während auf der anderen Seite die akademische Systoichienlehre mit den άρεταί und anderen άγαθά zusammen auch μονή, στάσις und ήρεμία aufführt (Sext. Emp. X 264, 266, 268; Hermodor b. Simpl. phys. 248, 9 D.)33. Die aristotelische Einordnung der Lust in EN Κ 3 bewegt sich demnach in den von der akademischen Ontologie vorgezeichneten Bahnen, und zwar offenbar in der - durch den platonischen 'Philebos' vermittelten - Anlehnung an die spezielle Verwendung, die diese Ontologie in der Ethik Speusipps erfahren hat. Das Auftreten der Systoichien- und Kategorienlehre läßt ebenso wie der Kontext des 'Philebos' (γένεσις des ήττον - μάλλον) oder der EN (K 2, 1173 a 15 ff.: ήδονή als genannt ist, unten S. 208 f. D a s Kinder- und Tierargument E N Η 1152 b 19 f., vgl. 1x53 a 30 f., das die Kyrenaiker in positivem Sinne gebraucht hatten, kann Sp. in seinem 'Aristippos' ins N e g a t i v e gewendet haben. - D a ß Speusipps Antihedonismus (dazu grundsätzlich im folgenden S. 205-208) jedenfalls für die A k a d e m i e weitreichende Geltung besessen hat, wird man FESTUGIERE X I V , X X V I zugeben müssen: vgl. Gellius Ν . Α . I X 5,4 = Sp. fr 60 i L . 80

G. LIEBERG, Geist und Lust, Unters, zu Demokrit, Plato, Xenokrates und Herakleides Pontikus, Tübingen 1959, 30 (mit der irrigen Entgegensetzung v o n Speusipps metaphysischem Derivationszusammenhang (!) und des „reinen Seins" der 'Philebos'-Stelle); ähnlich W . G. RABINOWITZ 282 f., der aus E N Β 3, 1104 b 24 ff., PI. Soph. 245 ff., Phileb. 53 ff. eine megarisierende Akademikergruppe zu konstruieren sucht, für die jeder weitere A n h a l t fehlt.

31

Z u m Ausdruck der Stelle F . SOLMSEN, Aristotle's word for 'matter', Didascaliae. Studies in honor of A . M. Albareda, N e w Y o r k 1961 = K l . Schriften, 1968, I 416 f. Bezeichnenderweise bringt auch Aristoteles E N Κ 3, 1 1 7 3 b 4 ff. das A r g u ment mit den Vorstellungen v o n ϊνδεια (λύπη, φθορά) und άναπλήρωσις (ήδονή, γένεσις) zusammen. V g l . dazu weiter Η 13, 1 1 5 3 a 2 ff.: φύσις άναπληρουμένη καθεστηκυία, mit der κατάστασης Speusipp fr 57 L . (als nomen rei actae). V g l . Arist. T o p . Ζ 4, 142 a 19 ff.

32

33

194

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

άόριστον des ήττον - μάλλον) oder auch die aristotelische Definition des Kernbegriffs τέλειον (Met. Δ i 6 , 1 0 2 1 b 31 f.: τέλεια . . . τά μεν τω κατά το εδ μηδέν έλλείπειν μηδ' εχειν νπερβολήν . . . ) schon vermuten, daß es sich dabei weniger um die Ideenlehre - die Speusipp nicht vertreten hat - als um die Prinzipien des akademischen Elementensystems und ihre kategoriale Ausfaltung handelt. Der abschließende Teil der aristotelischen Argumentation bestätigt dies (1174 b 7 ff.): Aristoteles treibt hier den Beweis, daß Lust nicht Werden und Bewegung sei, am Leitfaden der Zeitunabhängigkeit noch weiter und spitzt ihn auf die psychologische Erfahrung zu, daß Bewegung nur in der Zeit, Sichfreuen aber geradezu außer aller Zeit möglich sei, nämlich im Nu, im unteilbaren Augenblick: . . . μή ένδέχεσθαι κινεϊσθαι μή έν χρόνω, ήδεσθαι δέ- το γαρ έν τω νϋν δλον τι. D a der Augenblick selbst außerhalb der Zeit steht, muß auch die im Grenzfall punktuell, im „ J e t z t " mögliche Lustregung zeittranszendent sein34. Darauf folgt noch einmal (vgl. 1174 a 14 f.) der Vergleich mit der reinen Energeia des Sehens 35 und - etwas unvermittelt - auch mit dem Punkt (στιγμή) und der Zahleinheit (μονάς), die sämtlich als δλα und άμέριστα kein Werden haben und auch selbst nicht Werden oder Bewegung sind. Man hat richtig beobachtet 36 , daß der hier verwendete Begriff des νϋν mit dem üblichen aristotelischen Gebrauch (νϋν als ausdehnungslose Grenzmarke) nicht übereinstimmt, sondern eine minimale Erstreckung impliziert, die das Lusterlebnis in sich aufnehmen kann (έν τω νϋν). Aristoteles nähert sich also hier dem in der 'Physik' bekämpften Zeitatomismus an, wobei das νϋν, in dem ein δλον geschieht, offenbar selbst als δλον gesehen ist. Ausdrücklich trifft dies für στιγμή und μονάς zu, von denen auch die erste - in Übereinstimmung mit νϋν und μονάς - nicht als mathematische Grenzmarke, sondern als minimale Erstreckung verstanden sein dürfte. Alles dies läßt vermuten, daß Aristoteles hier wie im Vorhergehenden von akademischen Prämissen aus ad hominem 34

Dem komprimierten Gedankengang liegt folgender Syllogismus zugrunde: Freude ist im Augenblick möglich im Augenblick gibt es nur Ganzheiten (δλα) Ganzheiten sind ohne Werden und Bewegung Freude ist frei von Werden und Bewegung Daß die gleiche Argumentation auch für den Schmerz möglich ist, hat Aristoteles augenscheinlich nicht beachtet.

35

Darüber ausführlicher Met. Θ 6, 1048 b 23 ff., wo als weitere Beispiele νοεΐν und εύδαιμονεϊν aufgeführt sind.

36

V . GOLDSCHMIDT 96, v g l . 200 ff. u n d u n t e n K a p . I V S. 350 A n m . 404.

37

Vgl. ζ. B. De caelo 300 a 14 und grundsätzlich unten S. 350f. Anm. 404/05.

Epikureismus

195

argumentiert und die Lust wie vorher an das τέλειον, so hier spezieller an die unteilbaren Grundeinheiten von Zahl, Ausdehnung und Zeit, wie sie im akademischen Elementensystem in derivativer Abfolge hervortreten (μονάς - στιγμή - νϋν37), gleichsam zu affiliieren sucht38. Wenn Aristoteles die Seinsweise der Lust zu den Sonderprinzipien des Elementensystems (Monas für die Zahlen - Punkt für die Größen) in Beziehung setzt, um dadurch ihren hohen ontologischen Rang einsichtig zu machen, so gewinnt damit die „Ganzheit" der Lust, deren Teillosigkeit (b 11) keineswegs ausdehnungslos ist, den Charakter des Monadenhaften der Elementargrößen, der zuletzt auf das tv αύτό zurückweist, denn „die Ganzheit ist eine Weise der Einheit" (οΰσης της όλότητος ένότητός τίνος Met. Δ 26, 1023 b 36)· In akademischer Sicht bedeutet demnach die Umkehrung in der Bewertung der Lust, die Aristoteles in dem beziehungsreichen Gedankengang von EN Κ 3 gegenüber Speusipp und der Akademie vornimmt, nichts Geringeres, als daß die Lust vom Gegenprinzip des Werdens und des Mehr und Weniger weggenommen und unter das Seinsprinzip, das έν und άγαθόν gebracht wird. Erst Aristoteles hat aber in der Polemik gegen die pejorative Bewertung der Lust seitens der Akademiker die Zeitunabhängigkeit aus der akademischen Ontologie ausgefaltet, wobei Zeit als der Index des Werdens und der Veränderlichkeit (γένεσις, κίνησις)39 innerhalb jener Ontologie verstanden ist: Wenn die Lust Werden wäre, dann müßte sie in der Kategorie der Zeit stehen; da dies nicht zutrifft, kann die Lust kein Werden und also nicht ontologisch minderwertig 38

D a ß Aristoteles hier - wie an anderer Stelle im Blick auf Xenokrates ( E N A 4, 1096 a 20 f.: καθ' αύτό - πρός τι, vgl. Xenokrates fr 12 Η.) - weitgehend immanent akademisch operiert, wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß er selbst in der 'Metaphysik' (vgl. bes. Β 5, IOO2 a 28 - b 11, Κ 2, IO6O b 18 f.; eine weiterführende Übersicht bei R o s s , Arist. Metaph. Vol. I 360, vgl. J . TRICOT 490 Anm. 2) „ P u n k t " und „ J e t z t " neben anderen akzidentiellen Wesenheiten v o m Werden und Vergehen der ούσία σύνθετος ausnimmt. D a dies nämlich auch für die πρώτη ούσία des είδος zutrifft (Ζ 8, 1033 a 28 ff., b 5 ff., 1 7 ff.; Η 3, 1043 b J 4 ff·. 5» I O 4 4 b 2 1 ff.) und d a Aristoteles den P u n k t in substantieller Bedeutung damit parallelisiert (Svia άνευ γενέσεως και φθοράς &στι . . . οίον αί βτιγμαΐ, εϊπερ εΐβί, καΐ δλως (!) τά εϊδη 1044 b 21 f., d a z u R o s s

a. Ο. I I 236 ζ. S t . : „Pythagoreans and Platonists", und die akademisierende Definition der στιγμή als ούσία θετός - wie der μονάς als ούσία άθετος - : Anal, post. A 27, 87 a 36 u. Ö.), steht die EN-Stelle auch einer akademischen Auslegung offen. Sie erweist sich angesichts der Ausgedehntheit des „ J e t z t " (anders Met. Β IOO2 b 6), des είδος-Charakters der L u s t ( 1 1 7 4 a 16, b 6) und der mit Phys. Ζ ι übereinstimmenden „ G a n z h e i t " (δλον 1174 a 17, b 7, 9, 12, 14) von Punkt, Monade, J e t z t und L u s t als die einzig mögliche. 39

V g l . H . JOACHIM 2 7 7 ; J . TRICOT 490 f . , 493.

196

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

sein. In einer in akademischen Bahnen sich bewegenden Explikation wird also bei Aristoteles gleichsam nachträglich die Zeitlosigkeit des begrenzten, monadenhaften Seins (δλον!) ans Licht gehoben 40 , weil die Zeit das Kriterium für Sein oder Werden der Lust abgibt. Die aristotelischen Reflexionen über den Zeitfaktor der Lust sind daher für Epikur sicher unentbehrlich gewesen, denn er konnte in diesem Punkt nur an Aristoteles anknüpfen. Die Zeitüberhobenheit ist jedoch nur ein einzelner Aspekt an der katastematischen Lust Epikurs, der ihre Seinsweise noch nicht ausschöpft. Brochard und Diano 4 1 haben daher versucht, die Konzeption einer katastematischen Lust auf die Hedone-Abhandlungen der E N im ganzen zu beziehen, deren Kenntnis sie - im Unterschied zu Bignone - bei Epikur durchweg voraussetzen. Neben dem δλον-, τέλειον- und είδος-Charakter in E N Κ 3 bietet sich dabei vor allem der erste Hedone-Traktat an, der noch nicht die Lust generell von den sie begleitenden Bewegungsvorgängen unterscheidet 42 , sondern - im Blick auf die θεωρία des νους - differenzierend eine Lust der „ R u h e " annimmt, die keinerlei Bewegung voraussetzt: E N Η 1154 b 26-28: ού γαρ μόνον κινήσεώς έστιν ένέργεια άλλά καΐ ακινησίας, καΐ ήδονή μάλλον έν ηρεμία εστίν ή έν κινήσει43. L ä ß t sich die katastematische Lust Epikurs der Sache nach mit dieser Äußerung recht wohl in Verbindung bringen 44 , so trifft dies in gleicher Weise ganz allgemein für die Stellung zu, die Aristoteles zu den Argumenten der akademischen Lustgegner einnimmt: Die Widerlegung des Arguments, die Lust sei unbegrenzt, weil sie das Mehr und Weniger annehme (EN Κ 1173 a 15 ö . : λέγουσι δέ τδ μέν άγαθ&ν ώρίσθαι, την δ' ήδονήν αόριστον είναι, δτι δέχεται τδ μάλλον και ήττον) - wo freilich die Stellungnahme Epikurs viel weiter reicht als die des Aristoteles - , aber auch die Widerlegung ihrer Abwertung mit44

Die Unfähigkeit zur Steigerung in der Zeit ist dabei lediglich als Spezialfall der Nichtgraduierbarkeit überhaupt im Sinne des Mehr und Weniger zu sehen.

11

B R O C H A R D 2 6 5 f f . , 2 6 9 f f . , D I A N O 1 5 7 ff., b e s .

42

Wie E N Κ 4/5, 1174 b 14 - 1176 a 29. Der Satz bezieht sich, wie der Kontext zeigt, primär auf die θεωρία des Gottes. Vgl. 1152 b 36 ff.: έπεί καΐ άνευ λύπης καΐ έπιθυμίας είσΐν ήδοναί, οίον αΐ τοΰ θεωρεϊν, της φύσεως ούκ ένδεοϋς οδσης, ΙΙ53 a 9 f.: ού γάρ γενέσεις είσΐν ούδέ μετά γενέσεως πάααι, άλλ' ένέργειαι καΐ τέλος. Ob neben der Freude geistiger Betrachtung auch andere nichtprozessuale, ζ. B. „ästhetische" Lustarten nach Art des platonischen 'Philebos' (51 Β ff., ähnlich E N Κ 1173 b 15 ff.) einhergehen, dessen thematischen Bahnen diese Partien weitgehend folgen, muß offen bleiben (skeptisch LIEBERG 107).

43

44

BROCHARD 2 6 5 f., D I A N O

159.

159.

Epikureismus

197

tels des affektfreien Indifferenzzustandes bei Speusipp (EN Η 1153 b 4 ff., Κ 1173 a 5 ff.) könnten ebenso wie der Nachweis ihrer Überhobenheit gegenüber dem Werden und der Bewegung den Hedone-Begriff Epikurs (Begrenztheit, kein Mittleres zwischen Lust und Schmerz) beeinflußt haben46, wobei Aristoteles historisch eine vermittelnde Position zwischen dem Hedonismus Epikurs und der Hedonismus-Kritik der Akademiker zufiele. Daß Epikurs Ethik auf diese Kritik eingehend Bezug nimmt, kann seit den Forschungen Bignones46 als erwiesen gelten. Vor allem die essentielle Bestimmung der (katastematischen) Lust durch „Maß" (μέτρον), „Grenze" (πέρας, δρος)47 oder „Ausgeglichenheit" (ίσότης, όμο45

V g l . b e s . B R O C H A R D 2 6 9 ff.

46

BIGNONE A P I c a p . V ; I I c a p . V I / V I I ; v g l . b e s . I 340, 400, I I 1 5 , 39, 52, 1 7 6 ,

47

325· ep. I I I 133 (τό μέν των άγαθών πέρας ώς £στιν εύσυμπλήρωτον . . . ), R. S. I I I (δρος τοΰ μεγέθους των ήδονών ή παντός τοϋ άλγοΰντος ΰπεξαίρεσις), Χ (τό πέρας των έπιθυμιών), X I (κατανοεΐν τούς ό'ρονς των άλγη δόνων καΐ των έπιθυμιών als Leistung der φυσιολογία), X V (ό της φύσεως πλούτος . . . ωριαται . . . ό δέ των κενών δοξών εις άπειρον έκπίπτει), X V I I I (ουκ έπαύξεται . . . ή ήδονή, έπειδάν άπαξ τό κατ' ϊνδειαν άλγοΰν έξαιρεθή . . . τό πέρας τό κατά τήν ήδονήν άπεγέννησεν ή . . . έκλόγισις), X I X , X X (zitiert oben S. Τ89), X X I (ό τά πέρατα τοϋ βίου κατειδώς οίδεν, ώς εύπόριστόν έστι τό άλγοΰν κατ' ένδειαν έξαιροΰν καΐ τό τόν δλον βίον παντελή καθιστάν); G. V . 8 ~ R . S. X V , 22 ~ R. S. X I X , 25 (ή πενία μετρούμενη τω της φύσεως τέλει . . . έατί πλούτος, πλούτος δέ μή οριζόμενος . . . πενία), 59 (άπληστον . . . άόριστον πλήρωμα), 63 (ό δι' άοριστίαν έκπίπτων), 6g ( . . . εις άπειρον των έν διαίτη ποικιλμάτων); Porph. ad Marc. 27; 29 = fr 202/03 Us. (τό τη φύσει άρκοϋν . . . αόριστοι όρέξεις, έπιθυμίαι, φόβοι), Plut. mor. 1088 C = fr 417 Us. (και πέρας αΰταϊς sc. ταϊς ήδοναϊς κοινόν 'Επίκουρος την τοΰ παντός τοϋ άλγοΰντος ύπεξαίρεσιν έπιτέθεικεν, ώς της φύσεως άχρι τοϋ λϋσαι τό άλγεινόν αυξούσης τό ήδύ, περαιτέρω δέ μή έώσης προελθεΐν κατά τό μέγεθος), Clem. ΑΙ. Strom. I I 21 = fr 45 1 Us. (δ δρος της ήδονης, τοΰτ' ίστι ή τοΰ άλγοΰντος ύπεξαίρεσις), Cie. fin. II 27 = fr 454 Us. (de cupiditatibusfiniendis), Porph. De abst. I 54 = fr 458 p. 297, 5 f. Us. (τφ φυσικφ δρω τόν πλοΰτον μέτρων), De abst. I 5 1 = fr 463 Us. (πέρας γαρ έχει καΐ αδτη sc. ή ήδονή άμα τη της άλγηδόνος υπεξαιρέσει), De abst. I 54 = f r 4^5 Ρ· 299, 22 f. Us. (άοριστείν γαρ ούδαμοϋ δει, άλλ' έχεσθαι δρου καΐ μέτρου τοΰ έν τοις τοιούτοις), A d Maxe. 29 = fr 485 Us. (άόριστον), Plut. De aud. poet. 37 A = fr 548 Us. (τό εδδαιμον . . . άλυπία καΐ πραότης παθών καΐ διάθεσις ψυχής τό κατά φύσιν ορίζουσα); Pap. Here. 831 (Demetrios Lakon) col. V I I I 4 f., vgl. fr 434 fin. p. 286, 25 f. Us. (έν τω κατά ]νχρόνο[ν έ]πιζήσαντ[ι] το μέγιστον αγαθών άπε[ί]ληπται. της δέ κατά τήν Ισότητα αύ[το]ϋ καΐ τήν όμοείδειαν πορείας γινομέ[νης] έως [ε]ίς άπειρον εί δυνατόν είη β[αδί]ζειν οίκεΐόν έστιν αν δέ παραγ[έν]ηται της μέν εύδαιμ[ο]νίας άφαίρ[εσι]ς, ού γίνεται της γεγονυίας . . . (KUIPER K o m m . 50 mißversteht die Stelle, wenn er αύ[το]ϋ Zeile 4 auf E p i k u r statt auf das μέγιστον άγαθόν bezieht und im T e x t einen Vergleich zwischen E p i k u r und seinen Jüngern findet, der den Gedankengang stören müßte.) Dazu

BROCHARD 260, 2 7 3 f., v g l . 2 9 7 f . ; B I G N O N E A P

I I 3 4 ff., 2 0 6 f . ;

vgl.

DIANO 153 ff., 158; ders. Studi It. Filol. Class. 12, 1935, 273 ff.; G. NEBEL, Epikur, in: Griechischer Ursprung, 1948, 307 f.; E . SCHWARTZ, E t h i k der Griechen, 1951, 179. V g l . bes. Phileb. 27 Ε 5 f.: ήδονή καΐ λύπη πέρας Ιχετον, ή των τί> μαλλόν τε καΐ ήττον δεχομένων έστόν; - Ναί, των τό μάλλον . . ., 28 Α 3 ί·: τούτω δή σοι των άπεράντων γε γένους ϊστων, vgl. 26 Β 8 f.: πέρας ουτε ήδονών ούδέν . . .

51

V g l . R . S . X I I ( I I I ) , G . V . 4 9 ; f r 4 2 1 , f r 4 3 4 U s . m i t P h i l e b . 50 A - 5 3 C . V g l .

62

fr i , fr 2, fr 416, fr 450, N a c h t r a g zu fr 68 p. 345, N a c h t r a g zu fr 416 p. 356 Us. Phileb. 42 D 5 f., 46 C 6 (von BIGNONE A P I I 28 A n m . 2 als V o r s t u f e des epikureischen Terminus eingeordnet, ähnlich DIANO 153 ff., 157, vgl. 32 Β 4: άναχώρησις), vgl. Arist. R h e t . A 1 1 , 1369 b 33 ff. (mit akademisierender

B I G N O N E A P I I 1 3 , 22 ff. 53

199

Epikureismus

insofern er das Resultat (nomen rei actae) der dort gemeinten (Wieder-) „Herstellung" bezeichnete. Im 'Philebos' führt diese κατάστασις auf den prozeßfreien Indifferenzzustand zwischen Lust und Schmerz64, dessen Existenz Epikur in polemischer Absicht bestritten hat55. Bei Epikur ist der Gegensatz zwischen Lust und Schmerz kontradiktorisch, wodurch der Ruhezustand zwischen den Bewegungen von Lust und Schmerz von selbst - eben als katastematischer - der Lust zufällt. Es ist daher mit Bignone anzunehmen, daß die katastematische Lust Epikurs dem mittleren Zustand, den Piaton im 'Philebos' intendiert und den andere Akademiker wie Speusipp noch entschiedener vertreten haben, der Sache nach entspricht. Während dieser Zustand bei den Gegnern gegen die Lust abgeschirmt war, deutet ihn Epikur auf die Lust hin um56 und gewinnt so einen erweiterten Lust-Begriff, der sich der gegen den kinetischen Grundcharakter der Hedone gerichteten Kritik der Platoniker von vornherein entzieht57. Es ist damit zu rechnen, daß Epikur nicht nur den 'Philebos' und die Nikomachische Ethik berücksichtigt, sondern auch die einschlägigen Schriften anderer Akademiker, vor allem der Hedone-Gegner wie Speusipp, in die Auseinandersetzung einbezogen hat. Auch hier hat wohl Bignone58 richtig gesehen, wenn er den bei Epikur häufigen AusBestimmung von ήδονή und λύπη nach A r t des 'Philebos'), E N Η 12, 1 1 5 2 b 34, I i 5 3 a 2 ff. (wo der Zusammenhang mit dem resultierenden „ Z u s t a n d " selbst ersichtlich wird: άναπληρουμένη - καθεστηκυία);

ferner Ps. PI. Def. 4 1 2 D

6 (πραότης κατάστασις κινήσεως της ΰπ' όργής), ähnlich Arist. Rhet. 1 3 8 0 a 9, zur akademischen A b k u n f t Η. G. INGENKAMP 47 f. 51 55

56

57

Phileb. 3 1 Β - 3 3 B , 4 2 C - 44 A , 5 5 A . Cie. fin. I 38 = fr 3 9 7 p. 266 U s . : Non placuit Epicuro medium esse quiddam inter dolorem et voluptatem; illud enim ipsum, quod quibusdam medium videretur, cum omni dolore careret, non modo voluptatem esse, verum etiam summam voluptatem. quisquis enim sentit, quem ad modum sit affectus, eum necesse est aut in voluptate esse aut in dolore. Vgl. fin. I I 1 4 , 16, 28 a. E . ; Tusc. I l l 47 sowie die oben A n m . 47 aus Pap. Here. 1 2 5 1 angeführte Stelle (mit K o n t e x t und W . SCHMIDS Ergänzung), Plut. Col. 1 1 2 3 a = fr 420 U s . : τό δέ πόνου και ήδονής μηδέν είναι μέσον ούκ άποφαίνεσθε . . . ήδεσθαι τύ μή άλγεϊν καΐ πονεϊν τό μή λέγοντες; Umgekehrt wird Phileb. 43 D ff· der Indifferenzzustand gegen die (wohl populäre) Gleichsetzung von Schmerzlosigkeit und L u s t verteidigt. Vgl.

BIGNONE A P

II

2 0 f., 3 3

ff.,

1 9 8 f., 3 0 8 f., 3 2 1 .

Die Stoßrichtung

der

Polemik an der Cicero-Stelle (cum omni dolore careret) schließt eine Beziehung auf den Indifferenzzustand der Kyrenaiker aus (Eus. pr. ev. X I V 1 8 , 3 2 =

58

GIANNANTONI p. 4 3 5

=

M A N N E B A C H p . 4 7 f r 2 0 1 : μέσην . . . κατάστασιν,

καθ' ήν οΰτε άλγοϋμεν οϋτε ήδόμεθα). BIGNONE erkennt demgegenüber darin eine Anspielung auf das όίλυπον Speusipps (vgl. das Folgende). BIGNONE A P I 397 f., I I 290 A n m . 3, 308. Zur Nachwirkung des speusip-

14 Krämer, Piatonismus

200

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

druck άοχλησία59 (alternierend mit άπονία für die katastematische Lust des Leibes) mit der zweiten Telosformel Speusipps in Verbindung bringt, die den gleichen, für die ganze Ethik Speusipps charakteristischen Terminus formeln 60 ,

enthält.

die man mit

Speusipps

Philippson 81

bei

Clemens

erhaltene

Telos-

auf eine Lehrschrift Speusipps

zurückführen wird, dürften wie die anderer Akademiker auf diesem Wege zur Kenntnis Epikurs gelangt sein, wobei es vielleicht nicht zufällig ist, daß „Telosformeln" anscheinend zuerst von Akademikern peischen Indifferenzzustandes (άοχλησία) bei Epikur schon PHILIPPSON 457. V g l . TRICOT K o m m . 365 A n m . , STECKEL D i s s . 89 A n m . 10. 59 60

ep. I I I 127 fin., fr 154, fr 432, fr 450, fr 526 Us., G. V . 79. Clem. Al. Strom. II 22; 133, 4 = fr 57 LANG: Σπεναιππάς τε ό Πλάτωνος άδελφιδοϋς τήν εύδαιμονίαν φησίν έξιν είναι τελείαν έν τοις κατά φύσιν ϊχουσιν, ή έξιν άγαθών, ής δη καταστάσεως άπαντας μέν άνθρώπους δρεξιν ϊχειν, στοχάζεσθαι δέ τούς άγαθούς της άοχλησίας. εϊεν δ' άν αί άρεταί της εύδαιμονίας άπεργαστικαί. Speusipp hat also das „Ziel" (στοχάζεσθαι!) wie Epikur negativ in die Beschwerdelosigkeit gelegt. D a ß der Ausdruck άοχλησία auch einmal für die Megariker (Stilpon? vgl. ZELLER Ph. d. Gr. II i e , 273 Anm. 5) überliefert wird (Alex, in de an. II 150, 34 f. Br.), ist von geringerem Gewicht, da dafür sonst die άπάθεια eintritt (Stilpon b. Sen. Ep. 9, 3). - Vgl. ferner in der Formel κατάστασις = „ Z u s t a n d " in freilich allgemeinerer Bedeutung, von der so auch der jüngere Aristipp gesprochen hat (Eus. pr. ev. X I V 18, 3). - Vielleicht hat Speusipp auch das Bild von der Wind- und Meeresstille (νηνεμία, γαλήνη: Epikur ep. I 37, 83, ep. I I I 128: χειμών, fr 425, 429, 520 Us.) in seiner E t h i k gebraucht. In den "Ομοια Speusipps scheint es eine bevorzugte Rolle gespielt zu haben (Ar. Top. A 18, 108 b 24 ff.: γαλήνη - νηνεμία als Weisen der -ησυχία δμοια und κοινά wie στιγμή und μονάς(!), für die Zurückführung des Kapitels auf Speusipp E. HAMBRUCH 29, 33, ähnlich Top. Δ 5, 128 b ι ff.). Die Polemik gegen die „Windstille" des Indifferenzzustandes bei Aristipp dem Jüngeren u n d d e n K y r e n a i k e r n (Eus. pr. e v . a. O. =

61

GIANNANTONI p. 435 =

MANNE-

BACH p. 47 fr 201, vgl. D. L. II 89 = Epikur fr 450, Clem. Al. Strom. II 21; 130, 8 = Epikur fr 451 Us. und PRAECHTER, Grundriß d. Gesch. d. Philos. I 174) wird man jedenfalls der Sache nach mit PHILIPPSON 455 f. auf Speusipp und dessen 'Aristippos' beziehen dürfen. D a Epikur mit Speusipp gegen die Kyrenaiker übereinstimmt, ist es nicht ausgeschlossen, daß er das Bild in positiver Bedeutung von Speusipp übernommen hat (Timon, der nach Sext. Emp. X I 141 die Bilder gebraucht hat, kommt aus chronologischen Gründen nicht in Betracht; Demokrit kennt sie noch nicht: Der Bericht 68 A 1 = D. L . I X 45 beruht auf späterer Interpretation: vgl. G. VLASTOS, The Philos. Review 54, 1945, 582. Andererseits begegnet das Bild von der γαλήνη in statu nascendi bei Piaton Phaid. 84 A 7, und der den Akademikern nahestehende A r c h y t a s hat nach Ar. Metaph. Η 2, 1043 a 21 ff. νηνεμία und γαλήνη zu — wahrscheinlich mündlich überlieferten - Definitionsübungen benutzt.) - Weitere mutmaßliche akademische Einflüsse terminologischer A r t bei Epikur verzeichnet BIGNONE A P I 391-400, z. B. den Terminus ούκ άνευ: vgl. Xenokrates fr 77 H., Ar. E E 1214 b 12 ff. mit Epikur ep. I I I 132, R . S. V . PHILIPPSON 454 f., der auch die akademischen Referate der E E und E N über die Apathie der Arete (vgl. unten S. 205 mit Anm. 87) auf Schriften Speusipps zurückführt.

Epikureismus

201

verwendet worden sind62, Epikur aber als erster περί τέλους geschrieben hat63. Im übrigen ist die akademische Hedone-Diskussion wohl auch von der Seite der Hedoniker her für die epikurische Ethik unmittelbar bedeutsam geworden, insofern der Hedonismus des Eudoxos von Knidos - wie man neuerdings zunehmend annimmt - auf die Position Epikurs einen Einfluß ausgeübt hat, der denjenigen des Aristoteles vermutlich übertrifft®4. Epikurs katastematische Lust, die mit der Schmerzfreiheit identisch sein soll, steht gewiß in einer vielfältigen Tradition, zu der Demokrits Euthymie und Athambie65 ebenso gehört wie die Akataplexie des Nausiphanes®® (vielleicht näher bestimmt als ήδεσθαι και μή άλγεΐν)®7 und - mit Abstand - die gleichfalls Demokrit verpflichtete Ataraxie Pyrrhons®8. Auch spätere Kyrenaiker wie Hegesias - mit dem bevorzugten Telos der Schmerzfreiheit®9 - und Theodoros - mit der Betonung des inneren Dauerzustandes gegenüber den Momentlüsten70 - können auf Epikur Einfluß genommen haben, während der Peripatetiker Hieronymos von Rhodos, der die Schmerzfreiheit, aber nicht die Lust, als Lebensziel ansetzte71, seinerseits von Epikur beeindruckt sein dürfte. Von allen diesen Vorgängern, auch von den Demokriteern, unterscheidet sich Epikur jedoch durch die zunächst terminologische (πέρας, 62

Speusipp fr 57 L. (noch mit alternierenden Formeln), Xenokrates fr 77 H., Polemon b. Clem. Strom. II 22; 133, 7 und (nach Antiochos) b. Cie. fin. II 33, I V 14, Ac. II 1 3 1 ; Arist. E N 1098 a 16 ff., 1101 a 14 ff. «3 D. L. X 27, vgl. fr 66-71 Us. 64 Näheres Kap. II 2 S. 165 ff. 85 Y S 68 Β 2 c, 3, 4, 189, 191, 215, 216, vgl. A 1 = D. L. I X 45. 46 V S 75 Β 3 = Clem. Al. Strom. II 130, 5. Zur Abweichung von Demokrits άθαμβίη Κ. VON FRITZ R E X V I 2, 1935, s. v. 'Nausiphanes' Sp. 2024; ders., Philosophie u. sprachl. Ausdruck b. Demokrit, Plato u. Arist., Darmstadt 1966 2 , 32. 67 fr Β 2 p. 249, 10 f. (vgl. jedoch die Zurückhaltung bei VON FRITZ R E 'Nausiphanes' Sp. 2024, 27 ff.). 68 Vgl. M. POHLENZ, Das Lebensziel der Skeptiker, Hermes 39, 1904, 24. Zur vermittelnden Rolle des Anaxarchos zuletzt K . VON F R I T Z , R E Bd. X X I V 1 (1963) s. v. 'Pyrrhon' Nr. 1 von Elis, bes. Sp. 93 ff. 69 D. L. II 96 (τέλος τιθέμενον τί> μή έπιπόνως ζην μηδέ λυπηρώς). Zur Möglichkeit einer Nachwirkung Speusipps bei Hegesias PHILIPPSON 457. 70 D. L. II 98 (χαρά auf Grund von φρόνησις im Unterschied zur ήδονή). VON FRITZ R E V A 2, 1934, s · v - 'Theodoros' Nr. 34 v. Kyrene, Sp. 1825 ff. ordnet Th.s systematische Ethik allerdings als nachepikureisch ein. 71

fr 8 - 1 8 WEHRLI (vgl. WEHRLI p. 3 0 K o m m e n t a r : „Vermutlich ist H . v o n

Epikur ausgegangen", mit Einzelvergleichen; vgl. GIGON 2 24·).

202

Z u m hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

δρος, κατάστημα, άοχλησία), in einer tieferen Schicht aber auch sachliche Ausgestaltung und Umbildung des Hedonismus, die sich aus der Konfrontation mit der Kritik der platonischen Akademie ergab. Dieselben terminologischen Indizien lassen darüber hinaus erkennen, daß auch die aristotelische Verteidigung der Lust für Epikur keine annähernd so große Bedeutung erlangt hat, wie die direkte Auseinandersetzung mit den akademischen Lustgegnern selbst. Dementsprechend hat Epikur von der EN Η angestrebten72 Unterscheidung zwischen ενέργεια und κίνησις offenbar keinen Gebrauch gemacht: Er verknüpft den aristotelischen Energeia-Begriff mit der kinetischen Lust 73 und grenzt von dieser die katastematische weit prinzipieller ab, während es Aristoteles in EN Κ gerade auch um die Rehabilitierung der kinetischen Lust zu tun war. Die EN Η hervortretende „erematische" Lust aber bleibt dort ein Sonderfall, der für Epikur durch die Verknüpfung mit dem βίος θεωρητικός belastet war74. Auch ist die Behandlung des Indifferenzzustandes bei beiden verschieden: Aristoteles widerlegt Speusipp, ohne die Möglichkeit eines Indifferenzzustandes selbst in Frage zu stellen, Epikur hingegen leugnet ihn grundsätzlich und als solchen. Die Begriffe der „Grenze" (πέρας), des „Zustande" (κατάστημα) und der „Beschwerdelosigkeit" (άοχλησία) zeigen demgegenüber klar, daß Epikur die „katastematische" Lust der Sache nach als Seitenstück zu eben jenem mittleren Zustand75 der akademischen Ethik aufgefaßt 72 73

V g l . bes. E N 1 1 5 3 a 9 ff. Diog. Laert. X 1 3 6 = f r 2 U s . : ή μέν γαρ άταραξία καΐ άπονία καταστηματικαί είσιν ήδοναί" ή δέ χαρά και ή εύφροσύνη κατά κίνησιν ενεργεία βλέπονται. V g l . die Abweisung des ένέργεια-Begriffs nach A r . D i d y m . b. Stob. E c l . p. 46, 1 8 ( = USENER p. 264 Apparat)

74

75

und dazu BIGNONE I 3 2 1

ff.,

I I 3 7 f.; G.

NEBEL,

E p i k u r , in: Griech. Ursprung, 1948, 3 1 0 . V g l . K a p . I I 2 S. I5if., 1 5 3 . Die mit der Schmerzfreiheit zusammenfallende katastematische „ L u s t " E p i k u r s (für das Verständnis ihres Phänomengehalts h a t trotz zeitgenössischer Bedingtheiten Wesentliches geleistet E . HOFFMANN, E p i k u r , im L e h r b u c h d. Philos., herausg. v . Dessoir, B d . I, 1 9 2 5 , 2 1 6 - 2 2 6 ; vgl. aber auch schon BROCHARD 2 7 2 : ,,Le sentiment memo de la sant6 ou de la v i e " ) wurzelt in ganz anderen, vital begründeten Erfahrungsbereichen als die v o m Gegenstand des Ewigseienden her getragene und erhöhte F r e u d e der aristotelischen θεωρία. - Immerhin h a t Aristoteles die hedonistische U m d e u tung des platonisch-akademischen Ruhezustandes durch E p i k u r im A n s a t z vorweggenommen (vgl. jedoch auch schon Phileb. 5 1 Β ff., bes. Ε ff.: μαθήματα ! Die akustischen und optischen Freuden faßt E p i k u r übrigens f r 67 Us. gegen Arist. E N Κ 1 1 7 3 b 1 7 ff. und mehr nach A r t des 'Philebos' als Bewegungslüste auf). μέσος βίος Phileb. 4 3 Ε .

203

Epikureismus

hat. Dieser prozeßfreie Zustand genügt, wie der 'Philebos' lehrt, der Forderung nach „Grenze" und „Begrenzung" (ουσία!) im Unterschied zur Bewegtheit und Graduierbarkeit von Lust und Schmerz durchaus 76 . Er ist ferner wie die katastematische Lust Epikurs wesentlich, ja vorzugsweise, durch die Schmerzfreiheit (άλυπον77, άοχλησία) charakterisiert. E r bot endlich eine für Epikurs Absichten ideale Affinität zur demokriteischen εύθυμίη und εύεστώ78, von der Epikur als Schüler des Nausiphanes ursprünglich ausging und die mit dem Maßgedanken und gewissen Zügen der Dauer und Beständigkeit verknüpft war 79 . Die terminologische Anlehnung beweist zunächst, daß Epikur der Hedone-Kritik der Platoniker dadurch auszuweichen glaubte, daß er der Sache nach eine Position einnahm, die sich als eine hedonistische Umformulierung des „mittleren Zustands" der akademischen Ethik deuten ließ: Epikurs Rückzug auf die katastematische Lust im Unterschied zur kinetischen der Kyrenaiker ist unter anderem auch dadurch motiviert, daß er die Kritik der Akademiker auf der Basis des von ihnen sanktionierten Indifferenzzustandes unterlaufen konnte. Daraus folgt aber zweitens, daß die mit ontologischen Mitteln geführte Lustbestreitung der Akademie auf die A r t und Weise, wie Epikur auf die Kritik reagierte und ihr sich adaptierte, nicht ohne Einfluß bleiben konnte. Es war fast unvermeidlich, daß Epikur mit der Übernahme des πέρας(6po?-)80Begriffs analoge Seinsqualitäten der Lust entwickelte, die den älteren Atomisten und Hedonikern noch fremd waren, weil sie historisch die Seinslehre des Piatonismus und zwar genauer den „mittleren Zustand" der akademischen Ethik voraussetzen. 76

77 78 79

80

Vgl. Phileb. 21 Ε ι , 32 Ε 6 f. (μήτε μέγα μήτε σμικρόν!); die V e r k n ü p f u n g der Indifferenz mit dem Charakter der ούσία im Unterschied zur γένεσις und φθορά v o n ήδονή und λύπη wird ersichtlich 55 A . V g l . ζ. B . Phileb. 43 C i r , 55 A 7. Z u m Unterschied G. VLASTOS 583 (subjektiv - o b j e k t i v = physikalisch). Vgl. bes. Demokrit V S 68 Β i g i . D a ß jedoch δρος bzw. οδρος in Β 4 und Β i88 nicht „ G r e n z e " , sondern ursprünglicher „ M a r k e " , „ Z e i c h e n " bedeutet, h a t VLASTOS 588 f. gezeigt; zur historischen Einordnung der beiden Fragmente j e t z t eingehend W . KULLMANN, Arch. f. Gesch. d. Philos. 51, 1969, bes. 1 3 3 144, der auf „ M a ß s t a b " , „ N o r m " hin präzisiert. Vgl. dazu ferner D . M c GIBBON, Pleasure as the 'criterion' in Democritus, Phronesis 5, 1960, 7 5 - 7 7 . αόριστος, όρίζειν, ώρισμένον sind für Piatons άγραφα δόγματα und die A k a d e m i e g u t bezeugte Termini, vgl. z. B . Test. Plat. 31 G. (Hermodor), 22 B, 23 Β (Alexander nach περί τάγαθοϋ, vgl. Porph. in 23 B), 34 (Arist. Protrept. fr 5 W . u. R .

=

Β

33 DÜRING),

vgl.

Top.

Ζ

4,

142 a

1 9 fi.; M e t . Μ

1082 a

13 f.;

Xenokrates fr 68 H . ; Speusipp b. Jambl. D e comm. math. sc. I V ρ. ιό, 17 f. F. - περαίνειν, παρατούν dagegen e t w a Test. Plat. 23 Β , 32 (Porph., Sext. E m p . X 277). Verwandte Ausdrücke: ήρμοσμένον, τεταγμένον,

204

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

Bei dieser Sachlage empfiehlt es sich, den mittleren Zustand (μέσος βίος) dieser Ethik, der Epikur im 'Philebos' Piatons und den Schriften der Akademiker entgegentrat, einmal in seinem inneren Aufbau und in seinen speziellen ontologischen Voraussetzungen genauer zu erfassen, um dadurch für die Traditionsanalyse der epikurischen Ethik erweiterte Perspektiven zu gewinnen. Nun hat zwar, wie eine späte Notiz betont 81 , vetus omnis Academia in der einen oder anderen Form die Ethik des mittleren Zustands vertreten. Doch scheint es auch hier wieder Speusipp gewesen zu sein, der die Position der affektfreien Indifferenz besonders konsequent und rigoros durchgeführt hat. Anhand einer Rekonstruktion der Ethik Speusipps und ihrer Stellung im Gesamtaufbau seiner Philosophie sei daher im folgenden der akademische Hintergrund der epikurischen Ethik entwickelt. Speusipp bestimmt die Eudämonie in der zweiten der bei Clemens erhaltenen Definitionen zunächst allgemein als „Besitz der Güter" (έξις άγαθών), „nach welchem Zustand alle Menschen streben" (ής δή καταστάσεως άπαντας μέν ανθρώπους ορεξιν εχειν), präzisiert aber dann auf die Arete hin: στοχάζεσθαι δέ τούς άγαθούς της άοχλησίας. εΐεν 8' αν αί άρεταΐ της ευδαιμονίας άπεργαστικαί. Damit ist zweierlei ausgesprochen: a) Die άρεταί tragen zur Eudämonie wesentlich bei82, b) Wo sie gegeben sind, bedarf es der übrigen Güter nur soweit, als sie zur „Beschwerdelosigkeit" (άοχλησία) erforderlich sind. Darin liegt eine Einschränkung der έξις άγαθών, die der πέρας-(δρος-) Vorstellung im Hedone-Begriff Epikurs entspricht. Das Verhältnis von Arete und Eudämonie tritt deutlicher hervor in der übereinstimmenden, aber ausführlicheren und im einzelnen erläuterten Telosformel des Xenokrates fr 77 H. ( = Clem. Strom. II 22; 133, 5 f·). wonach die Eudämonie κτησις της οικείας άρετής και της 81

82

Gellius Ν. Α. I X 5> 4 = Speusipp fr 60 i L. Einige für Xenokrates und Polemon überlieferte Äußerungen zielen in der Tat in dieselbe Richtung, vgl. z. B. Xenokrates fr 4 H. = Ps. Gal. Hist. Phil. 8 p. 605, 7 ff. D.: αιτία δέ φιλοσοφίας εύρέσεώς έστι κατά Ξενοκράτη (DIELS: μέν Ισωκράτη codd.) τί> ταραχώδες έν τω βίω καταπαϋσαι των πραγμάτων, Acad. Phil. Ind. Here. col. VII 14 p. 39 Mekl. (σωφροσύνη), die Anekdoten D. L. IV 6 ff. sowie oben Kap. I S. 35 Anm. 144 (dort auch zu Polemon). Damit stimmt Epikur (trotz abweichender Grundtendenz) überein: ep. III 132, R. S. V, G. V. 5, vgl. Pap. Here. 1251 col. XIV, Cie. fin. I 42-54. Natürlich liegt das Schwergewicht der Eudämonie bei Speusipp wie bei allen Akademikern auf den άρεταί und zwar insbesondere auf der Betätigung des theoretischen Erkenntnisvermögens (vgl. dazu die treffenden Unterscheidungen bei D. PESCE, Idea, numero e anima, 1961, 70), während die άρεταί bei Epikur rein instrumental gesehen sind.

Epikureismus

205

ύπηρετικης αύτη δυνάμεως ist. D a v o n sind die άρεταί wie bei Speusipp als die Ursache (ύφ' ών ~ άπεργαστικαί), die äußeren Güter (τά σωματικά και τά έκτός) als die notwendige Bedingung (ών ουκ άνευ) der Eudämonie näher bestimmt. Hier zeigt sich, daß in dem Ausdruck άγαθά bei Speusipp sich die gleichen drei Güterklassen verbergen wie bei Piaton und Xenokrates, und daß, wie die φρονήσεις des 'Philebos' Ursache und Bestandteil des „gemischten Lebens" zugleich sind, so hier die άρεταί die Eudämonie sowohl bewirken 8 3 als auch mit den übrigen Gütern in ihr enthalten sind. Die v o n den άρεταί bewirkte Eudämonie stellt sich im Blick auf die leiblichen und die äußeren Güter als ,,Beschwerdelosigkeit" (άοχλησία) dar, ist also primär gegen die λύπη gewendet, was durch den in der Akademie (PI. Pol. 585 A 4, Phileb. 43 C, Ps. PI. Def. 412 C 5, Sext. E m p . X 266) und offenbar auch v o n Speusipp in anderem Zusammenhang verwendeten 8 4 Ausdruck άλυπία unterstrichen wird. Indessen m u ß darin der Sache nach auch die A b w e h r der Hedone gelegen haben 8 5 . Dies wird durch den zweifellos polemischen, mit Philippson 86 wohl früh zu datierenden speusippeischen Dialog 'Aristippos' (D. L . I V 4) ebenso wahrscheinlich gemacht wie durch die von Aristoteles in den E t h i k e n referierte vorzugsweise akademische, in erster Linie wohl von Speusipp vertretene Bestimmung der άρεταί als άπάθειαι und ήρεμίαι in bezug auf ηδονή und λύπη 87 . D a z u p a ß t gut das Referat des 'Philebos' über den „naturforschenden" Vertreter des μέσος βίος, demzufolge offenbar λϋπαι und ήδοναί als κενώσεις und πληρώσεις, φθοραί 83

B e i X e n o k r a t e s fr 7 7 wird a u c h deutlich, d a ß dies im einzelnen d u r c h καλαί

84

V g l . o b e n S. 192 A n m . 29.

85

W e n n nur die άγαθοί n a c h der άοχλησία streben, ist a n z u n e h m e n , d a ß die

πράξεις, σπουδαΐαι έξεις, διαθέσεις; κινήσεις u n d σχέσεις geschieht.

πολλοί darüber h i n a u s d r ä n g e n u n d die ήδονή einzubeziehen suchen. 86

PHILIPPSON 455 f.

87

E E Β 4, 1222 a 2 ff.: διό καΐ διορίζονται πάντες

προχείρως άπάθειαν και ήρεμίαν

περί ήδονάς καΐ λύπας είναι τάς άρετάς, τάς δέ κακίας έκ των έναντίων. Ε Ν Β 3, 1 1 0 4 b 24 ff.: διδ καί ορίζονται τάς άρετάς άπα θείας τινάς και ηρεμίας· ούκ εύ δέ . . . Z u r B e z i e h u n g auf die Akademie

J . BURNET, N o t e zu E N 1 1 0 4 b 2 4 ; D I R L -

MEIER i m K o m m e n t a r zur E u d e m i s c h e n E t h i k (Arist., W e r k e in deutscher U b e r s . , B d . 7, D a r m s t a d t 1962) 260 f., der zur E N - S t e l l e 306 u. a. auf Ps. PI. D e f . 4 1 2 A 8 (ήρεμία) verweist, v g l . 4 1 3 A 5 (άπάθεια); RABINOWITZ 276, 279, 284, 286 ff. Z u r B e z i e h u n g speziell auf Speusipp

PHILIPPSON 454, TRICOT 96

A n m . i , GAUTHIER-JOLIF 2 1 124 (neben D e m o k r i t ) sowie die englischen K o m m e n t a t o r e n . S p e u s i p p b r a u c h t n i c h t als einziger A k a d e m i k e r g e m e i n t zu sein, k a n n aber g e g e n RABINOWITZ 2 7 7 f. a u c h n i c h t ausgeschlossen werden (zu b e a c h t e n ist die A u s d r u c k s w e i s e άπαθείας τινάς, v o r a n g e g a n g e n e n πληρώσεις s. o b e n i m T e x t ) .

zur ήρεμία als R e s u l t a t der

206

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

und γενέσεις - λυπών άποφυγαί (44 Β 2, vgl. C 1)

d. h. aber beide als

Veränderungen, einander und der ουσία des Indifferenzzustandes gegenüberstehen (44 Β ff. neben 54 Ε f., vgl. 42 C ff.). Der hier sehr wahrscheinlich gemeinte Speusipp88 hat offenbar die άοχλησία als Ruhezustand aufgefaßt, der beim Menschen den Ablauf von Störung und Wiederherstellung, von Mangel (λύπη) und Befriedigung (ηδονή) voraussetzt, sich aber gegen beide richtet, während Piaton im 'Philebos' wie schon in 'Politeia' I X gegenüber Speusipp zu differenzieren sucht89, Zwar kommen 43 D ff. vermutlich Vertreter volkstümlicher Anschauungen zu Wort, doch muß es sich bei den δεινοί λεγόμενοι τά περί, φύσιν um Philosophen handeln. Dabei ist am ehesten an die zoologischen und botanischen Einteilungen in Speusipps "Ομοια zu denken (fr 5-26 L., dazu Athen. II 59 D: Speusipp beaufsichtigt zoologisch-botanische Dihairesen in der Akademie). Zu Speusipp paßt ferner der Ausdruck δυσχέρεια (44 C 6, D 2, 8, Ε 4 ~ fr 34 f., 42 e, 43 L.) und vielleicht der Terminus μηδέτερον (43 D ι, Ε 3, 5 ~ fr 6o b L.) für den μέσος βίος ( Ε 8 ~ fr 6o i L . : medium). Richtig A. D Ö R I N G in dem sonst überholten Beitrag: Eudoxos v. Knidos, Speusippos und der Dialog Philebos, Vierteljahrsschrift f. Wiss. Philosophie u. Soziologie 27, 1903, 125 ff.; W I L A M O W I T Z , Piaton II 272 f.; P H I L I P P S O N 468 ff., bes. 472; Α. E. T A Y L O R , Plato, 1926, 409 f., 423 Anm. x; ders., A commentary on Plato's Timaeus, 1928 (19622), 455 f.; Η . C H E R N I S S , The Riddle of the Early Academy, 1945 (1962®), 39 mit Anm. 40; F R I E D L Ä N D E R , Platon III 2 , i960, 491 Anm. 62; G A U T H I E R - J O L I F 2 II 777, 788, 801; I. D Ü R I N G , Aristoteles, 1966, 457 Anm. 157. - Das Gegenargument von Dräs (Platon, Philebe, Bud6-Ausgabe Vol. I X , 1949, L V I I ff., ebenso L I E B E R G , Geist und Lust, 1959, 29), Speusipp habe die Lust nicht nur negativ — als λυπών άποφυγαί - bestimmt, beruht auf der Verkennung des Umstands, daß dieser Interpretation der Lust auch die platonische Konzeption des μέσος βίος nahekommt und daß Platon nur insofern abweicht, als er darüber hinaus ,.wahre Lüste" (44 D 3) annimmt, denen kein Mangelgefühl vorhergeht. (Es besteht daher auch kein Widerspruch zu 53 CfE., wie D I E S L X I I I meint, der dort an der Aristipp-Hypothese festhält: L X I I S., dazu oben S. 191 f. und zur Frage der Sokratikerschulen im 'Philebos' treffend A.-J. F E S T U G I E R E , La doctrine du plaisir des premiers sages a Epicure, Rev. des sciences philos. et theologiques 25, 1936, 247 infra. Gegen Dies jetzt richtig G A U T H I E R - J O L I F 2 II 788.) D I Ä S ' Berufung auf die Anekdotenliteratur, derzufolge Speusipps Verhältnis zur Hedone in der Praxis positiv war (LXI f.), ist auch abgesehen vom Quellenwert der Zeugnisse bedeutungslos, da daraus für die theoretische Auffassung Speusipps nichts folgt (vgl. das umgekehrte Mißverhältnis bei Eudoxos E N Κ 1172 b 15-18 und Max Schelers bekanntes Diktum, der Ethiker stehe wie der Wegweiser nicht selbst dort, wo er hinzeige). - Im übrigen kommt auf die Zuweisung der 'Philebos'-Partie für den hier verfolgten Gedankengang nichts an, da sich aus den im folgenden behandelten EN-Referaten im Verein mit dem μέσος βίος Piatons dasselbe Resultat ergibt. Korrekturzusatz: Für Speusipp argumentiert soeben entschieden auch M. S C H O F I E L D , Who were οί δυσχερείς in Plato, Philebus 44 a ff. ?, Mus. Helv. 28, 1971, 2-20, vornehmlich aufgrund des δυσχέρεια-Arguments. 89 583 Β ff., mit der - fiktiven? - Berufung auf των σοφών τις. Auch dort erscheint der Indifferenzzustand als ησυχία (C 7, D 8, 11, Ε 2, 5, 584 Α 1, 8), 88

Epikureismus

207

indem er höhere ήδοναί nachweist, denen kein Mangelzustand vorangeht und die darum mehr als bloße λυπών άποφυγαί sind. Wenn die Aristoteles-Referate Arete und Apathie identifizieren, so ist zu beachten, daß auch die Telosformel fr 57 L. die Arete mit dem Bestreben verknüpft (στοχάζεσθαι!), die άοχλησία zur erwerben oder festzuhalten, woraus sich ergibt, daß beide aufs engste zusammengehören90. Kurz:

Die άοχλησία

ist der affektfreie (άπάθεια) Indifferenzzustand gegenüber λύπη und ήδονή zugleich, der sich als ,,Ruhe" (ήρεμία) und beständiges Sein (ουσία) von der Veränderung (γένεσις, κίνησις) in Gestalt der beiden πάθη ήδονή und λύπη unterscheidet91. In der Auseinandersetzung mit Eudoxos hat Speusipp den Dreiecks-Gegensatz von λύπη - άοχλησία - ήδονή noch schärfer formuliert. Dem Argument des Eudoxos, die ήδονή müsse als Gegensatz der anerkanntermaßen schlechten λύπη ein Gut sein, erwidert Speusipp, auch zwei Übel könnten untereinander im Gegensatz stehen (άντικεΐσθαι γάρ και κακόν κακω και άμφω τω μηδετέρω Ε Ν Κ 2 , 1 1 7 3 a 6 ff. = Speusipp fr 60 b L.), d. h. in diesem Falle, daß Lust, Schmerz und Indifferenz (μηδέτερον) einen Dreiecks-Gegensatz bilden, bei dem Lust und Schmerz als zwei Übel sowohl einander wie dem „guten" Mittelzustand gegenübertreten92. Man hat darin gelegentlich nur eine formale Kritik der

90

91

92

μεταξύ und έν μέσω 6v in bezug auf die κινήσεις von ήδύ und λυπηρόν und im besonderen die Lust als λύπης άπαλλαγή. Piaton erkennt dies für die körperbedingten Lüste an (584 Β ff., vgl. Tim. 64 D ff. und die Ausdrücke πλήρωσις und κένωσις Pol. 585 Α ff.), aber nicht für die „reinen" Lüste des interesselosen Wohlgefallens und der Seele. Dafür, daß Piaton den im 'Philebos' gemeinten Denker schon in der 'Politeia' vor Augen haben konnte, W I L A M O W I T Z , Piaton II 269; P H I L I P P S O N 472. Die Telosformel ist hier genauer als die Referate, weil sie im „Zielen" nach der richtigen Seelenlage die Betätigung und beständige Selbstkonstituierung der Arete mit zum Ausdruck bringt. F E S T U G I E R E L X I I Note 4 führt auch die übereinstimmende Theorie Arist. Rhet. Α II, 1369 b 33 ff. (mit den Leitbegriffen: φύσις, το κατά φύσιν) auf Speusipp zurück. So Gellius Ν. Α. I X 5, 4 = fr 60 i L. (schwerlich nur von der EN-Stelle abhängig, wie P H I L I P P S O N 470 Anm. 1 annimmt): Speusippus . . . voluptatem et dolorem duo mala esse (dicit) opposita inter sese, bonum tarnen esse, quod utriusque medium foret. Ähnlich die Erläuterungen des Michael v. Ephesos und des Anonymus zum EN-Passus (mit Hinweisen auf die arist. MesotesLehre). Die EN-Stelle ist jedoch nicht eindeutig. Überliefert ist τω μηδέτερα. Da Arist. in der Widerlegung des Einwandes (1173 a 11) μηδέτερα im Sinne von οδτε άγαθά ο0τε κακά auf Lust und Schmerz bezieht, liegt es nahe, mit E. H A M B R U C H 15 f. τω μηδέτερα zu lesen und Speusipp zum Gegensatz von Gutem und Schlechtem zwei Alternativen entwickeln zu lassen: zwischen Schlechtem und Schlechtem und zwischen Neutralem und Neutralem (daß

208

Zum hellenistischen Arete- und EudämoniebegrifF

eudoxischen Argumentation erkennen wollen93, doch ist der Antihedonismus Speusipps angesichts der physiologischen Begründung des μέσος βίος im 'Philebos' (κένωσις - πλήρωσις = λύπη - ήδονή) unmittelbar einsichtig und kann nach den Klärungen von Philippson und Bignone nicht mehr bezweifelt werden, wenngleich auch hier - wie schon im Terminus άοχλησία - der Nachdruck auf der λύπη hegt. Auffällig ist aber nun weiter, daß Speusipp die Relation der drei Zustände quantifiziert hat, indem er diese dem έλαττον, ΐσον und μείζον zuordnete94. Daß es sich dabei nicht nur um einen unverbindlichen

dabei der Nachdruck auf die erste Alternative fällt, zeigen die Parallele in E N Η und Speusipps Telosformel). Auszuschließen ist mit Sicherheit die Auffassung, Lust und Schmerz seien hier als κακά dem „Wertneutralen" gegenübergestellt — ein Fall, der in der akademischen Gegensatzlehre neben den drei Hauptgegensätzen Gut - Übel, Übel - Übel, Neutral - Neutral keine Rolle spielt (was allein die Athetese von άμφω bei H A C K F O R T H , R A C K H A M , G A U T H I E R - J O L I F widerrät) und außerdem im vorliegenden Zusammenhang ohne sachlichen Anhalt bleibt, denn Speusipp hat den Indifferenzzustand nicht als wertneutral betrachtet. - Falls H A M B R U C H S Lösung zutreffen sollte - καί όίμφω erregt freilich Bedenken, denn es dürfte sich auf κακόν κακω beziehen - , ist hier vom Indifferenzzustand zwischen den Bewegungen von Lust und Schmerz nicht die Rede, doch ist er, wenn man die Ethik Speusipps als ganzes im Auge behält, der Sache nach auch hier - im Sinne der Gellius-Notiz zwischen den beiden κακά vorauszusetzen. - Ganz abwegig ist die von GAUTHIER-JOLIF2 II 800-803, 823 f. vorgelegte Erklärung der EN-Stellen, die Speusipp anstelle des Tripeigegensatzes einen einfachen Gegensatz (Schmerz = Übel - Schmerzlosigkeit = Gutes = wahre Lust, mit der kinetischen Lust = Wertneutrales als Übergang) zuschreibt. Sie muß, um μηδέτερον auf die ήδονή beziehen zu können, gewaltsam κακί>ν κακω auf zwei Arten von Schmerz (!) und andererseits &μφω auf Schmerz und Schmerzlosigkeit beziehen (mit Neigung zur Athetese von άμφω); die 'Philebos'-Partie ist mißdeutet (Speusipp erscheint erst 44 Β 6 ff. mit der Verwerfung jeder Lust: δυσχέρεια, μίσος!), desgleichen der Satz E N Η 1153 b 6 f. (erklärt durch Κ 1173 a 11-13). Korrekturzusatz: Eine Auseinandersetzung mit der Auffassung von M. S C H O F I E L D (vgl. Anm. 88) muß anderwärts erfolgen. (Seine Erklärung von άμφω τω μηδέτερα erscheint mir zweifelhaft: a. O. 17 Anm. 50.) 93 Die Zurückhaltung S T E N Z E L S , R E III A (1929) s. v. 'Speusippos' Sp.1666 f. war schon zu ihrer Zeit durch den - von St. nicht berücksichtigten - Aufsatz P H I L I P P S O N S überholt. (Immerhin erwägt St. Beziehungen zu fr 57 L. und zum 'Philebos'.) Danach D I R L M E I E R im Komm, zur E N S. 497 unten. 94 Arist. E N Η 14, 1153 b 4 ff. = fr 60 a L . : ώς γάρ Σπεύσιππος έλυεν, ού συμβαίνει ή λύσις, ώσπερ το μείζον τω έλάττονι καί, τω ϊσφ έναντίον. Das Imperfekt dieses Berichts (anders an der Parallelstelle E N K) deutet auf eine mündliche Äußerung, wahrscheinlich auf die Diskussion zwischen Eudoxos und Speusipp in der Akademie der Sechziger Jahre, deren Zeuge Aristoteles gewesen ist (vgl. P H I L I P P S O N 449). Dies schließt jedoch nicht aus, daß Speusipp seine Theorie später auch schriftlich fixiert, im Rahmen seiner Lehrtätigkeit vorgetragen und in Schulschriften niedergelegt hat, von wo aus sie schriftlich oder münd-

Epikureismus

209

Vergleich handelt (ώσπερ), sondern daß das Mehr und Weniger in der Akademie als die einzige Weise galt, in der zwei Unwerte einander gegenübertreten können, belegen Parallelen beim frühen Aristoteles 96 . Die Quantifizierung war in der T a t auch sachlich durchaus begründet, denn die λύπη stellte sich ja als Mangelzustand dar (κένωσις!), repräsentierte also das „ Z u w e n i g " (ελαττον), während umgekehrt die ηδονή, die auf πλήρωσις beruhte, gegenüber der „Ausgeglichenheit"

('ίσον) des

Indifferenzzustandes als ein „ Z u v i e l " aufgefaßt werden konnte 96 . Der Dreiecks-Gegensatz von λύπη - μηδέτερον/medium97 - ήδονή gewinnt aber damit den Charakter einer quantitierenden Wertstruktur: κακόν

-

άγαθόν97



κακόν

ελαττον



ίσον



μείζον

von der man bezeichnenderweise die aristotelische Mesotes-Tugendlehre hat ableiten wollen 98 . Woher stammt aber nun das Schema von έλαττον - ίσον - μείζον, das für die Eudämonielehre Speusipps offenbar von konstituierender Bedeutung gewesen ist ? Gewiß nicht lediglich aus der mathematischen Proportionenlehre, wie man gelegentlich gemeint hat 99 , denn es läßt sich zeigen, daß jene Wertstruktur mit der charakteristischen Verbindung des Werthaften und des Quantitativen von Piatons Lehrvorträgen her die Akademie weitgehend beherrscht hat.

85

86

87 98

88

lieh - die EN-Referate sind ein Beispiel ihrer Fortwirkung - bis zu Epikur gelangen konnte, wie man dies auch im Falle der mündlichen Äußerungen des Diskussionspartners Eudoxos angenommen hat (vgl. Kap. II 2 S. 165 f.). Zum Zusammenhang von Diskussion und Lehrtätigkeit in der Akademie Kap. I S. 28 ff. Top. 113 a 5 ίϊ.: ού δοκεΐ δέ φευκτόν φευκτω έναντίον είναι, εάν μή ή τδ μέν καθ' ύπερβολήν τί> δέ κατ' ενδειαν λεγόμενον, vgl. Cat. 11, 14 a ι ff.: κακω δέ ότέ μέν άγαθόν εναντίον έστίν, ότέ δέ κακήν τη γάρ ένδεια κακω δντι ή υπερβολή έναντίον κακόν δν. Vgl. Div. Arist. Nr. 68 C. Marc. p. 66, 8 MUTSCHMANN. Oder, von der Innenseite des πάθος her gesehen: Zuwenig und Zuviel an Wohlgefühl, gegenüber der „apathischen" Ausgeglichenheit des Gemütszustands in der Indifferenz. fr 60 i L. (vgl. Anm. 92), vgl. den μέσος βίος des 'Philebos'. PHILIPPSON 456 f.; LIEBERG 58 (der den Vorgang Philippsons in diesem P u n k t übersehen hat, ebenso sein Rezensent K . OEHLER, Gnomon 32, i960, 30). Tatsächlich begegnen die gleichen Termini (ίσον - μείζον - έλαττον) im Vergleich auch in der aristotelischen Mesotes-Lehre. Doch ist nicht Speusipp das Vorbild für Aristoteles gewesen; beide wurzeln vielmehr gemeinsam in der übergreifenden Wertstruktur Piatons, von der sie spezielle Anwendungen geben: Verf. A P A I I I . Die Grundlegung der Mesotes-Lehre in der platonischen Ontologie, bes. 341 ff. PHILIPPSON 448, d a n a c h L I E B E R G 58.

210

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

Der Vergleich mit dem Zentralstück des gemeinhin auf Piatons Vorträge περί τοϋ άγαθοΰ zurückgeführten 1 0 0 Referates bei Sextus E m p . X 263 ff. ergibt dabei wichtige Aufschlüsse für den Eudämoniebegriff Speusipps. Gegensatzpaare (έναντία), die einander durchweg als Gut (άγαθόν) und Übel (κακόν) gegenüberstehen, werden dort unter die Gattungsbegriffe des ί'σον und des άνισον gebracht, v o n denen das zweite durch das Mehr und Weniger (μάλλον - ήσσον, υπεροχή - ελλειψις) charakterisiert ist. I m einzelnen fallen folgende Beispiele auf: 271, vgl. 268: τό ϊσον: 266: άλυπία 2J2'. τδ κατά φύσιν 266/68/71:

τό m'ίσον (μάλλον - ήσσον): - λύπη — τό παρά φύσιν

μονή/στάσις/ήρεμία101 -

κίνησις

Der Ausdruck άλυπία entspricht sichtlich der άοχλησία der speusippeischen Telosformel und ist vermutlich von Speusipp alternierend gebraucht worden. Die Schmerzfreiheit steht hier als eine Weise des „Ausgeglichenen" (ΐσον) dem Mehr und Weniger der λύπη ähnlich gegenüber wie der Indifferenzzustand der E N - R e f e r a t e den πάθη von L u s t und Schmerz. E s fehlt lediglich die Differenzierung des Mehr und Weniger nach Schmerz und Lust, die nach Aristoteles eine Sonderlehre Speusipps darstellt und daher in der vorliegenden, dem 'Philebos' näherstehenden Doktrin noch fehlt 102 . - Die Termini des Naturgemäßen und Naturwidrigen sind nicht nur allgemein für die Akademie bezeugt 1 0 3 , von der sie die Stoa übernommen hat, sondern sind im besonderen Maße für Speusipp charakteristisch: D a s Naturgemäße ist der Kernbegriff der ersten der bei Clemens überlieferten Eudämonieformeln (έξις τελεία έν τοις κατά φύσιν έχουσιν)104 und k o m m t ferner v o r in dem auf Speusipp zurückgehenden Referat bei Jambl., D e comm. math. sc. IV. 1 0 5 - W e n n die „ R u h e " hier als eine Weise des άγαθόν 100 vgl. JETZT die eingehende Behandlung bei K. GAISER, AHAW 1968/2, 63-83. 101 vgl. 264: κινούμενον - ήρεμοϋν. 102 Im 'Philebos' haben beide, ήδονή und λύπη, am Mehr und Weniger gleichermaßen Anteil. - Aristoteles, der die Unbegrenztheit der Lust bestreitet, hält immerhin mit den Akademikern an der Unbegrenztheit der λύπη fest (EN 1170 a 23 f.). 103 Vgl. z. B. PL Phileb. 32 A, grundsätzlich unten S. 230 Anm. 179. 104 Daß diese Formel von den beiden die jüngere sei, meint wegen der Übereinstimmung mit der Formel Polemons und mit der Stoa PHILIPPSON 455, 457. 105 p. 18, 12 FESTA (τό κατά φύσιν als Gegensatz der κακία), zur Quellenfrage Ph. 2 MERLAN, From Platonism to Neoplatonism, i960 , 96 ff. Vgl. ferner Arist.

Epikureismus

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begegnet, so entspricht dies der Charakteristik der Arete als ηρεμία in den Referaten der E E und E N ebenso wie der Bestimmung des Indifferenzzustandes als ούσία im 'Philebos', - dort im Unterschied zur γένεσις und φθορά von ηδονή und λύπη, für die hier der allgemeinere Begriff der κίνησις eintritt. Die Ethik Speusipps erweist sich demnach mit dem ontologischen Sextus-Referat, das zuletzt auf Piatons περί τάγαθοϋ, mit Sicherheit aber auf die Akademie zurückgeht, als so vielfältig verklammert, daß es nicht nur erlaubt, sondern geboten erscheint, die Konsequenzen für die ontologische Einordnung und Fundierung des speusippeischen Eudämoniebegriffs zu ziehen. 1. Zunächst ist es deutlich geworden, daß die Anwendung des Schemas ελαττον - ϊσον - μείζον auf die Hedone-Thematik in den E N Referaten nicht äußerlich ist: Insbesondere ist offenbar der Charakter des „Ausgeglichenen" (ίσον, ίσότης) für den Indifferenzzustand konstitutiv gewesen, denn im Bericht des Sextus fällt das Äquivalent άλυπία tatsächlich unter den Oberbegriff des ϊσον. Lediglich die Differenzierung des Gegensatzes nach den beiden Momenten des Mehr und Weniger, die isoliert und mit dem Schema von κένωσις und πλήρωσις, λύπη und ηδονή verknüpft werden, mag Speusipp in der Kontroverse mit Eudoxos ad hoc neu entwickelt haben. 2. Der Gegensatz von γένεσις und ουσία, der im 'Philebos' auf das Verhältnis der ηδονή (und λύπη) zur Indifferenz des μέσος βίος angewandt ist (55 A), entspricht dem Gegensatz von κίνησις und στάσις im Bericht des Sextus. Die beiden Syzygien (μοϊραι) des άγαθόν und des κακόν, von denen der 'Philebos' in diesem Zusammenhang spricht (54 C f.), kehren in den Syzygien von άγαθά und κακά, die unter ϊσον und άνισον fallen, bei Sextus wieder. Der μέσος βίος ist damit auch nach seiner „katastematischen", schon im 'Philebos' als ontologisch gekennzeichneten Grundqualität in das bei Sexius erhaltene kategoriale Schema eingeordnet: Der ουσία-Charakter des Indifferenzzustandes äußert sich wesentlich als „ R u h e " , Ständigkeit und Beharrung, die ihrerseits eine Weise des Ausgeglichenseins (ίσον) darstellen. 3. Das Sextus-Referat gibt über den Charakter des ϊσον weitere Auskunft: E s nimmt kein Mehr und Weniger an, weil es άκρότης άνεπίτατος, „nicht mehr steigerungsfähige Höchstform" ist. Diese Bestimmung, die gerade anhand der Beispiele μονή - κίνησις und κατά φύσιν Protrept. fr 11 W . u. R . p. 4 4 , 1 8 f. R . = Β 1 4 DÜRING: τί> παρά φύσιν . . . τ ω κατά φύσιν .

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Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

παρά φύσιν entwickelt wird (271/2), läßt erkennen, daß das Ausgeglichene und Gute nicht graduierbar ist und darum in den einzelnen Sachbereichen jeweils nur in einer einzigen Gestalt erscheinen kann - im Unterschied zu den vielerlei Graden des nach dem Mehr und Weniger differenzierten Gegensatzes. Daß es sich dabei nicht um eine stoische Überfärbung des Sextus-Berichtes handelt, belegen übereinstimmende Äußerungen von Piaton und Aristoteles über die Einzigkeit der Arete 108 und ihren Charakter als Höchstform 107 . Die Nichtgraduierbarkeit der Arete ist ferner durch das aristotelische Referat Cat. 8, 10 b 32 ff. für die Akademie gesichert108. Das „Ausgeglichene" (ίσον) ist demnach von einfachem, monadenhaft-einförmigem Seinscharakter, woraus sich für den unter dem ίσον stehenden Eudämoniebegriff Speusipps entsprechende Konsequenzen ergeben. 4. Dieser Seinscharakter erklärt es, daß das ίσον bei Sextus (275) wie im περί τάγαθοϋ-Referat Alexanders 109 auf das Prinzip εν zurückgeführt wird 110 . Die Ausgeglichenheit ist eine Weise der Einheit, des Eins-seins, und hat als solche an der Ureinheit des Grundprinzips und Urelements Anteil. Insofern der Eudämoniebegriff Speusipps - mit den Charakteren ουσία, ήρεμία, άγαθόν, άρετή, άλυπία, κατά φύσιν δν — unter das ίσον fällt, unterliegt er der Zurückführung auf das Ur-Eine des ioe pi Pol. 445 C 5 f.: b> μέν είναι είδος της άρετης, απειρα δέ της κακίας, Arist. ΕΝ Β 6, ι ΙΟ6 b 28 ff.: τό μέν άμαρτάνειν πολλαχώς ίστιν - τό γάρ κακόν τοϋ άπειρου, ώς οί Πυθαγόρειοι εϊκαζον, τό δ' άγαθόν τοϋ πεπερασμένου - τό δέ κατορθοϋν μοναχώς (mit deutlicher Anlehnung an die akademische Prinzipien- und Syzygienlehre, vgl. A P A 347). Vgl. EE Η 5, 1239 b 11 f.: τό τε γάρ άγαθόν άπλονν, τό δέ κακόν πολύμορφον. 107

108

109

EN ΙΙ07 a 7 f·: ή άρετή κατά τό άριστον και τό εδ άκρότης sc. έστίν. — Zu άνεπίτατος vgl. das Begriffspaar έπίτασις - όίνεσις b. Simpl. in phys. 453, 33; 455, ι D. nach Piatons περί τάγαθοϋ (über Porphyrios und Alexander) und b. Arist. Rhet. A 4, 1360 a 23 ff. Aristoteles überprüft dort die Kategorie des ποιόν auf ihr Verhältnis zum akademischen μάλλον - ήττον (vgl. MERLAN, Philol. 89, 1934, 35 ff·) und referiert dabei die Einschränkung, daß nach der Auffassung „einiger" άρεταί wie Gerechtigkeit oder Gesundheit kein Mehr und Weniger zulassen. (Der Text unten S. 227, wo auch Näheres zur Übereinstimmung mit dem SextusReferat. Auch die folgenden mathematischen Paradigmen: Dreieck, Viereck II a 5 ff., die gleichfalls kein Mehr und Weniger annehmen sollen, zeigen, daß die „einigen" Akademiker sind.) Alex, in metaph. 56, 16 ff. H. Vgl. ferner die Fortwirkung der Reduktion bei Arist. Metaph. Γ 2, 1003 b 36, 1004 a 1 7 ff., 27, Δ 1 5 , IO2I a 9 ff., I 3 1054 a 31 ff., mit den zugehörigen, auf περί τάγαθοϋ weisenden Angaben Alexanders (Näheres A P A 271 ff., 309 ff., Test. Plat. 39 A - 41 Β G.). Das ίσον als Gegenbegriff des μάλλον - ήττον auch in Hermodors Platon-Referat b. Simpl. in phys. 248, 9 D. (T. PI. 31 G.).

