Phonotaktisch gesteuerte Konsonantenveränderungen in der Geschichte des Englischen 9783111353876, 9783484302723

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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Phonotaktisch gesteuerte Konsonantenveränderungen in der Geschichte des Englischen
 9783111353876, 9783484302723

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Kapitel I: Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Die Geschichte des englischen /h/
A Das /h/ als universell schwacher und schwächungsanfälliger Sprachlaut
B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte
Erste Stufe
Zweite Stufe
Dritte Stufe
Vierte Stufe
Fünfte Stufe
Sechste Stufe
Siebte Stufe
Achte Stufe
C. Zusammenfassung
Kapitel II: Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Parallelentwicklungen bei den übrigen stimmlosen Frikativen des Germanischen in der Geschichte des Englischen
A Universelle Eigenschaften der Frikative
B. Erste Anzeichen paralleler Schwächungs-, Schwund- und Ersetzungsprozesse im Altenglischen
C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte
Erste Stufe
Zweite Stufe
Dritte Stufe
Vierte Stufe
Fünfte Stufe
Sechste Stufe
Siebte Stufe
Achte Stufe
Zusammenfassung
D. Der labiodentale Frikativ
Erste Stufe
Zweite Stufe
Dritte Stufe
Zusammenfassung
E. Der alveolare Frikativ
Erste Stufe
Zweite Stufe
F. Zusammenfassung
Kapitel III. Veränderungen in der Coda akzentuierter Silben
A Die schwache Coda als universell präferierte Struktur
1. Sprachtypologische Manifestationen in phonotaktischen Distributionsregeln
2. Manifestationen im Spracherwerb
3. Manifestationen in der Realisationsphonologie
4. Manifestationen im Sprachwandel
B. Codaschwächungsprozesse in akzentuierten Silben in der Geschichte des Englischen
1. Einleitende Erläuterungen
2. Die Aufgabe schwacher Codakonsonanten
a. Die Halbvokale
b. Coda-/h/
c. Coda-/r/
d. Coda-/l/
e. Die Codaschwächung inhärent schwacher Konsonanten im Überblick
3. Die voraltenglische Brechung
4. Anzeichen partieller Schwächung bei den inhärent stärkeren Konsonanten
a. Die Dehnung von me. /a/ vor den Fortisfrikativen /f, ?, s/
b. Die Dehnung der Kurzvokale vor Lenisfrikatlven und -plosiven
c. Die Glottalisierung der Fortisplosive
d. Die Nasale: Ein Sonderfall?
5. Zusammenfassung
Kapitel IV: Veränderungen im Kopf akzentuierter Silben
A Universelle Strukturpräferenzen für den Kopf akzentuierter Silben
1. C- als universell präferierte Kopfstruktur
2. Strukturpräferenzen für Anlautgruppen
3. Mögliche Veränderungen der Kopfstruktur
B. Kopfstrukturveränderungen im Englischen und in den übrigen germanischen Sprachen
1. Die wichtigsten Typen der Kopfstrukturveränderung im Englischen
2. Die Beseitigung von Anlautgruppen mit ungünstigem Stärkeverhältnis im Englischen
a. Die /h/-Anlautgruppen
b. Die /w/-Anlautgruppen
c. Die Anlautgruppen mit /n/ als Zweitglied
d. Zusammenfassung und Folgerungen
3. Die Beseitigung von Anlautgruppen mit ungünstigem Stärkeverhältnis in den anderen germanischen Sprachen
a. Die Entwicklungen in den nordgermanischen Sprachen
b. Die Entwicklungen in den westgermanischen Sprachen
c. Zusammenfassung
Schlußbemerkungen
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
B. Parallelen bei Vokalveränderungen in der Geschichte des Englischen
1. Die Reduktion der Vokale in unakzentulerten Silben
2. Die mittelenglische Dehnung in offener Tonsilbe
3. Der Great Vowel Shift
C. Mutmaßungen
Literatur

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Linguistische Arbeiten

272

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese

Angelika Latz

Phonotaktisch gesteuerte Konsonantenveränderungen in der Geschichte des Englischen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1991

ClP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Lutz, Angelika : Phonotaktisch gesteuerte Konsonantenveränderungen in der Geschichte des Englischen / Angelika Lutz. - Tübingen : Niemeyer, 1991 (Linguistische Arbeiten ; 272) Zugl.: München, Univ., Habil.-Schr., 1989 NE:GT ISBN 3-484-30272-0

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1991 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihen-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Heinr. Koch, Tübingen

Inhalt Seite

Vorwort

Einleitung

ix

i

Kapitel I: Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Die Geschichte des englischen /h/ A. Das /h/ als universell schwacher und schwächungsanfälliger Sprachlaut B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte Erste Stufe Zweite Stufe Dritte Stufe Vierte Stufe Fünfte Stufe Sechste Stufe Siebte Stufe Achte Stufe C. Zusammenfassung

19 21 23 25 29 37 39 45 57 59 67

Kapitel II: Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Parallelentwicklungen bei den übrigen stimmlosen Frikativen des Germanischen in der Geschichte des Englischen A. Universelle Eigenschaften der Frlkatlve B. Erste Anzeichen paralleler Schwächungs-, Schwund- und Ersetzungsprozesse Im Altenglischen C. Der dentale Frlkativ in der englischen Sprachgeschichte Erste Stufe Zweite Stufe Dritte Stufe Vierte Stufe Fünfte Stufe Sechste Stufe Siebte Stufe Achte Stufe Zusammenfassung D. Der labiodentale Frikativ Erste Stufe Zweite Stufe

75 78 80 80 94 116 119 120 124 125 125 126 128 129 136

vi Dritte Stufe Zusammenfassung E. Der alveolare Frikativ Erste Stufe Zweite Stufe F. Zusammenfassung

139 141 141 14 1 142 146

Kapitel I I I . Veränderungen i n der Coda akzentuierter Silben A Die schwache Coda als universell präferierte Struktur 1 . Sprachtypologische Manifestationen in phonotaktlschen Distributionsregeln 2. Manifestationen im Spracherwerb 3. Manifestationen in der Realisationsphonologie 4. Manifestationen im Sprachwandel B. Codaschwächungsprozesse in akzentuierten Silben in der Geschichte des Englischen 1. Einleitende Erläuterungen 2. Die Aufgabe schwacher Codakonsonanten a. Die Halbvokale b. Coda-/h/ c. Coda-/r/ d. Coda-Xl/ e. Die Codaschwächung inhärent schwacher Konsonanten Im Überblick 3. Die voraltenglische Brechung 4. Anzeichen partieller Schwächung bei den inhärent stärkeren Konsonanten a. Die Dehnung von me. /a/ vor den Fortisfrikatlven /f, , s/ b. Die Dehnung der Kurzvokale vor Lenisfrikativen und -plosiven c. DieGlottalisierungder Fortisplosive d. Die Nasale: Ein Sonderfall? 5. Zusammenfassung

149 149 150 150 151 151 151 153 154 157 159 166 172 173 179 179 182 182 185 192

K a p i t e l IV: Veränderungen im Kopf akzentuierter Silben A. Universelle Strukturpräferenzen für den Kopf akzentuierter Silben 1. C-als universell präferierte Kopfstruktur 2. Strukturpräferenzen für Anlautgruppen 3. Mögliche Veränderungen der Kopf Struktur B. Kopfstrukturveränderungen im Englischen und in den übrigen germanischen Sprachen 1. Die wichtigsten Typen der Kopf strukturveränderung im Englischen 2. Die Beseitigung von Anlautgruppen mit ungünstigem Stärkeverhältnis im Englischen a. Die /h/-Anlautgruppen

195 195 196 2 16 223 223 225 226

vu b. Die /w/-Anlautgruppen c. Die Anlautgruppen mit /n/ als Zweltglled d. Zusammenfassung und Folgerungen 3. Die Beseitigung von Anlautgruppen mit ungünstigem Stärkeverhältnis in den anderen germanischen Sprachen a. Die Entwicklungen in den nordgermanischen Sprachen b. Die Entwicklungen 1n den westgermanischen Sprachen c. Zusammenfassung

228 234 244 257 258 263 272

Schlußbemerkungen A. Zusammenfassung der Ergebnisse B. Parallelen bei Vokalveränderungen in der Geschichte des Englischen 1 . Die Reduktion der Vokale In unakzentulerten Silben 2. Die mittelenglische Dehnung in offener Tonsilbe 3. Der Great Vowel Shift C. Mutmaßungen

Literatur

277 282 282 284 285 286

289

Vlll

"Wir haben keine Ursache, stolz zu sein auf den 'wahrhaft historischen Aufbau' unserer Darstellung der Lautlehre. Über die Zusammenhänge der Erscheinungen wissen wir sehr wenig. Solange wir die Grundfrage, warum die Laute sich verändern, nicht beantworten können, 1st das, was wir Lautgeschichte nennen, Stückwerk. Die sprachgeographische Forschung hat manchen Lautwandel durch Beeinflussung von außen her erklären können. Aber neben diesem externen Lautwandel gibt es unbedingt einen internen. Und den zu erklären, das 1st ein Grundproblem der Sprachwissenschaft. Die geschichtliche Lautlehre stellt fest, daß zu gewissen Zelten die Sprache sich schnell und stark verändert. Die Frage nach dem Warum 1st in der sprachwissenschaftlichen Literatur selten gestellt worden. Wir können sie erst beantworten, wenn wir klarer sehen In der Frage nach dem Warum der Lautveränderung. Es wäre von Wichtigkeit, für verschiedene Sprachen die Zeiten der großen Lautveränderungen und Ihre Linie festzustellen. Wir werden hoffen dürften, daß uns auch hier eine neue Art von 'vergleichender Sprachwissenschaft 1 welter hilft." (Hörn 1924: 552)

ix

Vorwort Dieses Buch ist die überarbeitete und erweiterte Fassung einer Arbeit, die im Herbst 1989 von der Philosophischen Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft l der Universität München als H a b i l i t a t i o n s l e i stung angenommen wurde. Den Gutachtern - Prof. H e l m u t Gneuss, Prof. E l m a r Seebold und Prof. Klaus Strunk - danke ich für die w e r t v o l l e n Hinweise; insbesondere haben mich die Ausführungen von Prof. Seebold an mehreren Stellen zu Präzisierungen und Vereinheitlichungen veranlaßt. Den Herausgebern der Linguistischen Arbeiten, n a m e n t l i c h Prof. Hans Altmann, danke ich für die Aufnahme der überarbeiteten Fassung in die Reihe. Ausdrücklich danken möchte ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die diese Arbeit mit einem z w e i j ä h r i g e n Habilitationsstipendium (von Mai 1986 bis April 1988) ermöglicht hat. Schließlich danke ich Theo Vennemann für seine eingehende Kommentierung der Arbeit nach bestandener Prüfung; er hat auch als Berater in Macintosh-Dingen und durch die in all den Jahren wiederholte Frage, ob ich denn "heute" f e r t i g würde, nicht wenig dazu beigetragen, daß ich diese Arbeit heute abschließen kann. Ried, 21. 6. 1991

Angelika Lutz

Einleitung Joseph Greenberg f ü h r t in der E i n l e i t u n g zum Phonologie-Band der Universals of Human Language die E r f o l g e der phonologischen Forschung des 20. Jahrhunderts großenteils auf "a narrowing of basic focus to what might be called the phonological system in its most restricted sense, the synchronic structure of the segmental inventory of languages" zurück und nennt drei Hauptrichtungen "in w h i c h to look for a broadened basis for phonological generalization": ( 1 ) "the diachronic or ... processual dimension of phonological systems", (2) "the syntagmatic plane of sound sequencing", und (3) "the relation between phonology and the g r a m m a t i c a l and semantic aspects of language" (Greenberg 1978b: 2). Die vorliegende Arbeit zu phonotaktisch gesteuerten Konsonantenveränderungen in der Geschichte des Engl. berührt diese drei von Greenberg als vernachlässigt charakterisierten Bereiche der phonologischen Forschung, und zwar Lautwandel und Phonotaktik in der gesamten Anlage dieser Arbeit, die Beziehungen zwischen Phonologie, Grammatik und Semantik dagegen eher z u f ä l l i g , als Konsequenz der f ü r diese A r b e i t e n t w i c k e l t e n Elemente einer Theorie phonotaktisch gesteuerter Lautveränderungen. Der folgende Forschungsbericht, der zum Gegenstand meiner Arbeit h i n f ü h r e n soll, ist in zweifacher Weise sehr selektiv. Zum einen befaßt er sich nur mit den ersteren zwei, f ü r die Grundlegung der Arbeit konstitutiven Bereichen, der Phonotaktik und dem Lautwandel, zum anderen behandelt er diese beiden Bereiche keineswegs systematisch und umfassend. Eine umfassende Darstellung der bisherigen Forschung ist aus mehreren Gründen als H i n f ü h r u n g zu meiner eigenen Arbeit wenig sinnvoll, so weil es in der Phonotaktik wie auch in der Sprachwandelsforschung dieses Jahrhunderts keine auch nur annähernd k o n t i n u i e r l i c h e Forschungsentwicklung gegeben hat, w e i l zudem in der Sprachwandelsforschung die Phonotaktik vergleichsweise wenig Beachtung gefunden hat (wie auch umgekehrt Lautwandel in Arbeiten zur Phonotaktik) und s c h l i e ß l i c h auch w e i l meine Arbeit an mehrere, recht verschiedene Forschungslinien anknüpft. Ich werde mich daher darauf beschränken, diese verschiedenen L i n i e n insoweit zu skizzieren, als es f ü r die Herausarbeitung der Forschungstraditionen, an die meine Arbeit anknüpft, und für die Darlegung der daraus abgeleiteten theoretischen Grundlagen

2

Einleitung

für meine zusammenhängende Beschreibung und E r k l ä r u n g bestimmter Konsonantenveränderungen in der Geschichte des Engl. erforderlich ist. Der Begriff 'Phonotaktik 1 wurde von der strukturalistischen Sprachwissenschaft geprägt, 1 und im Rahmen der s t r u k t u r a l i s t i s c h e n L i n guistik sind auch die ersten systematischen Beschreibungen der Distribution von Sprachlauten in verschiedenen Einzelsprachen erstellt worden. Derartige Beschreibungen der S p r a c h l a u t d i s t r i b u t i o n bieten für das Engl. Trnka 1935 (1966), Malone 1936, Trager - Smith 1951: 29-38, H i l l 1958: Kap. 6 und Yasui 1958, 1962.2 Diese Studien bemühen sich insbesondere um eine Bestandsaufnahme der im heutigen Engl. vorkommenden Konsonantengruppen ( u n t e r t e i l t in prävokalische, i n t e r v o k a l i sche und postvokalische) und stellen Überlegungen zum Status von selten oder nur in Lehnwörtern auftretenden Konsonantengruppen im phonotaktischen Inventar des Engl. an. W i r k l i c h e Einsichten in die phonotaktische Strukturierung des Engl. vermitteln diese Untersuchungen jedoch kaum, und zwar vor allem aus den folgenden Gründen: 1. Bei der Anordnung von Konsonantengruppen in Listen werden die phonetischen Eigenschaften der e i n z e l n e n Phoneme dieser Gruppen n i c h t hinreichend berücksichtigt. So ordnet Trnka (1936 [1982]: 43-55) in seiner Übersicht über die Konsonantengruppen des Ne. und ihre ae. und me. Vorläufer die meisten Wortanlautgruppen aus zwei Konsonanten ohne Begründung nach dem Z w e i t g l i e d sowie nach der A r t i k u l a t i o n s stelle des anlautenden Konsonanten, mit /s/ anlautende Gruppen nach der A r t i k u l a t i o n s s t e l l e und -art des Zweit- (und Dritt-)g1ieds; aus seiner Darstellung geht z.B. nicht hervor, wodurch sich d i e j e n i g e n engl. Konsonanten, die typischerweise als Erstglieder von A n l a u t gruppen vorkommen, von denjenigen unterscheiden, die vorwiegend als Zweit- oder D r i t t g l i e d e r f u n g i e r e n , und welche K o m b i n a t i o n e n solcher typischen Erst- und Z w e i t g l i e d e r im Engl. nicht auftreten. Seine D a r s t e l l u n g vermittelt somit insgesamt nicht den E i n d r u c k eines strukturierten Systems. 3

1

Nach H i l l 1958: 68 Anm. wurde der Begriff von Robert P. Stockwell im Jahre 1954 geprägt. 2 Für entsprechende Studien anderer Sprachen vgl. unten Kap. IV. A. 2. 3 Diese Feststellung t r i f f t auch auf die Darstellung von halone (1936) zu, der die engl. Anlautgruppen nach Artikulationsart und -stelle der Anlautkonsonanten (In der Reihenfolge velare, alveolare, labiale Plosive, Nasale, Frikative) sortiert.

Einleitung

Die Bestandsaufnahme engl. Konsonantengruppen gründet sich in den obengenannten Beschreibungen auf die Annahme einer phonotaktischen Organisation der Phoneme in höhere nichtphonologische Einheiten, n ä m l i c h in Morpheme (teilweise auch in Wörter), nicht in höhere phonologische E i n h e i t e n , d.h. in Silben, 4 Phrasen und Äußerungen. Bei der U n t e r s u c h u n g einer f l e x i o n s a r m e n Sprache mit einem hohen A n t e i l e i n s i l b i g e r Wörter wie dem heutigen Engl. erhält man auf diese Weise zwar t e i l w e i s e korrekte Resultate ( n ä m l i c h wenn sich Silben-, Morphem- und Wortgrenzen decken), daneben aber auch viele falsche. Denn ohne die Annahme einer syllabischen Strukturierung lassen sich echte, d.h. tautosyllabische Konsonantengruppen wie etwa /p!-'/ und /-1p/ in engl. plum und he 1p n i c h t von heterosyllab i s c h e n K o n s o n a n t e n s e q u e n z e n 5 wie /-1p-/ in helping /'hel.piQ/, 6 /-mpl-/ in imply / i m . ' p l a i / oder / - m p l / wie in simple / ' s i m . p l / mit n u k l e a r e m /!/ in der zweiten Silbe unterscheiden. 7 F o l g l i c h wird bei einer solchen Analyse auch nicht verständlich, warum etwa anlautende Gruppen wie */lp-/ oder i n l a u t e n d e Sequenzen wie */-pml-/ im Engl. wie auch in den meisten anderen Sprachen nicht auftreten. Kurz, die der phonotaktischen Strukturierung von Sprachlautsequenzen in Silben z u g r u n d e l i e g e n d e n A r t i k u l a t i o n s p r i n z i p i e n und ihre besondere Ausprägung in der S i l b e n s t r u k t u r des h e u t i g e n Engl. werden in einer derartigen Analyse nicht sichtbar. Daruberhinaus ermöglicht eine auf das Wort oder gar Morphem begrenzte phonotaktische Analyse keine Einsicht in die Gründe für phonotaktisch 4 Der Silbenbegriff war bis In die späten siebziger Jahre dieses Jahrhunderts äußerst umstritten; wohl kein andereres sprachwissenschaftliches Konzept wurde so viel diskutiert und In der linguistischen Beschreibung so wenig verwendet. Mit der Definition der Silbe befassen sich u.a. Meyer 1 9 /99, de Groot 1926, Hjelmslev 1939, Bergsvelnsson 1941: Kap. I l l , v. Essen 1951, o1 Connor - Trim 1953, Durand 1954, Haugen 1956, Häla 1960, 1961, Fry 1964 und Krämsky 1971, mit der Frage seiner sprachwissenschaftlichen Bedeutung Anderson 1966, Kohler 1966, 1970, Lebrun 1966, Bondarko 1969, Fudge 1969, Pilch 1979, Sullivan 1979 und Awedyk 1980. Gute Überblicke über die Forschungsgeschichte geben Lazlczius 1961: 156-193, Kloster-Jensen 1963, Tillmann 1964 und F1scher-J0rgensen 1975. Arbeiten zur Phonotaktfk, die die Silbe zugrundelegen (siehe Insbesondere Flscher-Jergensen 1952 und Pulgram 1970), bildeten in den fünfziger bis siebziger Jahren die Ausnahme; vgl. dazu Flscher-Jergensen 1975, insbes. Kap. 12: "Contributions from outside the schools". 5 Differenzierung nach Pulgram 1970: 78-80. 6 Für die Markierung von Silbengrenzen verwende Ich Punkte, bei Bezugnahme auf ganze Lautklassen dagegen das Dollarzeichen (z.B. CVC$CV)j vgl. Vennemann 1988: 7 Anm. 19. 7 Zu den besonderen Problemen, die bei der Beschreibung syllablscher Konsonanten In diesem Rahmen entstehen, vgl. Jones 1959 und Wells 1965.

4

Einleitung

bedingte Form-Alternanzen, die auf die syllabische Strukturierung von Phrasen z u r ü c k z u f ü h r e n sind, wie etwa bei there / ( )/ in there was / . 'WDZ/ vs. there is / .' / oder beim unbestimm ten A r t i k e l a(n) in a young man / a . j A Q . m a e n / vs. an old man /a.neuld.maen/. 3. A l l e diese Beschreibungen der phonotaktischen Struktur des Engl. gehen grundsätzlich von der Annahme invariabler segmentaler E i n heiten (Phoneme) aus, die als solche durch den Kontrast zu anderen Phonemen des Lautsystems als bedeutungsunterscheidende l a u t l i c h e Einheiten oder aber auch als Bündel artikulatorischer oder akustischer M e r k m a l e d e f i n i e r t sind. Die physiologischen Gegebenheiten der Sprachlautproduktion und ihre Konsequenzen für die phonotaktische Strukturierung treten bei einer derartig systemisch orientierten Betrachtung der Sprachlaute zu sehr in den Hintergrund; auch die positionsbedingte a l l o p h o n i s c h e V a r i a t i o n von Phonemen, wie sie durch die u n m i t t e l b a r e l a u t l i c h e Umgebung oder durch die Stellung der Phoneme in Silben und Phrasen bedingt ist, b l e i b t in diesen Darstellungen außer Betracht. Das hat zur Folge, daß phonotaktische Distributionsbeschränkungen wie z.B. die für StE. /r/, die der oben erwähnten Formalternanz f ü r engl. there in there was / . 'WDZ/ vs. there is / .' / zugrundeliegen, nicht adäquat beschrieben werden können und daß darüberhinaus auch unverständlich bleibt, warum es im Engl. z.B. keine vergleichbar a u f f ä l l i g e Formalternanz für that in that was/that is gibt, aber doch eine akzent- und silbenpositionsbedingte allophonische Variation von /t/ z.B. zwischen it is! mit starker Muskelspannung und starker Aspiration des Plosivs im akzentuierten S i l b e n a n l a u t , it is wonderful! mit schwacher Muskelspannung und schwacher Aspiration des /t/ im satzunakzentuierten Anlaut und is it ? m i t ungespanntem und unaspiriertem Plosiv in der u n a k z e n t u i e r t e n Coda. 8 Dieser weitgehende Verzicht auf die phonetische Charakterisierung von Sprachlauten und ihren Positionsv a r i a n t e n und auf die Berücksichtigung höherer phonologischer Einheiten ist für die Beschreibung und noch mehr für die Erklärung phonotaktisch bedingter Sprachvariation und -Veränderung besonders verhängnisvoll, w e i l die in der allophonischen L a u t v a r i a t i o n angelegten Tendenzen des Lautwandels unberücksichtigt bleiben. 8

Für die Benennung von Sllbentellen beziehe Ich mich auf die Terminologie In Vennemann 19 8: 5 f.

Einleitung

5

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die genannten Studien vor allem deshalb keine wirklichen Einsichten in die phonotaktische Struktur des Engl. vermitteln, weil sie von der Annahme einer rein segment a l - l i n e a r e n phonologischen Struktur ausgehen, d.h. einer Sequenz von invariablen segmentalen Phonemen (Sprachlauten) und suprasegmentalen Phonemen (stress, tone, juncture), deren 'emischer 1 Status sich aus dem m i n i m a l e n Kontrast zu anderen Sequenzen durch Unterscheidung in nur einem Phonem ergibt. Eine d e u t l i c h verbesserte Analyse der ne. Phonotaktik bezüglich der phonetischen Klassifizierung der Phoneme in Konsonantengruppen bieten zwei Studien, die sich auf die Jakobsonsche distinctive-feature-lheor i e mit ihren e i n h e i t l i c h e n , vorwiegend akustischen Beschreibungskriterien für Vokale und Konsonanten gründen (Jones 1956, Hultzen 1965; eine derartig phonetisch begründete Phonotaktik hatte zuvor bereits Vogt [1954] gefordert). Diese A r b e i t e n beschränken sich bewußt auf w o r t a n l a u t e n d e und w o r t a u s l a u t e n d e Konsonantengruppen, k l a m m e r n also die Frage der genauen syllabischen Strukturierung mehrsilbiger Wörter und ganzer Phrasen aus; vgl. Jones 1956: 245: "This technique e l i m i n a t e s the necessity of d e f i n i n g the syllable, or of b r i n g i n g into play any morphological or junctural criteria." Sie setzen sich "the discovery of a general patterning process in the distribution of consonants in clusters" (ibid.) zum Ziel, wie etwa die Feststellungen, daß "Clusters of more than two members must be such that each successive pair of consonants in the cluster must form a tolerable two-member cluster" (ibid., 249) und "that the more vowel-like consonants are nearer the vowel than are the less vowel-like" (Hultzen 1965: 17).9 Eine erste (und einzige) Anwendung der distinctive-feature-Theorie auf einen Teilbereich der engl. historischen Phonotaktik, n ä m l i c h auf die Veränderungen der Wortanlautgruppen vom Ae. zum Ne., bietet Fisiak 1968b. Diese Studie, die der Autor als "part of a larger study" mit dem Ziel bezeichnete, "to present the development of prevocalic consonant clusters from Old English to Modern English in terms of distinctive features" (4), enthält jedoch wenig mehr als eine konventionelle A u f l i stung der Wortanlautgruppen des Ae., Me. und Ne., Hinweise auf Bestandserweiterungen durch Entlehnung und eine distinctive-featureAnalyse der an Anlautgruppen beteiligten Konsonanten. Nicht ersichtlich wird aus dieser Darstellung jedoch z.B., was den im Laufe der engl. Die oben unter Punkt 2 skizzierten sllbenposltlonsbedlngten Formalternanzen lassen sich auf diese Welse allerdings nicht beschreiben und erklären.

6

Einleitung

Sprachgeschichte geschwundenen Anlautgruppen einerseits und den nicht durch Entlehnung neu entstandenen Gruppen andererseits jeweils gemeinsam ist und welche generelle Umstrukturierung englischer Anlautgruppen diesen Veränderungen zugrundeliegen könnte. Damit ist, in der K r i t i k der wichtigsten strukturalistischen Arbeiten zur Phonotaktik des Engl., bereits in Ansätzen d e u t l i c h geworden, welche Eigenschaften eine phonotaktische Theorie besitzen muß, die einer zusammenhängenden Beschreibung und Erklärung phonotaktisch gesteuerter Konsonantenveränderungen zugrundegelegtwerden kann: a) sie muß die phonetischen Eigenschaften der Sprachlaute berücksichtigen; b) sie muß der positionsbedingten Sprachlautvarianz Rechnung tragen; c) sie muß für die phonologische Struktur der Sprache eine hierarchische G l i e d e r u n g in S p r a c h l a u t e , Silben, Phrasen und s c h l i e ß l i c h Äußerungen vorsehen; d) sie muß die auf diese Einheiten wirkenden suprasegmentalen Gliederungselemente Wortakzent und Satzintonation berücksichtigen. Insgesamt gesehen muß sich eine phonotaktische Theorie, die sich eine Zusammenhänge aufdeckende Beschreibung und E r k l ä r u n g von Veränderungen zum Ziel setzt und sich nicht mit der bloßen A u f l i s t u n g von Veränderungen begnügt, in sehr viel stärkerem Maße an der Phonetik orientieren, als dies die s t r u k t u r a l i s t i s c h e Phonotaktik getan hat. Von Phonetikern ist dies immer wieder gefordert worden. 1 0 Die Dichotomie Konsonant - Vokal ist f ü r die Beschreibung von Sprachlauten nur sehr begrenzt tauglich. In besonderem Maße g i l t dies f ü r die Beschreibung ihrer phonotaktischen Zusammenordnung zu höheren E i n h e i t e n , wie etwa engl. melt und m e t a / zeigen. Sie haben beide die Struktur CVCC und weisen die gleichen Phoneme auf, jedoch mit verschiedener R e i h e n f o l g e des dritten und vierten Sprachlauts, woraus sich die unterschiedliche Silbenzahl dieser beiden Wörter - /melt/ vs. / m e t l / 1 1 - ergibt. Lange vor der Trennung von Phonetik und Phonologie ^ Die ungenügende Berücksichtigung der phonetischen Forschung 1n der Phonologie - und zwar nicht nur in der strukturalistischen Phonologie - haben Phonetiker zu Recht Immer wieder kritisiert; vgl. etwa Lehlste 1970: vl, Llndblom 1972, 1980b, MacNellage 1972, Ladefoged 1977, 1980, Ohala 1979a, 1983. Zur Phonetik der Silbe siehe Malmberg 1955, 1965, Lehiste 1972, Fallows 1981 und Maddleson 1985. ' ' Gelenke, d.h. Konsonanten, die sowohl der ersten wie der zweiten von zwei aufeinander folgenden Silben angehören, werden In Anlehnung an Vennemann 1982: 272 mit einem Punkt über oder unter dem betreffenden konsonantenzelchen markiert, bei Bezugnahme

Einleitung

7

bemühten sich deshalb schon die Phonetiker des späten 19. Jahrhunderts n i c h t nur um eine m ö g l i c h s t präzise Beschreibung von E i n z e l l a u t e n , sondern g l e i c h z e i t i g auch um eine e i n h e i t l i c h e Charakterisierung a l l e r Sprachlaute unter Bezugnahme auf ein einziges phonetisches K r i t e r i u m , das zu e r k l ä r e n erlaubt, warum das IM in melt zusammen mit dem auslautenden /t/ zur Coda der Silbe gehört, in metal dagegen den Nukleus der zweiten Silbe bildet, d.h. warum es im ersteren Fall in einer für Konsonanten ü b l i c h e n Position steht, im letzteren dagegen in einer normalerweise von Vokalen eingenommenen Position, wohingegen das /e/ nur die Nukleusposition und /t/ nur eine S i l b e n r a n d p o s i t i o n einnehmen kann. E. Sievers (1876: § 22, 1901: §§ 179-184) und, im Anschluß an ihn, 0. Jespersen (1904: 185-203) w ä h l t e n d a f ü r das K r i t e r i u m der S c h a l l f ü l l e , mit dem sie a l l e Sprachlautklassen, von den s t i m m l o s e n Plosiven bis zu den offenen Vokalen, als nur graduell voneinander verschieden charakterisieren konnten. Eine entsprechende Grobgliederung nahm F. de Saussure (1916: 70-76) m i t h i l f e des K r i t e r i u m s des Ö f f nungsgrads vor.

Schallfülle Öffnungsgrad stl. Plosive sth. Plosive sth. Frikative Nasale Laterale r-Laute stl.Frikative

w

j

geschl. offene Vokale Vokale

Diese S p r a c h l a u t g r o b k l a s s i f i k a t i o n wurde von Sievers und Jespersen zur Beschreibung der Silbenstruktur verwendet; sie erlaubt eine einheitliche und einfache Charakterisierung von Silben wie fused /f ju:zd/ und shrink /JriQk/, die keinen Sprachlaut gemeinsam haben, als Strukturen mit von den Silbenrändern zum Nukleus hin k o n t i n u i e r l i c h zunehmender S c h a l l f ü l l e . In den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts k n ü p f t e n T. Vennemann (1972a) und J. Bybee Hooper (1972, 1976) an diese K l a s s i f i z i e r u n g an, verwendeten aber statt der S c h a l l f ü l l e das phonologische Kriterium der Konsonantischen Stärke, das sich auf verschiedene phonetische Kriterien beziehen läßt: 12 auf eine ganze Lautklasse entsprechend mit dem Dollarzeichen über dem Lautklassensymbol.

Einleitung

8 Schallfülle

Konsonantische Stärke

Öffnungsgrad

stl. Plosive sth. Plosive sth. Frikative Nasale Laterale r-Laute w stl. Frikative

j

geschl. offene Vokale Vokale

Vennemann, Hooper und später auch R. W, Murray verwendeten die Konsonantenstärke v o r w i e g e n d zur E r k l ä r u n g von L a u t e n t w i c k l u n g e n in verschiedenen idg. Sprachen als Silbenstrukturveränderungen, und zwar auf der Basis folgender Annahmen: 1 3 1. Jeder Sprachwandel ist lokale Sprachverbesserung. 2. S i l b e n s t r u k t u r v e r ä n d e r u n g e n sind Verbesserungen gegenüber den Ausgangsstrukturen, d.h. Annäherungen an u n i v e r s e l l p r ä f e r i e r t e Silbenstrukturen, insbesondere an die CV-Struktur. M 3. Von Verbesserungen sind immer zuerst besonders schlechte Strukturen betroffen (im V e r g l e i c h mit der präferierten Struktur), bessere erst später und teilweise auch nur in geringerem Maße, wenn überhaupt. Besonders a u g e n f ä l l i g w i r d dies an drei p a r a l l e l e n Veränderungen in den altgerm. Sprachen, die von Murray und Vennemann (1983) als Verbesserungen des S i l b e n k o n t a k t s erklärt werden. Die Ausgangsstruktur VC$cV weist ein großes S t ä r k e g e f ä l l e zwischen dem ersten, starken Konsonanten und dem zweiten, schwachen Konsonanten a u f , das der Präferenz für eine schwache Silbencoda und einen starken Silbenkopf (CV-Silbe) widerspricht; dieser ungünstige Silbenkontakt w i r d in den verschiedenen germ. E i n z e l d i a l e k t e n auf verschiedene Weisen beseitigt: a) in den westgerm. Dialekten durch die westgerm. Konsonantengemination: VC$cV > VC$C(c)V. Die G e m i n a t i o n f i n d e t d u r c h g ä n g i g statt, 12

Für eine ausführliche Darstellung dieser Forschungsentwicklung siehe Murray 19 : Kap. 2. ^ Besonders prägnant und umfassend sind diese Annahmen in Vennemann 1988: 1-4 dargelegt, vgl. aber auch bereits Hooper 1976: Kap. 13, Vennemann 1983 und Murray Vennemann 1983. 14 Zu den Manifestationen dieser universellen Präferenz für CV-S1lben in phonotaktfschen Distributlonsregeln, im Spracherwerb, in der Realisatlonsphonologle und Im Sprachwandel vgl. vor allem Malmberg 1965, Locke 1983 und Vennemann 1988; siehe dazu 1m einzelnen auch unten Kap. I I I . A. 1 und IV. A. 1, 2. Zum Begriff der linguistischen Präferenz vgl. Vennemann 1985 und 1988: 1-3.

Einleitung

9

wenn auf den ersten, stärkeren Konsonanten (mindestens /!/) der schwächste Konsonant, der Halbvokal / j / , f o l g t (vgl. ae. tellan < * tat.jan, aber nerian < *nar.jan), in geringerem U m f a n g auch vor dem stärkeren Halbvokal /w/ und in noch eingeschränkterem Maße auch vor /r/, dem schwächeren der beiden Liquiden; b) im Nordgerm, durch Verschiebung der Silbengrenze vor den starken ersten Konsonanten bei gleichzeitiger Dehnung des nun in offener Silbe stehenden akzentuierten Vokals: VC$cV > V$CcV. Diese R e s y l l a b i f i z i e r u n g t r i t t nur ein, wenn der erste Konsonant zu den vier stärksten der Konsonantenstärkeskala zählt (/p, t, k, s/) 15 und der zweite zu den drei schwächsten (/j, w, r/; vgl. isl. skö.pra, ve.kja, aber ep.11, ef.ja; c) im Ostgerm, durch F r i k a t i v i e r u n g der Halbvokale /j, w/ nach voraufgehenden stärkeren Konsonanten, d.h. durch Stärkung der zwei schwächsten Konsonanten. Die drei Veränderungen beseitigen also jeweils die ungünstigsten Silbenkontakte. Aus der f e i n e n Abstufung dieser Veränderungen nach der Stärkedifferenz zwischen den zwei Konsonanten, wie sie sich ganz besonders deutlich bei der westgerm. Gemination beobachten läßt, folgerten Murray und Vennemann (1983: 520), daß die Tendenz zur Veränderung derartiger Silbenkontakte umso stärker ist, je größer das Stärkeg e f ä l l e zwischen dem ersten und dem zweiten Konsonanten ist. Sie nahmen also f ü r konsonantische Silbenkontakte vom Typ VCSCV quasi eine Stufung in sehr gute, weniger gute, schlechte und sehr schlechte Kontakte an, die sich aus der Größe der Stärkedifferenz zwischen dem ersten und dem zweiten Konsonanten ergibt, und stellten fest, daß von den phonologischen Veränderungen, die zu einer Verbesserung solcher Silbenkontakte geführt haben, zuerst und in größtem Umfang die schlechtesten Kontakte betroffen werden, danach erst - wenn überhaupt - auch bessere. Diese Annahmen haben sich für die historische Phonologie als sehr f r u c h t b a r erwiesen, wie zahlreiche (hier nicht v o l l s t ä n d i g erfaßte) AufZur Stärke von /s/ - verglichen mit derjenigen der Fortlsplosive und der übrigen Fortlsfrlkatlve - siehe unten Kap. II. A. und IV. A. 2. Auf der Stärkeskala werden die Plosive und Frlkatlve Jeweils zusammengefaßt als Sprachlautklassen einem gemeinsamen Punkt zugeordnet, doch sind innerhalb einzelner Klassen durchaus Stärkeunterschiede festgestellt worden; vgl. Vennemann 1982: 28-4 für das Stdt. Für die engl. Frikatlve wird dies unten in Kap. l und II gezeigt.

10

Einleitung

sätze von Vennemann und Murray aus den letzten Jahren und insbesondere Vennemanns Preference Laws for Syllable Structur and the Explanation of Sound Change (1988) zeigen. 1 6 In a l l e n F ä l l e n werden jedoch nur ausgewählte Veränderungen erklärt oder zur I l l u s t r a t i o n eines b e s t i m m t e n P r ä f e r e n z g e s e t z e s in v e r s c h i e d e n e n Sprachen herangezogen. Umfassende, epochenübergreifende Studien einer Einzelsprache in diesem Rahmen, wie ich sie f ü r die Geschichte des Engl. in Lutz 1988a, b kurz skizziert habe, gibt es bisher nicht. 1 7 Am Begriff der Konsonantischen Stärke ist von den Phonetikern J. Ohala und H. Kawasaki, die sich um phonetische Erklärungen f ü r Lautveränderungen anhand e x p e r i m e n t e l l e r Untersuchen der Gegenwartssprache bemühen, K r i t i k geübt worden, weil er zu ungenau sei und weil kein phonetisches K o r r e l a t existiere, das auf a l l e Sprachlaute z u t r e f fe. 1 8 Diese K r i t i k i s t z w e i f e l l o s z u t r e f f e n d ; f ü r T e i l b e r e i c h e dieser Stärkeskala g i b t es aber durchaus genaue phonetische Korrelate zur abgestuften Konsonantizität von Sprachlauten, wie sie in der Konsonantenstärkeskala veranschaulicht wird. So ist etwa f ü r die engl. L i q u i d e n und Halbvokale von O'Connor e t a / . (1957) und Lehiste (1964) gezeigt worden, daß die F o r m a n t e n s t r u k t u r von /!/ am stärksten von der von Vokalen abweicht, die von /r/ weniger, die von /w/ wiederum weniger und die von /j/ am wenigsten. In der Regel sind a l l e r d i n g s mehrere phonetische (akustische wie a u d i t o r i s c h e ) Eigenschaften als Korrelate für d i e K o n s o n a n t e n s t ä r k e h e r a n z u z i e h e n , u n d zwar h ä u f i g nach Silben-, W o r t - u n d P h r a s e n p o s i t i o n v e r s c h i e d e n e . 1 9 N e u e r d i n g s b e m ü h t sich 16

Seit kurzem beziehen sich auch Studien im Rahmen der generativen Phonologie auf den Begriff der Silbe; vgl. etwa kahn I960, Klparsky 1981, Selkirk 19 2, Sterlade 1982, Hogg - McCully 1987 und Goldsmith 1990. 17 Eine k ü r z l i c h erschienene Arbeit zu Schwächungsprozessen in der span. Sprachgeschichte (Harris-Northall 1990), die sich mit Konsonantenschwächung in intervokalischer Position und im Silben- und Wortauslaut befaßt, bietet nicht die in der Einleitung angekündigte umfassende Darstellung der Veränderungen in diesen Bereichen. 18 Vgl. dazu insbesondere Kawasaki 1982: 37-50 und außerdem Ohala - Kawasaki 1984: 121 f. Der Begriff der Schallfülle ist für die moderne Phonetik jedoch durchaus von Bedeutung; vgl. Schublger 1977: 106-111. Mehr zur K r i t i k von Kawasaki und Ohala und zu gewissen Schwächen des Konzepts der Konsonantenstärke unten In Kap. IV. A. 2 zur Charakterisierung von Anlautgruppen, well bei komplexen Konsonantenstrukturen solche Schwächen besonders deutlich sichtbar werden. 19 So etwa für die Fortls- und Lenisplosfve. Im Wortanlaut die Stimmtoneinsatzzeit (voice-onset time; vgl. Lisker - Abramson 1964), Im Wortinneren die Verschlußdauer (Lisker 1957) und im Wortauslaut die Kürze des vorausgehenden Vokals (Denes 1955). Auch für andere phonologische Begriffe gelten zumeist solche komplexeren Korrelationen mit phonetischen Eigenschaften; vgl. Ladefoged 1972, 1977.

Einleitung

l1

aber die Phonetik vermehrt um die D e f i n i t i o n umfassenderer Merkmale - etwa das M e r k m a l p a a r f o r t i s : lenis f ü r Obstruenten (vgl. Kohler 1984), das sich einfach und direkt mit der phonologischen Konsonantenstärke dieser Sprachlautgruppen in Beziehung setzen läßt. In den Arbeiten von Vennemann, Hooper und Murray wird jedoch nicht hinreichend d e u t l i c h , daß der auf die Sprachlaute der Skala bezogene Konsonantenstärkebegriff einer Erweiterung bedarf, wenn Sprachlaute nicht nur als Segmente in i s o l i e r t e n Silben und Wörtern, sondern als L a u t r e a l i s a t i o n e n in der tatsächlichen Rede phonotaktisch charakterisiert und Veränderungen mit Bezug auf ihre Konsonantenstärke erklärt werden sollen. Neben der Inhärenten Stärke der Sprachlaute, die sich aus ihren a r t i k u l a t o r i s c h e n und akustischen Grundcharakteristika erg i b t , ist n ä m l i c h ihre p o s i t l o n e l l e S t ä r k e a b s t u f u n g , 2 0 die sich aus der Position des Sprachlauts in der Silbe, Phrase und Äußerung ergibt, in erheblich größerem Umfang als bisher zu berücksichtigen. In den genannten Arbeiten wird l e d i g l i c h die Positionen schwächere Ausprägung eines jeden Konsonanten in der Silbencoda relativ zu seiner Silbenkopfvariante angesprochen: 2 1 a) Position in der Silbe 1C] [c], Kopf Coda

Darüberhinaus zu berücksichtigen ist jedoch auch die Stärkeabstufung in Abhängigkeit von der Position eines Konsonanten 2 2 in der Phrase und 20

In Anlehnung an den von Kohler (1984: 156-159) verwendeten Begriff consonant gradation für positions- und sprechstllabhänglge Sprachlautvarlatlon; vgl. ebd. zur Bedeutung der Berücksichtigung von Sprachlautvarlatlon für die Erklärung von Sprachwandel. 21 Siehe zuletzt Vennemann 1988: 24-27. Die experimentelle Phonetik liefert für diese silbenpositlonsabhängige Stärkeabstufung im heutigen Engl. eindeutige Werte; vgl. dazu vor allem Coker - Umeda 1975, Umeda - Coker 1975 und Umeda 1977. Auch die jüngsten Arbeiten zur generativen Phonologie weisen auf die Schwäche der Sllbencoda hin, verstehen sie aber rein phonologisch, mit Bezug auf das in vielen Sprachen verglichen mit Kopfstrukturen eingeschränkte Codastruktureninventar; vgl. Goldsmith 1990: Kap. I I I . Eine Ausnahme bildet die Studie von Kahn 1980 (vgl. Insbesondere S. 27-33), die welter unten, In Kap. I l l , ausführlicher berücksichtigt wird. 22 Ich beschränke mich hier (Im Hinblick auf das Ziel meiner Arbeit) auf die Starkeabstufung von Konsonanten; sie gilt jedoch selbstverständlich auch für Vokale, wie etwa die Reduktion von Länge und Muskelspannung bei Vokalen (a) In unakzentulerten Silben und (b) In drittletzten Silben zeigt, die im Engl. sowohl In allophonlscher wie phonemlslerter Ausprägung festzustellen 1st; vgl. Lehiste 1970: 139-142, Umeda 1975 und Wleden

12

Einleitung

Äußerung, und zwar sowohl die im engeren Sinne phrasenpositionsabh ä n g i g e V a r i a t i o n ( i n i t i a l / f i n a l vs. m e d i a l ) 2 3 als auch die wort- und satzakzentabhängige Variation: 2 4 b) Position in der Phrase (im Wort) [C]

[c]

[C]

[c]

initial/final

medial

^Akzent

-Akzent

S c h l i e ß l i c h sind auch die verschiedensten assimilatorischen und dissim i l a t o r i s c h e n W i r k u n g e n bei der K o a r t i k u l a t i o n von Sprachlauten zu b e r ü c k s i c h t i g e n , die die Stärke eines Konsonanten b e e i n f l u s s e n können. 25 A l l e diese Faktoren wirken auf jeden einzelnen Konsonanten ein und bestimmen in ihrer Gesamtheit die Stärke eines Konsonanten in einer gegebenen phonotaktischen Position. So ist etwa die positionelle Stärke eines Konsonanten im Kopf einer akzentuierten Silbe in phraseninitialer P o s i t i o n groß, die des g l e i c h e n Konsonanten in der Coda einer unakzentuierten Silbe in phrasenmedialer Position dagegen r e l a t i v gering. Eine m i t t l e r e p o s i t i o n e l l e Stärke g i l t z.B. für einen Konsonanten in der Coda einer akzentuierten Silbe oder im Kopf einer unakzentuierten Silbe:

1981: 116-135. Siehe auch Fischer-J0rgensen 1964 zur Abhängigkeit der Vokallänge von der Artikulationsstelle der Nachbarkonsonanten. 23 Für experimentelle Untersuchungen solcher Stärkeabstufung im heutigen am. Engl. vgl. vor allem Malecot 1968. 24 Vgl. Fry 1955, 1958, Ladefoged 1958, 1962, Lindblom 1963, Lisker - Abramson 1967, Malecot 1968, Brown - McGlone 1974, Klatt 1974 (zur akzentabhängigen Dauer von [s]), Wleden 1981, Dauer 1983, Fischer-Jergensen 1983 (zur akzentabhängigen Sprachlautreduktion in kompositalen Zweitgliedern), Hoequist 1983 und Hubmayer Wieden 1988. W i c h t i g sind in diesem Zusammenhang auch die sprachvergleichenden Studien zur Abhängigkeit des Komplexitätsgrades akzentuierter Silben vom Vorhandensein und der Intensität des Druck-Akzents Im Engl., Dt., Frz. und Span, von Delattre und Olsen (Delattre 1965: Kap. I I , IV, 1966, Delattre - Olsen 1969, Olsen 1972); vgl. auch Puppel 1986. 25 Für experimentelle Studien zu diesem Bereich siehe etwa Daniloff - Hammarberg 1973, Ostreicher - Sharf 1976, Gay 1978, 1979, Ohala 1979a, 1983, Lindblom 1983, Ladefoged 1984 und Recasens 1985. Vgl. auch Labov 1981: 301-303.

