Personalwirtschaft [4. Aufl.] 978-3-540-67753-6;978-3-662-12675-2

Dieses wichtige Standardwerk erschließt das immer komplexer werdende unternehmerische Funktionsfeld "Personalwirtsc

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Personalwirtschaft [4. Aufl.]
 978-3-540-67753-6;978-3-662-12675-2

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXXIV
Leitideen und Aufbau des Buchs (Hans Jürgen Drumm)....Pages 1-5
Front Matter ....Pages 7-7
Theoretische Ansätze und Konzeptionen einer Personalwirtschaftslehre (Hans Jürgen Drumm)....Pages 9-32
Ziele, Problemfelder, Objekte und Träger des Funktionsfelds unternehmerische Personalwirtschaft (Hans Jürgen Drumm)....Pages 33-40
Mitbestimmung als Restriktion unternehmerischer Personalwirtschaft (Hans Jürgen Drumm)....Pages 41-59
Organisation der Personalwirtschaft (Hans Jürgen Drumm)....Pages 61-79
Die Informationsbasis der Personalwirtschaft (Hans Jürgen Drumm)....Pages 81-161
Arbeitszeitgestaltung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 163-211
Zusammenfassung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 213-214
Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion (Hans Jürgen Drumm)....Pages 215-217
Front Matter ....Pages 219-219
Personalplanung als zentrale personalwirtschaftliche Funktion (Hans Jürgen Drumm)....Pages 221-228
Personalbedarfsplanung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 229-274
Personalbestandsplanung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 275-284
Personalfreisetzungsplanung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 285-313
Personalbeschaffungs- und -zuweisungsplanung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 315-364
Personalausbildungs- und Personalentwicklungsplanung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 365-418
Zur Implementation und Akzeptanz von Personalplanungsmethoden (Hans Jürgen Drumm)....Pages 419-423
Zusammenfassung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 425-427
Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion (Hans Jürgen Drumm)....Pages 429-431
Front Matter ....Pages 433-433
Mitarbeiterbedürfnisse, Werthaltungen und Motivation (Hans Jürgen Drumm)....Pages 435-444
Motivationstheorien (Hans Jürgen Drumm)....Pages 445-466
Führungstheorien (Hans Jürgen Drumm)....Pages 467-495
Führungskonzeptionen (Hans Jürgen Drumm)....Pages 497-532
Neue Ansätze der Führung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 533-554
Vergütungssysteme (Hans Jürgen Drumm)....Pages 555-594
Erfolgs- und Vermögensbeteiligung des Personals (Hans Jürgen Drumm)....Pages 595-623
Zusammenfassung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 625-627
Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion (Hans Jürgen Drumm)....Pages 629-632
Front Matter ....Pages 633-633
Strategisches Personalmanagement (Hans Jürgen Drumm)....Pages 635-662
Personalcontrolling (Hans Jürgen Drumm)....Pages 663-689
Internationalisierung der Personalwirtschaft (Hans Jürgen Drumm)....Pages 691-741
Personalwirtschaft und Ethik (Hans Jürgen Drumm)....Pages 743-763
Zusammenfassung (Hans Jürgen Drumm)....Pages 765-768
Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion (Hans Jürgen Drumm)....Pages 769-770
Back Matter ....Pages 771-870

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Personalwirtschaft

Springer-V erlag Berlin Heidelberg GmbH

Hans Ji.irgen Drumm

Personalwirtschaft Vierte, iiberarbeitete und erweiterte Auflage Mit 73 Abbildungen

'Springer

Prof. Dr. Hans Jiirgen Drumm Universităt Regensburg Institut fiir Betriebswirtschaftslehre Universitătsstrasse 31 D-93053 Regensburg

ISBN 978-3-540-67753-6 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Drumm, Hans Jiirgen: Personalwirtschaft 1 Hans Jiirgen Drumm. - 4., iiberarb. und erw. Aufl. Bis 3. Aufl. u.d.T.: Drumm, Hans Jiirgen: Personalwirtschaftslehre ISBN 978-3-540-67753-6 ISBN 978-3-662-12675-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-12675-2 Dieses Werk ist urheberrechdich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bieiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zuliissig. Sie ist grundsătzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1989, 1992, 1995, 2000

Urspriinglich erschienen bei Springer-Vedag Berlin Heidelberg New York 2000

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wiiren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 10773794

42/2202-5 4 3 2 1 O - Gedruckt auf siiurefreiem Papier

Vorwort zur vierten Auflage

Die vierte Auflage dieses Buchs trăgt einer Reihe von Weiterentwicklungen Rechnung. Diese betreffen ebenso die personalwirtschaftliche Theorie wie neue Probleme der Praxis und praxisorientierte Konzeptionen mit der Eigenschaft von Kunstlehren. Im Buchtitel habe ich das Wort Lehre gestrichen, weil die Inhalte und vor allem die argumentative Behandlung personal'wirtschaftlicher Probleme iiber ein reines Lehrbuch hinausgehen. Im Text wurde der Bezug zur Lehre soweit erforderlich, vor allem aher bei der Erorterung der theoretischen Grundlagen des Facbs aufrecht erhalten. Die Grundkonzeption des Buchs wurde beibehalten, da sie sich bewăhrt hat. Neuere relevante Literatur babe ich mit mehr als 175 Titeln in alle vier Teilen des Buchs eingearbeitet. Die friibere Einleitung des Bucbs babe icb umgearbeitet und gekiirzt. Sie gibt jetzt unter geăndertem Titei Auskunft zu Idee und Aufbau des Bucbs. In Teil 1 wurden zahlreicbe Details verbessert. Abschnitt 1.4.2. babe icb iiberarbeitet, neu untergliedert und um eine knappe Darstellung der modifizierten Transaktionskostentbeorie erweitert. Diese Modifikation erlaubt in den Teilen II bis IV erstmals eine ergănzende transaktionskostentheoretische Interpretation einer Reihe von personalwirtscbaftlicben Funktionsfeldern. Abschnitt 1.4.3. babe icb um einige ideengescbicbtliche Wurzeln des Fachs, niimlich die Kathedersozialisten, erweitert und neu untergliedert. Kapitel 3 wurde stărker untergliedert sowie um das Gesetz zum Europăiscben Betriebsrat, um die Mitbestimmungsfolgen der neuen Tarifvertragspolitik und um die knappe Skizze einer notwendigen Reform von Tarif- und Betriebsverfassungsrecbt ergănzt. Atillerdem babe ich Abschnitt 3.5. iiber "Mitbestimmungsmanagement" neu eingefiigt. Den Abscbnitt zur Organisation der Personalarbeit babe icb aus Kapitel 2 ausgegliedert, neu systematisiert, inhaltlich stark iiberarbeitet und um Oberlegungen zu Dienstleistungs- und Wertschăpfungszentren, zu virtueller Personalwirtschaft sowie zum Outsourcing personalwirtschaftlicher Funktionen erweitert. Er bildet jetzt Kapitel 4 in Teil I. In Kapitel 5 zur Informationsbasis der Personalwirtschaft habe ich zahlreiche Verbesserungen von Details vorgenommen. Den gesamten Abschnitt 5.4. zur Personalforschung habe ich stark iiberarbeitet und aktualisiert. Abschnitt 5.6. habe ich teilweise neu konzipiert und geschrieben.

VI

Kapitel 6 zur Arbeitszeitgestaltung babe icb auf den neuesten Stand - auch der Gesetzgebung und Recbtsprecbung - gebracbt. Die Ausfuhrungen zur Flexibilisierung von Perioden- und Lebensarbeitszeit babe ich um diejenigen neuen Ansătze erweitert, die die stiinniscbe Entwicklung dieses Problemfelds wăhrend der vergangenen beiden Jahre in der Praxis gebracbt hat. Relativ breiten Raum nehmen hier die fur die Tbeorie keineswegs neuen Zeitspannodelle mit Arbeitszeitkonten ein, die nun auch von der Praxis entdeckt werden und im Zeit-Wertpapier der VW AG ihre derzeit interessanteste Ausprăgung gefunden haben. Die Zusammenfassung wurde iiberarbeitet und die Aufgabensammlung erweitert. Der Abschnitt zu Lebensarbeitszeitmodellen fur berufstatige Frauen ist um eine Reihe von heuristischen Losungsalternativen erweitert worden. In Te il II babe ich in Kapitel 1 eine vollig neue transaktionskostentheoretische Einordnung der Personalplanung vorgenommen. Ferner werden soweit als moglich die einzelnen Planungsfelder aus transaktionskostentheoretischer Sicht gewiirdigt. In Kapitel 2 ist in Abschnitt 2.3.4. die simulative Nutzung von Workflow-Konzepten zur quantitativen Personalbedarfsplanung neu eingefugt worden. Abschnitt 2.3.4.3. zu fonnalen Modellen der Personalbedarfsplanung wurde um neuere simulative Ansătze im Bereicb des Workflow Management erweitert. In Abschnitt 2.4. zu Personalkosten habe ich die kostenrechnerische Beriicksichtigung neuer Lohnformen diskutiert. Abschnitt 4.3. zur Methodik der Personalfreisetzung wurde iiberarbeitet und neu untergliedert, um einen Zugewinn an Systematik zu erreichen. Kapitel 5 habe ich insgesamt aktualisiert und ebenso wie die vorangegangenen Kapitel um neuere Entwicklungen ergănzt. Der neue Abschnitt 5.3.1. enthălt Oberlegungen zur Wahl zwischen externem Arbeitsmarkt und unternelunungsinterner Marktfiktion. In den Abschnitten 5.3.2. und 5.3.3.2. habe ich Ansătze zur Virtualisierung der Personalbeschaffung eingearbeitet. Abschnitt 5.3.4. zum Personalmarketing wurde prazisiert und leicht erweitert, ohne allerdings dessen grundsătzlich externe Orientierung zu verandern. In Kapitel 6 habe ich die Darstellung des Systems der dualen Berufsausbildung um neuere Refonnansătze ergănzt. Abscbnitt 6.3 .1. wurde ti efer untergliedert. Die Personalentwicklung habe ich transaktionskostentbeoretisch eingeordnet (6.3.1.3.) und neu interpretiert (6.3.7.). In Abschnitt 6.3.4. wurden Ansătze zur Virtualisierung der Personalentwicklung sowie methodische Konzepte sogenannter "Unternehmungsuniversităten" neu aufgegriffen. Neu eingefugt wurden in Abschnitt 6.3.6. Ausfuhrungen zum organisatorischen Lernen sowie zur lernenden Unternelunung. In Abschnitt 6. 3. 7. diskutiere ich vor transaktionskostentheoretischem Hintergrund

VII alternative Modelle fiir die Finanzierung von Personalentwicklungsmafinahmen. Neu ist auch Abschnitt 6.3.8. zu Veranderungstendenzen in der Personalentwicklung. Bei der Oberarbeitung von Teil III habe ich mich in den Kapiteln 1 und 2 auf sprachliche Glattungen sowie Verdeutlichungen beschrănkt und die leider noch immer vorhandenen Fehler beseitigt. Die in Kapitel 3 vorgestellten allgemeinen und speziellen Fuhrungstl1eorien haben eine transaktionskostentheoretische Einordnung erfahren. Neu ist in Abschnitt 3.4.8. eine von mir entwickelte Prozesstheorie der Ftihrung auf motivationstheoretischer Basis. Kapitel 4 zu Ftihrungskonzeptionen wurde zum Teil neu geschrieben, um den systematischen Einbezug der Transaktionskostentheorie zu erlauben. Insbesondere wurde der Abschnitt 4.2.5. zur Konstruktion in Ftihrungskonzeptionen neu eingefiigt. Diesen Abschnitt habe ich enger mit dem methodischen Vorgehen bei der individualisierten Fiihrung verzahnt. Kapitel 5 wurde aktualisiert, insgesamt gestrafft, mit einer transaktionskostentheoretischen Wtirdigung versehen und um einen Abschnitt zur Selbstfiihrung (5.3.) erweitert. Kapitel 6 wurde um Abschnitte liber Ziele, die transaktionskostentlleoretische Wurdigung sowie Formen der Vergiitung erganzt. Neu eingefiigt sind Abschnitte zur gespaltenen Vergiitung (6.4.) und zur aufgeschobenen Vergiitung (deferred compensation; 6.6.), eine Diskussion des Zeit-Wertpapiers der VW AG sowie ein knapper Abschnitt zu den ab Herbst 1998 neu geschaffenen Pensionsfonds. Abschnitt 6.5. zum Soziallohn wurde aktualisiert. Neu eingefiigt wurde auch Abschnitt 6. 7. zu ganzheitlichen Vergtitungspaketen (total compensation). Ebenso wurde Kapitel 7 zur Erfolgs- und Vermogensbeteiligung iiberarbeitet. Hier wurden zusatzlich in Abschnitt 7.2.2.2. Aktienoptionsplăne als ein Ansatz zum Anreiz sowie zur Erfolgs- und Vermi:igensbeteiligung fiir

Ftihrungskrăfte

neu eingefiigt.

Die Oberarbeitung von Teil IV beginnt mit Kapitel 1 zum Strategischen Personalmanagement, das ich erheblich gestrafft und besser systematisiert habe. AuBerdem wurde das Strategische Personalmanagement auf eine transaktionskostentlleoretische Grundlage gestellt. Auch Kapitel 2 zum Personalcontrolling wurde gestrafft, aktualisiert und durch eine transaktionskostentlleoretische Einordnung erganzt. Kapitel 3 zum internationalen Personalmanagement habe ich stark tiberarbeitet, aktualisiert und ebenfalls mit einer transaktionskostentheoretischen Grundlage versehen. Die Veranderungen in Kapitel 4 beschranken sich auf kleine formale Korrekturen.

VIII Hilfen und Anregungen zur Verbesserung meines Buchs sind mir von verschiedenen Seiten zuteil geworden. Mein Kollege Fred Becker von der Universităt Bielefeld hat mir eine Reihe von Verbesserungen des Kapitels 5 in Teil 1 zur "Personalforschung" vorgeschlagen, die ich weitestgehend aufgegriffen habe. Mein Fakultătskollege Franz Lehner hat mir wertvolle Ratschlăge zur Verbesserung von Abschnitt 5.6. in Teil 1 gegeben. Meine eigenen Studenten, aber auch Studenten von anderen Hochsclmlen haben mich auf Verbesserungsmoglichkeiten aufmerksam gemacht, die ich genutzt babe. Meine Assistentinnen und Assistenten, Frau Dr. Caroia Raab-Stahl und Frau Dr. Cinzia Dai Zotto, Herr Dr. Joachim Eigler und Herr Dr. Ernst Eichenseher sowie mein damaliger Habilitationsstipendiat und heutiger Jenaer Kollege, Herr Prof. Dr. Reinhard Meckl, haben das gesamte Buch und dort insbesondere die von mir vorgenommenen Verănderungen mit mir diskutiert. Ihre kritischen Kommentare haben Eingang in den Text gefunden. Mein Assistent, Herr Dipl.Kfm Florian Biersack, hat die formelle Schlussredaktion des Buchs iibernommen und weitere konstruktive Verbesserungsvorschlăge eingebracht. Meine Sekretărinnen, Frau Angelika Feichtmayr sowie insbesondere Frau Melanie Schneider, haben die neuen Texte und die Korrekturen sowie Verbesserungen der verbliebenen Texte der Teile 1 bis IV mit Zuverlăssigkeit und Prăzision erstellt. Frau Melanie Schneider hat die neuen Abbildungen angefertigt und den groBten Teil der beibehaltenen Abbildungen iiberarbeitet. Sie hat auBerdem alle abschlieBenden Korrektur- und Layoutprobleme perfekt gelOst, den harten Umbruch bewăltigt und nach meinen Vorgaben alle Verzeichnisse angelegt. Frau cand.rer.pol. Stephanie Moosbauer hat fur mich eine Reihe von Literaturrecherchen insbesondere zur Aktualisierung von Gesetzgebung und hOchstrichterlicher Rechtsprechung durchge:fuhrt. Frau Elisabeth Wismeth hat die Transformation des gesamten Textes aus einer alten in eine neue Word-Version erfolgreich bewăltigt. Frau cand.rer.pol. Michaela Gebele, Frau Elke Bickert, Herr Simon Kuttenkeuler und Frau Kerstin Schuck haben bei der Aktualisierung der Literaturquellen mitgewirkt, die Querverweise und Zitate iiberpriift sowie das gesamte Manuskript des Buchs auf formale Fehler durchgesehen. Meine Frau hat meine melujăhrige Arbeitslast mit groBer Langmut respektiert. Dem Springer-Verlag war die rasche und sorgfâltige Edition der vierten Auflage stets ein Anliegen. Fur alle diese Hilfen bin ich dankbar. Meine eigene Arbeit bei der Vorbereitung der vierten Auflage dieses Buchs war betrăchtlich. Ob sie sich gelohnt hat, miissen meine Leserinnen und Leser entscheiden.

Regensburg, im Juni 2000

Hans Jiirgen Drumm

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur vierten Auflage ................................................................................. V Abbildungsverzeichnis .................................................................................. XXVII Abkiirzungsve~ichnis .................................................................................. JCXXI Leitideen und Aufbau des Buchs ............................................................................ 1

Teil 1.

Grundlagen ..................................................................................... 7

1.

Theoretische Ansătze und Konzeptionen einer Personalwirtschaftslehre ......................................................................... 9

1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.4.1.

Oberblick .......................................................................................... 9 Erkenntnisleitende Interessen ......................................................... 10 Ziei und Gegenstand der Personalwirtschaftslehre .......................... 12 Personalwirtschaftliche Theoriebildung .......................................... 12 Struktur einer allgemeinen personalwirtschaftlichen Theorie ........................................................................................... 12 Anleihen bei fachfremden Theorien ................................................ 14 Ein Oberblick iiber diskussionswiirdige Theorien ........................... 14 Die modifizierte Transaktionskostentheorie fiir die Personalwirtschaft .......................................................................... 19 Zur ideengeschichtlichen und empirisch-theoretischen Ausrichtung der Personalwirtschaft ................................................ 24 Vorbemerkung ............................................................................... 24 Friihe Vorlăufer .............................................................................. 25 Der Beginn der Personalwirtschaftslehre ........................................ 26 Zwischenergebnis und empirisch-theoretische Ausrichtung ............ 28 Konzeption einer Personalwirtschaftslehre ..................................... 30

1.4.2. 1.4.2.1. 1.4.2.2. 1.4.3. 1.4.3.1. 1.4.3.2. 1.4.3.3. 1.4.3.4. 1.5.

2.

Ziele, Problemfelder, Objekte und Trăger des Funktionsfelds unternehmerische Personalwirtschaft.. ....................... 33

2.1. 2.2. 2.3. 2.4.

Oberblick ........................................................................................ 33 Personalwirtschaftliche Ziele .......................................................... 34 Personalwirtschaftliche Problemfelder ............................................ 37 Objekte und Trăger der Personalwirtschaft ..................................... 39

X

3. 3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.1.1. 3.2.1.2. 3.2.1.3. 3.2.1.4. 3.2.1.5. 3.2.1.6. 3.2.2. 3.3. 3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.5.

Mitbestimmung als Restriktion unternehmerischer Personalwirtschaft. ............................................................................. 41 Dberblick. ....................................................................................... 41 lnstitutionelle Vorschriften ............................................................. 44 Organe der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsrecht ................................................................ 44 Betriebsversammlung und nationale Betriebsrăte ............................ 44 Der Europăische Betriebsrat ........................................................... 45 Wirtschaftsausschuss, Einigungsstelle und Jugendvertretung .......... 47 Sprecherausschuss .......................................................................... 47 Sonstige Ausschiisse ....................................................................... 48 Interessenvertretung durch die Organe ........................................... 48 Der Arbeitsdirektor ........................................................................ 49 Mitbestimmungsziele und -felder. ................................................... 50 Tarifpartner, Tarifvertrăge und betriebliche Mitbestimrnung .............................................................................. 53 Tarifpartner .................................................................................... 53 Tarifvertrăge und Mitbestimmung .................................................. 54 Refonn von Tarif- und Betriebsverfassung ...................................... 56 Mitbestimmungsmanagement ......................................................... 57

4.

Organisation der Personalwirtschaft ........................................... 61

4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.4.5. 4.4.6.

Dberblick. ....................................................................................... 61 Grundlagen .................................................................................... 61 Zentrale Organisationsmuster ......................................................... 65 Dezentrale Organisationsmuster ..................................................... 67 Grundlagen .................................................................................... 67 Dezentrale Personalabteilungen ...................................................... 67 Das Referentensystem ..................................................................... 68 Fiihrungskrăfte ............................................................................... 69 Mitarbeiter ..................................................................................... 70 Die virtuelle Personalabteilung ................................................ :...... 70 Dienstleistungs- und Wertschăpfungszentren sowie Marktfiktionen ............................................................................... 71 Outsourcing .................................................................................... 73 Systematische Zusammenfassung, Mitbestimmungsauswirkungen und offene Probleme der Organisation .......................... 76

4.5. 4.6. 4.7.

XI

5. 5.1. 5.2. 5.3. 5.3.1. 5.3.2. 5.3.3. 5.3.4. 5.4. 5.4.1. 5.4.2. 5.4.2.1. 5.4.2.2. 5.4.2.3. 5.4.2.4. 5.4.2.5. 5.4.2.5.1. 5.4.2.5.2. 5.4.2.6. 5.4.2.6.1. 5.4.2.6.2. 5.4.2.6.3. 5.4.2.6.4. 5.4.2.7. 5.4.2.8. 5.4.2.8.1. 5.4.2.8.2. 5.4.2.8.3. 5.4.2.8.4. 5.4.2.8.5. 5.4.3. 5.5. 5.5.1. 5.5.2. 5.5.2.1. 5.5.2.2. 5.5.2.3.

Die Informationsbasis der Personalwirtschaft ............................. 81 Dberblick ........................................................................................ 81 Informationen als Grundlage personalwirtschaftlicher Entscheidungen ........ , ..................................................................... 83 Unternehmerische Arbeitsmarktforschung ...................................... 84 Ziele, Gegenstănde und Anwendungsgebiete der Arbeitsmarktforschung ................................................................... 84 Der unternehmungsexterne Arbeitsmarkt ....................................... 87 Der unternehmungsinterne Arbeitsmarkt ........................................ 89 Instrumentarium und Informationsquellen unternehmerischer Arbeitsmarktforschung ..................................... 90 Unternehmerische Personalforschung ............................................. 95 Ziele, Gegenstănde und Probleme der Personalforschung ............... 95 Methoden der Personalforschung .................................................... 97 Ein systematischer Dberblick .......................................................... 97 Personalbestands- und -bewegungsstatistiken ............................... 100 Arbeitsmedizinische Untersuchungen ........................................... 101 Testverfahren ............................................................................... 102 Laufende Beobachtung und Befragung des Personals .................... 106 Laufende Beobachtung ................................................................. 106 Laufende Befragung ..................................................................... 107 Ansatze der Leistungsbeurteilung ................................................. 110 Grundlagen ..... .... .... .. .. ........ .. .... ..... ........ ......... ............... .... .... ...... 11 O Methodik ...................................................................................... 111 Analytische Ansatze ..................................................................... 114 Probleme . ... .... ....... .... ........ ............ ... ............... .... .............. .... ..... .. 118 Das Mitarbeitergesprach ............................................................... 120 Die Assessment-Center-Technik ................................................... 123 Idee und Ziele ............................................................................... 123 Methodik ...................................................................................... 124 Beurteilungskriterien .................................................................... 126 Validierungsprobleme .................................................................. 127 Leistungsfahigkeit der ACT .......................................................... 128 Personalforschung und Mitbestimmung ........................................ 129 Unternehmerische Arbeitsforschung ............................................. 131 Ziele, Gegenstănde und Probleme der Arbeitsforschung ............... 131 Methoden der Arbeitsforschung .................................................... 134 Riiumliche Arbeitsstudien ............................................................. 134 Zeitliche Arbeitsstudien ................................................................ 134 Ergonomische Arbeitsstudien ....................................................... 138

XII 5.5.2.4. 5.5.2.5. 5.5.3. 5.6. 5.6.1. 5.6.2. 5.6.3. 5.6.4. 5.6.5. 5.6.6. 5.6.7. 5.6.8.

6. 6.1. 6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6:3. 6.3.1. 6.3.2. 6.3.3. 6.3.4. 6.3.5. 6.3.6. 6.3.6.1. 6.3.6.2. 6.3.6.3. 6.3.6.4. 6.3.6.5. 6.4. 6.4.1. 6.4.2. 6.4.2.1. 6.4.2.1.1. 6.4.2.1.2. 6.4.2.1.3.

Anforderungsermittlung und Arbeitswertstudien .......................... Studien zur Arbeitssituation und -strukturierung .......................... Arbeitsforschung und Mitbestimmung .......................................... Personalinformationssysteme (PIS) ............................................... Ziei, Gegenstand und Aufgaben von Personalinformationssystemen....................................................................................... Typen und Hardwarekonfigurationen von PIS .............................. Personalorientierte Informationen ................................................. Organisationsorientierte Informationen ........................................ Softwarelosungen und integrative Ansătze .................................... Datensicherung und Datenschutz .................................................. lmplementations- und Akzeptanzbedingungen ............................. Personalinformationssystem und Mitbestimmung .........................

141 143 145 147 147 148 151 152 153 155 158 160

Arbeitszeitgestaltung .................................................................. 163 Oberblick ...................................................................................... 163 Arbeitszeitgestaltung als betriebswirtschaftliches Problem ............ 164 Wiederentdeckung der Ressource Arbeitszeit.. .............................. 164 Ziele und allgemeine Probleme der Arbeitszeitgestaltung ............. 165 Struktur und Losungsansătze des betriebswirtschaftlichen Problems ...................................................................................... 167 Periodenarbeitszeitgestaltung ....................................................... 169 Grenzen und Dauer der Arbeitszeit.. ............................................. 169 Arbeitszeitmodelle ........................................................................ 171 Pausenregelungen ......................................................................... 174 Voll- und Teilzeitarbeit ................................................................ 175 Ein- und Mehrschichtarbeit .......................................................... 178 Flexibilisierung der Periodenarbeitszeit ........................................ 182 Grundidee und Ziei ...................................................................... 182 Formen der Arbeitszeitflexibilisierung .......................................... 183 Arbeitzeitkonten und Zeit-Wertpapier ~ ......................................... 186 Vergiitung und Cafeteria-Prinzip .................................................. 187 Auswahl von Flexibilisierungsalternativen ................................... 188 Lebensarbeitszeitgestaltung .......................................................... 190 Das starre Modell der Dreiteilung des Lebens ............................... 190 Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit.. ......................................... 192 Ansătze fiir das gesamte Personal ................................................. 192 Vorbemerkung ............................................................................. 192 Die Phase des Berufseinstiegs ....................................................... 193 Die Phase der Berufsausiibung...................................................... 194

XIII 6.4.2.1.4. 6.4.2.1.4.1. 6.4.2.1.4.2. 6.4.2.1.4.3. 6.4.2.2.

Die Phase des Berufsaustritts ................................................. ....... 195 Grundlagen ................................................. ................................. 195 Modelle ................................................. ....................................... 197 Akzeptanz und Auswahl ................................................. .............. 200 Flexible Lebensarbeitszeitgestaltung fiir berufstătige Frauen ................................................. ......................................... 201

6.5.

Die Grundproblematik ................................................. ................. 201 Einige Voraussetzungen zur Losung der Probleme ....................... 202 Ansătze zur Losung der sechs Teilprobleme ................................. 204 Arbeitszeit, Mitbestimmung und Rechtsvorschriften ..................... 208

7.

Zusammenfassung....................................................................... 213

8.

Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion ............. 215

Teil II.

Das Personal als Leistungstrliger ............................................... 219

1.

Personalplanung als zentrale personalwirtschaftliche Funktion ...................................................................................... 221

1.1.

Die Notwendigkeit der Personalplanung und ihre transaktionskostentheoretische Einordnung .................................. 221

1.1.1. 1.1.2. 1.2.

Planungsnotwendigkeit. ................................................. ............... 221 Transaktionskostentheoretische Einordnung der Personalplanung ................................................. .......................... 223 Personalplanung im Planungszusammenhang .............................. 226

1.3.

Zusammenfassung ................................................. ....................... 227

6.4.2.2.1. 6.4.2.2.2. 6.4.2.2.3.

2.

Personalbedarfsplanung ............................................................. 229

2.1.

Dberblick ................................................. ..................................... 229

2.2.

Qualitative Personalbedarfsplanung .............................................. 231

2.2.1.

Ziei, Gegenstand und Methodik qualitativer Personalbe-

2.2.2.

darfsplanung ................................................. ............................... 231 Umfeldszenarien und strategische Plăne als

2.2.3. 2.2.4.

Inforrnationsbasis .................................. :...................................... 234 Prognosen zukiinftiger Tătigkeitsfelder, Aufgaben und Arbeitsbedingungen ................................................. ......................... 237 Ableitung von Anforderungen aufzukunftigen Tătigkeitsfeldern ................................................. ......................................... 240

XIV 2.2.4.1. 2.2.4.2. 2.2.4.3. 2.2.5. 2.2.5.1. 2.2.5.2. 2.2.5.2.1.

240 Verhaltensorientierte Merkmaie ................................................... 242 Kenntnisse und Făhigkeiten ......................................................... 243 Biindeiung von Aufgaben und Anforderungen .............................. 244 Die Grundidee der Biindeiung ...................................................... 244 Biindeiungskriterien ..................................................................... 245 Das Berufsbiid .............................................................................. 245

2.2.5.2.2. 2.2.5.2.3. 2.2.5.2.4. 2.2.6. 2.3. 2.3.1.

Speziaiisierung versus Generaiisierung ......................................... 245 Ganzheitlichkeit ........................................................................... 246 Ăhnlichkeit und Synergie ............................................................. 246 Der quaiitative Personalbedarf...................................................... 247 Quantitative Personaibedarfspianung ............................................ 250 Ziei, Gegenstand und Methodik quantitativer Personalbedarfspianung ................................................................................ 250 Ziei und Gegenstand ..................................................................... 250 Methodik ...................................................................................... 252 Das Grundmodell der Entscheidungstheorie als Leitbild ............... 254 Zeitabhăngige, statistische Ansătze .............................................. 257 Kausale, produktionswirtschaftliche Ansătze ................................ 259 Die Grundidee und deren Umsetzung in multiple und einfache Regression ...................................................................... 259 Verbrauchsfunktionen und -koeffizienten ..................................... 262

2.3.1.1. 2.3.1.2. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.4. 2.3.4.1. 2.3.4.2. 2.3.4.3. 2.3.5. 2.3.6. 2.4. 2.5.

3.

Abieitungsgrundsătze ...................................................................

Lineare Pianungsmodelle und Simulationsmodelle ....................... 265 Organisatorische Ansătze ............................................................. 268 Aufiengesteuerte Bedarfsbestimmung ........................................... 269 Personalbedarfs- und Personalkostenplanung ................................ 270 Personalbedarfsplanung und Mitbestimmung ............................... 273

3.3.2.

Personalbestandsplanung ........................................................... 275 Oberblick. ..................................................................................... 275 Qualitative Personalbestandspianung ............................................ 276 Ziei, Gegenstand und Funktionen qualitativer Personalbestandsplanung .............................................................................. 276 Methodik qualitativer Personalbestandsplanung ........................... 277 Quantitative Personalbestandsplanung .......................................... 279 Ziei, Gegenstand und Funktionen quantitativer Personalbestandsplanung .............................................................................. 279 Methodik quantitativer Personalbestandsplanung ......................... 280

3.4.

Personalbestandsplanung und Mitbestimmung ............................. 284

3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.3. 3.3.1.

XV

4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.2.1. 4.3.2.2. 4.3.2.3. 4.3.2.4. 4.3.2.5. 4.3.2.6. 4.3.2.7. 4.3.2.8. 4.3.3. 4.3.3.1. 4.3.3.2. 4.3.3.3. 4.3.3.4. 4.3.3.5. 4.3.3.6. 4.3.3.7. 4.3.3.8. 4.3.3.9. 4.3.3.10. 4.3.3.11. 4.3.3.12. 4.3.3.13. 4.3.4. 4.4.

5. 5.1. 5.2.

Personalfreisetzungsplanung .. .................................................... 285 Dberblick. ..................................................................................... 285 Griinde, Ziele, Gegenstănde und Probleme der Personalfreisetzungsplanung ...................................................................... 286 Methodik der Persona1freisetzungsplanung ................................... 291 Informationsbasen und Grundmodell der Personalfreisetzungsplanung ............................................................................... 291 Persona1verwendungsalternativen bei reaktiver Freisetzungsplanung ..................................................................... 293 Die Persona1verwendungsalternativen im Dberblick ..................... 293 Abbau von Dberstunden und Kurzarbeit.. ..................................... 293 Entlassungen ................................................................................ 294 Entlassung mit Outplacement-Beratung ........................................ 295 Entlassung mit Attitiiden-Strategien ............................................. 296 Entlassung in Kombination mit dem Verlagsmodell ..................... 296 Umsetzung ................................................................................... 297 Durchsetzbarkeit und Freisetzungsvolumen .................................. 297 Personalverwendungsalternativen bei antizipativer Freisetzungsplanung ..................................................................... 298 Die Personalverwendungsalternativen im Dberblick ..................... 298 Natiirliche Fluktuation .................................................................. 299 Fluktuationsforderung .................................................................. 299 Mobi1itătsf6rderung ...................................................................... 301 Selbstăndige Existenzen ............................................................... 301 Placetnent. .................................................................................... 302 Leiharbeit ..................................................................................... 302 Langfristurlaub ............................................................................. 303 Arbeitszeitverkiirzungen ............................................................... 303 Umsetzungsstrategien ................................................................... 303 Management-Buy-out ................................................................... 304 Beschăftigungsplăne und -gesellschaften ...................................... 305 Durchsetzbarkeit und Freisetzungsvolumen .................................. 307 Sozialplanwirkungen reaktiver und antizipativer Verwendungsalternativen ......................................................................... 307 Personalfreisetzungsplanung und Mitbestimmung ........................ 310 Personalbeschaffungs- und -zuweisungsplanung ....................... 315 Dberblick. ..................................................................................... 315 Ziei, Gegenstand und Probleme der Persona1beschaffungsplanung ........................................................................................ 317

XVI

5.3. 5.3.1. 5.3.2. 5.3.3. 5.3.3.1. 5.3.3.2. 5.3.3.3. 5.3.3.4. 5.3.4. 5.3.4.1. 5.3.4.2. 5.3.4.3. 5.4. 5.4.1. 5.4.1.1. 5.4.1.2. 5.4.1.3. 5.4.2. 5.5. 5.5.1. 5.5.2. 5.6.

6. 6.1. 6.2. 6.2.1.

Beschaffungsalternativen .............................................................. 319 Die Wahl zwischen interner Arbeitsmarktfiktion und externem Arbeitsmarkt ................................................................. 319 Unternehmungsinterne Personalbeschaffung ................................ 321 Unternehmungsexterne Personalbeschaffung ................................ 325 Ziele und Grundlagen ................................................................... 325 Passive und aktive Beschaffungswege ........................................... 326 Beschaffungsmittel, -zeitpunkte und -orte ..................................... 330 Auswahl einer Beschaffi.mgsalternative ........................................ 332 Personalmarketing ........................................................................ 334 Begriff, Ziele und Gegenstände des Personalmarketing ................. 334 Informationsbasen des Personalmarketing .................................... 337 Arbeitsmarktorientierte Information über Wettbewerbsvorteile ..................................................................... 340 Bewerberauswahl und -einstellung ............................................... 342 Bewerberauswahl ......................................................................... 342 Ziel, Gegenstand, Methode und Probleme der Bewerberauswahl ........................................................................................ 342 Die Informationsbasis der Bewerberauswahl ................................. 344 Auswahlregeln fiir Bewerber ........................................................ 348 Bewerbereinstellung ..................................................................... 352 Personalzuweisung ....................................................................... 355 Ziel, Gegenstand, Methode und Probleme der Personalzuweisung ........................................................................................ 355 Ausgewählte Zuweisungsregeln und -modelle ............................... 358 Personalbeschaffung, Bewerberauswahl, Personaleinstellung, Personalzuweisung und Mitbestilntnung ............................................................................ 361

Personalausbildungs- und Personalentwicklungsplanung .................................................... 365

6.2.3.1.

Überblick ...................................................................................... 365 Planung der Berufsausbildung im dualen System .......................... 367 Ziel und Gegenstand der Berufsausbildung im dualen System .......................................................................................... 367 Grundlagen und Struktur,des dualen Systems ............................... 369 Institutionalisierung und Planung der Berufsausbildung in der Unternehmung ....................................................................... 375 Institutionalisierung unternehmensch er Berufsausbildung ............ 37 5

6.2.3.2.

Planung unternehmensch er Berufsausbildung .............................. 377

6.2.2. 6.2.3.

XVII 6.3. 6.3.1. 6.3.1.1. 6.3.1.2. 6.3.1.3. 6.3.2. 6.3.3. 6.3.3.1. 6.3.3.2. 6.3.4. 6.3.4.1. 6.3.4.2. 6.3.5. 6.3.5.1. 6.3.5.2. 6.3.6. 6.3.7. 6.3.8. 6.4.

Personalentwicklungsplanung ....... .... .. .................. ... .. ..... ... .......... 380 Ursachen, Ziele, Gegenstand, Fonnen und Probleme der Personalentwicklung ..................................................................... 380 Ursachen ...................... , ............ ....... ........ ................... ................. 380 Begriff, Ziele, Adressaten und transaktionskostentheoretische Einordnung ................ ...... ............ 382 Gegenstand, Formen und Probleme ..... ....... .. .............. ............. ..... 385 Ansatzpunkte zu einer instrumentellen Theorie der Personalentwicklung ........... ........ .......... .... ................................... 388 Infonnatorische Grundlagen der Personalentwicklung und Bestimmung des Entwicklungsbedarfs ......... ....... ...... ....... :............ 392 Grundlagen .......... .. ...... ......... ............. .. ..... ... ......... ....... ........ ... .... . 392 Deckungslücken und Entwicklungsbedarf..................................... 393 Auswahl von Entwicklungsadressaten und -maßnahmen ........... ... 396 Auswahl der Entwicklungsadressaten ................... ..... ................... 396 Auswahl der Entwicklungsmaßnahmen .... :.. .. ... .... .... ...... .. .. .......... 399 Kontrolle des Entwicklungserfolgs .... ....... .. .... ... ... .. .... ....... ........... 403 Grundlagen .... ............ ... .... .... ....... ........ .... ............. ....................... 403 Kontrollmodelle ........ .. .. ...... .. .... ...... .... ........................ ........ .... ..... 405 Organisatorische Aspekte der Personalentwicklung ............ ... .... ... 407 Finanzierung und Transaktionskosten der Personalentwicklung .. .............................. ......... ........... ............ .... 410 Entwicklungstrends ................................... ..... .............................. 414 Personalausbildung, Personalentwicklung und Mitbestimmung ........... .. ........................................... ...... .............. 415

7.

Zur Implementation und Akzeptanz von Personalplanungsmethoden ....... .................................................................... 419

7.1.

7.3.1.

"Überblick.... ................. .. ........... ... .................. .... .................. ......... 419 Die Genese von Implementations- und Akzeptanzproblemen ......... ........................ ........................ .... ....... 419 Das Akzeptanztheorem als methodischer Lösungsansatz ....... ....... 420 Das Akzeptanztheorem für formale Personalplanungs-

7.3.2.

methoden ............. ... ............................... ..... .. .......................... ..... 420 Das Akzeptanztheorem für nichtfonnale Personalpla-

7.4.

nungsmethoden ................................. ............................... ... ... ...... 422 Offene Probleme ... ........................................................................ 422

8.

Zusammenfassung........................................................... ............ 425

7.2. 7.3.

XVIII 9.

Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion ............. 429

Teil III.

Das Personal als Trliger von Bediirfnissen und Werten ............ 433

1.

Mitarbeiterbediirfnisse, Werthaltungen und Motivati ou .......... 435 Oberblick. ..................................................................................... 435 Leistungsverhalten, Mitarbeiterbediirfnisse, Werthaltungen und Motivation ............................................................................. 436

l.l.

1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.3. 2.

2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.4. 2.3.5. 2.4.

3. 3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.1.1. 3.2.1.2. 3.2.2.

Grundproblerne ............................................................................ 436 Der psychologische Kontrakt ........................................................ 438 Motivation zur Leistung ............................................................... 440 Anreize im Prozess der Motivation ............................................... 442 Motivationstheorien .................................................................... 445 Oberblick. ............................................................................. :....... 445 lnhaltstheorien der Motivation ..................................................... 446 Die Theorie der Bediirfnishierarchie von Abraham H. Maslow ........................................................................................ 446 Die ERG-Theorie von Clayton P. Alderfer.. .................................. 448 Die Zwei-Faktoren-Theorie von Frederick Herzberg ..................... 449 Die Motivationstheorie von David C. McClelland ......................... 451 Prozesstheorien der Motivation ..................................................... 454 SIR-Theorien ................................................................................ 454 Gleichgewichtstheorien ................................................................ 455 Die Motivationstheorie von Viktor H. Vroom ............................... 456 Die Motivationstheorie von Lyman W. Porter und Edward E. Lawler III .................................................................... 458 Das erweiterte Motivationsmodell von Heinz Heckhausen ............ 461 Zum Nutzen von Motivationstheorien ........................................... 465 Fiihrungstheorien ....................................................................... 467 Oberblick. ..................................................................................... 467 Menschenbilder von Mitarbeitem und Fiihrnngskraften als Grundlage von Fiihrungstheorien ......................................... :....... 4 70 Menschenbilder von Mitarbeitem ................................................. 470 Ăltere Typologien ......................................................................... 470 Die Typologie von Weinert ........................................................... 473

Typen von Vorgesetzten ............................................................... 475

XIX 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.4.5. 3.4.6. 3.4.7. 3.4.8. 3.5.

4.

Fiihrungsforschung und Fiihrungstheorien .................................... 476 Die Entwicklung der Fiihrungsforschung ...................................... 476 Die allgemeine Stmktur von situationsorientierten Fiihrungstheorien ............................................................................... 478 Ausgewăhlte Fiihrungstheorien .................................................... 480 Die Theorie von Douglas McGregor ............................................. 480 Die Theorie Z von William G. Ouchi ............................................ 481 Die Kontingenztheorie von Fred E. Fiedler ................................... 482 Die 3-D-Theorie von William J. Reddin ....................................... 483 Die situative Lebenszyklustheorie der Fiihmng von Paul Hersey und Kenneth H. Blanchard ................................................ 485 Die Weg-Ziei-Theorie von Oswald Neuberger .............................. 488 Die Eigenschaftstheorie der Fiihrung ............................................ 490 Ein motivationsorientiertes Theoriemodell des Fiihrungsprozesses ...................................................................................... 492 Zur Verwendbarkeit von Fiihrungstheorien ................................... 495

4.5.1.

Fiihrungskonzeptionen ............................................................... 497 Dberblick ...................................................................................... 497 Ziei, Struktur, Abgrenzung, transaktionskostentheoretische Wiirdigung, Inhalte und Konstruktion von Fiihrungskonzeptionen ................................................................. 499 Ziei, Strukturelemente und Abgrenzung ....................................... 499 Die fonnale Struktur..................................................................... 501 Transaktionskostentheoretische Wiirdigung .................................. 502 Inhalte .......................................................................................... 503 Die Konstruktion einer Fiihrungskonzeption ................................ 505 Ausgewăhlte ein- und mehrdimensionale Fiihrungskonzeptionen ........................................................................................... 509 Eindimensionale Fiihrungskonzeptionen ...................................... 509 Mehrdimensionale Fiihrungskonzeptionen ................................... 512 Das Manageriai-Grid-Modell ....................................................... 512 Kooperative Mitarbeiterfiihrung ................................................... 514 Symbolische Fiihrung ................................................................... 516 Fiihrungsgrundsătze ..................................................................... 519 Fiihrungsinstrumente .................................................................... 520 Abgrenzungen und Funktionen ..................................................... 520

4.5.2.

Organisatorische Fiihrungsinstmmente ......................................... 521

4.5.3. 4.5.3.1.

Personale Fiihrungsinstrumente .................................................... 524 Mitarbeiterbeurteilung und Mitarbeitergesprăch ........................... 524

4.1. 4.2.

4.2.1. 4.2.2. 4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.2.1. 4.3.2.2. 4.3.2.3. 4.4. 4.5.

XX 4.5.3.2. 4.5.3.2.1. 4.5.3.2.2. 4.6.

5. 5.1. 5.2. 5.2.1. 5.2.1.1. 5.2.1.2. 5.2.1.3. 5.2.2. 5.2.2.1. 5.2.2.2. 5.2.2.3. 5.2.2.4. 5.2.2.5. 5.2.3. 5.2.4. 5.2.5. 5.3.

6. 6.1. 6.2.

6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6.2.4. 6.2.5. 6.3. 6.3.1.

Anreizsyste1ne .............................................................................. 525 Allgemeine Eigenschaften von Anreizsystemen ............................ 525 Anreizsysteme fur ausfuhrendes Personal und fur Fuhrungskrăfte ................................................................................... 529 Zum Nutzen von Fuhrungskonzeptionen ...................................... 532

Neue Ansatze dcr Ffihrung ......................................................... 533 Oberblick ...................................................................................... 533 Individualisierte Fuhrung ............................................................. 535 Ausgangspunkt, Ziele, transaktionskostentheoretische Wurdigung und Problematik individualisierter Fuhrung ............... 535 Ausgangspunkt der Individualisierung ......................................... 535 Ziei und transaktionskostentheoretische Wurdigung individualisierter Fuhrung ............................................................ 537 Problematik individualisierter Fuhrung ........................................ 538 Ein methodischer Ansatz zur Individualisierung von Fuhrung ....................................................................................... 540 Vorgehensweise ............................................................................ 540 Fuhrungssituation ......................................................................... 542 Fuhrungsleitbild ........................................................................... 543 Fuhrungsverhalten und -instrumente ............................................ 544 Verhaltenswirkungen ................................................................... 547 Differenzierung der Fuhrung nach Alter und Geschlecht.. ............ 548 Unternehmungskultur als Individualisierungshilfe ........................ 550 Vorzug und Grenzen der Individualisierung ................................. 552 Selbstfiihrung ............................................................................... 553 Vcrgfitungssysteme ..................................................................... 555 Oberblick. ..................................................................................... 555 Grundlagen, Ziele, transaktionskostentheoretische Wurdigung, Formen, Probleme und Struktur der Vergtitung .................................................................................... 556 Grundlagen der Vergtitung ........................................................... 556 Ziele und transaktionskostentheoretische Wurdigung der Vergtitung .................................................................................... 559 Formen der Vergtitung ................................................................. 560 Probleme der Vergtitung ............................................................... 561 Entstehungs- und Verwendungsstruktur der Vergtitung ................ 564 Leistungslohne ............................................................................. 565 Grundlohne .................................................................................. 565

XXI 6.3.1.1. 6.3.1.2. 6.3.1.3. 6.3.2. 6.4. 6.5. 6.5.1. 6.5.1.1. 6.5.1.2. 6.5.1.3. 6.5.2. 6.5.2.1. 6.5.2.2. 6.6. 6.7. 6.8.

7. 7.1. 7.2. 7.2.1. 7.2.1.1. 7.2.1.2. 7.2.1.3. 7.2.2. 7.2.2.1. 7.2.2.1.1. 7.2.2.1.2. 7.2.2.2. 7.3. 7.3.1. 7.3.1.1. 7.3.1.2. 7.3.1.3. 7.3.2. 7.3.2.1.

Der Akkordlohn ........................................................................... 565 Der klassische Zeitlohn ................................................................ 566 Der Potentiallohn ......................................................................... 570 Zusatzlăhne .................................................................................. 572 Die gespaltene Vergiltung ............................................................. 574 Soziallăhne .................................................................................. 577 Ziele der Sozialentlohnung, Quellen von Soziallohnanspriichen und Auswahl von Soziallohnaltemativen ....................... 577 Ziele ............................................................................................. 577 Anspruchsgrundlagen ................................................................... 579 Altemativenwahl .......................................................................... 581 Soziallohnaltemativen .................................................................. 583 Oberblick ...................................................................................... 583 Betriebliche Altersversorgung ...................................................... 584 Die aufgeschobene Vergiltung ...................................................... 588 Ganzheitliche Vergiltungspakete .................................................. 591 Vergiltung und Mitbestimmung sowie ausgewăhlte Rechtsvorschriften ........................................................................ 592 Erfolgs- und Vermogensbeteiligung des Personals .................... 595 Oberblick. ..................................................................................... 595 Erfolgsbeteiligung ......................................................................... 597 Ziele, Voraussetzungen und Probleme der Erfolgsbeteiligung ........................................................................ 597 Ziele ............................................................................................. 597 Voraussetzungen .......................................................................... 599 Proble1ne ...................................................................................... 600 Altemativen der Erfolgsbeteiligung .............................................. 602 Leistungs-, Ertrags- und Gewinnbeteiligung ................................. 602 Bemessungsgrundlagen ................................................................ 602 Verteilungslăsungen ..................................................................... 604 Aktienoptionsplăne fur Fiihrungskrăfte ......................................... 607 Vermăgensbeteiligung .................................................................. 610 Ziele, Voraussetzungen und Probleme der Vermăgensbeteiligung ................................................................................... 610 Ziele ............................................................................................. 610 Voraussetzungen .......................................................................... 612 Proble1ne ...................................................................................... 613 Altemativen der Vermăgensbeteiligung ........................................ 614 Oberblick. ..................................................................................... 614

XXII 7.3.2.2. 7.3.2.3. 7.3.2.3.1. 7.3.2.3.2. 7.4.

Fremdkapitalbeteiligung ............................................................... 616 Eigenkapitalbeteiligung ................................................................ 617 Stille Beteiligung und Kommanditanteil... .................................... 617 Belegschaftsaktien ........................................................................ 619 Mitbestimmung bei Erfolgs- und Vermogensbeteiligung ............... 622

8.

Zusammenfassung....................................................................... 625

9.

Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion ............. 629

Teil IV.

Querschnitts- und Metaprobleme der Personalwirtschaft ...................................................................... 633

1.

Strategisches Personalmanagement ........................................... 635 Oberblick ...................................................................................... 635 Grundsătze einer Konzeption strategischen Personalmanagements .................................................................. 637 Vorarbeiten, Definition, Prărnissen, Ziele und transaktionskostentheoretische Beurteilung einer Konzeption strategischen Personalmanagments ............................ 637

1.1. 1.2. 1.2.1.

1.2.1.1. 1.2.1.2. 1.2.1.3. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.3.

1.4. 1.5. 1.5.1. 1.5.2. 1.5.2.1. 1.5.2.2.

Vorarbeiten .................................................................................. 637 Definition und Prărnissen ............................................................. 63 8 Ziele und transaktionskostentheoretische Beurteilung ................... 640 Konzeptionelle Anforderungen ..................................................... 642 Die Bausteine eines konzeptionellen Bezugsrahmens fiir strategisches Personalmanagement ............................................... 645 Eine Konzeption strategischen Personalmanagements .................. 648 Wechselwirkungen zwischen strategischem Personalmanagement, sonstigen Untemehmungsstrategien und personalwirtschaftlichem Umfeld ...................................................... 650 Auswirkungen des strategischen Personalmanagements auf einzelne Funktionsfelder der Personalwirtschaft ........................... 652 Untemehmerische Arbeitsmarktpolitik als Teil strategischen Personalmanagements ............................................. 655 Grundlagen untemehmerischer Arbeitsmarktpolitik ..................... 655 Untemehmerische Arbeitsmarktstrategien .................................... 657 Strategien des direkten Arbeitsmarkteingriffs ............................... 657 Strategien indirekter Arbeitsmarktbeeinflussung .......................... 658

XXIII 1.6.

Offene Probleme ........................................................................... 660

2. 2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2.

Personalcontrolling ..................................................................... 663 Oberblick. ..................................................................................... 663 Unternehmungscontrolling als Bezugsrahmen .............................. 664 Abgrenzungen .............................................................................. 664 Ziei, Gegenstand und Methodik des Unternehmungscontrolling .................................................................................... 666 Disaggregation des Controlling .................................................... 667 Idee, Pramissen, Abgrenzungen, Ziei und Gegenstand des Personalcontrolling ...................................................................... 669 Die Idee des Personalcontrolling ................................................... 669 Pramissen, Abgrenzungen und Grundprobleme ............................ 669 Ziele und Gegenstande ................................................................. 673 Methodik und Einzelprobleme des Personalcontrolling ................. 676 Systematik der Methoden ............................................................. 676 Outputorientierte Methoden .......................................................... 678 Inputorientierte Methoden ............................................................ 680 In-und outputorientierte Methoden .............................................. 681 Ausgewahlte Ansatzpunkte ftir ein Personalcontrolling ................ 682 Voriiberlegungen .......................................................................... 682 Controlling der Personalbereitstellung .......................................... 683 Bildungs- und Entwicklungscontrolling ........................................ 685 Kritische Wtirdigung und offene Probleme ................................... 687

2.2.3. 2.3. 2.3 .1. 2.3.2. 2.3.3. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.4.3. 2.4.4. 2.5. 2.5.1. 2.5.2. 2.5.3. 2.5.4. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.4. 3.5.

3.5.1. 3.5.2.

lnternationalisierung der Personalwirtschaft.. .......................... 691 Oberblick ...................................................................................... 691 Pramissen der Internationalisierung des Persona1managements .................................................................. 692 Ein theoretischer Bezugsrahmen ftir die Internationalisierung der Personalwirtschaft ................................. 696 Stand der Diskussion .................................................................... 696 Ein axiomatischer Theorierahmen ................................................ 697 Abgrenzung, Ziele und Gegenstande internationalen Personalmanagements .................................................................. 70 1 Unternehmungsstrategien, Organisationsstrukturen und Unternehmungskultur als Bedingungsrahmen internationalen Personalmanagements .......................................... 702 Unternehmungsstrategien ............................................................. 702 Organisationsstrukturen ............................................................... 706

XXIV

3.5.3. 3.5.4. 3.6. 3.6.1. 3.6.2. 3.6.3. 3.6.3.1. 3.6.3.2. 3.6.3.2.1. 3.6.3.2.2. 3.6.3.3. 3.6.4. 3.6.5. 3.6.6. 3.7. 3.8.

4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.5. 4.5.1. 4.5.2. 4.5.3. 4.5.4. 4.5.5. 4.6.

Unternehmungskultur ................................................................... 707 Sonstige Umweltbedingungen ....................................................... 711 Internationalisierung auf personalwirtschaftlichen Funktionsfeldern .......................................................................... 712 Das Grundproblem: Dbertragung von Mustern des Personalmanagements .................................................................. 712 Personalbedarf.............................................................................. 714 Externe Personalbeschaffung, Entsendung und Repatriierung ............................................................................... 718 Externe Personalbeschaffung ........................................................ 718 Entsendung .................................................................................. 720 Entsendungsstrategien .................................................................. 720 Entsendungsprobleme und -lOsungen ............................................ 722 Repatriierung ............................................................................... 728 Personalentwicklung .................................................................... 732 Personal:fiihrung ........................................................................... 73 5 Vergiitung und Erfolgsbeteiligung ................................................ 737 Mitbestimmung ............................................................................ 739 Wtirdigung und offene Probleme .................................................. 740

Personalwirtschaft und Ethik. .................................................... 743 Dberblick ...................................................................................... 743 Ethische Normen .......................................................................... 745 Abgrenzung von Sozialethik, Wirtschaftsethik und Unternehmungsethiig dn Reziprokwerts dor

Feblerln%

30%

Be... r

20% 10% O%

reziproker Mittelwert +---+-------1--=;...._---f-~-.r.erFeblor

·10%

Scblochter

·20% -30%

o

3

6

12

14

18

22

24

Ubrzeit

Abb. L 15. Kurvenverlauf der physiologischen Leistungsbereitschaft, gemessen durch Abweichungen der Reziprokwerte der Fehler vom reziproken Mittelwert der Fehler in% je Zeiteinheit nach Graf (1960, 16) Individuelle Verschiebungen dieser Kurve entlang der Zeitachse sind moglich. Eine Aufhebung des Tag-Nacht-Rhythmus gelingt aber nur bei volliger Isolation von der Umwelt (vgl. Brunstein 1984, 24-25). Daraus folgt fiir die Arbeitszeitgrenzen, dass sie die Leistungsmaxima einschlie.Ben und bei 6 Uhr sowie 22 Uhr liegen sollten.

170 Ebenso wăre die Teilung der Arbeitszeit in je einen Block von z. B. 9-13 Uhr und 16-20 Uhr physiologisch sinnvoll, sozial jedoch kaum akzeptabel (vgl. Knauth/Rutenfranz 1983, 357). Zugleich ist darnit ein schwerwiegendes Argument gegen die Arbeit in drei Schichten undfilr die Flexibilisierung der Arbeit identifiziert. Der 8-Stunden-Tag wurde erst nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland gesetzlich eingefiihrt, allerdings aus sozialen und nicht aus arbeitsphysiologischen Griinden. Arbeitsphysiologische Argumente sprechen :fiir eine variab/e Dauer des Arbeitstags in Abhăngigkeit von Hohe, Intensităt und Dauer der arbeitsabhăngigen Belastungen, wobei die natiirliche Obergrenze durch ca. 8 Stunden Schlaf und ca. 2 Stunden :fiir personliche Bedtirfnisse auf 14 Stunden :fiir Arbeits-, Wege- und Freizeiten im 24-Stunden-Tag reduziert wird (vgl. Rutenfranz/Rohmert 1983, 128-129). Unabhăngig von der Dauer der Arbeitszeit gehen alle Wegezeiten zu Lasten echter Freizeit. Tagesarbeitszeitverkilrzungen auf weniger als 8 Stunden konnen belastungsabhăngig im Einzelfall sinnvoll sein. Als generelle Losung sind sie ungeeignet, weil sie den relativen Koordinationsaufwand bei Mehrschichtarbeit erh6hen und Synchronisationsprobleme bei der Mehrfachbesetzung von Stellen z. B. mit Teilzeitarbeitskrăften aufwerfen. Arbeitszeitverkiirzungen sollten daher zwar die Lănge des Arbeitstags bei etwa 8 Stunden und die der Wochenarbeitszeit bei 40 Stunden belassen, statt dessen jedoch die Jahresarbeitszeit verkiirzen (vgl. Knauth/Rutenfranz 1983, 356-357). Dieser Forderung sind, wie schon in der Vergangenheit (vgl. Rutenfranz/Rohmert 1983, 132), auch die Tarifverhandlungen des Jahres 1987 kaum gefolgt, denn der "Hamburger Komprorniss" hat eine Arbeitszeitverkiirzung auţ durchschnittlich 37 Stunden je Woche bis zum Jahr 1990 gebracht. Die Umsetzung dieser Vereinbarung ist allerdings Gegenstand von Betriebsvereinbarungen, durch die insbesondere die Entkoppelung von Betriebs- und Arbeitszeit erreicht werden soll. Auch die in mehreren Befragungen aufgedeckten Prăferenzen :fiir wăhlbare oder hypothetische Zeitmodelle lassen Wochenarbeitszeitverkiirzungen hinter stărkerer Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit als wiinschenswert erscheinen (vgl. Brinkrnann 1986, 57-59). Die Politik der Gewerkschaften ist von solchen Uberlegungen allerdings in der Zeit nach 1947 nur selten geprăgt worden: Bis 1956 war eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden tiblich. Ab 1956 wurde die Wochenarbeitszeit tarifvertraglich bis 1993 auf im Schnitt 37,5 Stunden abgesenkt (IW 1993, 4); 1995 wurde die 35Stunden-Woche erreicht. Gleichzeitig stieg die Zahl der Urlaubswochen von durchschnittlich zwei im Jahr 1956 bis auf durchschnittlich sechs Wochen im Jahr 1994. Noch kiirzere Arbeitszeiten bis zu 30 Stunden sehen einige Tarifvertrăge ab 1996 dann vor, wenn dadurch Entlassungen verrnieden werden konnen (z. B. VW AG).

171 Bine Ausdehnung der taglichen Arbeitszeit und Reduktion der Wochenarbeitstage fiihrt zur Minimierung von Wegezeiten und damit zur ErhOhung der echten Freizeit, falls nicht wie in Dienstleistungs-, Verkehrs- und Handelsuntemehmungen ein auch zeitlich definiertes Leistungsangebot gemacht werden muss. Mit der Ausdehnung der tăglichen Arbeitszeit ist allerdings eine Belastungssteigerung verkniipft, so dass auch hier wieder ein nur individuelllosbarer Zielkouflikt sichtbar wird.

Einheitliche Regelungen der Arbeitszeitgrenzen und -dauer fur al/e Unternehmungen sind nur durch die rigorose Anwendung des Gleichheitspriuzips oder durch biirokratische Gewohnheiten sinnvoll erklărbar. Riicksicht auf Ziele der Kunden, Lieferanten, des Personals sowie untemehmungsspezifische Bedingungen der Leistungserstellung miissten zu unternehmungsindividuellen Arbeitszeitregelungen fiihren. Sinnvoll wăre femer eine altersabhangige Differenzierung von Arbeitszeitgrenzen und -dauer so, dass die Arbeitsdauer mit stelgendem Lebensalter des Personals falit und die Arbeitszeitgreuzen flexibler wăhlbar werden (vgl. Knauth/Rutenfrauz 1983, 357). Diese Erkenntnisse beginnen erst ab 1996, sich langsam in der Praxis durchzusetzen und finden ihren Niederschlag in Modellen der Altersteilzeit (s. Teil I, 6.3.4.).

6.3.2. Arbeitszeitmodelle Die Losungen des Zeitgrenzenproblems der Periodenarbeitszeit werden in der Praxis durch Tarifvertrăge generell fiir die Untemehmungen einer Branche in einer Wirtschaftsregion oder durch Betriebsvereinbarungen nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG fiir die Beschăftigten einer Untemehmung festgeschrieben. Sie folgen durchweg wirtschaftlichen oder sozialen und kaum physiologischen Zielen. Diese Losungen sind vierfach zu Arbeitszeitmodellen gruppierbar. (1)

Starre Arbeitszeit bedeutet einheitlichen Beginn und einheitliches Ende der Arbeitszeit fiir alle Beschăftigten. Starre Arbeitszeitregelungen orientieren sich ausschlieBlich an organisatorischen Bedingungen der Leistungserstellung. Gestaffelte Arbeitszeiten legen fiir verschiedene Beschăftigtengruppen Arbeitsbeginn und -ende unterschiedlich gestaffelt fest. Sie sind eine Variante starrer Arbeitszeiten. Der Vorzug dieser Losung liegt in der Prăseuz des gesamten arbeitsfahigen Personals wăhrend der Dauer der Arbeitszeit innerhalb der Staffelungsgreuzen und maximaler Beriicksichtigung von Arbeitsabhăngigkeiten. Nachteilig ist die Vemachlăssigung chronobiologischer Rhythmen, obwohl man sich an deren Verschiebung gewohnen kann.

172 (2)

Gleitende Arbeitszeit wurde in der Bundesrepublik Deutschland erstmals 1967 bei Messerschmidt-Bolkow-Blohm in Mfinchen eingefiihrt und besteht aus einer Rahmenzeit, innerhalb deren zwei Gleitzeiten und eine Kernzeit unterschieden werden. Die Rahmenzeit setzt die Grenzen fiir friihestmoglichen Arbeitsbeginn und spătestmogliches Arbeitsende. Die Kernzeit setzt die Grenzen fiir die maximale Prăsenz des Personals, das innerhalb der Gleitzeiten Arbeitsbeginn und -ende wăhlen kann. Abb. 1. 16. zeigt die Grundstruktur von Gleitzeitmodellen.

Rahmenzeit Gleitzeit

Kemzeit

1

Gleitzeit

1 -+-----""'-----""'-----+-_... frilhestmOglicher Arbeitsbegmn

Uhrzeit

sp~te.stmOgliches Arbettsenăe

Abb. L 16. Grundstruktur von Gleitzeitmodellen

lst-Arbeitszeiten mtissen bei diesem Konzept z. B. durch Zeiterfassungssysteme wie z. B. Stechuhren registriert und wochentlich, monatlich oder quartalsweise mit den Soll-Arbeitszeiten des Arbeitsvertrags, der Betriebs- oder der Tarifvereinbarung verglichen werden. Femer sind besondere Regelungen jar den Saldenausgleich notwendig, die durch das Arbeitszeitgesetz von 1994 erheblich vereinfacht worden sind (s. Teil 1, 6.5.). Diese Regelungen konnen differieren nach der zulăssigen Hohe von und den Ausgleichsfristen fiir Zeitsalden. Die durch das ArbZG in § 7 Abs. 1 festgelegte Ausgleichsgrenze von sechs Monaten kann durch Tarifvertrăge und darauf aufbauende Betriebsvereinbarungen sogar unbegrenzt verlăngert werden. Der Vorzug gleitender Arbeitszeit liegt in der weitgehenden Beriicksichtigung chronobiologischer Rhythmen und sozialer Bedingungen des Personals. lhr Nachteil ist in der Verringerung der maximalen Prăsenz des Personals zu sehen. Dieser Effekt wird besonders spiirbar, wenn zu den Gleitzeiten auch eine gleitende Mittagspause etwa aufgrund von Kapazitătsrestriktionen der Kantine hinZukommt. Gleitzeitmodelle sind in der Praxis weit verbreitet und haben sich seit langem iiberwiegend bewăhrt. (3)

Variable Arbeitszeit kennt nur noch Gleitzeiten ohne Kernzeit. lhre Einfiihrung setzt Unterbrechbarkeit und Unabhăngigkeit der Aufgabenerfiillung vor-

173 aus. Sie erfordert Koordination geJ:illill dem Paradigma der Selbstabstimmung (vgl. Drumm 1983a). Mit dem Konzept variabler Arbeitszeit ist kompatibel, dass dem Mitarbeiter nur nocb Ziele vorgegeben oder mit ibm vereinbart werden. Wann und wie diese Ziele dann verfolgt werden, bleibt dem Mitarbeiter mit der denkbaren Einschrănkung iiberlassen, dass ein spătester Zeitpunkt der Zielerreicbung festgelegt wird. Variable Arbeitszeit zwingt allerdings zur zeit/ichen Koordination der Kontakte zu Kunden, Lieferanten, Kreditinstituten oder Behtirden. Diese Koordination wird um so scbwieriger, je variabler die Arbeitszeit aucb bei den Kunden usw. ist. Bine Reduktion des Koordinationsaufwands ist durcb Einscbub techniscber Medien oder durcb Anpassung an Arbeitszeitregelungen wicbtiger Konkurrenten, Kunden oder Lieferanten moglicb. Femer erleicbtert die Reorganisation von Arbeitsabltiufen mit Veise/bsttindigung und Ganzheitlichkeit der Aufgaben sowie Automatisierung von Prozessen eine Entkoppelung von Betriebs- und Arbeitszeiten und damit die Variabilisierung der Arbeitszeit (vgl. Held/Karg 1984, 179). Der Vorzug variabler Arbeitszeit liegt in der maximalen Beriicksicbtigung chronobiologiscber Rhythmen und sozialer Bedingungen des Personals (vgl. Baillod et al. 1989, 181-183). Ihre Nachteile sind erstens der tendenziell bobe Koordinationsaufwand zwiscben den zeitlicb variabel arbeitenden Stellen und gegebenenfalls zwiscben diesen Stellen und untemehmungsextemen Dritten sowie zweitens Probleme bei der Beurteilung der Mitarbeiterleistungen. Die variable Arbeitszeit ist fiir Untemehmungen nur ausnahmsweise, eber dagegen fiir Wissenscbaftler, Kiinstler, selbstăndige Ărzte und Recbtsanwălte in den Grenzen wăhlbar, die durcb Kundenwiinscbe gezogen werden. (4) Bei kapazittitsorientierter variabler Arbeitszeit (KAPOVAZ) verlegt man insbesondere in Dienstleistungs- und Handelsuntemehmungen die Arbeitszeiten in Tagesperioden mit starkem Arbeitsanfall. Diese Arbeitszeitregelung ist bei erbeblicben Nachfragescbwankungen angezeigt, denn sie minimiert die Leerkosten des Personals. Der Vorzug dieses Effekts wăcbst mit steigenden Personalkosten. Allerdings nimmt diese Arbeitszeitregelung auf arbeitspbysiologiscbe Bedingungen sowie auf individuelle Ziele des Personals nur zufallig Riicksicbt, was als Nachteil zu seben ist. Die KAPOVAZ bat in der Praxis in der Vergangenheit nur untergeordnete Bedeutung gefunden (vgl. Reyber et al. 1985, 38; Glaubrecbt/Wagner/Zander 1988, 193). Dies bat sicb durcb die Bemiihungen um stărkere Flexibilisierung der Periodenarbeitszeit vor allem in den 90er Jahren jedocb geăndert. Beispiele fiir KAPOVAZ findet

174 man vor allem bei Luftfahrtlinien fiir das Bodenpersonal sowie im Einzelhandel (z. B. Ludwig Beck in Miinchen).