Epikureismus

213

platonisch-akademischen Elementensystems, ist also innerhalb des Platonismus ontologisch begründet und in den Gesamtzusammenhang des philosophischen Systems eingeordnet. Man könnte einwenden, daß diese Reduktion für Speusipp speziell nicht greifbar sei. Dem steht jedoch 'Philebos' 54 C f. die Bezugnahme auf die Syzygienlehre ebenso gegenüber wie die Art, in der sich Speusipp nach den EN-Referaten an das μείζον - έλαττον der platonischen άόριστος δυάς angelehnt zu haben scheint 111 . Andererseits ist der auch von Festugiere 112 betonte Zusammenhang zwischen der Ethik und der Metaphysik Speusipps anhand des Analogiegedankens 113 des speusippeischen Systems hinreichend verifizierbar: Bekanntlich ist das UrEine Speusipps nicht selbst werthaft wie das έν-άγαθόν Piatons (und Plotins); das Wert- und Unwerthafte kommt vielmehr in der Seinsordnung des speusippeischen Derivationssystems erst „später", und zwar stufenweise nach καλόν und άγαθόν differenziert vor 114 . „Erst auf der vierten und fünften Stufe", nämlich im Bereich der Seele und der Körper, treten Arete (τό κατά φύσιν) und κακία in Erscheinung 116 . Dagegen ist das Eine Speusipps zweifellos Wertprinzip, denn die Arete geht im „Fortgang" (προελθεϊν) der Seinsordnung aus ihm hervor. Das Eine wird demgemäß selbst in die erweiterte των άγαθών συστοιχία eingereiht 116 , d. h. es nimmt zur Arete eine dem Analogieverhältnis der Seinsstufen entsprechende Stellung ein, wie dies Aristoteles Metaph. Λ 1072 b ι wohl in der Nachfolge Speusipps formuliert (και Ιστιν άριστον άεί ή άνάλογον τό πρώτον)117. Die monadenhaften Charaktere von Arete 110

111

112

113 111

Das πέρας wird auch im 'Philebos' bevorzugt durch τό Ισον καΐ ισότητα repräsentiert (25 A 6 ff., D u ) , woraus sich Konsequenzen für die Reduktion des μέσος βίος auch bei Piaton selbst ergeben. Speusipps Gegenprinzip war bekanntlich nicht das Groß-Kleine der unbegrenzten Zweiheit, sondern die weniger bestimmte „Vielheit" (πλήθος: fr 35 ä f f . L., Jambl. comm. math. sc. I V p. 15, 10 ff. F.), unter die freilich das einzelne Mehr und Weniger subsumiert werden konnte. FESTUGIERE p. L X V Note 9 („La th6orie morale de Speusippe doit se comprendre par r6f6rence ä sa doctrine m6taphysique"). Dazu grundsätzlich STENZEL R E 'Speusippos' Sp. 1664 f. Arist. Metaph. Λ η, 1072 b 30 ff., Ν 4, i o g i a 33 ff., Ν 5, 1092 a 11 ff. ( = fr 34 a, f, e L.), vgl. Β 6, ioo2 b 32 ff.; Jambl. De comm. math. sc. I V p. 16, 10 ff.; 18, Ι ff. F E S T A . V g l . V e r f . U G M 2 1 2 ff.

115 118 117

Jambl. a. Ο. p. 18, 9 - 1 2 F. Arist. E N A 4, 1096 b 5 ff. = fr 37 a L. Aristoteles selbst vertritt die erste, aber gerade nicht die zweite Hälfte der Alternative. Zum Analogiebegriff Speusipps in Met. Λ vgl. Anm. 27. - Bei Speusipp ist das άριστον die Arete und Eudämonie im Kosmos und im Menschen.

214

Z u m hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

und Eudämonie, die im Begriff des ΐσον zusammengefaßt sind, sind dann aber in der Philosophie Speusipps nicht nur Prinzipiate des UrEinen, sondern stehen zu ihm darüber hinaus - ähnlich wie die Monas der Zahlen oder der Punkt unter den Größen - in einer strengen systematischen Relation, die eine Derivation und umgekehrt eine Reduktion impliziert. - εν und ΐσον sind bei Speusipp also auch dann aufeinander bezogen, wenn Speusipp die spezifische, dialektisch-kategoriale Ableitung Piatons nicht mehr in Anspruch genommen haben sollte. Das gleiche leistet unter einem anderen Aspekt der ουσία-Charakter des mittleren Zustands, wie ihn der 'Philebos' (53 C ff.) für Speusipp referiert : Er bezieht das (stabile) Sein von Seele und Körper auf das εν als Seinsprinzip 118 . Das Gesamtbild119, das sich aus dieser Rekonstruktion für den Eudämoniebegriff Speusipps ergibt, stellt sich folgendermaßen dar: Alle einzelnen Aspekte konvergieren auf einen einheitlichen Grundcharakter hin, der in der Metaphysik des akademischen Prinzipien- und Elementensystems wurzelt. Auf der Ebene des Psychologisch-Ethischen geht Speusipp zunächst vom Ideal eines Indifferenzzustandes aus, der sich gegen die Affekte von ηδονή und λύπη abgrenzt, und zwar primär - wie bei Epikur - gegen die λύπη. Axiologisch gesehen ist dieser Zustand werthaft (άγαθόν, τέλειον, οδ ένεκα im'Philebos'-und EN-Referat) und von der Arete vermittelt, der Zustand des Affektes dagegen unwerthaft (κακόν). Ontologisch betrachtet wiederum ist der Zustand der Indifferenz ein ruhendes Sein (ούσία, ηρεμία), während die Affektionen der Bewegtheit des Werdens (γένεσις, κίνησις) angehören. In der kategorialen Zerfällung der Wirklichkeit stellt sich die Indifferenz schließlich dar als ein Ausgeglichenes (ΐσον)120, Mittleres (μέσον) und der Sache nach - Äußerstes, Einziges, das dem vielfältig fluktuierenden 118

119

120

Z u m b) Speusipps als überseiendem Seinsprinzip vgl. bes. Jambl. D e comm. math. sc. c. I V p. 15, 7 ff.; 18, 5; 7 F . ; ferner Arist. Metaph. Ν 1092 a 14 f. E s übersteigt als Prinzip ov (ούσία) und άγαθόν (καλόν) in verwandter Weise, dazu grundsätzlich Verf. U G M 352 ff. E s sei darauf aufmerksam gemacht, daß der ontologische R a n g des mittleren Zustands und des Eudämoniebegriffs bei Speusipp und den Akademikern leicht auch ohne die Zuhilfenahme des Sextus-Referates einsichtig gemacht werden kann. D a s gleiche gilt zuletzt auch für die F r a g e der Zuweisung des γένεσις-ούσία-Arguments im 'Philebos' (53 C f f . ) . D a m i t ist zu vergleichen, wie die Denkseele bei Speusipp gesehen wird (definiert als Ιδέα τοϋ πάντη διαστατοϋ fr 40 L.). ιδέα bedeutet hier vielleicht, wie der K o n t e x t bei Stobaios (Eel. phys. I 49, 32 p. 363, 26 ff. W.) nahelegt, dasselbe wie πέρας, nämlich die geometrische Fläche als „ G r e n z e " des drei-

Epikureismus

215

Mehr und Weniger der πάθη gegensätzlich gegenübersteht. Es kann darum auf der höchsten, prinzipientheoretischen Stufe der Betrachtung auf das Ur-Eine (εν) zurückgeführt werden wie jene auf das Gegenprinzip des πλήθος: Seelenlage:

λύπη

Seinsweise:

κένωσις γένεσις, κίνησις

Axiologisch:

κακόν

Kategorial:



άοχλησία

-

ήδονή

-

στάσις ούσία, ήρεμία

-

πλήρωσις γένεσις, κίνησις



αγαθόν

-

κακόν

ελαττον άνισον

-

ϊσον μέσον

-

μείζον άνισον

άόριστον



-

άόριστον

Prinzipientheoretisch:

πλήθος

#

εν ώρισμένον, πεπερασμένον, πέρας

πλήθος

Sein und Werthaftes, Ruhe und Beständigkeit, Ausgeglichenheit und Einzigkeit sind zuletzt nur verschiedene Wirkungsweisen der Monade, des vom Einen Eins-seins,

selbst

her begrenzten1,2·1,

bestimmten

und

fixierten

das sich gegen die Charaktere der Vielheit absetzt. Die

Dreiecks-Struktur der speusippeischen Eudämonievorstellung erweist sich dabei als Aktualisierung 122 der Prinzipienstruktur des akademischen Elementensystems, wie sie in verwandter Form auch in der aristotelischen Mesotes-Lehre nachwirkt 123 . Diese Struktur erscheint

121 122

123

dimensionalen Körpers, vgl. GAISER P U L 51, 347 Anm. 41. Aber auch wenn man Ιδέα als „Gestalt" auffaßt, ergeben sich Beziehungen zur ίσότης der Ethik. Zur „Begrenzung" bei Speusipp oben S. 203 Anm. 80. Bei Speusipp steht bekanntlich das abgeschlossene (τέλειον) Sein erst am Ende des Derivationsprozesses, während die Prinzipien und Elemente vergleichsweise „potentiell" bleiben. Der A P A 341-379 aufgedeckte Zusammenhang ist von den Sachkennern fast durchweg akzeptiert worden (vgl. beispielsweise F. DIRLMEIER im Kommentar zur EE, 1962, 142 f., 504; F. W E H R L I , Hauptrichtungen des griechischen Denkens, 1964, 165; I. DÜRING, Aristoteles, 1966, 438, 448 f.; ders. R E Suppl. Bd. XI, 1968, s. v. 'Aristoteles', Sp. 283 f. mit Rückblick auf die Forschungsgeschichte; zusammenfassend J. W I P P E R N , Das Problem der ungeschriebenen Lehre Piatons, Wege der Forschung Bd. C L X X X V I , Darmstadt 1971, Einleitung S. X L Y Anm. 46; den A P A 366 Anm. 221 aufgeführten älteren Stimmen ist hinzuzufügen O . GIGON, Einleitung zur Übertragung der EN,

15 Krämer, Platoniemua

216

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

hier auf der untersten, kosmologischen Stufe des Derivationszusammenhanges speziell im anthropologischen Bereich und wird dabei bis ins Psychologische und Physiologische hinein weiterverfolgt. Kehrt man von hier aus zur katastematischen Lust Epikurs zurück, so springt zweierlei ins Auge: Der metaphysische Überbau des Piatonismus ist spurlos entfallen; andererseits jedoch zeigt der Grundcharakter der katastematischen Lust im einzelnen eine auffällig enge Verwandtschaft mit dem des mittleren Zustands bei Speusipp, die über die von Bignone aufgewiesenen Beziehungen wesentlich hinausgeht. Auch die verschiedenen Züge der katastematischen Lust Epikurs konvergieren in einer einheitlichen Grundvorstellung, die sich in den Bildern von der Windstille des Meeres124 und der reinen Klarheit des heiteren Himmels 125 zusammengefaßt ausdrückt. Grundlegend ist die Begrenztheit der Lust (πέρας, δρος), die in der Befreiung vom Schmerz bereits ihre Schranken findet und nicht ins Unbegrenzte (άόριστον) ausgedehnt werden kann12®. Aus ihr folgt die Unmöglichkeit der Steigerung, schlechthin wie auch speziell in der Zeit 127 , da die katastematische Lust einen Gipfelwert darstellt (άνυπέρβλητον γήθος, άκρότης)128. Ihr entspricht ferner die Ausgeglichenheit (ίσότης, όμοείδεια), die sich bei Philodem formuliert findet 129 , aber auch den Bildern von Meer und Himmel zugrunde Hegt. Zu ihnen gehört weiter die Eigenschaft der Ruhe und Unbewegtheit, der Stille und des Friedens, mit der sich die Zürich 1 9 5 1 , 1967 2 , 49). Zum Nachweis der Fortwirkung des platonischen Mehr und Weniger auch in der peripatetischen Biologie vgl. jetzt Verf., Grundbegriffe akademischer Dialektik in den biologischen Schriften von Aristoteles und Theophrast, Rh. Mus. i n , 1968, 2 9 3 - 3 3 3 . Der Einfluß auf die Ethik und Politik wird dadurch noch einmal a fortiori gesichert. 124 Cie. Tusc. V 6, 16 = fr 425 Us.: ut maris igitur tranquillitas intellegitur nulla ne minima quidem aura fluetus commovente, sic animi quietus et placatus status cernitur, cum perturbatio nulla est qua moveri queat. (Nietzsche hat bekanntlich in seiner Charakteristik Epikurs das Bild aufgegriffen: Fröhliche Wissenschaft Aph. 45 und Zur Genealogie der Moral I I I 1 8 ; vgl. die treffende Modifikation bei G. NEBEL, Epikur, in: Griechischer Ursprung, 1948, 239). 125 Sen. ep. mor. 66, 45 = fr 434 Us.: Quem ad modum serenitas caeli non reeipit maiorem adhuc claritatem in sincerissimum nitorem repurgata, sie hominis corpus animumque curantis et bonum suum ex utroque nectentis perfectus est status et summam voti sui invenit, si nec aestus animo est nec dolor corpori. 12« v g l oben S. 1 9 7 Anm. 47. 127 Vgl. oben S. 188 ff. 128 fr 423 Us., ep. I I I 1 3 1 , vgl. fr 407, G. V . 42, ferner Plut. mor. 1091 Ε = Metrodor fr 28 K., ähnlich zur Arete Philod. De dis I I I col. g p . 22, 27 ff. D. 129 Vgl. oben S. 198 Anm. 48; ferner G. V . 48 (πέρας - όμαλως).

Epikureismus

217

„katastematische" Lust von der „kinetischen" unterscheidet 130 . Daraus resultiert wiederum die Unerschütterbarkeit des einmal gewonnenen Zustandes - eine Umkehrung seiner Unfähigkeit zur Steigerung - der sich auch unter schweren körperlichen Schmerzen behaupten läßt 131 . Ein anderer Aspekt der Begrenztheit führt auf die Ethik des Maßes und die Autarkie des einfachen Lebens, das durch eine reductio ad minimum der Bedürfnisse und Mittel das Maximum an Lust erzielt und erhält132. Auch die Qualität der Reinheit und Ungemischtheit der Lust 130 philon leg. all. I I I 5 4 = Nachtrag zu fr 4 x 6 p. 3 5 6 Us., Philod. De morte IV col. X I V 8 f. K U I P E R (ηρεμία, ήρεμούντων, ισταμένων). Vgl. die Erläuterung des Begriffs der katastematischen Lust durch die Ausdrücke εύστάθεια, ευσταθές (fr 6 8 mit Nachtrag p. 3 4 5 Us., fr 4 2 4 , 4 3 1 Us., Metrodor fr 5 K.; vgl. Demokrit fr Β i g i , A l = D. L. I X 4 5 , aber auch denselben Ausdruck für die ηρεμία bzw. άοχλησία Speusipps Pap. Here. 1 2 5 1 col. I I I 2 0 mit W . S C H M I D S Erklärung), ήσυχ(α, tranquillitas (fr 4 2 6 , 4 3 4 , 5 4 4 Us., Philod. De dis I I I fr 2 5 b p. 4 9 D.), und stans, stabilis, stabilitas (Cie. fin. I I 9 , 1 6 , 3 1 f.: also στάσις!). Vgl. fr 3 6 3 Us. 131 Vgl. bes. fr 1 3 8 , fr 6 0 1 , fr 6 0 4 Us. Die Eudämonie der Schmerzlosigkeit k a n n paradoxerweise auch unter Schmerzen bewahrt werden, weil diese durch die überlegene seelische Lust der Erinnerung oder Erwartung kompensiert werden können (fr 1 3 8 , bes. Cie. fin. I 6 2 = fr 3 9 7 p. 2 7 3 Us.; vgl. I 5 5 und fr 4 3 6 Us.). Der Gedanke heroischer Selbstbehauptung ist wie in der Stoa altsokratisch (vgl. unten S. 2 2 4 ) , wird aber bei Epikur psychologisch und ontologisch neu durchdacht und begründet. 132 fr 4 5 4 - 4 8 5 Us., ep. I I I 1 3 0 f., R. S. Χ, XI, XV, G. V. 8 , 2 5 , 5 9 , 6 8 , 6 9 , 8 1 ; Diog. Oen. fr 2 8 V I I 6 , Cie. fin. I 4 5 , 5 1 , 5 9 , 6 2 , I I 2 2 f., 2 7 ; Tusc. V 8 8 ff., 9 3 . Der Zusammenhang deutlich ep. I I I 1 3 0 f. (οϊ τε λιτοί χυλοί ϊσην πολυτελεΐ διαίτη τήν ήδονήν έπιφέρουσιν δταν άπαν το άλγοΰν κατ' ενδειαν έξαιρεθή, καί μαζα και ΰδωρ τήν άκροτάτην άποδίδωσιν ήδονήν), fr 458 ρ. 297» 5 ί· Us., fr 4 6 3 » 4^5» vgl. Diog. Oen. a. Ο. Das Maß der Bedürfnisse und Mittel ist die Schmerzfreiheit, die mit der „höchsten" Lust eins ist. Zum Zusammenhang auch G I G O N 2 2 4 , 1 7 2 Anm. 3 , 1 7 6 Anm. 1 5 . - Weitere, auf nicht notwendigen Begierden beruhende Lüste können die Schmerzfreiheit als die höchste Lust nur „variieren" (ποικιλμούς, ποικίλλεσθαι, varietas, variari distinguique, condire et oblectare: fr 4 1 7 , fr 4 3 4 , R. S. X V I I I , X X I X , Cie. fin. I 3 8 , I I 1 0 ) , wobei es offen bleibt, ob dies für alle Lüste des äußeren Kreises zusammen gilt, oder, wie H. S T E C K E L in seiner scharf differenzierenden Dissertation 1 7 4 ff. meint, für einzelne unter ihnen, die jeweils gegen andere ausgetauscht werden können. Jedenfalls handelt es sich um eine perspektivische Abwertung des äußeren Kreises der „nur natürlichen" Begierden und Lüste, die dem Ideal der totalen Schmerz- und Bedürfnislosigkeit aus dem Wege geht, um die Autarkie und Eudämonie bereits mit der relativen Schmerzfreiheit des engeren Kreises bestreiten zu können. Es ist dies, wie S T E C K E L 1 8 2 mit Hinweis auf Cicero/Antiochos richtig beobachtet, ein ähnlicher Kunstgriff, wie ihn die Schaukellösung der klassischen Güterlehre mit der Autarkie der Arete versucht h a t t e (Xenokrates fr 8 6 , fr 9 1 H., Polemon b. Clem. Al. Strom. I I 1 3 3 , 7: δίχα... των σωματικών καί των έκτός τήν άρετήν αϋτάρκην πρ&ς εύδαιμονίαν είναι), wobei allerdings verschiedene Grade der Eudämonie unterschieden wurden (Antiochos: vita

218

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

lenkt, wie die Bilder lehren, auf die Vorstellung der „Grenze" zurück 133 . Sucht man darum das Gemeinsame in allen diesen Zügen auf den Begriff zu bringen, so ist zweifellos durchweg konstitutiv die Vorstellung von „ M a ß " und „Grenze", mit dem Begriffsgehalt des In-sichAbgeschlossenen, Fixierten und zugleich des Homogenen, Ausgeglichenen. Angesichts dieser Charaktere legt sich - obwohl Epikur selbst ihn nicht explizit macht - von der älteren, dem Eleatismus folgenden Philosophie her der weitere Gedanke nahe, die katastematische Lust stelle ein „Sein", ein Seiendes von eigentümlichem ontologischem Schwergewicht dar, das sie aus allem Vergleichbaren heraushebe 134 . Auch bei Epikur steht daher offenbar eine durch Einheitlichkeit ausgezeichnete, monadenhafte Seinsqualität im Mittelpunkt aller ethischen und eudämonologischen Erörterungen. Trifft dies zu, dann ist die epikureische Ethik nicht nur, wie Bignone gezeigt hat, der altakademischen Ethik, sondern mit ihr und durch sie auch der akademischen Ontologie verpflichtet, denn der μέσος βίος der Platoniker, den Epikur vorzugsweise kritisch im Auge gehabt zu haben scheint, steht im Zeichen der Elementen- und Prinzipienspekulation der platonischen Akademie. Von der inneren Mitte der epikureischen Ethik: der Begrenztheit und Ausgeglichenheit der Lust, führt offenbar ein Weg zurück ins Zentrum des akademischen Eudämoniebegriffs und darüber hinaus der akademischen Metaphysik. Wie sehr auch immer die Eudämonologie Epikurs teils Positionen der Ethik Demokrits weiter ausarbeitet, teils phänomenologisch in sich selber ruht - : die Grundbegriffe der Beschreibung: „Grenze", „Zustand", „Höchstwert" (άκρότης), „Ausgeglichenheit" (ίσότης) und ihr innerer Zusammenhang sind von der Prinzipienphilosophie des Piatonismus her mit bedingt und geschichtlich von diesem Hintergrund her angemessener und besser zu verstehen. Zum mindesten muß die platoni-

133

134

beata - beatissima, und schon die feine Unterscheidung zwischen εύδαιμονία und μακαρία Arist. E N I I O I a 6£E.). Vergleichbar ist auch das - freilich viel prinzipieller angelegte, aber in der Nachfolge der klassischen Güterlehre stehende - Operieren der stoischen Ethik mit den beiden Ebenen von αγαθόν und κακόν einerseits und von προηγμένον und άποπροηγμένον andererseits. fr 434 Us.: serenitas caeli non recipit maiorem adhuc claritatem in sincerissimum nitorem repurgata, vgl. R. S. III. G I G O N hat diesen Zusammenhang, daß das „Begrenztsein" auf ein „Sein" verweist, wohl als erster ausgesprochen ("23: „ein Begrenztes, ein Ruhendes, ein Seiendes", vgl. 25 f. und oben Anm. 19).

Epikureismus

219

stische Komponente, die in die epikureische Zielvorstellung eingegangen ist, stets mitbedacht werden. Die neue Wendung, die Epikur dem ontologischen Erbe gegeben hat, läßt sich vor allem anhand des Zeitaspekts verfolgen. Die Argumentation, die bei Aristoteles im Dienst einer ontologischen und dann auch ethischen Rehabilitierung der Lust stand, wird bei Epikur unmittelbar ins Existenziell-Praktische gewendet und soteriologisch als Trostmotiv gegenüber der Vergänglichkeit ausgewertet 138 . Hinzu kommt ein zweites: Bei Aristoteles war die Lust lediglich als zeitunabhängig, d. h. als der Steigerung in der Zeit nicht fähig dargestellt. Bei Epikur wird daraus zunehmend die Gleichsetzung der in ihrer Dauer begrenzten Lust mit der unendlich lange währenden Lust 136 . Dies führt im Ansatz zur Vorstellung einer Unendlichkeit im Intensiven, die der klassischen Ontologie von Ausnahmefällen abgesehen 137 fremd war und 135

YGI GIGON 22Ö. Daß Aristoteles davon weit entfernt ist, zeigt die Äußerung über die Zeit - Bedingtheit der Eudämonie EN 1098 a 18 ff. (ούδέ μακάριον καί εύδαίμονα μία ημέρα (!) sc. ποιεί ούδ' όλίγος χρόνος), worauf GIGON "25 und W. ScHMiD 21 Anm. 21 in diesem Zusammenhang treffend verweisen. - Die Wendung zur Heilslehre, die der Gedanke bei Epikur nimmt, beleuchtet am besten fr 141 Us. (Nr. 58 ARRIGHETTI = Plut. adv. Col. 1117 Β f., vgl. F und mor. 1100 A, C) mit der Interpretation Ph. MERLANS (Epicureanism and Horace, J. H. St. 10, 1949, 445 ff., bes. 449 f.; weiterführend R. W E S T MAN, Plutarch gegen Kolotes, Acta Philos. Fennica VII, 1955, 2 9 - 3 1 ; vgl. auch MERLAN, Zwei Fragen d. epik. Theologie, Hermes 68, 1933, 215 ff.). Kolotes' fußfällige Anbetung Epikurs und Epikurs gleichartige Reaktion zeigen an: Kolotes hat verstanden, daß mit dem Wissen um die Gleichgültigkeit der Lebensdauer der Mensch in seiner Art unsterblich und den Göttern gleich geworden ist (daher Epikurs paradoxe Aufforderung: άφθαρτος μοι περιπάτει καί ή μας άφθάρτους διανοοϋ. MERLANS Abgrenzung von Epikur und Horaz überzeugt freilich weniger, vgl. ζ. B. Ep. fr 490 ff. Us., G. V. 14 = fr 204 Us., G. V. 35)· 136 Die wichtigsten Zeugnisse sind wohl die oben S. 189 aus R. S. XIX und Philodem De morte IV angeführten Belege. Dagegen gibt R. S. XX den von BIGNONE (Epicuro 26 ff., vgl. 62, mit der kaum vertretbaren Konjektur καί άπειρος χρόνος, die spätere Herausgeber nicht akzeptiert haben; ders. AP II 195, 201) und MONDOLFO 561 ff. gesuchten Sinn nicht her, sondern besagt lediglich etwas über die Intention, nicht über die faktische Erfahrung des Leibes (vgl. auch GIGON 2 I 7 7 Anm. 20: „grenzenloses Streben"). - Ebensowenig läßt sich die von BIGNONE und MONDOLFO angenommene Punktualität der Lust im Sinne des physikalischen Zeitminimums und in Übereinstimmung mit Arist. EN Κ 3, 1174 b 7 ff. nachweisen. (Zur Möglichkeit eines Rückschlusses aus der stoischen Weiterbildung vgl. das Folgende.) 137 Arist. Metaph. Λ η, 1073 a 7 f. vom Ersten Beweger: κινεί γαρ τόν άπειρον χρόνον, ούδέν δ' έχει δύναμιν άπειρον πεπερασμένον, vgl. PI. Pol. 509 Β (δυνάμει ύπερέχον). Vgl. auch Heraklit VS 22 Β 45.

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Z u m hellenistischen Arete- und Eudämoniebegrifi

die auf die spätere Antike vorausweist138. In dieser weitergehenden, Aristoteles um vieles zurücklassenden Interpretation drückt sich die neue Subjektivität des Hellenismus aus, wie denn auch Mondolfo in seiner den antiken Unendlichkeitsvorstellungen gewidmeten Monographie diese Form des Unendlichen mit Recht unter dem Titel der „subjektiven Unendlichkeit" abgehandelt hat. Die Frage, weshalb Epikur überhaupt, über das Zeitargument hinaus, auf die Ontologie des Platonismus zurückgegriffen hat, läßt sich mit Bignone nur dahin beantworten, daß die konkurrierende Auseinandersetzung mit dem Platonismus zwangsläufig zu einer Gemeinsamkeit der Probleme und der Lösungen und daher - ungeachtet aller Abweichungen in der Zielsetzung der Philosophie - auch zu kryptoontologischen Voraussetzungen führen mußte, denen freilich die Grunderfahrung des Epikureismus mit der Tendenz zur risikolosen Reserve entgegenkam.

2. Stoizismus Die Stoa stimmt mit dem Epikureismus darin überein, daß die Eudämonie keine Steigerung in der Zeit zuläßt, und daß darum ihr Wert von ihrer Dauer unabhängig ist139. Der Gedanke, der vielfältig is« V g l . J.-M. GUYAU, L a morale d'fipicure, Paris 1927 7 , 112 ff. („Ce qui importe, dans la jouissance, ce n'est pas sa dur6e, c'est son intensity " - „II y a a i n s i dans la jouissance une sorte de pldnitude et de surabondance intörieure, qui la rend ind6pendante du temps comme de t o u t le reste: le vrai plaisir porte son infinite au dedans de l u i . " ) ; BIGNONE a. O.; bes. MONDOLFO 561 ff., 568-595; sowie W . SCHMID 22: Das „ e c h t spekulative Motiv v o m qualitativen, nicht extensiven, A i o n " , vgl. 20 A n m . 17. 189 Plut. comm. not. 1061 F = S V F I I I 54: άγαθδν δ χρόνος ουκ αδξει προσγινόμενος, άλλά κάν άκαρές τις ώρας γένηται φρόνιμος, ούδενί πρδς εύδαιμονίαν άπολειφθήσεται τοϋ τ&ν αιώνα χρωμένου τη άρετη καΐ μακαρίως έν αύτη καταβιοΰντος, Plut. St. rep. 1046 C = S V F I I I 54: έν πολλοίς είρηκώς sc. 6 Χρύσιππος δτι παρά τδν πλείονα χρόνον ούδέν μάλλον εύδαιμονοΰσιν, άλλ* δμοίως και έπίσης τοις τδν άμερή χρόνον εύδαιμονίας μετασχοΰσιν, Stob. Eel. I I 98, 17 W . = S V F I I I 54: καΐ τήν εύδαιμονίαν μή διαφέρειν της θείας εύδαιμονίας, μηδέ τήν άμεριαίαν δ Χρύσιππός φησι διαφέρειν της τοϋ Δ ιός εύδαιμονίας κατά μηδέν αίρετωτέραν είναι μήτε καλλίω μήτε σεμνοτέραν τήν τοϋ Διδς εύδαιμονίαν της των σοφών άνδρων, Themist. or. V I I I 101 D = S V F I I I 54: Χρύσιππος δέ άχρι των βημάτων ϊοικεν άνδρίζεσθαι, ταύτδν δύνασθαι φάσκων άνδρΐ σπουδαίω μίαν ήμέραν, μάλλον δέ και μίαν ώραν πολλοίς ένιαυτοΐς. V g l . Cie. fin. I I I 34: hoc autem ipsum b o n u m non accessione neque crescendo . . . sed propria vi sua . . . appellamus bonum, I I I 43 = S V F I I I 60: cum i t a placeat, ne eorum quidem bonorum, quae nos bona vere appellemus, fre-

221

Stoizismus

und für Chrysipp ausdrücklich bezeugt ist - er kann natürlich ebenso gut schon von Zenon und Kleanthes vertreten worden sein - , erfährt indessen, abgesehen von der andersartigen Begründung der Eudämonie durch Arete und Phronesis, eine doppelte Zuspitzung: a) Während noch Philodem sich damit begnügt, dem Aion einen Tag gegenüberzustellen140, verkürzt bereits Chrysipp auf eine Stunde (μία ώρα, άκαρές ώρας), ja auf den unteilbaren Augenblick (άμεριαία sc. ευδαιμονία, ό άμερής χρόνος), der der Ewigkeit entsprechen soll, b) Hinzu kommt vermutlich in der Mittleren Stoa - nachweisbar bei Poseidonios141 und möglicherweise unter dem Einfluß der Septuaginta 142 - die weitere hyperbolische Wendung, ein Tag im Besitz der Arete und Eudämonie sei nicht der Ewigkeit gleich, sondern sogar mehr

als die Ewigkeit

selbst, wenn sie der Arete und Eudämonie ermangelt. Diese doppelte Erweiterung legt es nahe, daß die stoische Fassung, die sich auch in anderen Zügen (Zeus-Vergleich) mit epikureischen Motiven berührt143, die einfachere epikureische voraussetzt und sie zu

140 141

112

143

quentia beatiorem vitam fieri aut magis expetendam aut pluris aestimandam . . . III 45 = S V F III 524: E t quemadmodum ορροί tunitas . . . non fit maior productione temporis . . . sic recta effectio . . . item convenientia, denique ipsum bonum, quod in eo positum est, ut naturae consentiat, crescendi accessionem nullam habet . . . non fiunt temporis productione maiora: ob eamque causam Stoicis non videtur optabilior nec magis expetenda beata vita, si sit longa; vgl. fin. I I I 7 6 , I V 6 5 - 6 8 , und aus der kaiserzeitlichen Stoa Marc. Aurelius, Ad se ipsum I I 1 4 , V I I 4 9 , I X 3 7 a, X I I 3 6 , dazu G O L D S C H M I D T 1 2 3 ; M O N D O L F O 5 6 1 f. Plotin behandelt die Frage mit charakteristischer Wendung Enn. I 5. Vgl. oben S. 189. Sen. ep. mor. 78, 28: Unus dies hominum eruditorum plus patet quam imperitis longissima aetas, vgl. Cie. Tusc. V 5: est autem unus dies bene et ex praeeeptis tuis actus peccanti inmortalitati anteponendus. Über diesen stoischen „Formeltypus I I " und sein Verhältnis zum. epikureischen Typus I grundsätzlich W. S C H M I D 1 4 - 3 3 , bes. 2 1 f., der auch auf das formale Vorbild von Heraklit VS 22 Β 49 verweist (an Demokrit 68 Β 98 erinnert zusätzlich H. H Ü M M E L , Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5 , S B Heidelberg 1 9 6 8 / 3 , 4 4 , vgl. 5 3 ) , jedoch die sachliche Orientierung an Arist. E N Κ 3 mit Bignone klar erkennt (21 Anm. 21). Psalm 84 (83), 11: κρείσσων ήμέρα μία έν ταϊς αύλαϊς σου υπέρ χιλιάδας (in der Vulgata: melior est dies unus in atriis tuis quam alii mille). Danach Philon, Quis rer. div. her. 290: μίαν γαρ ήμέραν - ύγιώς εΖπέ τις προφητικός άνήρ βούλεσθαι βιώναι μετ' άρετης ή μνρία ετη έν σκια θανάτου. Für die Nachwirkung des Psalmenverses bei Cie. Tusc. V 5 plädieren O . W E I N R E I C H , Ciceros Hymnus an die Philosophie und ein Psalmenvers, Sonntagsbeilage d. Stuttgarter Ztg. vom 6 . 1 2 . 1 9 5 8 , sowie H . H O M M E L a. O. 4 8 ff., bes. 5 2 f., der auch Poseidonios als den Urheber des Typus II von der Septuaginta abhängig sein läßt. VGL Epikur fr 6 0 3 Us., G. V. 33 (mit der Ergänzung von H Ä R T E L ) , vgl. ep. I I I *35·

222

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

übertreffen sucht 144 . Schwieriger zu entscheiden ist die Frage, ob die Stoa lediglich auf der epikureischen Version aufbaut oder ob daneben mit einem direkten Rückgriff auf die aristotelischen Erörterungen EN Κ 3 zu rechnen ist, mit denen vor allem V. Goldschmidt die stoischen Zeugnisse verglichen hat 145 . Allerdings scheint die stoische Reduktion der Eudämonie auf einen einzigen Moment eine Annäherung an die Vorstellung vom lusterfüllten „Jetzt" in EN Κ 3 zu enthalten, die im Epikureismus nicht nachgewiesen werden kann. Da jedoch die stoische Verkürzung verschiedene Stufen zeigt (Tag - Stunde - Augenblick) und da das Argument vom „Jetzt" bei Aristoteles eine andere Funktion besitzt und ferner in einer ifocfowe-Abhandlung steht, ist die unmittelbare Anknüpfung der Stoiker an die Aristoteles-Stelle wenig wahrscheinlich. Die Zeitunabhängigkeit der Eudämonie ist von der Stoa offenbar in der konkurrierenden Auseinandersetzung mit dem älteren Epikureismus entwickelt worden, wobei sich die zusätzliche Übereinstimmung mit dem aristotelischen Vorbild Epikurs mehr zufällig ergab.Aufschlußreicher ist demgegenüber die traditionsgeschichtliche Analyse des stoischen Arete-Begriffs. Wie die epikureische Hedone- und Eudämonievorstellung zeigt er eine Reihe eleatisierender, kryptoontologischer Züge, die fast durchweg auf die Seinslehre des Piatonismus zurückweisen. Die stoische Arete ist zwar nach den vier Kardinaltugenden und ihren Unterarten vielfältig differenziert, die je ein bestimmtes Weltverhältnis des Logos repräsentieren (vgl. die Einteilungen SVF III 262 ff.), doch sind alle einzelnen άρεταί lediglich als Aspekte der einen einzigen, unteilbaren Arete des Logos gesehen. Sie können daher nur in toto auftreten oder überhaupt fehlen. In dieser „Antakoluthie" der άρεταί kommt die substantielle Einzigkeit der Arete zum Ausdruck (SVF I 199 ff., III 295 ff.). Dazu gehört auch, daß die Arete von den Unterschieden der Träger nicht berührt wird: Sie ist die gleiche bei Göttern und Menschen und ohne Rücksicht auf Geschlecht, Alter und soziale Stellung (SVF III 245 ff.). - Dem entspricht es, daß die stoischen άρεταί als διαθέσεις, als festbestimmte Verfassungen der Seele im

144

Vgl.

145

GOLDSCHMIDT 200 ff., v g l . 96, 168 ff. V g l . a u c h MONDOLFO 568. O . GIGON

W . SCHMID 22. A 25

läßt die Stoa wie Epikur und Aristoteles (EN K) von der parmenideischen Ontologie abhängen.

Stoizismus

223

Unterschied zu den beweglicheren έξεις, σχέσεις oder ένέργειαι keine Gradunterschiede im Sinne des Mehr und Weniger (μάλλον - ήττον, μείζον - έλαττον, έπίτασις — άνεσις, έπιτείνεσθαι - άνίεσθαι, ύπερέχειν - έλλείπειν) zulassen, und zwar weder zwischen verschiedenen Trägern noch zwischen verschiedenen Zuständen eines einzigen Trägers. Die Arete, die mit dem wahren άγαθόν zusammenfällt, ist vielmehr eine Höchstform (έν τω τέλει τοϋ είδους και έν τω μάλιστα: Simpl. in Arist. Cat. 238, 3 f. Κ. = SVF I I 393 p. 129, 45; έπ' άκρον αίρετόν Diog. Laert. V I I 1 0 1 = SVF I I I 92 p. 23, 4 > έχουσα ύπερβολήν διάθεσις SVF I I I 539 Ρ· τ44> 8 ί·; πάντα γάρ έστι τέλεια Stob. Eel. I I 7 Ρ· 107, I i = SVF I I I 528 p. 142, 3) und daher in keiner Weise graduierbar, während beispielsweise die τέχναι trotz ihrer Beständigkeit sehr wohl Gradunterschiede zulassen und daher als έξεις von den διαθέσεις der άρεταί unterschieden werden (SVF I I 393, I I I 92, 525, 528, vgl. Simpl. in Ar. Cat. 287, 31 ff. K.). Die wahren Güter und demgemäß auch die Weisen des richtigen Handelns (κατορθώματα) sind daher - ebenso wie die ihnen gegenüberstehenden άμαρτήματα - untereinander quantitativ gleich (ίσα: SVF I I I 92 ff., 527 ff.). - Von der Einzigkeit und Invariabilität der Arete her versteht es sich ferner, wenn die stoische Arete als simplex et solum et unum bonum erscheint 148 und als λόγος όμολογούμενος και βέβαιος και άμετάπτωτος definiert wird 147 : Die Arete ist in ihrer Einfachheit und Einzigkeit so dauerhaß, daß sie unerschütterlich und unverlierbar (άναπόβλητον) ist (SVF I I I 237 ff., mit den Einschränkungen Chrysipps). - Auch die im vorigen besprochene Unfähigkeit der Eudämonie zur Akkumulation in der Zeit ist auf dem Hintergrund der allgemeinen Nichtgraduierbarkeit und Unfähigkeit zur Steigerung (άνεπίτατος) zu sehen, die der Arete wesentlich zukommt. Die Eudämonie ist deshalb eine zeit enthobene Größe, weil auch die sie tragende Arete jeder quantitativen und daher auch zeitlichen Differenzierung entrückt ist. - Aus der Nichtgraduierbarkeit der Arete folgt ferner, daß es trotz der προκοπή zwischen άρετή und κακία kein Mittleres und keine gleitenden Übergänge gibt, sondern nur einen plötzlichen Umschlag, der im Nu eines Augenblicks - gleichsam zeitlos - von der größten κακία unvermittelt zur größten άρετή führt 1 4 8 . 148

147

148

Cie. Ac. I 35 (vgl. 7) = S V F I 188. Vgl. Diog. Laert. V I I 98 = S V F I I I 102 (άπλοϋν). Plut. De virt. mor. 441 C = S V F I 202. Vgl. Simpl. in Arist. Cat. 287, 4 f. Κ . : ή άρετή . . . ένεργεϊ βεβαίως έστωαα έν τω άμεταπτώτω εί'δει της επιστήμης. Plut. Quom. quis in virt. sentiat prof. 75 C = S V F I I I 539: καΐ γάρ άκαρεΐ

224

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

Wenn die stoische Arete so das Bild eines Seienden bietet, das durch Einfachheit und Einzigkeit gegen das Mehr und Weniger und damit gegen jede Differenzierung, insbesondere gegen Entwicklung, Werden und Veränderung in der Zeit abgesetzt ist, dann fällt die Verwandtschaft mit dem altakademischen Begriff der Arete, die gleichfalls als Einheitliches und Begrenztes vom Mehr und Weniger abgehoben ist, unmittelbar ins Auge. Gewiß sind einzelne Züge bereits für die frühe Sokratik verbürgt und den Stoikern offenbar über den Kynismus zugekommen: Zumal die Einheit der Arete scheint gemeinsokratisches Lehrgut zu sein, denn sie begegnet in mehreren Sokratikerschulen, wobei neben Piaton gerade die Kyniker den Gedanken der Antakoluthie der άρεταί und ihrer Unabhängigkeit etwa vom Geschlecht der Träger vorwegnehmen 149 . Aber auch die Unerschütterlichkeit und Unverlierbarkeit der Arete haben schon die Kyniker gelehrt160, während die Begründung der Arete in der φρόνησις und das Ideal der ομολογία wieder allen Sokratikern gemeinsam zu gehören scheinen161. Auf der anderen Seite enthält jedoch die begriffliche und strukturelle Analyse der Arete bei den Stoikern eine Reihe von Momenten, die im Piatonismus ihren Ursprung haben: i . Die Unterscheidung von έξις und διάθεσις findet sich auch in der früharistotelischen Kategorienschrift, wenngleich, wie Simplikios feststellt, in anderer Bedeutung: Während für Aristoteles die έξις, zu der auch die Arete gehört, beständig, die διάθεσις beweglich ist, ist bei den Stoikern die διάθεσις durch Nichtgraduierbarkeit, die έξις durch Graduierung gekennzeichnet, und zwar ohne Rücksicht auf die Beständigkeit, die beiden gleichermaßen zukommen kann. Weist demnach das terminologische Gerüst, in dem sich die Arete bei den Stoikern eingeordnet findet, auf den frühen Aristoteles und damit den Umkreis der Akademie zurück, so wird dies durch andere akademische Zeugnisse jener Terminologie etwa in Piatons 'Philebos' (διάθεσις 32 Ε 9), der Telosformel

149

150

151

χρόνου και ώρας έκ της ώς μάλιστα φαυλότητος εις ούκ Αχούσαν ύπερβολήν άρετης διάθεσιν μεταβαλών δ σοφός . . . Ζ. Β. Antisthenes fr 56, fr 72 C A I Z Z I (Antisthenis fragmenta, coli. F. D E C L E V A C A I Z Z I , Varese-Milano 1966). Vgl. auch die Megariker b. Cie. Ac. II 129: id bonum solum esse dicebant quod esset unum et simile et idem semper, vgl. D. L. II 106. D. L. V I 12; 105 = Antisthenes fr 71, fr 23 C A I Z Z I (άναφαίρετον, άναπόβλητον). B I G N O N E A P II 322 nimmt dagegen gerade in diesem Punkte einen Einfluß des akademischen Arete-Begrifis auf die Stoa an. Vgl. ζ. B. zur δμολογία PL Lach. 188 D, Gorg. 482 B, 525 A, Pol. 443 D, Phaidr. 230 A.

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225

Speusipps (έξις τελεία fr 57 L.), den pseudoplatonischen 'Definitiones' (διάθεσις, έξις)162 und nicht zuletzt durch Clem. Al. Strom. II 22; 133, 5 f. = Xenokrates fr 77 H. bestätigt 153 , wo im Zusammenhang mit der Telosformel sogar έξεις - διαθέσεις - κινήσεις und σχέσεις aufgezählt werden - eine Unterscheidung, die der Stoa noch näher steht als die der Kategorienschrift (der Ausdruck σχέσις154 ist unaristotelisch, aber stoisch). 2. Bereits Simplikios hat bemerkt, daß die Unwandelbarkeit der stoischen Arete im Grunde aus dem stoischen System herausfällt und von der Pneumalehre her nicht völlig erklärt werden kann. Er rechnet daher mit einer Übertragung der „Prinzipien" des Piatonismus: μήποτε οδν τά περί έτερων άρχων παρά τοις άρχαίοις λεγόμενα έπ' άλλας αρχάς οδτοι μεταφέρουσα, εί μή άρα την σπουδαίαν έξιν κατά το μάλιστα τιθέμενοι και ούκ έν κινήσει θεωροϋντες είκότως ουδέ έπίτασιν ούτε ανεαιν ήξίουν έπ' αυτής θεωρεΐν (in Ar. Cat. 287, 8 ff. Κ.). Ο. Rieth hat diese Deutung auf die Ideenlehre beziehen wollen 155 , jedoch weist der Ausdruck άρχαί in Verbindung mit dem Paar έπίτασις - άνεσις eher auf die von Piatons άγραφα δόγματα ausgehende akademische Prinzipienlehre, über die sich Simplikios im Physik-Kommentar recht gut orientiert zeigt 156 . Die Arete entspräche dann dem Prinzip έν157. 3· Wenn die stoische Arete von der Struktur des Mehr und Weniger negativ abgegrenzt wird, so finden sich diese Ausdrücke (bes. έπίτασις — άνεσις, μάλλον — ήττον, μείζον — έλαττον) nicht nur von Simplikios (SVF II 393), sondern übereinstimmend auch von anderen Berichterstattern wie Diogenes Laertios (SVF I I I 92), Porphyrios (SVF I I I 411 D ι ff., 6, Ε 2 ff., 412 Α ι, 3, 6, Β ι, 6, C 5 ff., D 4, Ε 8, I i f., 413 A 4 f., 8, C 6, 414 A 8, Β 7, C 8, 415 Ε 4, g, 416 Α 1, 7, 10, 14, 17, 22, 34. Daß es sich bei den stoisch wirkenden Definitionen der Sammlung um akademische Vorstufen zur Stoa handelt, vermutet H. G. INGENKAMP 109 f. 153 Inwieweit der Wortlaut im einzelnen authentisch ist, muß freilich offenbleiben, vgl. J. BERNAYS, Die Dialoge des Aristoteles, 1863, Nachdruck 1968, 160, aber auch unten S. 325 mit Anm. 324.

152

154 Ygi pi poi. 156

156

157

452 c

2

Tjm

24 Β 4.

Ο. RIETH, Grundbegriffe der stoischen Ethik, Problemata 9, Bln. 1933, 93: „Simplikios hat damit eine richtige historische Erkenntnis klar formuliert: was den Ideen eigentümlich gewesen war, das haben die Stoiker auf den Weisen übertragen." Simpl. in phys. 151, 6 - 1 9 ; 247, 30-248, 15; 453, 22-455, 1 1 ; 503, 10-18; 521, 9 - 1 5 ; 542, 9 - 1 2 ; 430, 34-431, 16 D. = Test. Plat. 8, 31, 23 Β, 53 Β, 54 Β, 55 Β G. Vgl. ferner Simpl. in de an. 28, 7 - 9 H. = T. PI. 25 B. Beachtenswert ist die Äußerung GOLDSCHMIDTS 154, der es „difficile" findet, „de möconnaltre la parents entre l'Un plotinien et l'id6al du sage stoicien."

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Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

525) und Stobaios (SVF I I I 528) gebraucht. Sie können darum wohl als authentisch stoisch gelten. Dieselben Termini sind aber gleichfalls durch mehrere, voneinander unabhängige Autoren (PL Polit. 283 C ff., Phileb. 24 Α ff.; Hermodor b. Simpl. in phys. 248, 6 ff. D., Porph. b. Simpl. in phys. 453, 31 ff. D . ; Alex. Aphr. b. Simpl. in phys. 454, 36 ff. D.) für die Grundstruktur der platonisch-akademischen άό ρ ιστός δυάς des μέγα - μικρόν gesichert 158 . Darüber hinaus erscheint der akademische Gegenbegriff zum einzelnen Mehr und Weniger, das ίσον159, auch in der Stoa als Gegenbegriff zur graduellen Differenzierung nach dem Mehr und Weniger (D. L. V I I 1 0 1 = S V F I I I 92: δοκεϊ δέ πάντα τά άγαθά ϊσα είναι και . . . μήτε ανεσιν μήτε έπίτασιν δέχεσθαι)160. Mag auch in der Stoa der Nachdruck auf dem Vergleich der Güter (und Übel) untereinander liegen, die Grundvorstellung, daß das Gute in keiner Weise graduierbar sein könne, ist beidemale die gleiche. 4. Der akademische Begriff von άγαθόν und Arete tritt im Mittelteil des Sextus-Referates (adv. math. Χ 263 ff.) am deutlichsten zutage. Die Konfrontation mit der stoischen Arete läßt eine weitreichende Übereinstimmung erkennen: a) Wenn die Berichterstatter die stoische Arete wie alle διαθέσεις άνεπίτατος (και άνάνετος) nennen und als Höchstform bezeichnen (έν τω τέλει, μάλιστα, έπ' άκρον), so charakterisiert der Sextus-Bericht den werthaften Gegensatz als άκρότης άνεπίτατος (Χ 272). Beidemale ist der Ausdruck άνεπίτατος mit Bezug auf das Mehr und Weniger des Kontextes geprägt, von dem es hier wie dort heißt, daß die Arete bzw. der werthafte Gegensatz es nicht „annehmen" (κατά τό . . . άνεπίδεκτον του μάλλον Simpl. in Cat. 238, i K . = S V F II 393 p. 129, 42 f. ~ ού γαρ έπιδέχεται το μάλλον και τί> ήσσον — έπιδέχεται γάρ τδ μάλλον και τδ ήσσον - έπεδέχετο γάρ τό μάλλον καΐ ήσσον Sextus Χ 271 f.). b) Die Stoiker des Simplikios und das Sextus-Referat exemplifizieren jeweils bevorzugt mit den άρεταί und dem Paar εύθύτης - στρεβλότης161, kommen also bis in die Wahl einzelner Beispiele hinein miteinander über ein. Ist der Sextus-Bericht stoisch überfärbt und daher für die historische Erklärung des stoischen Arete-Begriffs ungeeignet? Dieser Ver158

Zur Nachwirkung im späteren Piatonismus u n d im Neupythagoreismus Verf. UGM Register 468 s. v. 'Dyas'. 159 Vgl oben S. 2x1 f. m i t Anm. 109. 180 Vgl. S V F I I I 528 (ίσα - μάλλον και ήττον). Z u m Begriff des ϊσον vgl. noch S V F

III 93 f·. 527. 529 ff161

Vgl. Simpl. in Cat. 237, 31 ff. K. = kenntlich: φασί!) m i t Sext. X 272.

S V F II 393 p. 129, 39 ff. (als Referat

Stoizismus

227

dacht läßt sich durch altakademische Parallelen weitgehend zerstreuen: „ G r a d " und „ k r u m m " finden sich als Beispiele nicht nur in der Kategorienschrift (εύθύτης - καμπυλότης ί ο a 12 f., 15) im Zusammenhang akademisch belegter Paradigmen 162 , sondern haben offenbar auch bei der Einteilung mathematischer Linien und Bewegungen eine Rolle gespielt 163 . Von έπίτασις und άνεσις bei Piaton war schon die Rede 1 6 4 ; daß die negativen Gegensätze das Mehr und Weniger „annehmen", formuliert auch der Piatonschüler Hermodor 165 und ähnlich Aristoteles in der Kategorienschrift 166 . Im übrigen unterscheidet sich der SextusBericht wie andere akademische Zeugnisse (PI. Phileb., Polit. 283 f.; Hermodor) darin grundsätzlich von den stoischen Belegen, daß der negative Gegensatz dem Mehr und Weniger verfällt, während bei den Stoikern die κακία ihrerseits nicht graduierbar ist. Das Mehr und Weniger ist also in der Stoa kein Unterscheidungsmerkmal mehr zwischen αρετή und κακία, sondern behält lediglich eine mehr äußerlich charakterisierende, negativ abgrenzende Funktion für beide. Die Nichtgraduierbarkeit des akademischen Arete-Begriffs im Sinne des Mehr oder Weniger ist indessen auch unabhängig vom Referat des Sextus ausreichend bezeugt. Aristoteles befragt in der Kategorienschrift bekanntlich die Kategorien auf ihr Verhältnis zum akademischen μάλλον - ήττον. Bei den ποιά referiert er in diesem Zusammenhang folgende Einschränkung (8, 10 b 32 ff.): ενιοι γαρ διαμφισβητοϋσι περί των τοιούτων δικαιοσννην μεν γάρ δικαιοσύνης ού πάνυ φασί μάλλον και ήττον λέγεσθαι, ουδέ νγίειαν ύγιείας, ήττον μέντοι εχειν έτερον ετέρου ύγίειάν φασι, και δικαιοσύνην ήττον έτερον έτέρου, ωσαύτως δέ και γραμματικήν και τάς άλλας διαθέσεις. D a ß es sich um Akademiker handelt, beweist vor allem die Herkunft des μάλλον - ήττον, aber auch das Schulbeispiel der γραμματική 167 sowie die unmittelbar folgende Wiederholung der Einschränkung für geometrische σχήματα ( i i a 5 ff.). Die beiden im Zitat

10 a 16 ίϊ.: πυκνόν - μανόν, λεϊον - τραχύ, vgl. Tim. 63 Ε 8, 65 C 6, Nomoi 812 D 6 f.; τρίγωνον — τετράγωνον ί ο a 14 f. 163 v g l Ar. De caelo 269 a 20 f., 270 b 34 ff., Phys. Β 2, 194 a 3 ff.: τό μέν γάρ περιττόν ϊσται και τό όίρτιον καί τό ευθύ καί τό καμπύλον, ίτι δέ αριθμός καί γραμμή και σχήμα . . . Dazu I. L. HEIBERG, Mathematisches zu Aristoteles, Abh. z. Gesch. d. math. Wissenschaften 18, 1904, 13 f. 164 Oben S. 225 f. und S. 212 Anm. 107. 165 Simpl. in phys. 248, 13 D.: πάντα . . . τό μάλλον καί τό ήττον δέδεκται (GAISER: δεδεγμένον codd.). 188 Ζ. Β. Cat. 3 b 33 ί·. 6 a 19 f., 10 b 26, 11 b ι f. 167 Vgl. ζ. B. PI. Crat. 431 E, Soph. 253 Α, Polit. 285 D, Phileb. 18 D. 162

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Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

genannten Beispiele168 betreffen nun jeweils die wichtigste Arete der Seele und des Leibes und setzen damit wohl die akademische Einteilung der Güterklassen voraus. Sie stehen offensichtlich stellvertretend für alle übrigen άρεταί und repräsentieren den Arete-Begriff schlechthin (vgl. 10 b 31 f.: ομοίως δέ και έπι των άλλων διαθέσεων). Beide Paradigmen begegnen im übrigen auch im Sextus-Referat (δίκαιον X 264, ύγίεια 266), wodurch die akademische Herkunft des Gedankenganges von zwei verschiedenen Seiten her doppelt gesichert erscheint. 5. Mit der Nichtgraduierbarkeit von άρετή und κακία hängt die Vorstellung vom unvermittelten Umschlagen aus dem Höchstmaß der einen in den höchsten Grad der anderen eng zusammen. Der gleiche kontradiktorische Gegensatz von άγαθόν und κακόν - beides ist in der Stoa mit άρετή und κακία identisch - begegnet aber auch in der Akademie. Die ontologische Charakterisierung der κακία durch das μάλλον ήττον schafft dort keinen Übergang zur άρετή, sondern weist der κακία lediglich einen Seinsstatus zu, von dem die άρετή wesentlich ausgenommen ist. Die Frühform der Mesotes-Lehre in der 'Topik' und der Eudemischen Ethik 169 - im Unterschied zur Nikomachischen170 - läßt noch deutlich erkennen, daß die akademische Arete zwar quantitativ gesehen ein μέσον und μέτριον ist, axiologisch aber zu den beiden Momenten der κακία, dem Mehr und dem Weniger, in einem weit größeren Gegensatz steht als diese untereinander171. Während Übermaß und Mangel korrelativ zueinander sind (πρδς άλληλα) und leicht ineinander übergehen können, gehört das Begrenzte und Maßhafte, das die Arete ist, einem ganz anderen Gattungsbereich, dem des άγαθόν an 172 . Dieser prinzipielle Gegensatz, der sich auch am platonischen 'Philebos' oder 'Politikos' abnehmen läßt, wurzelt zuletzt im Dualismus der Prinzipien έν und μέγα - μικρόν, die einander auch axiologisch als άγαθόν αύτό und κακόν αύτό kontradizieren. Das Referat des Sextus bietet dazu das Detail, wenn es die verschiedenen Ausprägungen des Werthaften und 168

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170 171

172

Sie begegnen in Verbindung mit dem μάλλον - ήττον auch in der den akademischen Lustgegnern gewidmeten Polemik E N Κ 1173 a 17 ff. Ar. Top. Δ 3, 123 b 27 ff.; E E Γ η, 1234 a 34 Vgl. die Behandlung und Einordnung der Stellen APA 344 f., 348. E N Β 8, i i o 8 b 27 ff. E E a. Ο.: &στι 8' έναντιώτερον τοις ίκροις το μέσον ή έκεΐνα άλλήλοις, διότι τό μέν μετ' ουδετέρου γίνεται αύτών, τά δέ πολλάκις μετ' άλλήλων . . . (umgekehrt in der E N a. Ο.: πλείστη έναντιότης έστί τοις άκροις πρός άλληλα ή πρός τό μέσον" πορρωτέρω γαρ ταϋτα άφέστηκεν άλλήλων ή τοϋ μέσου . . . ). Top. a. Ο.: ή μέν ϊνδεια καΐ ή υπερβολή εν τω αύτφ γένει - έν τω κακφ γάρ άμφω τό δέ μέτριον άνά μέσον δν τούτων ουκ έν τω κακω άλλ' έν τω άγαθω.

Stoizismus

229

des Unwerthaften in Syzygien zusammenfaßt und über die Gattungsbegriffe des „Ausgeglichenen" ('ίσον) und „Ungleichen" (άνισον) auf das Eine und die unbegrenzte Zweiheit zurückführt. Vor dem historischen Hintergrund dieser prinzipientheoretischen Zerfällung ist zuletzt der kontradiktorische Gegensatz von άγαθόν und κακόν auch in der stoischen Ethik zu sehen. Daß hier in der Tat bestimmte Zusammenhänge zwischen der Stoa und der nachplatonischen Älteren Akademie vorliegen, ist durch O. Luschnats 173 Behandlung der stoischen προκοπή deutlich geworden. Sie behebt den scheinbaren Widerspruch zwischen der προκοπή und dem kontradiktorischen Gegensatz von άγαθόν und κακόν durch die Aufdeckung eines komplizierten, hypodihairetisch angelegten Gegensatzschemas, in dem zunächst άγαθόν und ουκ άγαθόν einander in kontradiktorischem Gegensatz gegenüberstehen, dann aber das letztere weiter in κακόν und άδιάφορον zerlegt wird. Genauer gesprochen ist ein engerer und ein weiterer Begriff von κακία zu unterscheiden, wobei der προκόπτων unter den letzteren fällt. Luschnat knüpft diese Struktur historisch an den platonischen Begriff des φιλόσοφος und έρως als eines Mittleren zwischen άγαθόν und κακόν, des näheren aber an seine Systematisierung in der Akademie bei Xenokrates an 174 , die die stoische Hypodihairesis bereits vorwegnimmt: SVF III Diog. Bab. 25 p. 215,6 ff. = D. L. V I I 61: των όντων τά μέν έστιν άγαθά, τά 8' ούκ άγαθά, . . των ουκ άγαθών τά μέν έστι κακά, τά δέ άδιάφορα.

Xenokrates fr 76 Η. = S. Ε. X I 3 : παν το δν ή άγαθόν έστιν ή κακόν έστιν ή ουτε άγαθόν έστιν ουτε κακόν έστιν176 . . . ήτοι άγαθόν έστιν ή ούκ έστιν άγαθόν . . εί δ' ούκ έστιν άγαθόν, ήτοι κακόν έστιν ή ουτε κακόν έστιν ουτε άγαθόν έστιν.

„Ein Fall wie der vorliegende, wo uns eine sichere Nachricht über Xenokrates zur Verfügung steht, kann einen Fingerzeig geben, in wel173

174

175

O. LUSCHNAT, Das Problem des ethischen Fortschritts in der Alten Stoa, Philol. 102,1958, 178-214. Vgl. obenS. 174 f. Luschnats lehrreiche Ausführungen zum Begriff des ,,Mittleren" wären zu ergänzen durch die Unterscheidung zwischen sachlich-quantitativer Mitte, die noch keinen Wertunterschied begründet, und Wertmitte, die einen mittleren Wert bezeichnet. LUSCHNAT a. O. 207 ff., 211 ff. Zur vorstoischen Herkunft des DihairesisBegriffs D. L. V I I 61 auch O. RIETH, Grundbegriffe d. stoischen Ethik, 1933, 47 ff., vgl. 53 f. Diese Einteilung akademisch auch nach D. L. I I I 102, S. Ε . X I 3 im Kontext = S V F III 71 (οί άπό της άρχαίας Ακαδημίας).

230

Zum hellenistischen Arete- und Eudämoniebegriff

eher Richtung die Anknüpfung der Stoa an ihre philosophischen Vorgänger zu suchen ist" 176 . Dies gilt natürlich in erster Linie für den übergreifenden kontradiktorischen Gegensatz 177 , dessen akademische Orientierung damit für die Stoa generell vorausgesetzt werden kann 178 . Daß die stoische Ethik vor allem der Akademie verpflichtet ist, deren frühsokratisch-rigoristische Tendenzen sie entschlossen weitergeführt und radikalisiert hat, ohne auf die von ihr gewonnenen Unterscheidungen zu verzichten, ist bekannt 179 . Darüber hinaus war hier zu zeigen, daß die ontologischen Implikationen, die die akademische Ethik mit den metaphysischen Grundlagen des Piatonismus verbinden, wie bei Epikur so auch im Arete-Begriff der Stoa ihre Spuren hinterlassen haben.

176

178

179

177 So zur Hypodihairesis auch L U S C H N A T a. O. 214. L U S C H N A T a. O. 214. Formal betrachtet stellt freilich die xenokratisch-stoische Kontradiktion eine Erweiterung des Prinzipiengegensatzes dar, indem sie das οΰτε κακόν οδτε άγαθόν einbezieht. Doch wurzelt sie bei Xenokrates inhaltlich in der Polymorphie des Gegenprinzips selber, auf das auch der hier gemeinte Eros als ein Strebendes und Bewegtes zurückzuführen ist (Näheres darüber Verf. TJGM 326-329). Der Begriffsumfang der stoischen „ E t h i k " ist bestimmt durch die von Xenokrates und der Akademie überkommene Dreiteilung der Philosophie (vgl. Kap. II ι S. 114 Anm. 35). - Zu dem nach Güterklassen differenzierten normativen Physis-Begriff der Akademie vgl. die Telosformel Speusipps fr 57 L. und den Schriftentitel des Polemon b. Clem. Al. Strom. V I I 6; 32, 9 = Xenokrates fr 100 H., bestätigt durch die Referate des Antiochos b. Cie. fin. II 33, IV 14, 25-27, 45, V 26; Ac. I 22, II 131 mit der Telosformel Polemons. Dazu noch immer instruktiv R. P H I L I P P S O N , Das 'Erste Naturgemäße', Philol. 87, 1932, 445 ff., einschränkend ferner M. P O H L E N Z , Grundfragen d. stoischen Philosophie, Abh. d. Ges. d. Wiss. z. Göttingen, phil. hist. Kl., 3. Folge, Nr. 26, 1940, 20 ff.; positiver K . V O N F R I T Z R E X X I 2, 1952, s. v. 'Polemon' 8 a) Sp. 2526-2529. - Zum ethischen Rigorismus, der den in der Stoa folgenden Einbruch der frühsokratischen Adiaphorie in die klassische Güterlehre (dazu H. v. A R N I M , Die Ethik des naturgemäßen Lebens, Logos 20, 1931, ι ff.) immerhin vorbereitet, vgl. Xenokrates fr 86, fr 91 H., Polemon b. Clem. Strom. II 22; 133, 7 und die oben Kap. I S. 35 Anm. 144 aufgeführten Zeugnisse, ferner Speusipp fr 2 L. mit möglicher frühsokratischer Orientierung. Zusammenfassend dazu Z E L L E R , Ph. d. Gr. III i e , 369 f. - Auf den Hellenismus voraus weist auch die Zielsetzung der Philosophie Xenokrates fr 4 Η. (τό ταραχώδες έν τω βίω καταπαϋσαι των πραγμάτων). — Demgegenüber bleibt die These einer peripatetischen Oikeiosis-Lehre in der modernen Forschung auch nach den Arbeiten v. A R N I M S (Arius Didymus' Abriß der peripatetischen Ethik, S B Wien 204/3, r 926; Logos 20, 1931) und D I R L M E I E R S (Die Oikeiosis-Lehre Theophrasts, Philol. Suppl. Bd. X X X 1, 1937) nicht unangefochten, vgl. neben den Äußerungen von Philippson, Pohlenz, Tarn, Stark, Luck vor allem C. O. B R I N K , οίκείωσις and οίκειότης, Phronesis I 2, 1956, 123 ff., und zuletzt S. G. P E M B R O K E , Oikeiosis, in: Problems in Stoicism, ed. by A. A. L O N G , London 1971, bes. 124, 132 ff.

IV. EPIKURS L E H R E VOM MINIMUM

i. Epikur Die Physik Epikurs kennt bekanntlich nicht nur Atome, sondern unterscheidet daneben fünf Arten von Minima (ελάχιστα), kleinster Größen, aus denen sich die Atomkörper und ferner die Bereiche von Raum, Zeit und Bewegung sowie jede Richtungsänderung diskontinuierlich aufbauen. Diese eigenartige Theorie, vor allem die im Herodotbrief (§§ 55-59) und bei Lukrez (I 599 ft., 746 ff., II 485 ft.) etwas ausführlicher erhaltene Theorie der atomaren Minima, hat in wachsendem Maße das Interesse der neueren Forschung gefunden. Nachdem H. A. J . Munro die Eigenart der Minima erkannt und C. Giussani1 in seinem Lukrez-Kommentar zwischen Minima der Wahrnehmung („Molekülen"), Atomen und atomaren Minima schon richtig unterschieden hatte, gab H. von Arnim2 in seiner monographischen Darstellung den ersten Überblick über das gesamte System der epikureischen Minima und unternahm zugleich den Versuch einer historischen Abgrenzung. In diese Richtung stieß energisch weiter vor die scharfsinnige Abhandlung von S. Luria3, der - nach dem Vorgang von Munro und Atanassievitch4 - die gleiche Minimalehre schon für Demokrit nachzuweisen suchte, von dem sie Epikur unverändert übernommen habe. Lurias These wurde modifiziert durch J . Mau6, der die Auffassung vertrat, Demokrit habe Atome und Minima noch identifiziert und erst Epikur habe das Minimum innerhalb des Atoms angesetzt, und zwar unter dem Eindruck der aristotelischen Kritik, der Mau in diesem 1

2 8 4

8

J . M U N R O , The Journal of class, and sacred philology I , 1854, 28 ff., 252 ff.; ders. im Lukrez-Kommentar, London 1886 4 , 78 ff.; G I U S S A N I I 56 ff. (dazu H E I N Z E 262). Vgl. ferner G O E D E C K E M E Y E R 7 f.; W . A . M E R R I L L , T . Lucr. Cari De rerum natura libri sex, New York 1907, 3 5 5 ff. Komm. V . A R N I M 383-402. LURIA 121-180. M U N R O a. O. 252 ff.; A T A N A S S I E V I T C H 3 6 - 4 2 ; vgl. auch G I U S S A N I I 56 Anm. 1, II 84 f. (Komm, zu Lucr. I 633). MAU 19-48.

H. A.

16 Erftmer, Platonlsmua

232

Epikurs Lehre vom Minimum

Punkte - nach Ansätzen bei A. Goedeckemeyer, R. Heinze und von Arnim 8 - als erster entscheidenden Einfluß eingeräumt hat. Einen neuen Weg schlug G. Vlastos 7 ein, der den Gedankengang des Herodotbriefes zum ersten Mal in der Konsequenz seines Aufbaus nachvollzog und der seit von Arnim üblichen Vorstellung eines „mathematischen" Atomismus diejenige einer Naturkonstanten entgegensetzte, die als solche an die Quantentheorie der modernen Physik erinnert. D. J. Furley 8 hat sich in der letzten und bisher umfassendsten, historisch und philosophisch gleich ausgezeichneten Behandlung der Materie zwar von Vlastos nicht überzeugen lassen, spricht jedoch nicht mehr von „mathematischer", sondern allgemeiner von „theoretischer" Unteilbarkeit des Minimums, für die er im Eleatismus die entscheidenden Ansätze zu finden glaubt. Im übrigen vertritt Furley, wie inzwischen auch W. K . C. Guthrie9, die von Mau inaugurierte Auffassung, daß im älteren Atomismus Demokrits im Unterschied zu demjenigen Epikurs Atom und Minimum noch zusammengefallen seien. Dabei arbeitet Furley, weit über Mau hinausgehend, die vermittelnde Rolle der aristotelischen Kritik mit großer Folgerichtigkeit heraus. Trotz dieser intensiven Diskussion10 scheint zur epikureischen Theorie des Minimums, gerade was ihre historische Einordnung angeht, das letzte Wort noch nicht gesprochen. Während man neben Demokrit und Aristoteles auch die Eleaten, den Megariker Diodoros Kronos und Euklid wiederholt zur Erklärung herangezogen hat, ist die platonische Akademie und ihr Denken in „Elementen" (στοιχεία) in der Diskussion so gut wie völlig außer Betracht geblieben. Furley hat zwar als einziger auf die akademische Theorie minimaler Größen hingewiesen und sie zum epikureischen Minimum in Analogie gestellt 11 , aber mit einer ge' G O E D E C K E M E Y E R 7 f . ; H E I N Z E 2 6 4 ; v . A R N I M 389, 394, 400 A n m . 7 9

10

VLASTOS 121-147.

8

14.

FURLEY, Study I : Indivisible magnitudes, 3-158.

GUTHRIE I I 503 ff.

Vgl. ferner: BIGNONE 91 ff.; BAILEY, Epicurus 204-213; ders. Atomists 283 ff.; T h . HEATH, M a t h e m a t i c s in Aristotle, O x f . 1949, 79 f . ; MUGLER 1 4 1 -

11

174; Ph. MERLAN, L'univers discontinu d'Epicure, Actes du V I I I e Congres de l'Association Bud6, 1968, 258-263; sowie die Lukrez-Kommentare von ERNOUT-ROBIN (1925), LEONARD-SMITH (1942) und BAILEY (1947). Weitere Literatur im Folgenden. Nicht zugänglich waren mir: C. PASCAL, Studi critici sul poema di Lucrezio (1903) und PETROVSKI, Lucreti de rerum natura II, Leningrad 1947. - D. J. FURLEY bietet eine kurze Zusammenfassung und Weiterführung seiner Ergebnisse in dem Beitrag: Aristotle and the Atomists on Infinity, in: Naturphilosophie b. Aristoteles u. Theophrast, Verh. d. 4. Symp. Arist. Göteborg 1966, hggn. v. I. DÜRING, Heidelberg 1969, 85-96. Chapter 7: Indivisible magnitudes in the Academy, pp. 104-110, vgl. 155 f.

233

Epikur

wissen Inkonsequenz sowohl für dessen historische Herleitung wie für die Einzelerklärung keinen Gebrauch davon gemacht. Im folgenden sind zunächst noch einmal die Zeugnisse des Herodotbriefes und bei Lukrez interpretierend nachzuvollziehen, um für die Traditionsanalyse einen eindeutigen Standort zu gewinnen. Der Text des Herodotbriefes (§§ 55-59) sei nebst Übersetzung zur Orientierung vorangestellt 12 : § 5 5 p. 13, 15 ff. vdM: Ά λ λ α μήν ουδέ δει νομίζει παν μέ-

Man darf aber auch nicht anneh-

γεθος έν ταΐς άτόμοις ύπάρχειν, ίνα

men, daß jede Größe bei den A t o -

μή τά φαινόμενα άντιμαρτυρη· παρ-

men vorkommt; dem steht das

αλλαγάς δέ τινας μεγεθών νομιστέον

Zeugnis der Sinneserscheinungen

είναι, βέλτιον γαρ και τούτου προσ-

entgegen.

όντος τά κατά τά πάθη καΐ τάς αισ-

chungen in der Größe muß man

θήσεις γινόμενα άποδοθήσεται. § ζ6

annehmen. Denn wenn dies hinzu-

παν δέ μέγεθος ύπάρχειν οβτε χρήσι-

tritt, wird sich besser erklären las-

μόν έστι πρδς τάς (2θ) των ποιοτή-

sen, was bei den Empfindungen

των διαφοράς, άφΐχθαί τε άμ' έδει

und Wahrnehmungen

καΐ πρδς ήμας (14, ι) όρατάς άτό-

Daß aber jede Größe vorhanden

μους" δ ού θεωρείται γινόμενον οΰδ'

sei, ist einerseits ohne Nutzen im

δπως άν γένοιτο ορατή άτομος έστιν

Bück

έπινοήσαι.

Qualitäten, und zugleich müßten

12

Aber

gewisse

Abwei-

geschieht.

auf die Unterschiede

der

(106: „My intention in raising the subject of 'indivisible lines' was simply to point out that such a theory could and did co-exist in the old Academy with expert mathematical knowledge." Eine zusammenhängende Behandlung Piatons und der Akademie samt Aristoteles vermißt denn auch z. Β. E. H U S S E Y in seiner Rezension The Philos. Review 78, 1969, 258.) Zugrunde gelegt ist im wesentlichen der Text der Teubner-Ausgabe von VON D E R M Ü H L L , nach deren Seitenzahlen auch im folgenden zitiert wird. Die Textgestaltung im einzelnen wird in der anschließenden Erklärung begründet. Die letzte Ausgabe des Diogenes Laertios von L O N G (Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum, ed. H. S. L O N G , Vol. II, O C T 1964) bietet für das hier behandelte Textstück keinen Fortschritt gegenüber VDM. An nicht weniger als drei Stellen ist die Berichterstattung Longs irreführend: Zu § 56 p. 521, 1 sind im Apparat die hdschr. Überlieferung und Useners Konjektur versehentlich vertauscht; Zeile 9 und im Apparat wird Gassendis Ergänzung μη δε < πι > unmöglich mit μηδ' wiedergegeben; p. 522, 7 wird Gassendis Verbesserung κέχρηται im T e x t abgedruckt, im Apparat aber fälschlich auf Zeile 6 bezogen und dort zugunsten des überlieferten κεχρήσθαι „verworfen". Korrekturzusatz: Eine durch eigenwillige Textbehandlung auffallende Ausgabe des Herodotbriefes von J. und M. B O L L A C K , H. W I S M A N N , L a lettre d'ßpicure, Paris 1971, konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden.