Einleitung inhärent stark

/p/:

Inhärent schwach /w/:

[P

p

p]:

[w

w

w]:

Kopf/+Akzent

CodaX+Akzent KopfV-Akzent

Coda/-Akzent

Positionen stark

Positionen schwach

Sowohl die inhärente als auch die positionelle Stärke eines Konsonanten bestimmen sein Verhalten in der Sprachvariation und in der Sprachveränderung. Auf Phrasen und Äußerungen als Ganzes und damit auch auf jeden einzelnen Laut wirken s c h l i e ß l i c h noch sprechstilistische Faktoren wie Emphase und kolloquiale vs. sorgfältige Sprechweise ein, die die Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke und Stress-lntensität der Rede und damit auch des einzelnen Sprachlauts beeinflussen. 2 6 Z u s ä t z l i c h zur inhärenten Stärke und zur positionsbedingten Stärkeabstufung ist also auch noch die s p r e c h s t i l b e d l n g t e oder p r a g m a t i s c h e S t ä r k e a b s t u f u n g zu berücksichtigen. So ist die Stärke eines inhärent starken und posit i o n e l l begünstigten Konsonanten noch größer, wenn langsam, laut und mit besonderer Emphase gesprochen wird, geringer dagegen im kolloquialen Stil, der zumeist durch hohe Sprechgeschwindigkeit und reduzierten A r t i k u l a t i o n s a u f w a n d gekennzeichnet ist. A l l e Konsonantenstärkefaktoren - die inhärente Stärke wie die posit i o n e l l e und pragmatische Stärkeabstufung - machen zusammen die tatsächliche Stärke eines Sprachlauts aus. A l l e Faktoren müssen in einer Untersuchung phonotaktisch gesteuerter Konsonantenveränderungen berücksichtigt werden. Zuverlässig und durchgängig bestimmen lassen sich von den Stärkeabstufungsfaktoren allerdings, zumindest f ü r die f r ü h e r e n Sprachstufen des Engl., nur die p o s i t i o n e l l e n (Silben-, Phrasen- und Akzentposition). Für die frühne. und ne. Zeit besitzen wir aber darüberhinaus auch interessante sporadische Bemerkungen zur 26

Zur Wirkung dieser Faktoren auf Einzellaute vgl. Malecot 1969, Lehlste 1970: 149153, Malecot et al. 1972, Olsen 1972, Slis 1975, Wleden 1981: 94-97, 162 f., 199-201, 224 f., 249 f., Kohler 1984 und Shockey 1987.

14

Einleitung

Aussprache von Konsonanten im k o l l o q u i a l e n Stil oder bei spezieller Emphase, die zur V e r d e u t l i c h u n g der W i r k u n g dieser normalerweise schwer rekonstruierbaren pragmatischen Faktoren in früheren Sprachperioden herangezogen werden können. Solche Bemerkungen f i n d e n sich für das Frühne. vor allem in den Arbeiten der Orthoepisten, für das 19. und 20. Jahrhundert auch in Dialektstudien. In den folgenden vier Kapiteln soll nun f ü r drei ausgewählte Bereiche von Konsonantenveränderungen in der Geschichte des Engl., n ä m l i c h a) für die aus dem Germ, ererbten Frikative (Kap. I: /h/, Kap. II: / , f, s/) in allen Positionen, d.h. für eine ganze Konsonantenklasse mittlerer inhärenter Stärke, b) für a l l e aus dem Germ, ererbten Konsonanten in der Coda akzentuierter Silben, d.h. in einer Position mittlerer positioneller Stärke (Kap. Ill), c) für ausgewählte Konsonantengruppen im Kopf akzentuierter S i l b e n , d.h. für komplexe konsonantische Strukturen in der stärksten Silbenund Wortposition, gezeigt werden, daß inhärente, p o s i t i o n e l l e und pragmatische Konsonantenstärke solche Veränderungen über mehr als ein Jahrtausend gesteuert haben, und zwar in der Weise, daß inhärent, Positionen und sprechstilbedingt besonders schwache Konsonanten besonders f r ü h bes e i t i g t wurden, während i n h ä r e n t , Positionen und s p r e c h s t i l b e d i n g t stärkere Konsonanten erst später - oder überhaupt nicht - aufgegeben wurden. 2 7 In den e i n z e l n e n K a p i t e l n w i r d dabei wiederholt und teils a u s f ü h r l i c h auf experimentalphonetische Studien zu den a r t i k u l a t o r i schen, akustischen und auditorischen Charakteristika einzelner Sprachlaute oder ganzer Sprachlautklassen Bezug zu nehmen sein, die zum Verständnis des sprachlautspezifischen Verhaltens eines Konsonanten unter bestimmten phonotaktischen Bedingungen und damit zur näheren E r k l ä r u n g von phonotaktisch gesteuertem Sprachwandel beitragen können. Die Beseitigung der Konsonanten geschah, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt w i r d , im R e g e l f a l l durch Schwund des Konsonanten in der betreffenden phonotaktischen Position, daneben aber auch durch Ersetzung dieses Konsonanten durch einen stärkeren gleicher Artikulationsart- oder -stelle und in einigen Fällen sogar durch nichtphonologische 27

Knapp skizziert wird diese jahrhundertelang gleichgerichtete Entwicklung für Teilbereiche bereits In Lutz 1988a, b.

Einleitung

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Ersetzungsprozesse. Solche auf den ersten Blick v ö l l i g verschiedenen E n t w i c k l u n g e n können somit zusammenhängend erklärt werden, n ä m l i c h als unterschiedliche phonologische oder auch nichtphonologische Reaktionen auf phonotaktisch gesteuerte Schwächung eines Konsonanten, denn es läßt sich zeigen, daß solche verschiedenartigen Veränderungen beim gleichen Konsonanten unter gleichen positionellen und pragmatischen Bedingungen jeweils im gleichen Zeitraum der engl. Sprachgeschichte eintraten, daß also der Zeitraum, in dem sich die Veränderungen ereigneten, von der inhärenten, p o s i t i o n e l l e n und pragmatischen Stärke des betroffenen Konsonanten abhing. Wie nun sind die Standardwerke zur historischen Phonologie des Engl. (insbesondere Luick 1914-40, Brunner 1960, speziell zum Ae. Campbell 1959 und Sievers - Brunner 1965, zum Me. Berndt 1960 und Jordan - Crook 1974 und zum Frühne. und Ne. Jespersen 1909, Wyld 1936, Hörn - Lehnert 1954 und Dobson 1968), die in der Mehrzahl noch der junggrammatischen Tradition verbunden sind, aber zugleich auch die wesentlichen Elemente der strukturalistischen Phonemtheorie berücksichtigen, bezüglich ihrer Beschreibung phonotaktisch gesteuerter Veränderungen von Sprachlauten zu bewerten? Vokal- und Konsonantenveränderungen werden in diesen Werken fast immer mit Bezug auf die Position des betroffenen Sprachlauts in der Umgebung bestimmter anderer Sprachlaute und sehr oft auch auf die Position in der Silbe, mit Bezug auf die Struktur der Silbe (z.B. offen - geschlossen, kurz - lang) und ihre Stellung in Phrasen, insbesondere mit Bezug auf die Position des Wort- und Satzakzents, sowie unter Berücksichtigung sprechstilbedingter V a r i a t i o n beschrieben und auch zu erklären versucht. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die umfassenden Darstellungen der vorae. bis frühne. Lautgeschichte von Luick und der frühne. bis gegenwartsengl. Entwicklungen von Hörn - Lehnert, die unter gründlicher Berücksichtigung der zu ihrer Zeit zur Verfügung stehenden phonetischen und d i a l e k t o l o g i s c h e n L i t e r a t u r die phonotaktischen Bedingungen f ü r Sprachlautvariation und -Veränderung sowie die Varianten selbst eingehend und meist zutreffend beschrieben haben. Die frühen Gedanken von Sievers und Jespersen zur Silbenstruktur und ihrer Korrelation mit der S c h a l l f ü l l e der Sprachlaute haben in den Werken zur historischen Phonologie des Engl. allerdings keinen Niederschlag gefunden. 28 2& Dies zeigt sich Insbesondere bei der Gliederung der Obstruenten - nämlich nach der Artikulationsstelle statt nach der Artikulationsart. Umfassend berücksichtigt wurde das von Sievers und Jespersen entwickelte Konzept der Schallfülle für die Charakterisierung

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Einleitung

Ein C h a r a k t e r i s t i k u m der Anlage aller Standardwerke zur h i s t o r i schen Phonologie des Engl. hat jedoch dazu geführt, daß bestimmte, große Bereiche der engl. Lautgeschichte einseitig beschrieben und - wie ich meine - falsch bewertet worden sind, d.h. falsch in dem Sinne, daß diese Beschreibungen der Herausarbeitung großer Zusammenhänge in 'der engl. Lautgeschichte nicht förderlich waren; ich meine die Einteilung von Lautveränderungen in vokalische und konsonantische in erster L i n i e danach, ob der aus der Veränderung resultierende Sprachlaut vokalisch oder konsonantisch ist, und nicht oder nur in geringem Maße danach, ob von der Veränderung ein Vokal oder ein Konsonant b e t r o f f e n ist. So wird, um nur zwei Beispiele aus dem Frühne. herauszugreifen, zwar der Schwund von anlautendem /w/ vor /r/ (wie in write, wring} als Konsonantenveränderung bewertet, aber die V o k a l i s i e r u n g von /r/ in der Silbencoda, weil sie in Verbindung mit dem voraufgehenden Vokal komplexe und z.T. f ü r das engl. Lautsystem neue Vokale hervorbrachte (so den zentralen Monophthong /3:/ und a l l e zentrierenden Diphthonge, vgl. etwa SIE. bird, mare}, fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Veränderung der Vokale des Engl. 2 9 Unterscheidet man aber vokalische und konsonantische Veränderungen nach den von einer Veränderung betroffenen Sprachlauten, dann müssen beide Veränderungen als Einschränkungen der phonotaktischen D i s t r i b u t i o n von Konsonanten bewertet werden, im ersteren Falle als die von /w/ auf den prävokalischen Silbenanlaut, im letzteren Falle als die von /r/ auf den Silbenkopf. Die präzise Beschreibung der vokalischen Resultate der Schwächung eines Konsonanten wie im Falle von Coda-/r/ hat durchaus ihre Berechtigung. Die einseitige Konzentration auf die l a u t l i c h e n Resultate von Lautveränderungen statt auf die von Lautveränderungen betroffenen Sprachlaute und auf die Ursachen dieser Veränderungen hat jedoch dazu geführt, daß w i c h t i g e , die gesamte engl. Lautgeschichte bestimmende E n t w i c k l u n g s l i n i e n weitgehend verborgen geblieben sind und daß i n f o l gedessen auch zahlreiche E i n z e l e n t w i c k l u n g e n bislang ungenügend verstanden, weil isoliert gesehen worden sind. In den folgenden Kapiteln sollen nun ausgewählte Bereiche der engl. Lautgeschichte von den germ, und ae. Ausgangskonsonanten her neu betrachtet werden: die E n t w i c k l u n g der aus dem Germ, ererbten Frikative (Kap. l und I I ) , die von Konsonanten in der Coda akzentuierter Silben

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von Sprachlauten hingegen von Hermann (1923). So verwendet Lufck auf die vokalischen Resultate von Coda-/r/ zwölf Paragraphen, auf die /r/-Vokal1s1erung selbst nur einen, Dobson 18 bzw. einen, Hörn - Lehnert 42 bzw. sechs.

Einleitung

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(Kap. I l l ) und die von Konsonantengruppen im Kopf akzentuierter Silben (Kap. I V ) . Es wird sich dabei zeigen, daß diese Entwicklungen in umfassender Weise phonotaktisch gesteuert waren und daß sie vom Vorae. bis zum heutigen Engl. durchgängig gerichtet verliefen. Bei der Herausarb e i t u n g der E n t w i c k l u n g s l i n i e n , die große Bereiche der engl. Lautgeschichte bestimmt haben, lassen sich auch zahlreiche Einzelentwicklungen einer neuen, auf ihre phonotaktischen Ursachen gegründeten Erklärung zuführen.

Kapitel I. Konsonantisches Segment und p h o n o t a k t l s c h e Position: Das /h/ In der englischen Sprachgeschichte I. A. Das /h/ als u n i v e r s e l l schwacher und schwächungsa n f ä l l l g e r Sprachlaut Die positionsbedingte allophonische Stärkeabstufung von Konsonanten spiegelt sich in der Sprachgeschichte in der relativen Chronologie von Schwächungsprozessen wider; d.h. Konsonantenschwächung manifestiert sich am frühesten und deutlichsten in der phonotaktisch ungünstigsten Position, in günstigeren Positionen erst später, wenn überhaupt. Konsonantenschwächung in vergangenen Sprachepochen w i r d in der Schreibung h ä u f i g erst dann offenbar, wenn sie bis zum Endpunkt des Konsonantenschwunds gegangen ist. Ihre positionsbedingte z e i t l i c h e Abstufung läßt sich deshalb am besten an einem Konsonanten zeigen, der i n f o l g e seiner geringen inhärenten Stärke - nach und nach in fast a l l e n phonotaktischen Positionen v ö l l i g aufgegeben worden ist, und zwar in s c h r i f t l i c h bezeugten Perioden einer Sprache. Für die mehr als tausend Jahre der s c h r i f t l i c h belegten engl. Sprachgeschichte kann dies am besten am Beispiel der Geschichte des /h/ vom Frühae. bis zum heutigen Engl. demonstriert werden. Das /h/ nimmt universell unter den Sprachlauten eine gewisse Sonderstellung ein. In der Regel w i r d dieser in den Sprachen der Welt h ä u f i g vertretene Laut 1 als stimmloser glottaler Frikativ beschrieben. 2 Seine A r t i k u l a t i o n s stelle ist jedoch nur schwer lokalisierbar und stark von der Lautumgebung abhängig; prävokalisch im Silben- und Wortanlaut z.B. wird sie ganz w e s e n t l i c h von der Z u n g e n s t e l l u n g des f o l g e n d e n Vokals bes t i m m t . 3 Z u t r e f f e n d e r ist daher die Charakterisierung des /h/ als Frikativ ohne bestimmte A r t i k u l a t i o n s s t e l l e , dessen Friktionsgeräusch 1

Vgl. dazu insbesondere die auf der Untersuchung von etwa 600 Sprachen basierende SpezialStudie von Merlingen (1977) sowie Maddleson 1984: 53. 233 f. 2 Für das Ne. vgl. Arnold - Hansen 1975: 147 und Glmson 1989: 192; zahlreiche ältere Literatur 1st In Kozlol 1957: 34 verzeichnet; die Ansichten verschiedener amerikanischer Strukturallsten werden In Castelo 1964 referiert. 3 Zu den akustischen Charakterlstlka von prävokallschem /h/ vgl. Lehlste 1964: 144149. Es 1st deshalb auch wiederholt vorgeschlagen worden, das /h/ nicht als eigenständigen Sprachlaut, sondern zusammen mit dem nachfolgenden Vokal als stimmlos einsetzende Variante des Jeweiligen Vokals anzusehen. Zur Kritik dieser wenig sinnvollen Analyse vgl. Kozlol 1957: 33 f.

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Kapitel l. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

beim Passieren des E x p i r a t i o n s s t r o m s durch die gesamte M u n d h ö h l e entsteht, während es bei den typischeren Vertretern der Klasse der Frikative an einer bestimmten Stelle hervorgerufen wird. 4 Aus dieser Besonderheit der G e r ä u s c h b i l d u n g beim /h/ erklärt sich, warum sein Geräusch so viel schwächer ist als das anderer stimmloser F r i k a t i ve. 5 Typischerweise f e h l t denn auch in Sprachen mit Stimmtonkontrast bei den übrigen F r i k a t i v e n (wie etwa im Engl.) zum schwachen /h/ z u m e i s t die i n h ä r e n t noch schwächere, s t i m m h a f t e Entsprechung /n/. 6 D a r ü b e r h i n a u s e r k l ä r t sich aus der besonderen Art der Geräuschbildung des /h/, die nur bei r e l a t i v starkem E x p i r a t i o n s d r u c k in einem h i n r e i c h e n d wahrnehmbaren Geräusch resultiert, auch seine besonders ausgeprägte Tendenz zum Schwund in druckschwächeren Positionen. 7 Siehe Lulck 1932: § 63: "Mit unserem bezeichnen wir eine besondere Klasse von Reibelauten... Bei Ihrer Artikulation wird nirgends eine Enge gebildet, sondern die Luft streicht durch die Mundstellung eines Sonors und erzeugt an den Wänden des ihm offenstehenden Kanals ein ganz gelindes Reibegeräusch, das bedeutend schwächer 1st als das der eigentlichen Reibelaute." Pike 1943: 71: "The first type results from stricture at a single local point; the second is due to cavity friction, that is, voiceless resonance of a chamber as a whole caused by air going through it as through an open tube." koziol 1959: 86: "Das den [h]-Lauten eigene Geräusch entsteht dadurch, daß sich ein k r ä f t i g austretender Luftstrom an den Wänden des Mundraums reibt und an sie anprallt." Vgl. auch Koziol 1957 und Glmson 1989:192. 5 Auf die recht schwache Geräuschbildung beim /h/ hat insbesondere koziol (1957: 3538) hingewiesen. Vgl. auch die oben In Anm. A angegebene Literatur sowie Merlingen 1977: 5: "Bei Jeder Art von H sind die Sprechwerkzeuge a l l z u o f f e n und bieten a l l z u wenig Reibungsfläche." Tatsächlich ist die Relbungsf/äcfie sehr groß, gering dagegen ist der Re1 bungs widerstand. 6 Vgl. Merlingen 1977: 150-159. Die Charakterisierung des engl. /h/ als " f o r t i s , voiceless, glottal fricative" (Gimson 1989: 192, Hervorhebung von m i r ) 1st deshalb nicht sehr glücklich. Zu [n] als Positionsvariante von /h/ im Engl. siehe Arnold - Hansen 1975: 147 und Glmson 1989: ibid. Das Fehlen einer phonemischen stimmhaften Entsprechung zu engl. /h/ war für Trager - Smith (1962: 20-30) und Im Anschluß daran auch für Hill U958: 37-40, 62-67, 76) und andere ein wesentlicher Grund, /h/ im engl. Lautsystem den Halbvokalen zuzuordnen; für /h/ postulierten sie, wie auch für /w/ und /j/, ein vokalähnllches Coda-Allophon und analysierten sämtliche komplexen Vokale des Engl. als Verbindungen von Vokalen und Halbvokalen (V + J für /i:/ und palatal verengende Diphthonge, V + w für /u.7 und velar verengende Diphthonge, V + h für die übrigen langen Monophthonge und die zentrierenden Diphthonge). Für eine grundlegende Kritik dieses Ansatzes vgl. Lehiste 1964. 7 Zur besonders ausgeprägten Abhängigkeit der Wahrnehmbarkeit von /h/ von einem starken Expirationsdruck vgl. Insbesondere Koziol 1957: 35-38 und Hurch 1988: 45.

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte

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Sprachhistorisch gesehen h a n d e l t es sich beim /h/ h ä u f i g um das Schwächungsprodukt eines anderen, stärkeren Konsonanten, zumeist das eines anderen stimmlosen Frikativs, 8 und daher f i n d e t es sich in einigen Sprachen auch synchron als positionsbedingt schwaches Allophon eines stärkeren Sprachlauts. 9 Die inhärente Schwäche des /h/ und seine besondere A n f ä l l i g k e i t f ü r w e i t e r e Schwächung bis hin zum Schwund - und zwar in allen, selbst den günstigsten phonotaktischen Positionen - ist universell, aber nicht in allen Sprachen gleich ausgeprägt. Deshalb läßt sich für das /h/ keine feste, f ü r a l l e Sprachen und Sprachepochen gültige Position auf der Konsonantenstärkeskala bes t i m m e n , wie dies bei anderen Sprachlauten mit gewissen Einschränkungen durchaus m ö g l i c h ist. Trotz der für andere Konsonanten untypischen Tendenz des /h/, in allen, auch den günstigsten phonotaktischen Positionen v ö l l i g zu schwinden, eignet sich die Geschichte des engl. /h/ in ganz besonderer Weise dafür, die Widerspiegelung der positionsbedingten allophonischen Stärk e a b s t u f u n g eines Sprachlauts in der relativen Chronologie seines Schwunds aufzuzeigen, denn kein anderer Sprachlaut weist eine verg l e i c h b a r lange, belegte G e s c h i c h t e des c h r o n o l o g i s c h g e s t u f t e n Schwunds auf, die mit einer noch kaum eingeschränkten phonotaktischen D i s t r i b u t i o n im Frühae. beginnt und mit der Beseitigung aus a l l e n phonotaktischen Positionen in einem Teil der ne. Dialekte endet.

l. B. Das /h/ In der englischen Sprachgeschichte Für ae. /h/, das auf den germ, velaren F r i k a t i v /x/ zurückgeht, n i m m t man im wesentlichen zwei Positionsvarianten an: [h] im Silbenanlaut, d.h. einen "Hauchlaut" mit unbestimmter oder glottaler Artikulationsstelle; [x] in der Silbencoda, d.h. einen velaren F r i k a t i v mit prävelaren bis postvelaren Varianten, abhängig von der Lautumgebung. 1 0 8

9

10

Nach M e r l i n g e n 1977: 5-15, 32-38. 190- 206 (vgl. auch Lass 1976: 159-163, Hock 1986a: 131 und Hurch 1988: 84-89. 126-129) geht /h/ am häufigsten auf den velaren Frikativ /x/ zurück, außerdem aber auch auf /s/ (vgl. dazu auch Ferguson 1990) und gelegentlich auch auf /f/. Als (in der Regel frühere) Vorstufen sind daneben auch stimmlose Plosive anzusetzen, am ehesten - wie für das Idg. - ein /k/. Vgl. Merlingen 1977: 15 f. für [h] als schwache Positionsvariante von /x/, 191-195 sowie Hurch 1988: 89 für [h] als solche von /s/; so wird etwa In den latelnam. Ausprägungen des Span, das /s/ In der Silbencoda als [h] realisiert. Vgl. Lulck 1914-40: S 636, Campbell 1959: S 50.3, Brunner 1960: 373, Kühn 1970: 31-35. Zu der Ansicht, bei den beiden Varianten [h] und [x] handle es sich um

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

Wie die im Folgenden beschriebenen Entwicklungen schon im Ae. zeigen, müssen für diesen Konsonanten darüberhinaus auch viele andere von der jeweiligen phonotaktischen Position abhängige allophonische Varianten angenommen werden. Schon zur Entstehungszeit der ersten s c h r i f t l i c h e n Zeugnisse war ae. /h/ nicht in a l l e n phonotaktischen Positionen vertreten. Das Ae. mit seinen Vorstufen hatte bereits eine lange Geschichte der R e d u z i e r u n g unakzentuierter Silben infolge des starken Druckakzents auf die I n i t i a l s i l b e hinter sich, und so waren in der Coda unakzentuierter Silben beim Einsetzen der s c h r i f t l i c h e n Ü b e r l i e f e r u n g vom rekonstruierten u r s p r ü n g l i c h e n Konsonantenbestand nur noch wenige Reste e r h a l t e n (vgl. Krähe - Meid 1969: §§ 112-116). Das besonders schwächungsanfällige /h/ war in dieser Position nicht vertreten. Ebensowenig konnte /h/ im Ae. in n i c h t i n i t i a l e r Position im Silbenkopf stehen. Für diese Position ist /h/, w e i l seine - ohnehin geringe - inhärente konsonantische Stärke auf seinem schwachen stimmlosen Friktionsgeräusch beruht, das a l l e n f a l l s nach stimmlosen Plosiven als Aspiration wahrnehmbar ist, universell schlecht geeignet - ganz anders als die sehr h ä u f i g in dieser Position stehenden, ebenfalls schwachen, aber im R e g e l f a l l stimmhaften L i q u i d e n , die durch eine v o k a l ä h n l i c h e Formantenstruktur gekennzeichnet sind. Von daher wird verständlich, warum /h/ in der engl. Sprachgeschichte regelmäßig schwand, wenn ein Kompositum, dessen Zweitglied mit /h/ anlautete, im Zuge der L e x i k a l i s i e r u n g seinen Nebenakzent verlor und r e s y l l a b i f i z i e r t wurde, so etwa vorae. *t)üs.hund 'tausend' > ae. frü.send ( C v C S h V C C > C v $ C V C C ) , frühae. lic.hama 'Leichnam'> ae. //. cuma, ae. Wulf.helm> spätae. Wul.felm."

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zwei verschiedene Phoneme des Ae. und Me., vgl. unten Anm. 60. Nicht ganz richtig erscheint mir die Annahme, das Coda-Allophon setze germ, /x/ in allen Lautumgebungen ohne Geräuschreduktion, also völlig ungeschwächt, fort, wie dies von Lulck und Brunner Impliziert wird, denn sonst wäre schwer zu erklären, warum /h/ seit dem Me. zuerst In der Coda schwindet und danach erst prävokallsch Im Sllbenanlaut (s.u.). Zur positionsabhängigen Wahrnehmung von [h] vgl. Llndblom 1980a. - Ich verwende für den velaren Frlkatlv nicht das In den Handbüchern verbreitete Zeichen [ ], das In der IPA-Lautschrlft für den postvelaren Frlkatlv gilt, sondern das IPA-Zelchen [x], ausgenommen 1n Zitaten sowie In Fällen, In denen ausdrücklich der postvelare Frlkatlv gemeint ist. Vgl. dazu Lulck 1914-40: SS 622.2. 646.1; Sievers - Brunner 1965: S 217; Campbell 1959: S 46 ; zur spätae. onomastlschen Evidenz siehe auch von Fellltzen 1937: S 140.

/. ß. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Erste Stufe

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Erste Stufe 1 2 Die früheste Stufe der Aufgabe von /h/ in s c h r i f t l i c h belegter Zeit trat im W o r t i n n e r e n in s t i m m h a f t e r Umgebung ein (8.-9. Jahrhundert). 1 3 Bei dieser ersten Stufe der E n t w i c k l u n g , die sich in den fruhae. Glossaren durch schwankende < h > - 5 c h r e i b u n g a n d e u t e t , müssen e i g e n t l i c h drei verschiedene phonotaktische Positionen unterschieden werden. 1 4

12 Mit der Annahme von insgesamt acht 'Stufen' der Beseitigung von /h/ wird die Beschreibung der sich über mehr als ein Jahrtausend hin erstreckenden Gesamtentwicklung von engl. /h/ natürlich sehr stark vereinfacht, weil dabei nur die wesentlichsten Silben- und Wortpositionen mit und ohne Akzent berücksichtigt werden. Wie im Folgenden aus den Beschreibungen der einzelnen S t u f e n hervorgeht, werden f ü r jede dieser Stufen zusätzlich eine Reihe von Faktoren soweit als möglich berücksichtigt, die die aus der jeweiligen Silben- oder Wortposition erwachsende Schwächungswirkung auf das /h/ schwächend oder stärkend überlagert haben, so etwa die unmittelbare Lautumgebung, die Position der betreffenden Silbe bzw. des betreffenden Wortes in der Phrase oder das Sprechtempo. Aus dieser vielfachen Überlagerung von schwächenden und stärkenden Wirkungen auf den einzelnen Sprachlaut, die sich in der lebenden Sprache in einer großen V i e l f a l t phonotaktisch bedingter Allophone manifestiert, für vergangene Sprachepochen aber nur ansatzsweise rekonstruiert werden kann, erklären sich die zumeist sehr langen und sich vielfach überlappenden Zeiträume für die angenommenen acht Stufen der Aufgabe von /h/. Die genaue Bestimmung der Zeiträume wird dabei zusätzlich durch die teilweise sehr lückenhafte Überlieferung und durch die sehr unterschiedliche Berücksichtigung der verschiedenen Schwundvorgänge in der Schreibung erschwert. 13 Diese Datierung ist in zweifacher Hinsicht ungenau. Erstens geben uns diese frühen Glossen keine zuverlässige Information über den Beginn dieser Entwicklung, die irgendwann nach der auf das 576. Jahrhundert datierten Brechung einsetzte (vgl. dazu Luick 1914-40: SS 250.2-4, 291; Campbell 1959: SS 231, 242; zu den zahlreichen Versuchen, /h/-Schwund in dieser Position f ü r die Datierung ae. Dichtungen heranzuziehen, vgl. Amos 19 : 30-63). Zweitens gilt diese aus den Glossen bezogene Datierung lediglich für das Merz.; in Ermangelung ähnlich früher Texte aus Südengland muß offen bleiben, welcher Z e i t r a u m zwischen dem 5./6. und dem späten 9. Jahrhundert für diese Stufe des /h/-Schwunds für das Ws. und Kent, anzusetzen ist. 14 Die hier getroffene Einteilung nach phonotaktischen Positionen findet sich in den Handbüchern so nicht, und da das /h/, soweit sich dies aus den spärlichen fruhae. Quellen erm i t t e l n läßt, in allen drei Positionen im gleichen Zeitraum, im wesentlichen aus dem gleichen Grund und mit den gleichen Auswirkungen auf die Vokale der akzentuierten Silben (vgl. unten, Anm. 18), aufgegeben wurde, ist diese E i n t e i l u n g hier beim /h/ auch nicht unbedingt e r f o r d e r l i c h ; siehe L u i c k 1914-40: SS 656-657, Sievers - Brunner 1965: SS 217-223 und Campbell 1959: SS 461-466. Bei der Beschreibung von parallelen Veränderungen bei den übrigen stimmlosen Frikatlven (vgl. unten Kap. II) erweist sich diese Differenzierung jedoch als wichtig, wenn auch nicht als völlig ausreichend.

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

a) im A n l a u t u n a k z e n t u i e r t e r Silben, denen eine akzentuierte o f f e n e oder durch L i q u i d geschlossene Silbe vorausgeht, vgl. ae. rä 'Reh' (Corpus Gl. rä/ia), ae. mearas NA Pl. 'Pferde 1 ( < *mear.has), ae. (ws.) Wealas NA Pl. 'Waliser' ( < *^ea/./-)as),15 dagegen ae. be.hindan 'hinten', ae. mearh N Sg. 'Pferd', ae. H/ea//?N Sg. 'Waliser'; b) im Auslaut akzentuierter Silben, denen eine unakzentuierte Silbe mit stimmhaftem Anlaut f o l g t , vgl. ae. pJeolic 'gefährlich', ae. (ws.) hJera 'höher'; dagegen ae. pleoh 'Gefahr', ae. heah 'hoch' ae. (ws.) eahta 'acht', 16 ae. (ws.) weahsan/weaxan 'wachsen'; 1 7

'5 Auch /h/-Schwund In häufig gebrauchten, unlverblerten Wortverbindungen aus Negatlonspartlkel und satzunbetonten Formen von habban 'haben' wie nasbbe, naefst, n&fo, nabbad, naefde < ne hasbbe usw. ließe sich hier einordnen; 1n diesem Fall blieben jedoch, anders als bei /h/-Schwund Im W o r t i n n e r e n , daneben w e i t e r h i n die u n k o n t r a h l e r t e n Formen erhalten (vgl. Sievers - Brunner 1965: §§ 217, 417 AI). Außerdem kam es hier, well auch die Negatlonspartlkel unakzentulert war, nicht zur Ersatzdehnung. 16 Häufige - und -Schre1bungen vor /t/ In den fruhesten ae. Schriftzeugnissen lassen darauf schließen, daß germ, / / 1 dieser Position zunächst nicht geschwächt wurde (vgl. Sievers - Brunner 1965: §§ 221.1, 223 A3; Kühn 1970: 31f.). 17 Die dlsslmllatorlsche Okkludlerung von /h/ > /k/ vor /s/ trat ein, wenn dem /s/ ein Vokal folgte (vgl. auch oxa Ochse', Seaxe 'Sachsen') oder wenn es 1m Wortauslaut stand (vgl. unten c) betwix 'zwischen', dazu fox 'Fuchs', s/ex 'sechs'). Wenn dagegen dem /s/ ein Konsonant folgte, muß das /h/ schon z.Zt. der Brechung geschwunden oder so geschwächt gewesen sein, daß es keine Brechung verursachte, vgl. ae. öisle 'Deichsel' < *6ihsle. neosan 'besuchen' < *niuhsian. Wie schon Luick (1914-40: SS 634, 674) sehr richtig erkannte, muß diese Entwicklung von /h/ vor /s/ Im Zusammenhang mit ganz ähnlichen spätae. Vorgängen und mit Dissimilationsprozessen bei anderen stimmlosen Frlkatlvfolgen gesehen werden (vgl. dazu auch die spätae. Belege In Campbell 1959: § 481 und von Feilitzen 1937: § 141) sowie mit entsprechenden Vorgängen in den übrigen germ. Sprachen.

/. S. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Zweite Stufe

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c) in akzentuierten Silben mit komplexer Coda in postnuklearer Position bei auslautendem Sonoranten, vgl. ae. (ws.) bweal 'Bad, Reinigung 1 (Ep. 61. thuachl, Corp. 61.

öhuehl), ae. (ws.) betweonum 'zwischen' (Corp. 61. bitwihn, Erf.

6l. bituichn), dagegen ae. leoht 'Licht', ae. betweoh / betweohs / betwuht 'zwischen 1 . Dem /h/-Schwund in a l l e n drei Positionen liegt ein gemeinsamer Vorgang zugrunde, n ä m l i c h Lenisierung und S t i m m t o n a s s i m i l a t i o n an die s t i m m h a f t e Umgebung. Dadurch ging /h/ q u a l i t a t i v als Sprachlaut mit hörbarem und l o k a l i s i e r b a r e m Eigengeräusch v e r l o r e n , n i c h t jedoch sein quantitativer Anteil am S i l b e n g e w i c h t , der - unabhängig von der ursprünglichen Position des /h/ in der akzentuierten oder der nachfolgenden unakzentuierten Silbe - auf die resultierende akzentuierte Silbe übertragen wurde und sich dort als Ersatzdehnung eines u r s p r ü n g l i c h k u r z e n V o k a l s m a n i f e s t i e r t e ( v g l . mearas, pleolic, pweal, aber mearh, pleoh, thuachn,*Q g e l e g e n t l i c h auch als 6emination des dem /h/ benachbarten Sonoranten (vgl. hierra mit Ersatzdehnung des Sonoranten - neben hJera).]g Der r e s u l t i e r e n d e Vokal der a k z e n t u i e r t e n Silbe war bei /h/-Schwund in diesen drei phonotaktischen Positionen somit immer lang. Z w e i t e Stufe Die zweite Stufe der Aufgabe von /h/ setzte im späteren Ae. ein (spätes 9.-1l. Jahrhundert). Betroffen war /h/ im Auslaut üblicherweise satzunbetonter einsilbiger Wörter des Funktionswortschatzes; 18

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Zu den aus der Ersatzdehnung resultierenden komplexen Vokalen vgl. die Abschnitte zur Kontraktion von Vokalen In Lulck 1914-40: SS 245.2, 246.2, 248, Sievers - Brunner 1965: SS 127-134 und Campbell 1959: SS 234-239. Zur frühne. Ersatzdehnung bei /h/-Schwund in der Coda akzentuierter Silben vgl. unten ( F ü n f t e Stufe), zu Ersatzdehnungen beim Schwund anderer Frikative unten kap. II. Vgl. Sievers - Brunner 1965: § 218 A3. An diesem Beispiel wird deutlich, daß Ersatzdehnung nicht einfach als kompensatorlsche Vokallängung bei Verlust eines benachbarten Konsonanten verstanden werden kann, wie dies von de Chene - Anderson (1979: 505) vertreten worden 1st. Für eine klare Darstellung des essentiell suprasegmentalen Charakters von Ersatzdehnungsprozessen und für eine grundlegende Kritik auch an verschiedenen neueren Analysen 1m Rahmen der 'metrischen' Phonologic (z.B. Sterlade 1982) vgl. Hock 1986b.

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Kapite I /. Konsonantisches Segment und phonotaktische Posit ion: /h/ vgl. ae. jbe, /?ea20 Konj. Obwohl' neben jbe/i / peah, ae. jbur Präp. 'durch' neben purh.

Von dieser Stufe der Aufgabe von /h/ waren nur diese zwei Wörter bet r o f f e n , die h ä u f i g , aber n i c h t immer im Satznebenton standen; sie sind daher in der Schreibung w e i t e r h i n zumeist mit der u n r e d u z i e r t e n Form w i e d e r g e g e b e n worden. 2 1 < h > - l o s e Schreibungen sind f ü r das Ae. nur vereinzelt.belegt und im F a l l e der Schreibform für die K o n j u n k t i o n f ä l s c h l i c h als Belege f ü r die R e l a t i v p a r t i k e l fre oder die Pronominalf o r m pe i n t e r p r e t i e r t worden. 2 2 Für ae. purh sind f ü r das 11.-15. Jahrhundert auch Formen mit Ersatz von /-h/ durch /- / und vom 13. Jahrhundert an auch D i a l e k t f o r m e n mit Ersatz von /-h/ durch /-f/ belegt. 23 20

Vermutlich war bei diesen unakzentuierten Reduktionsformen auch die Vokalquantität reduziert. 21 Außerdem pur(h)-, als unakzentuiertes Präfix. Die Microfiche Concordance verzeichnet z.B. zwei spätws. -lose Belege für Formen von purhwunian 'durchhalten' neben 532 mit , ebenso zwei von purhteon 'vollenden' neben 168 mit . Für die Präposition purh notiert die Microfiche Concordance 7548 Belege (dazu weitere 79 f ü r purg, purch, puruh usw.) und nur 12 f ü r pur, letztere a l l e aus spätws. Hss.; relativ häufig belegt 1st pur in der Im späten 9. Jahrhundert entstandenen Hs. Hatton 20 der Cura Pastoralis, vgl. Sweet 1871-72: xxxi (der sie, well sie besonders häufig mit Pronominalformen mit anlautendem /h/ zusammengeschrieben auftreten wie in öurhe, öurhira - allerdings auch dursorge usw. -, als Belege für Schwund von anlautendem /h/ e i n s t u f t ) und Scragg 1970: 171 f. Spätnordh. Formen im Satznebenton zeigen dagegen Reduktion des Vokals; vgl. Campbell 1959: § 73 mit A4 zu perh und porh (349 bzw. 42 Belege in der Microfiche Concordance). Schlemllch (1914: 59 f.) weist auf tur-Belege in Hss. des 12. Jahrhunderts hin, allerdings unter der irreführenden Überschrift "Sonstige anglofranz, Schreibungen und Buchstabenvertauschungen". 22 Daß für eine Reduktionsform der Konj. peh/peah (vermutlich auch mit reduzierter Vokallänge) stehen könnte, wurde zuerst von Roberts (1982) mit Bezug auf eine bis dahin umstrittene Stelle in der Battle of Maldon und drei weitere Belege aus der spätws. ü b e r l i e f e r t e n Dichtung vorgeschlagen (Maldon 190b, 313b; Andreas 507, 630), die bis dahin als Relativpartikel bzw. als Pronominalform übersetzt worden waren. Drei Belege für öea vor Pronominalformen mit anlautendem /h/ aus der frühws. Hs. Hatton 20 (vgl. auch oben Anm. 22) führt Scragg 1970: 171 an: 2x beahe für öeah he (Sweet 1871-72: 235/23, 401/14), öea/)/ für öeah hi (449/23). Auch hier hat Sweet an zwei der drei Stellen die hs. Lesarten durch Emendation als Belege für den Schwund von anlautendem /h/ gekennzeichnet. Die Microfiche Concordance verzeichnet insgesamt 13 Belege für öea, alle aus spätnordh. Texten (7x Durham Ritual, 4x Lindlsfarne 61., 2x aus einem spätnordh. Gesetzestext), davon 11x vor einem anderen Frlkativ (zumeist / /), 2x vor Vokal. Weitere Belege für die Schwachtonform öe/pe über die vier oben genannten hinaus verbergen sich wahrscheinlich In den 54415 unlemmatfsierten -Belegen der Microfiche Concordance. 23 Vgl. OED s.v. through prep, and adv.; die Microfiche Concordance verzeichnet für

A , Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Zweite Stufe

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Die Handbücher verzeichnen diese Stufe der Beseitigung von /h/ durch Schwund oder Frikativersatz nicht; 2 4 sie fügt sich jedoch - wie weiter unten in der Zusammenfassung dieses Kapitels d e u t l i c h e r gezeigt werden kann - in den Gesamtverlauf der z e i t l i c h gestuften Aufgabe von /h/ vom Vor- und Frühae. bis zum Ne. genau ein. Die soeben beschriebenen ersten zwei Stufen der E n t w i c k l u n g f ü h r ten, anders als die späteren Veränderungen, noch zu keiner entscheidenden Einschränkung der phonotaktischen Distribution von /h/; p a r a l l e l zu diesen Schwund- und Ersetzungsprozessen entstand n ä m l i c h durch Schwächung stärkerer ae. Velarkonsonanten neues /h/, zum Teil in Positionen, aus denen das alte /h/ geschwunden war: a) intervokalisch durch Schwächung der Geminata /hh/; diese wird in spätnordh. Texten t e i l s mit , teils mit wiedergegeben, vgl. spätnordh. hllhan 'lachen' neben hühhan, ws. hliehhan, spätnordh. t&her/t&hher Träne', ws. tear25; b) im Auslaut unakzentuierter Silben aus /k/, das vor allem in spätnordh. Texten teils mit , teils mit wiedergegeben w i r d (Luick 1914-40: § 655, Sievers - Brunner 1965: § 210.3), vgl. spätae. ah Konj. 'aber' neben ac,26 das Ae. 8x t>urt> und Ix frurfrh in Hss. des 11. und 12. Jahrhunderts. Auch für das Spätme. sind Formen mit Frikativersatz nur als relativ seltene Nebenformen belegt (Mclntosh et al. 19 6: II, item map 54, IV, 96-101). Wenig wahrscheinlich ist Schlemllchs Ansicht (1914: 59 f.), die von Ihm in Hss. des 12. Jahrhunderts festgestellten £ur£-Schre1bungen seien auf bloße Buchstabenverwechslung zurückzuführen. Vielmehr 1st anzunehmen, daß sie Ersatz des geschwächten /-h/ durch /- / widerspiegeln, wie er vom Spätme. an dann auch In der Coda akzentuierter Silben zu beobachten 1st (vgl. unten, Anm. 67). 24 Mit Ausnahme von Schlemllch 1914: 59, wo jedoch lediglich auf die jbur- und burfrBelege hingewiesen wird (vgl. oben Anm. 22). Als eine Stufe der phonotaktischen Gesamtentwicklung von /h/ In der engl. Sprachgeschichte 1st sie erstmals In Lutz 1988a beschrieben worden. 25 Die spätnordh. Form leitet die Geminata von der westgerm. Konsonantengemination her, die vor /r/ nur teilweise eintrat; das Ws. hat die nlchtgemlnlerte Form mit /h/Schwund und Kontraktion (vgl. Sievers - Brunner 1965: SS 218 A5, 220 AI, 228). 26 Besonders viele a/i-Belege verzeichnet die Microfiche Concordance für einige späte nlchtws. Texte wie die Bllckllng-Homlllen und die Glossen zu den Llndlsfarne und Rushworth Gospels, daneben jedoch auch viele für die als spätkent./ws. eingestufte Interllnearverslon der Benediktlnerregel (vgl. Schabram 1965: 106 f., Wenlsch 1979: 32); AelfNc-Texte haben ausschließlich ac. Im Me. Ist'aft/au/) dem MED zufolge vor allem in südwestengl. Texten belegt.

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Kapitel I. Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: /h/

spätnordh. meh 'mich', öeh 'dich' neben mec, bec; c) im Auslaut akzentuierter Silben aus /g/ nach velaren Vokalen und nach Konsonanten. 2 7 Diese E n t w i c k l u n g deutet sich bereits im Frühnordh. und Frühws. durch sporadische -Schreibungen an, im Spätws. w i r d zur ü b l i c h e n Schreibung für diese Positionsvariante des velaren s t i m m h a f t e n Plosivs, insbesondere im Wortauslaut; vgl. spätws. buch 'Burg', früher bürg, beah 'Ring', früher beag, ähnung 'Besitz(anspruch)', früher ägnung; dagegen ägen 'eigen',

fugol 'Vogel' 28 .

Die so entstandenen neuen /h/-Laute, die im Ae. noch ein deutlich stärkeres Eigengeräusch besessen haben d ü r f t e n als altes /h/, f i e l e n in der weiteren E n t w i c k l u n g mit altem /h/ in der Coda akzentuierter Silben 27

V g l . Luick 1914-40: § 651, Campbell 1959: §§ 446-7, Sievers - Brunner 1965: § 214.1 und Kühn 1970: 28, 34. Luick charakterisierte diese Entwicklung als "Spirantenverhärtung" und nahm an, hier seien "stimmhafte Lenes im Auslaut zu stimmlosen Fortes" (meine Hervorhebung) geworden. Plausibler scheint mir die Annahme, der ae. velare Lenisplosiv /g/ sei Im Silben- und Wortauslaut wegen vorzeitiger Beendigung der Stimmlippenvibration in der Regel zumindest partiell stimmlos gewesen (wie die Lenisplosive im Ne.; vgl. Gimson 1989: 153) und sei in dieser Position frikativiert, d.h. geschwächt worden - wie im heutigen Norddt.; die stärkere, velare Variante dieses Frikativs f i e l mit /-h/ zusammen und schwand wie dieses unter Ersatzdehnung der vorausgehenden Vokale erst im Spätme. (s.u.), die schwächere, palatale verband sich bereits seit dem Spätae. mit den vorausgehenden palatalen Vokalen zu komplexen Vokalen (vgl. dazu Kap. I I I ) . 28 Nach Campbell 1959: § 447 wurde Infolge dieser Entwicklung 1m Spätae. vielfach auch analogisch für /g/ Im Kopf unakzentuierter Silben verwendet (z.B. in burhas 'Burgen') und umgekehrt für Coda-/h/ (z.B. In bürg). Die Belegzahlen der Microfiche Concordance für die hier aufgeführten Wortbeispiele zeigen jedoch, daß analogische -Schreibungen neben den phonetischen eine sehr geringe Rolle spielten. So ist für den Wortauslaut 436x burhvs. 206x bürg belegt (analogisch - bei den f l e k t i e r t e n Formen - ist -Schreibung in bur.h- dagegen nur 5x belegt vs. 198x bur.g-), entsprechend 94x beah vs. 28x beag (dagegen kein einziges Mal bea.h- vs. 4 I x bea.g-). Wortinlautend In Komposlta und Ableitungen sind -Schre1bungen etwas weniger häufig, so 72x burh (-leode/-sittende/-ware) vs. 37x bürg-, 3x beahgifa vs. 5x beag-, 5x ähnung(-) vs. 6x ägnung(-). und erheblich weniger häufig, wenn der Konsonant in verschiedenen Formen eines Paradigmas-mal In der Coda, mal Im Kopf der unakzentuierten Silbe steht, vgl. 64x äh.ne/-um-vs. 204x äg.n-, 3x fuh.l- vs. 111x fug.l-, allerdings immer noch weitaus häufiger als analogisches In ä.hen (1x vs. 437x ägen) und fu.hol (keinmal vs. 122 fugol/-al/-eD.