6.3.3. Pausenregelungen Pausen dienen der Erholung von Belastungen. Dauer und Intensităt der physischen und psychischen Belastung durch die Arbeit bestimmen Lănge und Verteilung der Pausen als wichtiger Form der Arbeitsunterbrechung. Graf zeigte als erster einen quasi gesetzmâBigen Zusammenhang zwischen Leistung sowie Pausenvertei/ung und -lănge auf: Der Leistungsabfall wird umso kleiner, je hău:figer man kurze Pausen einschiebt, wenn diese insgesamt 5 bis 10% der Arbeitszeit nicht uberschreiten (1960, 71). Dies ist auf einen hyperbolischen Verlauf aller Erholungsprozesse zurfickzu:fiihren: Der Erholungsprozess schreitet in der ersten Hălfte einer Pause wesentlich rascher als in deren zweiten Hălfte fort und kann am Pausenende gegen Null gehen (vgl. Rutenfranz/Knauth/Nachreiner 1981, 507). Abb. 1. 17. zeigt die grundsătzlichen Zusammenhănge. Da die Pausenlănge von der Art der Arbeit und der von ihr ausgehenden Belastung abhăngt, sollte man Pausenlăngen nicht pauseba! im Rahmen messender Zeitstudien wie z. B. bei REFA (s. Teil 1, 5.5.2.2.) schătzen, sondem einzeln bestimmen (vgl. Luczak 1983, 361-367).

Erholung absolute Erholung

Grenzrate der Erholung

Pausendauer

Abb. L 17.

Grundsătzliche Zusammenhănge

zwischen Erholung und Pausendauer

Pausenorganisation ist in zwei Formen moglich. Unorganisierte Pausen konnen vom Beschăftigten entsprechend seiner Ermudung festgelegt werden (vgl. Luczak 1983, 360). Sinnvoll ist diese Pausengestaltung bei schiefer Belastungsverteilung uber Personal und Arbeitszeit. Allerdings konnen unorganisierte Pausen in der Summe zu erheblichen, kaum kontrollierbaren Pausenzeiten fiihren (vgl. Ruten-

175 franz!Knauth/Nachreilier 1981, 509-510). Bessere Erholungs- und Leistungswirkungen schreibt Graf der seit langem bekannten organisierten Pause zu (vgl. 1960, 75-79). Organisierte Pausen sind in zwei Varianten wăhlbar: Bei simultaner Pause unterbrechen alle Beschăftigten einer Abteilung, eines Betriebs oder sog~ einer Unternehmung gleichzeitig ihre Arbeit. Sinnvoll ist diese Pausenform aber nur bei etwa gleicher Belastungsverteilung liber das gesamte Personal. (2) Bei durch/aufender Pause wandert die Pause liber die im Arbeitsablauf voneinander abhăngigen Stellen. Diese Pausenorganisation eignet sich insbesondere fiir kontinuierliche und hoch automatisierte Arbeitsprozesse in der Fertigung. Sie kann bei konstanter Arbeitszeit durch Weiterlaufen der Automaten ohne direkte Uberwachung Produktivitătsgewinne bewirken. Durchlaufende Pausen in anderen Bereichen als der Fertigung konnen durch Schaffung einer Springerstelle oder durch Stellenrotation ilber eine Pausenstelle organisatorisch abgesichert werden.

(1)

Organisatorische Losungen des Pausenverteilungsproblems unterliegen den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes sowie der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG; Betriebsvereinbarungen zur Pausenregelung auf der Basis des G/eichheitsprinzips a/s soziale Prămisse verstofien allerdings bei schiefer Belastungsverteilung gegen arbeitsphysiologische Erkenntnisse (vgl. Luczak 1983, 360). Ebenso wie die ausschliefiliche Betonung sozialer Ziele ist eine Pausengestaltung allein gemlill ablauforganisatorischen Gesichtspunkten mit dem typischen Ziei der Minimierung von Gesamtbearbeitungs- oder -durchlaufzeiten abzulehnen. Soziale und arbeitsphysiologische Ziele mfissen vielmehr als Nebenbedingungen interpretiert werden, die den Erreichungsgrad ablauforganisatorischer Ziele beschrănken. Eine Operationalisierung dieses Optimierungsproblems muss an den Bedingungen des Einzelfalls anknlipfen. Alle einheitlichen Pausenregelungen verfehlen Pausenoptima.

6.3.4. Voii- und Teilzeitarbeit Vollzeitarbeit liegt vor, wenn die betriebslibliche Soll-Arbeitszeit in vollem Umfang abgeleistet wird. Von Teilzeitarbeit wird seit langem dann gesprochen, wenn weniger als die Soll-Arbeitszeit gearbeitet und eine entsprechende Kiirzung der Vergfitung akzeptiert wird (vgl. Gaugler 1983, 863). Unter den verschiedenen Formen der Teilzeitarbeit (vgl. Glaubrecht/Wagner/Zander 1988, 207) lassen sich drei Ansatzpunkte zur Gestaltung von Teilzeitarbeitsmodellen erkennen, nămlich eine

176 Verkiirzung (1) der tăglichen, (2) der wochentlichen und (3) der monatlichen AIbeitszeit. Als ein Sonderfall der Teilzeitarbeit ist das Job Sharing interpretierbar, bei dem sich zwei Personen - oft mit jeweils halber Soll-Aibeitszeit - eine voile Stelle teilen. Den behaupteten motivationalen Vorteilen des Job Sharing stehen Anwendungs-voraussetzungen gegeniiber (vgl. Trefilich 1984, 466-470; Schuh/Schultes-Jaskolla/Stitzel 1987, 106-108), die wegen ihrer Idealităt und soziokulturellen Werthaltigkeit einer weiten Verbreitung des Job Sharing zumindest in Deutschland entgegenstehen. Problematisch ist insbesondere die Aufteilung der Stellenaufgaben auf zwei Stelleninhaber, wenn diese Aufgaben zeitlich und sachlich zusammenhăngen. Eine spezielle Losung dieser Probleme kann dariu bestehen, dass eine Stelle bei vergleichbarer Qualifikation beider Partner an ein Ehepaar vergeben wird; dieses kann dann untereinander eine beliebige Aufteilung der Aibeitszeit vomehmen. Eine Neuentwicklung ist Teilzeitarbeit filr a/tere Arbeitnehmer, die durch das Altersteilzeitgesetz vom 20. Dezember 1988 eingefiihrt sowie 1996, 1998 und 1999 novelliert worden ist. Durch diese Teilzeitregelung (s. Teil 1, 6.4.2.) soli Aibeitnehmem nach Vollendung des 55. Lebensjahres unter bestimmten Voraussetzungen ein gleitender Obergang in den Ruhestand ermoglicht werden. Seit 1999 gilt diese Regelung nicht nur fiir Vollzeitstellen, sondem auch fiir Teilzeitstellen. Teilzeitarbeit ist an drei Voraussetzungen gebunden:

(1)

Die Aibeit muss - im Grenzfall beliebig- teilbar sein. Dies ist bei komplexen, ganzheitlichen Aufgaben seltener der Fali als bei einfachen, elementaren Aufgaben. Femer ist mit zunehmender Spezialisierung der Stellenaufgaben eine Abnahme der Teilbarkeit zu erwarten. In kleinen und mittleren Untemehmungen ist die Spezialisierung der Stellen in der Regel geringer als in Gro6untemehmungen. Daher iiberrascht nicht, dass die Teilbarkeit der Stellen in mittleren Untemehmungen hohe Werte von iiber ein Viertel der Vollzeitarbeitsplătze erreicht hat (vgl. Haarland 1990, 53-54, 57). Ist die Teilbarkeitsvoraussetzung nicht erfiillt, so steigt der Koordinationsaufwand zwischen den lnhabem einer Stelle. Dieser lăsst sich zwar durch Standardisierung der Aufgabenlosung reduzieren. Standardisierung ist allerdings eber bei Routinearbeiten als bei innovativen Aibeiten moglich. Der Anwendungsbereich von Teilzeitarbeit wird somitvorrangig auf einfache oder standardisierbare Tătigkeiten beschrănkt.

177 (2)

Die Arbeit darf nicht an starre Termine gebunden und muss klar von auderen Arbeiten abgrenzbar sein (vgl. Bihl1982, 190).

(3)

Das Personal muss zur Dbemahme von Teilzeitarbeit mit entsprechender Absenkung der Vergiitung bereit sein (Hamei 1982, 151). Diese Voraussetzung wird kaum von Personen erfilllt, die alleine den Unterhalt einer Familie verdienen miissen. Die Bereitschaft zur Dbemahme von Teilzeitarbeit hăngt femer davon ab, ob Teilbarkeit mit gesellschaftlichen Wertvorstellungen im Einklang steht.

Generelle Empfehlungen zur Wahl zwischen Vo/1- oder Teilzeitarbeit sind unter betriebswirtschaftlich-theoretischem Aspekt nur in inoperationaler Form moglich (ăhnl. Hamei 1982, 154-160): Der - nicht zurechenbare - Nutzen jeder Arbeitszeitform muss deren - kaum zurechenbare - Kosten iibersteigen, um iiberhaupt wăhlbar zu werden. Uberlegen ist dann die Arbeitszeitform mit der grofieren positiven NutzenKosten-Differenz. Die Transaktionskosten der Teilzeitarbeit liegen in der Tendenz hăher als diejenigen der Vollzeitarbeit. Belege hierfur kann man einer Untersuchung von Straumann, Hirt und Miiller entnehmen (vgl. 1996, 155-158). Das Angebot von Teilzeitarbeit folgt zunehmend den sozialen Zielen, den Berufswiedereintritt verheirateter Frauen mit Kindem oder den Berufsaustritt alterer Menschen zu fcirdem (s. Teil 1, 6.4.2.). Das Angebot von Teilzeitarbeit wird femer durch den Wunsch nach einem Beitrag zum Abbau von Arbeitslosigkeit ausgelost. Teilzeitarbeitsmodelle kommen den Arbeitsbediirfnissen des Personals in vielen Făllen besser als Vollzeit entgegen, zwingen aber zur Inkaufnahme von Einbufien bei der Vergiitung. Die rentenrechtliche Problematik der Teilzeitarbeit ist inzwischen durch das Rentenreformgesetz von 1992 einer besseren Lăsung zugeftihrt worden (vgl. Landenberger 1993, 186-188). Teilzeitarbeitsmodelle der Praxis (z. B. Siemens AG, Pfaff AG, BASF AG) begrenzen diese Zeitform auf einfache Tatigkeiten in Stellen, die iiberwiegend mit verheirateten Frauen besetzt sind; sie liegen deutlich unter 10% aller Beschăftigungsverhăltnisse je Untemehmung. Dennoch haben insgesamt die Verbreitung von Teilzeitmodellen (vgl. Gaugler 1983, 862) und die Inanspruchnahme dieser Modelle vor allem durch Frauen (vgl. Brinkmann/Kohler/Reyher 1986, 362-363; Straumann/Hirt/Miiller 1996, 43-52) seit etwa 1970 stăndig zugenommen. Die 1996 verabschiedete Novellierung des Ladenschlussgesetzes mit erheblicher Ausdehnung der Offnungszeiten hat im Einzelhandel eine Zunahme von Arbeitsverhăltnissen mit Teilzeitarbeit ausgelăst. Teilzeitarbeit in Stellen, die hăhere Qualifikation erfordem, ist jedoch eine Ausnahme geblieben, weil sie Nachteile ftir die Stelleninhaber auslost (vgl. Straumann/Hirt/Miiller 1996, 76-78).

178 Der Zusatznutzen von Teilzeitarbeitsstellen tiberschreitet in der Praxis in den meisten Făllen deren Zusatzkosten (vgl. Gaugler 1981a, 107-109; Gaugler/Gille/Paul 1981, 188, 200-229; Baillod et al. 1989, 125-127; Staumann/Hirt!Milller 1996, 115). Dieser Effekt ist mit Mherer Produktivităt des Personals bei Teilzeitarbeit erklărbar. Ein Beispiel fiir die Ermittlung konkreter Kostenwirkungen der Teilzeitarbeit bei der BMW AG bietet die differenzierte Untersuchung von Bihl (vgl. 1982). Bihl macht deutlich, dass selbst eine teilzeitbedingte ErMhung des Personalstands nur zu geringer ErMhung der Personalkosten fiihrt, die durch Leistungsgradsteigerungen zudem noch tiberkompensiert wird (1982, 187). Dass der Nutzen von Teilzeitarbeitsmodellen deren Kosten tibersteigt, ist vor allem auf geringere Ermtidung, bessere Konzentration und hăufig Mhere Motivation der Stelleninhaber(innen) zurtickfiihrbar. Zur Vergtitung bei Teilzeitarbeit im Zeitlohn (s. Teil III, 6.3.1.2.) solite der Grundsatz der Proportionalităt von Arbeitszeit und Leistungslohn gel ten. Eine vollig neue, komplexe Begrilndung der Wahl von Teilzeitarbeit hat eine vergleichende empirische Untersuchung von Mayne, Tregaskis und Brewster in Deutschland, Frankreich, Norwegen, Schweden und dem Vereinigten Konigreich (UK) 1996 aufgedeckt. Die Autoren fanden mit Hilfe von Diskriminanzal).alysen in Unternehmungen aller Branchen mit jeweils mehr als 300 Beschăftigten heraus, dass Teilzeitarbeit bevorzugt in Wachstumsphasen gewăhlt wird. Wachsende Unternehmungen hatten allerdings nicht nur eine deutliche, allgemeine strategische Ausrichtung ihrer Politik; sie betrieben auch stărker strategisches Personalmanagement (vgl. Mayne/Tregaskis/Brewster 1996, insbes. 13-17; s. Teil IV, 1.). Dieser Befund zeigt, dass Wachstum Folge der strategischen Ausrichtung der Unternehmungspolitik ist und durch vorsichtige ErMhung des Personalbestands tiber Teilzeit- statt Vollzeitarbeitskrăfte besser abgesichert werden kann.

6.3.5. Ein- und Mehrschichtarbeit Einschichtarbeit kennt eine tăgliche Soll-Arbeitszeit von meist 8 Stunden, die etwa zwischen 7 Uhr und 17 Uhr positioniert ist. Bei Mehrschichtarbeit werden zwei oder drei Schichten so hintereinander geschaltet, dass die Arbeit in der Regel tiber 16 oder 24 Stunden fortgefiihrt wird. Bei den in Europa bevorzugten Wechselschichtsystemen rotieren die Schichtbelegschaften tiber zwei oder drei Schichten und variieren hinsichtlich Zahl der Schichtbelegschaften, Wechselrhythmus, Freischichten und Schichtdauer (vgl. Knauth 1983b, 368-374). Schichtgrenzen sind in vielen Făllen 6, 14 und 22 Uhr. Einen idealen, fiir alle Unternehmungen gilltigen Schichtplan kann es allerdings nicht geben, da bei der Aufstellung von Schichtplă-

179 nen produktionstechnische und organisatorische Besonderheiten der einzelnen Untemehmung beliicksichtigt werden mussen. Das fiir Schichtarbeit relevante Nachtarbeitsverbot fiir Arbeiterinnen ist 1992 aufgehoben worden, so dass sich eine geschlechtsspezifische Differenzierung der nachfolgenden Aussagen erubrigt. Die Belastungen durch die Schichtarbeit ergeben sich aus dem Verlauf der chronobiologischen Leistungskurve in der Nachtschicht (s. Teil 1, 6.3.1.), aus der Verschiebung des chronobiologischen Rhythmus durch Wechselschichtarbeit und aus den sozialen Belastungen der Schichtarbeit vor allem im familiăren Bereich. Die Reduktion dieser Belastungen ist eine wichtige, bisher aber nicht vollkommen geloste Aufgabe. Die năchtliche "Geisterschicht" mit durchlaufenden Automaten ohne Wartung und Bedienung ist jedenfalls bisher Ausnahme geblieben (z. B. SIE:MENS AG, ASI 3, Regensburg im Untemehmungsbereich "Antriebs- Schalt- und Installationstechnik"). Permanente Schichtsysteme mit einer Dauemachtschichtbelegschaft, wie in den USA bevorzugt, haben sich nur vereinzelt dtirchgesetzt. Die meisten Entlastungsversuche zur Schichtarbeit ohne Arbeitszeitverkarzung tragen bereits Merkmale der Arbeitszeitjlexibilisierung und lassen sich auf die Grundidee zuriickfiihren, die strengen Zeitgrenzen zugunsten variablerer Arbeitszeiten aufzubrechen. Dies setzt in der Fertigung in der Regel Mheres Automationsniveau und Integration der Automaten voraus, wie sie insbesondere bei ComputerIntegrated-Manufacturing-Systemen (CIM) auftreten. Unabhăngig davon wurde bereits fiiih erkannt, dass eine Au.fiveichung der starren Schichtzeitgrenzen durch Einfuhrung gleitender Arbeitszeiten zumindest bei Zweischichtarbeit moglich ist (vgl. Brunstein 1984, 81-82; Grasl/Hindelang 1984, 97-98). Dies gilt insbesondere unter folgenden Voraussetzungen: -

-

-

Eine Reorganisation der Stellenaufgaben gemiill den Leitbildem der Ganzheitlichkeit und Autonomie geht voran, so dass auBer bei Verkettung Abhăngigkei­ ten von anderen Stellen reduziert oder sogar aufgehoben werden. GroBere Aufgabenkomplexe werden auf teilautonome Arbeitsgruppen mit interner Selbstabstimmung verteilt (vgl. Brunstein 1984, 144-145). Permanent zu besetzende Stellen haben Engpasscharakter fiir alle Entlastungsversuche und mussen daher durch Umorganisation der Aufgabenverteilung beseitigt werden. Die Gleitzeiten zweier benachbarter Schichten uberlappen sich (vgl. Brunstein 1984, 155-162). Innerhalb der Gleitzeiten macht dies allerdings Selbstabstimmung der aufeinander folgenden Inhaber einer Stelle oder Abstimmung von

180 aufeinander folgenden Arbeitsgruppen notwendig (vgl. Brunstein 1984, -

162-164). Die Einrichtung von Pufferlâgern gleicht Versorgungsmângel bei Oberlappenden Arbeitszeiten aus. Bei einer Just-in-time Produktion ist diese Losung aller-

-

dings kaum noch realisiemar. Mehrfachqualiflkation der Arbeitskrâfte wird aufgebaut, um bei kurzfristiger Vakanz einer Stelle zwischen zwei Schichten die voriibergehende Besetzung nach dem Springer-Prinzip zu erreichen (vgl. Brunstein 1984, 192-198).

Alle Voraussetzungen einer Belastungsminderung bei Schichtarbeit konnen einzeln oder im Verbund geschaffen werden. Ihre positiven Wirkungen sind schon frtih in einer Fallstudie von Brunstein erfolgreich nachgewiesen worden (vgl. 1984, 244-281). Die physiologisch, psychologisch und sozial begriindbaren Nachteile der Schichtarbeit insbesondere wâhrend der Nacht sind allerdings allenfal1s zu mildern und nicht zu beseitigen. Wenn nicht wie z. B. bei der Eisen- und Stahlerzeugung die Produktionstechnik zu kontinuierlicher Produktion wâhrend 24 Stunden zwingt, gibt es ausschlie6lich die okonomischen Griinde einer Kapazitâtssteigerung oder einer besseren Nutzung technologisch rasch veralternder Anlagen, die zur Arbeit in drei Schichten veranlassen konnen. Aufsehen hat das Schichtmode/1 der BMW AG erregt, das ab Mai 1988 im Werk 6 in Regensburg-Harting eingefiihrt worden ist (vgl. o. V. BMW 1988, 3-4; Bihl!Berghahn!fheunert 1990; Bihl/Berghahn!fheunert 1993). Dieses hier beispielartig dargestellte Modell hat folgende sechs Merkmale: (5) (6)

Die Arbeitswoche hat von Montag bis Samstag sechs Arbeitstage. Der Arbeitstag dauert neun Stunden.

(7) (8) (9)

Drei Mitarbeiter teilen sich zwei Ameitsplătze. Die wochentliche Arbeitszeit je Person betrăgt 36 Stunden. Vergiitet werden 37,5 Wochenstunden; der Soziallohn (s. Teil III, 6.5.) fiir die Differenz von 1,5 Stunden zur Ist-Arbeitszeit wird als Ausgleichsprămie fiir die Arbeit an zwei von drei Samstagen gewertet.

(10) Die wochentliche Betriebszeit liegt bei 99 Stunden und kann bis auf 108 Stunden angehoben werden. Dieses Modell sichert einen in Abb. 1. 18. wiedergegebenen Schichtplan, bei dem je Schicht alte betroffenen

Ameitsplătze

besetzt sind, jeder Schichtarbeiter nur vier

Arbeitstage je Woche arbeitet und innerhalb von drei Wochen au6er einzelnen freien Tagen auch einen

zusammenhăngenden

Block von fiinf freien Tagen hat. Eine

181

Erweiterung des Modells von der Ein- zur Zwei- bis hin zur Dreischichtarbeit ist bis 1999 erreicht worden. Die in Abb. 1. 18. ausgewiesenen Arbeitsp1ătze 1 und 2 konnen als Schicht 1 und 2 mit einem Arbeitsp1atz interpretiert werden. Fiir den zweiten Arbeitsp1atz wiirde dann ein analoger Schichtp1an gelten. Dieses Modell wird seit 1990 erfo1greich praktiziert und durch eine zusătzliche individuelle Ausgleichsschicht je Mitarbeiter alle vier Wochen ergănzt. Neben den Vorztigen dieses Modells ist seine soziale Problematik nicht zu iibersehen: Die Sarnstagsarbeit beschrănkt Freizeitaktivităten am Wochenende und eine zeitliche Abstimmung der Schichtarbeit mehrerer Familienmitglieder ist kaum noch moglich. Der Gruppenzusarnrnenhalt wird im Regensburger Werk der BMW AG dadurch gewahrt, dass eine Gruppe - im Beispiel die Personen A, B und C - iiber mehrere Schichten rollieren.

Oic individucllcn Schichtplinc der Mit.arbeiter A. B und C MoOi Mi Do Fr Sa So

1\111 1

1111 11 Mit.arbeiter B

llm l i\111111~111 1 Mit.arbeiter C

~

Arbeitsplatz 1

~

D

Arbeitsplatz 2

FrcicrTag

ArbeitspiMzc 1 und 2 sind vcrglcichbare Tttigkciten Dic individucllcn Schichtpllnc dcr Mit.arbeiler A. B und C bc i Z wciscruchtbctric b

o

Mo Oi Mi Do Fr Sa So

Mo Di Mi Do Fr Sa So

Mo Oi Mi Do Fr Sa So

gp 1 b'iZLJ

WYNAFHIIIIO

[Jll]IIIIIIIIIIII~O

~ Mit.arbeiler A

~ Mit.arbeiter B

WMit.arbeiter C

WJ1l(JIJifiDIIII O SciUcht 1 SciUcht 2

111111111111 1 1

E31=fiY/NMD

Abb. L 18. Die Schichteinteilung in Werk 6 der BMW AG ab Mai 1988

182

6.3.6. Flexibilisienmg der Periodenarbeitszeit 6.3.6.1. Grundidee und Ziei Unter Flexibilisierung der Periodenarbeitszeit wird eine stărkere Individualisierung aller Arbeitszeitregelungen je Mitarbeiter oder je Untemehmung verstanden. Arbeitszeitflexibilisierung bedeutet Abkehr von starren, einheitlichen chronometrischen und chronologischen Regelungen fiir Arbeitszeitgrenzen und -dauer sowie fiir die periodische Verteilung der Arbeitszeit zugunsten variabler, untemehmungsoder personenspezifischer Regelungen. Grundidee der Flexibilisierung von Periodenarbeitszeit ist die Entkoppelung der Arbeitszeit des Personals von den Betriebszeiten der Stellen, Arbeitsplatze und Betriebsmittel durch Schaffung von Wahlmoglichkeiten filr die Uigliche, wochentliche, monatliche und jahr/iche Arbeitszeit innerhalb der durch die Soll-Arbeitszeitdauer je Periode gesetzten Grenzen. In noch allgemeinerer Formulierung besagt die Grundidee, dass Chronometrie und Chronologie der Arbeitszeit variiert werden, um betriebsspezi.fische - und im Grenzja/1 sogar personenspezi.fische - Formen der Entkoppelung von Arbeits- und Betriebszeit zu gewinnen. Grenzfall der Arbeitszeitflexibilisierung ist deren Jndividua/isierung gemiill den Wiinschen einzelner Mitarbeiter. Dieser Grenzfall wird mit der auf wenige Berufe und Stellen in Untemehmungen begrenzten variablen Arbeitszeit erreicht. Organisatorische Voraussetzung einer Individualtsierung der Periodenarbeitszeit ist weitgehende Autonomie der einzelnen Stellen innerhalb der Organisation. Bei arbeitsteiliger Aufgabenlosung und Interdependenz der Arbeitsablaufe zwischen einzelnen Stellen ist die Individualisierung der Periodenarbeitszeit nicht moglich. An ihre Stelle miissen dann gruppenorientierte Losungen treten. Eines der seltenen Beispiele fiir eine weitgehende Individualisierung der Arbeitszeit bietet das Textilhaus Ludwig Beck in Miinchen (vgl. Fauth/Willenegger 1993), das zusatzlich einige Elemente der KAPOVAZ enthălt (s. Teil 1, 6.3.2.). In diesem Modell wird die Prasenz der Verkaufer(innen) iiber deren Umsatzprămie gesteuert: Umsatz und Umsatzprămien sind dann maxinial, wenn hohes Kundenaufkommen und maximale Pră­ senz der Verkăufer(innen) zusammentreffen. Flexible Arbeitszeiten hat es bei selbstăndigen Berufen, bei Wissenschaftlem, bei Kiinstlem und in Kleinbetrieben des Handwerks stets gegeben. Flexibilisierung ist als Arbeitszeitkonzept nur fiir gro8e und mittlere Untemehmungen neu. Anders als bei zuvor bereits angesprochenen Einzellosungen etwa nur zu den Arbeitszeitgrenzen in der Form der Gleitzeit liegt der Schwerpunkt der Arbeitszeitjlexibilisierung

183 bei der Zusammenfassung von Einzell6sungen zu Paketen, die der Unternehmung und deren Personal Vorteile bringen. Fiir Unternehmungen wirken sich die flexibilisierungsbedingte Reduktion von Fehlzeiten, die Vermeidung von Personalleerkosten sowie die Steigerung der Produktivităt vorteilha:ft aus (vgl. Gaugler 1983, 860). Fiir das Personal bringt die Anpassung der Arbeitszeit an chronobiologische Rhythmen sowie an soziale, insbesondere familiare Anforderungen Vorteile. Ziei der Arbeitszeitjlexibilisierung ist eine mt>glichst gute Anpassung der Arbeitszeiten an den Arbeitszeitbedarf der Unternehmung und an die Arbeitszeitinteressen des Personals (vgl. Marr 1987b, 23). Dieses Ziei wird erreicht, wenn die Grundid"ee der Entkoppelung von Betriebs- und Arbeitszeit mit Hilfe technischer und organisatorischer Ma6nahmen umgesetzt wird. Durch Einsatz technischer Medien wird die Entkoppelung vor allem bei kommunikativen und informatorischen Tătigkeiten erleichtert (vgl. Staudt 1982, 187-189; Teriet 1~83, 22). Wenn Entkoppelung durch Variation des Soll-Arbeitszeitbudgets ("Dauer") und durcli Variation der Verteilung dieses Budgets auf der Zeitachse ("Lage") erreicht werden soli (chronometrische und chronologische Arbeitszeitflexibilisierung), so setzt dies in der Industrie stets Mhere Automatisierung von Arbeit (vgl. Staudt 1982, 187) oder die Einfiihrung eines Schichtsystems voraus. Entkoppelung lăsst sich auch bei verschiedenen Organisationstypen der Fertigung erreichen (vgl. Utsch 1981, 155-213), wobei Automatisierung mit Puffer- und Springersystemen kombiniert werden kann. Das Interesse der Gewerkscha:ften galt bisher vorrangig chronometrischen, dasjenige der Arbeitgeber chronologischen Ma6nahmen der Arbeitszeitflexibilisierung.

6.3.6.2. Formen der Arbeitszeitflexibilisierung Formen der Arbeitszeitjlexibilisierung kniipfen am besten an den Arbeitszeitperi-

oden an. Tagesarbeitszeitmodelle kt>nnen mit Wochenarbeitszeitmodellen, diese mit Jahresarbeitszeitmodellen kombiniert werden. Andere Systematiken sind durch unterschiedliche Variation von Chronometrie und Chronologie mt>glich (vgl. Beyer 1986, 3-10; Schusser 1986, 304-305; Schuh/Schultes-Jaskolla/Stitzel 1987, 108-110; Drumm 1989f, 121-122). Zur Flexibilisierung der Tagesarbeitszeit kt>nnen schon seit lăngerem gewăhlt werden (vgl. Teriet 1976, 36-42; 1981, 96-97; 1983, 24-25; Rademacher 1990):

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G/eitzeitmodelle fur Ein- und Mehrschichtarbeit mit unterschiedlicher Ubertragbarkeit der Soll-Ist-Arbeitszeitsalden sowie Variationen von Gleit- und

Kernzeiten. Variable Arbeitszeitmodelle mit oder ohne Kapazitătsorientierung. Variable Lănge und Verteilung von Pausenzeiten bis zur geteilten Arbeitszeit als Grenzfall. Individuelle Arbeitszeitverkurzung oder -ver/angerung mit oder ohne Lohnausgleich. Teilzeitmodelle und Job Sharing ohne Lohnausgleich. Telearbeit und Computer-Heimarbeit. Schichtarbeit mit variabler Schichtlange und variab/en Pausen gemăfi der phy-

siologischen Leistungskurve. - Arbeitszeitkonten mit Verrechnung von Uberstunden gegen Kurzarbeit oder gegen Krankheitstage oder gegen Geld wie im Zeit-Wertpapier der VW AG (vgl. Grawert/Knoll 1999) - Zeitautonomie fur Gruppen mit gruppeninterner Abstimmung der individuellen Arbeitszeiten aller Gruppenmitglieder. Diese Flexibilisierungsansătze sind untereinander weitgehend kombinierbar. Zur Flexibi/isierung der Wochenarbeitszeit konnen gewăhlt werden (vgl. Teriet 1976, 42-56; 1981, 96-97; 1983, 24-25; Rademacher 1990; Hoff 1990, 169-175; Bihl/Berghahn!rheunert 1993, 245-248): -

Bandbreitenmodelle fur eine 4- bis 6-Tagewoche bei entsprechender Variation der Tagesarbeit (s. Teil 1, 6.3.4.). G/eitzeitmodelle fur fiinf Wochentage mit alternierendem Einbezug eines sechsten Wochentags und Kompensation durch Ausgleichstage. Teilzeitmodelle und Job Sharing. Telearbeit und Computer-Heimarbeit. A/ternierende Wochenarbeit mit einer Freiwoche nach einer Arbeitswoche. Komprimierte Wochenendarbeit mit 2 x 12 Stunden Tagesarbeit. Austausch von Jst-Arbeitszeiten je Person in einer Arbeitsgruppe mit vorgegebe-

ner Soll-Arbeitszeitje Woche und Gruppe. Variationen der Soll-Arbeitszeit je Woche zwischen 30 und 40 Stunden. Variationen von Arbeitszeit und Arbeitstagen je Woche. Gleitarbeitswochen mit Kem- und Gleitarbeitstagen. Bei Schichtarbeit sind Dauerschichtarbeit oder lăngere Intervalle fur den Schichtwechsel im Zwei-, Drei- oder Vierwochenrhythmus moglich. Femer

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-

konnen Frei- und Zusatzschichten gewăhlt werden, um die individuelle Sollund Istarbeitszeit besser von der Betriebszeit zu entkoppeln: Freischichten gleichen dann ein hOheres Tagespensum aus, Zusatzschichten dagegen ein geringeres Tagespensum. Arbeitszeitkonten mit Verrechnung von Uberstunden und Kurzarbeit oder gegen Geld wie im Zeit-Wertpapier der VW AG. Zeitautonomie fur Gruppen mit gruppeninterner Abstimmung der individuellen Arbeitszeiten aller Gruppenmitglieder.

Diese Flexibilisierungsansatze sind untereinander teilweise kombinierbar. Sie konnen ferner zur Flexibilisierung der Monatsarbeitszeit heuristisch genutzt werden. Zur Flexibilisierung der Jahresarbeitszeit konnen gewăhlt werden (vgl. Teriet 1976, 57-65; 1981, 96-97; 1983, 24-25; Glaubrecht/Wagner/Zander 1988, 61-107; Marr 1989b): -

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Festlegung einer Jahresgesamtarbeitszeit mit variabler Verteilung auf Monate, Wochen und Tage. Wahl zwischen Einkommen mitArbeitszeit oder Freizeit. Verlangerung der Urlaubszeit durch Mehrarbeit im Tages- und Wochenmodell. Zeitsparmode/le mit Verrechnung angesparter Mehrarbeit gegen Freizeit oder Urlaub (Arbeitszeitkonten). Langzeiturlaube (Sabbaticals) mit voller, teilweiser oder ohne Vergtitung. Zeitlich begrenzte kurzere Freizeiten (z. B. drei bis vier Monate) nach melujăhriger normaler Arbeit (z. B. zwei bis drei Jahre) analog der Forschungsfreisemester-Regelung :fiir Universitătsprofessoren mit voller, teilweiser oder ohne Vergtitung. Zeitliche Verteilung des Jahresurlaubs en bloc oder gestreut mit finanziellen Anreizen zur Wahl der fiir die Unternehmung geeignetsten Verteilung z. B. je nach Arbeitsanfall. Bildungsurlaub mit individueller Dauer und Lage. Zeitautonomie fur Gruppen ist analog zur Tages- und Wochenarbeitszeit grundsatzlich auch bei Jahresarbeitszeitmodellen denkbar.

Die Flexibilisierungsansatze der Jahresarbeitszeit sind untereinander grofitenteils kombinierbar. Die Flexibilisierungsansatze der Tages~. Wochen- und Jahresarbeitszeit sind untereiilander dagegen nur teilweise kombinierbar. Bei der Kombination mehrerer Flexibilisierungsansatze :fiir Tages-, Wochen- und Jahresarbeitszeit sind Flexibilisierungspakete denkbar, die von geringen bis hohen Graden der Arbeits-

186 zeitflexibilitât im Sinn von Wahlfreiheit ordinal geordnet werden konnen (vgl. Beyer 1986, 6-8).

6.3.6.3. Arbeitszeitkonten und Zeit-Wertpapier Etwa seit 1995 hat die Verbreitung von Zeitsparmodellen mit Arbeitszeitkonten in der Praxis zugenommen. Die vielfaltigen untemelunungsspezifischen Losungen beruhen auf Betriebsvereinbarungen mit Offnungsklausei fiir § 87 Abs. 1 BetrVG im jeweils relevanten Tarifvertrag. Die Grundidee des Ansparens von Oberstunden mit Verrechnung der angesparten Zeit gegen Normalarbeitszeit bei Unterbeschaftigung ist in fast allen Modellen gleich. Sie wird durch Gleitzeitmodelle ergănzt (s. Teil I, 6.3.2.). In einigen Modellen wird die Oberstundenzeit mit einem Aufschlag von bis zu 20% korrigiert (z. B. BMW AG). Femer ist in einigen Modellen die Verrechnung von Oberstundenzeit gegen Urlaub und Freizeit und in Einzelfallen auch Lebensarbeitszeit, in anderen Modellen (z. B. DuPont de Nemours, Hewlett Packard) gegen Vergiitung moglich (vgl. z. B. Hondelmann/Janke 1996; Bihl/GaBner 1996; Pfander 1996). Alle Modelle gehen entweder von tariflich vereinbarter Arbeitszeit mit Auf- und Abbau von angesparter Zeit oder von Bandbreitenmodellen mit Durchschnittswerten :fiir die "normale" Arbeitszeit aus. Die Begrenzung negativer Zeitsalden ist sinnvoll, damit diese bei Ausscheiden aus der Untemelunung innerhalb der geltenden Kiindigungsfristen abgearbeitet werden konnen. Positive Zeitsalden konnten bei Ausscheiden aus der Untemelunung dagegen vergiitet werden Der Zeitausgleich wird in § 7 Abs. 1 ArbZG zwar auf sechs Monate begrenzt. Diese Frist kann jedoch durch Tarifvertrag mit Offnungsklausel und ergănzende Betriebsvereinbarung unbegrenzt verlăngert werden. Pragmatisch ist eine Spanne von einem Jahr fiir den Ausgleich von Oberstundensalden (z. B. BMW AG; vgl. Bihl/GaBner 1996, 119-120). Bei Verrechnung angesparter Periodenarbeitszeit mit Lebensarbeitszeit muss der Zeitausgleich allerdings unbefristet sein. Eine weitere Variante von Zeitsparmodellen mit Arbeitszeitkonten besteht darin, dass die SollArbeitszeit individuell gewăhlt und ihre Abarbeitung liber Zeitkonten kontrolliert werden kann ("Wahlarbeitszeitsysteme"; vgl. Hoff 1995; Kutscher/Weidinger 1996, 497-501). Zeitsparmodelle sind grundsatzlich bei Vo/1- wie auch bei Teilzeitarbeit anwendbar. Die in Zusammenhang mit Zeitsparmodellen erhobene populistische Forderung, Oberstunden abzubauen und durch neue Voii- oder Teilzeitarbeitspllitze zu ersetzen, iibersieht die mit diesem Ersatz verbundenen Flexibilitâtsverluste bei Beschăftigungsanpassungen ebenso wie die Steigerung der Personalkosten vor al-

187 lem bei den Sozialli:ihnen (s. Teil III, 6.5.), wenn diese an die Person und nicht linear an die Arbeitszeit gebunden sind. Das Zeit-Wertpapier ist eine Weiterentwicklung des Arbeitszeitkontos. Es ist von der Volkswagen AG geschaffen worden, wird allen Mitarbeitem angeboten und kann fiir mehrere Zwecke genutzt werden (vgl. Grawert!Knoll 1999). In diesem Modell kann angesparte Zeit in Geld umgewandelt werden. Dieses Geld wird einem Investmentfonds zugefiihrt, an dem der betroffene Mitarbeiter Anteile in Hohe seiner Einzahlung erhălt. Die Zu:fiihrung ist steuerfrei und wird erst bei Auflosung der Beteiligung am Fonds mit Sozialabgaben und Einkommensteuer belastet (Zuflussprinzip). Der Mitarbeiter kann die angelegten Gelder wieder in Zeit :fiir Urlaub oder zum Ausgleich fiir Kurzarbeit zurtickverwandeln. Er kann aher auch die im Investmentfonds angesparten Gelder aus Dberstunden zur Vorverlegung sowie zur Absicherung seines Ruhestands verwenden (s. Teil III, 6.5.2.). Seit November 1999 wird das Zeit-Wertpapier-Modell nicht nur den Mitarbeitem der VW AG, sondem auch anderen Untemehmungen :fiir deren Mitarbeiter angeboten.

6.3.6.4. Vergiitung und Cafeteria-Prinzip Alle Flexibilisierungsmodelle konnen mit unterschiedlichen Varianten der Vergiltung wie vollem Lohnausgleich, Lohnkiirzung oder LohnerhOhung z. B. durch Pră­ mien kombiniert werden. Sie haben deshalb verschiedene Wirkungen auf die Personalkosten. Femer kann eine Differenzierung der Flexibilisierungsmodelle nach Mitarbeitergruppen oder hierarchischem Rang vorgenommen werden. Schlie6lich kann man neben normierten, einheitlichen Arbeitszeitregelungen flexible Arbeitszeitformen als Option anbieten, :fiir die eine Wahlmoglichkeit nach dem CafeteriaPrinzip eingerăumt wird (vgl. Gaugler 1983, 865-866; Dycke/Schulte 1986, 583-585). Das Cafeteria-Prinzip besagt hier, dass der einzelne Arbeitnehmer in gewissen Grenzen frei zwischen verschiedenen Zeitmodellen gemă6 seinen Bediirfnissen und seiner Situation wăhlen kann. Erweiterungen des Cafeteria-Prinzips bieten die Moglichkeit, nur zwischen Sozialleistungen oder zwischen Sozialleistungen und Zeitmodellen gemă6 eigenen Bediirfnissen zu wăhlen (s. Teil III, 6.5.1.). In allgemeinster Form konnen Variationen der Vergiitung mit Variationen der Arbeitszeit verrechnet werden (vgl. Glaubrecht/Wagner/Zander 1988, 202-205). Die Anwendung des Cafeteria-Prinzips erhOht den subjektiven Nutzen von Variationen der Arbeitszeit fiir den Arbeitnehmer. Das Cafeteria-Prinzip kann allerdings

188 fiir die Untemehmung zusătzlichen Koordinationsaufwand bei zeitverschobener Besetzung miteinander verbundener Stellen auslosen. Au6erdem wirft eine Verrechnung von Zeiteinheiten untereinander sowie von Zeit- mit Vergfitungseinheiten erhebliche Bewertungsprobleme auf. Bine einheitliche Bewertung von Zeit- mit Geldeinheiten je Zeiteinheit unterstellt realitătsfeme, lineare Nutzenfunktionen bei den betroffenen Mitarbeitem sowie gleiche Nutzenvorstellungen zu Zeit und Vergfitung. Auch hier ist daher individuellen Nutzenschătzungen und damit Ausgleichslosungen der Vorzug vor generellen Losungen zu geben. Im ubrigen gelten auch fiir das Cafeteria-Prinzip die einschlăgigen Mitbestimmungsregelungen zu Arbeitszeit und Grundsătzen der Entlohnung. Bei allen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung .ist zu priifen, ob und in welchem Umfang deren Einfiihrung zu einer Reorganisation der Stellenaufgaben zwingt, um Teilbarkeit von Aufgaben ebenso wie Umverteilbarkeit auf andere Stellen zu erreichen. Marr stellt daher zu Recht fest, dass mit zunehmender Arbeitszeitflexibilisierung die feste Zuordnung von Aufgaben oder Stellen auf Personen aufgelost wird (1987b, 28). Aufgaben in gerade nicht besetzten Stellen mussten von den besetzten Stellen niit ubemommen werden. Die Folge ist ein Zwang zum Ausbau von Mehrfachqualifikation des Personals.

6.3.6.5. Auswahl von Flexibilisierungsalternativen Angebot und Auswahl von jlexiblen Periodenarbeitszeitregelungen fiir eine Unternehmung hăngen vonjanfEinjlussgrojJen ab: (1) Den geltenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. (2) Den beschrănkenden Regelungen des relevanten Tarifvertrags einschlie.Blich der Existenz - oder Nichtexistenz - einer Offnungsklausel fiir § 87 Abs. 1 BetrVG. (3) DenMitbestimmungszielen des Betriebsrats bei § 87 Abs. 1 Ziff. 2-3 BetrVG. (4) Nutzen und Kosten des Arbeitszeitpakets jar die Unternehmung. (5) Dem Nutzen einschlie.Blich der Wirkungen von Vergfitungen jar den einzelnen Mitarbeiter. Ein erster Ansatz zu einer einfachen Entscheidungsregel zur Auswahl einer Flexibilisierungsalternative jar die Unternehmung ist die Uberlegung, dass der zurechenbare zukiinftige Flexibilisierungsnutzen die zurechenbaren zukiinftigen Kosten der Flexibilisierung ausgleichen oder ubersteigen muss. Zusătzlich sollte die Flexi-

189 bilisierungsaltemative transaktionskostenminimal sein. Eine Entscheidungsregel jar das Personal geht von der Dberlegung aus, dass der Gesamtnutzen des flexiblen Arbeitszeitpakets gro.Ber oder gleich demjenigen der starren Arbeitszeitregelung sein muss. Die Operationalisierung dieser einfachen Regeln wirft erhebliche Probleme auf: Zukiinftige Implementations- und Koordinationskosten eines Arbeitszeitmodells sind ex ante schwer abschătzbar. Nutzenindikatoren wie z. B. Verănde­ rungen von Fluktuation und Fehlzeiten, von Produktivităten oder von Ausschussund Reklamationsquoten, von sozialer Zufriedenheit im familiăren Bereich (vgl. Gaugler 1983, 870) oder der Existenz von akquisitorischem Potential sind weder voneinander vollig unabhăngig noch eindeutig quantifizierbar und auf Arbeitszeitănderungen zurechenbar. Sieht man den Abbau von Personalkosten als vorrangiges Beurteilungskriterium an (Marr 1987b, 29), so lenkt dies den Blick von den ebenso wichtigen sozialen Zielen der Untemehmung ab. Diese Entscheidungsregeln versagen also weitgehend. Ex-post-Befragungen beţroffener Mitarbeiter verlagem das Problem der Nutzenbestimmung vom Wissenschaftler auf den Befragten. Pragmatisch ist dagegen eine Entscheidung nur aufgrund der Kosten nach dem Tragfahigkeitsprinzip unter Beachtung von zuvor direkt oder tiber den Betriebsrat ermittelten Wtinschen und Bedtirfnissen des Personals. Ein Lohnausgleich jar Arbeitszeitverkarzungen ist in diesem Zusarnmenhang nur dann betriebswirtschaftlich begrtindbar, wenn die Zeitverktirzung durch Produktivitătsgewinne ausgeglichen wird. Die Steuerbarkeit einer Flexibilisierungsform (vgl. Marr 1987b, 29) ist notwendig, reicht als Beurteilungskriterium alleine aber nicht aus. Zur Implementation van Konzepten der Periodenarbeitszeitjlexibilisierung mtissen mehrere Probleme gelost werden: (1)

Alte Zeitordnungsmuster fiir Arbeits- und Freizeit mtissen von allen Betroffenen geăndert werden, (2) Untemehmung und Mitarbeiter mtissen gleiche bis ăhnliche Flexibilisierungsaltemativen bevorzugen, (3) Der Betriebsrat muss das vorgesehene Flexibilisierungsmodell untersttitzen.

190 6.4. Lebensarbeitszeitgestaltung 6.4.1. Das starre Modell der Dreiteilung des Lebens Das klassische Modell der Lebensarbeitszeitgestaltung geht seit langem von einer Dreiteilung des Lebens in scheinbar sauber abgrenzbare Phasen aus: Der Lernfolgt dieArbeitsphase, dieser die Ruhephase (vgl. Teriet 1976, 63). Diesem Modell folgt weitgehend das Rentenreformgesetz von 1992. Die Regel-Lebensarbeitszeit wird durch dieses Gesetz in § 35 SGB VI auf die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt. Sonderregelungen gelten fiir bestimmte Gruppen von Versicherten. Schwerbehinderte, Berufsunfâhige, Erwerbsunfâhige, Arbeitslose und Frauen konnen nach den §§ 37 bis 39 SGB VI unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersruhegeld erhalten. Die erstmals durch das Rentenreformgesetz von 1972 eingefiihrte und dann durch das Rentenreformgesetz von 1992 fortgefiihrte Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit gemăll § 41 Abs. 1 bis 3 SGB VI falit allerdings so bescheiden aus, dass man noch ilnmer von einem modifizierten starren Modell sprechen kann. Auch das am 20. Dezember 1988 in Kraft getretene und 1996 novellierte Altersteilzeitgesetz (s. Teil 1, 6.4.2.) erweitert die starren Grenzen nur unwesentlich. FOr Mănner und Frauen sieht § 41 SGB VI eine abgestufte Heraufsetzung der Rentenaltersgrenze nach dem Jahr 2000 vor. Der Flexibilisierungsspielraum wird dadurch geringfiigig erweitert. Das Beschăftigungsforderungsgesetz von 1994 lăsst die Begrenzung der Lebensarbeitszeit auf 65 Jahre in Tarifvertrâgen und Betriebsvereinbarungen zu. Wenn eine solche Begrenzung nicht vereinbart worden ist und Versicherungsschutz besteht, kann aber auch liber das 65. Lebensjahr hinaus gearbeitet werden. Eine Differenzierung der Altersgrenze fiir Mănner und Frauen wird es allerdings in Zukunft nicht mehr geben. Der Europăische Gerichtshof bat in einem Urteil 1994 allen EUMitgliedsstaaten vorgeschrieben, dass sie riickwirkend ab 17.5.1990 die Altersgrenzen fiir Mănner und Frauen vereinheitlichen miissen (vgl. Holscher/Reschke 1994). Ab 1997 wird die Altersgrenze bis 2001 fiir Mănner und Frauen schrittweise auf 65 Jahre angehoben. Das starre Modell ist vor allem versicherungsrechtlich erklărbar. Eine arbeitsrechtliche Grenze der Lebensarbeitszeit wird nur auf dem Umweg liber § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI festgesetzt: Uber das 65. Lebensjahr hinaus wird ein regulăres Beschăftigungsverhăltnis ausgeschlossen. Arbeitswilligen Mitarbeitern kann nach dem 65. Lebensjahr daher nur noch ein Beratervertrag angeboten werden. Der Ausbau und die Flexibilisierung einer betrieblichen Altersversorgung sind somit ledig-

191 lich Voraussetzung ftJr eine individuelle Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit unterhalb des 65. Lebensjahres. Fur die Wah/ des starren Modells lassen sich mehrere GriJnde anfiihren (vgl. Sadowski 1977, 27-28; Kossbiel 1979, 130-131):

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Es ist transparent und verwaltungstechnisch einfach zu bewăltigen. Es macht die Aufstiegschancen fiir den jiingeren Beschiiftigten sichtbar und Beforderungen besser planbar. Es sichert in den engen Flexibilisierungsgrenzen die Gleichbehandlung aller; dies ist wichtig, wenn Gleichbehandlung mit positiven Werthaltungen verbunden wird. Es macht die Planung des Ruhestands einfacher und erleichtert die Berechnung von Erwartungswerten fiir Ruhegehaltsbeziige.

Allerdings gibt es auch seit langem gewichtige GriJnde gegen das starre Model/ (vgl. Sadowski 1977, 28; Kossbiel1979, 129-130; Engelbrech 1985, 106-109): -

Es unterstellt zu Unrecht vollige Substituierbarkeit der Erfahrungen und Fachkenntnisse ălterer durch jiingere Mitarbeiter. - Es vernachlăssigt, dass die Leistungsfăhigkeit mit zunehmendem Alter nicht generell sinkt. - Es begrenzt die Nutzbarkeit von Făhigkeitspotentialen ălterer Mitarbeiter. - Es behindert bei krankheits- oder altersbedingten Minderleistungen oder bei sinkender Anpassungs- und Lernfahigkeit sowie Erwerbsunfahigkeit das frii.hzeitige Ausscheiden von Personal aus dei: Unternehmung. - Es vereitelt die Weiterbeschiiftigung von Personen mit Freude an ihrer Tătig­ keit. - Es kann durch den abrupten Wechsel aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand ldentităts- und Lebenskrisen auslosen. - Es vereitelt das vorzeitige Ausscheiden von Personen mit anderen Vorstellungen von der Aufteilung ihrer Restlebenszeit in Arbeit und Mlille. Diese letztgenannten Griinde sprechen fiir eine stărkere Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit. Ferner verschleiern die Altersgrenzen des starren Modells, dass geistige und psychische Leistungsfahigkeit keineswegs ausgeschopft sein miissen, dass alten Menschen Arbeit Lebensinhalt bedeuten kann und den Alterungsprozess verlangsamt und dass es Berute bzw. Tătigkeiten gibt, fiir die Erfahrung und Abgeklărtheit des Alters sehr forderlich sind (vgl. Sadowski 1977, 32-34; Lehr 1979,

192 140-142; Engelbrech 1985, 108-109, 115; Stitzel 1985, 118). SchlieBlich widersprechen diese Argumente der seit Beginn der 80er Jahre beobachtbaren Tendenz zur Verkiirzung der Lebensarbeitszeit im Rahmen unternehmungsindividueller (vgl. Thienemann 1983, 881-882) oder ab 1984 tarifvertraglich vereinbarter "Vorruhestandsmodelle". Durch solche Modelle sollen die Personalbestănde entlassungsminimal abgebaut oder bei hoher Arbeitslosenzahl Beschăftigungseffekte ausgelOst werden. Diese Tendenz ist durch die Einfiihrung von Lean-ManagementKonzepten mit drastischem Personalabbau zu Beginn der 90er Jahre noch verstărkt worden. Auch die Gewerkschaften haben sich bis iiber die 90er Jahre hinaus nur fiir vorgezogene Altersgrenzen eingesetzt. A/le diese Tendenzen zur generellen Verkilrzung von Lebensarbeitszeit knilpfen jedoch an falschen Voraussetzungen an.

6.4.2. Flexibilisienmg der Lebensarbeitszeit 6.4.2.1.

Ansătze

fiir das gesamte Personal

6.4.2.1.1. Vorbemerkung Die Grundidee der Flexibilisierung van Lebensarbeitszeit entspricht deljenigen der Flexibilisierung von Periodenarbeitszeit: Chronometrie und Chronologie der Lebensarbeitszeit werden betriebs- oder personenspezi:fisch variiert und gegebenenfalls mit Flexibilisierungslosungen fiir die Periodenarbeitszeit kombiniert. Solche Kombinationen sind vor allem bei Zeitsparmode/len auf der Grundlage von Arbeitszeitkonten moglich (s. Teil I, 6.4.2.1.4.2.). Das Problem der Flexibilisierung von Lebensarbeitszeit ist allerdings bisher in der betriebswirtschaftlichen Literatur ebenso wie durch den Gesetzgeber oder die Versicherungstrăger eher einseitig gesehen worden: Flexibilisierungsiiberlegungen konzentrieren sich auf den Ausstieg aus dem Berufsleben sowie auf den Erziehungsurlaub (vgl. §§ 41 und 56 SGB VI). Diese Beschrănkung geht an sonstigen wăhlbaren Flexibilisierungsalternativen fiir andere Phasen der Lebensarbeitszeit weitgehend vorbei. Der Einbezug a/ler Lebensarbeitszeitphasen wird daher hier zu einer Ausdehnung des Blicks auf die Flexibilisierung genutzt. Einem Vorschlag von Kick (vgl. 1992) folgend wird die gesamte Lebensarbeitszeit in die drei Phasen des Berufseinstiegs, der Berufsausilbung einschlief3/ich der Berufsunterbrechungen und des Berufsaus-

stiegs zerlegt.

Wăhrend

die Flexibilisierungsalternativen je Phase nur sehr begrenzt

untereinander kombinierbar sind, ist eine Kombination von Alternativen verschiedener Phasen nahezu problemlos moglich. Dadurch erhOht sich das Flexibilisie-

193 rungspotential der Lebensarbeitszeit insgesamt ganz erheblich (vgl. Kick 1992, Kap. 4). Wie bei der Flexibilisierung der Periodenarbeitszeit k6nnen alle Ansătze zur Flexibilisierung von Lebensarbeitszeit als akquisitorisches Potential bei der Beschaffung von Personal auf dem extemen Arbeitsmarkt genutzt werden (s. Teil II, 5.3.3. - 5.3.4.). Die Praxis hat sich seit Beginn der 90er Jahre verstărkt Lebensarbeitszeitmodellen zugewandt (z. B. Hewlett Packard GmbH, vgl. Schuller 1993; Pfander 1996; SIEMENS AG; BMW AG; DuPont de Nemours). Die DSAG hatte schon 1991 eine Betriebsvereinbarung zum "Eltemurlaub" abgeschlossen, die den Mitarbeiterinnen eine Freistellung bis zu insgesamt viereinhalb Jahren nach der Geburt eines Kindes ermoglicht. Die Wiedereinstellung an einen moglichst gleichwertigen Arbeitsplatz wird garantiert. Wăhrend der Freistellung konnen die Mitarbeiterinnen zur Auffrischung ihrer Fachkenntnisse an innerbetrieblichen Weiterbildungsma6nahmen teilnehmen (vgl. Untemehmensbericht 1991 derDSAG, 21).

6.4.2.1.2. Die Phase des Berufseinstiegs zur Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit sind in der Phase des Berufseintritts aus der Sicht der Untemehmung und weniger aus der Sicht der einzelnen Mitarbeiter zu sehen. Fiir die Untemehmung liegen echte Flexibilisierungsaltemativen nur dann vor, wenn die Untemehmung das Angebot dieser Altemativen beein:flussen kann. Altemativen der Berufsbildung, iiber die zukiinftige Mitarbeiter alleine und unabhăngig von jeder Untemehmung entscheiden konnen, bleiben daher aufier Betracht. So gesehen sind dieser Phase einzelne Alternativen der beruflichen Erstqualifizierung z. B. gelenkte Praktika, Lehre, Traineeprogramme oder Anlemprogramme zuzuordnen. Zu den Flexibilisierungsalternativen des Berufseintritts sind insbesondere auch die in den 80er Jahren entwickelten Formen der dualen Ausbildung im tertitiren Bereich zu rechnen. Grundidee dieser unterhalb von Fachhochschulen und Universităten angesiedelten Bildungsgănge ist, dass Abiturienten eine systematische Lehre mit einer theoretischen Fachausbildung gehobenen Niveaus kombinieren. Beispiele fur die begriillenswerten neuen Ausbildungsgănge sind praxisintegrierte Fachstudien an einer Berufs- oder Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, wie sie vom DlliT (1988) empfohlen und in mehreren Bundeslăndem eingefiihrt worden sind. Der praktische Teil der Ausbildung ist hier die Aufgabe einzelner Untemehmungen, ăhnlich wie im Ubrigen auch bei Werkstudienprogrammen (z. B. BMW AG) mit theoretischer Ausbildung an einer Fachhochschule (vgl. DlliT 1988). Ansătze

194 Alternativen der Zusatzqualifizierung durch oder mit Hilfe von Unteinehrnungen sind z. B. Umschulungen, Ausbildungen oder Aufbauprogramme. Zu den Alternativen der Erst- und Zusatzqualifizierung kann auch die Bescha:ftigung sogenannter ABM-Krii.fte gemafi § 95 Abs. 3 AFG gerechnet werden. Die Freiraume :fiir eine Flexibilisierung sind allerdings eher gering, da die Wahl der Qualifizierungsalternativen durch das angestrebte Berufsziel relativ eng determiniert wird.

6.4.2.1.3. Die Phase der Berufsausiibung Die Phase der Berufsausiibung schlieBt sich an die Einstiegsphase an und ist hinsichtlich ihres Flexibilisierungspotentials entweder durch alternative Karrierepfade mit Aufstieg iiber verschiedene Stellen bis hin zt.lr beruflichen Endposition oder durch eine Kombination von Karrierepfaden mit Phasen der Berufsunterbrechung gekennzeichnet. In internationalen Unternehrnungen konnen Auslandsaufenthalte einzelner Mitarbeiter Teil von Flexibilisierungsstrategien wăhrend der Berufsausiibungsphase sein. Wăhrend zu Karrierepfaden wiederum keine generellen Aussagen moglich sind, konnen zur Berufsunterbrechung grundsatzliche Oberlegungen erwogen werden, die zumindest teilweise mit Lebensp/iinen verkniipfbar sind. In sollte festgelegt werden, welche Ziele in den einzelnen Phasen des Lebens angestrebt werden konnten. Lebensplăne sollten auf der Grundlage von ErLebensplănen

wartungen zu zukiinftigen Lebenssituationen erstellt werden. Sie sollten bei Nichteintritt der erwarteten Situationen revidiert werden. Fiir eine Berufsunterbrechungsphase kommen mehrere Griinde in Frage, die aber nur zum Teil als Anlass :fiir die Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit genutzt werden konnen, nămlich dann, wenn sie Gestaltungsspielraume eroffnen. Griinde :fiir eine Berufsunterbrechung konnen sein: -

Krankheit oder Unfall und anschlieBende Rehabilitation, Arbeitslosigkeit,

-

Weiterqualifikation durch Zusatzausbildung,

-

Familienphasen zur Kindererziehung oder zur Versorgung von AngehOrigen.

Die erstgenannten beiden Ursachen lassen nur enge Gestaltungsspielraume zu und konnen mit Umschulungen oder Zusatz- und Hoherqualifikationen sowie Teilzeitarbeit :fiir den Wiedereinstieg kombiniert werden. Sie fiihren somit zu ăhnlichen Flexibilisierungsalternativen wie der dritte Grund. Der vierte Grund kann zu auderen Flexibilisierungsalternativen fiihren, die spater erlautert werden sollen (s. Teil

195 1, 6.4.2.2.). Die Altemativen der Lebensarbeitszeitgestaltung bei Berufsunterbrechungen gemăfi dem ersten bis dritten Grund sind unabhăngig vom Geschlecht der Berufsunterbrecher. Sie konnen sich jedoch an der Lebensarbeitszeitgestaltung unter Einschluss einer Farnilienphase heuristisch orientieren. Farnilienphasen betreffen noch immer vorrangig Frauen im Beruf. Dies schlieBt nicht aus, dass auch Mănner eine Farni1ienphase zur Erziehung ihrer Kinder in ihr Leben einplanen konnen. Insgesamt bietet die Phase der Berufsausubung zwar mehr Spielraum fiir die Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit als die Phase des Berufseintritts. Allerdings bieiben die Flexibilisierungsmoglichkeiten hinter denjenigen in der Phase des Berufsaustritts deutlich zuriick.

6.4.2.1.4. Die Phase des Berufsaustritts 6.4.2.1.4.1. Grundlagen Die Berufsaustrittsphase ist schon fiiihzeitig ab Ende der 70er Jahre von einzelnen Untemehmungen flexibilisiert worden. Ab dem Beginn der 80er Jahre greift auch der Gesetzgeber in die Gestaltung der Berufsaustrittsphase ein. An die Stelle des Vorruhestandsgesetzes von 1984 ist am 20. Dezember 1988 das durch das Gesetz zur Forderung eines gleitenden Obergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 und 1998 sowie 1999 novellierteAltersteilzeitgesetz getreten. Weitere Novellierungen sind fiir das Jahr 2000 geplant. AuBerdem sind die gesetzlichen Regelungen ab 1997 in verschiedenen Manteltari:fvertrăgen weiter ausgebaut und verbessert worden. Das Altersteilzeitgesetz sieht in § 2 vor, dass Arbeitnehmer nach Vollendung des 55. Lebensjahres ihre tarifliche regelmăfiige Wochenarbeitszeit um die Hălfte reduzieren, mindestens jedoch noch 18 Wochenstunden durchschnittlich arbeiten. Innerhalb der fiinf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit muss der Altersteilzeitarbeiter wenigstens 1080 Arbeitstage in einem Normalarbeitsverhăltnis tătig gewesen sein

(§ 2 Abs. 1 Ziff. 3 ATG). Nach § 3 Abs. 1 Ziff. 1 ATG muss der Arbeitgeber die Bruttovergiitung fiir die Altersteilzeit um mindestens 20% auf mindestens 70% des Mindestnettolohns fiir Vollarbeitszeit aufstocken und Beitrâge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf die Differenz zwischen dem Entgelt fiir Altersteilzeit und 90% der Vollarbeitszeit zahlen. Die Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers sind

196 steuer- und sozialversicherungsfrei. Er muss femer nach § 3 Abs. 1 Ziff. 2 ATG einen Arbeitslosen oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung einstellen. Diese Person muss auf einem Arbeitsplatz beschăftigt werden, der durch die Altersteilzeitarbeit direkt oder indirekt durch Umsetzung freigeworden ist. Altersteilzeitwiim;che von mehr als 5% der Arbeitnehmer seines Betriebes braucht er nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 ATG nicht zu beriicksichtigen. Liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 ATG vor, so erstattet die Bundesanstalt fiir Arbeit nach § 4 Abs. 1 ATG bis zu fiinf Jahre lang den Aufstockungsbetrag in Hohe von 20% bis zu 70% des Nettolohns fiir Vollarbeitszeit und den Rentenversicherungsbeitrag gemiill § 3 Abs. 1 ATG. Die soziale Sicherung des ălteren Teilzeitarbeiters wird nun durch § 10 ATG gewăhrleistet. Der Ausgleich von Zeitsalden ist in§ 2 Abs. 3 ATG innerhalb von 10 Jahren moglich. Fiir die Altersteilzeitarbeit ist mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit vom 17. 12. 1999 eine flexiblere Altersteilzeitregelung geschaffen worden. Die Novellierung ermoglicht die Einstellung von Lehrlingen statt Arbeitslosen im Gegenzug zur Gewăhrung von Altersteilzeit; aufierdem kann nicht mehr nur die durch Altersteilzeit praktisch frei gewordene, sondem auch eine andere Stelle mit einem Arbeitslosen oder Lehrling besetzt werden. Insgesamt ist das Modell der Altersteilzeit von der Praxis gut aufgenommen worden und wird zunehmend eingesetzt. Weitere, geplante Novellierungen des Altersteilzeitgesetzes sollen dessen Akzeptanz durch die Praxis noch zusătzlich erhOhen. Mit der Novellierung des ATG durch das Gesetz zur Forderung eines gleitenden Obergangs in den Ruhestand ist auch das Rentenrecht ab § 33 :fi. SGB VI novelliert worden, um den Vorruhestand durch die Altersteilzeit zu ersetzen. Der Erfolg beider Novellierungen mit spiirbarer Entlastung des Arbeitsmarkts ist allerdings zweifelhaft (vgl. IW 1996, Nr. 31, 2). Mit dem Altersteilzeitgesetz ist ein erster auf das Lebensalter zwischen 55 und derzeit 60 fiir Frauen oder 63 fiir Mănner begrenzter Schritt zur Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit getan worden. Dem Vorteil der Subventionierung durch die Arbeitsverwaltung stehen allerdings zwei Nachteile gegeniiber: Die Gleitzeitspanne ist knapp bemessen und es gibt praktisch nur die Alternative einer Halbierung der Arbeitszeit. Als Vorteil fiir den Arbeitnehmer ist die Garantie der Vergiitung in Hohe von 70% des letzten Nettolohns zu werten. Die Koppelung an die Einstellung eines Arbeitslosen oder eines Ausgebildeten nimmt allerdings weder auf die Beschăftigungssituation der' Untemehmung noch auf deren spezifischen Personalbedarf sowie auf die Arbeitsmarktsituation Riicksicht. Aufierdem ist der biirokratische Aufwand fiir den Arbeitgeber relativ lioch.

197 Der Flexibilisierungsspielraum wurde in der Berufsaustrittsphase bisher durch das geltende Rentenrecht beschrănkt. Dieses sah fiir mănnliche Versicherte friihestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres und fiir weibliche Beschăftigte mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine vorgezogene Altersre.nte aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor (s. Teil 1, 6.4.1., Teil III, 6.5.2.). Diese Altersgrenzen werden durch das Rentenreformgesetz 1992 und das Gesetz zur Forderung eines gleitenden Dbergangs in den Ruhestand vom Juli 1996 auf das Regelalter von 65 Lebensjahren normiert und durch Ausnahmen fiir bestimmte Versichertengruppen schwach flexibilisiert (vgl. Welslau 1996, 54-59; s. Teil 1, 5.4.1.). Vorzeitige Rente nach Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit ist nach § 38 SGB moglich. Zum Flexibilisierungseffekt des Rentenreformgesetzes 1992 gehOrt in Verbindung mit Art. 2 des Gesetztes zur Forderung eines gleitenden Dbergangs in den Ruhestand vom Juli 1996 auch die begrenzte Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit nach oben bis zur starren Grenze von 65 Jahren fiir

und Frauen. Diese Anhebung wird nach Beschluss des "Sparpakets" (Programm fiir mehr Wachstum und Beschăftigung) mit Geltung ab 1.10.1996 fiir Mănner im Jahr 2002 und fiir Frauen im Jahr 2005 abgeschlossen sein (§ 41 SGB VI). Mit diesen Ănderungen wird nur eine zeitlich und sachlich begrenzte Flexibilisierung des Rentenbeginns erreicht. lm Grunde wird ein Anreiz geschaffen, den Rentenbeginn zugunsten hOherer Rentenzahlungen hinauszuzogem, auch wenn eine vorzeitige lnanspruchnahme der Altersrente in den Grenzen der Anpassungsphase nach § 41 SGB VI moglich bleibt. Mănner

Der Aujbau einer betrieblichen Altersversorgung (s. Teil III, 6.5.2.) erweitert den Flexibilisierungsspielraum erheblich. Er ist eine wichtige Voraussetzung fiir unternehmungsspezi:fische Betriebsvereinbarungen zur Begrenzung der Lebensarbeitszeit. Allerdings sind die Belastungen durch Vorruhestandsmodelle fiir einzelne Untemehmungen erheblich.