234

Epikurs Lehre vom Minimum

dann auch sichtbare Atome zu uns gelangt sein. Daß dies geschieht, läßt sich aber nicht beobachten, und es ist auch nicht auszudenken, wie es ein sichtbares Atom geben könnte. Πρός δέ τούτοις ού δει νομίζειν έν τώ ώρισμένω σώματι άπειρους δγκους είναι, ούδ' όπηλίκους ούν. ώστε ού μόνον τήν είς άπειρον τομήν (5) έπΐ τουλαττον άναιρετέον, ίνα μή πάντα άσθενη ποιώμεν κάν ταϊς περιλήψεσι των άθρόων είς τό μή δν άναγκαζώμεθα τα δντα θλίβοντες καταναλίσκειν, άλλα καί τήν μετάβασιν μή νομιστέον γίνεσθαι έν τοις ώρισμένοις εις άπειρον μηδ' έ τουλαττον.

§ 57 Ρ· 14.9 ff· v d M : ουτε γαρ βπως, έπειδάν άπαξ τις εϊπη δτι άπειροι (ίο) ογκοι έν τινι ύπάρχουσιν καί (Ernout, Furley) όπηλίκοι οδν, £στι νοήσαι· πώς τ'αν έτι τοΰτο πεπερασμένον εϊη τό μέγεθος; πηλίκο ι γάρ τίνες δήλον ώς οί άπειροι εΐσιν ογκοι" καί οδτοι [έξ ών] όπηλίκοι άν ποτε ώσιν, άπειρον αν ήν καί τό μέγεθος, άκρον τε έχοντος τοΰ πεπερασμένου διαληπτόν, εί μή καί καθ'έαυτό (ΐ5) θεωρητόν, ούκ εστι μή ού καί το έξης τούτου τοιούτον νοεΐν καί οΰτω κατά τό έξης εις τούμπροσθεν βαδίζοντα είς τό άπει-

Außerdem aber darf man nicht annehmen, daß es im begrenzten Körper unbegrenzt viele Partikel gibt, auch nicht von beliebiger Kleinheit. Daher ist nicht nur die ins Unendliche fortschreitende Zerkleinerung zu verwerfen, damit wir nicht alles schwächen und beim Erfassen der Aggregate gezwungen sind, die seienden Dinge bis ins Nichtseiende zu zerquetschen und aufzuzehren, sondern man darf in den begrenzten Dingen auch kein abzählendes Fortschreiten ins Unendliche annehmen, nicht einmal nach dem Kleineren hin. Denn wenn einer nun sagt, daß sich in einem Ding unbegrenzt viele Partikel selbst von behebiger Kleinheit befinden, so läßt sich einerseits nicht denken, wie dies möglich sein soll. Zum andern: Wie könnte dies Ding in seiner Größe noch begrenzt sein? Denn es ist klar, daß die unbegrenzt zahlreichen Partikel eine gewisse Größe besitzen; und wie klein sie auch immer sein mögen: auch die Größe (des Ganzen) wäre unbegrenzt. Ferner: Da das begrenz-

Epikur ρον υπαρχειν και το τοιούτον αφικνεΐσθαι τη έννοια.

235

te Ding ein unterscheidbares, wenn auch nicht isoliert zu betrachtendes Äußerstes besitzt, ist es unmöglich, nicht auch das ihm folgende als ein gleichartiges zu denken und auf diese Weise, indem man der Reihe nach abzählend vorwärtsschreitet, im Denken dahin zu gelangen, daß auch das so Beschaffene (das begrenzte Ding) unbegrenzt ist.

§ 58 ρ. 14,17 ff· vdM: τό τε ελάχιστον το έν τη αΐσθήσει δει κατανοεΐν 6τι οΰτε τοιοϋτόν έστιν οίον τδ τάς μεταβάσεις έχον οΰτε πάντη πάντως

(20) άνόμοιον, άλλ'

έχον μέν τινα κοινότητα των μεταβατών, διάληψιν δέ μερών ούκ έχον· άλλ' δταν διά την της κοινότη-(ΐ5, ΐ ) τος προσεμφέρειαν οίηθώμεν διαλήψεσθαί τι αύτοΰ, τό μέν έπιτάδε, τύ δέ έπέκεινα, το ϊσον ήμϊν δει προσπίπτειν. έξης τε θεωροϋμεν ταϋτα άπδ τοϋ πρώτου καταρχόμενοι καΐ ούκ έν τ ω αύτω, ουδέ μέρεσι μερών άπτόμενα, άλλ' ή έν τη (5) ίδιότητι τη εαυτών τά μεγέθη καταμετροϋντα, τά πλείω πλεϊον καΐ τά έλάττω έλαττον.

Weiter muß man einsehen, daß das Kleinste in der Sinneswahrnehmung weder so ist wie das, was man in verschiedener Weise durchzählend abschreiten kann, noch auch in jeder Hinsicht völlig unähnlich. Es besitzt zwar eine gewisse Gemeinsamkeit mit den abschreitbaren Größen, läßt aber keine Unterscheidung von Teilen zu. Wenn wir vielmehr wegen der auf der Gemeinsamkeit beruhenden Ähnlichkeit meinen, an ihm etwas unterscheiden zu können, einen Teil hüben, den andern drüben, so muß uns das Gleichgroße entgegentreten. Wir sehen nun diese kleinsten Größen, vom ersten Glied an beginnend, als Reihe und so, daß sie nicht an demselben Ort zusammenfallen, auch nicht mit Teilen Teile berühren, sondern in ihrem Eigensein die Größen ausmessen, die größeren als größer und die kleineren als kleiner.

236

Epikurs Lehre vom Minimum

§58/9 p. 15,6 ff. vdM: ταύτη τη άναλογία νομιστέον καΐ τί> έν τη άτόμω έλάχιστον κεχρησθαι* § 59 μικρότητι γαρ εκείνο δηλον ώς διαφέρει τοϋ κατά τήν αϊσθησιν θεωρουμένου, άναλογία δέ τη αύτη κέχρηται. έπεί περ καΐ 6τι μέγεθος έχει ή άτομος, (ίο) κατά τήν ένταΰθα άναλογίαν κατηγορήσαμεν, μικρόν τι μόνον μακράν έκβάλλοντες (codd.). έτι τε τά έλάχιστα καΐ άμερη πέρατα δει νομίζειν των μηκών τό καταμέτρημα έξ αυτών πρώτων τοις μείζοσι και έλάττοσι παρασκευάζοντα τη διά λόγου θεωρία επί των αοράτων. ή γάρ κοινότης ή υπάρχουσα αύτοΐς πρύς τά (15) μετάβολα (Furley) ίκανή τί> μέχρι τούτου συντελέσαι, συμφόρησιν δέ έκ τούτων κίνησιν έχόντων ούχ οϊόν τε γενέσθαι (codd.).

Dieses Verhältnis muß man entsprechend auch für das Kleinste im Atom annehmen. An Kleinheit nämlich unterscheidet es sich offenkundig von dem in der Sinneswahrnehmung Sichtbaren, steht aber in einem genau entsprechenden Verhältnis. Denn auch daß das Atom Größe hat, haben wir gemäß dem hier (im Wahrnehmbaren) entsprechenden Verhältnis ausgesagt, indem wir nur etwas Kleines weit hinausrückten. Ferner muß man die kleinsten unteilbaren Größen als Grenzwerte der Längen auffassen, die aus sich selbst als den Ersten für die größeren und kleineren (Längen) das Grundmaß bieten in der denkenden Betrachtung des Unsichtbaren. Denn die Gemeinsamkeit zwischen ihnen und den veränderlichen Dingen reicht aus, um soviel zu gewährleisten. Daß sie sich allerdings selbständig bewegten und aus ihnen eine Verbindung entstünde, ist unmöglich.

Nach der ontologischen Grundlegung des Atomismus §§ 39-45 und der Wahrnehmungs- und Bildertheorie (§§ 46-53) behandelt der Herodotbrief §§ 54-59 die Atomlehre genauer13. Epikur weist zunächst § 54 19

Ausgehend von FURLEY 4 f. unterscheide ich im folgenden physikalische (d. h. in der Regel: mechanische, davon verschieden: „im Bereich der Physik"!) und theoretische Unteilbarkeit, wobei im allgemeinen die zweite die erste, nicht aber die erste die zweite impliziert (z. B. sind die Atome Epikurs physikalisch, aber nicht theoretisch unteilbar). Der Ausdruck „theoretisch unteilbar" bezeichnet dabei Grenzen der Teilung, unterhalb deren nichts Kleineres mehr gedacht werden kann. Sofern diese Denkgrenzen als etwas objektiv Seiendes betrachtet werden, entspricht der theoretischen Unteilbarkeit eine onto-

Epikur

237

den Atomen nur die „primären" Qualitäten (ποιότητες) von Gestalt (σχήμα), Schwere (βάρος) und Größe (μέγεθος: Ausdehnung) zu, die mit den Atomen beharren, während alle übrigen Eigenschaften der μεταβολή unterliegen. Nachdem über die Unterschiede der Gestalt bereits § 42 kurz gehandelt war, wendet sich Epikur jetzt mit der zweiten Hälfte von § 55 (P· 13, 15 Mühll) der Anzahl möglicher Atomgrößen zu und schränkt sie noch entschiedener ein als jene. Zwar sind zur Erklärung der Erscheinungen Unterschiede in der Atomgröße anzunehmen, aber erfahrungsgemäß kommen keine sichtbaren Atome vor - hier rückt Epikur von Demokrit ab14 - , womit die Existenz beliebig großer Atome widerlegt ist. Hinzu tritt die allgemeine Erwägung, daß eine unbegrenzte Zahl von Atomgrößen für die Erklärung der wahrnehmbaren Qualitäten nichts leistet (οΰτε χρήσιμον), - wohl in dem Sinne, daß diese selber endlich sind15 und daß die Zahl der Prinzipien und Elemente stets kleiner sein sollte als die daraus abgeleiteten Phänomene. Während der Gedankengang bis hierher keine Schwierigkeiten bietet, wirft das Folgende (§ 56 προς δέ τούτοις p. 14, 2 Μ.) ernsthafte Probleme auf. Zunächst wird man mit Vlastos16 daran festhalten müssen, daß dieser neue Beweis die Diskussion der Atomgrößen geradeswegs fortsetzt. Er hat die Aufgabe, die Begrenzung möglicher Atomgrößen, wie vorher empirisch nach oben („keine sichtbaren Atome"), so jetzt theoretisch auch nach unten zu erweisen, d. h. eine unendlich kleine Atomgröße auszuschließen. Dieser Beweis ist erforderlich, weil die vorangegangene allgemeine Erwägung, daß unendlich viele Atomgrößen zur Erklärung der Phänomene nichts beitragen, nur die Notwendigkeit, aber nicht die Möglichkeit unendlich vieler Größen aufhebt, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen können. Im einzelnen bezieht sich daher τ£> ώρισμένον σώμα nicht schon auf

14

16 16

logische Unteilbarkeit. Nur dann, wenn diese allgemeine ontologische Unteilbarkeit speziell für den Bereich der Mathematik ins Auge gefaßt wird, kann von mathematischer Unteilbarkeit die Rede sein. Darüber hinaus sind folgende Grade von Unteilbarkeit zu unterscheiden: a) Die absolute des mathematischen Punktes, b) die relative des (theoretisch) unteilbaren, kleinsten Quantums der Ausdehnung (Minimum). Von beiden verschieden ist das infinitesimal Kleine, das gerade kein Unteilbares ist, sondern immer noch - bis ins „Unendliche" - weitergeteilt werden kann. V S 68 A 43 (p. 95, 15 f.: ό δέ καΐ μεγίστας είναι τινας άτόμους δ Δημόκριτος ύπέλαβεν), Α 47 Ρ· Φ· 5 = Aet. I 12, 6 ρ. 3 1 1 . 21 f. D. (δυνατδν δ' είναι κοσμιαίαν ύπάρχειν άτομον), dazu MAU 3 1 · Vgl. Lukrez II 500 ff. V L A S T O S 1 4 0 ff.

238

Epikurs Lehre vom Minimum

das Atom17, sondern auf einen „begrenzten 18 Körper" überhaupt. Von ihm wird ausgesagt, daß er nicht unendlich viele Massenteilchen (βγκοι : Atome), nicht einmal (ούδ1)19 von beliebiger Kleinheit (so hier όπηλίκους οδν), enthalten könne. Hier wird offenbar ein primärer Zusammenhang gesehen zwischen einer unendlich kleinen Atomgröße und der Zusammensetzung der Körper aus unendlich vielen Atomen. Der folgende, bis zum Ende von § 56 reichende Satz führt die These weiter aus. Man hat in den beiden zurückgewiesenen Möglichkeiten (τομή - μετάβασης) bald physikalische und theoretische Teilung20, bald von der eigentlichen Teilung das Fortschreiten des Denkens von Teil zu Teil (wie nachher in § 57)21 unterschieden sehen wollen. Die an zweiter Stelle genannte μετάβασις22, auf der der Nachdruck liegt, muß indessen auf infinitesimal kleine Atome führen, die in begrenzten Körpern real vorkommen. Die Bedeutung der damit verglichenen τομή ist klar: Epikur erinnert hier noch einmal an die Gefahren der totalen Auflösung der Wirklichkeit ins Nichtseiende (εις το μή δν . . . τά δντα θλίβοντες καταναλίσκειν), die im Vorhergehenden schon mehrfach zur Begründung der Atomtheorie gedient hatte (§ 39 p. 5, 4 f· M., § 41 P- 6, 6 ff. M., § 54 p. 13,1 ff. M., § 55 p. 13, 13 f. M.), aber hier nicht mehr zur Debatte steht, wo es sich nur noch um die möglichen Atomgrößen innerhalb der bereits feststehenden 17

18

19

20

So Ζ. B . BIGNONE 91 Anm. 6 ; MAU 3 2 ; F U R L E Y I I (mit falscher oder unzureichender Begründung, ζ. B. sind τά δντα keineswegs schon die Atome, vgl. dazu richtig schon GIUSSANI I 52, B A I L E Y , Epicurus 206). Der von MAU a. O. konstatierte Gegensatz von „begrenzt" (πεπερασμένον) und „bestimmt" (ώρισμένον) ist von FURLEY 10 an Hand von Aristoteles-Belegen zurückgewiesen worden. ούδέ kann sowohl „und nicht" wie auch „auch nicht", „nicht einmal" heißen, das letztere, wenn ein einzelnes Wort betont negiert wird. Dies trifft dem Zusammenhang nach für όπηλίκους zu, wie die Parallele am Ende von § 56 zeigt (μηδ* έτοδλαττον): Beidemale wird nicht nur nicht die Zusammensetzung von Körpern aus unendlich vielen endlichen Größen zugelassen, sondern „nicht einmal" die am ehesten denkbare Möglichkeit, daß alle oder einige dieser Größen infinitesimal klein sind. Vgl. dazu HEINZE 2 6 3 ; F U R L E Y 1 1 f. Im übrigen stehen die beiden Gesichtspunkte (unendliche Zahl - beliebige Kleinheit) mit der folgenden Zweiteilung (τομή - μετάβασις) in keinerlei Korrespondenz. „Real" - „ideal" GIUSSANI I 5 6 ; BIGNONE 9 1 f. Anm. 6 ; B A I L E Y , Epicurus 205 ff.; ARRIGHETTI 464.

21

F U R L E Y 14.

22

μετάβασις hat die Bedeutung des „langsamen Fortschreitens vom einen zum andern" im Sinne des Abzählens (vgl. βαδίζοντα § 57 p. 14, 16 Μ.) und ist so als philosophischer Terminus bei Epikur sonst nicht nachweisbar (anders in der Kanonik). v. ARNIMS Erklärung („mathematische Teilung" a. O. 390) ist zu eng.

Epikur

239

Atomlehre handelt. Die μετάβασις muß deshalb ein verwandtes Verfahren - daher die Assoziation - aber von geringerer Tragweite bezeichnen (ού μόνον - άλλα καΠ), das gleichfalls zu unendlich vielen, d. h. aber auch infinitesimal kleinen Atomen in einem begrenzten Körper führt. Ein Fortschreiten (μετάβασις) ins Unendliche kann es nun aber in dreierlei Weise geben: επί τδ μείζον - επί τδ ΐσον - έπί το ελαττον23. Für begrenzte Körper (έν τοις ώρισμένοις) entfallen die beiden ersten Möglichkeiten von vornherein, weil die Addition unendlich vieler endlicher Größen den begrenzten Körper aufhöbe. Aber selbst die am ehesten denkbare Mögüchkeit eines Fortschreitens ins infinitesimal Kleine lehnt Epikur ab (μηδ' έ τοΰλαττον)24. Während es sich bei der im Vergleich herangezogenen Auflösung um eine allseitige Zerkleinerung aller Teile bis ins Unendliche handelt, geht es hier offenbar lediglich um eine einseitig fortschreitende Dichotomie, die jeweils eine Hälfte eines Halbierten weiter halbiert25. Das Resultat dieses „Fortschreitens zum Kleineren hin" ist eine unendliche Reihe abnehmender Atomgrößen, die von endlichen Größen bis zu unendlich kleinen, „infinitesimalen" Größen reicht - also genau das, was Epikur aus seiner Atomlehre eliminieren möchte. Die Zenonische Dichotomie wird also hier nicht mehr dazu benutzt, um den Atomismus zu begründen, sondern sie wird durch einen methodischen Kunstgriff in gebrochener Form in den bereits etablierten Atomismus hineingenommen, um innerhalb seiner den Grenzfall des infinitesimal Kleinen neben den Atomen endlicher Größe zu demonstrieren2®. Den Beweis für die These, daß es keine unendlich kleine Atomgröße und daher auch nicht unendlich viele Atomgrößen gibt, tritt Epikur erst im Folgenden an, und zwar zunächst rein negativ (§57). Man kann diesen Abschnitt, der im Zusammenhang der Minimadarstellung zweifellos die größten Schwierigkeiten bietet, verschieden gliedern: Entweder man läßt mit dem Laurentianus das δπως der ersten 23

24

25

26

Treffend BIGNONE 92 Anm. 1 z. St.; vgl. MAU 32, 34; ferner BAILEY, Epicurus 209. μηδ' έ GASSENDI: μηδέ aut μή δέ codd. Ingeniös USENERS Erwägung μήτ' έπί τό μείζον μήτε im Apparat (in den Text übernommen von KOCHALSKY 20, vgl. 65), bei der aber die Nuance des μηδέ („nicht einmal") verlorengeht. Ein Hendiadyoin mit μετάβασις nimmt v. ARNIM 397 Anm. 5 an, was weniger wahrscheinlich ist als ein explizierender Bezug auf άπειρον. Diese Auffassung finde ich sonst nur bei GIUSSANI I 65, übernommen von ARRIGHETTI, Komm. 464 z. St. (einschließlich der irrigen Unterscheidung von „idealer" und „realer" Teilung). Zu περιλήψεσι p. 14, 6 Μ. vgl. § 40 p. 5, 18 Μ., § 42 p. 6, 22 ff. Μ.

240

Epikurs Lehre vom Minimum

Zeile weg und athetiert das τ' Zeile I i M. Dann zerfällt der Paragraph in zwei Gedankengänge nahezu gleichen Umfangs, von denen der erste darlegt, daß ein Körper, der unendlich viele selbst27 behebig kleine (όπηλίκοι οδν wie § 56) Massenteilchen enthält, nicht mehr als endlich (πεπερασμένον) gedacht werden kann, da unendlich viele Teilchen auch bei infinitesimaler Kleinheit zusammen eine unendliche Größe ergeben; der zweite, dessen Anfang mit dem Beginn des ersten korrespondiert (ουτε - τε), versucht die unendlich große Zahl der Teile ad absurdum zu führen, indem er das von Teil zu Teil weiterschreitende Denken (έννοια, νοεΐν) ins unausdenkbare Unendliche führt. Diese von Furley vertretene Zweigliederung hat die Konsequenz und logische Glätte der Gedankenführung für sich, doch kommt man auch mit konservativer Textbehandlung aus: Der einleitende Satz (ουτε γάρ 8πως . . . νοησαι) kann trotz sprachlicher Härte selbständig bestehen und besagt, die Existenz unendlich vieler Teile in einem Körper sei nicht denkbar. Darauf folgt die rhetorische Frage, wie dieser noch begrenzt sein könne, mit der anschließenden (sachlich falschen) Begründung, die Summe unendlich vieler auch kleinster (όπηλίκοι) Teilchen müsse unendlich groß sein, wodurch der Begriff des begrenzten Körpers aufgehoben wäre. Das letzte, umfangreichste Argument greift dann offensichtlich in chiastischer Anordnung auf die einleitende Behauptung zurück, die Existenz unendlich vieler Teile in einem Körper sei nicht denkbar, und führt sie weiter aus. Der Sachgehalt bleibt bei beiden Gliederungen derselbe: Es geht darum, die in § 56 gemachte Voraussetzung einer Dichotomie ins Unendliche und der Zusammensetzung der Körper aus infinitesimal kleinen und daher auch unendlich vielen Atomgrößen durch die beiden Konsequenzen des άπειρον μέγεθος und der άπειρος νόησις ad absurdum 27

Wer das überlieferte ή hält, kann darin eine rhetorische Zuspitzung des gegnerischen Arguments (έπειδάν . . . τις εϊπη) sehen, wobei jedoch beide Glieder denselben Sachverhalt von verschiedenen Seiten beleuchten und sich gegenseitig implizieren: Unendlich viele Teilchen sind im endlichen Körper am ehesten denkbar bei infinitesimaler Kleinheit, und infinitesimal kleine Teilchen sind im endlichen Körper unendlich zahlreich. Wer das eine behauptet, behauptet auch das andere. D a jedoch dieser Gedankengang zu viel voraussetzt und zweideutig bleibt, empfiehlt es sich, mit ERNOUT I p. LXXI/ I I mit Anm. 1, GIGON und FURLEY 15 die paläographisch plausible Änderung καί vorzunehmen („auch", „sogar", nicht „und"), womit zugleich die Übereinstimmung mit der Parallele § 56 p. 14, 4 Μ. (ούδ' όπηλίκους οδν, vgl. oben S. 2 3 8 Anm. 19, dazu BAILEY, Epicurus 2 0 5 : „ t h e ideas are complementary") gewahrt bleibt.

Epikur

241

zu führen28. Im einzelnen enthält der letzte Teil verschiedene Dunkelheiten und hat zahlreiche Konjekturen hervorgerufen. Klar ist, daß es sich um ein Fortschreiten (βαδίζειν ·~ μετάβασις § 56, § 58) des Denkens handelt, das die in § 56 durch Dichotomie gewonnene unendlich große Zahl von Teilen eines begrenzten Körpers abzählend nachzuvollziehen versucht. Es setzt dabei an einem beliebigen unterscheidbaren (διαληπτόν), wenn auch nicht isolierbaren (καθ' εαυτό θεωρητόν), signifikanten Punkt (άκρον) des Körpers an und versucht der Reihe nach den anschließenden und alle folgenden Teile zu durchlaufen29, was für Epikur evidentermaßen absurd ist30, τοιούτον p. 14,17 Μ. dürfte sich am besten auf πεπερασμένον Zeile 14 M. beziehen lassen31, womit der objektive Widerspruch zwischen πεπερασμένον und άπειρον noch einmal zusätzlich und verschärfend hervorgehoben ist, - sofern man nicht etwa mit Furley 32 κατά τοϋτον (sc. der τίς von Zeile 9 Μ.) konjizieren will. Freilich muß man auch im ersten Falle entweder κατά ) τοιούτον33 oder και τό τοιούτον schreiben34, wobei mit dem letzteren τοιούτον sc. πεπερασμένον als Subjekt für άπειρον ύπάρχειν gewonnen ist, während bei κατά das Subjekt nicht leicht anzugeben und darum ύπάρχειν eher unpersönlich zu fassen und dem νοεΐν gleich-, dem άφικνεϊσθαι aber überzuordnen wäre (,,es ist möglich . . . ins Unbegrenzte zu gelangen") 35 .

28

28

30 81

32 33

84

35

B e i d e beziehen sich gleichmäßig auf die μετάβασις u n d h a b e n m i t der Zweiteilung τομή - μετάβασις § 56 nichts zu t u n (unrichtig BAILEY, E p i c u r u s 207) D i e § 56 durch D i c h o t o m i e gewonnene R e i h e abnehmender Größen v o n Massenteilchen soll hier denkend (νοεΐν, τη έννοια) nachvollzogen werden. D a h e r b e s t e h t kein Z u s a m m e n h a n g zwischen d e m άκρον und d e m § 58 f o l g e n den έλάχιστον αίσθητόν, v g l . MAU 35, FURLEY 18. D a ferner die Teile i m vorhergehenden A r g u m e n t wieder addiert den ganzen (begrenzten) K ö r p e r ergeben sollen, d ü r f t e es sich a u c h hier u m ein n a c h auswärts gewendetes, d. h. a d d i t i v e s Weiterschreiten h a n d e l n (1 + 1/2 + 1 / 4 + i / 8 u s w . ) , gerade w i e die μετάβασις § 56 eine der jeweils gewonnenen H ä l f t e n in sich weiterteilte (1 - 2/2 - 2/4 - 2/8 usw.). D e s h a l b u n d w e g e n des ersten έξης p. 14, 15 Μ. ist es unwahrscheinlich, d a ß das άκρον selbst hier weiter untergeteilt wird (so VLASTOS 141 A n m . 96; v g l . die Diskussion bei v . ARNIM 400 A n m . 13). V g l . VLASTOS 141 A n m . 96; FURLEY 17. D i e B e z i e h u n g auf das άκρον oder das zweite Glied der R e i h e scheidet n a c h A n m . 29 aus. - D a s τοιούτον p. 14, 15 Μ. bezieht sich natürlich auf διαληπτόν . . . θεωρητόν zurück. FURLEY 16 f. So SCHNEIDER, USENER, GIUSSANI, BIGNONE, BAILEY, ARRIGHETTI, LONG (κατά τοιούτον codd.). So VON DER MÜHLL, HICKS, MAU, ähnlich v . ARNIM (400 A n m . 1 3 : καί αύτό τοϋτο, daneben bereits καί τό τοιούτον erwogen). So GIUSSANI, BIGNONE, BAILEY, ARRIGHETTI, FURLEY, w o h l a u c h USENER,

242

Epikurs Lehre vom Minimum

Bis hierher ist lediglich die Unmöglichkeit einer infinitesimal kleinen Atomgröße aufgezeigt worden. Der positive Beweis, nämlich der Nachweis, daß es eine endliche kleinste Atomgröße gibt, folgt erst § 58. Der Neuansatz ist so deutlich, daß man mit Mau38 erwägen sollte, statt mit dem überlieferten τε mit δέ anzuknüpfen. Epikur geht aus von einem - empirisch nachweisbaren - Minimum (ελάχιστον) im Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren (έν τη αίσθήσει), unterhalb dessen nichts Kleineres mehr wahrgenommen werden kann. Es markiert den kleinsten wahrnehmbaren Atomkomplex, dem man mit Giussani37 den modernen Begriff des „Moleküls" zuordnen kann (wenn auch der technische Gebrauch von δγκος in dieser Bedeutung nicht nachweisbar ist)38. Dieses Minimum des Wahrnehmbaren, das von Epikur offenbar als feste Größe betrachtet wird, ähnelt, so heißt es nun, weitgehend Größen, die ein kontinuierliches Fortschreiten zulassen (τά μεταβατά)39, unterscheidet sich jedoch von ihnen in dem einen Punkte, daß es (für die Wahrnehmung) keine Unterscheidung von Teilen duldet (διάληψι,ν δέ μερών ουκ έχον), also teillos, άμερές ist, weshalb man beim Versuch, es zu teilen, nur immer wieder auf die gleiche Größe stößt (το 'ίσον p. 15, 2 Μ.)40. Dies bedeutet: Das Minimum läßt zwar ein Fortschreiten (μετάβασις) έπί τό μείζον und έπί τί> ίσον zu, weil es ausgedehnt und nicht etwa ein mathematischer Punkt ist; es duldet jedoch kein Fortschreiten „nach dem Kleineren hin" (έπί τί> έλαττον), d. h. keine Weiterteilung im Sinne der Dichotomie, obgleich es als ausgedehnte Größe den Anschein der Teilbarkeit erweckt. Die kleinste wahrnehmbare Größe ist also sowohl ausgedehnt wie in gewissem Sinne unteilbar.

36

37

38

39 40

der βαδίζοντι schreibt (βαδίζοντα codd.). Die von v. A R N I M vorgeschlagene und von M A U übernommene Verdopplung von εις τί> άπειρον nimmt, wie F U R L E Y 16 richtig bemerkt, die Pointe des Satzes störend vorweg. MAU 35. Eine Korrespondenz zum folgenden τε p. 15, 3 Μ. braucht nicht vorzuüegen, da auch das diesem entsprechende τε p. 15, 1 1 Μ. ohne Korrelat bleibt. G I U S S A N I I 5 8 f . , 6 8 , 7 8 ff.

Vgl. H E I N Z E 2 6 3 ; B A I L E Y , Atomists, Appendix IV, 5 7 7 ft., der allerdings seinerseits δγκος in § 54 bzw. 56/7 fälschlich auf das atomare bzw. sinnliche Minimum hin deutet, während es sich tatsächlich auch hier um eine nicht näher - auch nicht als Teil - bestimmte Körpermasse handelt (§ 54 ist es die des Atoms selbst, vgl. H I C K S p. 5 8 5 Note z. St.); dagegen richtig V L A S T O S 1 2 3 Anm. 13. Daher ist auch das Äquivalent bei Lukrez nicht cacumen, das eher άκρον entspricht, vgl. R O B I N und E R N O U T 1 3 0 . μεταβατών corr. S C H N E I D E R : μεταβάντων codd. Ob diese gleiche Größe dasselbe Minimum ist oder das jeweils (rechts oder links) benachbarte, wie B A I L E Y , Epicurus 2 0 9 , Atomists 2 8 6 und G I G O N 2 7 5

Epikur

243

Der zweite Teil des Arguments (έξης τε θεωροϋμεν . . . p. 15, 2 ff. Μ.) nimmt in der Tat die μετάβασις επί τό ϊσον für das Minimum der Wahrnehmung in Anspruch und stellt fest, daß diese Minima in reihenartiger Abfolge (πρώτον - έξης) alle (wahrnehmbaren) Körper nach ihrer Größe „ausmessen" (καταμετροΰντα), d. h. daß die Körpergrößen jeweils ganze Vielfache der kleinsten wahrnehmbaren Größe sind. Die Art des Zusammenhangs der Reihe wird dabei so umständlich beschrieben, daß eine polemische Bezugnahme naheliegt, und man hat mit zunehmender Deutlichkeit erkannt 41 , daß Epikur sich hier von Aristoteles' Theorie des Kontinuums absetzt. Aristoteles widerlegt Phys. Ζ ι den Punktatomismus der Linie, indem er zeigt, daß Punkte weder durch kontinuierlichen Anschluß (συνεχές) noch durch Berührung (άπτεσθαι) eine Linie bilden können, da Anschluß wie Berührung zwischen Teilen (μόρια, έσχατα, άκρα) erfolgen (vgl. Phys. Ε 3), während Punkte per definitionem teillos (αδιαίρετα) sind. Der Sonderfall einer Berührung zwischen Teillosen im ganzen (δλον δλου άπτεσθαι 231 b 2 ff.), den Aristoteles zusätzlich in Erwägung zieht, scheidet gleichfalls aus, da dann die Punkte zusammenfielen und keine fortschreitende Linie bilden könnten (δλον δ' δλου άπτόμενον ουκ εσται συνεχές). Epikur formuliert nun für seine Minima, sie seien ούκ έν τω αύτω ουδέ μέρεσι μερών άπτόμενα (ρ. 15, 3 f. Μ.). Es sind dies offensichtlich dieselben beiden Möglichkeiten, die auch Aristoteles für die Punktatome geleugnet hatte. Die zweite entfällt, weil die Minima in der Tat teillos sind und man, wie im vorhergehenden Satz festgestellt worden war, beim Versuch, sie zu teilen, immer wieder auf die gleiche Größe trifft. Die erste bezeichnet das Zusammenfallen der Minima (έν τω αύτω ~ δλον δλου άπτεσθαι) und scheidet aus, weil die Minima ja gerade aufeinander folgen sollen (έξης). Epikur gibt also Aristoteles teilweise recht, indem er diese beiden Möglichkeiten ausschließt, bleibt aber nicht in der Negation stehen, sondern hält trotz der Unteilbarkeit der Minima einen konstruktiven Weg für gangbar, der in dem positiven Nachsatz ausgesprochen wird: άλλ' ή42 έν τη ϊδιότητι τη έαυτών τά μεγέθη καταμετροΰντα. έν τη ίδιότητι dürfte hier etwa ,,in (ihrem) Eigensein" bedeuten und speziell dem έν τω

41

annehmen., ist kaum zu entscheiden, aber auch von untergeordneter Bedeutung. Auf den Zusammenhang zwischen dem Herodotbrief und Ar. Phys. Ζ ι haben H E I N Z E 2 6 4 ; v . ARNIM 400 A n m . 1 4 u n d - b e s o n d e r s a u s f ü h r l i c h - M A U 36 f. h i n g e w i e s e n . V g l . F U R L E Y 18 f., 1 1 4 f., 1 2 1 .

42

Zu άλλ' ή DENNISTON, The Greek particles, Oxf. 1934, 24-26; SCHWYZER, Gr. Gramm. II 578 mit Anm. 3.

244

Epikurs Lehre v o m Minimum

αύτω gegenübergestellt sein43: Die Minima können sich gesondert nebeneinander behaupten, ohne ineinander unterzugehen. Damit ist im Grunde nur ausgesprochen, daß Epikur gegen Aristoteles auf dem Paradox beharrt, daß es Wesenheiten geben kann, die ausgedehnt und doch zugleich in gewissem Sinne teillos sind, und daß diese Unteilbaren durch einfache Zusammensetzung alle (teilbaren) Körpergrößen hervorbringen können. Ob sich der Sensualist Epikur dabei mit der Evidenz der Wahrnehmung 44 begnügt, an die er hier appelliert, oder ob er, wie Furley 45 erwägt, aber dann doch in Abrede stellt, subtil zwischen Zwei- und Dreidimensionalität unterscheidet, nämlich zwischen den minimalen Körpern selbst und ihren berührenden Außenflächen, die nicht dreidimensional und daher auch nicht „Teile" von Körpern sind, muß offenbleiben, da die Kurzfassung des Herodotbriefes keinen weiteren Anhalt bietet. Bis hierher ist, in § 58, gleichsam nur das Modell für die Feststellung der kleinsten Atomgröße entwickelt worden. Erst im letzten Satz von § 58 (ταύτη τη άναλογία . . . p. 15, 6 Μ.) und in § 59 folgt der entscheidende Analogieschluß vom wahrnehmbaren auf das atomare Minimum (τό έν τη άτόμω έλάχιστον). „Dieses Verhältnis trifft entsprechend auch für das Kleinste im Atom z u " : Es handelt sich offenbar um das soeben für den Bereich der Wahrnehmung dargestellte Verhältnis zwischen dem Minimum und den übrigen Körpern, das jetzt in entsprechender Weise im atomaren Bereich aufgesucht wird. Dieses Verhältnis, wiederholt Epikur noch einmal (p. 15, 8 f. M.), bleibt das gleiche, wenn auch das atomare Minimum hinter dem wahrnehmbaren, das immerhin einen Atomkomplex darstellt, an Größe bei weitem zurückbleibt (μικρότητι. . . διαφέρει). Das atomare Minimum verhält sich also im kleinen zu den Atomen genau so wie das wahrnehmbare zu den wahrnehmbaren Körpern. Epikur stützt die Analogie durch die Berufung auf § § 54/5, wo dem Atom nach Analogie des wahrnehmbaren Bereichs (κατά τήν ένταϋθα άναλογίαν)46 Ausdehnung (μέγεθος) zugespro43

44 45 46

V g l . a u c h FURLEY 20 (weniger zutreffend BAILEY, E p i c u r u s 210, der den A u s d r u c k auf die „spezifische E i g e n s c h a f t " des unteilbaren A u s g e d e h n t e n bezieht). Sie wird in der Sache bestritten v o n VLASTOS 144 f. FURLEY 5 f., 1 1 5 f., v g l . 121. USENER ergänzt κατά τήν ένταϋθα άναλογίαν, u n d i h m folgen GIUSSANI, BAILEY u n d FURLEY. D e r Z w e i d e u t i g k e i t („die hier behandelte A n a l o g i e " ) ist indessen durch den T e x t z u s a m m e n h a n g hinreichend v o r g e b e u g t . I m übrigen heißt der Passus wörtlich übersetzt: „ g e m ä ß d e m entsprechenden Verhältnis

245

Epikur

chen war 47 . Diese Analogie, die dort für die atomare Ausdehnung überhaupt verwendet wurde, wird hier erweitert und speziell auf die kleinste atomare Ausdehnung angewandt. Im ganzen hegt der Beweisführung ein Syllogismus zugrunde, der aber im Text nicht ausdrücklich gemacht wird und den zu vollziehen dem Leser überlassen bleibt: Das Atom entspricht dem wahrnehmbaren Körper (z. B. in seiner Ausgedehntheit) Bei den wahrnehmbaren Körpern gibt es ein Minimum Bei den Atomen gibt es ein Minimum Während das wahrnehmbare Minimum in Wahrheit immer noch selbst physikalisch - teilbar ist, handelt es sich beim atomaren um ein absolutes Minimum. Wie das wahrnehmbare Minimum der αΐσθησις eine Grenze setzt, so das eigentliche, atomare dem Denken (τη διά λόγου θεωρί$ p. 15, 13 f· Μ., vgl. έννοί$, νοεΐν, νοησαι ρ. 14, Ι7> *5> 1 0 Μ.), das sonst ins (denkunmögliche) Unendliche fortschreiten müßte (§ 57!). Die Analogie der αίσθησις macht dabei unzweifelhaft klar, daß es sich bei diesem absolut kleinsten Ausgedehnten um eine Denkgrenze handelt, unterhalb deren nichts Kleineres mehr gedacht werden kann48, die also nicht mehr selber denkend gemessen werden kann, sondern ihrerseits letztes Maß ist. Man wird daher Furleys 49 Einspruch gegen Vlastos 50 h i e r " , n ä m l i c h d e m V e r h ä l t n i s zwischen d e m W a h r n e h m b a r e n

u n d seiner

A u s d e h n u n g (vgl. d e n G e b r a u c h v o n άναλογία in d e n beiden v o r h e r g e h e n d e n S ä t z e n u n d die richtige B e m e r k u n g v o n BAILEY, E p i c u r u s 2 1 0 f.). 17

p. 15, 10 f. Μ. schreibe ich μικρόν τι μόνον μακράν (USENER: μακρόν codd.) έκβάλλοντες u n d v e r s t e h e w i e BIGNONE: „ n o n f a c e n d o altro che

protrarre

l o n t a n o u n d e t e r m i n a t o grado di p i c c o l e z z a " (etwas freier GIGON: „ n u r sind w i r m i t seiner K l e i n h e i t tief h i n a b g e r ü c k t " ) , w o b e i sich μικρόν τι auf eine zur A n a l o g i e b e n u t z t e w a h r n e h m b a r e G r ö ß e bezieht. MAUS Ä n d e r u n g έκλαβόντες (vgl. die n a c h t r ä g l i c h e T e m p u s ä n d e r u n g USENERS Praef. X V I I I in έκβαλόντες) ist überflüssig (a. O . 38), w ä h r e n d FURLEYS D e u t u n g v o n μικρόν τι auf d a s Atom

u n d die E r k l ä r u n g v o n

έκβάλλειν als „ g r ö ß e r m a c h e n "

projizieren) die A r g u m e n t a t i o n s r i c h t u n g

(ins

des H a u p t s a t z e s u n d des

Große ganzen

V e r f a h r e n s v o n §§ 58/9 - n ä m l i c h den A n a l o g i e s c h l u ß v o m w a h r n e h m b a r e n auf d e n a t o m a r e n B e r e i c h — u m k e h r t und d a d u r c h den S a c h v e r h a l t u n n ö t i g kompliziert m a c h t

(a. O .

23, ebenso schon

HICKS 589, d a g e g e n

BAILEY,

Epicurus 211). 48

V g l . ROBIN bei ERNOUT-ROBIN 1 3 3 : ,,ce sont des parties finies q u e l a p e n s ö e ne p e u t plus d i v i s e r . "

49

FURLEY 21 f., 42 f.

60

VLASTOS bes. 1 3 7 fi. (charakteristisch das Beispiel m i t den Kieselsteinen).

246

Epikurs Lehre vom Minimum

uneingeschränkt beipflichten und anerkennen müssen, daß das atomare Minimum keine Naturkonstante nach Art der Quanten in der modernen Physik darstellt, sondern prinzipieller theoretisch - aber nicht etwa speziell „mathematisch" - unteilbar ist, wobei im Hintergrund der theoretischen eine ihr entsprechende, vom Eleatismus überkommene ontologische Unteilbarkeit steht61. Damit erübrigt sich auch der von Vlastos52 angenommene weitere Beweisschritt Epikurs, daß alle vorkommenden Atomgrößen nur ganze Vielfache des atomaren Minimums bilden können. Nach Vlastos ist dieses Verhältnis von Epikur willkürlich gewählt, um die Zahl der Atomgrößen endlich zu halten. Da aber das atomare Minimum theoretisch unteilbar ist, bleibt für Zwischenlösungen von vornherein kein Raum: Es ist unumgänglich, daß alle Atomgrößen nur ganze Vielfache der kleinsten denkbaren Größe sein können. Epikur zieht diese Konsequenz im folgenden Satz, und zwar in genauer Entsprechung zum zweiten Teil der Argumentation in § 58 (vgl. die Korrespondenz von τε - τε), die wiederum nach der Analogie vom wahrnehmbaren auf den denkbaren, atomaren Bereich übertragen wird. Während aber dort die polemische Rechtfertigung der Reihung im Vordergrund stand, kommt hier der Maß-Charakter des Minimums noch deutlicher zum Ausdruck: „Die Minima63 sind als Grenzwerte der (Atom-) Längen (πέρατα των μηκών) zu betrachten, die aus sich selbst als den Ersten den größeren und den kleineren (unter den Atomlängen) das Grundmaß (καταμέτρημα)54 gewähren" (p. 15, 1 1 ff. M.). Der Satz bietet nach Text, Verständnis und Gliederung einige Probleme. Das μηκών der Haupthandschriften verdient im Hinblick auf die Parallele μεγέθη in § 58 (p. 15, 5 M.) und der größeren Präzision wegen vor der durch F gebotenen Variante μικρών (die Atome) entschie51

Vgl. Parm. V S 28 Β 3.

52

V L A S T O S 1 4 2 ff.

53

τά ελάχιστα καΐ άμερη ν . ARNIM, VON DER MÜHLL, H I C K S 5 8 8 f. N o t e , L U R I A 155

54

Anm.

130,

GIGON,

ARRIGHETTI,

VLASTOS,

FURLEY:

άμιγή codd.,

vgl.

jedoch § 5 8 : διάληψιν μερών οΰκ έχον, ούδέ μέρεσι μερών άπτόμενα, sowie Simpl. und Themist. in phys. Ζ i/2 = fr 277/78 Us., Sext. E m p . X 142 = Us. p. 192 Note: άμερη, vgl. ν. ARNIM 398 Anm. 5. Dagegen gibt άμιγη keinen guten Sinn, denn welche Mischung könnte gemeint sein ? HEINZES Anschluß an den zweiten Teil von § 58 a. O. 264 ist zu kühn. Zu den Ausdrücken καταμετρεΐν, καταμέτρημα und ihrer mathematisch-technischen Bedeutung („kleinster gemeinschaftlicher Teiler") ausführlich VLASTOS 1 3 6 f. mit dem Hinweis auf Euklid und Aristoteles. Auch μέτρον kann diese engere Bedeutung haben, umgekehrt aber καταμέτρημα die weitere nie.

Epikur

247

den den Vorzug 55 . Ebenso ist im folgenden die Reflexivform έξ αύτών durch den Zusammenhang gefordert56. Nicht ganz so einfach steht es mit dem anschließenden Wort, wo das von den Herausgebern bevorzugte πρώτων nur der Parisinus an die Hand gibt, während Tescari, Bignone, Ernout und Arrighetti mit den übrigen Handschriften πρώτον schreiben. Indessen wirkt πρώτον (sc. καταμέτρημα) hier abundant und hängt unschön nach, während πρώτων dem Sinne nach (nicht der äußeren Wortform nach) lectio difficilior ist, denn im Bezug auf die Minima kommt ihm eine seltenere Bedeutung etwa im Sinne von „Prinzipien" oder „Elemente" zu. Daß diese Auffassung die richtige ist, ergibt sich aus der im folgenden besprochenen Parallele bei Lukrez I 604. Im übrigen deutet weder der Ausdruck πέρατα noch der Ausdruck πρώτα darauf hin, daß es sich bei den hier gemeinten έλάχιστα um άκρα im Sinne von § 57 (zweite Hälfte), also lediglich um die ersten Glieder der Minimareihe handelt. Zwar kommt πρώτον in dieser Bedeutung § 58 vor (άπό τοϋ πρώτου καταρχόμενοι p. 15, 3 Μ.), doch zeigt gerade dort der Fortgang des Textes, daß alle Minima der Reihe - nicht nur das erste als Grundmaße verstanden sind (καταμετροϋντα im Plural p. 15, 5 M.). Die πρώτα in § 59, die gleichfalls als Grundmaße wirken, haben also eine andere Bedeutung als das πρώτον in § 58s7. Sie sind nicht die ersten Glieder (άκρα) von Minimareihen im Unterschied zu den übrigen Gliedern der Reihe, sondern sie sind die Minima insgesamt im Unterschied zu den aus ihnen aufgebauten Atomen, zu denen - und zwar zunächst zu ihren Längen - sie sich als die „Prinzipien" (πρώτα) zum Abgeleiteten verhalten. - Das gleiche gilt für den Ausdruck πέρατα, womit nicht etwa „Grenzen" im Sinne von „äußersten Gliedern", sondern Grenzund Grundwerte der Ausdehnung 68 , d. h. letzte Elemente der (linearen) Erstreckung (τών μηκών) gemeint sind, die nicht weiter teilbar sind und so eine letzte Teilungs,,grenze" setzen69. Da es sich um eine kleinste 55 68

57 58

59

Soweit ich sehe, haben sich alle Herausgeber für μηκών entschieden. αύτών USENER: αύτών codd. Die grammatisch allein konkurrierende Beziehung auf μηκών ergibt keinen Sinn. Vgl. FURLEY 34 („first" - „primary, elementary"). „Grenzwerte der Längen" v. ARNIM 392, 398 Anm. 5; „gli estremi termini di estensione" BIGNONE 94; vgl. BAILEY, Epicurus 212 („the 'unit of measurement' an idea also contained in πέρας"). Vgl. dazu ζ. Β. Arist. Phys. Γ η, 7.0η b 2: τό έν μέν τω αριθμώ είναι ΙπΙ μέν τό έλάχιστον πέρας ... 6: δτι τό ίν έστιν άδιαίρετον. Vgl. Lukrez I 618: nec res praefiniet ulla (bei der Dichotomie), I 746: . . . finem non esse secandis / corporibus, 844: . . . neque corporibus finem esse secandis. Daher B A I L E Y , Epicurus 212 richtig ζ. St.: „The 'least part' is at once the 'boundery' in that

17 Krämer, Platonlsmus

248

Epikurs Lehre v o m Minimum

atomare, ausgedehnte Größe handelt, kann πέρας auch nicht die aristotelische Bedeutung „Grenzmarke", ,.Nullwert" haben, sondern ist als Grund- und Elementarwert substantiell erfüllt zu denken. Damit ist zugleich gegeben, daß πέρατα των μηκών formelhaft zusammengehört60 und bei der Gliederung des Satzes nicht getrennt werden darf. Man wird deshalb nicht mit Giussani, Tescari, Ernout, Mau und Furley 61 ελάχιστα und άμερη als Attribute zu πέρατα ziehen und dieses als Subjekt des von νομίζειν abhängigen Satzes dem Prädikat παρασκευάζοντα gegenüberstellen können, wobei των μηκών meist von τοις μείζοσι καί έλάττοσι abhängig wird. Dagegen spricht nicht nur die daraus folgende Zerreißung der Formel πέρατα τών μηκών und das ungewöhnliche Hyperbaton zwischen τών μηκών und seinem Beziehungswort 62 , sondern auch, daß έλάχιστα und άμερη in der Regel selbst substantivisch gebraucht werden63, und daß der πέρας-Gedanke nicht selbstverständlich ist, sondern etwa gegenüber § 58 als weitere Ausführung hinzukommt, πέρατα τών μηκών ist daher Prädikat zu τα έλάχιστα καί άμερη und besagt, daß die soeben erschlossenen atomaren Minima im Zusammenhang der linearen Erstreckung der Atome zu sehen sind, was dann durch das folgende Partizip mit dem καταμέτρημα-Gedanken näher präzisiert wird64. Der letzte Satz von § 59, mit dem der Abschnitt über die Minima schließt, enthält eine Einschränkung, deren Sinn erst Furley richtig verstanden hat. Während die übrigen Erklärer wegen des Wortes κοινότης fälschlich auf § 58 zurückgriffen, gelingt es Furley, die „Analogie" zwischen wahrnehmbaren und atomaren Minima auch hier bruchlos durchzuführen, indem er überzeugend τά μετάβολα (τά άμετάβολα codd.)

60

there c a n be n o t h i n g smaller." ( B A I L E Y 2 1 1 irrt jedoch, w e n n er πέρατα v o n μηκών abtrennt, da dies sonst im Singular stehen müsse, denn es sind i m Plural die drei Dimensionen berücksichtigt.) V g l . unten S. 286 f.

41

G I U S S A N I I 70 m i t A n m . 1 ; T E S C A R I , S t u d i I t . Filol. class. X V , 1907, 180; E R N O U T I p. L X X I I I ; M A U 38; F U R L E Y 25 F.; dagegen schon richtig B I G N O N E 94 A n m . 2, zutreffend d a n a c h auch B A I L E Y , H I C K S , G I G O N , V L A S T O S .

62

Anders E R N O U T L X X I I I , der die J u n k t u r πέρατα τών μηκών beläßt, u n d M A U 38, der wie B A I L E Y , E p i c u r u s 2 1 1 τών μηκών auf καταμέτρημα bezieht. D o c h b l e i b t in beiden Fällen die Position v o n τών μηκών unbefriedigend.

63

Z u m häufigen G e b r a u c h v o n substantivierten A d j e k t i v e n bei E p i k u r H . W I D M A N N , Beiträge z. S y n t a x E p i k u r s , T ü b i n g e r B e i t r ä g e 24, 1935, 2 4 FF> bes. 27, v g l . oben A n m . 53.

64

E s b e s t e h t kein Grund, m i t U S E N E R (übernommen v o n v . A R N I M 398 A n m . 5, 400 A n m . 1 5 ; und K O C H A L S K Y 21, 66) vor τ η διά λόγου θεωρία eine L ü c k e anzunehmen.

Epikur

249

konjiziert, womit die der μεταβολή unterliegenden relativen, wahrnehmbaren Minima gemeint sind65. Im Gegensatz zu ihnen - und damit wird der Analogie zwischen den Bereichen eine Grenze gesetzt - können sich die absoluten Minima weder selbständig bewegen 66 noch untereinander verbinden, sondern sind offenbar an die Atome gebunden, ohne daß dies hier näher begründet wird. Damit steht zugleich fest, daß auch die kleinsten Atome das Minimum höchstens in einer oder in zwei, nicht aber in allen drei Dimensionen erreichen können 67 . Die atomaren Minima werden im Herodotbrief im Zusammenhang der Frage nach der Anzahl möglicher Atomgrößen eingeführt und dienen dazu, diese Größen nach „unten", gegen das Infinitesimale hin, einzugrenzen und zugleich durch das Prinzip der Diskontinuität - da alle Größen nur ganze Vielfache des Minimums sein können - auf eine Reihe mit einer endlich großen Zahl zu beschränken. Demgegenüber steht die Theorie der atomaren Minima bei Lukrez in einem anderen Zusammenhang und wird an verschiedenen Stellen verstreut eingeführt. Der Hauptpassus erscheint am Ende der Beweisgänge des ersten Buches, die sich auf die Prinzipien des Epikureismus das Leere und die Grundkörper - beziehen (entsprechend dem Abriß des Herodotbriefes §§ 38-41), und knüpft an die bis dahin herausgearbeiteten Eigenschaften der letzteren: soliditas, simplicitas 68 , aeternitas f. Sinngemäß ist die Analogie auch von solchen Kritikern verstanden worden, die wegen § 5 8 mit U S E N E R άμετάβατα schrieben (Ζ. B . A R R I G H E T T I 4 6 6 ) . Doch ist άμετάβατα nicht nur überflüssig, sondern auch schief, da die absoluten Minima ja selbst αμετάβατα sind, so daß der Vergleich sich im Kreise dreht. Mit dem überlieferten άμετάβολα (= die Atome, BIGN O N E , V O N D E R M Ü H L L mit crux, H I C K S , B A I L E Y , MAU) wird der γάρ-Satz zu einer schwachen Wiederholung des vorhergehenden und unterliegt darüber hinaus dem gleichen Anstoß, daß eigentlich auch die Minima άμετάβολα sind, v. A R N I M S Vorschlag τά μεταβατά (vgl. K O C H A L S K Y 2 1 , 6 6 ) entgeht diesen Einwänden, stört aber die sich durch §§ 5 8 / 5 9 ziehende Analogie und gibt die Uberlieferung preis. ee κίνησιν εχόντων ist also sinngemäß gleichfalls von οΰχ οΐόν τε abhängig zu denken (richtig schon B A I L E Y , Epicurus 213). Ganz verfehlt ist der Vergleich mit den Zeitminima und die zugehörige Textänderung bei B I G N O N E 9 4 Anm. 3 , vgl. 2 2 9 Anm. 1. 67 Daher τό εν τη άτόμω ελάχιστον ρ. 1 5 , 7 Μ. Vgl. grundsätzlich V L A S T O S 1 3 8 Anm. 86. 66 Die beiden Begriffe sind nicht gleichbedeutend: soliditas meint die durchgängige stoffliche Erfülltheit der Atome, die kein Leeres bei sich duldet, simplicitas die daraus resultierende physikalische Unteilbarkeit bzw. das Nichtzusammengesetztsein. Vgl. G I U S S A N I II 8 2 zu Lukrez I 6 1 1 f.

85

F U R L E Y 26

250

Epikurs Lehre vom Minimum

an (I 599-634) 6 9 . E r sucht im ersten Gedankengang lediglich darzutun, daß die Existenz von minimalen Teilen innerhalb der Atome jenen Eigenschaften nicht zuwiderläuft, da die Teile nicht isolierbar seien (viermal wiederholt: V . 602 f., 607 f., 6 1 1 , 6 1 3 f.). Vielleicht hängt es mit dieser negativen Funktion der Minimalehre zusammen, daß die Existenz teilloser Atomteile hier nur behauptet und nicht wie im Herodotbrief an Hand der Analogie des wahrnehmbaren Minimums bewiesen wird. Da jedoch der im zweiten Gedankengang folgende apagogische Beweis auf einen ersten zurückzuweisen scheint (praeterea V. 6 1 5 ff.), wird man wohl mit Munro, dem Brieger, Giussani und Furley folgen, einen möglicherweise durch Homoioteleuton verursachten Aus69 800

805

610

615

820

825

630

Tum porro quoniam est extremum quodque cacumen corporis illius, quod nostri cernere sensus iam nequeunt, id ni mirum sine partibus extat et minima constat natura nec fuit umquam per se secretum neque post hac esse valebit, alterius quoniamst ipsum pars primaque et una; inde aJiae atque aliae similes ex ordine partes agmine condenso naturam corporis explent; quae quoniam per se nequeunt constare, necessest haerere unde queant nulla ratione revelli. sunt igitur solida primordia simplicitate, quae minimis stipata cohaerent partibus arte, non ex illorum conventu conciliata, sed magis aeterna pollentia simplicitate, unde neque avelli quicquam neque deminui iam concedit natura reservans semina rebus. Praeterea nisi erit minimum, parvissima quaeque corpora constabunt ex partibus infinitis, quippe ubi dimidiae partis pars semper habebit dimidiam partem nec res praefiniet ulla. ergo rerum inter summam minimamque quod escit, nil erit ut distet; nam quamvis funditus omnis summa sit infinita, tarnen, parvissima quae sunt, ex infinitis constabunt partibus aeque. quod quoniam ratio reclamat vera negatque credere posse animum, victus fateare necessest esse ea quae nullis iam praedita partibus extent et minima constent natura, quae quoniam sunt, ilia quoque esse tibi solida atque aeterna fatendum. Denique si minimas in partis cuncta resolvi cogere consuesset rerum natura creatrix, iam nihil ex illis eadem reparare valeret propterea quia, quae nullis sunt partibus aucta, non possunt ea quae debet genitalis habere materies, varios conexus pondera piagas concursus motus, per quas res quaeque geruntur.

Epikur

251

fall zweier Verse annehmen müssen, die den Schluß vom wahrnehmbaren auf das atomare Minimum enthielten70. Daß Lukrez den Analogieschluß kennt, zeigt I 749-752, wo er im Zusammenhang der Polemik gegen Empedokles etwas unvermittelt auftaucht. Im übrigen ist das Reihenargument, wonach die Atomlängen sich aus Minima zusammensetzen, deutlich erkennbar, und auch die Terminologie entspricht der des Herodotbriefes (cacumen 599 ~ άκρον, sine partibus 601 ~ άμερή, minima natura 602 ~ ελάχιστον, ex ordine, agmine 71 605 f. ~ εξής, explent6o6 ~ καταμετροϋντα). Die Ausdrücke condenso V. 606 und arte V. 610 weisen auf die soliditas und simplicitas des Atomkörpers, der kein Leeres enthält und daher unzerstörbar ist, und entsprechen der zugehörigen Vorstellung des „Vollen" (mit den Termini πλήρη, μεστά: vgl. im Brief § 41 f.). Zweideutig erscheint zunächst pars primaque et una V. 604, doch wird man Giussani72 zustimmen müssen, daß hier nicht das erste Glied der folgenden Reihe gemeint ist (prima - inde aliae), sondern der „erste", d. h. nicht weiter zurückführbare, also selbst feillose Teil, was durch una noch besonders hervorgehoben wird: Dieser Gedanke ist zur Begründung der Nichtisolierbarkeit des Minimums notwendig, für die das bloße Teil-sein nicht ausreicht (quoniamst ipsum pars), und muß darum zum quoniam-Satz gezogen werden; das V. 605 folgende inde ist deswegen nicht etwa bezuglos, sondern knüpft allgemeiner an extremum cacumen V. 599 (bzw. id V. 601) an. pars prima et una gibt daher etwa μέρος πρώτον και άμερές wieder und entspricht damit den πρώτα des Herodotbriefes (§ 59 p. 15, 12 M.), womit die άμερή als Prinzipien und Elemente der Atome gemeint sind. Der zweite Gedankengang (V. 615 ff.) beweist die Existenz von 70

Vorschlag: Tum porro quoniam est extremum quodque cacumen

600 corporis illius, quod nostri cernere sensus iam nequeunt Der Ausdruck stützt die Lesart μηκών Ερ. ep. I p. 15, 12 Μ. Vgl. die ausgezeichnete Klarlegung Vol. II 81 Komm. z. St. Zu una („not itself constituted by other parts") auch B A I L E Y , Lukrez-Kommentar Vol. II 705 z. St. Zu prima W. E. L E O N A R D - S . B. S M I T H , T. Lucr. Cari De rerum natura libri sex, Madison 1942, 261 z. St. (,,i. e. the cacumen, or irreducible 'point' of the atom, is a 'primary' constituent, because the process of division can go no further"). Schon Giordano Bruno hat die Stelle so verstanden und daraus in 'De triplici minimo' (1591) seine Lehre vom Minimum als der pars prima, cuius non pars est, entwickelt, vgl. dazu L A S S W I T Z I 368 ff. („Das Minimum hat keine Teile, ist aber selbst Teil, und zwar der erste Teil aller Zusammensetzung").

MUNROS 599

71 72

252

Epikurs Lehre vom Minimum

atomaren Minima, indem er die unendliche Teilbarkeit nach Art von § 57 des Herodotbriefes ad absurdum führt. (Die beiden Beweisgänge begegnen hier also in umgekehrter Reihenfolge.) Dabei wird im Unterschied zum Brief die Dichotomie deutlich erkennbar (V. 617 f.)73. Doch auch das Argument ist ein anderes: Während dort mit dem άπειρον μέγεθος bei der Wiederzusammensetzung des infinitesimal Geteilten und der άπειρος νόησις operiert wurde, sollen hier die kleinsten Dinge mit dem Weltall konkurrieren, weil sie unterschiedslos (aeque) aus unendlich vielen Teilen bestehen. Die ratio vera, kraft deren diese - von Anaxagoras vertretene 74 - Vorstellung verworfen wird, wird nicht näher erläutert, doch scheint dabei die Begriffsbestimmung des Alls als des Unendlichen schlechthin im Spiel zu sein. Die Schlußfolgerung, daß es Minima geben müsse, wird bezeichnenderweise für die soliditas und aeternitas der Atome ausgenutzt (ea - ilia V. 625 ff.). Hier zeigt sich von neuem, daß die Betrachtung der Minima im Zusammenhang der Atomtheorie bei Lukrez keinen Eigenwert besitzt, sondern daß diese ontologische Unteilbarkeit nach Möglichkeit in den Dienst der soteriologisch wichtigeren physikalischen gestellt wird. Während der erste Gedankengang (V. 59g ff.) sich bemüht, sie als physikalisch irrelevant hinzustellen, sucht der zweite daraus gleichsam einen ontologischen Zuwachs für die Unteilbarkeit auch der Atome abzuleiten75. Um diesen Zusammenhang zu sichern, schärft der folgende letzte Teil des Abschnittes noch einmal ein, daß die Atome nicht in ihre Minima zerfallen können (V. 628-34). Beigegeben wird eine Begründung, die sowohl im ersten Gedankengang wie im Herodotbrief (§ 59 a. E.) fehlt und nur hier zu finden ist: Teillose Wesenheiten, die einander durchweg gleichen (similes V. 605), besitzen nicht die Mannigfaltigkeit der Eigenschaften (varios conexus pondera piagas concursus motus), die zum Aufbau der Körper erforderlich sind, wobei nicht nur an die qualitative Variabilität der Atome, sondern wohl auch prinzipieller an die Bindungsfähigkeit überhaupt zu denken ist. Neben der Partie des ersten findet sich ein zweiter wichtiger Passus im zweiten Buch (478-99™, vgl. 512 ff., 522 ff.). Er stellt eine ursächliche 78

Zum πέρας-Gedanken V. 618 vgl. Ep. ep. I 59 und oben Anm. 59.

74

V S 59 Β

75

Die kritischen Punkte der Darstellung bei Lukrez beleuchtet scharf VLASTOS 143 Anm. 104, 146 Anm. 113, wobei neben den Mängeln des Analogieschlusses die gelegentliche Annäherung von Atomen und Minima die Hauptrolle spielt. Quod quoniam docui, pergam conectere rem quae ex hoc apta fidem ducat, primordia rerum

76

ι , 3 - 6 ; vgl. ROBIN bei ERNOUT-ROBIN

132.

Epikur

253

Beziehung her zwischen der Zahl der Atomgrößen und der Zahl der Atomformen und läßt damit zwischen den beiden im Herodotbrief getrennt behandelten Fragen (§§ 55-59, § 42) einen systematischen Zusammenhang erkennen. Die Atomform ist funktionell bestimmt durch die Konfigurationen der atomaren Minima. D a die Zahl der in einem A t o m enthaltenen Minima jeweils nur eine begrenzte Zahl von Anordnungen zuläßt, die Atomgröße aber nicht bis ins Unbegrenzte wachsen kann (V. 481 f., 498 f. ~ Ep. I § 56), muß die Zahl möglicher Atomformen (figurae, formae ~ σχήματα) begrenzt sein. Der Beweis für die Endlichkeit der Atomgrößen, wie ihn der Herodotbrief führt, wird hier im Grunde schon vorausgesetzt, und es werden daraus Folgerungen für die Endlichkeit auch der Formen gezogen. Dabei wird zugleich klar, daß die Zahl möglicher Konfigurationen in der Regel ein Vielfaches der zugehörigen Minima ausmacht und unverhältnismäßig rascher anwächst 77 , weshalb es im ganzen erheblich mehr Atomformen als Atomgrößen gibt - ein Verhältnis, das auch durch die Formulierungen des Herodotbriefes nahegelegt wird 78 . Das Gesamtbild der Minimalehre bei Lukrez entspricht im wesentfinita variare figurarum ratione. quod si non ita sit, rursum iam semina q u a e d a m esse infinito debebunt corporis auetu. namque in eadem una cuiusvis iam brevitate corporis inter se multum variare figurae 485 non possunt. fac enim minimis e partibus esse corpora prima tribus, vel paulo pluribus auge; nempe ubi eas partis unius corporis omnis, summa atque ima locans, transmutans dextera laevis, omnimodis expertus eris, q u a m quisque det ordo 490 formai speciem totius corporis eius, quod super est, si forte voles variare figuras, addendum partis alias erit, inde sequetur, adsimili ratione alias u t postulet ordo, si tu forte voles etiam variare figuras. 495 ergo formarum novitatem corporis augmen subsequitur. quare non est u t credere possis esse infinitis distantia semina formis, ne quaedam cogas inmani m a x i m i t a t e esse, supra quod iam docui non posse probari. A u c h abzüglich der v o n B R I E G E R , Jb. f. class. Philol., hggn. v. Fleckeisen, 21, 1875, 630 ff. aufgedeckten Fälle, wo Umstellungen keine Gestalt Veränderung bewirken, ergeben sich bei drei Minima zwei Formen, bei vier bereits sieben, bei fünf und sechs ein Vielfaches davon, vgl. B A I L E Y , Atomists 287 f. (mit Illustrationen). Die Formdifferenzen der A t o m e άπερίληπτοι (§ 42), die Abweichungen der Größe nach dagegen nur παραλλαγαί τίνες (§ 55), vgl. V L A S T O S 143 A n m . 105. 480

77

78

254

Epikurs Lehre vom Minimum

lichen der Darstellung des Herodotbriefes, doch treten - neben einzelnen Mängeln - vier Eigenheiten in Erscheinung: i. Ein weiteres Argument gegen die unendliche Teilung; 2. Die Begründung für die Unselbständigkeit der Minima; 3. Die systematische Verknüpfung von Atomgröße und Atomform; 4. Die Einführung der Minima im Zusammenhang der allgemeinen Atomlehre und ohne Bezug auf die Frage der Atomgröße (Buch I). Man wird deshalb annehmen müssen, daß Lukrez zum mindesten teilweise anderen Quellen folgt. Vermutlich kommt als Primärquelle die μεγάλη έπιτομή Epikurs79 oder gar περί φύσεως in Frage. Dann aber wäre es voreilig, die gegenüber dem Brief veränderte Position der Minimalehre (Punkt 4.) von vornherein Lukrez zuzuschreiben80. Es muß vielmehr mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß Epikur selbst die Theorie der atomaren Minima nicht nur beiläufig wie im Herodotbrief - im Zusammenhang speziell mit der Atomgröße, sondern auch, und vielleicht vorzugsweise, im allgemeineren Rahmen der Atomlehre dargestellt und diskutiert hat. Es ist m. a. W. nicht ausgeschlossen, daß Epikur sie beispielsweise in περί φύσεως prinzipieller behandelt und in größere Zusammenhänge hineingestellt hat als in der Epitome des Herodotbriefes. Zu den offenen Fragen gehört die nach der Form des atomaren Minimums, über die keine Berichte erhalten sind. Da es als dreidimensionaler Körper die „Längen" der Atome nach allen drei Dimensionen ausmessen muß, hat man ihm seit Brieger81 meist die Form des Kubus als des regelmäßigsten unter den Polyedern zugeschrieben. In der Tat scheidet die Kugel und überhaupt jede Gestalt mit gekrümmter Oberfläche aus, weil sie in den Zwischenräumen dem Leeren Raum gäbe und 79 80

81

Schol. in Ep. ep. I 39, 40, 73 = fr 24-26 Us. Vgl. die Erwägungen von G I U S S A N I I 73 ff., der den Unterschied darauf zurückführt, daß Lukrez' Vorlage die μεγάλη έπιτομή gewesen sei (vgl. jedoch H E I N Z E 260); ähnlich B A I L E Y , Lukrez-Kommentar Vol. II 701, zuletzt S T E C K E L R E 'Epikuros' Sp. 612, 645. Daß L. auf Vorlesungen von Jungepikureern wie Zenon und Phaidros fuße, nehmen an U S E N E R Praef. X X X V I ; D I E L S , Elementum, 1899, 9 f., 12; v. A R N I M R E V I I , 1907, s. v. 'Epikuros' Sp. 142 f.; P R A E C H T E R , Grundriß d. Gesch. d. Philos. I 444; A. V O G L I A N O , Mus. Helv. I I , 1954, 189; W. S C H M I D , R A C 762, ders. im Lexikon der Alten Welt, s. v. 'Lukrez' (1965), Sp. 1781. Weitere Stimmen für und wider bei K L E V E , Symb. Osl. 37, 1961, 56 Anm. B R I E G E R a. O. 631 („denken wir uns nun diese Körper als würfel - wir könnten sie ebenso gut als tetraeder, als oblonge platten, als vierkantige seulen usw. denken, aber an kuben läszt sich die sache am besten zeigen."). Vgl. B A I L E Y , Atomists 287; V L A S T O S 138 Anm. 86 und 87.

Epikur

255

damit die Solidität der Atome gefährdete. Unter den Körpern mit geradliniger Oberfläche haben aus Symmetriegründen wieder diejenigen den Vorzug, deren Oberflächen im rechten Winkel zueinander stehen, und unter ihnen diejenigen, deren Oberflächen gleichseitig sind und auch untereinander gleiche Größe besitzen - womit der Kubus als der regelmäßigste Körper mit der größten Wahrscheinlichkeit vor allen anderen in Frage kommt. Neben den atomaren Minima82 hat Epikur vier weitere Arten von Minima vertreten: a) eine kleinste Strecke des - leeren oder von Atomen besetzten - Raumes (άτομον καΐ άμερές μέγεθος)83; b) eine kleinste Zeiteinheit (λόγω θεωρητος χρόνος, tempus punctum postremum, tempus unum, temporis exigua pars) 84 ; c) ein kleinstes unbewegtes Bewegungsquantum (άμερές, πέρας κινήσεως)85; und d) eine kleinste Winkelabweichung bei der Fallbewegung der Atome (ελάχιστον, minimum intervallum, exiguum clinamen)86. Alle diese Minima beziehen sich auf die Bewegung der Atome und ihrer Minima, so daß man in der epikureischen Physik geradezu von einem Bewegungs-System der Minima sprechen kann, obgleich es sich auch hier nicht im strengen Sinne um physikalische Größen, sondern um Denkgrenzen handelt, die darin den Minima der Atomkörper entsprechen. Die einzelnen Glieder des Systems erfordern und stützen einander wechselseitig, ζ. B. sind Bewegungsschübe und -sprünge nur möglich, wenn auch Raum und Zeit in entsprechender Weise diskontinuierlich aufgebaut sind. Es besteht also eine strenge Zuordnung von 82

83

84

85 88

Sie finden sich auch in der Doxographie wenigstens angedeutet bei Aet. I 3 , 1 8 = fr 267 p. 191, 14 f. Us.; Simpl. in phys. Z i p . 925, 21 D. = fr 268 p. 192, 16 Us. fr 277, fr 278 p. 197, 21 f.; 198, 4; 16 ff. Us. (Simpl. und Themist. zu Arist. Phys. Ζ i/2); Sext. Emp. X 142 sowie die Ergänzung b. BIGNONE 256 f. (Themist. in phys. p. 184, 28 ff. Sch.). ep. I 62, vgl. 47; fr 278 p. 198, 16 f. Us. (έξ άμερών . . . καί τδν χρόνον είναι); Lukrez II 263, 456, H I 399» IV 193, 794·' Sext. Emp. Χ 142 (οί δέ πάντα sc. καί τους χρόνους εις άμερή καταλήγειν ΰπειληφότες), vgl. Χ 148 sowie Themist. in phys. p. 184, 28 ff. Sch. (b. BIGNONE a. O.); Dem. Lakon, Pap. Here. 1012 col. 31, 6 f.; 14 f.; col. 33, 12, bei V. DE FALCO, L'Epicureo Demetrio Lacone, Neapel 1923, p. 40 f. mit Komm. fr 2 7 8 p. 1 9 7 , 2 5 ; vgl. 1 9 8 , 1 6 Us. fr 281 Us. mit dem Nachtrag p. 351, 14 Us.; Lukrez II 219, 243 f., 292. Der technische Charakter besonders deutlich Cie. De fato 20, 46 (fr 281 p. 200, 35 f. Us.): aut cur declinent uno minimo, non declinent duobus aut tribus ? Es handelt sich also um eine bestimmte Elementargröße, von der alle vorkommenden Richtungsdifferenzen ganze Vielfache sind.

256

Epikurs Lehre vom Minimum

Körper-, Raum-, Zeit- und Bewegungsminima87, die in der Demographie noch hinreichend ersichtlich ist88 und die durch die Voraussetzung einer konstanten Grundgeschwindigkeit der Atome zusätzlich abgesichert wird: Die Körpereinheit legt in der Zeiteinheit eine selbst maßgleiche -

Raumeinheit

ihr

zurück, wodurch zugleich die

Bewegungseinheit definiert ist89. Die enge sachliche Zusammengehörigkeit der verschiedenen Bereiche von Minima in der einheitlichen Konzeption eines Systems diskontinuierlicher physikalischer Bewegung macht es wahrscheinlich, daß Epikur die Theorie der Minima in περί φύσεως zusammenhängend entwickelt hat und daß die jetzt zerstreut und verkürzt vorliegenden Nachrichten darüber direkt oder mittelbar von dieser Hauptschrift Epikurs abhängig sind90. Wenn die bisher erschlossenen Bruchstücke davon nichts erkennen lassen, so vermitteln doch die Epitome des Herodotbriefes und umfassender Lukrez (Minimum der Richtungsdifferenz u. a.) im Verein mit der doxographischen Überlieferung einen Begriff von jener maßgebenden Gesamtdarstellung der Theorie. Im einzelnen bedarf es - nach der Vergegenwärtigung der Theorie der Körperminima - noch einer kurzen Klarlegung des epikureischen Zeitatomismus,

weil die knappen Angaben des Herodotbriefes (§ § 46/7,

61/2) besonders dunkel und umstritten sind. Mau 91 hat in seiner A b 87 88

89 90

91

Anderer Art ist das Richtungsminimum, das eher durch die Nichtwahrnehmbarkeit der παρέγκλισις begründet ist. fr 278 Us. (Zuordnung von Raum- und Bewegungseinheiten); Themist. in phys. 184, 28 ff. Sch.; Sext. Emp. X 148 (Zuordnung von Raum- und Zeiteinheiten) ; vgl. ferner die Zusammenstellung von Raum-, Zeit- und Bewegungsminima fr 278 p. 198, 16 f. Us. und von Körper-, Raum- und Zeitminima Sext. Emp. X 142. Vgl. dazu ζ. B. B I G N O N E 229, 257. Vielleicht geht auch die zuerst durch v. A R N I M 383, 395, 396 Anm. 2 („Alle diese Lehren sind nur Reproduktionen der Theorie Epikur's") in die Nachfolge Epikurs gestellte Minimatheorie der arabischen Mutakallimun (dazu L A S S W I T Z I 134 ff.) auf den - wie immer vermittelten - Einfluß epikureischer Schulschriften, d. h. zuletzt auf περί φύσεως zurück, da Lukrez im Osten als Vermittler grundsätzlich ausscheidet. Wo die Islamkunde die Frage der Abhängigkeit inzwischen weiter diskutiert hat, neigt sie dazu, sie offen zu lassen (S. P I N E S , Beiträge zur islamischen Atomenlehre, Bln. 1936, bes. 97 ff. mit eingehendem Vergleich, „die Berührungen beider Lehren wohl kaum zufällig" 102, zur Erwägung einer spätantiken Zwischenstufe der Entwicklung 99, 102, 123 [ähnlich - ohne Berücksichtigung Epikurs - O. P R E T Z L , Die frühislamische Atomenlehre, Der Islam 19, 1931, 117 ff.], mit der weiteren Frage nach einem indirekten Einfluß auch auf die indische Atomistik 122 f., vgl. 102 ff.). (Bibliographische Hinweise verdanke ich J. VAN ESS / Tübingen). MAU

39-47.