/. ß. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Dritte Stufe

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zusammen, das im Spätme. zumeist schwand, in manchen Fällen jedoch durch stärkere Konsonanten ersetzt wurde (s.u.). D r i t t e Stufe Die d r i t t e Stufe der Aufgabe von /h/ betraf zum ersten Mal /h/ im Anlaut akzentuierter Silben, n ä m l i c h /h-/ in präkonsonantischer Position vor /n, l, r/, das durchgängig durch Schwächung und Schwund beseitigt wurde. Diese Entwicklung, die sich in nordengl. Texten schon im Frühae. in vereinzelten - und -Schreibungen angedeutet hatte, erfaßte im 11. Jahrhundert alle Dialektgebiete und war im späten 13. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen. Die letzten Schreibungen stammen aus dem Kent, des M.Jahrhunderts; 2 9 vgl. ae. hnutu 'Nuß', hnecca 'Nacken' - me./ne. nut, neck; ae. /öcf'laut 1 , hläford'Herr' - me./ne. loud, lord; ae. hreefn 'Rabe', bring 'Ring' - me./ne. raven, ring. Die Beschreibung und Deutung dieser E n t w i c k l u n g , deren Ausgangspunkt (die Anlautgruppen /hn-, hl-, hr-/) und Endpunkt ( s t i m m h a f t e /n-, l-, r - / ) u n u m s t r i t t e n sind, hat in den vergangenen 100 Jahren viel A u f merksamkeit auf sich gezogen. Drei Fragen sind dabei besonders eingehend diskutiert worden: 1. Die Frage nach der Aussprache von im Ae. und Fruhme., n ä m l i c h als Lautfolgen von Hauchlaut und Sonorant oder als stimmlose [n, l, r ]. 2. Die Frage nach dem phonologischen Status - als biphonematische Konsonantengruppen oder als Einzelphoneme. 3. Die Frage nach der relativen Chronologie der Vereinfachung von /hn-, hl-, hr-/ zu /n-, l-, r-/ oder auch - insbesondere im Falle der Deutung als stimmlose Einzelphoneme - nach der relativen Chronologie des Zusammenfalls von /n, l, / m j t den alten, s t i m m h a f t e n /n, l, r/. 29

Zur ae. und me. Textevidenz vgl. insbesondere Lulck (1914-40: S 704), der sich auf zahlreiche ältere Einzelstudlen bezieht, und Harris (1954: 50-56, 20 -215), der umfangreiche eigene Untersuchungen an.ae. und me. Texten vorgenommen hat. Für meine Untersuchung der Lindisfarne-Glosse vgl. unten (Anm. 34). Die Ansicht von Lulck, daß die - Schreibungen aus dem Frz. Ins Engl. gekommen seien (vgl. das Zitat unten in Anm. 3 ), 1st nicht haltbar, da solche Schreibungen sporadisch schon In ae. Texten auftreten; die früheste stammt aus dem 8. Jahrhundert (Ep. Gl. -rhingae).

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Kapitel l. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

W i c h t i g für die Argumentation war dabei immer die (später einsetzende) V e r e i n f a c h u n g von /h-/ vor dem Halbvokal /w/, die im StE. und in den D i a l e k t e n Süd-, M i t t e l - und t e i l w e i s e auch N o r d e n g l a n d s entsprechend im Z u s a m m e n f a l l von ae. /hw-/ und /w-/ resultierte, wohingegen die ü b r i g e n n o r d e n g l . Dialekte, das schott. und ir. Engl. und die meisten Varianten des am. Engl. witch und which bis heute unterscheiden. 3 0 Die Frage nach der Aussprache von ae. wurde bereits von Henry Sweet und Eduard Sievers gestellt. Sievers äußerte schon in der ersten A u f l a g e seiner Angelsächsischen Grammatik die Vermutung, daß "die Verbindungen hl, hr, hn, hw... v i e l l e i c h t nur als tonlose /, r, n, w a u f z u f a s s e n sind ( w i e engl. whY (Sievers 1882: § 217; ganz ä h n l i c h auch noch Sievers - Brunner 1965: § 217); Sweet schloß sich dieser Meinung in der zweiten Auflage seiner History of English Sounds an (Sweet 1888: 135). 31 Karl Brunner versuchte Sievers' Annahme durch Evidenz aus der ae. a l l i t e r i e r e n d e n Dichtung zu stützen. Seinen Untersuchungen z u f o l g e a l l i t e r i e r t h- in den älteren Dichtungen u n a b h ä n g i g von dem ihm folgenden Laut, in jüngeren D i c h t u n g e n (z.B. Judith) dagegen a l l i t e r i e r e n hn-, hl-, hr-, hw- nicht mehr mit präv o k a l i s c h e m h- und auch n i c h t mehr u n t e r e i n a n d e r , sondern nur noch mit sich selbst, und im 1 1 . Jahrhundert f i n d e t sich v e r e i n z e l t bereits A l l i t e r a t i o n von hr- mit r-, hw- mit w- u s w . (Sievers - Brunner 1965: § 217 A2, so auch schon in der 2. A u f l . von 1951).32 Harris (1954: 53) w i d e r l e g t e B r u n n e r s B e h a u p t u n g e n mit eigenen U n t e r s u c h u n g e n eines beträchtlichen Teils der ae. Dichtung. Er kam zu dem Ergebnis, daß "during the whole Old E n g l i s h period, the orthographical clusters regul a r l y a l l i t e r a t e w i t h simple i n i t i a l h- (that is, h- before vowels) and 30

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Vgl. W e l l s 1982: 229 f. Für eine ausführliche Darstellung des /h/-5chwunds vor /w/, für den erste Anzeichen ebenfalls schon Im Ae. festzustellen sind, vgl. weiter unten. Sweets Bemerkung, "It is q u i t e possible that the OE hr, hi, hw, hn were really simple ... voiceless sounds", ist sehr wahrscheinlich dem E i n f l u ß von Sievers zuzuschreiben, dessen Bedeutung für die stark überarbeitete 2. Aufl. der History of English Sounds von Sweet im Vorwort (S. x t l ) ausdrücklich erwähnt wird. Schon in der 1. Aufl. von 1874 hatte Sweet allerdings die Ansicht vertreten, daß aus den "compound h-r etc." im Spätae. und Frühme. stimmlose Einzellaute entstanden seien und daß dann erst später "a l e v e l l i n g of the voiceless lh under the voiced /" [usw.] s t a t t f a n d (Sweet 1874: 76). Aus Brunners Anmerkung geht nicht hervor, ob diese Feststellungen, die er nur mit zwei Beispielen für Alliteration von /hr-/ und /r-/ sowie /hw-/ und /w-/ In der alliterierenden Prosa von A e l f r i c aus dem frühen 11. Jahrhundert (die Harris für nicht beweiskräftig hält) belegt, auf gründlichen Untersuchungen eines größeren Textkorpus basleren.

/. 5. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Dritte Stufe

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not w i t h i n i t i a l n-, /-, and r-". Mit Bezug auf die Jucf/frt-Dichtung gab er Brunner a l l e r d i n g s teilweise recht (Harris 1954: 53 Anm. 2): "in this poem, the clusters a l l i t e r a t e d w i t h each other, and, indeed, there seemed to be a tendency for each cluster to alliterate w i t h itself"; eine entsprechende Regel ohne Ausnahmen, wie sie Brunners Aussage vermuten läßt, gab es a l l e r d i n g s nicht, wie Harris mit Gegenbeispielen belegen konnte. Harris h i e l t die Alliterationsevidenz mit Bezug auf die Frage der Aussprache f ü r l e t z t l i c h nicht b e w e i s k r ä f t i g und beschränkte sich auf die Feststellung, daß bei weitgehender Bewahrung des Unterschieds zwischen /hn-, hl-, hr-/ und /n-, l-, r-/ "the phonetic character of the former had changed somewhat. Perhaps the [h]-sound had been weakened - the aspiration softened - in this position. Or perhaps the three clusters were now pronounced as voiceless sonorants [1, n, r ]" ( H a r r i s 1954: 54). Bisher nicht beachtete paläographische Evidenz zur Aussprache von ae. < h n - , hl-, hr-> bietet die spätnordh. G l o s s i e r u n g der l i n d i s f a r n e Gospels ( M i t t e 10. Jahrhundert). Sie enthält neben v i e l e n t r a d i t i o n e l l e n Schreibungen mit , sporadischen nachträglichen < h > - E i n f ü g u n g e n von gleicher Hand und gelegentlichen -losen Schreibungen und unetymologischen -Anfügungen auch 53 Belege, in denen in silbenanlautender Position statt eines ein aus der grch. Schrift übernommenes frühes Zeichen f ü r den Spiritus asper verwendet wird, das der linken H ä l f t e eines großen Hs gleicht ("h"). 33 Dieses Sonderzeichen verwendete der Glossator vor allem f ü r /h-/ vor /n, l, r/ und unetymologisch vor silbenanlautendem /n, l, r/ (insgesamt 45x), außerdem vereinzelt f ü r prävokalisches /h-/ in verschiedenen weniger günstigen Positionen und unetymologisch vor Vokal im Phrasenanlaut. 3 4 Offenbar sah er gerade 33 Auf die gelegentliche Verwendung dieses 1n anderen Hss. mit ae. Texten offenbar nicht vorkommenden Zeichens (1n Ker 1957 w i r d es nicht erwähnt) anstelle von In der Llndisfarne-Glosse hat mich dankenswerterweise Professor Eric G. Stanley (Oxford) aufmerksam gemacht, der In seiner zusammen mit A. S. C. Ross verfaßten Beschreibung der von dem Glossator Aldred verwendeten Buchstabenformen von etwas über vierzig Belegen berichtet, In denen dieses Zeichen über der Zeilenllnle eingetragen steht, und von ungefähr zehn Fällen, In denen es bis zur Zellenlinie reicht und erheblich größer ausgeführt 1st (Ross - Stanley 1960: 14); die Beschränkung auf die sllbenanlautende Position wird dort nicht erwähnt. Zur Verwendung dieses Zeichens In verschiedenen lat, Hss. des 9.-11. Jahrhunderts (darunter auch einigen In England entstandenen) vgl. Thompson 1912: 64, Bischoff 1986: 11 , 165 und Berschln 19 : 30, 289. 34 So etwa In akzentuierten Silben zwischen Vokalen wie In be ^oflic 'notwendig', Im Wortanlaut In unakzentulerten Silben wie In ^undneontig'90' (für entsprechende lose Schreibungen 1n der gleichen Hs. vgl. unten Anm. 112) oder unetymologisch 1m ab-

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

/h-/ in präsonorantischer Position nicht mehr als v o l l w e r t i g e n Konsonanten an und w o l l t e mit dem sp/r/tus-asper-Zeichen v e r m u t l i c h eine leichte Präaspiration der nachfolgenden Sonoranten anzeigen. Diese Evidenz aus den L i n d i s f a r n e Gospels läßt sich mit der A l l i t e r a tionsevidenz der Jutf/i/)-Dichtung in E i n k l a n g bringen, die d i a l e k t a l und ' z e i t l i c h d e m spätnordh. Glossentext v e r m u t l i c h n i c h t a l l z u f e r n steht. 3 5 Ein sehr schwacher präsonorantischer /h/-Laut ist f ü r die späteren nördl. Dialekte des Ae. durchaus als Teil von A l l i t e r a t i o n s e i n heiten vorstellbar, die sowohl von prävokalischem /h-/ wie von den alten a n l a u t e n d e n /n, l, r/ verschieden waren. 36 Für die nördl. Dialekte der spätae. Zeit wäre somit für die aus germ, /xn-, xl-, xr-/ hervorgegangenen A n l a u t g r u p p e n in a k z e n t u i e r t e n Silben 3 7 eine Aussprache vorstellbar, bei der /h-/ nur noch als leichte Präaspiration der folgenden, a s s i m i l a t o r i s c h v i e l l e i c h t p a r t i e l l stimmlosen /n, l, r/ wahrgenommen wurde und bei der die Anlautgruppen kaum noch als solche zu erkennen waren. Bei noch weitergehender Schwächung des /h-/ d ü r f t e es dann v i e l f a c h nicht mehr als Präaspiration, sondern als bloße Aspir a t i o n der Sonoranten a u f g e f a ß t worden sein, was v e r m u t l i c h zur Durchsetzung der < n h , 1h, rh>-Schreibung im Fruhme. führte. 3 8 Damit soluten Anlaut wie In ^aelc für aelc 'jeder'. Im einzigen Beleg für T" für /h-/ vor /w/ (hw&t 'was') 1st das Zeichen vom Glossator nachträglich sorgfältig zu /h/ korrigiert worden. Präsonorantisch stehen "K1 und "'"" 4x vor , 17x vor und 24x vor < r > . Eine ausführliche Beschreibung und Bewertung des Belegmaterials unter Einbeziehung von nachträglichen -Rasuren und -Einfügungen und unetymologfschen «^-Anfügungen soll gesondert an anderer Stelle veröffentlich werden. 35 Dialekt und Entstehungszelt der In der spätws. Beowulf-Hs. überlieferten Judith sind bis heute umstritten, doch wahrscheinlich handelt es sich bei der überlieferten Fassung um die spätws. Umschrift eines aus dem 10. Jahrhundert stammenden angl. Originals; vgl. Wenlsch 1982. 36 AUS der Beobachtung, daß im Judith-Epos hn-, hl-, hr- mit sich selbst und nicht mehr uneingeschränkt untereinander und mit prävokallschem h- alliterieren, muß selbstverständlich nicht geschlossen werden, daß diese Anlautgruppen zur Entstehungszelt dieser Dichtung bereits zu Einzellauten geworden waren, wie das Beispiel der Anlautgruppenalllteratlon von sp-, st-, sc- zeigt; zur Sonderstellung der /s/ + Ploslvgruppen vgl. unten Kap. IV. A. 2. 37 Unter Sekundärakzent, In Zweltglledern von Komposlta, war die Schwächung von /h-/ Im Ae. wahrscheinlich schon ausgeprägter (vgl. Sievers - Brunner 1965: S 217 und die Belege In Harris 1954: 208 f.). 38 Nach Lulck (1914-40: § 704) sind "diese Verbindungen schon f r ü h zu einem durch die r-, /-, -Stellung geführten Hauch, also zu stimmlosem r, l, n geworden ... Den stimmlosen Laut deuten wohl die frühmlttelengllschen, unter französischem Einfluß entstandenen Schreibungen rh, 1h, nh an." (Zur falschen Annahme frz. Einflusses vgl. oben Anm. 29.)

/. B. Das /h/ in der engtischen Sprachgeschichte: Dritte Stufe

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wäre dann eine Aussprache ä h n l i c h der von im h e u t i g e n Isl. erreicht gewesen, die trotz der Zugänglichkeit f ü r heutige Ohren und Meßgeräte teils als stimmlose E i n z e l l a u t e , teils als Anlautgruppen bewertet werden. 39 Ä h n l i c h u m s t r i t t e n wie die Aussprache von im Spätae. und < n h - , 1h-, rh-> im Frühme. ist ihr phonologischer Status. Schon in vorstrukturalistischen Darstellungen wurde die Ansicht vertreten, daß diese Zeichenfolgen f ü r Einzellaute standen, die von germ, /n, l, r/ verschieden waren. 4 0 Campbell (1959: §§ 50, 461) und Fisiak (1968b: 7) werteten die spätae. Entsprechungen von germ, /xn, xl, xr/ explizit als /n, l, r / mit Stimmtonkontrast zu /n, l, r/. 4 1 Auch H a r r i s (1954: 54), der sich b e z ü g l i c h der Aussprache n i c h t festlegte, sprach von einer "late Old E n g l i s h 'phonemic d i s t i n c t i o n between h i s t o r i c a l /hn, hi, hr/ and single /n, 1, r/". Pilch (1970: 66 f.) hingegen vertrat die Ansicht, daß eine Wertung als Konsonantengruppen der phonologischen und phonotaktischen Gesamtstruktur des Ae. besser entspreche. 42 In der vorliegenden Darstellung wird der Schwund von /h-/ vor /n, l, r/ als eine Etappe in der Gesamtentwicklung von engl. /h/ vom Frühae. bis zum Ne. gesehen, bei der der Zeitpunkt der Aufgabe von /h/ von seiner phonotaktischen Position bestimmt war. Dabei wird für jede Stufe des /h/-Schwunds eine Phase angenommen, in der der fortschreitend geschwächte Hauchlaut in seiner Lautumgebung a u f g i n g und dabei in einigen Fällen die Q u a l i t ä t oder Quantität der Nachbarlaute zeitweise 39 Auf das Isl. hatte sich In der Frage der Aussprache von ae. und. auch schon Sweet (1874: 75) bezogen, der die Ansicht vertrat, daß im Isl. "the combinations have been s i m p l i f i e d into rh, Ih, wh, nh, which are nothing else but the breath sounds corresponding to r, I, w, n, respectively." Für die Bewertung der neuisl. Entsprechungen zu germ, / / + / , 1, r/ als stimmlose E i n z e l l a u t e vgl. Kreß 1936: SS 66, 81, 86, 1963: § 39, für die Bewertung als Anlautgruppen Haugen 1958: 59 f.; beide Autoren beziehen sich ausführlich auf phonetische Beschreibungen. Vgl. auch Petursson .1978: 63. 40 Nach Lulcks Ansicht z.B. "stellen sie einen r-, l-, -Klang dar, der sich Irgendwie von dem gewöhnlichen Laut für dieses Schriftzeichen unterschied" (1914-40: S 704). 41 Zu Flslaks Begründung dieser Entscheidung, die er in abgewandelter Form auch auf die Anlautgruppen /wl-, wr-/ anwandte, vgl. unten kap. IV. 42 Das von Pilch verwendete Zeichen /x/ für In ae. Anlautgruppen scheint mir allerdings bei der anzunehmenden Realisation als schwacher Hauchlaut, der noch 1m Ae. zu schwinden begann, etwas unglücklich, zumal prävokalisches /h-/ von Pilch (1970: 55 u.ö.) m i t /h/ bezeichnet wird. Moulton (1954: 24-29) und Kühn (1970: 31-35) diskutieren diese Frage 1n Ihren Ausführungen über ae../h/ nicht, nehmen also wohl wie Pilch an, daß ae. Anlautgruppen wiedergaben.

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

( w i e h i e r ) oder auch auf Dauer veränderte. 4 3 Für das Verständnis der Gesamtentwicklung von engl. /h/ (und auch f ü r das der Gesamtentwicklung der silbenanlautenden Konsonantengruppen) w i r d es sich, wie im weiteren V e r l a u f dieses Kapitels sowie unten in Kap. IV. B d e u t l i c h werden soll, als sinnvoll erweisen, die l a u t l i c h e n Entsprechungen von "spätae. und auch von frühme. < n h - , 1h-, rh-> als A n l a u t gruppen mit sehr geschwächtem /h-/ anzusehen. Die Frage der relativen Chronologie des /h/-Schwunds vor /n/, /!/ und /r/ ist mehrfach gestellt, aber nicht geklärt worden. Die von Luick (1914-40: § 704 A I ) zusammengetragenen Ergebnisse älterer Untersuchungen von Texten des 11.-14. Jahrhunderts und die von Harris (1954: 50-56, 208-215) zusätzlich angestellten E r m i t t l u n g e n zeigen zwar die z e i t l i c h e Erstreckung (879.-14. Jahrhundert) 4 4 und den d i a l e k t a l unt e r s c h i e d l i c h e n z e i t l i c h e n Ablauf des /h/-Schwunds vor /n, l, r/ im Kopf akzentuierter Silben ( f r ü h e s t e Anzeichen in nördl. Texten, letzte -Schreibungen in kent. Texten), und sie machen überdies deutlich, daß der /h/-5chwund vor /w/ während dieses gesamten Zeitraums sich zwar ebenfalls andeutete, aber wesentlich schwächer ausgeprägt 4 5 und im 14. Jahrhundert in a l l e n engl. Dialekten noch n i c h t 43 Dies wird offenbar bei Insgesamt fünf der hier beschriebenen acht Stufen der Aufgabe von /h/: Bei der 1. Stufe (1m Wortinneren In stimmhafter Umgebung) als Ersatzdehnung vorausgehender akzentuierter kurzvokale, bei der 5. Stufe (1n der Coda akzentuierter Silben 1m stimmloser Umgebung oder Im Wortauslaut) als q u a l i t a t i v d i f f e r e n z i e r t e Ersatzdehnung bzw. Diphthongierung der vorausgehenden Vokale, bei der hier besprochenen 3. Stufe (Im Kopf akzentuierter Silben vor /n, l, r/) als vorübergehende M o d i f i z i e r u n g der nachfolgenden Sonoranten, bei der 6. Stufe (1m köpf akzentuierter Silben vor /w/) als dialektal teilweise bis heute bewahrte Modifizierung des nachfolgenden /w/ und bei der 7. Stufe (Im Kopf akzentuierter Silben vor /j/) als dialektal teilweise eingetretene Modifizierung des nachfolgenden /j/; für Einzelheiten vgl. die entsprechenden Abschnitte dieses Kapitels. 44 Ein Gutteil der von Harris (1954: 208 f.) und Sievers - Brunner (1965: § 217) angeführten frühen - und -Schre1bungen stehen für etymologisches /hn-/ Im Wortinneren In stimmhafter Umgebung und Im Zweitglled von Komposlta, d.h. in Positionen, für die früherer /h/-5chwund angenommen werden kann als für /hn-/ 1m Wort- und Phrasenanlaut. 45 Dies geht aus den Erhebungen von Luick (1914-40: S 704 A I ) und Harris (1954: 208-215) und auch aus der von mir festgestellten Beschränkung des spiri t us -asperZeichens auf /h-/ vor /n, l, r/ In den Llndlsfarne-Glossen (vgl. oben Anm. 34) recht klar hervor. Besonders deutlich wird die gegenüber der Vereinfachung von /hn-, hl-, hr-/ verzögerte Entwicklung von /hw-/ > /w-/ In den Hss. des späten 12. und des 13. Jahrhunderts, In denen nur noch selten neben zu finden sind, wohingegen für ae. /hw-/ und im Norden auch u.a. stehen kann. Bei näherer Betrachtung der von Harris angeführten, recht zahlreichen Belege für

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Dritte Stufe

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abgeschlossen war. Eine relative Chronologie für den /h/-Schwund vor /n/, /!/ und /r/ läßt sich aus diesen Untersuchungen jedoch n i c h t ablesen, 46 Dies l i e g t zum Teil an den Materialerhebungen selbst, von denen einige nur das Auftreten oder N i c h t a u f t r e t e n bestimmter Schreibungen in einem Text feststellen, 4 7 andere zwar Zahlen f ü r eine bestimmte Schreibung nennen, diese aber nicht in Relation zu älteren oder jüngeren Schreibweisen setzen; 4 8 d a r ü b e r h i n a u s unterscheiden sie nicht z w i wird auch deutlich, daß /h/-Schwund vor /w/, anders als der vor /n, l, r/, Im Ae. und Frühme. noch auf phonotaktlsch weniger günstige Positionen beschränkt war, denn bei diesen Belegen handelt es sich ausschließlich um Funktionswörter wie (for / to) hwon 'warum 1 , hwanon 'woher', hwxöer Ob', hwasnne 'wenn' und um P r ä f i x b i l dungen und Zweitglleder von Komposlta - was bisher unbemerkt geblieben ist. Natürlich kommt es auch nicht von ungefähr, daß die ne. Orthographie, die im wesentlichen den spätme. Lautstand widerspiegelt, zwar , aber nicht kennt. Die Ansichten von Luick und Jordan - Crook (1974: § 195), daß die Schreibung < w h > auf frz. E i n f l u ß zurückzuführen sei, und von Scragg (1974: 31), daß erst Orrm diese Schreibweise eingeführt habe, sind angesichts gelegentlicher -Schre1bungen in ae. Hss. (die Microfiche Concordance verzeichnet Insgesamt 49) nicht haltbar. 4 6 Die Schreibung der spätws. Aldhelm-Glossen läßt, wie von Goossens (1969) sehr sorgfältig und differenziert dargelegt worden 1st (vgl. auch L. Goossens 1974: 119 f., Schlemllch 1914: 51, Luick 1914-40: § 704 A I , Derolez 1989: 98 f.), auf eine gegenüber den übrigen drei /h/-Anlautgruppen deutlich weiter reichende Vereinfachung von /hr-/ schließen. Auf eine entsprechende Beleglage im ebenfalls spätws. Apollonius ließen Hinweise von Schlemilch (1914: 51) und H a r r i s (1954: 210) schließen, und m e i n e Überprüfung anhand der Microfiche Concordance hat dies auch bestätigt: Für /hr-/ steht In der Apollonius-Hs. durchgängig < r - > ( , in ring, reow-, rä?tf-) und andererseits für /hl-/ immer (14x, in hläefdige, behlaestan, hläford, hWde) und für /hn-/ ( I x hnecca). Vergleichswelse viele -lose Formen für /hr-/ verzeichnet Harris (1954: 210 f.) auch noch für die Hss. T und F der ebenfalls spätws. Prosa-Benediktinerregel. Andere spätws. Texte, z.B. Aelfrlcs Grammatik, sowie die nlchtws. Texte bieten, nach den Angaben von Luick und Harris zu urteilen, jedoch keine derartig einseitigen Befunde. 47 Dies g i l t für viele der von Luick (1914-40: S 704 A I ) und Harris (1954: 208-215) angeführten Texte. 48 Mit Ausnahme von Goossens 1969 und einigen wenigen der von Luick (1914-40: S 704 A I ) herangezogenen Arbeiten. Einen vermutlich irreführenden Eindruck vermitteln auf diese Weise diejenigen Erhebungen, die für die Vereinfachung von /hl-, hr-/ für bestimmte Texte hohe Belegzahlen nennen, für die Vereinfachung von /hn-, hw-/ dagegen gar keine oder sehr niedrige Zahlen, denn aus derartigen Befunden 1st wohl nicht zu schließen, daß die Vereinfachung von /hn-/ ähnlich spät eintrat wie die von /hw-/; vielmehr dürfte die geringe Zahl der frühme. -Schre1bungen für ae. /hn-/ darauf zurückzuführen sein, daß diese Anlautgruppe im ae. Lexikon und auch im laufenden ae. Text sehr viel seltener vertreten war als /hl-, hr-/ oder gar /hw-/; vgl. dazu die Zahlen unten In Anm. 50.

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

sehen dem A u f t r e t e n neuer, Schwächung oder Schwund von /h-/ anzeigenden Schreibungen im W o r t a n l a u t und im W o r t i n l a u t in s t i m m h a f t e r Umgebung, unter Primär- und Sekundärakzent in Komposita, und in satzbetonter und satzunbetonter Position. 4 9 S c h w i e r i g k e i t e n ergeben sich aber auch aus der Tatsache, daß die /h/-Anlautgruppen im ae. Lexikon q u a l i t a t i v und q u a n t i t a t i v sehr verschieden vertreten sind, /hn-/ kommt in vergleichsweise wenigen und nicht sonderlich h ä u f i g belegten Wörtern vor, /hl-/ ist erheblich häufiger und in einigen sehr gebräuchlichen Wörtern belegt, /hr-/ etwa g l e i c h h ä u f i g wie /hl-/, aber auf einen größeren l e x i k a l i s c h e n Bereich v e r t e i l t ; /hw-/ t r i t t a u f g r u n d seiner Verwendung in einigen interrogativen Pronomina und davon abgeleiteten Adverbien und Konjunktionen im Ae. um ein V i e l f a c h e s h ä u f i ger auf als die übrigen drei /h/-Anlautgruppen. 5 0 Bei den bisherigen Erhebungen ist dies n i c h t beachtet worden. Eine neue, genauere Untersuchung ae. und frühme. Texte wäre jedoch, solange z.B. das ae. Belegm a t e r i a l nur in der u n l e m m a t i s i e r t e n Microfiche Concordance weitgehend v o l l s t ä n d i g erfaßt ist, äußerst aufwendig, da v i e l f a c h mit Homographie gerechnet werden muß. 51 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte man sich deshalb mit der Feststellung z u f r i e d e n geben, daß /h-/ vor /n,

49

Nur in Goossens 1969 werden diese verschiedenen phonotaktlschen Positionen bei der Diskussion des Belegmaterials differenzierend berücksichtigt. Wie schon oben In Anm. 44 erwähnt, finden sich unter den ganz frühen Belegen für auffallend viele, in denen die Anlautgruppen In den weniger günstigen Positionen stehen. Die Berücksichtigung der Stellung Im Satznebenton wäre bei den auf /hw-/ anlautenden Funktionswörtern besonders wichtig (vgl. dazu oben Anm. 45). 50 Dies verdeutlichen die folgenden Zahlen: fype-Zählung nach dem Concise Anglo-Saxon Dictionary (Clark Hall - Meritt 1969), das auch Präfixbildungen mit ge- einschließt und die Stammformen starker Verben als separate Einträge verzeichnet; to/cen-Zählung nach der Microfiche Concordance (einschließlich der "high frequency words"), nur die Belege für den Wortanlaut.



51

type

token

60 278 365 242

441 5256 5225 17412

fype/to/cen-Verhaltnis 1 1 1 1

: 7 : 19 : 14 : 72

Besonders hohe Belegzahlen für verzeichnet die Microfiche Concordance für Formen von /är Brot, Laib; Hostie 1 und /äforcTHerr' (jeweils weit über 1000 Belege). Etwa bei läf 'Rest und -losen Formen von hläf 'Laib' oder bei Flexionsformen von willan 'wollen' (bes. wile, wilon) und -losen Belegen für die vielfach adverblell gebrauchten Dativformen von hwil 'Zelt'.

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Vierte Stufe

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l, r/ wohl w e i t g e h e n d g l e i c h z e i t i g 5 2 und ganz sicher früher als vor /w/ geschwunden sei. V i e r t e Stufe Die vierte Stufe der Aufgabe von /h/, die sich durchgängig als /h/Schwund m a n i f e s t i e r t e , betraf prävokalisches /h/ im Anlaut satzunbetonter, zumeist e i n s i l b i g e r Wörter, insbesondere in den mit /h/ anlautenden Formen des Personalpronomens und a l l e n Formen des A u x i l i a r s have(n). Der /h/-Schwund in dieser Position begann im Norden wohl schon im 10. Jahrhundert, 5 3 im Süden im späteren 12. Jahrhundert. Er schlug sich in z a h l r e i c h e n -losen Schreibungen wie e/a für he, er/ ar fur her, it f ü r älteres hit, an f ü r han usw. n i e d e r und umgekehrt in unetymologischen -Anfügungen. Die -losen Schreibformen konnten sich hier jedoch in der Orthographie nicht durchsetzen, da die etymologische Schreibung durch die a k z e n t u i e r t e n Formen gestützt wurde. 54 Eine Ausnahme machte l e d i g l i c h die fast immer satzunbetonte neutrale Form des Personalpronomens. Bei diesem einen Wort setzte sich die Schreibung und Aussprache der s a t z u n b e t o n t e n R e d u k t i o n s f o r m durch, die heute sogar in satzakzentuierter Position verwendet wird; vgl. that's it!, aber that's him/her. L e d i g l i c h das schott. Englisch hat /h-/ in solchen Kontexten auch bei der n e u t r a l e n Form bewahrt. 55 Die me. Schreibung dieser einen Pronominalform gibt über den Schwund von 52 Wie sich dieser Befund mit der Beobachtung vereinbaren läßt, daß bei anderen, später vereinfachten engl. Anlautgruppen die Vereinfachung umso früher eintrat, je ungünstiger die Stärkerelation zwischen den beteiligten Konsonanten 1st, soll unten In Kap. IV. B diskutiert werden. 53 Auf Schwächung von anlautendem /h/ 1m Satznebenton schon In ae. Zeit deuten sporadische Schreibungen ohne und unetymologische -Anfügungen In verschiedenen ae. Hss. Auffallend häufig sind sie 1n den beiden merz./nordh. Interllnearglosslerungen von der Mitte des 10. Jahrhunderts (L1nd1sfarne, Rushworth). Scragg (1970: 185) bemerkt hierzu: "As In so many other respects, the tenth century Northumbrian documents seem to show far more affinity 1n their language with texts of a much later period, than with contemporary MSS from the South." Ansonsten treten diese Schreibungsschwankungen erst In den Texten des frühen 13. Jahrhunderts auf; vgl. hierzu insbesondere McKnight 1899: 305-311 und van Langenhove 1923: 18-20. 54 Eine solche Stützung der etymologischen Schreibung durch die akzentuierten Formen konnte auch schon beim spätae. /h/-Schwund In der Coda einsilbiger Wörter Im Satznebenton beobachtet werden (vgl. oben, Anm. 22 f.). 55 Vgl. OED s.v. it und SND s.v. hit und "Introd.", S 72.

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

/h-/ in satzunbetonten Wörtern am zuverlässigsten Auskunft. In Nordengland schwand /h-/ in dieser Position besonders früh: Orrrn schrieb im späten 12. Jahrhundert bereits konsistent itt (Jordan - Crook 1974: § 195). Im Spätme. ist die Regelform in den Texten des Nordens und des östl. M i t t e l l a n d e s -los, und diese Form t r i t t auch in zahlreichen Texten des übrigen Sprachgebiets zumindest als Nebenform auf; die Form mit < h > f i n d e t sich vorwiegend im westl. M i t t e l l a n d und im Süden, London liegt an der Dialektgrenze. 5 6 Bei a l l e n übrigen F u n k t i o n s w ö r t e r n mit anlautendem /h/ ist es im StE. und vielen anderen V a r i a n t e n des Engl. bis heute n i c h t zu einem v ö l l i g e n Schwund von /h-/ in u n a k z e n t u i e r t e r Position gekommen, und zwar insbesondere dann nicht, wenn die A r t i k u l a t i o n und Wahrnehmbarkeit des schwachen Frikativs durch suprasyllabische begünstigende Bedingungen wie Stellung im absoluten Anlaut oder besonders langsames Sprechtempo u n t e r s t u t z t w i r d . Umgekehrt ist f ü r das Spätae. und Me. anzunehmen, daß /h/-5chwund im A n l a u t s a t z n e b e n t o n i g e r Wörter besonders umfassend und f r ü h e i n t r a t , wenn die A r t i k u l a t i o n oder Wahrn e h m b a r k e i t von /h-/ durch besonders schnelles Sprechtempo oder durch die segmentale Struktur der u n m i t t e l b a r vorausgehenden Silbe erschwert wurde. So deutete Luick (1914-40: § 716.1) darauf h i n , daß / h / - V e r l u s t b e i P r o n o m i n a l f o r m e n besonders h ä u f i g dann e i n t r a t , "wenn sie sich an vorausgehende starke Wörter anlehnten", wie z.B. bei (h)im in held im, wex im57 Hier wurde schwachtoniges /h-/ von den d e u t l i c h stärkeren Codakonsonanten der vorausgehenden Silbe durch R e s y l l a b i f i z i e r u n g in der Phrase aus der S i l b e n k o p f p o s i t i o n verdrängt. 5 8 Mit fortschreitender Schwächung von satznebentonigem /h-/ 56

Einen Überblick über die V e r t e i l u n g der Formen 1n Texten von 1350-1450 bietet der spätme. Dialektatlas (Mclntosh et a/. 1986); f ü r Übersichtskarten vgl. Bd. l, 310 f. (Karten 24, 25), für die Verteilung der Formen in den einzelnen Texten (nach Grafschaften geordnet) Bd. II. 57 Die zusätzlich schwächende oder aber stärkende Wirkung solcher Faktoren hatte auch bei der neutralen Form zunächst zu entsprechend schwankender Schreibung und Aussprache geführt, wie spätme. Belege aus Texten von Caxton und Malory zeigen (vgl. Jespersen 1909: 60), bis es dann - außer im Schott. - zur Verallgemeinerung der vokalisch anlautenden Form kam. Zur Verwendung der /h/-losen Schwachtonformen bei Funktionswörtern im StE. vgl. Arnold - Hansen 1975: 194-201 und Gimson 1989: 265-269. 58 Im Wortinneren waren derartig ungünstige Sllbenkontakte zwischen einem starken Codakonsonanten einer akzentuierten Silbe und /h-/ der nachfolgenden unakzentulerten Silbe immer wieder durch Komposition entstanden und schon seit der frühesten Zeit durch Verschiebung der Silbengrenze und /h/-Schwund bei der Unlverbierung dieser Komposita beseitigt worden; vgl. oben Anm. 11 für Beispiele aus dem Ae. Bei einem Teil

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Fünfte Stufe

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trat /h/-Schwund dann später aber auch unter günstigeren Silbenkontaktbedingungen ein, n ä m l i c h bei vorausgehender offener Silbe. 59 Fünfte Stufe Die f ü n f t e Stufe der Aufgabe von /h/ betraf /h/ in der Coda a k z e n t u i e r ter Silben. Diese Stufe läßt sich f ü r die südhumbr. Dialekte auf das späte 14.-167 17. Jahrhundert d a t i e r e n , f ü r die nördl. auf das 15.-19. Jahrhundert; in den schott. Dialekten ist /h/ in dieser Position bis heute erhalten. 6 0 Von dieser Stufe der / h / - A u f g a b e war, wie weiter oben beder erst im Spätme. b e t r o f f e n e n Komposita wurde /h-/ durch spelling pronunciation r e s t i t u i e r t ; vgt. forehead /'fond, To:.hed/, falsehood /'fül.sud, 'fo:ls.hud/; regelmäßig geschwunden ist /h-/ in Ortsnamen auf -harn (Luick 1914-40: S 778. 1; Dobson 1968: II, S 426). Auch Luick (1914-40: §§ 716.1, 778.1) sah die R e s y l l a b i f i z i e r u n g In der Phrase als Ausweitung eines Vorgangs, der in lexikalisierten Komposita schon seit vorae. Zeit immer wieder zu /h/-Schwund geführt hatte. 59 Dies gilt im StE. zumindest für normales bis schnelles Sprechtempo: See her tomorrow 60

Detaillierte Darstellungen dieses Vorgangs bieten Jespersen 1909: 2 4-2 9, L u i c k 1914-40: §§ 768 f., Ekselius 1940, Berndt 1960: 173-176, Brunner 1960: 388390, Jordan -Crook 1974: §§ 196-198, 294 f. sowie, mit Beschränkung auf das Frühne., Hörn - Lehnert 1954: 849-863 und Dobson 1968: II, § 424. Zur ne. D i a l e k t s i t u a t i o n vgl. W r i g h t 1905: §§ 358-360 und Wells 1982: 189-191, 408. In den meisten Darstellungen der engl. Sprachgeschichte und Grammatiken des Ae. und Me. w i r d durch die Verwendung unterschiedlicher Zeichen für /h/ im Kopf ("h") und in der Coda (" "; nur Jordan - Crook 1974 verwendet durchgängig 'h") der Eindruck erweckt, daß es sich um zwei verschiedene Phoneme des Ae. und Me. handle. E x p l i z i t wird diese Ansicht vertreten von Moulton (1954: 22, 26 f., 39-41) und Pilch (1970: 55 f.) f ü r das Ae. und von Fisiak ( 1968: 22 f., 65 f.) f ü r das Me. Für die Annahme eines einzigen Phonems /h/ mit zunehmend stärkerer allophonischer D i f f e r e n z i e r u n g sprechen folgende Argumente: (1) silbenanlautendes [h] und Coda-[x] mit seinen palatalen und velaren bis postvelaren Positionsvarianten leiten sich vom gleichen velaren Frikativ aus dem Germ. her und waren 1m Engl, zu keiner Zeit kontrastiv; Minimalpaare bekommt man wie Pilch (1970: 56, 87) nur, wenn man die ae. Positionsvarianten von germ, /g/ und /x/ auf ganz bestimmte Weise neu ordnet. Vgl. dazu die ausführliche K r i t i k von Kühn (1970: 33-35), der wie ich für das Ae. ein Phonem /h/ mit den Varianten [h; , ] a n n i m m t , desgleichen Gimson (1989: 193); siehe auch Stockwell (1958: 18). - (2) In der ae. und me. Schreibung wird zumeist nur ein einziges Zeichen, < h > , verwendet, erst im Verlauf der me. Zeit kommen für Coda-/h/ zunehmend andere Zeichen und Zeichenkombinationen In Gebrauch (vgl. unten Anm. 74); das Argument der einheitlichen Schreibung w i r d auch von Vachek (1976: 180) ins Feld g e f ü h r t . - (3) Die Aufgabe des CodaFrlkativs fügt sich In die in diesem Kapitel beschriebene Gesamtgeschichte der phonotaktisch gesteuerten, chronologisch gestuften Beseitigung eines einzigen Sprachlauts /h/ 1n verschiedenen Positionen genau ein.

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Kapitel l. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

reits angedeutet, nicht nur altes, auf germ, /x/ zurückgehendes /h/ bet r o f f e n , sondern auch die erst im späteren Ae. neu entstandenen /h/Laute aus /xx/, /k/ und /g/; 61 vgl. ae./me. miht 'Macht' [migt] > spätme. might [mi:t], ae. plög ' P f l u g ' > spätae. p]öh [ ! : ] > spätme. plough [plu:]. In a l l e n Fällen war /h/ in dieser Position 6 2 bereits lange vor der endgültigen Aufgabe geschwächt worden, d.h. es war an den vorausgehenden Vokal p a r t i e l l a s s i m i l i e r t worden; dabei entstand zwischen einem vorausgehenden Palatalvokal und der p a l a t a l e n Positionsvariante [ ] ein palataler G l e i t l a u t [i], zwischen einem Velarvokal und der velaren Pos i t i o n s v a r i a n t e [x] ein velarer G l e i t l a u t [u]. Im Zuge dieser fortschreitenden V o k a l i s i e r u n g des Frikativs 6 3 gingen aus der V e r b i n d u n g der G l e i t l a u t e mit den vorausgehenden Vokalen neue, komplexe Vokale hervor, je nach der Ö f f n u n g s g r a d d i f f e r e n z entweder verengende Diphthonge oder lange, geschlossene Monophthonge: 64 61

Aus den oben in Anm. 60 genannten Darstellungen wird dies nicht deutlich. Es ist auch nicht untersucht worden, ob die Entwicklung von Coda-/h/ aus diesen verschiedenen Quellen Hinwelse darauf enthält, ob die erst im Spätme. entstandenen neuen /h/-Laute tatsächlich mit altem /h/ aus germ, /x/ zusammengefallen waren oder ob sie bis ins Spätme. voneinander geschieden blieben; vgl. dazu unten Anm. 70. 62 Wie schon bei der ersten Stufe der Aufgabe von /h/ müssen hier eigentlich drei verschiedene phonotaktische Positionen unterschieden werden: (a) in einer komplexen Coda vor /t/: height, P.P. (y)bought, (y)thought etc.; (b) im Silbenauslaut vor /t/ der Folgesilbe: mighty, slaughter, Präterltalformen wie boughte(n), foughte(n)vor dem Schwund des unakzentuierten Vokals; (c) im Wortauslaut nach Vokal oder Liquid: high, dough, borough « ae. burh). Nach Berndt I960: 173 f., 192 f. wurde die velare Variante [x] etwas früher vor /t/ aufgegeben (14. Jahrhundert) als im Wortauslaut (15. Jahrhundert), und In der letztgenannten Position kam es auch h ä u f i g e r zu Frlkatlversatz statt zu /h/-Schwund als In der erstgenannten Position (vgl. dazu auch unten, Anm. 68). Es ist somit anzunehmen, daß die Positionsvarianten vor /t/ schwächer waren als die 1m Wortauslaut. 63 Die Entstehung von G l e i t l a u t e n vor Coda-/h/ 1st in den Handbüchern in erster Linie vom Blickpunkt des Resultats her, nämlich der Entstehung neuer Diphthonge, beschrieben worden; vgl. L u i c k 1914-40: §§ 403, 407 f., Berndt 1960: 56-59, Brunner 1960: 259 f., Jordan - Crook 1974: §S 121-129. Daß diese Gleitlaute aus der partiellen Vokalisierung von Coda-/h/ resultierten und daß ihre Entstehung somit als erstes Stadium der Aufgabe von Coda-/h/ In akzentuierten Silben aufgefaßt werden muß, wird bei dieser Sehwelse nicht hinreichend deutlich. - In den nördlichsten Dialekten (Nordschottland, Shetland- und Orkneylnseln) sowie im 1r. Engl. ist es nach Wright 1905: § 358 bis Ins 20. Jahrhundert nicht zur Entwicklung von Gleitlauten gekommen, wohl aber im Südschott., das Coda-/h/ bewahrt hatte, wo jedoch Inzwischen die palatale Variante geschwunden 1st; vgl. 5ND "Introd.", §§ 111 f.

/. ß. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Fünfte Stufe

/au/ < /ou/ < < /u:/ <
me./ne. bough /o:uh > u: ( > au)/, spätae. bohte 'kaufte' > me./ne. bought(e) /oyh > ou ( > o:)/; b ) ( V ) V h > Vvh.> Vf 68

68

und Dobson 1968: II, § 424. Lulcks Erklärung (1914-40: § 513 A3; vgl. auch Berndt 1960: 192-194) des Ersatzes von /h/ durch IM als Artlkulatlonsmlschung aus der Lippenrundung des [u] und dem stimmlosen Reibungsgeräusch des velaren Restfrlkatlvs 1st plausibel (vgl. aber auch Strevens 1965, Ladefoged 1971: 44 zur akustischen Ähnlichkeit von Labialen und Velaren), doch angesichts zahlreicher anderer und anders verlaufener Fälle von Frikativersatz In der Geschichte des Engl. wohl nicht ganz ausreichend. Lulck selbst verweist bei der Behandlung weiterer Fälle von "Spirantentausch" (S 796) auch zusätzlich auf die auditorische Ähnlichkeit der ganzen Klasse der stimmlosen FMkatlve. Zum spätae. Ersatz von /h/ durch / / 1n satzunbetontem purh vgl. oben Anm. 22, zu spätme, dial, dwerp für dwergh 'Zwerg' vgl. unten Anm. 71. Vor /ht/ wurde, wie vor allen stimmlosen konsonantengruppen, Im Me. ohnehin Jeder Vokal gekürzt. Schwieriger 1st die Erklärung für die Kürzung langer Vokale vor silbenauslautendem /-h/ wie In rough, enough( < ae. ruh, genög/genöh). Lulck (191440: S 768.3b, vgl. auch S 542) führte sie darauf zurück, daß "aus der Lautfolge ux ein langes wurde. Angesichts der allgemein akzeptierten Annahme, daß das Me. den ae. phonemischen Kontrast zwischen langen (geminderten) und kurzen Konsonanten aufgegeben hatte, 1st diese Auffassung nicht haltbar. Plausibler erscheint mir die Annahme, daß die ursprünglichen Längenkontraste bei den Vokalen vor schwindendem /-h/ aufgehoben bzw. 1n Öffnungsgradunterschiede umgesetzt wurden (vgl. die qualitativ unterschiedlichen Resultate von /e/ * /h/ und /e:/ + /h/ sowie /o/ + /h/ und /o:/ * /h/, als durch Verschmelzung dieser Vokale und der durch fortschreitende Vokallslerung von /h/ entstandenen Gleitlaute durchgängig komplexe Vokale entstanden. Solange das /h/ noch nicht völlig vokalfslert oder durch Frikativersatz zu /f/ geworden war, müssen somit vokallschere und konsonantischere Varianten von V + /h/ nebeneinander existiert haben - etwa als [Vvh] vs. [Wh] vorzustellen. Bei Ersatz des /h/ durch den stärkeren Frlkatlv / f / - der nur für die konsonantischere Variante anzunehmen 1st - wurde dann der Gleitlaut noch welter reduziert oder In die labiale Artikulation des /f/ einbezogen (vgl. oben Anm. 67), übrig blieb dann ein kurzer Vokal + /f/. Daß Lulck mit seiner Annahme der Entstehung eines "langen f" tatsächlich eine ähnliche Vorstellung von diesem Vorgang verband wie die hier dargelegte, wird an anderer Stelle (S 513. A3) sowie aus seiner früheren Behandlung dieses Problems deutlich (Lulck 1894: 490-497, vgl. bes. S.