6.4.2.1.4.2. Modelle Den Argumenten gegen das starre Modell und fiir flexible Modelle mit gro.Berer Bandbreite wiirden in der Berufsaustrittsphase acht Formen der Lebensarbeitszeitjlexibilisierung (vgl. Teriet 1976, 66-69; Sadowski 1977, 29-34; Kossbiel 1979, 131; Stitzel 1985, 117; Schuh/Schultes-Jaskolla!Stitzel 1987, 101-104; Stitzel 1987) geniigen, die auch praktiziert werden (vgl. Glaubrecht/Wagner/Zander 1985, 184-185, 189-190; Stitzel 1985, 123; Deters/Staehle/Stim 1989, 153-218; FanthHerkner/Hotenweger 1996). Diese sind:

198 (1) Die abgestufte oder gleitende Pensionierung mit sukzessiver Verringerung der tăglichen, wochentlichen oder jăhrlichen Arbeitszeit ab einem bestimmten oder vom Arbeitnehmer selbst festzulegenden oder mit dem Arbeitgeber zu vereinbarenden Lebensalter. (2) Die Anpassung der Anforderungen in der Stelle an die verănderten Făhigkei­ ten des ălteren Mitarbeiters. (3) Die Ergănzung der Pensionierung durch einen Vertrag als freier Mitarbeiter, soweit ehemalige Tătigkeit und Qualift.kation eines Mitarbeiters dies erlauben. (4) Der Einsatz ălterer quali:fizierter Arbeitnehmer als unternehmungsinterne Berater, eine Variation des freien Mitarbeiters. (5) Die Vereinbarung einer festen Lebensarbeitszeit mit variabler, chronologischer Positionierung. (6) Nach offiziellem Ausscheiden aus der Untemehmung Aushi/fsUttigkeiten in Spitzenzeiten. (7) Schrittweise Verlăngerung und freiere Positionierung des Urlaubs. (8) Verrechnung angesparter Periodenarbeitszeit (s. Teil 1, 6.3.6.3.) mit Lebensarbeitszeit (Zeitsparmodelle, Arbeitszeitkonten, Zeit-Wertpapier der VW AG). Nicht alle diese Formen der Lebensarbeitszeitflexibilisierung sind fii.r jede Stelle geeignet. Vor allem die Formen (3) und (4) dtirften mittleren und hOheren Fiihrungskrăften vorbehalten bleiben. Gleitmodel/e und das Model/ des freien Mitarbeiters konnen kompensatorisch genutzt werden: Unerledigte Aufgaben des ausgleitenden werden vom freien Mitarbeiter iibemommen. Die Kosten beider Modelle hăngen von den Vergiitungsregelungen ab. Ihr Nutzen liegt vorrangig darin, dass sie individuelle Vorstellungen der Mitarbeiter von Dauer und Lage ihrer Lebensarbeitszeit weitaus besser als jedes starre Modell zu beriicksichtigen vermogen. Der Ausbau von G/eitmodellen und die Anhebung der Lebensarbeitszeitobergrenze auf 70 Jahre mit flexiblem vorzeitigem Ruhestand konnten sowohl okonomisch wie auch sozial begriindet werden. Vor allem die Anhebung der oberen Lebensarbeitszeitgrenze gehOrt jedoch weder bei dem Gesetzgeber noch bei den Gewerkschaften zum arbeitszeitpolitischen Programm. Die Variationsbreite von Gleitmodellen ist groJl und kann individuelle Verănderun­ gen der Leistungsfahigkeit gut beriicksichtigen (vgl. Lampert/Schiile 1988, 165170). Denkbar sind bei entsprechender Versorgungsregelung Modelle mit Ausgleiten bis zum Rentenalter - wie im Altersteilzeitgesetz vorgesehen -, ab dem Rentenalter sowie im Bereich um das Rentenalter (vgl. Stitzel 1987, 28-41, 45-46). Abb. 1. 19. veranschaulicht in Anlehnung an Stitzel (1987, 46) die grundsătzlichen Moglichkeiten kompensatorischer Gleitmodelle.

199 G/eitende Pensionierung wirft ăhnliche organisatorische Probleme wie Job Sharing und andere Teilzeitarbeitsmodelle auf: Die nicht mehr vom ausgleitenden Mitarbeiter erledigten Aufgaben miissen neu verteilt werden, etwa in Anlehnung an Job-Sharing-Modelle (vgl. Stitzel 1985, 120), falls sie nicht aus mehreren Stellen mit ausgleitenden Mitarbeitern zusammengezogen und zu einer neuen Stelle ge-

Arbeitsmenge kompensatorische Einglc;itmodelle fUr Mitarbeiter B

Ausgleitmodelle fUr Mitarbeiter A

Beschăftigungs­

beginn von Mitarbeiter A

Abb. L 19.

Standardzeitpunkt cler Pensionierung von Mitarbeiter A

Lebensarbeitszeit

Losungen fiir Ausgleitmodelle mit kompensatorischem Eingleiten von Berufsanfangern Grundsătzliche

biindelt werden konnen. Denkbar sind auch "Gleitketten": Die unerledigte Arbeit eines ausgleitenden Mitarbeiters kOnnte von dessen potentiellem Nachfolger iibernommen werden. Die dadurch unerledigt bleibende Arbeit des Nachfolgers konnte wiederum an dessen potentiellen Nachfolger weitergegeben werden. Letztes Glied in der Kette konnte ein Berufsanfanger sein, der gemiill einem Model/ fur den gleitenden Berufseinstieg (vgl. Schuh/Schultes-Jaskolla/Stitzel1987, 100-101) beschăf­ tigt wird. Alle Losungen werfen zwar die bekannten Koordinationsprobleme der Teilzeitarbeitsmodelle auf (s. Teil I, 6.3.4.), sind jedoch im Licht gerontologischer Argumente positiv zu beurteilen (vgl. Baillod et al. 1989, 291; Deters/Staehle/Stim 1989, 19-24). Positiv sind die Wirkungen gleitender Pensionierung auch dann zu sehen, wenn sie die demographisch bedingten Beschaffungsprobleme bei schwach besetzten Berufsjahrgăngen reduzieren. Zeitsparmodel/e mit Verrechnung angesparter Periodenarbeitszeit gegen Lebensarbeitszeit setzen eine unbegrenzte Ubertragung von Zeitsalden in die Zukunft: voraus. Diese Ubertragung wird mi:iglich, wenn die Saldenausgleichsgrenze von sechs Monaten gemiill § 7 Abs. 1 ArbZG durch Tarifvertrag mit Offnungsklausel und Be-

200 triebsvereinbarung aufgehoben wird. Die Hewlett Packard GmbH praktiziert ein solches Modell bereits seit 1985 (vgl. Pfander 1996, 311). Das Zeit-Wertpapier der Volkswagen AG (vgl. Grawert!Knoll 1999) verrechnet zunăchst angesparte Arbeitszeit etwa aus Oberstunden gegen Geld, das zu Gunsten des betroffenen Mitarbeiters steuer- und sozialabgabenfrei in einen Investmentfonds eingezahlt wird. Das angesparte Investmentguthaben kann ganz oder teilweise wieder in Zeit zuruckverwandelt werden (z. B. zum Ausgleich von Kurzarbeit) oder spăter als Ganzes oder in der Form einer Rente an den Mitarbeiter ausgezahlt werden. Steuem und Sozialabgaben fallen fiir den Mitarbeiter erst bei der Auszahlung an ( s. Teil III, 6.4.2).

6.4.2.1.4.3. Akzeptanz und Auswahl Al/e Erfahrungen mit der Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit aus den USA und der Bundesrepublik lassen bis heute erwarten, dass eber eine Verkiirzung als eine Verlăngerung der Lebensarbeitszeit angestrebt wird, ja sogar der Verkiirzung der Periodenarbeitszeit vorgezogen wird (vgl. Sadowski 1979, 146; Glaubrecht/Wagner/Zander 1985, 183-188; IW 1987, No. 27, 6-7; G1aubrecht/Wagner/Zander 1988, 133-146). Auch Krankheit und Unzufriedenheit mit dem ausgetibten Beruf haben ebenso wie drohende Freisetzungen die Tendenz zur Lebensarbeitszeitverkiirzung verstărkt (vgl. Blaschke/Hofbauer/Hoffmann 1986, 277-278). Diese Tendenz hat sich bis zum Ende der 90er Jahre fortgesetzt. Da offensichtlich Akzeptanz und Nutzung von Flexibilisierungsalternativen jUr die Lebensarbeitszeit unterschiedlich sind, wăre das Angebot einer Wahl zwischen mehreren Pensionierungsalternativen eine sinnvolle personalpolitische Ma6nahme (vgl. Stitze1 1985, 121). Ftir die Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit gilt Gleiches wie fiir die Periodenarbeitszeit: Durch Gesetz und Tarifvertrag definierte Gestaltungsspielrtiume sind allen einheitlichen Regelungen vorzuziehen. weil sie die Anpassung von Flexibilisierungsmodellen an die Bedingungen der einze1nen Unternehmung, wie insbesondere die Alterstruktur, den Personalstand oder den Leistungsprozess erlauben und Mliglichkeiten zur Berucksichtigung von Mitarbeiterwtinschen bieten. Ebenso sollten angesichts der demographischen Entwicklung a11e Regelungen zeitlich begrenzt und revidierbar sein. Die Oberlegungen zu Angebot und Wahl von Flexibilisierungsalternativen der Lebensarbeitszeit fiir das gesamte Personal entsprechen weitgehend denjenigen zur Periodenarbeitszeit. Allerdings sind zusătzlich Kombinationen von Lebens- und Pe-

201 riodenarbeitszeitalternativen moglich (vgl. Glaubrecht/Wagner/Zander 1988, 203, 205). Auch diese Kombinationen konnen dem Cafeteria-Prinzip in der Weise foigen, dass Grenzwerte fur Arbeitszeiten und Personalaufwand festgelegt werden, innerhalb derer dann nur ausgewăhlte Kombinationen von Perioden- und Lebensarbeitszeiten wlihlbar sind. Die Bewertungsproblerne fur verschiedene Zeitarten bleiben allerdings die gleichen wie bei der Flexibilisierung der Periodenarbeitszeit (s. Teil 1, 6.3.6.5.).

6.4.2.2. Flexible Lebensarbeitszeitgestaltung fur berufstătige Frauen 6.4.2.2.1. Die Grundproblematik Werthaltungen und Leitbilder haben vor allem ab Beginn der 80er Jahre dazu beigetragen, dass eine wachsende Zahl von Frauen eine qualifizierende Berufsausbildung anstrebt, die in eine erste Berufsphase rniindet. lst dann eine Familienphase mit Geburt und erster Erziehung von Kindern vorgesehen, so kann anschlie.Bend eine zweite Berufsphase geplant werden, die bis zurn Berufslebensende,

Verănderte

also rnaxirnal dem 65. Lebensjahr, dauert. Die frtihestmtigliche Grenze fur den Beginn der Farnilienphase nach Ausbildung und einer ersten Berufsphase kann etwa mit dem 25. Lebensjahr, die spătestmtigliche fur das Ende der Farnilienphase vor Beginn der zweiten Berufsphase mit dem 40. Lebensjahr gezogen werden. Es ergibt sich dann das in Abb. 1. 20. erkennbare typische, keineswegs jedoch generelle Phasenscherna. T

Aulbildung

FllmUienphue

-

=-

----~

;~-;_ ~- --~~

Abb. L 20. Das Phasenrnodell der Lebensarbeitszeitgestaltung fur berufstlitige Frauen Fur die Planung einer zweiten Berufsphase kornrnen fur Frauen zuslitzliche, miteinander verknupfte Motive in Frage: -

der Wunsch nach einem sinnvollen, ausgefullten Leben, der Wunsch nach Selbstăndigkeit, der Wunsch nach einer eigenen Karriere, der Auf- und Ausbau einer eigenen Altersversorgung, Unabhăngigkeit

Bedeutung, oder

vom Einkornrnen des Ehepartners, ein Motiv mit wachsender

202 -

die Notwendigkeit eines Beitrags zu den Kosten der Lebenshaltung, insbesondere zu einer angemessenen Ausbildung der Kinder.

Dass diese Motive wirksam geworden sind, zeigen die Ergebnisse einer Umfrage in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 1994. Danach wollen etwa 2,5 Mio. Frauen in der Familienphase in den năchsten Jahren in den Beruf zuriickkehren. Die Wiedereinsteigerinnen sind zur Zeit vorwiegend zwischen 30 und 40 Jahre alt. Sie haben ein bis zwei Kinder und verfiigen mindestens iiber einen Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Lehre (o. V. 1994, 4). Es ist unschwer erkennbar, dass die Einordnung der Familienphase zwischen zwei Berufsphasen und damit die Losung des Vereinbarkeitsproblems sechs Tei/probleme aufWirft. Es sind dies: (1)

Die flexible zeitliche Gestaltung der ersten und zweiten Berufsphase sowie der Familienphase, (2) der Ausgleich von Qualifikationsverlusten wăhrend der Familienphase, (3) die Fortfiihrung von Berufskarrieren, die in der ersten Berufsphase begonnen worden sind, (4) die Abgabe von Wiedereinstellungsoptionen oder- noch besser- -zusagen fiir die zweite Berufsphase, (5) die Wiedereingliederung in der zweiten Berufsphase und (6) die finanzielle Absicherung der Familienphase.

6.4.2.2.2. Einige Voraussetzungen zur Losung der Probleme Bevor Losungen fiir die sechs Teilprobleme vorgestellt werden konnen, ist danach zu fragen, unter welchen Voraussetzungen Untemehmungen das Vereinbarkeitsproblem nicht nur als Problem der betroffenen Mitarbeiterinnen, sondem auch als ihr eigenes Problem ansehen. Unter verantwortungsethischen Zie/setzungen (s. Teil IV, 4.) miisste eine Untemehmung das Vereinbarkeitsproblem bei jeder Mitarbeiterin als gegeben ansehen und nach Losungen suchen. Sie miisste dann allerdings erkennen,. dass je nach Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft und je nach Ertragslage der Untemehmung die Grenzen der Finanzierbarkeit der Problemlosungen rasch erreicht sein konnten: Hoher Frauenanteil und schwache Ertragslage einer Untemehmung vereiteln eine erfolgreiche Losung der sechs Teilprobleme. Auch hier gilt also das Tragfahigkeitsprinzip: Nur bezahlbare Hilfen konnen gewăhrt werden - eigentlich eine Trivialităt.

203

Ein Blick auf okonomische Zielsetzungen von Untemehmungen fiihrt zu anderen Losungen der sechs Teilprobleme: Siebt eine Untemehmung Personal als Humankapital und Ausbildung sowie Weiterentwicklung ihres Personals als Investition in Humankapital an, so muss sie bei rational okonomiscber Betracbtung umso mehr zum Schutz und der Nutzung dieser Investitionen tun, je hOber diese gewesen sind. Fiir die Hilfen bei der Losung des Vereinbarkeitsproblems bedeutet dies, dass auszahlungswirksame Losungen der secbs Teilprobleme umso eber und umfassender angeboten werden sollten, je hOber die Investitionen in Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen gewesen sind. Damit reduziert sich das untemehmerische Problem der Lebensarbeitszeitgestaltung auf bereits hocb quali:fizierte Facb- und Fiihrungskrăfte unter den Mitarbeiterinnen oder solche mit erkennbar hobem Potential an Kenntnissen und Făhigkeiten. Bei dieser Sicbt wird der Grundsatz strenger Gleicbbehandlung durcb den in okonomischer Sicbt wesentlicb geeigneteren Grundsatz der Gleicbbehandlung unter gleicben Voraussetzungen ersetzt. Spătes­ tens dann wird die Gestaltung der Lebensarbeitszeit fiir berufstătige Frauen werthaltig. Ein Blick auf denkbare individuelle Ziele der Mitarbeiterinnen deckt eine dritte Voraussetzung auf: Lebensarbeitszeitmodelle fiir berufstătige Frauen miissen bei Einschluss einer Familienpbase durcb Lebensplăne begleitet werden. Lebensplăne diirfen aufkeinen Fali starr sein. Sie miissen vielmehr den Konzepten der rollenden und der flexiblen Planung folgen und zustandsabbăngige Entwicklungsaltemativen fiir das eigene Leben enthalten, die im Zeitablauf revidiert werden konnen - soweit dann Revisionen nocb moglich sind. Wenn Lebensplăne fehlen, so ist weder das erste nocb das dritte und vierte der zuvor genannten Teilprobleme angemessen lesbar. Ein weiterer Blick auf den gesellschaftlichen Kontext deckt eine weitere Voraussetzung auf: Untemehmungen miissen sicb von dem traditionellen Bild von der Rolle der Frau als vorrangig Hausfrau und Mutter losen (vgl. Wunderer/Dick 1996, 407, 412) und sicb einem Mehrrollenkonzept fiir Frauen zuwenden. In diesem Konzept muss der Rolle der Berufstătigkeit hohes Gewicht verlieben werden. Kontextspezi:fiscb ist aucb das RollenversUindnis als Voraussetzung fiir die Gestaltung von Familien- und zweiter Berufspbase. Einem eber konservativen Rollenverstăndnis wiirde entsprecben, dass das zuvor aufgespannte Problem der Lebensarbeitszeitge-staltung fiir berufstătige Frauen ausschlieJUicb als deren Problem zu betracbten ist. Dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes wiirde ein Rollenver-

204 entsprechen, das die zuvor aufgespannte Problematik zu einem gemeinsamen Problem von Ehe- und Lebenspartnern macht und deshalb auch besondere, nachfolgend zu diskutierende Losungen erfordert.

stăndnis

6.4.2.2.3.

Ansătze

zur Losung der sechs Teilprobleme

Kern des ersten Teilproblems ist die Lage der Familienphase auf der Zeitachse. Zwar gibt es keine generellen Losungen. Dennoch gibt es einige okonomische, soziale und medizinische Argumente fiir die Positionierung der Familienphase in der ersten, spătestens in der zweiten Hălfte des vierten Lebensjahrzehnts. Bei dieser Positionierung kann in der ersten Berufsphase ein ausreichend hoher Sockel fiir eine Karriere in der zweiten Berufsphase gescha:ffen werden. Wird die Familienphase am Anfang oder in der Mitte des dritten Lebensjahrzents positioniert, so konnen erste Einbu.Ben an Lernfahigkeit den Aufbau einer Karriere in der - dann lăngeren zweiten Berufsphase gefâhrden. (1) Zur Losung des ersten Teilproblems mit Flexibilisierung des Wiedereintritts in die zweite Berufsphase kann zwischen mehreren Alternativen der Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit gewăhlt werden. Die erste und einfachste Flexibilisierungsalternative besteht darin, nach Abschluss der Familienphase auf irgendeine erreichbare Stelle in das Berufsleben zuriickzukehren. Problematisch an dieser Alternative wird die Wirkung von Qualifikationsverlusten aufgrund der Berufsunterbrechung, da diese Verluste eine angemessene Wiederbeschăftigung beeintrăchtigen.

Eine zweite Flexibilisierungsalternative greift auf Teilzeitarbeit (s. Teil 1, 6.3.4.) zuriick. Diese Alternative konnte so aussehen, dass dem Wiedereinstieg in die voile Berufstătigkeit eine Teilzeitphase vorausgeht. Analog sind individuelle Gleitzeitmodelle fiir den Wiedereinstieg denkbar. Ein Weg zur inhaltlichen Ausfiillung von Teilzeitmodellen kann das Angebot von JobBorsen sein, durch die die Abdeckung von Produktionsspitzen, Absenzen oder Krankheitsfallen angestrebt wird. Au.Berdem ist der Einsatz von Telearbeit moglich, bei der z.B. rechnergestiitzte Arbeiten zuhause erledigt werden konnen. Einzelheiten solcher Modelle konnen nicht nur im Dienstvertrag sondern auch in freiwilligen Betriebsvereinbarungen gemiill § 88 BetrVG geregelt werden. Dariiber hinaus sind auch tarifvertragliche Regelungen moglich, wofiir seit lăngerem Beispiele vorliegen (vgl. Schwartz1Schwarz!Vogell991, 3840). Denkbar ist ferner, dass anstatt einer Berufsunterbrechungsphase nur eine

205

Teilzeitphase eingeschoben wird, in der dann ein Ausgleich zwischen Familien- und Berufszielen angestrebt wird. Als Begleitmafinahmen zur Unterstiitzung der Familienphase und ihrer Abpufferung durct feilzeitarbeit bieten einzelne Unternehmungen die Vermittlung oder Dur( Jilluung von Kin.derbetreuung an (vgl. von Papstein 1992). Eine dritte Flexibilisierungsalternative konnte darin bestehen, dass sich zwei Frauen mit Kindern eine Stelle teilen und die Stellenbesetzung ebenso wie die Kinderbetreuung untereinander koordinieren. Auch hier sind wiederum Kombinationen des Teilzeitmodells mit individuellen Gleitzeitmodellen wăhlbar. Dariiber hinaus ist denkbar, dass die in der Familienphase befindlichen Frauen bei Kontakttreffen gegenseitige solidarische Hilfe vereinbaren (z. B. Philips), und es konnen Elternvereine gegriindet werden, die sich um die Organisation gemeinsamer Kindererziehung kiimmern (z. B. Hoechst AG). Eine vierte Flexibilisierungsalternative bestiinde darin, dass sich Ehe- oder Lebenspartner den Erziehungsurlaub nach der Geburt eines Kindes teilen und nacheinander eine jeweils verkiirzte Familienphase verbringen. Diese Losung entsprăche nicht nur dem Gleichheitsgrundsatz. Sie hătte auch den Vorzug, den Berufsausstieg je Person zu verkiirzen und so stărkere Qualifikationsverluste zu vermeiden. Allerdings hăngen die Verziige dieser Alternative von der Zahl der Kinder ab. Weitere Aufteilungsvarianten wăren gleichzeitige Teilzeitarbeit fiir beide Eltern oder die Ubernahme der gesamten Familienphase durch einen Elternteil. (2) Zur Losung des zweiten Teilproblems miissen Qualifikationsverluste ausgeglichen werden, die in der Familienphase entstanden sind. Dieser Ausgleich konnte in der Weise erfolgen, dass innerhalb bestimmter Fristen eine Wiedereinstellung durch den Arbeitgeber einzelvertraglich mit Zustimmung durch den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG zugesagt wird. Gleichzeitig miissten dem berufsunterbrechenden Personal neben Kinderbetreuungsangeboten Weiterbildungsangebote gemacht werden, die abseits des Arbeitsplatzes genutzt werden konnen. Dazu kOnnen Kontaktseminare, Vertretungen im Urlaub oder in Krankheitsfal.len sowie nach Hause zugestellte Informationsmaterialien ebenso gehOren wie PC-Arbeit mit Einschaltung einer Mailbox. Zu den Requalifikationsalternativen konnen ferner besondere Einarbeitungskurse kurz vor oder nach Beginn der Wiedereingliederung gehOren. Diese Flexibilisierungsalternative konnte zu einer neuen Aufgabe der Personalentwicklung werden (s. Teil II, 6.3.). Beobachtungen in zahlreichen Unternehmungen zeigen, dass

206 dieser Weg ab dem Ende der 80er Jahre beschritten worden ist (vgl. Institut fiir Entwicklungsplanung 1989.; SchwartzJSchwarz!Vogel 1991, 27-37). (3) Die Losung des dritten Teilproblems der Fortfiihrung von Berufskarrieren setzt eine langfristige Karriereplanung in der Unternehmung und die Abgabe von befristeten oder unbefristeten Wiedereintrittsgarantien voraus. Solche Karriereplăne konnen allerdings nicht unbedingt, sondern nur bedingt nach dem Muster flexibler Planung aufgestellt werden. Bedingungen fiir solche Plăne sind die Verfiigbarkeit von Stellen und das Erreichen des stellenspezifischen Qualifikationsniveaus. Hier liegt eine wichtige Aufgabe fiir die Personalbedarfsplanung (s. Teil Il, 2.) und die Personalentwicklung (s. Teil Il, 6.3.). Karriereplăne konnen ebenso einen vertikalen Verlauf liber verschiedene Hierarchiestufen wie einen horizontalen Verlauf liber Stellen mit wachsenden Aufgaben und Anforderungen beinhalten. Die Besonderheit bei Lebensarbeitszeitmodellen fiir Frauen liegt lediglich darin, dass Frauen in der Familienphase optional in eine Karriereplanung einbezogen werden. (4) Das mit dem dritten verknlipfte vierte Teilproblem der Abgabe von Wiedereintrittsgarantien, mindestens aber Wiedereintrittsoptionen setzt zu seiner Losung eine mittel- bis langfristige Personalbedarfsplanung voraus (s. Teil Il, 2.): Am Ende der Familienphase muss der zuriickkehrenden Mitarbeiterin eine wenigstens gleichwertige Stelle angeboten werden konnen. Gleichwertig ist eine Stelle dann, wenn sich Anforderungen und Vergiitung der ersten Stelle in der zweiten Berufsphase nicht wesentlich von der zuletzt in der ersten Berufsphase besetzten Stelle unterscheiden. Aus der Sicht der einzelnen Unternehmung sind befristete Wiedereinstellungsgarantien nur dann vorteilhaft, wenn die Berufsunterbrechungsphase von den betroffenen Mitarbeitern mindestens zum Qualifikationserhalt, wenn nicht sogar zur Qualifikationsverbesserung genutzt worden ist. Dies wird umso eber der Fali sein, je Mher qualifiziert das be~sunterbrechende Personal bereits vor Eintritt der Berufsunterbrechung gewesen ist. (5) Zur Losung des filnften Tei/problems der Wiedereingliederung sind auBer den zuvor genannten Flexibilisierungsalternativen Eingliederungshilfen der Unternehmung geeignet. Soweit nicht Eingliederungshilfen in der Form von Personalentwicklung angeboten werden (s. Teil Il, 6.3.), sind sie Aufgabe der unternehmerischen Sozialpolitik. Im Rahmen von Lebensarbeitszeitmodellen fiir Frauen liegen sozialpolitische Losungen im Angebot von Versorgungseinrichtungen fiir Kleinkinder und schulpflichtige Kinder. Konkrete Losungsansătze

207 sind z. B. das Angebot von Betriebskindergărten, Tagesstătten und Hausaufgabenbetreuung sowie die Vermittlung von Tagesmiittern, mindestens aber die Beratung zu und Vermittlung von solchen Hilfen. (6) Das sechste Teilproblem der Absicherung in der Familienphase stellt das am schwersten zu losende Teilproblem dar. Seine Losung kann nur ausnahmsweise die Aufgabe einer unternehmerischen Sozialpolitik sein, wenn diese auf verantwortungsethischen und sozialethischen Normen ruht (s. Teil IV, 4.). Dieses Teilproblem stellt sich insbesondere fiir alleinerziehende Miitter. Dass der Staat sich eine solche sozialethische Grundhaltung zu Eigen macht und die Finanzierung der Berufsunterbrechung durch eine Pjlichtversicherung abdeckt, ist zumindest denkbar. Hier kOnnte gesetzlicher Regelungsbedarf bestehen. Eine solche Pflichtversicherung wiirde aber die Probleme der Abgrenzung von Beitragszahlern und Anspruchsberechtigten, der Prărnienbemessung und nicht zuletzt des Missbrauchs aufwerfen. Bisher beschrănken sich die Leistungen des Staates auf die einkommensabhăngige Zahlung von Bundeserziehungsgeld in Hohe von 600 DM monatlich gemăfi § 5 Abs. 1 BErzGG fiir die Dauer von 24 Monaten. Das Bundeserziehungsgeld steht in Verbindung mit dem 36-monatigen Erziehungsurlaub, der KiindigungsschutZ bietet. Offen ist ferner die rentenrechtliche Beriicksichtigung von Berufsunterbrechungsphasen, die iiber drei Jahre hinausgehen.· Das Rentenreformgesetz sieht ab 1992 nur fiir diese Dauer eine Gutschrift der Versicherungszeit fiir die Familienphase in§ 56 Abs. 1 SGB VI vor (vgl. auch Lohau 1990, 79) und rechnet die Berufsunterbrechung nach § 70 Abs. 2 SGB VI in die neue Rentenformel als personliche Entgeltpunkte ein. Liingerer unternehmungsspezijischer Erziehungsurlaub ist in der Praxis moglich. Er miisste aber durch eine zusătzli­ che Pensions- oder Rentenversicherungszusage abgedeckt sein. ist ein Modell zur Losung des sechsten Teilproblems gemăfi dem Vorbild der Aufgeschobenen Vergiltung (s. Teil III, 6.6.). Bei dieser Losung konnten Teile der Vergiitung wăhrend der Familienphase in der ersten Berufsphase angespart werden. Wenn das angesparte Kapital zur Abdeckung des Unterhalts in der Familienphase nicht ausreicht, konnte die Differenz durch ein Darlehen der Unternehmung abgedeckt werden. Dieses miisste dann in der zweiten Berufsphase getilgt werden. Bei Wechsel des Arbeitgebers kăme eine Umschuldung des Restdarlehens auf eine Bank in Frage. Darlehen und angespartes Kapital miissten so bemessen sein, dass der Unterhalt fiir etwa zwei Jahre abgedeckt werden kann. Das Bundeserziehungsgeld von 600 DM monatlich konnte dann bei der Bemessung des Unter-

Erwăgenswert

208 halts zusătzlich beriicksichtigt werden, da die in den §§ 1 und 2 BErzGG genannten Voraussetzungen dem zuvor beschriebenen Modell nicht erkennbar entgegenstehen. Das Modell istjedoch an dnige Voraussetzungen gebunden: (1) Die erste Berufsphase musste fiinfbis zehn Jahre dauem, um einen nennenswerten angesparten Kapitalstock erzielen zu konnen. (2) Die durchschnittliche Vergtitung wăhrend der ersten Berufsphase musste so hoch sein, dass das angesparte Kapital mindestens die Hălfte der Familienphase abdecken wtirde. (3) Die Adressatinnen dieses Modells mussten ·Lebensplăne fiir sich aufstellen; die Familienphase mtisste individuell so gelegt werden konnen, dass Bedingung (2) erfiillt wird und die Obergrenze der Familienphase (4. Lebensjahrzehnt) eingehalten wird. (4) Die Untemehmung mtisste grundsătzlich zu einem langfristigen Beschăfti­ gungsverhăltnis bereit sein und mit niedrigem Konkursrisiko rechnen konnen. (5) Das angesparte Kapital musste aufier zur Familienphase auch fiir den Ruhestand der betroffenen Frauen genutzt werden konnen. (6) Ein Wechsel des Arbeitgebers mtisste Ausnahme bleiben. Bei Erfiillung der ersten vier Prămissen wtirde dieses Modell der Aufgeschobenen Vergtitung eine befriedigende Losung des sechsten Teilproblems erlauben. Die wichtigsten Vorztige des Modells bestehen in der Aufteilung der Steuem auf die Vergtitung wăhrend der ersten Berufs- und Familienphase bei dann niedrigem Grenzsteuersatz sowie in der Verbesserung der Innenfinanzierung fiir die Unternehmung. Das durch die Mitarbeiter angesparte Kapital mtisste von der Untemehmung als Rtickstellung ausgewiesen werden. Auch wenn das Modell wegen seiner restriktiven Prămissen kaum fiir alle weiblichen Beschăftigten einer Untemehmung in Frage kommen dtirfte, dtirfte sein heuristischer Wert hoch sein;

6.5. Arbeitszeit, Mitbestimmung und Rechtsvorschriften

§ 93 BetrVG răumt dem Betriebsrat ein Vorschlagsrecht ein, bestimmte Arbeitsals Teilzeitarbeitspltitze auszuschreiben. Nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung von Beginn und Ende der tăglichen Arbeitszeit einschlie6lich der Pausen sowie bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage. Ziff. 3 gewăhrt ein Mitbestimmungsrecht plătze

209 bei der voriibergehenden Verlctirzung oder Verlangerung der betriebsiiblichen Arbeitszeit (Kurzarbeit, Oberstunden), und Ziff. 5 erlaubt Mitbestimmung bei Urlaubsplanen und -grundsatzen sowie bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs fiir einzelne Arbeitnehmer, wenn diese kein Einverstăndnis mit dem Arbeitgeber erreichen konnen. Diese Mitbestimmungsrechte sind durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG 13.10.1987) aufzahlreiche Einzelregelungen zur Teilzeitarbeit ausgedehnt worden. Ferner raumt das Bundesarbeitsgericht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei einigen Fragen der Periodenarbeitszeitflexibilisierung ein, so insbesondere bei der Ausgestaltung von rollierenden Systemen freier Arbeitstage bei sechs Tagen Betriebszeit und fiinf Tagen personlicher Arbeitszeit (BAG 31.1.1989). Auch der Obergang von Normalschicht- zu Wechselschichtarbeit ist durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts als mitbestimmungspflichtig erklart worden (BAG 19.2.1991). Diese Mitbestimmungsrechte sind nach § 87 Abs. 2 BetrVG iiber die Einigungsstelle erzwingbar und betreffen praktisch alle Regelungen zur Periodenarbeitszeit. Betriebsvereinbarungen zur Lebensarbeitszeit sind moglich, miissen aber mit einer Regelung der Altersversorgung so gekoppelt sein, dass sich diese der Beendigung der Lebensarbeitszeit unmittelbar anschlieBt (Richardi 1998, § 77 RZ 84). Eine durch Betriebsvereinbarung geregelte Vorverlegung der Altersgrenze wird vom BAG :fiir moglich gehalten (Richardi 1998, § 77 RZ 101). Mitbestimmungsregelungen zur Arbeitszeit konnen aber nur in den durch Gesetz, Rechtsprechung und Tarifvertrage gezogenen Grenzen getroffen werden, falls nicht der :fiir eine Unternehmung relevante Tarifvertrag iiber eine 6fjnungsk/ausel Prăzisierungen und Verbesserungen durch Betriebsvereinbarungen zulasst. Tarifvertrtige konnen detaillierte Regelungen zur Perioden- und zur Lebensarbeitszeit enthalten. Arbeitszeitregelungen im Manteltarifvertrag miissen die rechtlichen Grenzen einhalten und gelten formal nur :fiir die Mitglieder der vertragsschlieBenden Gewerkscha:ft. Sie konnen jedoch durch Aufnalune in den Arbeitsvertrag oder durch gesonderte Betriebsvereinbarung auf alle Beschăftigten ausgedehnt werden. Ein Tarifvertrag mit Offnungsklausel :fiir Betriebsvereinbarungen iiber flexible Periodenarbeitszeiten ist jedoch keine Garantie da:fiir, dass betriebsindividuelle Losungen der Arbeitszeitflexibilisierung vereinbart werden. Die vertragsschlieBende Gewerkscha:ft kann nach Vertragsschluss noch immer versuchen, die ihr nahestehenden oder angehOrenden Betriebsrate zum Verzicht auf flexible zugunsten starrer Losungen zu bewegen; dieses Vorgehen ist nach dem "Leber-Kompromiss" von der IG Metall auch praktiziert worden (vgl. o. V. 1988, 13). Seit 1996 zeichnet sich jedoch immer stărker eine Tendenz zu Tarifvertragen mit Offnungsklauseln

210 ab, die untemehmungs- und betriebsspezifische Regelungen der Perioden- und Lebensarbeitszeit erlauben.

Rechtsvorschriften zur Arbeitszeit enthălt nach dem Auslaufen der Arbeitszeitordnung das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 in seiner novellierten Fassung vom 4. Juni 1998. Ergănzende Vorschriften bietet das Bundesurlaubsgesetz zu Bedingungen, Lănge und Lage des Urlaubs. § 3 ArbZG setzt die Obergrenze der Normalarbeitszeit an Werktagen auf acht Stunden fest. Diese Obergrenze kann auf zehn Stunden angehoben werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von sechs Monaten ein Durchschnitt von acht Stunden werktăglich nicht uberschritten wird. Weitere Erleichterungen des Saldenausgleichs bietet § 7 Abs. 1 ArbZG insofem, als durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen andere Arbeitszeitobergrenzen festgelegt werden konnen

Einschlăgige

und der Saldenausgleich unbefristet gestaltet werden kann. Diese Ausnahmen bilden die Rechtsgrundlage fiir eine Reihe von Flexibilisierungsmodellen und unter ihnen vor allem Zeitsparmodelle mit Arbeitszeitkonten (s. Teil 1, 6.3.6.3., 6.4.2.1.4.2.). Mit dieser Neuregelung ist der Dbertrag von Gleitzeitsalden ganz erheblich erleichtert worden. § 5 Abs. 1 ArbZG fordert - mit Ausnahmen fiir einige Betriebstypen - nach Beendigung der tăglichen Arbeitszeit eine Ruhezeit von 11 Stunden. Ruhepausen, die nicht zur Arbeitszeit rechnen, sind in aufteilbarer Form mit einer Gesamtdauer von wenigstens 30 Minuten in § 4 ArbZG vorgeschrieben, wenn mehr als sechs und weniger als neun Stunden tăglich gearbeitet wird. Bei Iăngerer Arbeit erhl:iht sich die Mindestdauer der Pausen auf 45 Minuten insgesamt. Die Nachtarbeit zwischen 23 und 6 Uhr sowie die Schichtarbeit mussen nach § 6 Abs. 1 ArbZG gemiill den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen uber die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festgelegt werden. Diese Vorschrift in Analogie zu § 90 Abs. 2 BetrVG hătte eine Iebhafte und kontroverse Diskussion zwischen Arbeitswissenschaftlem einerseits und Betriebswirten andererseits auslosen mussen. Diese Diskussion ist jedoch ausgeblieben. Die Absătze 2 bis 5 des § 6 regeln weitere Einzelheiten zur Nachtarbeit. § 6 Abs. 6 ArbZG schreibt vor, dass Nachtarbeitem der gleiche Zugang zu weiterbildenden und aufstiegsfordemden M 1

unterstellen Săttigungsprozesse oder stetig wachsende Produktivităten. Abb. II. 7. zeigt einen linearen und einen nichtlinearen Trend der Bedarfsprognose. Die Bedingung der Konstanz von Wirkungsănderungen ist eber kurz- und mittelfristig als langfristig fiir Unternehmungen mit ruhigem Umfeld erfiillt. Fiir Unternehmungen mit turbulentem Umfeld gilt sie dagegen selten. Strukturbriiche bei EinflussgroBen auf den Personalbedarfbleiben vom Verfahren unberiicksichtigt. Strukturbriiche konnten nur beriicksichtigt werden, indem Expertenschătzungen zur Wirkung von Strukturbriichen fiir die Korrektur von Steigungsmafl und konstantem Glied der Trendfunktion ab dem Zeitpunkt des erwarteten Strukturbruchs herangezogen werden. Nur bei sehr langfristigen Trendextrapolationen kann davon ausge-

259 gangen werden, dass die Wirkungen ldirzerfristig auftretender Strukturbriiche bei einzelnen Bedarfseinflussgrollen kompensiert werden.

Bedarf

Bedarf y

y

c

c

Planungszeitpunkt

Planungszeitpunkt

Abb. IL 7. Lineare und nichtlineare Trendfunktionen des Personalbedarfs Der langfristige Trend kann dann als kommentarbedfuftiger Indikator fiir eine Bedarfstendenz interpretiert werden. Trendextrapolationen des Bedarfs konnen mit Trendextrapolationen der untemehmerischen Arbeitsmarktforschung fiir Beschaffungspotentiale einzelner Personalkategorien verglichen werden, um Beschaffungsrestriktionen friihzeitig sichtbar zu machen.

2.3.4. Kausale, produktionswirtschaftliche Ansătze 2.3.4.1. Die Grundidee und deren Umsetzung in multiple und einfache Regression Alle kausalen Ansatze gehen davon aus, dass der Bedarf an Personal der Personalkategorie i von einer oder mehreren Einflussgrollen abhangt, unter denen die Leistungsmenge x1 , die Leistungsart x2 und Leistungstechnik oder -verfahren x3 als besonders wichtig angesehen werden:

ci ist wiederum eine Konstante fiir die Leistungsbereitschaft, F eine lineare oder nichtlineare Funktion. Wirken diese Einflussgrollen unabhangig voneinander auf den Personalbedarf, so werden sie zu einer linearen multiplen Regressionsfunktion zusammengefasst, deren Parameter nach der Methode der kleinsten Quadrate zu bestimmen sind (vgl. Makridakis!R.eschke/Wheelwright 1980, 131).

260 Sie hat fiir drei EinflussgroBen die allgemeine Form:

Dieses Vorgehen setzt voraus, dass eine gut gestiitzte Theorie oder eine plausible Erklarung fiir den Zusammenhang zwischen EinflussgroBen und quantitativem Personalbedarf vorliegt. AuBerdem miissen Vergangenheitsdaten fiir die EinflussgrOBen bekannt sein. aus denen Funktionsparameter abgeleitet werden konnen. Die Uberprii:fung eines solchen Zusarnmenhangs durch eine Korrelationsanalyse (vgl. Makridakis/Reschke/Wheelwright 1980, 133) von Personalbedarfund EinflussgroBen ist sinnvoll und moglich, ohne dass allerdings hohe positive und signifikante Werte der Korrelationskoeffizienten Kausalităt zwischen den unabhăngigen Variablen X und der abhăn­ gigen Variablen y anzeigen. Nichtlineare multiple Regressionsfunktionen des Typs

erinnem an Cobb-Douglas-Produktionsfunktionen und haben brauchbare Ergebnisse nur

fiir globale Branchen-Prognosen des Personalbedarfs gebracht (vgl. Layard et al. 1971, 8, 145-146). Beispiele fiir die Variablen X konnen das Mechanisierungsniveau und die Produktmenge sein. Wird nur eine EinflussgroBe auf den Personalbedarf als relevant angesehen, so verkiirzt sich die multiple zu einer einfachen Regressionsfunktion des Typs Y;

= C; +bx.

Personalbedarfsplanungen auf der Grundlage von Kennzahlen sind eine - hăufig popularisierte - Variante einfacher Regression zwischen einer EinflussgrOBe wie z. B. dem Umsatz x 1 und dem eingesetzten Personal etwa der Kategorie "Verkău­ fer" B1• Kennzahlen setzen stets konstante.Produktivităt des Personals voraus. Wird eine aus historischen Daten abgeleitete Relation b1 gebildet, konstant gesetzt und unter Vemachlăssigung einer Leistungsbereitschaftskonstanten c1 mit Planwerten der EinflussgroBe xf multipliziert, so erhălt man die Funktion:

Von der

Kausalităt

Produktivităt hăngt

zwischen y und X sowie der Konstanz der ab, wie zuverlăssig solche Bedarfsprognosen sind, die durch

und der

Linearităt

Entscheidung iiber die PlaneinflussgroBe xP zum Planbedarf an Personal werden.

261

Aufgrund der zahlreichen impliziten ceteris-paribus-Bedingungen sind kennzahlgestiitzte Bedarfsplanungen mit hoher lrrtumswahrscheinlichkeit behaftet. Die Bestimmung des quantitativen Bedarfs abstrahiert vollig von konkreten Personen. Diese haben erst in Uberlegungen zu Beschaffung, Einstellung und Einsatz einerseits, zur Freisetzung andererseits ihren Platz. Bedarfsplanungen derart, dass nach Beschaftigungsmoglichkeiten jUr vorhandenes Personal gesucht wird, sind nur bei strategischer Personalbedarfsplanung und Nutzung der eigenen, vorhandenen Stărken des Personalpotentials sinnvoll. Selbstverstăndlich ist es dem Personalplaner unbenommen, Annahmen aher Strukturbrache in der Form von Dummyvariablen in seine Regressionsfun.ktionen einzusetzen, um deren Auswirkungen auf den Personalbedarf abschătzen zu konnen. Mao kann Bedarfsplanungsfun.ktionen vom Typ der einfachen oder multiplen Re-

gression als Umformulierung einer linearen Produktionsfunktion x = dy+c interpretieren. In dieser Produktionsfunktion wird die Ausbringung X als Funktion des Personaleinsatzes dy und der Betriebsbereitschaft c einschlieBlich des Einsatzes sonstiger Produktionsfaktoren definiert. Fiir eine solche Produktionsfunktion gilt, dass sich weder Funktional noch Parameter bis zum Planungshorizont ăndern dtirfen. Die Prămisse der Bedingungskonstanz gilt also erneut wie bei den zeitabhăngi­ gen Planungsansătzen auch. Sie ist aber aufgrund der offen gelegten Kausalbeziehungen leichter tiberpriifbar. von der Geltung dieser Prămisse bleibt der Regressionsansatz relativ grob. Mao kann auch nicht fiir alle Personalkategorien spezifische und relevante EinflussgroBen angeben. Dies gilt vor allem fiir die Bedarfsplanung von Ftihrungskrăften und Verwaltungspersonal. Ferner sind Ableitung und Test multipler Regressionsfunktionen aufwendig, so dass sie fiir Planungen mit wechselnden EinflussgroBen zu schwerfallig sind. Bis zum Planungshorizont dtirfen keine Strukturbrtiche auftreten, die die Wirkung der EinflussgroBen ăndern, bisherige EinflussgroBen durch neue ersetzen oder die Linearitătsbedingung fiir die Ein.flussgroBen verletzen. Dass Regressionsanalysen zur Personalbedarfsplanung bis heute in der Praxis kaum genutzt werden, · konnte mit diesen strengen Anwendungsvoraussetzungen und zusătzlich mit dem mangelnden Methodenwissen der Personalplaner erklărt werden. Unabhăngig

262

2.3.4.2. Verbrauchsfunktionen und -koeffiZienten Der Ankniipfungspunkt fiir quantitative Personalbedarfsplanungen ist die mit der Aufgabenerfiillung verbundene Arbeitsmenge (vgl. Fehr 1973, 14-17; Kossbiel 1976, 1018-1019). Sie kann (1) durch die Anzahl von Leistungseinheiten oder die Beschreibung einer Gesamtleistung sowie (2) durch die fiir die Leistungserstellung benotigte Arbeitszeit umschrieben werden. Je besser planbar die Leistungserstellung ist und je hOher ihre Wiederholungsrate ausfâllt, umso eber konnen Zeitmessungen oder -schătzungen nach REFA, MTM sowie SvZ durchgefiihrt werden (s. Teil I, 5.5.2.2.), um den Zeitverbrauch je Leistungseinheit zu bestimmen. Da fiir diese Leistungszeiten stets die Konvention der Normalleistungsprămisse gegeben sein muss, geht diese folglich auch in die Bedarfsberechnung oder -schătzung ein und fiihrt zu einem konstanten Zeitverbrauchskoej]izienten lea je Leistungseinheit e und Aufgabe a. Bine Verbrauchsfunktion lăge vor, wenn der Zeitverbrauch tea je Leistungseinheit von der Intensităt da der Arbeit - gemessen durch den Leistungsgrad - fiir die Erfiillung der Aufgabe a abhinge:

Obwohl solche Verbrauchsfunktionen realistisch und grundsătzlich bestimmbar wăren, werden sie praktisch nicht ermittelt. Zur Vereinfachung der Zeitbestimmung werden vielmehr nur Verbrauchskoej]izienten ermittelt. Der Zeitbedarf T fiir die Erfiillung der Aufgabe a kann dann durch eine deterministische Faktoreinsatzfunktion bestimmt werden, wenn die Menge x der Leistungseinheiten e = l...E und Verbrauchskoeffizienten lea bekannt sind: E

Ta= Lxetea. e=l

Ist 1; die Teilmenge aller Aufgaben a= l...A eines Tătigkeitsfeldes, die mit einem der zuvor erlăuterten Biindelungsverfahren zu Stellen des Typs i zusammengefasst worden sind (s. Teil IT, 2.2.5.), so ist der gesamte Zeitbedarf dieser Personalkategorie

Ist T;const eine fest vereinbarte oder zu vereinbarende Periodenarbeitszeit fiir Personalkategorie i, so wird der quantitative Personalbedarf Y; je Periode bestimmt als

263 1

Y; =---1';. T;const

Dieser Bedarf ist nicht zwingend ganzzahlig, so dass Rundungen notwendig sind. Dies fallt angesichts der Schătzprobleme bei xe und tae aher weniger ins Gewicht. Ferner beriicksichtigt dieser Bedarf keine Krankenstănde, Absenzen oder Urlaubstage. Diese miissten in Form eines Korrekturfaktors beriicksichtigt werden. Dieser konnte als statistisch ermittelte oder geschătzte relative Hăufigkeit bestimmt werden, z. B. in der Form Durchschnittliche Isi

- Normalarbeitsstunden

je Periode und Persona/kategorie

g.;--~~--------------~-------1 Tarifvertraglich vereinbarte Arbeitsstunden

< 1

je Periode und Persona/kategorie i

Y;

wăre

korrekter zu bestimmen als y.= 1

T 1 Tconst·g. 1 1

Man erkennt, dass Personalbedarfsplanung mit Verbrauchskoeffizienten und Faktoreinsatzfunktionen an vier Voraussetzungen gebunden ist: ( 1) Die Leistungsmenge ist planbar. (2) Die Leistungsmenge wird durch individuell zurechenbare, menschliche Arbeit bestimmt. (3) Intensitătsmăfiige Schwankungen der menschlichen .Arbeitsleistung sind gering oder treten nicht auf. (4) Alle zeitlichen Probleme des Arbeitsablaufs sind gelOst oder konnen vernacnlăssigt werden. Man erkennt ferner, dass die Bedarfsplanung auf der Basis von Verbrauchskoeffizienten bei konstantem Umfeld iiberfliissig, bei stetiger Entwicklung des Umfelds aher durchaus geeignet ist, da tea und xe dann gut prognostizierbar sind. Bei Auftreten von Strukturbriichen konnen sich e, xe, a und tea verăndern, so dass Expertenprognosen zu diesen Variablen unumgănglich sind. Mit zunehmender Ungewissheit darf- auch bei Existenz von Pilotprojekten (s. Teil Il, 2.3.1.) - davon ausgegangen werden, dass von der analytischen Einzelzeitbestimmung mit Verbrauchskoeffizienten oder -funktionen zu summarischen Zeitschătzungen mit Angabe von

264 Bandbreiten :fiir ganze Auftrăge oder Projekte ubergegangen werden muss. Der quantitative Personalbedarfist dann nur noch unscharfbestimmbar. Eine Variante von Verbrauchsfunktionen und -koe:ffizienten sind Bedienungsre/ationen :fiir Maschinen, Anlagen und Apparate aller Art. Bedienungsrelationen geben an, wieviele Personen des Typs i notwendig sind, um eine Maschine, eine Anlage oder einen Apparat eines bestimmte~ Typs zu :fiihren, zu uberwachen oder zu warten. Arbeitsmengen sind ent:Weder in der Bedienungsrelation schon erfasst, oder sie werden in der Form eines Potentials bei ungewisser Arbeitsmenge berucksichtigt. Ein Bedienungspotential ist z. B. die Zuordnung einer Mindest- und Hochstzahl von Einrichtern zur Storungsbeseitigung :fiir ein automatisches Maschinensystem. Das Analogon zu Bedienungsrelationen sind Betreuungsrelationen :fiir Menschen, wie sie in der Personalverwaltung (Referentensystem, s. Teil 1, 4.4.3.) bei den sozialen Diensten von Unternehmungen oder bei Betriebsărzten (s. Teil 1, 5.4.2.3.) bestehen konnen. Die Bedarfsplanung mit Verbrauchskoe:ffizienten, Auftragszeitschătzungen und Bedienungsrelationen ist theoretisch anspruchslos. Sie entspricht dem Planungsprocedere der Praxis vor allem bei gewerblichen Stellen. Bedarfsplanung mit Verbrauchskoe:ffizienten oder Au:ftragszeiten ist im Verwa/tungs- und Managementbereich nur dann moglich, wenn Arbeitsmengen halbwegs zuverlăssig bestimmt werden konnen (vgl. Winnes 1978, 175). Arbeitsmengen hăngen im Verwaltungsbereich nur zum Teil von planbaren Stiickzahlen und der Bearbeitungsdauer je Stiick ab, und wo dies der Fali ist, sind lăngst erfolgreiche Ansătze der Mechanisierung oder Rechnerunterstiitzung unternommen worden. Arbeitsmengen werden im Verwaltungs- und Managementbereich stărker durch die Losungszeiten :fiir schlecht strukturierte Probleme der Planung und Entscheidung bestimmt - und diese sind selbst nur schwer zuverlăssig abschătzbar. Als Ansătze zur Bestimmung der Arbeitsmenge kommen daher die Ubertragung von Erfahrungen aus Pi/otprojekten, das Versuchs-Irrtums-Prinzip mit Korrektur eines grob geschătzten Bedarfs entsprechend dem Ist-Arbeitsanfall, Expertenschatzungen und Planungen mit Regressionsfunktionen als geeignete Methoden in Frage. Wenig geeignet sind Planungen anhand von Kennziffern des Typs ''Verwaltungspersonal/Fertigungspersonal", die dann zur Ermittlung des Bedarfs an Verwaltungspersonal mit den Planwerten fiir das Fertigungspersonal multipliziert werden. Diese Kennziffern unterstellen eine kausale Abhăngigkeit, die praktisch nicht oder nur ausnahmsweise gegeben ist.

265 Probleme ergeben sich fiir Dienstleistungsunternehmungen. Da Dienstleistungen nicht speicherbar sind, sondern erst vom Kunden aufgerufen werden, wird die.Prognose der Leistungsmenge oder der Zahl der Auftrăge zum Problem. Dieses kann mit Glăttungsverfahren nur unvollkommen gelost werden, da bei Schwankungen die prognoserelevanten Werte der Vorperiode fast immer nachhăngen. Ob die Errechnung des Personalbedarfs anhand von Unter-, Obergrenzen oder Schatzungen der durchschnittlichen Arbeitsmenge strategisch sinnvo/1 ist, kann nur im konkreten Einzelfall angegeben werden. Die Wahl eines dieser Werte hăngt sehr davon ab, wie kurzfristig je nach der Lage auf dem Arbeitsmarkt Personalkapazităten aufgestockt werden konnen und wie zumutbar Warteschlangen fiir Kunden sind. Auf die Losung des quantitativen Personalplanungsproblems mit Hilfe der kapazitatsorientierten variablen Arbeitszeit (KAPOVAZ)wurde bereits aufmerksam gemacht (s. Teil I, 6.3.2.). AuBerdem konnen Zeitsparmode/le mit Arbeitszeitkonten zur Losung dieses Planungsproblems herangezogen werden. Ăhnliche

2.3.4.3. Lineare Planungsmodelle und Simulationsmodelle Voraussetzungen fiir Bedarfsplanung mit Hilfe von linearen Planungsmodel/en sind Transparenz des Planungsproblems und gute Prognostizier- und Planbarkeit aller den Personalbedarf bestimmenden Variablen. Die Grundidee dieser Ansatze hat Domsch bereits 1970 (vgl. 24-30) vorgestellt: In einem linearen Investitionsmodell wird der Personalbedarf liber Bedienungsrelationen aus den Investitionsalternativen (Maschinen) abgeleitet und durch Bewertung mit Periodenlohnen in Auszahlungsreihen umgewandelt. Fehr hat 1973 eine Variation dieser Grundidee vorgestellt (vgl. 20-26): Man bestimmt unter Beachtung insbesondere von Absatzund arbeitszeitlichen Kapazitătsbedingungen ein gewinnmaximales Produktionsprogramm, aus dem man liber Verbrauchskoeffizienten die nichtganzzahlige Losung des Personalbedarfsproblems fiir verschiedene, am Leistungsprozess beteiligte Personalkategorien ableitet. Andere Modelle wie z. R dasjenige von Strutz (vgl. 1976, 51-67) oder von Kiiching (vgl. 1973, insbes. 49-97) sind ăhnlich, auch wenn sie wie bei Kiiching eine die Personalkosten minimierende Zielfunktion haben und das Produktionsprogramm als gegeben angesehen wird. Kossbiel hat mehrere Grundmodelle zur kurz- und langfristigen simultanen Planung von Produktionsprogramm, Personalbedarf, Personalausstattung und Personaleinsatz vorgestellt und deren Erweiterungsfâhigkeit demonstriert (vgl. 1976, 1035-1075; 1978, 362371).

266 Diese Grundmodelle erfassen explizit Personalbestandsverănderungen durch Fluktuation und Zugănge. Sie transformieren den Personalbedarf in Personalkosten, wobei. der Personalbedarf atillerhalb des Modells iiber Verbrauchskoeffizienten bestimmt wird. Diese Grundmodelle weisen Personal je nach seiner Eignung einzelnen Stellen zu und sichem die Vollstăndigkeit der Planung durch Bestandsgleichungen. Diese Funktionen werden je nach Planungssituation in verschiedenen Varianten und mit verschiedenen Restriktionen untereinander kombiniert. Auch diese Modelle verlangen vollstăndige lnformation iiber alle planungsrelevanten Bedingungen, ohne dass Sicherheit der Informationen gefordert wird. Bedarfsplanungsmodelle fur leitendes Personal existieren in einfacher und komplexer Form (s. Teil II, 2.3.5.). lnsgesamt haben lineare, optimierende Bedarfsplanungsmodelle allerdings geringere Bedeutung erlangt als Optimierungsmodelle fur andere Personalplanungsbereiche wie insbesondere die Personalzuweisung (vgl. Drumm/Scholz 1988, 23-24). Ihre Verwendung in der Praxis ist heute kaum noch feststellbar. Vemachlăssigt werden in Modellen dieses Typs zwangslăufig spezielle Bedingungen konkreter Unternehmungen wie z. B. saisonale Absatzschwankungen, komplexe Produktionsstrukturen, Leistungsgradschwankungen des Personals sowie verschiedene Formen zeitlicher oder intensitătsmăfiiger Anpassung. Dies gilt auch fur die Grundidee der Planung mit Bedienungsrelationen (vgl. Kilger 1973, 212). Wichtigster Einwand gegen lineare Planungsansătze dieses Typs ist, dass die Verbrauchskoeffizienten als bekannt und konstant angesehen werden, womit implizit konstante Produktivităt des Personals angenommen wird. Wechselwirkungen zwischen der Zahl des direkt produktiven Personals und der des indirekt produktiven Personals werden ebenso vemachlăssigt (vgl. Winnes 1978, 56) wie variable Bedienungsrelationen bei hOher automatisierten Aggregatesystemen, Mehrfachqualifikation des Personals sowie Mehrstellenarbeit. . Die Entwicklung differenzierter, auf die Bedingungen einer konkreten Untemehmung zugeschnittener Bedarfsplanungsmodelle ist aufwendig. Der Aufwand wiirde nur durch laufenden, rechnergestiitzten Einsatz solcher optimierenden Modelle zu rechtfertigen sein. Bedarfsplanung ist allerdings in vielen Untemehmungen keine laufende, urnfangreiche Aufgabe der Personalwirtschaft - zumindest nicht kurzfristig und nicht fur die Bedingung guter Planbarkeit. Dies erklărt, warum optimierende Bedarfsplanungsmodel/e keine praktische und letztlich auch keine theoretische Bedeutung erlangt haben.

267 Fiir den Einsatz von Simulationsmodellen zur Bestimmung des quantitativen Personalbedarft gab es in der Vergangenheit gute Argumente, aber nur wenige Beispiele (vgl. Weinmann 1978). Dies hăngt mit dem hohen Entwicklungsaufwand fiir diesen Modelltyp zusammen, der dem System-Dynamics-Ansatz folgt. Die Zusammenhănge zwischen Personalbedarf je Personalkategorie und seinen kausalen Einflussgrofien werden bei diesen Bedarfssimulationen als gegeben angenommen. Eine dynamische Komponente kommt aber dadurch in die Bedarfsplanung, dass die Wirkung von Verănderungen dieser Einflussgrofien, von Periodenarbeitszeiten, von Ersatzbedarf auslosenden Personalabgăngen, von Krankenstănden und von Ausfallzeiten bei geeigneter Modellstruktur sichtbar gemacht werden konnen (vgl. Weinmann 1978, 168-244). Entscheidungen liber den Personalbedarf fallen allerdings aufierhalb eines solchen Simulationsmodells. Die simulative Personalbedarftplanung hat jedoch in neuerer Zeit eine Reihe von wichtigen Anstofien erfahren. Bei der Entwicklung von Konzepten des Workflow Management und des Workgroup Computing (vgl. Hasenkamp/Syring 1994, 21-23, 32) sind verstil.rkt Planungsprobleme innerhalb von Prozessen und damit auch im Personalbereich in Angriff genommen worden. Die Grundidee der Personalplanung in Prozessmodellen kann dem Anwendungsbeispiel bei der Hypo-Bank Mlinchen entnommen werden (vgl. Scholz!Wanka 1994, 85-99): Fiir bekannte, also meist routinisierte Arbeitsablăufe werden durchschnittliche Bearbeitungszeiten fiir die einzelnen Schritte festgelegt. Fiir verschiedene Vorgangsmengen kann bei gegebenen Arbeitszeiten der Bearbeiter dann deren Bedarf simuliert werden (insbes. 90). Zusătzlich konnen die Bearbeitungszeiten je Vorgang sowie die personlichen Arbeitszeiten der Bearbeiter oder die Reihenfolge der Bearbeitungsvorgănge simulativ verăndert werden, um Auswirkungen auf den Personalbedarf sichtbar zu machen. Zum Planungszeitpunkt noch unbekannte Einzelarbeitsgănge in einem Prozess werden nur als komplexe Black Box mit bekanntem In- und Output modelliert (insbes. 95). Die von den Autoren nicht genannte Losung des Problems konnte man sich so vorstellen, dass fiir einen gesamten Prozess eine Unter- und eine Obergrenze fiir den Zeitbedarf festgelegt wird. Durch Subtraktion des berechenbaren Zeitbedarfs fiir die bekannten Schritte des gesamten Prozesses von gegebenen, meist auftrags- oder kundenabhăngiger Zeitunter- und -obergrenze wiirde man - ăhnlich wie in Netzplănen- eine Mindest- und Hochstdauer fiir die unbekannten Arbeitsgănge in der Black Box erhalten. Diese mussten dann auf die einzelnen Arbeitsgănge nach deren Identifikation heruntergebrochen werden. Die gesamte Vorgehensweise der Bedarfsermittlung hat Ăhnlichkeit mit der anschlieBend erlăuterten simulativen Ermittlung von FUhrungskră:ftebedarf nach dem Warteschlangenprinzip.

268 Das stark beachtete HR Modul von SAP R/3 enthielt bis Mitle 1996 noch kein explizites Personalbedarfsplanungsprogramm (vgl. Wenzel 1995, insbes. 567-568). Die vorhandenen Organisationsprogramme konnten jedoch zur Generierung von Stellenplănen genutzt werden. Deren simulative Ănderung ist moglich (vgl. Strohmeier 1996b, 25-26). In neueren Versionen des HR Moduls beschrănkt sich die Personalbedarfsplanung dagegen auf Stellenfortschreibungen. Ansatze strategischer Personalbedarfsplanung sind in diesem Programm bis heute nicht erkennbar. Schlie.Blich sind simulative Losungen von Leitungsspannenproblemen in einer organisatorischen Hierarchie der Instanzen mit Hilfe von Verfahren diskreter Simulation moglich. Mit Leitungsspannenmodellen lasst sich der quantitative Bedarf an Fiihrungskraften ermitteln (s. Teil II, 2.3.5.). Zur Bestimmung der einem Vorgesetzten direkt unterstellbaren Personenzahl, seiner Leitungsspanne, konnten in einem solchen Modell auf der Basis von zufallszahlgenerierten Anfragen von Untergebenen, von durchschnittlichen Belastungsdauem der Vorgesetzten durch diese Anfragen und von durchschnittlichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter Auslastungsgrade des Vorgesetzten und Warteschlangenlănge anfragender Mitarbeiter ermittelt werden. Die Struktur des abbildbaren Problems bleibt sehr einfach.

2.3.5. Organisatorische Ansătze Organisatorische Ansatze bestimmen den Bedarf an ausfiihrendem und leitendem Personal mit Hilfe eines Stellenplans (Winnes 1978, 41). Das leitende Personal kann dann mit Hilfe des Leitungsspannenmodells ermittelt werden. Die Existenz von Stellenplănen impliziert, dass das quantitative Personalbedarfsplanungsproblem bereits gelost ist - sonst gabe es keine Stellen, sondem nur Stellenkategorien. Der Stellenplan kann also nur zur Planung des Ersatzbedarfs abhăngig von der Stellenbesetzung, nicht aher zur Planung des Neubedarfs herangezogen werden. Genau genommen wird nur gepriift:, welche Stellen bis zum Planungshorizont vakant werden, wozu auch ein gutes PIS mit seinen stellenorientierten Daten (s. Teil I, 5.6.4.) vollkommen ausreicht. Das Leitungsspannenmodell kann zu einer iiberschlagigen Planung des quantitativen Bedarfs an leitendem Personal verwendet werden, wenn aufgrund von Erfahrungswerten Leitungsspannen /j fiir den Stellentyp j und der Bedarf Yij fiir die Personalkategorie i bekannt sind, wenn diese den Stellen des Typs j zugeordnet werden soli. Der Bedarf an leitendem Personal L j fiir die Stellenkategorie j ist dann

269

Nicht-ganzzahlige Losungen mOssen in Kauf genommen werden. Optimierungsmodelle unter Verwendung des Leitungsspannenmodells sind in einfacher Form von Domsch (vgl. 19-70, 110-111) und Kossbiel (vgl. 1972, 87-111, insbes. 103-111) sowie in komplexer Form von Hanssmann (vgl. 1970) entwickelt worden. Das Leitungsspannenmodell sowie alle Optimierungsansătze liefern schematische Losungen des Problems der Bestimmung des FOhrungskrăftebedarfs, die im konkreten Fali durch Korrekturen von Experten ergănzt werden mossen. Auch hier kann wie bereits bei der qualitativen Personalbedarfsplanung das Konzept der Strukturredundanz verwendet werden: Man Obertrăgt FOhrungskrăftestrukturen quantitativ und gegebenenfalls modifiziert qualitativ aus bereits bekannten und besetzten auf neu zu schaffende Tătigkeitsfelder oder Bereiche einer Unternehmung. lnsgesamt sind organisatorische Ansătze vor allem bei unverănderter oder korrigierter Fortschreibung in gut planbaren Situationen brauchbar.

2.3.6. AuOengesteuerte Bedarfsbestimmung

Eine Aufiensteuerung des Personalbedarfs liegt vor, wenn durch Eingriffe des Gesetzgebers oder durch tarifvertragliche Vereinbarungen bestimmte Stellen geschaffen werden mOssen. Solche Eingriffe in die relative Autonomie der Personalbedarfsplanung von Unternehmungen sind allerdings selten und betreffen dann sowohl die qualitative wie die quantitative Personalbedarfsplanung. Ein Beispiel :fur einen solchen Eingriff ist die gesetzlich verankerte Scha:ffimg von Betriebsărzten und Sicherheitsingenieuren (s. Teil 1, 5.4.2.3.). Ein weiteres Beispiel ist die durch die Reform des Aktiengesetzes von 1965 geschaffene Vorstandsverfassung des multipersonalen Vorstands in§ 76 Abs. 2 AktG. Genannt werden muss ferner die Ein:fiihrung eines Arbeitsdirektors durch die Mitbestimmungsgesetze sowie die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern :fur die Betriebsratstătigkeit (s. Teil 1, 3.2.1.3.2.2.). Weitere Beispiele sind Beauftragte :fur Datenschutz, :fur Umweltschutz oder :fur Frauenfragen. Der Ausnahmecharakter der Aufiensteuerung des Personalbedarfs kann durch Aktivităten vor allem des Gesetzgebers jederzeit geăndert werden. Auller in einem planwirtschaftlichen System lassen sich :fur die Aufiensteuerung des Bedarfs durch den Gesetzgeber allerdings keine Oberzeugenden Argumente finden.