Epikur

257

handlung diese Stellen am eingehendsten diskutiert und dabei der Reihe: wahrnehmbarer Körper - Atom - atomares Minimum die analoge Reihe: wahrnehmbare Zeit (αισθητός χρόνος) - kleinste kontinuierliche Zeit (ελάχιστος συνεχής χρόνος) - Zeitminimum (λόγω bzw. δια λόγου θεωρητ&ς χρόνος) gegenübergestellt, wobei die kleinste kontinuierliche Zeit dem Atom entsprechen soll. Es fragt sich jedoch, ob diese Einteilung nicht die epikureische Zeittheorie in ein künstliches Schema preßt, das der komplizierteren Atomtheorie entnommen ist, während der Zusammenhang mit den gleichartigen und sachlich zugehörigen Unstetigkeitstheorien des Raumes und der Bewegung gestört wird92. Auszugehen ist dabei von der doxographischen Zuordnung von Bewegung, Raum und Zeit (Simpl. in phys. Z i p . 934,26 ff. D. = fr 278 p. 198,16 ff. Us., vgl. Sext. Emp. X 142), die besagt, daß alle drei aus unteilbaren Minima (άμερή) zusammengesetzt seien. Von der Bewegung im Raumminimum, dem Bewegungsminimum, heißt es dabei, daß es selbst der Bewegung enthoben sei (fr 278 passim). In ähnlicher Weise leugnet Epikur im Herodotbrief (§ 62 p. 17,1 f. M.) von den δια λόγου θεωρητοί χρόνοι, daß ihnen eine kontinuierliche Bewegung (τό συνεχές της φοράς) zukomme. Heinze, Bailey und Mau93 haben daher richtig den λόγφ θεωρητ&ς χρόνος mit dem Zeitminimum identifiziert und davon den έλάχιστος συνεχής χρόνος als eine längere Zeitdauer abgehoben. Unabhängig davon, wie man den schwierigen ersten Teil von § 62 interpretiert, steht es fest, daß diese kleinste kontinuierliche Zeit aus mehreren, d. h. mindestens zwei, Zeitminima zusammengesetzt ist und daß sie bei bestimmten atomaren Bewegungsvorgängen eine Rolle spielt, bei denen ein einziges Zeitminimum nicht ausreicht, um ein Raumminimum zurückzulegen94. Es handelt sich dabei aber nicht um eine besondere Größenordnung, die im Bereich der Körper mit den Atomen verglichen werden könnte, sondern um eine einfache Rechengröße, wie sie in anderer Weise auch durch Zusammenfassung von Raum-, Bewegungsoder Winkelquanten gewonnen werden kann96. 92

83

94

95

MAU schließt sich an G. NECK in ihrer Heidelberger Dissertation 'Das Problem der Zeit im Epikureismus', 1964, 20, 40. Kritisch dagegen jetzt die ausführliche Behandlung bei FURLEY, bes. 124. HEINZE 265 f.; BAILEY, Epicurus 220 ff.; vgl. ders. Atomists 315, 334; MAU 42 ff., bes. 45; vgl. jetzt auch FURLEY 124. Über den durch die άντικοπή der Atome bewirkten „Zeitverlust" gut BIGNONE 230, 236 f. Auch ein Gegensatz zwischen theoretischer („mathematischer") und physikalischer Unteilbarkeit, wie ihn MAU nach der Analogie der Atomkörper

258

Epikurs Lehre vom Minimum

2. Demokrit Da die epikureische Physik weitgehend vom älteren Atomismus abhängt, erhebt sich die Frage, ob nicht auch die Minimalehre schon den früheren Atomisten gehört. Dabei ergeben sich im einzelnen verschiedene Alternativen: Die möglicherweise für die älteren Atomisten in Frage kommenden Minima waren entweder nur im Bereich der Körper, d. h. der Atome, oder wie bei Epikur auch in Raum, Zeit, Bewegung und Richtungsdifferenz gegeben; sie waren entweder allgemein theoretisch (ontologisch) oder speziell „mathematisch" unteilbar gedacht; und sie waren endlich wie bei Epikur Teile innerhalb der Atome oder fielen mit den Atomen selbst zusammen. Es ist das Verdienst von S. Luria, den Fragenkreis - nach dem wenig beachteten Versuch Atanassievitchs - in die Diskussion eingeführt und auf breiter Basis behandelt zu haben. Luria hat nicht nur das gesamte verfügbare Material herangezogen, sondern auch in scharf zugespitzten Thesen eine Maximallösung vertreten, an der die weitere Forschung kritisch anzusetzen hatte 96 . Lurias Vorstoß war allerdings methodisch und forschungsgeschichtlich von vornherein in verschiedener Weise belastet. Zum einen stand er unter dem Eindruck der umstrittenen Hypothese P. Tannerys 97 , die Zenonischen Paradoxien

98

87

annimmt, besteht darum zwischen Zeitminimum und kleinstem Zeitkontinuum nicht, weil dem letzteren nicht eigentlich der Status einer (physikalisch) unteilbaren Größe zukommt. Lurias Hauptthese hat sich nur langsam, aber dann doch überwiegend durchsetzen können, vgl. außer den Arbeiten von MAU und FURLEY : W. SCHMID, Kritik 29 ff.; Th. HEATH, Mathematics in Aristotle, Oxf. 1949, 79 f. (anders noch Th. HEATH, History I 179 ff.); Η. BROECKER, Animadversiones ad Plutarchi libellum περί ευθυμίας, Habelts Dissertationendrucke Reihe Klass. Philologie, Heft 2, Bonn 1954, I 44 ff· I W. K. C. GUTHRIE II 503 ff. - Gegenstimmen: J. E. DRABKIN, Class. Philol. 3 2 , 1 9 3 7 , 2 6 0 f.; F. E N R i q u E S - M . MAZZIOTTI, Le dottrine di Democrito, Bologna 1948, 201 ff.; P. WILPERT, Zwei aristotelische Frühschriften über die Ideenlehre, Regensburg 1949, 137 Anm. 31 (an Hand von Sext. Emp. X 248 ff., vgl. dazu unten S. 277 Anm. 175, S. 294); G. VLASTOS 124 ff.; T. G. SINNIGE, Matter and Infinity in the Presocratic Schools and Plato, Assen 1968, 150 ff. Kritisch auch W. KRANZ, Entstehung 19. P. TANNÄRY, Pour l'histoire de la science h611enique, Paris 1930 2 (1877 1 ), 257 ff., vgl. ders. La göomötrie grecque, Paris 1887, 124 f. Vgl. den Rückblick auf die Diskussion bei GUTHRIE II 83 ff., wo sich Brochard, Noel, Η. Hasse und H. Scholz, Cornford, Lee und - mit Abstand - Raven und GUTHRIE selbst (a. O. 90, 100) als Anhänger Tann6rys, Calogero, van der Waerden, W. A. Heidel, Ν. B. Booth und G. E. L. Owen als Gegner gegenüberstehen.

Demokrit

259

richteten sich gegen (pythagoreische) Mathematiker und deren widerspruchsvolle Vorstellungen eines Punktatomismus in Verbindung mit der unendlichen Teilbarkeit des Kontinuums; daraus schien zu folgen, daß die Antwort der Atomisten auf Zenons Kritik primär ein „mathematischer Atomismus" gewesen sein müsse, d. h. der Aufbau der mathematischen und aller mathematisch erfaßbaren Körper aus kleinsten unteilbaren Größen. Diese Vorstellung vom „mathematischen Atomismus", die bei Luria (was man oft übersehen hat) nicht ganz unkritisch gebraucht war98, hat von H. von Arnims Abhandlung" bis hin zu Mau und Guthrie, wo sie gelegentlich zum Selbstzweck wird100, unnötig Verwirrung gestiftet und den Kern des Problems verdunkelt, bis durch Furley eine weitgehende Klärung angebahnt wurde. Zum andern hat Luria zwar - im Unterschied zu manchen seiner Nachfolger - die Überlieferung zur akademischen Elementenphilosophie stets in ausreichendem Umfang gegenwärtig gehabt, blieb jedoch in seinem Bestreben, Demokrit als den Archegeten und πρώτος εύρετής nachzuweisen, in seiner Quellenanalyse häufig unkritisch. So werden bei ihm vor allem die aristotelischen Berichte über Akademiker, Pythagoreer und Atomisten, die von Aristoteles oft zusammen behandelt sind, in Bausch und Bogen für den Atomismus schlechthin, d. h. aber für Demokrit in Anspruch genommen. Wir haben jedoch mittlerweile genauer zu differenzieren gelernt und wissen, daß die Interpretatio Academica für Aristoteles ein wesentliches Instrument zur Bewältigung und Ordnung des philosophiegeschichtlichen Materials gewesen ist, das sich ζ. B. in den Rückblicken zur Prinzipienlehre deutlich bemerkbar macht101. Ferner ist zu beachten, daß der zeitgenössischen Akademie

98 99

Hinzuzufügen sind zu den letzteren etwa H. FRANKEL, AJPh 63, 1942 = Wege und Formen frühgr. Denkens, I9602, 234 Anm. 1; G. VLASTOS, Gnomon 2 5. I953» 3 1 ff·: Philos. Review 68, 1959, 532 ff.; W. BURKERT, Weisheit und Wissenschaft, Nürnberg 1962, 5, 37 ff., 264 ff., der der Hypothese quellenkritisch den Boden entzieht; M. UNTERSTEINER, Zenone, 1963, 197 ff.; J. A. PHILIP, Phoenix 20, 1966, 49 f. und FURLEY 44 ff., 75 f.; zu den ersteren Luria und MAU 1 5 ff. Vgl. LURIA 182 (im Nachtrag s. ν. κενόν). ν. ARNIM 3 8 3 , 384, 3 8 7 .

100 GUTHRIE II 507, wo die ontologische Unteilbarkeit des Atoms erkannt, aber darüber hinaus noch eine „mathematische" postuliert wird. 101 Metaph. Γ 2, 1004 b 31 ff., Phys. A 4, 187 a 12 ff., A 5, 189 a 4 ff.., vgl. 188 a 26 ff., A 6, 189 b 8 ff., Metaph. A 9, 992 b 4 ff., De caelo Γ 5, 303 b 13 ff., und im einzelnen Metaph. A 8, 989 b 16 ff. (Anaxagoras), vgl. De Philos. fr 6 W. u. R. Vgl. H. CHERNISS, Criticism 83 ff. und für die akademische Interpretation der Vorsokratik durch Aristoteles im allgemeinen von dems. Aristotle's Criti-

260

Epikurs Lehre vom Minimum

die Hauptstoßrichtung der aristotelischen Polemik gilt und daß von da her auch die der Vorsokratik gewidmete Auseinandersetzung im einzelnen gefärbt ist. Unter diesen Gesichtspunkten ist es nötig, das seit Luria vorgelegte Material noch einmal im einzelnen zu überprüfen. Auszugehen ist dabei von denjenigen Berichten, die den älteren Atomismus ausdrücklich an den Eleatismus anknüpfen lassen. Aristoteles stellt De gen. et corr. A 8, 3 2 5 a 23 ff. = V S 67 A 7 fest, Leukipp habe das δν und das μή 8v der Eleaten in der Gestalt der Atome und des Leeren derart miteinander verknüpft, daß die Vielheit des Seienden (το πλήθος των δντων 25, άλλ' είναι το τοιούτον sc. τδ δν ούχ έν, άλλ' άπειρα τ£> πλήθος 29 f.). die Bewegung sowie Werden und Vergehen bewahrt geblieben seien. Die Atome treten hier sichtbar die Nachfolge des eleatischen εν δν an. Deutlicher noch ist die Stelle der .Physik' (A 3, 1 8 7 a ι ff.), wonach „manche auf beide Sätze (der Eleaten) eingingen, den daß alles eines ist, wenn das Seiende eins bedeutet, indem sie annahmen, daß das Nichtseiende ist, und den auf der Dichotomie beruhenden Satz, indem sie unteilbare Größen ansetzten." 102 Die antiken Kommentatoren beziehen dies auf Xenokrates (fr 44/5 Heinze), die modernen überwiegend auf die Atomisten. In Wahrheit sind sowohl Akademiker wie Atomisten gemeint, die ersteren aber vorzugsweise, wie zahlreiche Parallelen bei Aristoteles nahelegen 103 . Soweit es sich um die Atomisten handelt, stimmt der erste Teil der Aussage mit derjenigen von De gen. et corr. A 8 überein, der zweite fügt hinzu, daß die Atomisten den gegen die Vielheit gerichteten Paradoxien Zenons dadurch entgingen, daß sie keine unendliche Teilung zuließen, sondern kleinste unteilbare Größen annahmen, womit offenbar die Atome gecism of Presocratic Philosophy, 1935, I9Ö42, ζ· Β. Χ, 6 f., 10 Anm. 42; 44> 1 0 0 Anm. 418; 346. 353. 392. Bekannt ist auch die Tatsache, daß Aristoteles sich an der in der Akademie gepflegten Rückprojektion akademischer Lehren auf „Pythagoras und die Pythagoreer" beteiligt hat, vgl. ζ. B. 'Protreptikos' fr 11 W. u. R. = Β I8, Β 20 DÜRING, περί τάγαθοϋ fr 2 Ross = Alex, in metaph. 55, 20 H., Metaph. A 6, 987 a 29 ff.; vgl. dazu W. JAEGER, Aristoteles, 1955 2 , 99 f. 102 ένιοι δ' ένέδοσαν τοις λόγοις άμφοτέροις, τφ μέν δτι πάντα £ν, εί τό δν £ν σημαίνει, δτι ϊστι τί> μή ον, τω δέ έκ της διχοτομίας, άτομα ποιήσαντες μεγέθη. 103 Metaph. Β 4, ιοοι a 29 ff., bes. b 19 ff., Κ 2, io6o b 6 ff., Ν 2, 1089 a 2 ff., 15 f., 19 ff., vgl. Speusipp ap. Procl. in Plat. Parm. interpr. G. de Moerbeka p. 40, Ι ff. KLIBANSKY-LABOWSKY (Corpus Platonicum Medii Aevi, Plato Latinus III, London 1953); Ps. Arist. De lin. insec. 968 a 18 ff. = Xenokrates fr 42 p. 174, 18 ff. HEINZE. Auf die Akademiker beziehen das Argument richtig HEINZE, Xenokrates 62; L. ROBIN, La thdorie platonicienne des idöes et des nombres d'aprfes Aristote, 1908, Nachdruck 1963, Note 272 IV, p. 300 ff.; Ross, Arist. Metaph. I 206 (anders Arist. Phys. 480 f.).

Demokrit

261

meint sind. Da diese an beiden Stellen die Nachfolge des eleatischen Seienden antreten (£v 6v - πολλά οντά), steht zu erwarten, daß auf sie nach Möglichkeit auch dessen Qualitäten übertragen sind. Für die Frage indessen, ob ihnen - oder ihren Teilen - neben der physikalischen auch eine theoretische (ontologische) Unteilbarkeit zukommt, geben weder diese beiden Stellen der physikaüschen Pragmatie noch die Doxographie der Ersten Philosophie (Met. A 4, 985 b 4 ff. = VS 67 A 6) einen Anhalt. Einen solchen glaubte man dagegen seit Luria immer wieder in De gen. et corr. A 2 zu finden, wo sich Aristoteles mit der Begründung des Atomismus durch Leukipp und Demokrit eingehend auseinandersetzt. Aristoteles untersucht die Frage, ob Werden und Vergehen σύγκρισις und διάκρισις von αδιαίρετα μεγέθη sein können und gibt dabei der mehr physikalischen Lösung von Leukipp und Demokrit vor der logischdialektischen Methode der Akademiker (Piaton im „Timaios", Xenokrates) den Vorzug (315 b 30 ff., 316 a 5 ff.). Um sie des näheren zu widerlegen, vollzieht er zunächst die Argumentation der Atomisten nach und stellt dar, daß bei unbegrenzter Teilung ausgedehnter Körper entweder nur ausdehnungslose mathematische Punkte (στιγμαί, άμεγέθη) oder gar nichts (ούδέν παντάπασιν104) übrigbleibt, so daß das All eigentlich aus Nichts aufgebaut und in seiner Ausgedehntheit nur scheinbar wäre. Um dem zu entgehen, folgern die Atomisten (wie später Epikur im Herodotbrief), es könne keine Teilung ins Unendliche, sondern es müsse unteilbare Körper und Größen geben (316 b 14-16: άνάγκη είναι, σώματα άδιαίρετα και μεγέθη). Aristoteles weist die Atomtheorie hier kurz zurück, indem er an eine an anderer Stelle (De caelo III, ebenso der Verweis 315 b 31 für die Akademiker) gegebene Widerlegung erinnert (316 b 16-18), geht aber dann auf die Argumentation der Atomisten selbst ein (316 b 18 ff.) und erweist sie durch die Einführung der Unterscheidung von potentieller und aktueller Teilbarkeit als nicht stichhaltig: Was der Möglichkeit nach kontinuierlich teilbar ist, braucht nicht aktuell geteilt zu sein (b2i). Darauf kommen noch einmal die Atomisten mit einem Gegeneinwand zu Wort (b 21-34) 105 : 104

Z u m Unterschied FURLEY 85: P u n k t e sind - a u c h w e n n ohne A u s d e h n u n g doch wenigstens etwas, sind Dinge u n d nicht e t w a Nichtse.

-

105

D e r A u f b a u des K a p i t e l s wird dadurch e t w a s unübersichtlich. M i t Η . H . JOACHIM, Aristotle on c o m i n g - t o - b e and p a s s i n g - a w a y , O x f . 1922, N a c h d r u c k 1970, 83 ist 3 1 6 b 2 3 - 2 5 möglicherweise als Marginalnotiz zu betrachten. V g l . W . J. VERDENIUS - J. H . WASZINK, Aristotle on c o m i n g - t o - b e and passinga w a y , 1968®, 1 2 - 1 4 ( m i t zu w e i t gehenden Folgerungen) u n d die ausführliche

Epikurs Lehre vom Minimum

262

Bei allem der Möglichkeit nach Teilbaren besteht die Gefahr, daß die Teilung wirklich wird und es ins körperlose Nichts (ούδέν, άσώματον, στιγμαί) zerfällt. Die Teilung kann also nicht unendlich fortgeschritten sein106, sondern muß bei άτομα μεγέθη haltmachen. Hier greift Aristoteles zum zweiten Male ein und widerlegt das atomistische Argument endgültig (317 a 1-17), indem er seinen Begriff der potentiellen Teilung genauer definiert: Er besagt, daß eine Teilung an jedem einzelnen Punkt möglich ist, aber nicht an allen Punkten zugleich, am wenigsten an zwei benachbarten, denn es gibt keine Punktreihe (εφεξής γαρ ουκ είσίν, ουκ έστι στιγμή στιγμής έχομένη 317 a 3> 9> ΙΧ> Ι 5)· Aristoteles greift hier auf seine Untersuchungen zum Kontinuum in Phys. Ζ 1, Ε 3 und Δ 10-13 zurück 107 und wertet sie speziell gegen die atomistische Vorstellung von einer unbegrenzten Teilung aus. Im Hinblick auf die im Referat entwickelte Punktreihe fand Luria, daß hier „die Notwendigkeit der atomistischen Auffassung . . durch einen Hinweis auf rein mathematische Raum-Aporien begründet wird" 108 ; Zenons mathematisch gemeinte Aporien (im Sinne Tann&ys) hätten die Atomisten notwendig zu einem mathematischen Atomismus geführt. Indessen hat schon Mau in Zweifel gezogen, daß es sich hier um ein Referat im strengen Sinne handelt, und gesehen, daß „die Beweise pro gewissermaßen bereits der Widerlegung dienen" 109 ; und auch Furley muß zugeben, daß ,,the distinction between 'nothings' and points may be Aristotle's work" 110 - eine Vermutung, die durch die Verwendung des Potenzbegriffs im Referat (316 b 12) bestätigt wird111. Mau sucht statt dessen mit der Analogie der platonischen Elementardreiecke (315 b 29 f.) die „mathematische" Unteilbarkeit auch der atomistischen σώματα zu beweisen112, ein offensichtlicher Fehlschluß,

106

Analyse des ganzen Kapitels bei SCHRAMM, Bewegungslehre 245-264. - Der mehrfache Wechsel zwischen Argumenten pro und contra trägt sichtbar dialektischen Charakter (dazu gehört die Aufdeckung des λόγος λανθάνων παραλογιζόμενος 3 1 7 a ι f. mit dem Terminus λύειν 3 1 6 b 18 u. a.). Das dichotomische Verfahren deutlich 3 1 6 b 28-30.

107

E i n z e l v e r g l e i c h e bei Η . H . JOACHIM a. O . 8 0 ff.

108

LURIA

109

MAU 27. Vgl. auch SCHRAMM, Bewegungslehre 245 f.

129.

110

FURLEY 85.

111

MAU

112

25. MAU 23. Daß σώμα και μέγεθος Hendiadyoin ist, erkennt selbst LURIA an (130 Anm. 62). Die Ausdehnung gehört den Körpern wie selbstverständlich zu, wird aber herausgehoben, da sie in drei verschiedenen Dimensionen vorkommt (und zugleich als Oberbegriff die Verbindung zu den platonischen Dreiecken herstellt).

263

Demokrit

denn die Dreiecke sind hier als physikalische Größen behandelt; auch hätte Aristoteles dann wohl eher von στερεά statt von σώματα gesprochen (der Ausdruck kommt 316 a 3 vor). Daß Aristoteles hier „gleichermaßen" von Körpern und mathematischen Größen handle113, kann Mau durch keine Textstelle belegen, während Furley sich vorsichtig auf eine ,,a priori Wahrscheinlichkeit" für die theoretische (nicht speziell mathematische!) Unteilbarkeit zurückzieht114, die in der Folge nicht durch De gen. et corr. A 2, sondern durch Stellen aus De caelo und der , Physik' verifiziert wird115. Tatsächlich hatte Aristoteles in einer physikalischen Schrift und bei der Behandlung eines φυσικές λόγος (316 a 13, vgl. 6, 11), der speziell das Werden und Vergehen erklären soll (315 b 6 ff., 317 a 17 ff.), keinerlei Anlaß, auf die Frage einer theoretischen sei es ontologisch, sei es „mathematisch" begründeten - Unteilbarkeit der Atome einzugehen. Was in diesem Kapitel über die Atomisten berichtet wird, ist nichts anderes als eine weitere Ausführung des im vorigen aus Phys. A 3 angeführten Satzes, die Atomisten hätten, um den Konsequenzen der (Zenonischen) Dichotomie zu entgehen, άτομα μεγέθη angenommen. Eingehender ist die Auseinandersetzung mit den Atomisten in De caelo III, und Luria und Furley 118 haben hier eindeutige Zeugnisse für die theoretisch-mathematische Unteilbarkeit der Atome zu finden geglaubt. Allerdings wirft Aristoteles hier den Atomisten wiederholt vor, sie setzten sich durch die Annahme von άτομα σώματα zu den „mathematischen Wissenschaften" in Widerspruch. Ehe man daraus jedoch gesicherte Schlüsse ziehen kann, bedarf es einer Vergegenwärtigung des gesamten polemischen Zusammenhangs, in dem diese Stellen in De caelo stehen und von dem sie nicht isoliert werden dürfen. Auszugehen ist von der einleitenden Kritik an den Akademikern im ersten Kapitel, wo die Atomlinien als Elemente der φυσικά σώματα durch die Erwägung bekämpft werden, daß das, was für die mathematischen Wesenheiten (τα μαθηματικά) unmöglich sei (αδύνατα) - die Unteilbarkeit - , erst recht nicht für die physikalischen (τα φυσικά) in Frage komme, aber nicht umgekehrt (299 a 11 ff.). Die letzteren besitzen also einen höheren Freiheitsgrad, der durch den Aufbau aus Atomlinien in vervielfältigtem Ausmaß getroffen wird. Es ist dies eine Argumenta113

M A U 23 f.

114

FURLEY 86: „There is an a priori likelihood, then, that Leucippus and Democritus were more than physical atomists."

115

FURLEY 83-94 im Zusammenhang.

18 Krftmer, Platoniemus

114

L U R I A 1 2 6 f., F U R L E Y 87 ff.

264

Epikurs Lehre vom Minimum

tion, die mit akademischen Prämissen immanent operiert, denn sie bezieht sich auf den derivativen Zusammenhang zwischen den Seinsstufen - speziell zwischen den μαθηματικά und der dreidimensionalen Körperwelt der für das akademische System charakteristisch ist und zu dem die Verhältnisse des πρότερον und ύστερον, des συναναφεΐν und μή συναναιρεΐσθαι sowie von άφαίρεσις und πρόσθεσις gehören (hier in aristotelischer Terminologie: έξ άφαιρέσεως - έκ προσθέσεως 299 a 16 f.). Der gleiche Gedanke begegnet im siebten Kapitel etwas ausführlicher (306 a 26 ff.): Die Vertreter der άτομα σώματα müssen mit den άκριβέσταται έπιστημαι in Konflikt geraten: at μέν γαρ κάί το νοητόν λαμβάνουσι διαιρετών, αί μαθηματικαί, οί δέ ονδέ το αίσθητόν άπαν συγχωροϋσι δια τό βούλεσθαι σώζειν τήν ύπόθεσιν. Auch hier ist wieder der derivative Zusammenhang der Seinsstufen zugrunde gelegt, und es wird offenbar gefolgert, wer „nicht einmal" die Teilung im Wahrnehmbaren zulasse, der müsse sie wohl erst recht im intelligiblen Bereich des Mathematischen suspendieren (dem an sich ein geringerer Freiheitsgrad zukommt) und damit den Grundsatz der mathematischen Kontinuität verletzen. Hier wird also keineswegs behauptet, die physikalischen Körper seien „mathematisch" unteilbar, sondern es wird a fortiori ein Analogieschluß auf den andersartigen und selbständigen mathematischen Seinsbereich vollzogen, der innerhalb akademischer Prämissen durchaus legitim ist. Tatsächlich zeigt die folgende Begründung nicht nur, daß es sich hier primär um Akademiker handelt 117 , sondern auch, daß die physikalischen Grundkörper nur deshalb konstant gehalten werden, um die Identität der Elemente zu gewährleisten - ein rein physikalisches Motiv, das mit theoretischer Teillosigkeit zunächst nichts zu tun hat. Sofern hier die Atomisten mitgemeint sind - die Unterscheidung von „Pyramide" und „Kugel" für das Feuer deutet darauf hin (306 a 32 f.) - , werden sie künstlich unter ein Argumentationsschema subsumiert, das mit dem Ableitungszusammenhang von νοητόν und αίσθητόν dem originären Atomismus inadäquat ist 118 . Man wird deshalb auch jener 306 a 30 f.: άνάγκη γαρ δσοι σχήμα ποιοϋσιν εκάστου των στοιχείων . . . άδιαίρετα ποιεΐν αύτά. Es sind, wie das Beispiel der πυραμίς zeigt, die am 'Timaios' orientierten akademischen Elementarkörper gemeint, während die Atomisten nach c. 4, 303 a 14 als einzigem Element dem Feuer eine bestimmte Figur - die Kugel - zugeteilt hatten (ποίον δέ καΐ τί εκάστου τό σχήμα των στοιχείων, ούθέν έπιδιώρισαν, άλλα μόνον τω πυρί τήν σφαϊραν άπέδωκαν). Daß primär Xenokrates der Gegner ist, ergibt sich aus dem Vergleich von 306 a 34 f. mit De lin. insec. 968 a 15 ff. und Xenokrates fr 50-53 H. u s Vgl. die Behandlung der Stelle bei C h e r n i s s , Criticism 153 f., der annimmt, 117

Demokrit

265

Stelle Im vierten Kapitel nicht unkritisch gegenübertreten, wo Leukipp und Demokrit ausdrücklich - mit fast gleichlautenden Worten - der Verstoß gegen die mathematischen Wissenschaften zum Vorwurf gemacht wird (303 a 20 ff.: . . άνάγκη μάχεσθαι ταϊς μαθηματικαΐς έπιστήμαις άτομα σώματα λέγοντας . .). Reicht diese knappe Bemerkung schon zu, um die „mathematische" Unteilbarkeit der Atome zu sichern? Gewiß nicht, wenn man die Parallelstellen im Auge behält, denn dann ist es mehr als wahrscheinlich, daß auch hier vermöge der Interpretatio Academica ein unerlaubter Rückschluß vom physikalischen auf den mathematischen Bereich gezogen wird („nicht einmal hier" - „noch weniger dort"). Dies trifft um so mehr zu, als es gerade in diesem Kapitel auch sonst nicht an Beispielen einer solchen Interpretation fehlt, die den Atomismus in seinen Konsequenzen an die Lehre der Akademie anzunähern sucht. Dazu gehört der angebliche Aufbau des Seienden aus „Zahlen" 1 1 9 und die damit zusammenhängende Ableitung der Elemente nach dem Differenzierungsprinzip von μέγεθος und μικρότης (303 a 15) 120 sowie die postulierte Zurückführung aller Figuren auf Pyramiden (303 a 31 ff.), die bereits Furley 1 2 1 - entgegen der unkritischen Auswertung bei Luria 122 - als eine bloße Schlußfolgerung des Aristoteles erkannt hat. Wenig anders steht es mit dem Vergleich, den Aristoteles A 5, 271 b 9 - 1 3 zwischen der Einführung des άπειρον σώμα in die Physik und der Einführung des ελάχιστον μέγεθος in die Mathematik (Geometrie) zieht. Beide Male würden im Endeffekt die größten Veränderungen daß streng genommen weder Piaton (Elementarflächen) noch die Atomisten, sondern nur Xenokrates getroffen sein könne. W i e rücksichtslos Aristoteles die Analogie zwischen Physikalischem und Mathematischem polemisch ausnützt, zeigt Γ 8, 3 0 7 a 1 9 ff., w o aus der Theorie, daß eckige Körper Hitze erzeugen, geschlossen wird, daß dann auch stereometrische Gebilde diese W i r k u n g hervorrufen müßten (daß auch hier Xenokrates gemeint ist, erkennt schon ZELLER, P h . d. Gr. I I i e , 1 0 1 8 f. A n m . 1 auf Grund der Schlußworte: άλλως τε καί εί έστιν δίτομα μεγέθη, καθάπερ φασίν). L . ELDERS bezieht im K o m m e n t a r ζ. St. lediglich die E r w ä h n u n g der Kugelform auf die Atomisten (Aristotle's Cosmology, a c o m m e n t a r y on the D e caelo, Assen 1966, 320). us 2 0 3 a 8 ff.: τρόπον γάρ τινα καί οδτοι πάντα τά δντα ποιοϋσιν αριθμούς καί έξ άριθμών καί γάρ εΐ μή σαφώς δηλοϋσιν, δμως τοϋτο βούλονται λέγειν (!). 120 Y g i oben S. 2 5 9 A n m . 1 0 1 und bes. D e caelo Γ 5, 3 0 3 b 1 3 ff. D a s dort gleichgeordnete P a a r πυκνότης - μανότης f ü h r t CHERNISS, Criticism 1 4 4 auf X e n o k r a t e s (vgl. f r 5 6 H.) zurück, Weiteres dort 1 5 7 f. 121 F U R L E Y 98, mit dem Hinweis auf den Standardcharakter des P y r a m i d e n beispiels, das in der T a t a m 'Timaios' orientiertes akademisches Schulexempel ist. 122

LURIA

175.

266

Epikurs Lehre v o m Minimum

hervorgerufen. Auf wen zielt dieser Vergleich und die darin enthaltene witzige Antithese (ούτος γαρ τουλάχιστον είσαγαγών τά μέγιστα κινεί των μαθηματικών) ? Die an sich nicht naheliegende Parallele muß um ihrer Aktualität und ihres Effektes bei den Hörern willen herangezogen worden sein, d. h. aber, es muß sich um eine unter den Zeitgenossen vieldiskutierte Streitfrage gehandelt haben. Es ist deshalb sonderbar, daß Luria und seine Nachfolger nicht auf eine Parallelstelle in der „Metaphysik" aufmerksam geworden sind, wo es von Xenokrates und seiner Theorie geometrisch-stereometrischer Größen heißt: . . έάν . . τις βούληται κινεϊν τά μαθηματικά και ποιεΐν ιδίας τινάς δόξας . . ού χαλεπόν . . μακροποιεΐν και συνείρειν (Ν 3, logo b 28 ff.) 123 . Auch dort sind άτομα μεγέθη gemeint, und zwar in allen drei Dimensionen (b 21 ff.: μήκη επίπεδα - στερεά), wie sie auch im Eingang der peripatetischen Streitschrift περί άτόμων γραμμών mit deutlicher Anlehnung an Xenokrates referiert sind (δλως έν άπασι τοις ποσοΐς g68 a I f., 13: δλως έπίπεδον . . και σώμα). Die Schärfe der Polemik in Metaph. Ν und die Ironie De caelo A 5 passen gut zusammen. Da Xenokrates auch im dritten Buch von De caelo wiederholt als Hauptgegner erscheint, wird man dem zögernden Versuch des Simplikios, die Vertreter jener Lehre zu identifizieren (Δημόκριτος ή όστις άν οΰτως ύπόθοιτο: In De caelo 202, 27 f. Heiberg), keinen allzu großen Wert beimessen 124 . Geben die Stellen in De caelo für eine theoretische oder gar mathematische Unteilbarkeit der Atome keinen verläßlichen Anhalt, so bleibt bei Aristoteles doch noch ein gewichtiges Zeugnis übrig. Wie Aristoteles für die Widerlegung des Atomismus in der Schrift über Werden und Vergehen A 2 auf De caelo I I I verweist, so verweist er dort weiter auf die .Physik' 1 2 6 . Gemeint sein kann dabei - neben der Kritik am Begriff 123 Yg] D e caelo Γ ι , 299 a 5 f.: καίτοι δίκαιον ή μή κινεϊν ή πιστοτέροις αύτά sc. τά μαθήματα λόγοις κινεϊν των υποθέσεων mit Bezug auf die αδιαίρετα μεγέθη der Akademiker. Daß die Anspielung des Aristoteles auf die Akademie zielt, wird v o n einer anderen Seite her bestätigt: PI. K r a t . 436 D : Es komme überall auf den Anfang an, von dem alles übrige abhänge, ώσπερ των διαγραμμάτων . . . τοϋ πρώτου ομικροϋ καΐ άδήλου ψεύδους γενομένου, τά λοιπά πάμπολλα ήδη δντα όμολογεΐν άλλήλοις . . . mit dem folgenden Kontext. Vgl. ferner die Parallele Soph. El. 34, 183 b 22 ff. 1 2 4 Simplikios scheint hier entweder von den Stellen des dritten Buches ausgegangen zu sein, die er fälschlich auf eine mathematische Unteilbarkeit der A t o m e deutete (die Paraphrase des Aristoteles-Textes p. 665, 6 ff.; vgl. 649, 1 ff. HEIB E R G könnte darauf schließen lassen), oder er hat die ontologische Unteilbarkeit der A t o m e zu Unrecht auch mathematisch ausgelegt. - Abenteuerlich ist die Kommentierung der Stelle bei L. E L D E R S a. Ο. I 0 2 , vgl. 3 0 2 . 1 2 5 De caelo Γ 4, 303 a 20 ff.: . . . άνάγκη . . . άτομα σώματα λέγοντας . . . πολλά των

Demokrit

267

des κενόν (Δ 6-8) - nur die Diskussion der Probleme des Kontinuums und der Diskontinuität, wie sie vorzugsweise Phys. Ζ c. 1 - 4 und c. 10 durchgeführt wird 128 . Dort widerlegt Aristoteles die Vorstellung von der Diskontinuität der Ausdehnung (μέγεθος), der Zeit und der Bewegung, indem er vor allem zeigt, daß ihre unteilbaren Elemente - Punkte (στιγμαί), Momente (vüv) und Bewegungsschübe (κινήματα) - keine additiv fortschreitende Reihe bilden können. Im vierten und zehnten Kapitel wird auch das Bewegte einbezogen und dargelegt, daß es sich als Unteilbares (άμερές) nur dann bewegen kann, wenn auch Raum und Zeit diskontinuierlich sind, was jedoch wieder auf eine Reihe führen würde. Inwiefern sind die άτομα σώματα der Atomisten von dieser Argumentation betroffen? Offensichtlich insofern, als sie zu jenen άμερή gehören, die sich nach Ζ ί ο in Raum und Zeit nur diskontinuierlich bewegen könnten. Diese Art von Unteilbarkeit ist in der Tat eine theoretische, denn nichts hindert, daß ein physikalisch unteilbarer Körper sich in einem Kontinuum von Raum und Zeit kontinuierlich bewegt. Wenn also der Verweis in De caelo III 4 zu Recht besteht und nicht etwa eine gegen die Akademie gerichtete Argumentation nachträglich irregulär auch auf die Atomisten anwendet, dann wird man mit einiger Wahrscheinlichkeit die Grundkörper der (in Ζ nicht ausdrücklich genannten) Atomisten auch als theoretisch - was nicht schon heißt: „mathematisch" - unteilbar betrachten können. Das singulare - und auf Grund des Verweises nur erschließbare - Hervortreten des Sachverhaltes in Phys. Ζ ist vielleicht dadurch zu erklären, daß er bei Aristoteles allein für das Problem des Kontinuums relevant geworden ist. Andererseits hegt es nahe, daß die Forderung, auch Raum und Zeit müßten diskontinuierlich sein, wenn sich das (theoretisch) Unteilbare solle bewegen können, nur sinnvoll ist, wenn ein solches BewegungsSystem diskontinuierlicher Größen von den hier gemeinten Gegnern noch nicht entwickelt war. Ferner ist es zunächst zweifelhaft, inwieweit auch die Diskussion der Reihung von αδιαίρετα in Ζ ι gegen die Atomisten gerichtet ist. Ζ ί ο verwendet das in Ζ 1 eingeführte Modell von Punkt und Linie für den Raum; zum mindesten können sich deshalb die - bezeichnenderweise mit Zeiteinheiten parallelisierten (231 b 7) Punkte in Ζ 1 nicht nur auf Körper, ζ. B. auf Atome oder ihre Teile

12β

ένδόξων καΐ των φαινομένων κατά τήν αΐσθησιν άναιρεΐν, περί ων εϊρηται πρότερον έν τοις περί χρόνου καΐ κινήσεως.

Vgl. Luria 162 Anm. 138, F u r l e y 89 f.

268

Epikurs Lehre vom Minimum

beziehen. Auch scheint das Verhältnis von Punkt und Linie nur paradigmatische Bedeutung für die übrigen Dimensionen von Ausdehnung zu besitzen (ό S' αύτδς λόγος και. επί πάντων των άδιαιρέτων 231 a 31 ί·)> die es - in der ersten Dimension verbleibend - als einfachste Grundform vertritt. Wer gar wie Luria der Auffassung ist, daß der Atomismus nach De gen. et corr. A 2 aus der Bekämpfung der Punktreihe erwachsen ist, wird schwerlich behaupten können, die Punktreihe in Z i sei atomistisch 127 . Bietet demnach in den aristotelischen Schriften allein 'Physik' Ζ ίο einen positiven Beleg dafür an, daß die Grundkörper der Atomisten nicht nur physikalisch, sondern auch theoretisch unteilbar gedacht waren, so führen die Berichte späterer Doxographen noch etwas weiter. An erster Stelle steht hier der Bericht des Simplikios, den er seinem Kommentar zu Phys. Ζ ι vorausschickt und der die aus Ζ 10 erschließbare Atomlehre ausdrücklich macht (in phys. 9 2 5 , 1 3 ff. D. = Leukipp VS 67 A 1 3 = Epikur fr 268 Us.): . . Λεύκιππος μέν και Δημόκριτος οΰ μόνον την άπάθειαν αίτίαν τοις πρώτοις σώμασι τοϋ μή διαιρεΐσθαι νομίζουσιν, άλλα καϊ τί> σμικρόν καϊ άμερές, Επίκουρος δέ ύστερον άμερή μέν οΰχ ηγείται, άτομα δέ αύτά διά την άπάθειαν είναί φησι. Simplikios vermutet im folgenden noch (ίσως Zeile 18), die aristotelische Kritik habe Epikur veranlaßt, die Teillosigkeit der Atome fallenzulassen (τό δέ άμερές αυτών παρείλετο Zeile 21), ohne freilich darauf hinzuweisen, daß Epikur lediglich die Teilbarkeitsgrenze unter das Atom herabgerückt und damit der Kritik des Aristoteles nur unvollkommen Genüge geleistet hat. Immerhin ist hier ausgesprochen, daß die Grundkörper des älteren Atomismus nicht nur durch physische Unversehrbarkeit und Impassibilität (άπάθεια), sondern auch durch theoretische Unteilbarkeit (τό άμερές) ausgezeichnet waren. Leider wird diese Aussage dadurch erheblich in ihrer Tragfähigkeit eingeschränkt, daß sie zur übrigen doxographischen Überlieferung in einem dreifachen Widerspruch steht: a) Simplikios selbst schreibt an anderer Stelle den Atomen Demokrits Teile zu128) ; b) Das gleiche behauptet noch bestimmter Alexander Aphr. in seinem Kommentar zu Metaph. A 4, wenn er die Atome aus άμερη zusammen127

128

Eine ausführlichere Interpretation und Einordnung von Ζ ι wird im folgenden S. 289 ff. vorgelegt. In phys. 81, 34 ff. D.: τό άδιαίρετον πολλαχώς . . . ή τί> μηδέ ολως πεφυκός διαιρεΐσθαι τω μή ίχειν μέρη εις & διαιρεθη, ώσπερ στιγμή και μονάς, ή τω μόρια μέν εχειν καϊ μέγεθος, άπαθές δέ είναι διά στερρότητα καϊ ναστότητα, καθάπερ έκάστη των Δημοκρίτου άτόμων.

Demokrit

269

gesetzt sein läßt 129 , c) Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Atome untereinander nach Form und Größe (μέγεθος) unbegrenzt differieren130, was durch die Polemik Epikurs, die sich bekanntlich auch gegen sichtbare Atome wendet, bekräftigt wird131. Damit ist nicht nur des Simplikios generelle Behauptung von der „Kleinheit" der Atome (τδ σμικρόν), sondern auch von ihrer Unteilbarkeit (τί> άμερές) empfindlich belastet, denn die größeren Atome können beim Vergleich mit den kleineren schlecht unteilbar erscheinen. Luria hat sich angesichts dieser Widersprüche gegen Aristoteles und Simplikios entschieden und statt dessen mit Alexander für Demokrit Minima nach der Art Epikurs angenommen132. Mau hat demgegenüber - ohne auf Alexander einzugehen - der Sache nach an Simplikios' Hauptreferat festgehalten, während Guthrie und Furley Alexanders Zeugnis ausdrücklich verwerfen, Guthrie133 mit der Begründung, die Angabe über die Gewichtslosigkeit der Atome sei nachweisbar unrichtig und aus einer Verwechslung mit der Kritik an den Akademikern in De caelo III ι hervorgegangen (Alexander verweist tatsächlich auf dieses Buch)134, Furley 136 mit der weitergehenden Erklärung, es liege epikureischer Einfluß vor. Sie hätten sich dabei darauf berufen können, daß Alexanders Bericht auch von Diels-Kranz nicht aufgenommen worden 129

130

131 132

In metaph. 36, 26 ff. Η . : οΰδέ γάρ τδ πόθεν ή βαρύτης έν ταΐς άτόμοις λέγουσι" τά γαρ άμερή τά έπινοούμενα ταΐς άτόμοις και μέρη δντα αυτών άβαρή φασιν είναι" έκ δέ άβαρών συγκειμένων πώς αν βάρος γένηται; V S 67 Α 14 ρ. 75. 2 5 : διαφερούσας σχήμασί τε και μεγέθεσι, 67 Α 24 ρ. 77. 9 '· ποικιλίαν έχοντα καΐ σχημάτων καΐ μεγεθών, 68 Α 47 ( = D· L· I X 44) Ρ· ^4. 1 2 ί · : τάς άτόμους δέ άπειρους είναι κατά μέγεθος καΐ πλήθος, 68 Α 37 Ρ· 93. ί· = Simpl. in D e caelo 295, 7 f. Η . = Arist. D e D e m . fr 1 p. 144, 16 ff. R o s s : ύπάρχειν δέ αύταϊς παντοίας μορφάς και σχήματα παντοία και κατά μέγεθος διαφοράς, 68 Α 43 Ρ· 95. τ5 ί· = Dionys, b. Eus. P. Ε. X I V 23, 3: δ δέ καΐ μεγίστας είναί τινας άτόμους ό Δημόκριτος ύπέλαβεν, 68 Α 47 Ρ· 96, 5 — Stob. Eel. I 14, ι p. 143, ι f. W. = Aet. I 12, 6 p. 3 1 1 , 21 f. DIELS: δυνατόν έλαττον201 jede gegebene Größe noch unterschritten werde, έπί δέ τ£> μείζον keine unbegrenzte Größe möglich sei (207 b 2-5, 10, 17). Bei der Hinzufügung ist ferner der Fall gleichgroßer Schritte kritisch herausgehoben (άεί τι τό αυτό περιλαμβάνειν 2θ6 b 10). Im Mittelpunkt der Erörterung steht sichtlich die unendliche Teilbarkeit der Größen, die die Unendlichkeit der Zahlenreihe samt ihrem modalen Status - beide sind gleichermaßen potentiell - nach sich zieht 202 . D a ß diese Erörterung die Stellungnahme Epikurs nicht weniger herausforderte als Phys. Z, ist von vornherein durch die folgenden Überlegungen indiziert: Das aktuelle άπειρον κενόν gehörte zu den ersten Axiomen des Atomismus; der Zusammenhang mit der Widerlegung unteilbarer Größen in Buch Ζ ist durch wiederholte Verweise hergestellt (206 a 17 f., 207 b 25-27); während dort vom Phänomen der Bewegung her argumentiert wird, fand Epikur im Buch Γ, das er vermutlich vorher las, die systematische Begründung des Kontinuums durch Aristoteles, die in der Abgrenzung von der Zahlenreihe nicht nur das physikalische, sondern auch das geometrische Minimum aufhob. E s liegt darum nahe, daß Epikur über die Argumentationen des Ζ hinaus auf die prinzipiellen Unterscheidungen des Γ zurückgriff und sie grundsätzlich anfocht. Zunächst erinnert Epikurs in ep. I 56, 58 angedeutete Einteilung 201 Wesentlich freier die Ausdrucksweise De gen. et corr. A 2, 316 b 28 f. (άεί εις έλάττω μεγέθη). 202 Y g i die Begründung für die Unendlichkeit der Zahlenreihe 207 b 10 f.: άπειροι γάρ αί διχοτομίαι τοϋ μεγέθους.

286

Epikurs Lehre vom Minimum

der μεταβατά in solche έπι το ελαττον203, τό μείζον und τδ ϊσον an die gleich oder ähnlich (το αύτό) lautenden Ausdrücke und Verhältnisse bei Aristoteles. Mit der μετάβασις (τομή) έπι τοΰλαττον hängt ferner der Terminus „Minimum", το ελάχιστον, selbst aufs engste zusammen 204 . Der Passus der 'Physik' verwendet ihn nicht nur für die „ E i n s " (μονάς) in der Zahlenreihe (206 b 31 f.), sondern setzt ihn mit der Dihairesis έπΙ τί> έλαττον direkt in Beziehung (έπι τί> έλάχιστον 207 b 2 ~ έπί το έ'λαττον b 4)· Hier wird deutlich, daß das „Minimum" ursprünglich die „kleinste" erreichbare Größe bezeichnet, über die hinaus die Teilung nicht „ins Kleinere" hinein weiterschreiten kann. Ausschlaggebend ist dann wohl die Beziehung des Ausdrucks πέρατα (των μηκών), mit dem Epikur im Herodotbrief (§ 59) die Minima belegt, zum Kernstück der aristotelischen Argumentation:

Ar. Phys. Γ 207 b ι ff.: ευλόγως δέ καΐ τ2> έν μεν τω αριθμώ είναι έπί μέν τό έλάχιστον πέρας . . έπι δέ των μεγεθών τουναντίον . . . 5 ff.: αίτιον δ' δτι το §ν έστιν άδιαίρετον . . δ δ' άριθμός έστιν ενα πλείω και πόσ' άττα . .

Epikur ep. I 59 : έτι τε τά έλάχιστα καΐ άμερη πέρατα δει νομίζειν των μηκών τό καταμέτρημα . . τοις μείζοσι και έλάττοσι παρασκευάζοντα . .

Bei den πέρατα Epikurs handelt es sich, wie früher gezeigt 205 , nicht um die äußersten Glieder (άκρα) der Minimareihen, sondern um die Gesamtheit aller Minima, die bei der Teilung der Körper als letzte „Grenz"- und Grundwerte der Ausdehnung (der „ L ä n g e n " : μήκη) erscheinen. Derselbe substantiell erfüllte πέρας-Begriff liegt aber auch an der Stelle der 'Physik' vor, auch dort auf alle Minima eines quantitati203

Den Zusammenhang hat in diesem Punkt schon GASSENDI bemerkt: Opera V,

204

Epikur ep. I 58/9 p. 15, 7 M., p. 15, 11 M., vgl. p. 14, 18 M. (Körperminima); Sext. Emp. X 148, 151; Themist. in phys. p. 184, 28 ff. Sch., vgl. BIGNONE 256 f. (Raum- und Zeitminima); fr 281 Us. = Cie. de fato io, 22: declinat atomus intervallo minimo - id appellat έλάχιστον, dazu Nachtrag zu fr 281 p. 351 Us. = Plut. De soll. an. 964 C: όίτομον έγκλΐναι . . . επί τουλάχιστον (Richtungsminimum). E s entsprechen die Ausdrücke minimum und minima pars bei Lukrez. Vgl. den vermutlich gegen Epikur gerichteten Schriftentitel des Stoikers Sphairos περί ελαχίστων D. L. V I I 178 = S V F I 620 (neben πρί»ς τάς άτόμους καΐ τά είδωλα I). Oben S. 247.

57 f-

205

Aristoteles

287

ven Bereichs bezogen (ενα, μονάδες: „Einsen"), aber in ausdrücklicher und dezidierter Abgrenzung vom Kontinuum des Größenbereichs. Da Epikur das letztere nicht akzeptieren konnte, mußte ihm daran gelegen sein, die aristotelische Antithese in eine Analogie zu überführen und darauf zu bestehen, daß es auch im Größenbereich Teilungs, .grenzen" in Gestalt minimaler Größen gibt, die nach Stellung und Funktion den „Einsen" der Zahlenreihe entsprechen. Der Satz des Herodotbriefes (§ 59) erweist sich also, wie der des vorhergehenden Abschnittes (§ 58) gegen Phys. Ζ ι , so als polemisch gegen Phys. Γ η gerichtet, wobei die Junktur πέρατα των μηκών vor dem Hintergrund der aristotelischen Antithese einen bedeutungsvollen Akzent erkennen läßt und dadurch auch von der Vorgeschichte her als gesichert gelten kann. Zur Analogie der Wahrnehmung, mit der Epikur bei der Statuierung der Körperminima operiert, gesellt sich demnach von Aristoteles her die Analogie der Zahlenreihe und ihrer monadischen Elemente. Freilich erweist sich diese Analogie gegenüber dem Hauptstück der aristotelischen Kritik in Ζ 1 als ohnmächtig. Die Zahlenreihe ist streng genommen diskontinuierlich, nach diskreten Gliedern fortschreitend (έφεξης), während die ausgedehnten Größen wesentlich kontinuierlich sind (συνεχές) und darum, sollen sie aus Minima aufgebaut sein, den Problemen der Berührung und damit der Teilbarkeit des Teillosen ausgesetzt sind. Epikur hat möglicherweise, soweit wir noch sehen206, die Einwände des Aristoteles gegen die Reihenbildung minimaler Größen nicht mit Gründen zu widerlegen vermocht, sondern ihnen nur einfach widersprochen. Mit diesem Widerspruch steht und fällt jedoch die gesamte Theorie der Minima. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, wenn Epikur dafür selbst in der Kurzfassung des Herodotbriefes noch einmal direkt und ausführüch auf Aristoteles Bezug nimmt (§ 58). Das Verhältnis zwischen Aristoteles und Epikur spitzt sich damit zu auf das Problem der Reihenbildung unteilbarer Größen in Phys. Ζ ι , wobei es Beachtung verdient, daß Epikur sich nicht nur gegen Aristoteles auf die Seite der von diesem bekämpften Lösung stellt, sondern daß er selbst erst durch Aristoteles' Referat auf diese Lösung - die Reihung einander gleicher Größen - hingeführt worden zu sein scheint. 206

Eine nähere Erörterung dieser Frage unten S. 308f. Anm. 275.

288

Epikurs Lehre v o m Minimum

4. Die Physik der Akademiker I. Die epikureische Lehre vom Minimum ist mit dem Nachweis demokriteischer und aristotelischer Einflüsse historisch noch nicht ausreichend eingeordnet. Die aristotelische Physik, an die Epikur anknüpft, steht selbst in einer Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen platonisch-akademischen Philosophie und weist auf Voraussetzungen zurück, die Epikurs Position erst voll verstehbar machen. Nach den mehr vorbereitenden Erörterungen über die Theorien Epikurs und Demokrits und die vermittelnde Stellung des Aristoteles wendet sich darum die Untersuchung jetzt ihrem eigentlichen Thema zu: die Gegenposition, auf die hin die aristotelische Physik entworfen ist, ins rechte Licht zu rücken und auf ihr Verhältnis zur epikureischen Minimalehre zu befragen. Die aristotelische Physik ist nach Wissenschaftsbegriff und Durchführung nicht die erste ihrer Art gewesen, wie man oft gemeint hat. Daß nicht Aristoteles, sondern Xenokrates Urheber des engeren Begriffs von φύσις und φυσική φιλοσοφία gegenüber der Vorsokratik gewesen ist,

ergibt sich weniger aus dem auch für Xenokrates überlieferten Schrift e n t i t e l φυσική άκρόασις (D. L . I V 1 3 , v g l . περί φύσεως I V I i ) als a u s der

Tatsache, daß die Dreiteilung der Philosophie in Logik, Ethik und Physik ausdrücküch Xenokrates zugeschrieben wird (Sext. Emp. adv. math. VII 16 — fr ι Heinze)207, und daß Aristoteles ihr in seiner Frühzeit gefolgt ist208, sie aber später zugunsten der mehr systematischen, in 207

208

ot είπόντες της φιλοσοφίας τί> μέν τι είναι φνσικόν τί) δέ ηθικόν τό δέ λογικόν ών δυνάμει μέν Π λ ά τ ω ν έστίν άρχηγός . . . ρηχότατα δέ οΐ περί Ξενοκράτη . . . T o p . Α 14, Ι05 b 20 ff. (αί μέν γάρ ήθικαϊ προτάσεις εΐσίν, αί δέ φνσικαί, at δέ λογικαί), v g l . R h e t . A 2, 1358 a 18 f. (περί φυσικών είσΐ προτάσεις . . . περί των ήθικών), D e gen. et corr. A 2, 3 1 6 a 10 ί . : δσον διαφέρουσιν ol φυσικώς καΐ λογικώς σκοποΰντες, v g l . λόγοι a 8, φυσικοί λόγοι a 13 (zum hier v e r w e n d e t e n Begriff der L o g i k oben S. 23, 1 1 4 A n m . 35); wahrscheinlich gehört in diesen Z u s a m m e n h a n g auch Protrept. fr 5 W . u. R . p. 32, 1 ff. R o s s = Β 32 DÜRING (τάς περί, τών δικαίων καΐ τών συμφερόντων, ίτι δέ περί φύσεώς τε και της άλλης άληθείας έπιστήμας), selbst w e n n m a n m i t Ε . DE STRYCKER (On t h e first section of f r a g m e n t 5 A of t h e Protrepticus, in: Aristotle and P l a t o in t h e m i d - f o u r t h c e n t u r y , G ö t e b o r g i960, 78 f.) u n d I. DÜRING (Aristotle's Protrepticus, an a t t e m p t a t reconstruction, G ö t e b o r g 1961, 198 ff., aber a u c h schon Aristotle

Die Physik der Akademiker

289

Metaph. Ε ι und Κ 7 entwickelten Einteilung209 aufgegeben hat. Daraus folgt, daß auch der engere Begriff von φυσική schon vor Aristoteles in der Akademie vertreten war; daß die akademisch-xenokratische Physik nicht nur der Sache nach, sondern auch schon als eigenständige philosophische Disziplin der aristotelischen vorhergeht; und daß infolgedessen die Physik des Aristoteles sowohl in einem weiteren als auch in einem engeren Sinn zu einem guten Teil als Antwort und Gegenwurf zu der vor allem durch Xenokrates repräsentierten akademischen Physik verstanden werden muß. Dies gilt, wenn man von der άρχαί-Lehre absieht, in ganz besonderem Maß für die Lehre vom Kontinuum, mit der sich Aristoteles fast häretisch gegen die von Piatons Vorträgen περί τοϋ άγαθοϋ herreichende und in den physikalischen Schriften des Xenokrates wohl zum ersten Mal schriftlich fixierte und zusammenhängend dargestellte akademische Theorie der Elementargrößen gewendet hat. Im Zentrum der xenokratisch-akademischen Physik, die der Sache nach auch diejenige Piatons war, steht in der Tat der Aufbau des Raumes und der Körperwelt aus theoretisch unteilbaren Elementen der Ausdehnung. Dann aber muß sich der Angriff gegen die Diskontinuität in Phys. Ζ in erster Linie gegen die Elementenphilosophie der Mitakademiker richten, denn es hat keinen Sinn, auf einen entfernten Gegner zu schlagen, wenn der Feind im eigenen Hause sitzt. Eine große Zahl von Argumenten erhärtet diese Beziehung210: i. Anläßlich der Kritik am akademischen Aufbau der Körper aus den Dimensionen und Atomlinien verweist Aristoteles in De caelo Γ ι in the Protrepticus, in: Autour d'Aristote, Louvain 1955, 89) nur eine Zweiteilung in Physik und Ethik annimmt. 209 Met. 1025 b 21 ff., 1064 a 10 ίϊ.: ποιητική - πρακτική — θεωρητική ( = πρώτη [θεολογική], μαθηματική, φυσική). Es ist ganz unwahrscheinlich, daß die ältere Dreiteilung vom jungen Aristoteles eingeführt worden und dann auf Xenokrates übergegangen wäre, während Aristoteles selbst sich später eine neue Einteilung zurechtgelegt hätte. Die Gliederung der 'Metaphysik' ist vielmehr die des Aristoteles schlechthin, die andere dagegen die akademisch-xenokratische, die der junge Aristoteles vorübergehend angenommen hatte. (Inwieweit die unter den φυσικά aufgeführte Schrift περί φύσεως des Akademikers Herakleides [D. L. V 87 = fr 22 WEHRLI] bereits dieser Einteilung Rechnung trug oder noch vorsokratisch orientiert war, ist nicht mehr auszumachen. Für das erstere spricht der gleichfalls für Herakleides überlieferte Titel φυσικώς άπορούμενα Plut. mor. 1115 Α.) 210 Sie ist generell ins Auge gefaßt etwa von W. D. Ross, Introduction p. 70, bes. Komm. p. 555 supra; SOLMSEN, System 203 ff., 216 ff., 221; SCHRAMM, Bewegungslehre 13; W I E L A N D 281; J. A. P H I L I P , Phoenix 20, 1966, 32, 38.

290

E p i k u r s L e h r e v o m Minimum

ausdrücklich auf die Widerlegung der 'Physik', womit nach Lage der Dinge nur Buch Ζ gemeint sein kann: περί δέ τούτων έπέσκεπται πρότερον έν τοις περί κινήσεως λόγοις, δτι ουκ έστιν αδιαίρετα μήκη (299 a. 9 - 1 1 ) · 2. Das in Ζ ι und 10 für einen diskontinuierlichen Aufbau der Erstreckung (μέγεθος) angeführte Beispiel, nämlich die Aneinanderreihung von Punkten (στιγμαί) zu einer Linie (γραμμή), kehrt in übereinstimmender Weise in der Kritik an den Akademikern im dritten Buch von De caelo (c. 1) und in der zweiten Hälfte der peripatetischen Schrift περί άτόμων γραμμών wieder (971 a 6 ff.) 211 . Der Aufbau der Linie aus Punkten ist in dieser Form nachweisbar von Piaton in περί τάγαθοϋ und offenbar auch von Speusipp vertreten worden212. 3. Wenn Aristoteles Phys. Ζ ι und 10 die Frage der Kontinuität anhand des Verhältnisses von Punkt und Linie entwickelt, so stimmt damit das Verfahren der Schrift περί άτόμων γραμμών überein, die sich auf diskontinuierliche Größen in allen Dimensionen bezieht (968 a 1, 1 2 ff., b 14 f.), aber das Problem anhand der Atomlinien anscheinend paradigmatisch behandelt. Beidemale wird offenbar die erste und einfachste Dimension der linearen Erstreckung beispielhaft herausgegriffen, jedoch so, daß die Diskontinua der zweiten und dritten Dimension von der Kritik gleichermaßen mitbetroffen sind. Daß tatsächlich Phys. Ζ nicht nur diskontinuierliche Strecken in Gestalt von Punkten bzw. Atomlinien (diese ausdrücklich Phys. Ζ 2, 233 b 16 f., vgl. Γ 6, 2o6 a 17 f., Δ 12, 220 a 30 ff., Θ 8, 264 a ι ff.) zur Debatte stellt, belegen wiederholte Hinweise auf unteilbare Flächen oder Körper (Z 1, 231 a 31 f.: 6 δ'αύτ&ς λόγος έπί πάντων τών αδιαιρέτων, 2, 233 b 16 f. [ = Xenokrates fr 41 Heinze]: ουτε γραμμή οΰτε έπίπεδον213 οΰτε δλως τών συνεχών 211

V g l . ζ. Β . : Phys. Ζ 2 3 1 a 24: άδύνατον έξ άδιαιρέτων είναι τι συνεχές, οίον γραμμήν έκ στιγμών, 2 4 1 a 6 : τό μήκος έκ στιγμών, 12: ώστε έσται ή γραμμή έκ στιγμών . . . τοϋτο άδύνατον.

212

218

D e caelo Γ 1, 299 a 6 ff.:

D e lin. insec. 9 7 1 a 6 :

τοϋ αύτοϋ λόγου έστί οΰδ' αν έκ στιγμών είη στερεά μέν έξ έπιπέδων γραμμή, 9 7 1 b 3 : ούκ συγκεϊσθαι, επίπεδα δ' άρα . . . ή γραμμή έκ έκ γραμμών, ταύτας δ' στιγμών, 9 7 2 a 7 f f · : τό έκ στιγμών, 3 0 0 a, g f£.: μέν σώμα έξ έπιπέδων, ομοίως έχει στιγμή μέν τό δ' έπίπεδον έκ γραμπρός γραμμήν, γραμμή μών, αί δέ γραμμαΐ έκ δέ πρός έπίπεδον, τοϋτο στιγμών. δέ πρός σώμα. Näheres unten S. 299 A n m . 246 und S. 3 0 2 f. (auch zum Verhältnis v o n Atomlinien und Punktmonaden, von denen in P h y s . Ζ ι und 1 0 diese offenbar als Gattungsbegriff jene mitumfassen). Z u vergleichen ist damit die K r i t i k an den έπίπεδα des platonischen 'Timaios' D e caelo Γ ι , 298 b 3 3 ff., D e gen. et corr. A 2, 3 1 5 b 3 0 ff., 8, 3 2 5 b 24 ff..

Die Physik der Akademiker

291

ουδέν εσται άτομον, g, 239 b 8 f.: ού γάρ σύγκειται ό χρόνος έκ των νΰν των αδιαιρέτων, ώσπερ ούδ' άλλο μέγεθος ουδέν, ΙΟ, 241 a 7 ·' οΰτε στιγμήν οΰτ' αλλο άδιαίρετον ουδέν ενδέχεται κινεϊσθαι)214. Im Hintergrund der aristotelischen Kritik steht demnach das volle Dimensionssystem der akademisch-xenokratischen Physik. 4. Darüber hinaus gibt die 'Physik' zu erkennen, daß sie in ihrer Argumentation am spezifisch akademischen Derivationszusammenhang von Zahl - Ausdehnung - Bewegung - Zeit orientiert ist, dessen Glieder im Verhältnis des πρότερον-ΰστερον, des συναναιρεΐν και μή συναναιρεΐσθαι und von „Subtraktion" (άφαίρεσις) und „Addition" (πρόσθεσις) zueinander stehen: Die Zeit setzt Bewegung voraus, diese die Ausdehnung, und die Ausdehnung anscheinend wieder die Zahlenreihe, ohne daß das Nacheinander umkehrbar wäre 215 . Es ist dies eine A b folge, die für das mathematisierende Derivationssystem der Akademie im ganzen 216 und im besonderen für die Physik des Xenokrates maßgebend gewesen ist 217 . Doch wie sich Aristoteles bei der Behandlung der dimensionalen Größen methodisch eine reductio ad minimum in Gestalt der ersten Dimension auferlegte, so beschränkt er sich, gemessen am Hintergrund des Derivationssystems, von seinem begrenzten physikalischen, am Bewegungssektor orientierten Ansatz her auch thematisch auf ein Minimalprogramm der Diskussion 218 : Die idealen und matheTreffend bemerkt Simplikios zu Ζ 1 : πέντε δντων έν τοις οδσι μεγεθών, γραμμής επιφανείας σώματος καί έτι κινήσεως καΐ χρόνου (in phys. 925. 5 ί· D·) · · · τά γάρ έπί γραμμής είρημένα καί. έπΐ άλλων συνεχών ρηθήσεται . . .ώστε καΐ εί σώματά τίνες άμερή λέγοιεν . . . καί έπ' έκεΐνων τά αυτά Ρηθήσεται (926, 17 fi.). Vgl. auch SCHRAMM, Bewegungslehre 34. 215 Vgl. bes. Phys. Δ I i , 219 a 12 f.: δια γάρ τό τί> μέγεθος είναι συνεχές καί ή κίνησίς έστιν συνεχής, διά δέ την κίνησιν ό χρόνος, 2 i g b 15 f.: άκολουθεϊ γάρ, ώς έλέχθη, τω μέν μεγέθει ή κίνησις, ταύτη δ' ό χρόνος, ως φα μεν, Ε 3, 227 a 19 ff.: διό καί έν προτέροις τω λόγω τό έφεξής έστιν, οίον έν άριθμοϊς, άφή δ' ούκ έστιν (wie beim μέγεθος). 2ΐβ Vgl. schon PI. Politeia V I I 522 C - 531 C und für die λόγοι περί τοϋ άγαθοϋ Aristoxenos Harm. p . 94, 10 f. M A R q u A R D (άριθμοί - γ ε ω μ ε τ ρ ί α - αστρολογία). Für Speusipp vgl. U G M 211 Anm. 50, für Xenokrates fr 34 Η. 217 Vgl. Exkurs S. 334 f. 218 W . WIELAND 281 hat dies bereits in etwas anderem Sinne ausgesprochen: „ D a s sieht . . . nach einem Minimalprogramm aus. Doch das war es für Aristoteles auch, wenn man seine Untersuchung der Kontinuitätsstruktur vor dem Hintergrund der insbesondere von Stenzel analysierten abstrakten und begrifflichen Bemühungen Piatons um die Teilbarkeit des Räumlichen sieht, die in der Theorie der unteilbaren Linien gipfeln." Vgl. 289 Anm. xo. W . meint damit richtig, daß Arist. im Bereich der natürlichen Welt und ihrer Anschaulichkeit verblieben sei (vgl. SOLMSEN, System 203: „his main concern is . . . with movement"), was freilich nicht ausschließt, daß er sich mit der der 214

292

E p i k u r s Lehre v o m M i n i m u m

matischen Zahlen und Größen der Akademiker bleiben außer Betracht, lediglich ein - allerdings wesentlicher - Ausschnitt, gleichsam die untere Hälfte der akademischen Physik tritt ins Gesichtsfeld: Raum- und Körpermonaden bzw. Atomlinien, Atomflächen und Atomkörper (έλάχιστα σώματα, ογκοι), dazu Zeitmonaden (τά vüv), weil sie sich sämtlich auf das Bewegungsphänomen beziehen. 5. F. Solmsen und G. E. L. Owen219 haben unabhängig voneinander nachgewiesen, daß die anläßlich der Diskussion des Kontinuums in Phys. Ε 3 und Ζ ι entwickelten Begriffe (άμα - χωρίς - μεταξύ, έφεξής έχόμενον - άπτεσθαι - συνεχές) im platonischen 'Parmenides'220 vorgebildet sind und - da dort der abschließende Begriff des συνεχές fehlt wahrscheinlich in der akademischen Diskussion behandelt waren221. Von dort stammt offenbar auch die Anordnung nach wachsenden Graden von Einheit (εφεξής - άπτόμενον/έχόμενον - συνεχές)222, bei der jede folgende Stufe einen Grenzfall der vorhergehenden darstellt und sie daher voraussetzt, nicht aber umgekehrt223 - wiederum ein Beispiel des akademischen πρότερον-δστερον-Verhältnisses, das denn auch anhand der Abfolge von Zahlenreihe (έφεξής) und Ausdehnung (άφή und συνέχεια) erläutert wird224 und das überdies durch den Iv-Begriff auf die akademische Prinzipienlehre und Dialektik zurückweist. Für die Argumentation von Ζ ι bedeutet dies, daß sie offenbar weitgehend immanent operiert und die akademische Unstetigkeitslehre möglichst mit den Waffen des von der akademischen Dialektik bereitgestellten begrifflichen Instrumentariums zu widerlegen sucht. 6. Angesichts aller dieser Beziehungen ist es ferner klar, daß die in K o n t i n u i t ä t s t h e s e entgegenstehenden a k a d e m i s c h e n P h y s i k und ihren minimalen G r ö ß e n auseinandersetzen m u ß t e . Z u m Unterschied v o n idealen, m a t h e m a t i s c h e n u n d physikalischen Minimalgrößen in der A k a d e m i e u n t e n S. 304 u n d Exkurs S. 356 ff. 2 1 9 SOLMSEN, S y s t e m 187 ff.; G. E . L . OWEN, Τιθέναι τά φαινόμενα, in: A r i s t o t e et les problemes de m6thode, L o u v a i n - P a r i s 1960/61, 92 ff.; v g l . ferner I. DÜRING, Aristoteles, 1966, 299, 325. 220 Bes. 148 D ff. 2 2 1 SOLMSEN a. O . 198; v g l . OWEN a. O . 101. 222 v g l d e n A u s d r u c k 2v f ü r das συνεχές: P h y s . 227 a 1 1 ff., 22, 231 a 22 f., 26, b 17, f ü r das έφεξής: D e an. A 3, 407 a 8, u n d dazu SOLMSEN a. O . 198 f. ( „ c o n t i n u i t y is for him t h e final i t e m in a series of terms w h i c h a p p r o x i m a t e 'oneness'."). 223 D i e einseitige B e d i n g u n g s f o l g e ist ausgesprochen P h y s . 227 a 18 ff.: τό γάρ άπτόμενον έφεξής ανάγκη είναι, τό 8' έφεξής οΰ παν δπτεσθαι. . . καΐ ει μέν σννεχές, άνάγκη άπτεσθαι, εί δ' άπτεται, οδπω συνεχές. 224 P h y s . 227 a 19 ff.

Die Physik der Akademiker

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Ζ ι vorgeführten „Punkte" (στιγμαί) zwar άμερη und άδιαίρετα, aber nicht etwa, wie man häufig gemeint hat225, άμεγέθη, d. h. ausdehnungslose mathematische Punkte sein können. Dem steht nicht nur die Terminologie (8λον 231 b 2 ff., μέρος b 5, συγκεΐσθαι b 19) und der Vergleich mit den im Buch Δ eindeutig als ausgedehnte Zeitelemente behandelten „Momenten" (νϋν b 7)226 entgegen, sondern auch der Hinweis auf πάντα τα άδιαίρετα (231 a 31 f.), zu denen nach 233 b 16 f. auch die - gewiß nicht ausdehnungslosen - Dreiecke zählen. Hinzu kommt die Anwendung in Ζ 4 und 10, die die Probe aufs Exempel gibt: Wer auch immer das dort bekämpfte unteilbare Bewegte vertreten haben mag, fest steht, daß es sich um Körper handelt, die als solche ausgedehnt waren und die, da sie der Raumeinheit maßgleich sein sollen, die Ausgedehntheit auch der Raumpunkte nach sich ziehen. Kurz: Die in Ζ ι und 10 behandelten Punkte sind nicht mathematischer Art gegen wen sollte sich die Polemik dann überhaupt richten? - , sondern sind wie in De caelo Γ ι und in De lineis insecabilibus primär Raummonaden (μονάδες θέσιν εχουσαι), letzte Elemente der Ausdehnung, wie sie in der Physik der orthodoxen Akademiker zur Konstruktion des Raumes und der Körperwelt dienten und die deshalb in der Physik des Aristoteles einer Widerlegung bedurften. 7. Daß schließlich die teillosen Punkte in Ζ 1 nicht, wie man auf Grund der zugehörigen Simplikios-Notiz oft angenommen hat, die Atome Leukipps und Demokrits sein können, folgt allein daraus, daß diese untereinander maßungleich waren und daß, wie oben nach Furley dargestellt ist, erst die aristotelische Kritik zu einer Reform des unexakten älteren Atomismus zwang, die bei Epikur zur Trennung von Minima und Atomen führte. Die Vorstellung der aus streng maßgleichen Punkten aufgebauten Linie entspricht also dem älteren Atomismus in keiner Weise. Sie zeichnet vielmehr das Modell vor, nach dem der Atomismus Demokrits erst zu revidieren war. Ferner ist zu beachten, daß das dem 225 Ygi z u ietzt F u r l e y 115 f., 128; H. Wagner, Komm. 616 ff. („unteilbar und also ausdehnungslos"). Die Reihe der ausdehnungslosen mathematischen Punkte, die Arist. in De gen. et corr. A 2, 316 a 25 ff. hypothetisch zur Erläuterung des atomistischen Standpunkts einführt, ist keine Gegeninstanz, weil es sich dabei um eine Konsequenz der infinitesimalen Teilung handeln soll (316 a 22, b 30). Es fehlt darum dort auch die dimensionale Betrachtungsweise von Ζ ι (γραμμή!). Es handelt sich offensichtlich um eine nachträgliche Anwendung der in Phys. Ζ ι entwickelten - Arist. weist auf das Ζ zurück (316 b 17 f.) - Kritik an der Reihe ausgedehnter Punkte auf den Sonderfall der mathematischen Punktreihe, »ae Vgl. Exkurs S. 350 f. Anm. 404/05.