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Fünfte Stufe

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vgl. ae. ruh 'rauh' > me./ne. rough /u:uh > uf ( > Af)/, ae. hleahtor 'Gelächter' > me./ne. laughter /auh > af ( > a:f)/. 69 Der Ersatz von /h/ durch / f / ist für solche Fälle anzunehmen, in denen das /h/ am besten und längsten bewahrt blieb. Besonders gut bewahrtes /h/ ist f ü r Aussprachevarianten von Wörtern unter phonotaktisch besonders günstigen Bedingungen zu erwarten, etwa bei besonders langsamer, s o r g f ä l t i g e r Sprechweise, unter besonderer Emphase oder in der letzten akzentuierten Silbe einer Phrase. 70 Eine gespaltene E n t w i c k l u n g wie nach Velarvokalen gab es auch nach /r/. Hier schwand das /h/, wenn sich durch p a r t i e l l e Vokalisierung ein velarer Sproßvokal gebildet hatte und /h/ somit in die Coda einer unakzentuierten Silbe geriet, a n d e r e n f a l l s wurde es durch / f / oder /k/ ersetzt, so wie nach /l/; 7 1 496). Jespersen (1909: 237) brachte die Kürzung des Vokals bei Frlkatlversatz In Verbindung mit spätme./frühne. Kürzungen von /u:/ vor labialen Konsonanten (etwa In thumb < ae. büma, sup < ae. süpan, shove < ae. scofan und In frz. Lehnwörtern wie couple, trouble), nahm also für all diese Fälle partielle Einbeziehung der labialen Artikulation des Vokals In die des nachfolgenden labialen Konsonanten an. 69 zur späteren Dehnung von /a/ > /a:/ vor stimmlosen Frikativen Im Südengl. vgl. Lulck 1914-40: SS 554 f. und Hörn - Lehnert 1954: 667-681 sowie unten Kap. I I I . 70 Daß Frlkativerhalt und späterer Frlkatlversatz von der auf die betroffene Silbe wirkenden Druckstärke abhing, vermuteten schon Lulck (1914-40: S 513 A3) und Berndt (1960: 192). Mit Bezug auf die palatale Variante äußerte Lulck (S 769.2) auch die Vermutung, daß langsames Sprechen den Erhalt des Frlkatlvs begünstigte. Ob Frtkativerhalt und -ersatz auch davon abhing, ob sich das /-h/ aus germ, /x/ oder aus /xx/, /k/ oder /g/ herleitet, 1st schwer zu sagen. A l l e n f a l l s könnte für das aus der Gemlnata entstandene /-h/, das 1n laugh, cough durch / f / ersetzt wurde (und möglicherweise analogisch In laughter; vgl. Lulck 1914-40: S 512. AI, Berndt 1960: 193) größere Ausgangsstärke als für altes /-h/ noch Im Spätme. angenommen werden. Für /-h/ aus ae. /-g/ hingegen lassen sich Im StE. etwa gleich viele Belege für /h/-Schwund (z.B bough, dough, plough} und Frlkatlversatz (z.B. enough, trough) anführen wie für altes /-h/ (z.B. though, slough vs. rough, tough); /-h/ aus ae. /k/ war nur In unakzentulerter Position entstanden. Angesichts der z.T. sehr geringen Zahl betroffener Wörter, der unterschiedlichen und kaum rekonstruierbaren Gebrauchsbedingungen für Jedes einzelne Wort für den Zeltraum, In dem diese Entwicklungen stattfanden, und des lange andauernden Schwankens zwischen Formen mit und ohne /f/ scheint es nicht möglich, die Gründe für die Durchsetzung der Form mit oder ohne / f / In der Standardsprache für einzelne Wörter eindeutig zu bestimmen. 71 Siehe Luick 1914-40: S 796.1 m i t A1-4, Eksellus 1940: 142-148, Hörn - Lehnert 1954: 857, Berndt 1960: 192. Jordan - Crook 1974: S 197. Man vgl. auch Dialektformen wie selk 'Seehund', salf 'Weide', dwerb, dwerk 'Zwerg'; zu burb für burh vgl. oben Anm. 22. Die ne. Standardform geht häufig auf ffektlerte Formen zurück, so etwa bei furrow 'Furche 1 , sallow 'Weide', seal 'Seehund', shoe 'Schuh'. Ersatz von /h/ durch /k/ trat vereinzelt auch nach Vokalen ein, vgl. StE hough /hok/ 'Kniekehle' (ae. höh),

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

vgl. (a) spätae. burg/burh> me. burugh ( > ne. borough 'Bezirk'), ae. burh> me. thurugh ( > ne. thorough 'gründlich'); (b) ae. burh> me. thurgh> frühne. d i a l , thurf, spätae. dweorg, dweorh 'Zwerg' > me. dwergh/dwerf/dwerk (ne. dwarf}; 1 ae. eolh 'Elch > me. elgh/elk> ne. elk. In der Standardsprache und in den südl. Dialekten verlief die gesamte E n t w i c k l u n g so f r ü h , daß dabei entstandene lange Monophthonge in den f r ü h n e . Great Vowel Shift einbezogen wurden und das vor /f/ entstandene kurze / u / von der s ü d h u m b r . Senkung zu / / b e t r o f f e n w u r d e , N o r d e n g l . und schott. D i a l e k t e h i n g e g e n - soweit letztere Coda-/h/ n i c h t o h n e h i n b e w a h r t haben - unterscheiden zwischen ursprünglichem /i:/ und /u:/ und den durch Ersatzdehnung aus /1h/ und /uh/ entstandenen, nur erstere sind d i p h t h o n g i e r t worden. 7 2 Aus der E i n b e z i e h u n g der langen geschlossenen Monophthonge in den Great Vowel Shift im Südengl. muß jedoch n i c h t geschlossen werden, daß das /h/ beim Einsetzen der Vokalverschiebung bereits v ö l l i g geschwunden war. Noch die Gramm a t i k e r des f r ü h e n 17. J a h r h u n d e r t s e m p f a h l e n die Aussprache mit /h/ als die s o r g f ä l t i g e r e , vornehmere. 7 3 Die O r t h o g r a p h i e der Standardsprache r e f l e k t i e r t die Aufgabe von /h/ in der Coda a k z e n t u i e r t e r Silben nur noch teilweise: der erste Abs c h n i t t dieser E n t w i c k l u n g , die Entstehung der G l e i t l a u t e durch Teilvok a l i s i e r u n g von /h/, w i r d zumeist durch ein oder angezeigt, der z w e i t e , spätere A b s c h n i t t h i n g e g e n , die t o t a l e V o k a l i s i e r u n g des /h/ bzw. sein Ersatz durch / f / oder /k/, hat sich in der ne. Orthographie nur im 17. und 18. Jahrhundert auch als hoff belegt; dial, heckfer < ae. heahfore 'Färse' (neben StE. heifer /'hefa/ mit Ersatz von /h/ durch / f / und ebenfalls mit Kürzung des ursprünglich langen Vokals); dial, fleik 'Floh' ( < ae. fleah; siehe dazu Hörn - Lehnert 1954: 862). So werden etwa in den heutigen Dialekten von Yorkshire und Lancashire ice, time, Friday, knife, wie im StE. mit /ai/ gesprochen, thigh und night dagegen mit /i:/ oder / e i / ; vgl. Kolb 1966: 226-229, 232 f., 244-247, Orton et ai. 1978: Ph 103108, 116. Zum Erhalt des Frikativs in Nordwest-Yorkshire (Dentdale) bis ins 19. Jahrhundert und in Südwest-Yorkshire (Upper Calderdale, Todmorden) bis in die erste H ä l f t e des 20. Jahrhunderts vgl. Hedevind 1967: 99-102, 220 f. vgl. Dobson 1968: II, § 424; allerdings läßt sich aus gelegentlich falschen Empfehlungen der Artikulation eines Coda-/h/ für Wörter, deren komplexe Vokale sich nicht aus V * /h/ herleiten, schließen, daß in Südengland im 17. Jahrhundert Coda-/h/ kaum noch gesprochen wurde. Zur Abhängigkeit der Bewahrung von /h/ vom Sprechtempo siehe auch oben Anm. 70.

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selten niedergeschlagen; angezeigt w i r d nur Lautersatz, aber auch der nur bei e i n e m T e i l der davon b e t r o f f e n e n W ö r t e r (vgl. elk, draft, dwarf, h i n g e g e n laughter, enough, cough}. Die spätme. Graphie 7 4 wurde mit dem Schwund des /h/ v i e l m e h r zu einer m ö g l i c h e n Schreibweise für komplexe Vokale und fand im Frühne. h ä u f i g auch unetymologisch für komplexe Vokale anderer Herkunft Verwendung. 7 5 In den Handbüchern ist diese Stufe der A u f g a b e von /h/ j e w e i l s in zwei verschiedenen K a p i t e l n b e h a n d e l t worden: die T e i l v o k a l i s i e r u n g (Entstehung von G l e i t l a u t e n ) als Veränderung des Vokalsystems durch E n t s t e h u n g neuer D i p h t h o n g e , die e n d g ü l t i g e V o k a l i s i e r u n g und der Lautersatz als Veränderung des Konsonantensystems durch Schwund des v e l a r e n Frikativs. 7 6 In beiden F ä l l e n g i l t somit das Hauptaugenmerk den A u s w i r k u n g e n dieser E n t w i c k l u n g auf das segmentale System. Weitgehend übersehen worden ist hingegen die phonotaktische Ursache dieser E n t w i c k l u n g und d a m i t auch der Zusammenhang mit den ü b r i g e n Stufen der A u f g a b e von /h/ sowie mit der Aufgabe anderer schwacher Konsonanten in der Coda akzentuierter Silben (vgl. dazu unten Kap. I I I ) . Sechste Stufe Die sechste Stufe der Aufgabe von /h/ betraf /h/ vor dem Halbvokal /w/ im Anlaut akzentuierter Silben. Diese E n t w i c k l u n g ist in den südund m i t t e l e n g l . D i a l e k t e n , im StE. und in einem Teil der nordengl. Dialekte zum A b s c h l u ß gekommen, d.h. ae. /hw-/ und /w-/ sind in diesen V a r i a n t e n des E n g l . in /w-/ z u s a m m e n g e f a l l e n , außer vor gerundeten V e l a r v o k a l e n , wo statt des /h-/ der b i l a b i a l - v e l a r e Halbvokal durch A s s i m i l a t i o n an den Folgevokal v e r l o r e n g i n g (z.B. in who, whom, whose).77 In den schott. D i a l e k t e n , den nordengl. des äußersten Nord74

Im Me. waren neben der aus dem Ae. übernommenen -Schreibung für Coda-/h/ in akzentuierter Silbe eine Reihe anderer Graphien aufgekommen wie und im Spätme. , die sämtlich darauf hindeuten, daß durch die immer weiter fortschreitende Assimilierung an den vorausgehenden Vokal Positionsvarianten entstanden waren, die als deutlich verschieden vom prävoklischen Hauchlaut empfunden wurden; vgl. Scragg 1974: 23. 75 Bei südengl. Schreibern des 15. Jahrhunderts f i n d e n sich unetymologische Schreibungen wie whyghte 'white' und phonetische Schreibungen wie nyte 'night' häufig nebeneinander. In die heutige Orthographie hat unetymologische -5chre1bung bei delight, sprightly, haughty Eingang gefunden, die auf frz. Entlehnungen zurückgehen (delite, esprit, haut); vgl. Jespersen 1909: 2 5. 76 Zum Status von Coda-/h/ im ae. und me. Lautsystem-vgl. oben Anm. 60. 77 Zum assimilatorischen Schwund des velaren Halbvokals vor gerundeten Velarvokalen, der /w/ nicht nur nach /h/, sondern auch nach anderen Konsonanten (vgl. such< ae.

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Kapitel l. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

ostens und den ir. sowie in den meisten am. Dialekten werden ae. /hw-/ und /w-/ z.B. in which 'welch-' und witch 'Hexe' bis heute unterschieden. 78 Bisher ist g e m e i n h i n angenommen worden, daß der /h/-Schwund vor /w/ etwa g l e i c h z e i t i g mit dem vor /n, l, r/ einsetzte, d.h. in den südl. Dialekten im Spätae., in den nö'rdl. Dialekten im 879. Jahrhundert. Diese Annahme gründete sich auf < w h , w>-Schreibungen f ü r ae. /hw-/, die g l e i c h z e i t i g m i t < n h , 1h, rh; n, l, r>-Schreibungen f ü r ae. /hn-, hl-, hr-/ a u f t r a t e n . 7 9 Dabei w u r d e jedoch n i c h t beachtet, daß < w h , w> im Ae. und Frühme. nur f ü r /hw-/ in weniger günstigen phonotaktischen Positionen belegt ist, nämlich im Wortanlaut nur in Funktionswörtern (und d a m i t v e r m u t l i c h im Satznebenton) und außerdem im W o r t i n l a u t in s t i m m h a f t e r Umgebung und in Z w e i t g l i e d e r n von Komposita. 8 0 Erst in den südengl. Hss. des späten 14. und des 15. Jahrhunderts kommen < w > Schreibungen f ü r ae. /hw-/ und unetymologische -Schreibungen für ae. /w-/ in a k z e n t u i e r t e n S i l b e n im W o r t a n l a u t gehäuft vor; 81 die < w > -

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swylc, sword, two) und seltener auch anlautendes /w/ (z.B. In ooze 'Schlamm' < ae. wäse) b e t r a f , vgl. L u i c k 1914-40: SS 622.1, 695, 726, 773-774 und Wyld 1936: 296. Auf /w/-Schwund nach /h-/ auch vor Palatalvokal deuten möglicherweise gelegentliche ae. Schreibungen wie gehass, geh'w'ilcum für gehwass, gehwilcum hin (vgl. Blake 1961). Daß für diese Position von /hw-/ möglicherweise nicht nur eine assimilatorische Schwächung von /w/, sondern auch eine (vorübergehende) Stärkung des /h-/ anzunehmen ist, legt die Entstehung von prothetischem /h-/ vor gerundeten Velarvokalen in der Geschichte des Span, und Poln. und in bestimmten tschech. Dialekten (siehe Hurch 1988: 90) nahe. Zu /hw-/ und / w - / in den heutigen V a r i a n t e n des Engl. vgl. Wells 19 2: 228-230, 371, 408 f., 432 f., 495 f., 501, 517, 570, 610, 618, 636; Orton etal. 1978: Ph 222 f.; McDavid - McDavid 1952; k u r a t h - McDavid 1961: 178 u. karten 174 f. Zur historischen Entwicklung und zur Situation in den me. und frühne. Dialekten vgl. vor allem Luick 1914-40: SS 704, 792; Jordan - Crook 1974: S 195; KMstensson 1967: 211-217, 1987: 185-188; Harris 1954: 56-62, 208-215; Mclntosh ei a/. 1986: l, K a r t e n 76-83, 251-253, 270-275, 326-327, 337-344, 562-579, 1088-1110, II, S. 189-194, IV, S. 278-285; Wyld 1936: 311 f.; Hörn - Lehnert 1954: 10731078; DobSOn 1968: II, § 414. Für diese frühen Belege vgl. Luick 1914-40: S 704, Harris 1954: 208-211 und Sievers - Brunner 1965: S 217 Die Belegübersicht in Harris 1954: 208-214 f ü h r t für < w h , w> für ae. /hw-/ fast ausschließlich Funktionswörter an. Zum bisher nicht erkannten verspäteten Einsetzen des /h/-Schwunds vor /w/ - verglichen mit dem vor /n, l, r/ - vgl. welter oben (Anm. 34, 45, 49). V g l . die Belegübersicht in Harris 1954: 213-215. Hor-n - Lehnert (1954: 10731075) betonen, daß auch in frühne. Textzeugnissen vor a l l e m für ae. /hw-/ In druckschwachen Positionen belegt 1st; vgl. auch Dobson 1968: II, S 414.

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Schreibung hat sich aber gegenüber der schon im Ae. vereinzelt belegten < w h > - S c h r e i b u n g in der O r t h o g r a p h i e n i c h t durchsetzen können, anders als f ü r ae. /hn-, hl-, hr-/. Es muß also angenommen werden, daß der /h/-Schwund vor /w/ in dieser Position erst im späteren Me. und nur in den südengl. Dialekten einsetzte. Zum Abschluß kam diese E n t w i c k l u n g im Süden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und zwar am frühesten im Londoner Dialekt, wie aus den Zeugnissen der Orthoepisten und Grammatiker der frühen Neuzeit hervorgeht. 8 2 Bei besonders sorgfältiger Sprechweise wird /hw-/ von manchen Sprechern des StE. allerdings noch heute von /w-/ unterschieden. Dies ist zum Teil auf entsprechende Empfehlungen der Sprachlehrer des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit Verweis auf die Orthographie z u r ü c k z u f ü h r e n , 8 3 zum Teil aber auch auf die f ü r die konservativere Sprechweise besonders günstigen phonotaktischen Bedingungen 82

Vgl. dazu Wyld 1936: 311 f., Hörn - Lehnert 1954: 1075 f. und Dobson 1968: I I , S 414. Die von Dobson herangezogenen Orthoepisten und Grammatiker des 16. und 17. Jahrhunderts, die ihren Beschreibungen eine konservative, sorgfältige Sprechweise zugrundelegten, bezeichneten die Entsprechungen von ae. /hw-/ und /w-/ noch als verschieden, die - nach Textzeugnissen jener Zelt zu urteilen - In der südengl. Umgangssprache schon weithin In /w-/ zusammengefallen waren. In Sprachbeschreibungen des späteren 18. Jahrhunderts hingegen wurde für Südengland und speziell für London die Aussprache [w] für < w h > angegeben, so 1765 von dem schott. Grammatiker James E1phinston (vgl. Hörn - Lehnert 1954: 1075) und 1791 von John Walker in seinem Aussprachewörterbuch, der f e s t s t e l l t e (Walker 1791: 46): "This is often sunk after w [gemeint ist /h-/ in /hw-/], particulary in the capital, where we do not find the least distinction of sound between while and wile, whet and wet, where and wear", und der empfahl, "to breathe forcibly before we pronounce the w, as 1f the words were written hoo-at, hoo-ile &c. and then we shall avoid that feeble, cockney pronunciation, which 1s so disagreeable to a correct ear." 83 Die Frage der "korrekten" Aussprache von wurde Im späten 19. Jahrhundert lebhaft diskutiert, wobei man südengl. /w-/ teils als dialektal, teils als sozlolektal eingeschränkte Variante kritisierte. So bewertete sie Francis W. Newman als "an especial disgrace of Southern England" (Newman 1878: 692), während W i l l i a m D. Whitney sie als Aussprache eines großen Teils der "vulgar speakers of English" bezeichnete und als "corruption and abbreviation" ansah (Whitney 1874: 69 f.). Alfred Leach hingegen, der der Aussprache von /h-/ im Engl. eine Monographie widmete und "aitch-dropplng" von prävokalIschem /h-/ h e f t i g geißelte (vgl. dazu unten Anm. 125), bemerkte zu /h-/ vor /w/ eher reslgnativ: "In the South of England, It 1s seldom more than W; and which and what are pronounced 'wich' and 'wot.'"; er stellte aber gleichzeitig fest: "In the northern parts of England WH is decidedly more correctly used; in Scotland the pronunciation of 1t is perfect... the Scotch neither exaggerate nor neglect the proper rendering of WH, and even their farm-labourers are worthy to be taken as models" (Leach 1880: 73 f.).

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

in b e s t i m m t e n Verwendungsbereichen (Gedichtvortrag, Theater, Pred i g t ) , f ü r die /hw-/ oft auch heute noch gelehrt w i r d 8 4 Im Sprachalltag des SIE. ist /hw-/ jedoch fast v ö l l i g durch /w-/ verdrängt worden. 85 Im nördl. Sprachgebiet, wo der /h/-Schwund vor /w/ in weniger günstigen p h o n o t a k t i s c h e n Positionen ein bis zwei J a h r h u n d e r t e f r ü h e r eingesetzt hatte als in Südengland, ist er bis heute weitgehend auf solche Positionen beschränkt geblieben, ebenso im ir. Engl. und vielen Var i a n t e n des am. und kan. Engl. 8 6 Die D i s t r i b u t i o n der /hw/- und /w/84

Vgl. Gimson 1989: 217; Hörn - Lehnert (1954: 1076) stellen dazu fest: "In Rezitationen und in gehobener Rede wird hw oder w. [d.i. /M/] auch von Sprechern angewandt, die in der Umgangssprache w sprechen." 85 V g l . Gimson 1962: 212, 19 9: 215 f.), der /hw/ oder /M/ in der heutigen Standardsprache auf "careful RP speakers' beschränkt sieht und feststellt, -the use of /M/ as a phoneme has declined rapidly", vor a l l e m bei männlichen Sprechern. Wells (1982: 228 f.) kritisiert die von Gimson und im Anschluß daran auch von Strang (1970: 45) Implizierte Ansicht, bei der Aufgabe von /hw-/ zugunsten von /w-/ im StE. handle es sich um einen sich erst im 20. Jahrhundert vollziehenden, natürlichen Wandel; nach seiner Meinung war der /h/-Schwund vor /w/ um 1800 abgeschlossen. Zur heutigen Situation im StE. stellt er fest: "For most RP speakers /hw/ is not a 'natural' possibility ... this usage is widely considered correct, careful, and beautiful. But I think it is true to say that those who use it almost always do so as the result of a conscious decision: persuaded that /hw-/ is a desirable pronunciation, they modify their native accent in this direction. Thus /hw/ is nowadays in England found principally among the speech-conscious and in adoptive RP." Die in neuester Zeit zu beobachtende starke Tendenz zur Aufgabe von /hw-/ im StE. erklärt Wells damit, daß "ever fewer people are receptive to the puristic view that one ought to make the effort to use It." Auch Horn - Lehnert (1954: 1076) und Dobson (1968: II, § 414) halten /hw-/ im StE. in erster Linie f ü r eine k ü n s t l i c h e Neuerung des 19. und 20. Jahrhunderts, die auf den E i n f l u ß der Orthographie und der Sprachlehrer zurückzuführen sei. Dieser Ansicht ist mit Bezug auf das StE. im Alltagsgebrauch bei normalem Sprechtempo und normaler Lautstärke sicher zuzustimmen. Für den Gebrauch im Theater oder in der Predigt können jedoch phonotaktische Bedingungen gelten, die die Bewahrung der älteren Sprechweise sehr begünstigen, nämlich größere Lautstärke, langsameres Sprechtempo und starke Emphase (etwa f ü r /hw-/ im Phrasenanlaut einer rhetorischen Frage). In solchen Verwendungsbereichen mag deshalb /hw-/ f ü r einen Sprecher des heutigen StE. durchaus natürlich sein, der In der Umgangsprache ausschließlich /w-/ gebraucht (vgl. oben Anm. 84). 86 Zu den heutigen Verbreitungsgebieten der /hw/-Var1anten des Engl. vgl. die oben in Anm. 78 genannten Literaturangaben. Die Positionsabhängigkeit der Stärke von /h-/ vor /w/, wie sie für das Me. und teilweise auch schon für das Ae. aus der Beschränkung der -Schreibungen auf /hw-/ in schwachen Positionen erschlossen werden muß (vgl. oben, Anm. 45), 1st an den heutigen /hw/-Varianten des Engl. vielfach beobachtet worden. So stellen Hörn - Lehnert (1954: 1073) fest: "In Gegenden, in denen im allgemeinen hw oder ^ gilt, wird in druckschwachen Silben und Wörtern w gesprochen:

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V a r i a n t e n in den überseeischen Sprachgebieten läßt sich wahrscheinl i c h auf E i n f ü s s e der entsprechenden europäischen V a r i a n t e n zurückführen. So s i n d die V e r b r e i t u n g s g e b i e t e der am. / w / - V a r i a n t e n - nämlich die Ostküstenstreifen von Neuengland, den m i t t e l a t l a n t i s c h e n Staaten, South C a r o l i n a und Georgia - bis zur Loslösung vom Empire und teilweise auch noch bis weit ins 19. Jahrhundert von den v i e l f ä l t i g e n w i r t s c h a f t l i c h e n und k u l t u r e l l e n Kontakten der großen Hafenstädte der Ostküste mit den Zentren Südenglands geprägt worden, 87 während die / h w / - V a r i a n t e n u.a. von massiver E i n w a n d e r u n g aus N o r d e n g l a n d , Schottland und Irland bestimmt worden sind. 88 Heute g i l t /hw-/ im am. Engl. als Prestigeaussprache, die zunehmend auch in den /w/-Gebieten verwendet wird. 8 9 neben hwen? 'when?' steht wen'eva 'whenever'; neben hwai? 'warum?' steht die daraus entwickelte I n t e r j e k t i o n wai 'nun'" (ganz ähnlich Jespersen 1909: 374 f. und Wells 1982: 229). Für entsprechende Beobachtungen an verschiedenen am. Dialekten vgl. die von McDavId - McDavid 1952: 45-49, bes. Anm. 20, 22, 23, 25, 28, zitierten Werke, für das ir. Engl. Wells 1982: 432 f. 87 Daß es in diesen Gebieten unter dem E i n f l u ß des brit. StE. schon im späten 18. Jahrhundert zu weitgehendem /h/-5chwund vor /w/ gekommen sein muß, schließen Kurath - McDavid 1961: 182 daraus, daß die Sprache von New Brunswick (Ostkanada), das nach dem am. Unabhängigkeitskrieg durch die von der am. Ostküste dorthin geflohenen Loyallsten besiedelt wurde, ebenfalls zu den /w/-Var1anten zählt. Für wharf Werft' gilt nach Kurath - McDavid 1961: 178 mit Karten 174-5 die Aussprache /w-/ aus den Hafenstädten an der Ostküste weit über das Gebiet der eigentlichen /w/-Dialekte hinaus. 88 Den E r h a l t von /h-/ vor /w/ im am. Engl. hatte schon Hempl (1891: 312) auf die große Zahl schott. und ir. Einwanderer zurückgeführt; Kurath (1928; vgl. auch Kurath 1971) vertrat dann als erster die Ansicht, daß die dialektale Herkunft der englischsprachigen Siedler die wichtigste Ursache f ü r diesen und eine Reihe anderer Unterschiede zwischen dem am. Engl. der Atlantikküste und den übrigen Varianten des am. Engl. sei. Zur großen zahlenmäßigen Bedeutung der nordengl., schott. und ir. I m m i g r a tion im späten 18. und im 19. Jahrhundert und zu ihren w i r t s c h a f t l i c h e n und sozialen Ursachen vgl. G u i l l e t 1963: Kap. 1, Thomas 1972 und o Gräda 1980. Die Distribution der am. /w/- und /hw/-Varianten ist jedoch nicht als einfache Funktion der dialektalen Herkunft der englischsprachigen Einwanderer zu erklären - gegen diese Annahme sprechen schon die siedlungsgeschichtlichen Quellen (vgl. dazu Vedder - Gallaway 1972). Zur Ausprägung und Bewahrung der /w/- Varianten 1n den großen städtischen Zentren der Ostküste hat ganz sicher auch das große soziale Prestige dieser Varianten beigetragen, das noch bis ins 20. Jahrhundert die Aussprache von Einwanderern aus europäischen /hw/-Gebieten beeinflußte. So konnte Hubbell (1950: 52) in New York selbst für Stadtteile mit sehr starkem ir. Bevölkerungsanteil feststellen: "New Yorkers of Irish birth usually employ /hw/ or some variant of it in these words, but the pronunciation rarely survives In the speech of the second generation." 89 Vgl. Kurath - McDavid 1961: 178. Zur soziolektal abgestuften Verwendung von /hw-/ und /w-/ im Dialekt von New York City vgl. Hubbell 1950: 52, der dazu meinte: "There

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

Der Erhalt der Anlautgruppe /hw-/ in den heutigen schott. und nordostengl. D i a l e k t e n ( u n d in den von diesen Dialekten geprägten ir. und überseeischen V a r i a n t e n des Engl.) beruht v e r m u t l i c h n i c h t auf bloßer Bewahrung des ae. (nordh.) /hw-/, das in weniger günstigen phonotaktischen Positionen ja bereits seit dem 879. Jahrhundert zu schwinden begonnen hatte, sondern wahrscheinlich auf anord. L e h n e i n f l u ß als Folge der skandinavischen Besiedlung weiter T e i l e M i t t e l - und Nordenglands in angelsächsischer Zeit. 9 0 Im Anord. wurde /hw-/ erst vom 13. bis 18. Jahrhundert an, und zwar auf z w e i e r l e i Weisen, verändert: in den ostnord. D i a l e k t e n (Schwed., Dän., Südnorw.) schwand /h-/ vor /w/ wie im Südengl., in den westnord. Sprachen (Nordnorw., Isl., Far.) wurde /h-/ zu /k-/gestärkt. 9 1 Für anord. /hw-/ zur Zeit der skandinavischen Ansiedcan be little doubt that the /hw/-pronunc1at1ons are for the most part consciously adopted ones, adopted because of the widespread notion that pronouncing whale and wail, whet and wet as homonyms is 'incorrect'", und der sich in einer Anm. dazu (S. 139) darüber verwunderte, daß "most of the texts written by the local teachers of elocution condemn this homonymy as an error", trotz der "well-known predilection of these teachers for Southern British English." Zu gleichgerichteten Tendenzen des am. Engl. in anderen phonotaktlschen Bereichen vgl. unten Kap. I l l , zu scheinbar entgegengesetzten Tendenzen unten Anm. 106. Diese Ansicht habe Ich erstmals In Lutz 1988b dargelegt. In den meisten Handbüchern wird nordengl. und schott. /hw-/ oder /xw-/ ohne weitere Erklärung auf Bewahrung von ae. /hw-/ zurückgeführt; vgl. Jespersen 1909: 375 "retention", Horn - Lehnert 1954: 1073 "bewahrt", Brunner 1960: 378 "erhalten", Dobson 1968: II, § 414 "The OE hw, o r i g i n a l l y pronounced [xw] (which remained In the North), became [hw]", Jordan - Crook 1974: § 195 "retained", Glmson 1989: 218 "PresE /M/ derives from OE [hw]"; vgl. auch Bliss 1983: 12 und Benskln 1989: 23-31. Lulck (1914-40: § 704) dagegen schließt aus den me. - und -Schre1bungen sowie aus drei Belegen und einem -Beleg In den Lindisfarne Sospels auf entweder bewahrtes oder aber neu entstandenes /xw-/ und erklärt letzteres ohne Begründung für "wahrscheinlicher"; vgl. auch Berndt 1960: 173 und Blumbach 1974: 85-87. K ü r z l i c h 1st nun von Dletz (1989: 165) die Ansicht geäußert worden, die Graphlen repräsentierten "eine der germanischen Vorstufe entsprechende, sie aber wohl nicht unmittelbar fortsetzende Lautung /xw/ [XM]", die möglicherweise "auf der Wirkung des nordgermanischen Adstrates" (ibid. 168) beruhe. - A l l e vier -Belege In der Lindlsfarne-Glosse (die für satzunakzentulertes /hw-/ mehrfach zeigt; vgl. oben Anm. 45), stehen In Emphaseposition (swa chuaslc, swas chuast 2x, to chw&m of tenum). Für das ir, schott. und am. Engl. 1st zusätzlich mit gäl. E i n f l u ß zu rechnen; vgl. dazu unten Anm. 95. In beiden Sprachzweigen war der bilabiale Halbvokal /w/ entrundet und dann allmählich zum labiodentalen Frlkativ /v/ geworden. Für Literaturangaben und eine eingehendere Beschreibung der Entwicklung von anord. /hw-/ vgl. unten Kap. IV. B.

/. S. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Sechste Stufe

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lung in M i t t e l - und Nordengland (spätes 9. bis 11. Jahrhundert) ist somit wohl durchgängig auf ein stärkeres /h-/ vor /w/ zu schließen als f ü r spätae. und insbes. spätnordh. /hw-/. Für die Annahme anord. Lehneinflusses auf die engl. D i a l e k t g e b i e t e mit starker skandinavischer Zuwanderung ( d i e sich anhand der anord. Ortsnamen e r m i t t e l n lassen; vgl. die u m s e i t i g a b g e b i l d e t e Karte aus H i l l 1981: 45) gibt es folgende Anhaltspunkte: 1. In spätme. Hss. aus diesen Gebieten w i r d ae. /hw-/ sehr oft, z.T. ü b e r w i e g e n d , mit < q w - , qwh-, q h w - qu-, qh-> w i e d e r g e g e b e n Schreibungen, die auf einen starken, möglicherweise okklusivischen und jedenfalls von prävokalischem /h-/ verschiedenen Anlaut schließen lassen. Das spätme. Verbreitungsgebiet von für ae. /hw-/ deckt sich mit dem V e r b r e i t u n g s g e b i e t skand. Ortsnamen in England und s t i m m t mit demjenigen anord. Lehnwörter überein, die nicht E i n gang ins StE. fanden (vgl. die umseitig abgebildeten Karten). 92

92

Am deutlichsten erkennbar ist im Linguistic Atlas of Late Mediaeval English die Übereinstimmung des spätme. Verbreitungsgebiets von -Schre1bungen für ae. /hw-/ mit dem verschiedener anord. Lehnwörter In den Übersichtskarten ("dot maps"); vgl. Mclntosh et al 19 6: l, k 270-275 ( < q u - , qw- qwh-, qhw; wh- w->), K 77 «qu-> etc. 1n which), K 251 ( I n while), K 326-327 ( I n where), k 341 (in when), k 564 (In whether), k 573 (In whither) mit k 83 whilk/quilk ' w h i c h ' (anord. hvi-likr), K 105-106, 1 1 1 mikel/mekel 'much' (anord. mikill), k 346 -and Part. Prs. (< anord. -andi); zum Verbreitungsgebiet der anord. Ortsnamen In England vgl. Hill 1981: 45 f. und Ekwall 1933. Die relative H ä u f i g k e i t von etc. gegenüber In Hss. aus diesen Dialektgebieten wird aus Mclntosh ei al. 1986: II, 189194 ersichtlich. Bis zum Erscheinen des Linguistic Atlas war die me. Beleglage ungenügend erfaßt. Die Karten Im Elnleltungsband des MEDC'Plan and Bibliography", S. 11) und In Jordan - Crook 1974: 180, die sich auf eine von Oakden (1930: 38) auf der Basis einiger spätme., vornehmlich literarischer Texte erstellte karte stützen, vermitteln ein deutlich vom Atlas abweichendes Bild des Verbreitungsgebiets von etc. im Spätme. (worauf auch Dletz [1989: 165-169] hinweist); in diesen karten 1st die südl. Grenze für sehr viel welter nördl. eingetragen als im Atlas, nämlich In Höhe der Humbermündung. Aus Oakdens Erläuterungen (S. 28) geht allerdings hervor, daß er auch In einigen Texten des Ostmittellandes festgestellt hatte, so In den Towneley Plays und In den Norfolk Guilds. Dies erklärt wahrscheinlich, warum nord. Lehneinfluß für die me. -Schre1bungen nicht 1n Erwägung gezogen wurde. Im Frühme. waren -Schre1bungen für ae. /hw-/ noch sehr selten (vgl. kristensson 1987: 185-188).

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position:/h/

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H i l l 1981: 45

Scandinavian place names of eastern England

53

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Sechste Stufe

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' im Me. und Frühne., die im brit. Engl. fast völlig durch spelling pronunciation verdrängt worden ist, vgl. unten Anm. 105, 107 und 113. 102 Im Cockney, das auch prävokalisches /h-/ völlig aufgegeben hat (vgl. dazu weiter unten), gilt nach Sivertsen 1960: 142 durchgängig /j-/ f ü r StE. /hj-/. Nach W e l l s 1982: 230 g i l t /h/-Schwund f ü r /j/ f ü r alle Dialekte Süd-, M i t t e l - und Nordenglands, in denen auch prävokalisches /h-/ nicht gesprochen wird. 103 Vgl. Hörn - Lehnert 1954: 880 f., 1029, Wells 1982: 230 und Gimson 1989: 213. 104 So wird [ ] etwa in Arnold - Hansen 1975: 126, 139 und Scherer - Wollmann 1986: 104 f. als Positionsvariante des palatalen Halbvokals /j/ gewertet, der auch nach den stimmlosen Plosiven als stimmloser Frikativ realisiert wird, In Moulton 1962: 20, 29 dagegen als Allophon von /h-/. Gimson (1989: 213 f.) hinwiederum erwägt mit

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Kapitel I. Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: /h/

ten des am. Engl. zeigen scheinbar weiter reichenden /h/-Schwund vor /}/ als das brit. StE., doch anders als etwa im Cockney g i l t in diesen Varianten des am. Engl. /j-/ für StE. /hj-/ nicht durchgängig, sondern nur f ü r bestimmte Wörter, n ä m l i c h f ü r frz.-lat. Lehnwörter wie humor, human, huge, die die aus dem Frz. übernommene /h/-lose Aussprache bewahrt haben, 1 0 5 während sich im brit. StE. und auch in den am. Dialekten der Atlantikküste für diese Wörter spelling pronunciation durchgesetzt hat. 106 Wörter germ. Herkunft wie hue und erst im Hinweis auf den Anlautkontrast zwischen you : who : hue Phonemstatus für [ ], gibt aber angesichts des beschränkten Vorkommens (nach H111 1958: 75 Lexikonfrequenz 40) 1m Anlaut und der Variation zwischen [ ] und [hj] der Einstufung als Realisation von /h/ + /j/ den Vorzug; ähnlich auch Vachek (1976: 210 f.). Mit phonotaktischen Gründen argumentiert Hickey (1984: 72-7'4, 1986: 15 f.) für die Bewertung von [g] und auch von [M] als Realisationen von Anlautgruppen aus /h/ + Halbvokal. 105 Daß das am. Engl. In diesem Punkt konservativer 1st als das brit. StE. und nicht etwa ähnlich fortschrittlich wie das Cockney, wird aus bisherigen Darstellungen nicht hinreichend deutlich. Wells (1982: 230) bemerkt zwar, daß humour als romanisches Lehnwort ein Sonderfall sei, nennt aber als Sprachvarianten mit "Glide Cluster Reduction of /hj/" neben den genannten brlt.-engl. Dialekten auch die meisten am. Dialekte. McDavId - McDavId (1952) untersuchen die Variation von /hw-/ und /w-/ in whip, whetstone, wheeWarrow, whinny und wharf und von /hj-/ und /j-/ in humor In den am. Oststaaten und kommen angesichts der sehr unterschiedlichen Verteilung der beiden Anlautgruppen (vgl. dazu die folgende Anm.) zwar zu dem richtigen Schluß, daß /hw-/ und /hj-/ separat zu behandeln seien (S. 59 f.), bieten aber keine Erklärung dafür, warum sich im StE. spelling pronunciation für /hj-/ In Wörtern durchsetzen konnte, die jahrhundertelang ohne /h-/ gesprochen worden waren, während /hw-/ im StE. trotz intensiver Bemühungen von Grammatikern und Sprachlehrern zu /w-/ vereinfacht wurde, im erheblich weniger reglementierten am. Engl. dagegen bewahrt worden ist und sich heute auch In den ursprünglichen /w/-Varianten an der Ostküste Immer mehr durchsetzt. 106 Die Dialektkarten in Kurath - McDavId 1961: Nr. 174 (wheelbarrow, whinny, whip), 175 (wharf) und 176 (humor) zeigen, daß die Distribution von /hj-/ und /J-/ In den am. Oststaaten der von /hw-/ und /w-/ In etwa entgegengesetzt 1st (vgl. auch die Erläuterungen S. 178 sowie McDavId - McDavId 1952: 54-58): /hj-/ gilt durchgängig nur In Neuengland und im nördl. Teil des Staates New York, d.h. In einem Gutteil der Gebiete an der Ostküste, in denen für die Aussprache /w-/ gilt. Bemerkenswert 1st auch die Feststellung von McDavId - McDavId (1952: 57), "that In many communities with divided usage - Portland, Boston, Providence, Springfield, New Haven, and the lower Delaware Valley - the forms with /hj-/ occur 1n the speech of the younger and more sophisticated Informants", was von den Autoren als Durchsetzung der spelling pronunciation unter dem Einfluß der "public schools" erklärt wird. In diesem Punkt gilt also die Aussprache der Ostküste als Prestigevariante, bei der Bevorzugung von /hw-/ gegenüber /w-/ hingegen die Aussprache der anderen Dialekte des am. Engl. (vgl. welter oben, Anm. 89).

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Achte Stufe

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Frühne. a u f g e n o m m e n e lat. Lehnwörter wie humus werden dagegen in fast a l l e n Varianten des am. Engl. mit /hj-/ ausgesprochen. 107 Wann genau der /h/-Schwund vor / j / in den südengl. D i a l e k t e n eintrat, ist schwer zu sagen. Im 16. und 17. Jahrhundert, zur Entstehungszeit der Anlautgruppe /hj-/, hatte in diesen Dialekten bereits die nächste und letzte Stufe des /h/-Schwunds eingesetzt, die prävokalisches /h-/ in akzentuierten Silben betraf. Frühne. Zeugnisse f ü r /j-/ statt /hj-/ beziehen sich nur auf lat.-frz. Lehnwörter wie humour.WB Das Schwächungsprodukt [ ] aus /h/ + /j/ ist f ü r das StE. zum ersten Mal im späten 19.Jahrhundert festgestellt worden. 109 Achte Stufe Die achte und letzte Stufe der Aufgabe von /h/ betraf prävokalisches /h-/ im Kopf akzentuierter Silben. In dieser stärksten phonotaktischen Position schwand /h/ seit dem Spätme., durchgängig a l l e r d i n g s nur in den Dialekten Südost-, M i t t e l - und nur teilweise auch Nordenglands; in der Standardsprache haben sich die /h/-losen Formen nicht durchgesetzt. "Dropping one's aitches" wurde seit dem späten 18. Jahrhundert von den G r a m m a t i k e r n als V u l g a r i s m u s h e f t i g bekämpft und von den Schriftstellern zur Kennzeichnung von Personen niederer Herkunft verwendet. 1 1 0 107

kenyon - Knott (1953: 209 f.) verzeichnen für das am. Engl. durchgängig /hj-/ für hue, Hugh, Hugo, humanism, humanity, Hume, humerus, humid, h u m i d i f y , humidor, humiliate, humility, humoresque, humus, /hj-/ oder /J-/ dagegen für huge, human, humane, humor, humorist, humoristic, humorous. Vgl. auch Bronstein 1960: 123 f. Zumindest in manchen Dialekten wird dieser Unterschied Jedoch durch Generalisierung der einen oder der anderen Aussprachevariante ausgeglichen. So bemerkt Hubbell (1950: 54) zur Sprachvariation in diesem Punkt In New York City: "The distinction recorded in our dictionaries between /j/ as a variant in humor and Its derivatives, and /hj/ alone In other words of this group appears In the speech of Informants *2, *6, *11, *15, and *25. But more commonly New Yorkers are consistent in pronouncing all these words with /hj/ or all with /j/." Vgl. auch Moulton (1962: 20, 29), der /j-/ außer für huge, human, ftum/dauch für hue angibt. 108 So noch Walker (1791: x i i i , 46). 109 Nach Horn - Lehnert 1954: 881 wurde diese Aussprache erstmals In den achtziger Jahrendes 19.Jahrhunderts erwähnt. 110 Den besten Überblick über die gesamte Entwicklung bieten Lulck 1914-40: S 790 und Hörn - Lehnert 1954: 67- 82 (mit zahlreichen Literaturangaben). Zur heutigen Dialektsituation vgl. Wells 1982: 252-256, 322, 341, 345, 371 sowie Kolb 1966: 342-346 und Orton ei al. 1978: Ph 220-221. Die Dialektkarten zeigen, daß /h-/ heute außer in einem Teil der nördl. Dialekte auch in einem großen Teil des Südwestens und In einem von East Anglia bis London reichenden Gebiet gesprochen wird; für das

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Kapitel l. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

Die genaue D a t i e r u n g des Einsetzens dieser Stufe der Aufgabe von /h/ ist bis heute u m s t r i t t e n , ebenso wie seine Ursache; < h > - l o s e Schreibungen und unetymologische -Anfügungen f i n d e n sich vereinzelt b e r e i t s in verschiedensten ae. Hss., 111 r e l a t i v h ä u f i g in den norde n g l . L i n d i s f a r n e - und Rushworth-Glossen. 1 1 2 Im Me. wurde die Unsic h e r h e i t in der S c h r e i b u n g von /h-/ d e u t l i c h · größer. Besonders groß war sie zunächst bei der Wiedergabe frz. Lehnwörter, 1 1 3 bei denen das /h-/ in der Q u e l l s p r a c h e und wohl auch im Me. in a l l e r Regel n i c h t gesprochen wurde, sowie in Hss., die v e r m u t l i c h von anglonorm. Schreibern stammen. 1 1 4 Die Unsicherheit in der Schreibung von /h-/ in akzent u i e r t e n Silben im Me. läßt sich jedoch n i c h t a u s s c h l i e ß l i c h auf f r z . E i n f l u ß z u r ü c k f ü h r e n . So verrät etwa die D i s t r i b u t i o n der V a r i a n t e n f ü r letztere, südöstl. Gebiet wird dies auf den Einfluß des StE. zurückgeführt (vgl. Wakelin 1977: 98). Zum Vh/-dropping" als soziolektalem Merkmal vgl. neben Wells 1982: 252-256 auch T r u d g i l l 1974: 83 f., 130-132, 1986: 44-461, Petyt 1985: 104110 und Hughes - Trudgill 1987: 7 f. 111 V g l . dazu Sievers - Brunner 1965: § 217 A I , van Langenhove 1923, Scragg 1970 und Kühn 1970: 32; speziell zum Spätae. Schlemilch 1914: 51 f. 112 Vgl. dazu insbesondere Scragg 1970: 182-186. Bei einem Gutteil der von Scragg angegebenen Belege ohne ist jedoch anzunehmen, daß die betreffende Silbe allenfalls einen Nebenakzent trug, so etwa in dem 5x als unsefuntigo.ä. belegten Zahlwort 'siebzig' (statt hund-) und in federiorodes 'Famillenvorstands' (statt -hiredes) in den L i n d i s f a r n e - G l o s s e n sowie in einigen Funktionswörtern wie eora, eo, is, a?fö, aefdon ( f ü r heora, heo, his, haefö, haefdon) im merz. Teil der Rushworth-Glosse; vgl. dazu auch oben (Anm. 53). 1 ^ Zur stark schwankenden Schreibung frz. Lehnwörter mit etymologischem /h-/ im Me. vgl. etwa die Belege im rIED für habit, hardy, heir, herb, hostage, humble, mourund die - verglichen damit - sehr seltenen -losen Belege für Erbwörter wie hand, hear, h i l l , hope; zur Aussprache der frz. Lehnwörter in den G r a m m a t i kerzeugnissen des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Dobson 1968: II, S 426 m i t Anm. 3. Walker (1791: x i i i u. 46) gibt /h/-lose Aussprache noch für "heir, heiress, herb, herbage, honest, honesty, honestly, honour, honorable, honorably, hospital, hostler, hour, hourly, humble, humbly, humbles" an. I m · 19. Jahrhundert wurde im StE. die /h/-lose Aussprache von herb, humble durch spelling pronunciation verdrängt; bis heute erhalten hat sie sich nur in heir, honour, hour und einigen Ableitungen. Im am. Engl. gilt diese ältere Aussprache in einigen Gebieten für herb, herbage, herbal ( n i c h t dagegen z.B. für herbaceous, herbarium, herbiferous) und für humble noch heute. Zur Entwicklung im StE. und im am. Engl. vgl. Jespersen 1909: 60 f., L u i c k 1914-40: S 729, McDavid - McDavid 1952: 49, 53, Hörn - Lehnert 1954: 878-881, Brunner 1960: 415 f. und Wells 1982: 255. 114 Anzunehmen 1st dies nach Skeat 1897: 403-416 und Jordan - Crook 1974: § 195 z.B. für Lajamon A, die Proverbs of Alfred 1n der Hs. Cambridge, Trinity C o l l . , 323, und möglicherweise für Genesis & Exodus.