270

2.4. Personalbedarfs- und Personalkostenplanung Die Personalkostenplanung kniipft iiblicherweise am Personalbestand an. Dies ist bei Konstanz der Umfeldentwicklung und der Leistungsprogramme durchaus sinnvoll. Wirkt sich die Variabilităt des Umfelds und der Leistungsprogramme aber auf die Personalbestănde aus, so ist die Personalbedarfsplanung der bessere Ausgangspunkt fiir eine Personalkostenplanung. Die Kostenrechnung ist generell als Instrument der Steuerung und Kontrolle nur fiir kurzfristige Entscheidungen geeignet. Sie ist fiir alle lăngerfristigen Entscheidungen durch eine Investitionsrechnung zu ersetzen. Dies gilt daher in gleicher Weise fiir die Personalkostenrechnung. Wegen des kurzfristigen Planungshorizonts kann fiir die Personalkostenplanung von den Bedingungskonfigurationen der Konstanz oder der stetigen Entwicklung von Unternehmung und Umfeld- und damit guter Planbarkeit- ausgegangen werden. Strukturbriiche sind moglich, aber nicht typisch. Die Struktur der Personalkosten ergibt sich aus Vergiitungsart und VergiitungshOhe je Person sowie aus der Beschaftigtenzahl. Als Vergiitungsarten unterscheidet man grob zwischen Leistungslohn und Sozial/ohn (s. Teil III, 6.): Leistungslohne exis!ţeren als Zei!- und Akkordlohne (s. Teil III, 6.3.1.1.-6.3.1.2.), wobei im Fertigungsbereich von Industrieuntemehmungen noch eine zusatzliche Differenzierung nach Fertigungslohnen fiir die Leistungserstellung selbst und nach Hilfslohnen fiir Nebenleistungen iiblich ist (vgl. Scherrer 1999, 278). Die Unterscheidung von Zeit- und Akkordlohnen ist aufgrund der zunehmend lăngeren Bindungsfristen der Beschaftigungsverhăltnisse weitgehend obsolet geworden. Akkordlohne werden immer seltener und nehmen aufgrund des garantierten Mindestlohns zumindest teilweise den Charakter von periodengebundenen Zeitlohnen an. Die seit einiger Zeit existierenden PotentiallOhne als Entgelt fiir die Bereitstellung eines Leistungspotentials (s. Teil III, 6.3.1.3.) konnen in der Personalkostenplanung formal wie Zeitlohne behandelt werden. Interessante Probleme der Personalkostenplanung werfen Zusatzlohne in der Form von Pramienlohnen sowie die gespaltene Vergutung auf (s. Teil III, 6.3.2., 6.4.). Bei diesen Lohnen ist die fixe Grundkomponente ein quasi garantierter Mindestlohn, der planerisch analog dem Zeitlohn behandelt werden kann. Leistungslohn ist allerdings nicht die fixe, sondem die variable Lohnkomponente in der Form einer Prămie oder, wie bei gespaltenem Lohn, einer Erfolgsbeteiligung. Die variable Komponente entzieht sich grundsatzlich einer Personalkostenplanung vor Abschluss eines Leistungsprozesses. Ihre Bezugsgrofien, z. B. Ist-Mengen, Ist-

271

Tennintreue sowie Bereichs- oder Untemehmungserfolg stehen erst nach Abschluss eines Leistungsprozesses, wenn nicht sogar erst der Periode, fest. Hier hilft auch die Bildung von Erwartungswerten der Bezugsgro6en fiir die variable Komponente nicht weiter. Die aufgeschobene Vergtitung (s. Teil III, 6.6.) und die ganzheitliche VergOtung (s. Teil III, 6.7.) miissen in gleicher Weise wie Zeitlohne oder garantierte Mindestlohne behandelt werden. Sie gehOren zu den periodenfixen Kosten und konnen nicht mehr auf Einzelleistungen als Kostentrâgem, sondem nur noch Kostenstellen zugeordnet werden. Qualităten,

Soziallohne sind alle Formen der VergOtung, die direkt oder indirekt gezahlt werden, aber unabhângig von einer Leistung sind (s. Teil III, 6.5.). Soziallohne gehen nur dann in eine am Personalbedarf orientierte Personaleinze/kostenplanung ein, wenn sie auf Periode und Person zurechenbar sind. Andernfalls werden sie zu Personalgemeinkosten je Periode. Als geeignetste Bezugsperiode sollte wegen der Rhythmik der Lohnzahlung der Monat gewâhlt werden. Lângere Bezugsperioden wie Quarta1 oder Jahr sind im Hinblick auf Kiindigungsschutzrechte oder Sonderzahlungen zwar grundsătzlich sinnvoll, wegen der zeitlichen Verteilung denkbarer Kiindigungszeitpunkte jedoch hâufig unzweckmă6ig. Die Lohnkosten K der Personalkategorie i sind dann bei Zeitlohn je Periode mit einem einheitlichen Leistungslohnsatz je Stunde von h; , einer einheitlichen Planarbeitszeit von 1'; Stunden, einem zurechenbaren einheitlichen Soziallohn von 1; sowie einem Bedarf von Y; Personen:

Bei Di:fferenzierung von Arbeitszeiten, Lohnsătzen und Soziallohnenje Person k in der Personalkategorie i- wobei die Kategorie i aus den Personen k = l...n bestehthaben die Personalkosten die Struktur n

K;

= L(hkiTki +lki). k=l

Die gesamten Personalkosten K ergeben sich dann je Periode t durch Summation der Personalkosten je Personalkategorie iiber alle Kategorien und durch Hinzufiigen des gesamten, nicht auf Personen zurechenbaren Soziallohns 11 je Periode (z. B. Kantine):

272

Hohere Aggregation der Kosten ist durch zusătzliche Summation der Periodenkosten iiber alle Perioden (z. B. Monate) bis zum Planungshorizont von einem Jahr moglich, wie er fiir die Kostenrechnung typisch ist. Zusătzliche Differenzierungen der Personalkategorien nach ihrer Zuweisung auf Kostenstellen oder Kostenstellengruppen sind moglich und fiir die Kostenkontrolle sinnvoll. Die Personalplankosten je Personalkategorie, Kostenstelle oder Kostenstellengruppe und Periode konnen in der Form von Personalkostenbudgets verbindlich vorgegeben werden und haben dann Steuerungsfunktion fiir Entscheidungen iiber die kurzfristige Ein- und Ausstellung von Personal, iiber dessen Umschichtung und iiber Arbeitszeitregelungen. Wird unter den Prămissen der Konstanz oder der stetigen Entwicklung geplant, so ergeben sich erhebliche Fehlsteuerungswirkungen von Personalkostenbudgets bei Verletzung dieser Prămissen. Besser ist daher eine Personalkostenbudgetierung gemăfi dem keineswegs neuen Grundgedanken des Zero-Base-Budgeting (vgl. Pyhrr 1973, 18-24; Wholey 1978, 3). Die Grundidee des Zero-Base-Budgeting besteht darin, kein Budget fortzuschreiben, sondern jedes Budget ohne Rekurs auf seinen Vorgănger aufzustellen und zu begriinden (Nullbasis-These). Statt daher Personalbedarf fortzuschreiben, wird dieser zu jedem Planungszeitpunkt unter Beachtung des planungsrelevanten Umfelds neu bestimmt und begriindet. Eine Bedarfsfortschreibung muss analog der Neuplanung begriindet werden. Problematisch ist dabei weniger die Kosten- als die Nutzenbewertung von Stellen zur Begriindung eines bestimmten Bedarfs. Problematisch ist auch der hohe Planungsaufwand bei konsequenter Anwendung der Nullbasis-These fiir alle Stellen zu allen Planungszeitpunkten. Die Anwendung der Nullbasis-These in gro6eren periodischen Intervallen sowie bei Erwartung von Strukturbriichen bei bedarfsrelevanten Einflussgro6en istjedoch vertretbar.

Allgemeine Entscheidungs- und Kontrollrelevanz haben Personalkosten im Wesentlichen bei der Bewertung des Einsatzes von Personal im kurzfristigen Bereich. Bei der Kalkulation von Preisuntergrenzen fiir Leistungen sind sie wegen ihres fast periodenfixen Charakters nicht verrechenbar. Sie sind auch weitgehend bedeutungslos fiir Entscheidungen iiber den Auf- oder Abbau von Personalpotentialen. Da die beiden letztgenannten Entscheidungen eher langfristig sind und aufgrund ihrer Auszahlungsreihen Zinseffekte zu beriicksichtigen sind, kommen als Grundlage beider Entscheidungen nur noch Investitionskalkiile wie z. B. Bardurchgăngig

273

wertvergleiche in Frage - auch wenn die Schătzung auf- oder abbauabhăngiger Zahlungsreihen viele Probleme au:fwirft. In der Kostenstellenrechnung konnen Personalkosten wichtige Grundinformation fiir ein Personalcontrolling bieten (s. Teil IV, 2.4.).

2.5. Personalbedarfsplanung und Mitbestimmung Ein allgemeines Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei der Personalbedarfsplanung ergibt sich aus § 90 Abs. 1 BetrVG, da die dort vorgesehenen Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei Verănderungen von Arbeitsorten, -plătzen, -verfahren und technischen Anlagen auch Probleme des Personalbedarfs beriihren konnen. Prăzise Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Personalbedarfsplanung sind in § 92 BetrVG und in den §§ 111-112 BetrVG geregelt. Nach § 92 Abs. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat anhand geeigneter Planungsunterlagen rechtzeitig und umfassend iiber den gegenwărtigen und zukiinftigen Personalbedarf informieren. Dies ist allerdings nur dann notig, wenn eine durch Unterlagen dokumentierte Personalbedarfsplanung existiert. Als solche gilt bereits die Existenz eines Stellenplans (vgl. BAG 6.11.1990). Planungen im Kopf des Personalmanagers sind natiirlich mitbestimmungsfrei, was die Interpretation des Rechtsbegriffs der "rechtzeitigen Unterrichtung" iiber Personalplanungen nicht erleichtert. Durch Bedarfsplanungen ausgeloste personelle Mafinahmen, worunter vor allem Freisetzungen und Umsetzungen zu verstehen sind, bat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu beraten, um Hărten fiir die betroffenen Mitarbeiter zu vermeiden. Zwar bietet § 92 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat kein direktes, wohl aber ein indirektes Mitentscheidungsrecht iiber den Ausgleich sozialer Hărten dann, wenn der Betriebsrat konstruktive Vorschlăge zur Vermeidung sozialer Nachteile macht und der Arbeitgeber diese iibernimmt. Fehlt eine Personalbedarfsplanung, so kann der Betriebsrat deren Aufbau nach § 92 Abs. 2 BetrVG anregen und deren Durchfiihrung durch Vorschlăge zu Planungsverfahren oder Beriicksichtigung bestimmter Einflussgro6en indirekt mitbestimmen. Letztlich bleibt aber der Arbeitgeber bzw. Unternehmer in seinen Entscheidungen iiber Aufbau und Methodik der Personalbedarfsplanung frei. Die Mitwirkungsrechte an der Personalbedarfsplanung nach den §§ 111-112 BetrVG bestehen nur indirekt. § 111 BetrVG veranlasst den Unternehmer bei der Planung von Betriebsănderungen zu Informations- und Beratungsangeboten an den

274 Betriebsrat, wenn :fiir das Personal wesentliche Nachteile zu erwarten sind. Dies ist vor allem dann der Fali, wenn die Untemehmung ihre Planungen zum Katalog der Betriebsănderungen des § 111 BetrVG durch eine Personalbedarfsplanung ergănzt bat, die in Verbindung mit einer Bestandsplanung in eine Freisetzungsplanung mfi.ndet. Da der Betriebsrat nach § 112 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2-4 BetrVG ein erzwingbares Mitentscheidungsrecht uber einen Sozialplan zur Milderung der erwarteten wirtschaftlichen Nachteile bat, kann er uber eine Sozialplandrohung auch die Bedarfsplanung indirekt inhaltlich beeinflussen (s. Teil Il, 4.3.). Dies ist dann der Fali, wenn der Untemehmer die drohenden Sozialplanauszahlungen in seinen Investitions- oder Desinvestitionskalkiil aufnimmt und sich dadurch eine andere Reihenfolge der Investitions- oder Desinvestitionsaltemativen mitjeweils anderem Personalbedarf ergibt.

3.

Personalbestandsplanung

3.1. Uberblick Die Ermittlung von Personalbestănden hat lange als rein statistisches Ziihlproblem gegolten. Dieses Problem ist mit der Entwicklung einer qualitativen und quantitativen Personalbestandsplanung in den Hintergrund getreten. Qualitative Personalbestandsplanung hat zunăchst die Kenntnis- und Fâhigkeitspotentiale der vorhandenen Mitarbeiter zum Planungszeitpunkt aufzudecken und zu klassifizieren. Sie hat dann die Verănderung dieser Potentiale unter Vemachlăssigung gestaltender Eingriffe durch die Untemehmung bis zu einem vorab definierten Planungshorizont zu prognostizieren. Als Verănderungsursachen werden im Wesentlichen nur Erfahrung, Lemen oder Altersabbau beriicksichtigt. Zur Erhebung der Kenntnisund Fâhigkeitspotentiale bedient sich die qualitative Personalbestandsermittlung der Verfahren der Personalforschung (s. Teil I, 5.4.2.). Personen mit gleichen oder âhnlichen Kenntnissen und Fâhigkeiten werden zu Personalkategorien zusammengefasst. Personalbestandsplanung hat schlie.Blich erwiinschte qualitative (und quantitative) Bestănde am Planungshorizont festzulegen, was unter strategischen Gesichtspunkten sinnvoll sein kann. Diese dritte Aufgabe kann allerdings nicht unabhăngig, sondem nur in Verbindung mit einer Personalbedarfs-, -beschaffungs- und -freisetzungsplanung geleistet werden. Unter methodischen Gesichtspunkten verengt sich daher qualitative Personalbestandsp/anung auf Erfassung, Klassifikation und Prognose von Persona/qua/ifikationen. Dies alles gilt analog auch fiir die quantitative Personalbestandsplanung mit der Besonderheit, dass je Personalkategorie deren gegenwărtige, am Planungshorizont zu erwartende oder erwiinschte Anzahl bestimmt wird. Vor allem die qualitative Personalbestandsermittlung und -planung unterliegt der Mitbestimmung und zusătzlich den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. Dies kann allerdings keine ausreichende Erklărung dafiir sein, dass qualitative Personalbestandsplanung in der Praxis kaum und quantitative Personalbestandsplanung nur in sehr einfacher Form betrieben worden ist (vgl. Drumm/Scholz 1988, 96-101). Daran hat sich bis heute kaum etwas geăndert.

276

3.2. Qualitative Personalbestandsplanung 3.2.1. Ziei, Gegenstand und Funktionen qualitativer Personalbestandsplanung Zie/e qua/itativer Personalbestandsp/anung sind (1) die Ermittlung und Klassiflkation von artmăfiig differenzierten Bestănden zu Personalkategorien im Planungszeitpunkt, (2) die Prognose von deren Verănderungen bis hin zum Planungshorizont, (3) die Festlegung erwilnschter Bestandsstrukturen am Planungshorizont.

Die ersten beiden Ziele konnen unabhăngig von jedem anderen Planungsfeld verfolgt werden. Das dritte Ziei kann dagegen nur in Kombination mit Personalbedarfs-, -beschaffungs- und -freisetzungsplanung erreicht werden. Es ist also kein unabhăngiges Ziei und tritt deswegen hinter die beiden ersten zuriick. Diese Reduktion der Ziele erlaubt au.Berdem eine prăzisere Abgrenzung von Methoden qualitativer Personalbestandsplanung. Die ersten beiden Ziele hăngen eng mit dem Gegenstand der Planung zusammen und verweisen auf ein gemeinsames, ilbergeordnetes Ziei: Die qualitative Personalbestandsplanung soli zusammen mit der bedarfsplanung informatorische Grundlagen fiir die Personalbeschaffungs-, -freisetzungs-, -ausbildungs- und -entwicklungsplanung liefern. Eine transaktionskostentheoretische Bedeutung der qua/itativen Personalbestandsp/anung ist nicht erkennbar. Gegenstand der qualitativen Persona/bestandsplanung ist die inhaltlich und methodisch differenzierte Erfassung gegenwărtiger und die Prognose zukiinftiger Alters- und Geschlechtsstrukturen sowie von gegenwărtigen und zukiinftigen Kenntnissen und Făhigkeiten des vorhandenen Personals. Hinzu konnte die Definition erwiinschter Bestandsstrukturen nach Alter, Geschlecht oder Nationalităt kommen, was aher losgelost von einer Bedarfsplanung kaum Sinn macht. Gegenstand ist auBerdem die Klassiflkation des Personals nach einem oder mehreren Kriterien zu Personalkategorien, die vor allem bei der Personalzuweisung Stellenkategorien gegentibergestellt werden konnen.

die quantitative Personalbestandsplanung eine lange Tradition hat, sind zu qualitativer Personalbestandsplanung erst mit dem Aufkommen von Ansătzen der Personalentwicklungsplanung (vgl. Drumm/Scholz 1988, 90) sowie Versuchen zur Entwicklung von iiumanvermogensrechnungen (vgl. Rumpf 1978, 463) entstanden. Au.Berdem bleiben Ansătze qualitativer Personalbestandsplanung Wăhrend Ansătze

277 weitgehend unsichtbar, wenn sie als Bestandteil der Beschaffungs-, Freisetzungsund Entwicklungsplanung verstanden werden.

3.2.2. Methodik qualitativer Personalbestandsplanung Die Methodik der qualitativen Personalbestandsplanung kniipft unmittelbar an deren Ziei und Gegenstand an. Zur Analyse von A/ters- und Gesch/echtsstrukturen geniigt die Aufstellung von entsprechenden Bestandsstatistiken (s. Teil 1, 5.4.2.2.) mit einer Differenzierung nach Personalkategorien. Zur Auswertung der Bestandsstatistiken konnen fiir die Altersjahrgănge oder -klassen die iiblichen Verteilungsrruille wie Mittelwert, Varianz oder Schiefemafie errechnet und interpretiert werden. Diese Verteilungsmafie haben die Funktion von lndikatoren der Personalstruktur und ihrer zukiinftigen Entwicklung. So lăsst z. B. ein Mittelwert fiir das Alter der Personen einer Personalkategorie von ~ = 50 mit· einer Standardabweichung von cr = ±4 in Verbindung mit niedrigen Fluktuationsraten Beforderungsprobleme jOngerer Mitarbeiter in diese Personalkategorie hinein erwarten. Zur Analyse der Fahigkeitsstrukturen konnen die verschiedenen Methoden der Personalforschung eingesetzt werden (s. Teil l. 5.4.2.), um einzelne Kenntnisse und Făhigkeiten zu erheben. Diese miissen durch relevante, operationale Merkmale beschrieben werden, deren Objektivităt, Reliabilităt und Validităt iiberpriift worden sind (s. Teil 1, 5.4.2.4.). Hilfreich ist eine Gruppierung von Kenntnis- und Făhig­ keitsmerkmalen, wie sie schon seit lăngerem in der Literatur vorgeschlagen worden ist (vgl. Meyer 1973, 48, 79-87; Rumpf 1979, 18-25) und bei der qualitativen Personalbedarfsplanung ebenfalls zur Anwendung kommt (s. Teil Il, 2.2.4.3.). AuBer identifizierenden Merkmalen zur Person konnen unterschieden werden: -

Kenntnismerkmale (z. B. Bildungsgănge und -abschliisse, Zusatzkenntnisse), physische Făhigkeiten (z. B. Belastbarkeit), kognitive Făhigkeiten (z. B. lntelligenzstruktur etwa nach Amthauer (vgl. 1973),

-

psychische Făhigkeiten (z. B. Belastbarkeit, Motivation) und soziale Făhigkeiten (z. B. Kontaktfahigkeit).

Gedăchtnisleistung),

Struktur und lnhalt dieses Merkmalskatalogs wird durch die Anforderungen auf den in einer Untemehmung vertretenen Tătigkeitsfeldem geprăgt. Daher konnen keine allgemeinen Empfehlungen zum lnhalt eines solchen Katalogs gegeben werden. Man kann lediglich sagen, dass Kenntnisse und Făhigkeiten eines Mitarbeiters

278 Voraussetzungen fiir die auf einem oder mehreren Tatigkeitsfeldem zu erbringenden Leistungen sind. Wenn die Berufsausbildung den Einsatz einer Person auf bestimmte Tatigkeitsfelder begrenzt, liegt eine Verwendung der Anforderungsmerkmale nur dieser Tatigkeitsfelder und damit eine Beschrănkung. auf anforderungsgleiche Kenntnis- und Făhigkeitsmerkmale nahe. Diese Merkmale konnen um solche ergănzt werden, die bei Potentialbeurteilungen ermittelt worden sind (s. Teil I, 5.4.2.8.). Die Einstellung der Fahigkeitsmerkmale in einen Fahigkeitsvektor mit gegebenenfalls mehreren Segmenten fiir allgemeine und spezielle, tătigkeitsfeldbezogene Fahigkeiten (vgl. Rumpf 1979, 22-25) ist ein weiterer Schritt der qualitativen Personalbestandsplanung. Der Făhigkeitsvektor ist eine geordnete Reihe derjenigen Merkmalsausprăgungen von Kenntnissen und Făhigkeiten, die bei einem Mitarbeiter erhoben worden sind. Die Segmente schaffen eine Mindestordnung. Innerhalb jedes Segments sollte eine Anordnung der Merkmalsauspragungen gewăhlt werden, die der Merkmalsordnung in Anforderungsvektoren von Stellen entspricht. Dies erleichtert einen spateren Vergleich der Vektoren z. B. bei der Zuweisung von Personen auf Stellen. Man kann davon ausgehen, dass allgemeine Segmente umso groBer und spezielle, tatigkeitsfeldbezogene Segmente umso kleiner werden, je hOher eine Person in der Untemehmungshierarchie angesiedelt ist. Ursache dafiir ist eine Abnahme der Spezialisierung mit steigender Stufe der Hierarchie. Der Erstellung des Fahigkeitsvektors musste dessen Validierung folgen (vgl. Rumpf 1979, 61-63). Ziel der Validierung ·ist ein Urteil dariiber, ob der Făhigkeitsvektor einer Person der~n Kenntnisse und Făhigkeiten zutreffend abbildet. Da es jedoch keinen "richtigen" Validierungstest fiir Făhigkeitsvektoren gibt, bleibt das Validierungsproblem ungelost. Letzter Schritt der Analyse von Fahigkeitsstrukturen ist die Klassiflkation ahnlicher Vektoren (vgl. Neubauer 1978/1979; Rumpf 1979, 89-92). Klassifikationen von Făhigkeitsvektoren nach deren Ăhnlichkeit oder nach Leitmerkmalen wie z. B. besonderen, zukunftsorientierten Kenntnismerkmalen geben Hinweise auf die Fahigkeitsstruktur des Personals. Zur Klassifikation der Vektoren kann die ClusterAnalyse eingesetzt werden (s. Teil 1, 5.4.2.2.). Die Klassifikation der Vektoren dient bei der Analyse des qualitativen Personalbestands ausschlieBlich einem Einblick in Struktur und Verteilung von Făhigkeitspotentialen. Die Bildung von Vektorklassen kann dariiber hinaus zur Vorbereitung von intemer Personalbeschaffung, zur Gruppierung von Kandidaten fiir EntwicklungsmaBnahmen und zum Aufbau von Humanvermogensrechnungen eingesetzt werden.

279

Die Prognose zukunftiger Kenntnis- und Fahigkeitsstrukturen muss an den einzelnen Merkmalen des Făhigkeitsvektors ansetzen. Um die Verănderung von Făhig­ keitsmerkmalen und ihrer Ausprăgungen prognostizieren zu konnen, miisste man je Merkmal individuelle Lem- und Vergessensraten bestimmen, die einen Ab- oder Aufbau von Kenntnissen und Făhigkeiten je Zeiteinheit wiedergeben. Dies wirft kaum lOsbare Mess- und Zurechnungsprobleme auf. Ersatzweise ist daher denkbar, dass Zeitreihen der Merkmalsausprtigungen von Ergebnissen periodischer Uberprii:fungen des Făhigkeitsvektors z. B. im Rahmen von Leistungsbeurteilungen (s. Teill, 5.4.2.6.) gebildet werden. Solche Uberprii:fungen konnten Ănderungen der Merkmalsausprăgungen aufdecken und Grundlage von Trendprognosen sein. Diese Prognosen erfassen allerdings indirekt auch die Wirkungen von Ausbildungs-, Fortbildungs- und SchulungsmaBnahmen. Die :fiir Trendprognosen typische Annahme einer meist konstanten Ănderung von Făhigkeiten gilt allenfalls :fiir Berufserfahrungen und vemachlăssigt die Existenz von Ausprăgungsobergrenzen einzelner Făhig­ keitsmerkmale. Unbeschadet dieser Kritik scheint die Trendprognose auf der Grundlage historischer Beurteilungsergebnisse zur Zeit der einzige Ansatz zu sein, der zum zweiten Ziei qualitativer Personalbestandsplanung hinfiihrt.

3.3. Quantitative Personalbestandsplanung 3.3.1. Ziei, Gegenstand und Funktionen quantitativer Personalbestandsplanung Ziele quantitativer Personalbestandsplanung sind die Ermittlung und Klassifikation von mengenmăfiigen Personalbestănden je Personalkategorie zum Planungszeitpunkt und deren Prognose bis hin zum Planungshorizont. In Abstimmung mit der Personalbedarfs-, -beschaffungs- und -freisetzungsplanung kann die Festlegung erje Personalkategorie hinzukommen. Durch Personalbestandsplanung sollen also wie schon bei der qualitativen Personalbestandsplanung informatorische Grundlagen :fiir die Personalbeschaffungs-, -freisetzungs-, -ausbildungsund -entwicklungsplanung geschaffen werden. Eine transaktionskostentheoretische

wiinschter

Bestănde

Bedeutung quantitativer Personalbestandsplanung ist nicht erkennbar. Gegenstand quantitativer Personalbestandsplanung ist die inhaltlich und methodisch differenzierte Erfassung der zum Planungszeitpunkt beschăftigten Mitarbeiter, ihre Klassifikation und die Prognose von Verănderungen dieser Bestănde bis hin zum Planungshorizont. Ein so abgegrenzter Gegenstand wăre :fiir reine Planungsrechnungen vollig ausreichend. Dennoch konnte eine solche Rechnung nur

280 dann erfolgreich abgewickelt werden, wenn auch die Ursachen von Bestandsvertinderungen aufgedeckt worden sind. Ohne Kenntnis dieser Ursachen sind Prognosen von Bestandsverănderungen nicht sinnvoll moglich. Ursachen von Bestandsverăn­ derungen sind alters-, krankheitsbedingte oder spontan durch Kiindigungen ausgeloste Personalabgănge.

3.3.2. Methodik quantitativer Personalbestandsplanung Zur Erfassung gegenwărtiger Bestănde sind lediglich die Daten aller Personen, die zum Erhebungszeitpunkt Lohn oder Gehalt beziehen, aus den Lohn- und Gehaltsdateien abzurufen und nach Merkmalen der qualitativen Bestandsplanung in Personalkategorien zu gruppieren. Die Analyse gegenwărtiger Bestănde besteht darin, dass zum Planungszeitpunkt fiir die Bestănde Hăufigkeitsverteilungen je Personalkategorie und iiber alle Personalkategorien, Verănderungen der Bestănde je Personalkategorie im Zeitablauf sowie Wanderungsbewegungen zwischen Personalkategorien im Zeitablauf bestimmt werden. Bei Schwankungen der Bestănde je Personalkategorie im Zeitablauf sollten Hochst- und Mindestbestănde der Vorperiode sowie Mittelwert und Standardabweichung als verdichtete Indikatoren der Schwankungsbreite ermittelt werden. Die Analyse der mengenmăBigen Personalstruktur kann in Vorstellungen von erwiinschten mengenmăBigen Bestăndenje Personalkategorie miinden. Der Saldo aus Ist-Personalbestand B; und -bedarf Y; je Personalkategorie i zum Planungszeitpunkt ergibt den Nettopersonalbedarf y; = Y; - B;. Er geht als positive Grafie +y; in die Beschaffungs- und als negative Grafie -y; in die Freisetzungsplanung ein.

Entscheidungsrelevanz bat das Ergebnis der Bestandsanalyse nur dann, wenn es Informationsgrundlage fiir gezielte Bestandsverănderungen ist. Dies gilt analog fiir die Kontrollrelevanz der Bestandsanalyse, wenn nach gezielten Bestandsverănde­ rungen zuvor erwiinschte mit den wirklichen Bestănden verglichen werden. Die Prognose zukilnftiger Persona/besttinde kniipft an der Skontrationsgleichung der Lagerbestandsermittlung an, nămlich Endbestand = Anfangsbestand + Zugang - Abgang. Dieses Ermittlungsschema muss fiir die Personalbestandsplanung allerdings erweitert werden. Die Skontrationsrechnung kann fiir das Personal der gesamten Untemehmung, eines Untemehmungsteils oder einer Personalkategorie als homogene Gruppe mit ăhnlichen Făhigkeitsvektoren durchge:fiihrt werden:

281 Gegenwărtiger Bestand

am Anfang von Periode t - unbeeinflussbare Abgănge durch Pensionierungen, Berufsunfăhigkeit, Todesfăl­ le, ungeplante Entlassungen und Ktindigungen in Periode t = Prognosebestand B' am Ende von Periode t ± geplante Bestandsverănderungen durch Ausbildung mit Ubernahme, Beschaffung oder Freisetzung in Periode t Planbestand BP am Ende von Periode t und zugleich am Anfang von Periode

t+l. Der Planbestand BP kann bei geeigneten Mafinahmen der Bestandsverănderung mit dem erwtinschten Bestand in Obereinstimmung gebracht werden. Hauptproblem ist hier die Prognose der unbeeinjlussbaren Abgănge vom gegenwărtigen Eestand. Beobachtet man diese Abgănge iiber lăngere Zeit hinweg, so wird die Prognose von Planbestănden auf der Grundlage der Personalbewegungen fiir nnen so deren Aufhebung auslt>sen. Daher sind alle Zahlungserwartungen aus Sozialplănen bereits antizipativ in die Entscheidung uber die Verwendungsstrategien nach Freisetzungen einzubeziehen. Zum Problem kt>nnte die Wahl zwischen reaktiver und antizipativer Personalfreisetzungsplanung werden, wenn deren t>konomische und sozialen Folgen gegeneinander abgewogen werden mfissen. Diese Wahl ist inzwischen jedoch seltener geworden. Die gewachsene Bedeutung und Verbreitung vor allem antizipativer Personalfreisetzungsplanungen bat sechs Ursachen: (1) Personal wird als Erfolgsfaktor und Humankapital gesehen, in das investiert worden ist, das man langfristig nutzen mt>chte und fiir das man Verantwortungtrăgt.

(2) Restriktive Gesetzgebung und Rechtsprechung zu Kfindigungsschutz und Mitbestimmung wirken als Anreiz zu antizipativem Planen und Handeln. (3) Strukturbruchartige Qualifikationssprfinge vor allem bei Einfiihrung neuer Informationstechnologien haben Lembarrieren erzeugt und so die Mt>glichkeiten der Fortbildung eingeschrănkt, so dass Freisetzungen unvermeidbar werden und andere Verwendungsaltemativen als die Entlassung gesucht werden mfissen. (4) Die §§ 1 Abs. 2 Ziff. lb und 17 Abs. 2 KSchG in Verbindung mit § 102 Abs. 3 Ziff. 3 BetrVG halten Betriebs- und Untemehmungsleitung zur Vermeidung von Entlassungen und damit indirekt zu antizipativer Freisetzungsplanungan. (5) Betriebsrăte favorisieren sozialvertrăgliche antizipative Freisetzungsmafinahmen vor allem bei guter Ertrags- und Finanzlage der Untemehmung. (6) Untemehmungen vemachlăssigen zwar die ihnen unbekannten Transaktionskosten, nicht aber die positiven t>konomiscl.en Folgen von Reputationsgewinnen bei antizipativer Freisetzung.

291

4.3. Methodik der Personalfreisetzungsplanung 4.3.1. Informationsbasen und Grundmodell der Personalfreisetzungsplanung Die erste grundlegende lnformationsbasis der Freisetzungsplanung sind Umfeldszenarien und die aus ihnen abgeleiteten Personalbedarfsplăne (s. Teil II, 2.2.2.2.2.3., 2.3.1.). Zu diesen kommen Personalbestandsplăne hinzu, um Art und Umfang der freizusetzenden Stellen bestimmen zu ktinnen. Wăhrend reaktive Freisetzungsplanung sogar ohne diese erste Informationsbasis auskommt, muss fiir eine antizipative Freisetzungsplanung diese lnformationsbasis noch erweitert werden um Szenarien insbesondere -

der Entwicklung von Arbeitsmărkten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht, der Entwicklung von Technologien wie z. B. der PC-Nutzung, um Bedarfspotentiale fiir die Htiherqualifikation des Personals zu erkennen, der Entwicklung von Arbeits-, Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht sowie der Entwicklung der Organisationsstruktur.

Als zweite lnformationsbasis sind Daten zu den sozialen und tikonomischen Folgen der Szenarien mit Kosten- und Zahlungswirkungen der Personalverwendungsalternativen erforderlich, um eine Wahl zwischen diesen Strategien zum Abbau von Personaltiberhăngen treffen zu ktinnen. Die dritte lnformationsbasis sind Flihigkeitsvektoren des Personals, Anforderungsvektoren und Besetzungsfristen der Stellen sowie Daten von sozialer Relevanz wie z. B. Entlassungsrestriktionen (vgl. Jakobs-Fuchs 1978, 105). Die dritte hăngt mit der ersten lnformationsbasis eng zusammen. Das Grundmode/1 der Personal.freisetzungsplanung beschreibt dessen Methodik als Ltisung eines Reihenfolgeproblems inftlnfSchritten: (1) Im ersten Schritt sind je Personalkategorie fiir verschiedene Planungszeitpunkte bis hin zum Planungshorizont Personalbestand und Bruttobedarf zu saldieren, um den Personaltiberhang zu ermitteln. Die Bedingungskonfiguration der Planung hat insofern Bedeutung, als reaktive Planung sehr kurzfristig erfolgen kann und somit gute Planbarkeit wie bei Konstanz oder stetiger Entwicklung von Unternehmungsumfeld und -struktur gegeberi ist. Reaktive Freisetzungsplanung kann bei Auftreten von unvorhersehbaren Strukturbrtichen notwendig werden, weil fiir antizipative Freisetzungsplanung keine Zeit mehr bleibt. Antizipative Freisetzungsplanung setzt in Abhăngigkeit von den Per-

292

sonalverwendungsalternativen eher lăngere Planungsvorlăufe und damit gute Planbarkeit wie bei Konstanz oder stetiger Entwicklung von Unternehmungsumfeld und -struktur voraus. (2) Der zweite Schritt der Personalfreisetzungsplanung besteht darin, unter den denkbaren Personalverwendungsalternativen die sozial und okonomisch zultissigen sowie in der Planungssituation wăhlbaren und durchfiihrbaren zu bestimmen. (3) Der dritte Schritt besteht in der Bestimmung von Voraussetzungen, sozialen Folgen und Kosten oder Auszahlungswirkungen zulassiger und wăhlbarer Strategien. (4) Der vierte Schritt besteht in der Entscheidung zwischen den zulăssigen und wăhlbaren Verwendungsalternativen. Diese Entscheidung kann nach folgender, erster Entscheidungsregel getroffen werden: Hinsichtlich der negativen sozialen Folgen einer Verwendungsalternative miissen Anspruchsniveaus eingehalten oder unterschritten werden. Dann ist die kosten- oder barwert- bzw. kapitalwertminimale Verwendungsalternative zu wăhlen. In den Kosten bzw. Auszahlungen sollten auch die Transaktionskosten mit erfasst werden, soweit sie quantifizierbar sind. Wegen der Verkniipfung von sozialen Folgen und Kosten bzw. Auszahlungen ist diese Entscheidungsregel formal ăquivalent ihrer Umkehrung zur zweiten Entscheidungsregel: Die Einhaltung eines vorgegebenen, "tragbaren" Kosten- oder Barwert- bzw. Kapitalwertniveaus wird kombiniert mit maximalem Abbau negativer sozialer Folgen. Die zweite Entscheidungsregel bietet bei Existenz von Liquidităts- oder Ertragsengpăssen Vorteile, wăhrend die erste Entscheidungsregel fiir ertragsstarke Unternehmungen geeigneter ist, wenn die Anspruchsniveaus hocli gesetzt werden. (5) Zur lmplementation der Personalfreisetzungsplanung alsjUnftem Schritt muss das betroffene Personal nicht.nur von den Freisetzungsplănen, sondern auch von den bei reaktiver sowie antizipativer Planung zur Wahl stehenden Verwendungsalternativen rechtzeitig informiert werden. Beteiligt man das betroffene Personal an der Entscheidung iiber die im Einzelfall zu wăhlende Personalverwendungsalternative, so wirkt dies vor allem bei antizipativen Freisetzungsplanungen akzeptanzfordernd. Wenn eine Auswahl unter dem freigesetzten Personal fiir Entlassungen getroffen werden muss, so haben die Auswahlkriterien objektiv zu sein sowie sozialen Kriterien der Betroffenen wie z. B. Alter, BetriebszugehOrigkeit oder Familienstand Rechnung zu tragen.

293 Wenn die auswahlrelevanten Daten in einem Personalinformationssystem(PIS) gespeichert sind, erleichtert dies die Auswahl der freizusetzenden Personen. Aufierdem konnen interne Umsetzungsstrategien durch ein PIS wirkungsvoll unterstiitzt werden (s. Teil I, 5.6.). Diese Unterstiitzungsfunktion kann durch betriebliche Mitbestimmung eingeschrănkt werden (s. Teil I, 5.6.8.).

4.3.2. Personalverwendungsalternativen bei reaktiver Freisetzungsplanung 4.3.2.1. Die Personalverwendungsalternativen im Uberblick Bei reaktiver Personalfreisetzungsplanung, die bei Auftreten unvermuteter Beschăftigungskrisen durch Disposition der Personaliiberhănge ersetzt werden muss (vgl. Drumm 1983, 46), stehen nur sechs Verwendungsalternativen zur Verfiigung. Es sind dies (1) (2) (3) (4)

der Abbau von Oberstunden, falls vorhanden, sowie Kurzarbeit, die Entlassung, die Entlassung mit Outplacement-Beratung, die Entlassung mit Attitiiden-Strategien zum Abbau von Bindungswirkungen und intemalisierter Motivation, (5) die Entlassung mit Reaktivierung des Verlagsmodells sowie (6) die Umsetzung, falls kurzfristig und ohne Umschulungsaufwand realisierbar.

Diese Verwendungsaltemativen sind nun zu erlăutem.

4.3.2.2. Abbau von Uberstunden und Kurzarbeit Der Abbau von Oberstunden kann nur in Untemehmungsbereichen ohne Personaliiberhang durch Umverteilung der Oberstundenlast in Bereiche mit Personaliiberhang und Unterbeschăftigung stattfinden. Voraussetzung ist die Umverteilbarkeit der Arbeit aufgrund von Teilbarkeit der Arbeit und gleicher Qualifikation des Personals in den Untemehmungsbereichen mit Ober- und Unterbeschăftigung. Aufgrund dieser restriktiven Voraussetzungen ist die Anwendbarkeit der Strategie begrenzt. Eine quantitative Begrenzung ergibt sich dadurch, dass das Zeitbudget der Oberstundenlast geringer als die durch Unterbeschăftigung entfallene Zeit sein kann. Soziale Folgen lăsst diese Strategie nicht erwarten. Kosten- und Auszah-

294 lungswirkungen ergeben sich nur durch die Arbeitsumverteilung. Bei Fehlen von Oberstunden ist die ăquivalente Personalvenvendungsaltemative die Ktirzung der Arbeitszeit.

4.3.2.3. Entlassungen Entlassungen sind an rechtliche und i:ikonomische Voraussetzungen gekniipft. Die rechtliche Voraussetzung besagt, dass die ihnen vorausgehende Kiindigung nicht sozial ungerechtfertigt ist. Dies ist, wie § 1 KSchG festschreibt, dann der Fall,

-

-

wenn die Kiindigungsgriinde nur in der Person oder im Verhalten eines Beschăftigten liegen oder ausschlie.Blich betrieblich etwa durch anhaltenden Beschăftigungsriickgang bedingt sind, wenn die Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG beachtet worden sind, wenn in der Untemehmung keine andere Weiterbeschăftigungsmi:iglichkeit :fiir einen zu kiindigenden Mitarbeiter besteht und wenn bei der Auswahl des :fiir eine Kiindigung aus rein betrieblichen Griinden freigesetzten Personals soziale Gesichtspunkte angemessen beachtet worden sind.

Femer muss nach § 102 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat jede Kiindigung begriindet werden, gegen die dieser dann nach Abs. 2 Bedenken vortragen kann; nach Abs. 3 hat der Betriebsrat ein zeitlich befristetes, aufschiebendes Widerspruchsrecht, wenn die Kiindigung sozial ungerechtfertigt ist. Die Kiindigung wird gilltig, wenn der Betriebsrat die Widerspruchsfrist ungenutzt verstreichen lăsst. Bei Widerspruch kann erst eine arbeitsgerichtliche Entscheidung klăren, ob das Arbeitsverhăltnis weiter besteht oder nicht. Bei umfangreicheren geplanten Entlassungen, sogenannten Massenentlassungen, schreibt § 17 Abs. 1 KSchG vor, dass nach Oberschreiten einer betriebsgro.Benabhăngigen Hi:ichstzahl von Entlassungskandidaten je 30 Kalendertagen das zustăndige Arbeitsamt informiert werden muss. Umfangreiche Entlassungen werden dann, au.Ber bei fristlosen Entlassungen, nach § 18 KSchG erst mit Zustimmung des Landesarbeitsamts wirksam. Diese Zustimmung kann durch Strecken des Entlassungsvorgangs umgangen werden. Die okonomischen Voraussetzungen der Personalfreisetzung sind bereits zuvor (s. Teil II, 4.2.) als deren Griinde genannt worden. Man erkennt, dass die rechtlichen

295 Voraussetzungen der Entlassung die Geltung okonomischer Freisetzungsvoraussetzungen einschrănken konnen. So konnen z. B. Entlassungen in der Reihenfolge steigender BetriebszugehOrigkeit dazu.fuhren, dass Personal unabhiingig von seiner Qualifikation oder sogar im Widerspruch zu seiner Qualiflkation entlassen wird. Transaktionskosten der Fehlsteuerung sind die nahezu zwingende Folge.

Zum Kilndigungsschutz vor allem fiir ăltere Arbeitnehmer treten neben die Vorschriften von KSchG und BetrVG noch ergiinzende Vereinbarungen in Tarifvertră­ gen.Entlassungen sind somit eine schlechte Strategie, die nur dann Alternative der Wahl sein sollte, wenn die Existenz einer Unternehmung nur noch durch den Ahbau von Vergiitungen gesichert werden kann. Dieser Abbau ist die wichtigste posi-. tive CJkonomische Wirkung, die aher durch Sozialplanzahlungen (s. Teil II, 4.3.4.) reduziert werden kann. Bei ihrer Entlassungsentscheidung sollte die Unternehmung deren personliche und soziale Folgen fiir die betro:ffenen Arbeitnehmer antizipieren und auszugleichen versuchen: Wie eiile ăltere empirische Studie zeigt, steigt die Wiederbeschăfti­ gungschance von Entlassenen mit deren Qualiflkation. Letztere konnte in der Zeit der Arbeitslosigkeit durch Weiterbildung noch gesteigert werden (vgl. Witte/Servatius 1987, 7-10, 23-24, 34-35). Daran bat sich seither nichts geiindert. Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf flankierende Ma6nahmen zur Entlassung.

4.3.2.4. Entlassung mit Outplacement-Beratung Die Entlassung mit Outplacement-Beratung mildert die sozialen Entlassungsfolgen. Die Entlassungen planende Unternehmung sucht hier direkt oder mit Hilfe externer Berater die Kooperation mit anderen Unternehmungen, um diese zur Aufnahme des zu entlassenden Personals zu veranlassen (vgl. Lingenfelder/Walz 1988, 136-137). Wenn dies gelingt, kann die entlassende Unternehmung das zu entlassende Personal auf die Entlassung vorbereiten und zu den durch Kooperation erschlossenen neuen Beschăftigungsmoglichkeiten beraten (vgl. Mayrhofer 1987, 150). Andere Ziele der Kooperation sind eher nebensăchlicher Art. Nennenswerter Beratungs- und Kooperationsaufwand fălit bei reaktiver Freisetzungsplanung mit Outplacement auller fiir das Honorar eines externen Outplacement-Beraters kaum an (vgl. Mayrhofer 1987, 160-161; Lingenfelder/Walz 1988, 137), und Sozial-. planverpflichtungen konnen reduziert werden. Eine Kombination von Outplacement-Beratung und zeitlich begrenzter Umschulung durch den ehemaligen Arbeitgeber ist moglich und sinnvoll.

296 4.3.2.5. Entlassung mit Attitiiden-Strategien Die Entlassung mit AttitiJden-Strategien versucht lediglich, Bindungen an den bisherigen Arbeitgeber abzubauen. Dies kann fairerweise nur dadurch geschehen, dass dem freizusetzenden Personal die Aussichtslosigkeit von Weiterbes;;hăftigungser­ wartungen deutlich gemacht wird- nicht, indem man es hinausekelt. Das freizusetzende Personal soli dadurch motiviert werden, sich aufierhalb der Unternehmung nach Beschăftigungsalternativen umzusehen. Finanzielle Auswirkungen dieser Strategie sind nicht erkennbar, soziale Auswirkungen eber bei - ktindigungsgeschiitzten - ălteren als bei jungeren Mitarbeitern zu erwarten. Eine Kombination mit der Outplacement-Beratung und Aufuebungsvertrăgen ist mtiglich und sinnvoll.

4.3.2.6. Entlassung in Kombination mit dem Verlagsmodell Die Entlassung mit Reaktivierung des Ver/agsmodel/s besteht darin, dass der zu entlassende Arbeitnehmer zwar aus der Unternehmung ausscheidet, aber weiter auf Provisionsbasis, gegen einen Stiicklohn oder ein Auftragshonorar fur den ehemaligen Arbeitgeber arbeitet. Im historischen Ver/agsmode/1 beschăftigte der Unternehmer Heimarbeiter, denen er Material und Arbeitsmittel zur Verfugung stellte und einen Stiicklohn zahlte. Analog bliebe die Bereitstellung von Arbeitsmitteln und Arbeitsmaterialien Aufgabe des ehemaligen Arbeitgebers, der damit das Beschăftigungsrisiko weitgehend auf den ehemaligen Arbeitnehmer iiberwălzt. Eine vergleichbare Ltisung ktinnte in der kapazitătsorientierten variablen Arbeitszeit gesehen werden (s. Teil 1, 6.3.2.}, fur die allerdings aufier Leistungslohn auch Soziallohn gezahlt wird (s. Teil III, 6.3., 6.5.): Unabhăngig von Sozialplanverpflichtungen bat das Verlagsmodell wegen der Risikotiberwălzung und Vergtitungsreduktion tikonomische Vorteile fur die Unternehmung. Die Vorteile dieser Strategie werden aber gleichzeitig zu tikonomischen und sozialen Nachteilen fur die entlassenen Arbeitnehmer. Eine bereits seit lăngerem praktizierte Variante dieser Strategie ist die Te/earbeit des Entlassenen als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis am Computer oder Schreibsystem in der Privatwohnung (vgl. Farthmann 1984). Diese Variante reduziert den Zwang zur Mobilităt von Arbeitskrăften, da Telearbeiter und Auftraggeber an beliebigen Orten residieren ktinnen. Ftir wen dies Vor- oder Nachteil ist, hăngt von den Bedingungen des Einzelfalls ab.

297 4.3.2. 7. Umsetzung Die Umsetzung von Personal ist nur dann moglich, wenn zum Freisetzungszeitpunkt andere Stellen mit gleichem oder ăhnlichem Anforderungsprofil vakant sind oder werden. Weichen die Anforderungsprofile der freigesetzten und der vakanten Stellen erheblich voneinander ab, so wird bei positiver Differenz die Hoherqualifikation des freigesetzten Personals notig. Die Qualiftkationsdauer hăngt von der Hohe der Differenz ab. Bei negativer Differenz wird die sozial und motivational ungiinstige lnkaufnahme der Oberqualifikation des freigesetzten Personals in der neuen Stelle erforderlich.

4.3.2.8. Durcbsetzbarkeit und Freisetzungsvolumen Insgesarnt ist somit uniibersehbar, dass die Zahl der Verwendungsaltemativen fur freigesetztes Personal bei reaktiver Planung nicht nur gering ist, sondem auch sozialen Zielen der Untemehmung kaum geniigt. Hinzu kommt, dass nach Beobachtungen der DSAG bei reaktiven Verwendungsaltemativen der Durchsetzungsaufwand eber hoch ist, die freisetzbaren Persona/mengen jedoch eber gering sind. Abb. II. 9. zeigt dies in Anlehnung an eine Auswertung von Freisetzungen durch dieDSAG.

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Durchsetzungsaufwand Abb. IL 9. Freisetzungsmenge und Durchsetzungsaufwand bei reaktiven Verwendungsalternativen

298 4.3.3. Personalverwendungsaltemativen bei antizipativer Freisetzungsplanung 4.3.3.1. Die Personalverwendungsaltemativen im Uberblick Bei antizipativer Freisetzungsplanung stehen aliller den bei reaktiver Planung wăhlbaren zwo/f Personalverwendungsalternativen grundsătzlich zur Verfiigung. Es sind dies: (1)

die Nutzung natiirlicher Fluktuation mit Einstellungsstopp oder verzogerter

Stellenbesetzung, (2) die Fluktuationsforderung durch Nichtverlăngerung von Zeitvertrăgen, Aufhebungsvertrage und vorzeitigen Ruhestand, (3) die Mobilitătsforderung durch Quali:fikationsoffensiven, (4) die Riickfiihrung in private, selbstăndige Existenzen, (5) das Placement, (6) die Leiharbeit nach schwedischem Vorbild, (7) der Langfristurlaub und (8) die Umsetzung von Personal aus freigesetzten in vakante Stellen, gegebenenfalls mit Anpassungsentwicklung oder Umschulung direkt oder indirekt iiber (9)

Umsetzungssequenzen, Absenkung der individuellen Arbeitszeit zur Vermeidung von Freisetzungen.

Mehrproduktunternehmungen und erst recht Unternehmungen mit Geschaftsbereichsorganisation stehen noch drei weitere Personalverwendungskategorien zur Verfiigung: (10) Die Umsetzung von Personal aus freigesetzten Stellen in schrumpfenden Unternehmungsbereichen auf vakante Stellen in wachsenden Unternehmungsbereichen, gegebenenfalls mit Anpassungsentwicklung oder Umschulung direkt oder indirekt iiber Umsetzungssequenzen. Formal unterscheidet sich diese Verwendungsalternative nicht von (8). Die Unterschiede sind eber inhaltlicher Art, da die Unterschiede zwischen funktional ăhnlichen Tătigkeitsfeldern in verschiedenen Geschăftsbereichen kleiner als innerhalb eines Geschaftsbereichs zwischen verschiedenen funktionalen Tătigkeitsfeldern sind. (11) Management-Buy-out als Verwendungsalternative fiir ganze Unternehmungen oder Unternehmungsteile unter Stilllegungs- oder Liquidationsdrohung, Verkauf von Unternehmungsbereichen. (12) Die Aufstellung von Beschăftigungsplănen und die Griindung von Beschăfti­ gungsgesellschaften.

299 Diese Personalverwendungsalternativen sind nun zu Freisetzungsstrategien bezeichnet werden.

erlăutern.

Sie konnen auch als

4.3.3.2. Natiirliche Fluktuation Nutzung natilr/icher- Fluktuation mit Einstellungsstopp setzt als Personalverwendungsalternative Transparenz der vakant werdenden Stellen voraus. Ursachen von Vakanzen sind vor allem Kiindigungen, Arbeitsunfahigkeit, Pensionierung oder Tod von Mitarbeitem. Haben vakante und freigesetzte Stellen unterschiedliche Aufgaben, so muss ein Umsetzungsprozess des freigesetzten Personals zwischen diesen Stellen gemăfi den Strategien (8) oder (10) stattfinden. Der Einstellungsstopp ersetzt externe durch interne Personalbeschaffung und erleichtert so die Absorption freigesetzten Personals. Dem Einstellungsstopp verwandt wăre das Hinauszogern der Wiederbesetzung von vakant gewordenen Stellen. Die Wirkung dieser Strategie hăngt bei Pensionierungen von der Altersstruktur und bei Kiindigungen von der Lage auf dem Arbeitsmarkt ab: Mit zunehmender Verknappung des unternehmungsexternen Arbeitskră:fteangebots wird eine Kiindigung durch den Arbeitnehmer wahrscheinlicher - und umgekehrt.

Die Absenkung der personlichen Arbeitszeit, also de facto Kurzarbeit, ist problemlos, wenn im Rahmen der Flexibilisierung von Periodenarbeitszeit Arbeitszeitkonten gefiihrt werden. Deren positive Salden - soweit vorhanden - konnten dann gegen Kurzarbeit verrechnet werden (s. Teil I, 6.3.6.). Okonomische Wirkungen konnen dann auftreten, wenn die in der Unternehmung verbleibenden, freigesetzten Mitarbeiter den Entlassungsverzicht der Unternehmung· anerkennen und motivations-steigernd verarbeiten. Wirkungen auf Kosten und Auszahlungen treten bei Kiindigungen durch Wegfall der Vergiitung auf, bei Invalidităt, Pensionierung und Tod durch Wegfall der Differenz zwischen Vergiitung und Betriebsrente. Soziale Wirkungen konnen durch einen hOheren oder niedrigeren Status der vakanten Stelle und durch eine tătigkeitsbedingte Verănderung der Vergiitung ausgelost werden.

4.3.3.3. Fluktuationsfc:irderung Fluktuationsforderung durch Nichtverlangerung van Zeitvertragen ist als Strategie nur bei Existenz dieses Arbeitsvertragstyps in der Unternehmung wăhlbar. Au.Berdem ist nur eine einmalige Verlăngerung moglich, ohne dass der Typus des Kettenarbeitsvertrags mit erschwerten Kiindigungsmoglichkeiten entsteht. Die sozialen

300

Wirkungen hăngen vom Einzelfall ab. Wirkungen auf Kosten und Auszahlungen entstehen durch Wegfall der Vergiitung. Aujhebungsvertrage mit Zustimmungspflicht gewăhren dem Mitarbeiter eine Abfindung, falls er sein Arbeitsverhăltnis kiindigt und der Arbeitgeber dieser Kiindigung auch zustimmt. Durch die Zustimmungspflicht soli verhindert werden, dass besonders qualifiziertes Personal kiindigt, die Abfindung mitnimmt und sofort einen neuen Arbeitsvertrag bei einer anderen Untemehmung abschlieBt. Die Wirkung dieses Vertrags auf Akzeptanz und soziale Ziele hăngt von der Hohe der Abfindung ab. Diese Abfindung entfallt nur dann, wenn ein Mitarbeiter trotz Zustimmungsverweigerung bei seiner Kiindigung bleibt. Kosten und Auszahlungen werden durch Abfindung und entfallende Vergiitung bestimmt. Vorzeitige Pensionierung ist Teil der Lebensarbeitszeitstrategie in Form der bereits diskutierten Vorruhestandsmodelle und Flexibilisierungsansătze (s. Teil I, 6.4.). Sie kann zur Fluktuationsforderung erfolgreich eingesetzt werden. Voraussetzung ist die Zustimmung sowohl des betroffenen Mitarbeiters zur Pensionierung als auch diejenige des Arbeitgebers, falls ein Mitarbeiter den Wunsch nach vorzeitiger Pensionierung ăuBert. Voraussetzung ist femer eine rechtsschiefe Altersstruktur, die nennenswerte Freisetzungseffekte erwarten lăsst. Rechtsschief ist eine Altersstruktur dann, wenn der Anteil ălterer Arbeitnehmer von mehr als 55 Jahren hoch ist und so ein Pensionierungspotential bildet. Die sozialen Wirkungen dieser Strategie hăngen davon ab, wie gut sich die Bindung vorzeitig pensionierter Mitarbeiter an ihre bisherige Arbeit etwa durch Attitiiden-Strategien (s. Teil Il, 4.3.2.) abbauen lăsst. Gleitenden Modellen ist hier stets der Vorzug vor starren Modellen zu geben. Wirkungen auf Kosten und Auszahlungen treten nur inForm von Differenzen zwischen Vergiitung und Betriebsrente zuziiglich sonstigem Nachteilsausgleich auf. Ist diese Differenz gering, so wird die vorzeitige Pensionierung zu einer teueren Strategie der antizipativen Freisetzung.

Fiir alle Strategien der Fluktuationsforderung gilt das Gleiche wie fiir die Nutzung natiirlicher Fluktuation: Sind die durch Fluktuation vakant werdenden Stellen nicht identisch mit den freigesetzten Stellen, so miissen zusatzlich Umsetzungsprozesse gemăB den Strategien (8) und (9) gewăhlt werden.

301 4.3.3.4.

Mobilitătsfordenmg

MobilittitsflJrderung durch Qualifikationsoffensiven geht von der Idee aus, dass die freigesetzten Mitarbeiter nach einer Anhebung ihrer Qualifikation leichter ein neues Arbeitsverhăltnis finden. Mit dieser Strategie verkniipft ist also stets eine Entlassung oder Kiindigung, deren Folgen durch die Hoherqualifikation gemildert, wenn nicht sogar kompensiert werden sollen. Femer gilt die Prămisse, dass auch die hOher qualifizierten Mitarbeiter nicht mehr in der Untemehmung eingesetzt werden konnen. Voraussetzungen fiir die Wahl dieser Strategie sind Analysen (1) des Arbeitsmarkts zur Aufdeckung gesuchter Qualifikationen (s. Teil 1, 5.3.), (2) der Weiterbildungsfahigkeit und Lemfahigkeit des freizusetzenden Personals, (3) Bemiihungen um Outplacement-Beratung sowie (4) geniigend Zeit und finanzielle Mittel zur Durchfiihrung der Hoherqualifizierung. Die sozialen Wirkungen dieser Strategie sind schwer abschătzbar; zumindest bemiiht sich die Untemehmung um einen Abbau von Wiederbeschăftigungsrisiken. Wirkungen auf Kosten und Auszahlungen hăngen von Umfang und Dauer der Hoherqualifizierung ebenso ab wie davon, ob die Hoherqualifikation durch die Untemehmung selbst oder durch externe Dritte vermittelt wird. Zusătzlich ist auch hier wieder die entfallende Vergiitung anzusetzen.

4.3.3.5.

Selbstăndige

Existenzen

Die Uberftlhrung freigesetzten Personals in selbstandige private Existenzen mit gleitendem oder starrem Ubergang ist nur fiir solche freigesetzte Personen moglich, die ganzheitliche Leistungen selbstăndig zu erbringen vermogen. Diese Voraussetzung ist bei hochqualifiziertem eber als bei geringer qualifiziertem Personal erfiillt. Varianten bestehen in der Ausgrilndung mit Belieferung des ehemaligen Arbeitgebers durch den selbstăndig gewordenen Arbeitnehmer sowie im Abschluss von Beratungsvertragen ("Networking") zwisch(m ehemaligem Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Soziale Wirkungen dieser Strategien hăngen davon ab, in welchem Umfang der freigesetzte Mitarbeiter noch zu selbstăndiger Arbeit fahig ist und wel.che Hilfen ibm die freisetzende Untemehmung gibt. Die Wirkungen aufKosten und Auszahlungen hăngen von der Hohe der Differenz zwischen Vergiitung sowie Honorar oder Leistungsvergiitung zuziiglich finanzieller Hilfen der Untemehmung ab. Gewăhlt wurde diese Strategie in der Praxis vor allem im Bereich der Datenverarbeitung und Softwareproduktion, der Personal- und Organisationsberatung sowie der Technologieberatung.

302

4.3.3.6. Placement Placement besteht in der gezielten Unterbringung von freigesetztem Personal bei anderen Unternehmungen. Voraussetzungen fiir die Wahl dieser Strategie sind die Făhigkeit und Bereitschaft anderer Unternehmungen, freigesetztes Personal der betrachteten Unternehmung aufzunehmen sowie die Bereitschaft des freigesetzten Personals, die ihm angebotenen neuen Beschăftigungen auch anzunehmen. Diese Strategie wurde zu Beginn der 80er Jahre in der mineralolverarbeitenden Industrie erfolgreich praktiziert. Positive sozia/e Wirkungen dieser Strategie ergeben sich zum einen aus der relativen Sicherheit des Arbeitsplatzes - wenn auch bei einer anderen Unternehmung. Wenn Voraussetzungen dieser Strategie Fortbildung und Umschulung sowie Mobilităt in andere Regionen sind, konnen Făhigkeits- und Mobilitătsbarrieren mit negativen sozialen Folgen wirksam werden. Die Wirkungen auf Kosten und Auszah/ungen hăngen vom Fortbildungs- und Umschulungsaufwand sowie von den finanziellen MaBnalunen der Mobilitătsforderung ab. Placement geht iiber die Outplacement-Beratung (s. Teil II, 4.3.2.4.) hinaus.

4.3.3. 7. Leiharbeit Leiharbeit nach schwedischem Vorbi/d ist auf den ersten Blick mit der Placementstrategie verwandt, gilt aber nicht lang-, sondern kurz- bis mittelfristig und ftihrt nicht zur Beendigung des Arbeitsverhiiltnisses. Im Leiharbeitsmodell verleiht die schrumpfende Unternehmung ihr freigesetztes Personal zeitlich begrenzt an wachsende Unternehmungen, ohne dass das bestehende Arbeitsverhiiltnis gelost wird (vgl. Targama 1983). Voraussetzungen fiir diese Strategie sind eine geeignete, gesetzliche Grundlage, wie sie aus § 1 Abs. 3 des Arbeitnehmeriiberlassungsgesetzes gefolgert werden kann, ferner die Existenz wachsender und aufnalunebereiter Unternehmungen, verwendungsfahige Făhigkeitspotentiale des freigesetzten Personals und das Fehlen von Mobilitătsbarrieren. Die sozialen Wirkungen sind ăhnlich denjenigen des Placements. Die Wirkungen auf Kosten und Auszah/ungen hăngen davon ab, inwieweit der Leihvertrag eine Uberwiilzung der Personalkosten von der freisetzenden auf die aufnehmende(n) Unternehmung(en) vorsieht. Erfahrungen der Lufthansa AG mit Leiharbeit fiir Piloten sind allerdings sehr positiv ausgefallen (vgl. Sommer 1994).

303

4.3.3.8. Langfristurlaub Langfristurlaub (Sabbatical; s. Teil 1, 6.4.2.1.) mit Htiherqualifikation und Riickkehrgarantie verschiebt als Personalverwendungsaltemative das Beschăftigungsproblem genau genommen in die Zukunft, nămlich auf den Tag des Wiedereintritts in die Untemehmung. Voraussetzungen sind daher cine befristete Freisetzung von Stellen und Stel/eninhabern sowie die Zustimmung und Existenzsicherung der begrenzt freigesetzten Mitarbeiter wăhrend des Langfristurlaubs. Sozia/e Wirkungen dieser Strategie sind schwer abschătzbar und hăngen stark von den Individualzielen der Betroffenen ab. Wirkungen auj Kosten und Auszahlungen bestehen im befristeten Wegfall der Vergiitung. Sie ktinnen durch Beihilfen zur Htiherqualifikation aher gegenlăufig beeinflusst werden.

4.3.3.9. Arbeitszeitverkiirzungen Die Absenkung der individuellen Arbeitszeit mit Lohnkiirzung in linearer Form oberhalb des garantierten Mindestlohns kann zwar zur Reduktion von Konkursrisiken beitragen. Sie kann jedoch soziale Hărten ausltisen. Weitaus eleganter ist die Fiihrung von Arbeitszeitkonten mit Verrechnung von Arbeitszeitverkiirzungen gegen vergangene oder zukiinftige Mehrarbeit.

4.3.3.10. Umsetzungsstrategien Umsetzungsstrategien sind an mehrere Voraussetzungen gebunden: Es muss (1) Transparenz vakanter und freigesetzter Stellen gegeben sein, (2) die Zahl vakanter Stellen muss grti.Ber oder gleich derjenigen freigesetzter Stellen sein, und es miissen (3) Mtiglichkeiten zum Ausbau der Făhigkeitspotentiale des betroffenen Personals existieren. Die direkte Umsetzung auf weitgehend identische Stellen ist unproblematisch. Probleme entstehen erst bei Existenz von Anforderungsbarrieren zwischen vakanten und freigesetzten Stellen, die nicht mehr durch Anpassungsfortbildung oder Umschulung des freigesetzten Personals iiberwunden werden ktinnen (vgl. Drumm 1983b, 44-45). Eine direkte Umsetzung aus freiwerdenden in vakante Stellen scheitert dann.

Die direkte Umsetzung muss dann durch Umsetzungssequenzen so ersetzt werden, dass freigesetztes Personal auf Stellen versetzt wird, deren Anforderungen durch Anpassungsfortbildung oder Umschulung des freigesetzten Personals noch abge-

304

deckt werden konnen. Mit den nun ihrerseits freigesetzten Mitarbeitem muss analog verfahren werden. Die Umsetzungssequenz endet mit der Besetzung der vakanten Stellen. Die Planung von Umsetzungssequenzen kann durch Einsatz einer Personaldaten- und einer Stellenbank erleichtert werden. Die Lemfahigkeit des von Umsetzungssequenzen betroffenen Personals bestimmt die Hohe der zulăssigen Anforderungsdivergenz zwischen zwei Stellen. Da Lemfahigkeit jedoch nur schwer abschătzbar ist, muss·fiir die Reihenfolge der Stellen in einer Umsetzungssequenz das Ziel der Minimierung von allen Anforderungsdivergenzen gelten. Zwar sind Umsetzungssequenzen eine elegante Strategie antizipativer Freisetzungsplanung, die jedoch zu unzulăssigen Losungen bei uniiberbriickbaren Anforderungsdivergenzen oder sozialer Unzumutbarkeit der Umsetzung fiihren kann. Aufierdem setzt diese Strategie groBere Stellenpotentiale voraus, die typisch fiir mittlere und groBe, kaum jedoch fiir kleine Untemehmungen sind. Soziale Wirkungen der Umsetzungsstrategien konnen sich einerseits aus der relativen Sicherheit des Arbeitsplatzes, andererseits aus Făhigkeitsbarrieren ergeben, die durch Fortbildungs- und Umschulungsprozesse zu iiberwinden sind. Fortbildung und Umschulung bestimmen auch die Wirkungen auf Kosten und Auszahlungen. Ergănzend kommen Vergiitungsdifferenzen hinzu, wenn aus sozialen Griinden bei Umsetzungen keine Reduktionen, sondem nur Anhebungen der Vergiitungen vorgenommen werden konnen. Der Zeitbedarf der Umsetzungsstrategien wird wie bei allen Strategien mit Anpassungsentwicklung oder Umschulung durch die Dauer der notwendigen Lemprozesse bestimmt. Der am lăngsten dauernde Lemprozess determiniert abhăngig vom Freisetzungszeitpunkt somit den Start dieser Personalverwendungsaltemative. Das Arbeitsf6rderungsgesetz (AFG) weist in § 3 Abs. 2 der Bundesanstalt fiir Arbeit die Aufgabe des Angebots und der Finanzierung von Berufsberatung, Arbeitsvermittlung, Forderung der beruflichen Bildung, der Rehabilitation sowie von Beitrăgen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplătzen zu. Bei Wahrnehmung dieser Aufgaben kann die Bundesanstalt durch finanzielle Beihilfen vor allem antizipative Personalverwendungsaltemativen von Unternehmungen erleichtem.

4.3.3.11. Management-Buy-out

Management-Buy-out ist keine Personalverwendungsalternative im hier verstandenen Sinn, sondem eine Weiterfiihrungsaltemative fiir sti111egungsbedrohte Untemehmungsteile oder liquidationsbedrohte ganze Untemehmungen. Bei Wahl die-

305 ser Alternative konnen Entlassungen nach Freisetzung allerdings begrenzt werden. Die Idee des Management-Buy-out ist einfach: Stillegungsbedrohte Unternehmungsteile oder liquidationsbedrohte Unternehmungen werden von deren Fiihrungskrăf­ ten - zu meist niedrigem Preis - gekauft. Diese Alternative ist ab etwa 1991 vor allem in den neuen Bundeslăndern praktiziert worden (IW 1992, Nr. 7, 4). Die Problematik dieser Alternative ergibt sich aus den Bedingungen der Obernahme von Unternehmungen oder Unternehmungsteilen: Eigenkapitalausstattung und Finanzierungsmoglichkeiten sind - in vielen Fallen - begrenzt. Allerdings ist der gleichzeitige Sanierungsbedarf hoch. Managementdefizite gefahrden zusatzlich diese Alternative (vgl. IW 1992, Nr. 7). Auch die Wahl dieser Alternative kann bestenfalls die Entlassung der Kernbelegschaft verhindern. Weiterverwendungsalternativen fiir das freigesetzte und zu entlassende Personal unter der Randbelegschaft konnen im Rahmen des Buy-out-Modells jedoch nicht oder nur begrenzt angeboten werden. Der Verkauf von Unternehmungsbereichen ist ebenfalls nur in weitem Sinn eine Personalverwendungsstrategie mit Abbau von Personalkosten. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Bestandssicherungsgarantie nach §613a BGB schrănkt bei Betriebsiibergang die Handlungsfahigkeit fiir neue Manager erheblich ein.

4;3.3.12.