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E p i k u r s Lehre v o m Minimum

Ζ offensichtlich zugrundeliegende Dimensionsgefüge dendimensionalen Rückgang des Piatonismus hinter den Atomkörper voraussetzt, den der 'Timaios' andeutet und das Referat des Sextus Emp. X 248 ff. ausdrücklich macht227. Von ausschlaggebendem Gewicht ist endlich, daß die von Aristoteles primär verteidigte Kontinuität der Bewegung von der Atomlinientheorie des Raumes unmittelbar betroffen war, während von einer Diskontinuität des Raumes im älteren Atomismus nichts bekannt geworden ist. Der historische Bezugspunkt der aristotelischen Kritik liegt dabei klar vor Augen in dem vierten der von der Atomlinienschrift referierten akademischen Argumente, das mit der Zuordnung von Raum, Bewegung (το έπί της γραμμής φερόμενον, το κινούμενον 968 a 24, 22) und Minimum (μέγεθος άμερές 968 a 19, 22, άτομος γραμμή b 4) genau diejenige Unstetigkeitslehre des Raumes und der Bewegung systematisch entwickelt, die Aristoteles in Phys. Ζ bekämpft228. Es ist deshalb so gut wie sicher, daß sich der Eingang von Ζ ι (-231 b 18) zunächst ausschließlich gegen die Akademiker richtet und daß erst Ζ ίο die Atomisten in die Diskussion miteinbezogen werden. Auch dort stehen aber wohl die physikalisch und theoretisch unteilbaren (Linien,) Flächen und Körper der Akademiker im Hintergrund229. 227

228 229

Bes. 252: oi γάρ άτόμονς είπόντες ή όμοιομερείας ή ογκους ή κοινώς νοητά σώματα πάντων των δντων όίρχειν πη μέν κατώρθωσαν, πη δέ διέπεσον . . . 253 : ώς γάρ των αισθητών σωμάτων προηγείται τά νοητά καί άδηλα σώματα, οΰτω καί των νοητών σωμάτων άρχειν δει τά ασώματα . . ., 259 : τά στερεά σώματα προεπινοεΐται των σωμάτων, άσώματον έχοντα τήν φύσιν . . . καί τούτων κατά την έπίνοιαν τά επίπεδα σχήματα διά τό έξ έκεΐνων τά στερεά συνίστασθαι. 26ο: . . . 2καστον . . . αυτών πάλιν έκ προαγόντων συντίθεται των γραμμών, καί αί γραμμαΐ προεπινοουμένους έχουσι τούς αριθμούς (nach 278 liegt dazwischen noch der P u n k t : σημεΐον). Der Sache nach s t i m m t weitgehend überein das Referat Alexanders in metaph. 55, 20 ff. H . = Test. Plat. 22 Β und b. Simpl. in phys. 454, 22 ff. D. = Test. P l a t . 23 Β G. (dort auch das Sextus-Referat als Test. Plat. 32). Zur platonischen K r i t i k am Atomismus bei Sextus P. WILPERT, Zwei aristotelische Frühschriften, 1949, 133 ff.; GAISER P U L 28 f., 229, 298 f., vgl. 465 f. Komm. T e x t und ausführliche Interpretation im Exkurs S. 347 ff. D a ß sich das Ζ vorzugsweise oder gar ausschließlich gegen das erst im 9. K a p i t e l (239 b 5 ff., 30 ff.) erwähnte Pfeil-Argument Zenons richte (so zuletzt I. DÜRING, Aristoteles, 1966, 326 ff.), erledigt sich wohl angesichts der oben angeführten zeitgenössischen Parallelen. Aristoteles wendet sich im Ζ primär gegen die Diskontinuität der B e w e g u n g selbst, nicht gegen die völlige A u f hebung der B e w e g u n g durch die Eleaten und die zugehörigen Paradoxien (vgl. dagegen Phys. A 2/3). I m einzelnen entspricht der iüawmatomismus (insbesondere die γραμμή-Vorstellung) in Ζ ι dem Zeit,,atomismus'' (gegen dessen dogmatische Auffassung VLASTOS, Phronesis 11, 1966, 11, 13, mit Verweis auf G. E . L . OWEN, in: Arist. et les problemes de möthode, 1961,

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Ist so die Bedeutung von 'Physik' Ζ vom geschichtlichen Umkreis des akademischen Gegenübers erst recht durchleuchtet worden230, so erwachsen daraus für die Stellung Epikurs und seiner Theorie vom Minimum weitreichende Folgerungen. Im vorigen Abschnitt war nach Furley darauf hinzuweisen, wie die aristotelische Kritik des Ζ die epikureische Korrektur des älteren Atomismus Zug um Zug erzwungen hat. Epikur hat anerkannt, daß die Bewegung theoretisch unteilbarer Körper - der Atome - die Zuordnung eines Systems von Minima in Raum, Zeit und Bewegung erfordert, daß dieses System zwangsläufig eine Angleichung der Körperminima an die Raumminima nach sich zieht und daß darum theoretische und physikalische Unteilbarkeit der Körper, d. h. Minima und Atome getrennt werden müssen. Das Resultat dieser Umgestaltung war eine exakte Quantifizierung der Atomtheorie und aller physikalischen Größen, derzufolge sie sämtlich aus kleinsten, einander gleichen Elementareinheiten aufgebaut waren. Epikur ist durch die Erwägungen von Phys. Ζ ί ο auf diese elementarisierende Struktur hingedrängt worden, hat aber die prinzipielle Kritik, die Aristoteles in Ζ ι dagegen richtet, kurzerhand verworfen, wie es das Zitat des Herodotbriefes belegt. Aristoteles hatte jedoch, wie inzwischen zu zeigen war, diese elementarisierende Struktur in Ζ ι nicht etwa hypothetisch entwickelt, um sie dann zu widerlegen, sondern seine Widerlegung richtete sich konkret gegen die herrschende Lehre der zeitgenössischen akademischen Physik. Der Aufbau von Raum, Körper und Zeit 231 aus kleinsten Elementargrößen, den Aristoteles in Ζ ι diskutiert und bekämpft, gibt demnach die Schuldoktrin der akademischen Elementenphilosophie referierend wieder, genau so wie das neunte Kapitel die Aporien Zenons (der im Unterschied zu den allen Hörern geläufigen Zeitgenossen namentlich eingeführt wird). Wenn daher Epikur die eine

230

831

97 ff.: Akademie!, klärend auch G. CALOGERO, Studi sull' Eleatismo 1932, in der deutschen Fassung 1970 S. 154 ff. mit Anm. 48) des Pfeil-Arguments nicht, und ebensowenig die Diskussion um die Bewegung des Unteilbaren in Ζ ίο, bei der die Bewegung offenbar schon vorausgesetzt ist. Das gleiche gilt für die dimensionale Differenzierung der άτομα. Zenons Paradoxien erscheinen in Phys. Ζ lediglich als ein historischer Orientierungspunkt, an Hand dessen das aktuelle Problem der Kontinuität oder Diskontinuität in der Bewegung erläutert wird. - Zur Frage einer Einwirkung des Diodoros Kronos unten S. 314 Anm. 290. Damit bestätigt sich nur W. JAEGERS zugespitztes Wort ('Aristoteles' 327), daß Aristoteles' „Schriften zur Physik und Kosmologie den Charakter der innerakademischen Verhandlung tragen." 231 b 7 ff..

20 Krämer, Platonlsmus

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Epikurs Lehre vom Minimum

Hälfte der aristotelischen Kritik akzeptiert, die andere, prinzipiellere aber von sich weist, d. h. wenn er unter dem Druck der aristotelischen Argumente zu der von Aristoteles diskutierten und bekämpften Elementarstruktur greift, dann bedeutet dies nichts Geringeres, als daß die Elementenphilosophie der Akademie indirekt - d. h. zunächst durch die Vermittlung des aristotelischen Referates - das Modell für die epikureische Lehre vom Minimum geliefert hat. Die Unstetigkeitslehre der epikureischen Physik ist strukturell und weitgehend auch terminologisch weder altatomistisch noch zenonisch oder gar aristotelisch, sondern eindeutig akademisch. Für die Terminologie läßt sich dies noch spezieller aufzeigen, wenn man den akademischen Hintergrund von Ar. Phys. Γ 6/7232 freilegt: 1. Die unendliche Teilbarkeit von Größen, die Aristoteles dort vorzugsweise vertritt, steht in ausgesprochener Opposition zu den akademischen Elementen der Ausdehnung (ού γαρ χαλεπών άνελεΐν τας άτόμους γραμμάς 2θ6 a 17 f.) und weist auf die Erörterungen des Ζ voraus (ύστερον δέ έροϋμεν . . καΐ διότι παν μέγεθος είς μεγέθη διαιρετόν 20J b 25 ff·)· 2. Der additive Derivationszusammenhang von άριθμός - μέγεθος κίνησις - χρόνος ist auch hier im Sinne der Akademie vorausgesetzt und bestimmt die Behandlung des άπειρον nach den verschiedenen quantitierenden Sachbereichen (206 a 10 ff., 207 b i f f . , bes. b 21-25). Das gleiche gilt für die „dialektische" (λογικώς σκοπουμένοις) Bestimmung des Körpers vom Dimensionszusammenhang her (εί γάρ έστι σώματος λόγος τδ έπιπέδω ώρισμένον 204 b 5 f·)· 3. Für die Annahme eines doppelten Unendlichen, sowohl im Sinne der Teilung wie der Hinzufügung (άπειρον άπαν ή κατά πρόσθεσιν ή κατά διαίρεσιν ή άμφοτέρως 204 a 6 f., vgl. 206 a 15 f.), beruft sich Aristoteles wiederholt auf Piatons Richtungszweiheit des Groß-Kleinen (Πλάτων δέ δύο τά άπειρα, τό μέγα καΐ τδ μικρόν 203 a Ι 5 ί·> έπε . . . άπειρον καί έν τοις αίσθητοϊς καί έν έκείναις (sc. ταϊς ίδέαις) είναι (übereinstimmend Metaph. A 6, 9 8 8 a 11-14). Vgl. WAGNER, Komm. 5 1 1 : „Die platonische Dreiheit von Gegenstandssphären k o m m t . . . zum Ausdruck, und zwar ohne irgendeine Andeutung, daß er sie nicht akzeptieren würde." 237 Vgl. bes. Phys. A 4, 187 a 16 ff., 5, 189 a 4-10, 6, 189 b 8 ff.; ferner Metaph. A 9, 992 b 4 ff., De caelo Γ 5, 303 b 13 ff. 238 Vgl. bes. Phys. A 9, 192 a 3 ff. - Zum έν-Begriff in Phys. Ε 3 und Ζ ι oben S. 292. 234 236

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Epikurs Lehre vom Minimum

5. Für die Funktion des άπειρον in der Zahlenreihe wird Piaton selbst als Gewährsmann angeführt, und zwar in dem positiven Sinne, daß er zwar theoretisch ein doppeltes άπειρον angesetzt, aber bei der Zahlenreihe keinen aktuellen Gebrauch davon gemacht habe (ποιήσας μέντοι δύο ου χρήταί 2θ6 b 30)239 - ganz ähnlich, wie Aristoteles selbst im Kontext ein aktuelles Unendliches auszuschalten sucht240 und nachher die μονάς als έλάχιστον der Zahlenreihe anerkennt (207 b 2). Da die folgenden zahlentheoretischen Erörterungen (207 b 5 ff.) mit akademisierenden Klärungen der 'Metaphysik' (I 1053 a 1 ff., Ν io88 a 2 ff.) übereinkommen, liegt es nahe, daß sich Aristoteles hier durchweg akademischer, ja platonischer Terminologie bedient (έλάχιστον, πέρας, έν άδιαίρετον). Aristoteles verschweigt freilich, daß Piaton auch bei den Größen vom άπειρον keinen aktuellen Gebrauch gemacht, sondern der Zahlenmonade entsprechende Linienelemente angenommen hat. In diesem Punkte rückt Aristoteles von der quantifizierenden Elementenphilosophie der Akademie ab und gelangt damit zu jener Antithese von Zahl und Größe, die später Epikur wieder aufzuheben sucht. Daß auch Aristoteles die unendliche Teilung nur potentiell (δυνάμει) gelten läßt, ändert am prinzipiellen Unterschied nichts, da Aristoteles die Potentialität des άπειρον physikalisch, Piaton hingegen ontologisch versteht, insofern es immer schon der Begrenzung durch das έν unterworfen ist. Von Piaton und der Akademie her gesehen stellt sich daher Aristoteles für die Zahl weitgehend auf die Seite des schon Begrenzten, für die Größen umgekehrt auf die Seite des noch Unbegrenzten im Sinne der platonischen Ellenteilung 241 . Erweist sich der Text von Phys. Γ 6/7 als extrem platonisierend und ganz auf den Problemhorizont der Akademie bezogen, so läßt sich dies im besonderen für diejenigen Termini nachweisen, die für Epikur relevant geworden sind: a) „Der auffallend formelhafte Ausdruck επί τουλαττον", den Epikur ep. I 56 wiederholt auf die unendliche Dichotomie anwendet, ist nicht, wie man gelegentlich gemeint hat242, „als terminus technicus von 239

240 241

242

Mit der Begründung: οδτε γαρ έν τοις άριθμοϊς τό έπΐ τήν καθαίρεσιν άπειρον υπάρχει (ή γάρ μονάς έλάχιατον), οίίτε > έπΐ τήν αΰξην (μέχρι γαρ δεκάδος ποιεί τον άριθμόν). Zur positiven Tendenz des Piaton-Zitats richtig WAGNER, Komm. 525. Die Anspielung deutlich Phys. Ζ 237 b 8 f.: άπειρος γάρ ή διαίρεαις, καθάπερ έπΐ των αυξανομένων και καθαιρουμένων γραμμών. J. MAU 33 m i t Berufung auf Phys. 207 b 4 und P. GASSENDI (vgl. oben S. 286 Anm. 203).

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Aristoteles geprägt" worden, sondern war offenbar schon von Piaton in den λόγοι περί του άγαθοϋ gebraucht: Alles deutet darauf hin, daß er dort im Zusammenhang mit dem Materialprinzip des Elementensystems, dem μέγα-μικρόν (πλέον-ελαττον, μαλλον-ήττον) der αόριστος (άπειρος) δυάς formuliert worden ist (Simpl. in phys. 454, 2 f. D. = Test. Plat. 23 Β G.: τό μεν έπι τό ελαττον προϊόν, τό δέ επί τό μείζον άτελευτήτως)243. Da das Groß-Kleine auch in der Physik des Xenokrates eine Rolle spielt und dabei mit der τομή έπ' άπειρον (fr 44 Heinze) in Verbindung zu stehen scheint244, hat der Ausdruck im Anschluß an Piaton wohl auch dort seine Stätte gehabt. Aristoteles aber schließt sich damit Phys. Γ η, wie die wiederholte Berufung auf das μέγα-μικρόν Piatons belegt, entweder unmittelbar an Piaton oder an die akademische Physik im ganzen an. In dem Maße wie Epikur der aristotelischen Ausdrucksweise folgt, gerät er in das Wirkungsfeld der akademischen Physik und ihrer Terminologie. b) Das gleiche gilt für den aus der τομή επί τό έλαττον entwickelten - die Ableitung ist bei Aristoteles noch erkennbar (Phys. 207 b 2) Terminus des „Minimums": τό έλάχιστον. Daß das Platon-Referat Ar. Phys. 206 b 31 f. (ή γαρ μονάς έλάχιστον) in diesem Punkt authentischen platonischen Sprachgebrauch wiedergibt, ist zunächst durch die Art der Berichterstattung (ού χρήται 30, ποιεί 32) und den Zusammenhang mit der τομή έπι τό έλαττον im Sinne des μέγα-μικρόν indiziert. Tatsächlich begegnet der Ausdruck τό έλάχιστον ganz deutlich als feststehender technischer Begriff der von der Streitschrift περί άτόμων γραμμών bekämpften akademischen Theorie der Punktmonaden (972 a 3 0 - b 24)245. Sie weist, im Unterschied zur Atomlinientheorie des Xenokrates, auf Piaton und Speusipp248 zurück. In dieselbe Richtung deuten ferner die 243 Vgl. auch Simpl. in phys. 454, 8 f. D.: έν τούτοις δέ και ή άόριστος δυάς όραται Ικ τε της έπι τό μέγα καΐ της επί τό μικρόν μονάδος συγκειμένη, STENZEL Z G 3 64 f.; GAISER P U L 55 f. Vgl. Alex. b. Simpl. in phys. 454, 36 f. D. 241 Vgl Exkurs S. 3 3 9 und oben S. 260 zu Phys. 187 a 2 f. 245 Im einzelnen: 972 a 3 1 , 32, 3 3 (bis), b 4, 5, 6, 17, 19 f., 2 1 , 22, 24. Der Charakter des Referates deutlich ζ. B. 972 a 30 ff.: ούκ αληθές δέ κατά στιγμής ειπείν, ούδ' δτι τό έλάχιστον των έν γραμμή, b 3 f-: ώστ' ούκ έσται στιγμή τό έν γραμμή έλάχιστον (wiederholt b 5 f·. 16 f.), b 23 f.: ούκ έσται κατά ταύτης sc. τής στιγμής άληθές ειπείν δτι τό έν γραμμή έλάχιστον. Vgl. dazu Ο. APELT, Beiträge 286 Anm. 1 : „ E s ist klar, daß mit den obigen Definitionen wirklich vorhandene Definitionen kritisiert werden." Η. H. JOACHIM, Anm. zu 972 a 30 ff.: ,,Νο doubt he is attacking a current definition." HIRSCH 1 1 5 . 249 Der Vergleich mit Speusipp bei HIRSCH 1 1 4 ff., vgl. SCHRAMM 57 („Schule Piatos"), dazu Speusipp fr 4 Z. 44, Z. 69 ff. LANG, b. Arist. Metaph. 1 0 1 4 b 8 f., 1 0 8 5 a 3 2 f., 1 0 9 0 b 5 ff., ferner CHERNISS, Criticism 1 3 1 f f . ; J . A . PHILIP,

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Polemik des Aristoteles gegen das ελάχιστον μέγεθος in der Geometrie (De caelo A 5, 271 b io) 247 oder die Prädizierung des akademischen Sv στοιχεΐον als τό ελάχιστον (Metaph. Μ 8, 1084 b 27)248. Da sich auf der Phoenix 20, 1966, 40. - Für Piaton ist eine abermalige - und hoffentlich endgültige - Richtigstellung angezeigt: Der von der Überlieferungskritik überanstrengte ( C H E R N I S S , Criticism 168, vgl. 130 ff.; ders. The Riddle of the early Academy, 19622, 28 f.; zuletzt W . T H E I L E R in: Isonomia, Studien zur Gleichheitsvorstellung im griechischen Denken, hggn. von J. MAU und E. G. S C H M I D T , Berlin 1964, 98 Anm. 2) oder genetisch erklärte ( F U R L E Y 1 1 0 Anm. 3: „the Academy, and probably Plato himself, later rehabilitated the point") „Widerspruch" zwischen Atomlinien (Ar. Met. 992 a 20 ff.) und Punktmonaden (Alex, in met. 55, 20 ff. H., b. Simpl. in phys. 454, 22 ff. D.; Sext. Emp. X 278) bei Piaton behebt sich restlos, wenn beachtet wird, daß die erste Stelle sich primär auf den mathematischen Dimensionszusammenhang bezieht (vgl. grundsätzlich Ross, Komm. I 202 f.) und daß Piaton selbst bei diesem nur „häufig" (πολλάκις), aber offenbar nicht immer, von Atomlinien gesprochen hat. Tatsächlich war Piaton, wenn er Elementargrößen der Ausdehnung einführte, nur in der Geometrie genötigt, den Ausdruck „ P u n k t " (στιγμή) durch den der „Atomlinie" zu ersetzen, weil der geometrische Punkt bereits anderweitig - als ausdehnungslose Grenzmarke — definiert war. (Zum letzteren richtig schon H E I N Z E , Xenokrates, 63 Anm. 2 ; S T E N Z E L , ZG 3 78 F.; vgl. N I C O L , Cl. Qu. 30, 1936, 124.) Für den dimensionalen Aufbau der physikalischen Körper, wie er in den περί τάγαθοϋ-Referaten hervortritt, war dieser Hilfsbegriff überflüssig (zum Unterschied Exkurs S. 359 f.), und Piaton konnte ohne Zweideutigkeit wie die Pythagoreer mit Punktmonaden operieren. Dies ist um so wahrscheinlicher, als er auch bezüglich der Terminologie des geometrischen Minimums nicht konsequent gewesen zu sein scheint. (Der Unterschied zwischen Punktmonade und Atomlinie ist eben nur vordergründig terminologisch, da der Sache nach beidemale das unteilbare ausgedehnte Linienelement gemeint ist.) - Der weitere Versuch von C H E R N I S S (Criticism 128 f., vgl. Κ . H . I L T I N G , Gnomon 37, 1965, 139), Piaton Linienelemente auf Grund von Phys. Γ 6, 2o6 b 27 ff. abzusprechen, ist von F U R L E Y 108 schlagend widerlegt worden: Arist. führt als Beispiel für die Begrenzung der Dyas Zahlen und nicht Größen an, „simply because Plato regarded the former as prior, and because in this case there was a limit in both directions" (vgl. μέχρι της δεκάδος b 32), wozu nur hinzuzufügen ist, daß Ar. hier außerdem die Übereinstimmung mit Piaton sucht (vgl. oben S. 298), die in den Zahlen, nicht in den Größen gegeben war. - Desgleichen besteht keinerlei Widerspruch (so I L T I N G a. O . 139 Anm. 2) zwischen dem Aufweis der άόριστος δυάς in der Ellenteilung Piatons (Porph. b. Simpl. in phys. 453, 36 ff. D. nach περί τάγαθοϋ) und der Annahme von Linienelementen, weil jene ontologische Analyse einen Sachverhalt sichtbar macht, der - im Sinne der zenonischen Dichotomie - der Begrenzung durch das £v vorhergeht. Dies beweist unwiderleglich die Anwendung auch auf die Zahlenreihe und im besonderen die Grundzahl „ Z w e i " im Kontext p. 454, 9 ff. D. 247 Dazu oben S. 265 f. 248 Von da aus läßt sich leicht der Zusammenhang mit der Prädizierung der μονάς (Sv) als έλάχιστον speziell der Zahlenreihe im Sinne des 'Physik'-Referates herstellen.

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anderen Seite der Ausdruck έλάχιστον in der auf standardisierte Elementargrößen249 bezogenen terminologischen Bedeutung weder bei Empedokles260 noch bei Diodoros Kronos - er hat den Referaten des Sextus zufolge wohl nicht von ελάχιστα, sondern ausschließlich von άμερή gesprochen251 - nachweisen läßt, kann die Dependenz - zum wenigsten die über Arist. Phys. Γ 6/7 vermittelte - des epikureischen Terminus von der Akademie für gesichert gelten. c) Der substantiell erfüllte πέρας-Begriff Ar. Phys. Γ η (207 b 2), den Epikur, Aristoteles korrigierend, von den „Einsen" der Zahlenreihe auf analoge Elementarwerte der Ausdehnung (πέρατα μηκών) übertragen hat 252 , ist bei Aristoteles singular, πέρας bezeichnet bei Aristoteles sonst durchweg eine formale Grenzmarkierung, und zwar verbindet Aristoteles den πέρας-Begriff primär mit den Dimensionen (Punkt) - Linie - Fläche - Körper, von denen die einfachere jeweils entweder „Grenze" (πέρας) oder „Schnitt" (διαίρεσις, τομή) der nächsthöheren sein kann263, ohne selber an ihr teilzuhaben254. Aristoteles folgt damit der von Piaton eingeführten Terminologie256, die sich später auch Eu249

Der ältere Atomismus scheidet damit automatisch aus der Vorgeschichte aus. 250 y s gl A 43 = Aet. I 13, 1: Εμπεδοκλής έφη πρό των τεττάρων στοιχείων θραύσματα ελάχιστα οιονεί στοιχεία πρδ των στοιχείων όμοιομερή und Aet. I 17. 3 : Εμπεδοκλής καί Ξενοκράτης (fr 50 Η.) έκ μικροτέρων όγκων τά στοιχεία συγκρίνει, όίπερ έστίν έλάχιοτα καί οιονεί στοιχεία στοιχείων. Es handelt sich um eine elativische, nicht fixierende Prädikation der Grundkörper, die von dem späteren Terminus weit entfernt ist. (Zweifel am Uberlieferungswert bei W. THEILER, in: Isonomia, Bln. 1964, 90, der hier statt Empedokles Herakleides v. P. vermutet.) 251 Ygi u n t e n S. 310 f., S. 314, S. 326 Anm. 327. 252 Yg] 0 ben S. 286 f. Der Gedanke der durch die Minima gesetzten „Teilungsgrenze" auch bei Lukrez I 618 ( . . . nisi erit minimum . . . dimidiae partis pars semper habebit dimidiam partem nec res praefiniet ulla), I 746 (finern non esse secandis corporibus facient. . . nec prorsum in rebus minimum consistere qui). Der Ausdruck begegnet im übrigen auch bezogen auf die Minima der Bewegung: fr 278 p. 197, 25 Us. = Themist. in phys. Ζ ι CAG V 2 p. 184, 28 ff. Sch.: πέρατα κινήσεως καί τοϋ κεκινήσθαι. 253 Vgl. bes. Metaph. Κ 2, io6o b 13 ff.: ταϋτά γ' ούκ είσΐν ούσίαι χωρισταί, τομαι δέ καί διαιρέσεις αί μέν έπιφανειών αί δέ σωμάτων αί δέ στιγμαί γραμμών, έτι δέ πέρατα των αύτών τούτων, vgl. 19), Met. A 992 a 23, Β IOO2 b 8 ff. (ή πέρατα ή διαιρέσεις είσίν), Ζ 1028 b 16, Ν 1090 b 5 ff·, 9 ff· (πέρατα καί ϊσχατα), vgl. a 1 8 ff., P h y s . 209 a 8 f., b 8 f., vgl. M e t . Δ 1 0 2 2 a 4 ff. u n d BONITZ I n d . A r . 578 a

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ι ff. Ähnliches gilt vom „ J e t z t " (νϋν) als Marke (πέρας) im Zeitkontinuum (vgl. ζ. B. Phys. Δ 220 a 21 ff., 222 a 12). Ζ. Β. PI. 'Menon' 76 A 7 (στερεού πέρας σχήμα είναι). Der Anschluß des Aristoteles deutlich Top. Ζ 4, 141 b 21 f. (τ£> μέν γάρ γραμμής, τό δ' έπιπέδου, τά δέ στερεοϋ φασι πέρας είναι) und 11, 148 b 26 ff. (mit vermutlich akademischen

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Epikurs Lehre v o m Minimum

klid zu eigen gemacht hat266, und wendet sie rückwirkend auch auf die Dimensionenlehre „der Pythagoreer" an257, ohne freilich die ontologischen Implikationen Piatons oder der Pythagoreer mitzuvollziehen. Aristoteles - und nach ihm der Verfasser der Atomlinienschrift - benutzt diesen von Piaton überkommenen πέρας-Begriff sogar, um gegen Piatons eigene Theorie der Atomlinien bzw. Punktmonaden anzugehen, indem er geltend macht, dieser kleinsten linearen Ausdehnung müsse ihrerseits eine „Grenze" (πέρας) in Gestalt des mathematischen Punktes zukommen258. Darin spricht sich der Unterschied zwischen der rein mathematischen Betrachtungsweise des Aristoteles und der ontologischen der Akademiker aus, die im Linienelement der ersten Dimension einen Spezialfall des πέρας-Begriffs geschaffen hatten, der in der zweiten und dritten Dimension fehlt: Während deren „Grenzen" in der jeweils vorhergehenden Dimension liegen, ist das πέρας der ersten Dimension nicht der mathematische Punkt, sondern ihr eigenes Minimum, das an der Dimensionalität, d. h. der Ausdehnung selbst teilhat. Es bedeutet darum weniger „Außengrenze" als vielmehr „Teilungsgrenze". Dieser spezielle, substantiell erfüllte πέρας-Begriff269 der Atomlinien oder Punktmonaden tritt deutlich hervor im Referat Alexanders Definitionsbeispielen). Z u m historischen Z u s a m m e n h a n g I. L . HEIBERG, M a t h e m a t i s c h e s zu Aristoteles, A b h . z. Gesch. d. m a t h . Wiss. 18, 1904, 7 f . ; CHERNISS, C r i t i c i s m 1 3 2 f . A n m . 83. 256

V g l . z. B . E u c l . E l e m . I D e f . 3, I D e f . 6, X I Def. 2. Z u m HEIBERG a. O. 7 f.; STENZEL Z G 3 7 5 ; GAISER P U L 420 A n m .

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Zusammenhang 270.

Ζ. B . M e t a p h . 1028 b 16 ff., 1090 b 5 ff., D e sensu 439 a 30 ff. Die P y t h a g o r e e r selbst v e r w e n d e n den πέρας-Begriff in dieser B e d e u t u n g n o c h n i c h t (vgl. HEATH, H i s t o r y 166: nur der „ I d e e " u n d „ I n t e n t i o n " n a c h angelegt), v g l . j e d o c h die ü b e r n ä c h s t e A n m e r k u n g . M e t a p h . A 9, 992 a 23 (καίτοι άνάγκη τούτων εΐναί τι πέρας), v g l . D e lin. insec. 970 b 10 ff. (ή δέ όίτομος . . . έξει πέρας - διαιρετή &ρα). U m g e k e h r t k a n n d e n άμερή die „ G r e n z e " (ϊσχατον) a b g e s p r o c h e n werden, w e n n gegen ihre R e i h u n g a r g u m e n t i e r t w i r d : P h y s . Ζ ι , gen. e t corr. 317 a 2 ff., v g l . lin. insec. 971 a 26 ff. F ü r ihn g a b es ein p y t h a g o r e i s c h e s A n a l o g o n i m v e r w a n d t e n δρος-Begriff, der ursprünglich d a s (substantiell erfüllte) „ G l i e d in der P r o p o r t i o n " bezeichnete, u n d z w a r p r i m ä r in der Musiktheorie als „ G r e n z w e r t " eines Intervalls, v g l . d a z u K . VON FRITZ, Philosophie u. sprachl. A u s d r u c k b. D e m o k r i t , P l a t o u n d Aristoteles, 1938, N a c h d r u c k 1966, 69 f. A n m . 2; Joh. LOHMANN, Musike und L o g o s , A u f s ä t z e z. griech. Philosophie u n d Musiktheorie, S t u t t g a r t 1970, 93 A n m . 2 („solche W ö r t e r w i e " ,,δρος ' G r e n z p u n k t ' " „ s c h w e b e n " „ a l s b i l d h a f t anschauliche A u s d r ü c k e zwischen Musiktheorie, G e o m e t r i e und später . . . a u c h L o g i k " ) , v g l . HEIBERG a. O. 14. D e r δρος-Begriff k a n n daher gelegentlich d e n des πέρας v e r t r e t e n (Ar. M e t a p h . Ν 1092 b 9 f . : οροί, οίον at στιγμαΐ των μεγεθών).

Die P h y s i k der A k a d e m i k e r

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aus der Nachschrift von Piatons περί τοϋ άγαθοϋ (Simpl. in phys. 454, 23 f. D. = Test. Plat. 23 Β G.: και γαρ της γραμμής τά πέρατα σημεία), wo die neutrale Bezeichnung ση μείον gegenüber der mathematischen στιγμή differenzieren soll280 und damit zugleich den authentischen Wortlaut verbürgt, πέρας erscheint hier in derselben Bedeutung („Grundwert", „Elementarwert") und Funktion (πέρατα της γραμμής ~ των μηκών) wie im Herodotbrief Epikurs. Speusipp ist Piaton gefolgt, wenn er die Punktmonaden (στιγμαί) als άρχαί und στοιχεία der Ausdehnung (μέγεθος, γεωμετρική ούσία)261 πέρατα nennt 262 . Es ist daher wahrscheinlich, daß auch Xenokrates im Anschluß an Piaton diesen Begriff des πέρας in seiner Physik gebraucht und auf die Atomlinien angewendet hat. D a ß die „Einsen" der Zahlenreihe in der Akademie in gleicher Weise als „Teilungsgrenzen", πέρατα, bestimmt worden sind, hegt auf der Hand. Beidemale, bei den „Einsen" wie bei den Linienelementen, ist das zugrundeliegende, ins Unendliche teilbare Materialprinzip durch die formbildende K r a f t des Einen in analoger Weise „begrenzt" worden 263 . Der enge Zusammenhang wird im Alexander-Referat nach Piatons περί τάγαθοϋ scharf beleuchtet, wenn die Linienelemente und Teilungsgrenzen ausdrücklich als ,,Einsen mit L a g e " (Punktmonaden!) bezeichnet werden (Simpl. a. O. 454, 24 D . : τά δέ σημεία = πέρατα είναι μονάδας θέσιν έχούσας). Auch der Ausdruck πέρας, den Epikur in polemischer Absicht aus der aristotelischen 'Physik' in die eigene Minimalehre übernimmt, ist also - wie der des „Minimums" (έλάχιστον) selbst - akademischer Terminus. Es entbehrt dabei nicht eines gewissen paradoxen Reizes, daß Epikur im Durchgang durch den T e x t des Aristoteles faktisch über Aristoteles hinaus und gegen ihn eine Reakademisierung vollzieht, indem er - von den Prämissen des Atomismus ausgehend - die „Begren2βο V g l . den akademisierenden Dimensionszusammenhang Ar. T o p . 141 b 6 ff., 19 ff., w o einerseits der P u n k t als σημεΐον bezeichnet (12), andererseits der akademische πέρας-Begriff referiert wird (21 f.). Zur mutmaßlichen N e u fassung der Terminologie durch P i a t o n H E I B E R G a. O . 8 ; R o s s , Arist. M e t a p h . I 207 K o m m . ; J. STENZEL Z G ® 74 f. 281

282

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fr 4 p. 57, 69 f. L A N G (πρώτη μέν γάρ άρχή εις μέγεθος στιγμή); sowie bei J a m b l . D e comm. m a t h . sc. I V p. 18, 6 f., vgl. 17, 15 F E S T A . fr 4 p. 56, 49 L A N G , m i t der Erläuterung v o n D I E L S V S I p. 401, 25 A p p . V g l . ferner D e lin. insec. 972 a 20 ff. A l e x , in metaph. 56, 18 if. H . ( = T . PL 22 Β p. 479 G.) und b. Simpl. in phys. 455, 6 - 8 D . sowie Porphyr, b. Simpl. in phys. 454, 1 3 - 1 6 D . ( = T . PI. 23 Β p. 483 f. G.).

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Epikurs Lehre vom Minimum

zung" des Größenbereichs erneuert und dabei wie in spontaner Koinzidenz auf die zugehörigen Termini der orthodoxen akademischen Physik hingeführt wird.

II. Vergleicht man auf Grund dieser Sachlage die akademische und die epikureische Theorie kleinster Größen genauer, dann ergibt sich eine Reihe weiterer Analogien, die über den Vorgang der Standardisierung hinausreichen. Der Vergleich kann sich auf die Materialien stützen, welche die platonischen Dialoge 'Timaios' und 'Parmenides' sowie die Referate der Doxographie (nebst Aristoteles) für die Physik der Akademiker zur Verfügung stellen. Die akademische Physik, von der der 'Timaios' nur einen Ausschnitt bietet, ist bestimmt von den beiden Themen des Körpers und der Bewegung. Die Ableitung der Körperwelt steht im Mittelpunkt und ist mit dem Derivationszusammenhang des Systems in den nachgeordneten Stufen der Seinsordnung weithin identisch. Die idealen Dimensionen und geometrischen Gebilde der Transzendenz und mittelbar die idealen Zahlen und die Prinzipien gehören daher als Modelle und Erste Elemente zum Umkreis der Physik hinzu284. Im einzelnen vollzieht sich die Ableitung der - vom Kanon der fünf regelmäßigen stereometrischen Körper bestimmten - Elementarkörper dimensional (Linie - Fläche Körper), wobei als Basisgröße das theoretisch unteilbare Linienelement in Gestalt der Punktmonade (Piaton, Speusipp) oder der gleichbedeutenden Atomlinie (Xenokrates) zugrunde Hegt. Der gemeinsame Aufriß tritt am vollständigsten bei Piaton und Xenokrates hervor, während Speusipp ohne ideale Modellgebilde auskommt und bei dem an den 'Timaios' anknüpfenden Herakleides nur die unterste Stufe des Systems (Körper - Flächen) genauer bekannt ist265. Bei Piaton und Xenokrates sind drei Arten theoretisch unteilbarer Größen erkennbar: ideale, mathematische und physikalische, die deutlich voneinander unterschieden sind und von denen die letzteren zugleich als Elemente 2»4 Vgl. bes. Ar. De an. A 2, 404 b 19 ff. = Test. Plat. 25 A G. samt dem zugehörigen Referat aus der Physik des Xenokrates fr 39 H E I N Z E . 265 Näheres dazu unten S. 308. Ähnliche physikalische Systeme sind für andere Akademiker erschließbar, so etwa für den in der detaillierten Durchführung Xenokrates nahestehenden Hestiaios (Theophr. Metaph. 6 b 9 - 1 1 ) .

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des physikalischen Raumes gelten können. Zu den Elementen der Ausdehnung treten physikalische Zeitatome hinzu. Xenokrates hat das System theoretisch unteilbarer Größen gegenüber Piaton noch reicher ausgestaltet, indem er im mathematischen und physikalischen Bereich in allen drei Dimensionen kleinste Größen annahm, also neben den Atomlinien auch Atomflächen und -körper. Bei Xenokrates, wo sich die Physik der Akademie zuerst ausdrücklich als philosophische Disziplin konstituiert und literarisch niedergeschlagen hat, liegt zugleich der historische Berührungspunkt mit dem Frühhellenismus und dem späteren Piatonismus. Über das einschlägige, vor allem die minimalen Größen betreffende Material zur xenokratischen Physik, das in der folgenden Erörterung vorausgesetzt wird, orientiert der diesem Kapitel angeschlossene Exkurs. i. Daß die Beschränkung der Atomgrößen und -formen, die die epikureische Theorie der Minima in den wild wuchernden, formenreichen älteren Atomismus Demokrits hineinträgt, eine Konsequenz des Finitismus ist, der vom Piatonismus des vierten Jahrhunderts her auf die hellenistische Philosophie eingewirkt hat, hat man schon immer empfunden. Der eingehende Vergleich jedoch, den Ch. Mugler mit der Elementenlehre des platonischen 'Timaios' vorgenommen hat, ist notwendig recht allgemein und oft widersprüchlich geblieben268. Der Ausgangspunkt Epikurs ist zweifellos nicht die Theorie der Flächen und 266 MUGLER, bes. 160 ff. Gewiß trifft es zu, daß die Zahl der Formen gegenüber Demokrit bei Epikur wie im 'Timaios' begrenzt ist; doch nimmt MUGLER andererseits nach Tim. 57 C f. an, die Zahl der Größen sei bei Piaton unendlich groß, während bei Epikur auch diese endlich ist. Umgekehrt soll die Zahl der Exemplare einer Atomart bei Piaton endlich, bei Epikur dagegen unendlich groß sein. Die platonischen Elementardreiecke werden nicht mit den Minima, sondern mit den Atomformen Epikurs verglichen (tatächlich ist die Flächendimension für den Vergleich ganz ungeeignet, vgl. unten Anm. 271). Die wichtigste Gemeinsamkeit: die fortschreitende Entwicklung aller Atomgrößen aus den Minima bzw. den Atomlinien oder Punktmonaden kommt daher auf Seiten Piatons nicht heraus. Daß die Diskontinuität des Raumes, die der epikureischen Theorie des Minimums zugrunde liegt, selbst akademischer Herkunft ist, verkennt MUGLER (154: „monstruosite mathdmatique", „erreur naive", „connaissance insuffisante de la g6ometrie"). Ähnlich Ch. MUGLER, L'isonomie des Atomistes, Rev. de Philol. 30, 1956, bes. 236, 248 ff.; ders. Rev. de Philol. 35, 1961, 86. - Zur Frage des epikureischen Finitismus vgl. jetzt die systemimmanenten, zwischen Ethik und Physik vermittelnden

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Körper im 'Timaios', sondern die ihr zugrunde liegende lineare Dimension gewesen, wie sie in dem Aufbau der Atome aus Minima, ihrer Quantifizierung und fortschreitenden Ableitung nachwirkt. Es liegt indessen nahe, von dieser Basis aus einmal die epikureische Atomstruktur mit dem akademischen Dimensionsgefüge im ganzen zu konfrontieren. Zunächst fällt es auf, daß Epikur die Atomgrößen nicht etwa nach Volumen, Umfang, Durchmesser oder Oberfläche an den Minima mißt - alle diese Gesichtspunkte wären gleichberechtigt anwendbar - , sondern ausschließlich nach der linearen Erstreckung (μήκος). Warum wählt Epikur gerade dieses Kriterium und mißt dreidimensionale Körper allein nach Längen? Augenscheinlich deshalb, weil die lineare Erstreckung das dimensional Einfachste und Elementarste ist: Epikur geht bis zur ersten, zur Urdimension zurück, um dadurch die Körper der dritten Dimension analytisch leichter überschauen und rationeller ableiten zu können. Die Minima selbst treten dadurch als πέρατα μηκών in Analogie zu Punkten 267 . Durch beides rückt aber der minimale Aufbau der Atomkörper bei Epikur dicht an das Dimensionssystem und insbesondere die Theorie der Atomlinien (Punktmonaden) der Akademie heran, die genau wie die epikureischen Minima Elemente (πρώτα) und Grundwerte (πέρατα) von Linien (γραμμών)2®8 und Strecken (μηκών)2®9 sind. Die Verwandtschaft zeigt sich jetzt darin, daß beidemale dreidimensionale Körper nach Größe und Erörterungen bei Ph. DE LACY, Limit and variation in the Epicurean philosophy, Phoenix 23, 1969, 104-113. 247 Ο. APELT hat dies richtig gesehen: Diogenes Laertius X . Buch: Epikur, Philos. Bibliothek F. Meiner, Bd. Nr. 266, 1921, Neuausgabe 1968 von K . REICH und H. G. ZEKL, 140 Anm. 115 z. St.: „ I n der Deutung dieser Stelle hat man m. E . übersehen, daß μήκος in der Sprache der Geometer die Längendimension im Gegensatz zu der Breiten- und Tiefendimension ist, also die einfache gerade Linie bedeutet im Gegensatz gegen die Fläche und den Körper . . . Die Grenze der Linie ist aber der Punkt (wie die Grenze der Fläche die Linie und die Grenze des Körpers die Fläche ist)." Vgl. GIUSSANI I 61; DIANO G. C. F. I. 20, 1939, 113 ff. („ausgedehnte Punkte"); GIGON 1 i g („Punkten", anders 275). 268 Vgl. oben S. 303 (Test. Plat. 23 Β). 2β» Vgl die Referate Arist. De caelo Γ ι, 299 a 11 (αδιαίρετα μήκη als Atomlinien) und für die generelle Bezeichnung der ersten Dimension als μήκος Ar. De an. A 2, 404 b 20 (πρώτον μήκος), Metaph. A 9, 992 a 11, Μ 9, 1085 a 10, Ν 2, 1089 b 12 f., 3, 1090 b 22; De lin. insec. 968 b 8 f.; Topik Ζ 6, 143 b 11 f. (οί τήν γραμμήν οριζόμενοι μήκος άπλατές είναι, zur Fortwirkung dieser vom Dimensionszusammenhang bestimmten Definition Sext. Emp. X 279 f., vgl. I X 391 ff.; Philon Al. Quis rer. div. her. 131; Eucl. El. I Def. 2; HEATH, History I 2 9 3 ; GAISER P U L 420.)

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Form auf die erste Dimension zurückgeführt und nach deren Elementargrößen bemessen und organisiert werden. Wie die Linienelemente der Akademiker primär Linien - und dann erst Flächen und Körper messen und aufbauen, so messen und konstituieren die Minima Epikurs als πέρατα μηκών primär lineare Strecken (μήκη), die dann im Zusammenwirken der verschiedenen Dimensionsrichtungen Flächen und Körper einschließen. Und wie die Atomgrößen Epikurs als ganze Vielfache der minimalen Längen eine kontinuierlich fortschreitende Reihe bilden, so sind auch schon die Flächen und Körper der Akademiker als ganze Vielfache der Linienelemente „symmetrisch" zueinander und wachsen der Größenordnung nach in kontinuierlicher Abfolge an. Es Hegt nahe, daß Epikur zur Bevorzugung der eindimensionalen, linearen Perspektive durch Arist. Phys. Ζ ί ο angeregt worden ist, wo die in einer Bewegungsrichtung sich erstreckende Reihe gleicher Raumeinheiten die normierte Diskontinuität auch der bewegten Körper erzwingt270. Damit bestätigt es sich noch einmal, daß die Minima Epikurs den akademischen Linienelementen entsprechen, aus denen bei den Akademikern Raum und Körper gleichermaßen aufgebaut sind. Steht dies fest, so eröffnet sich der Ausblick auf eine weitreichende Verwandtschaft des Gesamtgefüges von Minima und Atomen. Da nämlich auch die Akademiker in Anlehnung an den älteren Atomismus dreidimensionale Grundkörper der Elemente angenommen haben (regelmäßige Körper in Piatons 'Timaios' und bei Speusipp, danach auch die ογκοι und άμερή bei Xenokrates und Herakleides), ergibt sich - bei allen unübersehbaren Unterschieden, die in der materiellen Natur auch der Minima bei Epikur begründet sind - eine Analogie in der Zweigleisigkeit atomarer und minimaler Betrachtungsweise: Beidemale erfolgt die Analyse der Körperwelt in zwei Etappen und Ebenen, die miteinander dort mehr, hier weniger im Sinne der dimensionalen Reduktion zusammenhängen 271 . Beidemale vollzieht sich die Ableitung der Atomkörper aus den „ersten" Minimanach dem Gesetz vom ganzen Vielfachen, wodurch die Zahl möglicher Größen (und Formen) beidemale begrenzt wird, und in beiden Fällen sind die ersten Minima physikalisch nicht isolierbar. Der epikureischen Gesamtstruktur von Atomen und Minima steht unter den Vorgängern möglicherweise Xenokrates am nächsten, falls er 270 271

Vgl. o b e n S . 283 f. Bei Epikur entfällt die Flächendimension, insofern sie bei der Ableitung der Atomgrößen nicht zusätzlich als Rechengröße eingeführt wird. Vgl. jedoch unten Anm. 275.

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Epikurs Lehre vom Minimum

wirklich wie die alten und die jungen Atomisten physikalisch unzerstörbare Atomkörper angenommen haben sollte272. Demgegenüber sind die Grundkörper der Elemente in Piatons 'Timaios' physikalisch bis zu Flächen (Dreiecken) teilbar; an sie schließen sich, wie J. M. Lonie 273 in mehreren Aufsätzen gezeigt hat, die in θραύσματα zerschlagbaren άναρμοι δγκοι des Herakleides an274. Die άμερή des Diodoros Kronos vollends lassen überhaupt keine Differenzierung zwischen Atomen und Minima erkennen und sind offenbar beides in einem. Als erstes Teilergebnis des Vergleichs bleibt daher festzuhalten: Die epikureische Theorie der Minima entspricht der akademischen Elementenphilosophie nicht nur methodisch - in der exakten Quantifizierung ihrer Strukturen - , sondern unterhegt darüber hinaus einer tiefgreifenden Analogie des atomaren Gesamtaufbaus 276 . 272

273

274

Zur Erörterung dieser Frage Exkurs S. 346 f. Unabhängig davon kommt Xenokrates auch mit der Annahme physikalischer Minima in der dritten Dimension und der dadurch bedingten „Granularstruktur" der Elementarkörper (dazu Exkurs S. 345 f. und S. 360) der epikureischen Atom- und Minimatheorie am nächsten. J. M. L O N I E , The άναρμοι δγκοι of Heracleides of Pontus, Phronesis 9, 1964, 156-164, bes. 162 ff.; zur Ergänzung und Bestätigung ders. Medical Theory in Heracleides of Pontus, Mnemosyne I V 18, 1965, 126 ff., bes. 139 ff., vgl. 135 L. klärt die widerspruchsvolle Uberlieferung zur Atomlehre des Herakleides und seines Nachfolgers Asklepiades v. Bithynien durch die Unterscheidung einer gleichsam molekularen (άναρμοι δγκοι: „loose-jointed particles": „nicht festgefügte Massenteile", παθητά, d. h. θραυστά, vgl. bes. Sext. Emp. X 318 = fr 120 W E H R L I ) und einer atomaren (θραύσματα = έλάχιστα, άπαθη, vgl. bes. Aet. I 13, 4 = fr 121W.) Ebene auf, die er einerseits auf die Elementarkörper, andererseits auf die Elementardreiecke des 'Timaios' zurückführt, welche eine Umsetzung der Elemente Wasser, Feuer, L u f t ineinander ermöglichen (der Ausdruck καταθραύειν in diesem Zusammenhang Tim. 56 Ε 4 f., 57 Β ι, vgl. συναρμοσθέντα 56 D 4 f.). Der Anschluß des Herakleides an den 'Timaios' wird durch die medizinische Anwendung der Atomlehre und den Dialog περί της άπνου (vgl. fr 76 ff. W.) zusätzlich gesichert. (Den medizinischen Einschlag im Terminus άναρμος und seine Bedeutung im Sinne von θραυστός hatte schon W. A. H E I D E L erkannt: The άναρμοι δγκοι of Heracleides and Asclepiades, T A P h A 40, 1909, 19-21.) Unklar bleibt das Problem der Mathematisierung, das teilweise von der umstrittenen Ekphantos-Frage abhängt (vgl. Ekphantos V S 51 Nr. 2 p. 442, 17 f. = Aet. I 3, 19: mit Körpermonaden, dazu L O N I E , Phronesis 9, p. 163 f. Die sich mehrenden Stimmen für die Echtheit der Ekphantos- und Hiketas-Überlieferung gegen E. F R A N K u. a. oben S. 186 Anm. 338). f r 1 1 8 ff. W E H R L I .

375 Wie das „Maß"-Verhältnis zwischen Atomen und Minima durch den Rückgang in die erste Dimension vereinfacht wird, so könnte das durch die aristotelische Kritik gestellte Problem der Berührung zwischen den unteilbaren Minima selbst (vgl. oben S. 244 und S. 282 f.) durch den Regreß in die

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309

2. Ist der Zusammenhang zwischen den Körperminima Epikurs und dem minimal bestimmten Dimensionsgefüge der Akademie zum wenigsten über Ar. Phys. Ζ gegeben, so fällt als nächstes die Parallele des zugehörigen Bewegungs-Systems von unteilbaren Raum-, Zeit- und Bewegungseinheiten ins Auge. Den kritischen Erwägungen des Aristoteles in Phys. Ζ (bes. c. 10), an die Epikur anknüpft, entspricht ein zweite Dimension gelöst sein: Daß Epikur sich gegen den Einwand, Berührung sei nur mit „Teilen" möglich, durch die dimensionale Unterscheidung zwischen den minimalen Körpern selbst und ihren berührenden Außenflächen geschützt habe, ist von F U R L E Y - offenbar im Bück auf die akademische Minimalehre (a. O. 106) - eingehend erwogen, aber dann doch verneint worden (a. O. 5 f., 115 f., vgl. 121). F U R L E Y S Begründung, Epikur habe Außenflächen wahrnehmbarer Körper aus Atomen bestehen, d. h. an der Dreidimensionalität teilhaben lassen und daher generell nicht zwischen „Grenzen" und „Teilen" unterschieden (a. O. 6), wirkt jedoch wenig überzeugend. Da andererseits die Formulierung des Herodotbriefes (§ 58: ούδέ μέρεσι μερών άπτόμενα, άλλ' ή έν τη Ιδιότητι τη έαυτών . . . καταμετροΰντα) zwar keine positive Lösung bietet, aber sie auch nicht ausschließt, bleibt eine ausführlichere Darstellung des Problems in περί φύσεως denkmöglich, die von dem angegebenen Rechtsgrund Gebrauch machte, wobei eine direkte Anknüpfung an die akademisch-xenokratische Minimalehre und ihre dimensionale Betrachtungsweise zu erwägen wäre. (Dem letzteren scheint freilich entgegenzustehen, daß Epikur in περί φύσεως XIV die Elementardreiecke des 'Timaios' als wahrnehmbar und körperhaft mißdeutet hat, wozu unten S. 320 f. In dem Maße, wie dieses Mißverständnis prinzipiellen Charakter annahm, mußte Epikur die Einsicht in die zugehörige dimensionale Abstufung verschlossen bleiben.) So wenig sich darüber etwas ausmachen läßt, so bemerkenswert ist es doch, daß das Argument bei dem in der Nachfolge des Epikureismus stehenden Giordano Bruno 'De triplici minimo' (1591) I 7 ff., IV 7, in der Abwehr der von Arist. Phys. Ζ ι vorgebrachten Einwände tatsächlich begegnet: Die Berührung von „Minima" sei möglich, weil ihre „Grenzen" (termini, πέρατα) einer anderen Dimension angehören und daher nicht als „Teile" des Teillosen betrachtet werden können (vgl. ζ. B. die Unterscheidung De tripl. min. IV 7: Est Minimum cujus pars nulla est, prima quod est pars. Terminus est finis cui nec pars, quod neque pars est, und dazu L A S S W I T Z I 370 ff., 388 f.). Epikur hätte im übrigen das Argument mit größerem Erfolg in Anspruch nehmen können als die Akademiker, da die epikureischen Minima kraft ihrer materiellen Natur dreidimensional (zur mutmaßlichen Würfelform oben S. 254 f.) und daher einer weiteren dimensionalen Zurückführung fähig waren, während zum mindesten die akademischen Linienelemente der Kritik von Ar. Phys. Ζ ι in keiner Weise entgehen konnten. Dieser Vorzug, der auch für die - den Körperminima kongruenten - Raumminima zutrifft, entfiel allerdings bei anderen Bereichen minimaler Struktur (Zeit-, Bewegungs-, Richtungsminima).

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Epikurs Lehre vom Minimum

mehr oder weniger ausgebildetes akademisches Bewegungs-System von Minima: Die Akademiker und insbesondere Xenokrates haben wie Epikur nicht nur Minima der Körperwelt, sondern auch des Raumes und der Zeit angenommen 278 . Zieht man die gegen die Bewegung gerichteten Gedankenexperimente Zenons (Argument vom fliegenden Pfeil mit „unteilbaren Zeiteinheiten", fr Β 4 mit Raumteilen) 277 , die darauf aufbauende Minimahypothese des Megarikers Diodoros Kronos sowie die Überlegungen des Aristoteles in Phys. Ζ und die Minimalehren der folgenden Peripatetiker 278 hinzu, so ergibt sich die folgende Übersicht:

Minima Xenokrates Zenon Körper Zeit Raum [Raum] Zeit (Bewegung) 2 ' 8

Diodor Aristoteles Ph. Ζ Theophrast Raum Raum Bewegung Körper Zeit (BeweBewegung gung) Körper

Straton Zeit

Epikur Körper Raum Zeit Bewegung Richtungsdifferenz

Bei Zenon handelt es sich nicht eigentlich um eine Theorie physikalischer Minima, da er die Bewegung nicht positiv erklären, sondern destruieren und denkunmöglich machen will; der konstruktive Elementen- und Maßgedanke liegt ihm darum auch völlig fern 280 . Etwas anders steht es bei Diodoros Kronos: Auch er leugnet mit einer Reihe von Argumenten 281 die Bewegung, weicht aber darin von der älteren Vgl. Exkurs S. 347 ff. und S. 350 f. Während im Pfeil-Argument VS 29 A 27 = Arist. Phys. Ζ g, 239 b 5 ff., 30 ff. offenbar gleiche Zeiteinheiten (,, Jetzte": vüv) unterschieden werden, wird in fr Β 4 = D. L. I X 72 lediglich der Raum, den ein bewegter Körper einnimmt, von demjenigen abgehoben, den er nicht einnimmt (τ6 κινούμενον οΰτ' έν ώ ϊστι τόπω κινείται οΰτ' έν φ μή έστι). Mit einer periodischen Gliederung des Raumes hat dies nichts zu tun. 278 Ygi Exkurs S. 351 Anm. 405. 279 Hinzu kommt wahrscheinlich ein kleinstes Tonintervall in der Musikologie und Akustik (Halb- oder Viertelston, vgl. PI. Pol. VII 531 A 7, Arist. Metaph. 1016 b 2 2 , 1 1 0 5 3 a 12, Ν 1087 b 35, Anal. post. 84 b 38, und dazu G A I S E R P U L I 57. 375 Anm. 135 und grundsätzlich J. L O H M A N N , Musik6 und Logos, 1970, 113) und - in Anlehnung daran - möglicherweise ein kleinstes Farbintervall (der Aufbau der Färb- im Anschluß an die Tonskala Arist. De sensu 3, 439 b 18 ff. folgt wahrscheinlich einer akademischen Quelle, vgl. K. G A I S E R , Piatons Farbenlehre, in: Synusia f. W. Schadewaldt, Pfullingen 1965, 185 ff.). 280 Dazu zuletzt klärend G . V L A S T O S , A note on Zeno's arrow, Phronesis xi, 1966, 10 f., vgl. oben Anm. 229. 281 ygi. bes. Sext. Emp. X 1 1 2 ff. sowie die zusammenfassende Behandlung bei Ζ7β 277

ZELLER, P h . d . G r . I I i e , 2 6 6

ff.

Die Physik der Akademiker

311

eleatisch-megarischen Eristik ab, daß er zwar die Bewegung als Prozeß negiert, im Resultat aber anerkennt. Die in diesem Zusammenhang begegnende, mit Aristoteles Phys. Ζ und Epikur übereinstimmende perfektische Ausdrucksweise (κεκίνηται, κεκινήσθαι)282 deutet die Vorstellung von stoßweisen Bewegungsrucken, -Sprüngen und -Schüben an, ohne daß darüber in den Referaten deutlicher reflektiert würde. Diodoros ist offenbar primär von einem Zenon fr Β 4283 entsprechenden, aber der Zeitgliederung des Pfeil-Arguments genau analogen Aufbau des Bewegungsraumes ausgegangen (τόποι άμερεϊς)284, den er hypothetisch mit άμερή σώματα, den Bausteinen aller Körper besetzte. Sie füllten die Raumeinheiten völlig aus (έκπεπληρωκέναι, περιέχεσθαι)286, waren also diesen und in der Konsequenz auch untereinander kongruent, und entsprachen der Doxographie zufolge den Atomen und den Elementarkörpern der Atomisten und Akademiker28®. Sie müssen nicht nur physikalisch, sondern - in Übereinstimmung mit den Raumeinheiten - auch theoretisch unteilbar gewesen sein und dürften am ehesten die Form des Kubus besessen haben. Wie sehr auch dieses Denkmodell nur bedingungsweise und zuletzt in eristischer Absicht entworfen sein mochte, es beweist doch durch seinen eleatischen Ansatz, daß es in der Epikur vorausgehenden Epoche von Aristoteles wenigstens teilweise unabhängige Denkexperimente gab, die auf das epikureische Bewegungs-System von Raum-, Bewegungs- und Zeitminima Einfluß nehmen konnten. Was die akademisch-xenokratische Physik angeht, so waren sowohl mit den Raumminima wie mit den Zeitminima unvermeidlich - ob ausdrücklich oder unausdrücklich - auch Bewegungsminima gesetzt (vgl. das Bewegungsargument für die Raumminima De lin. insec. IV). Die Sext. Emp. X 48, 85 f., 92, ior f., vgl. 97 ff., 143. Diodoros wiederholt dieses Argument Zenons unverändert: Sext. Emp. X 94, vgl. Hyp. Pyrrh. I 242, 245, I I I 7 1 ; etwas umgeformt X 112 a. E . 284 Sext. Emp. X 86, vgl. 120; bes. 142 f. 285 Sext. Emp. X 86, 143. see v g l . Euseb. praep. ev. X I V 23, 4 (nach Dion. Al.): οί δέ τάς άτόμους μετονομάσαντες άμερή φασιν είναι σώματα . . . Διόδωρον . . . ovo μα δέ . . . αύτοϊς άλλο 'Ηρακλείδης θέμενος έκάλεσεν όγκους ( = fr 118 WEHRLI). Diodoros wird auch bei Sextus Emp., Galen, Hippol., Chalk, und Origenes zusammen mit den Atomisten (Demokrit, Epikur), Anaxagoras und den Akademikern (Herakleides, danach Asklepiades v. Bithynien) aufgeführt, dazu W. THEILER, in: Isonomia, Bln. 1964, 90 f. („eine gemeinsame Quelle" der Berichte erkennt schon ZELLER, Ph. d. Gr. II i e , 267 Anm. 3), vgl. Herakleides fr 119 a/b, 120 282

283

WEHRLI.

21 Krämer, Platonismus

312

Epikurs Lehre vom Minimum

Zuordnung und die Funktionseinheit von Körper-, Raum-, Zeit- und Bewegungsminima im Bewegungsablauf dürfte dabei zum wenigsten postuliert gewesen sein, weil sonst die verschiedenen Systeme von Minima einander aufgehoben hätten. Die Kongruenz der letzten Körperminima mit den Minima des Bewegungsraumes war von vornherein gegeben, da es sich beidemale um Linienelemente handelte. Die Elementarkörper traten als ganze Vielfache der Linienelemente auf, bewegten sich also nicht in Schüben ihrer eigenen Länge, sondern um Strecken, die den Linienelementen entsprachen, aus denen sie dimensional aufgebaut waren. Ähnliches mußte für das Verhältnis der Zeitminima zu den Raumminima gelten, doch spielt hier - anders als bei Diodor - der Geschwindigkeitsfaktor herein, der die Funktionseinheit des Systems lahmzulegen droht. Wahrscheinlich hat erst die aristotelische Kritik in Phys. Ζ diese Lücke aufgedeckt und dadurch Epikur veranlaßt, durch die Annahme einer sehr hohen, aber gleichbleibenden Grundgeschwindigkeit das System mit den Phänomenen in Einklang zu setzen. Andererseits zeigt die Darstellung in Phys. Ζ ι (231 b 7 ff.) und Ζ ίο (240 b 31 ff., wiederholt 241 a 23 ff.) ebenso wie Δ c. 10 ff. und die Schrift gegen die Atomlinien, daß die akademischen Gegner bereits mit Zeitmonaden operierten, und auch die Polemik gegen die Vorstellung von κινήματα, von diskontinuierlichen Bewegungseinheiten, mutet eher wie ein Referat an (ό τοϋτο λέγων 241 a 4). Man wird deshalb annehmen dürfen, daß alle Bestandteile des epikureischen minimalen BewegungsSystems bereits auf akademischem Boden vorgegeben waren, daß jedoch die Statuierung einer einheitlichen Grundgeschwindigkeit, eines einheitlichen Bewegungselements und damit die feste Zuordnung der verschiedenen minimalen Systeme ebenso erst dem durch die aristotelische Kritik287 hindurchgegangenen Epikur zufallen wie die klare Tren287

E s ist anzunehmen, daß sich Ar. Phys. Ζ ί ο primär, wenn nicht gar ausschließlich, gegen den älteren Atomismus richtet und dabei das akademische Bewegungs-System der Minima (Körper-, Zeit- und Raum- und vermutlich auch Bewegungsmonaden) bereits voraussetzt und argumentativ verwertet. Die gegen dieses gerichtete prinzipielle Kritik in Ζ 1 - 3 (Problem der Reihung von Teillosem, Geschwindigkeitsdifferenzen) wird dabei durchweg als abgeschlossen zugrunde gelegt und für die letzten Konsequenzen zusätzlich in Anspruch genommen (241 a 2: τοΰτο δ' δτι άδύνατον, δέδεικται καΐ πρότερον, 13 ί.: εί δέ τοϋτο άδύνατον, i g : δέδεικται πρότερον). Im übrigen faßt Ar. in Ζ ί ο den Begriff des άμερές so weit, daß er auch den mathematischen Punkt oder das „Jetzt" (vüv) im Sinne der aristotelischen Grenzmarke einschließt: Diese Wesenheiten können sich κατά συμβεβηκός bewegen wie der Fahrer im Boot (vgl. 240 b 9 ff., 17 ff. mit der Beschreibung des vüv als Zeiteinschnitt Phys. Ε Ii, 219 b 12 ff.), während alle Arten von (theoretisch unteilbaren) Minima -

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313

nung zwischen Raum- und Körperminima, der eine spezifisch atomistische, vom Piatonismus geleugnete Voraussetzung zugrunde liegt: daß es neben den Körpern auch ein Leeres gibt288. Fragt man abschließend, wie sich die Bewegungs-Systeme des Xenokrates, des Diodoros Kronos und Epikurs historisch289 zueinander

288

288

seien es die Atome Demokrits oder die Elementarkörper, -flächen und -linien der Akademiker (οΰτε στιγμήν οΰτ' άλλο άδιαίρετον ούδέν 241 a 7) - den Konsequenzen der Kritik verfallen. Diese trifft jedoch in gradueller Abstufung die Atomisten unmittelbar - daher knüpft Epikur an Ζ 10 an, indem er ein Begleitsystem physikalischer Minima aufbaut die Akademiker dagegen erst gleichsam im zweiten, in der Darstellung des Ζ vorweggenommenen Anlauf, der die Struktur und die Koordinierung der minimalen Systeme selbst in Frage stellt. Auch das Minimum der Richtungsänderung (vgl. oben S. 255 Anm. 86) ist epikureisch. Es setzt die „natürliche" senkrechte Fallbewegung und die Gleichheit der Geschwindigkeit im leeren Raum, wie sie die peripatetische Physik postuliert (Ar. De caelo I V 5, Phys. I V 8), voraus, die eine spontane Aberration einzelner Atome erforderlich machen, um eine Verbindung der Atome zu ermöglichen. (Zur Abweichung Epikurs von der Vielfalt der Bewegungsformen im älteren Atomismus und zur Anlehnung an die aristotelische Kosmologie grundlegend G O E D E C K E M E Y E R 7 ff., 99 ff., 115, 123 ff.; zur παρέγκλισις als Neuerung gegenüber Demokrit ferner K . M A R X , Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie, Diss. Jena 1841, später Marx-Engels-Gesamtausgabe I i 1 , 1927, 1 ff., bes. 52; jetzt monographisch eingeleitet u. bearbeitet v. G. M E N D E unter Mitwirkung v. E. G. S C H M I D T , Jenaer Reden und Schriften N. F. 6, 1964, bes. 40 ff.; sowie E. B L O C H , Epikur und Karl Marx oder ein subjektiver Faktor im Fall der Atome, in: Natur und Geschichte, K . Löwith zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1967, 34 ff.). D a die Deklination von der Senkrechten nicht wahrgenommen werden kann, gibt ihr Epikur minimalen Charakter und ordnet sie als kleinste physikalische Winkelgröße in das System der Elementargrößen ein. Geometrisch gesehen läßt sie sich deuten als kleinste Abweichung von einer Geraden, die sich durch Summierung zur polygonal aufgefaßten Kreisform schließen kann. Dieser an die infinitesimalen Methoden zur mathematischen Kreisberechnung erinnernde (vgl. oben S. 273 f.) Sachverhalt wird vom Platoniker Plutarch Plat. Quaest. V 2, 4/6 1003 F im Blick auf Piatons 'Timaios' entwickelt (ευθείας κατά μικρά πολλάς συντιθεμένας τήν περιφερή γραμμήν άποτελεΐν, dazu L U R I A 1 4 5 f·, A P E L T Beiträge 267 f. und grundsätzlich S A C H S 126). Wenn daher B I G N O N E S Hypothese zutrifft, das epikureische clinamen sei eine Reduktionsform der Selbstbewegung der Seele im Piatonismus (vgl. oben Kap. II S. 186), so ließe sie sich weiter dahin ausspinnen, das clinamen gebe die minimale Richtungsänderung der polygonal gedeuteten Kreisbewegung wieder, wie sie die platonistische Seele vollzieht. Nicht weniger einladend wäre es, die Aberration auf den minimalen Drehungswinkel selbst zu beziehen, der bei der Kreiselbewegung der Seele entsteht. Doch bleiben solche Überlegungen weitgehend spekulativ, zumal da es unüberschaubar ist, inwieweit Epikur für das Minimum der παρέγκλισις überhaupt weiterreichende Begründungen in der Tradition angestrebt hat. Die pythagoreische Theorie von Bewegungsminima, die

A.

T.

NICOL,

CL.

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verhalten, so ist es zunächst deutlich, daß der aufs äußerste vereinfachte Atomismus Diodors - er benutzte wohl nur die Kubenform - weniger an die Formenvielfalt Demokrits als an die vom 'Timaios' ausgehende Elementarkörperlehre der Akademie (Kubenform für die Erde!) erinnert. In dieselbe Richtung weist das allmähliche Abrücken von der rein eristischen Argumentation, die unter der Hand positive Züge auf eine Elementen- und Maßstruktur hin annimmt, und nicht zuletzt der Terminus άμερής (άμερές, άμερή) für die letzten Teile von Raum und Körper, dessen Bildung bei Xenokrates im Zusammenhang der akademischen μέρος-δλον-Schematik in statu nascendi beobachtet werden kann und den Xenokrates wie Diodor, aber gewiß vor ihm, für die Grundkörper verwendet hat (fr 51 H. = Aet. I 13, 3 p. 312 b 8 f. D. Gr. D.: Ξενοκράτης και Διόδωρος άμερή τά ελάχιστα ώρίζοντο)290. Da andererseits die Gedankengänge Diodors älter sein dürften als das minimale Bewegungs-System Epikurs, hat man nicht mit Unrecht einen Einfluß Diodors auf Epikur in Erwägung gezogen291, der sich vornehmlich in der sprachlichen Umschreibung des Bewegungssprunges (κεκίνηται)292, aber auch in der Einheitlichkeit der Raum- und Körperminima nach Größe und Form manifestieren könnte. Und doch ist es unübersehbar, daß in anderer Hinsicht nicht das Denkexperiment des Megarikers,

2,0

201

Quart. 30, 1936, 125 f. aus Arist. Phys. Δ 2i6 b 25 ff. (Xuthos) zu erschließen sucht, bleibt völlig ungreifbar. Die bei Euseb. praep. ev. X I V 23 faßbare doxographische Tradition (Dionysios von Alexandria), der Megariker Diodoros habe den Terminus άμερή geschaffen, wird schon durch die Chronologie unwahrscheinlich gemacht, da weder Xenokrates noch Arist. Phys. Ζ von Diodor abhängen dürften: Diodor, der erst 307 oder später vorzeitig (Diog. Laert. II i n f.) starb (zur Lebenszeit vgl. jetzt K . v. F R I T Z , im Lexikon der Alten Welt, 1965, Sp. 738: „ca. 350 bis vermutlich Anf. 3. Jh. v. Chr."), war ein Enkelschüler des Eubulides, der seinerseits schon gegen Aristoteles geschrieben hatte ( Z E L L E R , Ph. d. Gr. II i e , 246 f.). Auch Aetios nennt unter den Vertretern von άμερή Xenokrates vor Diodor (s. oben im Text). Die Abhängigkeit von Phys. Ζ von Diodor erscheint allein schon durch die dort bekämpften Zeitmonaden, Atomlinien und Atomflächen (-körper) und generell durch die beherrschende dimensionale Betrachtungsweise (Ζ ι!) ausgeschlossen, die bei Diodor sämtlich ohne Anhalt bleiben. Auch die Verwendung des Terminus άμερές in Ar. Phys. Ζ weist daher auf die akademisch-xenokratische Physik zurück. Daß in den Aristoteles und Diodor gemeinsamen Punkten (bes. in der Formulierung des Bewegungsminimums) Aristoteles nicht etwa von Diodor abhängt, sondern umgekehrt Diodor gegen Aristoteles polemisiert, betont in eingehender Erörterung auch MAU, Philol. 99, 1955, 109 f.; vgl. MAU 1954 S. 28 Anm. 3. v. A R N I M 389, 394; M A U 28 und Philol. 99, 1955, i i o f . ; zurückhaltender FURLEY

134.

292 vgl, f r 278 Us. mit S. 311 Anm. 282 oben.