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Achte Stufe

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den unbestimmten A r t i k e l und das Possessivum bei Chaucer, daß /h-/ in akzentuierten Silben auch in engl. Erbwörtern nur noch ganz schwach a r t i k u l i e r t worden sein dürfte: die konsonantisch auslautenden Varianten an, min, thin f a n d e n n ä m l i c h außer vor vokalisch anlautenden Nomina gehäuft auch vor Wörtern mit anlautendem /h/ Verwendung, wie etwa in min arm, min hond, an ox, an hound, 115

dagegen dagegen

mi foot,115 a cow.

Vgl. dazu das Belegmaterial in Bradley 1943; siehe auch Mosse 1969: S 66 A I und Jordan - Crook 1974: § 195. Auch im Frühne. war dies weitverbreiteter Sprachgebrauch; vgl. OED S.v. a, Hörn - Lehnert 1954: 877, LuiCk 1914-40: § 715 A3. Aus dieser vom heutigen StE. abweichenden Distribution der Varianten des unbestimmten Artikels und der Possessiva muß jedoch keineswegs geschlossen werden, daß /h-/ in der Sprache Chaucers bereits völlig geschwunden war, wie dies der Titel von Bradleys Notiz, "The use of the Cockney dialect by Chaucer", impliziert. Die im Spätme. bis ins frühe 15. Jahrhundert noch sehr feste -Schreibung für Wörter, die nicht aus dem Frz. oder Lat. stammen, spricht eher dafür, den Beginn des umfassenden /h/-Schwunds mit Luick 1914-40: S 790 und Hörn - Lehnert 1954: 874 f. frühestens im 15. Jahrhundert anzusetzen. Die Distribution von a/an, my/mine, thy/thine Im Spätme. und Frühne. wäre dann folgendermaßen zu deuten: unakzentuiertes /-n/ schwand im Spätme. außer vor anlautendem Vokal und vor bereits sehr schwachem /h-/ der folgenden Silbe, weil /n/, das inhärent d e u t l i c h stärker war als /h/, in diesen letzteren Fällen wegen des schlechten Silbenkontakts durch Resyllabifizierung in der Phrase das /h/ aus der Anlautposition dieser Folgesilbe verdrängte: a) Vn$CY b) Vn$v c) Vn$htf

-

V$CV V$nv V$nV

afoot an arm an (h)and

Vgl. die weitgehend entsprechende Regel für den me. Schwund von /-n/ bei Infinitiven in einer Version der Ancrene Riwle (Dobson 1972: cxxxvii): "Infinitives normally retain -n before a vowel or h or in pausa, but lose it before a consonant." - Dagegen blieb /h-/ zunächst noch erhalten, wenn es in günstigerer Umgebung stand, z.B. nach dem auf Vokal endenden bestimmten Artikel oder im absoluten Anlaut. Im Verlauf des Frühne. bildete sich dann allmählich die heute gültige, morphophonologische Regel für a/an heraus, die bei Wörtern mit akzentuiertem /h-/ teils wegen der nach Vokal und im absoluten Anlaut immer noch bewahrten /h/-Aussprache, teils wohl auch wegen der Schreibung den Ausschlag für a gab, vor unakzentuiertem /h-/ (z.B. In a(n) historical episode) ist der Gebrauch auch heute noch schwankend. Bei den Possessiva setzte sich die /-n/-lose Form in attributiver Funktion sogar vor vokallsch anlautenden Wörtern durch, nur in prädikativer Funktion blieben mine und thine, well sie Im absoluten Auslaut standen, erhalten.

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Kapitel t, Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

E i n e Schwächung von /h-/ in a k z e n t u i e r t e n Silben muß also v i e l f a c h schon im Me., in Nordengland wohl schon im Spätae., eingetreten sein. Als Ursache h i e r f ü r ist h ä u f i g frz. E i n f l u ß angenommen worden, für das Ae. auch lat. E i n f l u ß . 1 1 6 Die M ö g l i c h k e i t der Verstärkung oder Beschleunigung eines Lautwandels durch L e h n e i n f l u ß einer Prestigesprache, wie sie das Frz. für die Sprecher des Me. war," 7 läßt sich nicht v ö l l i g ausschließen. Ebensowenig kann die M ö g l i c h k e i t ausgeschlossen werden, daß die Grammatiker des 18. und 19. Jahrhunderts mit ihrer scharfen K r i t i k an der /h/-losen Aussprache von Wörtern mit etymologischem /h/-Anlaut einen gewissen E i n f l u ß auf die ne. Standardsprache ausübten. 1 1 8 Die lange Periode der schwankenden -Schreibung und das sehr späte Einsetzen der Kritik der G r a m m a t i k e r an der /h/-losen Aussprache läßt sich jedoch schlüssiger erklären, wenn man die Aussprache von /h/ im Anlaut akzen116

Vgl. Sweet 1888: 190, Skeat 1897, Schlemilch 191-4: 50 f., Scragg 1970: 185-187; für weitere Literatur siehe auch Mllroy 1983: A1-45. Der Einfluß des Frz. ist jedoch vielfach vorwiegend als Einwirkung auf die Schreibung aufgefaßt worden. Jespersen (1909: 375) geht sogar so weit, den -losen Schreibungen 1n me. Hss. jede phonetische Aussagekraft abzusprechen: "... this must not be compared with the modern 'dropping of aitches', but is certainly due to some Norman scribes being unable to pronounce /h/; it cannot accordingly be considered as belonging to the history of English sounds." 117 Von Mllroy (1983: 47 f.), der /h/-Schwund im Anlaut akzentuierter Silben für eine dialektal schon me. Entwicklung hält, ist zu bedenken gegeben worden, daß in spätme. und frühne. Zeit, unter starkem Einfluß der frz. Kultur und Sprache, "altch-dropplng" als Kennzeichen einer besonders gepflegten Sprechwelse gegolten haben könnte. Nach meiner Ansicht ist jedoch van Langenhoves (1923: 26 f.) Interpretation der me. Belegsituation plausibler: "That the Anglo-French usage Influenced the English way of spelling Is beyond all doubt; that It also influenced the spelling of h In Mid. E. is very likely. But this influence is to be conceived not as giving rise to hesitation but as entertaining or reinforcing a state of uncertainty, inasmuch as the writer or copyist was not always able to distinguish loan-words from native words, or was not at all sure whether with some words he had to write h or not, having heard or he himself pronouncing the word with and without h... [S. 27]. At all events, whatever the influence of Anglo-French In this domain may have been, It is quite certain that from the point of view of Initial h, French and Latin loan-words are not treated on a level with native words, the latter showing Indeed some kind of a system." 1 8 ' Zur Ächtung der /h/-losen Aussprache im 18. und 19. Jahrhundert vgl. Insbesondere Hörn - Lehnert 1954: 867-871, zu ihrer heutigen Bewertung Wells 1982: 254 f. und Gimson 1989: 193. Zumindest dürfte diese Kritik zur Zurückdrängung der /h/-losen Aussprache bei zahlreichen frz. Lehnwörtern beigetragen haben (vgl. dazu oben Anm. 113).

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Achte Stufe

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t u i e r t e r Silben als a b h ä n g i g von seiner phonotaktischen Position in der Phrase und von zusätzlichen Faktoren wie Sprechtempo und Emphase b e g r e i f t . " 9 Bei einem Sprachlaut, der im Ae. und Me. nach und nach in weniger günstigen Silbenpositionen bereits aufgegeben worden war, muß angenommen werden, daß er im Frühne. auch in der günstigsten S i l b e n p o s i t i o n nur noch dann d e u t l i c h a r t i k u l i e r t und wahrgenommen wurde, wenn die suprasyllabischen Bedingungen günstig für /h-/ waren, so etwa (a) wenn es im A n l a u t der Phrase stand; (b) wenn die betreffende Silbe den Satzakzent trug oder mit besonderer Emphase gesprochen wurde; (c) wenn das Sprechtempo langsam war. 120 Waren solche begünstigenden Bedingungen nicht gegeben, dann war /h-/ vermutlich kaum oder gar nicht mehr wahrnehmbar. Dies läßt sich aus den phonotaktisch bedingt starken Schwankungen der /h/-Aussprache und / h / - W a h r n e h m b a r k e i t in denjenigen Varianten des heutigen Engl. schließen, in denen das /h-/ n i c h t v ö l l i g geschwunden ist, so etwa im StE. 121 Solche phonotaktisch bedingten allophonischen Schwankungen 119

Die starke Abhängigkeit der /h/-Artikulation von diesen phonotaktischen Faktoren im Me., Frühne. und auch Im heutigen StE. 1st insbesondere von McKnlght (1899), Luick (1914-40: S 790), van Langenhove (1923) und Hörn - Lehnert (1954: 871-876) hervorgehoben und mit zahlreichen Beispielen belegt worden. Schon Mcknight (1899: 311) faßte diesen Sachverhalt sehr klar zusammen: "In all events In some dialects hbefore vowel was approaching zero and had become so weak an element as to be subject, when not preserved by tradition, to loss under unfavorable conditions and to appearance as parasitic h- under favorable conditions." 120 Daruberhinaus ist anzunehmen, daß sich - vom heutigen StE. her zu schließen - die unmittelbare segmentale Umgebung auf die Artikulation und Wahrnehmbarkeit von /h-/ auswirkte. So dürfte /h-/, wenn es regelmäßig In stimmhafter Umgebung stand wie etwa im Wortinneren in behind, perhaps, partiell stimmhaft und damit schwächer artikuliert worden sein (vgl. zum StE. Gimson 1989: 192, zum am. Engl. Bronstein 1960: 94), und wenn es auf einen stärkeren Frfkatlv folgte, kaum wahrnehmbar gewesen sein; völlig geschwunden 1st /h-/ Im StE. z.B. bei den lexikallsierten Präf i x b i l d u n g e n exhaust, exhilarate, exhibit, exhort usw., die wie exact, exempt, exonerate syllabifizlert werden: /ig.'z.../, nicht dagegen bei neueren Bildungen wie ex-husband /'eks.'hAZ.bnd/; exhale zeigt schwankende Aussprache /eks.'heil, eg.'zeil/ (vgl. Jones - Gimson 1977: s.w.). 121 Eine experimentalphonetische Studie der phonotaktisch bedingten allophonischen Stärkeabstufung von /h-/ Im StE. oder einer anderen Variante des Engl. gibt es meines Wissens bisher nicht. Nur die sehr viel deutlicher erkennbaren Auswirkungen derartiger Faktoren auf die Artikulation und Wahrnehmbarkeit von /h-/ bei üblicherweise Im Satznebenton stehenden Funktionswörtern sind bisher ausführlicher beschrieben worden; vgl. dazu Insbesondere Arnold - Hansen 1965: 194-201. Für einen Versuch, die (Nicht-)Aussprache von im StE. in Lehnwörtern wie exhale, exhaust, in Komposlta mit im Zweitglled (vgl. dazu oben Anm. 120) und In etymologisch zu-

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

der Stärke von anlautendem /h/ bis hin zum Schwund d ü r f t e den Sprechern des Me. und Frühne. im R e g e l f a l l ebensowenig bewußt geworden sein wie den Sprechern des heutigen StE., 122 solange aber die Orthographie nicht fest geregelt war, wurde das schwach oder gar nicht hörbare /h-/ gelegentlich auch nicht geschrieben. 1 2 3 Für Sprecher wie Sprachlehrer a u f f ä l l i g wurde der /h/-Schwund w a h r s c h e i n l i c h erst dann, als - am frühesten im Cockney - das /h-/ auch unter den allergünstigsten phonotaktischen Bedingungen, also am Phrasenanfang, bei langsamem, deutlichem Sprechen oder unter Emphase, nicht mehr gesprochen bzw. durch harten Glottiseinsatz wie bei vokalisch anlautenden Wörtern ersetzt wurde - oder als der Hauchlaut zur r e i n prosodischen M a r k i e r u n g f ü r Phrasenanlaut, Emphase oder deutliches Sprechen geworden war, unabhängig davon, ob die betreffende Silbe etymologisch auf /h/ oder Vokal anlautete, was beides auf das Cockney und z a h l r e i c h e andere heutige Dialekte in E n g l a n d z u t r i f f t . 1 2 4 sammengehörlgen Wortpaaren wie vehicle vs. vehicular und historical vs. history vom Standpunkt einer generativen Phonostyllstlk zu erklären, vgl. Rubach 1977: 106109. Sehr genaue Beobachtungen der positionsbedingten V a r i a t i o n von /h-/ im Dialekt von Suffolk bietet Kökerltz 1932: 106 f.; vgl. auch Widen 1949: § 83 zum Dialekt von Dorset. 122 Dies gilt für alle phonotaktisch bedingten Allophonien. Auffällig 1st hingegen für muttersprachliche Sprecher, wenn die phonotaktischen Wohlgeformtheitsregeln von nichtmuttersprachlichen Sprechern verletzt werden, etwa Indem sie Reduktionsformen im Phrasenanfang, unter starkem Akzent oder bei langsamem Sprechtempo verwenden. Im (am.-) engl. Erstspracherwerb 1st für die Artikulation von /h-/ eine gestufte Einschränkung der zunächst generellen /h/-De1et1on beobachtet worden, die die phonotaktischen Regeln für die Stärkeabstufung von /h-/ Im heutigen Englisch widerspiegelt (Stampe 1969: 447 f.): 'is 'en'ouse > 'is hen'ouse > 'is henhouse > his henhouse. '23 Qie som ^t zu erwartende statistische Häufung -loser Schreibungen für /h-/ in akzentuierten Silben Im Me. und Frühne. unter phrasenphonotaktlsch weniger günstigen Bedingungen und die entsprechende statistische Häufung von Schreibformen mit unetymologisch angefügtem unter besonders günstigen Bedingungen läßt sich aus den vorhandenen Studien zum /h/-Schwund nicht ermitteln, well diese mit Ausnahme von van Langenhove 1923 und - gelegentlich - Scragg 1970 Einzelwörter ohne Kontext als Belege anführen. Die von van Langenhove (1923: 28-47) angeführten und analysierten Beispiele lassen Jedoch vermuten, daß eine statistische Analyse der -Schreibung in me. und frühne. Texten solche aus Beobachtungen am Ne. erschlossenen Ergebnisse zeltigen würde. 124 Sowohl [?] als auch [h] werden Im Cockney und In einer Reihe anderer engl. Dialekte rein prosodlsch - nicht mehr segmental-kontrastiv - verwendet, und zwar Insbesondere Im Phrasenanlaut und unter Emphase; vgl. Sivertsen 1960: 141 zum Cockney: "Like [?] It 1s most likely to occur In heavily stressed syllables, under emphasis, and It

/. B. Das /h/ in der englischen Sprachgeschichte: Achte Stufe

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Beides erschien den G r a m m a t i k e r n t a d e l n s w e r t ; der Ersatz von /h-/ durch harten G l o t t i s e i n s a t z unter Emphase wohl deshalb, w e i l d a m i t /h/-lose Formen, die in der konservativeren Standardsprache kennzeichnend für nachlässiges, schnelles Sprechen im Umgang mit vertrauten Personen waren, in diesen D i a l e k t e n j e t z t a u c h d a n n v e r w e n d e t wurden, wenn besonders d e u t l i c h e A r t i k u l a t i o n angebracht war; die rein prosodische Verwendung des Hauchlauts vermutlich deshalb, w e i l dies nach Ansicht der Grammatiker mangelnde Bildung der so Sprechenden verriet, die, weil sie nicht richtig schreiben und lesen gelernt hatten, auch nicht richtig sprechen konnten. 125 Solange etymologisches /h-/ wenigstens unter günstigsten phonotaktischen Bedingungen noch artik u l i e r t worden war, h a t t e "aitch-dropping" unter weniger g ü n s t i g e n p h o n o t a k t i s c h e n B e d i n g u n g e n bei den G r a m m a t i k e r n kaum A u f m e r k samkeit erregt. 1 2 6 Die schon im Me. schwankende -Schreibung und Is always preceded by a juncture". Ganz ähnlich Jespersen 1909: 379 f., Lulck 191440: S 790. Horn - Lehnert 1954: 871-874 (mit zahlreichen Beispielen) und Wells 1982: 253 f. In diesen Dialekten hat somit /h-/ Im 18. Jahrhundert seinen ohnehin schon stark eingeschränkten Phonemstatus (auf den Anlaut akzentuierter Silben vor Vokalen und /j/, wie heute noch im StE. und vielen anderen Varianten des Engl.) völlig verloren und ist zu einer freien Variante der prosodischen Markierung [?] von stark akzentuierten Silben sowohl mit etymologisch leerem Anfangsrand wie auch mit etymologischem /h-/ geworden. Auf diese Dialekte t r i f f t der Titel eines Aufsatzes von John Anderson (1986) - "The English prosody /h/" - zu, nicht dagegen auf das StE., auf das er sich bezieht. - Im Dialekt von West Somerset werden (oder wurden) nach Elworthy 1877: 20 (vgl. auch Luick 1914-40: S 790 A I ) , bedingt durch Emphaseunterschied, die Komparative und Superlative zu Grundformen vokalisch anlautender Adjektive wie active i'akti] häufig mit [h-] (['haktie, 'haktiist]) ausgesprochen. 125 Beide Abweichungen von der Standardsprache wurden gleichermaßen kritisiert. So schrieb Walker in der E i n l e i t u n g zu seinem Aussprachewörterbuch (1791: x i i i ) : "A still worse habit than the last (d.h. /w-/ für /hw-/; vgl. oben Anm. 82) prevails, c h i e f l y among the people of London, that of sinking the h at the beginning of words where it ought to be sounded, and of sounding it, either where It Is not seen, or where it ought to be sunk." Leach (I860: 45) stellte apodiktisch fest: " -dropping must be overcome, and the misuse of h avoided; the world is Intolerant of dissent from customs established"; vgl. auch die Belege für K r i t i k am "aitch-dropping" In der Literatur des späten 18. und des 19. Jahrhunderts in Hörn - Lehnert 1954: 869-878. 126 So stellte Leach (1880: 43) dazu ziemlich gelassen fest: "The H, In some positions, is not easily managed. In colloquial speech it is frequently left out of little words that are of minor importance to the sense. In a homely rendering of "You saw how high (h)e held (h)1s head." the occluded h's would be nearly lost. Such a pronunciation, though not one to be highly commended, finds Its excuse in convenience, and can claim some degree of extenuation 1n a very antique origin, and of justification in extensive usage." Und S. 84: "Very common English words, as have, here ... are pronounced 'ave, 'ere, In rapid speech. This w i l l be denied stoutly by many who do so every day of their lives,

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

die erst im späten 18. Jahrhundert einsetzende K r i t i k der Grammatiker an der /h/-losen Aussprache brauchen somit nicht als einander widersprechende Evidenz f ü r den Beginn des Schwunds von /h/ im Anlaut akz e n t u i e r t e r S i l b e n betrachtet zu werden. 1 2 7 Sie dokumentieren verschiedene Stadien dieser letzten Stufe der Aufgabe von /h/, die im StE. und in vielen anderen Varianten des Engl. nicht zum Abschluß gekommen ist. Daß diese letzte Stufe der Entwicklung nur die Dialekte des Südostens, M i t t e l l a n d s und t e i l w e i s e des Nordens voll erfaßte, nicht aber die Standardsprache, mag zu einem Teil auf die starke soziale Ächtung zurückzuführen sein, die dem "aitch-dropping" bis heute g i l t . Es lassen sich aber auch r e i n i n n e r s p r a c h l i c h e , n ä m l i c h phonotaktische, Gründe f ü r die unterschiedlich w e i t reichende E n t w i c k l u n g des StE. einerseits und vieler Nichtstandardvarianten andererseits anführen. Die Standardsprache wurde und wird u.a. in Bereichen verwendet, in denen langsameres, lauteres und deutlicheres Sprechen e r f o r d e r l i c h ist (z.B. Theater, Medien, ö f f e n t l i c h e Rede, Predigt, Unterricht) als im a l l t ä g l i c h e n especially in particular combinations. Much depends on the position of the word or the accent." 127 Daß die Kritik der Grammatiker erst so spät einsetzte, wird übereinstimmend und gelegentlich mit einer gewissen Verwunderung angesichts der schon viel früher einsetzenden Schreibungsunsicherheit bei /h-/ vermerkt; vgl. Insbesondere Jespersen 1909: 3 f., van Langenhove 1923: 4 f., 47-50 und Hörn - Lehnert 1954: 875 f. Lulck (1914-40: § 790) erweckt mit der Feststellung "Erst In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dringen die -losen Formen vor und werden von den Grammatikern bekämpft" den Eindruck, daß /h/-Schwund bis zum Einsetzen der K r i t i k der Grammatiker nicht sonderlich weit verbreitet war. Zu den spärlichen Äußerungen der Grammatiker des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Dobson 1968: I I , S 426. Strang (1970: 81) führt das späte Einsetzen der k r i t i k auf die sich erst nach dem Erscheinen von Johnsons Wörterbuch (1755) verfestigende Orthographie zurück: "With the spread of education a new view about h's came to dominate usage - the view that If 1t 1s In the spelling It must be pronounced." Dies hat sicherlich eine gewisse Rolle gespielt, wie die Zurückdrängung der /h/-losen Aussprache für frz. Lehnwörter (vgl. oben Anm. 113) oder aber auch das Schwanken zwischen den Artikelvarianten a und an vor lat. und frz. Lehnwörtern wie historian, historical, hotel (vgl. EPD s.w.) mit unakzentulertem wortanlautendem /h/ zeigen. Wirklich entscheidend für die Bewahrung von /h-/ in akzentuierten Silben im StE. d ü r f t e die konservative Schreibung jedoch nicht gewesen sein, wie der (allerdings schon vor der Festlegung der Orthographie einsetzende) Schwund von /h-/ in u n a k z e n t u i e r t e n Silben und von Coda-/h/ In akzentuierten Silben und der nur wenig früher erfolgte /h/-Schwund vor /w/ 1n den südl. und mlttelländ. Dialekten und Im StE. und vor /j/ In den genannten Dialekten zeigen.

/. C. Zusammenfassung

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Umgang mit vertrauten Personen. Die suprasyllabischen p h o n o t a k t i schen Bedingungen f ü r die A r t i k u l a t i o n von /h-/ sind somit im StE. günstiger als in den genannten regionalen und sozialen Varianten des brit. Engl. 1 2 8 Es sollte deshalb nicht verwundern, wenn das StE. sich hier - wie auch schon bei der Bewahrung von /h-/ vor /w/ und /j/ - als konservativer erweist als die Nichtstandardvarianten. Von den außereuropäischen Varianten des Engl. zeigt prävokalischen /h/-Schwund vor a l l e m das austr. Engl., das von Einwanderern aus Südengland mit zumeist niedrigem sozialem Status geprägt worden ist, die sich seit dem späten 18. Jahrhundert - d.h. nach Abschluß des prävokalischen /h/-Schwunds in den südengl. N i c h t s t a n d a r d v a r i a n t e n - in Australien ansiedelten. 1 2 9

l. C. Zusammenfassung Abschließend sollen nun die acht Stufen der Aufgabe von /h/ vom Vorund Frühae. bis zum Ne. noch einmal im Zusammenhang betrachtet werden. /h/-Schwund (oder -Ersatz) ist eingetreten wortinlautend in stimmhafter Umgebung; im Auslaut satzunbetonter einsilbiger Wörter; I I I . vor /n, l , r/ i m Anlaut akzentuierter Silben; IV. im Anlaut satzunbetonter Wörter; V. in der Coda akzentuierter Silben; VI. vor /w/ im Anlaut akzentuierter Silben; V I I . vor /j/ im Anlaut akzentuierter Silben; V I I I . vor Vokalen im Anlaut akzentuierter Silben. Alle diese Veränderungen, die sich zusammen über mehr als ein Jahrtausend erstrecken, müssen als Teilabschnitte einer einzigen, chronologisch gestuften und dialektal gefächerten Entwicklung des engl. /h/

128 zur sozlolektalen Abstufung von "altch-dropplng" Im Dialekt von London vgl. Wells 1982: 254, Im Dialekt von Norwich Trudgtll 1974: 130 f. 129 V g l . dazu Wells 1982: 255, 592-594, 603, und Eagleson 1984: 415 f.; für eine historisch und sozlollngufstlsch differenziertere Erklärung der Entstehung des austr. Engl. vgl. Horvath 1985: 25-40. - Darüberhlnaus gilt prävokallscher /h/-Schwund auch für einige Varianten des Engl. auf den westindischen Inseln und für das kan. Engl. In einem Teilgebiet von Neufundland; anders als beim austr. Engl. 1st In diesen Fällen aber noch nicht ermittelt worden, ob der /h/-Schwund auf Prägung durch südengl. Nichtstandardvarfanten beruht oder eine eigenständige Neuerung darstellt (Wells 1982: 256, 501, 568 f.).

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

angesehen werden, 1 3 0 die im wesentlichen von drei Faktoren bestimmt wurde: 1 3 1 1. dem Akzent; 2. der Position in der Silbe: A n l a u t oder Auslaut (oder Coda vor stimmlosem A u s l a u t ) ; 3. im S i l b e n a n l a u t : von der Konsonantischen Stärke des Folgelauts. Wenn man vom d r i t t e n Faktor zunächst e i n m a l absieht und nur die W i r kung des Akzents und der Silbenposition betrachtet, dann wird deutlich, daß diese beiden Faktoren auf das /h/ a d d i t i v gewirkt haben: In günstiger Akzent- und S i l b e n p o s i t i o n wurde /h/ ganz z u l e t z t a u f g e g e b e n ( V I I I ) , in u n g ü n s t i g e r Akzent- und S i l b e n p o s i t i o n schon sehr f r ü h ( I I ) , in ungünstiger Akzent-, aber g ü n s t i g e r S i l b e n p o s i t i o n und in günstiger Akzent-, aber ungünstiger S i l b e n p o s i t i o n im Z e i t r a u m dazwischen ( I V , V). Am f r ü h e s t e n trat /h/-5chwund ein, wenn die G e r ä u s c h b i l d u n g und G e r ä u s c h w a h r n e h m u n g außer durch e i n e u n g ü n s t i g e Akzent- oder Silbenposition auch durch s t i m m h a f t e Umgebung im Silben- oder W o r t i n l a u t b e e i n t r ä c h t i g t wurde ( I ) . I m A n l a u t a k z e n t u i e r t e r Silben wurde d a s Eintreten des /h/-Schwunds anscheinend von der Konsonantischen Stärke des F o l g e l a u t s bestimmt, wie hier nur kurz angedeutet werden und dann in Kap. IV eingehender diskutiert werden soll: /h/ schwand umso früher, je größer die Stärke des Folgelauts war, zuerst vor den Sonoranten ( I M ) , dann vor dem schwächeren velaren Halbvokal ( V I ) , dann vor d e m w i e d e r u m schwächeren p a l a t a l e n Halbvokal ( V I I ) u n d z u a l l e r l e t z t vor Vokalen, die die geringste Konsonantische Stärke besitzen ( V I I I ) . 130

D i e Aufgabe von /h/ in der Geschichte des Engl. ist bisher nur in Vachek 1976: II und IV zusammenhängend betrachtet worden. Anders als in der vorliegenden Arbeit und in meiner ersten Skizze dieses Kapitels in Lutz 1988a wird dort die a l l m ä h l i c h e Einschränkung der phonotaktischen Distribution von /h/ allerdings nicht als phonotaktisch gesteuerte, gestufte Schwächung eines inhärent schwachen Sprachlauts in Abhängigkeit von Faktoren wie Akzent, Silbenposition und Sprechstil verstanden, und so wird in Vacheks Darstellung auch nicht einsichtig, warum /h/ im Verlauf der engl. Sprachgeschichte auf den Status eines "peripheral phoneme" zurückgedrängt wurde und warum die Entwicklung gerade diesen Verlauf nahm. 1 3 ' Wie oben in Anm. 12 sowie in den Einzelbeschreibungen der acht Stufen der Aufgabe von /h/ betont wurde, bedeutet die Beschränkung auf nur diese drei Faktoren eine grobe Vereinfachung der tatsächlich sehr viel d i f f e r e n z i e r t e r e n Entwicklung, die durch weitere positionelle Faktoren wie die Phrasenposition sowie stilistische Faktoren wie Emphase und Sprechtempo mitbestimmt wurde. Die sprechstilgesteuerte Abstufung konnte hier nur bei den ne. und nur (n einigen V a r i a n t e n des Engl. eingetretenen Entwicklungen zusätzlich berücksichtigt werden.

/. C. Zusammenfassung

69

Eine eingehendere Betrachtung verdient noch die chronologische Abstufung und die d i a l e k t a l e Auffächerung der Gesamtentwicklung von /h/ in der engl. Sprachgeschichte. Die c h r o n o l o g i s c h e S t u f u n g w i r d am d e u t l i c h s t e n erkennbar, wenn man f ü r die E i n z e l d i a l e k t e die Zeitpunkte f e s t l e g t , zu denen die acht verschiedenen Stufen der Aufgabe von /h/ j e w e i l s abgeschlossen waren. Für die südengl. Dialekte ergibt sich dabei etwa die folgende Chronologie: I: II: III: IV: V: VI: VII:

(??) 9. Jahrhundert 11712. J a h r h u n d e r t 13.l\4. J a h r h u n d e r t 157 16. Jahrhundert 16717. Jahrhundert f r ü h e s 18. Jahrhundert (7)18. J a h r h u n d e r t 1 3 2

V I I I : spätes 1 8 . Jahrhundert Die relative Chronologie der gestuften E n t w i c k l u n g ist in a l l e n V a r i a n ten des Engl. g l e i c h , aber die E n t w i c k l u n g v e r l i e f in den verschiedenen V a r i a n t e n des Engl. verschieden schnell und ging verschieden weit. Im StE., in einigen nordengl. und den schott. Varianten des brit. Engl. e r f u h r /h/ zwar eine starke Einschränkung seiner phonotaktischen D i s t r i b u t i o n , wurde aber n i c h t in a l l e n Positionen v ö l l i g aufgegeben. Die Standardsprache und e i n i g e D i a l e k t e bewahren /h/ in a k z e n t u i e r t e n Silben vor Vokalen und weitgehend auch vor / j / (Stufen V I I I , V I I ) , ein Teil der nordengl. Dialekte, das schott. StE. und das ir. Engl. zudem auch /h/ vor / w / ( V I I I , V I I , V I ) , d i e schott. D i a l e k t e d a r ü b e r h i n a u s auch noch Coda/h/ ( V I I I , VII, VI, V). Die überseeischen V a r i a n t e n der ehemaligen brit. Siedlungskolonien zeigen den E n t w i c k l u n g s s t a n d d e r j e n i g e n V a r i a n t e n des brit. Engl., von denen sie h a u p t s ä c h l i c h geprägt worden sind: das austr. Engl. den der südengl. Dialekte, insbesondere des Cockney, des späten 18. und des 19. Jahrhunderts, das am. Eng. der Ostküste den des StE. des späten 18. und des 19. Jahrhunderts, die ü b r i g e n V a r i a n t e n des am. Engl. und das kan. Engl. den des nordengl., schott, und ir. Engl. des 19. und 20. Jahrhunderts. In den Dialekten des Südens und Südostens v e r l i e f die gesamte Entw i c k l u n g o f f e n b a r k o n t i n u i e r l i c h , d.h. die einzelnen Stufen traten - über 1

3 2 M i t dieser Angabe soll nicht behauptet werden, daß der /h/-Schwund vor /j/ früher erfolgte als vor den Vokalen. Dafür gibt es, wie schon oben (Anm. 108) erwähnt, meines Wissens keine Belege. Mir ist auch keine Beschreibung eines heutigen engl. Dialekts bekannt, der /h/-Schwund zwar vor /j/, aber nicht vor Vokalen aufweist.

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Kapitel l. Konsonantisches Segment und phono taktische Position: /h/

etwa ein Jahrtausend verteilt - in ziemlich regelmäßigen zeitlichen Abständen ein. In den Dialekten des östl. M i t t e l l a n d s und des Nordens dagegen scheint es einen deutlichen Entwicklungsbruch gegeben zu haben, und zwar auch in den Dialekten, die a l l e acht Stufen der E n t w i c k lung d u r c h l a u f e n haben, wie aus der folgenden Gegenüberstellung hervorgeht: nördl. Dialekte

südl. Dialekte

l: II: IM: IV:

? 8. Jahrhundert ? 10711. Jahrhundert 12713. Jahrhundert 13. Jahrhundert

?? 9. Jahrhundert 11./12. Jahrhundert 13714. Jahrhundert 15716. Jahrhundert

V: VI: VII: VIII:

17718. Jahrhundert 18719. Jahrhundert ? 19. Jahrhundert 19720. Jahrhundert

16717. Jahrhundert frühes 18. Jahrhundert ? 18. Jahrhundert spätes 18. Jahrhunder

Die hier angegebenen Datierungen zu den nördl. 1 3 3 und südl. 134 Dialekten 1

33 Gemeint sind hier vor allem diejenigen Dialekte Nordenglands und des nordöstl. Mittellands, die heute durchgängigen /h/-5chwund aufweisen (Yorkshire, Durham, Lindsey). Als Ihre ganz frühen Vorläufer können die Sprachausprägungen der kurzen nordh. Gedichte (Caedmon's Hymn, Bede's Deathsong, Leiden Riddle, . Jahrhundert), mit Einschränkungen vielleicht noch die eher als merz, einzustufenden Glossare des 8.-9. Jahrhunderts (Corpus, Epinal, Erfurt) angesehen werden, für das Spätae. die Llndlsfarne- und Rushworth-Glossen und das Durham Ritual (Llndlsfarne liegt allerdings jenseits des ne. Dialektgebiets mit prävokalIschem /h/-Verlust), für das f r ü h e Me. das Orrmulum (spätes 12. Jahrhundert; vgl. Parkes 19 3) und der Cursor Mundi (um 1300), für das Spätme. vor allem einige alliterierende Romanzen (Wars of Alexander, Alliterative Morte Arture) und die Werke von Richard Rolle. Angesichts der sehr schlechten und ungleichmäßigen Beleglage vor allem für die frühae. und frühme. Zelt (vgl. Campbell 1959: SS 6-21, Mosse 1952: 2 f.) 1st es jedoch nicht möglich, die Gesamtentwicklung von /h/ selbst In diesem sehr großen und keineswegs homogenen Dialektgebiet über mehr als ein Jahrtausend der engl. Sprachgeschichte auch nur annähernd lückenlos zu belegen. Die Im Folgenden genannten Datierungen sind daher mit großen Vorbehalten zu betrachten. Die Abgrenzung eines südl., genauer gesagt, eines südöstl. Dialektgebiets für die gesamte Überlleferungsgeschlchte 1st In mancher Hinsicht noch problematischer als die des nördl. Der Großraum London, dessen sprachliche Entwicklung von der spätme. Zelt an

/. C. Zusammenfassung

7 l

sind aus verschiedenen Gründen ungenau und f r a g w ü r d i g . Gesichert ist a l l e r d i n g s die Beobachtung, daß die E n t w i c k l u n g der nördl. D i a l e k t e vom Frühae. bis zum Me. immer der E n t w i c k l u n g der südl. D i a l e k t e vorause i l t e und daß die ersten vier Stufen im Norden j e w e i l s f r ü h e r abgeschlossen waren als im Süden. Während jedoch im Süden die V. Stufe der IV. etwa ein Jahrhundert später und damit u n g e f ä h r im g l e i c h e n Abstand folgte wie davor die IV. der I I I . , kam im Norden die V. Stufe erst etwa drei bis vier Jahrhunderte später zum Abschluß als die IV. und d a m i t etwa ein Jahrhundert später als im Süden, und auch die restlichen drei Stufen der E n t w i c k l u n g traten dann im Norden - soweit überhaupt - jeweils deutlich später ein als im Süden. Die spätme. Schreibung spiegelt diesen Bruch besonders klar in der Wiedergabe von /h-/ der IV. Stufe (prävokalisch im A n l a u t satzunbetonter Wörter) einerseits und der VI. Stufe (vor /w/ im A n l a u t a k z e n t u i e r t e r S i l b e n ) a n d e r e r s e i t s w i d e r : /h-/ in satzunbetontem (h)it 'es' w i r d in spätme. Texten des Nordens und M i t t e l l a n d s nur noch sporadisch geschrieben, /h-/ vor /w/ dagegen w i r d überwiegend mit < q - > wiedergegeben. Weiter oben habe ich darauf hingewiesen, daß sich das Verbreitungsgebiet der -Schreibungen mit dem verschiedener anord. Lehnwörter und dem der anord. Ortsnamen deckt, und ich habe daraus geschlossen, daß diese Schreibungen m ö g l i cherweise eine Stärkung von /h-/ vor /w/ in a k z e n t u i e r t e n Silben widerspiegeln. Wenn die Annahme anord. L e h n e i n f l u s s e s für /h-/ vor /w/ z u t r i f f t , dann hat man damit möglicherweise den Schlüssel zur Erklärung f ü r den Bruch in der G e s a m t e n t w i c k l u n g von /h/ in den D i a l e k t e n des M i t t e l l a n d s und des Nordens g e f u n d e n . Der Schwund von /h-/ vor /w/ fügt sich im Norden wie im Süden in die Gesamtentwicklung von /h/ ein. Von der zeitlichen Verzögerung dieser Entwicklung im Norden war nicht nur diese eine, die V I . , Stufe der E n t w i c k l u n g b e t r o f f e n , sondern auch die vorauf gehende V. und die n a c h f o l g e n d e V I I . und V I I I . Wenn also die Annahme, daß der Schwund von /h-/ vor /w/ in den Dialekten des M i t t e l l a n d s und des Nordens durch anord. L e h n e i n f l u ß t e i l s verzögert, teils ganz a u f g e h a l t e n wurde, z u t r i f f t , dann l i e g t die weitergehende sehr gut zu verfolgen ist, lag in ae. Zeit im Schnittpunkt der drei ae. Hauptdialekte Ws., Kent, und Angl.; weder die sehr reiche ws. Überlieferung aus dem Süden, die erst im späten 9. Jahrhundert einsetzte, noch die äußerst spärliche kent. Überlieferung kann als direkter Vorläufer des spätme. Londoner Dialekts angesehen werden. Der Londoner Dialekt selbst ist sowohl im Ae. wie im Frühme. kaum repräsentiert. Zur ae. Dialektsituation vgl. Campbeil 1959: §§ 14-17, 20-22, zur Herausbildung der ne. Standardsprache unter starkem o s t m i t t e l l ä n d . E i n f l u ß Ekwall 1956, Holmberg 1964 und Fisher 1977; zum ersten frühme. Londoner Text Dickins - Wilson 1951: 7 f., 158 f.

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Kapitel I. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: /h/

Vermutung nahe, daß der Bruch in der Gesamtentwicklung von /h/ in den Dialekten des M i t t e l l a n d s und des Nordens auf anord. L e h n e i n f l u ß zurückzuführen ist. Die phonotaktische E n t w i c k l u n g von /h/ im Anord. scheint diese Annahme a l l e r d i n g s nur teilweise zu stützen: Beim Einsetzen der anord. literarischen Ü b e r l i e f e r u n g im 12. Jahrhundert war /h/ bereits auf den A n l a u t akzentuierter Silben beschränkt, wo es prävokalisch, vor /]/, /w/ und im A i s l . auch vor /n, l, r/ vorkam, während es im Aschwed., Anorw. und Adän. vor den Sonoranten spätestens um 1100 und damit ein wenig früher als in Nordengland geschwunden war; auch im Anlaut unakzentuierter Silben vor Vokalen war /h/ bereits sehr weitgehend geschwächt. 1 3 5 W o r t i n l a u t e n d in s t i m m h a f t e r Umgebung war /h/ wie im Ae. schon um 800 geschwunden, wortinlautend in der Coda vor /t/ um 900 und wortauslautend um 1000136 und d a m i t vier bis fünf Jahrhunderte f r ü h e r als in a l l e n V a r i a n t e n des Engl. Aus /g/ und /k/ war jedoch auslautend (und aus /g/ auch vor /t/) ein neuer stimmloser velarer Frikativ entstanden. 1 3 7 Im Wortanlaut schwand /h/ im Schwed., Norw. und Dän. spätestens um 1800 auch vor /v < w/, im Isl. dagegen blieb es wie vor den Sonoranten erhalten oder wurde zu /k/ gestärkt, 1 3 8 In keiner nordgerm. Sprache wurde /h/ in a l l e n phonotaktischen Positionen aufgegeben: Schwed., Dän. und Südnorw. bewahren /h-/ vor Vokalen und vor /}/, das Nordnorw. und Fär. auch vor /w/ und das Isl. darüberhinaus auch vor den Sonoranten. Die E n t w i c k l u n g von /h/ ging somit in a l l e n nordgerm. Sprachen weniger weit als in vielen V a r i a n t e n des Engl. und wich in der relativen Chronologie der e i n z e l n e n Stufen der /h/-Aufgabe in einem Punkt von der Abfolge in allen Varianten des Engl. ab: die Aufgabe von /h/ in der Coda akzentuierter Silben vor /t/ und im Auslaut (im Engl. Stufe V) erfolgte im Nordgerm, durchgängig vor dem /h/-Schwund vor den Sonoranten (im Engl. Stufe I I I ) . Bezieht man aber den aus /g/ und /k/ neu entstandenen Frikativ in der Coda akzentuierter Silben, 135

V g l . Noreen 1913: SS 66a, 137.5, 1923: S 289, krause 1948: § 68.1, Wessen 1968: 42 und Seip 1970: 54 f., 81, 90, 181. Zur Entwicklung von anord. /h-/ vor Sonoranten und Halbvokalen siehe außerdem unten Kap. IV. B. 3. 136 V g l . Noreen 1913: SS 74, 85.12, 1923: S 267, Heusler 1926: 167: SS 167 f., krause 1948: S 68.2-4 und Seip 1970: 55, 58. 137 Aus /k/ nur In unakzentuterten Silben und satznebentonigen Wörtern (z.B. och 'und', mich 'mich') - wie Im Spätnordh.; vgl. Noreen 1913: SS 63b, 85.10b, 176e. Vor /t/ 1st dieser Frikativ Im Isl. bis heute erhalten (Elnarsson 1945). 138 Vgl. dazu Noreen 1913: SS 11, 126, Einarsson 1945: 15, Seip 1970: 181 sowie unten kap. IV.B.3.

/. C. Zusammenfassung

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dessen engl. Entsprechung im Spätae. mit altem Coda-/h/ zusammengef a l l e n war, mit ein, dann ergibt sich f ü r anord. /h/ e i n s c h l i e ß l i c h dieses Frikativs 1 3 9 von ca. 1300 bis heute in etwa d i e s e l b e D i s t r i b u t i o n wie für diejenigen engl. Dialekte, die die oben skizzierte Unterbrechung oder Verzögerung in der E n t w i c k l u n g von /h/ zwischen der IV. und V. Stufe zeigen: Coda akzentuierter Silben im Auslaut und vor / t / - im Engl. Stufe V Anlaut akzentuierter Silben vor /v < w/ VI Anlaut akzentuierter Silben v o r / j / VII Anlaut akzentuierter Silben vor Vokal VIII Angesichts dieser anord. und nordengl. Entsprechungen in der Gesamtdis t r i b u t i o n von /h/ 1 4 0 sowie der genauen Ü b e r e i n s t i m m u n g des spätme. Verbreitungsgebiets der < q w , qu>-Schreibungen f ü r ae. /hw-/ mit dem spätme. Verbreitungsgebiet anord. Lehnwörter und mit dem in Ortsnamen faßbaren skand. S i e d l u n g s g e b i e t scheint m i r die Annahme einer E i n w i r k u n g des Anord. auf die E n t w i c k l u n g von /h/ in diesen engl. Dialekten vorstellbar. In den weiteren Ausführungen zu anderen phonotaktisch bedingten E n t w i c k l u n g e n im Engl. wird diese Annahme zu präzisieren sein.

j s t unerheblich, ob man diesen neu entstandenen Frikativ phonemisch dem /h/ oder /g/ oder /k/ zuordnet. Für den anord.- engl. Sprachkontakt ist von Bedeutung, daß beide Sprachen in den gleichen phonotaktischen Positionen und teilweise sogar In Wörtern mit Identischer Etymologie einen stimmlosen velaren Frikativ aufwiesen. 140 Dabei erlaubt natürlich die sehr große chronologische Variationsbreite In der Entwicklung von /h/ In den betroffenen engl. Dialekten und eine ähnlich unterschiedliche Entwicklung In den verschiedenen nordgerm. Sprachen keinen auch nur annähernd genauen Vergleich.