Beschăftigungsplăne

und -gesellschaften

Beschiiftigungsp/ane und Beschaftigungsgese/lschaften sind nach franzosischen Vorbildern von der Praxis ab Mitte der 80er Jahre als Alternativen zur Entlassung von freigesetztem Personal entwickelt worden. Beschaftigungsplane enthalten drei konstitutive Elemente (vgl. Bosch 1990, 8): (1) Betriebliche Mittel fiir Sozialplăne und offentliche Mittel der Arbeitsverwaltung werden zur Weiterbeschăftigung und Umschulung oder Hoherqualifizierung von freigesetztem Personal verwendet. (2) In Um- und Hoherqualifizierungsma6nahmen werden alle freigesetzten Arbeitskrăfte vom angelernten Mitarbeiter bis zum Facharbeiter und zur Fachkraft einbezogen. (3) Die Bindung an den Betrieb wird aufrechterhalten, um eine Weiterqualifizierung vor allem motivational zu unterstiitzen.

Eines der drei Ziele der Weiterqualifizierung ist aus der Sicht der Unternehmung (1) die Vorbereitung einer Diversifikation des Leistungsprograrnms durch Au:tbau der dazu notwendigen Kenntnispotentiale (vgl. Bosch 1990, 13, 15). Die Weiterqualifizierung kann allerdings auch (2) zur Unterstiitzung von PlacementStrategien eingesetzt werden oder (3) Umsetzungen innerhalb der Unternehmung

306 vorbereiten. (4) Ein viertes Ziel ist die Weiterqualifizierung fur den anonymen Arbeitsmarkt. Das erste Ziel ist nur dann realisierbar, wenn die freisetzende und weiterqualifizierende Untemehmung mindestens strategische Plăne zur Diversifikation des Leistungsprograrnms ausgearbeitet bat, aus denen qualitative Personalbedarfsplăne (s. Teil II, 2.2.) abgeleitet werden konnen. Das zweite Ziel setzt qualitative Personalbedarfsplăne bei den aufnehmenden Untemehmungen voraus, um den Qualifikationsbedarf festlegen zu konnen. Dies gilt analog fiir das dritte Ziel. Das vierte Ziel sollte durch einen formalen Aus- oder Fortbildungsabschluss unterstiitzt werden. Die offentliche Finanzierung von Beschăftigungsplănen erfolgt ausnahmsweise durch Bildung von Fonds fiir Qualifizierungsma6nahmen (vgl. Bosch 1990, 44-45), in der Regel jedoch durch Einzelforderung von beruflicher Fortbildung und Umschulung nach dem Arbeitsforderungsgesetz (§§ 41-49 AFG). werden mit den gleichen Zielen und Merkmalen wie geschaffen. Allerdings wird die Weiterqualifizierung nicht innerhalb der freisetzenden Untemehmung, sondem in einer neu zu schaffenden, rechtlich selbstăndigen Gesellschaft durchgefiihrt (vgl. Bosch 1990, 91-92). Fiir das freigesetzte Personal besteht eine Doppelmitgliedschaft in der alten Untemehmung sowie in der neuen Ausbildungs- und Beschăftigungsgesellschaft, die z. B. als GmbH gefiihrt werden kann.

Beschăftigungsgesel/schaften Beschăftigungsplăne

Ober das Konzept der Beschăftigungsgesellschaft hinaus geht die Grtindung einer Institution, die freigesetztem und zu entlassendem Personal aus einer Hand neue berufliche Orientierungen durch Mhere Qualifikation und Umschulung, personliche Beratung, Outplacement-Beratung, Existenzgrtindungsberatung sowie Arbeitsmarktanalysen anbietet. Positive Erfahrungen mit diesem Konzept liegen vor (vgl. Kehlenbach/Stricker 1996, insbes. 402-404). Die Erfahrungen mit Beschăftigungsplănen und -gesellschaften sind gut gewesen (vgl. Bosch 1990, 175-177). Den Untemehmungen wurden Qualifizierungspotentiale fiir ihr Personal erschlossen. Fiir die freigesetzten Mitarbeiter wurden die Risiken der Entlassung und Arbeitslosigkeit reduziert. Was fur Sozialplăne gilt (s. Teil II, 4.3.4.), trifft allerdings auch auf die Qualifizierungsma6nahmen von Beschăftigungsplănen zu: Sie mussen durch die freisetzende Untemehmung finanzierbar sein. Schlechte Ertragslage der betroffenen Untemehmung und eine gesamtwirtschaftlich ungtinstige Konjunktur gefahrden oder vereiteln diese Verwendungsaltemative fur freigesetztes Personal.

307

4.3.3.13. Durchsetzbarkeit und Freisetzungsvolumen Durchsetzungsaufwand und Freisetzungsvo/umina sind nach den Befunden der DSAG bei antizipativen Verwendungsaltemativen nur zum Teil vorteilhafter als bei reaktiver Vorgehensweise. Abb. II. 10. zeigt dies in Anlehnung an eine Auswertung der DSAG.

1 Nutzung natorticher Fluktua-

..t::

u

o

O.

sieh aus dem Ausdruek F; ablesen, dass un-

ter mehreren Aktionen i diejenige gewiihlt wird, fiir die F; den hOehsten Wert erreieht. Die Theorie von Vroom hat starke Beaehtung gefunden, und ihre Grundannahmen sind in versehiedenen empirisehen Untersuehungen gut gesrutzt worden (vgl. Neuberger 1974, 91-92; von Rosenstiel 1975, 172-173; Heckhausen 1989, 186-187;

458 Sherman/Bohlander/Chruden 1988, 300-301). Die Theorie Vrooms kann zumindest fiir rationales, okonomisches Verhalten aufgrund ihrer typischen finalen Mittel-Zweck-Beziehung alIgemeine Geltung beanspruchen. Die Theorie ist komplex, bildet Verhaltensursachen formal iiberzeugend ab und ist grundsătzlich iiberpriifbar. Die Kritik der Theorie muss an der Bestimmung ihrer Variablen und an ihren impliziten Prămissen ansetzen. Die Bestimmung von Vk,ljbEij';; und fj ist vollig offen und durch subjektive Schătzungen 'alleine nicht befriedigend zu bewăltigen. Zu den angreifbaren Prămissen der Theorie gehOrt, dass fiir alle lndividuen Nutzenmaximierung als ZieI unterstelIt wird und dass Werthaltungen zwar explizit unberiicksichtigt bleiben, implizit jedoch in den 1jk enthalten sind. Offen bleibt femer der Rang der Ergebnisse oder Ziele k. Es konnen ranghohe, "letzte" Ziele ebenso wie rangniedrige Ziele sein. Die unk1are Zielbeziehung zwischen den Ergebnissen j und k wird dann nur durch ljk iiberbriickt. Offen bleibt femer, wie die konkrete Situation, in der eine Aktion i gewăhlt werden kann, auf ~,lJk>Eij und F; wirkt. Neuberger weist schlie61ich noch darauf hin, dass eine hohe Stabilităt von Konstrukten wie ~·,ljk und F; wenig wahrscheinlich ist (1974, 93). Erklărungskraft gekoppelt mit Inoperationalităt sind somit die wesentlichen Eigenschaften dieser Theorie. Sie gibt dem Vorgesetzten wiederum keine prăzise Antwort auf die Frage, wie er einen konkreten Mitarbeiter in einer bestimmten Situation motivieren kann oder solI.

2.3.4. Die Motivationstheorie von Lyman W. Porter und Edward E. Lawler m Porter und Lawler haben 1968 eine Motivationstheorie vorgestelIt, die den Erwartungswert-Gedanken der Theorie von Vroom aufgreift und ausbaut (vgl. 1968, 1631, 159-172). Die Grundidee dieser Theorie lăsst sich so nachzeichnen, dass bestimmte Belohnungen anhand der durch sie ausgelosten Befrieqigung bewertet werden. Die Belohnung wird fiir Leistung gewăhrt, die das Ergebnis von Anstrengung und der Wirkung situativer Variablen (Făhigkeiten, Rollenverstăndnis) sind. Der Anreiz zur Anstrengung hăngt dann vom Wert der Belohnung und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts (Instrumenta1ităt) ab. Die Theorie von Porter und Lawler ist daher ihrerseits ebenfalIs als VIE-Theorie zu werten, auch wenn dies in einschlăgigen Ubersichten (z. B. Hoyos 1981,93) nicht geschieht. Diese Theorie arbeitet mit neun Variablen:

459 (1) Der Wert oder Nutzen einer Belohnung wird subjektiv und damit individuell verschieden gesehen. Er hăngt von der Situation ab, in der sich das Individuum befindet. Der Nutzen hăngt von dem Grad der Befriedigung ab, die eine Belohnung im Hinblick auf ein oder mehrere Bediirfnisse bietet. (2) Es existiert eine subjektive Wahrscheinlichkeit dafiir, dass eine bestimmte Belohnung als Folge einer Anstrengung des Individuums zu richtigem Handeln gewăhrt wird. Diese Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Erwartung (Wahrscheinlichkeit), dass erstens Belohnungen von Leistungen abhăngen und dass zweitens Leistungen durch Anstrengung zustande kommen. Leistungsanstrengungen unterbleiben umso eher, je weniger die Belohnung von der Leistung abhăngt. (3) Anstrengung gibt das Bemiihen eines Individuums in einer Situation wieder, eine bestimmte Aufgabe zu erledigen lijld so etwas zu leisten. Anstrengung (effort) sehen Porter und Lawler als zentra1e Variable ihrer Theorie an. Motivation wird als Kombination von Belohnungswert und Belohnungswahrscheinlichkeit nach einer Anstrengung interpretiert. Nicht die Leistung ist wichtig, sondern das Bemiihen um Leistung. (4) Ft'ihigkeiten und Pers6nlichkeitsmerkmale werden als kurzfristig relativ konstanter Input gesehen, der zusammen mit der Anstrengung Leistung bewirkt. Man konnte auch von der Eignung zur Leistung sprechen. (5) Die Wahrnehmung der eigenen Rolle gibt dem Individuum Hinweise auf die Richtung der Anstrengung, um Leistung und Erfolg zu erreichen. Das Rollenbeeinflusst also die Art der Anstrengung, die das Individuum untemimmt, um eine Leistung zu erbringen. Leistung wird daran gemessen, wie erfolgreich das Individuum seine Rolle durch ein bestimmtes Verhalten verwirklicht hat, wie erfolgreich es also seine Aufgaben gelost hat. Leistung hăngt somit ab von Anstrengung, Eignung und Rollenverstăndnis des Individuums. Belohnungen sind wiinschenswerte Zuwendungen, die das Individuum erhăIt und die seine Bediirfnisse befriedigen. Belohnungen konnen als extrinsische Belohnung durch Dritte gewăhrt werden. Sie konnen aber auch als intrinsi-

verstăndnis

(6)

(7)

sche Belohnung nur Ergebnis des Nachdenkens sein, so wie etwa die Freude iiber eine richtige Sch1ussfolgerung oder eine neue Erkenntnis. (8) Die Vorstellung von der Angemessenheit einer Belohnung hăngt von den Erwartungen des Individuums ab, wie eine bestimmte Leistung belohnt werden sollte. Man konnte auch vom Anspruchsniveau der BelohnungshOhe sprechen. (9) Bejriedigung entsteht durch Vergleich zwischen Anspruchsniveau und tatsăch1icher Hohe einer Belohnung. Die Befriedigung sinkt mit steigender Dif-

460 ferenz zwischen Anspruchsniveau und tatsăchlicher, niedrigerer Hohe der Belohnung - und umgekehrt. Abb. liI. 3. zeigt noch einmal alle 9 Variablen und die zwischen ihnen angenommenen Zusammenhănge im Lichte der empirischen Befunde (porter/Lawler 1968, 165).

wahrgenommene Wert der Belohnung

t~

Făhigkeiten

und PersOnlichkeitsmerkmale

Anstrengung

Wahrschein\ichkeit der Belohnung

Abb.

m. 3.

-1~

~ angemessene

Leistung

Belohnung

intrinsische Belohnung .. Befriedigung extrinslschJ""" Belohnung

L

Rollenverstlindnis

Revidiertes Schaubild des theoretischen Modells von Porter und Lawler

Zum Zusammenhang zwischen den einzelnen Variablen nehmen Porter und Lawler an (vgl. 1968, 31-40), dass der Wert und die Wahrscheinlichkeit der Belohnung multiplikativ miteinander verknupft sind. Leistung steigt nur prinzipiell mit der Anstrengung; diese Funktion kann aber durch die intervenierenden Variablen der Eignung und des Rollenverstăndnisses erheblich gestort werden. Die Beziehunge!l zwischen Leistung und Belohnung sind keineswegs eindeutig und setzen Zurechenbarkeit der Leistung voraus. Andererseits hăngt das Anspruchsniveau der Belohnung auch von der Hohe der Leistung ab, so dass Befriedigung eine mehrfach abhăngige Variable ist. Die ·Ruckkopplung zwischen Befriedigung und Belohnungswert impliziert einen Lemprozess: Der Wert der Belohnung nimmt mit zunehmendem Grad der Befriedigung eines Bediirfnisses ab. Die Ruckkopplung zwischen Belohnungswahrscheinlichkeit und Leistungs-Belohnungs-Beziehung bildet einen Lemprozess ab, dass nămlich mehr Anstrengung zu hOherer Belohnung fiihren kann und umgekehrt. Lemeffekte dieser Art steuem somit die Belohnungserwartungen des Individuums. Als Kritik der komplexen Motivationstheorie von Porter und Lawler ist positiv zu sagen, dass sie eine gute formale Erklărung fUr den Prozess der Leistungsmotivation gibt. Die Motivationssituation wird explizit berucksichtigt. Insbesondere macht

461 die Theorie verstănd1ich, dass und warum Erwartungen Motivation bewirken und Verhalten steuem. Im Gegensatz zu Vrooms rein statischer Theorie ist sie dynamisch, weil sie Lemprozesse explizit mit einbezieht. Obwohl Porter und Lawler fUr jede Variable ein Messdesign angeben, bleiben Objektivităt und Reliabilităt der Messungen verbesserungsbediirftig. Offen bleibt auch, ob diese Theorie fUr jede Art von Bedtirfuis, von extrinsischer oder intrinsischer Belohnung oder von Leistung brauchbar ist. Welche Belohnungen wie wirken, wird von den Autoren nicht generell gesagt und im Wesent1ichen nur fUr das Arbeitsentgelt gepriift. Die Ruckkopplungen im Modell konnten von Porter und Lawler wegen fehlender Daten nicht uberpriift werden (1968, 166). Dass Rollenerwartungen die Motivation beeinflussen, macht die Theorie sichtbar, nicht aber wie konkrete Rollenerwartungen und vor allem die Attraktivităt einer Rolle wirken. Ebenso bleiben Werthaltungen der Mitarbeiter unberucksichtigt. Allerdings macht das Modell Moglichkeiten jar instrumentelle Eingriffe in den Motivationsprozess sichtbar und wirkt deshalb heuristisch auf die Losung von FUhrungsproblemen (s. Teil III, 3.3.2.): Der Vorgesetzte muss (1) die Bedtirfuisse seiner Mitarbeiter kennen, um geeignete extrinsische Belohnungen anbieten zu konnen. Er muss (2) auf die Verfiigbarkeit und Angemessenheit der Belohnung abhiingig von der Leistung des einzelnen achten. Er muss (3) aufUbereinstimmung von Rollenerwartungen und Rollenverstăndnis sowie Anforderungen und Eignung achten, und er muss (4) Befriedigungs- bzw. Slittigungsniveaus bei relevanten BedUrfnissen seiner Mitarbeiter ermitteln, um die Anreizwirkung von Belohnungen zu sichem. Die VIE-Theorie von Porter und Lawler wirkt also in hohem Mall heuristisch. Operationale instrumentelle Hilfen zur Motivation von Mitarbeitem gibt sie allerdings nur begrenzt. Aufgrund ihrer komplexen Struktur und offenen Messprobleme ist eine empirische Priifung als Ganzes kaum zu erwarten. Dies gilt im Ubrigen, wie bereits Lattmann gezeigt bat (vgl. 1982, 173-174), auch fUr alle sonstigen Varianten von Erwartungswerttheorien.

2.3.5. Das erweiterte Motivationsmodell von Heinz Heckhausen Das "erweiterte Motivationsmodell" von Heckhausen fasst verschiedene VIE-Theorien der Leistungsmotivation zusammen und erglinzt sie zu einer komplexen Motivationstheorie des VIE-Typs mit dynamischen Lernkomponenten (vgl. 1980, 619627; 1989, 466-472). Eine erste Fassung des Modells ist 1977 vorgestellt worden

462 (Heckhausen 1977). Im Unterschied zu anderen VIE-Theorien hellt Heckhausen allerdings das theoretische Konstrukt "Anstrengung" (efIort) auf und begrenzt sein kognitives, rationales Modell auf zielgerichtetes Handeln (1989, 466-467). Heckhausen selbst hăIt sein Modelliediglich fUr einen Theorierahmen (vgl. 1980, 627628). Wie im Modell von Porter und Lawler ist Grundbaustein des Modells die Valenz, die als "Wert x Erwartung" definiert wird. Allgemein sind Valenzen komplexe Erwartungswerte, die z. B. einem Ergebnis oder einer Belohnung beigemessen werden. Sie sind SOinit Anreize fUr ein Individuum. Heckhausen unterscheidet allerdings zwischen einer Situationsvalenz, einer Handlungsvalenz und einer Ergebnisvalenz. Diese Valenzen geben den Beitrag von Situation, Handlung und Ergebnis zur Valenz der Folgen des Ergebnisses, z. B. der Valenz einer Belohnung, wieder. Die Grundidee des Modells besteht darin, dass eine bestimmte Belohnung fUr ein Ergebnis gewă1ut wird, das aus einer bestimmten Handlung in einer Situation hervorgeht. Situation, Handlung und Ergebnis sowie Belohnung werden durch ein Systern von Wahrscheinlichkeiten stochastisch miteinander verknupft. Bine erste Komponente des Motivationsprozesses besteht darin, das bewertete Ergebnis einer gegebenen Situation ohne eigenes handelndes Eingreifen zu bestimmen (Situationsvalenz). Eine zweite Komponente besteht darin, wăhlbare Handlungen zu beurteilen, die zu einem Ergebnis mit erwiinschten Folgen ftihren oder unerwUnschte Folgen ausschlieJ3en (Handlungsvalenz). In die Situations- wie die Handlungsvalenz wird zur Berucksichtigung von deren Wirkungen als Wertvariable die Ergebnisvalenz eingesetzt. Die Ergebnisvalenz ist gleich der Summe aller mit ihrer Instrumentalităt gewichteten Anreizwerte derjenigen Folgen, die ein Situationsoder ein Handlungsergebnis wahrscheinlich haben wird (vgl. Heckhausen 1989, 468). Als Folgen werden im Wesentlichen Fremdbewertung des Handelns mit Belohnungen verstanden. Es konnen aber auch Selbstbewertungen etwa der eigenen Tuchtigkeit oder Lemfăhigkeit die Folgen eines Ergebnisses sein. Instrumentalităt gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der ein bestimmtes Ergebnis zu bestimmten Folgen ftihrt. Der Anreizwert der Folgen ergibt sich aus ihrer Eignung, Bediirfnisse des Individuums zu befriedigen. Unter den vier Ereignisstadien des Mode/ls, namlich Situation, Handlung, Ergebnis und Folgen, ist das Handlungsergebnis die zentrale GrMe. Es hat selbst zwar keinen Anreizwert, beeirrflusst diesen aber nachhaltig uber die Ergebnisfolgen des Handelns.

463 Die Situations-Ergebnfs-Erwartung ist eine subjektive Eintrittswahrscheinlichkeit (S ~ SYMBOLE) fUr Ergebnis E in Situation S ohne eigenes Handeln. Die Handlungs-Ergebnis-Erwartung (FI SYMBOL~ E) verknlipft Hand1ung und Ergebnis liber eine weitere subjektive Wahrscheinlichkeit. Diese ist genaugenommen bedingt, weil sie die Existenz von Eignung voraussetzt. Die Handlungs-SituationsErgebnis-Erwartung (FI SYMBOL~ S ~SYMBOL E) verknlipft als diitte subjektive, ebenfalls bedingte Wahrscheinlichkeit Hand1ung, Situation und Ergebnis miteinander. Die Ergebnis-Folge-Erwartung (E ~SYMBOL F) meint die subjektive Wahrscheinlichkeit dafiir, dass ein bestimmtes Ergebnis auch bestimmt~ Folgen (Belohnungen) nach sich zieht. Abweichend von der ublichen Formulierung von Wahrscheinlichkeiten wird sie allerdings wie bei Vroom als Instrumentalitat (s. Teil III, 2.3.3.) zwischen -1 und +1 normiert. (E SYMBOL~ F) kann ebenso wie (S SYMBOL~ E) nicht durch eigenes Handeln beeinflusst werden. Abb. III. 4. zeigt diese Zusammenhănge (vgl. Heckhausen 1977, 287; 1989, 468). Durch die Formulierung der SE-, HE- und HSE-Wahrschein1ichkeiten wird das Ergebnis in dreifacher Form kausal mit seinen Einflussgro6en verknupft. Man kann jedoch Heckhausen so interpretieren, dass die zentrale HSE-Wahrscheinlichkeit leichter schătzbar ist, wenn man zuvor die SE- und die HE-Wahrscheinlichkeiten geschătzt hat. Uber die HE- hăngt die HSE-Wahrscheinlichkeit von den Anstrengungen ab, die das Individuum untemimmt, um E zu erreichen. Die Instrumentalitat ist bei Fremdbewertung ohne theoretische Hilfen nur schwer, bei Selbstbewertung

S -. E Erwartung

I Situation S

f-----+lHandlung H

1

IH-+ '----~

Abb.

m 4.

Ergebnis E

T

E Erwartung

H-+ S -+ E Erwartung

I

T

IE -+

Folge F

T

F Erwartun2

1

I

Instrumentalitlit

Der Motivationsprozess nach Heckhausen mit vier Arten von Erwartungen

zumindest besser abschătzbar. Selbstbewertung gelingt bei mittlerem Schwierigkeitsgrad der Aufgaben am besten, bei hohem. und niedrigem Schwierigkeitsgrad am sch1echtesten (vgl. Heckhausen 1989,468-469).

464 Vom Ergebnis der Selbstbewertung in einem Prozess hangt ab, wie man im năchst­ folgenden Prozess die HE-Wahrscheinlichkeit einschătzt. Misserfolge fiihren zu negativer, Erfolge zu positiver Selbsteinschătzung. Lemeffekte im Zuge der Selbsteinschătzung steuem somit neben der Wirkung von Fremdbewertungsanreizen die Bestimmung der HE- und HSE-Wahrscheinlichkeiten, und damit die Starke der Motivation zu Handlung H. Erhebliche Probleme wirft in diesem Teilprozess die Zurechnung von Erfolg (Ist-Ergebnis - Soll-Ergebnis) auf die eigene Anstrengung auf. Schwierig ist auch die Abschătzung, ob das Soll-Ergebnis als ZieI tiberhaupt erreichbar ist. Offensichtlich wirken konkrete Zielsetzungen etwa durch Vorgesetzte motivierender als pauschale Aufforderungen zu mehr Anstrengung. Dies gilt allerdings nur, wenn das Ergebnis auch vom handelnden Individuum beein:flussbar ist. Eine Kritik des Modells und der in ihm enthaltenen VIE-Theorie muss an der Operationalisierung der Modellvariablen ankntipfen. Heckhausen macht zwar einige zu seinem Modell. Mehr als einen Theorierahmen bietet das Modell aber nicht. Um den Rang einer instrumentellen Theorie einnehOperationalisierungsvorsch1ăge

men zu konnen, mtissten die wichtigsten Variablen des Modells objektiv und reliabel bestimmbar sein,

nămlich

die Valenzen und die subjektiven SE-, HE-, HSE-

Wahrscheinlichkeiten sowie die Instrumentalităt. Offen bleibt auch, welche Wirkungen Belohnungen bei Fremdbewertung auf einzelne Bedtirfuisse haben. Dies ist sozusagen die Voraussetzung fur die Antizipation von Valenzen durch Dritte, um geeignete Belohnungen bestimmen zu konnen. Auch die Art der relevanten Bedtirfuisse bleibt unberucksichtigt. Lediglich die Selbstbewertung und ihre Ergebnisse konnten implizit mit den Bedtirfnissen nach Anerkennung und Selbstverwirklichung verbunden sein. Das Machtmotiv taucht explizit an keiner Stelle auf. Bisherige Versuche zur Widerlegung oder Stutzung des Modells und seiner Theorie als Ganzes sind offensichtlich gescheitert (Hoyos 1981, 96), was angesichts von deren Komplexităt nicht tiberrascht. Wăhrend

das Modell den Motivationsprozess selbst formal konsistent

erklărt,

lie-

fert es nur wenige instrumentelle Hilfen zur Beein:flussung von Motivation. Zu diesen wenigen Hilfen gehOrt, dass der Mitarbeiter weder unter- noch tiberfordert werden sollte, um nicht Motivation zu vemichten. Wichtig ist femer die Einsicht, dass nicht nur die Fremdbewertung und Belohnung durch Bedtirfuisbefriedigung, sondem auch die Selbstbewertung Motivation beein:flussen. "Ober ihr Ergebnis kann der Vorgesetzte mit seinem Mitarbeiter zu sprechen versuchen. Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass sich das Individuum selbst Ziele setzt und zu erreichen versucht, indem es "entscheidungstheoretisch" vorgeht und zukiinftiges Handeln, be-

465 einf1ussende Umweltzustănde und Handlungsergebnisse sowie die mit Handlungsergebnissen verkniipften Belohnungenantizipiert. Der Vorgesetzte kann daher in den Motivationsprozess bei seinen Mitarbeitem in der Weise einzugreifen versuchen, dass er ihnen die Konsequenzen der von ihnen wiihlbaren Handlungsaltemativen unter verschiedenen situativen Bedingungen deutlich macht - sofem er dazu selbst in der Lage isi!

2.4. Zum Nutzen von Motivationstheorien Der Nutzen von Motivationstheorien hangt vom Zweck ab, den man mit ihnen verfolgt. Der Zweck ist fur Wissenschaftler und Praktiker unterschiedlich. Der Wissenschaftler will allgemeine Erklarungen fiir menschliches Verhalten finden. Er will auf dem speziellen Feld der Personalwirtschaft Erklarungsmodelle fiir das Verhalten von Mitarbeitem in Untemehmungen selbst entwickeln oder von anderen Wissenschaftsdisziplinen angeboten bekommen. Keine der Inhaltstheorien wird diesem Anspruch allein gerecht, weil jede nur Teilaspekte der Motivation unvollkommen oder teilweise sogar methodisch bedenklich erklart. Auch die Prozesstheorien geniigen - selbst in der noch relativ elegantesten Variante der VIE-Theorien - diesem Anspruch nur eingeschrănkt, weil ihre Variablen nicht oder zu wenig spezifiziert werden. Alle Theorien zusammen erganzen sich jedoch in der Weise, dass man einzelne Elemente von Inhaltstheorien widerspruchsfrei in Prozesstheorien integrieren kann (vgl. von Rosenstiel1975, 173-174). Der personalwirtschaftlich interessierte Wissenschaftler lemt aus diesen Theorien, dass Motivationsprozesse ganz offensichtlich von der Situation abhangen, auf Erwartungen aufbauen und durch Lemprozesse beeinf1usst werden. Zu den situativen Einf1iissen gehOren Art der Aufgaben und Anforderungen, die Eignung, die Klarheit der Ziele und die Beeinf1ussbarkeit von Handlungsergebnissen. Er lemt femer, dass die Erwartungen offensichtlich auf inhaltlich zu bestimmende Bediirfnisse und die Moglichkeiten zu ihrer Befriedigung gerichtet sind. Unterschiedlich erfolgreiche Teiltheorien konnen ihn zum Entwurf besserer und komplexerer Theorien zur Erklarung der Motivation von Mitarbeitem veranlassen. Die Inhalts- und mehr noch die Prozesstheorien haben daher hohen heuristischen Wert. Aus den Fehlem der Theoriegenese und vor allem der Theorieiiberpriifung kann der Wissenschaftler lemen, dass unterschiedliche Verhaltensaspekte herausgegriffen worden sind und dass verschiedene Methoden und unterschiedlich grofie Stichproben in Laborexperimenten oder Feldforschung auch zu unterschiedlichen Ergeb-

466 nissen fiihren. Motivation selbst und die Mehrzahl der zu ihrer Erklărung verwendeten Variablen sind theoretische Konstrukte, die keineswegs einheitlich verwendet worden sind (vgl. Neuberger 1974, 33) und wohl auch kaum einheitlich verwendet werden dtirften. Er lemt schlieBlich, dass der Schwachpunkt der meisten lnhaltsund Prozesstheorien ein unzureichendes Messdesign ist, das zur objektiven, reliablen und validen Uberprtifung von Motivationstheorien verbessert werden miisste. Dies sind nicht die Sorgen des Praktikers. Er erwartet von Motivationstheorien instrumentelle Hilfen bei der Fiihrung seiner Mitarbeiter. Die Mitarbeiter selbst konnen von Theorien Erklărungen fur das Fiihrungsverhalten ihrer Vorgesetzten erwarten. Diese Leistung erbringen Inhalts- und Prozesstheorien nur sehr eingeschrănkt. Mitarbeiterfiihrung auf der Grundlage von Motivationstheorien ist zwar wiinschenswert und befliigelt seit Iăngerem die wissenschaftlichen Bemiihungen auch von Fiihrungstheoretikem (vgl. z. B. Wunderer/Grunwald 1980a, Kap. F; Lattmann 1982, Kap. 6). Letzt1ich findet Mitarbeiterfiihrung jedoch im motivationstheoriefreien Raum statt. Kein Nutzen also fur die Praxis? Der Nutzen von Motivationstheorien besteht darin, dass Vorgesetzte mit ihren Mitarbeitem in Kenntnis von Motivationstheorien besser als ohne solche Kenntnisse zusammenarbeiten kOnnen. Erst die Kenntnis von Motivationstheorien befahigt den Vorgesetzten, seinen Mitarbeitem im Mitarbeitergesprach (s. Teil 1, 5.4.2.7.) bessere Fragen zu stellen, um deren Wiinsche, Ziele und Antriebe zu erfahren. Motivationstheorien machen femer dem Vorgesetzten die moglichen Wirkungen seines eigenen Verhaltens deut1icher und fiihren ibm Konsequenzen seiner Leistungsbeurteilungen, seines Stellendesigns und seines Einsatzes von Anreizen vor Augen. Motivationstheorien konnten nur dann zu einer soliden theoretischen Grundlage von Fiihrungstheorien werden, wenn sie eine vollstăndige und widerspruchsfreie Erklărung des Mitarbeiterverhaltens anbieten wiirden. Da sie dies nicht leisten, entbălt ihre Verwendung als Grundlage oder als Erklărung fur eine Fiihrungstheorie oder ein Fiihrungskonzept stets nonnative, wissenschaftlich nicht begriindbare Elemente.

3.

Fiihrungstheorien

3.1. Uberblick Unter Personalft1hrung wird die zielorientierte Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens durch den Vorgesetzten verstanden. Filhrungstheorien wollen erklăren, wie Vorgesetzte - gegebenenfalls in einer bestimmten Situation - ihre Mitarbeiter beeinflussen mussen, damit diese ein als ZieI definiertes Leistungs- oder Verhaltensniveau erreichen oder uberschreiten. Ftihrungstheorien enthalten somit stets Handlungsanweisungen fur Vorgesetzte: Es sind insţrumentelle Theorien, die auf Motivationstheorien aufbauen mussten. Die wichtigsten der bisher vorgelegten Ftihrungstheorien werden ihrer Instrumentalfunktion aber nur sehr eingeschrănkt gerecht; dies rechtfertigt den Verzicht auf allzu groBe Ausfiihrlichkeit ihrer Darstellung. Die Rolle des Filhrers ubemimmt in Ftihrungstheorien ebenso wie in Ftihrungskonzeptionen der Vorgesetzte, wăhrend die Rolle des Gefilhrten dem Mitarbeiter zufallt. Ftihrung bedarf der Legitimation. Diese kann durch vom Eigenttimer oder der Untemehmungsleitung delegierte Positionsmacht erworben werden, muss aber durch fachliche Autorităt des Vorgesetzten im Sinn von Expertenmacht ergănzt werden. Allerdings sollten Positionsmacht und Expertenmacht nicht personal getrennt nebeneinander bestehen (vgl. Hentze/Brose 1990, 23), da dies sonst unerwtinschte Formen informaler Organisation î6rdert und so Legitimation geîahrdet. Mit Leitung als organisationstheoretischem Begriff wird die Entscheidung, z. B. des Vorgesetzten, uber die Inhalte des Handelns Dritter, z. B. der Mitarbeiter, von Ftihrung abgegrenzt. Personal:fiihrung besitzt zwei gedanklich voneinander trennbare Dimensionen in den Formen der Personenorientierung und der organisatorischen Sachorientierung. Personenorientierung bedeutet, dass im Ftihrungsprozess die Motivation und emotionale Untersmtzung der Mitarbeiter Gegenstande des Ftihrungshandelns sind. Bei organisatorischer Sachorientierung der FUhrung sind die Zuweisung von Aufgaben, Leitung und Anleitung der Mitarbeiter sowie deren fachliche Untersmtzung bei der Losung ihrer Aufgaben Gegenstande des Ftihrungshandelns durch Vorgesetzte. Diese mussen fachliche Autoritat besitzen, um bei organisatorischer Sach-

468

orientierung der FOhrung ihren Mitarbeitem problemorientierte, inha1tliche Unterstiitzung bei der Aufgaben10sung geben zu konnen. Wahrend die "Personenorientierung" mit der entsprechenden Ohio-pimension libereinstimmt, geht die "organisatorische Sachorientierung" weiter als die "Aufgabenorientierung" der Ohio-Dimensionen (s. Teil III, 4.3.2.l.). Organisatorische Sachorientierung bezieht zusătz­ lich die Beteiligung der Vorgesetzten an der Aufgaben10sung ihrer Mitarbeiter ein. Die Fahrungsjorschung hat sich bisher vorrangig auf die personenorientierte Dimension konzentriert. Fast alle Ansătze zu Theorien lassen sich dieser Dimension zuordnen. Femer wurde die Aufgabenorientierung als Dimension in einigen theoretischen Ansătzen zur FOhrung berucksichtigt. Die Dimension der organisatorischen Sachorientierung ist dagegen weitaus bescheidener ausgebaut worden. Der Uberblick liber die FOhrungsforschung wird dies deutlich machen (s. Teil III, 3.3.l.). Beide Dimensionen bestimmen zwar den FOhrungserfolg, werden aber sowohl in theoretischen Ansătzen als auch in Konzeptionen eher einseitig zugunsten der Personenorientierung gewichtet. Alle Fahrungstheorien bauen explizit oder implizit auf bestimmten Bildem vom Mitarbeiter als Menschen auf, indem sie bestimmte Bedlirfnisstrukturen und Werthaltungen unterstellen. Annahmen liber Vorgesetzte werden nicht sichtbar,so dass man sichjeden Vorgesetzten als gut funktionierende Black Box vorstellen darf. FUr Menschenbilder wird exemplarische oder reprăsentative Geltung beansprucht. FUr jedes akzeptierte Menschenbild wird eine eigene Theorie oder eine Theorievariante zur Losung des FOhrungsproblems vorgeschlagen. Diese Theorien machen in ihrer vollstăndigsten Form Aussagen liber das Menschenbild, liber die Situation, in der gefiihrt wird, sowie liber das ZieI und die Mittel der Verhaltensbeeinflussung. Der Begriff Fahrung als zielorientierte Mitarbeiterbeeinflussung impliziert eine zentrale PrtJmisse und ein zentrales Werturteil. Die Prămisse besagt, dass ein arbeitsvertraglich gesichertes AbhtJngigkeitsverhtiltnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter existieren muss, das formalzur FOhrung legitimiert. Dies wird durch die Vereinbarung eines Direktionsrechts jar den Vorgesetzten erreicht, das Bestandteil des Arbeitsvertrags zwischen Mitarbeiter und Untemehmung ist. Das .Werturteil besagt, dass Flihrung notwendig ist, weil der Mitarbeiter zu selbstăndi­ gem zielorientiertem Handeln nicht făhig ist. Es besagt femer, dass ihm uneingeschrănkte Freiheit der Entscheidung liber sein Handeln nicht zugebilligt werden kann oder darf. Auch wenn dieses an den Menschenbildem sichtbar werdende Werturteil nachfolgend abgestuft verwendet wird, so bleibt es doch ein Werturteil. Dessen Folgen sind umso gravierender, je einheitlicher Mitarbeiter gemă6 diesem

469 Werturteil ihres Vorgesetzten gefiihrt werden und je weniger das Werturteil des Vorgesetzten mit der Selbstbewertung der Mitarbeiter tibereinstimmt. Empirische Befunde zeigen allerdings, dass nicht allein positive, sondern auch negative Menschenbilder typisch fur die Vorstellungswelt von Vorgesetzten sind, und dass die Existenz dieser Menschenbilder die allgemeine Geltung von Ftihrungstheorien falsifiziert. Falsifikationseffekte k6nnten auch davon ausgehen, dass es nicht den homogenen Vorgesetzten, sondern hOchst unterschiedliche Vorgesetztentypen gibt. Ein Uberblick tiber ausgewiihlte Ftihrungstheorien zeigt, dass die empirischen Befunde zu Menschenbildern fur eine fundamentale Kritik dieser Theorien ausreichen. Die notwendige Existenz eines Arbeitsvertrags und das Werturteil der Unvollkommenheit 6:1fnen den Blick fur eine andere, streng okonomische lnterpretation der Mitarbeiterfahrung. Diese beginnt bereits mit der Einfiihrung eines neuen Mitarbeiters unmittelbar nach Vertragsabschluss und begleitet ihn ein Arbeitsleben lang, sofern das Werturteil der Unvollkommenheit zu Recht besteht. Ist letzteres der Fall, trăgt Ftihrung durch Verhaltensbeeinf1ussung und -korrektur zur Ausfiillung unvollkommener, im Grenzfall sogar fehlerhafter Arbeitsvertrăge bei. Deshalb wird Personalfiihrung zur personalwirtschaftlichen Transaktion nach Vertragsabschluss und 16st auf der năchsten Stufe Transaktionen mit Transaktionskosten zur Vorbereitung, Abwicklung, Kontrolle und Korrektur einzelner FUhrungskonzepte und -mafinahmen aus (vgl. Eigler 1996, 151-153). Damit wird Personalfiihrung einer transaktionskostentheoretischen Einordnung und Analyse zugănglich. Die Auswahl von Fahrungstheorien k6nnte sich von dem Kriterium leiten lassen, dass fur m6glichst alle Ansătze der Fahrungsforschung wenigstens eine reprăsenta­ tive Ftihrungstheorie vorgestellt werden· mtisste. Dieses Kriterium versagt jedoch, weil entweder keine Ftihrungstheorien je Ansatz entwickelt worden sind oder die entwickelten Theorien nicht tragfahig und im Zustand ungepriifter Hypothesen belassen worden sind. Deshalb werden zunăchst nur einige Hinweise auf Entwick.Jungsrichtungen der FUhrungsforschung und auf die Grundstruktur von Ftihrungstheorien gegeben (s. Teil III, 3.3.). Die Auswahl der Ftihrungstheorien folgt dann ausschlieBlich dem Kriterium der groBen Beachtung, die sie gefunden haben. Diese Beachtung wird nicht nur an der kritischen wissenschaftlichen Diskussion der Theorien sichtbar, sondern auch an ihrer Rezeption durch die Praxis bei der Entwicklung von pragmatischen FUhrungskonzeptionen. Ansătze k6nnen wie folgt grob klassifiziert werden: Verhaltensorientierte Fahrungstheorien machen Aussagen dazu, wie und mit welchen Mitteln

Die ausgewiihlten

470 ein Mensch gegebenenfalls in einer bestimmten Situation von seinem Vorgesetzten beeinflusst werden kann oder solI, um zielorientiert zu handeln. Ăltere Fiihrungstheorien, die Filluungsverhalten und Fiihrungserfolge nur aus bestimmten Eigenschaften eines Vorgesetzten heraus erldaren wollten, haben sich nicht bewahrt: und gelten als iiberholt. Neuere Fiihrungstheorien haben entweder keine empirische Basis oder enge normative Prămissen und falsche Menschenbilder oder keine Ansatzpunkte zur Operationalisierung und Priifung. Sie sind daher eher Fuhrungsideologien als Theorien. Dies hat sogenannte Anwendungserfolge dieser "Theorien" in der Praxis nicht verhindert. Nur die an Motivationstheorien ankniipfende WegZiel-Theorie der Filluung verspricht bei geeignetem Ausbau die Uberwindung der Dilemmata aller Fiihrungstheorien. Ein Beispiel fUr eine hilfreiche Fiihrungstheorie mit heuristischem Anwendungsbezug wird in Abschnitt III, 3.4.8. gezeigt und diskutiert. Fiir die Praxis bedeutet dies, weitgehend theorielos nach plausiblen, wertgesteuerten Konzepten fiihren zu miissen.

3.2. Menschenbilder von Mitarbeitern und Fiihrungskrăften als Grundlage von Fiihrungstheorien 3.2.1.

~enschenbilder

von Mitarbeitern

3.2.1.1. Mtere Typologien Fiihrungstheorien bauen ăhnlich wie Organisationstheorien explizit oder implizit auf. Menschenbildem auf. Menschenbilder kann man als Realtypologien von menschlichen Eigenschaftskomplexen interpretieren, die in Anlehnung an die Realitat aufgrund von Plausibilitatsiiberlegungen und Grundannahmen iiber Dritte gewonnen werden. Man k6nnte solche Menschenbilder auch als Theorien iiber die Natur des Menschen ansehen, die dessen Komplexitat reduzieren (vgl. Weinert 1984a, 30; Weinert 1984b, 117). Bei einer solchen lnterpretation ware allerdings zu forderri, dass sich diese Theorien der Priifung an der Realităt stellen, indem etwa die Haufigkeitsverteilung einzelner Eigenschaftsmuster in einer gr6Beren Stichprobe iiberprii:ft wird. Menschenbilder k6nnen aber auch dadurch entstehen, dass ideale Sollvorstellungen vom Menschen zu iiberMhten Anforderungen an die Eigenschaften von Mitarbeitem fuhren. Als Ergebnis entsteht ein Jdealtypus oder eine normative ldealtheorie mit Annahmen iiber erwiinschte Fahigkeiten, Verhaltensweisen, Werthaltungen, Ziele und Motivation von Menschen. Positive ldealtypen haben in Untemehmungen die Funktion von Vorbildem fur die Mitarbeiter, denen sie nachstreben sollen. Negative ldealtypen k6nnen mit Abschreckungs-

471 absicht eingesetzt werden. Real- und Idealtypen konnen in Untemehmungen allerdings auch zur Legitimation van Fuhrungskonzeptianen (s. Teil III, 4.2.) eingesetzt werden. Es hat vor allem in der amerikanischen Literatur zahlreiche Versuche einer Klassifikation und Typisierung von Menschen gegeben (vgl. Weinert 1984a, 31), die teils als Ideal-, teils als Realtypen konstruiert worden sind. Allen Typisierungsversuchen gemeinsam ist (1) die Funktion der Vereinfachung konkreter und individueller Bilder von einzelnen Mitarbeitem und (2) die Vermutung, dass Fiihrungskrăfte in solchen Schemata denken (Realtypen) oder denken sollten (Idealtypen). Campbell et al. (1970, 486) vermuten sogar, dass Menschenbilder als "implizite Theorien" Manager bei einem GroBteil ihrer Arbeit beeinflussen, so z. B. bei der Verhaltensbeurteilung anderer oder bei der Interpretation und Auswahl von Informationen. Ăhn­ lich kann man vermuten, dass sich auch Wissenschaftler bei dem Entwurf von Theorien und Methoden etwa der Personalplanung vom Bild des rationalen Menschen leiten lassen. Eine Auswahl unter den literarisch dokumentierten Typologien kann nach verschiedenen Kriterien getroffen werden, z. B. nach ihrer Realitătsnăhe oder ihrer Allgemeingiiltigkeit. Diese beiden Kriterien erfiillt keine Typologie zweifelsfrei. Auswahlkriterium ist hier daher der hohe Bekanntheitsgrad einiger Typologien. Ălteste und sicherlich auch bekannteste Typologie ist diejenige von McGregor (vgl.

1960, 33-53). Er unterscheidet den fur die rutere Organisationstheorie pragenden Typ X und den durch motivationstheoretische Erkenntnisse der 40er und 50er Jahre beeinflussten Typ Y. Typ X ist arbeitsscheu, vermeidet Verantwortung, mochte gelenkt werden, wiinscht sich Sicherheit und hat keinerlei Ambitionen zur Entwicklung seiner Personlichkeit. Typ Y ist der extreme Gegensatz zu Typ X, denn er hat keine Abneigung gegen Arbeit und kann sogar Befriedigung aus der Arbeit ziehen. Er lemt nicht nur Verantwortung zu iibemehmen, sondem auch sie zu suchen. Er reagiert auf Belohnungen mit Anstrengung und auf Strafen mit Ablehnung bis hin zur Leistungsverweigerung. Er verfolgt die Ziele der Organisation, wenn er dadurch auch seine eigenen Ziele erreichen kann: Er ist zu Zielkompromissen fahig. Insgesamt spiegelt Typ Y den lern- und anpassungsfahigen Menschen wider, der McGregor als Leitbild vorschwebt. Nur fur dieses Leitbild und nicht etwa fur Typ X entwirft er seine Fiihrungstheorie (s. Teil III, 3.4.1.), die ganz auf die Integration von individuellen und organisatorischen Zielen abstellt. Die idealen Ziige beider Typen sind unverkennbar.

472

Zu den bekanntesten Typologien gehOrt auch diejenige von Schein (vgl. 1970, 5570). Die vier Typen Scheins spiegeln die historische Entwicklung der Organisationstheorie mit ihren drei Phasen des Scientific Management, der HumanRelations-Bewegung und des psychologischen Ansatzes bis zum Beginn der 60er Jahre wider und entsprechen eher Ideal- als Realtypen. Die vier Typen sind: (1) Der rational okonomische Mensch wird vor allem durch materielle Anreize gesteuert, ist Nutzenmaximierer und lăsst sich nicht von Emotionen leiten. Er ist typisch fUr das Scientific Management.

(2) Der soziale Mensch hat soziale BedUrfnisse und bemiiht sich um deren Befriedigung. Seine Identităt leitet er aus seinen sozialen Beziehungen zu anderen ab. Dieses Menschenbild beherrscht die Human-Relations-Bewegung. (3) Der sich selbst verwirklichende Mensch sucht die maximale Entfaltung seiner Făhigkeiten zu erreichen. Er braucht nur ausnahmsweise ăuBere Anreize und Kontrollen. Er sucht nach Unabhăngigkeit und Partizipation. Er ist typisch fUr den psychologischen, motivationstheoretischen Ansatz der Organisationstheorie; zu seinen geistigen Vătem gehOren Maslow und McGregor. (4) Dei' komplexe Mensch nimmt Merkmale aller drei zuvor genannten Typen in unterschiedlicher Mischung und Ausprăgung auf. Er hat verschiedene BedUrfnisse und Handlungsmotive, die sich mit der Zeit verăndem konnen. Er ist Ausdruck der Individualităt menschlicher Natur und entzieht sich jeder Schematisierung. Fiir ihn entwirft Schein seine Konzepte organisatorischer Anpassung an den Menschen, der Integration des Einzelnen in die Gruppe und der Anpassung der Organisation an ihre Umwelt. Wollte man Fiihrungstheorien fUr diese vier Typen entwickeln, so kOnnte Typ (1) nur durch positive und negative Sanktionen beeinflusst werden, Typ (2) musste ein Maximum an sozialen Kontakten etwa in Teams ermoglicht werden und Typ (3) wăre mit Konzepten partizipativer Entscheidungen sowie der Zuweisung von Kompetenzen mit Selbstverantwortung fUr das eigene Handeln zu lenken. Fiir Typ (4) găbe es keine geschlossene Theorie. Es musste vielmehr eine kaum vorstellbare Vielzahl von Theorien fUr individuelles Handeln und Beeinflussen geben. Typ (4) kommt wegen seiner Variabilităt der Realităt besonders nahe, erschwert aber wegen dieser Variabilităt die Theoriebildung erheblich. Ibm wird auch keine der spă­ ter vorzustellenden Fiihrungstheorien zuordenbar sein. Typ (4) ist Ausgangspunkt fUr Uberlegungen zu einer Individualisierung der Fiihrung (s. Teil III, 5.).

473 3.2.1.2. Die Typologie von Weinert Weinert fasst die Uberlegungen zu einer Typologie der menschIichen Natur in vier Theorien zusammen, die weitgehend mit den vier Typen Scheins iibereinstimmen (vgl. 1984b, 122-123):

(1) Der Mensch als Sucher nach zufriedenstellenden Altemativen ist Problemloser im Sinn von March und Simon (1958) mit begrenzten Făhigkeiten zur Problemlosung. Er sucht nach zufriedenstellenden Altemativen, ist also Anspruchsanpasser. (2) Der Mensch als soziales Wesen ist mit Scheins zweitem Typ identisch. (3) Der Mensch als sich selbst aktualisierendes, sich entwickelndes Wesen ist bis auf die Annahme der Entwicklungsfăhigkeit mit dem dritten Typ von Schein identisch. Er entspricht femer Typ Y McGregors. (4) Der Mensch als komplexes Wesen ist mit dem vierten Typ von Schein identisch. Weinert hat die Existenz dieser Typen und der mit ihnen verbundenen Verhaltensannahmen ("Theorien") bei 293 Meistem und Vorarbeitem empirisch iiberpriift (vgl. 1984a). Das Ergebnis der Untersuchung ist iiberraschend, weil es einerseits die Existenz von Theorien iiber die Natur des Menschen in den Kopfen von Vorgesetzten bestătigt und andererseits fast alle zuvor genannten Typen und Theorien falsifiziert (vgl. Weinert 1984a, 36-37). Weinert hat faktoranalytisch ein breites Spektrum von 12 Typen ermittelt, das eine Vielfalt von Verhaltensweisen abdeckt und neben positiven auch zahlreiche negative Typen aufweist, die dem Typ X McGregors nahe kommen. Weinerts Menschenbilder sind insgesamt eher als Realdenn als Idealtypen zu verstehen (vgl. 1984a, 37). Der erste Typ wird empirisch besonders gut bestătigt (vgl. Weinert 1984a, 43). AuffaIlig ist der Mangel an Kreativităt, Denkvermogen und Intelligenz, an Făhig­ keit zur Selbstkontrolle und selbstăndiger Problemlosung. Das Verlangennach Aufstieg und Verantwortung fehIt. Ein rundum negatives Menschenbild also, das die Annahmen des Typ X noch iibertrifft und mit der Zusammensetzung aer Stichprobe aus Meistem und Vorarbeitem nur teilweise erkliirt werden kann. Auch die Typen 2, 9 und 10 zeichnen ein ăhnlich negatives Menschenbild wie Typ l. Weinert hebt hervor, dass Typ 7 aufgrund seiner starken Faktorladung herausragt (1984a, 43-44): Er kommt dem Menschenbild in den Organisationstheorien von March und Simon (1958) sowie Campbellet al. (1970) nahe und entspricht noch am ehesten dem ersten Idealtyp aus Weinerts Typologie. Einem positiven Men-

474 schenbild entspricht auch Typ 7 nur begrenzt. Nur die Typen 3, 6, 8 und 12 kann man als positive Menschenbilder bewerten, die Typen 4, 5 und Il als neutra1 (vgl. Weinert 1984a, 44). Die Vorhertscha;ft eher negativer Menschenbilder oolt auf. Sie konnte stichprobenspezifisch sein, da nur Vorgesetzte auf unteren Stufen der Hierarchie befragt worden sind.

Prozent der Varianz, die von einem Faktor erklărt wird Anzahl der Items je Faktor TyplFaktorbezeichnung

~

Nr. 1 2 3 4 5 6

7 8 9 10 11 12

Der Mensch als passives und unselbstăndiges Wesen Der Mensch als mechanisches Instrument Der nach Selbstvervollkommnung strebende Mensch Der Mensch als soziales Individuum Der von der Arbeitssituation bestimmte Mensch Der Mensch als optimaler Entscheidungsfilter Der Mensch als begrenzter Entscheidungsfilter Der Mensch als Teil sozialer Gruppen Der nach Fiihrung suchende Mensch Der trăge, ambitionslose Mensch Der Mensch als Trăger unterschied1icher Motive Der von innen gelenkte Mensch

16 14 14 13 11 8 8 7 7

12 11 10

7 6 5

4

10

7 7 6 6 5

4 3

Man kann in diesen Befunden eine Bestătigung des Typs (4) von Schein dann sehen, wenn man die Typenvielfalt als Ausdruck der individuellen Mischung aus Scheins Typen (1) bis (3) interpretiert. Mit oder ohne diese Interpretation machen Weinerts Befunde allerdings deutlich, dass eine Reihe von FUhrungstheorien aufgrund von falschen Annahmen liber das Bild des Menschen falsifiziert werden diirften. Die Realtypen Weinerts sagen zwar nichts dariiber aus, wie Menschen wirklich sind, sondem wie sie als Bilder in den Kopfen von Vorgesetzten leben. Dennoch zeigen die Befunde, dass bei Existenz verschiedener positiver wie negativer und neutraler Menschenbilder eine einzige FUhrungstheorie als universeller Ansatz falsch sein muss. Die Entwicklung von FUhrungstheorien fur jede der drei Gruppen von Menschenbildem wăre eine geeignete, noch ausstehende Reaktion. Offen bleibt femer, ob und wie das Menschenbild in einer bestimmten FUhrungssituation das Handeln des Vorgesetzten bestimmt. Man kann vermuten, dass Delegation oder Gewăhrung von Autonomie nicht nur vom Bild des Vorgesetzten von den

475 sozialen Qualifikationen und der Motivation seiner Mitarbeiter, sondern auch vom Bild von deren Eignung abhăngt (vgl. Weinert 1987, 1428).

3.2.2. Typen von Vorgesetzten Wenn Vorgesetzte Mitarbeiter haben, die sie unterschiedlichen Menschenbildern zuordnen, so ist ein Muster der fUr einen Vorgesetzten relevanten Menschenbilder denkbar. Dieses Muster konnte zur Typisierung von Vorgesetzten verwendet werden und somit zum Gegensruck der Menschenbilder von Mitarbeitern werden. Weinert hat eine solche Analyse durchgefiihrt und sieben Cluster gefunden, die als Vorgesetztentypen interpretierbar sind (1987, 1434-1437): (1) (2)

(3)

(4) (5) (6) (7)

Der văterliche (paternalistische) Typ reklamiert fUr sich eher die Menschenbilder (1), (9) und (10), kaum aber (3) (s. Teil III, 3.2.1.2.). Der positivistisch/humanistische Typ reklamiert fUr sich kaum die negativen Menschenbilder (1), (2), (9) und (10), sondern eher die positiven Menschenbilder (3), (6), (8), (12) und zusătzlich (7). Der schwer uberzeugbare, mittelmăf3ige Typ erreicht bei allen Menschenbildern sehr niedrige Mittelwerte, die den Menschen unbestăndige Motive unterstellen, vor allem bei Menschenbild (11), und niedrige Mittelwerte bei den Menschenbildern (8), (10) und (1). Der skeptische Typ erreicht bei den meisten Menschenbildern eine mittlere Position, bei (6) und (3) dagegen niedrige Positionen. Der klassische Typ reklamiert fUr sich die vorwiegend negativen Menschenbilder (1), (2), (9) und (10). Er ist dem văterlichen Typ sehr ăhnlich. Der sozial empfindsame, realistische Typ reklamiert fUr sich die Menschenbilder (3), (8) und (Il). Der Theorie Z-Fuhrungstyp entspricht der Theorie von Ouchi (1981), reklamiert fUr sich sehr stark die Menschenbilder (4), (7), (8) und (11) und neigt zu Konsens und Betonung gegenseitiger Loyalităt (s. a. Teil III, 3.4.2.).

Auch wenn die Typologie der Fiihrungskrăfte aus nur einer explorativen Studie stammt, widerlegt sie bereits zahlreiche Annahmen von Fiihrungstheorien. Von Homogenităt der Menschenbilder kann bei Vorgesetzten ebenso wenig wie bei Mitarbeitern gesprochen werden. Dieser Befund dilifte fUr Fiihrungstheoretiker iiberraschender als fUr Fiihrungspraktiker sein. Man kann vermuten, dass den Typen der Vorgesetzten auch ăhnliche oder abweichende Menschenbilder der Mitarbeiter von

476 ihren Vorgesetzten entsprechen und dass diese Bilder alleine durch ihre Existenz die Effektivităt von Fiihrungsbemiihungen beeintrl1chtigen. Mit dem Bild vom idealen Vorgesetzten als der einzigen unabhl1ngigen Variable im Eigenschaftsansatz der Filhrungstheorien diirfen die hier referierten Menschenbilder allerdings nicht verwechselt werden. Dieser Ansatz wird nachfolgend gesondert bebandelt (s. Teil III, 3.4.7.). Da Personal:fiihrung transaktionskostentheoretischer Interpretation und Beurteilung zugl1nglich ist (s. Teil III, 3.1.), hilft ein Hinweis auf das der Transaktionskostentheorie zugrundeliegende Menschenbild bei dem Verstl1ndnis solcher Interpretation und Beurteilung. Dieser Mensch bandelt unter unvollkommener und ungewisser Information rational. Er maximiert nur seinen eigenen Nutzen und bandelt somit opportunistisch. Dieses Menschenbild entspricht keinem zuvor erll1uterten Typus vollig. Es kommt jedoch dem Typus des rational okonomischen in der Typologie von Schein am nl1chsten.

3.3. Fiihrungsforschung und Fiihrungstheorien 3.3.1. Die Entwicklung der Fiihrungsforschung Wunderer stellt in seinem vorziiglichen Oberblick iiber Fiihrungsforschung und Fiihrungstheorien fest, dass es einen originăren deutschen Beitrag zur personenorientierten Fiihrungsforschung praktisch nicht gibt. Statt dessen sind die Ergebnisse der amerikanischen Fiihrungsforschung iibemommen worden (vgl. 1993a, 636638). Zur Einordnung der vielfaltigen Ansl1tze zu Fiihrungstheorien entwickelt Wunderer einen Bezugsrahmen mit vier Komponenten, die sich teilweise iiberlappen (vgl. 1993a, 639). Der von Wunderer verwendete Theoriebegriff unterscheidet sich allerdings von dem hier verwendeten Begriff (s. III, 3.3.2.; 1, 1.4.1.) durch den Verzicht auf die hier zwingend geforderte empirische Oberprtifung von Hypothesen. Er klassifiziert Fiihrungstheorien, die (1)

die Person des Fiihrers bzw. des Gefiihrten als der

(2)

von Interaktionen zwischen Fiihrer und Gefiihrtem ausgehen oder

erklărende

Variable nutzen

0-

477

(3)

die Position des FUhrers, zum Teil auch des Gefiihrten zur Erk1ărung von FUhrung heranziehen oder die (4) explizit an der FUhrungssituation sowie weiteren EinflussgroBen als erk1ăren­ de Variablen fur FUhrungserfolg ankniipfen und systemtheoretisch gepragt sind. Zur ersten Gruppe der FUhrungstheorien rechnet Wunderer die Eigenschaftstheorie der FUhrung (s. Teil III, 3.4.7.), Theorien des Charismas, tiefenpsychologische und entscheidungstheoretische Ansatze mit Konzentration auf den Fiihrer (vgl. 1993a, 641-651). Mitarbeiterorientierte Ansatze finden sich in der Weg-Ziel-Theorie (s. Teil III, 3.4.6.), in Attributionstheorien zu Urteilen iiber eigenes und fremdes Verhalten, in Theorien sozialen Lemens mit Erk1arung individuellen Verhaltens aus Lemprozessen und in Reifegradtheorien (s. Teil III, 3.4.5.). Alle diese Theorien weisen unterschiedliche Măngel auf, die insgesamt deren instrumentelle Umsetzung und damit auch ihre empirische Testbarkeit behindem oder vereiteln. der Ausbaustand der Theorien in der zweiten Gruppe bescheiden ist, versprechen die Ansatze in der dritten Gruppe prima fade Rilfe. Zu den positionsorientierten FUhrungstheorien in der dritten Gruppe gehOren Erk1ărungsversuche, die an den Rollen von FUhrem und Gefiihrten oder an der Machtverteilung zwischen ihnen ankniipfen. Auch die Theorie der Firma (s. Teill, 1.4.2.) lasst sich als FUhrungstheorie uminterpretieren (vgl. Wunderer 1993a, 652-658). Diese Ansatze haben ebenfalls Anregungen zur Analyse neuer Dimensionen von Fiihrung geliefert. Vonempirisch erfolgreicher Uberpriifung ihrer instrumentellen Nutzbarkeit sind sie jedoch noch weit entfemt. Wăhrend

Die FUhrungstheorien der vierten Gruppe sind vorwiegend systemtheoretisch gepragt. Sie beziehen aufier EinflussgrOBen aus den Gruppen zwei und vier auch die FUhrungssituation als unabhăngige Variable mit ein, um Fiihrungserfolg zu erk1aren (vgl. Wunderer 1993a, 659-661). Unter den Theorien in dieser Gruppe hat vor allem die Kontingenztheorie Fiedlers (s. Teil III, 3.4.3.) vieI Beachtung gefunden. FUr alle situationsorientierten Theorieansatze der Fiihrung gilt, dass sie grundsatzlich den richtigen Weg zur multikausalen Erk1arung von Fiihrungserfolg einsch1agen. Wegen ihrer Komplexităt drohtjedoch die empirische Priifung dieser Theorien am unzureichenden Messdesign zu scheitem.

478 3.3.2. Die a1lgemeine Struktur von situationsorientierten Fiihrungstheorien Fiihrungstheorien sollen zunachst erklăren, wie Mitarbeiter durch Vorgesetzte gefiihrt werden miissen, wenn zur Erfiillung eines unbestimmten Arbeitsvertrags bestimmte final miteinander verbundene Ziele der Unternehmung, der Abteilung und schlieBlich des einzelnen Mitarbeiters angestrebt werden. Solche erklărenden Theorien miissen empirischer Uberpriifung unterworfen werden. Sie miissen mindestens eine gut gesmtzte Hypothese enthalten. Sie konnen nur ausnahmsweise generell sein. Fiihrungstheorien miissten erklăren, durch welche MaBnahmen eine sachliche Verbesserung der Aufgabenlosung bei Mitarbeitern erreicht und durch welche MaBnahmen Motivation ausgelOst werden kann. Aufgabenorientierte Fiihrungstheorien des ersten Typs fehlen nahezu vollig. Unumstritten ist lediglich, dass der Vorgesetzte iiber fachliche Autoritat verfiigen und diese zugunsten der einzelnen Mitarbeiter einsehen muss. Besser entwickelt sind personen- und motivationsorientierte Fiihrungstheorien. In der Regel miissen motivationsorientierte Fiihrungstheorien auf eine bestimmte Fuhrungssituation abgestellt sein. Die Fuhrungssituation kann durch eine Reihe von Merkmalen beschrieben werden (vgl. Drumrn 1993d, 3102; s. Teil III, 5.2.2.5.2.3.). Wichtige Merkmale sind diejenigen, die Auswirkungen auf den Fiihrungserfolg haben. Dazu gehOren insbesondere die Qualiflkationen von Vorgesetzten und Mitarbeitern, deren Aufgabenstruktur und -komplexitat, Zeitdruck bei der Aufgabenerfiillung, Alter sowie Nationalitat, Geschlecht und Werthaltungen der Mitarbeiter und ihrer Vorgesetzten. Fiihrungstheorien miissten schlieBlich auch Aussagen iiber Einsatz und Wirkung von Fuhrungsinstrumenten machen (s. Teil III, 4.5.). Wichtige Fiihrungsinstrumente sind z. B. Anreizsysteme. Zu den unabhăngi­ gen Variablen dieses Theorietyps gehOrt schlieBlich auch das Fuhrungsverhalten des Vorgesetzten. Die formale Struktur einer situativ gepragten instrumentellen Fuhrungstheorie konnte dann analog der formalen Struktur genuiner personalwirtschaftlicher Theorien festgelegt werden (s. Teil 1, l.4.l.). Sie miisste die folgenden Variablen enthalten (vgl. Drumrn 1993d, 3103): Das angestrebte Mitarbeiterverhalten MV als "Fiihrungserfolg" ist eine Funktion f des instrumentellen Fiihrungsverhaltens FV des Vorgesetzten und der von diesem eingesetzten Fiihrungsinstrumente FI. Diese wirken unter der Bedingung, dass Fiihrungssituation FS und ein bestimmtes Bild vom Mitarbeiter MB gegeben sind.

479 Femer sollten die Transaktionskosten TK von FV und FI minimal sein. In formaler Schreibweise bedeutet dies

MV

= j(FV,FIIFS,MB;minTK(FV,Fl)).

Ein Blick auf die nachfolgend erlăuterten ausgewiihlten Fiihrungstheorien zeigt, dass nur eine von ihnen annăhemd dieser Struktur entspricht. Diese wird in Abschnitt 3.4.8. vorgestellt. Ein Blick auf die Struktur der situativen Fiihrungstheorie in allgemeiner Form zeigt allerdings auch die Ursachen fUr die Schwierigkeiten ihrer expliziten Formulierung und ihrer empirischen Uberpriifung: Partielle Wirkungen der unabhăngigen Variablen FV, FI, FS und MB auf die Variable MV sind nicht zurechenbar. (2) Die unabhăngigen Variablen FV, FI, FS und MB sind untereinander vollstăn­ dig verkniipft; jede Variable hăngt von allen iibrigen ab. (3) Die Transaktionskosten von FV und FI sind in der Regel nicht eindeutig bestimmbar. (1)

Die Analyse der allgemeinen Struktur situativer Fiihrungstheorien liefert somit nicht nur eine Erklărung fUr die geringe Erklărungskraft der nachfolgend ausgewiihlten Theorien. Sie erklărt auch - zumindest in wesentlichen Teilen -, warum die gesamte Fiihrungsforschung bisher iiber bescheidene Erfolge nicht hinausgelangt ist: Sie hat die Komplexităt ihres Forschungsgegenstands unterschătzt und sich eher mit monokausalen Erklărungsversuchen zufrieden gegeben, als nach multikausaler Erklărung zu streben. Die nachfolgend erlăuterten, und unter ihnen vor allem die bekannteren Fiihrungstheorien illustrieren diese These nachhaltig. Keine der nachfolgend referierten Fiihrungstheorien geht auf Transaktionskosten ein. Es gibt trotz des zuvor zitierten Hinweises von Wunderer (s. Teil III, 3.3.l.) auch keine Fiihrungstheorie, die direkt auf Transaktionskosten au:fbaut. Man kann lediglich die in Abschnitt 3.4.8. vorgestellte Fiihrungstheorie transaktionskostentheoretisch interpretieren.

480 3.4.

Ausgewăhlte

Fiihrungstheorien

3.4.1. Die Theorie von Douglas McGregor Die 1960 erstellte Fiihrungstheorie von McGregor knfipft am Menschenbild des Typs Y an (s: Teil In, 3.2.1.). FOr Typ X wird keine Theorie entwickelt, da McGregor diesen Menschentyp als fiberholt ansieht. Eine motivationstheoretische Grundlage bat McGregors Fiihrungstheorie nur insofem, als der sich selbst verwirklichende Mensch aus der Motivationstheorie Maslows (s. Teil In, 2.2.1.) in das Menschenbild des Typs Y eingeht. Annahmen fiber die Person des Vorgesetzten werden nur insoweit gemacht,als dieser sich um die Bed~sse seiner Mitarbeiter und deren Befriedigung ldimmert, die Mitarbeiter fair behandelt und ihnen vertraut (vgl. McGregor 1960, 133-144). Dieses Bild kommt den Vorgesetztentypen (2) und (6) bei Weinert nahe. Gegenstand und inslrumentelles Ziei der Fiihrungstheorie McGregors ist die Integration von Bedfirfnissen sowie Zielen der Mitarbeiter und Zielen der Untemehmung (vgl. 1960,51-55). Allerdings mfissen nicht alle Individualziele vollkommen berucksichtigt werden. McGregor behauptet, dass sich die Mitarbeiter durch den Einbau ihrer Bediirfnisse und Wfinsche in .die Plane der Untemehmung mit besonderer Intensităt fur die Verwirklichung der Untemehmungsplane einsetzen (1960, 64-65) und dass die Selbststeuerung mit der Bindung an die Untemehmungsziele zu Lasten der Fremdsteuerung durch den Vorgesetzten zunimmt (1960, 56). Als instrumentelle Empfehlung gibt McGregor den Rat, alle Mitarbeiter stăndig zur Forderung ihrer Făhigkeiten zu ermutigen und ihnen zu zeigen, wie sie diese Făhigkei­ ten zum Nutzen der Untemehmung einsetzen konnen (1960, 70). Es ist konsequent, dass McGregor Stellenbeschreibung, differenzierte Leistungsbeurteilung und Kontrollen ablehnt und aussch1ieBlich eine vom Leistungsergebnis abhangige Bezahlung im Rahmen von Prămienlohnsystemen fordert (1960, 112-113).