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315

sondern die systematische Minimatheorie der akademisch-xenokratischen Physik der Lehre Epikurs näher steht: Sowohl die Annahme von Zeitminima wie die Unterscheidung von Minima und Atomen (und die erst dadurch mögliche Differenzierung der Atomform), aber auch der Grundsatz, daß die Minima der Körper nicht isolierbar sind, sind beiden gemeinsam, fehlen aber bei Diodor, der vergleichsweise nur eine Teillösung Epikurs vorweggenommen hat. Andererseits gibt es freilich keinen Zug des epikureischen Bewegungs-Systems, den Epikur nicht direkt oder mittelbar der aristotelischen Kritik hätte entnehmen können. Doch ist es, je genauer man konfrontiert, um so weniger wahrscheinlich, daß Epikur die schon vorliegenden positiven Entwürfe nicht zur Kenntnis genommen hätte, die immerhin weit über das bei Aristoteles ausdrücklich Geforderte hinausgehen und unter denen die umfassende akademische Lösung Epikurs Widerstand gegen Aristoteles vor allem befördert haben mag293. 293

Daß Epikur in akademischer Nachfolge als erster Atomist einen Raumatomismus vertreten hat, erklärt zugleich, daß er - ganz anders als Demokrit - mit der Geometrie in Konflikt geriet: Wenn der physikalische Raum „körnig", d. h. aus minimalen Denk- und Teilungsgrenzen aufgebaut ist, dann kann, so schloß Epikur offenbar, das geometrische Axiom der unendlichen Teilbarkeit und mit ihm die Geometrie selbst nur „falsch" sein: Cie. Luc. 106 = fr 229 a Us.: Polyaenus, qui magnus mathematicus fuisse dicitur . . . Epicuro adsentiens totam geometriam falsam esse credidit, mit der Erläuterung Cie. fin. I 20 (bei U S E N E R nur unvollständig im Index nominum p. 416 aufgeführt): ne illud quidem physici, credere aliquid esse minimum, quod profecto numquam putavisset, si a Polyaeno, familiari suo, geometrica discere maluisset quam illum etiam ipsum dedocere (allgemeiner gehalten und auf die generelle Methodenkritik von Jungepikureern wie Zenon v. S. zu beziehen sind dagegen wohl die Äußerungen b. Procl. in Eucl. Elem. p. 199, 9 Fr. = fr 229 a Us.: των δέ τάς γεωμετρικάς μόνας αρχάς άνατρέπειν προθεμένων, ώσπερ των 'Επικούρειων, Cie. fin. I 72: . . . in musicis, geometria, numeris, astris . . ., quae . . . a falsis initiis profecta vera esse non possunt). Daß Epikur die Geometrie nicht lediglich verworfen, sondern in der Nachfolge Demokrits eine „neue", „minimal" bestimmte Geometrie aufgebaut habe, ist eine unbegründete Annahme Lurias, dessen Einfluß in diesem Punkte die sonst ausgezeichnete Arbeit W. S C H M I D S erlegen ist (Kritik 30, 33, 35, 61 f.: „raumatomistische Umdefinierung der geometrischen Begriffe"). Tatsächlich ist diese „neue Geometrie" bei den Epikureern, auch in Zenons v, S. Kritik an Euklid, so wenig greifbar wie bei Demokrit ( L U R I A S Belege 169 ff. sind irrelevant). Vgl. jetzt die Klärung bei V L A S T O S 125-135, ergänzt durch den Beitrag: Zeno of Sidon as a critic of Euclid, in: The Classical Tradition, in honour of H. Caplan, ed. by L. W A L L A C H , Ithaca 1966, 148-159; ferner F U R L E Y 157 („we can find no trace of a New Geometry"). Die äußere Verwandtschaft der Stellungnahme Epikurs mit den kritischen Referaten der Peripatetiker über die „minimal" bestimmte Geometrie des Xenokrates und der Akademie (κινεΐν τά μαθηματικά: Ar. Met. 3, 1090 b 28 f. = Xs. fr 38 H., De caelo A 5, 271 b 9 ff.; Γ ι , 299

316

Epikurs Lehre vom Minimum

III. Epikurs Theorie vom Minimum läßt eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit der akademischen Physik erkennen, die über die standardisierte Grundstruktur nicht unwesentlich hinausgehen: Ansätze zur dimensionalen Betrachtungsweise bei Epikur, die Zuordnung von Minima und Atomen sowie das in der Akademie positiv vorgegebene Bewegungs-System der Minima - in Raum, Zeit und faktisch auch der Bewegung - rücken beide Unstetigkeitslehren in eine enge formale Nachbarschaft. Darüber erhebt sich in der Tat die Frage, ob Epikur der Zusammenhang, der durch die aristotelische Kritik in Phys. Ζ objektiv gegeben war, auf die Dauer hat verborgen bleiben können, oder ob er sich der sachlichen Affinität, ja der historischen Affiliation nicht mehr oder weniger bewußt gewesen ist. Dies ließe sich nur dann ausschließen, wenn nachgewiesen werden könnte, daß Epikur zeitlebens ohne jede Kenntnis der akademischen Physik geblieben ist. Eine solche Annahme wirkt jedoch nicht nur a priori wenig überzeugend, sondern wird durch eine Anzahl von Tatsachen doxographischer, biographischer und literarischer Art unwahrscheinlich gemacht: i . Nach W. Schmids weithin anerkanntem Nachweis294 hat Epikur in περί φύσεως XIV gegen die Elementenlehre des platonischen 'Timaios' Argumente benutzt, die schon Aristoteles in De caelo III dagegen vorgebracht hatte. Im ersten Kapitel dieses Buches (298 b 33 ff.) konnte Epikur jedoch in engstem Zusammenhang mit der Lehre des 'Timaios' (300 a 1 zitiert) von einem weiteren dimensionalen Regreß: von Linien, Punkten und Atomlinien lesen (τοις ποιουσι τάς άτόμους a 5, Ps. Ar. De lin. insec. 969 b 29 £f.; ähnlich Metaph. Μ 6, io8o b 28 f. = Xs. fr 37 H., vgl. oben S. 266) kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Standorte Epikurs und der Akademie inkommensurabel sind: Während die akademische Theorie mathematischer Minima metamathematisch intendiert ist, d. h. die Mathematik ontologisch zu überhöhen trachtet, ohne sie aufzuheben, verbleibt Epikur im Bereich einer rein physikalischen Unstetigkeit, von der her er die Geometrie kurzerhand verwirft, ohne an sie heranzureichen. Daraus folgt, daß vom Ganzen der akademischen oxoixetov-Philosophie nur die Physik, nicht aber die Mathematik auf Epikurs Theorie des Minimums eingewirkt hat. 284 W. SCHMID, Kritik 17, 22 f., 31 f., 39, 40, 56. Zustimmend ζ. B. PHILIPPSON G G A 1 9 3 7 , 4 7 5 F·: M E R L A N D L Z 1 9 3 7 , S p . 1 2 8 4 f . ; ARRIGHETTI, P h i l o l . 103,

1959, 45 f., 51; STECKEL R E 'Epikuros' Sp. 606, 637.

Die Physik der Akademiker

317

γραμμάς 299 a 12 f.) und sah sich dabei ausdrücklich auf 'Physik' Z, den für die eigene Minimalehre entscheidenden Text zurückverwiesen (έπέσκεπτοα πρότερον έν τοις περί κινήσεως λόγοις, 6τι ούκ Ιστιν αδιαίρετα μήκη ίο f.). Epikur konnte daraus entnehmen, daß die in 'Physik' Ζ bekämpften Gegner primär die Platoniker waren. 2. Epikur hat zugestandenermaßen schon sehr früh - in der ersten Hälfte der Zwanziger Jahre des vierten Jahrhunderts - in Samos den Unterricht des Piatonschülers Pamphilos genossen295. Es liegt nahe, daß dieser ihn nicht nur in die Dialoge des Schulgründers Piaton eingeführt, sondern auch mit dem Piatonismus der akademischen Schule, sei es Piatons, sei es der zeitgenössischen Akademiker - wie etwa des damaligen Scholarchen Xenokrates - , bekannt gemacht und dabei auch Nachschriften akademischer Kollegs zugrunde gelegt hat. 3. Eine antike biographische Tradition hat Epikur zum Schüler auch des Xenokrates gemacht298. Sie mag an den Umstand anknüpfen, daß Epikur sich während seiner Dienstzeit zwei Jahre in Athen aufhielt (323-21)297. In der Tat ist es wenig wahrscheinlich, daß der bereits philosophisch interessierte und vorgebildete Epikur die Gelegenheit nicht benutzt hat, sich über Xenokrates und die Akademie persönlich zu informieren298. 4. Selbst wenn Epikur Xenokrates nicht unmittelbar gehört hat, kann ihm akademisch-xenokratisches Lehrgut auf verschiedenen an296

Cie. n. d. I 26, 72: Pamphilum quendam Piatonis auditorem ait a se Sami auditum, D. L. X 14: άλλά καΐ Παμφίλου τοϋ Πλατωνικού έν Σάμω sc. άκοϋσαι αύτόν (nach der Epikur-Biographie des Ariston von Keos: vgl. fr 32 W E H R L I ) , Suda s. v. 'Epikuros' II 362 Adl.: άκούσας . . . καΐ Παμφίλου τοϋ Πλάτωνος μαθητοϋ. Ε . S C H W A R T Z , Charakterköpfe aus der Antike, 1943 4 , 137 vermutet daher in Epikurs Verhältnis zum Piatonismus „ein gewisses Renegatentum". 296 Cie. n. d. I 26, 72 = fr 233 Us.: Xenocraten audire potuit (quem virum, dii immortales), et sunt qui putent audisse. ipse non vult. D. L. X 1 3 : Δημήτριος δέ φησιν Ά Μάγνης καΐ Ξενοκράτους αύτόν άκοϋσαι. Vgl. U S E N E R , Epicurea 4 1 5 s. ν. Ξενοκράτης, Euseb. pr. ev. X I V 20, 14. 297 v g l D. L. Χ ι : Epikur sei achtzehnjährig nach Athen gekommen Ξενοκράτους μέν έν Άκαδημεία, 'Αριστοτέλους 8' έν Χαλκίδι διατρίβοντος. Die zweite Behauptung soll offenbar „erklären, weshalb keine Überlieferung bestand, daß Epikur Aristoteles gehört habe" (K. P R A E C H T E R , Grundriß d. Gesch. d. Philos., 442). 298 Zur Frage N. W. D E W I T T , A J P h 68, 1947, 3 1 7 ; ders., Epicurus and his philosophy, 1954, 50; skeptisch bleibt hinsichtlich der äußeren Ermöglichung eines Akademiebesuches A.-J. F E S T U G I Ä R E auch im Vorwort zur 2. frz. Aufl. von fipicure et ses dieux (1968), X V I I I f. Doch muß Epikur persönlich in der Akademie gewesen sein, um etwas über die Lehrtätigkeit des Xenokrates in Erfahrung bringen zu können?

316

Epikurs Lehre v o m Minimum

deren Wegen, sei es mündlicher, sei es literarischer Art, zugekommen sein. D a ß Epikur sich mit den platonisierenden Dialogen des Aristoteles, Speusipp und Herakleides eingehend auseinandergesetzt hat, hat Bignone bewiesen; von Piatons Dialogen waren ihm nachweisbar die 'Politeia' 299 und vor allem der T i m a i o s ' bekannt 300 , dessen Elementenlehre er in περί φύσεως bekämpft, wobei, wie W . Schmid gezeigt hat, möglicherweise die durch Xenokrates und/oder Theophrast vermittelte Atomlinientheorie in Rechnung gestellt ist 301 . Was gerade Xenokrates 2»» V g l D. L. X 8 = fr 238 Us. (έκάλει. . . αυτόν Πλάτωνα χρνσονν, wohl nach Pol. 415 Α ff., vgl. DE WITT, Epicurus 97), Plut. C. Ep. beat. 1095 C = fr 20 Us. (wohl nach Pol. 475 ff. sowie nach 531 C, vgl. 530 B, und dazu Ph. DE LACY, Class. W e e k l y 35, 1941, 222 f.); R. S. 33 und 34 hält gegen die 'Politeia' gewendet BIGNONE A P I I 270 ff. — Zur Polemik der Epikur-Schüler gegen Piatons Dialoge zusammenfassend W . CRÖNERT, Kol. u. Menedemos, 1906, Nachdruck 1965, 11 f.; v . ARNIM R E X I 1, 1921, Sp. i i 2 o f f . s. v . 'Kolotes' N r . ι ; BIGNONE A P I 15, 22

ff.,

146.

»00 Z u m Einfluß des 'Timaios' auf Epikurs Physik vgl. K a p . II 2 S. 185 (F. SOLMSEN) u n d o b e n S . 305 ( C h . 801

MUGLER).

E s handelt sich um die zum X I V . B u c h von περί φύσεως erhaltenen Bruchstücke des Pap. Here. Nr. 1148, die nach Th. Gomperz von A . VOGLIANO herausgegeben (I frammenti del X I V 0 libro del περί φύσεως di Epicuro, Rend, della Acc. delle scienze di Bologna, classe di scienze morali, 1932/6, p. 33 ff. Der entscheidende Passus dort fr Κ col. ι p. 61) und dann von W . SCHMID, Kritik, monographisch behandelt worden sind (mit dem entscheidenden Textstück p. 13 und der zugehörigen Erklärung p. 48/9, die u. a. den überlieferten T e x t verteidigt; vgl. jetzt auch bei ARRIGHETTI Nr. 27 § 26 p. 266). Die Reste des X I V . Buches lassen erkennen, daß Epikur dort die Lehrmeinungen älterer Philosophen, darunter die von Piaton im 'Timaios' vorgetragene Elementenlehre, kritisiert hat. E r stellt in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb Piaton, wenn er die Elementardreiecke des 'Timaios' für unteilbar hielt, dafür keinen Beweis angetreten habe (εί μέν όίτομα ύπείληπτο εϊνα[ι], τί ούχί έποιήσατό τινα άπόδειξιν ώς ίστιν άτομα [σ]ώματα;), wenn aber für teilbar, wie dann die weitere Ableitung aus den Dreiecken glaubwürdig wirken könne, die er doch ihrerseits aus irgendwelchen anderen Bestandteilen zusammensetze (εί δέ μή άτομα τ[ί] αν έκ τούτων νομίζοι τις συνίστασθαι τά λοιπά α συμπηγννει έξ άλλων ων δήποτε;). Das zweite Glied der Alternative deutet möglicherweise auf die Kenntnis einer weiteren Zerlegbarkeit der Flächen in Linien. Mit Recht erinnert W . SCHMID a. O. dafür zunächst an Piatons eigene Andeutung, daß es „noch höhere Prinzipien" gebe (Tim. 53 D 6 f.: τάς δ' έτι τούτων άρχάς άνωθεν θεός οίδεν καΐ άνδρών δς αν έκείνω φίλος fj), darüber hinaus aber sodann an die hier intendierten άτομοι γραμμαί (Arist. Metaph. 992 a 20 ff.) bzw. Punktmonaden der mündlichen Lehre. E s liegt freilich nahe, daß Epikur, der eine ausführlichere Behandlung der Frage ankündigt (άλλά γάρ αύθις που ταϋτα μηκυνθήσεται), nicht unmittelbar auf Piaton zurückgreift, sondern unter dem Eindruck der akademischen Platon-Exegese vor allem des Xenokrates steht, der die Atomlinientheorie noch drei Jahrzehnte nach Piatons Tod vertreten und gelehrt h a t (SCHMID a. O. 30: „ V o n zeitgenössischen Denkern wie Xenokrates wird Epikur mit Sicherheit gewußt haben, daß sie nicht die Dreiecke, wohl

Die Physik der Akademiker

319

betrifft, so bezieht schon Bignone Epikurs Hochschätzung der φρόνησις im Brief an Menoikeus u. a. auf Xenokrates' Schrift περί φρονήσεως302, und auch die Dreiteilung der Philosophie scheint Epikur im Prinzip von der xenokratischen Akademie übernommen zu haben 303 . D a wir andererseits im Falle des Aristoteles zunehmend feststellen können, daß Epikur sich nicht nur mit den exoterischen, dialogischen Schriften, sondern auch mit den Lehr- und Schulschriften seiner Vorgänger auseinandergesetzt hat, besteht Anlaß zu der Vermutung, daß er auch von Lehrschriften der Akademiker Kenntnis genommen habe. Vor allem dürfte die Sammlung der physikalischen Schriften, die φυσική άκρόασις des Xenokrates den frühhellenistischen Philosophen nicht unbekannt geblieben sein, weil hier wie in der Ethik - im Unterschied zur metaphysisch bestimmten Dialektik und Logik - die Gemeinsamkeit der Themen und Probleme am ehesten gewährleistet war. Die Tatsache, daß Epikur die 'Physik' des Aristoteles gelesen hat, läßt darum das

aber die Linien für unteilbar hielten", 49: „ j a es ist sehr wohl möglich, daß Epikur jenes Lehrstück von seinem Hauptvertreter, Xenokrates, im Kolleg entwickelt erhielt", unter Hinweis auf die oben Anm. 296 aufgeführten Belege). - W . SCHMID hat acht Jahre später, auf Rekonstruktionen von E. SACHS 51-55, 65 f. fußend, Epikurs Kenntnis der Atomlinientheorie noch wahrscheinlicher machen können (Nugae Herculanenses, Rh. Mus. 92, 1944, 4850): Die bei Cie. n. d. I 8, 19 (nach Zenon v. Sidon) und im Scholion zu Epikurs π. φύσεως X I V Pap. Here. 1148 fr Κ col. I (dazu SCHMID Kritik 50 ff., der T e x t jetzt bei ARRIGHETTI p. 267) faßbare akademische Theorie der fünf regelmäßigen Körper geht offenbar auf Theophrasts φυσικών δόξαι zurück (von denen Epikur auch sonst abhängig ist; vgl. oben K a p . I I 2 S. 132 Anm. 108), denn sie erscheint in pseudopythagoreischer Einkleidung auch bei Aet. Plac. II 6, 5 = Dox. Gr. 334, 17 ff. D. = Philolaos V S 44 A 15, vgl. Aet. II 6, 2 (die T e x t e bei E. SACHS 9 ff. Nr. 4 und 11 b). Der von Aetios (bzw. Plutarch) unabhängige (so DIELS mündlich, vgl. SACHS 51, anders noch Proleg. 22 ff.) Parallelbericht des Achilles (Isag. in Aratum 132 A P., vgl. D. Gr. 334 App., E. SACHS 10) bietet Genaueres, wenn er „ d e n Pythagoreern" (und Piaton) die Annahme zuschreibt, πάντα έξ άριθμών καΐ γραμμών συνεστάναι, was auf die „Atomlinien" des Xenokrates weist (SACHS 66). Wenn auch diese Nachricht auf Theophrast zurückgeht, hat Epikur sie dort gelesen („Natürlich braucht man die Möglichkeit, daß Epikur die Kenntnis der Atomlinientheorie auch direkt v o n Xenokrates hat, nicht auszuschließen": W . SCHMID 1944 S. 50 Anm. 4 2 ) . 302 VGL. D. L . I V 12: περί φρονήσεως α'β' sowie fr 6 HEINZE; BIGNONE A P I 89, 117 Anm. 2. 303 V g l oben S. 288 und D. L. X 29 (p. 370, 14 f. Us.): διαιρείται τοίνυν sc. ή κατ' αυτόν φιλοσοφία εις τρία, τό τε κανονικόν καΐ φυσικών καί ήθικόν. Sext. Emp. V I I 15 (ώστε δυνάμει τριμερή πάλιν άπολείπειν τήν φιλοσοφίαν). In anderen Berichten tritt freilich auch eine Zweiteilung von Physik (mit Kanonik) und E t h i k auf: v g l . f r 242/43 U s .

320

Epikurs Lehre v o m Minimum

gleiche für die 'Physik' des Xenokrates erschließen304. Nimmt man die vielfältigen Möglichkeiten mündlicher Vermittlung hinzu, die durch die Lebensbezüge, die Epikur mit seinen Zeitgenossen verbanden, nun einmal gegeben waren, so besteht von vornherein ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür, daß Epikur die akademische Physik wie die aristotelische in ihren allgemeinsten Positionen und Grundzügen zur Kenntnis genommen hat. Darf darum mit einigem Recht die - wie immer auch flüchtige Bekanntschaft Epikurs mit den ihm nahestehenden akademischen Theorien vorausgesetzt werden, so ist damit doch noch nicht ausgemacht, daß er durch dieses Wissen in seinem Widerstand gegen die aristotelische Kritik der Diskontinuität bestärkt worden ist. Wie die Reste von περί φύσεως X I V erkennen lassen, hat Epikur die platonischen Elementarkörper und -dreiecke (und mit ihnen wohl auch die Atomlinien und Punktmonaden) irrtümlich dem Bereich der αισθητά und nicht - wie die eigenen Atome und Minima - der Sphäre der άδηλα und λόγω θεωρητά zugewiesen306. Indessen: Einmal abgesehen von der Frage, ob Epikurs mangelnde Unterscheidung zwischen Elementenmassen im großen und den einzelnen Elementarkörpern nicht polemischen Zwecken dient, bleibt doch jedenfalls die Modellfunktion des akademischen Körperaufbaus erhalten, der sich nach der Analogie vom vermeintlich Sinnlich-Wahrnehmbaren ins Denkbar-Atomare transponieren läßt. Es ist in diesem Zusammenhang gewiß nicht ohne tiefere Bedeutung, daß Epikur im Herodotbrief § 58 das Problem der Reihung von Minima, das er in Übereinstimmung mit den Akademikern gegen Aristoteles löst, anhand der Sphäre des Wahrnehmbaren entwickelt, um dann - τη δια λόγου θεωρία - das Resultat auf die άόρατα zu übertragen. Mag sich darum Epikur mit der spezifischen Über- bzw. Untersinnlichkeit seines Atomismus der (mißverstandenen) akademischen Physik überlegen gedünkt haben - einer Modellfunktion war das akademische >04 Wer einwendet, Epikur habe Aristoteles, nicht aber Xenokrates und die Akademiker lesen müssen, weil Aristoteles der größere Philosoph und P h y siker und seine Polemik für den Atomismus gefährlich gewesen sei, trägt moderne Wertungen und Überlieferungsverhältnisse ins 4. vorchristliche Jahrhundert hinein und übersieht, daß Epikur erst auf Grund stattgehabter Lektüre feststellen konnte, welche seiner Vorgänger einer epikritischen Behandlung v o m Standort des Atomismus aus bedurften. 306 Pap. Here. 1148 fr I col. I I 15 f., I I I 5 f., I V 15 ff., fr Κ col. I 6 (bei ARRIGHETTI Nr. 27 §§ 23-26 pp. 363-366), und dazu W . SCHMID, Kritik 24, 49. 55 f ·. vg 1 · 47; d e r s - Rh- M u s · 92. 1944. 47 f-

Die Physik der Akademiker

321

Dimensionsgefüge und das zugehörige System der Minima gleichwohl fähig, und Epikur konnte daraus im Verfolg der durch Ar. Phys. Ζ oktroyierten Denkrichtung Nutzen ziehen.

IV. Wenn Epikur objektiv - über Aristoteles - an die akademische Theorie der Minima anknüpfte und subjektiv darum gewußt hat, so wirft dies in der Tat die weitere Frage auf, ob sich neben der mittelbaren Einwirkung über die aristotelische Kritik auch Spuren eines direkten Einflusses der Akademie nachweisen lassen. Die im vorigen aufgezeigten30® formalen Analogien können einen solchen Nachweis allerdings nicht tragen, da zu ihrer Erklärung der Anstoß der aristotelischen Kritik vollkommen ausreicht. Der Beweis könnte vielmehr allein anhand argumentativer oder terminologischer Indizien geführt werden, die Epikurs Lehre vom Minimum mit der Akademie verbinden, ohne bei Aristoteles Anhalt zu finden. Es empfiehlt sich, die Untersuchung bei denjenigen Texten ansetzen zu lassen, die uns heute den ausführlichsten Einblick in die akademische Theorie der άτομα μεγέθη gewähren: den fünf im Eingang der peripatetischen Streitschrift περί άτόμων γραμμών referierten Argumenten, die im Exkurs als dem Umkreis der xenokratischen Physik zugehörig erwiesen und eingehend interpretiert sind307. Allein in diesen Argumenten ist heute der Gedankengang der Elementenphilosophie in seinem konkreten Zusammenhang greifbar, und allein sie bieten zu den Argumenten für das epikureische Minimum bei Epikur und Lukrez ein annähernd gleichwertiges Gegenstück, das einen methodisch tragfähigen Vergleich erlaubt. Auf die Verwandtschaft des ersten der in περί άτόμων γραμμών referierten Argumente mit Lukrez I 615 ff.308 hat bereits Furley 309 , auf die des vierten und fünften mit Epikurs Herodotbrief § 57 und § 59 M. Schramm kurz hingewiesen, der daraus einen Anhalt für die Datierung des peripatetischen Traktats zu gewinnen sucht310. 306 308 308

310

307 Vgl. unten S. 335-356. S. 305-316. Der T e x t oben S. 250 Anm. 69. FURLEY 37 („the first of the arguments . . . is quite similar to Lucretius' argument"). SCHRAMM 58: „Das Verhältnis zu jenen beiden Argumenten ist eindeutig" (nämlich der epikureischen zu De lin. insec. I V und V. SCHRAMM irrt jedoch.

322

E p i k u r s Lehre v o m M i n i m u m

Hinsichtlich des ersten Arguments ist es indessen ziemlich deutlich, daß es weder direkt noch mittelbar das Vorbild des bei Lukrez greifbaren Gedankenganges gewesen ist, sondern daß die beiden Argumente lediglich in Traditionsgemeinschaft stehen: Das des Lukrez bezieht sich nur auf Körper, das des Xenokrates auf Größen schlechthin (auch Zahlen). Ferner wirkt die am Groß-Kleinen der dialektischen Begriffsphilosophie orientierte xenokratische Fassung mißdeutig und unscharf 311 , während die des Lukrez mit dem Konflikt zweier unendlicher Größen in sich stimmig ist (summa infinita - parvissima). Die LukrezStelle geht darum wohl über Epikur auf den älteren Atomismus und zuletzt auf ein - nicht erhaltenes 312 - Argument des Zenon gegen die Vielheit zurück, wie dies auch für das Verhältnis von Herodotbrief § 57 (erster Teil) 313 zu Zenon fr Β 1 und 2 feststeht 314 . Ähnlich verhält es sich mit der Denkbewegung des vierten Arguments (κίνησις της διανοίας), die in der gleichen methodischen Funktion, wenn auch in anderem Sachzusammenhang - dort geht es um Strecken, hier um Körper - , im Herodotbrief § 57 (zweiter Teil) wiederkehrt (βαδίζοντα άφικνεΐσθαι τη έννοια, vgl. νοεΐν). Beide Beweise suchen die unendliche Teilung ad absurdum zu führen, indem sie sie als denkunmöglich hinstellen; beidemale ist dabei an ein kontinuierliches Fortschreiten (,,Zählen") im einzelnen gedacht, das jedes Glied des Teilungszusammenhanges als Ruhepunkt fixiert (καθ' έκαστον - κατά το έξης); in beiden Fällen wird die Aporie dadurch aufgehoben, daß anstelle der unendlichen Teilung ein unteilbares Minimum angenommen wird. Der Unterschied liegt nur darin, daß das xenokratische Argument den Faktor der unendlichen Zeit eigens ausdrücklich macht, während er bei Epikur immanent bleibt. Wenn es richtig ist, daß das Motiv der Denkbewegung nicht Zenon, sondern Xenokrates gehört 315 , liegt ein historischer Konnex der beiden Argumente nahe. Freilich muß beachw e n n er a n n i m m t , d a ß in I V αισθητά u n d νοητά in eins gesetzt seien und d a ß d a r u m der U r h e b e r des A r g u m e n t s „ d e r Schule P i a t o s schon v e r h ä l t n i s m ä ß i g fern s t e h e n " müsse.), au v g l Exkurs S. 338 A n m . 362. S12 V g l . dagegen m i t positiver W e n d u n g A n a x a g o r a s V S 59 Β 3: ουτε γαρ τοϋ σμικρού έστι τό γε έλάχιστον, άλλ' έλασσον άεί . . . άλλα και τοϋ μεγάλου άεί έστι μείζον, καΐ ϊσον έστί τώι σμικρώι πλήθος. Der Vergleich m i t d e m W e l t a l l liegt hier nahe, f e h l t aber in den erhaltenen F r a g m e n t e n Zenons, ebenso bei P i a t o n (Parm. 164 C ff.) und X e n o k r a t e s . 313 v g l . oben S. 239 ff. 314 315

D a z u FURLEY 68 f. V g l . Exkurs S. 348 f.

Die P h y s i k der Akademiker

323

tet werden, daß der sachliche Zusammenhang verschieden ist: Bei Xenokrates erscheint die Denkbewegung als Zuspitzung des zenonischen Bewegungsarguments, bei Epikur hingegen in weit allgemeinerer Form. Die Möglichkeit einer Einwirkung des spezielleren xenokratischen Gedankenganges wird dadurch naturgemäß eingeschränkt. Wesentlich enger ist der Zusammenhang zwischen dem Maßgedanken im fünften Argument und im Herodotbrief § 58 (zweite Hälfte) und § 59. Beidemale wird mit einer Art von „Symmetrie" (Maßgleichheit) der Größen gerechnet, die auf einem kleinsten, unteilbaren Grundmaß (μέτρον, καταμέτρημα) beruht. In beiden Fällen ist dieses Maß primär gegeben in der kleinsten Strecke (μήκος), aus der sich alle vorkommenden Strecken zusammensetzen. Der Unterschied liegt nur darin, daß sich das xenokratische Argument im mathematischen, dasjenige Epikurs dagegen im physikalischen und körperhaften Bereich bewegt. Indessen deutet die Formulierung Epikurs (καταμέτρημα) ihrerseits auf mathematische Terminologie zurück 316 , und umgekehrt trifft der Maßgedanke auch bei den Akademikern ganz allgemein überall dort zu, wo Minima vorliegen. Da aber nun der epikureische Minima- und Maßgedanke - beides sind einander zugehörige Begriffe - mit dem älteren Atomismus nichts zu tun hat und ein unmittelbarer Rückgriff auf die Mathematik ganz unwahrscheinlich ist 317 , kann Epikur die Maßvorstellung wohl nur zusammen mit der exakten Reihenbildung standardisierter unteilbarer Größen, d. h. aber nur entweder aus der aristotelischen oder der akademischen Physik übernommen haben. Wie steht es nun damit in Phys. Z, dem Text, der allem Anschein nach zur Ausbildung der epikureischen Theorie vom Minimum den entscheidenden Anstoß gegeben hat ? Hier verdient eine Stelle in Ζ ί ο Beachtung 318 , sie V g l VLASTOS 136 mit dem Hinweis auf E u k l i d V i f . , V I I 3 ff. (καταμετρεΐν für das kommensurable Verhältnis v o n Teil und G a n z e m : „ausmessen", „ a b messen", „vermessen"). Dieselbe Unterscheidung gebraucht schon Aristoteles im frühen Definit'ionenbuch der .Metaphysik' (Δ 25, 1023 b 12 ff.: μέρος λέγεται ένα μέν τρόπον είς δ διαιρεθείη αν τό ποσόν όπωσοΰν, άλλον δέ τρόπον τά καταμετρονντα των τοιούτων μόνον, vgl. ' P h y s i k ' Ζ η, 237 b 28 ff., 238 a 7, 12, 14 f.). W e n n VLASTOS darin richtig ein Zeichen dafür erblickt, „ d a ß die Philosophie des vierten Jahrhunderts die Unterscheidung voll zur Kenntnis n a h m " (135 A n m . 75), so gilt dies natürlich in erster Linie für die Akademie. (Wie viele andere Kapitel des Δ zeigt auch der μέρος-Abschnitt Spuren akademischen, insbesondere xenokratischen Einflusses: 1023 b 18 f., 24 f.). 917 W i e ihn VLASTOS 1 4 4 - 1 4 6 annimmt. aie

Die A n m . 316 angeführten Belege aus Ζ η gehören nicht hierher, weil es sich dabei u m arbiträre μέτρα handelt.

324

Epikurs Lehre vom Minimum

wonach ein bewegter unteilbarer Punkt eine Linie von Punkten gleicher Größe , .ausmessen" müßte, um nicht selbst geteilt zu werden (άεΐ γαρ ϊσην κινουμένη την πασαν γραμμήν στιγμή καταμετρήσει 241 a 12 f.). Die Vorstellung tendiert zu einem Raumatomismus, doch ist als Grundmaß nicht die Raumeinheit, sondern der bewegte unteilbare Körper angesprochen, der gleichbleibende Raumgrößen „durchmißt". Führt von dieser mehr operativen Anwendung das Maßbegriffs ein Weg zur festen ,,Maß"struktur der Atome im Herodotbrief ? Offensichtlich kein direkter, denn zwischen beiden Anwendungen liegt nicht nur die terminologische Fixierung 319 , sondern auch die Ausdehnung auf alle Bereiche minimaler Struktur, die Epikur auf Grund der 'Physik'-Stelle vorgenommen haben müßte. Es erscheint deshalb erwägenswert, ob Epikur weniger von der vereinzelten und recht speziellen Stelle der 'Physik' als vielmehr von dem ausgebildeten Maßgedanken und dem System der Elementarmaße in der akademisch-xenokratischen Physik herkommt, wie es im fünften Argument der Schrift περί άτόμων γραμμών ausschnittweise hervortritt 320 . Während die Argumente I, IV und V keinen sicheren Anhalt für eine Abhängigkeit Epikurs von der akademischen Physik gewähren, ist es damit bei den Argumenten II und III besser bestellt. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Funktion der Minima beim Aufbau der Atome, wie sie im Herodotbrief (§ 59) und bei Lukrez (I 604 ff.) hervortritt: Epikur ep. I 59: . . τά ελάχιστα και άμερή πέρατα δει νομίζειν των μηκών τύ καταμέτρημα έξ αΰτών πρώτων τοις μείζοσι και έλάττοσι παρασκευάζοντα.

Lukrez I 6o4ff.: . . alterius quoniamst ipsum pars primaque et una; inde aliae atque aliae similes ex ordine partes agmine condenso naturam corporis explent.

319

καταμέτρημα ist άπαξ λεγόμενον und Neubildung Epikurs, für den bekanntlich die mit der κοινή geteilte Vorliebe für neutrale Substantive auf -μα charakteristisch ist, vgl. Poseidonios' Kritik bei Kleomedes II 1 (bei USENER Epic. p. 89), NORDEN, Kunstprosa I 124 Anm. 1 (mit dem Hinweis auf die Volks-

320

Die 'Physik'-Stelle selbst bietet wahrscheinlich - wie häufig bei Aristoteles (Met. Δ, I) - einen Reflex des akademischen μέτρον-Gedankens. Zur Atomlinie als μέτρον bei Xenokrates fr 43: Exkurs S. 355 Anm. 423.

s p r a c h e ) , W . SCHMID R A C 7 0 9 f.

Die Physik der Akademiker

325

Lukrez, der, wie früher gezeigt 321 , bei der Darstellung der Minimalehre einer vollständigeren, zuletzt auf Epikurs περί φύσεως zurückgehenden Quelle folgt, ergänzt die terminologischen Angaben des Briefes insofern, als er zur Erstheit (prima ~ πρώτα) und Unteilbarkeit (una = άμερές [vgl. sine partibus 601] ~ άμερή) der Minima den Charakter des Teil-seins (pars, partes) hinzufügt322. Auch die Erstheit der Minima des Briefes beruht ja in der Tat darauf, daß sie als άμερή nicht mehr zmtergeteilt werden können und insofern letzte oder - konstruktiv gesehen - „erste" Teile des Atoms und der Körperwelt sind. Bei dem Terminus „Prinzip", πρώτον, ist daher vom gedanklichen Zusammenhang her stets die Vorstellung des Bausteins, Grundelements oder Bestandteils mitzudenken. Es ist deshalb anzunehmen, daß die Formulierung des Lukrez einen vollständigeren Terminus Epikurs im Auge hat, der etwa μέρος πρώτον καΐ άμερές gelautet haben könnte. Xenokrates schließt nun nach dem zweiten und dritten Argument der Atomlinienschrift in dialektischer Analyse, daß alle πρώτα und στοιχεία άμερή und άδιαίρετα sein müssen, weil die Teile ontologisch früher seien als das Ganze (τά μέρη πρότερα τοϋ δλου τήν φύσιν) und daher Teilbares nicht πρώτον sein könne. Xenokrates hat dabei, wie das zweite Argument und das neuentdeckte Doxographon zur Eidoslehre zeigen323, die δλον-μέρος-Denkform der Elementenphilosophie so allgemein und grundsätzlich gefaßt, daß er sie auch auf das Verhältnis von Idee und Einzelwesen und von Art- und Gattungsidee anwendet. Offenbar ist die Dialektik von „Teil" und „Ganzem" für Xenokrates in jeder der drei philosophischen Disziplinen - selbst die Ethik zeigt Spuren davon324 - zu einem primum movens der philosophischen Methode geworden. Dies bedeutet jedoch, daß alle πρώτα άμερή, wie sie Xenokrates etwa in der Physik in Gestalt der Atomlinien oder Atomkörper statuiert, zugleich betontermaßen πρώτα μέρη, d. h. erste Bestandteile und Elemente der daraus aufzubauenden Größen sind. Das Referat der sal 322

Vgl. oben S. 254. Der Ausdruck (minimae) partes stellt keine willkürliche Latinisierung des Terminus έλάχιστα dar (ihm entspricht der Ausdruck minima, -um: I 6 1 5 , 748, 750, 752), sondern kommt den Minima offenbar wesentlich und im Unterschied zu den Atomen (corpora prima, primordia, principia, semina rerum ~ πρωται φύσεις b. Epikur) zu, die nirgends als partes bezeichnet werden. Zu beachten ist die Junktur alter ius pars I 604.

823 Vgl, Exkurs S. 343 Anm. 380. 324

fr 77 H . = Clem. Al. Strom. I I 2 2 ; 1 3 3 , 6 in der Ausführung der Telosformel (ώς 8' ίξ ών, ώς μερών, sc. ή ευδαιμονία γίνεται, τάς καλάς πράξεις καΐ τάς σπουδαίας έξεις τε και διαθέσεις καΐ κινήσεις και σχέσεις sc. φαίνεται λέγων).

326

Epikurs Lehre vom Minimum

Atomlinienschrift spricht dies zwar nicht geradezu aus, doch zeigt der Bericht zur Eidoslehre deutlich, daß den εϊδη als Teilen vor den γένη die Erstheit zukommt, und Aristoteles bezeichnet das έν στοιχείο ν der akademischen Metaphysik an einer auch Xenokrates einschließenden Stelle expressis verbis als μέρος325, woraus sich für die πρώτα der einzelnen Seins- und Sachbereiche Entsprechendes ergibt. In der Physik gilt dies natürlich vor allem von den Atomlinien bzw. Punktmonaden der ersten Dimension, die als άσύνθετα παντάπασιν

καΐ ουδέν προ αυτών έχοντα die

eigentlichen πρώτα und άρχαί der Ausdehnung sind 326 . D a nun von den drei Termini, die Epikur augenscheinlich mit der akademischen Minimalehre teilt: πρώτον - άμερές - μέρος, in terminologischer Bedeutung bei Demokrit kein einziger 327 und in der aristotelischen Kritik der Diskontinua im sechsten Buch der .Physik' lediglich in akademischer Nachfolge - der Terminus άμερές vorkommt, liegt es am nächsten, daß Epikur hier der μέρος-δλον- und πρότερον-ΰστερονKategorik der akademischen Physik unmittelbar gefolgt ist. Neben den Argumenten der Atomlinienschrift verdient noch ein 325

326

327

Metaph. Μ 1084 b 20, 31. Vgl. ferner den Eingang von Met. Λ ι, wo die ούσία in Bezug auf die übrigen Kategorien akademisierend bald als erstes Glied einer Reihe (τω εφεξής), bald als πρώτον μέρος des Weltganzen (δλον τι τ£> παν) charakterisiert wird (πρώτον hat dabei allerdings eine etwas andere Bedeutung) . So ausdrücklich Alex. Aphr. in Ar. metaph. 55, 21 ff. nach Piatons περί τοϋ άγαθοϋ ( = Test. Plat. 22 Β G.); vgl. Alex. b. Simpl. in phys. 454, 22 ff. D. ( = Test. Plat. 23 Β). Die Paraphrasen der Doxographen (Aet. I 3, 18; Arist. De an. 405 a 10 = Y S 68 A 47, 101; vgl. 67 A 13/14: τά πρώτα σώματα, vgl. Epikurs πρώται φύσεις) bleiben unsicher, der Simplikios-Bericht mit der Unterscheidung von άτομον und άμερές (VS 67 A 13, vgl. oben S. 268) lehnt sich an den Sprachgebrauch von Ar. Phys. Ζ an und bezeichnet mit άμερές eine Eigenschaft der Atome, nicht diese selbst. - Der Terminus άμερές erscheint vom μέρος-όλον-Denken der akademischen Elementenphilosophie her geprägt und sollte wohl - umfassender gerichtet - den auf das Körperhafte beschränkten, atomistischen Begriff des όίτομον ersetzen und erweitern. Vgl. Aet. Plac. I 13, 3 = Xs. fr 51 H . : Ξενοκράτης και Διόδωρος άμερή τά έλάχιστα ώρίζοντο, Ps. Ar. De lin. insec. 968 a 2, 8, 18, 19, 22, b 13 f., 16: άμερές, άμερή mit Epikur ep. I 59 p. 15, 11 M. (dazu S. 246 Anm. 53 oben), fr 277/78 Us. passim, Sext. E m p . X 142 ff., 148; Themist. in phys. p. 184, 28 ff. Sch.: άμερή als Körper-, Raum-, Zeit- und Bewegungsminima. Der Terminus wächst De lin. insec. 968 a 14 ff. deutlich aus der dort referierten xenokratischen Argumentation heraus, daß die πρώτα und στοιχεία keine μέρη mehr haben könnten. Zu Diodoros Kronos oben S. 314. E r h a t den Terminus άμερές vermutlich in akademischer Nachfolge benutzt und auf die theoretisch unteilbaren Bausteine der Körper angewendet. Für diese wird jedoch weder die „ E r s t h e i t " (πρώτα) noch das „Teil-sein" (μέρη, partes) in terminologischer Bedeutung greifbar.

Die Physik der Akademiker

327

weiteres terminologisches Indiz Beachtung, das Epikur mit der Akademie verbindet: Epikur grenzt im Herodotbrief die Annahme kleinster atomarer Größen von der μετάβασις εις άπειρον, vor allem derjenigen επί τοΰλαττον ab (ep. I 56 p. 14, 7 ff. M.; vgl. § 58 μεταβάσεις, μεταβατά p. 14, 19 f. Μ.; § 5 7 βαδίζοντα p. 14, 16 Μ.). Die Vorstellung eines allmählichen „Übergehens" und „Hinüberschreitens" im Quantitativen - vom Größeren ins Kleinere und umgekehrt oder vom Gleichen zum Gleichen - fehlt in dieser spezifischen Ausprägung bei Aristoteles durchweg 328 . Sie begegnet jedoch in der Kritik des platonischen 'Parmenides' am Eleatismus und Atomismus und zwar gleichfalls bezogen auf Maßverhältnisse der Körperwelt (ογκοι wie bei Epikur!) und auf die infinitesimale Teilung 329 . Auch bei Piaton wird, wie bei Epikur, der „Übergang" ins unendlich Kleine ad absurdum geführt 330 . Die Stelle (165 A 3: ού γαρ αν μετέβαινεν έκ μείζονος εις ελαττον, vgl. 162 D 1, g) dürfte - wie häufig im 'Parmenides' 331 - wegen der Beziehung auf das akademische Materialprinzip (άπειρον, μέγα-μικρόν!) und der mutmaßlichen Anspielung auf Piatons eigene Minimalehre 332 akademische Schuldiskussionen und Lehrmeinungen reflektieren. Ein ähnlicher Reflex akademischer Lehre, die Anspielung auf den dimensionalen A u f b a u der Körper im zehnten Buch der 'Nomoi' (894 A) 333 , bestätigt dies und gibt zugleich zu erkennen, daß μετάβασις ein akademischer Terminus gewesen ist. Zwar bezeichnet er dort den „Übergang" zwischen den einzelnen Dimensionen (vom Linienelement zur Linie - zur Fläche zum Körper) und bleibt ohne Bezug zum Infinitesimalen, betrifft aber wie im 'Parmenides' das Verhältnis von Größerem und Kleinerem (αΰξη 328 Vergleichbar ist allenfalls die Äußerung zur Mesotes-Lehre der Ethik EE 1222 a 26 f. 329 J. MANSFELD hat in seiner Rezension von Furleys Buch (Gymnasium 76, 1969, 101) mit Recht gefordert, die in der vorletzten Hypothesis des 'Parmenides' (164 Β - xö5 Ε) vorliegende platonische Diskussion des Kontinuums in die Vorgeschichte der epikureischen Minimalehre einzubeziehen, und dabei auch auf die gemeinsame Verwendung des Ausdrucks δγκος hingewiesen. 330 Vg} pi Parm. 165 Β 4 f.: θρύπτεσθαι . . . κερματιζόμενον άνάγκη παν τί> δν mit Epikur ep. I 56 p. 14. 5 S· Μ.: μή . . . εις τό μή δν άναγκαζώμεθα τά δντα θλίβοντες καταναλίσκειν. 331 Vgl oben S. 292. 832 Parm. 164 Ε 3 ίϊ. (σμικρότατον). 333 Vgl. dazu STENZEL Z G 3 91 ff.; GAISER PUL 175, 187 ff., 388 Anm. 160 (mit weiterer Lit.), 503; Ε . DÖNT, Piatons Spätphilosophie u. d. Akademie, 1967, 54, 71. Vgl. ferner den gemeinhin für Piatons άγραφα δόγματα in Anspruch genommenen Bericht Sext. Emp. X 278 (κατά μετάβασιν . . . ή δυάς καΐ ή γραμμή νοείται). 22 Krämer, Piatonismus

328

Epikurs Lehre vom Minimum

A 3) und die quantitative Struktur von Ausdehnung und Körperlichkeit. Nimmt man hinzu, daß μεταβαίνειν und μετάβασις in der Akademie auch den erkennenden Aufstieg zu den letzten Wesenheiten bezeichnet zu haben scheinen334, so kann an der terminologischen Funktion des Ausdrucks kaum mehr gezweifelt werden. Da er vorakademisch und außerhalb der Akademie nicht nachweisbar ist, liegt es auch hier am nächsten, Epikur unmittelbar an den akademischen Wortgebrauch anknüpfen zu lassen. Schon die Kurzfassungen des Herodotbriefes und des Lukrezischen Gedichtes enthalten demnach einige terminologische Anklänge an die akademische Elementenphilosophie, die sich von Aristoteles her schlecht erklären lassen. Es ist möglich, daß die breitere Darstellung der Minimalehre in περί φύσεως, wo das Bewegungs-System der Minima zusammenhängend behandelt sein mußte, noch weitere Züge ähnlicher Art aufzuweisen hatte, die die Verbindung zur Akademie noch enger knüpften. Es ist deshalb erwägenswert, ob Epikur nicht auch diejenigen konstruktiven Termini der Minimalehre, die in Ar. Phys. Γ und Ζ vorkommen (πέρας, επί τδ έλαττον, έλάχιστον; μήκος, εφεξής, συγκεϊσθαι έκ, κινήματα, καταμετρεΐν u. a.), zugleich oder vorzugsweise physikalischen Schriften der Akademie entnommen hat. Für den Terminus άμερές ist dies schon im vorigen wahrscheinlich gemacht worden: Er tritt zwar in Phys. Ζ auf, gehört aber bei Epikur und Lukrez zu einem terminologischen Komplex (μέρος, πρώτον), der in der Akademie, nicht aber bei Aristoteles Anhalt findet. Aber auch die in Phys. Γ vorliegenden Ausdrücke έπί τδ έλαττον und έλάχιστον mag Epikur wegen ihrer Verknüpfung mit dem akademischen Terminus der μετάβασις unmittelbar der akademischen Physik entliehen haben. Ähnliches kann für καταμέτρημα335 und andere Ausdrücke gelten, obgleich sich ein Beweis dafür nicht führen läßt. 394

335

Piaton ep. V I I 343 Ε 2; Speusipp fr 30 L. = Procl. in Eucl. Elem. p. 179, 8 ff. Fr. (κατά μετάβασιν έπ' εκείνα διαβαίνουσα sc. ή διάνοια); Ar. Metaph. Ζ 3, 1029 b 3. 12 (μεταβαίνειν είς τό γνωριμώτερον φύσει, vgl. Phys. Α ι, 184 a 16 ff., in Anlehnung an die Seinsordnung des Piatonismus; vgl. Verf., Akten des X I V . Intern. Kongresses f. Philosophie, Wien 1968, Bd. VI, S. 356 f.); Theophr. Metaph. 9 b 10 f. (8ταν έπ' αύτά τά άκρα και πρώτα μεταβαίνωμεν). Vgl. jetzt grundsätzlich J . WIPPERN, Das Problem der ungeschriebenen Lehre Piatons, Wege der Forschung Bd. 186, Darmstadt 1971, Einleitung, X V I I I Anm. 12. Über die Zusammengehörigkeit des μέτρον- und des έλάχιστον-Gedankens in De lin. insec. einleuchtend SCHRAMM 57 f.

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V. Nimmt man alle einzelnen Befunde zusammen, so ist es möglich, das Verhältnis der epikureischen Lehre vom Minimum zur altakademischen Physik folgendermaßen differenzierend zu resümieren: I. Was zunächst die äußere Dependenz angeht, so ist sie a) objektiv ohne weiteres gegeben: In dem Maße, wie Epikurs Theorie des Minimums von der aristotelischen Kritik der Diskontinuität (in Phys. Z) ausgegangen ist, kann ihre mittelbare Abhängigkeit von der akademischen Elementenphilosophie für gesichert gelten, denn Epikur stellt sich faktisch auf die Seite des von Aristoteles bekämpften charakteristischen Minimum-Begriffs der Akademie, b) Es besteht ferner begründete Veranlassung zu der Annahme, daß Epikur sich durchaus bewußt gewesen ist, daß er damit in die Nachfolge des zeitgenössischen Platonismus geraten war. c) Ob darüber hinaus eine zusätzliche Orientierung und Vergewisserung Epikurs an der Elementenphilosophie und Physik der Akademie selber stattgefunden hat, läßt sich mit Sicherheit nicht entscheiden. Zwar gibt es einige Besonderheiten terminologischer Art, die Epikur, soweit wir sehen, allein mit der Akademie teilt und die darum eine direkte Bezugnahme indizieren336, doch wird man die Frage, inwieweit es sich dabei um substantielle Einflüsse handelt, vorläufig lieber offenhalten und sich - auch im Blick auf die in diesem Punkt undurchsichtige Stellung von περί φύσεως - mit einem non liquet bescheiden. Im übrigen ist der defensive, apologetische Charakter der Umgestaltung, die Epikur an der überkommenen eleatisch-atomistischen Position vornahm, unverkennbar; der Zwang zur Revision ging also von der aristotelischen Kritik aus, die zugleich die historisch letzte maßgebende Äußerung zur Diskontinuität vor Epikur darstellte, während ein Regreß auf die parallelen Lösungen der Akademie allenfalls von sekundärem Interesse sein konnte. Das Verhältnis war demnach gerade umgekehrt als in der Ethik, wo der Sachzwang von der antihedonistischen Polemik der Akademie ausging, mit der sich Epikur eingehend auseinandersetzen mußte, um den Hedonismus neu zu begründen und gegen jede Kritik abzusichern. Es war auch ein ganz anderes als in der Theologie, wo Epikur keine überkommene Position zu ver336

Sie bieten zum mindesten eine willkommene Bestätigung dafür, daß die akademische Minimalehre Epikur bekannt war und ihm als methodisches Modell dienen konnte.

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Epikurs Lehre vom Minimum

teidigen, sondern konstruktiv eine neue Götterlehre zu entwickeln hatte, die sich am Modellgedanken des Piatonismus frei orientieren konnte. II. Steht die prinzipielle Dependenz der epikureischen Theorie des Minimums von der akademischen Physik fest, so erwachsen daraus eine Reihe philosophiegeschichtlicher Folgerungen, die es jetzt in ihrer Tragweite zu überschauen gilt: 1. Die epikureische Theorie des Minimums, die wegen ihrer entfernten Analogie zur modernsten Physik zunehmend an Interesse gewinnt, ist von der Auseinandersetzung zwischen Aristoteles und der akademischen Orthodoxie über das Problem des physikalischen Kontinuums, in die Epikur durch die Kritik der aristotelischen 'Physik' hineingezogen wurde, entscheidend geprägt worden. Alle Abweichungen der epikureischen Theorie vom älteren Atomismus Demokrits sind auf jene Kontroverse zurückzuführen. Die Theorie Epikurs stellt sich dabei insgesamt dar als das historische Resultat einer Begegnung der eleatischen Komponente des Atomismus mit der mathematisierenden Elementenphilosophie des Piatonismus, deren Denkmittel sich Epikur im Durchgang durch die aristotelische Kritik grundsätzlich zu eigen gemacht hat. Stammt der ontologische Anspruch und seine Fundierung von Demokrit und zuletzt den Eleaten, so geht das Prinzip der exakten Quantifizierung und der Reihung standardisierter, ,,maß"gleicher Elementargrößen in allen physikalischen Bereichen auf die Elementenphilosophie Piatons und der Älteren Akademiker zurück. 2. Im einzelnen erwächst aus dem akademischen Begriff der Diskontinuität und des exakten Minimums, der für die revidierte Theorie Epikurs das Modell abgibt, nicht nur die Trennung von Minimum und Atom, sondern auch die Endlichkeit in der Anzahl der Atomgrößen und Atomformen samt ihrer Ableitbarkeit - zuerst der Größen, dann der Formen - aus der Elementargröße. Die finitistische Umbildung des antiken Atomismus bei Epikur erweist sich damit als ein Epiphänomen des Piatonismus in der Gestalt jenes Prinzipien- und Elementensystems, das von Piatons Lehrvorträgen her die Philosophie der Älteren Akademie maßgebend bestimmt hat. 3. Für die denkerische Eigenleistung Epikurs bleibt nach allem kein allzu großer Spielraum übrig, und es ist eine Täuschung, wenn man neuerdings gerade in der Theorie vom Minimum die Originalität Epikurs hat angezeigt finden wollen337. Der Beitrag Epikurs beschränkt 337

STECKEL R E 'Epikur' Sp. 618, 638, bes. 639 (noch ohne Kenntnis Furleys).

D i e P h y s i k der A k a d e m i k e r

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sich im wesentlichen auf den Ausgleich der beiden Traditionen, des eleatisierenden Atomismus und der akademischen Physik, zu einem neuen, in sich festgefügten und gegen kritische Einwände abgesicherten Ganzen. Epikur hat dabei immerhin der aristotelischen Kritik so selbständig Rechnung getragen, daß er teils spontan sich mit den von Aristoteles bekämpften Akademikern zu treffen scheint (Zuordnung von Minima und Atomen, Bewegungs-System der Minima; freilich ist hierbei stets Epikurs direkte Kenntnis der akademischen Physik in Anschlag zu bringen), teils über ihre Ansätze hinausgelangt (koordiniertes Bewegungs-System der Minima auf der Basis gleicher Grundgeschwindigkeit der Atome). Am eigenständigsten wirkt das Richtungsminimum der παρέγκλισις338.

Auf der anderen Seite hat Epikur die Denkmittel des Piatonismus naturgemäß in das andersartige Medium des Atomismus und zugleich der hellenistischen Philosophie transponiert: a) Die geometrische Konstruktion der Körperwelt, mit der Piaton Demokrit zu überbieten gesucht hatte 339 , ist bei Epikur in den ursprünglichen Atomismus zurückgenommen: Der materielle, durch Dreidimensionalität, Gewicht und Widerstand bestimmte Körper340 ist für Epikur wieder eine letzte Gegebenheit, die nicht weiter zurückgeführt werden kann. Neben dieser Umsetzung „idealistischer" Strukturen ins Materialistische ist b) die gegenläufige Intention zu konstatieren, die vermeintlich im Wahrnehmbaren verbleibenden Strukturen des Piatonismus ins „Untersinnliche", Nicht-Mehr-Wahrnehmbare zu projizieren und dadurch für den „wahren" Atomismus fruchtbar zu machen341. Sie überkreuzt sich ihrerseits mit c) dem spezifisch hellenistischen Empirismus und Sensualismus Epikurs, der bei der Ableitung des Minimums die apriorische, mathematisch-dialektische Methode des Piatonismus durch den vom Wahrnehmbaren ausgehenden Analogieschluß ersetzt342. Hinzu kommt end338 v g l 339

dazu oben S. 3 1 2 f. m i t A n m . 288.

'Timaios', περί τάγαθοϋ, v g l . bes. die Auseinandersetzung S e x t u s E m p . 252 ff.

X

fr 275 Us. 341 Y g i 0 b e n s . 320 f. 342 Unendlich viele A t o m g r ö ß e n sind zur E r k l ä r u n g der sinnlich erfahrbaren W i r k l i c h k e i t (τά κατά τά πάθη και τάς αισθήσεις) nicht erforderlich (ep. I 55/6 p. 13, 18 ff. Μ.); die A n n a h m e v o n sinnlich w a h r n e h m b a r e n R i e s e n a t o m e n (zu ihrer B e d e u t u n g bei D e m o k r i t treffend MUGLER 143 ff., v g l . 151) widerspricht den „ P h ä n o m e n e n " (τά φαινόμενα ep. I 55 p. 13, 16 Μ., v g l . δ ού θεωρείται γινόμενον I 56 Ρ· 14. 1 Μ.); und das M i n i m u m des atomaren Bereichs wird 340

332

Epikurs Lehre v o m Minimum

lieh d) eine Veränderung der Funktion innerhalb des Ganzen der philosophischen Doktrin: Die mittels der Theorie vom Minimum gewonnene rationale Überschaubarkeit und symmetrische Vereinfachung des Atomismus ist bei Epikur nicht bloßer Selbstzweck, sondern steht im Dienst des soteriologischen Anliegens und der eudämonistischen Zielsetzung, die der Epikureismus mit anderen Philosophien der hellenistischen Epoche teilt: Die Grundlagen des atomistischen Systems sollen dogmatisch fixiert und in ihrem inneren Aufbau unmittelbar durchsichtig gemacht werden, damit sie die größtmögliche Seelenruhe des Menschen gewährleisten können. durch einen Analogieschluß gewonnen, der v o n einem Minimum des sinnlich Wahrnehmbaren (τό έν τη αίσθήσει έλάχιστον) ausgeht (ep. I 58 f.).

Exkurs Die 5 Physik' des Xenokrates und die fünf Argumente des Traktats De lineis insecabilibus Im Folgenden wird eine Übersicht über die xenokratische Physik nach Inhalt und Aufbau gegeben, soweit sie in ihren Grundzügen noch kenntlich ist. Dabei lohnt es sich, etwas weiter auszuholen, nicht nur weil die physikalischen Schriften des Xenokrates die maßgebende Darstellung der akademischen Theorie physikalischer Minima enthielten, die hauptsächlich in dieser repräsentativen Form den Nachfolgern und Gegnern vorgelegen hat, sondern auch weil noch kein Versuch unternommen worden ist, diesen für die Geschichte des Piatonismus und den Frühhellenismus wichtigen Themenkreis in seinem systematischen Zusammenhang zu erfassen343. Zunächst läßt sich auf Grund des spärlichen doxographischen Materials immerhin ein Eindruck vom Aufbau der sechs Bücher umfassenden Pragmatie 344 gewinnen, wobei gegenwärtig zu halten ist, daß die Zusammenstellung aller einzelnen μέθοδοι zu einem „Gesamtwerk" wie bei den Pragmatien des Aristoteles und Theophrast erst von späteren Redaktoren herrührt348. Nach Themistios paraphr. in Arist. de an. n , 37 f. H. = fr 61 p. 183, 32 Heinze war im fünften der sechs Bücher die Seelendefinition enthalten348. Ähnliches ist von Theophrasts 'Physik' bekannt, deren fünftes Buch zugleich das zweite περί ψυχής war347. Da Kosmologie und Astronomie, v o n denen die letztere auch im Schriftenverzeichnis gesondert aufgeführt wird (των περί άστρολογίαν ς': D . L. I V 13 fin.), bleiben dabei außer Betracht. 344 D . L . I V I i : περί φύσεως α' β' γ' δ' ε' ς', identisch mit φυσικής άκροάσεως α' β' γ' δ' ε' ζ' I V Ι3· (Vgl. Η. DÖRRIE, R E I X A 2, 1967, s. v. 'Xenokrates' Nr. 4, Sp. 1 5 1 5 A n m . 1.) sis v g l W . W . JAEGER, Studien zur Entstehungsgeschichte der Metaphysik des Aristoteles, Bln. 1912, 150 ff., 175 ff. 346 οπως μέν έλεγε τήν ψυχήν άριθμόν είναι κινοϋντα έαυτδν Ξενοκράτης, έκ των εκείνου ληπτέον καΐ μάλιστα έκ τοϋ πέμπτου των περί φύσεως τάνδρΐ γεγραμμένων. 847 Themist. paraphr. in Ar. de an. C A G V 3, p. 108, 11 ff. H . = Th. fr 53 b WIMMER, dazu H . USENER, A n a l e c t a Theophrastea, K l . Schriften I, 1912, 66; P . STEINMETZ, Die P h y s i k d. Theophrastos v. E., 1964, i n f. 343

334

Epikurs Lehre vom Minimum

auch für Xenokrates der Spezialtitel περί ψυχής α'β' überliefert ist (D. L. IV 13), liegt es nahe, daß neben dem fünften auch das vierte Buch über die Seele handelte. Das folgende sechste Buch dürfte dann Einzelfragen der Kosmologie erörtert haben, der sich Xenokrates besonders eingehend gewidmet hat (Theophr. Metaph. 6 b 4-9 = Xs. fr 26 p. 169, 9 ff. Heinze). In den ersten drei Büchern hat Xenokrates wohl ähnlich wie Aristoteles und Theophrast die Voraussetzungen, Prinzipien und Grundbegriffe der Physik entwickelt. Der (die?) Spezialtitel dieser drei Bücher ist nicht erhalten, dürfte aber analog zu der entsprechenden μέθοδος bei Aristoteles τά φυσικά - weniger περί κινήσεως wie bei Theophrast - gelautet haben. Gemäß dem derivativen Charakter des akademischen Systems vollzog Xenokrates dabei offenbar einen sukzessiven Abstieg von den Prinzipien über die idealen Zahlen und Größen bis zur wahrnehmbaren Welt, wie ihn fr 34 skizziert348 und fr 26 mit der Ableitung von Raum, Seele und Zeit weiter ausführt349. In der Tat teilt Themistios aus der 'Physik' des Xenokrates mit (fr 39 H. fin.), daß dieser dort auch über die idealen Grundformen des Ausgedehnten (Länge - Breite Tiefe) gehandelt habe360. Sie hatten dort offensichtlich die Funktion, den dimensionalen Aufbau der Körperwelt zu begründen, ähnlich wie dies auch für das von Themistios kommentierte Referat Arist. De an. A 2, 404 b 19 ff. zutrifft, das eine akademische, auf Piaton selbst zurückgehende361 'Timaios'-Interpretation darstellt und demgemäß die vier ersten idealen Zahlen unter dem kosmologischen Aspekt der Physik als die Grundformen des Ausgedehnten einführt (ή του ένος ιδέα 348

849

850

351

Arist. M e t a p h . Ζ 2, 1 0 2 8 b 2 4 f f . : τά μέν εϊδη καί τούς άριθμούς . . . τά δέ άλλα έχόμενα, γραμμάς και έπίπεδα, μέχρι ττρός τήν του ούρανοϋ ούσίαν καΐ τά αισθητά. Theophr. M e t a p h . 6 a 2 4 ft.: . . . οί τό Sv καί τήν άόριστον δυάδα ποιοϋντες· τούς γάρ άριθμούς γεννήσαντες καί τά έπίπεδα καί τά σώματα . . . δηλούντες, δτι τά μέν άπό της άορίστου δυάδος, οίον τόπος καί κενόν καί άπειρον, τά δ' άπό των άριθμών καί (,,und s o " ) τοϋ ένός, οίον ψυχή καί άλλ' άττα, χράνον δ' άμα καί οΰρανόν και 2τερα δή πλείω . . . (folgt 6 b η \ Ξενοκράτης). Z u r Sicherung des letzten K o l o n s j e t z t ausführlich M . ISNARDI PARENTE, Phronesis X V I 1 , 1 9 7 1 , 5 4 - 5 6 . T h e m i s t . p a r a p h r . in A r . de an. p. 1 1 , 1 8 - 1 2 , 1 H . = X s . f r 3 9 H . m i t der abschließenden Quellenangabe (p. 1 1 , 3 7 f. H . = p. 1 7 3 , 1 7 f. H E I N Z E ) : ταϋτα δέ άπαντα λαβείν έστιν έκ των περί φύσεως Ξενοκράτους. Z u r Sicherung des Grundbestandes f ü r X e n o k r a t e s H . CHERNISS, G n o m o n 3 1 , 1 9 5 9 , 4 0 - 4 2 ; ferner W . THEILER, Aristoteles Ü b e r die Seele (Aristoteles, W e r k e in deutscher Ubersetzung, B a n d 1 3 , B e r l i n - D a r m s t a d t 1 9 5 9 ) 94. S o zuletzt m i t gewichtigen G r ü n d e n K . GAISER, A H A W 1 9 6 8 / 2 , 4 9 - 6 3 . D a ß X e n o k r a t e s im wesentlichen übereinstimmend argumentiert hat, darf aus der A n g a b e des Themistios geschlossen werden.

E x k u r s : D i e . P h y s i k ' des X e n o k r a t e s

335

πρώτον μήκος - πλάτος - βάθος). - In engem Anschluß an die durch fr 39 für die 'Physik' bezeugten idealen Größen muß dann das eigentliche physikalische Dimensionssystem mit den Atomlinien und den atomaren Elementarkörpern (fr 42-52 H.) in der xenokratischen 'Physik' seinen Ort gehabt haben362. Daß die Atomlinien, denen beim Aufbau der Körperwelt eine Schlüsselstellung zufiel, in den ersten drei Büchern der 'Physik' ihre maßgebliche Behandlung erfuhren, folgt zusätzlich aus dem Fehlen eines Spezialtitels περί άτόμων γραμμών (bzw. μεγεθών) im Schriftenverzeichnis des Xenokrates. Für das Dimensionssystem bezeugt es wohl die einschlägige Polemik der physikalischen Schriften des Aristoteles, der das - nach aristotelischer Einteilung nicht zur Physik, sondern zur Mathematik gehörige - Dimensionssystem innerhalb der physikalischen Pragmatie kritisch abhandeln mußte, weil es offenbar in der akademisch-xenokratischen Physik eine entscheidende Rolle spielte. Die bis hierher gezeichneten Umrisse, die bereits die Abfolge der Hauptthemen (Ausdehnung, Raum, Körperwelt - Seele, Bewegung, Zeit - spezielle Kosmologie) und die Stellung der Minimalehre zu erkennen geben, lassen sich sowohl nach der argumentativen wie nach der inhaltlichen Seite hin erheblich schärfer fassen und konkreter ausfüllen anhand der fünf akademischen Beweisgänge, die der Verfasser der peripatetischen Schrift περί άτόμων γραμμών im Eingang seiner Untersuchung referiert und die den ausführlichsten Einblick in die akademische Theorie der άτομα μεγέθη gewähren, den wir heute besitzen. Obgleich die xenokratische Herkunft der Argumente seit langem erkannt ist - sie sind in Heinzes Sammlung als fr 42 aufgeführt - , fehlt es doch bisher an einer Interpretation, die sie speziell für die xenokratische Physik zurückgewinnt und dort in ihren ursprünglichen systematischen Zusammenhang einordnet. Es herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, daß die im Corpus Aristotelicum überlieferte Schrift περί άτόμων γραμμών363 nicht 352

Zur F o r t w i r k u n g des Z u s a m m e n h a n g s (in überwiegend xenokratischer N a c h folge) i m mittleren u n d neueren Piatonismus Verf. U G M 106 ff., 26g ff., 302 f., 308 A n m . 434 (vgl. ζ. B . den T e r m i n u s ογκοι P l o t i n E n n . V 1, 5, 10 wie X e n o k r a t e s fr 50 H . = A e t . I 17, 3 u n d ähnlich Herakleides fr 1 1 8 - 1 2 0 W . ) .

353

D e r T e x t I. BEKKERS (Arist. O p e r a I I 968 if.) ist unzureichend, w i c h t i g s t e Verbesserungen bei M. HAYDUCK, D e Aristotelis q u i fertur περί άτόμων γραμμών libello, Fleckeisens Jahrbücher f. class. Philologie 20. J g g . , 1874, 1 6 1 - 1 7 1 ; O. APELT in seiner T e x t a u s g a b e , Aristotelis quae feruntur de plantis, de mir. ausc., mech., de lin. insec., v e n t . sit. et nom., de Melisso X e n . Gorg., L p z g .

336

Epikurs Lehre vom Minimum

Aristoteles gehört, wohl aber die Erörterungen der aristotelischen 'Physik' über das Kontinuum benützt. Der peripatetische Verfasser ist vorläufig nicht identifizierbar; die Vermutung, Theophrast sei der Autor, läßt sich nicht verifizieren364. Die Datierung bemißt sich nach einer Zeit, in der das mathematisierende Elementensystem der Älteren Akademie noch in Geltung stand und die Polemik des Peripatos dagegen noch anhielt. Andererseits hat die moderne Forschung mehr und mehr bestätigen können, daß die eingangs referierten akademischen Argumente weniger von Piaton als vielmehr von Xenokrates stammen oder wenigstens Xenokrates voraussetzen365. Man gelangt dadurch mutmaßTeubner 1888, p. 141 ff. (dieser Text ist im folgenden zugrundegelegt); ders., Die Widersacher der Mathematik im Altertum, in: Beiträge z. Geschichte d. griech. Philosophie, Lpzg. 1891, 253 ff. (mit verbesserter Übersetzung 271 ff.); H. H. JOACHIM, The works of Aristotle, Vol. VI: Opuscula, Oxford 1913, Nachdruck 1952, De lineis insecabilibus, Oxf. 1908 (engl. Übers, mit textkrit. Komm.); W. HIRSCH, Der pseudoaristotelische T r a k t a t de lineis insecabilibus, Diss. Heidelberg 1953 (masch.) (vorzügliche Monographie, zum Text bes. 42, 27 ff., mit Ankündigung einer bisher nicht erschienenen Edition, zum Aufbau 43 ff.); M. SCHRAMM, Zur Schrift über die unteilbaren Linien aus dem Corpus Aristotelicum, Classica et Mediaevalia, Vol. X V I I I , 1957, ff·, mit textkritischen Beiträgen; eine kommentierte Übersetzung wird vorbereitet im Rahmen der vom Berliner Akademieverlag herausgegebenen deutschen Aristoteles-Gesamtausgabe, Bd. X V I I I : Opuscula, Teil I I : Naturwissenschaftliche Schriften. Arbeiten zur Textgeschichte sind von D. HARLFINGER/Berlin zu erwarten. (Korrekturzusatz: Inzwischen erschienen: D. HARLFINGER, Die Textgeschichte der pseudo-aristotelischen Schrift περί άτόμων γραμμών, Amsterdam Hakkert 1971, 445 pp., mit Ankündigung einer zweisprachigen Bud6-Edition; die Ergebnisse H.'s konnten bei der Textgestaltung nicht mehr berücksichtigt werden.) Nicht zugänglich war mir M. TIMPANARO CARDINI, Pseudo-Aristotele, De lineis insecabilibus, introd., trad., comm., Milano-Varese 1970.

354

Daß der Titel im Schriftenverzeichnis des Theophrast (D. L. V 42) auftritt (ebenso in demjenigen des Aristoteles bei Ptolemaios Chennos, vgl. P. MoR A U X , Les listes anciennes des ouvrages d'Aristote, 1951, 2 9 4 f., 3 0 0 ) , besagt kaum mehr als daß die Schrift spätestens unter dem Scholarchat Theophrasts abgefaßt ist. Das Verzeichnis enthält nachweisbar Schriftentitel anderer Peripatetiker (z. B. des Eudemos V 48; 50, vgl. H. USENER, Analecta Theophrastea, Diss. Bonn 1 8 5 8 = Kl. Schriften I ( 1 9 1 2 ) soff., Teil I : De Theophrasti librorum tabula Laertiana, bes. 6 4 ! . ) . APELTS Beweisführung auf Grund der κίνησις της διανοίας 9 6 8 a 2 5 ff. (a. Ο . 2 6 9 f.) ist von Η . Η . JOACHIM zu § Ι Argument IV Anm. 3 ; O . REGENBOGEN R E Suppl. Bd. VII ( 1 9 4 0 ) , s. v. 'Theophrastos v. Eresos' Sp. 1 5 4 2 ; HIRSCH 7 9 , vgl. 1 2 0 ff.; und SCHRAMM 5 5 in Zweifel gezogen worden (vgl. Arist. Phys. Θ 8, 263 a 6 ff. und zur xenokratischen A b k u n f t des Gedankens unten S, 348 f. mit Anm. 399).

365

O . APELT, B e i t r ä g e 2 6 9 ; R . HEINZE, X e n o k r a t e s 6 1 ; ZELLER, P h . d . G r . I I I E , 1 0 1 7 Anm. 2 ; H. VOGT, Bibl. Math. I I I 1 0 ( 1 9 1 0 ) , 1 5 1 („Die im ersten Teile

der Schrift angeführten Gründe müssen . . . seine sc. des Xenokrates eigene, die entscheidenden Worte Zitate aus seinen Schriften sein."); E. SACHS

Exkurs: Die .Physik' des Xenokrates

337

lieh bis ins letzte Viertel des vierten Jahrhunderts hinab. Die Schrift wird damit zum Zeugnis dafür, daß die Theorie der Atomlinien und Minima noch in der Inkubationsperiode der hellenistischen Philosophie aktuell und zwischen den Schulen umstritten war. Die fünf akademischen Argumente für die άτομα μεγέθη hat man zu Recht mit den ähnlich angelegten akademischen Ideenbeweisen verglichen36®, die durch die Auszüge aus der (verlorenen) aristotelischen Frühschrift περί ιδεών überliefert sind357. Beidemale handelt es sich um die für die Schule charakteristische Häufung von Argumenten368, die unter den verschiedensten Aspekten dasselbe Ergebnis suggerieren sollen, wobei es jeweils um eine der beiden komplementären Seiten der platonisch-akademischen Philosophie, nämlich dort um die Ideen-, hier dagegen um die Elementenlehre geht. Es ist ziemlich sicher, daß der peripatetische Gegner im Referat auf eine schriftliche Vorlage zurückgegriffen hat369. Offen bleibt, ob sie in dieser Form von Xenokrates selbst verfaßt war, oder ob die Zusammenstellung das Werk eines akademischen Exzerptors ist, der die Argumente für den Schulgebrauch aus den physikalischen Schriften kompiliert hat, oder ob sie erst der Berichterstatter daraus ausgezogen hat. Ihrer Substanz nach lassen sich alle Argumente auf die 'Physik' des Xenokrates zurückführen. Gerade der Umstand, daß das Referat nicht nur, wie der Titel des Traktats nahelegt, unteilbare Linien - sie kommen ausdrücklich nur im IV. und V. Argument vor und sind wie im ganzen Traktat offensichtlich stellvertretend als einfachste Grundform herausgehoben360 - , sondern unteilbare Größen überhaupt behandelt (ideale, mathematische und physikalische, jeweils in allen Dimen-

358 858

1 3 2 ff.; Ross 5 5 5 ; CHERNISS, Criticism 1 2 7 ; HIRSCH 93 ff.; zurückhaltender SCHRAMM 56. Vgl. Syrian in metaph. C A G V I 1 p. 124, 1 ff. Kr.: καΐ ίχομεν καΐ έκ των τοϋ κατηγόρου λόγων τήν ΰπέρ Ξενοκράτους άπολογίαν, was Ο. APELT 269 Anm. ι ansprechend auf den Eingang der Schrift De lin. insec. bezieht. 357 HIRSCH 92 f. Dazu oben Kap. I 2 S. 29 f. Derselbe Beweisstil findet sich etwa in den aristotelischen Argumentationsketten für den Satz vom Widerspruch im Buch Γ der 'Metaphysik' (1005 b 19 ff.). E r geht wohl zuletzt auf die Kettenargumente des E l eaten Zenon zurück, der bekanntlich 40 Argumente gegen die Vielheit und 5 gegen die Bewegung vorgetragen hat (Procl. in PI. Parm. p. 694, 23 ff. Cous., Elias in Cat. C A G X V I I I 1 p. 109, 1 7 f. B. = V S 29 A 15). Ähnlich die Beweisketten für die Atome und das Leere bei Lukrez I.

359 V G L 3,0

HIRSCH 93, 95,

104.

Vgl. die generalisierende Einleitungsfrage des Traktats (968 a i f . ) : Ά ρ α γ' είσίν ίίτομοι γραμμαί, καΐ δλως έν άπασι τοις ποαοις έστί τι άμερές, ώσπερ Svioi φασιν; (vgl. dazu die umsichtige Erörterung von HIRSCH 93 f.)

338

E p i k u r s Lehre v o m Minimum

sionen, die letzteren räumlich und körperhaft), weist auf einen Themenkreis zurück, der das Phänomen der Ausdehnung zusammenhängend diskutierte, wofür in erster Linie der derivative Aufbau der xenokratischen 'Physik' in Frage kommt. Die recht disparaten Argumente waren dort vermutlich innerhalb verschiedener Einzelabhandlungen entwickelt. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß es sich um eine Kompilation ursprünglich selbständiger Gedankenreihen handelt, die entweder vom akademischen Verfasser der Vorlage oder vom Autor des peripatetischen Traktats herrührt. I. 968 a 2-9: εί γαρ ομοίως υπάρχει τό τε πολύ καί το μέγα καί τά άντικείμενα τούτοις, τό τε ολίγον και το μικρόν, τδ δ'άπείρους σχεδόν διαιρέσεις έχον ούκ εστίν ολίγον361 άλλά πολύ, φανερδν δτι πεπερασμένας έξει τάς διαιρέσεις τό ολίγον καί το μικρόν εί δέ πεπερασμέναι αΐ διαιρέσεις, άνάγκη τι είναι άμερές μέγεθος, ώστε έν άπασιν ένυπάρξει τι άμερές, έπείπερ καί τό ολίγον καί τό μικρόν.