Kapitel I I : Konsonantisches Segment u n d p h o n o t a k t i s c h e Position: Parallelentwicklungen bei den übrigen stimmlosen Frlkatlven des Germanischen In der Geschichte des Englischen II. A. U n i v e r s e l l e Eigenschaften der F r l k a t l v e Unter den Sprachlautklassen nehmen die Frikative in den Sprachen der Welt bezüglich ihrer H ä u f i g k e i t und ihres Differenziertheitsgrads eine eher mittlere Stellung ein. Zwar weisen die meisten Sprachen Frikative auf, doch sind die frikativischen Teilinventare in der Regel kleiner und weniger d i f f e r e n z i e r t als die der Plosive (vgl. Maddieson 1984: Kap. 2 und 3). Sowohl für Sprachen mit sehr kleinen als auch solche mit größeren Frikativinventaren g i l t eine klare Präferenz für die (dental-)alveolare A r t i k u l a t i o n , d.h. für /sX-Laute; 1 zu den h ä u f i g vorkommenden Frikativen zählen außerdem ///- und /f/-Laute, dagegen sind velare F r i k a t i v e vergleichsweise selten, b i l a b i a l e und d e n t a l e sehr selten (Ibid. 42-57, 226-235). Fortis-Lenis-Kontrast ist nur in größeren Inventaren einigermaßen h ä u f i g (ab vier Frikativen), Fortisfrikative sind gegenüber Lenisfrikativen durchgängig klar präferiert. 2 Die Unterschiede im Häufigkeitsgrad der Besetzung bestimmter Artikulationsstellen für Frikative in den Sprachen der Welt finden im unterschiedlichen Identifizierungsgrad von Frikativen bei auditiven Tests innerhalb einzelner Sprachsysteme eine recht deutliche Entsprechung: so konnte für die vier F o r t i s f r i k a t i v e des heutigen Engl. festgestellt werden, daß /s/ am seltensten mit anderen Sprachlauten verwechselt 1

Die Präferenz f ü r diese Position 1st sowohl bei sehr kleinen, d.h. nur einen oder zwei Frikative umfassenden wie auch bei größeren Inventaren sehr deutlich ausgeprägt; so weisen nach Maddieson 1984: 44, 52-56 von den 37 Sprachen mit nur einem Frlkatlv (aus seiner Auswahl von insgesamt 317 Sprachen) 31 einen /s/-Laut auf, von den 62 Sprachen mit nur zwei Frikativen 56; Insgesamt 261 der 317 berücksichtigten Sprachen (= 3.8 %} besitzen einen /s/-Laut. Zu seiner phonotaktlschen Sonderstellung In Konsonantengruppen vgl. unten Kap. IV. 2 Vgl. Ohala 19 3: 201 f., Maddieson 19 4: 45-48. Lenlsfrlkatlve sind im Engl. wie In vielen anderen Sprachen artlkulatorlsch In erster Linie durch geringere Muskelspannung und niedrigere Druckstärke gekennzeichnet (nur Im Wortinneren sind sie voll stimmhaft), akustisch-auditorisch durch ein In der Dauer und Intensität reduziertes Friktionsgeräusch; vgl. Plckett 1980: 155, Glmson 1989: 179-181. Zur Bedeutung der Dauer des Friktionsgeräuschs für die auditive Unterscheidung des Fortls-Lenls-Kontrasts bei den engl. Frikativen vgl. Denes 1955, Klatt 1974, 1979, Cole - Cooper 1975 und Kohler 1984.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

wird, /// h ä u f i g e r , aber etwas seltener als / f / , am häufigsten / / (und zwar besonders oft mit /f/). 3 Im Erstspracherwerb werden die Frikative vergleichsweise spät erworben, mit Ausnahme von / f / und /s/, 4 wenngleich auch diese beiden früh erworbenen F r i k a t i v e von den Kindern deutlich später w i r k l i c h beherrscht werden als die e b e n f a l l s sehr f r ü h erworbenen Plosive und Nasale; besonders spät e r f o l g t der Erwerb des dentalen Frikativs und a l l e r L e n i s f r i k a t i v e (vgl. Prather et a/,1975: 185 f., Locke 1983: 71-80). Zwei- bis vierjährige Kinder ersetzen Frikative h ä u f i g durch homorgane Plosive, und zwar L e n i s f r i k a t i v e h ä u f i g e r als F o r t i s f r i k a t i v e , w e i t a u s am h ä u f i g s t e n /&/ (Locke 1983: 120 f.). Daneben t r i t t in der Kindersprache oft fronting e i n , d.h. Ersatz von / , / durch / f , v/ und von /// durch /s/. 5 Die besonders ausgeprägte A n f ä l l i g k e i t des dentalen L e n i s f r i k a t i v s in der Kindersprache f ü r Ersatz durch andere Sprachlaute f i n d e t in der Sprachproduktion Erwachsener Entsprechungen in der Tendenz zur Okkludierung zu /d/ im Kontakt mit anderen Konsonanten in verschiedenen Sprachen (vgl. Ferguson 1978, Locke 1983:121 f.) und zur p a r t i e l l e n bis totalen A s s i m i l a t i o n von /&-/ des bestimmten A r t i k e l s im Engl. insbesondere an vorausgehende alveolare Sprachlaute (vgl. Shockey 1977, 3

V g l . Wang - Büger 1973, Schubiger 1977: 63 f., 83-92, Locke 1983: 147 f. und Maddieson 1984: 51 f.; auch bei Einbeziehung stimmhafter Frikative erwiesen sich alveolare, labiodentale und (stimmlose) palatale Frikative als leicht, dentale (sowie stimmhafte palatale) dagegen als sehr schwer identifizierbar (Singh - Black 1966). Für einen frühen Hinweis auf die akustisch-auditorische Ähnlichkeit von / f / und / / siehe Jespersen 1904: 35 f. Inwieweit die Vorkommenshäufigkeit und der Identifizierungsgrad der Frikative mit ihrer Geräuschintensität korrelleren, 1st umstritten. Glmson (1989: 181) bezeichnet die Geräuschintensität von engl. /s/ und /// als vergleichsweise hoch, die von / f / und / / (sowie /h/) und die der Lenisfrikative als relativ niedrig; die In mancher Hinsicht fragwürdige sprachübergreifende Einstufung der Frikative nach Ihrer Geräuschintensität (Strevens 1960), die dem /s/ einen überraschend niedrigen Platz, nach / , J, x/, aber vor /x, f, , //, zuweist, ergibt nur Teilübereinstimmungen mit ihrer Vorkommenshäufigkeit (vgl. dazu Maddieson 1984: 49 f.). 4 Bei den Frlkativen gilt wie auch bei anderen Sprachlauten für die kindersprache eine Früherwerbspräferenz für den labialen Bereich, die Im Gegensatz zur Präferenz für den alveolaren Bereich in der Erwachsenensprache steht. 5 Locke 1983: 124 f. Bemerkenswert Im Hinblick auf die In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels beschriebenen Veränderungen In der Geschichte des Engl. scheint mir dabei auch die Beobachtung, daß Ersatz von / / durch /f/ sowohl wort1n1t1al wie -final auftritt, Ersatz von / / durch /v/ nur am Wortende; Okkludlerung von Frikatlven tritt nach Locke 1983: 120 f. dagegen mehr als dreimal so häufig wortinitial wie -final auf.

//. A Universelle Eigenschaften der Frikative

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Shockey - Bond 1980). Die universell besonders h ä u f i g e n und r e l a t i v früh erworbenen Frikative /s/ und /f/ haben sich auch in der engl. Erwachsenensprache unter verschiedensten Gesichtspunkten - l e x i k a l i sche Frequenz, Minimalpaarfrequenz, sprachliche Neuschöpfungen, Glossolalie, Versprecher, Sprachstörungen - als besonders produktiv bzw. stabil erwiesen, die in der engl. Kindersprache sehr deutliche Tendenz zum Ersatz von / / durch / f / ist allerdings im Engl. der Erwachsenen (etwa bei Versprechern) nicht ganz so deutlich und auch nicht so ausgeprägt u n i d i r e k t i o n a l (vgl. Locke 1983: 125-140, 193 f.). Zum Verhalten von Frikativen im Sprachwandel gibt es einige allgemeine Feststellungen (vgl. Hock 1986a: 80-87) über zwei unterschiedliche Wege der Schwächung vor allem in zwei phonotaktischen Positionen: a) im Wortinneren in stimmhafter Umgebung und b) in der Silbencoda, vor allem im Wortauslaut, nämlich a) stimmloser F o r t i s f r i k a t i v > s t i m m h a f t e r L e n i s f r i k a t i v > stimmhafter Öffnungslaut (Sonorant, Halbvokal) > 0; b) stimmloser F o r t i s f r i k a t i v > stimmloser L e n i s f r i k a t i v oder /h/ 6 > 0. Darüberhinaus konstatiert Hock (1986a: 132 f.) für den dentalen F r i k a t i v im Sprachwandel eine ausgeprägte I n s t a b i l i t ä t sowie eine Tendenz zur O k k l u d i e r u n g und zum Ersatz durch / f / , 7 Ferguson (1978) f ü h r t Beispiele für Okkludierung speziell des dentalen Lenisfrikativs u.a. in spanischbasierten Kreolsprachen, im Arab., Engl. und Dän. an; er charakter i s i e r t diese E n t w i c k l u n g e n zusammenfassend als "a r e l a t i v e l y context-free, s i m p l i f y i n g process which eliminates highly marked consonants ... and is particularly characteristic of language acquisition and p i d g i n i z a t i o n " und stellt überdies fest, "that the stop value tends to be favored in w o r d - i n i t i a l and post-nasal or post-liquid positions" (437). Umfassende Untersuchungen zur E n t w i c k l u n g der F r i k a t i v e in einer Sprache über einen längeren Zeitraum hinweg von der Art, wie ich sie oben in Kap. l zur Geschichte des engl. /h/ angestellt habe, existieren bisher nicht.

6

Zu /h/ als Schwächungsprodukt anderer Frikative vgl. auch oben Kap. I. A. 7 Hock weist In diesem Zusammenhang u.a. auf die Okkludierung von germ, / / In allen germ. Sprachen außer dem Isl. und Engl. und von ne. / -/ In Formwörtern wie them, those in verschiedenen Ausprägungen des am. Engl. sowie auf den Ersatz von / / durch / f / Im Cockney hin.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

In den folgenden A b s c h n i t t e n dieses Kapitels soll nun gezeigt werden, daß die E n t w i c k l u n g der aus dem Germ, ererbten F r i k a t i v e / f , , s/ 8 im Engl. im wesentlichen in denselben Bahnen v e r l i e f wie die von /h/, daß sich Schwächungs-, Schwund- und auch Ersetzungsprozesse von der gleichen Art ereigneten, wie sie oben in Kap. l für /h/ beschrieben worden sind. Dabei w i r d sich auch zeigen, daß für diese E n t w i c k l u n g e n die g l e i c h e r e l a t i v e C h r o n o l o g i e u n d d i e gleiche c h r o n o l o g i s c h - d i a l e k t a l e Abstufung wie f ü r die Beseitigung von /h/ g i l t , daß diese E n t w i c k l u n g e n aber - wegen der größeren inhärenten Stärke dieser F r i k a t i v e - a l l e samt später eintraten als bei /h/ und auch vielfach nicht bis zum völl i g e n Schwund gingen. Der dentale F r i k a t i v (und insbesondere der dentale L e n i s f r i k a t i v als Schwächungsprodukt des germ, dentalen F o r t i s f r i kativs) w i r d sich dabei in der gesamten engl. Sprachgeschichte als besonders a n f ä l l i g f ü r V e r ä n d e r u n g e n erweisen - ganz im E i n k l a n g mit der u n i v e r s e l l e n Sonderstellung der d e n t a l e n F r i k a t i v e in Sprachsystemen, im Spracherwerb und im Sprachwandel. Als besonders s t a b i l w i r d sich dagegen das systemuniversell besonders h ä u f i g e /s/ herausstellen, / f / n i m m t bezüglich des Umfangs der Veränderungen eine M i t t e l s t e l l u n g ein. Ich werde daher in den f o l g e n d e n A b s c h n i t t e n nach einer knappen D a r s t e l l u n g der bei a l l e n drei aus dem Germ, ererbten Frikativen festz u s t e l l e n d e n ersten Anzeichen im Ae. für eine im w e s e n t l i c h e n gleicha r t i g e E n t w i c k l u n g zuerst die Geschichte des d e n t a l e n F r i k a t i v s beschreiben, dann die des l a b i o d e n t a l e n und s c h l i e ß l i c h die des alveolaren Frikativs.

II. B. Erste A n z e i c h e n p a r a l l e l e r Schwächungs-, Schwund- und Ersetzungsprozesse bei den F r i k a t i v e n Im A l t e n g l l s c h e n Für die aus dem Germ, ererbten F r i k a t i v e /f, , s/ des Ae. n i m m t man stimmlose Positionsvarianten f ü r den Wortan- und -auslaut und f ü r das Wortinnere in stimmloser Umgebung sowie generell für die Geminata Der erst im Ae. aus /sk/ durch reziproke A s s i m i l a t i o n entstandene palatale Frikativ läßt sich nur sehr bedingt mit den übrigen Frikativen des Engl. vergleichen, vor allem da er aufgrund seiner Entstehung aus zwei Konsonanten im Ae. Intervokalisch nur als Geminata vorkam, darüberhinaus aber auch, well keineswegs sicher ist, ob es 1n ae. Zeit in allen Positionen und in allen Dialekten bereits zur totalen, in einem einzigen Sprachlaut resultierenden Assimilation gekommen war und ob das Resultat In allen Fällen /// und nicht etwa teilweise auch /s/ war. Eine umfassende, aber wohl nicht endgültige Darstellung dieser Probleme bietet Flasdieck 1958 mit ausführlicher Diskussion der älteren Literatur.

//. A. Universelle Eigenschaften der Frikative

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an, s t i m m h a f t e Positionsvarianten f ü r das W o r t i n n e r e in s t i m m h a f t e r Umgebung. 9 Die E n t s t e h u n g der schwächeren, s t i m m h a f t e n V a r i a n t e n w i r d ins Vor- und Frühae. datiert, 1 0 d.h. in jenen Z e i t r a u m , in dem das /h/ in der gleichen Position schwand. In der ae. Schreibung schlug sich diese p o s i t i o n s b e d i n g t e Schwächung kaum n i e d e r , " aber die unters c h i e d l i c h e B i l d u n g der Präterita der 1. schwachen Klasse von Verben mit stammschließendem e i n f a c h e m F r i k a t i v und mit Geminata im Ae. deutet auf p o s i t i o n e l l e S t i m m h a f t i g k e i t der einfachen Frikative: 1 2 1ä?fde zu Izefan '(hinter)lassen' cyöde zu cyöan 'künden' rä?sde zu räesan 'stürmen'

-

pyfte zu pyffan 'blasen' sceöede zu sceööan 'schädigen' cyste zu cyssan 'küssen'

In dieser Position ging die Schwächung a l l e r drei Frikative später t e i l weise bis zum v ö l l i g e n Schwund.

9

Vgl. dazu Campbell 1959: §§ 50, 68-70, Sievers - Brunner 1965: §§ 170, 192, 200, 203, Kühn 1970: 28-31, 40 f. Der erst Im Ae. aus /sk/ entstandene palatale Frikativ kam Im Wortinlaut nur als Geminata vor und wurde somit, wie auch die Geminaten der übrigen stimmlosen Frikative des Ae„ in stimmhafter Umgebung nicht lenisiert, der palatale L e n i s f r i k a t i v /3/ < /zj/ In romanischen Lehnwörtern wie pleasure, fusion entstand erst im 17. Jahrhundert; vgl. Luick 1914-40: SS 691, 784.2 mit A2, 785.2 mit A; Dobson 1968: I I , § 389. 10 Vgl. dazu Luick 1914-40: S 639, Campbell 1959: S 444, Sievers - Brunner 1965: SS 192-194, 199-204. 1 ' Der labiodentale Frikativ in dieser Position wurde in frühae. Hss. außer mit regulärem gelegentlich auch mit wiedergegeben, das ansonsten für germ, /b/ und im In- und Auslaut für seine frikativische Positionsvariante [b] sowie für den durch Verners Gesetz stimmhaft gewordenen Labial stand. Mit dem Zusammenfall der frikativischen Positionsvarianten von /b/ mit /f/ (im I n l a u t in [v]: ae. gerefa [v] 'Graf, seofon 'sieben'; im Auslaut in [f]: ae. wu/f'Wolf, jöeof'Dieb') setzte sich für labiale Frikative jeder Herkunft durch. Seit dem späteren 10. Jahrhundert wurde gelegentlich für die stimmhafte Variante im Wortinneren auch oder verwendet, und diese Schreibungen setzten sich dann im Me. im Zuge der (teilweise durch frz. Lehneinfluß bedingten) Phonemisierung des Stimmtonkontrasts bei den Frikativen für me. und ne. /v/ durch; vgl. dazu Sievers - Brunner 1965: SS 191-194. Scragg 1974: 13 m i t Anm. 4, 23 f., 80 f., dazu Anderson 1985 für den Versuch einer präzisen Beschreibung der komplexen phonologischen Beziehungen zwischen Frikativen und Lenisploslven des Vor- und Frühae. 12 Vgl. dazu insbesondere Luick 1914-40: S 639.1, für weitere Beispiele auch Campbell 1959: S 748 und Sievers - Brunner 1965: §§ 404-405; vgl. auch ae. wyscte zu wyscean 'wünschen'.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Frikative

II. C. Der dentale F r l k a t l v In der englischen Sprachgeschichte Erste Stufe Im W o r t i n n e r e n in s t i m m h a f t e r Umgebung erfuhr der dentale F r i k a t i v im Ae. und Me. zahlreiche Veränderungen von im wesentlichen zweierlei Art, n ä m l i c h Schwund und Okkludierung, letzteres erheblich h ä u f i g e r ; a l l e diese Veränderungen sind, w i e im f o l g e n d e n im e i n z e l n e n gezeigt werden soll, darauf z u r ü c k z u f ü h r e n , daß / / in dieser Position zunehmend instabil wurde. Diese Veränderungen sind bisher nicht g r ü n d l i c h und im Zusammenhang untersucht, teilweise auch nicht erkannt und unzureichend erklärt worden. Die folgende Darstellung kann sich allerdings zu einem guten Teil auf die Darstellung von Luick (1914-40: §§ 635, 638, 673, 724, 725) stützen, der bereits auf eine Reihe von P a r a l l e l e n zwischen den sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden Veränderungen von / / in dieser Position hinwies. Am frühesten kam es zum Schwund oder zur O k k l u d i e r u n g von / / nach Kurzvokal und vor Sonorant der gleichen Silbe. Schwund trat ein zwischen kurzem, o f f e n e m Vordervokal und tautosyllabischem /!/; dabei kam es zur Ersatzdehnung des Vokals (Luick 1914-40: § 638.1 mit A5); vgl. ae. (vor allem poet.) määl 'Rede', mzelde 'sprach' (zu mae/?/an 'sprechen'), 13 ae. (poet.) stä?/ 'Stelle, Statt', st&lan 'gründen, einsetzen' (vgl. staöol 'Grund, Gründung'). Zwischen /a*/ und /m/ b l i e b der F r i k a t i v erhalten (siehe Luick 1914-40: § 638.1); vgl. ae. faepm 'Faden (Längenmaß)'. Zwischen anderen Kurzvokalen und /l, m/ trat dagegen Okkludierung ein, teilweise sehr f r ü h , noch vor der Schwächung des Frikativs zu [ ] (vor /!/ teilweise mit Metathese; Luick 1914-40: §§ 638.1 mit A I , A7, 673; Sievers - Brunner 1965: § 201.3 mit A4), Anders als beim Substantiv und bei der Präterltalform des Verbs war / 1/ beim Infinitiv heterosyllabisch, wie dies für diese Konsonantenfolge In Intervokalischer Position für das Ae. durchgängig gilt; vgl. dazu unten Anm. 17. Die Microfiche Concordance verzeichnet für das Prt. 5g. mzelde 14 Belege, davon 12 aus poetischen Texten, für den Inf. maeplan 5, sämtlich aus der Dichtung (der Pariser Psalter verzeichnet Ix mä?/an mit analogischem Ausgleich). Heterosyllablsches / .1/ 1st für die Vorstufe des Homonyms maöelian/maöolian/maeöelian der 2. schwachen Klasse und seine Flexionsformen anzunehmen « *map. lö. Jan).

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Erste Stufe

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vgl. ae. (ws.) set/ 'Sitz', bot! 'Gebäude', botm 'Boden', ae. (merz.) seid, bold, *bodem ( > ne. dial, boddem), oder es kam früh zur Entstehung von Sproßvokalen zwischen / / und Sonorant (Luick 1914-40: § 638.1): vgl. ae. (angl.) seöe],]4 *bo6em ( > me./ne. dial. bothom]5Y Nach Langvokalen wurde [ ] vor /!/ zu [d] o k k l u d i e r t , vor /m/ b l i e b es erhalten (Luick 1914-40: § 638.2 mit A3), vgl. ae. näed/ 'Nadel', widl 'Schmutz' < urgerm. *nzebl-, *wlpl-, ae. mäöm 'Kleinod', äeöm 'Atem' < urgerm. *maibm-, *ä5bm-. A l l e diese Entwicklungen lassen sich zusammenhängend erklären: Nach K u r z v o k a l e n entstanden beim Schwund u n a k z e n t u i e r t e r a u s l a u t e n d e r Vokale gemäß den germ. Auslautgesetzen e i n s i l b i g e ( z w e i m o r i g e ) Wortformen mit in mehrfacher Hinsicht ungünstiger Codastruktur, n ä m l i c h (1) mit zum Nukleus hin zunehmender Konsonantenstärke (N Cc), (2) mit Beteiligung eines a r t i k u l a t o r i s c h besonders schwierigen und deshalb universell seltenen und im Spracherwerb spät beherrschten Frikativs, (3) - im Falle von / 1/ - mit besonders schwieriger A r t i k u l a t i o n s a b f o l g e von stimmloser kontrollierter Öffnung ( F r i k t i o n ) und fast homorganem s t i m m h a f t e m Verschluß bei lateraler Öffnung; diese Verbindung aus dentalem F r i k a t i v und dentalalveolarem Lateral wurde im Wortinneren im Ae. stets heterosyllabiert. 1 6 Am meisten war daher tauto14

Die Microfiche Concordance verzeichnet 233x sei/, vor allem aus ws. Texten, 9x sebel (4x Im ae. Beda [angl.], dort auch 3x sonst nirgends belegtes sebl, wohl nach den f l e k t i e r t e n Formen) und 23x seid (flekt. sed/-), vor allem Im Vespasianpsalter (merz., 16x; flekt. sec//-) und In dem darauf zurückgehenden frühws. Juniuspsalter (5x, sonst sei/); Im ebenfalls verwandten spätws. Bosworthpsalter steht Ix die Doppelglosse seid & sei/, sonst set/. (Zum Abhängigkeitsverhältnis und zur dialektalen Einordnung der ae. Psalterversionen vgl. Berghaus 1979: 36-66 und Wenisch 1979: 65-67.) 15 Das MED s.v. botme verzeichnet die Formen bothom, bothum, bothem für verschiedene spätme. Texte aus dem Norden und nordwestl. Mittel land, das EDD s.v. bottom Formen mit Frikativ f ü r Ost-Yorkshire. Die Form bodem wird im MED zwar als Variante erwähnt, kommt aber in keinem Textbeleg vor; das EDD s.v. bottom verzeichnet boddem als Dialektform für Nord- und West-Yorkshire. 16 Vgl. dazu Lutz 1985: 234-236, 1986: 200-204. Dies galt auch für intervokalisches /tl/ und /dl/; Im Wortauslaut hingegen waren diese homorganen Ploslv-Lateral-Folgen (mit nuklearem /!/) im Engl. zu allen Zeiten zugelassen. Zur universellen Seltenheit Insbesondere von tautosyllabischem / 1/ siehe unten Kap. IV. A. 2. Für diesen und andere Wege der Vermeidung bzw. Beseitigung von / 1/ und auch von /tl, dl/ im Sprachwandel vgl. auch Hock 1986a: 1 15 f., 137.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktisehe Position:Frikative

syllabisches / 1/ von Veränderungen betroffen. Durch Schwund von / / beseitigt wurde / 1/ im Vor- und Frühae. nur nach offenem Vordervokal, d.h. wenn / / zwischen zwei annähernd homorganen, aber o f f e n e r e n N a c h b a r l a u t e n stand, die eine weitere Ö f f n u n g und d a m i t V o k a l i s i e r u n g des Frikativs b e w i r k t e n (/ 1 > V l / ) , wodurch es zur Ersatzdehnung von /a?/ kam. Nach geschlosseneren Kurzvokalen wurde / / auf drei verschiedene Weisen beseitigt, im Ws. durch sehr f r ü h e O k k l u d i e r u n g des F r i k a t i v s (> / t l / ) , im Merz, durch spätere Okk l u d i e r u n g mit anschließender Metathese (> / I d / ) , 1 7 im Angl. durch Einschub eines Sproßvokals (> /OV1/). Das Resultat war entweder wie die Ausgangsform eine schwere E i n z e l s i l b e , aber eine mit verbesserter Coda (-c statt -Cc: mäe/, -cC statt -Cc: seid), oder es war eine (wegen A u f l ö s u n g metrisch g l e i c h w e r t i g e ) z w e i s i l b i g e Sequenz aus l e i c h t e r Silbe und u n a k z e n t u i e r t e r Folgesilge (set/, seöel); in jedem Fall ergab sich also eine gegenüber der Ausgangsstruktur 1$ verbesserte Sil18 benstruktur. Die heterorgane V e r b i n d u n g / / wurde nach n i c h t o f f e n e n Kurzvokalen entweder durch f r ü h e O k k l u d i e r u n g (> /tm/) oder durch Einschub eines Sproßvokals beseitigt, im letzteren F a l l e t e i l w e i s e mit späterer Okkludierung des bereits zu [ ] geschwächten Frikativs. Nach dem o f f e nen /äs/ wurde [ ] erst im Me. o k k l u d i e r t . Das R e s u l t a t war in jedem F a l l eine Folge aus leichter und n a c h f o l g e n d e r unakzentuierter Silbe, also eine verbesserte S i l b e n s t r u k t u r bei unverändertem metrischem Gewicht (wegen Auflösung). 1 9 17

Die Metathese trat wohl erst nach der Okkludierung zu [d] ein, die sich in diesem Dialekt auf alle Flexionsformen erstreckte (seid, flekt. secf./-), ebenso wie die Okkludierung zu [t] Im Ws. Bei Annahme der Reihenfolge (1) Metathese, (2) Okkludierung würde man für die flektierten Formen eher Bewahrung des Frikativs wie Im Angl. (seöel, seö.l-) erwarten. Auch die erst Im Me. eingetretene Metathese von /dl/ zu /Id/ nach Langvokal (vgl. unten Anm. 20) spricht für die Annahme des Eintritts der Metathese erst nach der Okkludierung. 18 Im Sinne einer Artikulationserleichterung, die alle vier resultierenden Strukturen Im Vergleich mit der Ausgangsstruktur bedeuteten: m«e/ wegen der Vereinfachung der Konsonantengruppe durch Vokalisierung des Frikativs; se/dund sei/ wegen der partiellen Vereinheitlichung der Artikulationsart (dentalalveolarer Verschluß), im Falle von seid wegen des kontinuierlichen Übergangs vom nuklearen Öffnungslaut zum auslautenden Verschluß über einen homorganen partiellen Verschluß, im Falle von sei/ wegen der lateralen Verschlußlösung In das nukleare IM der neuentstandenen zweiten, unakzentuferten Silbe; seöel schließlich wegen der Trennung der als tautosyllabische Gruppe besonders schwierig zu artikulierenden Konsonantensequenz durch Vokalelnschub. 19 Für alle resultieren Strukturen ist wohl anzunehmen, daß der Dental nach Kurzvokal der ersten wie der zweiten Silbe angehörte und daß der Nasal in der zweiten Silbe mehr

//. C Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Erste Stufe

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Die Wörter mit Langvokal waren z w e i s i l b i g ; dort stand / / im Kopf der z w e i t e n , u n a k z e n t u i e r t e n Silbe ( m i t nuklearem Sonoranten) und b l i e b vor heterorganem /m/ e r h a l t e n , vor annähernd homorganem /!/ wurde es hingegen dissimilatorisch okkludiert. 2 0 Der dentale Frikativ erfuhr somit im Ae. in Wortinneren in stimmhafter Umgebung in der Position / V 6 Son$/ v i e l f a c h e Veränderungen, die s ä m t l i c h zu einer Verbesserung gegenüber der phonotaktischen Ausgangsstruktur führten. Besonders a n f ä l l i g für Veränderungen war / / in der homorganen Verbindung /(V)61$/, die durchgängig beseitigt wurde. Die besondere A n f ä l l i g k e i t von / / im W o r t i n n e r e n in s t i m m h a f t e r Umgebung für Veränderungen im Kontakt mit dem Lateral galt auch für die Folge /1 / im Silbenkontakt ( V l $ 6 V ) , in der der Frikativ okkludiert wurde; im Silbenkontakt mit /r/ b l i e b er dagegen bis ins Me. erhalten; vgl. ae. wuldor 'Ruhm' fealdan 'falten', dagegen ae. moröor 'Mord', weorÖan 'werden'. 21

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21

oder weniger nuklear war. Für faefrm verzeichnet die Microfiche Concordance neben den zahlreich belegten regulären fa?t>m(-,)-Fornnen 2x fa?t>em(-) (darunter Ix fa?frem in den Lfndlsfarne-Glossen) und 5x fasdm-, Schreibungen, die bereits die weiteren Entwicklungen - nämlich Vokaleinschub in der unflektierten Form, Okkludlerung in den flektierten Formen (vgl. Lulck 1914-40: 673; MED s.v. fadme; vgl. auch fadmen v. [< ae. fzefrmian]) - andeuten. Nach Langvokal verlief die Silbengrenze auch In den flektierten Formen zwischen dem Vokal und dem Dental. Die ae. Formenvarianten und die weitere Entwicklung von mäörn, ä§om spiegeln zwei unterschiedliche Entwicklungsrichtungen, abhängig von der phonotaktischen Struktur der überwiegend verwendeten Formen, wider: mäöm, vorwiegend flektiert gebraucht und Im Me. nur noch im Plural belegt, weist schon im Spätae. bei den flektierten Formen fast ebenso viele madm- wie maöm-Schreibungen auf, und bei den unflektierten Formen ist maööum (8x, davon 4x im Beowulf) häufiger als maöm (6x), d.h. die Ausgangsform mäöm erfuhr neben Okkludlerung in den f l e k t i e r t e n Formen und Vokaleinschub In der unflektierten Form wohl auch schon Vokalkürzung, wie sie im späten 12. Jahrhundert von Orrm in maddmess angezeigt wird. Das Wort starb im 13. Jahrhundert aus; vgl. MED s.v. madmes. Bei &6m hingegen, das in der Microfiche Concordance überwiegend u n f l e k t i e r t belegt 1st U6x a?£m, Ix aepumm; 7x a?£>/n-), setzte sich die Form mit erhaltenem Frikativ und Sproßvokal durch, bis das Wort dann Im 12.-13. Jahrhundert außer Gebrauch kam; vgl. MED s.v. ethem. Im Me. trat Im westl. M i t t e l l a n d auch nach Langvokal Metathese von /dl/ > /Id/ ein; vgl. MED s.v. nedle die Formen neld, neeld, eld (mit Resyllablflzlerung des /n/ nach dem unbestimmten Artikel wie In adder < ae. nasdre). Das EDO verzeichnet für die heutigen Dialekte von Shropshire und Worcestershire mid, nial(d), nild. Vgl. Lulck 1914-40: S 635.2, Sievers - Brunner 1965: § 201.2. Zur späteren Okkludlerung von / / auch nach /r/ vgl. welter unten. Nasal + / / (sowohl tautosyllablsch als auch heterosyllablsch) war, wie alle Nasal + Frikatlvfolgen, im Anglofries. durch Voka-

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Kapitel II. Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Frikative

Schwund von / / in intervokalischer Position trat zuerst im Spätae. und dann wieder im Frühme. e i n , am frühesten in dem Namenselement a?/?e/-, das seit dem späten 10. J a h r h u n d e r t in Schreibungen w i e ^jelwig, /£"3/ma?r, /f/e/r/c, £elwine, £lbriht belegt ist, sehr häufig in (präzise datierbaren) Münzinschriften. 2 2 Keine derartigen Schreibungen für a?£>e/- gibt es f ü r Namen wie /fjbe/sfan, /fjbe/no/b oder f ü r das z u g r u n d e l i e g e n d e A d j e k t i v a?£e/e 'edel, adlig'. Der besonders frühe Schwund in den obengenannten Namen d ü r f t e demnach auf die folgenden (in annähernd phonetischer Transkription s k i z z i e r t e n ) phonotaktischen Bedingungen zurückzuführen sein : ae&(9)l$C, wobei C heterorgan mit IM (/w, m, b/) oder schwächer als /!/ (/r/); 2 3 d.h. der Frikativ war bei fortschreitender Reduktion des auf / / folgenden Vokals 2 4 in die gleiche Position geraten, in der er schon e i n m a l , im Vor- und Frühae., geschwunden war, zwischen offenen Vordervokal und

Usierung des Nasals beseitigt worden (Lulck 1914-40: SS 85, 627). Die ersten Belege finden sich auf Münzen von /Ethelred II. (978-1016), allerdings bemerkenswerterweise nur für die Namen von Münzbeamten, nicht für den des Königs; auf denen von knut und seinen Söhnen (1016-1042) und von Eduard dem Bekenner (1042-1066) sind sie bereits deutlich häufiger als die Belege mit < > oder ; vgl. Colman 1981, 1984: 124 f., Smart 1987; von Feilitzen 1937: SS 59-63, 1 1 1 . 23 In W i r k l i c h k e i t ist der Sachverhalt noch etwas komplizierter: vor dem labiovelaren Halbvokal /w/ konnte es alternativ auch zum Schwund des in unakzentuierter Codaposition bereits stark vokallslerten, [u]-ähnlichen /!/ kommen, insbesondere und besonders f r ü h (9710. Jahrhundert) vor dem Namenselement -wulf (Apulf < /Epelwulf; für das frühe 12. Jahrhundert 1st auch /Epeweard belegt; vgl. von Feilitzen 1937: SS 62 f.). Erhalten blieb / / zunächst auch In /Epelm (seit dem 10. Jahrhundert die übliche Form) < /€pelhelmrr\\t /h/-Schwund 1m Silbenkontakt mit stärkerem /!/ und haplologlscher Reduktion von -elelir» -elm, schwand dann aber bei weiterer Vokalreduktion um 1100 (Domesday Book Ailm; vgl. von Feilitzen 1937: S 62). Vor Namenszweltelementen auf /r-/ kam es häufig auch schon seit dem 9. Jahrhundert zur Assimilation von /!/ an /r/ O /rr/ > /r/; £per.red, /fpe.red), und In diesem Fall wurde im späten 11. Jahrhundert bei Schwund des unakzentulerten Mittelvokals [ ] offenbar zu [d] okkludlert (Domesday Book Adret, Edret; vgl. von Fellltzen 1937: S 59, Campbell 1959: S 484 mit A3). 24 Unakzentuierte palatale Mittelvokale waren zwischen konsonant und /!/ meist schon Im Vorae. geschwunden, außer zwischen dem dentalen und auch dem labiodentalen Frikativ (nur /f/ < germ, /f/), wo sie bis Ins Spätae./Frühme. disslmllatorlsch bewahrt blieben; vgl. Lulck 1914-40: S 336. 22

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Erste Stufe

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/}/ der gleichen Silbe (vgl. oben stä?/, mä?/de); 25 der Schwund des dentalen Frikativs im Namenselement a?£>e/- trat somit in W i r k l i c h k e i t gar n i c h t in intervokalischer Position ein. Stand /!/ im Silbenkontakt mit einem homorganen stärkeren Konsonanten (/s, n/), dann kam es stattdessen zum assimilatorischen Schwund von /l/. 26 Folgte dagegen auf /!/ ein Vokal wie in aefreJe, dann stand der Lateral im Kopf der letzten, unakzentuierten Silbe, war somit stellungsbedingt durch stärkeres "clear l" vetreten und wurde beim Schwund des Mittelvokals nicht tautosyllabisch mit / /: 39Ö(8)$l8 (phonetische Transkription) In dieser P o s i t i o n b l i e b / / zunächst erhalten 2 7 und wurde erst im 147 15. Jahrhundert, nach v o l l s t ä n d i g e m Schwund des M i t t e l v o k a l s und auch weitgehendem Schwund des auslautenden Vokals, okkludiert; vgl. me./ne. fiddle 'Geige' < ae. *fiöele (vgl. ae. fiöelere 'Geiger'), me./ne. staddle 'Fundament; Baumstumpf < ae. staöol. Dieser letztere Vorgang ist somit, worauf schon Luick hinwies, als Wiederholung ganz ähnlicher ae. Vorgänge nach Neuentstehung entsprechender phonotaktischer Bedingungen anzusehen. 2 8 /Ejbe/e kam im Spätme. 25 Den Schwund von / / In aefrel- hatte auch schon Colman (1981: 297-301, 1984: 125) 1n Verbindung mit dem früheren /6/-Schwund 1n stäsl, m&Kde) gebracht. Für Ihre Erklärung des /9/-Schwunds mit Bezug auf die Silbenzahl der betroffenen Wörter mußte sie jedoch vielfache Analogiebildungen annehmen, und zudem konnte sie mit ihrer Annahme nicht begründen, warum der Schwund des Frikativs in aefrel- erheblich später eintrat als in stzel, m&Kde). In der früheren Literatur wurde /9/-Schwund in a?£e/zumeist auf frz. E i n f l u ß zurückgeführt; vgl. dazu die Angaben In Colman 1981: 296 f. und Lutz 1988a: 233 Anm. 20. 26 /l/-Schwund vor /s/ und /n/ 1st seit ca. 950 belegt, vor /s/ trat er möglicherweise nur ein, wenn ein weiterer Konsonant auf /s/ folgte (/Ebestan [sehr häufig], /ffreswy/?, /£t>enot); dagegen mehrfach /f/s/e u.a. f ü r /föelsige, einen Münzbeamten unter Knut; f ü r die Belege vgl. von Feilitzen 1937: SS 62 f., Colman 1981: 295, 1984: 124 f., Smart 1987: 287). Nach dem /1/-Schwund konnte es hier später, bei Schwund des Mittelvokals, noch zusätzlich zum /9/-Schwund kommen; vgl. mehrfaches xfsian neben £öestan für einen Münzbeamten unter Knut (Campbell 1959: S 484 A5, Smart 1987: 290). 27 Auf die Bewahrung von / / In a?£e/e im Ae. wies auch Colman (1981: 301, 1984: 125) hin, hatte aber keine Erklärung für die unterschiedliche Entwicklung des Namenselements a?i>e/- und des zugrundeliegenden Adjektivs. 28 Vgl. Luick 1914-40: S 638.2: "Diese Vorgänge wiederholen sich sowohl In spätaltengllscher ... wie In mittelenglischer Zelt"; S 724.2: "Eine weitere Gruppe bilden Fälle, in denen erst durch mittelenglische Vorgänge die Konsonanten zusammenrückten". Ob die Okkludierung schon beim Schwund des Mittelvokals erfolgte oder erst, als beim Schwund

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

außer Gebrauch, t e i l w e i s e wohl, w e i l es durch die O k k l u d i e r u n g des Frikativs in H o m o n y m e n k o n f l i k t mit addle 'stinkende Brühe; verdorben' (< ae. aofe/a) geriet. 29 Allgemeinerer Schwund von / / in intervokalischer Position setzte im 12.-13. J a h r h u n d e r t e i n , zunächst nur in Wörtern, die h ä u f i g im Satznebenton standen (Luick 1914-40: § 724.3), so in ne. or Oder' < ae. ö/>er,30 ne. wher(e) obs./dial. Ob1 neben whether < ae. hwasoer,Z] des auslautenden Vokals IM nuklearislert wurde, ist schwer zu sagen. Für die erstere M ö g l i c h k e i t spricht die Schreibung -le wie in Wörtern mit ererbtem Plosiv (idle, girdle, saddle) gegenüber -el/-il In Wörtern mit anderen, bewahrten Frikatlven (hazel, level, devil}; vgl. Luick 1914-40: S 472.1 mit A2. 29 Bisher ist als Ursache für das Aussterben von ae. eepele/me. apel im Spätme. immer Verdrängung durch frz. noble angenommen worden (vgl. etwa Prins 1941: 288-290, Brunner 1960: 13 , Scheler 1977: 54 f., Baugh - Cable 1978: 168 f., 179, Berndt 1982: 58), angesichts der großen Bedeutung der Kultur und der Herrschaftsstrukturen Frankreichs für die hoch- und spätma. engl. Führungsschicht sicherlich zu einem guten Teil zu Recht. Für die Annahme der zusätzlichen Wirkung eines im späten H.Jahrhundert entstehenden Homonymenkonflikts mit addle spricht jedoch, daß ( 1 ) das germ. Erbwort, obwohl noble früh entlehnt wurde (die frühesten Belege im OED und MED stammen aus dem frühen 13. Jahrhundert; La3amons Brut hat jedoch noch sowohl in der älteren wie auch in der jüngeren, stärker frz. geprägten Fassung durchgängig und sehr häufig apel), in der me. höfischen Literatur noch lange zur positiven Charakterisierung von hochgestellten Personen und von edlen Ausstattungsgegenständen verwendet wurde, Im Norden und nördl. M i t t e l l a n d noch bis ins frühe 15. Jahrhundert, so etwa 1m stark mit frz. Lehnwörtern durchsetzten S/r Gawain and the Green Knight (urn 1380; vgl. etwa Z. 904 pat apel Arthure, 171 his apel skyrtes und synonymes noble in 873 araye noble sowie Davis 1967: 163, 201) und In The Wars of Alexander (um 1400); in solch späten Texten sind Schreibungen wie atel und aghil belegt, die auf Okkludierung bzw. Vokalislerung des dentalen Frikativs schließen lassen, im MEDsv. athel adj. jedoch als "late scribal errors In an obsolete word" gewertet werden; (2) daß das Adj. addle Verdorben' 1m Frühne. neben seiner Grundbedeutung auch die übertragene Bedeutung 'dumm, verwirrt' mit Bezug auf menschliches Denken und Reden annahm und damit In ganz ähnliche Kontexte gelangte wie apel (> Taddle). Zu den Bedingungen für das Eintreten eines Homonymenkonflikts vgl. Williams 1944: 3-22. 30 Belegt sind In me. Hss. aus dem Norden auch die Schreibungen our, ouer, ouir (vgl. /EDund OEDsv. or), die möglicherweise zweisilbige Formen mit vokallslertem / / wiedergeben. 31 Vgl. OED sv. whether; die kontrahierte, einsilbige Form war vom f r ü h e n 13. bis zum 17. Jahrhundert allgemein gebräuchlich und wurde neben der zweisilbigen Vollform In der gebundenen Rede den Erfordernissen des Metrums entsprechend verwendet, so etwa vielfach noch von Shakespeare; vgl. Kökerltz 1953: 321 f.

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Erste Stufe

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ne. since, d i a l , sin, sen 'seit' neben d i a l , sith, sithen < ae. sip /ban. 32 Sehr interessante A u f s c h l ü s s e über diese E n t w i c k l u n g b i e t e n die V a r i a n t e n f ü r die K o n j u n k t i o n or im Orrmulum (spätes 12. J a h r h u n dert), wo V o k a l l ä n g e / - k ü r z e konsistent durch E i n f a c h - / D o p p e l s c h r e i bung des nachfolgenden Konsonanten m a r k i e r t ist. Begünstigend f ü r den E r h a l t des Frikativs waren, nach den im OED s.v. or z i t i e r t e n Belegen zu schließen, u.a. vokalisch anlautende F o l g e s i l b e n (Beispiel 1) und günstige satzrhythmische Bedingungen, d.h. r e g e l m ä ß i g e r Wechsel zwischen akzentuierten und unakzentuierten S i l b e n (Beispiel 2), u n g ü n s t i g dagegen eine konsonantisch a n l a u t e n d e u n a k z e n t u i e r t e F o l g e s i l b e zusammen mit u n g ü n s t i g e n s a t z r h y t h m i s c h e n Bedingungen ( B e i s p i e l 3): (1) ... obbr itt wass iivejjen turrtles /oö.rit, o Ö r i t / , (2) Her iss Jitell oberr nohht ;' biss land /oi.öar/, (3) To don ohht orr to spekenn ohht off ifell /or.to/. Der Schwund des dentalen Frikativs trat demnach am ehesten dann ein, wenn er phrasenphonotaktisch bedingt in die P o s i t i o n /V Son [alv] $/ geriet. 3 3 Im Spätme. und Frühne. setzte auch bei ü b l i c h e r w e i s e h a u p t t o n i g e n W ö r t e r n wie leather, brother, other (< ae leoer, bröbor, ober) Schwund des dentalen F r i k a t i v s ein. Dies kann aus v e r e i n z e l t e n spätme. S c h r e i b u n g e n wie leyre, broyer, oyer/oyr, 34 aus f r ü h n e . m e t r i s c h e r 32 vgl. OED und EDD s.w. sen, t s e n e , sin, since, sith, t s / i n e n ; sith geht auf nördl. Formen mit sehr frühem Schwund des -n zurück (vgl. Lindisfarne Gospels s/ööa) und gilt heute nur noch f ü r das Schott.; auf Schottland und den Norden sind auch sen und s;n beschränkt. Formen mit Schwund des F r i k a t i v s (in diesem Fall der Geminata) sind von ca. 1300 an belegt Der Dialektatlas des Spätme verzeichnet für den Norden und das östl. M i t t e l l a n d mehr e i n s i l b i g e Formen Csen, sith), f ü r den Süden und Südwesten mehr zweisilbige Formen; insgesamt bietet hier die spätme. Dialektlandschaft ein sehr d i f f u s e s Bild (vgl. Mclntosh ei a/. 1986: I I , 165-170). 33 Zur Bedeutung der Artikulationsstelle des Sonoranten für den Schwund des dentalen Frikativs im Wortinneren in stimmhafter Umgebung vgl. weiter unten. 34 Vgl. MED s.w. brother (dort auch breyeroun für brethren), other « y > - F o r m e n dort als "error" bezeichnet), lether (leyre dort als "error" bezeichnet) sowie im Sprachatlas des Spätme. die zahlreichen Belege füröroyer, broyre, breyer, breyeren usw. in Texten des Nordens und M i t t e l l a n d s ( M c l n t o s h et a/. 19 6: IV, 135 f . ) . In Bd. l, 447, dot map 710 werden diese -Schreibungen dem ' m e d i a l 'th' type' zugeordnet, d.h. als Belege für die einem ähnliche me. W e i t e r e n t w i c k l u n g der ae. -Rune gewertet, die u.a. häufig für lenisiertes / / im Anlaut satznebentoniger Wörter (ine, fnat usw.) verwendet wurde (vgl. Jordan - Crook 1974: S 203, nach Benskin 1982 war diese Schreibung auf den Norden und das Mittelland beschränkt - vgl. seine Karte auf S.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

Evidenz und aus heutigen Dialektformen geschlossen werden. Diese Evidenz wird weiter unten a u s f ü h r l i c h analysiert. In der Mehrzahl der Dialekte und in der Standardsprache konnten sich - anders als bei einigen satznebentonigen Wörtern - solche Formen ohne dentalen Frikativ nicht durchsetzen. Dies ist auf eine Überlagerung dieser E n t w i c k l u n g durch eine Reihe anderer, etwa im gleichen Zeitraum eingetretener Lautveränderungen zurückzuführen, nämlich auf die folgenden: 1. Okkludierung des dentalen Frikativs zu [d] vor und nach /r/ vom Spätae. bis zum Spätme. (Luick 1914-40: §§ 724.1, 725, 751, Jordan - Crook 1974: §§ 206, 298); vgl. ae. byr'öen (f lekt. byrun-\ spätae. auch byrden 'Bürde' > me. burthen/burden > ne. burden, ae. moröor (f lekt. morör-) 'Mord' > me. morthre/murdre > ne. murder, ae. feoröung 'Viertelpfennig' > me. ferthing/ferding> ne. farthing, d i a l , far den, ae. eoröe 'Erde' > me. erthe/erd(e)> ne. earth, d i a l , eard, ae. spiöre 'Spinne 1 > me. spJthre/spJdre> ne. spider, ae. rööor (f lekt. röör-, reör-) 'Ruder' > me. rötner, spätme. röd(d)er > ne. rudder, ae. feöer (flekt. feör-) 'Feder' > me. fether/feder/fedre> ne. feather, ae. brööor (flekt. bröpr-/brepr-} 'Bruder' > me. brother/ bröder, Pl. brötherfen, -es)/brod(e)res/ breth(e)ren usw. Die me. F o r m e n v i e l f a l t , die teils auf analogischen Ausgleich zwischen f l e k t i e r t e n und u n f l e k t i e r t e n Formen, teils auf dialektale Unterschiede z u r ü c k z u f ü h r e n ist, und die sie widerspiegelnde F o r m e n v i e l f a l t der ne. Dialekte ist hier nur andeutungsweise berücksichtigt worden. Die angef ü h r t e n Beispiele zeigen, daß dem F r i k a t i v vorausgehendes /r/ a l l e i n nur dialektal - n ä m l i c h im Nordengl. und Schott., wo die Okkludierung in dieser Position sehr früh eintrat - Okkludierung b e w i r k t e (vgl. dagegen

15). Angesichts zahlreicher spätme. Schreibvarianten für whether Ob' wie wejer, weyer, wher usw. (ibid., IV, 279-281) und der frühne, metrischen und der ne. dialektalen Evidenz 1st allerdings zu fragen, ob nicht zumindest bei einem Teil der spätme. öroyer-Belege für vokallsierten dentalen Frikativ steht.