Als Kritik ist anzumerken, dass der instrumentelle Teil dieser Theorie schwach entwickelt ist. Die Theorie vermittelt den falschen Eindruck eines hohen Allgemeinheitsgrades, dessen empirische Priifung jedoch nicht stattgefunden hat. Die Beschrănkung auf nur ein idea1istisches Menschenbild und alIenfalls zwei Vorgesetztentypen reicht im Licht der Befunde Weinerts (s. In, 3.2.1., 3.2.2.) zur Falsijikation dieser Theorie als allgemeine Theorie aus. Eine situative Differenzierung fehlt ebenso wie die Berucksichtigung von Werthaltungen. Dennoch hat McGregors Theorie die Entwicklung partizipativer und kooperativer Fiihrungskonzeptionen sehr stark beeinflusst. Die Enttăuschung fiber das Ausbleiben ausschlieBlich positi-

481 ver Wirkungen ist somit vorgezeichnet. Mit der Generalisierung der Menschenbilder und dem Verzicht auf empirische Priifung wird der Schrltt von der Fiihrungstheorie zur FUhrungsideologie vollzogen.

3.4.2. Die Theorie Zvon William G. Ouchi Die 1981 von Ouchi vorgestellte Theorie Z orientiert sich augenfâllig an den Theorien X und Y von McGregor. Sie ist eine Theorie der Orgaoisation und der Personalfiihrung, die sich ausdriicklich an den in den 80er Jahren geltenden Bedingungen japanischer Unternehmungen orientiert, nămlich lebenslangem BescWi.ftigungsverhâltnis, EntscheidUIigsprozessen nach dem gremienartigen Ringi-Prinzip iiber mehrere Ebenen hinweg, ausgepliigter Loyalităt des Mitarbeiters gegeniiber seiner Untemehmung und Betonung des Harmonieprinzips. Ein ausgeprăgtes Menschenbild fehlt ebenso wie die Typisierung der Vorgesetzten. Viele Âtillerungen sprechen aber fUr die Existenz eines Mitarbeiterbilds ăhnlich Typ Y und eines Vorgesetztentyps entsprechend Typ (6) oder eher noch (7) von Weinert (s. Teil III, 3.2.2.). Der instrumentelle Teil der Fuhrungstheorie (vgl. Ouchi 1981, Kap. 4-5) geht vom Ziei der lebenslangen Einbindung des Individuums in die Orgaoisation aus. Er interpretiert diese Einbindung als Bediirfnis des Individuums und als Ziei der Organisation. Der Aufbau von gegenseitigem Vertrauen ist grundlegende Pliimisse der Fiihrungstheorie. Diese unterstellt die Existenz von Mitarbeiter-Clans als Element der Untemehmungskultur. Dariiber hinaus wird persoolichen Zielen des Mitarbeiters gr06e Aufmerksamkeit geschenkt, da Bediirfnisbefriedigung als Motor zur Entwicklung von Loyalităt und Motivation angesehen wird. Professionalităt und Spe:zialisierung treten gegeniiber einem eher generalisierten Făhigkeitsspektrum sowohl bei der Personalselektion wie bei der Personalentwicklung in den Hintergrund. Weitere Mittel zUr Mitarbeiterbeeinflussung sind (1) breiter Ausbau partizipativer und kollektiver Entscheidungen, (2) gemeinsame Ubemahme von Verantwortung, (3) Aufbau von Vertrauen und (4) Ausbau sozialer Făhigkeiten durch Schulung, (5) langsame, stetige Entwicklung und Beferderung, (6) Beteiligung am Vermogen der Untemehmung sowie (7) die Entwicklung ganzheitlicher und umfassender Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitem durch Abbau sozialer Distanz mittels einer " egalităren Atmosphăre" der Gleichheit aller (Ouchi 1981, 79-81).

482 Die Akzeptanz der Theorie Ouchis geht sicherlich zum Teil auf die Begeisterung vor allem der US-amerikanischen Praxis (vgl. Ouchi 1981, Kap. 7, Appendix 1), aber auch zum Teil von betriebswirtschaftlichen Theoretikem fUr japanische Konzepte der Untemehmungsfiihrung zuriick. Kritik ist jedoch notwendig: Alle instrumentellen Elemente der Theorie Z werden kaum operationalisiert und decken somit ein ganzes Spektrum von Verhaltensweisen der Vorgesetzten und Mitarbeiter einerseits, von FOhrungsinstrumenten andererseits ab. Eine systematische empirische Uberpriifung der Theorie Z fehlt. Es gibt nur Beispiele "erfolgreicher Anwendung" ohne einheitliches Erfolgsma6. Aufierdem ist die Theorie auf nur ein Menschenbild vom Mitarbeiter und auf ein bis zwei Vorgesetztentypen zugeschnitten. Sie diirfte also bei allen anderen Typen - unter Vemachlassigung der iibrigen Schwachen dieser Theorie - versagen. Femer wird hier eine Theorie mit genereller Geltung formuliert, die jedoch spezielle, soziokulturell gepragte organisatorische Bedingungen und Werthaltungen als Voraussetzungen hat. Ihre motivationstheoretische Basis ist mit dem Rekurs auf Maslows Bediirfnisansatz sehr schmal. Auch diese Theorie ist daher eher eine anregende Fahrungsideologie.

3.4.3. Die Kontingenztheorie von Fred E. Fiedler Die Kontingenztheorie Fiedlers hat seit 1967 eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion ausgelost. Sie ist aus einer empirischen Untersuchung zur Wirkung von altemativen FOhrungsstilen auf die Effektivităt von Gruppenaufgaben in verschiedenen Situationen entstanden. Der Fuhrungsstil tritt in den beiden Formen der Personen- oder der Aufgabenorientierung auf. Er wird zunachst mit dem LPC-Score, einer mehrdimensionalen Skala, gemessen und dann zu einem eindimensionalen Wert verdichtet. Der LPC-Score misst die Einstellung des Vorgesetzten zu seinem am wenigsten geschătzten Mitarbeiter ("least-preferred-coworker" - LPC). Der Filluungsstil in Fiedlers Theorie ist als konstante Eigenschaft des Fiihrers interpretierbar (vgl. Neuberger 1984, 154). Aus den drei Merkmalen der sozio-emotionalen Beziehungen in der Gruppe, der Aufgabenstruktur und der Positionsma.::ht des Fiihrers konstruiert Fiedler mit zwei polaren Ausprăgungen je Merkmal insgesamt acht verschiedene Situationstypen (vgl. 1967, 32-34). Er behauptet, dass die Effektivităt der Losung von Gruppenaufgaben nur von der Filluungssituation und dem Filluungsstil abhăngt. Die empirische PrUfung dieser Hypothese ergibt fUr erfolgreiche Aufgabenlosungen eine Zuordnung der beiden Filluungsstile auf bestimmte Filluungssituationen (vgl. Fiedler 1967, 164-171): Aufgabenorientierte FUhrer sind in sehr gUnstigen und sehr un-

483 giinstigen Situationen erfolgreich, personenorientierte Fuhrer haben in mittleren Situationen gri)Bere Erfolge. Als sehr giinstig wird eine Situation mit guten FiihrerMitarbeiter-Beziehungen, starker Aufgabenstrukturierung und hoher Positionsmacht angesehen. Als sehr ungiinstig gilt eine Situation .mit den entgegengesetzten Auspragungen dieser drei Merkmale. Angesichts der vemichtenden Kritik an Prămissen, Methodik und statistischer Auswertung der Untersuchung Fiedlers (vgl. insbes. Schreyogg 1972; Steinmann, 1974; Schreyogg 1977; Schreyogg 1980, 165-172; Neuberger 1984, 158-162) eriibrigt sich deren ausfiihrliche Darstellung. Beachtung hat diese Theorie genug gefunden. Man konnte diese Theorie ad acta legen, hătten nicht Fiedler, Chemers und Mahar (1976/1979) trotz aller Kritik die Kontingenztheorie in radikal vereinfachter und popularisierter Form als Leader-Match-Konzept mit undifferenzierten Wahlempfehlungen fUr Manager erfolgreich angeboten. Dass dies ohne DifIerenzierung nach Menschenbildem und Vorgesetztentypen oder Fiihrungsinstrumenten und ohne jeglichen Versuch einer motivationstheoretischen Begriindung geschieht, reduziert den geringen Nutzen der Theorie zusătzlich und macht sie endgiiltig zu einer Fiihrungsideologie. Was bleibt positiv jestzuhalten? Dass Fiedler als erster den Einfluss der Fiihrungssituation auf den Fiihrungserfolg erkannt und mit allerdings zweifelhaften Mitteln nachgewiesen hat.

3.4.4. Die 3-D-Theorie von William J. Reddin

In seiner bereits 1970 vorgestellten 3-D-Theorie hat Reddin die drei Faktoren Fiihrungsstil, Situation und Erfolg in anderer Weise als Fiedler miteinander verkniipft und spăter (l971a) durch Kombination mit dem Konzept des Management-byObjectives (mbo) (s. Teil III, 4.5.2.) systematisch zu erweitem versucht. In Reddins Theorie wird der Fuhrungsstil als komplexer Ausdruck fUr Verhaltens- und Beeinflussungsmuster der Vorgesetzten gemăB den Ohio-Dimensionen zweigeteilt in aufgaben- und personenorientiert mit jeweils hoher und niedriger Ausprăgung. Durch die Kombination dieser Ausprăgungen werden vier Fiihrungsgrundstile gebildet (vgl. 1970, 11-13), die in Abb. III. 5. zusammengestellt sind. Wie bei Fiedler hăngt die Effektivittit dieser vier Stile von der Fuhrungssituation mit nun allerdings fiinf Bedingungen ab: Den Arbeitsanforderungen, dem Fiihrungsstil des năchsthoheren Vorgesetzten, den Kollegen, den Untergebenen sowie formalen und informalen Regeln der Organisation. Von den Auspragungen dieser Bedingungen hăngt ab, welcher Fiihrungsstil effektiv ist. Einen einzigen effektiven

484 Fiihrungsstil hălt Reddin fUr ausgeschIossen. Reddin billigt jedem seiner vier Fiihrungsstile EfIektivităt zu, allerdings in unterschiedlichen Fiihrungssituationen. Eine systematische Typisierung der Fiihrungssituationen fehIt und wird durch ebenso

= ...5 ~

Vetbindung halten

Integrieren

~ .S::

(related)

(integrated)

~

Sich heraushalten

Sich den Aufgaben widmen

~

(separated)

(dedicated)

niedrig

hoch

hoch

Q

§ niedrig ~

Aufgabenorientierung Abb. III. 5. Reddins Fiihrungsgrundstile illustrative wie beliebige Beispiele ersetzt. Reddin unterscheidet je Grundstil eine efIektive und eine weniger efIektive Ausprăgung. Die EfIektivităt dieser Varianten hăngt seiner Meinung nach davon ab, in welcher Situation einer der vier Grundstile praktiziert wird. Eine theoretische Erklărung liefert er nicht, sondern stiitzt sich ausschIie6lich auf Plausibilitătsiiberlegungen mit exemplarischen Annahmen iiber die Situation und deren Wirkungen (vgl. 1970, 13, 205-234). Diese sind in Abb. III. 6. wiedergegeben. Grundstil

Weniger effektiver Stil in ungiinstiger Situation

Effektiver Stil in giinstiger Situation

Integrieren

Missionar (missionary)

Forderer (developer)

Sich den Aufgaben widmen

KompromiJ31er (compromiser)

Dynamischer Filhrer (executive)

Verbindung halten

Autokrat (autocrat)

Wohlwollender Autokrat (benevolent autocrat)

Sich heraushalten

Deserteur (deserter)

Bilrokrat (bureaucrat)

Abb. III. 6. Reddins Zuordnungen von Fiihrungsstilen und -situationen Die exemplarische Zuordnung von Fiihrungsstil und Situation mit ihrer Wirkung auf die EfIektivitătwird wie folgt vorgenommen: Der "Deserteur" ist jemand, der sich in der falschen Situation heraushălt, etwa wenn seine Mitarbeiter nichts tau-

485 gen, unklare Aufgaben losen sol1en und keine Verfahrensregeln existieren. Das gleiche Verhalten ist als "Biirokrat" in einer anderen Situation mit guten Mitarbeitem und klaren Regeln dagegen erfolgreich (vgl. Reddin 1970, 209-213). In einem einfachen Stil-Diagnose-Test solI der Manager durch Zuordnung von Items aus einem Fragebogen herausfinden konnen, welchen Fiihrungsstil er wie stark vorleben solI (vgl. Reddin 1970, 14, 238-250). Der Manager kann mit Hilfe der von Reddin angebotenen Instrumente (vgl. 1970, 15, 61-156) herauszufinden versuchen, in welcher Situation er sich gerade befindet oder befinden wird. Er solI femer anhand einer Checkliste priifen, wie tlexibel er zwischen verschiedenen Fiihrungsstilen zu wechseln vermag (vgl. Reddin 1970, 52-58, 253-259), um dann je Situation den passenden Fiihrungsstil wăhlen zu konnen. Kritik muss an Struktur und vor allem Operationalisierung der Theorie Reddins an-

setzen. Da alle Variablen nicht gemessen, sondem nur aufgrund von Plausibilităts­ iiberlegungen miteinander verkniipft werden, Iăsst die Theorie Reddins erhebliche Handlungsspielmume bei der Entscheidung fUr ein letzt1ich nur vage bestimmtes Vorgesetztenverhalten. Menschenbilder der Mitarbeiter- und Vorgesetztentypen, Werthaltungen und Bediirfnisse bleiben unberiicksichtigt. Verschiedene Motivationstheorien werden lediglich der 3-D-Theorie gegeniibergestellt (vgl. Reddin 1970, 189-201) und dahingehend interpretiert, dass die Effektivităt eines Fiihrungsstils von der Fiihrungssituation abhangt (vgl. Reddin 1970, 35-38). Man muss Neuberger (vgl. 1984, 164) zustimmen, dass Reddins Theorie zwar anregend ist, sich wegen fehlender Operationalisierung und fehlender priifbarer theoretischer Grundlagen aber jeder empirischen Uberpriifung entzieht. Auch Reddins Theorie erweist sich somit als Ftlhrungsideologie. Wiedie von Reddin behaupteten Erfolge der 3D-Theorie in kleinen und groBen Untemehmungen bestimmt oder gar gemessen worden sind (vgl. Reddin 1970, 308), bleibt vollig offen. Die Beliebigkeit dieser Theorie macht vielleicht verstăndlich, warum sie erstaunliche Resonanzin der Praxis, kaufu aber unter Fiihrungstheoretikem gefunden hat.

3.4.5. Die situative Lebenszyklustheorie der Fiibnmg von Paul Hersey und Kennetb H. Blanchard Hersey und Blanchard haben 1969 eine Fiihrungstheorie vorgestellt und 1972 revidiert, die situative Elemente enthălt sowie die Wahl des Fiihrungsstils von der Reife des Mitarbeiters abhangig macht (vgl. 1982, Kap. 7). Die Lebenszyklustheorie der Fiihrung unterstellt, dass die Reife des Mitarbeiters im Verlauf seines Lebens stetig ansteigt. Das Fiihrungsverhalten des Vorgesetzten hat sich nach der Reife des Mit-

486 arbeiters zu richten und andert sich im Fiihrungsmodell gemăB der im verwendeten Quadrantensystem der Ohio-Dimensionen glockenftirmigen Fiihrungsverlaufskurve, die in Abb. III. 7. wiedergegeben wird (vgl. HerseylBlanchard 1982, 152). Jedem der vier Quadranten des Modells, bestehend aus den polar differentialen Dimensionen der Personen- und Aufgabenorientierung, wird ein knapp beschriebener optimaler Fiihrungsstil zugeordnet, nămlich "telling", "selling", "participating" und "delegating" (vgl. HerseylBlanchard 1982, 153-154).

hoch

Stil 3: Participating

Stil2:Selling

Stil 4: Delegating

Stil 1: TeUing

'=Al

e 1:1

.~

==

.~

~

=

C ~

~

niedrig niedrig

hoch

Aufgabenorientierung mittel

mittel

hoch

niedrig

Reifegrad der gefilhrten Person

Abb. m 7. Lebenszyk1usmodell der Reife und Fiihrung nach Hersey und Blanchard Reife wird umschrieben durch Merkmale wie Wille und Făhigkeit, die jeweils liber Punktskalen stufenordinal gemessen werden (vgl. HerseylBlanchard 1982, 158159). Messtheoretisch haltbar ist dies nicht, weil zu Unrecht Unabhăngigkeit der Merkmale voneinander unterstellt wird und die Addition von Stufenordinalwerten keine sinnvoll interpretierbare Summe ergibt.

487 Das Fiihrungsverhalten des Vorgesetzten so11 sich auf der Fiihrungs- bzw. Reifekurve von rechts nach links gemaB den in den vier Quadranten der Abb. III. 7. eingetragenen Fiihrungsstilen verăndem: Je reifer der Beschaftigte wird oder ist, umso eher kann der Vorgesetzte von der Anweisung zur Uberzeugung, zur Partizipation und schlie6lich zur Delegation iibergehen (vgl. HerseylBlanchard 1977, 135). Einen empirischen Beweis fUr die Richtigkeit des Fiihrungsstilwechsels ersetzen Hersey und Blanchard durch den Hinweis auf die analoge Entwicklung des EltemKind-Verhăltnisses (vgl. 1982, 162-164). Die Effektivităt der Fiihrungsstile, abhăngig von der Reife des Mitarbeiters, wird von den Autoren nur behauptet (vgl. HerseylBlanchard 1982, 152-156): Offensichtlich interpretieren die Autoren "Reife" des Mitarbeiters als situative Variable, von welcher der "richtige" Fiihrungsstil abhăngig gemacht werden muss. Diese Interpretation wăre bei operationaler Bestimmung der "Reife" vielleicht sogar plausibel. Eine kiihne Verbindung zu einigen Inhaltstheorien der Motivation (s. Teil III, 2.2.) schlagen die Autoren dadurch, dass sie die ersten Phasen der Reifekurve mit rangniedrigen Bediirfuissen aus Maslows Theorie und Frustratoren aus Herzbergs Theorie in Verbindung bringen, wăhrend sie den letzten Phasen der Reifekurve ranghohe Bediirfnisse aus Maslows und Motivatoren aus Herzbergs Theorie zuordnen (vgl. HerseylBlanchard 1982, 295-297). Nicht minder kiihn werden McGregors Fiihrungstheorie (s. Teil III, 3.4.1.) und Scheins Typologie der Menschenbilder (s. Teil III, 3.2.1.) vereinfacht und unter Missachtung aller Widerspruche in die Lebenszyklustheorie der Fiihrung eingebaut (vgl. HerseylBlanchard 1982, 297-301). Man kOnnte meinen, der "Gordische Knoten im Ei des Columbus" sei gefunden und durchhauen. Die Kritik der Theorie kann mit der fehlenden Definition und Operationalisierung von "Effektivităt" beginnen, sich bei der mangelhaft operationalisierten "Reife" als einziger (!) unabhăngigen Variablen fortsetzen, den ungeeigneten Einbau von Motivationstheorien bemăngeln und mit dem Fehlen von Menschenbildem fUr Mitarbeiter oder Typen von Vorgesetzten abschlie6en. Wie die kritischen Anmerkungen deutlich mac hen, entzieht sich diese Theorie jeder empirischen Uberpriifung. Selbst wenn man sich Neubergers vemichtender Kritik (vgl. 1984, 167) nicht anschlie6t, bleiben geniigend Einwănde gegen eine Anwendungsempfehlung zu dieser Theorie. Sie teilt somit das Schicksal aller bisher vorgestellten Fiihrungstheorien, insbesondere deIjenigen Reddins und Fiedlers. Auch hier liegt wieder eine Filhrungsideologie vor.

488 3.4.6. Die Weg-Ziel-Theorie von Oswald Neuberger Neuberger hat 1976 (vgl. 251-272) eine Weg-Ziel-Theorie der Filluung vorgestellt und 1984 (vgl. 168-174) prăzisiert sowie kritisch tiberpIiift. Seine Theorie baut auf Erwartungs-Valenz-Theorien der Motivation von Evans (1970) und House (1971) aufund fiihrt diese weiter. Einen Rekurs aufBedtirfnisse und damit inhaltliche Motivationstheorien lehnt Neuberger ab. Die Verwandtschaft des Weg-Ziel-Ansatzes mit der Entscheidungstheorie einerseits, den Motivationstheorien von Porter und

Lawler oder Heckhausen andererseits (s. Teil m, 2.3.4., 2.3.5.) ist untibersehbar.

Die Weg-Ziel-Theorie der Ftihrung kntipft an der Entscheidung des einzelnen Menschen an, um die Motivation zur Entscheidung und zum Handeln zu

erklăren.

Dazu miissen wie im Grundmodell der Entscheidungstheorie (vgl. Laux 1982, 2123) die Mengen (1) der wăhlbaren Alternativen, (2) der Umweltzustiinde und (3) Ergebnisse sowie (4) eine Bewertungsregel fiir die Ergebnisse, Wahrschein1ichkeitsverteilungen fiir (5) die Ergebnisse je Alternative und Umweltzustand sowie (6) fiir die Umweltzustiinde selbst und (7) eine Entscheidungsregel bekannt sein. Gewăhlt

wird wie im Grundmodell der Entscheidungstheorie die Alternative mit

dem hOchsten Erwartungswert des Nutzens. In dieses Modelllăsst sich die WegZiel-Theorie der Motivation einbauen, indem man zunăchst die Umweltzustiinde in Bedingungen uminterpretiert. Die

Stărke

der Motivation, eine Alternative zu wah-

len, wird als gewichtete Summe von Valenzen der bei Wahl dieser Alternative auszufiihrenden Tatigkeiten (Weg) und Valenzen der Ergebnisse dieser (ZieI) dargestellt (vgl. Neuberger 1976, 252; 1984, 169).

Tătigkeiten

Da die Formeldarstellung bei Neuberger teilweise schwer verstănd1ich ist, wird bier der Weg der verbalen Darstellung

gewăhlt,

um den Grundgedanken des Ansatzes

deutlich zu machen. Der Ansatz geht davon aus, dass der Weg im Sion von alternativenspezifischen Tătigkeiten einen eigenen, vom Ergebnis unabhangigen Wert fiir den Entscheidungstrăger bat. Der Wert, den man als Nutzen interpretieren koonte, wird aufgespalten: Ein intrinsischer Nutzen, der z. B. aus Freude, Gefallen am Weg oder am Ziei abgeleitet wird, wird erganzt durch einen extrinsischen Nutzen, der von Belohnungen fiir die Wahl des Wegs oder das Erreichen des Ergebnisses abhăngt. Intrinsischer und extrinsischer Nutzen sind unabhăngig voneinander, was nicht in allen Entscheidungssituationen plausibel ist. Da der extrinsische Nutzen nicht mit Sicherheit auftritt, wird er durch eine Eintrittswahrschein1ichkeit gewichtet. Eine als Instrumenta1itat interpretierbare Eintrittswahrschein1ichkeit dafiir, dass das Ergebnis (ZieI) auch Folge einer Tatigkeit (Weg) ist, gewichtet den Gesamtnutzen des Ergebnisses. Ist diese Wahrschein1ichkeit und damit der Ergebnis-

489 nutzen Null, so bleibt der Wert oder Nutzen der Tatigkeit selbst dennoch bestehen. Abb. III. 8. gibt diese Zusammenhange in schematischer Form wieder (vgl. Neuberger 1984, 170).

intrinsische extrinsische Wahrschein Valenz + Valenz * lichkeit der + des Wegs des Wegs Belohnung

intrinsische extrinsische Wahrschein Valenz + Valenz * lichkeit der Belohmmg der Ziele derZiele

*

Instrumentalitilt Weg-Ziele

I Gesamtvalenz des Wegs (fătigkeiten) GVW 11L-__Ge_sam_tv_al_ellZ_de_rZi_·_el_e(_E_rg_ebni_·S8e_)_G_VZ _ _ _--'

IManYATION=f(GVW+ GVZ) I

Abb. m 8. Die Weg-Ziel-Theorie der Motivation und Fiihrung von Neuberger Der jUhrungstheoretische Teil der Theorie macht sieben Aussagen dariiber, an welchen Stellen und in welcher Weise der Vorgesetzte bei Weg oder ZieI in die Motivationsfunktion eingreifen kann (vgl. Neuberger 1984, 171-172). Die ersten drei Aussagen beziehen sich auf Komponenten des Wegs, die restlichen vier Aussagen aufKomponenten des Ziels: (1)

(2) (3)

(4)

(5) (6) (7)

Der Vorgesetzte kann die intrinsische Valenz von Tatigkeiten durch Eingriff in die Tatigkeiten selbst verandem. Er kann durch Variation des Betriebsklimas die extrinsischen Valenzen von Tatigkeiten, nămlich die Bewertung durch Dritte, beeinflussen. Der Vorgesetzte kann durch Forderung nicht nur der Ergebnisbeurteilung, sondem auch von Verhaltensbeurteilungen die Eintrittswahrscheinlichkeit fur die extrinsische Belohnung durch Beachtung oder Lob beeinflussen. Die intrinsische Valenz der Ergebnisse kann der Vorgesetzte durch ein eigenes Vorbild beeinflussen, wenn er bestinunten Zi elen einen Wert an sich, also einen Eigenwert beimisst. Die extrinsische Valenz wird vom Vorgesetzten durch die Hohe der Belohnung oder Bestrafung beeinflusst. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der extrinsischen Belohnung beeinflusst der Vorgesetzte durch die Systematik oder Unsystematik seiner Belohnungen. Die Weg-Ziel-Instrumentalitat kann der Vorgesetzte schlieBlich dadurch beeinflussen, dass er die Finalităt des Mitarbeiterhandelns untersmtzt, schult, kurz verbessert oder dass er bessere Wege aufzeigt.

490 Die Kritik der Theorie kann zunăchst an deren Prămissen und Struktur ansetzen. Die Prămisse konsequenter und ausschlie.6licher Nutzenmaximierung ist vielleicht realitătsfern, obwohl sie sich im Menschenbild der Transaktionskostentheorie ebenfalls wiederlindet. Auch das Erreichen von Anspruchsniveaus miisste zusătzlich berucksichtigt werden. Die Verkniipfung der Motivation einer Person mit nur einer Alternative wirft das Problem auf, wie Alternativenbiindel oder -sequenzen als Strategien im Zeitablauf auf die Motivation eines Individuums wirken. Die Umweltabhăngigkeit der Ergebnisse und die Erwartungswertbildung werden nicht explizit berucksichtigt, sondern nur noch in der Weg-Ziel-Instrumentalităt in ău.6erst komplexer Form erfasst. Die Valenzen und ihr Zustandekommen werden als blackbox-Problem behandelt, da Bediirfnisse und Motive ausdriicklich unberucksichtigt bleiben. Die Unabhăngigkeit der Weg-, und Zielvalenzen ist im Einzelfall, nicht aber generell vorstellbar. Dies gilt analog auch fiir die Unabhăngigkeit intrinsischer und extrinsischer Valenzen voneinander. Menschenbilder und Vorgesetztentypen bleiben unberucksichtigt, diirften aber die Eingriffe des Vorgesetzten in die Variablen des Motivationsmodells erheblich beeinflussen. Uberhaupt bleiben diese Eingriffe und ihre Folgen sowie die Fiihrungssituation als wesent1iche Elemente der Fiihrung unbestimmt, obwohl hier der Einbau weiterer Instrumentalităten fUr Fiihrungsmittel und Fiihrungserfolg mit Ănde­ rung der Motivation denkbar wăre. Das Messdesign des Motivationsmodells bleibt offen, so dass seine empirische Uberpriifung in Verbindung mit der Wirkung des Fiihrungsverhaltens von Vorgesetzten offen ist. Neuberger selbst kritisiert sein Modell mit zum Teil anderen Argumenten (vgl. 1984, 172-174), kommtjedoch zum gleichen Ergebnis: Diese Theorie ist von Anwendungsreife weit entfernt. Sie ist jedoch als anregendes Programrn zur Entwicklung geeigneter Fiihrungstheorien zu verstehen, und als solches von hohem heuristischen Wert.

3.4.7. Die Eigenschaftstheorie der Fiihrung Die Eigenschaftstheorie der Filhrung ist geradezu ein heimlicher Klassiker unter den Fiihrungstheorien (vgl. Delhees 1987, 752-753; Wunderer/Grunwald 1980a, 113-129; Schuler/Moser 1992, 1914). Ihre Anhănger sind nicht nur in Unternehmungen, sondern auch in militărischen, politischen und kirchlichen Organisationen zu vermuten. Unter Fiihrungstheoretikern registriert Wunderer nach lănger anhaltender Relativierung der Eigenschaftstheorie in neuerer Zeit wieder deren verstărkte Diskussion (vgl. 1993a, 642). Die Grundidee der Eigenschaftstheorie ist von mitrei.6ender Einfachheit (vgl. Neuberger 1976, 19-50; Neuberger 1990, Kap. 4):

491 Fiihrungserfolg hăngt ausschlieBlich von person/ichen Eigenschaften des Fiihrers ab, die vorwiegend angeboren sind, teilweise aber auch durch Erziehung erworben werden konnen. Eine situative Differenzierung der Fiihrung gibt es praktisch nicht. Wenn diese Idee richtig wăre, mussten erfolgreiche Fiihrer uber bestimmte Personlichkeitsmerkmale wie z. B. "Intelligenz", "Durchsetzungsfahigkeit", "Charakterfestigkeit" oder "Dominanzstreben" mit hoher Mindestauspragungverfiigen. Diese Personlichkeitsmerkmale mussten auBerdem zeitlich stabil, situationsunabhăngig und uberall verbreitet sein (vgl. Neuberger 1990, 63). Diese Theorie geht darUber hinaus implizit von der Pramisse aus, dass hierarchische Organisationsstrukturen der Entscheidung und Leitung anderen Organisationsformen wie z. B. Gremien uberlegen sind. Sie unterstellen femer stillschweigend, dass nur einzelne "Fiihrerpersonen" in der Lage sind, Mitarbeiter zielorientiert zu beeinf1ussen. Autonomie und Selbstverantwortung des einzelnen Mitarbeiters sind mit Eigenschaftstheorien der Fiihrung unvereinbar, so dass der Verdacht begrundet ist, eigenschaftsorientierte Fiihrungstheorien seien zur Erklărung autoritarer Fiihrung (s. Teil III, 4.3.1.) konstruiert worden.

Probleme der Eigenschaftstheorie der FUhrung sind durch vier Fragen formulierbar: (1) (2) (3) (4)

Welche Eigenschaften begrunden Fiihrungserfolg? Wie werden diese Eigenscha:ften in Fiihrungsverhalten umgesetzt? Wie wirkt dieses Fiihrungsverhalten unabhăngig von den gefiihrten Personen? Wie kann Fiihrungserfolg allgemeingilltig definiert werden?

Auf die Fragen (2) bis (4) gibt es keine verbindlichen Antworten, wenn nicht bereits Frage (1) erschOpfend beantwortet werden kann. In der Tat: Die Liste von vermeintlich relevanten Eigenschaften ist lang. Neuberger kommentiert sie mit dem kritischen Hinweis, kein Mensch besăBe diese Eigenschaften oder genuge ihnen (vgl. 1990, 64). Auffallig ist femer, dass einige dieser Eigenschaften an die Schlusselqualifikationen erinnem, die in der Leistungsbeurteilung (s. Teil 1, 5.4.2.6.) und der untemehmerischen Arbeitsmarktforschung (s. Teil 1, 5.3.4.) diskutiert werden. Sicher scheint nur zu sein, dass Intelligenz die wahrgenommene Fiihrungsfahigkeit befriedigend zu erklăren vermag (vgl. Schuler/Moser 1992, 1914). Das bedeutet positiv, dass die Fiihrungsfahigkeit mit der Intelligenz des Vorgesetzten steigt.

Die kritische Reflexion verschiedener empirischer Versuche der Nachpriifung von Eigenschaftswirkungen durch Neuberger (vgl. 1990, 64-66) kommt allerdings zu

492 dem Ergebnis, dass diese Wirkungen eher zufâ1lig als systematisch sind. Dem wăre hinzuzu:fiigen, dass selbst bei positiver Korrelation eines Eigenschaftsansatzes mit einer Variablen des Fiihrungserfolgs eine Theorie zor Erklărung dieser Korrelation benotigt wird. Genau eine solche schIiissige Theorie fehIt jedoch. Man kann daher noch immer dem SchIuss Oechslers zustimmen, dass Fiihrungseigenschaften dem Fiihrungserfolg nicht abtntglich seien, ihn aber keineswegs alleine zu begriinden vermogen (1982,37-38). Dieses skeptische Urteil wird die Wirtschaftspraxis kaum davon abhalten, weiter nach Personen mit "Fiihrungseigenschaften" zu suchen und sich dabei auch der hierfiir ungeeigneten Assessment-Center-Technik zu bedienen (s. Teil 1, ).4.2.8.). Wichtigster Einwand gegen die Eigenschajtstheorie der Fiihrung ist somit, dass Fiihrungsverhalten nur unzureichend aus personlichen Eigenschaften erklart wird. Insbesondere wird die motivationale Komponente des Fiihrungsverhaltens vemachlassigt. Daneben bestehen aber weitere Einwănde. Weder bei den gefiihrten Mitarbeitem noch bei den Vorgesetzten selbst gibt es eine Differenzierung nach Menschenbildem, die von der Eigenschaftstheorie berucksichtigt wiirde. Die Fiihrungssituation und der Einsatz von Fiihrungsinstrumenten werden ebenfalls vemachIassigt. Eigenschaftstheorien der Fiihrung sollten daher als offenes Problem der Fiihrung und nicht als Fiihrungsansatz behandelt werden. Selbst in der besonders leichtgewichtigen Literatur zor Motivation und Fiihrung (vgl. z. B. KunzlMehIer 1989, 43-55) sind Eigenschaftstheorien fehI am Platz.

3.4.8. Ein motivationsorientiertes Theoriemodell des Fiihrungsprozesses Da keine der zuvor diskutierten Fiihrungstheorien den Prozess der Fiihrung und seine instrumentelle Nutzung umfassend und befriedigend erklăren kann, soll abschIie6end ein neuer Weg beschritten wtlrden. Die zuvor erlauterte Motivationstheorie fiir eine Person von Heinz Heckhausen (s. Teil III, 2.3.5.) wird so reformuliert und erweitert, dass sie zu einem Modell einer dynamischen Fiihrungstheorie jUr zwei Personen wird. Die Idee der Verkniipfung der Modellvariablen durch Instrumenta1itaten im Sinn von Wirkungs- oder Erfolgswahrscheinlichkeiten wird in abgewandelter Form aus dem Heckhausen-Modell iibemommen. Die nachfolgend genannten Wahrscheinlichkeiten wl bis w15 beziehen sich auf Abb. III. 9. Das nachfolgend entwickelte Modell besteht aus zwei miteinander verkniipften Teilprozessen. Der erste Teilprozess kniipft am Mitarbeiter an und besteht aus den Elementen des Mitarbeiterverhaltens, des durch das Mitarbeiterverhalten ausgelos-

493 ten Ergebnisses und der intrinsischen Motivation. Letztere wird durch die Arbeit selbst und somit das Arbeitsergebnis aufgebaut und steuert das Mitarbeiterverhalten. In Abbildung III.9 ist wl0 eine subjektive Wahrscheinlichkeit fUr das Zustandekommen des Arbeitsergebnisses, wll eine subjektive Wahrscheinlichkeit fUr den Aufbau intrinsischer, aus der Arbeit selbst entstehender Motivation und w12 eine subjektive Wahrscheinlichkeit fUr deren Wirkung auf das Mitarbeiterverhalten. Alle drei Prozesselemente sind regelkreisartig miteinander verknlipft. wl0 bis w12 sind im Zeitablauf durch Lemprozesse des Mitarbeiters miteinander verbunden. Der zweite Teilprozess knlipft am Vorgesetzten an. Dieser wăhlt das Fiihrungsverhalten aus, das liber die subjektive Wahrscheinlichkeit wl von der Fiihrungssituation abhângt und mit w7 das Mitarbeiterverhalten beeint1usst. Neben seinem Verhalten wăhlt der Vorgesetzte bediirfnisorientierte Belohnungen fUr den Mitarbeiter sowie weitere Fiihrungsinstrumente ohne Anreizwirkung aus, die mit w9 und w8 das Mitarbeiterverhalten beeint1ussen. Auf die Wirkungen von Belohnung und Fiihrungsinstrumenten wirken aber auch die Fiihrungssituation liber w2 und w3 sowie das Fiihrungsverhalten selbst liber w5 und w6. Femer beeint1usst die Fiihrungssituation selbst das Mitarbeiterverhalten liber w4, die Wirkung der Fiihrungsinstrumente liber w2 sowie den Aufbau und die Wirkung der intrinsischen Motivation liber w 13. Der AnstoB zum Aufbau von intrinsischer Motivation kann durch extrinsische Motivation mit bediirfnisorientierter Belohnung liber w14 mit ausgelost werden. Existiert jedoch bereits extrinsische Motivation, so relativiert diese die Wirkungen extrinsischer Motivation liber w15. Auch die subjektiven Wirkungswahrscheinlichkeiten wl bis w15 (auBer wl0 bis w12) sind durch Lemprozesse des Vorgesetzten im Zeitablauf untereinander rUckgekoppelt. Die Schătzung der subjektiven Wahrscheinlichkeiten wl bis w15 hat der Vorgesetzte zu leisten, diejenige der Wahrscheinlichkeiten wl0 bis w12 der Mitarbeiter zusătzlich fUr sich. Im Vorgriff auf die Individualisierung der Fiihrung (s. Teil III, 5.2.) ist vom Vorgesetzten zu erwarten, dass er fUr jeden seiner Mitarbeiter das zuvor erlăuterte Theoriemodell mit allen Wirkungswahrscheinlichkeiten formuliert und entsprechend diesem Theoriemodell handelt. Abb. III. 9. gibt die Zusammenhănge insgesamt wieder. Das hier vorgestellte komplexe Theoriemodell gibt keine instrumentelle Hilfe dafiir, wie ein bestimmter Mitarbeiter zu einem erwarteten Verhalten konkret motiviert werden kann. Es macht jedoch dem Vorgesetzten die Komplexităt des gesamten Fiihrungsprozesses deutlich. Dariiber hinaus bietet es dem Vorgesetzten - und in Grenzen auch dem Mitarbeiter - einen Bezugsrahmen fUr deren Handeln, und da-

494

mit eine Rilfe. Das Mode11 ist im Ubrigen so allgemein, dass bei Ausgrenzung des Elements der extrinsischen Motivation seine Nutzung auch fUr die sach- und aufgabenorientierte Ftihrung problemlos vorste11bar wird. wB

~

w14

~

Extrinsische Motivation: Belohnung ~ Intnnsische Motivation: des Mitarbeiters entsprechend f- wl Die Arbeit selbst seinen Motiven (Anreize)

Îw5

w9

w12

l"

Fiihrungssituation ~ Fiihrungsverhalten ~ Mitarbeiterverhalten ~ Ergebnis w2

!w6 w8

Fiihrungsinstrumente auBer Artreize w4

Abb.

m. 9.

Ein motivationsorientiertes Theoriemode11 der Fiihrung fiir zwei Personen

Das offene Problem des Prozessmode11s sol1 jedoch nicht verschwiegen werden: Seine Elemente haben Black-box-Charakter. Sie konnen durch unterschiedliche situative Variablen, durch verschiedene Fiihrungsinstrumente und Belohnungen sowie differenziertes Fiihrungsverhalten des Vorgesetzten im Umgang mit jedem Mitarbeiter gefii11t werden. Dieser Schritt hin zur Realităt der Fiihrung unterbleibt hier mangels besseren Wissens. Eine Priifung der Effektivităt dieses Theoriemode11s st06t auf erhebliche Probleme bei der Messung seiner Variablen. Deshalb muss Effektivităt durch die Plausibilităt der Rypothesen zur Wirkung der Variablen aufeinander ersetzt werden. Eine transaktionskostentheoretische Wilrdigung des Theoriemodells muss sich auf eine Aussage zu seinen beiden Teilprozessen beschranken. Wenn der Aufbau internalisierter Motivation im ersten Teilprozess gelingt, nimmt die Notwendigkeit der Ftihrung im zweiten Teilprozess ab. Wăhrend die Transaktionskosten der Anbahnung und Vorbereitung in beiden Teilprozessen etwa gleich sein diirften, liegen diejenigen der Kontrolle und Fehlerkorrektur im ersten Teilprozess deutlich unter denjenigen des zweiten Teilprozesses.

495

3.5. Zur Verwendbarkeit von Fiihrungstheorien Wenn Ftihrungstheorien erklăren und instrumentell vorgeben solIen, wie der Vorgesetzte seine Mitarbeiter konkret behandeln und beein:flussen solI, um sie in einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Verhalten, einer bestimmten Leistung zu motivieren, so geniigt mit Ausnahme des TheoriemodelIs in Abschnitt 3.4.8. keine der hier vorgestellten Ftihrungstheorien diesem Anspruch vallig. Jede der Ftihrungstheorien hat dariiber hinaus noch zusătzliche Măngel, die zuvor aufgezeigt worden sind. Transaktionskostentheoretische Elemente fehlen auBer im Ansatz aus Abschnitt 3.4.8. ebenfalls. Bis auf die Weg-Ziel-Theorie Neubergers, die sich auf den gefiihrten Mitarbeiter konzentrlert und dafiir den fiihrenden Vorgesetzten weitgehend unbeachtet Iăsst oder nur als pauschale Grafie erfasst, verfahren die Theorien von McGregor, Ouchi, Fied1er, Reddin sowie Hersey und Blanchard umgekehrt: Sie stellen das Verhalten des Vorgesetzten in den Vordergrund und vemachlăssigen die Reaktionen der gefiihrten Mitarbeiter oder sie konzentrleren sich allzu sehr auf den Bedingungsrahmen der Fiihrung, wie dies bei Ouchi der FalI ist (s. Teil III, 3.4.2.). Keine dieser Ftihrungstheorien liefert somit konsistente multikausale Erklărungen fUr ziel-, mitarbeiter- und situationsadăquates Ftihrungsverhalten von Vorgesetzten. Lediglich der Ansatz aus Abschnitt 3.4.8. bezieht Vorgesetzte undMitarbeiter in das Theoriemodell mit ein. Da in der Praxis der Vorgesetzte je nach Typ des Mitarbeiters fiihren muss, findet Ftihrung derzeit weitgehend im theoriefreien Raum statt. Die ausgewăh1ten Theorien sind empirisch nicht iiberpriift und somit streng genommen Kunstlehren. Als Bezugsrahmen fUr Ftihrungshandeln diirfte lediglich der Ansatz aus Abschnitt 3.4.8. geeignet sein. Bei dennoch undifferenzierter Empfehlung solcher Kunstlehren fUr die praktische Anwendung erhaltc:m sie die Eigenschaften von Ideologien. Dies trifft vor allem auf die Theorien von Reddin sowie Hersey und Blanchard zu. Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf praxisorientierte Fiihrungskonzeptionen. Mit ihnen beschăftigt sich das folgende Kapitel.

4.

Fiihrungskonzeptionen

4.1. Uberblick FUhrungskonzeptionen fibemehmen einen Teil der FUIlktţonen von FUhrungstheorien. Sie enthalten Aussagen fiber die Beeinflussung von Mitarbeiterverhalten durch Einsatz bestimmter Instrumente und Techniken der MenschenftJhrung und knfipfen in der Regel an wenigen, idealisierten Menschenbildem vom Mitarbeiter wie z. B. den Typen X oder Y McGregors an (s. Teil III, 3.3.l.). Menschenbilder von Vorgesetzten fehlen dagegen fast vollig. Situative Differenzierung des Einsatzes von FUhrungsinstrumenten ist zwar sinnvoll, aber nicht durchgăngig in allen FUhrungskonzeptionen vorhanden. Auch fUr Ffihrungskonzeptionen gilt, was zuvor allgemein zu personalwirtschaftlichen Konzeptionen festgestellt worden ist (s. Teil 1, l.5.): Sie konnen als verkurzte instrumentelle Hypothesen formuliert und zumindest grundstitzlich empirisch UberprUft werden. Schwăchste Form empirischer Uberpriifung wăre eine Konsens von Vorgesetzten und Mitarbeitem, dass sich eine praktizierte Konzeption bewăhrt habe. Die Grenzen zwischen Ffihrungstheorien und Ffihrungskonzeptionen sind also je nach Ausbaustand der letzteren flieBend. Fuhrungsideologien unterstellen dagegen ein einziges, axiomatisiertes Bild von der Natur des Menschen und ordnen diesem Bild werthaltig bestimmte Instrumente der Mitarbeiterbeeinflussung zu. Die systematische empirische Uberpriifung von FUhrungsideologien muss ausgeschlossen werden, da sie die Wirkung der Ideologien gefahrden wfirde. Die in der Literatur vorgestellten und diskutierten, zum Teil auch praktizierten FUhrungskonzeptionen lassen sich danach ordnen, ob die Ausprăgungen nur eines oder mehrerer ihrer Merkmale abgestuft werden. Eindimensionale Konzeptionen mit dem Leitmerkmal "Zustandekoinmen und Beteiligung an Entscheidungen" haben Tradition. Sie werden allerdings vorzugsweise nur mit ihren polaren idealtypischen Ausprăgungen der autorităren FUhrung und volligen Autonomie unter Einschluss der "mittleren" Ausprăgungen partizipativer FUhrung, Kooperation und Team (Interaktion) unter der Bezeichnung "Stile" diskutiert. Polare Idealtypen haben statt Praxis- nur Lehrbuchrelevanz, denn sie erleichtem mit der Funktion von Leitideen die Einordnung empirisch beobachtbarer Konzeptionen der FUhrung. Auch das in der Praxis verbreitete "Harzburger Modell" Iăsst sich als eindimensionale Konzeption interpretieren, wennman bei der Stellenbildung als Leitmerk-

498 mal die abgestufte Kompetenzzuweisung und bei der Aufgabeneinfiihrung Autonomie herausgreift. Unter den mehrdimensionalen Konzeptionen mit mehreren klassiflkatorischen Merkmalen haben das Managerial-Grid-Modell von Blake und Mouton in der Praxis und die Kooperative Fiihrung von Wunderer und Grunwald sowie die Symbolische Fiihrung in der wissenschaftlichen Diskussion Aufmerksamkeit gefunden. Dem "Grid-Modell" fehlen theoretische Grundlage und Ansatze zur Operationalisierung, so dass seine Wirkungen allenfalls als heurlstisch zu verstehen sind. Die "Kooperative Fiihrung" geht von bestimmten, offengelegten Werthaltungen und Grundannahmen aus, bei deren Zutreffen die Konzeption anregend wirken diirfte auch wenn die Ansatze zur Operationalisierung bescheiden geblieben sind. Symbolische Fiihrung nutzt die Untemehmungskultm: zur Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens. Allen Konzeptionen gemeinsam ist allerdings ihr breiter Geltungsanspruch fUr die verschiedensten Vorgesetzten- und Mitarbeitertypen. Dieser Anspruch wird durch die Unterschiedlichkeit deIjenigen Menschen faktisch begrenzt, die in Untemehmungen zusammenarbeiten. Trotz unterschiedlicher Sichtweisen in der Literatur kann man Fahrungsgrundstitze als radikal vereinfachte Fiihrungskonzeptionen fUr den Bedarf der Praxis sehen. Sie sollen als inhaltlich werthaltige und bewusst vage gelassene Leitbilder zur Entwicklung und Vereinheitlichung des Mitarbeiterverhaltens beitragen. Mit der Vieldeutigkeit von Fiihrungsgrundsatzen Iăsst sich am besten erklăren, warum Fiihrungsgrundsatze in der Praxis ihre FunktilJfi verfehlen und warum sie hohe Akzeptanz als Alibi oder als Anlass zur Diskussion iiber Fiihrung und Fiihrungsverhalten :tinden. Fiihrungsverhalten auBert sich zumindest teilweise im Einsatz von Fahrungsinstrumenten. Diese sind organisatorisch, wenn sie eine verhaltensbeeinflussende Struktur von Organisationsaufbau und -ablauf bezwecken. Sie sind personal, wenn sie unmittelbar auf den Mitarbeiter und dessen Verhalten wirken sollen. Vie Wirkung nahezu aller Fiihrungsinstrumente hăngt davon ab, wie sie im Rahmen einer Fiihrungskonzeptiofi genutzt werden. Nutzungsunabhăngige Eigenwirkungen haben sie kaum.

499

4.2. Ziei, Struktur, Abgrenzung, transaktionskostentheoretische Wiirdigung, Inhalte und Konstruktion von Fiihrungskonzeptionen 4.2.1. Ziei, Strukturelemente und Abgrenzungen Der Mangel an geeigneten Theorien der Motivation und Fiihrung zwingt zur Konstruktion von Fiihrungskonzeptionen oder -modellen mit der Funktion eines instrumentellen Theorieersatzes. Fuhrungskonzeptionen bestehen ihrer Struktur nach aus einer Zuordnung von Leitideen, Fiihrungsinhalten und verhaltensbeeinflussenden Fiihrungsinstrumenten auf ein oder mehrere Situationen. Zur Situation gehOren auch Menschenbilder und qualitative Merkmale des . Personals. Fiihrungskonzeptionen selbst enthalten keine expliziten motivationstheoretischen Aussagen. Ihr Ziei ist es, dem Vorgesetzten instrumentelle Hilfen anzubieten (1):fiii die Motivation seiner Mitarbeiter zum Verbleib in der Untemehmung und zur Leistung, (2) fiir die Verbesserung ziel- und vertragskonformer Aufgabenerfii1lung durch die Mitarbeiter, (3) fiir die Abstimmung des Mitarbeiterverhaltens sowie (4) fiir die Forderung des Zusammenhalts und der Integration der Mitarbeiter. Dass Fiihrungskonzeptionen "mehr oder weniger idealtypischen Charakter" haben konnen, hat bereits Wild (1974, 164) hervorgehoben. Sie b~lUen oft auf idealtypischen Denkmodellen oder Leitbildem auf. Wie auch Fiihrungstheorien konnen Fiihrungskonzeptionen eine organisatorisch-sachorientierte- und eine personenorientierte Komponente enthalten (s. Teil m, 3.1.). Abb. m. 10. gibt die Zusammenhange zwischen Situation, Leitideen und Instrumenten der Fiihrung wieder. Die Abgrenzung einer Fuhrungskonzeption von verwandten Konstrukten ist trotz partieller Uberschneidungen notwendig. Im Unterschied zu Fiihrungskonzeptionen beanspruchen Fuhrungsideologien nicht nur generelle Geltung, sondem sie konnen selbst durch Akzeptanzverlust nicht falsifiziert werden. Fiihrungsideologien bestehen erstens aus axiomatischen Aussagen liber die Natur der Menschen, die auf ein einziges Menschenbild reduziert werden. Sie enthalten zweitens werthaltige und kaum differenzierte allgemeine Aussagen liber den Umgang mit Menschen und damit erwiinschtem Fiihrungsverhalten von Vorgesetzten. Erst ein Wechsel der Axiome und Werturteile fiihrt zur Ănderung oder zum Ersatz von Fiihrungsideologien. Da axiomatische Aussagen und Werturteile nicht falsifizierbar sind, sind es Fiihrungsideologien ebenso wenig. Sie mlissen daher bei Ablehnung gegen den Widerstand der Mitarbeiter unter Einsatz von Sanktionen durchgesetzt und prakti-

500 ziert werden. Deshalb wiirde auch ihre systematische empirische Wirkungsprtifung die Ideologie selbst gefahrden. Dies schlie6t eine solche empirische Prtifung aus.

Merkmale der Fiihrungssituation z. B. Werte, Bedllrfnisse, Menschenbild, Problemstruktur der Aufgaben, Qualiflkation, Selbstăndigkeit und Lemfllhigkeit der Mitarbeiter

Leitideen fUr Fiih rungskonzeptionen Autonomie

Abb.

Interaktion CTeam, Partizipation, Kooperation)

vOllige Abhăngigkeit

m. 10. Beziehungen

zwischen Ftihrungsinstrumenten, Leitideen von FUhrungskonzeptionen und FUhrungssituation

Fuhrungsstile sind wegen der Spannweite der Definitionen in der Literatur (vgl. Steinle 1978, 161-163) entweder eine Variante der FUhrungsideologien, die unbedingte Empfehlungen zum Umgang mit Mitarbeitern und zur Beeinflussung von deren Verhalten geben, oder eine einfache Variante von FUhrungskonzeptionen. Aussagen zum Ftihrungsstil beschrănken sich auf die Mittel der Verhaltensbeeinflussung und das dazu passende Vorgesetztenverhalten - unabhăngig von der Situation und explizit auch

unabhăngig

vom Menschenbild. Implizit

lăsst

sich den tibli-

cherweise unterschiedenen FUhrungsstilen "autorităr" und "partizipativ" (vgl. Neuberger 1984, 98-104) durchaus ein axiomatisiertes Menschenbild zuordnen, năm­ lich dasjenige der Theorie X oder Y McGregors.

501 Fahrungsmodelle werden in der ălteren Literatur gelegentlich als Weiterfiihrung von Fiihrungskonzeptionen verstanden (z. B. Wild 1974, 164; BleicherlMeyer 1976, 191-193; Steinle 1978, 177-178), wenn dem Konzept eine normative Empfehlung und ein integrierender Rahmen hinzugefiigt werden. Es geht also nicht um Modelle als strukturgleiches Abbild der Wirklichkeit, sondern um komplexe unbedingte Verhaltensempfehlungen mit Vorbildcharakter. Auf diese Differenzierung kann hier verzichtet werden, da die Unterscheidung von Fiihrungstheorien, -konzeptionen und -ideologien ausreicht, um die verschiedenen Ansâtze der Verhaltensbeeioflussung zu kennzeichnen.

4.2.2. Die formale Struktur Dieformale Struktur einer Fahrungskonzeption ist deIjenigen einer instrumentellen Fiihrungstheorie weitgehend gleich. Im Unterschied zur Fiihrungstheorie werden al1erdings Aussagen zur Effektivitât von Fiihrungskonzeptionen allenfalls imp1izit gemacht, oder es wird einfach Effektivitât als gegeben unterstellt. Ein messtheoretisch abgesichertes Priifdesign analog demjenigen fur Fiihrungstheorien wird nicht als notwendig angesehen. Fiir die Zuordnung von Fiihrungserfolg auf Fiihrungskonzeptionen geniigt Plausibilitât. Wenn man Fiihrungskonzeptionen jedoch als komplexe Hypothesen interpretiert und - wie seit langem vorgeschlagen - Wirkungen einer Fiihrungskonzeption auf Erfolgsvariablen nach Entwurf eines geeigneten

Mess- und Testdesigns empirisch testet (vgl. Wild 1974, 165; Witte 1974), so st06t man auf neue Probleme. Man muss dann Zurechnungsprobleme mit vagen Konstrukten der Erfolgsvariablen wie z. B. "Arbeitszufriedenheit" (vgl. Neuberger 1974, 142-168) zu losen versuchen. Hier liegt eines der vielen noch immer offenen Probleme wissenschaftlicher Fiihrungsforschung (s. Teil III, 3.3.1.). Man kann sich die Funktionsweise einer Fiihrungskonzeption analog dem Regelkreismodell der Systemtheorie mit dem Vorgesetzten als Regler und dem Mitarbeiter als Regelstrecke vorstellen, wobei situative Variablen einer Fiihrungssituation s wie z. B. Werthaltungen, Menschenbilder sowie eine bestimmte Problemlosungssituation fur Vorgesetzten und Mitarbeiter gelten. Abb. III. Il. verdeutlicht die Funktionsweise in grundsâtzlicher Form.

502 FilhrungsgriiBen:

VerhaU"IIIOIWartuDgen,

SoUleistungOD

----_IVori~z;;r];;---l V orgesetzter in FOIuungssiluation •

ZustandsgrliBen:

StellgriiBen:

Arbeilll· und Leistung.verhalten, Leis!ungen.

Arbeilll(un)ZU· fiiodonheit

Abb.

m. 11.

F1IIuung.verhalton

FnhrungsÎIIIlrumenlo

Mitarbeiter in

LF1IIuung:..=::=":::ilua:::ti:::·on::.:._ _-....JI4---'L...---- Symbolo

Struktur und Funktionsweise von Fiihrungskonzeptionen

Theoretisch musste·der Vorgesetzte die als Stellgro6en verwendeten Variablen so Iange variieren, bis die Zustandsgro6en mit den FUhrungsgro6en ubereinstimmen. Praktisch kann dies jedoch wegen der stochastischen Wirkung von FUhrungsinstrumenten auf das Mitarbeiterverhalten misslingen (s. Teil III, 4.5.).

Fuhrungskonzeptionen haben somit die Funktion

Hypothesen", deren Bewăhrung durch Akzeptanz in einem Teilbereich zur Ubemahme durch andere Teilbereiche einer Untemehmung veranlassen kann. FUhrungskonzeptionen unterliegen dem Kriterium der Nichtbewahrung dann, wenn sie von Vorgesetzten oder Mitarbeitem nicht mehr akzeptiert werden. Die Grunde der AbIehnung sind dabei zunăchst weniger wichtig als deren Indikatoren, nămlich (1) Widerspruch bei Vorgesetzten, (2) Leistungseinschrănkung bis hin zur -verweigerung bei Untergebenen, (3) soziale Distanzierung vom Vorgesetzten, (4) Missachtung von Anweisungen des Vorgesetzten, (5) die Beantwortung von Anweisungen durch Hinhalten oder durch Scheinaktivităten sowie (6) Intrigen oder Beschwerden bei năchsthoheren Vorgesetzten des eigenen Vorgesetzten. Fuhrungskonzeptionen mussen nach Akzeptanzverlust geăndert oder ersetzt werden. Die Grunde der AbIehnung mussten allerdings vor einer Ănderung aufgedeckt werden. Dazu sind Mitarbeiterbefragung und Mitarbeitergesprăch (s. Teil 1, 5.4.2.5., 5.4.2.7.) zwar grundsătzlich geeignet. Ob aber das ZieI der Aufdeckung und Analyse von AbIehnungsursachen erreicht wird, hăngt von der Qualifikation und Kompetenz von Vorgesetzten und Mitarbeitern und vom Vertrauensverhăltnis zwischen ihnen ab. Erfolgreiche Ursachenforschung ist nicht zu erwarten, wenn sie in einen offenen Konflikt zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitem mtindet. "vorlău:figer

4.2.3. Transaktionskostentheoretische Wiirdigung Zwar ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Steuerungs-, Kor-: rektur- und Reparaturfunktion der Personalfiihrung diese zur Transaktion fUr einen

503 unvollstandigen Arbeitsvertrag macht (s. Teil III, 3.3.2., 4.2.l.; vgl. a. Eigler 1996, 151-152). Wenn dann die Kosten der Transaktion "Personal:fiihrung" minimiert werden sollen, so bedeutet dies in erster Linie, eine Konzeption und mit ihr Instrumente auszuwăhlen, die minimale Transaktionskosten der Vorbereitung, Abwicklung, Kontrolle, Anpassung und Korrektur bei gegebenem Fiihrungserfolg auslosen. Grundlage dieses Minimierungskonzepts ist die Interpretation der Personalfiihrung als vertragsăquivalentes Tauschverhăltnis von Fiihrungsleistungen des Vorgesetzten gegen Verbleib, Verhalten und Leistung des einzelnen Mitarbeiters, wie es bereits in der Anreiz-Beitrags-Theorie von March und Simon vorgezeichnet ist (vgl. 1958). Zu den Fiihrungsleistungen des Vorgesetzten wiirden ebenso dessen Verhalten wie Anreize oder sonstige Fiihrungsinstrumente zu rechnen sein (vgl. Eigler 1996, 157-158). Eigler macht darauf aufmerksam, dass die Absenkung von Transaktionskosten der Personal:fiihrung von der Fiihrungssituation abhăngt (vgl. 1996, 159-160). Unter den situativen Variablen haben Qualifikation, Selbstandigkeit und Lemfahigkeit von Mitarbeitern besonderen Einfluss auf die Kompatibilităt der Fiihrungsinstrumente mit den Leitideen der Abhăngigkeit, der Partizipation und Kooperation sowie der Autonomie: Je positiver die Ausprăgung der drei situativen Variablen ist, umso leichter kann das Leitbild der Abhăngigkeit ersetzt werden durch dasjenige der Paitizipation sowie Kooperation, und dieses Leitbild dann durch dasjenige der Autonomie. Assoziationen mit dem Lebenszyklusmodell von Hersey und Blanchard sind uniibersehbar (s. Teil III, 3.4.5.). Den drei genannten Leitideen wiirden insbesondere autorităre, partizipative und kooperative Fiihrungskonzepte sowie das Konzept der Selbstfiihrung entsprechen. Die Konstruktion transaktionskostenminimaler Fiihrungskonzeptionen fUr alternative Situationen wird spăter erortert (s. Teil III, 4.2.5.).

4.2.4. Inhalte

Die lnhalte von Fuhrungskonzeptionen lassen sich anhand detjenigen Aussagen umschreiben, die zu Menschenbild, Fiihrungsverhalten und -instrumenten sowie gegebenenfalls zur Situation gemacht werden (vgl. Bleicher/Meyer 1976, 194-196; AlbachlGabelin 1977, 37-39; v. Eckardstein/Schnellinger 1978, 108; Hentze/Brose 1990, 109; Drumrn 1991c, Kap. II). Fiihrungskonzeptionen beinhalten Aussagen iiber zehn Probleme und deren Losungen: (1) Die Ziele und

Grundsătze

der Verhaltensbeeinflussung bei Mitarbeitern.

504

(2) Das Zustandekommen von Entscheidungen liber Ziele und Arten des Ressourceneinsatzes sowie der Ergebnisverwendung einschlie.6lich der Beteiligung von Vorgesetzten und Mitarbeitem an diesen Entscheidungen. (3) Die Durchsetzung von Entscheidungen mit Aussagen zu Weisungs- und Sank'tionssystem. (4) Zulăssige oder erwiinschte Formen der Kontrolle von Entscheidung und Ausfiihrung. (5) Zulassige und erwiinschte Kommunikationsprozesse sowie die Teilhabe der Mitarbeiter an Informationen. (6) Zulăssige und erwiinschte Fiihrungsinstrumente einschlie.6lich instrumentell genutzter Symbole. (7) Menschenbilder von Vorgesetzten und Mitarbeitem. (8) Die Fiihrungssituation. (9) Bestimmung des Fiihrungserfolgs. (10) Die Handhabung von Konflikten. Die Vollstandigkeit und Inhalte dieser Aussagen konnen differieren. Die Kombination der Aussagen fiihrt dann je nach Vollstandigkeit und Inhalt zu verschiedenen Typen von Fiihrungskonzeptionen. Eine Ordnung dieser Typen wird moglich, wenn eines der Merkmale in den Aussagen zur Konzeption zum Leitmerkmal erhoben wird. Wăhlt man z. B. das Merkmal"Mitwirkung an Entscheidungen" der zweiten Aussage, so erhiilt man die polaren Typen von autorittirer Fuhrung und von Fuhrung durch Delegation und Autonomie mit den Zwischentypen partizipativer und kollegialer Fuhrung. Greift man sich das Merkmal der "Konflikthandhabung" aus der zehnten Aussage heraus, so lassen sich die polaren Typen des Wettbewerbs mit Zielextremierung und Disharmonie sowie des Kompromisses mit Zielsatisfizierung und Harmonie bilden. Als typologischer Ansatz lassen sich schlie.6lich auch die drei zuvor genannten Leitbilder der Autonomie, Interaktion und der volligen Abhăngigkeit nutzen (s. Teil ID, 4.2.1.). Dem Leitbild der Abhăngigkeit wiirden Losungen der zehn Probleme entsprechen, bei denen der Vorgesetzte Entscheidungen, Kontrolle, Kommunikation oder Konflikthandhabung weitgehend allein festIegt, wiihrend diese FestIegungen bei Autonomie durch den Mitarbeiter selbst getroffen werden. Dem Leitbild der Interaktion entsprachen Losungen mit gemeins~em Handeln von einzelnen Mitarbeitem, ihren Kollegen und Vorgesetzten. Dem Leitbild der Abhăngigkeit wiirden die spater erlauterten Konzeptionen autoritărer Flihrung, dem Leitbild der Interaktion diejenigen der partizipativen sowie der kooperativen Fiihrung nahekommen (s. Teil ID, 4.3.).

505 Der Zweck solcher Typologien besteht in der Zuordnung realer Fiihrungskonzeptionen auf Typen, also deren Klassifikation. Eine solche Klassifikation der Konzepte erleichtert deren empirische Uberprtifung. Dabei konnen insbesondere die Akzeptanz einzelner Fiihrungstypen, deren Wirkungen sowie Transaktionskosten untersucht werden.

Offenes I:'roblem jeder Fiihrungskonzeption ist deren Difjerenzierung nach verschiedenen Menschenbildern. Alle einem Menschenbild zugerechneten Mitarbeiter miissten gleich behandelt und gefuhrt werden. Ansătze zur lndividualisierung der Fuhrung sind ein Verst06 gegen das Gleichheitsprinzip. Dieses Prinzip stiinde aber im Widerspruch zur faktisch relevanten Prămisse unterschiedlicher Qualifikation von Mitarbeitem und zu motivationstheoretischen Uberlegungen (s. Teil III, 2,2., 2.3.,3.2.). Um die Prămisse der Gleichartigkeit·zu erfiillen, und die Gleichheit der Behandlung von Mitarbeitem zu ermoglichen, muss Mitarbeiterfiihrung bereits bei der Personalauswahl ansetzen: Im Auswahlgesprach (s. Teil II, 5.4.1.), in Auswahltests (s. Teil 1, 5.4.2.4.) und im Assessment-Center-Test (s. Teil 1, 5.4.2.8.) solIte der Vorgesetzte herauszufinden versuchen, ob der potentielle neue Mitarbeiter zu den bereits vorhandenen Mitarbeitem passt. Nur "passende" Mitarbeiter wiirden eingestelIt. Japanischen und koreanischen Untemehmungen ist diese Vorstellung durchaus gelaufig. Albach und Gabelin haben diese Interpretation des Gleichheitsprinzips schon vor einiger Zeit noch weiter ausgedehnt und fordem, dass das Bild vom Vorgesetzten und vom Mitarbeiter "aus dem selben Menschenbild folgen" miisse (1977, 40). Akzeptiert man dieses Postulat, so konnte ein einheitliches Menschenbild und mit ihm auch eine einheitliche Fiihrungskonzeption fur alle Mitarbeiter einer Untemehmung erreichbar werden. Angesichts der Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Menschen sowie der Dynamik ihrer Bediirfnisse und Werthaltungen wird diese Vorstellung von gleicher Fiihrung aller Mitarbeiter jedoch zur Utopie. Fiihrungskonzeptionen fur einzelne Abteilungen oder Gruppen sind dagegen eher vorstellbar, da dort die Prămisse der Homogenitat von Bediirfnissen und Werthaltungen bei Vorgesetztem und Mitarbeitem leichter erfiillbar ist.