Wenn es nämlich in gleicher Weise das 'Viele' und das 'Große' und das diesem Entgegengesetzte gibt: das 'Wenige' und das 'Kleine', und wenn dasjenige, was praktisch unendlich viele Teilungen enthält, nicht 'wenig' ist, sondern 'viel', dann ist es klar, daß das 'Wenige' und das 'Kleine' nur eine begrenzte Zahl von Teilungen enthalten wird. Ist aber die Zahl der Teilungen begrenzt, dann muß es eine unteilbare Größe geben. Folglich wird in allem (Quantitativen) ein Unteilbares enthalten sein, da in allem das 'Wenige' und das 'Kleine' vorkommt.

Das Wenige und das Kleine kann also, wenn es nicht groß und viel werden soll, nur endlich viele Teilungen zulassen, setzt also eine unteilbare Größe (άμερές μέγεθος) voraus, die in allem Wenigen und Kleinen und, da alles aus Wenigem und Kleinem zusammengesetzt ist, in allen Dingen schlechthin vorkommen muß362. Das Argument baut sichtlich 361

όλίγον καί μικρόν HIRSCH sequens paraphr. JOACHIM a d

362

Lat.

Roberti Grosseteste,

cf.

loc.

D a s A r g u m e n t wirkt in der vorliegenden F o r m schief, insofern die infinitesimale Teilbarkeit anscheinend dem Großen und Vielen zugestanden wird,

339

E x k u r s : Die .Physik' des Xenokrates

auf Zenons unendlicher Dichotomie auf. Sie ist nach dem Bericht des Porphyrios b. Simpl. in phys. 453, 36 ff. D. = Test. Plat. 23 Β G. auch von Piaton in den λόγοι περί του άγαθοϋ auf die Teilung von Größen (μέγεθος πεπερασμένον) angewendet worden (Ellenteilung). Während sie jedoch dort der Ableitung der αόριστος δυάς diente (vgl. Arist. Phys. Γ 6, 2o6 b 27 ff.) 363 , wird sie hier durch die Annahme eines unteilbaren Elementarquantums

aufgehoben. Gerade

dies ist

durch

die

Kommentatoren zu Arist. Phys. A 3, 187 a ι ff. ( = Xs. fr 41 H.) 364 für Xenokrates überliefert, und zwar mit ausdrücklichem Bezug auf Zenon (fr 44/45 H.). Wir haben keinen Anlaß, vor dem Hintergrund der für Piaton überlieferten Dichotomie diese Nachricht zu bezweifeln 385 . D a ß das vorliegende Argument akademisch-xenokratisch und nicht etwa atomistisch ist, ergibt sich zusätzlich aus folgenden Indizien: E s spiegelt die akademische Gegensatz- (τά άντικείμενα a 4) und Prinzipienlehre wider, denn μέγα-μικρόν und πολύ-όλίγον sind Weisen des Gegenprinzips der αόριστος δυάς, die oft auch μέγα-μικρόν genannt wird und die als solche gerade bei der durch Porphyrios berichteten dichotomiobwohl es aus Kleinem und Wenigem zusammengesetzt ist (vgl. die Widerlegung 969 a 5 ff. sowie H I R S C H 68 ff.). Natürlich hebt die Unendlichkeit der Teilung den Begriff des Kleinen und Wenigen auf, während umgekehrt das Große und Viele auch bei endlicher Teilbarkeit bestehen kann, aber die Eigenschaft endlicher Teilbarkeit ist dann als Unterscheidungsmerkmal zwischen πολύ und ολίγον, μέγα und μικρόν ungeeignet. Die Unscharfe wird indessen gemildert, wenn man an die Stelle des Großen und Vielen das unendlich Große und Viele treten läßt, das von der eleatischen Vorgeschichte des Arguments her zunächst allein in Frage kommt (Zenon fr Β 1: die πολλά μικρά μέν . . . μεγάλα δέ ώστε απειρα είναι, danach Anaxagoras fr Β 3 und - als historisches Zwischenglied wichtig - Piaton Parm. 164 D i f f . : ό δγκος . . . άπειρος έστι πλήθει, καν τό σμικρότατον δοκοϋν είναι λάβη τις . . . φαίνεται. . . άντί σμικροτάτου παμμέγεθες . . ., Ε 3 f ·: καί σμικρότατον . . .δόξει έν αύτοϊς ένεΐναιφαίνεται δέ τοϋτο πολλά καί μεγάλα). Das Argument setzt diese A r t des Großen und Vielen deutlich voraus (τό δ' άπειρους . . . διαιρέσεις έχον . . . έστιν . . . πολύ), doch verschiebt sich mit der Rettung des μικρόν und όλίγον vermöge des άμερές die Bedeutung des μέγα und πολύ dahingehend, daß es unendlich Vieles und Großes zwar noch im Sinne unendlicher Addition - etwa in der Zahlenreihe - bleiben kann, sonst aber den Charakter des Unendlichen verliert. E s ist jedoch zu beachten, daß auch das μικρόν und όλίγον durch die Annahme eines Minimums seinen ursprünglichen infinitesimalen Status (Zenon Β x: μικρά . . . ώστε μηδέν Ιχειν μέγεθος) einbüßt. 363 Der Zusammenhang bestätigt die anderweitig belegte eleatische Vorgeschichte des platonischen Groß-Kleinen, vgl. Parm. V S 28 Β 8, 22 ff., 44 ff.; Melissos V S 30 Β 7 § 8. 8 M Vgl. oben S. 260. ess W I E H I R S C H 71 Anm. 1, 95, der das Argument über Gebühr abwertet und es Xenokrates abspricht.

340

Epikurs Lehre vom Minimum

sehen Ellenteilung Piatons in Erscheinung tritt. Ferner ist die Unterscheidung von πολύ-όλίγον und μέγα-μικρόν terminologisch bedeutsam, denn in der Akademie war das erste Paar den Zahlen, das zweite den ausgedehnten Größen vorbehalten38®. Im übrigen trägt die Argumentation ganz den Charakter der akademischen ) ,Begriffs"-Philosophie und Dialektik, wenn sie den Begriffsgehalt „des" Kleinen und „des" Großen unterscheidend zu erfassen und festzuhalten sucht. Aristoteles bietet Metaph. I 6 eine aufschlußreiche Parallele, wenn er anhand desselben Beispiels gegen Speusipp das Verhältnis von πλήθος, πολύ, ολίγον und έν präzisiert367. Im ganzen belegt das Argument für Xenokrates die Abgrenzung kleinster unteilbarer Größen vor dem Hintergrund der Dialektik des Großen und Kleinen, das nach fr 26 und fr 28 H. in seiner Physik Prinzip von Raum, Ausdehnung und Vielheit gewesen sein muß. Da der Gedanke sich ohne nähere Bestimmung auf alle Größen (έν άπασιν a 8 μέτρον αύτών άμερές.

353

Alle Linien aber, die gemessen werden, sind kommensurabel. Denn es gibt doch wohl eine Strecke, durch die alle gemessen werden können. Diese aber muß unteilbar sein. Denn wenn teilbar, dann würden auch ihre Teile wieder ein Maß haben, denn sie sind kommensurabel dem Ganzen. Es würde dann bei einem Teil die halbe Strecke mit der doppelten identisch sein. Da aber dies unmöglich ist, gibt es wohl ein unteilbares Maß. Ebenso bestehen auch die einmal von ihm gemessenen Linien aus teillosen Größen wie alle aus dem Maß zusammengesetzten. Dasselbe wird auch für die Flächen gelten. Alle Flächen nämlich mit rationalen Seitenlinien sind einander kommensurabel; ihr Maß muß daher teillos sein.

Dem Vaticanus folgen APELT in der Ausgabe (anders in der Übersetzung 272 m i t A n m . 1), HEINZE, SACHS, SCHRAMM und m i t treffender sachlicher B e g r ü n 411

dung GAISER P U L 376 Anm. 139. Die schwer erträgliche Härte vermeiden Konjekturen wie δεήσεται (GAISER 511) oder die freilich kühnere μέτρα τινά (HEINZE Xs. 64 Anm. 1, vgl. 174, ü b e r n o m m e n v o n SACHS 139).

412

413

414

είναι Urbinas (W a ): εϊη cett., διπλασίαν Vaticanus (Ν): διπλάσιον Vaticanus (L), Urbinas: διπλασία cett. Der oben wiedergegebene Text entspricht demjenigen APELTS mit der Korrektur von SCHRAMM 40 (είναι statt εϊη, vgl. bereits APELTS Vermutung im Apparat: fort, αν είναι). Die Konjekturen HAYDUCKS 162 (ώστε μέτρον αν εΐη διπλασία της ήμισείας bzw. ώστε μετρεΐν αν εϊη διπλασία τήν ήμίσειαν) und GAISERS (ώστε μέρους τινός είναι διπλασίου τήν ήμίσειαν a. Ο. 510 f., vgl. 159) sind überflüssig öder verdunkeln die Pointe, daß Hälfte und Doppeltes fälschlich zusammenfallen, wenn das eine Maß weitergeteilt würde. Der Herstellungsversuch JOACHIMS ist mir unverständlich. inser. HAYDUCK, cf. Martiani Rotae vers. Lat.: „indivisibilis esse mensura debet". Der Satz bezieht sich vielleicht auf den Grenzfall der kleinsten Strecke, die mit dem Maß selbst zusammenfällt, vgl. JOACHIM Z. St.

354

Epikurs Lehre vom. Minimum

Das fünfte und letzte Argument sucht die Atomlinie als „Maß" (μέτρον) in den kommensurablen (σύμμετροι) mathematischen Linien auf. Der schwer verständliche Gedankengang (vor allem die hier nicht wiedergegebene Fortsetzung des Zitats) 415 ist erst neuerdings durch K. Gaiser416 von seinen in Piatons άγραφα δόγματα wurzelnden dimensionalontologischen Voraussetzungen her aufgeklärt worden. Die Tatsache der Inkommensurabilität wird hier nicht etwa ignoriert, sondern einer dimensional und ontologisch niedrigeren Stufe zugewiesen417. Der Gedankengang entspricht im allgemeinen dem, was man als Begründung der mathematischen Atomlinientheorie Piatons 418 erwartet, doch deutet die eigentümliche, mit den übrigen Beweisgängen übereinstimmende Form dialektischer Argumentation wiederum auf Xenokrates: Es kann nur ein Maß geben (τω αύτω μέτρω); wäre es teilbar, so müßten demnach die Hälften - da ihrerseits Maße - mit dem ganzen Maß (dem „Doppelten") identisch sein419. Diese deductio ad absurdum geht sichtbar von Prämissen der platonischen Prinzipienlehre aus: Die Identität (το αυτό) des Maßes entspricht wie seine Unteilbarkeit dem εν - denn „Identität ist eine Weise von Einheit" 420 - , das Doppelte und Halbe aber repräsentiert - gerade in seiner Widersprüchlichkeit - den logisch nicht fixierbaren Charakter des μέγα-μικρόν421. Darüber hinaus gibt die Ausdehnung der Minimalehre auch auf andere Dimensionen (κάν τοις έπιπέδοις . . μέτρον . . άμερές, das gleiche gilt zweifellos für stereometrische Körper)422 zu erkennen, daß hier die eigentümliche xenokratische Auffassung der μαθηματικά hereinwirkt. Die xenokratische Abkunft folgt ferner aus dem Umstand, daß gewiß auch dieses Argument wie die vorhergehenden dem Referenten in schriftlicher Form vorgelegen hat, wobei als Verfasser nicht Piaton, sondern am ehesten der - eben deswegen in der späteren Tradition als 416 416

968 b 1 6 - 2 1 . GAISER P U L 1 5 8 ff., 3 7 5 ff., 5 1 0 f. K o m m .

417

Inkommensurabel ist erst das Verhältnis zwischen Seitenlinie und Diagonale, das die Flächendimension voraussetzt; Entsprechendes gilt für die Körper-

418

Arist. Metaph. A 9, 992 a 20 ff.

diagonale. V g l . GAISER a. O.

419 VGL

H E I N Z E X S . 6 4 A n m . 1 , SCHRAMM 40.

420 VGL. Arist. Metaph. Δ IOI8 a 7, 1 0 2 1 a 9 ff., dazu Γ 1003 b 36, 1004 a 1 7 ff., 27, 1004 b 27 ff., I 1054 a 3 1 ff. (nach Piatons περί τάγαθοϋ, vgl. zuletzt Verf. Philol. 1 1 0 , 1966, 47 ff.) 421 Das μέγα - μικρόν wird in der Akademie auch sonst bevorzugt durch das Paar διπλάσιον — ήμισυ exemplifiziert. 422

Vgl. HIRSCH 88.

Exkurs: Die 'Physik' des Xenokrates

355

Hauptvertreter der Atomlinientheorie erscheinende - Xenokrates in Frage kommt 423 . Offen bleibt das Verhältnis zu den physikalischen Schriften; das Argument kann (muß aber nicht) auch einer mathematischen Schrift des Xenokrates entnommen sein424. Entscheidend für den hier verfolgten Zusammenhang mit Epikur ist der Begriff des unteilbaren Grundmaßes (μέτρον άμερές, άδιαίρετον) und des Ausmessens (μετρεΐν), der hier offenbar terminologisch auf das Verhältnis von Atomlinien und Atomflächen zu den daraus zusammengesetzten (σύνθετοι, vgl. σύγκεινται) Linien und Flächen angewendet wird. E r knüpft zwar an die mathematische „Symmetrie" an, weicht jedoch mit der Bedeutung des absoluten, ontologisch begründeten Teilungsminimums aufs entschiedenste von der mathematischen Praxis ab. Diese Bedeutung weist aber auf die akademische Elementenphilosophie zurück, wo die Elemente bis hin zur Prinzipienlehre - das εν und άγαθόν als άκριβέστατον μέτρον verstanden 426 - zugleich als „Grundmaße" (μέτρα) ihres Bereiches erscheinen, der daraus (theoretisch) quantitierend durch Zusammensetzung (σύνθεσις) und Addition (πρόσθεσις) aufgebaut oder durch Analysis und „Subtraktion" (άφαίρεσις) in sie zerlegt werden kann - eine Vorstellung, die bei Aristoteles vielerorts ihre Spuren hinterlassen hat 426 . Es ist darum klar, daß der hier entfaltete μέτρον-Gedanke nicht nur für geometrische Atomlinien und -flächen und für stereometrische Atomkörper, sondern auch für die Monas der Zahlenreihe und für alle physikalischen Minima (ελάχιστα) zutrifft in allen Dimensionen des Körperhaften sowie für die des Raumes und der Zeit - , die eben als die letzten, unteilbaren Elemente Grundmaße und Maßeinheiten ihres Bereiches sind, der sich im Verhältnis von ganzen Vielfachen daraus aufbaut. Alle in den vorhergehenden Argu423

424

Daß Xenokrates die Atomlinie als μέτρον aufgefaßt habe, findet sich bei Proklos in Remp. II 27, 4 ff. K r o l l = fr 43 p. 175, 24 f. H e i n z e (im Vergleich mit Epikur). Auf die 968 b 20 f. anklingende platonisch-akademische Kategorienlehre (καθ' αύτάς - πρός άλλήλας) verweist G a i s e r PUL 377 Anm. 142. Sie hat gerade über Xenokrates (fr 12 H e i n z e und oben Kap. I 4 S. 82 ff.) entscheidend weitergewirkt. In Frage kommen die Schriften περί γεωμετρών βιβλία ε', των περί τά μαθήματα βιβλία ς' oder περί γεωμετρίας α' β' (im Titelverzeichnis b. D. L. IV 13/14). In der 'Physik' dürfte das Argument im Zusammenhang des derivativen Abstiegs von den idealen über die mathematischen zu den physikalischen Größen und Minima seinen Platz gehabt haben, wie ja auch das erste Argument mathematische Größen einschließt.

«5 vgl. 429

P1- P o l

5 o 4 c>

Poiit. 284 D, danach Arist. fr 79 Rose.

Z. B. Metaph. Δ 6, ioi6 b 17 ff., I 1, 1052 b 18 ff., Ν ι, 1088 a 4 ff., De caelo Β 4, 287 a 23 ff.; vgl. Verf. Philol. 110, 1966, 63 f. mit weiteren Belegen.

356

Epikurs Lehre vom Minimum

menten behandelten minimalen Größen - Atomlinien, -flächen und - körper, Raum- (und Zeit-) Monaden - sind im Sinne des fünften Arguments feste μέτρα427, die ihren Bereich ausmessen (μετρεΐν) und die im Horizont des akademischen Elementensystems in der 'Physik' des Xenokrates wahrscheinlich als solche dargestellt waren. Der Terminus tritt vermutlich nur deshalb erst im letzten Argument auf, weil er hier durch den mathematischen Symmetriegedanken provoziert war, während sich die Argumente sonst mit dem bloßen Existenzbeweis der minimalen Größen begnügen, ohne auf ihre positiven Funktionen einzugehen. Damit ist die xenokratische Abkunft der fünf im Eingang der Atomlinienschrift referierten Argumente erneut gesichert und darüber hinaus ihr Zusammenhang mit dem Aufriß speziell der physikalischen Pragmatie des Xenokrates im einzelnen nachgewiesen, in deren - oben vorgängig entwickelten - Rahmen sie sich an mehr oder weniger bestimmter Stelle einordnen lassen. Umgekehrt wächst den schattenhaften Konturen der xenokratisch-akademischen Physik aus den eingehender interpretierten Argumenten ein konkreter Bestand an dogmatischen Gehalten und argumentativer Methodik zu, der vor allem dreierlei erkennen läßt: 1. die universelle Anlage des xenokratischen Systems der Minima. 2. den inneren Zusammenhang der Themen: Raum - Bewegung Minimum (im IV. Argument) - : den eigentlichen historischen Bezugspunkt der aristotelischen Unstetigkeitskritik Phys. Z. 3. den Einfluß der Prinzipienlehre und der dialektischen Methode des Gesamtsystems. Schwierigkeiten hat im System der Minima, wie es für Xenokrates zu rekonstruieren ist, gelegentlich 428 das Nebeneinander von idealen, mathematischen und physikalischen 429 άδιαίρετα μεγέθη bereitet. Daß Xenokrates tatsächlich, wie schon Piaton, αδιαίρετα in allen drei Seinsbereichen vertreten hat, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: a) Zwar schreibt Aristoteles dem Xenokrates wiederholt die „Identifikation" der idealen und der mathematischen Wesenheiten, und zwar 427 428

Darauf hat bereits FURLEY 106 hingewiesen. Irrtümliche Einschränkungen ζ. B. bei O. REGENBOGEN R E Suppl. Bd. V I I

(1940) Sp. 1543; HIRSCH 53 ff., 6 5 - 6 7 , 72 ff., 1 1 3 ; H . DÖRRIE, R E I X A 2

429

(1967) s. v. 'Xenokrates' Sp. 1522. „Physikalisch" bedeutet im folgenden: „ z u m Bereich der Physik gehörig" (was nicht schon dasselbe ist wie „körperhaft", „materiell").

E x k u r s : Die ' P h y s i k ' des Xenokrates

357

genauer der Zahlen zu430, doch sprechen andere Belege vorsichtiger vom „Versuch", mathematisches und ideales Sein gleichzusetzen431, und geben zu erkennen, daß gerade den geometrischen Größen - im Unterschied zu den idealen - nicht durchweg Unteilbarkeit zukommt (Met. Μ 6, Ιθ8θ b 29 f. = f r 3 7 Η . : ού γαρ τέμνεσθαι ουτε μέγεθος παν εις

μεγέθη . .)432. E s ist ferner von vornherein unwahrscheinlich, daß Xenokrates von der für Piaton selbstverständlichen433 Pluralität mathematischer Wesenheiten - im Unterschied zur Einzigkeit der jeweiligen Idee - abgegangen sein sollte, die für mathematische Operationen unerläßlich ist. Demgemäß rechnet ζ. B . die gesamte Überlieferung durchweg nicht mit einer einzigen - der idealen - , sondern stets mit einer Mehrheit unteilbarer Linien, die als solche mathematischer (und physikalischer) Natur gewesen sein müssen434, wofür gerade das fünfte der in der Schrift περί άτόμων γραμμών referierten Argumente Zeugnis ablegt. Ganz allgemein kann sich die Theorie der άδιαίρετα μεγέθη schon deshalb nicht in den idealen - begrifflich unteilbaren - Größen erschöpft haben, weil die Minima der Überlieferung zufolge der zenonischen Dichotomie eine Grenze setzen sollten, minimale und ideale Unteilbarkeit also eine ganz verschiedene Bedeutung haben. Damit stimmt überein, daß Ar. Met. Μ 8, 1084 b 1 f. = fr 41 Heinze - die Parallele De an. A 2, 404 b 18 ff. weist mit Themist. z. St. = fr 39 Heinze auf den Gedankenkreis der xenokratischen Physik - eine Idee der Atomlinie namhaft macht 435 , woraus hervorgeht, daß ideale Linie und Atomlinie nicht 430 Metaph, Λ ι, 1 0 6 9 a 3 5 : εις μίαν φύσιν τιθέντες τά είδη και τά μαθηματικά, Μ 6, ι ο 8 ο b 2 2 f . : τόν μαθηματικόν τόν αυτόν τοϋτον sc. τόν των ειδών άριθμόν είναι, 8, 1 0 8 3 b 2 f . : τό είναι τόν αυτόν άριθμόν τόν των ειδών καΐ τόν μαθηματικών, 9. ι ο 8 6 a 8 ff.: τόν αυτόν είδητικόν και μαθηματικόν εποίησαν άριθμόν τω λόγω, έπεί έργω γε άνήρηται ό μαθηματικός (sämtlich = fr 3 4 H e i n z e ) . 431

432

433 434

485

Metaph. Ν 3, logo b 3 1 f. = f r 3 8 H e i n z e : οδτοι μέν οδν ταύτη προσγλιχόμενοι ταϊς Ιδέαις τά μαθηματικά διαμαρτάνουσιν. V g l . dazu Β ο ν ι τ ζ , Arist. Metaph. Comm. I I , 1849, N a c h d r u c k i960, 79 (,,id efficere enixissime studuerunt"), 581 („coalescere inter se voluerant"); R o s s , T h e works of Arist. transl. into English, Vol. V I I I : Metaphysica, Oxf. 1 9 2 8 2 , ζ. St. („in wanting to unite the objects of mathematics with the ideas"). Die Stelle wird erläutert durch die in De lin. insec. referierten geometrischen und stereometrischen Minima. Der f ü r die arithmetische Zahlenreihe folgende N a c h s a t z (οΰθ' όποιασοϋν μονάδας δυάδα είναι) erinnert allerdings mehr an die idealen άριθμοί άσύμβλητοι. V g l . R o s s ζ. St. Vol. I I 4 3 0 (,,a clear allusion t o the doctrine of indivisible lines" - „ a s . . . the units in one ideal n u m b e r " ) . Arist. Metaph. A 6, 9 8 7 b 1 7 f . ; vgl. R o s s , Arist. Met. Introd. L I I I f., 1 6 6 f. V g l . den peripatetischen Schriftentitel περί άτόμων γραμμών sowie X s . f r 4 3 ff.

Heinze.

ή πρώτη γραμμή όίτομος ( R o s s ' E i n f ü g u n g v o n < ή > v o r όίτομος nebst der Begründung K o m m . I I 4 5 1 ist falsch), είτα δυάς, είτα καΐ ταϋτα sc. τά μεγέθη

358

E p i k u r s Lehre v o m Minimum

zusammenfallen436. Aristoteles meint darum wohl mit der „Angleichung" des mathematischen an den idealen Bereich lediglich die Ausdehnung der Minimalehre über die platonischen Atomlinien hinaus auf elementare Atomflächen und -körper437, die damit auf eine übermathematische, gleichsam ideale Stufe gehoben schienen438. μέχρι δεκάδος. Die an zweiter Stelle der A u f z ä h l u n g folgende D y a s entspricht dem πρώτον μήκος (der idealen Linie) der D e anima-Stelle. Von ihr ist als πρώτη γραμμή (s» μήκος) ατομος das ideale Linien element abgehoben, das an der De anima-Stelle mit ή τοϋ έν&ς Ιδέα wiedergegeben wird. Das Merkmal der Unteilbarkeit (άτομος), wodurch das ideale Linienelement von der idealen Linie unterschieden wird, bezieht sich also nicht auf seine Idealität, sondern auf seine Funktion als Element und Maß des mathematischen (und physikalischen) Dimensionszusammenhangs, und zwar zunächst der Linie. Vgl. HIRSCH 64.

Die Interpretation der Atomlinie auf die ideale Linie bei Procl. in Plat. Tim. 215 Ε = X s . fr 46 H. (vgl. Porph. b. Simpl. in phys. p. 140, 6 ff. D. = fr 45 H . und Simpl. ib. 142, 16 ff. D. = fr 47 H.) ist eine nachträgliche Umdeutung, die den Konflikt mit der mathematischen Stetigkeit beheben soll, vgl. O. APELT, Beiträge 267 ( „ D a s alles sind spätere Deutungen und Hilfsversuche, die mehr v o n dem hilfsbereiten Willen und der geschäftigen Phantasie ihrer Urheber, als von Sachkenntnis und Scharfsinn zeugen"), HEINZE XS. 63 mit A n m . 3 (,,es ist ein grobes Mißverständnis dieser Lehre . . . wenn Spätere die Sache so darstellen, als habe nur die Unteilbarkeit der idealen Linie, der αΰτογραμμή, behauptet werden sollen"), ZELLER, Ph. d. Gr. I I i e , 1018 f. Anm. 1. 437 Y g i a u ß e r den in De lin. insec. referierten Argumenten (I, V) ζ. B . Ar. De caelo Γ 8, 307 a 19 ff.: . . . τά μαθηματικά σώματα . . . ένεισιν έν αύτοϊς άτομο« καΐ σφαϊραι καί πυραμίδες, άλλως τε καί εί έστιν άτομα μεγέθη, καθάπερ φαβίν (mit ZELLER a. Ο. i o i g Anm.), Porph. b. Simpl. in phys. 140, 6 ff. D. = fr 45 HEINZE. ES stand also nicht nur das minimale Dreieck an der Spitze der Polygone (vgl. PI. Tim. 53 Α f., 54 Β ff., Arist. De an. Β 3, 414 b 21 f., 29 ff., De caelo Β 4, 286 b 11 ff., X s . fr 39 Η . : πρώτον . . . τών έπιπέδων . . . τό τρίγωνον) und der minimale Tetraeder (die „ P y r a m i d e " ) an der Spitze der Polyeder (vgl. PI. Tim. 56 Α f., Sext. E m p . X 280, X s . fr 39 Η . : πρώτον . . . τών στερεών . . . ή πυραμίς, Speusipp fr 4 Ρ· f- LANG), sondern es gab daneben - gemäß der mathematischen Einteilung der σχήματα in ευθύγραμμα und περιφερόγραμμα - auch minimale Kreise und Kugeln, vgl. Piaton b. Plut. Quaest. Plat. V 2 p. 1003 F f. (nach Tim. 55 D, dazu LURIA 146) und Arist. D e caelo Β 4, 286 b 10 ff. Dagegen ist es unwahrscheinlich, daß Xenokrates darüber hinaus noch weitere άτομα σχήματα etwa in Gestalt minimaler K u b e n angenommen hätte. Alle übrigen Polygone und Polyeder können nämlich als ganze Vielfache des ersten Gliedes (μέτρον!) der Reihe (Dreieck - Viereck F ü n f e c k . . .; Tetraeder - Hexaeder - Oktaeder - Dodekaeder - Ikosaeder) nicht theoretisch unteilbar gewesen sein (vgl. Ar. D e an. Β 3, 414 b 29 ff. in akademischer Nachfolge: άεί γάρ εν τω εφεξής υπάρχει δυνάμει τό πρότερον έπί . . . τών σχημάτων . . . οίον έν τετραγώνφ . . . τρίγωνον). Minima sind daher sowohl im mathematischen wie im physikalischen Bereich nur die einfachsten Figuren gewesen (kleinste Dreiecke, Kreise; kleinste Tetraeder, Kugeln), aus denen sich alle übrigen Figuren durch Vervielfältigung aufbauten.

436

438

Die Sonderstellung und der ontische V o r r a n g der Atomlinie als des Grundelements des gesamten Dimensionszusammenhangs blieb davon unberührt.

E x k u r s : Die ' P h y s i k ' des Xenokrates b) Die E x i s t e n z spezifisch physikalischer

359

Minima 439 folgt aus dem di-

mensionalen A u f b a u der Körperwelt in Piatons 'Timaios' 4 4 0 und περί τάγαθοϋ 441 ebenso wie aus der Behandlung innerhalb der physikalischen Pragmatie bei Xenokrates und Aristoteles 442 und insbesondere aus dem ersten, dritten und vierten der im E i n g a n g der Streitschrift περί ατόμων γραμμών erhaltenen Argumente 4 4 3 . Die physikalischen Minima unterscheiden sich wie die mathematischen v o n den idealen Größen dadurch, daß sie Teilungsgrenzen sind und in unbegrenzter Vervielfältigung vorkommen, von den mathematischen aber dadurch, daß sie dem physikalisch-kosmischen R a u m und seinen Körpern immanent sind und an ihrer Bewegung

teilnehmen, während die mathematischen

räum-, zeit- und bewegungslos bleiben

(χωριστά) 444 . Dies

Größen bedeutet

nicht, daß die Minima bei den physikalischen Prozessen in Erscheinung

439

410

441

442

D a s R i c h t i g e b e r e i t s b e i HEINZE X S . 58 A n m . 1, 59, 6 3 ; v g l . E . F R A N K 3 6 9

A n m . 281: „Reelle 'physische' P u n k t e " , W . KRANZ, Entstehung 33: „ p h y s i scher P u n k t " . Falsch dagegen wieder HIRSCH 65 ff. Die weitergehende, über die flächenhaften Elementardreiecke des 'Timaios' zurückreichende dimensionale Strukturierung der Körperwelt ist in den Dialogen mehrfach angedeutet: Tim. 53 D 6 f., vgl. 48 C 2 ff.; Menon 75 D ff., 76 Ε f . ; Pol. 528 A 9 ff., 546 B ; Nomoi 894 Α 1 ff., 896 D 1 f. Zu den platonischen P u n k t m o n a d e n und ihrem Verhältnis zu den Atomlinien oben S. 300 A n m . 246. Dabei ist zu beachten, daß die Grenze zwischen Mathematik und P h y s i k bei Aristoteles und den Akademikern verschieden verläuft. W e n n Arist. den dimensionalen A u f b a u der Körper in der P h y s i k kritisiert, so bedeutet dies nicht etwa, daß die Mathematik künstlich in die P h y s i k hineingezogen würde (so CHERNISS,

443

444

Criticism

134 A n m .

84 u n d d a n a c h HIRSCH 6 5 f. z u

den

„ m a t h e m a t i s c h e n " , έξ άφαιρέσεως aufgefaßten Atomlinien De caelo Γ ι , 299 a 8 ff.), sondern erklärt sich umgekehrt aus der Zugehörigkeit des Dimensionszusammenhangs zur akademischen Physik. (Die rein mathematischen Minima der A k a d e m i k e r lagen dagegen außerhalb des Gesichtskreises der K r i t i k des Arist., dessen Theorie des K o n t i n u u m s lediglich die „anschauliche T a t s a c h e " physikalischer „ B e w e g u n g " zu retten bestimmt w a r : WIELAND 288 f., 305 A n m . 33.) 968 a 2 ff., 14 ff., 18 ff. V g l . die folgende Widerlegung, die mit physikalischer B e w e g u n g (970 a 33 ff., 971 a 13 ff.) und Zeit (970 b 5 ff., 971 a 16 ff.) und physikalischen Körpern (970 b 30 ff., 972 a 6 ff.) rechnet. Vgl. CHERNISS, Criticism 128: Die Beweise ,,argue directly for indivisible phenomenal quant a " , f ü r das vierte A r g u m e n t auch HIRSCH 89. Z u m dritten Argument vgl. fr 50/51 H . und oben S. 345 f. V g l . ζ. B . A r . Met. A 987 b 15 ff.: τά μαθηματικά . . . διαφέροντα των μέν αισθητών τω άίδια καΐ άκίνητα είναι, Λ 1069 a 33 ff·: άλλη sc. ουσία δέ άκίνητος, καΐ ταύτην φασί τίνες είναι χωριστή ν, οί μέν είς δύο διαιροϋντες . . . τά είδη καΐ τά μαθηματικά, Μ ιο8ο b 14 ff.: τδν μαθηματικών . . . άριθμόν . . . κεχωρισμένον των αισθητών, Ν 1090 a 29 S . : . . . κεχώρισται τά μαθηματικά . . . χωριστόν . . . χωριστά, b 13: χωριστά.

21 KrSmer, Platonismus

360

E p i k u r s L e h r e v o m Minimum

treten müssen, etwa als letzte Grenzen physikalischer Teilbarkeit: Diese Grenze bilden bei Piaton die Elementardreiecke, bei Xenokrates vielleicht bereits die Elementarkörper, während die dimensional vorangehenden Elementarflächen und -linien nur theoretisch unteilbar sind446. Wo physikalische und theoretische Teilungsgrenzen ausnahmsweise zusammenfallen446, wie bei den minimalen Elementardreiecken und Tetraedern, ist damit der weitere (theoretische) Rückgang in die einfacheren Dimensionen nicht aufgehoben. Im ganzen besitzt der physikalische Raum und seine Körpermassen eine „körnige" Struktur, die theoretische Teilungen der dritten Dimension nur nach ganzen Vielfachen der kleinsten Elementarkörper, d. h. der kleinsten Tetraeder zuläßt. Entsprechendes gilt für die zweite (minimale Dreiecke) und erste (Atomlinien) Dimension. c) Die Minima sind als Elementargrößen und Maßeinheiten Abbilder des Urmaßes und Grundelements, des £v αυτό, in einem bestimmten Sachbereich. Sie sind wie dieses πρώτα μέρη άμερη και άπλα und μέτρα αδιαίρετα447. Sie stellen die konkrete Durchführung der akademischen Elementenphilosophie dar, indem sie den Elementen- und Maßgedanken spezialisieren und mit dem derivativen Zusammenhang des Systems verknüpfen (Zahl - Ausdehnung in drei Dimensionen - Bewegung - Zeit). Die Minimatheorie der xenokratischen Physik ist daher stets auf das Ganze des Elementensystems und seiner Prinzipienlehre zu beziehen448, dem sie ihrerseits wohl seine differenzierteste und ent445

Ausdrücklich der dimensionale Regreß v o n den Atomkörpern κατά τήν έπίνοιαν, d. h. „theoretisch", in dem Referat S e x t . E m p . X 2 5 5 - 2 5 9 passim (Test. Plat. 3 2 G.). Der Zusammenhang mit der v o n Xenokrates (und Speusipp) nach Analogie der mathematischen Konstruktion „didaktisch"-theoretisch gedeuteten platonischen Kosmogonie (διδασκαλίας χάριν ώς μάλλον γνωριζόντων X s . fr 54 Η . = Speusipp fr 5 4 a L . , vgl. fr 5 4 b, X s . f r 3 3 H.) ist nahegelegt durch den Vergleich X 2 5 5 : δν τρόπον ot άγένητον καί αίώνιον άπολείποντες τόν κόαμον ούδέν ήττον προς έπίνοιαν ζητοϋσι τάς πρώτον συστησαμένας αυτόν άρχάς, οΰτω . . . κατ' έπίνοιαν σκεπτόμεθα τό έκ τίνων . . . συνέστηκε σώματα. CHERNISS, Criticism 1 4 5 A n m . 87 bezieht X s . f r 54 H . daher wohl richtig auch auf die dimensionale Konstruktion der Elementarkörper. 44β v g l FURLEY 1 0 8 ff. f ü r die Elementardreiecke des 'Timaios' (freilich ohne die notwendige Unterscheidung zwischen der kleinsten und den übrigen Dreiecksgrößen, die nicht theoretisch unteilbar sein können). Z u Xenokrates oben S. 3 4 6 f. 447

448

V g l . bes. A r . Met. Δ IOI4 b 3 ff·. Μ 1 0 8 4 b 1 8 ff.f vgl. 3 1 . A l e x , in metaph. 55» 2 2 f. H . Z u m έν als μέτρον Met. Δ i o i ö b 1 7 , 1 0 2 1 a 1 2 , I 1 0 5 2 b 1 5 ff., 3 3 ff., 1 0 5 3 b 4 ff., A 1 0 7 2 a 3 3 , Ν 1 0 8 7 b 3 3 , 1 0 8 8 a 4, vgl. Verf., Philol. 1 1 0 , 1 9 6 6 , 63 ff.. Daher die beständige A n w e n d u n g der dialektischen Methode ( „ L o g i k " ) auch

E x k u r s : D i e ' P h y s i k ' des X e n o k r a t e s

361

wickeltste Gestalt gegeben hat 449 . Die dimensionale Differenzierung der Minima steht dabei in engster Korrespondenz mit der gleichartigen des Materialprinzips (εΐδη des μέγα-μικρόν in den drei Dimensionen: μακρόν - βραχύ, πλατύ - στενόν, βαθύ - ταπεινόν)450, die ihrerseits vor dem Hintergrund der im Schülerkreis Piatons fortschreitenden Prinzipiendifferenzierung zu sehen ist (Xenokrates fr 56: drei Arten des πυκνόν, Speusipp: Sonderprinzipien der Seinsbereiche, vgl. die υλη τοπική des Aristoteles)451. Daß Xenokrates zum wenigsten ihr Hauptvertreter, wenn nicht gar ihr Urheber gewesen ist, belegt die in den Referaten berichtete „Erzeugung" dreidimensionaler Massenteilchen (ογκοι) aus dem βαθύ - ταπεινόν452, die mit der Terminologie der xenokratischen Elementarkörperlehre übereinstimmt (δγκοι fr5o). Die Annahme besonderer Materialprinzipien für jede Dimension gewann in dem Augenblick systematisches und operatives Interesse, da man nicht nur wie Piaton in der ersten, sondern wie Xenokrates auch in der zweiten und dritten Dimension άτομα μεγέθη ansetzte und damit die „Begrenzung" des μέγα-μικρόν durch das formgebende έν sich auf jeder Dimensionsstufe wiederholen Heß. Der konstruktive Aufbau einer Dimension setzt die spezifische Begrenzung des μέγα-μικρόν durch die Konstituierung von Elementargrößen bereits voraus. Es geht daher nicht an, die Infinitesimalstruktur des (unbegrenzten) μέγα-μικρόν für einen fließenden Übergang zwischen den Dimensionen in Anspruch zu nehmen und wie die erste Dimension aus der Addition von Linienelementen, so analog die Flächendimension aus der Summierung infinitesimal bzw. minimal „schmaler" Linien, die Körperdimension aus der Aufschichtung infinitesimal bzw. minimal „erhöhter" Flächen hervorgehen zu lassen453. Im Unterschied zum Linienelement haben Linien und Flächen an der folgenden Dimension,

419

460

in der xenokratischen P h y s i k , v g l . oben S. 340, 342, 344 f . , 354, 356 m i t der K r i t i k des Aristoteles (λογικώς καΐ κενώς) S. 342 A n m . 378. E n t s p r e c h e n d der detaillierten A u s a r b e i t u n g a u c h der xenokratischen K o s mologie : fr 26 H . = Theophr. M e t a p h . 6 a 23 ff. A r . M e t a p h . 992 a 10 £E., Μ 1085 a 9 ff-, Ν io88 b 6 ff., 1089 b 9 ff., D e philos. fr I I R o s s (Test. P l a t . 26 A / B , 27 A / B G . ) . Z u r Diskussion CHERNISS, Criticism 481 ff., v g l . 120 A n m . 77, der die Differenzierung d e m Schülerkreis P i a t o n s z u w e i s t ; anders GAISER P U L 487 K o m m .

451

V o r allem f ü r die E i n o r d n u n g des Aristoteles w i c h t i g sind die A r b e i t e n v o n P h . MERLAN u n d H . H A P P : v g l . oben K a p . I I S. 124.

452

Ar. M e t . 1085 a 1 1 f . : έκ βαθέος δέ καΐ ταπεινού τούς όγκους, 1089 b 13 f . : βαθύ ταπεινόν, έξ ών οI δγκοι. So J. STENZEL Z G 3 7 9 - 8 1 .

468

362

E p i k u r s Lehre v o m Minimum

deren πέρατα sie sind, und an deren Materialprinzip keinerlei Anteil464. Dem Linienelement entsprechen vielmehr die elementaren Minima der zweiten und dritten Dimension (kleinstes Dreieck, kleinster Tetraeder u. dgl.), die wie das Linienelement der Begrenzung des μέγα-μικρόν (bzw. πλατύ - στενόν, βαθύ - ταπεινόν) entstammen. Sie verhalten sich zur jeweils vorhergehenden Dimension nicht im Sinne des Additionsprinzips, das nur innerhalb derselben Dimension seinen Platz hat, sondern im Sinne der Konstruktion: Das Elementardreieck wird beispielsweise aus den drei es begrenzenden Linien, der elementare Tetraeder aus den vier ihn begrenzenden Flächen bzw. sechs Linien konstruiert gedacht466, ohne dabei die spezifische theoretische Unteilbarkeit seiner Dimension einzubüßen466. 464 455

45e

V g l . oben S. 301 f. Xenokrates stimmt also mit dem Verfahren des 'Timaios' überein, die Elementarkörper durch einander schneidende Flächen zu konstruieren (vgl. dazu die K r i t i k des Aristoteles D e caelo Γ χ, 299 b 23 ff. und - aus atomistischer Sicht - die LURIAS 150-154). Eine weitere Frage, die das Detail der Atomkörperlehre in der xenokratischen P h y s i k betrifft, sei in K ü r z e behandelt: Piaton h a t im 'Timaios' die Mannigfaltigkeit der vorkommenden Stoffe derart aus den vier regelmäßigen Elementarkörpern abgeleitet, daß er die Elementardreiecke in verschiedenen Größen auftreten und sich „unendlichfach" miteinander verbinden läßt (57 C - 6 χ C, vgl. bes. 57 D ι ff.). D a auch Xenokrates die Verschiedenheit der Stoffe auf die vier (fünf) Elemente und ihre Grundkörper zurückführte (Plut. a d v . Col. 9, I U I D = X s . fr 52 Η . : οΰχΐ καί Πλάτωνι συνέβαινε . . . καί Ξενοκράτει χρυσόν έκ μή χρυσοϋ καί λίθον έκ μή λίθου καί τάλλα γενναν έκ τεττάρων άπλων καί πρώτων απάντων; vgl. Tim. 59 Β ff-, 6ο Β ff., Soph. 265 C 3), erhebt sich die Frage, wie sich die verschiedenen Größen der Grundkörper innerhalb eines Elements zueinander verhielten (eine ähnliche Differenzierung der Elementarmolekel in akademischer Nachfolge offenbar auch bei Theophrast: D e lap. 2 f., D e igni 42 ff., mit den Termini μικρομέρεια und μεγαλομέρεια, vgl. P. STEINMETZ, Die P h y s i k d. Theophrastos v . Er., 1964, 170 ff.): D a die den Elementen zugrundeliegenden regelmäßigen Polyeder selbst eine fortschreitende Reihe bilden, in der nur das erste Glied (Tetraeder) theoretisch unteilbar ist (vgl. oben A n m . 437), kann für die Reihen „isotoper" A t o m g r ö ß e n innerhalb eines Elementarbereichs - beispielsweise für die verschiedenen Größenordnungen ikosaedrischer A t o m e - ein entsprechendes „ s y m m e t r i s c h e s " Verhältnis vorausgesetzt werden (vgl. P . FRIEDLÄNDER, Piaton I, 1964 3 , 268 zum 'Timaios': „ m a t h e matisches Verhältnis" zwischen den „ I s o t o p e n " ) : Alle denkbaren Ikosaedergrößen sind ganze Vielfache des kleinsten Ikosaeders, der als πρώτον und έλάχιστον zugleich μέτρον der Ikosaederreihe ist. Vgl. CORNFORD, Plato's Cosmology, 1956 4 , 230 ff. Ch. MUGLER, L a physique de Piaton, i960, 23 f. (vgl. auch oben S. 305 A n m . 266) neigt demgegenüber zu einer Überinterpretation der 'Timaios'-Stelle (57 D) auf eine unendliche Zahl von Größen hin, die sich jedoch systematisch gesehen durch die Theorie der Linienelemente definitiv ausschließen läßt.

I. LITERATURVERZEICHNIS (ABKÜRZUNGEN)

α) Allgemeine

Abkürzungen

A H A W 1968/2: Idee und Zahl, Studien zur platonischen Philosophie von HansGeorg Gadamer, Konrad Gaiser, Hermann Gundert, Hans Joachim Krämer, Helmut Kuhn, Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, philos.-hist. Klasse, Jgg. 1968, 2. Abhandlung, Heidelberg 1968. A R R I G H E T T I : Epicuro, Opere, introduzione, testo critico, traduzione e note, a cura di Graziano Arrighetti, Torino i960. B I G N O N E A P : Ettore Bignone, L'Aristotele perduto e la formazione filosofica di Epicuro, I/II, Firenze 1936. D. Gr.: Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit Hermannus Diels, 1879 1 , Nachdruck Berlin 19654. D I A N O (G.C.F.I.): Carlo Diano, L a psichologia d'Epicuro e la teoria delle passioni, Giornale critico della Filosofia Italiana 20, 1939, 105-145 (I.); 21, 1940, 151-165 (II.); 23, 1942, 121-150 (V.) G A I S E R P U L : Konrad Gaiser, Piatons ungeschriebene Lehre, mit einem Anhang: Testimonia Platonica, Quellentexte zur Schule und mündlichen Lehre Piatons, Stuttgart 19631, 1968«. G I G O N : Epikur, Von der Überwindung der Furcht, übertragen und eingeleitet von Olof Gigon, Zürich 19491, 19682. G U T H R I E : W.K.C, Guthrie, A History of Greek Philosophy, Vol. I : The Earlier Presocratics and the Pythagoreans, 19621, 1967 s , Vol. I I : The Presocratic tradition from Parmenides to Democritus, 1965, Cambridge. H E I N Z E Xenokrates: Richard Heinze, Xenokrates, Darstellung der Lehre und Sammlung der Fragmente, Leipzig 1892, Nachdruck Hildesheim 1965. P O H L E N Z : Max Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Eewegung, Göttingen I 19481, II 19552. P R A E C H T E R : Friedrich Ueberwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie, Erster Teil: Die Philosophie des Altertums, von Karl Praechter, Tübingen 1953 13 (Nachdruck der 12. Auflage von 1926). S T E N Z E L ZG: Julius Stenzel, Zahl und Gestalt bei Piaton und Aristoteles, Leipzig-Berlin 19241, Darmstadt 19593. S V F : Stoicorum veterum fragmenta, coli. Joannes ab Arnim, Vol. I—III (1903/ 05), I V : Indices conscr. M. Adler (1924), Nachdruck Stuttgart 1964. UGM: Hans Joachim Krämer, Der Ursprung der Geistmetaphysik, Untersuchungen zur Geschichte des Piatonismus zwischen Piaton und Plotin, Amsterdam 19641, 19672. U S E N E R : Epicurea, edidit Hermannus Usener, Leipzig 1887, Nachdruck Rom 1963. V O N D E R M Ü H L L : Epicuri Epistulae tres et Ratae Sententiae a Diogene Laertio servatae, edidit Peter Von der Mühll, accedit Gnomologium Epicureum Vaticanum, Leipzig 1922 1 , Stuttgart 1966s.

Literaturverzeichnis (Abkürzungen)

364

Eduard Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, II i e (1963): Sokrates und die Sokratiker. Plato und die Alte Akademie, II 25 (1963): Aristoteles und die Alten Peripatetiker, III i e (1963): Die nacharistotelische Philosophie, Erste Hälfte, III 2e (1963): Die nacharistotelische Philosophie, Zweite Hälfte.

ZELLER:

b) Kapitel

v.

I: Ältere

und Neuere

Akademie

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VLASTOS: Gregory Vlastos, Minimal parts in Epicurean Atomism, Isis 56/2, 1965, 121-147.

WAGNER : Hans Wagner, Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, herausgegeben von Ernst Grumach, Band 11: Physikvorlesung, Darmstadt 1967. WIELAND: Wolfgang Wieland, Die aristotelische Physik, Göttingen 1962.

II. VERZEICHNIS DER AUTOREN UND STELLEN (AUSWAHL) Aetios, De placitis philosophorum 1 1 9 - 1 2 1 , 182 13.8: 1 1 9 - 1 2 1 , 129 A. - I 7, 1 8 : 2 99, 175 A· 90, 182 - I 7, 29: 1 1 3 A. 32 1 1 9 A. 55, 120 A. - I. 7. 31: 62, 121 A. 67, 175 A. 290 142 A. 162, 145 - I 7. 3 4 : A. 181 - II 6, 2; 6, 5: 3 1 9 A. 301 63 A. 235 - I V 8, 1 3 : 63 A. 235 - I V 9, 2: Albinos, Didaskalikos - c. V p. 56, 21 ff. Herrn.: 91 A. 362 - c. I X p. 163, 12 ff. Herrn.: 91 Alexander Aphr. in Arist. Metaphysica comm. ed. Hayduck - p. 36, 26 ff.: 269 A. 129 - p. 55, 20 ff.: 300 A. 246, 326 A. 326 - p. 56, 16 ff.: 2 1 2 A. 109 - p. 79, 3 ff.: 68 f. 73 - p. 78, 1 5 : 72 - p. 81, 25 ff.: - p. 83, 8 ff.: 69 A. 260 Anaxagoras V S 59 - A 38: - B3:

De anima - A 404 b 17: 404 b 18 ff 404 b 27 ff.: 407 a 6 ff.: 408 b 30 ff.: - Β 414 b 29 ff.: - Γ 430 a 18 ff.: De bono fr ι Ross: De caelo - A 271 b 9 ff.: 279 a 18 ff.: 279 b 4 ff.:

273 A. 159 322 A. 312, 339 A. 362

Anon. Kommentar z. Theaitet Pap. 9782 Diels-Schubart - c. 54, 38 ff.: 55 A. 2 1 2 Antiphon V S 87 - Β 13:

Aristoteles Analytica posteriora - 73 b 5 93 A. 368 273 A. 159 - 75 b 40ff.: Categoriae 87 A . 337 - 6 a 36 ff.: 87 A. 337 - 7 b 23 ff.: 87 A. 337 - 8 a 28 ff.: 212, 227 - 10 b 32 ff.: 97 A. 385 - 1 1 b 24 ff.: 90 I i b 32 ff.: 209 A. 95 - 14 a ι ff.:

273 Α · 159, 274

Ps. Archytas, Categoriae - p. 22, 15 ff. Thesleff: 88

- Β 284 286 294 - Γ 298 299

a b b b a

27 ff.: 10 ff.: 6 ff.: 33 ff.: 5 ff.:

299 299 300 303

a a a a

9 ff.: 1 1 ff.: 12 ff.: 8 ff.:

182 A. 329 160, 161 f., 304 A. 264, 334 f., 357 349 349 349 358 A. 437 154 52 A. 209 265 f., 300, 3 1 5 A. 293 149, 152, 161 f. m. A. 240 22 A. 93, 27 A . "5 154 358 A. 437 22 A. 90, A. 93 316 266 A. 123, 290 A. 2 1 1 , 3 1 5 A. 293 290, 3 1 7 263 f. 350 A. 404 265 A. 1 1 9

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) 303 a 303 a 303 a 303 a 303 b 305 b 306 a

264 A. 1 1 7 265 265, 266 A. 125 265 265 A. 120 347 A. 394 264, 345 A. 388, 346 A. 393 307 a 19 ff.: 265 A. 118, 358 A. 437 De generatione et corruptione - 315 b 30-317 a 31 :26i-263, 279 f. m. A. 184, 293 A. 225 288 A. 208, 341 f. - 316 a 10 ff.: m. A. 378 n o A. 14 - 322 b 21 ff.: - 325 a 23 ff.: 260 De ideis - fr 3 Ross: 29 A. 118, 30 A. 122, 69 - fr 4 Ross: 29 Α. xi8, 30 A. 122 [De lineis insecabilibus] - 968 a ι ff.: 266, 321 f., 337 14: 15: 20 ff.: 31 ff.: 13 ff.: 28 ff.: 26 ff.:

- 968 a 9 ff·: - 968 a 14 ff.: - 968 a 18 ff.:

A. 360, 338-340 325 f., 340-344

325 f. m. A. 327,

344-347

260 A. 103, 294, 322 f., 336 A.

354. 347-352

- 968 b 4 ff.: 323 f., 352-356 - 968 b 20 f.: 355 A. 423 - 969 b 29 ff.: 316 A. 293 - 970 b 10 ff.: 302 A. 258 290 - 971 a 6 ff.: - 972 a 30 ff.: 299 m. A. 245 De philosophia 128 A. 96 - fr 12 f. Ross: 128 A. 96 - fr 17 Ross: De sensu - 439 b 18 ff.: 310 A. 279 [Divisiones Aristoteleae] (ed. Mutschmann) - div. 64 C.M.: 70 A. 265 - div. 67 C.M.: 97 A. 385 Ethica Eudemia - A 1217 a 22 ff.: 152 1218 a 24 ff.: 163 205 A. 87 - Β 1222 a 2 ff.: - Γ 1234 a 34 s · '· 228 A. 171

373

Ethica Nicomachea - A 1095 a 30 ff. 120 A. 161 1096 a 20 f.: 94 A. 369, 195 A. 38, 351 A. 404 1098 a 18 ff. 219 A. 135 1101 b 27 ff. 168 205 A. 87 - Β 1104 b 24 ff. 1106 b 28 ff. 212 A. 106 228 A. 171 1108 b 27 ff. 188, 192 A. 29, - Η 1152 b 12 ff. 196 A. 43 1153 a 2 ff.: 193 A. 32, 199 A. 53 1153 a 7 ff.: 188, 192 A. 29, 196 A. 43, 202 A. 72 1153 b i f f . : 19-21, 197, 208 f. 1153 b 25 ff. 168 1154 b 24 ff. 152, 153, 188 A. ι, 196 - Κ 1172 b 9 ff.: 29 A. 120, 165 A. 253 1172 b 15 ff. 19 f. 1173 a 5 ff.: 197, 207 f. m. A. 92 1173 a 15 ff. 196 188, 193 A. 32 1173 a 29 ff. 188 1174 a 13 ff. 1174 b 7 ff.: 194-196, 351 A. 404 1177 b 2 1 : 152 1177 b 26 ff. 156 1177 b 31 ff. 172 157 A. 220 " 7 7 b 33 = 1178 a 19 ff. 154 1178 b 7 ff.: 151 A. 201, 156 150 m. A. 192, A. 1178 b 18 ff. 196, 152 156, 172 A. 275 1179 a 22 ff. Eudemos - fr 6 Ross: 31 A. 127 Metaphysik 261 - A 985 b 4 ff.: 987 b 15 ff.: 359 A. 444 169 A. 263 991 a 15 ff.: 300 A. 246, 302 992 a 20 ff.: A. 258, 318 A. 301, 354 A. 418 - Β 995 a 25 ff.: 27 A. 1 1 5 995 b 22 ff.: 342 A. 377 - Γ ioo4 b 8 ff.: 22 A. 96 1004 b 17 ff. 17 A. 64

374

- Δ

- Ε - I - A

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) ιοο5 a 16 ff.: 1005 b 19 ff.: i o n a 17 ff.: i o n b 4 ff.: 1012 b 13 ff.: 1019 a 2 ff.: 1021 b 31 f.: 1022 a 25: 1023 b 12 ff.: 1025 b 21 ff.: 1053 a ι ff.: 1056 b 3 ff.: 1072 a 35 ff.: 1072 b 14 ff.: 1072 b 16: 1072 b 17: 1072 b 26 ff.: 1073 a n : 1073 a 14: 1073 a 18 ff.: 1074 a 31 ff. :

1074 a 38 ff.: 1074 b 2 ff.: 1074 b 18: 1075 a 10: - Μ 1076 b I i ff.: 1078 b 23 ff.: 1084 b 13 ff.: 1084 b 27: 1085 a u f . : - Ν 1088 a 2 ff.: 1089 b 13 f.: 1089 b 23 f.: 1090 b 21 ff.: Physik - A 187 a ι ff.: 190 b 29 f.: - Γ 203 a 8 ff.: 203 a 15 f.: 204 a 34 ff.: 206 a 9 -208 a 4: 206 b 3 ff.: 207 b 2 ff.: - Δ 209 b I i ff., 33 δ·: 216 a 20 f.: 219 a 12 f.: 219 b ι f.:

342 A. 377 337 A. 358 97 A. 385 97 A. 385 105 A. 419 343 A. 379 194 94 A. 369 323 A. 316 289 A. 209 298 340 192, 213 156 152 150 f. 149 154 149 159 m. A. 231 147 f., 158, 159, 161 154 f· 149 150 150 342 A. 375 19 A. 73 343 A. 381 300 361 A. 452 298 361 A. 452 94 A. 371 266 260 f. n o A. 15 297 A. 236 296 297 A. 236 285-287,296-304, 339 280 A. 184 247 A. 59, 286 f. 350 282 A. 190 291 A. 215 351

219 b 15 f.: 223 a 25 f.: - Ε 227 a 18 ff.: - Ζ 231 a 2i ff.: 231 a 31 f.: 231 b 7 ff.: 231 b 233 b 237 b 239 b

18 ff.: 16 f.: 8 f.: 5 ff.:

291 A. 213 352 A. 408 291 A. 215, 292 A. 223, A. 224 281 f., 287, 294, 350 268, 290, 293 267, 295 A. 231, 312 281 f. 290 f., 293 298 A. 241 281, 291, 294 A. 229 281 f., 312 A. 287 312 283 A. 196, 324 348

240 b 8 ff.: 240 b 31 ff.: 241 a 10 ff.: - Θ 263 a 4 ff.: Protreptikos - fr 5 Ross = Β 32 Düring: 288 Α. 2o8 - fr 10 c Ross = Β io8-iio Düring: 156 Rhetorik 288 A. 208 - 1358 a 18 f.: - 1369 b 33 ff.: 207 A. 91 Topik - Α 101 a 34 ff. 22 A. 93, A. 94 104 b 12 ff. 26 104 b 34 ff. 18 A. 68 105 a 10 ff. 25 A. 105 105 b 12 ff. 28 105 b 19 ff. 18 A. 68, 23 A. 97, 288 A. 208 108 a 7 - b 31:18 A. 68, 30 A. 122, 69, 70 A. 265, 73 A. 281, 200 A. 60 209 A. 95 - Β 113 a 5 ff.: 228 A. 172 - Δ 123 b 27 ff. 303 A. 260 - Ζ 141 b 6 ff.: 301 A. 255 141 b 21 f.: 306 A. 269 143 b I i f.: 26 A. 108 145 a 37 ff. 148 b 26 ff. 301 A. 255 - Θ 159 a 18 ff. 45 A. 189 21 A. 84 159 a 34 f.: 26 159 b 27 ff. 160 b 21 f.: 26 161 a 19 ff., 17 A. 64 38 ff.: 162 a 16 ff. 26 163 a 37 ff. 27 A. 1 1 2

375

Verzeichnis der A u t o r e n u n d Stellen (Auswahl)

- I

163 163 163 163 171 174 174 177 182 184

b b b b b a b b b b

2 ff.: 7 ff.: 1 7 ff.: 32 ff.: 1 2 ff.: 3 1 f.: 27: 8 f.: 26 f.: ι ff.:

22 A . 90 27 A . 1 1 2 28, 34 A . 1 3 7 19 A. 7 1 273 A . 159 37 17 19 18 21

A. A. A. A.

151 66 69 69

Aristoxenos, H a r m o n i k a - p. 94, i o f. M a r q u a r d : 2 9 1 A . 2 1 6 Arnobius, A d v e r s u s nationes - I I 9: 53 A . 209 Athenaios 1 9 A . 74 - I I 59 D f.: Attikos - fr I I I B a u d r y :

132 A.

Augustinus, C o n t r a - I I I 1 7 , 37 ff. : - I I I 18, 4 1 : - I I I 20, 4 3 :

Academicos 55 A . 2 1 2 55 A . 2 1 2 55 A . 2 1 2

Cicero Academica - I 16: - I 24 ff.: - I 3 ° * · '· - I 42: - I45:

6 A. 5 I i A . 36 62 40 A . 165

-

II II II II Π II II II II Π II II II II II II II II II

(Lucullus) 7 : I i f.: 12: 28 ff.: 34: 40 ff.: 42: 49 f · : 50 ff.: 54 = 58 : 60: 67: 76 ff.: 78: 79 ff.: 86: 9 1 ff·: 95 =

25 Krämer, Platoniamua

i n

37 A . 149, 48, 52 A . 209, 54, 56 A . 215 1 0 A . 32 106 A . 4 1 9 39 A . 163 105 A . 419 67 A . 248 41 56 A . 2 1 5 39 A . 163, 75 67 67 A . 248 67 55 A . 2 1 2 42 A . 1 7 5 4 1 , 56 A . 2 1 3 106 A . 4 1 9 78 68 7 5 f., 98 A . 386 103 A . 4 1 5

- I I 104: - I I 109 f.: - II i n : - I I 121: - I I 124: - I I 127: - I I 131: - I I 1 3 3 f.: - I I 139: D e fato - 1: - 4: - 7 ff.: - 23: - 39: D e finibus - I 20: -I38: - I63: - I 72: - I I 2 f.: -

I I 6 ff.: I I 87 f.: H I 34 = H I 43/5 = I V 65 ff.: V 10:

- V 20: D e n a t u r a deorum - I 11: - I 19: - I45: - I 48: - ι 49: -150: - 1 5 1 : -175: - I 80: - I 105:

49 A . 200, 106 A. 419 1 0 5 A . 419, 106 A. 419 104 A . 4 1 9 7 A . 15, 49 A . 203 48 A . 199, 49 A . 200, A . 203 I i A . 36 1 0 7 A . 423, 230 A. 179 48 A . 199, 49 A . 203 50 A . 203, 55 A . 212 46 A . 195 39 A . 1 6 1 43 A . 182 1 0 7 A . 423 1 0 7 A . 423 3 1 5 A . 293 199 A . 55, 2 1 7 A . 132 189 3 1 5 A . 293 37 f. m . A . 149, A . 1 5 1 . 45 i ; 47 A . 197 38 189 220 A . 139 220 A . 139 2 2 1 A . 139 7 A . 16, 1 3 A . 44, 32 A . 1 3 2 , 37 A . 149, 46 A . 1 9 1 1 0 7 A . 423 37 A . 149 319 A. 301 153 1 5 0 A . 196 133-146, 176 143 A. 172 1 5 1 A . 199 1 4 2 A . 162 1 3 7 A . 1 4 1 , 144 A. 173 146 A . 184

376

-

Verzeichnis d e r A u t o r e n u n d Stellen ( A u s w a h l )

I

114:

- Ill 4 3 ff.: D e officiis - II 7 f.: D e oratore - Ill 67:

-

Ill

80:

- Ill 107: D e re publica - III 7, 11: - III 12, 21: Orator

151 75

10 Α .

32

6 Α.

5, 3 7 Α . 149, 5 2 Α . 2θ9, 5 6 Α . 215 7 Α . Ι6, 13 Α . 44. 3ΐ, 3 7 Α . 149. 4 6 Α . 191

7

Α . ι6

4 9 Α . 2θΐ 5 ° Α . 2θ3

62 - 3. T u s c u l a n a e disputationes -

I 9 ff.: 38 I 19 ff.: 49 Α . 2θ3 - II 9: 7 Α . ι6, 3 2 Α . 132 - II 14 f.: 38 - I V 8 ff.: 38 - V 5 : 221 Α . Ι 4 Ι - V Ii ff.: 3 8 f. C l e m e n s Alexandrinus, S t r o m a t e i s 201 Α . 62, 2 1 7 Α . - II 22; 133, 7: 132, 230 Α . 1 7 9 Demetrios Lakon, Pap. Here. 1 0 5 5 - col. 7: ι8ο 176 Α . 296 - col. 21: Demokritos V S 68 269 A . 130 - A 37: 237 A . 14, 269 A . - A 43 :

- A 47: - A 48: - A 48 A : -

A

-

A

-

114:

135: B

4

:

- Β 111: - B l i p : - Β i55: - Β 1 5 5 a: - Β 188: - Β 191: D i o g e n e s Laertios - II 106: - II 108:

130 237 A . 14, 269 A . 130, 270 A . 136 270 271 105 A . 419 270 A . 136, 275 A . 166 203 A . 79 275 275

272-274 274 f. 203 A . 79 203 A . 79 15 59

A. A.

52 222

-

II HI : III 15: IV 4 F.: IV 12:

- IV 13:

59 Α . 222 7 2 f. 3 2 Α . 129, 2 0 5 1 1 3 Α . 33, 3 1 9 Α . 302 2ΐ Α . 85, 36 Α . 147, Α .

- IV 17: - IV 18: - IV 19: -

IV 24: IV 28: IV 32: I V 33: IV 40:

- V 3: - V I 16 f.:

-

VII 61: VII 76: VIII 21: VIII 89: IX 79-89:

- IX 90: I X 96 f.:

-

X

1:

- X 8: - X13: -

X X

29: 139:

148, 288,

3 3 3 Α . 344, Α . 399

349

3 5 Α . 144 3 3 ί· 34 Α . 138, 3 6 Α .

Ι44 3 5 Α . 139, Α . ΐ 4 θ 38, 48

6 Α.

7 5 Α . ι, Α . 2 3 6 Α . 145, Φ 192

Α.

57 Α . 216 15 Α . 5 3 229 4 2 Α . 177 55 Α . 212 167 77, 79, So, 100 Α . 394 ιοο Α . 395 ι ο ο Α . 398, 102 Α . 407 317 Α . 297 Ι66 Α . 2 5 7 317

296

Α.

295,

Α.

319 Α . 303 133-146, 1 7 6

Diogenes Oenoandensis - fr 4: 63, 6 5 Dionysios T h r a x Gr. Gr. I 1 - P· 35, 3 f·:

87 Α. 336

Dissoi L o g o i V S 9 0 - c. 2, 27 f.: 83 Α . 323 - c. 5, ι ff.: 83 Α . 323 E k p h a n t o s V S 51 -

1; 4:

- 2:

ι86 Α . 338 3°8 Α . 273

Elias in Arist. Cat. c o m m . ed. B u s s e - p. 115, 3 ff.: 3ΐ Α . 1 2 7 E m p e d o k l e s V S 31 A 43: 301 Α . 250

-

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) Epikuros De natura ed. Arrighetti - Nr. 23 (1. I I ) §§ 3 6 - 5 1 : 282 A. 189 - Nr. 27 (1. X I V ) § 26: 318 f. A. 301 - Nr. 27 (1. X I V ) §§ 23-26: 320 A. 305 - Nr. 31 (inc. 1.) § 1 1 : 93 Α . 366 Epistula ad Herodotum (I) - 4 1 f.: 251 - 42: 143 A. 169, 146 A. 182, 148 A . 189, 253 - 46 f.: 256 - 55/56: 233 f., 237-239, 253 A . 78, 269 A. 131, 280 A. 184, 285 f., 298, 327, 331 A . 342 - 57: 234f·. 239-241, 280 A. 184, 322 f., 327 - 58/59: 235 f., 242-249, 279, 283 A. 197, 285-287, 309 A. 275. 320, 323 f., 324 f., 327, 331 A . 342 - 6 1 f.: 255 A . 84, 256 f., 282 A. 189 - 68-73: 92 f. Epistula ad Pythoclem (II) - 92: 152 Epistula ad Menoeceum (III) -123: 150 A . 193, 155 - 124: 1 5 1 A . 200, 156 A. 219 - 126: 190 - 130 f.: 2 1 7 A . 132 Gnomologium Epicureum Vaticanum 216 Α. 129 - 48: Ratae Sententiae - I: - III: - X: - XI: - XVIII: -

XIX: XX:

-

XXI:

153 ί· 197 Α. 47 197 Α . 47 197 Α. 47 197 Α. 47. 2 1 7 Α. 132 189, 197 Α. 47 Ι89, 197 Α. 47219 Α. 136 197 Α. 47

-

fr fr fr fr fr fr fr fr fr fr

ι coll. Η . 2: 20: 24-26: 36: 68: 141: 229 a: 233: 238: 267/8:

- fr 277/8:

- fr 279: - fr 281: -

fr fr fr fr fr fr fr

299: 305: 314/5: 354: 355: 359: 361:

- fr 364: - fr 407: - fr 417: - fr 420: - fr 425: - fr 434:

377

Usener 202 A. 73 318 A . 299 254 A . 79 177 2 1 7 A . 130 219 A. 135 315 A. 293 317 A . 296 318 A . 299 255 A . 82, 268, 280 A. 185 255 A. 83, A. 84, A . 85, 256 A . 88, 257, 280 A . 186, 282 A . 189, 283 A. 197, 301 A. 252, 314 A. 292, 351 A. 405 282 A. 189 255 A. 86, 286 A. 204 132 A . 110 185 A. 334 186 A. 335 179 A. 312 133-146, 176 152 1 5 1 A . 199, 164 A . 249 156 A. 219 152 197 A . 47, 2 1 7 A. 132 199 A. 55 216 A. 124 216 A. 125, 2 1 7 A. 132, 218 A . 133 200 A. 60 198 A. 47

- fr 450 f.: - fr 548: Fragmenta ed. G. Arrighetti 167 A. 257, 169 - Nr. 62: A. 264 169 A. 264 - Nr. 79: 167 A. 257 - Nr. 82 f.: 166 A. 257 - Nr. 89: 132 A. 109, 278 - Nr. 1 1 8 : A. 177 166 A. 257, 169 - Nr. 146: A . 264

378

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl)

Epiphanios, Panarion haer. - I I I 2,9 Nr. 29 f. = 1089 D: 53 A. 209 Eudemos - fr 60 Wehrli 352 A. 406 - fr 65 Wehrli 1x4 A. 36 - fr 88 Wehrli 114 A. 36 Eukleides, Elementa - I Def. 3; 6: 302 A. 256 - Vif.: 323 A. 316 -VII 3 ff.: 323 A. 316 Eusebios, Praeparatio evangelica - X I V c. 4, 15: 49, 53 A. 209, 56 A. 215 - X I V c. 5, 12 f.: 5 Α. ι - X I V c. 6, 4 ff.: 5 Α. i, 9 A. 24, 55 A. 212, 56 A. 213 - X I V c. 7, 15: 106 A. 419 - X I V c. 8, 7: 48 A. 199 - X I V c. 8, 12 ff.: 55 A. 212 - X I V c. 18, 3: 200 A. 60 - X I V c. 18, Ii f.: 77 - X I V c. 18, 32: 199 A. 57 - X I V c. 23: 311 A. 286, 314 A. 290 Galenos, De Hippocr. et Plat. plac. - p. 448, 15 ff. Müller: 173 Gellius 193 A. 29, 204 A. - I X c. 5 ) 4: 81, 207 A. 92 - X I c. 6 ff.: 77. 81 Herakleides Pontikos - fr 22 Wehrli: 289 A. 209 - fr 24 a/b Wehrli: 31 A. 128 - fr 27 a-f Wehrli: 31 A. 128 - fr 55-61 Wehrli: 31 A. 128 - fr 76 ff. Wehrli: 308 A. 273 - fr 87 Wehrli: 52 A. 209 - fr 110 Wehrli: 31 A. 128 - fr 111 Wehrli: 186 A. 338 - fr 118 ff. Wehrli: 186 A. 338, 308 A. 274, 311 A. 286 - fr 120 f. Wehrli: 308 A. 273 Herodot - I 32: 9 A. 27 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium - I 23: 64 f. Isokrates, Panathenaikos - 26: 24 A. 101

Jamblichos De communi mathematica scientia — c. I V : 123, 210 A. 105, 2I3A.III.A.II4, A. 115, 214 A. 118 Theologumena arithmeticae ed. De Falco - p. 6,6ff.: 351 A. 405 Ps. Kallikratidas, De dorn, felic. ed. Thesleff - p. 103, Ii ff.: 89 Krantor - fr 8 Kayser: 35 A. 141 - fr 9-12 Kayser: 6 A. 6, 35 A. 142, 52 A. 209 Lucretius, De rerum natura - I 440-482: 93 A. 366 - I 599 ff.: 231, 247 m. A. 59, 250 f., 324 f. - I 609 ff.: 180 A. 317 - I 615 ff.: 251 f., 301 A. 252, 321 f. - I 746 ff.: 231, 247 A. 59, 251, 301 A. 252 247 A. 59 - I 844: - I I 478 ff.: 148 A. 189, 231, 252 f., 269 A. 131 - I I 500 ff.: 237 A. 15 - I I 512 ff.: 148 A. 189, 252 - I I 526 f.: 146 A. 182 - I I I 370 ff.: 177 A. 299 - I I I 806 ff.: 145 A. 181 - I I I 824 ff.: 153 A. 209 - IV 724 ff.: 139 A. 149 - IV 1105 ff.: 185 A. 334 - V 148 f.: 176 185 A. 334 - V 338 ff.: Metrodor von Chios VS 70 - Β 1: 105 A. 419 Nausiphanes von Teos VS 75 201 A. 66, A. 67 - Β 2/3: Numenios - fr 12 Leemans: 62 A. 234 - fr 25 Leemans: 126 A. 87 - Test. 31 Leemans:i26 A. 86 Origenes, Contra Celsum - IV 14: 179 A. 312 Parmenides VS 28 - Β 3: 246 Α. 5i - Β 4,2: 276 Α. 171 - Β 8, 22 ff.; 44 7 6 Α. 289, 276 Α. Ι 7 Ι > 339 Α. 363

379

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) Philodemos Academicorum Philosophorum Index Herculanensis ed. Mekler - col. X I V p. 52: 33 A. 134 - col. X V I p. 60: 35 A. 140 - col. X X p. 72: 37 A. 149 - col. X X V I p. 91: 55 A. 212 Adversus [Sophistas] ed. Sbordone - fr l3 11-13: 132 A. 109, 278 A. 177 De dis 150 A. 193, 178 - I 2, 8 ff.: A. 310 150 A. 194 - I 7 . 5 ff·: 165 A. 252 - I 21, 27 f.: 140 A. 154 - I24: 157 A. 219 - III I, 15 ff.: 133, 140 A. 154 - III 8, 33 ff.: 133, 140 A. 154, - III 9, 20 ff.: 141 A. 161 - III 10, 2 ff.: 133.141 - III 10, 22 f.: 140, 180 f., 182 - III 10, 36ff.: 140 A. 152, 181 - III 12, 18 f.: 150 - III fr 13: 179 A. 313 - III fr 39 d: 140 A. 154, 180 A. 317 - III fr 85: 152 - III fr 86 a: 156 A. 219 De morte IV: 189 - col. III 34 ff.: 189 - col. X I I ι ff.: 198 A. 48 - col. X I X χ ff.: - col. X X X V I I I 14 ff.: 189 De pietate ed. Gbmperz 146 A. 185 col. 17, 26 ff.: 157 A. 2x9, 171 - col. 28, 16 ff. A. 270 - col. 80: 145 A. 182, 152, 180 A 317. 1 8 1 Α. 320 145 Α. 182, 155, - col. 83: ι8ο - col. 105: 152 - col. 118: 137 Α. 143, 140 Α. 156, 145 Α. 179 col. 121,6 ff.: 178 Α. 3X2 col. 122, 8 ff. 179 Α. 312 col. 123: 140 Α. 152

πραγματεΐαι Pap. Here. 1418 - col. X I I : 167 Α. 257 Rhetorica ed. Sudhaus - II p. 173, 5: 34 A. 138 Pap. Here. 1251 (Comparetti) ed. Schmid 198 A. 47, 199 A. - col. III 14 ff.: 55, 217 A. 130 197 A. 47 - col. IV 5 ff.: Philolaos VS 44 - Β 2i: 127 f., 129 A. 98 Philon Alexandrinus De aeternitate mundi - 117-131: 13 De ebrietate -166-205: 77 f·. 79. So De Josepho - 125-143: 77, 79 Leg. alleg. - I 66: 181 f. Quis rer. div. heres - 290: 221 A. 142 Photios, Bibliotheke - c. 212 p. 169 b 20 f. Bekker: 56 A. 215 - c. 249p. 439b33ff. Bekker: 113 A. 33 Piaton Apologie 52 Α. 209 - 21 Β ff.: ίο Α. 3ΐ - 23 Α f.: [Definitiones] - 416, 24 f.: 87 Α. 337 [Epinomis] 117 Α. Φ> 126 Α. 8g - 981 Β 5 ff.: - 982 Β ff.: 129 Α. 98 126 - 983 C 6 f.: - 983 D 2 ff.: 117 Α. 4 6 Ι2 4 - 984 C 7 ff.: Epistula VII 28 Α. 115 - 343 Ε ff.: ίο Α. 32 - 344 B: Kratylos - 436 D: 266 A. 123 Lysis 52 Α. 209, 175 - 218 A : Α. 289 Menon 301 Α. 255 - 76 Α 7: Nomoi 171 - IV 716 C f.: - Χ 894 Α: 327 ί· - Χ 9θ2 C ff.: ι ι 6 Α. 42, 125 m. Α. 83

380 Parmenides - 127 D ff.: - 133 CA.: - 148 D ff.: - 164 Β ff.: Phaidon - 78 E: - 85 Cf.: - 107 Α ff.: - 114D: Phaidros - 245 Cff.: - 247 Β ff.: - 247 C: - 250 C: - 274 Cf.: - 278 D: Philebos - 23 Cff.: - 24 Α ff.: - 31 Β ff.: - 42 C ff.: - 44 Β ff.: - 5oÄff.: - 51 Β ff.: - 53 Cff.:

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) 60 97 A. 385 292 A. 220 327 m. A. 329, A. 332, 339 A. 362 60 10 A. 31, 15 f. 10 A. 31 10 A. 31 107 A. 423 175 A. 289 162 A. 240, A. 242 162 A. 240 10 A. 31, 52 A. 209 175 A. 289 118 A. 51 226 199 A. 54 199 A. 54 205 f. 198 A. 51 202 A. 74 191-193, 203 A. 76, 211, 213, 214

Politeia 212 A. 106 - IV 445 C: - V475Bff.: 68 - V 479 Α ff.: 60 f. - VI 500 C: 171 - VII 522 C-531 C:2gi A. 216 - VII 523 Cff.: 61 - I X 583 Β ff.: 206 A. 89 - X 613 B: 171 f., 174 A. 284 - X 614 Α ff.: 172 Politikos - 278 A: 44 Sophistes - 247 D f.: 115 A. 38 82 A. 311 - 255 C: Symposion 52 A. 209, 175 A. - 202 Α ff.: 288, A. 289 - 202 Ε f.: 175 - 204 Α f.: 175 60 - 211 A: - 212 A: !75

Theaitet - 171 Äff.: - 176 B: Timaios - 27 D f.: - 30 Β 7 f.: - 30 Cff.: -

34 B: 35 Α f.: 36 D 9 ff.: 37 Α ff.: 37 D: 41 C: 42 D: 42 E: 44 D ff.:

-

49 C ff.: 50 Cf.: 50 D: 53 D: 57 Cf.:

- 62 C ff.: - 69 C: - 90 C:

105 A. 419 171, 174 A. 284 62 113 A. 32 X15 A. 40, 158, 159, 160, 162 116 A. 41 182 116 A. 41 182 351 124 A. 79 124 182 115 A. 38, 124 A. 79 65 118 A. 50 116 A. 40, 121 318 A. 301 305 A. 266, 362 A. 456 114 A. 34, 187 124 A. 79 157 A. 220, 172 A. 273, A. 275, A. 278 171, 172 f.