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StE. farthing, earth)?5 im Z u s a m m e n w i r k e n mit n a c h f o l g e n d e m / r / jedoch auch im Süden schon in f r ü h m e . (StE. murder) und mit n a c h f o l gendem /n/ der f l e k t i e r t e n Formen sogar schon in spätae. Z e i t (spätae. byrden < f l e k t . *byrdn-).^6 Die Okkludierung durch /r/, das dem Frikativ folgte, setzte sich in der Regel durch, wenn in a l l e n oder den am h ä u f i g s t e n gebrauchten Formen /r/ im Kopf der u n a k z e n t u i e r t e n Silbe stand, d.h. in den Positionen / Y O r V ( - ) / , / Y . 9 r V ( - ) / und / V r . e r V ( - ) / (vgl. StE. rudder, spider, murder), am f r ü h e s t e n , wenn dem F r i k a t i v auch ein /r/ vorausging (murder)?7 Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die Okkludierung des dentalen Frikativs vor oder nach /r/ umso früher e i n t r a t , je konsonantischer seine u n m i t t e l b a r e Umgebung insgesamt war: spätae.: frühme.: spätme.: dial.:

Vr0rV V6rV

Ganz besonders interessant ist dabei, daß K o p f - / r / der u n a k z e n t u i e r t e n Silbe, das im StE. bis heute erhalten ist (wenn es n i c h t später durch Für weitere Beispiele vgl. Luick 1914-40: S 751. Die frühesten «J>-Belege f i n d e n sich im nordengl. Cursor Mundi (14. Jahrhundert). Zur Annahme der Entstehung des Okklusivs In bürden vor /n/ f l e k t i e r t e r Formen, das durch spätae. Schwund des unakzentuierten Mittelvokals (vgl. Luick 1914-40: § 457, Campbell 1959: §§ 392f.) in direkten Kontakt mit dem dentalen F r i k a t i v geriet, siehe Luick 1914-40: § 724.1, Jordan - Crook 1974: § 206. Die Microfiche Concordance verzeichnet -Belege für Hss. des späten 11. und frühen 12. Jahrhunderts, allerdings nur solche mit erhaltenem Mittelvokal. Flektierte spätae. Formen mit nach ausgefallenem Mittelvokal sind dagegen von haben 'Heide, heidnisch' belegt; die Microfiche Concordance s.w. haedn- verzeichnet insgesamt 21 Belege, alle aus nördl. Texten (18x Lindisfarne-Gl., 2x Durham Ritual, Ix Beda). Die Okkludierung in murder wurde von Luick (1914-40: S 725 A2) auf E i n f l u ß von f r z . murdre und murdrir z u r ü c k g e f ü h r t , wofür spricht, daß sich die ersten -Belege für murder in der Ancrene Riwle (frühes O.Jahrhundert) finden, die starken frz. Lehneinfluß zeigt. Angesichts der noch früheren Okkludierung in bürden, für die L e h n e i n f l u ß nicht geltend gemacht werden kann, scheint mir die weiter unten gebotene d i f f e r e n z i e r t e phonotaktische Erklärung sämtlicher Okkludierungsvorgänge, von denen der dentale Frikativ vor und nach /r/ betroffen war, plausibler. -Belege für die Position XvOrV(-)/ werden erst spätme. häufiger, die frühesten finden sich nach Luick 1914-40: S 725 im Orrmulum (Lincolnshire, spätes 12. Jahrhundert); zur reichhaltigen spätme. Evidenz In nördl. und mittelländ. Texten vgl. auch Fausbell 1979.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment und phono taktische Position: Frikative

Schwund des nachfolgenden Vokals n u k l e a r i s i e r t wurde; vgl. ne. Hadrian, Audrey, dagegen spider), eher Okkludierung auslöste als Coda-/r/ der vorausgehenden akzentuierten Silbe, das vom Spätme. an in den südl. und m i t t e l l ä n d . Dialekten zu schwinden begann, und daß Coda-/rY der akzentuierten Silbe gerade in denjenigen Dialekten Okkludierung bewirkte, in denen es selbst erst sehr spät oder überhaupt nicht schwand. - Wenn /r/ in der Coda der unakzentuierten Silbe stand, trat keine Okk l u d i e r u n g ein, d.h. in den Positionen / V Ö ( V ) r $ / und /v.6(V)r$/; v g l . StE. feather, brother™ 2. F r i k a t i v i e r u n g von /d/ in der Position / V d ( V ) r $ / im Spätme. und Frühne.; 3 9

vgl. ae. mödor 'Mutter' > spätme. möder/möther, ae. weder 'Wetter 1 > spätme. weder/wether, ae. gaderian '(sich) sammeln 1 > spätme. gader/gather, Der s t i m m h a f t e ( d e n t a l ) a l v e o l a r e Plosiv wurde also im gleichen Zeitraum vor weitgehend geschwundenem unakzentuiertem Vokal und Coda/r/ f r i k a t i v i e r t (d.h. geschwächt), in dem der dentale F r i k a t i v , dessen Schwächung ( a l s Lenisierung) schon im Vor- und Frühae. m a n i f e s t wurde, in vergleichbarer Position v ö l l i g zu schwinden begann. In a l l e n anderen Positionen im Wortinneren in s t i m m h a f t e r Umgebung b l i e b /d/ dagegen erhalten. 4 0 38

Die Differenzierung zwischen der Entwicklung vor Kopf-/r/ und vor Coda-/r/ findet sich bei Jordan - Crook 1974 (und schon bei Jordan 1934): § 296 und 1m Anschluß daran bei Brunner 1960: 379, die zwischen "unsilbischem" und "silbischem" /r/ unterschieden. Lulck (1914-40: § 725) meinte dagegen: "Der Wandel [d.1. die Okkludierung des dentalen Frikativs] war wohl an die unmittelbare Folge or gebunden, mochte das r nun silbisch oder unsilbisch sein." 39 Vgl. Lulck 1914-40: § 752.1, Jordan - Crook 1974: S 29 . Lulck charakterisierte die Position für die Frikativierung von /d/ als "vor folgendem r oder -er, das früh zu silbischem r wurde", meinte aber (ebd., A3): "die Ursache der Verschiebung des dlst nicht klar. Denn an ein dorsales d schließt sich Zungenspltzen-r ohne weiteres an." Für Coda-/r/, das noch im Spätme. zu schwinden begann (vgl. unten Kap. I l l ) , kann jedoch kein "Zungenspitzen-r" angenommen werden. 40 Erhalten blieb /d/ in stimmhafter Umgebung Im Kontakt mit Sonoranten - dort, wo der dentale Frikativ seit dem Vorae. fortschreitend okkludlert worden war; vgl. ne. under, shoulder, idle, adder, ladder < ae. under, sculdor, idl- (flekt.), naJdre/na=ddre, hläJder/ hlaedder (mit Gemination vor /r/ und wohl auch mit Vokalkürzung; vgl. Campbell 1959: § 453). In den Dialekten des Mittellands und Nordens ist vielfach aber auch in solchen Positionen Frikativierung eingetreten, so etwa bei ladder (vgl. Orton et a/.1978: Ph 236 ladder mit Ph 237 f. father, mother). Die frühesten Deniscne here on Port mid Dornsaetum (Ags. Chronik, Hs. A, s.a. 37: 'And the same year Ealdorman /€. with the people of Dorset fought against the Danish army at Portland'). Das präpositionale Objekt, das den Gegner einer Auseinandersetzung bezeichnet, wurde im Ae. nur mit wiö (oder selten: ongeari), nie mit mid konstruiert, so durchgängig in der Verbindung mit Verben und Verbalausdrücken wie feohtan/sacan/winnan 'kämpfen', flftan 'streiten', gefeohtan/-winnan 'siegen 1 , frit)

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schied war aber in E i n z e l f ä l l e n schon im Ae. nicht absolut klar. Diese Bedeutungsähnlichkeit in einem Teilbereich b i l d e t e die semantische Ausgangsbasis f ü r die E n t w i c k l u n g der beiden Präpositionen. b) Die phonotaktisch gesteuerte Schwächung von Konsonanten in der Coda unakzentuierter Silben, die im Spätae. und Me. sowohl den dentalen Frikativ als auch den alveolaren Lenisplosiv betraf. Der dentale Frikativ wurde in dieser Position vom Spätae. an v ö l l i g aufgegeben, wie die E n t w i c k l u n g von oö(-) bereits gezeigt hat. Beim alveolaren Lenisplosiv trat in dieser phonotaktischen Position e b e n f a l l s Schwächung e i n , r e s u l t i e r t e bei diesem jedoch wegen seiner größeren inhärenten Stärke l e d i g l i c h in F r i k a t i v i e r u n g , die sich bei der Präpos i t i o n mid vom Spätme. an in zahlreichen m / ö - S c h r e i b u n g e n m a n i f e s t i e r t e . 5 7 Im Spätnordh. war diese F r i k a t i v i e r u n g von /-d/ in mid um die M i t t e des 10. Jahrhunderts bereits abgeschlossen, und niman 'Frieden schließen'; vgl. BT(S) s.w. mid, wip und Dekeyser 1990: 38-40. Dekeyser (ibid. 44) sieht in der Ähnlichkeit der Bedeutungen von ae. m;'dund wib in diesem Bereich den auslösenden Faktor für die semantlsch-lexlkalischen Veränderungen aller drei Präpositionen. Die Frikativierung von /d/ in der Coda unakzentuierter Silben war nicht auf mid beschränkt. In satznebentonigen Wörtern zwar kam /-d/ ansonsten nur in der Konjunktion and vor, wo - im Kontakt m i t homorganem Nasal - Frikativierung von /-d/ nicht zu erwarten ist, angesichts der etwa gleichzeitigen Okkludlerung des dentalen Frikativs im Silbenkontakt mit /n/ und dem N i c h t e i n t r i t t der spätme. Frikativierung von /d/ in stimmhafter Umgebung Im Kontakt mit /n/ (vgl. oben Anm. 36 und 40). In unakzentuierten Silben mehrsilbiger Wörter 1st in den spätnordh. Glossentexten (Llndisfarne, Rushworth, Durham Ritual) jedoch In hundred 'hundert' insgesamt belegt, f l e k t i e r t e Formen haben < > (7x) oder (vgl. Cook 1894: 119; Microfiche Concordance s.v. hundrap, -aep, -eb). Andere Wörter und W o r t f o r m e n wie etwa heafod 'Haupt' oder schwache Partizipia Prät. wie geh&led, gewundod, haben dagegen fast ausnahmslos /-d/, das wahrscheinlich durch die f l e k t i e r t e n Formen (heaf.d-, gehäsl(e).d- usw.) gestützt wurde; /-d/ in den unflektierten P a r t i z l p i a l f o r m e n war zudem durch die häufige Phrasenendposition gegenüber /-d/ in mid begünstigt (ein Parallelf a l l 1st die Bewahrung von /-n/ der Partizipia Prät. der starken Verben im Spätnordh. und nördl. Frühme. bei gleichzeitig häufigem Schwund von /-n/ unakzentuierter Silben In - phrasenphonotaktlsch weniger begünstigten - Formen von Verben und Nomina). Im Me. haben für ' nach Auswels des MED s.v. hundred und des Linguistic Atlas of Late Mediaeval English (Mclntosh ei al. 1986: I, K 454) vor allem nördl. und nordm l t t e l l ä n d . Texte die Form hundreth (z.B. Cursor Mundi - dort vereinzelt auch hundris; Wars of Alexander, Pearl)· im Spätme. war diese Form jedoch auch schon bis In den Südwesten (Piers Plowman) vorgedrungen. - Von der Schwächung in dieser Position war 1m übrigen auch der Fortlsplosiv betroffen, wie die welter oben erwähnten spätnordh. -Schre1bungen beim Präfix a?f- zeigen.

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auch im Merz, jener Zeit war sie bereits sehr weit fortgeschritten. 58 Dagegen gibt es im Ws. des 10. und 11. Jahrhunderts nur wenige Belege f ü r miö, und zwar fast ausschließlich in V e r b i n d u n g mit nachfolgenden Formen des bestimmten Artikels, was den Schluß nahelegt, daß die Schwächung des auslautenden ( d e n t a l ) a l v e o l a r e n Lenisplosivs a s s i m i l a t o r i s c h vor a n l a u t e n d e m dentalem Frikativ der Fogesilbe begann und sich dann weiter ausbreitete; am längsten b l i e b /-d/ o f f e n b a r vor Vokal oder /h-/ der Folgesilbe bewahrt. 5 9 Die F r i k a t i v i e r u n g des Lenisplosivs von m / d u n d die weiter oben beschriebene Beseitigung von oö(-) weisen somit das gleiche chronolog i s c h - d i a l e k t a l e G e f a l l e zwischen dem progressiven Norden und dem konservativen Süden a u f . Dieses G e f a l l e zeigt, mit z e i t l i c h e r Verschie58

Die Microfiche Concordance verzeichnet insgesamt 1231 Belege (neben 27439x mid und 30x mit) und 756 für die Konjunktion mifrfry, davon stammen die meisten aus den spätnordh. Glossen zu den Lindisfarne und Rushworth Gospels und zum Durham Ritual; mid ist 1n L. nur 2x, Im DR nicht belegt; R. hat 57x mid, allerdings nur in den merz. Teilen (Matt., Mark. 1, Joh. 18); vgl. dazu unten Anm. 59. Ob die vereinzelten f r ü h e n nordh. und merz. Belege für miö (Leiden R i d d l e 12, R u t h w e l l Cross, 2x, Corpus Gl. 1591, Beda-Gl. 70, Merz. Urk.; vgl. Smith 1968: 27 f.) als Teil dieser Entwicklung zu sehen sind oder, wie Smith annimmt, als Belege für eine frühae. gesamtengl. verbreitete Variante der Präposition, die vom Vernerschen Gesetz nicht betroffen war (got. mit), anord. meö und afrles. mith sind hier allerdings für das Germ, nicht aussagekräftig, die ersteren beiden, da im Got. und Anord. die Opposition zwischen t> und dnach Vokal aufgehoben war, das letztere wegen der späten Bezeugung des Afrles.; ahd. mit deutet zweifelsfrei auf urgerm. *dund läßt für das Ae. auf m/o" als Ausgangsform schließen), 1st wegen der sehr spät einsetzenden Überlieferung der südlicheren Dialekte des Ae. schwer zu entscheiden und hier letztlich auch nicht von Bedeutung. Von Interesse ist hier, daß die Verwendung von spätae. miö in denjenigen Dialekten, in denen es neben mid belegt ist, phonotaktisch gesteuert war, wie die merz, und ws. Belege zeigen. 59 Letzteres ist aus den 57 m/d-Belegen Im merz. Teil der Rushworth-Glosse zu schließen, insbesondere aus dem durchgängig merz, glossierten Matt.-Evangelium (53x mid, 28x miö); mid ist lOx vor Vokal und 24x vor /h-/ belegt (und zwar zumeist vor schwachtonfgem /h-/ eines Personalpronomens; In solchen Fällen dürfte die Frikativierung des /d/ durch Resyllablfizierung verhindert oder verzögert worden sein, z.B. In /mid.him > mi.dim/) und nur 2x vor / -/, miö dagegen nur je 4x vor Vokal oder /h-/, aber 11x vor / -/. In ws. Hss. des 10. und 11. Jahrhunderts zeigte sich die beginnende Instabilität von satznebentonigem /-d/ der Präposition vor dem weltgehend homorganen Frikativ vor allem in fest gewordenen Verbindungen mit dem bestimmten Artikel, teils in vereinzelten Belegen für regressive Assimilation (miööäm 'damit, darauf, miööy 'während'), teils in Belegen für reziproke Assimilation (mitty). Zur letzteren Entwicklung vgl. Bülbrlng 1902: § 552 und Campbell: S 481.3; die erstere wird In den Grammatiken nicht erwähnt, trotz der sehr zahlreichen Belege.

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bung, auch die e n d g ü l t i g e Verdrängung von mid 'mit' durch with 'mit', wie sie in zwei a u s f ü h r l i c h e n lexikalisch-semantischen S t u d i e n der E n t w i c k l u n g der beiden Präpositionen ( H i t t l e 1901, Baumann 1911) beschrieben worden ist, ich zitiere aus der Zusammenfassung von H i t t l e (167 f.; zum d i a l e k t a l unterschiedlich schnellen Fortschreiten der Entwicklung vgl. auch Baumann 1911: 139 f. und Mustanoja 1960: 393): Wir beginnen im norden. Schon mitte der me. periode (vgl. Laurence Minot und Cursor Mundi) läßt sich kein m/cfmehr belegen. Das ost-mittelland weist um 1200 herum nur noch sehr spärliche reste auf, vgl. Orm mit seinem einzigen beispiel (nach Holt's Glossar). Auch in den etwas südlicheren Genesis u. Exodus (ca. 1250) enthalten die von mir untersuchten zeilen (1251-1345, 1907 bis zum Schluß) nur ein einziges mid, und zwar in einer Verwendung die dem ae., wie Mätzner bemerkt, völlig fremd ist. Im südöstlichen m i t t e l l a n d (Bestiaire 1230, king Horn 1250) erscheinen mid und wiö in ungefähr gleicher bedeutung häufig nebeneinander. Lagamon als vertreten des Worcester dialekts bedient sich um 1200 noch des mid, wenn auch nicht in ausgedehntem maße. Hingegen bewahrt der dlalekt des Langland (Piers Plowman) das m / d b i s in die Chaucersche zeit hinein. Daneben erscheint allerdings das wiö schon instrumental gebraucht. Ebenso konservativ wie das westliche mittelland zeigt sich auch der Süden. Dem etwa gleichzeitigen Orm gegenüber steht für das sächsische gebiet das Poema Morale durchaus auf dem ae. Standpunkt. Auch in Eule und N a c h t i g a l l (1220), in der Ancren R i w l e (1230), sowie in der Margaretenlegende (1210) erscheint mid häufig neben dem allmählich immer zunehmenden wiö. In kent kommt m/cf noch um 1340 bei Dan Michel recht o f t vor. Für die f r ü h e konkurrenz, die wiö dem mid im Londoner dialekt machte, zeugt der instrumentale gebrauch des wiö In der Proklamation von 1258: iseined wiö ure see t. Damit soll kein vollständiges bild der me. Verhältnisse gegeben sein, sondern nur ein hinweis darauf, wie allmählich und wie verschieden schnell nach zeit und or t das mid verdrängt worden 1st.

Nach Hittles Ansicht erfolgte die sich über Jahrhunderte erstreckende Ablösung von mid durch with in verschiedenen Bedeutungsbereichen verschieden s c h n e l l . Baumann, der H i t t l e s D a r s t e l l u n g der d i a l e k t a l e n und z e i t l i c h e n A b s t u f u n g der E n t w i c k l u n g bestätigte, sah jedoch keine Anzeichen für eine semantische D i f f e r e n z i e r u n g der Veränderungen von m/öfund wiö: Charakteristisch für das allmähliche vordringen des wiö ist der umstand, daß es, wo es einmal öfter anzutreffen ist, zu gleicher zeit In mehreren funktionen des mid auf t r i t t (5.4);... daß wir auch mid da, wo es noch nachzuweisen ist, meist nicht nur In einer, sondern in mehreren Verwendungen antreffen (141)... Nirgends läßt sich also nachweisen, weder an der hand eines textes, noch unter Zuhilfenahme aller, daß mid in dieser oder jener Verwendung zuerst ausgestorben ist. Wenn aber seine Verdrängung von einer

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bestimmten funktlon aus erfolgt sein sollte, so müsste sie in dieser auch zuerst vollendet sein. ( 1 4 2 )

Im Anschluß an Baumanns Darstellung charakterisierte auch Mustanoja die me. E n t w i c k l u n g von m/tf und wiö nicht als Bedeutungsveränderung, sondern als Verdrängungsvorgang; wegen der f r ü h e n w/ö-Belege in der Bedeutung von ae. mid im Nordosten (Orrmulum) nahm er E i n f l u ß von an. vif> an, h i e l t daneben aber auch B e e i n f l u s s u n g durch lat. cum für möglich. 6 0 Die zeitlichen und dialektalen Parallelen zwischen der Frikativierung von /-d/ in mid und der Ablösung von mid durch with in der Bedeutung 'mit' sind in den bisherigen Darstellungen der E n t w i c k l u n g von mid und with e i n s c h l i e ß l i c h der Wörterbücher nicht genügend beachtet worden; das MED s.v. mid verzeichnet als V a r i a n t e zu mid zwar u.a. auch mith(e) und f ü h r t drei Belege aus südl. und südwestl. Texten des 13. und 14. Jahrhunderts an (Proverbs of Alfred, Poema Morale, Piers Plowman"), g l a u b t jedoch einen c h r o n o l o g i s c h - d i a l e k t a l e n Zusammenhang zwischen diesen me. südl. und den spätae. nördl. m/ wurde in spätme. Zeit nur noch im Süden und Südwesten regelmäßig verwendet und um die M i t t e des 15. Jahrhunderts v ö l l i g aufgegeben; im angrenzenden südl. M i t t e l l a n d waren im gleichen Zeitraum Formen mit der alten Endung nur noch f ü r einige Verben mit stammschließendem Vokal im Gebrauch (beth, goth, hath, sayth\ in denen der d e n t a l e F r i k a t i v im Auslaut der akzentuierten Silbe stand. 75 Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die Verdrängung der alten Präsens-Plural-Endung t e i l s durch Formen mit neuen Endungen, t e i l s durch endungslose Formen chronologisch und d i a l e k t a l genau pa74 75

Vgl. Brunner 1962: 189 und Samuels 1985: II. Vgl. Brunner 1962: 189, Mosse 1952: 76-78 (mit Karte'S. 77). Die Dialektkarte In Mclntosh ei al. 1986: l, 467 (K 654) berücksichtigt nur das mittelländ. und nördl. England; im Vergleich mit der Mosseschen Karte zeigt sie die weltgehende Verdrängung der alten Endung -ep zugunsten von -en Im westl. Mittelland in spätme. Zeit.

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r a l l e l zur Verdrängung von F u n k t i o n s w ö r t e r n und -wortteilen mit Coda-/^/ v e r l i e f . Die Entwicklung begann in a l l e n Fällen im Norden, breitete sich a l l m ä h l i c h ins Mittelland und in den Süden aus - in der östlichen Landeshälfte jeweils schneller als in der westlichen - und kam im äußersten Süden und Südwesten mehrere Jahrhunderte später zum Abschluß als im Norden. In der 3. Person Singular b l i e b der dentale Frikativ, begünstigt durch die aus der f r ü h e n Synkope des Endungsvokals resultierende Verlagerung in den A u s l a u t der akzentuierten Silbe, 7 6 etwa zwei Jahrhunderte länger erhalten als im P l u r a l , bis sich die im Spätae. im Norden entstandene und in der me. Zeit ins M i t t e l l a n d vorgedrungene Ersatzendung -(e)s im Laufe des 16. und frühen 17. Jahrhunderts durchsetzte. Chaucer, der das Präsens Plural fast durchgängig mit -en k e n n z e i c h n e t e und g e l e g e n t l i c h bereits endungslose Formen gebrauchte, verwendete in der 3. Person Singular -(e)s nur zur Charakterisierung nördl. D i a l e k t sprecher, ansonsten durchgängig -(e)p.77 Im 15. Jahrhundert nahm der Gebrauch von ~(e)s im Umkreis Londons auf Kosten von -(e)th zu, und zwar zunächst vor a l l e m in eher umgangssprachlichen Texten wie etwa P r i v a t b r i e f e n (vgl. dazu Holmqvist 1922: Kap. V - V I I ) . Der Gebrauch von -(e)th konzentrierte sich vom 15. Jahrhundert an in der sich herausbildenden Standardsprache zunehmend auf die folgenden Rückzugsbereiche: a) Verben mit stammschließendem Vokal; hier bildete der dentale Frikativ a l l e i n die Coda einer akzentuierten Silbe. 78 76

Durch analogischen Ausgleich nach den Formen der schwachen Verben geriet der dentale Frikativ In einem Teil dieser Formen Im Laufe des Me. wieder In den Auslaut der unakzentulerten Silbe; vgl. etwa spätme. helpeth ' h i l f t ' - ae. (ws.) hilpp, aber Immer noch comth 'kommt', berth 'trägt', doth 'tut'. Bis ins 15. Jahrhundert erhalten blieben auch Formen mit okkludlertem Dental wie bint 'bindet', stent 'steht' (vgl. Brunner 1962: 185). 77 Vgl. Holmqvist 1922: 72 f., Brunner 1962: 190, Mosse 1952: 77 (Flg. 9) und McIntosh ei a/. 1986: l, 466 (k 645 u. 646). Die Karte von Mosse 1st Insofern Irreführend, als sie die Endungen der 3. Person Singular mit -eth/-es angibt (wie Im Plural), statt mit -(e)th/-(e)s. 78 Vgl. Holmqvist 1922: Kap. V - V I I I , X-XI. In mittelländ. Texten des frühen 15. Jahrhunderts deutete sich diese Entwicklung bereits an, so etwa in den Im 2. Viertel des 15. Jahrhunderts In Staffordshire entstandenen Gedichten von John Audeley, wie Holmqvist (S. 90) feststellte: "The old ending 1s ... c h i e f l y restricted to hath, doth, and sayth, the very forms In which -th was adhered to, In l i t e r a t u r e , In the 16th and 17th cent, when it had long since been displaced by -s 1n all other cases." Für verschiedene andere, zumeist spätere, Texte vgl. ibid. S. 102 f., 120, 129 f., 168 f., 184-188, 191 f.;

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

b) Verben mit stammschließendem Sibilanten. 7 9 c) Textsorten, f ü r die ein f e i e r l i c h e r , archaisierender Stil bevorzugt wurde (in der Prosa z.B. Bibelübersetzungen, o f f i z i e l l e Briefe, Urkunden). 8 0 d) archaisierende Verbformen in gebundener Rede, bei denen die Präsensendung /- / den Erfordernissen des Metrums entsprechend Nukleus und Coda einer unakzentuierten Silbe bildeten. 8 1 In a l l e n F ä l l e n waren die phonotaktischen Bedingungen für den E r h a l t des dentalen Frikativs besonders günstig. 8 2 Im Zuge der Verwendungshath und doth blieben sogar bis Ins späte 17. Jahrhundert In Gebrauch. Vgl. Holmqvlst 1922: 184: "In 16th cent, literature, prose as well as poetry, -es Is hardly ever used after a sibilant, -eth being the regular ending In that case (unless, as often occurs, doth + an Infinitive Is used Instead). And In texts of the 17th cent, where -th forms do occur, the greater percentage of them are often due, ft seems, to a sibilant, e.g. in Burton's Anatomy, where 15 out of 19 -th are preceded by such sounds." Für Verben mit stammschließendem Sibilanten gilt bis heute die morphophonologische Regel (-S) - / i z / . 80 Vgl. Holmqvlst 1922: 171, 177, 182-184; Holmqvlst wies darauf hin, daß der Gebrauch von -th oder -s Im 16. und 17. Jahrhundert vielfach vom individuellen Stil der Autoren bestimmt wurde, konnte aber auch zeigen, daß verschiedene Autoren jener Zelt die beiden Endungen stilistisch differenziert verwendeten, so etwa John Lyly, der für seine Prosadramen, die allegorische, mythologische und historische Stoffe behandelten, -th bevorzugte, dagegen -s für eine Komödie, oder Königin Elisabeth I., die - wie auch einige Ihrer Zeltgenossen - In offiziellen Briefen zumeist -th gebrauchte, In eher persönlich gehaltenen dagegen häufiger -s; 1n John Bunyans Pilgrim's Progress 1st -th weltestgehend auf Bibelzitate beschränkt (vgl. Holmqvlst S. 182-184). Vgl. auch Stein 1988 zum stilistisch und inhaltlich differenzierten Gebrauch der beiden Endungen In Briefen des 17. Jahrhunderts aus Neuengland. 81 Vgl. Holmqvlst 1922: Kap. X-XI, zu Shakespeares Sprachgebrauch außerdem auch Franz 1939: S 153. 82 Dabei 1st zu berücksichtigen, daß Im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert In der Umgangssprache der Reduktlonsvokal / / der unakzentuierten Flexlonssllben völlig schwand und damit der geschwächte dentale Frlkatlv vom Auslaut der unakzentuierten Silbe In den Auslaut der akzentuierten Silbe geriet; zu den Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Verbalflexion vgl. Lulck 1914-40: SS 475 ff. Entsprechende phonotaktische Steuerungsmechanismen konnte Stein (1985: bes. Kap. II) für die Zurückdrängung der mit -st markierten Formen der 2. Person Singular zugunsten von perlphrastlschen cto-Konstruktlonen In Fragesätzen beobachten. - Besonders ungünstig waren die phonotaktischen Bedingungen für -(e)th z.B. In den aus dem Lat. entlehnten, zumeist vlelsllblgen Verben auf -ate, bei denen die Endung -eth eine weitere Silbe hinzufügen mußte, well der dentale Frlkatlv Im direkten Kontakt mit /t/ schwer zu sprechen war (vgl. dazu Samuels 1972: 174 f.) oder In Fragesätzen mit Inversion, wenn das Verb vor einem nominalen Subjekt mit bestimmtem Artikel stand. 79

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Zweite Stufe

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elnschränkung von -(e)th auf gehobene Stilarten kamen im 15. und 16. Jahrhundert im M i t t e l l a n d vorübergehend noch einmal Pluralformen mit -(e)th in Gebrauch; diese Formen sind nicht als Fortsetzer der konservativen südwestl. D i a l e k t f o r m e n anzusehen, sondern als stilistische Varianten zur nördl. P l u r a l f o r m auf -sanalog zur s t i l i s t i s c h e n -(e)th /-s-Variation in der 3. Person Singular. 83 Im frühen 17. Jahrhundert hatte sich -s als die phonotaktisch robustere Endung in der 3. Person Singular in der Standardsprache weitgehend durchgesetzt. Der zeitliche Verlauf der Verdrängung der alten Endung war, wie in den vorauf gehenden Abschnitten andeutungsweise gezeigt werden konnte, phonotaktisch gesteuert: je ungünstiger die phonotaktische Position f ü r den dentalen Frikativ, umso früher wurde er als Präsensmarkierun'g durch andere, phonotaktisch stabilere Markierungen ersetzt oder ganz aufgegeben, je günstiger die Position, desto länger b l i e b er erhalten, um dann s c h l i e ß l i c h auch durch /s/, nach Jespersen den morphophonotaktisch e f f i z i e n t e r e n Sprachlaut, ersetzt zu werden. 4. Die Aufgabe von Verben und Verbformen mit /- / im Satznebenton E i n i g e C h a r a k t e r i s t i k a der bisher beschriebenen Entwicklungen lassen sich auch in der E n t w i c k l u n g von ae.weoroan 'werden' sowie der Formen £>/jb und beop des Verbum substantivum (3. Person Singular und Plural Präsens, mit t e i l w e i s e f u t u r i s c h e r Bedeutung) 8 4 feststellen. Die auf 83

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Daß es sich bei diesen -CeJifi-Formen aufgrund Ihrer Entstehungszelt (ab ca. 1420) und Ihrer regionalen Verbreitung (östl. Mlttelland) nur um Neubildungen und nicht um Fortsetzer der alten südl. und südwestl. Formen handelt, hatte schon Holmqvlst (1922: Kap. IX) überzeugend nachgewiesen. Vor kurzem konnte nun A. Mclntosh am Beispiel des in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandenen Rosarium Theologie zeigen, daß diese neue Pluralbildung mit -(e)th zu jener Zelt auf ein ostmlttelländ. Dialektgebiet beschränkt war, das Im Norden an das nördl. Dialektgebiet (mit durchgängiger sMarklerung 1m Präsens) angrenzte und In dem bis Ins Spätme. In der 3. Person Singular -(e)th und Im Plural -n galt (Mclntosh 1983 mit Karte S. 243; vgl. auch die Karte In von Nolcken, ed., 1979: 48). Mclntosh bezeichnete die Pluralendung -eth In diesem Gebiet als "functionally speaking, a new creation which reflects the pattern of the Northern paradigm N, where the plural has ... the same form as the third singular" (S. 239). Auf die Entstehung als stilistische Variante schließe Ich aus den von Holmqvlst (ibid.) angeführten Textsorten, In denen -(e)th statt -s verwendet wurde, z.B. philosophische und theologische Abhandlungen, Predigten, Parlamentsakten; Im Falle der Belege In den Paston Letters wäre allerdings noch zu überprüfen, ob die Verwendung von -(e)th neben -sauf Briefe In formellem Stil beschränkt war. Zum doppelten Präsensparadigma des ae. Verbum substantivum und seiner dialektalen Formenvielfalt vgl. Sievers - Brunner 1965: S 427 und Campbell 1959: S 768 (d); zu seiner semantlschen Differenzierung im Ae., die auch Im Me. noch In Ansätzen zu erken-

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Kapitel II. Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Frikative

/- / auslautenden Formen des Verbum substantivum waren von Veränderungen am f r ü h e s t e n in den nördl. Dialekten betroffen, wo vom frühen 14. Jahrhundert an Formen mit Frikativersatz a u f t r a t e n (bes, betz, beis, P l u r a l auch bese; die ersten Belege stammen aus dem Cursor Mundi); diese Formen blieben jedoch neben is, are selten und wurden 'im 15. Jahrhundert (in Schottland erst im 16. Jahrhundert) v ö l l i g aufgegeben. 8 5 Im M i t t e l l a n d b l i e b die Singularform beth neben is bis ins Spätme., im Süden und Südwesten bis ins 16. Jahrhundert in Gebrauch. Der letzte Beleg im OED stammt aus einem südwestl. D i a l e k t g e b i e t (Buckinghamshire), in dem heute be g i l t 8 6 Im Plural waren im Mittelland wie bei den regulären Verben schon um 1200 Ersatzformen auf -(e)n eingetreten, die w ä h r e n d der me. Zeit im gesamten m i t t e l l ä n d . Dialektgebiet galten und erst im Spätme. und Frühne. a l l m ä h l i c h durch die nördl. Form are verdrängt wurden. 87 Im äußersten-Westen dieses Gebiets, in großen Teilen Shropshires, wird bis heute die Form bin verwendet, die in einem Teilgebiet für das gesamte Präsens gilt. 8 8 Im Süden und Südwesten b l i e b die alte Form - genauso wie Formen einiger anderer h ä u f i g gebrauchter Verben mit /- / im Auslaut der akzentuierten Silbe - bis ins 17. Jahrhundert in Gebrauch; in diesen Dialekten g i l t heute be&g Das Verbum substantivum weist somit in der dialeknen war, vgl. OED s.v. be, MED s.v. ben 14 und Mustanoja 1960: 583 f. 85 F Ur die Formen vgl. OED s.v. be und MED s.v. ben. Die dialektale Distribution der nördl. Formen ar(e) « nordh. aron) und bes und die verglichen mit are äußerst seltene Verwendung von bes 1m Spätme. geht aus Mclntosh et al. 1986: II, Karten 17 (1-3) hervor. 86 Die Dialektkarte M7 in Orton et al. 1978 zeigt für be statt StE. 1s drei größere, separate Gebiete, alle 1m Südwesten und äußersten Süden: (1) Worcestershire, (2) weite Teile von Oxfordshire, Buckinghamshire, Wiltshire und Dorset, (3) Sussex; außerdem kleine, verstreute Inseln im heute schon weite Teile des Südwestens umfassenden Verbreitungsgebiet der Standardform ;'s in Monmouth, Somerset und Devon. Sie sind sämtlich als Rückzugsbereiche eines ehemals großen, zusammenhängenden Dlalektgebfets anzusehen, das den gesamten Süden und Südwesten Englands umfaßte und wohl weitgehend mit dem ne. Verbreitungsgebiet der Puralform be< me./frühne. beth übereinstimmte (vgl. unten Anm. 89). 87 V g l . Mclntosh ei a/. 1986: l, 335 (karte 124), II, karten 17 (1-6) für das spätme. Verbreitungsgebiet von be(e)n, das bereits in das südl. und südwestl. öetrt-Gebiet hineinreichte und das seinerseits schon stark mit Belegen der sich schließlich durchsetzenden nördl. Form are durchsetzt war. 88 Vgl. die Karten M5-8 In Orton ei al 1978, die ein zum guten Teil übereinstimmendes Gebiet für be für die standardsprachlichen Formen am, are (Sg., neben altem bist), is, are PI. zeigen. 89 Vgl. Orton et al. 1978: M8-9. Anders als Im Falle der Singularform gilt für die Pluralform be noch heute ein großes, zusammenhängendes Verbreitungsgebiet von Ost-

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Zweite Stufe

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talen A u f f ä c h e r u n g und chronologischen Abstufung seiner E n t w i c k l u n g klare P a r a l l e l e n zur Gesamtentwicklung des dentalen Frikativs in der Silbencoda und auch speziell zu seiner Verdrängung aus der Flexion der regulären Verben auf. Das Verbum weoröan 'werden' d u r c h l i e f , o b e r f l ä c h l i c h betrachtet, eine davon deutlich verschiedene dialektale Entwicklung, denn es geriet im Süden und Südwesten zuerst, n ä m l i c h im 15. Jahrhundert, außer Gebrauch, im Norden dagegen erst im 16., in Schottland gar erst im 17. bzw. 19. Jahrhundert (vgl. OED s.v. worth v. 1 ). Bei näherem Hinsehen, d.h. bei Berücksichtigung seiner syntaktischen Funktionen einerseits als satzunakzentuiertes A u x i l i a r zur Bildung des Passivs und andererseits als Vollverb, w i r d jedoch d e u t l i c h , daß sich die E n t w i c k l u n g des A u x i liars in die bisher erkennbar gewordenen L i n i e n der Gesamtentwicklung des dentalen Frikativs e b e n f a l l s e i n f ü g t . Das A u x i l i a r , das im Ae. und Frühme. noch in a l l e n Dialekten in V e r b i n d u n g mit dem P a r t i z i p des P r ä t e r i t u m s zur B i l d u n g eines Vorgangspassivs g e b r ä u c h l i c h war, e r f u h r im Spätme. eine E i n s c h r ä n k u n g auf den Süden und Südwesten (Piers Plowman, S/r Per umbras, South English Legendary) und wurde im 15. Jahrhundert auch dort durch Ersatzfügungen mit bedeutungsähnl i c h e n Verben wie become, get, gin, grow, wax oder mit be ersetzt (vgl. Mustanoja 1960: 438-440). Für diese gesamtengl. eingetretene Verdrängung des A u x i l i a r s worth(e) im Me. g i l t somit die gleiche dialektal-chronologische Abstufung wie f ü r a l l e bisher beschriebenen Entwicklungen von Wörtern und Wortteilen, die Coda-/6/ in unakzentuierter Silbe aufwiesen; dies legt die Vermutung nahe, daß die Aufgabe der Passivkonstruktion mit worth(e) zugunsten anderer A u x i l i a r e vor dem Hintergrund der Destabilisierung des dentalen Frikativs in der Coda unakzentuierter Silben zu sehen ist, d.h. phonotaktisch gesteuert war. go Davon zu trennen ist die E n t w i c k l u n g des Vollverbs, das, abgesehen von

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Sussex bis Ins südl. Cheshire, das sämtliche Rückzugsgebiete der gleichlautenden Slngularform (vgl. oben Anm. 87) umschließt und bisher nur In verschiedenen kleinen, verstreuten Gegenden durch StE. are verdrängt worden 1st. Zum spätme. Verbreitungsgebiet von beth, das Im Osten deutlich über London nach Norden hinausreichte, Im Westen jedoch ziemlich genau mit dem heutigen Verbreitungsgebiet von be übereinstimmt, vgl. Mclntosh et al. 1986: l, 336 (K 128). Über die Gründe für die Aufgabe der Passivkonstruktion mit worth(e) sind vielfältige Überlegungen angestellt worden; die phonotaktlsche Struktur des aufgegebenen Auxlllars wurde dabei nicht berücksichtigt. Für zusammenfassende Darstellungen der älteren Forschung vgl. Mustanoja 1960: 616-619 und Klsbye 1971-2: l, 146 f.; vgl. auch Vlsser 1963-73: 111.2, SS 1916-1919.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

festen Wendungen wie woe worth, nur in Nordengland und Schottland im Ne. noch in Gebrauch blieb. Bei den bisher beschriebenen zwei Stufen der phonotaktisch bedingten Beseitigung des dentalen Frikativs konnten drei verschiedene Arten von Veränderungen beobachtet werden: 1. Schwund ( t e i l s durch Schwund oder Ersatz von Wörtern oder Wortteilen mit geschwächtem / /);

2. Okkludierung zu /t/ oder /d/ (im Kontakt mit anderen Konsonanten); 3. Lautersatz. Anders als beim /h/, das zumeist schwand, 9 1 standen beim dentalen F r i k a t i v O k k l u d i e r u n g s - und Ersetzungsprozesse im Vordergrund. Für die im Folgenden beschriebenen Veränderungen von / / vom Me. bis zum Ne., die in verschiedenen engl, Dialekten in der v ö l l i g e n Aufgabe des dentalen Frikativs resultierten, g i l t dies in noch größerem Maße. Par a l l e l e n in der Abstufung dieser Entwicklungen zu der zeitlich gestuften Beseitigung von /h/ lassen sich dabei nur in Teilbereichen feststellen, was zum einen darauf zurückzuführen ist, daß diese Entwicklungen nicht annähernd so d e t a i l l i e r t dokumentiert und analysiert worden sind wie die Veränderungen von /h/, zum anderen aber auch darauf, daß diese Entwicklungen aus verschiedenen Gründen nicht in a l l e n Fällen parallel zu denen von /h/ verliefen. Ich werde mich in der Beschreibung der weiteren Veränderungen von / / trotzdem an den Stufen der Beseitigung von /h/ orientieren, dabei auf die Unterschiede hinweisen und auf die möglichen Gründe dafür eingehen. D r i t t e Stufe Besonders deutlich unterschied sich die E n t w i c k l u n g des dentalen Frikativs von der von /h/ im Anlaut akzentuierter Silben vor Sonoranten; /h/ war vom Spätae. bis zum Spätme. etwa gleichzeitig vor /n/, /!/ und /r/ geschwunden. Der dentale Frikativ, der im Germ, vor /l, r/ stehen konnte, wurde vor /!/ bereits in vorliterarischer Zeit durch /f/ ersetzt;

Zur Okkludierung von /h/ kam es frühae. Im Wortlnlaut dlsslmllatoNsch vor /s/ und sporadisch frühne. In der Coda akzentuierter Silben (elk, hock, dial, hekfer; vgl. oben Kap. l Anm. 17 und 71), zum Ersatz durch andere Frikative vereinzelt In der Coda unakzentulerter Silben (z.B. spätae. purp, spätme. M u r f f ü r purh, through) und teilweise In der Coda akzentuierter Silben (z.B. (früh)ne. rough /-f/, dial, salf; vgl. Kap. l Anm. 22 und 71).

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Dritte Stufe

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diese Entwicklung fand im West- und Nordgerm, statt, das Ostgerm, bewahrt / 1-/,92 vgl. etwa got.friiuhan'fliehen' -

ae. f1eon< *fleohan ahd. fliohan anord. fl#ja< *f]auhian.