4.2.5. Die Konstruktion einer Fiihrungskonzeption Die folgenden Uberlegungen sind allgemeiner Art und gel ten fur alle Fiihrungskonzeptionen. Sie erfahren spater eine Prazisierung, wenn die individualisierte Fiihrung in methodischer Sicht vorgestelIt wird (s. Teil III, 5.2.). Die Konstruktion

506

einer Fflhrungskonzeption sollte einerseits an den Wirkungen ihrer instrumentellen Komponenten auf das Verhalten von Mitarbeitem, andererseits an den ihr zurechenbaren Transaktionskosten ankniipfen. Man findet Wirkungsvermutungen und aus ihnen abgeleitete, vorsichtige instrumentelle Empfehlungen durchaus in der ăl­ teren betriebswirtschaftlichen Fiihrungsliteratur (vgl. z. B. Bleicher/Meyer 1976, 196-211; Baumgarten 1977, Kap. 3; v. Eckardstein/Schnellinger 1978, 111-150). Allerdings beruhen die Zuordnungen instrumenteller Komponenten zu Fiihrungskonzeptionen eher auf Plausibilitatsiiberlegungen als auf differenziert gepriifter empirischer Grundlage. Man muss sich femer dariiber im Klaren sein, dass die Wirkung fast aller Fiihrungsinstrumente (s. Teil III, 4.5.) davon abhăngt, wie und in welcher Situation sie ein konkreter Vorgesetzter einsetzt. Ihre Wirkung hăngt nicht zuletzt auch vom wechselseitigen Vertrauen in die fachliche Autoritat und in die personliche Integritat zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter ab. Die Konstruktion von Fiihrungskonzeptionen in Abhăngigkeit von ihren Transaktionskosten ist dagegen neu. Auf keinen FalI ist die Beschrănkung auf polare Fiihrungskonzeptionen wie z. B. "autorităr" oder "partizipativ" hilfreich, wie sie aus den Beschreibungen in manchen Lehrbiichem sichtbar wird. Die Konstruktion einer Fiihrungskonzeption kann in sechs Schritten erfolgen: (1)

(2)

(3)

Das bei Vorgesetzten und Mitarbeitem repruentative Menschenbild vom Mitarbeiter ist im ersten Schritt abzufragen und festzulegen. Es wird zum Bestandteil der Fiihrungssituation. Die iibrigen Elemente der Fflhrungssituation sind im zweiten Schritt zu ermitteln, insbesondere also Werthaltungen und Bediirfnisse, aber auch Geschlecht und Alter der Mitarbeiter, soweit dies fUr die Auswahl von Fiihrungsinstrumenten wichtig ist. Hinzu kommen Aufgabenstruktur und Qualifikation der Mitarbeiter als Einf1ussgroBen auf die anschlieBende Wahl einer Leitidee der Fiihrungskonzeption. Im dritten Schritt hat die vorliiufige Festlegung einer Leitidee der Fflhrung zu erfolgen. Diese Festlegung wird einerseits durch Werthaltungen der Unter. nehmungsleitung und ihrer Fiihrungskrlifte gepriigt. Andererseits beeinf1ussen vor alle!ll Werthaltungen, Bediirfnisse und Qualifikation der Mitarbeiter die Wahl der Leitidee. Hohe Qualifikation ist leichter mit "Autonomie", geringe Qualifikation leichter mit "Abhăngigkeit" verkniipfbar. Zum Leitbild der Interaktion passen hohe ebenso wie mittlere Qualifikationsniveaus. Wichtigstes Zuordnungskriterium sind jedoch die mit den Leitideen fiţr Fiihrungskonzepte verkniipften Werthaltungen.

(4)

Im vierten Schritt kann eine vorliiufige Zuordnung von Filhrungsinstrumenten auf das gewiihlte Leitbild erfolgen. Die endgiiltige Zuordnung ist erst nach

507 Prii:fung der durch Leitbild und personale sowie organisatorische Fiihrungsinstrumente ausgelosten Transaktionskosten moglich. (5) Eine grobe Abschătzung der erwarteten Wirkungen von Leitidee und Instrumenten der Fiihrung, also dem Fahrungserfolg, stellt denjanften Schritt dar. Diese Abschătzung ist ex ante notwendig, da die Auswahl der transaktionskostenminimalen Kombination von Leitidee und Instrumenten der Ffihrung nur bei "gegebenem Fiihrungserfolg" Sinn macht. Der "gegebene Fiihrungserfolg" muss als Anspruchsniveau definiert werden, das aus der Sicht des Vorgesetzten mindestens erreicht werden soli. Als Indikatoren des Fiihrungserfolgs kommen die Arbeitsproduktivităt (vgl. Eigler 1996, 166-167) oder ersatzweise erwartete Verhaltensmuster in Frage. (6) Im sechsten Schritt sind die Transaktionskosten der Fahrungskonzeption bestehend aus Leitidee, passenden und plausiblen Problemlosungen (s. Teil III, 4.2.4.) und vorlaufig zugeordneten personalwirtschaftlichen sowie organisatorischen Fiihrungsinstrumenten abzuschătzen. Da diese Transaktionskosten erst .in Zukunft auftreten konnen, sind sie ihrer Struktur nach als Erwartungswerte zu interpretieren. Bei den von einer Fiihrungskonzeption ausgelosten Transaktionskosten handelt es sich um diejenigen der Planung und Auswahl der Konzeption selbst, der Kontrolle durch Bestimmung des Fiihrungserfolgs, der Anpassung an sich verăndemde Fiihrungssituationen und der Fehlsteuerung bei falscher Wahl von Leitidee und Instrumenten der Fiihrung. Am plausibelsten unter den denkbaren Zuordnungen sind die nachfolgenden drei Beispiele Abis C. Sie sind inspiriert durch die typologische Vorgehensweise zur Auswahl von Ffihrungskonzeptionen, wie sie Eiglervorgelegt hat (vgl. 1996, 167-177).

ZUORDNUNGA Situation: positive Menschenbilder, komplexe Aufgaben von hciher Spezifităt mit hohen Anforderungen, hohe Qualifikationen der Mitarbeiter, Selbstbestimmung als Wert, Lemen als Bedfufnis. Leitidee: "Autonomie" mit Entscheidungsdezentralisation, Selbstabstimmung und Selbstbestimmung der Kommunikation, Koordination auf Gegenseitigkeit, Konfliktlosung durch Verhandlungen, Kontrolle der Arbeitsproduktivităt und des Verhaltens durch die Mitarbeiter selbst, eigenstandiges Lemen zur Verbesserung der eigenen Leistungen. Instrumente: Zielvereinbarungen, Ergebnisbeteiligung. Transaktionskosten: mittlere Planungs- und Kontrollkosten wegen der Anwendung des Autonomieprinzips, hohe Kosten der Fehlsteuerung bei Verfehlen der Priimissen.

508 ZUORDNUNGB Situation: teils positive, teils negative Menschenbilder, Aufgaben von mittlerer Komplexităt und Spezifităt, mittlere Anforderungen und Qualiflkationen der Mit-

arbeiter, Kommunikation und soziale Kontakte als Werte. Leitidee: "Interaktion" mit partizipativer oder kooperativer Entscheidungsflndung, gemeinsamer Abstimmung und Problemlosung, Koordination durch gemeinsame Entscheidungen oder Verhandlungen, Kontrolle von Arbeitsproduktivităt und Verhalten in der Gruppe, Konf1iktlosungen in Verhandlungen, gegenseitige Unterstiitzung bei Lemprozessen zu neuen Kenntnissen und Fiihigkeiten. Instrumente: Anreizsysteme, Management-by-Techniken, Abstimmungsregeln. Transaktionskosten: hohe Transaktionskosten der Planung und Abwicklung aufgrund der situativen' Pramissen und Leitideen, geringe Kosten der Kontrolle und Fehlsteuerung wegen der Einbindung des Personals. ZUORDNUNGC Situation: vorherrschend negative Menschenbilder, einfache Aufgaben mit geringer Spezifltăt, niedrige Anforderungen und Qualiftkationen der Mitarbeiter, "Arbeit ist Last" als Wert, Anleitung als Bediirfnis. Leitidee: "Abhangigkeit" mit Entscheidung, Anweisung und Kontrolle durch den Vorgesetzten, Konf1iktlosung durch Eingriffe des Vorgesetzten, Vorschlage des Vorgesetzten zur Weiterentwicklung von Kenntnissen und Fiihigkeiten. Instrumente: explizite Verhaltensnormen, Anreizsysteme. Transaktionskosten: hohe Transaktionskosten der Planung, Abwicklung und Kontrolle sowie Anpassung bei Ănderungen der Situation vor allem aufgrund von Pramissen und Leitideen, geringe Fehlsteuerungskosten wegen des hohen Planungs-

und Anpassungsaufwands. Unter den hier gewahlten Zuordnungen ist der Erwartungswert der Transaktionskosten fur A geringer als fur B und dieser geringer als fur C. Im konkreten praktischen Fall miissten solche Zuordnungen abteilungsweise vorgenommen werden, da eine untemehmungsweite Zuordnung an unlosbaren Schătzproblemen scheitert. Das Ergebnis wăre eine Vielzahl mehr oder weniger voneinander abweichender Fiihrungskonzeptionen in einer Untemehmung. Zumindest rahmenartige Einheitlichkeit der Personalfuhrung in einer Untemehmung als Teil erwiinschter Unternehmungsidentităt (corporate identity) bedeutet, dass auch fur verschiedene Situationen die gleiche werthaltige Leitidee und voneinander abweichende Instrumente der Fiihrung eingesetzt werden. Eine ErhOhung der Transaktionskosten der Fehlsteuerung ist die hoch wahrscheinliche Folge dieser Politik. Ob der Vorgesetzte allein oder in Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitem, ob ein un-

509 temehmungsintemer oder -extemer Berater die Fiihrungskonzeption entwirft, kann hier offen bleiben. Die Praxis lost die Probleme dadurch, dass sie ihre Fiihrungskonzeptionen unscharf formuliert: Diese Unschărfe bei allen Variablen der Konzeption macht es m6glich, unterschiedliche situative Bedingungen besser abdecken zu k6nnen, ohne die vermeintliche Einheitlichkeit der Konzeption sichtbar verletzen zu miissen. Unschărfe der Fiihrungskonzeption wird so zum Mittel, um Untemehmungsidentităt zu sichem.

4.3.

Ausgewăhlte

ein- und mehrdimensionale Fiihrungskonzeptionen

4.3.1. Eindimensionale Fiihrungskonzeptionen Eindimensionale Fuhrungskonzeptionen kennen eine Zuordnung von Fiihrungsinstrumenten auf Menschenbilder nach nur einem einzigen Kriterium wie z. B. der Beteiligung an Entscheidungen. Sie sind auf die zuvor dargestellten Leitbilder nur teilweise zuordenbar. Eindimensionale Fiihrungskonzeptionen sind seit Beginn der 70er Jahre ausfiihrlich in der deutschsprachigen Literatur diskutiert worden. In der ălteren Literatur ist fiir eindimensionale Fiihrungskonzeptionen auch die Bezeichnung Fuhrungsstil gebmuchlich. Der Begriff Fiihrungsstil wird hier allerdings differenzierter verwendet (s. Teil III, 4.2.1.). Die folgende Auswahl eindimensionaler Konzeptionen kann nach dem Kriterium erfolgen, dass diese Konzeptionen mindestens literarische Beachtung gefunden haben. Dies gilt vor allem fiir autorităre und partizipative Konzeptionen. Eindimensionale Konzeptionen sind von verschiedenen Autoren (z. B. Witte 1969/73; Baumgarten 1977; v. Eckardstein/Schnellinger 1978, 111-150; Wunderer/Grunwald 1980b, Kap. K), insbesondere aber von Seidel (1978) dargestellt und diskutiert worden. Hier werden nur ihre Grundlinien skizziert, da keine dieser Konzeptionen aufgrund des impliziten vereinfachten Menschenbilds fiir sich generelle oder auch nur beispielhafte Geltung beanspruchen kann. Einige der eindimensionalen Konzeptionen haben jedoch in der Praxis Beachtung gefunden. Zu ihnen gehOren lnsbesondere partizipative und kooperative Konzeptionen sowie das Harzburger Modell. Autorittire oder direktive Fuhrungskonzeptionen folgen einem Menschenbild vom Typ X McGregors (s. Teil III, 3.2.l.). Sie weisen Entscheidungs- und Kontrollkom-

510 petenzen ausschlieBlich dem Vorgesetzten zu. Fiihrung besteht hier in der Steuerung des Ausfiihrungshandelns der Mitarbeiter. Zur Durchsetzung von Entscheidungen werden bevorzugt positive und negative Sanktionen eingesetzt. Kommunikationswege sind vorgeschrieben, Kommunikationsprozesse werden vom Vorgesetzten gelenkt und kontrolliert. Die Ftihrungssituation wird eher durch Transparenz der Aufgaben und Konfliktunterdriickung gekennzeichnet, und die Legitimation zur Ftihrung wird aus formaler Autoritât und Positionsmacht abgeleitet. Varianten autoriUirer Fuhrung sind patriarchalische, charismatische, autokratische und btirokratische Ftihrung (vgl. Witte 1969/73; Tlach 1975). Verkniipfungen autoritarer Ftihrung mit bestimmten Organisationsformen wie insbesondere dem Einliniensystem der Leitung sind willkiirlich und nicht zwingend. Die Auswertung verschiedener Sammelreferate und Einzeluntersuchungen durch Neuberger hat ergeben (vgl. 1984, 114-120), dass in fast 50 Jahren der Ftihrungsforschung noch immer keine methodisch gesicherten und widerspruchsfreien Erkenntnisse zur Uberlegenheit irgendeiner eindimensionalen Ftihrungskonzeption gewonnen werden konnten. Daher decken abwertende Urteile liber autoritare oder direktive Ftihrungskonzeptionen nur die Geltung und Akzeptanz von Werturteilen auf. Partizipative Fuhrungskonzeptionen folgen einem Menschenbild, das dem Typ Y McGregors oder dem sich selbst verwirklichenden Menschen Scheins (s. Teil III, 3.2.l.) entspricht, ohne dass eine zusătzliche Differenzierung z. B. nach dem Alter oder dem Geschlecht der Gefiihrten vorgenommen wird. Sie finden partielle Legitimation durch McClellands Machttheorie der Motivation (s. Teil III, 2.2.4.). Partizipative und kooperative Ftihrungskonzeptionen sind insofem werthaltig, als sie implizit von der Akzeptanz demokratischer Spielregeln sowie von Selbstăndigkeit und kritischem Denken als Werten ausgehen. Ziele der Ftihrung sind Motivation und Integration des Mitarbeiters sowie Forderung der Entwicklung seiner Făhigkei­ ten.

Die Beteiligung an Entscheidungen reicht von der Delegation mit Selbstverantwortung und Selbstkontrolle liber die Gremienentscheidung bis hin zur Mitentscheidung, wobei eine Beteiligung des Einzelnen an allen Entscheidungen keineswegs gefordert wird und bei groBerer Beschăftigtenzahl ohnehin an organisatorischen Barrieren scheitert. Die Entscheidungsdurchsetzung bedient sich weniger des Sanktionspotentials, sondem beruht eher auf Uberzeugung durch Beteiligung an Entscheidungen. Fremdkontrolle wird vollig oder teilweise durch Selbstkontrolle ersetzt und kann durch Kontrollrechte des Mitarbeiters gegenliber seinen Vorgesetz-

511 ten ergănzt werden - ein eher idealistisches Element der Konzeption. Kommunikationsprozesse sindfrei, und die Kommunikationswege konnen je nach Anlass selbstăndig gewâhlt werden. Die Ffthrungssituation wird eher durch Intransparenz der Aufgaben und durch Austragen von Konflikten bestimmt. Die Autorităt des Vorgesetzten hăngt von dessen problem- oder fachbezogener Eignung ab; dies gilt analog fur ilie Fachkompetenz der Mitarbeiter. Varianten dieser Ffthrungskonzeption sind Ffthrung durch Delegation und Scha:ffung selbstverantwortlicher Entscheidungsbereiche sowie Ffthrung durch kollegiale Entscheidungen in Gremien. Auch hier gilt der Befund Neubergers (vgl. 1984, insbes. 119-120), dass partizipative Ffthrung nicht erfolgreicher oder erfolgloser als andere eindimensionale Ffthrungskonzeptionen ist. von Aussagen iiber den Ffthrungserfolg eindimensionaler Ffthrungskonzeptionen ist die Akzeptanz partizipativer Konzeptionen hOher als diejenige autoritiirer Konzepte zu veranschlagen, weil die mit partizipativen Konzeptionen verkniipfbaren Werthaltungen zu demokratischen Entscheidungsprozessen den alIgemein akzeptierten Werthaltungen der Demokratisierung und Humanisierung seit Iangem entsprechen (vgl. Wunderer/Grunwald 1980b, 45-46). Dass Werte in einer Organisation in eine Ffthrungskonzeption explizit einbezogen werden sollten.war fur Wunderer und Grunwald unstrittig (vgl. 1980b, 71-72, 77-95). Die als Konsequenz von ihnen entwickelte Ffthrungskonzeption ist idealtypisch und mehrdimensional (s. Teil III, 4.3.2.). Unabhăngig

Zumindest erwăhnenswert ist als eindimensionale Konzeption das von Reinhard Hohn in verschiedenen Schriften stets gleich propagierte "Harzburger Model/" (z. B. 1970, insbes. 120-126, 202-356; 1979), weil es erstaunliche Resonanz in der Praxis gefunden hat. Kern dieser Konzeption ist die abgestufte Delegation von Aufgaben und die Bildung von festen Kompetenzbereichen mit alleiniger personlicher Verantwortung des jeweiligen Stelleninhabers. Das "Harzburger Modell" ist eine im Wesent1ichen auf organisatorische Elemente besclminkte, nicht-situative Ffthrungskonzeption ohne verhaltenstheoretische Elemente. Die von Hohn und Anwendern immer wieder berichteten Erfolge sind kein Beweis fur die Richtigkeit, wohl aber ein Beweis fur die Akzeptanz des Modells. Grenzfal/ eindimensionaler Ffthrungskonzeptionen ist die Vorstellung von einem in seinen Entscheidungen weitgehend autonomen Mitarbeiter. Er stimmt sein Handeln seibst mit anderen Organisationsmitgliedern ab. Der Vorgesetzte begrenzt seine Interventionen auf die Handhabung von Konflikten und auf die emotionale Untersmtzung seiner Mitarbeiter ("Coaching") - falis es den Vorgesetzten iiberhaupt

512

noch gibt. Solche Konzepte der "Selbstfiihrung" von Mitarbeitem (s. Teil III, 5.3.) sind in Zusammenhang mit der Idee eines Intrapreneurships (vgl. Pinchot 1985) seit langem diskutiert worden. Sie sind aber auch Element von Organisationskonzepten, die dem Paradigma der Dezentralisation folgen: Business Reengineering, Fraktale Fabriken oder Virtuelle Organisationen (vgl. Hammer/Champy 1993; Wamecke 1992; Davidow/Malone 1992). Praktiker haben dieser Ffihrungskonzeption :fiir den Rest des Jahrzehnts grofie Bedeutung beigemessen (vgl. Wunderer/Kuhn 1993, 119-131). Dass der "autonome" Mitarbeiter zugleich hoch qualifiziert und motiviert sein musste, wurde dabei implizit unterstellt - zu Unrecht, wie man heute weill. I

Alle eindimensionalen Konzeptionen bauen auf idealtypischen Menschenbildem auf und werden der Vielfalt von Menschen in der Realităt nicht gerecht. Von Uberlegenheit einer der eindimensionalen Konzeptionen kann keine Rede sein: Es ist ihr Schicksal, liebgewordene Lehrbuchweisheit zu bleiben. Ihre Instrumentalităt zur Ausfiillung offener Arbeitsvertrăge ist bescheiden, so dass sich eine transaktionskostentheoretische Wilrdigung eriibrigt.

4.3.2. Mehrdimensionale Fiihrungskonzeptiooen 4.3.2.1. Das Managerial-Grid-Modell

Mehrdimensionale Ffihrungskonzeptionen verwenden als Ordnungskriterien zwei oder mehr Merkmale der Konzeption, so dass eine Konzeption im zwei- oder n-dimensionalen Raum eingeordnet werden kann. Sie sind kaum auf die zuvor herausgestellten drei Leitbilder zuordenbar und haben nur wenig Beachtung in der Praxis gefunden. Man konnte sie treffender als Lehrbuchklassiker einstufen. Ein sehr bekannt gewordenes Beispiel :fiir eine zweidimensionale Konzeption ist das Verhaltensgitter oder Managerial-Grid-Modell von Robert R. Blake und Jane Srygley Mouton, das 1964 in einer ersten Fassung und 1978 sowie 1985 in revidierter Form vorgestellt worden ist. Das Managerial-Grid-Modell wird gelegent1ich auch unter Ffihrungstheorien eingeordnet. Das Modell vemachlassigt denkbare Menschenbilder der Mitarbeiter und konzentriert sich auf abstufbare Bilder vom Vorgesetzten. Als gemeinsame Merkmale aller Organisationen werden die Existenz von Leistungs- und Gewinnzielen, die Existenz von Personal zur Erreichung dieser Ziele und unterschiedliche Machtverteilung behauptet (vgl. Blake/Mouton 1978, 7-9).

513

Das Vorgesetztenverhalten wird durch zwei Verhaltensdimensionen typisiert, die wie auch spăter bei Reddin oder Hersey und Blanchard (s. Teil III, 3.4.4., 3.4.5.) aus den "Ohio State Leadership"-Dimensionen "Consideration" und "Initiating Structure" abgeleitet werden konnen (vgl. Halpin/Winer 1957): Mitarbeiterorientierung und Aufgabenorientierung. Beide Dimensionen werden neunfach unterteilt. Die so entstehenden 81 Dimensionskombinationen stehenjeweils stellvertretend:fiir ein bestimmtes Vorgesetztenverhalten, :fiir das die Autoren fiinf Beispiele liefem. Diese werden in Abb. III. 12. dargestellt.

I

~,9

I

Tea~ M~:a~ement I

Countg Club Management r- Though I atteiltion ta needs o peo,Ple for satisfying relationships leads ta a comortable friendly organization atmos1--- phere and wode tempo.

ode accomplishiilent is from ommitted ~eople; interdependence throug a "common stake" in organization pUf:0se leads ta relationships o trust a n d respect.

5,5 Organization Man Management Adequate organization performance is possible through ballancing the necessitr ta get out work with maintainmg morale of people at a satisfactary leveL

1,1

9,1

Iml'0verished Man.:w,ement Authority-Obedienc Bfficiency in operations results Exertlon of minintum ort ta get r- required work done is appropr-iate -from arranging conditions ofworkta sustain organization membership. in such a way tltat human elements ,interfere,ta a min:mum dere.

I

I

I

I

lnitiating structure (Aufgabenorientierung)

Abb. m 12. Das Managerial-Grid-Modell Dieexemplarisch hervorgehobenen fiinf Typen zeigen nach Ansicht der Autoren den Einsatz von Macht zur Sicherung von Output: Er ist maximal bei Kombination 9/1 und Ininimal bei Kombination 1/9 (vgl. BlakeIMouton 1978, 10-12). Als optimal sehen die Autoren die Verhaltenskombination 9/9 an. DaInit ist ein Bezugsrahmen :fiir die Wahl des Fiihrungsverhaltens und der FUhrungsinstrumente gegeben:

514 Der Vorgesetzte ordnet sich mit Hilfe von Items auf den beiden Achsen der Matrix ein und findet dann die ibm gemiille Filhrungskonzeption; diese ist nicht-situativ. Die Autoren meinen zwar, Entscheidungssituation, Werturteile, Organisationsstruktur und Personlichkeit des Vorgesetzten miissten bei der Wahl der Ftihrungskonzeption berucksichtigt werden (vgl. 1978, 13-15), geben jedoch nicht an, wie dies geschehen soll. Zur Ftihrungskonzeption selbst werden ohne empirische Uberpriifung Zuordnungen von z. B. Entscheidungsbeteiligung, offener Kommunikation, Freiheit der Altemativenwahl usw. auf die fiinf exemplarischen Verhaltenskombinationen vorgenommen (vgl. Blake/Mouton 1978, 134-136). Deren Effektivităt bleibtjedoch offen. Die "Beweisfiihrung", von zwei Untemebmungen habe diejenige mit Nutzung des Verhaltensgitters einen hOheren Gewinn erzielt (vgl. Blake/Mouton 1978, 178-179), iiberzeugt wegen des geringen Stichprobenumfangs in keiner Weise. Die 1985 vorgeschlagene Nutzung des Grid-Modells zur Personalentwicklung in der Weise, dass Ftihrungskrăfte die Uberlegenheit der 9/9-Konzeption erkennen, sich selbst auf dem Verhaltensgitter einordnen und dann einen Weg von ihrer gegenwărtigen zur "optimalen" 9/9-Konzeption suchen miissen, ist spektakulăr. Erfolge dieser Nutzung sind bisher offenbar auch nicht nachweisbar (vgl. ReberlBohnisch 1987, 52). Insgesamt bleibt das Grid-Modell vage und inoperational. Es enthălt femer ein Element der Great-man-Theorie des Eigenschaftsansatzes (s. Teil III, 3.2.2., 3.4.7.), denn die favorisierte 9/9-Fiihrungskonzeption setzt offenbar einen hoch begabten Vorgesetzten voraus, der Personen- und Aufgabenorientierung in idealer Weise miteinander zu verkniipfen versteht (vgl. Oechsler 1982, 39-40) - falls nicht sogar stillschweigend unterstellt wird, jedermann konne die 9/9-Konzeption erlemen. Aufierdem wird die Legitimation zur Ftihrung nicht problematisiert, und Ftihrungsinstrumente bleiben vage.

4.3.2.2. Kooperative Mitarbeiterfiihrung Eine mit zwei Dimensionen und Auspragungsvariationen der Merkmale mehrdimensionale Konzeption der kooperativen MitarbeiterfUhrung haben Wunderer und Grunwald 1980 vorgestellt (vgl. 1980b, 96-106). Sie baut auf den Werten Arbeit, Leistung, Wechselseitigkeit und Selbstverwirklichung auf (vgl. 1980b, 77-95) und wird durch neun interdependente Merkmale beschrieben (vgl. 1980b, 99-102). Die beiden Dimensionen sind durch die Teilhabe an Informations- und Entscheidungsrechten ("partizi-pative Dimension") sowie durch die Gestaltung der Beziehungen

515 zwischen den Teil-nehmem am FUhrungsprozess ("prosoziale Dimension") beschreibbar (vgl. Wunderer/Grundwald 1980b, 111-112; Wunderer 1987, 12641270). Die neun Merkmale sind: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)

(8)

(9)

Gemeinsame Einflussausiibung als Machtausgleich zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter(n). Funktiooale Rollendifferenzierung und Sachautoritât fUr Vorgesetzten und Mitarbeiter zur gemeinsamen Problemlosung. Multilaterale Informations- und Kommunikationsbeziehungen in Form eines weitgehend offenen, nicht-hierarchischen Kommunikationsnetzes. Konfliktregelung durch Aushandeln und Verhandeln statt durch Entscheidung von Vorgesetzten. Gruppenorientierung mit gemeinsamen Entscheidungen in Gremien und Aufgabenlosung in Arbeitsgruppen. Vertrauen als Grundlage der Zusammenarbeit wird als Voraussetzung und nicht als Folge kooperativer Zusammenarbeit gefordert. BedUrfuisbefriedigung bei Vorgesetztem und Mitarbeitem in Verbindung mit dem Wert "Selbstverwirklichung" als Anlass und ZieI der personlichen und beruflichen Weiterentwicklung. Als Erfolgsma6 kooperativer FUhrung wird das Konstrukt der Arbeitszufriedenheit definiert, das neben dem Erfolgsma6 "Arbeitsleistung" genannt wird. Ziel- und Leistungsorientierung als offensichtlich direkte Umsetzung der Werte "Arbeit" und "Leistung" und Inkaufnahme von Widerspriichen zwischen Untemehmungs- und Individualzielen. BedUrfuisorientierte Personal- und Organisationsentwicklung mit den Prămis­ sen der Lemfilhigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter und der Absicht komplemenwer Erfiillung von Untemehmungszielen und individuellen Entwicklungszielen.

Die Umsetzung dieses Konzepts bewirkt nach Ansicht von Wunderer und Grunwald eine beabsichtigte "zielorientierte soziale" wechselseitige "Einflussnahme zur Erfiillung gemeinsamerAufgaben" (1980b, 104). Kritik an dieser komplexen FUhrungskonzeption kann an den Werten ansetzen, die

Wunderer und Grunwald fUr Mitarbeiter und Vorgesetzte sowie offensichtlich auch fUr sich selbst beanspruclien (vgl. 1980b, 73-75). Wer diese Werte nicht teilt, muss nach einer anderen Konzeption suchen. Das Menschenbild wird auf die Akzeptanz der angenommenen Werte reduziert und ist somit relativ undifferenziert. Die Fiihrungsinstrumente bleiben vage. Dass FUhrung gemăfi ihrer Konzeption erfolgrei-

516 eher ist als bei Wahl einer anderen Konzeption, wird von den Autoren offenbar erwartet. Neuberger weist kritiseh auf die geringe situative und sonstige Differenzierung der Konzeption hin, die zur Erklărung von Erfolg oder Misserfolg notwendig wăre (1984, 131). Femer falIt auf, dass mit Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit zwei miteinander verkniipfbare, aber nieht zwingend verkniipfte Erfolgsgrofien kooperativer Fiihrung genannt werden. Diese hăngen nieht nur von der Fiihrung, sondern aueh von Eignung, Arbeitsbedingungen und Ressoureeneinsatz ab. Jedes Messdesign wiirde auf fast uniiberwind1iche Sehwierigkeiten stofien. Diese Fiihrungskonzeption war ein interessanter Denkanstoll fur die Weiterentwieklung von Fiihrungskonzeptionen.

4.3.2.3. Symbolische Fiihnmg

Unter dem Namen Symbolisches Management hat Neuberger ein Konzept der Mitarbeiterbeeinflussung vorgestellt (vgl. 1989b, 75-77), das er spater zu einer Konzeption Symbolischer Fuhrung erweitert hat (vgl. 1990, 244-260). Symbolisehes Management und Symbolisehe Fiihrung haben rutere Wurzeln, die auf erste Diskussionen von Unternehmungskultur zuriiekgehen (vgl. Pondy 1983; Gagliardi 1992; AlvessonIBerg 1992). Neuberger selbst sprieht allerdings weder von einer Theorie noeh von einer Konzeption, sondem von einem umfassenden theoretisehen Rahmen (1990: 244). Allerdings versueht Neuberger, Fiihrung vor dem Hintergrund von Untemehmungskultur differenziert zu erklăren und bietet so eine verkurzte Theorie an. Da aus dieser verkiirzten Theorie einige instrumentelle Aussagen. ableitbar sind, liegt implizit eine Konzeption in dem hier verwendeten Sion vor. Der Grundidee dieser Konzeption begegnet man in den versehiedensten Lebensbereiehen wieder: Familien entwiekeln Rituale zur Verhaltensbeeinflussurtg ihrer Mitglieder und zur Untersmtzung von ZugehOrigkeitsgefiihlen z. B. bei den tiigliehen Mahlzeiten, bei der Begriifiung oder auch der tiigliehen Hygiene sowie bei Festritualen. Ein vollig anderes Beispiel fur die symbolgetragene Beeinf1ussung des Verhaltens von Menschen sind die grofien Religionsgemeinsehaften, wie insbesondere die katholisehe Kirehe. Aber auch militărisehe Gemeinsehaften pflegen Rituale und Symbole als Mitţel der Verhaltensbeeinf1ussung. Allen drei "0rganisationen" ist gemeinsam, dass ihre symbolisehen Rituale nur selten hinsichtlieh ihrer Bedeutung und beabsiehtigten Wirkung hinterfragt werden.

517 Die Konzeption Symbolischer Fahrung ist erstens mehrdimensional, weil sie eine umfassende Beeinflussung des Mitarbeiters in Entscheidungs-, Ausftihrungs- und Kontrollprozessen zum Gegenstand hat. Sie erhebt Symbole als Trager von Sinn und Bedeutung zu Fiihrungsinstrumenten, die das Verhalten von Menschen beeinflussen sollen. Eine explizite Berucksichtigung von Fiihrungssituationen fehlt. Diese Konzeption ist zweitens mehrdimensional, weil Symbole sich auf mehrere, unterschiedliche Typen von Fiihrungsverhalten beziehen konnen. Die Grundkonzeption der Symbolischen Fahrung ist unmittelbar einsichtig: Bestimmten Verhaltensritualen, Teilen der Arbeitsumgebung, Einrichtungen der Unternehmung (z. B. Kantinen) oder Sprachregelungen wird ein Sinn beigelegt. Dieser Sion wird mit einem wahrnehmbaren Symbol verkniipft und bekannt gegeben. Symbole schaffen konnen Vorgesetzte, aber auch Gruppen von Mitarbeitern. Das Symbol und sein Sinn miissen Mitarbeiterverhalten beeinflussen konnen, um zurn Fiihrungsinstrument zu werden. Erst eine eindeutige Wirkungsbeziehung zwischen Symbol und Mitarbeiterverhalten machen dieses Fiihrungsinstrument jedoch gezielt nutzbar: Der Vorgesetzte nutzt ein bestimmtes Symbol, um durch Vermittlung von dessen Sion bei den Empfangern der Sinn-Botschaft ein bestimmtes Verhalten auszulOsen. Ein Beispiel fur einen solchen Prozess wăre ein Verhaltensritual derart, dass ein Vorgesetzter etwa einen schriftlichen Bericht ei nes seiner Mitarbeiter in dessen Gegenwart stumm zerreifit und die Papierfetzen in den Abfalleimer wirft. Die Botschaft ist klar: Der Bericht war unzureichend und muss verbessert werden. Das Symbol des Zerreifiens wird zum Fiihrungssubstitut. Neuberger spricht deshalb von "geronnener Fiihrung" (1990, 253). Ein anderes Beispiel wăre die Schaffung rein unternehmungsinterner ''Mărkte''. Da diesen Markten fast alle Eigenschaften echter Markte fehlen, werden sie zu Marktfiktionen - und damit zu Symbolen (s. Teil 1, 4.5.). Zu diesem Symbol der Marktflktion geMren dann als weitere Symbole Verhandlungsrituale iiber den Austausch von Leistungen auf der Grundlage vorgegebener TransJerpreise (vgl. Drumm 1989b). Auch die Preise selbst haben symbolischen Charakter. Durch die Wirkung dieser Symbole solI erreicht werden, dass Entscheidungen iiber unternehmungsinterne Leistungsprograrnme koordiniert werden. Das altbekannte Konzept der Pretialen Lenkung erhălt so eine neue lnterpretation: Die Schwachen des Konzepts werden durch symbolische Belegung des Konzepts relativiert. Ein einmal vorgegebener Sinn eines Symbols kann allerdings tiberlagert oder sogar entwertet werden, wenn das Symbol unterschiedlich interpretierbar wird oder der

518 ibm zugrunde liegende Symboltrager einen neuen Sinn erhaIt. Langes Warten bevor man Zutritt zu einem Vorgesetzten erhaIt, kann Symbol fUr Machtfiille aber auch Symbol der Demiitigung sein. Eine Bedeutungsanderung von Symbolen erfordert daher deren Redeflnition durch Vorgesetzte: Entweder erhaIt die alte Tatsache einen neuen Sinn, oder das Symbol muss vollstandig ersetzt werden. Damit wird auch die Anpassung von verhaltensbeeinflussenden Symbolen an Bedeutungsverschiebungen zur Fiihrungsaufgabe von Vorgesetzten. Zur Vermittlung des Sinns von Symbolen oder von Veranderungen ihrer Bedeutung konnen auBer dem Mitarbeitergesprach insbesondere Fiihrungsgrundstitze genutzt werden (vgl. Neuberger 1990, 258-259). Die Kritik der Symbolischen Fiihrung kann nicht daran vorbeigehen, dass hier eine zwar faszinierende, aber zugleich auch vage Konzeption der Beeinflussung von Mitarbeiterverhalten vorliegt. Diese Konzeption tindet ihre Fortsetzung in der Gestaltung und Nutzung von Unternehmungskultur (s. Teil III, 5.4.2.). Deren Schwă­ chen zeigt denn auch die Konzeption Symbolischer Fiihrung: Die Zusarnmenhange zwischen Symbol und Verhaltenswirkung sind nie deterministisch, sondem allenfalls stochastisch. Operationalitat und Instrumentalitat der Konzeption hleiben daher unausweichlich bescheiden. Zu den Mangeln der Konzeption gehOrt femer, dass sie dazu beitragen kann, Mitarbeiter schrittweise ihrer Individualitat zu berauben und sie zu "vergemeinschaften" (vgl. Krell1993; 1994,38-41). Ein Verstofi gegen Normen der Verantwortungsethik wie z. B. das Personale Prinzip oder das Subsidiaritatsprinzip wăre dann die Folge (s. Teil IV, 4.4.). Unbeschadet dieser Kritik ist uniibersehbar, dass die Symbolische Fiihrung keine vollig eigenstandige Fiihrungskonzeption ist. Sie tritt vielmehr erganzend neben andere Konzeptionen und kann diesen zusatzliche Instrumentalitat verleihen. Von der Bedeutung der Symbole hangt dann ab, zu welcher anderen Fiihrungskonzeption Symbolische Fiihrung passt. Das Ergebnis der Auseinandersetzung mit mehrdimensionalen Fiihrungskonzeptionen ist anders, aber ăhnlich entmutigend wie dasjenige der Diskussion eindimensionaler Konzeptionen: Wirksame Rilfe fUr die Losung von Problemen der Mitarbeiterfiihrung ist kaum in Sicht. Die Instrumentalitat der einzelnen Konzeptionen ist bescheiden, und die Ausfiillung offener Arbeitsvertrage bleibt ungelost. Daher smd auch keine Transaktionskosten zurechenbar.

519 4.4.

Fiihrungsgrundsătze

Fiihrungsgrundsatze sind generelle Verhaltensempfehlungen fur das Zusammenleben und -arbeiten von Menschen in Untemehmungen. Auf sie wird hier nur der Vollstăndigkeit halber eingegangen, weil sie immer wieder in der Literatur mit Praxisorientierung diskutiert werden. Fiihrungsgrundsatze nehmen nur ausnahmsweise eine explizite DifIerenzierung nach Menschenbildem oder Fiihrungssituationen vor (vgI. Albach 1976, 753-755). Sie sind durchweg werthaltig, ohne dass die zugrunde liegenden Werte in der Form von Leitbildem immer genannt werden. Fiihrungsgrundsatze rekurrieren praktisch nie aufverhaltenstheoretische Grund1agen (vgI. Wunderer 1981, 424-425; Kossbiel 1978/1983, 20). Sie sind als radikal vereinfachte Fiihrungskonzeptionen interpretierbar. Sie sind seit den friihen 60er Jahren in vielen Untemehmungen die Antwort der Praxis auf die so wenig fruchtbaren Bemiihungen um praktikable Motivationsund Fiihrungstheorien. Schon bald nach ihrem ersten Auftreten sind Fiihrungsgrundsatze auszugsweise publiziert worden (vgI. Studienkreis 1967, 380382). Es falIt auf, dass sich Fiihrungsgrundsatze auf den deutschsprachigen Raum beschrănken (vgI. Wunderer 1983, VI) und die theoretische Auseinandersetzung mit Fiihrungsgrundsatzen erst relativ spat und zogemd eingesetzt hat (vgI. insbes. AlbachiGabelin 1977, 187-208; Kossbiel 1978/1983; Wunderer 1981; Albach 1977/1983; Gabele 1982), heute aber kaum noch betrieben wird. lnhalte von Filhrungsgrundsatzen sind in der Regel Sollvorstellungen (1) zur Beteiligung am Prozess der Leistungserstellung und zur Zusammenarbeit, (2) zum Einsatz, zur Vergiitung und zur Forderung der Mitarbeiter sowie (3) zur gesellschaftspolitischen und sozialen Verantwortung der Untemehmung gegeniiber ihrer Umwelt. Ihre Erweiterung zu Unternehmungsgrundsătzen mit Aussagen zum erwiinsch-ten Umgang mit Kunden, Lieferanten und Kapitalgebem wird vor allem von gr06en Untemehmungen praktiziert.

Die Funktion von Filhrungsgrundsătzen wird aus allen Beispielen gut erkennbar: Fiihrungsgrundsatze sollen als Leitbilder fur das Mitarbeiterverhalten dienen und zu einer Vereinheitlichung des Verhaltens fiihren oder wenigstens beitragen (vgI. Albach 1977/1983, 14; Kossbiel 1978/1983, 20-21). Dass sie 'fur einige Untemehmungen allerdings nur die Funktion eines "Feigenblatts" haben und die Diskrepanz zwischen Fiihrungsideal und -wirklichkeit iiberbriicken sollen, ist anzunehmen. Deshalb bleiben Verst06e gegen Sie auch sanktionsfrei. Standardisierung des Verhaltens durch Fiihrungsgrundsatze wird somit zum unerreichbaren ZieI. In transak-

520

tionskostentheoretischer Sicht ist deshalb die Instrumentalităt von Fiihrungsgrundsătzen als Ansatz zur Ausfiillungunbestimmter Arbeitsvertrăge hOchst bescheiden und erreicht das Niveau der Volksweisheit: "Tue recht und scheue niemaod".

4.5. Fiihrungsinstrumente 4.5.1. Abgrenzungen und Funktionen Filhrungsinstrumente sind alle diejenigen Mittel und Verfahren, die zur Beein:flussung des Mitarbeiterverhaltens eingesetzt werden konnen. In der Literatur wird seit langem eine gr06e Vielfalt von Filhrungsinstrumenten dokumentiert (vgl. z. B. Glasl/Lievegoed 1975; Baumgarten 1977, Kap. 3; AlbachlGabelin 1977,201-206, 241-254; Steinle 1978, 156-160,213-223; HentzelBrose 1990, Kap. 8). Dabei werden die Grenzen zwischen Fiihrungskonzeption, -grundsatz und -instrument im hier verstandenen Sinn zum Teil verwischt und die Wirkungsvermutungen zu einzelnen Instrumenten ofIensichtlich an unausgesprochene Prămissen zu bestimmten Menschenbildern und Fiihrungsstilen gekniipft (s. Teil III, 4.2.). Betrachtet mao den Wirkungsmechanismus der Fiihrungsinstrumente, ,so lassen sich zwei Gruppen herausheben. Organisatorische Filhrungsinstrumente greifen in die Fiihrungssituation ein und versuchen durch Gestaltung von Aufgaben, Entscheidungs-, Kontroll- und Informationsprozessen giinstige Bedingungen fiir ein erwiinschtes Verhalten zu schaffen. Sie sind der Dimension der organisatorischen Sachorientierung zuordenbar (s. Teil III, 3.1.). Allerdings kann bei ihrem Einsatz keine deterministische Wirkung auf das Mitarbeiterverhalten erwartet werden. Personale Filhrungsinstrumente sollen direkte Wirkungen auf das Mitarbeiterverhalten ausiiben. Sie harmonieren gut mit der personenorientierten Dimension der Filhrung. Auch bei ihrem Einsatz sind deterministische Wirkungen auf das Mitarbeiterverhalten nicht zu erwarten. Mitarbeiterfiihrung ist nicht mit Dressur gleichzusetzen. Bei Einsatz personaler Fiihrungsinstrumente ist lediglich die Wahrscheinlichkeit fiir einen erwiinschten Wirkungserfolg hOher als bei organisatorischen Fiihrungsinstrumenten. Die Transaktionskosten von Entwicklung, Einsatz, Kontrolle und Korrektur von Fiihrungsin. strumenten sind von den Transaktionskosten der gesamten Fiihrungskonzeption nur schwer trennbar. Deshalb bleiben sie nachfolgend unberiicksichtigt.

521 4.5.2. Organisatorische Fiihrungsinstrumente Als organisatorische FUhrungsinstrumente konnen insbesondere Stellenbi/dung und -beschreibung, Gremien mit Einstimmigkeit als Abstimmungsregel, Management-by-Techniken sowie Formen der Kommunikation eingesetzt werden. Die Stellenbi/dung beeinflusst das Verhalten allenfalls dann mit positiven motivationa1en EfIekten, wenn Stellenaufgaben mit interessanten Inhalten nach dem Kriterium der Ganzheitlicbkeit zusammengefasst werden (s. Teil II, 2.2.5.2.3.) und die Arbeitssituation gemafi den Wfinschen der Mitarbeiter und ergonomischen Prinzipien strukturiert wird (s. Teil 1, 5.5.2.5.). Negative motivationale EfIekte sind eher bei starker Spezialisierung, eintonigen Aufgabeninhalten und ungfinstiger Struktur der Arbeitssituation zu erwarten. Personale Stellenbi/dung nach den Interessen des Stelleninhabers, weitreichende Autonomie der Stellen,job enrichment undjob enlargement mit Erweiterung des Aufgabenspektrums zu zusammenhmgenden, sinnvollen Stellenaufgaben sowie tei/autonome Arbeitsgruppen mit variabler Aufteilung einer komplexen. Gruppenaufgabe auf verschiedene Gruppenmitglieder sind weitere Beispiele fUr eine begrenzt motivationsfordemde Stellenbildung (vgl. Aldag/Brief 1979, 43-45, 134; Fotilas 1980, 109, 211-226; LauxlLiermann 1987, 512). In neuerer Zeit sind individualisierte sowie temporăre Stelleil und variable Gruppen als motivationsf6rdemde Ansătze der Stellenbildung hinzugekommen (vgl. Raab-StahlI999, 225-250). Die Stellenbeschreibung MIt schrift1ich fest, welche Aufgaben in einer Stelle zu 10sen sind, welche Ermessensspiell'ăume fUr den Stelleninhaber bei der Aufgabenerfiillung bestehen und inwieweit Vorgesetzte in den Prozess der Aufgabendefinition und -erfiillung eingreifen dUrfen. Sie bescbreibt femer grob die Beziehungen zu anderen Stellen. Ibre verhaltensnormierende Wirkung ist allerdings minimal. Gremien mit Einstimmigkeit als Abstimmungsregel beeinflussen das Verhalten aus zwei GrOnden: Um die ex ante keineswegs selbstverstănd1iche Einstimmigkeit zu erreichen, miissen die Prăferenzordnungen der Gremienmitglieder durch Austausch gezielter Informationen so einander angeglichen werden, dass wenigstens die ranghOchste Alternative fUr alle Gremienmitglieder identisch ist. Die Ănderung der Prăferenzordnungen zieht eine Verhaltenslinderung derjenigen Gremienmitglieder nach sich, die zu Beginn des Anpassungsprozesses eine andere PrMerenzordnung als zum Entscheidungszeitpunkt besessen haben. Die Einbindung der Gremienmitglieder in eine gemeinsame Entscheidung f6rdert auch deren Durchsetzung und wirkt so weiter verhaltensnormierend. Mehrheitsregeln leisten dies nur einge-

522 weil die Einbindung iiberstimmter Minorităten in Mehrheitsentscheidungen nur moglich wird, wenn die iiberstimmte Minoritiit ex post die Altemative(n) schrănkt,

der Mehrheit akzeptiert.

Management-by-Techniken sind schon zu Beginn der 50er Jahre von der amerikanischen Wirtschaftspraxis entwickelt (vgl. Drucker 1954) und spăter in Deutschland von der betriebswirtschaftlich theoretischen Diskussion aufgegriffen worden (vgl. Wild 1974, 163-164; Frese 1993, 136-140). Sie haben insbesondere in der Form der Zielvereinbarung auch in deutschen Untemehmungen Einzug gehalten. Eine systematische Ordnung und lnterpretation dieser Techniken wird moglich, wenn man sie wie Scholz (vgl. 1981a, 26-36) auf ihre regelungstheoretischen Komponenten hin untersucht. Die ZustandsgrajJe des Regelkreismodells liefert dem Regler Informationen iiber den Zustand der Regelstrecke. Setzt man fiir den Regler den Vorgesetzten und fiir die Regelstrecke den Mitarbeiter, so sind zwei zustandsgrajJenseitige Management-by- Techniken erkennbar: (1) Management-by-Exception fiihrt nur dann zur Information und Einbeziehung des Vorgesetzten durch den Mitarbeiter, wenn eine bestimmte ZustandsvariabIe (z. B. ein Kostenbudget) eine Bandhreite zulăssiger Ausprngungen iiber- oder unterschreitet. Jede Art von Budgetvorgabe ist ein Spezialfall dieser Technik. (2) Management-by-Results fiihrt zu einer regelmiilligen Berichterstattung iiber bestimmte Zustandsvariablen der Regelstrecke, insbesondere iiber Arbeitsergebnisse des Mitarbeiters. Ihnen stehen vier stellgrajJenseitige Management-by-Techniken gegeniiber, wobei mit StellgrajJe der Eingri:ff des Reglers (Vorgesetzter) in die Regelstrecke (Mitarbeiter) gemeint ist:

(3)

Management-by-Objectives besteht in Zielvorgaben des Vorgesetzten an den Mitarbeiter. Bei Zielvereinbarungen wird die Zielvorgabe durch ein zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter ausgehandeltes ZieI ersetzt. Dieses Fiihrungsinstrument ist vor allem in der amerikanischen Literatur hinsichtlich Zielableitung und -prăzisierung sowie der praktischen Ausgestaltung und Implementierung intensiv diskutiert worden (vgl. Odiome 1965; Reddin 1971b), ohne dass die Măngel des Instruments vollig beseitigt werden konnten. Die Operationalisierung der Ziele und die Zurechenbarkeit von Ergebnissen auf Ziele werden umso problematischer, je ranghOher ein ZieI in der Zielhierarchie der Untemehmung angesiedelt werden kann und je grOBer die Interdependenzen

523 zwisehen mehreren Zielen sind. Diese Problematik wăehst von operativen liber taktisehe bis hin zu strategisehen Zielen. (4) Partizipatives Management-by-Objectives sieht die Beteiligung des Mitarbeiters an der Zielvorgabe dureh den Vorgesetzten vor. Diese Beteiligung miindet letztlieh in die in der Praxis verbreitete Zielvereinbarung. (5) Management-by-Decision-Rules besteht in der Vorgabe von Entseheidungsregeln an den Mitarbeiter, naeh denen er bei der Wahl einer Alternative zu verfahren hat. (6) Der direkte Eingriff des Vorgesetzten in die Arbeit des Mitarbeiters ist die restriktivste Variante dieses FUhrungsinstruments. Genau genommen wird FUhrung dureh eigenes Handeln des Vorgesetzten ersetzt. Management-by-Teehniken setzen geordnete und planbare Aufgaben und Arbeitsprozesse voraus. Von der prăzision der Ziel- und Grenzwertvorgaben hăngt ab, ob und inwieweit eine Verhaltensbeeinflussung erreiehtwird. Die theoretisehe Grundlage fUr diese Techniken ist trotz der regelungstheoretisehen Interpretation nur sehwaeh ausgebaut. Eine Verknlipfung zustandsgroBenseitiger mit stellgroBenseitigen Management-by-Teehniken ist zwingend geboten. Jede stellgroBenseitige Teehnik kann jeweils alternativ mit beiden zustandsgroBenseitigen Techniken verbunden werden (vgl. Seholz 1981a, 36-38). Die Eignungjeder Kombination fUr ein bestimmtes FUhrungskonzept oder aueh nur eine bestimmte FUhrungssituation ist nur spekulativ umsehreibbar. Die Kommunikation von lnformationen kann als FUhrungsinstrument genutzt werden, indem das gesamte Personal der Unternehmung dureh geeignete Medien liber Ereignisse in der Unternehmung oder neue Aufgaben informiert wird. Die Verhaltenswirkungen breit gestreuter Informationen sind unspezifiseh und beeinflussen den Mitarbeiter in seinem Verhalten allenfalls indirekt. Direkter ist der Einfluss gezielter Information des Mitarbeiters dureh seinen Vorgesetzten. Infonnationsbereitstellung in jeder gewiinsehten Fonn sehaffi: Vertrauen, Informationsverweigerung trngt zum Aufbau von Misstrauen bei. Die Information der Mitarbeiter kann somit zur FUhrungsunterstiitzung genutzt werden.

524

4.5.3. Personale Fiihrungsinstrumente 4.5.3.1. Mitarbeiterbeurteilung und Mitarbeitergesprăch Die Zahl personaler Filhrungsinstrumente ist groB und reicht von Lob und Tadel liber Anreizsysteme bis hin zor Art des Umgangs von Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitem. Aus diesen Instrumenten werden im Folgenden nur diejenigen herausgegriffen, die in institutionalisierter Form existieren und eingesetzt werden. Es sind dies die Mitarbeiterbeurteilung, das Mitarbeitergesprăch sowie nachfolgend Anreizsysteme. Methodische Aspekte der Mitarbeiterbeurteilung und des Mitarbeitergesprăchs, die beide verschiedenen Zielen dienen konnen, sind bereits erortert worden (s. Teil 1, 5.4.2.6., 5.4.2.7.). Daher genligt hier ihre Wiirdigung als Fiihruogsinstrumente. Die Mitarbeiterbeurteilung als Verhaltens- und Leistungsbeurteilung setzt die Existenz von VergleichsmaBstăben sowie die Dokumentation von Leistungen und Verhalten voraus. Soll sie verhaltensbeeirrflussend wirken, so mlissen die Zeitabstănde zwischen den einzelnen Beurteilungen relativ kurz sein. Die in der p'raxis libliche einmalige Beurteilung pro Jahr erlaubt keine effektive, dem Regelkreisprinzip entsprechende Verhaltensbeeirrflussung. Optimal wăre daher unter regelungstheoretischem Aspekt eine permanente Beurteilung, die allerdings Probleme des praktischen Vollzugs aufwerfen kann. Die Dokumentation von Verhalten und Leistung kann in periodischen Protokollen mit Angaben zu besonders positiv oder negativ herausragenden Leistungen und Verhaltensweisen erfolgen ("critical incidents method"). VergleichsmaBstăbe konnen Stellenbeschreibungen und vorab vereinbarte Ziele (s. Teil III, 4.5.2.) sowie verhaltensorientierte Beurteilungsskalen (s. Teil 1, 5.4.2.6., Teil II, 2.2.4.2.) und Leistungsstandards oder Soll-Leistungen sein. Verhaltenssteuemde Wirkungen der Mitarbeiterbeurteilung sind nur dann zu erwarten, wenn Abweichungen von Sollund Ist-Verhalten oder -Leistungen mit ihren Ursachen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter diskutiert werden. Diese Beurteilungsevaluation miindet unmittelbar in das Mitarbeitergesprăch, das somit schon seit langem als notwendige Ergănzung der Mitarbeiterbeurteilung zu sehen ist (vgl. Baumgarten 1977, 203). Das Mitarbeitergesprăch dient der Verhaltensbeeirrflussung nicht nur in Form der Beurteilungsevaluation und der Erorterung von Konsequenzen der Beurteilungen in Form positiver oder negativer Sanktionen, sondem auch durch die Aufdeckung von Wlinschen zor Arbeitssituation und zu Entwicklungszielen des Mitarbeiters. Das

525

Gesprach mit dem Mitarbeiter ilber das Filhrungsverhalten des Vorgesetzten und dessen subjektive Wahrnehmung und Wertung ist sinnvolle, wenn auch nicht in jedem FalI konfliktfrei handhabbare Erganzung des Mitarbeitergesprachs. Vorgesetzte konnen Hinweise auf erwiinschte Verhaltensweisen und Leistungen und auf die von ihrer Realisation abhăngigen Moglichkeiten der Erfiillung von Bedtirfnissen und Wtinschen des Mitarbeiters geben. Dies sind geeignete Ansatze zur Nutzung des Mitarbeitergesprachs als FUhrungsinstrument. Diese Funktion lasst sich noch ausbauen, wenn bei variablem oder schlecht strukturiertem Tatigkeitsfeld mit dem Mitarbeiter Lemziele, Wege zu deren Realisation und Ergebnisse bei der Erarbeitung neuer Kenntnisse und Fiihigkeiten besprochen werden. Insgesamt ist das hău­ figer gefiihrte Mitarbeitergesprach ein flexibles und wirksames Ftihrungsinstrument, um Verhaltens- und Leistungsfehlentwicklungen vorzubeugen - eine LeerformeI, die erst im konkreten FalI ausgefiillt werden kann.

4.5.3.2. Anreizsysteme 4.5.3.2.1. Aligemeine Eigenschaften von Anreizsystemen Von einem Anreizsystem ist zu sprechen, wenn mehrere Anreize mit der Funktion von Belohnungen angeboten und so aufeinander abgestimmt werden, dass sie im Wirkungsverbund erwiinschte Verhaltensweisen auslosen und unerwtinschte Verhaltensweisen unterdrticken oder zuruckdrangen. Was dabei erwtinscht oder unerwUnscht ist, hangt von den Zielen der Untemehmung und den verhaltensabhăngi­ gen Beitragen des Personals zu diesen Zielen ab. Der Bezug zwischen Untemehmungszielen und dem Verhalten von Personal ist unterschiedlich eng: Er wird zumindest prinzipiell enger, je hOher einzelne Mitarbeiter in der organisatorischen Hierarchie der Stellen angesiedelt sind. Er ist besonders eng, wenn die Untemehmung aus dem Eigenrumer (principal) und nur einem Mitarbeiter (agent) besteht, weil dann diesem Mitarbeiter Handlungserfolge leicht zurechenbar sind (vgl. Laux 1992, 112-118). In Untemehmungen mit vielen Mitarbeitem ist dies anders. Der Beitrag von Ftihrungskrăften zu den Untemehmungszielen ist dort in vielen Fiillen leichter nachvollziehbar als detjenige rein ausfiihrender Mitarbeiter. Dies rechtfertigt eine Differenzierung von Anreizen und Anreizsystemen nach und ausfiihrendem Personal.

Ftihrungskrăften

Alle Anreizsysteme haben die Aufgabe, anstelle von expliziten, ausformulierten verhaltensregulierenden Anweisungen bestimmte Verhaltensweisen etwa durch Zielvorgaben implizit zu f6rdem oder andere zu unterdrucken. Anreizsysteme set-

526 zen also zumindest begrenzte Entseheidungs- und Verhaltensfreiheit voraus. Bei der Verkniipfung von Anreizen mit bestimmten Bediirfnissen muss in Anreizsystemen stets deutlieh gemaeht werden, warum ein Bediirfnis erfiillt werden so11, wo:fUr also der Anreiz gewăhrt wird. Dass Anreize offenbar nieht nur in der Theorie, sondem aueh in der 'praxis als wiehtiges Gegensruek zu direktoralen Eingri:ffen in das Mitarbeiterhandeln gesehen werden, zeigt das Handbueh von Sehanz (vgl. 1991), das zugleieh zahlreiche Anregungen rur die praktisehe Ausgestaltung von versehiedenen Anreizsystemen enthă1t. Alle Anreizsysteme mit positiven und negativen Sanktionen kniipfen unmittelbar an Bedilrfnissen des Personals, mindestens aber an Annahmen aber diese Bedarfnisse an. Da die Vielfalt der Mitarbeiterbediirfnisse zur Vereinfaehung zwingt, greifen Anreizsysteme nur wenige, als typiseh empfundene Bediirfnisse auf. Die Funktion positiver Anreize ist die zunaehst in Aussicht geste11te und seh1ieBlieh gewăhrte Belohnung:fUr erwiinsehte Leistungen und Verhaltensweisen oder aber nur:fUr den Verbleib in der Untemehmung. Um wirksam werden zu konnen, muss die Belohnung eindeutig auf eine bestimmte Leistung oder ein Verhalten bezogen sein. Far

positive Anreize gilt, dass sie erst bei Oberschreiten von Mindestanspruchsniveaus wirken und bei Erreichen von Sattigungsniveaus versagen. Da sieh Mindestanspruehsniveaus bei Bediirfnisbefriedigung aufgrund von Lemprozessen naeh oben versehieben, nimmt die Wirkung positiver Anreize mit der Dauer der Gewohnung ab. Die Erganzung positiver dureh negative Anreize als Ansatze zur Verweigerung von Bediirfnisbefriedigung ist moglieh, aber nur bei Versagen positiver Anreize in Erwagung zu ziehen. Art, Einsatz und Wirkung positiver und negativer Anreize hiingen von der Fiihrungssituation und dem Mensehenbild vom Mitarbeiter ab. Negative Anreize sind mit hoehqualifizierten, zu selbstandigem Handeln erzogenen Mitarbeitem und mit seh1eeht strukturierten Aufgaben im Tatigkeitsfeld wenigergut vereinbar als positive Anreize. Man kann Anreizsysteme aueh weiter definieren (vgl. Beeker 1987, 24-25). Von

Arbeitsbedingungen im weitesten Sinn, dem Image und dem Fiihrungssystem der Untemehmung oder dem Verhalten der Mitarbeiter konnen Anreize :fUr die Ausiibung oder Unterlassung eines bestimmten Verhaltens ausgehen. Eine so weite Auslegung des BegrifIs steht nieht im Widersprueh zur Einordnung von Anreizen als Fiihrungsinstrumente, wenn der Zielbezug des Anreizes verdeutlieht wird.

527

Man kann unter den positiven materielle und nichtmaterielle Anreize unterscheiden. Sie konnen sich je nach Mitarbeitergruppe, Hierarchiestufe oder Tatigkeitsfeld unterscheiden. Beispiele jar materielle Anreize sind Variationen von Lohnstruktur und -hOhe (s. Teil III, 6.3.), die Gewăhrung geldwerter Privilegien, die Gewahrung von zusatzlichen Varianten des Soziallohns - soweit er nicht gesetzlich oder tarifvertraglich fixiert ist (s. Teil III, 6.5.) - sowie Erfolgs- und Vennogensbeteiligung (s. Teil III, 7.). Zu den materiellen Anreizen gehOren die Gestaltung der AIbeitsbedingungen und -inhalte dann, wenn sie geldwerte Vorteile bieten. Bei Auswirkungen auf die Vergtitung gehOrt auch eine Versetzungs-, Befeirderungs- oder Bildungspolitik zu den materiellen Anreizen. Diese Anreize diirften jedoch alle starker auf das Verbleiben von Mitarbeitem in der Untemehmung als auf deren

Leistung und Verhalten wirken. Nichtmaterielle Anreize existieren insbesondere in der Fonn sozialer Anreize. Beispiele fur solche Anreize sind Anerkennung oder Tadel, Begrenzung oder Erweiterung von Machtpotentialen, vergtitungsneutrale Beftirderung oder Versetzung, die Gewăhrung von Bildungs- und PersonalentwicklungsmaBnalunen (s. Teil II, 6.3.4.2.), besondere soziale Kontakte zu Vorgesetzten und Mitarbeitem sowie die Vergabe von vergtitungsneutralen Privilegien. Zu den nichtmateriellen Anreizen kann auch der Aujbau eines betrieblichen Vorschlagswesens gerechnet werden, das alierdings bei Vergabe von ErfoIgshonoraren eine monetare Komponente erhăIt (vgl. Thom 1993). Aussagen iiber mogliche Wirkungen dieser Anreize sind nur unter konkreten Bedingungen, nicht aber generell moglich.

Die weitgefasste Definition von Anreizsystemen unter Einschluss der AIbeitsbedingungen erlaubt es, eine bisher kaum als Anreiz gewertete Gruppe von AIbeitsbedingungen neu hervorzuheben. Es sind Perioden- und Lebensarbeitszeitmodelle mit individualisiertem Zuschnitt au! einzelne Mitarbeiter. lndividualisierung der AIbeitszeit ist bei vielen Ansatzen der Flexibilisierung moglich (s. Teil 1, 6.3.6., 6.4.2.). Beispiele sind individuelle Wahl von Gieitzeiten, Teilzeitarbeit, chronoIogische Losungen der Periodenarbeitszeit sowie flexibIe, chronometrische und chronologische Losungen fur flexible Lebensarbeitszeitmodelle. Alle individualisierten Losungen konnen als Anreize Motivation zum Verbieib in der Untemehmung ausIosen. Dass individualiserte AIbeitszeitmodelle aber auch hohen Koordinationsaufwand auslOsen, darf nicht iibersehen werden. Motivation zur Leistung ist dagegen eher von Teilzeitmodellen sowie physiologisch vorteilhafter Chronologie der Tagesarbeitszeit zu erwarten.

528 Fiir die Verkntipfung von Belohnung und BezugsgrojJe sollten bei der Konstruktion von Anreizsystemen vier Regeln beachtet werden, um die Fehlfunktionen des Systems zu begrenzen. Die Beachtung dieser vier Regeln sichert die Effizienz von Anreizsystemen (ăhnlich KossbieI1994). Die Regeln lauten: (1) BezugsgroBe sollte ein Output oder ein OutputlInput-Quotient sein. InputgroBen fiihren zur Belohnung falschen Sparverhaltens, wenn sie alleine zu BezugsgroBen werden. (2) Die BelohnungshOhe sollte zumindest kurzjristig eine linear steigende Funktion der BezugsgrOBe sein. Degressive Zusammenhănge reduzieren das Bemiihen um Spitzenleistungen, wăhrend progressive Zusammenhănge zu Uberforderung und allzu groBer Risikofreude veranlassen konnen. Langfristig kann je nach Anreizart und angestrebten Verhaltenswirkungen ein konkaver Verlauf der BelohnungshOhe vorteilhafter sein, weil so vorzeitiger Abbau von Făhig­ keitspotentialen reduziert wird. (3) Die Beziehungen zwischen Belohnung und BezugsgroBe diirfen nicht willkiirlich sein. Vielmehr miissen beide funktional miteinander verkniipfbar sein. (4) Die Hohe der Belohnung darf den Nutzen des belohnten Verhaltens nicht iibersteigen. Dies gilt unbeschadet der Operationalisierungsprobleme bei der Bestimmung des Nutzens, den ein bestimmtes Verhalten stiftet. In transaktionskostentheoretischer Sicht nehmen Anreizsysteme dann eine Sonderstellung unter den Fiihrungsinstrumenten ein, wenn sie zur Ausfilliung unbestimmter Arbeitsvertrage konstruiert und eingesetzt werden (vgl. Eigler 1996, 178). Ihre Instrumentalitat muss daher in der Weise hergestellt werden, dass ein bestimmter Anreiz mit der Wirkung der Bediirfnisbefriedigung nur dann gewăhrt wird, wenn Mitarbeiter ihr Leistungsverhalten auf Beitrage zu den Untemehmungszielen ausrichten. Transaktionskosten der Planung fallen :fUr die Identifikation relevanter Mitarbeiterbediirfnisse und die Auswahl der Mittel zu deren Befriedigung an. Weitere Transaktionskosten der Planung entstehen durch die Festlegung von Verhaltensvorgaben oder von personlichen Zielen mit Finalitat zu den Untemehmungszielen. Zielvorgaben lOsen jedoch geringere Transaktionskosten der Planung als explizite Verhaltensvorgaben aus. Auch die Transaktionskosten der Kontrolle und Fehlsteuerung sind bei Zielvorgaben geringer als bei Verhaltensvorgaben. Geradezu klassisches Anreizsystem mit relativ niedrigen Transaktionskosten sind Erfolgszielvorgaben in Kombination mit einer Erfolgsbeteiligung (s. Teil III, 7.2.). Die Hohe des Anreizes hangt von der Spezijitat der Leistung ah: Die Hohe der An-

reize muss mit deIjenigen der Spezifitat steigen, um Bindungswirkungen auszulo-

529 sen und opportunistisches Verhalten zu unterdriicken (vgl. Eigler 1996, 186-187). An die Berucksichtigung der bereits zuvor genannten Anspruchs- und Săttigungs­ niveaus sei erinnert.