- 90 D: Plutarchos Adversus Colotem - 1108 E: 271 A. 144 64 - 1115A: - 1122 A-1123 A: 43 De communibus notitiis - 1069 F: 33 A. 136 16 A. 60, 43 f. - 1078 C f.: - 1079 D ff.: 272-274 - 1081 Cff.: 351 A. 405 De Ε apud Delphos - 392 D ff.: 181 f. De Iside et Osiride 79 A. 302 - 376 F f · : De Stoicorum repugnantiis - 1057 A-C: 43 Quaestiones Platonicae - 1002 D: 351 A. 405 313 A. 288, 358 - 1003 F f.: A. 437 Polybios - X I I 26 C 2: 51 A. 206

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) Polystratos, περί άλόγου καταφρονήσεως ed. Wilke - c o l . XIIa/b: 83 f. - col. X Y - X I X : 84 Porphyrios, De abstinentia - I I 37: 182 - I I I 20: 49 A . 201 Proklos in Plat. Timaeum ed. Diehl - 177 Α ff.: 113 Α . 32 Protagoras V S 80 14 Α . 49, Α . 5ΐ - A 1: 14 Α . 5ΐ - A7: - A 20: 14 Α. 49, Α . 5°ιο5 Α . 419 Seneca, Epistulae morales - 78, 28: 221 Α . 141 Septuaginta - Psalm 84 (83), 11:221 Α. 142 Sextus Empiricus Adversus mathematicos - V 65 ff.: 75 319 A . 303 - V I I 15: - V I I 150-158: 39-43, 74 106 A . 419 - V I I 166 ff.: - V I I 401 ff.: 41 66 - V I I 409 f.: 65 A . 241, 78 - V I I 413 f.: - V I I 416 ff.: 75 - V I I I 6 f.: 63 - V I I I 37 ff.: 98 f. - V I I I 161 ff.: 98 f. - V I I I 164 ff.: 100 A . 398, 101 A . 401 - V I I I 273: 100 A . 397, 101 A. 400 - V I I I 337 ff.: 103 m. A . 4x3, A. 417 - V I I I 348 ff.: 103 101 A . 404 - V I I I 387: ι ο ί A . 403 - V I I I 394: 101 A . 405, 102 - V I I I 453 ff.: A . 407 - I X 43 ff.: 178 A . 308 - I X 148 ff. 49 A . 202 - I X 182 ff. 75 - I X 232 ff. 103 A . 417 - I X 234: 102 A. 406 - I X 357: 102 A . 409 - X 112 ff.: 310 A . 281 - X 142: 255 A . 83, A . 84, 256 A . 88, 257

-

-

X 148: X 219-227: X 250ff.: X 2 5 5 ff.: X 263-275:

Pyrrh. H y p . I 36-186: I 135 ff·: I 186: I 232-234: -

-

I 235: II 79: II 113 ff.: I I 117 ff.: II 120: II 134: II 175: II 179: II 193 ff.: I I I 22: I I I 101:

381 256 A . 88 93 A . 366 277 A . 175, 294, 331 A. 339 360 A. 445 82 A . 311, 87 A . 336, 99 A. 390, 193, 210-213, 226 77- 79, 96 98, 100 A. 392 102 A. 408 5 Α . ι , A . 2, 9 A . 24, 50 A. 205, A . 206, 55 A . 212, 56 A . 213 106 A. 419 50 A. 204 103 A. 416 100 A . 398 101 A . 401 101 A. 403 101 A . 404 101 A. 403 103 A. 415 102 A. 412 102 A. 409

Simplikios In Arist. categorias comm. ed. Kalbfleisch - p. 62, 24 ff.: 95 A . 372 - p. 63, 21 ff.: 82, 91 A. 358 - p. 63, 24 ff.: 83 A. 315 - p. 165, 32 ff.: 84-88 89 - P· 174. 14 ff·: 91 A . 356 - p. 188, 31 ff.: 89 A. 351 - p. 236, 13 ff.: 89 A. 351 - p. 256, 23 f.: 225 - p. 287, 8 ff.: 90 A. 355 - p. 385, 10 ff.: In Arist. de caelo comm. ed. Heiberg - 202, 27 f.: 266 - 488, 19 ff.: 32 A . 129 - 700, 3 ff.: h i A . 15 In Arist. Physica comm. ed. Diels - p. 81, 34 ff·: 268 A . 128 82 A. 311, 87 A . - p. 248, 2 ff.: 336, 193, 212 A . 109, 226 61 - p. 248, 14 f.: 10 A . 31 - p. 292, 19 ff.:

Verzeichnis der Autoren und Stellen (AuswaM)

382

- P· 413. 3: - P· 453. 30 ff·: - P· 454. 2 ff·: - P· 454. 22ff·· -

P· P· P· p.

454. 925, 925, 926,

36 ff-: 5 f·: 13 ff·: 17 ff.:

94 A. 371 226, 297 A . 234, 300 A . 246, 339 299 m . A . 243 300 A . 246, 303, 326 A . 326 226, 299 A . 243 291 A . 214 268 f. 291 A . 2 1 4

Speusippos, Fragmenta coli. Lang - Test. 4: 30 A . 122, 69 230 A . 1 7 9 - fr 2 : 160, 299 A . 246, - f r 4: 303 A . 261, A . 262, 358 A . 437 1 7 7 A . 305, 206 - fr 5 ff·: A . 88 - fr 10: 73 A. 281 328 A . 334 - fr 30: 88 A . 337, 181 A . - fr 3 1 : 324 20 A . 78, 343 A . - fr 32 a - c : -

& fr fr fr

34: 37 a: 38: 40:

- fr 53: - fr 54 a/b: - & 55: - fr 57:

- fr 60: Stobaios, - Vol. II - Vol. II - Vol. II -

Vol. Vol. Vol. Vol.

II II II II

Stoicorum Veterum ι: 10 ff.: 41: 67: 68: 69: 102: 110: 188: 199 ff.: 202: -

-

-

351 128 A . 97, 360 A. 445

-

73 192 m. A. 29, 193 A. 32, 200 A. 60, 201 A. 62, 204 f., 207, 210, 225, 230 A. 179 192, 193 A. 29, 204, 207-209 Eclogae ed. Wachsmuth p. 22, 9 ff.: 15 A. 55 p. 23, I i ff.: 15 A. 55 p. 23, 23 ff.: 15 A. 55, 103 A. 415 p. 39, 19 ff.: 90 A. 354 p. 42, 7 ff.: 90 A. 354 p. 46, 18 ff.: 202 A. 73 p. 49, 8 ff.: 1 7 3 f., 1 7 5 A. 291

343 f·: 620:

-

383 213 A . 1 1 4 192, 213 A . 1 1 6 161 1 1 6 A . 41, 214 A . 120 164,

230:

-

-

-

I 3 5 ff·: I65: I I I I I I

90: 130: 270-287: 299: 320: 369:

I 371: 1378: I 380: I 393: I 395 Α Ι 399: I 403: I 404: I 4O8: I 526: I 580: I 604: I633: I 913 ff·: I 1027: I 1047: I 1074: II 5 4 : II 60: II 63: II 92 ff.: II 1 7 1 : II 1 7 7 : II 237 ff.: II 245 ff.: II 262 ff.:

Fragmenta 1 1 5 A. 39 115 A. 39 1 1 4 A. 36 40 A. 166 40 A. 166 40 A. 165 1 1 5 A. 40 1 1 3 A. 32 223 A. 146 222 40 A. 167, 223 A. 147 42 A. 1 7 7 5 A. 2 286 A. 204 " 4 A. 35 15 A. 56, 41 A. 173 40 A. 166 9 A. 27 59 A. 226 108 A. 3 109 A. 7, A. 8 93 A. 367, 95 A. 372 93 A. 367 67 A. 249 109 A. 4 223, 225, 226 67 A. 249 95 A. 372 84-88 101 A. 405 109 A. 3, A. 5 109 A. 7 109 A. 8 109 A. 7 1 1 3 A. 32 1 1 3 A. 33 1 1 5 A. 40 109 A. 9 1 1 6 A. 40 220 A. 139 220 A. 139 9 A. 27 223, 225, 226 40 A. 168 43 A. 180, A. 184 223 222 222

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) -

III HI HI HI

295 ff·: 493 f·: 524: 525 ff.:

222 42 A. 177 221 A. 139 40 A. 167, 223, 226 40 A. 167 223 m. A. 148 42 A. 176

- H I 536: - Π Ι 539: - Π Ι 551: Straton 351 A. 405 - fr 75 Wehrli: 3 5 1 A. 405 - fr 82 Wehrli: Syrian in Arist. Metaphysica comm. ed. Kroll - p. 124, i f f . : 337 Α. 355 Tertullianus, Ad nationes - I I 2: 16 A. 60 Themistios in Arist. Physica comm. ed. Schenkl - p. 184, 28 ff.: 255 A. 84, 256 A. 88 Theophrastos De igni - 42 ff.: 362 A. 456 De lapidibus - 2 f.: 362 A. 456 Metaphysik - 4 b 10 ff.: 1 2 A. 41, 177 - 5 a ir ff.: 177 A. 306 - 5 a 14 ff.: 157 A. 220 - 5 a 28 ff.: 1 1 3 A. 32 - 6b 9 ff.: 304 A. 265 - 7 b 21 f . : 1 1 0 A. 14 - 9 a 18 ff.: n o A. 14. 177 A. 306 - 9 b 12 f.: 1 1 0 A. 14 - 1 0 a 22 ff.: 1 2 A. 43 - I i a 18 ff.: 1 3 A. 43 - I i a 27 ff.: 120 A. 62 - I i b 24 ff.: 1 2 A. 40 Fragmenta coli. Wimmer - f r 25: 3 5 1 A. 405 - f r 26 b: 3 5 1 A. 405 - fr 48: 120 A. 62 - fr 53 b: h i A. 15, 333 A. 347 - fr 55: 35* A. 405 Xenokrates, Fragmenta coli. Heinze - fr 1: 2 1 A. 87, 23 A. 97. " 4 A. 35, 174, 288 - f r 4: 204 A. 81, 230 A. 179

- & 5: - fr 6: - fr 9: - fr 1 2 : - fr 1 3 : - f r 15:

- fr 1 8 : - fr 2 1 : - fr 23 ff. - fr 26: fr 28: fr 30:

- fr 34 - & 37 - fr 38 - fr 39: - fr 4 o : - f r 41: - fr 42: - f r 43: - fr 44 f.: - fr 46 f.: - fr 49: - fr 50-53: _ fr 53:

383 122 A. 71, 125 A . 83, 158, 162 f . m. A. 242, 172 52 A. 209, 175, 3 1 9 A. 302 3 5 1 A. 405 82, 91 A. 358, 355 A. 423 34 A. 138 1 1 3 A. 32, 1 1 4 A. 34, 116 A. 41, A. 42, i2o, 1 2 1 f. m. A. 7 1 , 124, 125 f., 126 A. 88, 159, 160 A. 234, 1 6 1 , 174, 182, 187 122 A. 7 1 , 124, 161 73 1 1 9 A. 60 334 m. A. 349, 340. 350, 3 5 1 . 361 A. 449 61, 1 1 8 , 182, 340 1 1 6 A. 40, 1 1 8 m. A. 52, 120, 1 2 1 , 125, 163 334. 357 A. 430 3 1 6 A. 293, 357 3 1 5 A. 293, 357 A. 431 304 A. 264, 334 f. m. A. 350, 341, 357. 358 A. 437 351 f· 290, 339. 357 m · A. 435 260 A. 103, 325 /·, 335-356. 359 355 A. 423 260, 299, 339, 343 A. 380, 348, 358 A. 437 358 A. 436 277 A. 175 264 A. 1 1 7 , 314, 326 A. 327, 345, 361, 362 A. 456 1 1 4 A. 34, 126 A. 88, 345

384 - fr 54: - fr 56: - fr 60-65: - fr 6 1 : - fr 68: - fr 75: - fr 76: - fr 77: - fr 81: - fr 83:

Verzeichnis der Autoren und Stellen (Auswahl) 128 A. 97, 164. 360 A. 445 128 A. 97, 124, 183, 265 A. 120, 361 349 91 A. 358, 160, 333. 349 125, 182 73 40 A. 167, 1 7 4 176, 229 f. 204 f., 225, 325 A. 324. 343 A. 380 172 A. 278, 173 A. 281 173 A. 278, 174 A. 284

- fr 86:

217 Α. 132, 230 Α. 179 - fr 9 1 : 217 Α. 132, 230 Α. 179 - fr 100: 230 Α. 179 Fragmentum apud Alexandrum Aphr. versione Arabica conservatum: 325 f., 343 f. Xenophanes VS 21 169 Α. 264 - Β 34: Zenon VS 29 - A 15: 337 Α. 358 - A 27: 310 Α. 277 - A 29: 59 Α. 223, 7 6 - Β ι/2: 322, 339 Α. 362 3 ΐ ο m. Α. 277. - Β4: 311

III. VERZEICHNIS VON WÖRTERN UND BEGRIFFEN

άδοξον: 25 Affektlosigkeit: 35 m. A. 144, 153 f., 163 A . 246, 184, 205, 207, 214 f. αϊσθησις: 6i A. 231, 63 A. 235, 245 αίτιον: io2 Akatalepsie: 41 f., 50, 63, 64, 104, 105 f. A. 419 άκατονόμαστον: 185 f. Akt-Potenz-Relation: 261 f. άληθές: 67, 104 f. m. A. 419 Ällegorese: 108, 122, 161 άμερές (-ή): 246 Α. 53, 248, 267, 268 f., 281, 301, 308, 3 1 1 , 312 Α . 287, 314

m . Α . 29o, 324-326

m. A. 327, 328,

338, 344

f., 345 f., 353 Analogie: 12 A. 41, 18 A. 68, 25, 177, 192, 213 f., 244 f., 248 f., 251, 331 άναρμοι δγκοι: 308 m. Α. 273 Antilogistik: 14, 31 Antinomien: 14, 49 άξίωμα: 40 f., 48 άόριστος 8υάς (μέγα-μικρόν): 76 f., 79, 80, 106, 119, 125, 226, 296 f., 299, 300 Α. 246, 322, 339, 35o, 354, 361 f.

άοχλησία: 2θθ, 202 f., 204-208, 210,

215 Aparallaxie: 9, 41, 60, 64 f., 66, 71, 74, 75, 104 A . 419, 107

Apodeiktik: 22 A. 95, 23 f., 28 άπόδειξις: ioo, 101, 102 A. 4x2, 103 A p o r e t i k : 10 A . 31, xi, 48, 52, 104-106 A . 419, 105, 107

άπόρημα: 26, 50 Aporie: 26, 36, 50-54, 57 Arete: 151, 204 f., 213 f., 222-230 άρμονία: 33 Α. 136 Atomformen: 253 f., 283, 305, 307, 330 Atomgrößen: 237-249, 253 f., 269 f., 2 8 3. 305. 307. 330 Atomlinien: 29 A. 117, 187, 263, 289 f., 292, 294, 296, 300 A. 246, 306, 316, 318 f. m. A. 301, 320, 3 2 5 ! , 335,

3 3 7 . 3 4 7 i - 3 5 ° , 3 5 2 , 354-356, 357 f . ,

360, s. —*• Minima αΰξησις: 178 άφαίρεσις: 177 f., 264, 291 άφασία: g Bedeutungsunterscheidung:

18,

19,

22, 25, 36 A . 148, 45

B e w e g u n g : 255-257, 267, 276 f., 280284, 291 f . , 294 f . , 304, 309-315, 316,

331. 347-352, 356, 359 βίος Θεωρητικός: 151 f., 153, 154, 156, 166, 168, 196, 202 m. A. 74 Carneadea Divisio: 49 A. 203 Chorismos: 69 A. 263, 161, 359 m. A. 444 clinamen: s. —»• παρέγκλισις communitas: s. -»· κοινών Dämonologie: 119 m. A. 60, 122, 164, 172 f., 175 Deismus: 132, 152, 154, 164, 184 f. Demiurg: 112, 113, 115, 121, 124 f., 126, 127 f. m. A. 96, 158 f., 164, 172, 182

Derivationszusammenhang: 264, 291, 304, 334 f., 355 A . 424, 360 Dialektik: a) eleatische: 14, 59 - b) sophistische: 14 f., 17 - c) megarische: 8, 15, 56, 59 f., 66 - d) platonisch-akademische: α) Ideendialektik („Logik"): 2, 21, 22 f., 48, 54, 56, 71, 106 f., 261, 292, 325, 340, 341 f. m. A. 378, 345, 354, 356, 360 A. 448 - ß) Disputations- (Ubungs-) Dialekt i k : 9, 10, 13, 15, 16-58,

75, 103 f.,

107, 165, 262 A. 105 - e) peripatetische: 2 1 - 2 4 , 57 ~ stoische: 59, 98, 103 A . 415

Diallele: 102 f., 106, 107 Dialoge: 6, 13, 31 f., 317 f. Diaphonie: 9 διάθεσις: 222, 224 f.

Verzeichnis von Wörtern und Begriffen

386

Dichotomie: 2 3 9 , 2 4 0 f., 2 5 2 , 2 6 0 , 2 6 2 A . 1 0 6 , 2 9 6 f., 2 9 8 , 3 3 9 , 3 4 8 , 3 5 7 Dimensionen (Linie - Fläche - Körper): 2 4 4 , 2 8 3 , 2 9 0 f., 2 9 4 , 2 9 6 , 3 0 1 f., 3 0 4 f., 3 0 6 - 3 0 9 , 3 x 4 A . 2 9 0 ,

3 1 6 , 3 3 4 f., 345-347. 361 f· Diskontinuität: 4 , I6I, 2 6 7 , 2 8 1 , 2 8 9 , 2 8 9 - 2 9 2 , 2 9 4 , 3 0 5 A . 2 6 6 , 3 2 9 f., 3 5 2

Disputation: 3 0 - 3 2 , 4 6 Diversität (έτερον): i 8 A. 6 8 , 1 9 , 7 1 , 1 7 9 , 1 8 1 f. Dogmatismus: 1 2 , 1 3 A. 4 3 , 5 4 f., 5 8 , 1 0 5 A . 4x9, 117. 1 5 9 . 1 6 1 .

332

δόξα: ίο, 15 f. Doxographie: 7 , 1 3 , 2 2 , 49, 7 8 A. 2 9 6 , 112,

132

Eudämonie: 15οι., 152, 153 f., 162, 172 f., 179 A . 313, 204 f., 209 f., 212, 214-219,

220-222, 223, 332

εΰλογον: 42 f. Euthymie: 201, 203

Finitismus: 160 f., 305, 330 Flußlehre: 61-65, 71» 79 Frage-und-Antwort-Technik:

14, 28,

31 A . 127, 37-39. 45. 48

Freiheitslehre: 11, 107 A. 423 Gegensatzlehre: 23 A. 97, 40 A. 167, 78 f., 82, 84, 86, 87, 90, 2IO-2I2, 339

Gerechtigkeit: 47 A. 197, 49, 50 A. 203, 174 A . 284

Götterbilder: 134 f., 136 f., 138 f.

Dreiteilung der Philosophie: 18 A. 68, G ö t t e r k l a s s e n : 133, 136 f., 140-144 2 3 A. 9 7 , 7 8 A. 2 9 6 , 1 1 4 m. A. 3 5 , Grenze (πέρας, δρος): 197 f. m. A. 47, 1 7 4 , 1 8 5 , 2 3 0 A . 1 7 9 , 2 8 8 f., 3 1 9 201 f., 203, 204, 216-218, 246-248, Dualismus: 1 0 9 f., 1 1 3 , 1 1 4 , 1 1 5 , 255, 286 f., 301-304, 328 1 1 7 f., 1 2 1 , 1 2 8 , 1 2 9 , 1 3 0 , 1 3 1 , 2 2 8 f. Gruppengötter: 136, 142 f., 146 f. Güterlehre: 107 A. 423, 217 A. 132, έγκεκαλυμμένος sc. λόγος: 5 9 , 6 6 205, 228 Eidoslehre (aristotelisch): 6 7 , 6 9 , 111 γυμνασία: ig m. A. 73, 21, 33 f., 46 E i n h e i t : 6 8 , 7 1 , 1 0 6 f., 1 0 8 , 1 1 8 - 1 2 0 , 179-183,

195,

212-215,

222

>

22

4>

2

9 2 . 354. 360 Ekpyrosis: 1 0 9 , 1 3 1 Elementarkörper (physikalische Polyeder) : 2 6 4 f., 2 9 4 , 3 0 4 f., 3 0 7 f., 3 1 4 , 335. 344-347. 360, 3 6 2 A. 4 5 6 Elementenphilosophie: 1 2 3 f., 1 6 0 , 1 9 4 , 2 1 3 f., 2 1 5 , 2 1 8 , 2 3 2 , 2 5 9 , 2 8 9 , 2 9 6 , 3 0 8 , 3 2 5 , 329 f., 3 3 6 , 3 4 3 f., 355 f - 360 Empirismus: 7 , 11, 1 3 A. 4 3 , 1 6 5 , 3 3 1 ένδοξον: 2 0 , 44 ένότης: s. —>• Einheit έξις: 223, 2 2 4 f. έπαγωγή: 2 5 , 44 έπΛογισμός: 1 3 9 , 1 4 5 , 1 7 7 έποχή: g, 4 1 f., 4 3 , 4 4 , 48-52, 5 3 f., 5 6 A. 2 1 3 , 6 4 , 1 0 5 f. A. 4 1 9 , A. 4 2 0 Eristik: 1 7 , 2 4 A. 1 0 1 , 9 5 Erkenntnistheorie: 9 , 5 3 f., 6 8 , 7 1 f., 74, 98, 104, 106 A . 4x9, 1 6 9 A .

264

Eros: 1 7 5 , 2 2 9 , 2 3 0 A. 1 7 8 Esoterik: 54-56, 1 0 7 Ethik: 2 f., 2 9 , 3 3 f., 5 7 , 2 3 0 , 3 1 9 , 3 2 5 , 329 Etymologie: 6 1 , 1 1 3 A. 3 3 , 1 2 5 A. 8 3 , 1 2 7 A . 9 0 , 1 7 2 f., 1 8 2

Hedone: 18, 19 f., 29, 30 A. 122, 34, 47 A . 197, 51 A . 207, 152 f., 164-170, 184, 188-203, 205-211, 216-220

Heimarmene: 113 m. A. 33 Homonymie: 20, 344 A. 383 Hyle: 108-112, 122, 131 A. 104 Hypodihairesis: 85, 87, 229 Hypothesis: 10 m. A. 31, 15 f., 277 f.

Idee des Guten: 16 Ideenbeweise: 68-74, I07> 337 Ideenkritik: 16, 30 A. 122, 35 Ideenlehre: 18, 24, 68-71, 169 A. 263, 325 f., 341-344

Identität (ταύτόν): i8 A. 68, 19, 66-68, 71, 106 f., 179-183, 354

Ιδιον: 68, 70 Immanentismus: 56, 117, 130 Indifferenzzustand: 197, 199,

202,

203 f., 206-209, 210 f., 214, 218 I n d i v i d u a l i t ä t : 66-68, 70 f.

Induktionslogik: 103 Infinitesimales: 237 A. 13, 238 f., 240, 242, 252, 261 f., 271 A. 148, 272 f., 275, 281, 293 A. 225, 297. 313 A . 288, 327, 338 A . 362, 348, 361

Verzeichnis von Wörtern und Begriffen Inhärenz: 95, 96 Interpretatio Academica: 259, 265, s. -»• Mythos a), - » Timaios-Interpretation in utramque partem disserere: 7, 13, 14, 27, 33 A. 132, 45-47, 48, 51, 106 Isosthenie u. ä.: 9, 48-50, 106 A. 419 Isotope: 362 A. 456 καθ' έαυτά (-ό): 8o f., 82, 84, 85, 87, 88 f., 91, 92 f., 97 A. 380, A. 385, 98 f., 104, 107 κατάληψις: 40 f., 53 καταμέτρημα: 246-248, 283 Α. 197, 323 f., 328, 355 f. κατάστασις: 198 f., 200 A. 60 Kategorienlehre: 23 A. 96, 80-107, 160 A. 232, 192 f., 214 f., 355 A. 423 Klassizismus: 8 A. 23 κοινόν: 67, 6g f. Korrelativa (πρός τι): 82, 84, 86, 87, 88, go, 94 f., 96-104, 105 f. Kosmologie: 2, 12, 117, 121, 123-131, 333 A. 343, 334, 335, 361 A. 449 κρασις δι' δλων: 44, ιο8 Kritik: s. -*· Polemik Kubus: 2 5 4 ! , 311, 314 Lehrgespräch: 28 f., 31 Lehrvortrag: 28-30, 46 A. 193 literarisch: 6, 10, 11, 14, 57, 130 Logik: 3, 21 A. 87, 23, 27 A. 115, 29, 34, 114 A. 35, 342 m. A. 378, 360 A. 448, s. -»- Dialektik d) α) λόγος σπερματικός, λόγοι σπερματικοί: ιο8, 115 m · Α. 4°. 1 2 1 λύσις: 2θ, 25 f., 5 1 Mathematik: 237 Α. 13, 259. 262-266, 271-275. 276 f., 279, 315 Α. 293, 323. 335. 352-355. 35^-35^ Mehr-Weniger (μάλλον - ήττον, πλέον ϊλαττον): 193 ί·. J 96 Α. 40, 208-213, 215, 223, 224, 225-229, 299 μέρος-δλον-Relation: 251, 3τ4> 325f-, 340, 342-344 Mesotes-Lehre (Wertmitte): 88, 209, 215 m. Α. 123, 228 μετάβασις: 178, 238 f. m. Α. 22, 242 f., 280 Α. 184, 327 f. Metaphysik: 2, 54, 57, 95 f., 103, 107, 179, 214, 216, 218, 230

387

Metriopathie: 35 μέτρον: s. -*• καταμέτρημα μίμησις: 124, 126, 129 Minima (έλάχιστα): ι 6 ι , 180 m. A. 317, 186 f., 190, 194 f., 219 A. 136, 231332, 333. 335, 337-362 Mittlerer Platonismus: 81, 121, 171, 177, 181 f. Mittlere Stoa: 171 Moiren: 113 A. 33, 136, 163, 172 Mythos: a) Interpretation des platonischen - in der Akademie: 121 f., 161, 162 f., 172 f., 175, s. Timaios-Interpretation - b) bei Aristoteles: 154 f. - c) bei Epikur: 154 f. Neukantianismus: 10 A. 30 Neuplatonismus: 177 Nominalismus: 96 Nus: 121 f., 129, 149-151, 161, 176 Oberkategorie: 82, 87, 90, 91 f., 94, 95 A. 372 Oikeiosis-Lehre: 43 A. 182, 230 A. 179 δλον: s. —»• μέρος δμοείδεια: 134-138, 140, 142, 144, 147 f ·. 179. 197 f · δμοιον (-ότης): 19, 66, 73, 139 Α. 149, !45. 177, 179-181 όμοίωσις: a) Methode d. Erkennens: 12 Α. 4ΐ, 177 - b) δμοίωσις θεω: 156 f. m. Α. 220, 170-176 ιο Ontologie: 2, 74 3 . Ι0 7» 183 ί·, ι88, 190 f., 193, 195 ί·> 2 Ι 9 ί·, 222, 230 oratio continua (perpetua): 15, 3*. 34> 37 f - 45 ού(δέν) μάλλον: g, 65, 105 Α. 419 παραβολή: 25, 44 παράδοξον: 20, 25, 45 παρέγκλισις: 132, 176 f., 179. 186, 255, 256, 277, 284, 313 Α . 288, 331 (τ6) πάσχον, παθητικόν: ιο8, n o Peirastik: 19, 25 πέρας: S. —Grenze περιτροπή: 14, 54« ι ο 5 Α. 419 Phänomenalismus: 100, 106 Α. 419 φαντασία καταληπτική: 12, 4°-4 2 , 58, ιο 5 Philosophiebegriff: 175 ί·, 229

388

Verzeichnis von Wörtern und Begriffen

Physik: 2 , 1 0 A. 3 1 , 11 A. 3 6 , 1 2 , 2 9 , 3 3 f., 4 3 , 1 1 2 , 1 1 4 m . A . 3 5 , 1 3 1 , 2 8 8 f., 2 9 3 , 304 f., 3 1 9 f·, 331. 3 3 3 356. 359-362 φύσις-Begriff: 7 , 11, i n , 1 1 2 , 1 9 8 A. 47, 210, 230 A. 1 7 9 πιθανόν: 1 5 m. A. 5 6 , 4 3 A. 1 7 7 Pneumalehre: 9 5 , 1 0 8 , 1 1 3 A. 3 3 , 2 2 5 (τό) ποιοϋν, ποιητικόν: io8, n o Polemik: 5 , 1 3 , 3 9 , 4 9 , 5 0 , 5 8 - 6 0 , 7 2 , 74, 165, 190, 195, 196-198, 200 Α . 6 o , 2 0 3 , 2 3 1 f., 2 4 3 , 2 6 0 , 2 6 3 , 2 7 9 , 281-284, 287, 293. 3 1 2 m .A . 287, 3 1 5 m. A. 2 9 3 , 3 2 0 m. A. 3 0 4 , 3 2 1 , 329 f-, 335. 350 πολλαχώς λεγόμενα: 2 θ Polytheismus: 1 3 2 , 1 6 3 Positionswechsel: 2 7 , 4 7 , 5 0 Positivismus: 7 Prinzipienlehre: a) akademisch: 18 A. 68, 27 A. 1 1 5 , 95, 107, 1 1 8 - 1 2 1 , 1 2 3 1 3 1 , 1 9 4 , 2 x 2 - 2 1 5 , 2 1 8 , 2 2 5 , 2 2 8 f., 2 3 0 A . 1 7 8 , 2 9 2 , 3 3 9 , 3 5 4 , 3 5 6 , 3 6 0 f. - b) peripatetisch: 1 1 0 f., 1 1 8 A. 4 9 - c) stoisch: 108-131 probabile: s. -> πιθανόν Probabilismus: 4 9 m. A. 2 0 0 , 5 5 f. m. A. 212, A. 213, 104-106 A. 419 πρότερον-ΰστερον-Relation: 2 6 4 , 2 9 1 , 2 9 2 , 3 2 5 f., 3 4 0 f., 3 4 2 , 3 4 4 f. Providenz: 1 1 6 , 1 2 1 , 1 2 5 ψευδόμενος: 5 9 , 1 0 5 Α. 419 πυκνόν (-ότης): 1 7 6 , 1 8 3 R a u m : 2 5 5 f·. 2 5 7 , 2 6 7 , 2 7 3 , 2 7 7 , 2 8 1 2 8 4 , 2 9 4 , 309-313. 334. 34°. 35°. 356 reductio ad absurdum: 1 4 , 4 5 , 3 5 4 reductio ad impossibile: 4 5 Relation (-iva): 8 1 , 8 4 , 8 6 f., 8 8 , 1 0 4 , s. —>- Korrelativa Relativitätsprinzip: 7 7 f., 9 9 , 1 0 2 , 1 0 4 , 107 Rigorismus: 3 5 , 2 3 0 A. 1 7 9 Seelenlehre: 1 8 5 - 1 8 7 , 3 3 3 f., 349, 352, s. —»- Weltseele Seinseinteilung: s. —>- Kategorienlehre Selbstanwendung: s. —*• περιτροπή Sensualismus: 6 4 , 6 7 , 7 0 , 2 4 4 , 3 3 1 , s. —*• αϊσθησις σημεΐον: 6 8 Α. 2 5 0 , ioo f. Simultaneität: 1 0 5 f.

Skepsis, Skeptizismus: 7 , 9 , ix, 1 2 , 6 4 f., 9 6 , 9 8 , 1 0 6 A . 4 1 9 , 1 6 9 A . 2 6 4 Sokrates-Bild: 9 f., 5 7 Sorites: 1 2 Α. 39, 5 9 f., 7 5 - 7 7 , 9 7 , 1 0 6 , 107 Sozialphilosophie: 11 συγκατάθεσις: 4 0 - 4 3 , 5 0 Syllogismos: 1 9 f., 2 1 , 2 3 f., 2 5 , 2 9 , 4 2 , 44, 103, 245 συμβεβηκότα: 93~95. 97 A · 3 8 o συμπτώματα: 9 3 , 9 5 , 9 7 Α . 3 8 0 συνημμένον: 4 2 , 5 9 , i o o , 1 0 3 Synonymie: 2 0 , 343 *· Systematik: 2 , 3 , 8 0 , 1 0 7 , 1 2 3 , 3 6 1 ταύτόν: s. —»• Identität Teleologie: 1 2 A. 4 3 , 4 9 A. 2 0 1 Telosformel: 1 7 1 f., 1 7 3 f., 2 0 0 f., 2 0 4 , 225, 325 A. 324 Tetraeder: 2 6 5 , 3 4 5 - 3 4 7 , 358 A. 4 3 7 , 360, 362 Theologie: a) akademisch: 11, 4 9 , 5 2 f., 5 7 , 1 2 1 f., 1 2 4 , 1 2 9 f., 158-187 - b) peripatetisch: 1 3 2 f., 1 4 6 - 1 6 4 , 1 6 8 - 1 7 1 , 1 7 7 f., 1 8 4 f. - c) epikureisch: 3 , 1 3 1 - 1 5 7 , 1 5 9 - 1 6 1 , 1 6 3 - 1 8 7 d) stoisch: 3 , 1 0 8 f., 1 1 2 , 1 1 5 f., 1 2 2 , 125, 129, 1 3 1 θέσις: i 8 A . 6 8 , 2 5 θεωρία: s. —*• βίος θεωρητικός Timaios-Interpretation: 1 1 8 - 1 2 3 , 1 2 4 1 2 8 , 1 5 8 f., 1 7 1 - 1 7 3 , 1 8 2 f., s. -*• Mythos a) Transzendenz: 1 2 , 1 1 7 , 1 2 3 , 1 3 0 , 1 8 2 f., 3 0 4 Tropenlehre: 7 7 - 8 0 , 9 1 Unbegrenztes, Unendliches: 2 4 0 f., 2 5 2 , 2 8 5 Unteilbarkeit: 2 3 6 A. 1 3 Untergötter: 1 2 4 f.

2 1 9 f.,

veri simile: s. —*• πιθανόν Verschiedenheit: s. —*• Diversität via negationis: 1 2 A. 4 1 , 1 7 7 A. 3 0 6 Vielheit: 6 8 , 7 1 , 1 1 9 , 1 7 9 , 1 8 1 - 1 8 3 , 338-340 Volksreligion: 1 3 8 , 1 4 2 - 1 4 4 , 1 4 6 , 1 4 8 , 154-156, 164, 169 A. 264 Voluntarismus: 4 3 A. 1 8 2

Verzeichnis von Wörtern und Begriffen Weltewigkeit: 18, 27 A. 1 1 5 Weltseele: 108, 116, 117, 122, 125-128, 129, 174 A. 284, 175, 186, 352, s. -> Seelenlehre Widerspruch: 26, 40, 44, 45, 48 υπεροχή: 12 Α. 41, 177 f.

389

Zahlenreihe: 159 f., 285-287, 298, 340 m. A. 366, 348 f., 351 f. Zeit: 188-191, 194-196, 216, 219 f., 220-222, 256 f., 267, 281-284, 309312, 322, 334, 350-352

IV. N A M E N S V E R Z E I C H N I S

a) Moderne Autoren AALL, A .

BLOCH, O . R . BOLL, F .

116

133

132

BOLLACK, J . U. M . 2 3 3

ALFIERI, E . 1 3 2 , 1 7 8 , 2 7 0 , 2 7 8

BONITZ, H .

AMERIO, R . 1 4 4 , 1 4 5 , 1 5 1 ,

BOOTH, Ν . B . 2 5 8

ANDRES, F .

178

173

BOYANOS, P .

APELT, O . 1 7 1 , 1 9 2 , 2 7 2 , 2 9 9 , 3 0 6 , 3 1 3 ,

336. 337. 351. 358 ARNIM, H. V. 6, 7, 33, 42,54, 55, 56,78, 79, 84, 101, 107, 108, 115, 122, 163, 198, 230, 231, 232, 239, 241, 243, 246, 247, 248, 249, 254, 256, 259, 270, 272, 279, 282, 314, 318 ARRIGHETTI,

G.

134,

136,

139,

140,

166, 167, 169, 180, 189, 238, 239, 241, 246, 249, 278, 279, 316 ATANASSIEVITCH, X . 2 3 1 , 2 5 8 , 2 8 4 AUBENQUE, P . 2 2 , 2 3 , 1 4 0

114,

116,

125,

162,

BRÄHIER, Ε . 7 8 , 1 0 1 , 1 1 0 ,

122

BRIEGER, A . 2 5 0 , 2 5 3 , 2 5 4 BRINK, K . O . 1 1 5 , 1 3 0 , 2 3 0 BROCHARD, V . 6 , 1 4 , 1 5 , 5 5 , 1 9 0 ,

196,

197, 198, 202, 258 BROECKER,H. 258 BRUNO, G . 2 5 1 , 3 0 9 BRUNSCHWIG, J . 1 8 , 2 1 , 5 2 , 1 6 3 BURESCH, K .

189 119,

127, 259, 351 BURNET, J . 1 9 2 , 205

BAILEY, C . 93, 132, 135, 138, 144, 145,

157, 187, 189, 232, 238, 239, 240, 241, 242, 244, 245, 247, 248, 249, 251, 253, 254, 257, 270 BARIGAZZI, A . 8 1 , 8 3

CALOGERO, G . 2 9 5 CAPONE B R A G A , G . 6 3 CARLINI, A .

159

CHERNISS, H . 6 1 , 7 0 , 7 2 , 7 3 , 1 1 9 , 2 0 6 ,

259, 264, 265, 274, 299, 3°°. 3°2» 334- 336, 341. 347» 359, 360. 361

BARNES, J . 3 4 3 112

CLASSEN, C . J .

BECKER, O . 2 7 7 BERGSTRÄSSER, G .

16,

173, 182

BURKERT, W . 1 0 , 1 2 , 6 2 , 7 6 , 1 1 8 ,

BAEUMKER, C . 1 0 9 , 1 1 0 , 1 2 2

BARRA, G .

357

COBET, C . G . 132

110

108

CONEN, P . F . 3 5 0

BERNAYS, J. 3 1 , 78, 2 2 5

CORNFORD, F . M . 2 5 8 , 3 6 2

BERTI, E . 2 2 , 6 9 , 1 2 8 , 1 5 8

COUISSIN, P . 6 , 8, 9 , 1 4 , 3 9 , 40, 4 2 , 4 3 ,

BEUTLER, R .

125

49, 54, 75

B E V A N , E . 5 , 8, 4 3 BIGNONE, E . I, 6 3 , 6 4 , 1 1 3 , 1 2 7 ,

135, 166, 188, 198, 219, 244, 257,

131,

140, 145, 154, 156, 163, 165, 167, 169, 170, 185, 186, 187, 189, 190, 191, 192, 196, 197, 199, 200, 201, 202, 216, 218, 220, 224, 232, 238, 239, 241, 245, 247, 248, 249, 255, 256, 278, 284, 313, 318, 319, 343

CREDARO, L . 5 , 6 , 8, 1 0 , 4 2 , 5 2 , 5 5 , 7 7 CRÖNERT, W . 1 3 3 , 2 7 8 , 3 1 8 DAL PRA,

M. 5, 8, 14, 55

D E FALCO, V . 2 5 5 D E LACY, PH. 48, 65, 97, 105, 139, 278,

306, 318 DENNISTON, J . D . 2 4 3 D E STRYCKER, E . 2 8 8

BIRMELIN, E . 6 2

D E VOGEL, C . J . 1 2 8 , 1 5 8

BLOCH, E .

D E WITT, N . W . 135, 1 5 1 , 167, 3 1 7

313

Namenverzeichnis DIANO, C. 1 3 2 , 1 3 4 , 1 3 7 , 1 3 9 , 1 4 0 , 1 4 2 , 144, 1 5 1 , 1 5 3 , 166, 167, 169, 1 8 1 , I86, 187, 189, 196, 198, 273, 278, 284, 3 0 6 DIELS, H . 7 3 , 1 2 0 , 1 3 4 , 1 3 6 , 1 3 7 , 1 3 8 , 1 3 9 , 1 4 0 , 1 4 1 , 1 4 5 , 1 8 6 , 269, 270, 3 1 9 DIES, A . 1 9 1 , 206 DILLER, H . IIO, 1 1 2 DIRLMEIER, F . 29, 1 9 1 , 1 9 2 , 2 0 5 , 2 3 0 DÖNT, E . 1 1 7 , 3 2 7 DÖRING, A . 206 DÖRRIE, H . 89, 90, 1 1 3 , 1 2 0 , 1 7 4 , 3 3 3 , 356 DRABKIN, J . E . 2 5 8 DÜRING, I . 1 7 , 1 8 , 24, 3 3 , 44, 7 1 , 7 3 , 9 3 . 1 5 8 . 1 5 9 , 1 7 2 , 1 8 7 , 1 9 2 , 206, 2 1 5 , 260, 278, 288, 2 9 2 , 294 EDELSTEIN, L . 1 7 3 EFFE, B . 118, 127, 158 EICHHOLZ, D . E . 7 EISENBERGER, H . 1 7 8 E L D E R S , L . 1 8 , 9 1 , 2 6 5 , 266, 3 4 0 ELORDUY, E . 85 ENRIQUES, F . 2 5 8 , 2 7 1 ERNOUT, A . 240, 242, 2 4 5 , 248 FARRINGTON, B . 1 3 5 FERRARI, F . A . 1 1 6 FESTUGIERE, A . - J . 1 1 2 , 1 1 7 , 1 7 0 , 1 9 2 , 1 9 3 , 206, 207, 2 1 3 , 3 1 7 FLASHAR,H. 163 FRANCKEN, C. M . 9 3 FRANK, E . 1 2 7 , 2 7 1 , 2 7 2 , 308, 3 5 9 FRANKEL, H . 2 5 9 FRASSINETTI, P . 1 3 3 , 1 3 5 , 1 3 9 , 1 4 4 F R E D E , M . 82 FREYMUTH, G . 1 3 3 , 1 3 4 , 1 3 6 , 1 3 7 , 1 3 8 , 139. 1 4 ° . I 4 I > X45 FRIEDLÄNDER, P . 206, 3 6 2 FRITZ, K . V. 9, 3 5 , 44, 74, 78, 82, 83, 120, 169, 201, 230, 302, 3 1 4 FURLEY, D. J . 132, 186, 187, 2 3 1 , 232, 2 3 6 , 2 3 8 , 240, 2 4 1 , 2 4 3 , 244, 2 4 5 , 246, 248, 249, 2 5 0 , 2 5 7 , 2 5 8 , 259, 2 6 1 , 262, 2 6 3 , 2 6 5 , 2 6 7 , 269, 270, 2 7 1 , 2 7 3 , 274, 2 7 5 , 2 7 6 , 2 7 8 , 280, 2 8 1 , 2 8 2 , 2 8 3 , 284, 285, 2 9 3 , 295, 300, 309, 3 1 4 , 3 1 5 , 3 2 1 , 3 2 2 , 346, 356. 360

26 Krämer, PlatoniemuB

391

GADAMER, H . G . 1 1 2 , 1 9 1 , 3 4 9 GAISER, K . 7 3 , 99, 1 1 5 , 1 1 6 , 1 2 6 , 1 5 8 , 1 6 0 , 1 8 2 , 2 1 0 , 2 1 5 , 2 2 7 , 294, 299, 3 0 2 , 306, 3 1 0 , 3 2 7 , 3 3 4 , 3 5 4 , 3 5 5 , 3 6 1 GASSENDI, P . 1 3 5 , 1 4 0 , 1 6 6 , 2 3 3 , 2 3 9 , 286, 298 GATZEMEIER, M . 3 5 1 GAUTHIER, R . A . 1 9 2 , 205, 206, 208 GEFFCKEN, J . 7 3 G E F F E R S , A . 6, 8, 1 0 , I I , 1 4 , 4 3 , 5 5 , 56 GERICKE, H . 2 7 3 GERCKE, A . 1 6 0 GIANNANTONI, G . 1 9 1 , 1 9 2 GIGANTE, M . 36, 1 8 9 GIGON, O. 5, 6, 7, 8, 1 6 , 4 3 , 52, 5 5 , 56, 60, 6 1 , 78, 1 3 2 , 1 3 6 , 1 3 7 , 1 4 0 , 1 5 1 , 156, 176, 190, 1 9 1 , 2 1 5 , 2 1 7 , 218, 2 1 9 , 2 2 2 , 240, 242, 244, 2 4 5 , 246, 248, 3 0 6 GILBERT, O. 1 3 5 GILLESPIE, C. M. 2 3 GIUSSANI, C. 9 3 , 1 3 4 , 1 3 5 , 1 3 8 , 1 4 5 , 1 8 6 , 2 3 1 , 2 3 8 , 2 4 1 , 244, 248, 249, 250, 2 5 1 , 254, 306 GOEDECKEMEYER, A . 5, 4 1 , 5 2 , 54, 5 5 , 59, 1 3 2 , 1 7 6 , 2 3 1 , 2 3 2 , 2 7 7 , 2 8 2 , 3 1 3 GOLDSCHMIDT, V . 1 9 4 , 2 2 1 , 2 2 2 , 2 2 5 , 351 GRILLI, A . 63 GRUMACH, E . 1 2 , H I , 1 3 0 GUTHRIE, W . K . C. 59, 76, 1 7 8 , 1 8 6 , 2 3 2 , 258, 259, 269, 2 7 0 GUYAU, J . - M . 2 2 0 HAASE, W . 1 2 HACKFORTH, R . 1 9 2 HAMBRUCH, E . 1 8 , 65, 70, 82, 1 8 1 , 200, 208, 3 4 3 HAPP, H . 1 1 2 , 1 1 8 , 1 2 2 , 1 2 3 , 1 2 4 , 1 6 0 , 183, 361 HARDER, R . 1 1 5 , 1 2 7 HARDING, Η . P . 1 9 1 HARLFINGER, D . 3 3 6 HARTMANN, H . 6, 8, 1 5 , 40, 4 1 , 42, 4 3 , 106 HASSE, H . 258 HEATH, ΤΗ. 2 3 2 , 2 5 8 , 2 7 0 , 274, 2 7 5 , 3 0 2 , 3O6 HEIBERG, J . L . 2 2 7 , 2 7 3 , 3 0 2 , 3 0 3 H EI DEL, A . 258, 308 HEINEMANN, I . 1 7 3 HEINZE, M. H I , 1 1 6

392

Namenverzeichnis

HEINZE, R . 79, 95, N 8 , 1 7 2 , 1 7 3 , 182, 2 3 1 , 232, 238, 242, 243, 246, 254, 2 5 7 . 2 79> 300. 336, 3 4 1 . 342, 345. 346, 348, 354, 358, 359 HICKS, R . D . 108, 241, 242, 245, 246, 248, 249, 2 7 5 HIRSCH, W . 299, 336, 337, 338, 339, 3 4 1 , 342, 343, 345, 348, 349, 354. 356, 358, 3 5 9 HIRZEL, R . 6, 8, 9, 10, 14, 3 1 , 35, 55, 7 7 , 106, 108, 134, 135, 136, 138, 140, 186 HOFFMANN, E . 202 HOMMEL, H . 221 HOSSENFELDER, M . 1 0 4 - 1 0 6 HULTSCH, F . 2 7 5 HURST, M . 59 HUSIK, I. 87 HUSSEY, E . 233 ILTING, K . H . 300 IMMISCH, O . 1 1 3 INGENKAMP, H . G . 199, 225 ISNARDI PARENTE, M . 94, I I 5 , 334

278,

JACOBY, F . 73 JAEGER, W . 3 1 , 64, 128, 1 5 7 , 1 7 2 , 260, 295. 333 JANNONE, A . 278 JOACHIM, H . H . 1 9 2 , 195, 2 6 1 ,

262,

299, 336, 338, 3 4 1 . 345. 350. 353 JOHANN, H . - T H . 6, 35 JoLiF, J. I. 192, 205, 206, 208 JONES, R . M . 1 7 3 KALBFLEISCH, K . 84 K A P P , E . 23, 24, 44 K A R P P , H . 166, 168 KERSCHENSTEINER, J . I I I KIRCHNER, O . 7 K I R K , G . S. 270 K L E V E , Κ . 134, 138, 139, 143.

I51.

1 7 7 . 254 KOCHALSKY, A . 239, 248, 249 KÖRTE, A . 136, 1 4 1 KRAFFT, P . 9 1 KRANZ, W . 73, 186, 258, 269, 273, 359 KRISCHE, A . B . 122, 1 2 5 KROKIEWICZ, A . 1 3 7 , 140, 142, 144, 145 KRUMME, L . 7

KUEHN, C. G . 140 KUIPER, T . 189, 198 KULLMANN, W . 76, 203 LACHELIER, J . 135, 1 3 9 LANGERBECK, H . 8 LANG, P . 343 LASSERRE, F . 1 6 5 , 166, 167, 168, 1 6 9 LASSWITZ, Κ . 2 5 1 , 256, 282, 309 L E BLOND, J . M . 22, 23, 42, 342 L E E , H . D . P . 258 LEMKE, D . 1 3 7 , 1 4 1 , 142, 144, 1 4 5 , 1 7 9 LEONARD, W . E . 2 5 1 LIEBERG, G . 169, 1 9 1 , 192, 193, 196, 206, 209 LIEBICH, W . 1 5 6 , 166, 167, 1 6 9 LIPSIUS, H . 108 LITTIG, F . 9 1 , 92 LOHMANN, J . 302, 3 1 0 LONG, H . - S . 108, 166, 233, 241 L O N Y , J . M . 308 LUCK, G . 230 LUMPE, A . 120 LURIA, S . 2 3 1 , 246, 258, 259, 260, 2 6 1 , 262, 263, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 2 7 1 , 272, 274, 275, 276, 2 7 7 , 279. 3 5 1 . 362 LUSCHNAT, O . 1 7 4 , 1 7 5 , 229, 230, 3 1 3 LUTHE, W . 94 MAIER, H . 160 MANSFELD, J . 1 7 3 , 327 MANSION, Α . 342 MARIOTTI, I . 9 1 MARIOTTI, S. 186 MARX, K . 3 1 3 MATES, Β . 59 MAU, J. 76, 2 3 1 , 232, 237, 238, 2 4 1 , 243, 245, 248, 249, 2 5 7 , 259, 262, 263, 269, 270, 2 7 1 , 274, 275, 279, 280, 298, 3 1 4 MAUERSBERGER, A . 1 9 1 , 1 9 2 MAYOR, J. B . 136, 140, 1 4 4 MAZZIOTTI, Μ . 258, 2 7 1 MCDIARMID, J . B . 120 MCGIBBON, D . 178, 203 MERKI, H . 1 5 7 , 1 7 1 , 1 7 4 MERLAN, PH. 82, 89, 122, 124, !33. 144, 178, 301,

136, 146, 192, 316,

239, 258, 272,

132,

139, 140, 1 4 1 . 142, 143. 1 5 1 , 158, 165, 166, 168, 210, 2 1 2 , 2 1 9 , 232, 278, 343, 344

Namenverzeichnis MERRILL, W . Α . 2 3 1 METTE, Η . J . 83, 1 0 1 MEYER, H . H I , 1 1 6 MINAR, E . L . 7 MONDOLFO, R . 1 3 2 , 2 1 9 , 220, 2 2 1 , 222 MORAUX, P . 1 4 , 1 5 , 1 7 , 24, 32, 38, 5 7 , 1 1 5 , 1 2 6 , 186, 3 3 6 MOREAU, J . Ι , 108, 1 1 2 , 1 1 3 , 1 1 5 , 1 1 6 , 1 1 7 , 1 1 8 , 122, 1 2 3 , 126, 1 2 7 , 128, 132, 135 MORESCHINI, C . 133, 1 3 4 , 136, 1 3 7 , 138, 1 3 9 , 140, 1 4 1 , 1 4 4 MUGLER, CH. 232, 269, 2 7 5 , 305, 3 1 8 , 3 3 1 . 362 MUNRO, H . A . J . 2 3 1 , 250, 2 5 1 NATORP, P . 5, 1 5 , 59, 93 N E B E L , G . 1 7 9 , 198, 202, 2 1 6 NECK, G . 257 NESTLE, W . 5, 2 7 0 NICOL, A . T . 272, 300, 3 1 3 N I E B E L , E . 274 NOEL, G . 258 NORDEN, Ε . 324 OEHLER, K . 209 OWEN, G . E . L . 18, 22, 23, 82, 93, 258, 292, 294, 342, 343 P A L E I K A T , G . 5, 1 0 PASCAL, C . 232 PATRICK, Μ . Μ . 5, 8, 42, 43 PAVLU, J . 1 2 6 PEASE, A . S . 134, 1 7 6 PEMBROKE, S. G . 230 PESCE, D . 204, 343 PETROVSKIJ, F . A . 232 PFLIGERSDORFFER, G . 1 3 5 , 138, 1 4 0 PHILIP, J . A . 259, 289, 299 PHILIPPSON, R . 20, 63, 64, 83, 134, 1 3 5 . I 3 7 . 139. 140. 1 4 1 . 1 4 2 , 144. 1 4 5 , 165, 166, 1 6 7 , 169, 1 7 6 , 178, 1 7 9 , 180, 1 8 1 , 182, 190, 192, 200, 201, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 230, 2 7 2 , 2 7 5 , 278 PINES, S. 343 PISANO, G . 63 POHLENZ, Μ . 7, 3 1 , 43, 54, 85, 86, 87, 94, 108, N O , H I , 1 1 4 , 1 1 5 , 1 6 5 , 1 7 3 , 1 7 4 , 1 7 7 , 201, 230 PRAECHTER, K . 55, 59, 73, 89, 90, I I I , 122, 186, 200, 254, 3 1 7

393

PRANTL, C . 85, 87, 9 1 , 92 PRETZL, O . 256 PUECH, H . - C H . 126 RABINOWITZ, W . G . 193, 205 R A V E N , J. E . 258, 2 7 0 R E A L E , G . 12, 13, 130 REESOR, Μ . E . 67, 85, 86 REGENBOGEN, 0 . 1 2 , 1 3 0 , 1 3 2 , 3 3 6 , 3 5 6 R E I D , J . S. 1 5 , 49 REINES, ΤΗ. Ι 6 6 REINHARDT, Κ . 1 7 3 REITZENSTEIN, Ε . 1 3 2 RICHTER, R . 1 4 RIETH, O . 10, 84, 85, 86, 87, 88, 93, 1 0 1 , 1 7 7 , 225, 229 RIST, J . M . 65 ROBIN, L . 5, 10, 14, 55, 78, 160, 242, 245, 252, 260, 342 ROBINSON, R . 24 RODENWALDT, G . 1 6 4 ROLOFF, D . 1 7 0 ROUTILA, L . 22, 23

Ross, W. D. 178, 192, 195, 260, 274, 289, 303, 336. 350, 3 5 7 RUDIO, F . 2 7 4 RÜSTOW, A . 5 9 R Y L E , G . 14, 16, 1 7 , 18, 19, 2 1 , 24, 26, 27, 30, 48, 1 6 9 SACHS, E . 274, 3 1 3 , 3 1 9 , 336 SAMBURSKY, S. 1 1 3 SBORDONE, F . 278 SCHADEWALDT, W . 165, 166, 168, 170 SCHÄFER, M . 1 7 7 SCHEIBE, E . 82 SCHELER, M . 206 SCHMEKEL, A . 8, 77, 78, 85, 97, 103, 104, 108, 1 1 5 SCHMID, W I . 7 3 SCHMID, W O . 132, 140, 143, 146, 1 5 6 , 170, 1 7 1 , 198, 2 1 7 , 2 1 9 , 2 2 1 , 222, 254, 258, 278, 3 1 5 , 3 1 8 , 3 1 9 , 320, 324 SCHMIDT, E . G . I I , 186, 3 5 1 SCHNEIDER, J . G . 2 4 1 , 242 SCHOFIELD, M . 206, 208 SCHOLZ, H . 258, 342 SCHÖMANN, G . F . 1 4 0 SCHRAMM, M . 262, 289, 2 9 1 , 299, 328, 336. 3 3 7 . 3 5 4

169,

102,

151, 220, 316,

321,

394

Namensverzei chnis

SCHWARTZ, Ε . 74, 1 6 5 , 1 7 0 , 198, 3 1 7 SCHWENKE, P . 1 3 4 , 140, 1 4 5 SCHWYZER, E . 243 SCOTT, W . 1 3 5 , 1 3 8 , 1 3 9 , 1 4 5 SEECK, G . A . I I O SENN, G . 93 SICHIROLLO, L . 14, 22 SIEBECK, H . I , I I O , I I I , 1 1 4 , 1 3 0 SIEGMANN, E . 1 9 8 SINNIGE, T . G . 2 5 8 SMITH, S . B . 2 5 1 SOLMSEN, F . 23, 3 1 , 9 7 , I I O , 1 1 2 , 1 1 5 , 1 1 8 , 185, 1 8 7 , 1 9 3 , 289, 2 9 1 , 292, 297. 3 1 8 STARK, R . 230 STECKEL, H . 83, 1 6 7 , 1 6 9 , 200, 2 1 7 , 254. 316, 330 STEINMETZ, P . 94, 1 1 0 , 1 1 3 , 1 2 0 , 333, 362 STEINTHAL, H . 9 9 STENZEL, J . 18, 7 1 , 1 7 7 , 1 8 1 , 208, 2 1 3 , 2 9 7 , 299, 300, 302, 303, 3 2 7 , 349, 353, 361 STRACHE, H . 1 7 4 STRÖMBERG, R . 7 SZLEZÄK, T H . 88 T A N N E R Y , P . 258, 262 TARN, W . 230 T A Y L O R , A . E . 1 7 3 , 1 9 2 , 206 T E S C ARI, O . 248, 2 6 9 T H E I L E R , W . 1 2 , 55, 62, 8 7 , 94, 99, 108, 1 1 0 , 1 1 2 , 1 1 8 , 126, 127, 162, 163, 1 7 4 , 300, 3 0 1 , 3 1 1 , 3 3 4 THROM, H . 8, 14, 18, 24, 33, 38, 5 7 TIMPANARO-CARDINI, M . 3 3 6 TRENDELENBURG, A . 85, 93, 9 5 TRICOT, J . 1 9 2 , 205 UNTERSTEINER, M . 68, 128, 1 5 8 , 1 7 3 , 259 U S E N E R , H . 7, 1 6 5 , 239, 2 4 I , 244, 245, 248, 254, 333, 3 3 6 V A N DER W A E R D E N , B . L . 258, 2 7 3 VERDENIUS, W . J. 261 VLANO, C . A . 4 1 , 58 VICOL, C . 1 3 3 , 1 3 5 VLASTOS, G . 1 8 6 , 200, 203, 2 3 1 , 232, 2 3 7 , 2 4 2 , 244, 2 4 5 , 246, 248, 252, 2 5 3 , 254, 258, 2 5 9 , 2 7 2 , 2 7 3 , 2 7 4 , 294. 3 1 0 , 3 1 5 , 323, 343, 3 5 0 VOGLIANO, A . 166, 1 6 7 , 1 6 9 , 189, 2 5 4

V O G T , H . 2 7 1 , 272, 2 7 5 V O N DER MÜHLL, P . 233, 2 4 1 , 246, 2 4 9 W A G N E R , H . 2 9 3 , 296, 297, 298 WASSERSTEIN, A . 2 7 3 , 2 7 4 WASZINK, J. H . 126, 261 W E H R L I , F . 3 1 , 32, 186, 2 1 5 , 3 5 1 W E I L , E . 22, 23, 24 WEINREICH, O. 221 W E I S C H E , A . 5, 6, 7, 8, 9 , 1 0 , 1 2 , 1 3 , 43, 5 5 . 78, 107 WESTMAN, R. 2 1 9 W I D M A N N , H . 248 W I E L A N D , W . 289, 2 9 1 , 3 5 9 WIERSMA, W . 1 1 3 , 1 1 4 WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, U . V. 36, 73, 1 9 1 , 206, 207 W I L K E , C . 83 W I L P E R T , P . 7 1 , 73, 83, 9 7 , 258, 2 7 7 , 294 W I P P E R N , J . 6 1 , 1 1 9 , 2 1 5 , 328 WISMANN, H . 2 3 3 WITT, R. E . 91, 1 1 8 Z E L L E R , E . I , 5, 8, 9, 1 1 , 1 5 , 2 1 , 22, 36, 5 5 , 56, 66, 7 4 , 7 7 , 78, 86, 90, 9 1 , 92, 94, 102, 103, 108, 1 1 0 , I I I , 1 1 4 , 120, 1 3 2 , 1 3 4 , 1 3 8 , 1 5 1 , 162, 1 9 1 , 200, 230, 265, 269, 270, 3 1 0 , 3 1 1 , 3 1 4 , 336, 358 ZIEGLER, K . 1 6 7

b) Antike und andere Namen (aufgeführt sind in der Regel nur solche Seitenzahlen, die nicht im Stellenregister vorkommen) A E T I O S 3 1 4 , 3 1 5 , 326 AGRIPPA 7 7 , 88, 102 AINESIDEMOS 9, 7 7 , 7 8 f., 9 6 f. A L E X A N D E R V. A P H R . 30, 73, 2 1 2 , 268, 269, 270, 2 7 1 , 294, 302, 303 ALKIMOS 7 2 - 7 4 ALPHONSO 2 7 4 A M Y N T A S 7 2 f. A N A X A G O R A S 2 5 2 , 259, 2 7 3 , 3 1 1 ANAXARCHOS 201 ANDRONIKOS V. R H . 88, 9 1 f., 9 4 ANTIOCHOS Ν. Α . I , I I , 39, 5 5 , 64, 66, 7 4 , 82, 104 f., 106, 1 7 4 , 2 0 1 , 2 1 7 f., 230 ANTIPATER V. T . 105

N a m e n s verzei c h n i s ANTIPHON 273 f.

395

F.UDOXOS V. K N I D O S 1 9 f., 2 9 f.,

A N T I S T H E N E S D. K Y N I K E R A N T I S T H E N E S V. RHODOS

165-

167, 169 f., 170, 201, 206 f., 211, 274, 343

15 133

APOLLODOR 33

E U K L I D 232, 246, 2 7 1 , 301 f., 3 1 5 ,

ARCHIMEDES 273 f.

EURIPIDES 14, 36

A R C H Y T A S 200

EUSEBIOS 49

323

AREIOS DIDYMOS 173 f. ARISTOKLES

77

FAVORINUS 64, 77, 80 f., 96 f.

ARISTON V. A L E X A N D R I A

91

A R I S T O N v . CHIOS 5, 9, 36, 5 5

G A L E N 10,

ARISTON V. K E O S

GNOSIS

317

ARISTIPP (AKADEMIKER)

55

ARISTIPP

32,

(HEDONIKER)

36,

191,

200

311

125

HEGESIAS

201

H E R A K L E I D E S V. P . 3 1 f., 53, 186, 289,

ARKESILAOS 5 - 7 ,

9-11,

15 f.,

33-54,

56 f., 83 f., 88, 105

III

HERAKLIT v. TYROS 39

ARNOBIUS 53 A S K L E P I A D E S v . B . 64, 187, 308, AUGUSTINUS

301, 308, 311, 318, 335, 346 H E R A K L I T V. E P H E S O S I I O ,

311

HERMIPP 33 HERMODOR 61, 79, 81, 212,

104

227

HESTIAIOS 304 BOETHOS (PERIPATETIKER) BRYSON

H I E R O N Y M O S V. R H . 36,

91

HIPPOKRATIK

273

HIPPOLYTOS

CHALCIDIUS

HORAZ

311

CHRYSIPP v . S0L01 43, 49, 88, 2 2 1 , 223,

272 CHRYSIPP V. K N I D O S CICERO

31-33,

37-4°.

42-

45-49.

54.

66, 104, 121, 138, 217 COTTA 138,

231, 237, 259, 261, 268-272, 275277, 281, 283, 288, 293, 302, 305, 311, 3 1 3 - 3 1 5 . 326, 330 f. 15, 232, 270,

295,

301, 308, 310-315, 326, 351 D I O G E N E S V. A P O L L O N I A

K A R N E A D E S 7, I I , 1 5 f., 39, 4 1 . 4 3 . 4 5 .

KLEANTHES 128, 221

181

DEMOKRIT 105, 165, 1 7 8 f., 200 f., 218,

DIODOROS KRONOS

154

4 7 - 5 0 , 55 f., 66 f., 74, 77, 90, 102106

144

DEMETRIOS LAKON 103,

311

219

ISOKRATES 24 IXION

167

201

14

KLEITOMACHOS 15, KLEOMEDES

49

324

KRANTOR 6, 16, 3 4 - 3 6 , 39, 52 f . , 6 1 KRATES 5 K Y N I K E R 1 5 , 58, 83 f., 1 2 2 ,

224

K Y R E N A I K E R 165, 190, 193, 203 K Y Z I K E N E R 166 f.,

169

IIO

DIOGENES LAERTIOS 48, 78, 306 D I O G E N E S V. O I N O A N D A 6 3 , 6 5 D I O K L E S V. K N I D O S 5 5 D I O N Y S I O S V. A L E X A N D R I A

314

L E U K I P P 260 f., 270, 276 f., 281, LUKREZ

242,

286,

321 f., 324 f.,

293 328,

337 MEGARIKER 9, 1 5 , 5 8 - 6 0 , 7 5 f . , 1 9 2 f . ,

EKPHANTOS 186, 308 E L E A T E N 19, 58, 60, 190, 2 1 8 , 222, 232,

246, 260, 276, 330 EMPEDOKLES

301

MENODOT

77

METRODOR v . CHIOS 1 0 5 f.

EPICHARM 72 EUBULIDES 15, 59,

200, 232, 314 MELISSOS 270, 339

METRODOR V. STRATONIKEIA 55 314

EUDOROS 8 8 - 9 1 , 1 7 4

MNASEAS

56

MUTAKALLIMUN 256, 282

Namensverzeichnis

396

S O K R A T E S 6, 9, 1 4 f . , 1 7 , 3 1 , 4 4 ,

NAUSIPHANES V. T . 2 0 1 , 203 NIKOSTRATOS 89 f. N U M E N I O S 9, 5 5 , 7 4 , 1 2 5

54,

57 f.

ORIGENES 3 1 1 PAMPHILOS 3 1 7 PANAITIOS Ι, 9 PERDIKKAS 73 PERIPATETIKER, PERIPATOS Ι , 6 - 8 , 1 1 - 1 3 , 3 2 , 5 7 , 6 4 , 82, 84, 90, 9 1 f . ,

93-95. I0 7> 110-112, 114-116. 130. 1 3 1 f., 1 9 0 , 3 1 0 , 3 3 6 , 3 5 1 PHILIPP V. Ο . 1 1 7 , 1 2 6 PHILODEM 138, 1 8 1 , 2 1 6 PHILOMELOS 5 6 PHILON A L . 1 2 5 , 3 0 6 P H I L O N V. L . 5 , 1 0 6 P L A T O N 6, 1 6 , 1 9 , 28, 30, 3 2 , 3 5 , 4 4 , 4 7 , 5 2 f., 7 2 , 1 5 4 , 1 8 1 , 1 8 4 , 2 1 3 , 289, 2 9 1 , 2 9 6 - 3 0 0 , 3 0 2 - 3 0 5 , 308, 3 1 3 , 3 1 7 f . , 3 2 7 f . , 330, 3 3 6 , 3 3 9 , 3 4 0 , 3 4 6 ,

354. 356. 358. 360-362 PLOTIN 2 1 3

S O K R A T I K E R 8, 1 7 , 83, 1 0 7 , 1 3 1 SOKRATIDES I I SOPHISTEN 1 4 f . , 83, 1 0 7 S 0 T 1 0 N 88 S P E U S I P P 1 3 , 1 7 - 2 0 , 24, 30, 3 6 , 4 0 , 69, 7 3 , 9 1 , 1 1 5 , 1 2 3 f., 1 6 0 , 1 6 6 , Ι 8 Ι , 192, 1 9 4 f., 1 9 9 f., 202, 204-208, 2 1 1 - 2 1 4 , 2 1 6 , 260, 2 9 1 , 2 9 9 , 3 0 3 f . , 318, 328, 343, 3 5 1 , 358, 360 SPHAIROS 2 8 6 STILPON 7 2 - 7 4 S T R A T O N v . L . 7 , I i f . , 56, 1 3 0 , 3 5 1 THEMISTIOS 1 6 0 , 3 3 3 f . THEOPHRAST 6 f., 1 1 - 1 3 , 36, 74, 1 1 0 , 1 1 5 , 1 2 0 , 1 3 0 , 1 5 7 , 3 1 8 f., 328, 333 f.,

33 6 · 350 f., 362 THUKYDIDES 14 TLMON V. P H L E I U S 5 , 5 6 VORSOKRATIKER 109 f., I I I , 1 3 1 , 259, 260, 288

PLUTARCH 43, 3 1 3 , 3 1 9 , 3 5 1 POLEMON 3 3 - 3 6 , 3 9 , 5 7 , 7 4 , 1 1 5 , 2 0 1 , 210, 230 POLYAINOS 167, 3 1 5 PORPHYRIOS 2 1 2 , 303, 339 PROKLOS 3 1 5

X E N O K R A T E S I I , 2 1 , 29, 3 3 - 3 7 , 3 9 f . , 4 2 , 5 3 , 8 2 f., 8 7 , 9 0 , 9 2 f., 1 1 3 , 1 1 5 f., 1 2 1 f., 1 2 4 , 1 2 6 , 1 6 0 , 1 6 2 f., 1 7 2 , 1 7 5 f., 1 8 3 , 1 9 5 , 2 2 9 , 2 6 5 f., 2 7 0 , 2 8 8 ,

PROTAGORAS 14, 15, 58, 105, 2 7 5 PTOLEMAIOS CHENNOS 3 3 6 PYRRHON, PYRRHONEER 5 f., 8 f., 54, 5 7 , 7 8 , 80 f., 8 3 , 1 0 4 , 1 0 6 , 1 0 7 PYTHAGORAS, PYTHAGOREER 1 1 3 , 1 1 4 , 1 1 9 - 1 2 1 , 1 7 3 f . , 2 5 9 , 2 6 0 , 300, 3 0 2 PYTHOKLES 167

341. 343. 345-351. 355 f·. 359-362

SIMPLIKIOS 2 7 5 f . , 326, 352, 358

280 f.,

284,

293,

299 f·. 3°3-3°5. 307. 310. 313-315. 3 1 7 - 3 2 0 , 322 f., 325 f. 3 3 3 - 3 3 7 . 3 3 9 XENOPHANES 169, 184 ZENODOROS 2 7 4 ZENON V. E L E A 14, 5 9 f., 75, 239, 258, 2 6 0 , 2 6 2 f., 2 9 4 f., 2 9 7 , 3 1 0 f., 3 2 2 ,

337- 339. 348 Z E N O N V. K I T I O N 3 6 , 5 7 , H I , 1 1 3 , 1 1 4 , 115, 221 Z E N O N V . SIDON 3 1 5 , 3 1 9