Diese sehr f r ü h e Veränderung von / / vor /!/ überrascht n i c h t , angesichts der e b e n f a l l s vorliterarischen Aufgabe des dentalen F r i k a t i v s durch O k k l u d i e r u n g oder Schwund im W o r t i n l a u t im direkten Kontakt mit dem Lateral. 93 Vor /r/ kam es zu ersten erkennbaren Veränderungen von / / erst im 14. bzw. 16. Jahrhundert: - Okkludierung zu /t/ ist im m i t t e l l ä n d . und nördl. Engl. vom 14. Jahrhundert an und zu /d/ im südl. und südwestl. Engl. vom 16. Jahrhundert an belegt. 94 In den heutigen engl. Dialekten g i l t /tr-/ für StE. 92

Vgl. Lulck (1914-40: S 635.1), der die Ansicht vertrat, hier sei "eine in dieser Stellung seltene Lautfolge durch eine geläufige ersetzt worden (Innerer Lautersatz)." Dagegen nahmen Matzel (1962) und, Im Anschluß daran, Krähe - Meld (1969: S 105) einen got. Lautwandel /fl-/ > / 1-/ an. Für weitere Literatur zu dieser strittigen Frage siehe Matzel 1962, Braune - Ebblnghaus 1981: S 71 A2 und Feist - Lehmann 19 6 s.w. *t)lahsjan, frlaqus, fliuhan; vgl. auch unten Kap. IV. B. 3. Für einen gleichgerichteten Frikatlversatz Im Vorae. und voranord. muß nicht notwendigerweise ein sehr frühes Eintreten, d.h. auf einer gemeinsamen nordwestgerm. Stufe, angenommen werden, da es, wie welter unten (Kap. IV. B. 3) ausführlich dargelegt wird, auch noch viele Jahrhunderte nach der Ausgliederung der germ. Einzeldialekte zu zahlreichen parallelen Veränderungen von Anlautgruppen in allen nord- und westgerm. Sprachen kam. 93 Vgl. oben zu vorae. *sebl-> ae. setl/seld/set>el, *masbl-> mal und zu einer Reihe späterer, gleichgerichteter Entwicklungen, sobald /O/ durch Vokalschwund wiederum In direkten Kontakt mit /!/ geriet. Auch diese Entwicklung hat Parallelen in den Vorstufen der übrigen westgerm. und der nordgerm. Sprachen; vgl. Lulck 1914-40: S 638 A5 und Noreen 1923: S 238.Ib. 94 Das OED s.w. thrash, thrave, thread, three, throat, throe, through, through verzeichnet -Schre1bungen mit Erstdaten zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert, für thrave, ein anord. Lehnwort, sogar das 13. Jahrhundert; als Belege sind traues (s.v. throe} aus den um 1340 In Yorkshire entstandenen Metrical Homilies ÜHs. Edinburgh, Royal Coll. of Ph., vgl. Mclntosh et al. 1986: I, 88) und troht (s.v. throat) aus einem Glossar In der Hs. British Library, Royal 17, C. xvli des frühen 15. Jahrhunderts aus Lincolnshire (vgl. Wright - Wülcker 1884: 635; Mclntosh et al. 1986: l, 115) zitiert. Der Linguistic Atlas of Late Mediaeval English verzeichnet vereinzelte Belege mit für through im nördl. Lincolnshire und Nottinghamshire und In Norfolk (Mclntosh et al. 1986: II, 227, 230), für three in Wigtownshire und für third In Norfolk (Ibid. IV, 267). Die Datierung der südwestl. Okkludierung von /6r-/ > /dr-/ 1st unsicher.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

/ -/ vor a l l e m in N o r f o l k und Nordostyorkshlre sowie auf den Shetlands und Orkneys; dies d ü r f t e in all diesen Gebieten auf nordgerm. E i n f l u ß beruhen. 9 5 /dr-/ g i l t heute in England für diejenigen südwestl. Dialekte, die lenisierten dentalen Frikativ in prävokalischer P o s i t i o n aufweisen. 9 6 /tr-/ oder /dr-/ f ü r / -/ a u ß e r h a l b Großb r i t a n n i e n s ist im ir. Engl. auf gäl. Interferenz zurückzuführen, 9 7 im Dialekt von Neufundland auf Prägung durch die Varianten ir. und südwestengl. Einwanderer ( W e l l s 1982: 498, 500), im New Yorker Engl. u.a. auf i t a l . und jidd. Interferenz (ibid. S. 515-517). Auf den westind. Inseln g i l t /tr-/ in den Varianten am unteren Ende des postkreolischen Kontinuums (ibid. S. 565). Wakelin (1975: 206 f.) verzeichnet dryn f ü r therein und dorough für th(o)rough In einem Text von der M i t t e des 16. Jahrhunderts; das OED s.v. thrash z i t i e r t zwei Belege für drash aus südwestl. Texten von 1746 und 1795. Zu ir. beeinflußten Schreibungen aus dem 15. Jahrhundert vgl. unten Anm. 97. 95 In Widerspiegelung der um 1200 eingetretenen Okkludierung von / / vor /r/ In allen nordgerm. Sprachen außer dem Isl. (vgl. insbesondere Seip 1971: 203 zum Norw.; zur Verbreitung von /tr-/ für /9r-/ in den heutigen Dialekten Englands vgl. die Karten Ph 234 f. I n O r t o n et al. 1978). Sehr viel weiterreichenden nordgerm. E i n f l u ß zeigt die Sprache auf den Shetlands und Orkneys, auf denen bis Ins 18. Jahrhundert ein norw. Dialekt gesprochen wurde; so gilt etwa für das heutige Shetland Engl., wie für das heutige Norw., durchgängig /t/ und /d/ für ae./anord. / / (vgl. Wells 1982: 398 f., Oreström 1985: 12, 26 f.). Auf gäl. E i n f l u ß 1st Okkludferung zu /t/ und /d/ Im Ir. Engl. und im Scouse - einer Variante, die in einem Gebiet mit starker Ir. Einwanderung in und um Liverpool gesprochen wird - zurückzuführen (vgl. Wells 1982: 371, 428-431, 445). Schott.-gäl. E i n f l u ß manifestiert sich In der Ersetzung von / / durch /s/ (ibid. S. 410, 413; vgl. auch Hörn - Lehnert 1954: 776 f.). 96 Diese Dialektgebiete stimmen auch weitestgehend mit denen mit Lenlsierung der übrigen Fortlsfrlkatlve 1m Anlaut akzentuierter Silben überein; vgl. Orton et al. 1978: Ph 232-235 zu /dr-/ 1n three und thread und zu /&-/ In thigh und thimble sowie Ph 214-219, 226-231 zu /v-, z-, 3~/ f ü r StE. /f-, s-, /-/. Im Me. erstreckte sich dieses Dialektgeblet, wie aus - und -Schreibungen zu erschließen 1st, 1m Westen erheblich weiter nach Norden und umfaßte außerdem den ganzen Südosten; vgl. Luick 191440: S 703, Jordan - Crook 1974: § 215, Fislak 1984 (mit Karten) und KMstensson 1986. Heute gilt im Südosten fast überall /6r-/ wie im StE.; kleine, Isolierte Gebiete In Sussex mit /dr-/ oder /ör-/ (vgl. Ph 234 In Orton ei al. 1978; nach Wright 1905: § 313 galt /dr-/ Im frühen 20. Jahrhundert auch noch In Südost-Kent) lassen jedoch auf eine ursprünglich größere Ausdehnung des Gebiets mit Lenlslerung und Okkludierung des dentalen Frlkatlvs vor /r/ schließen. 97 Dort 1st Okkludierung von / / nicht auf diese Position beschränkt; vgl. Wells 1982: 428-430. Das OED verzeichnet -Belege für through, throw aus der Im späten 15. Jahrhundert In Irland entstandenen English Conquest of Ireland (zur Lokalisierung der Hs. vgl. Mclntosh et al. 1986: l, 150).

//. C. Der dentate Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Vierte Stufe

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- Ersatz durch /f-/ ist zum ersten Mal im Londoner Engl. des m i t t l e r e n 16. Jahrhunderts belegt; in den heutigen Dialekten ist / f r - / für StE. / -/ im Londoner Raum verbreitet, darüberhinaus kommt es in k l e i nen Gebieten des M i t t e l l a n d s vor, in E i n z e l w ö r t e r n auch im Norden. 98 V i e r t e Stufe Im Anlaut unakzentuierter Silben wurde der dentale F r i k a t i v in me. Z e i t zu / / lenisiert. Diese Schwächung, von der vor a l l e m z a h l r e i c h e satzunakzentuierte F u n k t i o n s w ö r t e r (bestimmter A r t i k e l , Personal-, Possessiv- und Demonstrativpronomina, K o n j u n k t i o n e n ) b e t r o f f e n waren, trat im Nordengl. spätestens im 14. Jahrhundert ein; dies kann aus der z i e m l i c h konsequenten Verwendung von < , y> in einigen spätme. nördl. Hss. in solchen Funktionswörtern wie auch in anderen ungünstigen phonotaktischen Positionen und von in günstigeren Positionen, in denen / / v i e l f a c h bis heute bewahrt ist, geschlossen werden." Für das M i t t e l l a n d und den Süden lassen sich aus der Schreibung keine A n h a l t s punkte über den E i n t r i t t der L e n i s i e r u n g von / / im A n l a u t satzunakzentuierter Wörter gewinnen, doch wird allgemein angenommen, daß sie dort vor 1500 erfolgte. 1 0 0 Im äußersten Süden und im Südwesten war der dentale F r i k a t i v im Zuge der frühme. L e n i s i e r u n g a l l e r F r i k a t i v e auch im Anlaut akzentuierter Silben lenisiert worden (vgl. Luick 191440: § 703, Fisiak 1984). 98

Zur heutigen Verbreitung von /fr-/ für StE. /9r-/ vgl. Orton et al. 1978: Ph 234 f., Wells 1982: 328-330; als ersten Beleg verzeichnet das OED (s.v. throb) frob in den State Papers Heinrichs V I I I . (1542), das Tagebuch von Machyn (1550-63) hat frust für thrust (Wyld 1936: 291, Hörn - Lehnert 1954: 773). Zu threvoles für frivolous in den Briefen von Lady Wentworth (1710) als mögliche umgekehrte Schreibung und zu to and thro (für fro} in Surrey und / -/ In from, frock In Shropshire vgl. Horn - Lehnert 1954: 775. Die heutigen isolierten mittelländ. /fr-/Gebiete sowie Dialektzeugnisse aus Yorkshire vom 19. und frühen 20. Jahrhundert (vgl. Wright 1 92: S 306) lassen darauf schließen, daß / f r - / für StE. / -/ zeitweise erheblich weiter verbreitet war; zur heutigen Variation von /9r-, tr-, fr-/ z.B. In thrash Im Dialekt von Dentdale vgl. Hedevlnd 1967: 206 f. 99 Nach Appel 1936-37 wurde u.a. in zwei Hss. des Cursor Mundi

außer Im Anlaut satzunakzentulerter Funktionswörter auch im Wortinneren in stimmhafter Umgebung (ober, faber neben fader) verwendet, < t h > im akzentuierten Wortanlaut (three, thing), im Wortinneren In Eigennamen wie Martha und in Ableitungen wie faithful, worthly, 1m Auslaut durchgängig (auch für with, neben wid/wit). 1 °° Vgl. Luick 1914-40: S 763.3, Jordan - Crook 1974: S 207; diese Annahme stützt sich u.a. auf Reime bei Chaucer wie sothe : to the und auf vereinzelte okkludlerte Formen wie dis, dedyr In den Paston Letters.

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Kapite! II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

Die Aussprache des dentalen Frikativs im Anlaut von Funktionswörtern war zunächst wohl rein phrasenphonotaktisch geregelt, 1 0 1 im heutigen StE. und in vielen anderen Varianten des heutigen Engl. ist / -/ in Funktionswörtern generalisiert. Auch in dieser Position wurde der Frikativ vielfach okkludiert. Schon in ae. Zeit war etwa der bestimmte Artikel oder die R e l a t i v p a r t i k e l in häufigen, fest gewordenen Verbindungen mit Wörtern auf /-t/ oder /-d/ a s s i m i l a t o r i s c h zu /t-/ o k k l u d i e r t worden (mitty < mid py, paette < pset pe; fruhme. auch and te < and pe vs. tö £e usw.), im he. entstand /t-/ auch d i s s i m i l a t o r i s c h nach /-s/. 102 Durchgängige Okkludierung zu /d-/ trat erst im Ne. und nur in einigen Dialekten ein, so in den auf den Shetlands und Orkneys gesprochenen Varianten unter nordgerm. E i n f l u ß (vgl. Oreström 1985: 26 f.), im Scouse unter ir. E i n f l u ß ( W e l l s 1982: 371) sowie in Bristol (Wakelin 1986: 29), den südöstl. Dialekten 1 0 3 und im Cockney. 104 Beschränkt auf den kursierten bestimmten Artikel und das Personalpronomen der 2. Person Singular ist dagegen die Okkludierung zu /t/ in e i n i g e n D i a l e k t e n des Nordens und nordöstl. M i t t e l lands. 1 0 5 Fünfte Stufe Bei der E n t w i c k l u n g des dentalen Frikativs in der Coda akzentuierter Silben muß unterschieden werden zwischen den frühen assimilatorischen 101

So wie bis heute etwa In satzunbetontem thank you oder / think mit kaum wahrnehmbarem LenisfMkatlv gegenüber akzentuiertem thänk you, I think mit / -/ (Hörn Lehnert 1954: 776). 102 Vgl. Campbell 1959: § 4 1.1-3. Jordan - Crook 1974: §§ 204 f.; fest geworden 1st /t/ etwa 1n fruhme. (pe) laeste/laste/leste 'lest' < ae. py läJs pe. 103 V g l . Wright 1905: S 311, Wakelin 1977: 92, 95. Wakelin zufolge wurde die Okkludierung zu /d/ von W i l l i a m Bullokar für Sussex und Kent für das spätere 16. Jahrhundert beschrieben. 104 Teilweise handelt es sich dabei um dentales [dj, das sich dann nach alveolaren Konsonanten häufig nur In der Dentallslerung derselben manifestiert, z.B. In got the [goia], in the [ins). Nach /!/ oder /z/ kann es bei R e s y l l a b l f l z l e r u n g auch zum völligen Schwund des Dentals kommen, so etwa in is that all the ...? [izae^oula]; für diese und weitere Realisationen siehe Wells 19 2: 329 sowie Shockey 1977, Shockey - Bond 1980; vgl. auch Sivertsen 1960: 122 f. Für ähnliche Allegroformen 1m StE. vgl. Glmson 19 9: 185. - In anderen Positionen gilt für StE. / / 1m Cockney Lautersatz durch /v/, so etwa 1n brother, bathe; vgl. dazu welter unten. 105 Einen Überblick über die davon betroffenen Dialekte bietet Wright 1905: S 312; für eine eingehende Beschreibung der Formen In einem Einzeldialekt vgl. Hedevlnd 1967: SS 2, 45-50, 9.4, 9.30 (2).

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Fünfte Stufe

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und d i s s i m i l a t o r i s c h e n Veränderungen, von denen / / nur im u n m i t t e l baren Kontakt mit anderen Obstruenten b e t r o f f e n war, und den spätme. und frühne., zumeist d i a l e k t a l begrenzten Vorgängen, die in der durchgängigen, von der u n m i t t e l b a r e n Lautumgebung u n a b h ä n g i g e n Beseitigung des dentalen F r i k a t i v s aus der Coda a k z e n t u i e r t e r S i l b e n resultierten. Von assimilatorischer Okkludierung zu /t/ b e t r o f f e n war /- / schon sehr f r ü h in der 3. Person Singular Präsens von Verben mit stammschließendem /t/ oder /d/ nach Synkope des Endungsvokals im Ws., 106 vgl. etwa ae. (ws.) grett 'grüßt', bint 'bindet' < *greteb,*bindib. Assimiliert wurde / / auch an wortauslautendes /s/ ( v g l , Luick 191440: § 649.3, Campbell 1959: § 481.2); vgl. ae. biiss 'Glück 1 < *bli6(i)s(1). Dissimilatorisch okkludiert wurde dagegen wortauslautendes /- / nach /s/ und später auch nach /f/ und /h/, vgl. ae. (ws.) cyst 'küßt' < *cysib, spätae. beoft 'Diebstahl' neben beofb, spätae. gesiht 'Vision' neben gesihb.*07 Weitere Veränderungen traten ein, als der dentale F r i k a t i v im Spätme. durch den Schwund unakzentuierter Endungsvokale erneut in direkten Kontakt mit anderen Obstruenten geriet. Bei Formen von N o m i n a und Verben mit stammschließendem dentalem F r i k a t i v schwand dieser vor auslautendem /-s/ oder /-z/, vgl. frühne. close, does neben clothes, ne. months [nuns, mAnts]. 108 106

Vgl. Luick 1914-40: § 649.4, Campbell 1959: S 481.3; zu /d/ okkludiert wurde dagegen der Im Wortinneren in stimmhafter Umgebung früh stimmhaft gewordene dentale Frikativ Im Spätae. in der Coda vor /d/; vgl. spätae. cläedde 'kleidete', spätws. auch gecläedd 'gekleidet' (Luick S 649.3, Campbell S 481.2). 107 Vgl. Luick 1914-40: SS 674. 718.2, Campbell 1959: S 481.5. Die Okkludierung von / / nach / f / und /h/ wird dort ins Spätae. datiert, doch die Belege in der Microfiche Concordance und im OED zeigen, daß diese Entwicklungen zunächst weitgehend auf flektierte Formen (freofte, gesihte) beschränkt blieben, in denen der dentale Frikativ im Anlaut der unakzentuierten Silbe stand. Im Falle von /h9/ kam es alternativ auch zu /h/-Schwund (vgl. spätme. Belege im OED s.v. sight) oder zur Okkludierung von /h/ > /k/ (In sudl. Dialekten; vgl. Berndt 1960: 195). 108 Schreibungen ohne < t h > für clothes sind dem OED zufolge vom 15. Jahrhundert an belegt. Shakespeare reimt clothes : rose (KökerHz 1953: 321). Zu months vgl. Gimson

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Kapitel II. Konsonantisches Segment und phonotaktische Position: Frikative

In wortauslautender Position kam der dentale Frikativ am Beginn der ne. Zeit noch vor a l l e m in vier Gruppen von Wörtern und W o r t f o r m e n vor, nämlich a) in v o r w i e g e n d abstrakten N o m i n a wie breath, truth, health, length, die aufgrund ihrer Codastruktur von den ae. und me. Okkludierungen von /- / nicht betroffen worden waren; 109 b) in Verben wie breathe, loathe, bequeath mit schon frühae. wortinlautend lenisiertem D e n t a l f r i k a t i v , der erst durch den spätme. Endungsverfall in den Auslaut geraten war; 1 1 0 c) in den Formen der 3. Person Singular Präsens, in denen der dentale Frikativ entweder seit der ae. Zeit im Auslaut der akzentuierten Silbe stand (etwa in ws. drJfb 'treibt', hilpb ' h i l f t ' ) oder im Spätme. durch den Schwund der Endungsvokale in diese Position geriet (z.B. in spätme. loveth [ ( ) ] < ae. /ura£>), m und in den O r d i n a l z a h l e n fourth usw. In den ersteren beiden Gruppen ist er im 5tE. und in vielen Dialekten bis 1989: 5. Hinzu kamen - neben verschiedenen Einzelwörtern wie earth - Lehnwörter mit ähnlicher phonotaktlscher Struktur wie faith und außerdem hochsprachliche Neubildungen des 16. und 17. Jahrhunderts wie breadth, width in Analogie zu length, bei denen nur partielle Assimilation eingetreten 1st ([brete, wit9] neben [-d9]). Da alle diese Nomina nur sehr selten 1m Plural gebraucht werden, 1st hier der dentale Frikativ, anders als bei months, stabil geblieben. 110 Die daraus resultierende Schreibungskonvention für /- / gegenüber für /- / wurde nicht zur Schreibregel verallgemeinert; auch die Tendenz zur wortartenspezifischen Aussprache (/- / f ü r Verben, /- / für Nomina) hat sich bisher nicht völlig durchsetzen können; vgl. dazu Hörn - Lehnert 1954: 769-772, 780-782. 1 1! Für die me. Zeit sind diese beiden Gruppen nicht klar zu trennen, da nach dem Zusammenbruch der Verbklassenunterschlede In der schwachen Flexion die Bewahrung der Endungsvokale einer Verbform nicht mehr von der Klassenzugehörigkeit abhing, sondern u.a. von phonotaktlschen Faktoren, wie z.B. aus der Neuordnung der schwachen Präterltalblldung in Abhängigkeit von der Reimstruktur des Verbstamms (vgl. Mosse 1952: SS 89-92) geschlossen werden kann. Bei Formen der 3. Person Singular Präsens der ae. 1. schwachen Verbklasse mit artlkulatorlsch schwieriger Codastruktur, wie sie etwa ae. drift) aufwies, bestand In me. Zelt bis zum völligen Schwund der Endungsvokale die Möglichkeit des analogischen Vokaleinschubs nach dem Muster der Verben der ae. 2. schwachen Klasse zur Artikulationserleichterung, wie etwa zumeist zweisilbiges driveth (In Analogie zu loveth usw.; neben älterem elnsllblgemc/r/Ai/i) bei Chaucer zeigt: die Konkordanz (Tatlock - Kennedy 1927) verzeichnet 8x driveth, Ix drifth; ähnliche Zahlenverhältnisse lassen sich für giv(e)th (ae. giefp) oder aber auch für behov(e)th(ae. behofap) feststellen. 109

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Fünfte Stufe

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heute als / / bzw. / / erhalten geblieben, in der Präsensflexion wurde er, wie bereits weiter oben a u s f ü h r l i c h beschrieben, vom 15. bis 17. Jahrhundert durch /-s, -z, -iz/ ersetzt, 1 1 2 bei den O r d i n a l z a h l e n kommen neben den Standardformen auf /- / auch solche auf /-t/ und /-s/ vor. 1 1 3 Durchgängig b e s e i t i g t wurden beide dentalen Frikative in der Coda akzentuierter Silben nur in wenigen Dialekten, durch Okkludierung zu /-t/ oder /-d/ auf den Orkneys und Shetlands, 1 1 4 durch Ersatz durch /-f/ oder /-v/ im Cockney. 1 1 5 Außerhalb G r o ß b r i t a n n i e n s gelten f ü r 11

2 in der Umgangssprache war dieser Vorgang im 15. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen; zur besonders langen Bewahrung des dentalen Frikativs in der Präsensflexion unter besonders günstigen phonotaktlschen Bedingungen vgl. oben (Anm. 78-82). Die Alternative der assimilatorischen oder dissimilatorischen Okkludierung des Frikativs Im direkten Kontakt mit vorausgehenden anderen Obstruenten, die im Ae. (bes. Ws.) für die starken Verben sowie für die schwachen Verben der 1. Klasse nach stammschließendem /t/, /d/ und /s/ und später auch nach / f / und /h/ gegolten hatte, hätte in der spätme. Verbalflexion, unter vielfach veränderten Bedingungen (Vereinheitlichung des Stammvokals, weltgehende Aufgabe der starken Flexion, Schwund der Flexionsendungen 1m Prt. und des Präfixes des Part. Prt.) zu zahlreichen Ambiguitäten geführt, so etwa bei den schwachen Verben mit stammschließendem /f, v, s, z, (h)/ zur Formengleichheit mit dem Prät. und Part. Prät. und bei allen Verben mit stammschließendem /t/ zur Formengleichheit mit dem I n f i n i t i v und der unmarkierten Präsensform. Der Ersatz durch den alveolaren Frikativ erlaubte dagegen auch unter den veränderten phonotaktischen Bedingungen eine weitgehend einheitliche, artikulatorisch einfache und akustisch effektive Markierung der 3. Person Singular Präsens Indikativ. 113 Die okkluslvlschen Formen 1n den heutigen nördl. und mlttelländ. Dialekten (vgl. Wright 1905: S 400; für eine Übersicht über die Formen Im Dialekt von Llndsey siehe Oxley 1940: § 296) sind wohl mehr auf anord. E i n f l u ß als auf Bewahrung ae. Formen (z.B. fifta, siexta, twelfta) oder me. neu entstandener okkluslvlscher Formen (z.B. e/jie < e/jf£e< e;jfe£>e) zurückzuführen, da das spätme. Verbreitungsgebiet von auf endenden Formen von fifth, sixth, seventh, eighth, tenth dem skand. Siedlungsgebiet entspricht (vgl. Mclntosh ei at. 1986: I, K 741 f., 766, 876, 879, 893 f.); die okkluslvischen Formen im ir. Engl. beruhen vermutlich auf gäl. Interferenz. Von den spätme. und frühne. analogischen Neubildungen fifth, sixth usw. (nach fourth) sind insbesondere die mit unmittelbar aufeinander folgenden Frikativen von Artikulationsvereinfachung betroffen; so verzeichnet das OfDs.v. fifth für das 15.-17. Jahrhundert auch die Schreibung nth, die auf dlssImllatoNschen Schwund von / f / schließen läßt, und Bronsteln (1960: 85) für das am. Engl. die Aussprachevarianten [fifs, fifts]. Zur Geschichte der engl. Ordlnalia vgl. Brunner 1962: 94-97. 114 Vgl. Wright 1905: S 316 f., Wells 1982: 399, Oreström 1985: 26 f. 115 Vgl. Slvertsen 1960: 123 f., Wells 198.2: 328 f.; nach Hörn - Lehnert 1954: 773 finden sich erste vereinzelte < f > - und -Schre1bungen (helfe, bequivedfür health, bequeathed) schon Im Londoner Engl. des 16. Jahrhunderts. Slvertsen zufolge werden Im Cockney vereinzelt auch 1n dieser Position Okkluslve gebraucht (z.B. von manchen Sprechern In bathe tbeid], neben (beivl). Andererseits gilt /f/- oder /v/-Ersatz 1n

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

StE. /- / und /- / Okklusive u.a. im ir. und westind. Engl., /-f/ und /-v/ im am. Engl. der Südstaaten. 1 1 6 Sechste Stufe Im A n l a u t a k z e n t u i e r t e r Silben vor /w/ war der dentale F r i k a t i v von z w e i e r l e i Veränderungen betroffen. Durchgängig zu /t/ o k k l u d i e r t wurde er auf den Shetlands und Orkneys unter norw. E i n f l u ß (vgl. W r i g h t 1905: § 243). Auf v i e l f ä l t i g e Weise verändert wurde die Anlautgruppe /0w-/ ae. und anord. H e r k u n f t in den D i a l e k t e n Schottlands, Nordenglands und des östlichen M i t t e l l a n d s , wie die ne. dialektalen Reflexe /w-, hw-/ (in Schottland auch /xw-, f-/), /kw-/, /tw-/ und auch /ew-/ (und / -/ bei /w/-Schwund vor V e l a r v o k a l e n ) zeigen, von denen /Ow-/, / -/ und /w-/ im L e x i k o n des StE. r e p r ä s e n t i e r t sind; vgl. thwart 'quer 1 , thwack/whack 'schlagen', thong ' L e d e r r i e m e n ' , whittle 'Messer; schneiden 1 . 1 ' 7 Das Verbreitungsgebiet für a l l e diese dialektalen Reflexe von / 0 w - / s t i m m t , soweit dies aus den wenigen und zumeist spärlich belegten Wörtern mit etymologischem /9w-/ zu ermitteln ist, mit dem f ü r me. f ü r ae. /hw-/ überein und damit, wie oben in Kap. l gezeigt wurde, mit dem in ae. Zeit skand. besiedelten Gebiet. Im Lexikon der h e u t i g e n D i a l e k t e dieses Gebiets f i n d e n sich, wie dort e b e n f a l l s gezeigt wurde, die Spuren v i e l f a c h e r Verwechslungen der Anlautgruppen /hw-/ ( t e i l s > /w-/, / f - / ) , /kw-/ und /tw-/. 1 1 8 Es liegt daher nahe, die V e r ä n d e r u n g e n von / 0 w - / in diesen D i a l e k t e n auf I n t e r f e r e n z des Anord. z u r ü c k z u f ü h r e n . Denkbar wäre Ersatz von / -/ durch das vor / w / unter anord. E i n f l u ß gestärkte, t e i l w e i s e wohl o k k l u d i e r t e /h-/. Dies würde die ne. R e f l e x e /hw- (> w-, f-)/ und /kw-/ erklären und möglicherweise auch /tw-/, das a l l e r d i n g s auch direkt durch O k k l u d i e r u n g von / -/ > /t-/ ( w i e im Norw. und Dän. des 14. Jahrhunderts) entstanden sein könnte. 1 1 9

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Einzelwörtern auch in verschiedenen anderen eng]. Dialekten (Hörn - Lehnert 1954: 774). Für diese und andere V a r i a n t e n vgl. Wells 1982: 428-431, 500, 516 f., 533, 557 f., 565-567. Vgl. W r i g h t 1905: § 243, Lulck 1914-40: § 793, Hedevind 1967: § 8.30. Vgl. W r i g h t 1905: § 240-242, Lulck 1914-40: SS 792, 794 f. sowie die Beispiele oben in Kap. l Anm. 94. Im Norw. wurde nach Selp 1971: 394 seit dem späten 14. Jahrhundert / / "allgemein·' zu /t/ okkludiert. - Eher gegen die Annahme einer direkten Entwicklung /9w-/> /tw-/ sprechen vereinzelte dialektale Reflexe von etymologi-schem /kw-/ als /9w-/ im Nordwesten (Wright 1905: § 241). Ansonsten waren diese dialektalen Veränderungen, wie Wright (S 243) und Luick (1914-40: S 793) betonen, anscheinend Immer auf die

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Siebte Stufe

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Über /6w-/ in den südengl. Dialekten und im Cockney gibt die Literatur keine Auskunft. 1 2 0 Siebte Stufe Zu / -/ im Anlaut akzentuierter Silben vor /j/ außerhalb der Standardsprache lassen sich keine Aussagen machen. Die Anlautgruppe / 9 j - / kommt seit dem Frühne. in dem äußerst selten gebrauchten thew 'Sitte' und seinen Ableitungen sowie in entlehntem enthusiasm, enthusiastic vor. 121 Dialektwörter mit dieser Anlautgruppe existieren nicht. Achte Stufe Im A n l a u t akzentuierter Silben vor Vokalen wurde der dentale F r i k a t i v auf den Shetlands und Orkneys unter norw. E i n f l u ß und im ir. Engl. unter gäl. E i n f l u ß zu /t-/ okkludiert. 1 2 2 In einem Teil der südwestl. D i a l e k t e weisen einige wenige Wörter Okkludierung von sonst regulärem / -/ zu Beseitigung der Anlautgruppe /6w-/ gerichtet. Luick nahm zwei Entwicklungen, /9w-/ > /hw- (> w-; f-)/ und /6w-/ > /tw-/, an und erklärte sie beide als Ersatz einer nur In wenigen Wörtern vorkommenden Anlautgruppe durch eine geläufigere. Für den Versuch einer alternative Erklärung, vor dem Hintergrund sämtlicher Anlautgruppenveränderungen in der Geschichte des Engl., vgl. unten Kap. IV. Hier sei lediglich darauf hingewiesen, daß der dentale Frikativ, wie In den vorauf gegangenen Abschnitten dargelegt, vom Ersatz durch andere Frlkatlve sowohl 1n anderen Anlautgruppen als auch in verschiedenen anderen phonotaktIschen Positionen betroffen war. In all diesen Fällen war / / durch einen phonotaktlsch robusteren, stärkeren Frikativ - / f / oder /s/ ersetzt worden. Dafür, daß die Veränderung von /0w-/ > /hw- (> w-; f- und vielleicht > tw-)/ ebenfalls in diesem Zusammenhang gesehen werden kann, spricht, daß sie gerade in den Dialekten eintrat, in denen /h-/ vor /w/ unter anord. Einfluß gestärkt worden war. 120 Zu den In diesem Zusammenhang ebenfalls interessierenden südwestl. Dialekten vermerkt Wright (1905: § 243) Devon als Teil des Verbreitungsgebiets von /9w-/ für thwite 'schneiden', das ansonsten nur mittelländ. und nördl. Grafschaften umfaßt, und Dorset und das westl. Somerset mit den Varianten /w-/ und /tw-/ für thong. Angesichts der durchgängigen Len1s1erung von / -/ In diesem Gebiet scheinen mir diese Angaben allerdings zweifelhaft. 121 Das EPD verzeichnet als N e b e n f o r m e n des brlt. StE. auch [in'6u:zia?z(a)m] und [m, eu:zi'a?stik] - aber nicht [ ' : ]. 122 Vgl. Wells 1982: 399, 428-431, Oreström 1985: 26; auch für die außereuropäischen Varianten mit Okkludierung zu /t-/ ist Interferenz anderer Sprachen anzunehmen, so für die stark ir. geprägten Dialekte von Neufundland, für New Yorker Varianten und für das Engl. auf den westlnd. Inseln (Wells S. 500, 515 f., 565).

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

/d-/ auf. 1 2 3 Ersatz von / -/ durch /f-/ g i l t vor allem im Cockney, hat sich aber auch dort n i c h t v ö l l i g d u r c h g e s e t z t ; d i e ersten < f > Schreibungen für / -/ stammen aus dem späten 16. Jahrhundert. 1 2 4 Zusammenfassung Die E n t w i c k l u n g des s c h w i e r i g zu artikulierenden dentalen Frikativs war erheblich weniger durch Schwund als durch Okkludierung und Lautersatz gekennzeichnet, verglichen mit der Gesamtentwicklung von /h/. Die f r ü h e n assimilatorischen und dissimilatorischen Okkludierungsvorgänge waren auf die unmittelbare Umgebung von Sprachlauten mit ähnlicher A r t i k u l a t i o n s s t e l l e (oder gleicher A r t i k u l a t i o n s a r t ) beschränkt. Die generelleren, aber dialektal begrenzten Okkludierungen des Spätme. und Ne. d ü r f t e n in den meisten Fällen a d s t r a t b e d i n g t sein. 125 Beim Ersatz durch andere Sprachlaute, namentlich durch andere Frikative, wie er auch bei der E n t w i c k l u n g von /h/ - wenngleich in erheblich geringerem Maße - eingetreten war, dürften in erster Linie artikulatorische und auditorische Faktoren von Bedeutung gewesen sein, zumindest im 123

So nach W a k e l l n 1977: 92, 19 6: 29 vor allem thatch und thistle In Teilen Devons und Cornwalls und 1m westl. Somerset, in Wiltshire und Berkshire nur thistle. 124 z u d en frQhesten Belegen vgl. OED s.w. feaberry 'Stachelbeere' (? < ae. pefe-'); f i l l sb 2 'Gabeldeichsel' (2x bei Shakespeare) und thill; fill ist heute auf die Dialekte des Südens und des westl. Mittellands beschränkt, Im Südosten und Südwesten gilt daneben auch w / / (vgl. EDD s.v. f i l l sb. 1 ). Zu / f - / für StE. / -/ Im heutigen Cockney vgl. Slvertsen 1960: 123 f., Wells 1982: 328 f. Nach Wakelln 1977: 98 1st / f / für StE. / / nicht auf London und die Grafschaften in seiner unmittelbaren Umgebung begrenzt, sondern findet sich bis hinauf nach Leeds. Wright 1892: S 306 und Lulck 1914.40: § 796 zufolge war durchgängiger Ersatz von / / durch / f / und / / durch /v/ Im frühen 19. Jahrhundert in verschiedenen nördl. Dialekten anzutreffen, wurde dort aber durch die Standardsprache völlig verdrängt. Von den überseeischen Varianten weist nur das austr. Engl. /f-/ für StE. / -/ auf, das dort allerdings in noch stärkerem Maße auf die Sozlolekte der Unterschicht und der unteren Mittelschicht beschränkt 1st als /h/dropping; es ist dort ebenfalls nur teilweise auf den prägenden Einfluß des Cockney zurückzuführen, hinzu kommt Ital.-engl. Interferenz bei den Einwanderern Ital. Herkunft. Vgl. dazu die außerordentlich aufschlußreichen Ausführungen In Horvath 1985: 98-104 zu den Sozlolekten von Sydney. Turners Feststellung (1966: 104), solcher Frlkativersatz sei 1m austr. Engl. - Im Gegensatz zum Cockney - nicht anzutreffen, 1st wohl auf die starke sozlolektale Beschränkung dieser Erscheinung zurückzuführen. 125 Davon auszunehmen 1st die aus der Anlautlenislerung der Frikative resultierende Okkludierung zu /d-/ vor Sonoranten und Im Satznebenton 1n den südl. und südwestl. Dialekten; zur ungeklärten Frage nach den Ursachen für diese Lenlslerung vgl. Jespersen 1933: 346-354, Bennett 1955, Wakelln - Barry 1968: 58-64 und Flsiak 1984: 3-7.

//. C. Der dentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Zusammenfassung

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Falle des Ersatzes des dentalen durch den labiodentalen Frikativ, der bei d e u t l i c h verringertem A r t i k u l a t i o n s a u f w a n d ein auditorisch sehr ähnliches Resultat gewährleistete. Beim Ersatz des dentalen Frikativs in der Präsensflexion durch den alveolaren Frikativ und - vorübergehend - den alveolaren Nasal spielten aber auch morphophonotaktische und morphologische Faktoren eine Rolle. Hier muß klar unterschieden werden zwischen der phonotaktisch bedingten D e s t a b i l i s i e r u n g und p a r t i e l l e n Aufgabe des dentalen Frikativs als Flexionsmarkierung, die in den verschiedenen Dialekten chronologisch p a r a l l e l zur generelleren Beseitigung des dentalen Frikativs aus der betreffenden phonotaktischen Position v e r l i e f , und dem durchgängigen Ersatz des dentalen Frikativs als Flexionsmarkierung durch andere, phonotaktisch stabilere und dabei z u g l e i c h im morphologischen System verfügbare und auch geeignete (d.h. Unterschiede aufrechterhaltende) Sprachlaute. Wie bei der Gesamtentwicklung von /h/ zeigte sich bei der im wesentlichen gleichgerichteten E n t w i c k l u n g des dentalen Frikativs vom Ae. bis zum Spätme. ein deutliches zeitliches G e f a l l e in der Entwicklungsgeschwindigkeit zwischen dem äußerst progressiven Norden und dem sehr konservativen Süden und Südwesten. Für die weitere Entwicklung zum Ne. konnten einerseits weitere Übereinstimmungen, andererseits deutliche Unterschiede zur E n t w i c k l u n g von /h/ festgestellt werden. Besonders bemerkenswert scheint dabei, daß das Cockney, das in der Beseitigung von /h/ von allen Dialekten am weitesten ging und in dieser E n t w i c k l u n g vom Frühne. an führte, auch beim Ersatz des dentalen Frikativs seit dem Frühne., soweit sich dies angesichts der d ü r f t i gen Beleglage nachweisen läßt, immer an der Spitze der E n t w i c k l u n g stand und daß sich der Frikativersatz im Cockney trotz der r ä u m l i c h e n Nähe zu den Zentren des StE. weitaus besser behaupten konnte als in den m i t t e l l ä n d . und nördl. Dialekten, die von dieser E n t w i c k l u n g auch nicht unberührt geblieben sind. Der deutlichste Unterschied zur Gesamtentw i c k l u n g von /h/, n ä m l i c h die frühe und totale Beseitigung des dentalen Frikativs in den nördlichsten Dialekten, die in scheinbarem Widerspruch zur besonders weitgehenden Bewahrung von /h/ in den nämlichen Dialekten steht, konnte auf entsprechende Entwicklungen im Norw. zurückgeführt werden, das diese Dialekte über viele Jahrhunderte hin prägte. Ähnliche, aber erheblich weniger weit reichende Entwicklungen in den nordengl. und m i t t e l l ä n d . D i a l e k t e n konnten entsprechend auf z e i t l i c h viel weiter zurückliegende nordgerm. Einflüsse zurückgeführt werden. Keineswegs parallel zur Entwicklung von /h/ verlief die Entwicklung des dentalen Frikativs seit dem Spätme. auch in den südwestl. Dialek-

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

ten, die bis zum Spätme. das Schlußlicht der gesamtengl. Entwicklung gebildet hatten, seit dem Frühne. jedoch weitreichende Okkludierung des dentalen Frikativs erfuhren. Diese Entwicklungen, die auf den dentalen F r i k a t i v im S i l b e n a n l a u t beschränkt waren, konnten in Zusammenhang mit der Lenisierung von /f-, -, s-/ in diesen Dialekten gebracht werden, die den dentalen Frikativ im Anlaut anfälliger für die gesamtengl., phonotaktisch bedingten Veränderungen machten. 126 Bei näherem Hinsehen, d.h. bei gebührender Berücksichtigung sowohl der inhärenten Schwierigkeiten der dentalen A r t i k u l a t i o n wie der dialektal begrenzten Sonderentwicklungen unter fremdem E i n f l u ß , weist somit die Gesamtentwicklung des dentalen Frikativs vom Vor- und Frühae. bis zum heutigen Engl. einige bemerkenswerte, bisher weitgehend übersehene P a r a l l e l e n zur Gesamtentwicklung von /h/ auf. Hierzu zählen insbesondere die Abhängigkeit des chronologischen Gesamtablaufs von Faktoren wie Akzent und Silbenposition, das klare zeitlichdialektale G e f a l l e der Entwicklung bis zum Spätme. unter Führung des Nordens und die Übernahme der Führung durch das Cockney im Frühne. 127 II. D. Der labiodentale F r i k a t i v In der englischen Sprachgeschichte Ae. / f / war in der Entwicklung zum Ne. in sehr viel geringerem Maße von Schwächung und Schwund oder Ersatz b e t r o f f e n als /h/ u n d . / . Dies überrascht nicht, da der labiodentale Frikativ, wie oben in Kapitel l sowie in den voraufgegangenen Abschnitten dieses K a p i t e l s gezeigt werden konnte, in der Geschichte des Engl. verschiedentlich als Ersatzlaut für geschwächtes /h/ und / / eintrat.

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Okkludiert wurde lenlslertes / -/ in diesen Dialekten jedoch nur In weniger günstigen phonotaktlschen Positionen (vor Sonoranten oder Im Satznebenton), nicht dagegen in der günstigsten Position (prävokallsch In Akzentsllben). Anlautgruppen mit / -/ gibt es Im Ne. nicht. 127 Beim Ersatz durch /f, v/ Im Cockney konnte allerdings kein großer zeitlicher Abstand zwischen den Erstbelegen 1n der Coda und prävokallsch 1m Kopf akzentuierter Silben beobachtet werden (Mitte bzw. Ende des 16. Jahrhunderts); auch über das heutige Cockney oder andere Dialekte mit diesem Frlkatlversatz wird In der Literatur kein Unterschied 1m Umfang des Ersatzes zwischen Coda- und Kopfposition festgestellt, der dem klaren Unterschied in der Distribution von /h/ In diesen Positionen Im heutigen StE. und anderen Varianten - völliges Fehlen In der Coda seit dem Frühne., weltgehender Erhalt Im Kopf - entspräche.

//. D. Der labiodentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Erste Stufe

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Erste Stufe Der früheste Schwächungsvorgang, die Lenisierung von /f/ (wie auch von / / und /s/) im Wortinneren in stimmhafter Umgebung im Vor- und Frühae., ist bereits oben im Abschnitt II. B. dieses Kapitels beschrieben worden. Erste A n z e i c h e n einer w e i t e r g e h e n d e n Schwächung bieten spätae. Hss. vom späten 10. Jahrhundert an in Form von sporadischen -Schreibungen für sonst übliches und noch während der gesamten spätae. Zeit vorherrschendes < f > , das dann im Laufe des Frühme. v ö l l i g durch abgelöst wurde. 1 2 8 Im Me. resultierte die immer weiter fortschreitende Schwächung des labiodentalen Frikativs zu einem vokalähnlichen Labial mit sehr geringem oder v ö l l i g verlorengegangenem Friktionsgeräusch schließlich in bestimmten Fällen in seiner völligen Aufgabe als eigenständiger Sprachlaut. Die me. E n t w i c k l u n g ist in ihren positionsbedingten und dialektalen Verästelungen bisher nicht hinreichend analysiert und dokumentiert, doch lassen sich, ausgehend von den in den Standardwerken 1 2 9 angeführten Belegen und teilweise auch in Anknüpfung an die Darstellungen in diesen Werken, einige G r u n d l i n i e n dieser Entwicklung feststellen und darüberhinaus auch einige Parallelen zu den voraufgegangenen Entwicklungen von /h/ und / / in vergleichbaren Positionen aufzeigen. Als eigenständiger Sprachlaut aufgegeben wurde der l a b i o d e n t a l e Frikativ im Wortinneren in stimmhafter Umgebung, wenn er entweder a) schon im Ae. durchgängig oder in den meisten oder am häufigsten gebrauchten Formen eines Paradigmas im Auslaut der akzentuierten Silbe vor stimmhaftem Anlaut der unakzentuierten Folgesilbe stand oder b) im Me. infolge der Synkopierung unakzentuierter Mittelsilben oder im Spätme. infolge des Schwundes unakzentuierter Vokale der Endsilbe in die Coda der akzentuierten Silbe geriet; vgl. 128

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Vgl. dazu Schlemilch 1914: 49, Sievers - Brunner 1965: S 194. Schlemilchs Annahme frz. und lat. Einflusses 1st nicht haltbar. Frz. E i n f l u ß kann man für die Belege des 10. und frühen 11. Jahrhunderts mit Sicherheit ausschließen; gegen Schlemilchs Annahme lat. Einflusses für diese Belege spricht, daß sie, verglichen mit dem sehr früh einsetzenden lat. Einfluß auf das ae. Lexikon, viel zu spät einsetzen. Es 1st vielmehr anzunehmen, daß das während der gesamten ae. und me. Zelt In der lat. Schrift verfügbare Konsonantenzeichen den engl. Schreibern mit fortschreitender Schwächung des ae. labiodentalen Frikativs 1m Wortinneren 1n stimmhafter Umgebung als zunehmend adäquater für seine Wiedergabe erschien. Vgl. vor allem Lulck 1914-40: SS 428. 745, Berndt 1960: 200 f., Brunner 1960: 381 f., Jordan - Crook 1974: S 216.

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Kapitel II. Konsonantisches Segment undphonotaktische Position: Frikative

(a) ae. hl&fdige 'Herrin 1 > me. lav.di> spätme. lä.dy,

ae. hea.fod;

. heaf.d- 'Haupt' > me. h$.ved; fl. hev.d-> he.d-> spätme./ne. head;

(b) ae. na.fo.gär 'Bohrer' > spätme. nau.ger> ne. auger, ae. hlä.ford'Herr' > IQ.verd, fl. ]Qur.d-> spätme./ne. /orrf, ae. ha.foc, fl. ha.fo.c- 'Habicht' > me. f 1. fiau./r- > spätme./

ne. hawk.]ZO

In all diesen Fällen wurde der vokalisierte Frikativ zu einem Teil des Nukleus der akzentuierten Silbe, entweder q u a l i t a t i v als (labio)velares Z w e i t g l i e d eines verengenden Diphthongs oder nur q u a n t i t a t i v in Form von Ersatzdehnung des vorausgehenden Vokals, die a l l e r d i n g s nur bei einem kurzen Ausgangsvokal zum Zuge kam. Ob der ae. labiodentale Frikativ bei seiner Vokalisierung q u a l i t a t i v e oder nur quantitative (oder gar keine) Spuren h i n t e r l i e ß , hing von seiner u n m i t t e l b a r e n Lautumgebung ab. A l l e n f a l l s q u a n t i t a t i v waren seine Auswirkungen auf den vorausgehenden Vokal im R e g e l f a l l , wenn er zwischen palatalem Vokal und a l v e o l a r e m Plosiv 1 3 1 stand oder aber vor tautosyllabischem /r/, das durch seine senkende Wirkung auf vorausgehende Laute die labiovelare Engebildung aufhob; 1 3 2 130 im Gegensatz zu den oben In Anm. 129 angeführten Standardwerken nehme Ich nicht an, daß der Schwund des Frlkatlvs In den unflektierten Formen von head, lord, hawk auf analogische Übertragung aus den flektierten Formen zurückzuführen sei, sondern daß der Frikativ In den flektierten Formen, well er dort bereits seit dem Ae. In der Coda stand oder durch den Schwund eines unakzentulerten Mittelvokals Im Me. früh In diese Position geriet, lediglich früher schwand als In den unflektierten Formen, In denen der unakzentulerte Vokal der Endsilbe erst Im Spätme. verlorenging, wodurch dann auch In diesen Formen der Frikativ In die schwundanfällige Codaposition geriet. Nicht wirklich zutreffend 1st auch die Beschreibung der Position des labiodentalen Frlkatlvs In den genannten Werken als "präkonsonantisch", wie aus meiner Darstellung des gesamten Vorgangs Im Folgenden deutlich werden wird. 131 Vgl. Lulck 1914-40: § 745.2, Jordan - Crook 1974: S 216.2. Eine Ausnahme bildet ne. newt 'Eidechse' < me.CnJewf (< ae. efete). 132 Zur senkenden Wirkung von Coda-/r/ auf vorausgehende Vokale, die sich z.B. schon vom späten 14. Jahrhundert an In gelegentlichen -Schre1bungen für me. /e/ äußert (vgl. ne. star, dwarf < me. sterre, dwerh), siehe unten Kap. IM. In den bisherigen Darstellungen wird diese senkende Wirkung nicht zur Erklärung herangezogen, und es wird auch nicht darauf hingewiesen, daß die Vokalisierung des labiodentalen Frlkatlvs vor /r/ nur dann eintrat, wenn beide Laute In der Coda der akzentuierten Silbe standen (vgl. welter unten zur Entwicklung vor /r/ Im Kopf der unakzentulerten Silbe). Von der me. Entwicklung vor Coda-/r/ wohl zumindest teilweise zu trennen 1st die In frz. Lehnwörtern wie poor < afr. povre, kerchef Kopftuch' < afrz. cuevrechief, da hier

//. D. Der labiodentale Frikativ in der englischen Sprachgeschichte: Erste Stufe

vgl. spätme. h$d< me. f l . spätme. 1ädy< me. lau.di, spätme. /