4.5.3.2.2. Anreizsysteme fUr ausfiihrendes Personal nnd fUr Fiihrungskrăfte Bei der Ausgestaltung von Anreizsystemen fUr rein ausfUhrendes Personal ist zunăchst zu fragen, was der Anreiz fUr diese Personalkategorie bewirken soli, welches Verhalten er konkret auslosen soli. Diese Frage ist umso schwieriger zu beantworten, je schwăcher der Bezug eines bestimmten Mitarbeiterverhaltens zu hochrangigen Untemehmungszielen ist. Zur Losung dieses Problems ist daran zu denken, das organisatorische Fiihrungsinstrument der Zielvorgabe oder Zielvereinbarung (mbo) unter den Management-by-Techniken (s. Teil ITI, 4.5.2.) einzusetzen: Vorgesetzter und Mitarbeiter vereinbaren stellenspezifische Ziele, fUr die ein zwar stochastischer, aber prinzipiell fina1er Zusammenhang mit hochrangigen, gegebenenfalls strategisch geprăgten Untemehmungszielen besteht. Der Anreiz zur Verfolgung der vereinbarten Ziele muss darin bestehen, dass der Vorgesetzte eine Belohnung in Aussicht stellt. Diese Belohnung miisste bei Erreichen der vereinbarten Ziele zur Befriedigung von Bediirfnissen beitragen, die im Mitarbeitergesprăch (s. Teil 1, 5.4.2.7.) identifiziert worden sind. Die Kcimbination von Zielvereinbarung und Anreiz zur Zielverfolgung wiirde die Idee aus der Transaktionskostentheorie konkretisieren (s. Teil 1, 1.4.2.), dass die Erfiillung eines inhalt1ich unvollstăndig definierten Dienstvertrags durch Anreizsysteme abgesichert werden muss. Die gleiche Idee liegt prinzipiell auch Anreizsystemen fUr Fahrungskrtifte zugrunde, deren Struktur bereits relativ ftiih diskutiert worden ist (vgl. z. B. Bleicher 1985). Fiihrungskrăfte sind - anders als ausfiihrendes Personal - in der Rolle des Agenten der Principal-Agent-Theorie (s. Teil 1, 1.4.2.) zu sehen. Fiihrungskrăfte handeln nicht nur im Auftrag der Eigentiimer einer Untemehmung gemă6 deren Zielen. Sie konnen als Instanzeninhaber im Sinn der Organisationstheorie auch Entscheidungen liber das Handeln Dritter treffen. In einer Organisationshierarchie sind diese "Dritten" fUr die Fiihrungskrăfte der untersten Stufe die ausfiihrenden Mitarbeiter. FUr ranghOhere· Instanzeninhaber sind die "Dritten" Fiihrungskrăfte der năchstniedrigeren Instanzenstufe. Zumindest fUr Fiihrungskrăfte kann unterstellt werden, dass der Bezug ihrer Handlungs- und Verhaltensziele - wenn auch nicht in allen Făilen - enger mit den Untemehmungszielen verknlipft werden kann. Diese Unterstell1.mg baut auf der Prămisse auf, dass auf taktischer UIid vor allem strategischer Planungsebene ranghohe Ffihrungskrăfte durch ihre Entscheidungen

530

iiber Ziele und komplexe AItemativen zur Zielerreichung den Untemehmungserfolg stiirker beeinf1ussen als rangniedrige Fiihrungskrafte und ausfiihrendes Personal. Akzeptiert man diese Uberlegungen, so wird die Beteiligung am Erfolg als zentraler Anreiz insbesondere fur ranghohe Fiihrungskrafte sinnvolI (s. Teil III, 7.2.). Die Beteiligung von Fiihrungskraften am Erfolg miisste dann auch deren Engagement fur die Entwicklung, Anpassung, Implementation, Integration und Umsetzung von zielorientierten Strategien der Untemehmung fOrdem. Diese Erwartung ist insbesondere mit einem Anreizsystem in der Form eines Aktienoptionsplans verbunden. Dieser beruht auf der Erwartung von Aktienkurssteigerungen als Folge von Gewinnsteigerungen, die auf die Aktivitaten ranghoher Fiihrungskrafte zurechenbar sein miissten (s. Teil III, 7.2.2.). Erfolgsbeteiligung IOst eine Reduktion aller Transaktionskosten aus, wenn die BezugsgroBe des Erfolgs von den einzelnen Mitarbeitem durch ihr Verhalten positiv beeinf1usst werden kann. Erfolgsbeteiligung von Fiihrungskraften alleine garantiert aber noch kein strikt erfolgsorientiertes Fiihrungsverhalten: Fiihrungskrafte konnen Fehler machen. Erfolgsbeteiligung darf daher kein Anlass fur den Verzicht auf KontrolIe der Fiihrungskrafte sein (vgl. Laux 1990,6-7). Die Konstruktion von Anreizsystemen fur Fuhrungskrafte wirft mehrere Probleme auf (vgl. Laux 1990, 7-10; Becker 1990, 116-117, 126), die durch folgende sechs Fragen umschreibbar sind: Welche ErfolgsgroBe kann ZieI und BezugsgroBe fur ein Anreizsystem sein? Wie solI der individuelIe Erfolgsanteil mit der BezugsgroBe verkniipft werden? Welche Einf1ussgroBen wirken auf die ErfolgsgroBe und sind selbst durch die Fiihrungskrafte beeinf1ussbar? (4) Gibt es neben der ErfolgsgrOBe andere Ziele der Untemehmung, zu deren Erreichung verhaltensstimulierende Anreize geboten werden miissen? (5) SolIte statt einer einzigen Anreizart ein Mix verschiedener Anreize geboten werden, die zur Befriedigung mehrerer Bediirfnisse beitragen? Wie miisste ein Anreiz-Mix aussehen? (6) Welches Anreizsystem ist transaktionskostenrninimal?

(1) (2) (3)

Auf das erste und zweite Problem wird bei der Behandlung von Systemen der Erfolgsbeteiligung (s. Teil III, 7.2.) zuriickzukommen sein. Das dritte Prob/em beinhaltet die Frage nach den rechnerischen Komponenten der ErfolgsgroBe wie z. B. Aufwand und Ertrag sowie nach sogenannten "Erfolgsfaktoren", die ertragsstei-

531 gemd oder aufwandsminimierend wirken. Positive Beein:flussung von "Erfolgsfaktoren" durch FOhrungskrăfte konnte dann Anlass fUr deren Belohnung sein. Die Debatte um "Erfolgsfaktoren" ist bis heute nicht abgeschlossen, und ihr wichtigstes Ergebnis, vor allem im Zusammenhang mit dem PIMS-Projekt (z. B. Kreikebaum 1997), ist trivial, nămlich dass die rechnerischen Komponenten des Untemehmungserfolgs - vor allem etwa Umsatz, UmsatzlBeschăftigtem, Herstellungskosten/Umsatz - wichtige Erfolgsfaktoren sind. Die Zurechnung dieser "Erfolgsfaktoren" auf einzelne FOhrungskrăfte wirft jedoch nicht-triviale Probleme auf, da die "Erfolgsfaktoren" arbeitsteilig gestaltet und beein:flusst werden. Daher bleiben erfolgswirksame Bezugsgro6en bei Anreizen rur ranghohe Fuhrungskrăfte offen. Das vierte Problem ist typisch fUr mehrfache Zielsetzung. Fur die Verknupfung eines Anreizes mit mehreren Bezugsgr06en ist keine theoretisch exakte Losung bekannt. Die Verknupfung mehrerer Bezugsgro6en mit mehreren Anreizarten ist durch Zuweisung einer Anreizartje Bezugsgro6e losbar. Fur die Losung desjanften Problems ist ebenfalls keine theoretisch exakte Losung bekannt. Man kann aber dem Vorschlag Beckers (vgI. 1990, 135-136) folgen und da5 Cafeteria:"Prinzip (s. Teil m, 6.5.) anwenden, um die Willkiir der Belohnungsbemessung zu mildem. Zum sechsten Problem ist generell zu sagen, dass alle Anreizsysteme transaktionskostenminimal sind, die den Eigennuti des einzelnen Mitarbeiters zum Vorteil fUr die Untemehmung einzusetzen vermogen. Bei der Kombination von Zielvorgaben oder -vereinbarungen mit einer Erfolgsbeteiligung ist dies relativ am besten der FalI. FUr die Erfolgsbeteiligung von Fiihrungskrăften gilt im Ergebnis, dass sie nicht vollstăndig objektiviert werden kann. Es bleiben Elemente der Willkiir bei der Verknupfung von Erfolgen, Erfolgsein:flussen, Bezugsgro6en fUr Erfolgsanteile als Anreize und Hohe des individuellen Erfolgsanteils. Diese Verknupfung muss daher konventionalisiert werden, was z. B. durch Absprachen zwischen Untemehmungsleitung und Sprecherausschuss geschehen kann (s. Teil 1, 3.2.1.): Dieses Urteil gilt grundsatzlich 'auch rur Aktienoptionsplăne. Diese sind in den USA als Kombination von Erfolgsbeteiligung und Anreizsystem fUr Fuhrungskrăfte in Aktiengesellschaften entwickelt worden. Sie bauen auf der Hypothese auf, dass FOhrungskrăfte durch ihre Entscheidungen den Untemehmungserfolg ihrer Gesellschaft stark beein:flussen. Positive Erfolge bewertet der Kapitalmarkt richtig, was zu Aktienkurssteigerungen fiihrt, an denen die Fuhrungskrăfte beteiligt werden (s. Teil m, 7.2.2.2.). Die Prlimissen des Konzepts sind allerdings so heroisch, dass dessen Anreizwirkung fraglich wird.

532 4.6. Zum Nutzen von Fiihrungskonzeptionen Die Beschăftigung mit Fiihrungskonzeptionen und -grundsătzen ist die Antwort der Praxis, aber auch der Wissenschaft, auf das weitgehende Versagen von Motivations- und Fiihrungstheorien als praktische instrumentelle Hilfen fUr den Vorgesetzten. Ihr Nutz~n besteht darin, (1) einen Bezugsrahmen zu liefern, innerhalb dessen Fiihrungsverhalten von Vorgesetzten eingeordnet und reflektiert werden kann. (2) Bine unternehmungsintern fonnulierte und bekannt gemachte Fiihrungskonzeption legitimiert ein bestimmtes Fiihrungsverhalten der Vorgesetzten gegeniiber ihren Mitarbeitern dann, wenn die Zuordnung von konkretem Fiihrungsverhalten auf Fiihrungskonzeption oder -grundsătze plausibel ist. Wenn Fiihrungskonzeption oder -grundsătze im Binklang mit Werthaltungen stehen, die als Bestandteile der Unternehmungskultur anzusehen sind (s. Teil li, 5.2.4.), so ist ihr Nutzen (3) in einer Verfestigung eben dieser Kultur und (4) in einer minimalen Normierung des Vorgesetztenverhaltens zu sehen. Der Mitarbeiter kann abschăt­ zen, welches Vorgesetztenverhalten er etwa bei Versetzungen oder Beforderungen erwarten darf oder als Vorgesetzter selbst zeigen muss. Offen ist die Zuordnung von Fiihrungserfolgen auf Fiihrungskonzeptionen oder Ob Mitarbeiter wegen oder trotz einer bestimmten Fiihrungskonzeption Leistungen erbringen, bleibt wegen der Multikausalităt menschlicher Arbeitsleistungen nicht eindeutig zurechenbar. Abfragbar ist nur die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit einer bestimmten Fiihrungskonzeption und dem durch diese Konzeption gesteuerten Fiihrungsverhalten des Vorgesetzten. Auch in transaktionskostentheoretischer Sicht bleiben Fiihrungskonzeptionen problematisch, wenn ihr Binsatz nicht eindeutig auf den Fiihrungserfolg zurechenbar ist, nămlich die Ausfiillung eines unbestimmten Arbeitsvertrags durch Anleitung zu zielkonfonnem Handeln der Mitarbeiter. Fiihrungskonzeptionen gewinnen einen negativen Nutzen allerdings dann, wenn sie nicht pennanent kritischer Reflexion und empirischer Uberpriifung unterzogen werden, sondern zu Fuhrungsideologien werden (s. Teil li,4.2.l.).

Fiihrungsgrundsătze.

5.

Neue Ansătze der Fiihrung

5.1. Uberblick

Die Befunde zu Motivationstheorien, FUhrungstheorien und -konzeptionen sprechen fUr eine individuelle Verhaltensbeeinf1ussung der Mitarbeiter geIIlăn ihren Bediirfnissen und Werthaltungen und gegen einheitliches FUhrungsverhalten gegeniiber allen Mitarbeitem. Ziele dieser individuellen Beeinf1ussung sind ein erwiinschtes . Verhalten, die Forderung von Leistungen und die Bindung des Mitarbeiters an die Untemehmung. AnstoBe zur Beschăftigung mit einer Individualisierung der FUhrung liefert aber nicht nur die krltische Auseinandersetzung mit Motivations- und FUhrungstheorien. AnstoBe dazu gibt auch der sichtbar gewordene Wandel der Werte, die vom Personal in die Untemehmung mitgebracht werden. Alte Tugenden wie Piinkt1ichkeit oder Einordnung treten gegeniiber neuen Tugenden wie Teamarbeit oder Individualităt mit Betonung der eigenen Meinung zuriick. Individualisierung bedeutet dann, -dass die Untemehmung stărker als bisher in ihrem mitarbeiterbezogenen Handeln von den individuellen Bediirfnissen, Făhigkeiten, Werthaltungen und Grundannahmen ihrer Mitarbeiter ausgeht, soweit dadurch Untemehmungsleistung und -erfolg nicht gefâhrdet, sondem geferdert werden. Ein weiterer AnstoB zur Individualisierung kam schon vor Iăngerer Zeit aus der Humanisierungsdiskussion (vgl. ReiB 1981, insbes. 278). Die Individualisierung der FUhrung wirft allerdings erhebliche Probleme auf. Unter diesen ragen der VerstoB gegen das Prinzip der Gleichbehandlung, die fehlende Vergleichbarkeit von Anreizen, der Zwang zu situativer DifIerenzierung des FUhrungsverhaltens uild insbesondere begrenzte soziale Făhigkeiten der Vorgesetzten heraus. Existenz und unvollkommene Losbarkeit dieser Probleme zwingen zur Beschrăn­ kung der Individualisierung auf Bandbreiten des FUhrungsverhaltens und des Einsatzes von Fiihrungsinstrumenten. Hinzu ~ommt, dass die Transaktionskosten der Planung und Anbahnung bei individualisierter FUhrung hOher als bei anderen Fiihrungskonzeptionen liegen diirften. Wegen der zu erwartenden besseren FUhrungserfolge diirften jedoch die Kosten der Kontrolle und der Fehlsteuerung unter deIţieni­ gen anderer Konzeptionen liegen und kompensatorisch gegeniiber den Planungskosten wirken. Die Summe der Transaktionskosten konnte bei individualisierter Fiih-

534

n.tng geringer als bei anderen Fiihrungskonzeptionen - mit Ausnahme der Selbstfiihrung - sein. Allerdings hângen die Transaktionskosten individualisiertel' Fiihrung sehr stark von der Wahl der Leitbilder der Fiihrung sowie der Qualifikation der gefiihrten Mitarbeiter ab. Die lndividualisierung der Fahrung kann als Konzept so skizziert werden, dass zu'" năchst die Fiihrungssituation bestimrnt werden muss, in der sich Vorgesetzter und Mitarbeiter befinden, wobei Werthaltungen und Bediirfnisse Teil der Fiihrungssituation sind. Dann sind - mangels geeigneter Theorien - nach Plausibilitat und Versuchs-Irrtums-Prinzip Leitbilder der Fiihrung sowie. Fiihrungsinstrumente und -verhalten auf die Fiihrungssituationje Mitarbeiter zuzuordnen und ihr anzupassen. Da auch individualisierte Fiihrung die Dimension der Personenorientierung und der organisatorischen Sachorientierung haben kann, muss mindestens bei der Auswahl der Fiihrungsinstrumente diesen Dimensionen Rechnung getragen werden (s. Teil III, 3.1.; 4.5.). Eine zusătzliche Differenzierung von Fiihrungsinstrumenten und -verhalten nach Alter und Geschlecht der Mitarbeiter ist moglich und angebracht. Eine starke Untemehmungskultur mit hoch akzeptierten und gemeinsam geteilten positiven Werten kann die Individualisierung der Fiihrung unterstiitzen, da sie die denkbare Vielfalt von Werthaltungen und Bediirfnissen reduziert. Der Vorgesetzte kommt dann mit einer geringeren Bandbreite an Formen des Fiihrungsverhaltens aus. Er kann bei Unterstiitzung durch die Untemehmungskultur den sozialen und psychischen Anforderungen aus seiner Aufgabe der Personalfiihrung leichter geniigen. Individualisierte Fiihrung verzichtet jedoch nicht auf steuemde Eingri:ffe von Vorgesetzten in das Verhalten ihrer Mitarbeiter. Sie kann jedoch als Vorstufe zur Selbstfiihrung verstanden werden. Selbstfiihrung beruht auf der Idee, dass hoch qualifizierte und intemalisiert motivierte Mitarbeiter kaum noch verhaltensorientierter Eingri:ffe ihrer Vorgesetzten bediirfen. Selbstfiihrung geht also von einem positiven Menschenbild aus, das mit opportunistischem Verhalten nur ausnahmsweise in Verbindung gebracht werden kann. Selbstfiihrung besteht in der Formulierung von Zielen und Wegen der Zielerreichung sowie Auswahl.eines geeigneten Leistungsverhaltens und sozialen Verhaltens durch Mitarbeiter selbst. Selbstfiihrung kann und muss durch Selbstkoordination erganzt werden.Selbstfiihrung ist insbesondere mit allen Ansiitzen der Neuen Dezentra1isation kompatibel (vgl. Drumrn 1996).

535

5.2. Individualisierte Fiibrung 5.2.1. Ausgangspunkt, Ziele, transaktionskostentbeoretiscbe Wiirdigung und Problematik individualisierter Fiibrung 5.2.1.1. Ausgangspunkt der Individualisierung Die Auseinandersetzung mit wiehtigen Motivationstheorien, Fiihrungstheorien sowie Fiihrungskonzeptionen hat mehrere Ergebnisse gebracht, die alsAusgangspunkt fur ft1nf Oberlegungen zur lndividualisierung der Fuhrung geeignet sind: (1) Prozessuale Motivationstheorien des VIE-Typs kniipfen am lndividuum an. Sie versuchen die Struktur seines Antriebs zum Handeln formal zu erklăren. (2)

Alle lnhaltstheorien gehen von Bedurfniskategorien aus, die als generell gegeben und giiltig angesehen werden. Der Vielfalt individueller Bediirfnisse als Grundlage eines Motivs zum Handeln oder zum Handlungsverzicht werden diese Theorien kaum gerecht. Unterschiedliches Handeln bei gleichen Bedingungen und Aufgaben kann durch die Individualităt von Motiven besser erklărt werden. Die Individualităt von Motiven macht aber individuelles, auf den einzelnen Mitarbeiter bezogenes Fiihrungshandeln notwendig.

(3) Die Auseinandersetzung mit Fiihrungstheorien hat ein Spektrum von Menschenbildern aufgedeckt, das eigentlich durch die gangigen Theorien mit nur einem, positiven Menschenbild iiberholt schien. Die Untersuchungen Weinerts (vgl. 1984a, 1984b, 1987) bestatigen die Binsenweisheit, dass die Menschen verschieden sind und offenbar auch verschieden behandelt werden, selbst weon sie gleich behandelt werden wollen. Letzteres macht die noch zu erorternde Problematik der lndividualisierung aus. Das Bild vom komplexen Menschen nach Schein (s. Teil III, 3.2.1.) ist gerade wegen der Vielfalt seiner Auspragungen angemessene Grundlage einer lndividualisierung der Fiihrung. (4)

Werthaltungen im Sion von dauerhaften, als wichtig angesehenen Leitbildern haben sich seit langem als einflussreiche intervenierende Variable der Motivation und Fiihrung herausgestellt (vgl. Lilge 1980, 50-53, 61-63; Fiirstenberg 1987, 20-21; Bihl1987a, 55-57). Werthaltungen werden durch Erziehung und Sozialisation vermittelt. DieBeschăftigung mit Werthaltungen im Zusammenhang mit Fiihrungsgrundsatzen hat deutlichgemacht, dass ein Konsens uber gemeinsame Werthaltungen und Grundannahmen bei Fiihrungskraften und

536 Mitarbeitem die FUhrung erleichtert. Mindestens miissen aber Vorgesetzte und Mitarbeiter ihre wichtigsten Werthaltungen und Grundannahmen gegenseitig kennen, UITI deren Vertraglichkeit beurteilen zu konnen. FUhrung seitens der Vorgesetzten besteht dann nicht nur in der Verhaltensbeeinflussung etwa durch FUhrungsverhalten und durch den Einsatz von FUhrungsinstrumenten unter Beachtung von Bediirfnissen und Werthaltungen ihrer Mitarbeiter. FUhrung erstreckt sich dann auch auf eine langfristige Veranderung van Werthaltungen der Mitarbeiter durch Erziehung. Erziehung kann dabei in erster Linie durch Vorleben von Werthaltungen angestrebt werden, wie dies auch fur die Vermittlungvon Untemehmungskultur unterstellt wird (s. Teil III, 5.2.4.). Fiihrung gerat damit in die Năhe der Personalentwicklung (s. Teil II, 6.3.l.). Die Funktian der Werthaltungen im FUhrungsprozess besteht darin, dass sie Bediirfnisse steuem und auslosen und so das Zustandekommen von Motiven bewirken. Dass Werthaltungen den FUhrungserfolg in Gruppen deutlich zu pragen vermogen, konnte empirisch belegt werden (vgl. Einsiedler 1987, 590593): Die fur erfolgreiche Teamchefs in einer Laborsituation ermittelten Werte waren erstens bewusste Verantwortung fur die Zusarnmenarbeit in der Gruppe, zweitens Eindeutigkeit der FUhrung, drittens Prăferenz fur partizipative Entscheidungen mit situativer Differenzierung sowie viertens Konzentration auf wesentliche Entscheidungen statt deren Miterledigung im Tagesgeschăft. Das hinter diesen Aussagen stehende, werthaltige Leitbild ist offensichtlich der Verzicht auf diktatorische Entscheidungen oder vollige Entscheidungsdelegation zugunsten bewusst variierter partizipativer FUhrung. Uber die Werthaltungen der gefiihrten Gruppenmitglieder sagt diese Studie jedoch nichts aus. Kurzfristig wirken Werthaltungen van Mitarbeitern als Restriktionen, gegen die der Vorgesetzte nicht verstofien sollte, wenn er den Erfolg seiner FUhrung nicht gefahrden will. Langfristig sip.d Werthaltungen der Mitarbeiter selbst Gegenstand der Verănderung durch Beeinflussung. (5)

Der Erfolg sachorientierter und personenorientierter FUhrung wird von den fachlichen Kenntnissen und sozialen wie auch kognitiven Făhigkeiten der Mitarbeiter ebenso beeinflusst wie von deren Făhigkeit zur Intemalisierung der Motivation. Auch dies ist ein Argument fur eine je Mitarbeiter differenzierte, individualisierte FUhrung.

Zu diesen fiinf deduktiv abgeleiteten Ansatzpunkten zu einer Individualisierung der FUhrung kommt ein sechster Ansatzpunkt aus dem Umfeld der Untemehmung: Durch einen Teil des Personals werden "neue" Werte in die Untemehmung einge-

537 bracht oder andere Werte starker als zuvor gewichtet. Dnter diesen neuen Werten oder "Kommunikativen Tugenden" haben Teamarbeit und eigene Meinung vor allem bei jiingeren und bei hOher qualifizierten Mitarbeitem hohen Rang (vgl. Schmidtchen 1984, 60-63). Man kann sie als Indikator fur den Wunsch nach starkerer Beachtung der Individualităt des Einzelnen interpretieren. Daneben bestehen alte Werte oder "Puritanische Tugenden" weiter, unter denen Prazision und Piinktlichkeit hohen Rang haben (vgl. Schmidtchen 1984, 61). Die Folge ist eine stărkere Differenzierung der Werthaltungen zwischen den Milarbeitern. Zusătzlich ist ein Wandlungsschub der Werthaltungen hin zu Selbstentfaltungswerten uniibersehbar (vgl. Klages 1987,8-15). Beide Werteverschiebungen halten bis heute an. Die starkere Differenzierung der Werte ist ein weiterer wichtiger Anlass zur Individualisierung. Atillerdem hat die Individualisierung der Fiihrung einen friihen Vorlăufer bei der Gestaltung der Mikroorganisation gehabt (vgl. Schanz 1977). Die Auseinandersetzung mit Fiihrungskonzeptionen hat verdeutlicht, dass Personalfiihrung an zwei Voraussetzungen gebunden ist, nămlich die von den Mitarbeitem anerkannte fachliche Autorilăt des Vorgesetzten und ein Vertrauensverhăltnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitem. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfiillt sind, bleibt jedes Fiihrungshandeln erfolglos.

5.2.1.2. ZieI nud transaktiouskostentheoretische Wiirdigung individualisierter Fiihruug Ziei der lndividualisierung von Fuhrung ist der Verzicht auf Schematisierung des Vorgesetztenverhaltens. Angestrebt wird ein differenziertes Fiihrungsverhalten des Vorgesetzten gegeniiber jedem Mitarbeiter sowie die Befriedigung individueller Bediirfnisse unter Beachtung von Werth~tungen bei Mitarbeitem wie Vorgesetzten. Dadurch sollen als FUhrungserfolg Arbeitsleistungen und Verbleiben gefordert und Arbeitszufriedenheit ausgelost werden. Da Fiihrung nicht mit Entscheidung gleichgesetzt wird, sondem sie ergănzt, muss als Prămisse eingefiihrt werden, dass der Vorgesetzte ebenso wie der Mitarbeiter iiber facWiche Eignung und damit fachliche Autorităt verfiigt. Wăhrend Eignungsdefizite bei Vorgesetzten den Fiihrungserfolg grundsătzlich in Frage stellen, konnen Eignungsdefizite bei Mitarbeitem hăufig durch Fiihrung und Schulung innerhalb der Lemflihigkeitsgrenzen ausgeglichen werden. Femer ist zu beachten, dass die Individualisierung der Fiihrung mit steigenden Leilungsspannen erschwert wird und umgekehrt. Dnter Leitungsspanne versteht man die Zahl der Mitarbeiter, die einem Vorgesetzten direkt unterstellt sind.

538 Eine transaktionskostentheoretische Wilrdigung individualisierter Filhrung ist schwierig, weil kaum erfahrungsgestotzt. Mehr als plausible, letztlichjedoch spekulative Uberlegungen sind nicht moglich. Die gesamte Erhebung der individuellen Fiihrungssituation je Mitarbeiter und die sich anschlieBende Auswahl von geeignetem Leitbild und passenden Fiihrungsinstrumenten IOst hohe Transaktionskosten der Vorbereitung und Planung aus. Wenn dann allerdings das je Mitarbeiter passende Fiihrungskonzept festgelegt ist, sind die Transaktionskosten der Kontrol/e durch laufende Beobachtung sowie der Fehlsteuerung bei fehlerhaftem Konzept fUr die Leitbilder "Autonomie" und "Interaktion" eher als niedrig, fUr das Leitbild "Abhăn­ gigkeit" eher als hoch zu vermuten. Transaktionskosten der Anpassung konnen nur anfallen, wenn sich einzelne Elemente der individuellen Fiihrungssituation ăndem. Dies konnte in dem ohnehin mit jedem Mitarbeiter zu fiihrenden Gesprach miterhoben werden. Wegen der fehlenden Zurechenbarkeit der Gesprăchskosten auf diese Transaktion kann man deren Transaktionskosten mit Null ansetzen. Abwicklungskosten durch den Einsatz der Fiihrungsinstrumente konnen bei Geltung der Leitbilder "Autonomie" und "Interaktion" als eher gering, fur das Leitbild "Abhăngigkeit" dagegen eher als hoch angenommen werden. Insgesamt hăngt die Hăhe der Transaktionskosten individualisierter Fiihrung also sehr stark von der Wahl des Leitbilds und der Hăufigkeit seiner Verteilung in der Leitungsspanne einzelner Fiihrungskrăfte ab.

5.2.1.3. Problematik individualisierter Fiihrung Die Problematik einer lndividualisierung der Filhrung wurzelt in drei miteinander verbundenen Effekten und hat Einfluss auf die Konzeption der Individualisierung: (1) (2) (3)

Individualisierung kann bei Verzicht auf oder Vemachlăssigung von Fiihrungserfolg selbst werthaltig werden. Individualisierung der Fiihrung verstOBt gegen den werthaltigen Grundsatz der Gleichbehandlung von Mitarbeitem unter gleichen Bedingungen. Bediirfnisbefriedigung gemăB individuellen Anspruchsniveaus der Mitarbeiter kann gegen Angemessenheitsvorstellungen der Vorgesetzten verstoBen.

Diese Problematik soll nun diskutiert werden. Die Kontrolle des Fiihrungserfolgs mit positiven Auswirkungen auf Arbeitsleistungen, Verbleib und Arbeitszufriedenheit ist zwar sinnvoll, wirft jedoch ein schwer zu IOsendes Problem auf: Die genannten positiven. Wirkungen miissen nicht alleine auf individualisierte Fiihrung zu-

539 riickfiihrbar sein. Sie konnen auch von Elementen der Arbeitssituation oder von der Vergiitung mitbeeinflusst werden. Wird Individualisierung zurweit verbreiteten und akzeptierten Werthaltung so wie etwa das Prinzip demokratischer Entscheidungsfindung durch Mehrheitsentscheidungen, so wirft die Umsetzung von individualisierter Fiihrung keine grundsătzlichen Probleme auf. Wird diese Werthaltung aber nur von einigen Vorgesetzten oder Mitarbeitem geteilt, so sind Widerstănde gegen eine Individualisierung der Fiihrung unvermeidbar. Individualisierung der Fiihrung fiihrt zur individuellen Bedilifnisbefriedigung und Respektierung von Werten. Bei individuell verschieden hohen Anspruchsniveaus folgt daher als Ergebnis die unterschiedliche Belohnung fiir erwiinschtes Verhalten oder angestrebte Leistungen selbst dann, wenn diese gleich sind. Gleiche Belohnung fiir gleiche Leistungen und Verhaltensweisen vemachlăssigt dagegen unterschiedliche Anspruchsniveaus der individuellen Bedilifnisse. Gleichbehandlung ausschlieBlich durch Anerkennung individueller Bedilifnisse bei allen Mitarbeitem lost das Problem des Zielwiderspruchs zwischen Individualisierung und Gleichbehandlung nur dann' wenn das Belohnungssystem intransparent ist, keine Vorschriften zur Gleichbehandlung aufgrund von Tarifvertrăgen bestehen und die Theorien des sozialen Vergleichs (s. Teil III, 2.3.2.) somit au6er Kraft gesetzt werden. Die lndividua/isierung der Fahrung ist daher nur begrenzt mog/ich. Dieses Schicksal diirfte sie mit der seit kurzem wieder diskutierten individua/isierten Organisation teilen (vgl. Ruppert 1995, insbes. 72-79). Uneingeschrănkte

Die Begrenzung der lndividua/isierung wirft drei weitere Probleme auf: (4) Individualisierung der Fiihrung bei unterschiedlichen Mitarbeitem bedeutet fiir den Vorgesetzten, dass an seine Făhigkeiten zur Variation seines Fiihrungsverhaltens sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Wenn diese wegen begrenzter sozialer Făhigkeiten des Vorgesetzten nicht erfiillt werden, sinkt der Fiihrungserfolg. Die Notwendigkeit der direkten Fiihrung einzelner Mitarbeiter ist umso weniger zu erwarten, je hOher die Qualifikation des Personals und je autonomer die Erledigung der Stellenaufgaben sind. Indirekte Fiihrung besteht dann nur noch in der Zuweisung von Autonomie. (5) Individualisierung der Fiihrung wirft das Problem auf, wie weit sich der Vorgesetzte auf Wiinsche, Vorstellungen und Bedilifnisse des Mitarbeiters einlassen darf, ohne selbst vom Mitarbeiter gefiihrt zu werden. Diese Grenze Iăsst sich nur vage ziehen: Die Rollenerwartung des Vorgesetzten zum Verhalten der Mitarbeiter muss mit deren tatsăchlichem Verhalten im Einklang stehen. Femer

540 miissen Rollenerwartung und Selbstdeutung der Rolle bei dem einzelnen Mitarbeiter vollig oder weitgehend iibereinstimmen. (6) Auch bei Individualisierung der Fiihrung ist eine situative Differenzierung des Fiihrungsverhaltens erforderlich: Zeitdruck, Aufgabenstruktur und -schwierigkeit, Mitarbeiterquali:fikation, Alter und Geschlecht beeinflussen die Verhaltenserwartungen der Mitarbeiter gegeniiber ihren Vorgesetzten. Insgesamt begrenzen die Probleme einer Individualisierung von Fiihrung deren Ausbau und Einsatz erheblich. Sie beschneiden als Anforderungen das methodische Konzept individualisierter Fiihrung (s. Teil III, 5.2.2.) ebenso wie deren Wirkungen. Man darf davon ausgehen, dass die Moglichkeiten der Individualisierung von Fiihrung mit der QuaIifikation von Vorgesetzten und Mitarbeitem zunehmen - und umgekehrt. Gerade bei geringer qualifiziertem Personal besteht allerdings die Gefahr der Verfestigung und Verallgemeinerung von negativen Menschenbildem in den Kopfen der Vorgesetzten (s. Teil III, 3.2.1.). Da diese Menschenbilder den Blick auf konkrete Motive einzelner Mitarbeiter verstellen, sind sie als Ankniipfungspunkte :fur individualisiertes motivierendes Handeln problematisch.

5.2.2. Ein methodischer Ansatz zur Individualisierung von Fiihrung 5.2.2.1. Vorgehensweise Ein methodischer Ansatz zur Individualisierung von Fiihrung kann sich an den Uberlegungen zur Konstruktion einer Fiihrungskonzeption orientieren (s. Teil III, 4.2.5.). Er kann femer auf das Theoriemodell eines personenorientierten Fiihrungsprozesses zurUckgreifen, das als letzter Ansatz des Kapitels III, 3.4. in Abschnitt III, 3.4.8. vorgestellt worden ist. Er beginnt in einem ersten Schritt mit der Erhebung der Fuhrungssituation je Mitarbeiter, au:; dessen eigener Sicht sowie aus der Sicht des Vorgesetzten. Die Fiihrungssituation besteht aus Aufgaben- bzw. Problemstruktur, Bediirfnissen, Motiven, QuaIifikation und Werthaltungen des Mitarbeiters sowie Werthaltungen des Vorgesetzten. Zur Fiihrungssituation gehOren femer fachliche Autorităt und soziale Făhigkeiten des Vorgesetzten, die z. B. durch Leistungsbeurteilung oder Assessment-Center-Technik ermittelt werden konnen (s. Teil 1, 5.4.2.6., 5.4.2.8.). Der zweite Schritt besteht in der plausiblen Zuordnung eines Leitbilds der Fahrung au! die Fahrungssituation. Der dritte Schritt besteht in der Zuordnung von Fahrungsverhalten und organisatorischen sowie personalen Fahrungsinstrumenten auf das gewahlte Leitbild der Fahrung. Im vierten Schritt miisste die Wirkung von Fahrungsverhalten und -instrumenten auf den einzelnen Mitarbeiter abgeschătzt

541 werden, indem erwiinschtes mit praktiziertem Verhalten verglichen wird. DerftJnfte Schritt sieht bei Verhaltensabweichungen Variatianen van Filhrungsverhalten und -instrumenten nach dem Versuchs-1rrtums-Prinzip vor. Der fiinfte Schritt musste theoretisch - so Iange wiederhoit werden, bis Ist- und Soll-Verhalten ubereinstimmen. Als Orientierungshilfe filr eine individualisierte FUhrung kann das Regelkreismodell verwendet werden. Abb. III. l3. gibt den schematischen Abiauf des Fuhrungsprozesses bei kurzfristiger Betrachtung wieder und veranschaulicht das Regelkreismodell.

Ennittlung der FOhrungssituation

Zuordnung von FOhrungsverhalten und -instrumentenje Mitarbeiter Verhaltensvergleich je Mitarbeiter

Abweichung

Vorgesetzter als Regler

r-I

Ist-Verhalten als ZustandsgroBe x

Abb.

Soll-Verhalten als FOhrungsgroBew

perzipierte FOhrungssituation FS v F-Verhalten FV 1-- Anreiz rur VerhaltensIinderung des MitarF-Instrumente FI beiters durch FOhrungsY = f(w, x, FSv' FSM' FV, FI) verhalten FV und -instrumente FI als StellgroBe Y perzipierte FOhrungssituation FS M ~ Mltarbelter als Regelstrecke

m. 13. Der kurzfristige Abiauf des Prozesses tind das Regelkreismodell der individualisierten Ftihrung

542

5.2.2.2. Fiihrungssituation Erster Schritt ist die Ermittlung der Filhrungssituation. Mittel- bis Iăngerfristig ist eine Verănderung der Fillmmgssituation moglich, so dass Verhaltensabweichungen zu einer emeuten Analyse auch der Fillmmgssituation veranlassen miissen. Erweitert man den Begriff der Fuhrungssituation um organisatorische Merkmale der Arbeitssituation, so besteht 'die Erhebung der Fillmmgssituation als erster Schritt des Konzepts aus einer Folge von Teilschritten. Erster Teilschritt ist die Ermittlung individueller Bedilrjhisse und Werthaltungen im Mitarbeitergesprach (s. Teil 1, 5.4.2.7.). Andere Erhebungsinstrumente wie z. B. die Mitarbeiterbefragung vemachlassigen die Individualitat des Mitarbeiters. In diesem Gesprach muss der Vorgesetzte den Mitarbeiter zwar nicht als gleichrangigen, wohl aber als gleichwertigen Menschen akzeptieren. Andemfalls ist kaum mit der Artikulation wahrer Motive, Bediirfnisse und Werte zu rechnen. AuBerdem muss der Vorgesetzte deutlich machen, welches Leistungsangebot er als Gegenleistung :fiir die Befriedigung von Mitarbeiterbediirfnissen erwartet und iiber welche Moglichkeiten der Bediirfnisbefriedigung er grundsatzlich verfiigt. Als denkbares Ergebnis des Mitarbeitergesprachs konnte etwa das Bediirfnis nach mehr Verantwortung oder dasjenige nach Aufstieg und Karriere oder nach sozialisierter Machtausiibung oder nach hOherem Einkommen gefunden werden. Die Aufdeckung von berujlich relevanten Werthaltungen ist ebenso denkbar. Wegen seiner individuellen Ermittlung und Berilcksichtigung von Werthaltungen unterscheidet sich das Konzept der individualisierten Fillmmg von dem in den ŞOer Jahren bei der BMW AG entwickelten Konzept einer werteorientierten Personalpolitik (vgl. Bihl 1987a; 1987b), das :fiir einige Zeit grofie Beachtung in Theorie und Praxis gefunden hat. Das BMWKonzept sah Mitarbeiterbefragungen vor und berucksichtigte dann die erhobenen Werthaltungen nach der Haufigkeit ihres Auftretens.

Man kann davon ausgehen, dass sich die Werte der Mitarbeiter nicht laufend verăn­ dem, so dass eine gelegentliche Uberpriifung zuruckliegender Gesprachsergebnisse im Mitarbeitergesprach geniigt. Bedurjhisanderungen miissen dagegen regelmăBig abgefragt werden. Femer darf sich die Erhebung von Werten und Bediirfnissen nicht auf die Mitarbeiter der untersten Hierarchiestufe beschrănken, sondem muss alle Mitarbeiter einschlieBlich der Fillmmgskrafte umfassen. Jeder Vorgesetzte muss die ibm unterstellten Personen im Mitarbeitergesprach nach Werten und Bediirfnissen befragen. Er muss aber ebenso die von ibm selbst akzeptierten, offiziellen Werthaltungen offen legen.

543 Zweiter Teilschritt ist die Ermittlung der Ftihigkeitspotentiale von Mitarbeitern und Vorgesetzten. Sie sollte nonnalerweise bereits bei der Auswahl von Bewerbern zur Stellenbesetzung (s. Teil II, 5.4.1.3.) sowie von Kandidaten der Personalentwicklung (s. Teil II, 6.3.4.1.) unter Einsatz z. B. der Assessment-Center-Technik (s. Teil 1, 5.4.2.8.) geschehen sein. Sie miisste andemfalls nachgeholt werden. Eine Kontrolle der Potentialnutzung durch eine Leistungsbeurteilung (s. Teil 1, 5.4.2.6.) sollte die Potentialermittlung ergănzen. Bei Vorgesetzten konzentriert sich diese Ermittlung auf fachliche Autoritat und soziale Fahigkeiten. Erst wenn Fahigkeitspotentiale der Mitarbeiter bekannt sind, konnen individuelle Entwicklungsziele und EntwicklungsmaBnahmen als Fiihrungsinstrumente in Erwagung gezogen werden (s. Teil III, 4.5.3.). Je geringer Fahigkeitspotentiale ausgepragt und ausbaubar sind, umso weniger konnen organisatorische Fiihrungsinstrumente (s. Teil III, 4.5.2.) wie Stellenbildung mit weitgehender Handlungsautonomie oder Einsatz von Management-by-Techniken eingesetzt werden. Anweisung und Kontrolle mit Elementen autoritarer Fiihrung (s. Teil III, 4.3.1.) werden eher bescheidenen Fahigkeiten der Mitarbeiter gerecht. Dritter Teilschritt ist die Ermittlung der organisatorischen Randbedingungen. Sie hat Problemstellung und -lOsungsmoglichkeiten mit Aufgabenart, Anforderungen, Arbeitsprozessen sowie Zeitrestriktionen zum Gegenstand. Sie dient einerseits der Aktualisierung und Prazisierung von Stellenbeschreibungen und ist andererseits Grundlage fiir die Vereinbarung von Zielen mit dem einzelnen Mitarbeiter, falls Management-by-Techniken eingesetzt werden sollen. Mit komplexen und vor allem innovativen Aufgaben oder Arbeitsprozessen sind partizipative, mehr noch kollegiale Fonnen der Entscheidungsfindung und im Grenzfall Selbstorganisation und Autonomie plausibler vereinbar als autoritare Fiihrung. Zeitdruck erfordert in der Regel straffere Fiihrung als ausreichende Zeit. Allerdings kann diese Zuordnung nur im Einklang mit den passenden Werten - und damit auch Leitbildern - erfolgen.

5.2.2.3. Fiihrungsleitbild Zweiter Schritt ist die Auswahl des Leitbilds der Fuhrung. Diese Wahl muss abhangig von denjenigen Wertengetroffen werden, die Vorgesetzter und einzelner Mitarbeiter gemeinsam teilen und die kompatibel mit den Zielen der Unternehmung sowie

ihrer Kultur sind. Wenn diese Schnittmenge der Werte klein ist, miissten die Werthaltungen der Mitarbeiter den Ausschlag geben. Bine solche Wahl konnte dazu fuhren, dass der Vorgesetzte einzelne Mitarbeiter gegen seine eigenen Werthaltungen fuhren miisste - ein fast unlosbares Problem. Fiihrt der Vorgesetzte dagegen gemiill

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seinen eigenen Werthaltungen gegen diejenigen eines Mitarbeiters, so sorgt er fUr die Erhtihung des Kiindigungsrisikos. Daher muss bereits bei der Einstellung von Personal auf moglichst weitgehende Kompatibilitat der Werthaltungen von Bewerbem und zukiinftigen Vorgesetzten geachtet werden. Mit dem Leitbild der Abht'ingigkeit sind geringe Qualifikation bei den Mitarbeitem sowie "schwaches Leistungsstreben" und "Bequemlichkeit" als Werte kompatibel. Hohe Qualifikation bei Vorgesetztem und Mitarbeiter sowie die Werte "Selbstiindigkeit" und "Unabhăngigkeit" sind mit dem Leitbild A utonomie got vereinbar. Zum Leitbild lnteraktion passen hohe Qualifikation sowie als Werte "Kommunikation", "soziale Kontakte". Das Leitbild mussje Person zugeordnet werden. Der Vorgesetzte hat dann nur noch eine Hăufigkeitsverteilung des Leitbilds in seiner Leitungsspanne vorzunehmen. Er kann femer bei schiefer Verteilung der Leitbilder versuchen, bei seinen Mitarbeitem in der Leitungsspanne mit transaktionskostenminimalem Leitbild ("Abhăngigkeit") durch Personalentwicklung auf eine positive Verănderung von Qualifikationen und Werthaltungen hinzuwirken.

5.2.2.4. Fiihrungsverhalten und -instrumente Dritter Schritt ist die Auswahl von Fuhrungsverhalten und -instrumenten in Abht'ingigkeit von dem gewt'ihlten Leitbild der Fuhrung. Dieser dritte Schritt des Konzepts kann mangels theoretisch eindeutig begriindbarer Zuordnungen zunăchst nur Plausibilitatsuberlegungen und dem Versuchs~Irrtums-Prinzip folgen. Alternativen des Fuhrungsverhaltens werden bestimmt durch Art und Umfang des Einbezugs von Mitarbeitern in Entscheidungsprozesse, die Offenheit der Kommunikation, Art und Umfang der Kontrolle, die Festlegung der Verhaltenserwartungen, Hilfeleistungen, die Nutzung von Symbolen sowie die Betonung von Rang und Statusunterschieden. Dem Leitbild der "Autonomie" sowie demjenigen der "Interaktion" bei Individualisierung von Fiihrung wtirde entsprechen, wenn die Auswahl und Kombination der Ausprăgungen einzelner Verhaltensaltemativen und damit der Fuhrungsprozess selbst zum Gegenstand des Mitarbeitergesprăchs gemacht werden. Dies erhtiht die Plausibilitat der Zuordnung von Fiihrungsverhalten auf das Leitbild und die Fiihrungssituation, mindestens aber die Akzeptanz des Fiihrungsverhaltens durch den Mitarbeiter. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Entscheidungsdelegation, Offenheit der Kommunikation, Selbstkontrolle und Vemachlăssigung von

545 Statusunterschieden als Ausprtigungen von Fuhrungsverhalten fachliche Autorităt und Kompetenz zur Problemlosung bei Vorgesetztem und jedem einzelnen Mitarbeiter voraussetzen. Die Festlegung der Verhaltenserwartungen des Vorgesetzten gegentiber seinem Mitarbeiter wird von Leitbild und Fiihrungssituation beeinflusst. Gut strukturierte, routinehafte Problemstellungen und Aufgaben erlauben prazisere Verhaltenserwartungen, als dies bei innovativen, schlecht strukturierten Problemstellungen moglich, ist.Hilfeleistung des Vorgesetzten fUr den Mitarbeiter ist bei schlecht strukturierten Problemen daher geeigneteres Fiihrungsverhalten als die Festlegung von Verhaltenserwartungen. Fuhrungsinstrumente untersttitzen bei geeigneter Auswahl das Fiihrungsverhalten des Vorgesetzten. Personale Instrumente bieten direkte Anreize, wăhrend organisatorische Instrumente indirekte Anreize durch Gestaltung organisatorischer Bedingungen wirksam werden lassen. Wie schon bei der allgemeinen Behandlung von Fiihrungskonzeptionen (s. Teil III, 4.5.) kOnnen organisatorische und personale Fiihrungsinstrumente gemiill den beiden Fiihrungsdimensionen "organisatorisch-sachorientiert" und "personalorientiert" (s. Teil III, 3.1.) zugeordnet werden.

Die Auswahl von personalen Fuhrungsinstrumenten, insbesondere von Anreizen, richtet sich nach den vom Mitarbeiter geăufierten Bediirfnissen und kann bei individualisierter Fiihrung mit dem Cajeteria-Prinzip kombiniert werden (s. Teil 1, 6.3.6.4.; Teil III, 4.5.3.2.; Teil III, 6.5.1.): Bei Anwendung des Cafeteria-Prinzips wird die Wăhlbarkeit von Belohnungen eingeschrănkt. Dies geschieht entweder durch Begrenzung ihrer Zahlungswirkungen oder durch Begrenzung bestimmter Belohnungen auf bestimmte Gruppen von Mitarbeitem. Der Einsatz materieller Anreize muss davon abhăngig gemacht werden, ob diese mit Bediirfnissen des einzelnen Mitarbeiters korrespondieren, Săttigungsniveaus noch nicht erreicht haben und Anspruchsniveaus tiberschreiten. Personalentwicklung kann als Fiihrungsinstrument dann eingesetzt werden, wenn bei Existenz von Făhigkeitspotentialen die Personalentwicklung zu Aufstieg, zu interessanteren Aufgaben und zu mehr Macht fiihrt. Dann konnen Macht- und Identitătsbediirfnisse befriedigt werden. Der Vorgesetzte kann durch gemeinsamen Entwurf von Entwicklungsplănen zusammen mit jedem seiner Mitarbeiter (s. Teil II, 6.3.4.) versuchen, dessen Verhalten zu beeinflussen. Organisatorische Fuhrungsinstrumente, die mit den zuvor referierten Werten der Teamarbeit, der eigenen Meinung, der Offenheit und Vertrăglichkeit (vgl. Schmidtchen 1984,60-61) als auch dem Machtmotiv und dem Motiv des Leistungsstrebens

546 von McClelIand (vgl. 1978; 1987) und dem Identitătsmotiv von Millier (vgl. 1981, 112, 139) im Eink1ang stehen, konnen mehrfach difjerenziert werden. Bereits bei der Stellenbi/dung konnen Freirăume fUr selbstăndiges Entscheiden und Handeln durchAutonomie, durch partielle Entscheidungsdelegation oder durch Partizipation geschaffen werden, wobei sich allerdings Autonomie und Partizipation gegenseitig begrenzen. Autonomie und Partizipation finden ihre Grenzen in den Făhigkeiten des Mitarbeiters: Je hOher dessen Qualifikation ist, umso weitgehender konnen Autonomie und Partizipation eingerăumt werden - und umgekehrt. Partizipation und mehr noch Autonomie erfordem bei Arbeitsteilung Koordination. Ob diese den Paradigmen der Steuerung, Regelung oder Selbstabstimmung folgen kann (vgl. Drumm 1990a), hăngt von der Komplexităt und Novităt der Aufgaben ab. Steuerung verlangt gut strukturierte Aufgaben. Regelung ist bei stochastischer Aufgabenzusammensetzung und relativ konstanten Zielen wăhlbar. Selbstabstimmung ist mit schlecht strukturierten Aufgaben bei schwachen Interdependenzen zwischen einzelnen Mitarbeitem vereinbar. DieArbeitsstrukturierung kann zusammen mit der StelIenbildung ganzheitliche, interessante Arbeitsinhalte abgrenzen (s. Teil 1, 5.5.2.5.; Teil II, 2.2.5.2.3.), wie dies die Konzepte des job enlargement und job enrichment sowie der teilautonomen Arbeitsgruppe angestrebt haben (vgl. Ulich 1980; Emeryrrhorsrudlfrist 1969). Ganzheitliche, interessante Arbeitsinhalte erweitem das Anforderungsspektrum der Stelle, wăhrend Mehrstellenarbeit das Qualiflkationsspektrum bis hin zur Mehrfachqualifikation erweitert. Personale StelIenbildung gemăfi den Wiinschen und Făhig­ keiten des 'Stelleninhabers erleichtert die Intemalisierung von Motivation zur Aufgabenerfiillung. Man konnte auch von einer Individualisierung der Mikrostruktur von Organisationen sprechen. Bei der Stellenbesetzung konnen Defizite oder Uberschiisse von Eignung auftreten (s. Teil II, 5.5.). Eignungsdefizite erfordem zu deren Abbau individuelle Lemprozesse, bei denen der Vorgesetzte helfen kann und solI. Diese Hilfe ist als individuelle Flihrung zu sehen. Bei erfolgreichem Lemen konnen positive motivationale Effekte erwartet werden. Bei Eignungsiiberschiissen ist Fiihrung durch Aufwertung der Aufgaben und Ubertragung von Sonderaufgaben etwa im Rahmen des Projektmanagements der Matrixorganisation denkbar. Gelingt dies nicht, so sind eher negative motivationale EfIekte zu erwarten. Das organisatorische Fiihrungsinstrument der Zielvereinbarung kann als Variante des Management-by-Objectives gewăhlt werden (s. Teil III, 4.5.2.). Es wirkt aber

547 nur dann motivierend, wenn Vorgesetzter und Mitarbeiter ein oder mehrere Ziele gemeinsam festgelegt haben, Ressourcen fur die Verfolgung von Zielen zur Verfiigung stehen, der Mitarbeiter eine begrenzte Freiheit in der Wahl der Mittel zur Zielverfolgung hat, der Erfolg von ihm beeinf1ussbar ist und gemiill seinen Anstrengungen belohnt wird.

Andere Werthaltungen und Bedurfnisse als hier unterstellt machen den Einsatz anderer FUhrungsinstrumente und -verhaltensweisen plausibel. Hier liegt die grOBte Schwierigkeit bei einer lndividualisierung der Fuhrung: Je differenzierter die FOhrungssituation ist, umso groBer wird die Gefahr der Uberforderung des Vorgesetzten. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, kann die Vereinheitlichung, mindestens aber die Gruppierung von Werthaltungen und Bedtirfnissen durch Entwick1ung und Forderung einer bestimmten Untemehmungs- oder Organisationskultur angestrebt werden. Daraufwird ZUIiickzukommen sein (s. Teil III, 5.2.4.).

5.2.2.5. Verhaltenswirkungen

Vierter und fanfter Schritt sind die Abschatzung der situativen Wirkungen von Fuhrungsverhalten und Fuhrungsinstrumenten au! das Mitarbeiterverhalten sowie der Verhaltensvergleich und die Korrektur der FUhrung. Der Vergleich von Soll- und Ist-Verhalten des Mitarbeiters wird am besten im Rahmen eines Mitarbeitergesprăchs durchgefiihrt. In diesem Gesprnch wăre zu k1ăren, ob Verhaltensabweichungen aufFehlwirkungen von FUhrungsverhalten des Vorgesetzten und derFUhrungsinstrumente ZUIiickzufiihren sind oder ob andere Abweichungsursachen in Frage kommen. Vom Ergebnis der Analyse von Abweichungsursachen hăngt ab, ob in Absprache mit dem Mitarbeiter nach dem Versuchs-Irrtums-Prinzip FUhrungsvt;rhalten und FUhrungsinstrumente modifiZiert werden, und in welcher Weise dies geschehen soli. Die Modifikation der FUhrung gemiill dem Regelkreisparadigma baut somit von Anfang an auf Einverstăndnis und Mitwirkung des Mitarbeiters auf. Sie ist zugleich Ausdruck dafiir, dass Lemprozesse des Vorgesetzten und seiner Mitarbeiter eines der tragenden Elemente individualisierter FOhrung sind. Da FUhrung ein permanenter Prozess ist, miissen Verhaltensvergleich und Korrektur der FUhrung laufend oder in kurzen Abstănden erfolgen und sollten auch mit dem Mitarbeiter besprochen werden. Die Uberpriifung der Ftihrungssituation sollte bei sichtbaren groBeren Problem- und Aufgabenănderungen oder aus Anlass einer Personalentwick1ungsplanung (s. Teil II, 6.3.3.) im Rahmen des Mitarbeitergesprăchs

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erfolgen. FUhrungserfolg individualisierter FOhrung kann an fiihrungsbedingten Verhaltensabweichungen bei den Mitarbeitem abgelesen werden. Das bier skizzierte Konzept individualisierter FOhrung ist weder volIstăndig noch umfassend erprobt. Seine Hauptfunktion besteht darin, die Aufmerksamkeit von literaturkonfonnen Einheitsrezepten der gleichen FOhrung aller Mitarbeiter abzulenken und den einzelnen Mitarbeiter in den Mittelpunkt der Uberlegungen zu stellen. Dass dieses Konzept seinerseits zumindest teilweise auf einem Werturteil beruht, solI nicht verschwiegen werden: IndividualiUit wird KonformiUit vorgezogen. Punktuelle Beobachtung in einzelnen Untemehmungen veranlassen jedoch zu der Vennutung, dass individualisierte FOhrung vor alIem bei jiingeren Mitarbeitem auf grofie Akzeptanz stofit und bessere FOhrungserfolge als andere FOhrungskonzeptionen auslost. Dass das Konzept Transaktionskostenvorteile nur in Abhlingigkeit vom vorherrschenden Leitbild bietet, ist zuvor bereits deutlich gemacht worden.

5.2.3. Differenzieruog der Fiihruog oach Alter uod Geschlecht Eine situative Differenzierung der FOhrung nach Alter und Geschlecht wăre Bestandteil einer Individualisierung der FOhrung. Sie wird in der FOhrungsliteratur, soweit erkennbar, bisher nicht vorgenommen. Lediglich Albach und Gabelin (vgl. 1977, 317-326) streiften das Altersproblem. Uberlegungen zur Differenzierung der Fiihrung bei ălteren Mitarbeitem konnen an altersbedingten, individuellen Veranderungen der Fâhigkeiten ankniipfen: Geistige und besonders physische Leistungsfabigkeit sowie die Anpassungsfiihigkeit des alten Menschen lassen nach, wăhrend intemalisierte Motivation und Verantwortungsbewusstsein zunehmen - beides mit erheblichen individuellen Unterscbieden. Auch die Werthaltungen ălterer Menschen konnen sich erfahrungs- und erziehungsbedingt erheblich von denjenigen jiingerer Menschen unterscheiden. Bei individualisierter Fiihrung kommt es darauf an, welche altersbedingten Făhig­ keits- und Werthaltungsănderongen im Einzelfall auftreten. Lassen physische Fâhigkeiten oder Konzentrationsfabigkeit als Kombination geistig-seelischer Fâhigkeiten nach, so kann Fiihrung mit der Anpassung der Stellenaufgaben und deren Anforderungen an die Fâhigkeiten des altemden Menschen beginnen. Sind gleichzeitig Motivation und Verantwortungsbewusstsein gestiegen und geistige Fâhigkeiten noch nicht abgesunken, so kann FOhrung durch Ausweitung des Autonomiebereichs bei Aufgaben und Aufgabenerfiillung fortgesetzt werden. Diese Bedingungen sind nicht

549 verallgemeinerbar. Sie sind lediglich ein Beispiel dafiir, womit der Vorgesetzte rechnen muss, um individuell fiihren zu konnen. Verselbstii.ndigung als Ansatz der Fiihrung gilt fUr den alten Menschen umso mehr, je weniger seine im Vergleich zu jungen Menschen reicheren Erfahrungen veraltet und nicht mehr nutzbar sind. Selbstii.ndige Nutzung von Spezialkenntnissen des ălteren Menschen in der Fonn von Projekten mit organisatorischer Einbindung nach dem Matrix-Muster (vgl. Drumm 1980) sind daher ein weiterer Ansatzpunkt zur Individualisierung der Fiihrung ălterer Menschen. Grofie Probleme der Fiihrung entstehen, wenn einAbbau sozialer Făhigkeiten ă/te­ rer Mitarbeiter auftritt. Hier solIte die Fiihrung des Vorgesetzten eher auf die ErhOhung der Toleranz jtingerer Mitarbeiter hinwirken, die mit ălteren, in ihren sozialen Fahigkeiten reduzierten Mitarbeitem zusammenarbeiten miissen. Dies istjedoch nur begrenzt moglich. Das Ende der Fiihrungsfahigkeit oder der Fiihrbarkeit ălterer Mitarbeiter ist dann Anlass zur Flexibilisierung ihrer Lebensarbeitszeit (s. Teil 1, 6.4.2.). Eine ăltere Fallstudie zur Filhrung weiblicher Mitarbeiter (vgl. Ivenz 1984) mit mehreren Vergleichsgruppen mănnlicher und weiblicher Mitarbeiter hat erstmals einige Ansatzpunkte dazu ergeben, dass eine Differenzierung des Fiihrungsverhaltens auch nach dem Geschlecht der Mitarbeiter angezeigt ist. Offensichtlich sind bereits die Gewichte der Bediirfnisse unterschiedlich: In der Stichprobe hatten Frauen geringeres Interesse an Aufstieg und Arbeitsinhalten als Mănner, stattdessen aber grofieres Interesse an einem guten Verhăltnis zu ihren Mitarbeiterinnen, als dies in der Vergleichsgruppe der Mănner der FalI war. Femer konnte bei Frauen ein stărker ausgeprăgter Individualismus als bei Mănnem beobachtet werden - ein Argument fUr die Individualisierung der Fiihrung, die von Frauen auch stărker als von Mănnem wahrgenommen wird. Klare Anweisungen der Vorgesetzten werden von Frauen stărker als von Mănnem gewtinscht und befolgt. Allerdings wird der Kontakt mit dem Vorgesetzten von Frauen stărker als von Mănnem zur Riickkopplung gesucht. Damit steht im Einklang, dass partizipative Fonnen der Fiihrung von Frauen stărker als von Mănnem bevorzugt werden. Misserfolge werden bei Frauen eher als personliche Katastrophe empfunden, der der Vorgesetzte relativierend begegnen sollte. Autorităre Fiihrung mit Befehlen wird von Frauen stărker als von Mănnem abgelehnt, Gleichbehandlung unter gleichen Bedingungen jedoch ebenso sehr wie von Mănnem gefordert. Auch die Reaktionen auf personale Fiihrungsinstrumente unterscheiden sich: Frauen sind

550 o:IIensichtlich stărker als Mănner durch Lob, Anerkennung und Ennutigung zur Leistung zu motivieren, weniger dagegen durch Geld. Mehr als heuristischen Wert haben diese Befunde nicht, zumal sie ausschlie6lich auf hierarchisch niedriger Ebene gewonnen Worden sind. FUr eine individualisierte Fiihrung von Frauen sind neuere Befunde von Wunderer und Dick (vgl. 1996,409-411) relevant: Karriereorientierung mit Aufstieg als Wert ist bei Frauen inzwischen hău:figer als bei Mănnem zu finden. Femer werden Frauen stărker als Mănnem die Făhigkeiten der Kooperation, sozialen Integration und Sensibilităt sowie Intuition zugebilligt. Diese Befunde deuten auf Folgen des Wertewandels hin und konnten als Argument fUr die Wahl des Fiihrungsleitbilds "Interaktion" herangezogen werden. Die Befunde zeigen aber auch, dass sich weibliche und mănnliche Fiihrungskrăfte inzwischen nur noch wenig voneinander unterscheiden. Die Behauptungen in der beratungsnahen Trivialliteratur zur Fiihrung durch Frauen, diese wiirden nicht nur anders, sondem auch besser fiihren (vgl. Loden 1988, 67-89; Helgesen 1998, 29-50), werden empirisch o:IIenbar nur schwach geStiitzt. Uber Anlasse und Ursachen geschlechtsspezifischer Fiihrungsunterschiede und damit zusătz­ liche Aspekte der Individualisierung von Fiihrung nachzudenken, erscheint nach allen diesen Befunden jedoch als sinnvoll.

5.2.4. Unternebmungskultur als Individualisierungsbilfe Es gibt keine Begri:lIskonvention zur Untemehmungs- oder Organisationskultur. Ebenso fehlen komplexe Theorien, die Zustandekommen und Wirkungen von Unternehmungskultur erklăren wiirden. Dies erschwert die Auseinandersetzung mit der Frage, ob und in welcher Weise Untemehmungskultur die Individualisierung der Fiihrung unterstiitzen kann. Unter den verschiedenen Begri:lIsabgrenzungen zeichnet sich diejenige von Schein (vgl. 1984, 3; 1986, 9) durcb besondere Klarheit und Moglichkeiten zur Operationalisierung aus. Schein versteht Untemehmungskultur als ein Muster von Werturteilen, Denkbaltungen und Verhaltensannahmen, das von fiihrenden Personen in der Untemehmung entwickelt worden ist, sich bewăhrt hat und deswegen auch allen neuen Mitgliedem einer Untemehmung anerzogen werden soll. Indikatoren fUr die Existenz einer bestimmten Untemehmungskultur sind besondere Ausprăgungen von Sprache, Ritualen, Verteilung und Ausubung von Macht, von Symbolen sowie von Vorstellungen, wie mit Kunden, Lieferanten und dem eigenen

551 Personal umzugehen ist. Fasst man diese Ausprngungen zu Mustem zusammen, so lassen sich diese Muster durchaus typologisch ordnen. Unter den Typologien ist diejenige von Deal und Kennedy mit der Unterscheidung von einer Kultur der tollen Burschen, einer Leistungs-, einer Spieler- und einer Verwaltungskultur sehr bekannt geworden (vgl. 1984, 107-127). Man konnte versucht sein, diesen Typen einjeweils passendes Wertemuster und Fiihrungsverhalten der Vorgesetzten zuzuordnen. Diese Zuordnung scheitert jedoch daran, dass kaum losbare Messprobleme bei der Bestimmung und Interpretation von Indikatoren sowie denjenigen Werthaltungen und Grundannahnien existieren, die den Indikatoren zugrunde liegen (vgl. Drumm 1991d). Sie scheitert femer daran, dass nichtjedem in einer Untemehmung akzeptierten Werturteil auch ein bestimmtes Fiihrungsverhalten eindeutig zuordenbar ist: Die Geltung des Leistungsprinzips als Wert ist ebenso gut mit autoritărer wie mit partizipativer oder kollegialer Fiihrung vereinbar. Ein anderer Weg fiihrt weiter: Der definitorische HiJiweis von Schein (vgl. 1986,9) sowie die Feststellungen von Deal und Kennedy (vgl. 1984, 141-155) verweisen auf die vorbildhafte underzieherische Funktion der Vorgesetzten. Deren Werthaltungen werden zunăchst durch Sozialisation, spater durch gemeinsame Erfahrungen etwa in Kămpfen gegen Konkurrenten der Untemehmung geformt. Die Werthaltungen werden umso mehr gefestigt, je langer die Mitarbeiter zusammenarbeiten. Die Ubertragung von Werten aufMitarbeiter geschieht in einem Erziehungs- und Sozialisationsprozess, in dem bestimmte Werthaltungen von Vorgesetzten vorgelebt und zur '0bemahme empfohlen werden. Dieser Erziehungsprozess wird vereinfacht, wenn bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitem diejenigen Bewerber bevorzugt werden, die die in der Untemehmung akzeptierten Werthaltungen und Grundannahmen be,; reits teilen. Dies wăre im Prozess der Bewerberauswahl zu leisten (s. Teil II, 5.4.1.). Als Ergebnis von einheitlicher Untemehmungskultur durch gezielte Rekrutierung von Mitarbeitem und Erziehung seitens aller Vorgesetzten wăre eine Verhaltensangleichung der Mitarbeiter zu erwarten. Die Idee vom erzieherisch wirkenden Vorgesetzten als Vorbild darf allerdings nicht fiberstrapaziert werden: Nicht jeder Vorgesetzte taugt trotz "richtiger" Werthaltungen zum Erzieher. Er kann au.6erdem immer nur innerhalb derjenigen Grenzen erziehen, die ihm seine Mitarbeiter durch ihre Bereitschaft setzen, dem Vorbild des Vorgesetzten zu folgen und sich erziehen zu lassen. Unternehmungskultur ist der werthaltige Hintergrund, vor dem sich .Fiihrungsverhalten der Vorgesetzten und individuelles Verhalten der Mitarbeiter entwickeln. Untemehmungskultur kann, muss aber nicht in jedem Einzelfall zu einer An-

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gleichung von Werthaltungen und Bediirfnissen beitragen. Die Vorstellung von einer Verbreitung erwiinschter Untemehmungskultur durch werthaltige Fiihrungsgrundsătze sowie die Einstellung von Fiihrungskrăften an der Untemehmungsspitze, die erwunschte Werthaltungen, Grundannahmen und Leitbilder bereits mitbringen und diese durch Vorleben und Erziehung ihren passend rekrutierten Mitarbeitem weitergeben, besticht zunăchst. Sie macht die Untersmtzung von Personalfiihrung durch Untemehmungskultur plausibel. Die Schwierigkeiten, Menschen mit verschiedenen Anlagen ohne Zwang zu gleichartigem Denken, Urteilen und Verhalten zu erziehen, zeigen jedoch den wahren Charakter dieser Vorstellung: Es ist ein Ideal des Zusammenarbeitens und -lebens in der Untemehmung. Dieses Ideal birgt allerdings auch eine Gefahr: Werden Mitarbeiter durch eine starke Untemehmungskultur vereinnahmt und vergemeinschaftet, so droht ihnen der Verlust, mindestens aber die Beschneidung ihrer Individualităt (Vgl. Krell 1994). Auf diese Gefahr wurde bereits bei der Behand1ung der Symbolischen Fahrung hingewiesen (s. Teil ID, 4.3.2.3.).

5.2.5. Vorzug und Grenzen der Individualisierung Individualisierung steht als werthaltiges Leitbild im Gegensatz zum einheitlichen Kollektiv. Wird Individualisierung als Leitbild akzeptiert, so zwingt dies auch zu individuelleren Losungen personalwirtschaftlicher Probleme. Das Cafeteria-Prinzip der Ent10hnung (s. Teil ID, 6.5.1.3.), Ansătze der Arbeitszeitflexibilisierung mit oder ohne Anwendung des Cafeteria-Prinzips (s. Teil 1,6.3.6.4.) sowie die Anwendung des Autonomieprinzips bei der Stellenbildung sind Beispiele fUr -zusătz1iche Individualisierungsversuche. Ein weiterer Ansatz der Individualisierung wăre die Ausgestaltung der Persona1entwick1ung (s. Teil 11,6.3.) gemiill den Wiinschen und Bediirfnissen der Entwick1ungsadressaten. Der Vorzug jeder Individualisierung wăre darin zu sehen, dass sie im Eink1ang mit zunehmend akzeptierten Werthaltungen steht und auf individuelle Bedingungen des Mitarbeiters wesentlich besser als jedes Einheitskonzept einzugehen vennag. Diesen Vorzug besitzt auch eine Individualisierung der Fiihrung. Die Grenzen der Individualisierung und Fahrung liegen vorallem in den beschrănk­ ten sozialen Făhigkeiten von Vorgesetzten, sich auf unterschied1ichste Mitarbeiter einzustellen. Sie liegen femer in der Verletzung des Gleichheitsprinzips mit Gleichbehand1ung von Mitarbeitem bei gleichen Bedingungen. Grenzen ergeben sich zusătzlich bei geringer Bereitschaft der Mitarbeiter, mit ihrem Vorgesetzten liber ihre

553 berufsbezogenen Werthaltungen und Bediirfuisse sowie liber die offenen Probleme seiner Fiihrung zu sprechen. Der Erhebungsaufwand zur Bestimmung der Fiihrungssituation ist hoch und lost hohe Transaktionskosten der Vorbereitung und Planung aus. Diese konnen nur bei Wăhlbarkeit des Leitbilds "Autonomie" in ihrer Gesamtsumme reduziert werden. Schliefilich stofit eine Individualisierung der Fuhrung auf diejenigen Grenzen, welche die Rechtsvorschriften zum Personlichkeitsschutz ziehen: Der Vorgesetzte darf sich allenfalls um berufsbezogene oder fahigkeitsfeldspezifische Bediirfnisse und Werthaltungen seiner Mitarbeiter kiimmem, nicht aber um deren Privatsphare. Vollstandige Individualisierung verhindert klare, einheitliche Fiihrung und behindert die Entwicklung einer einheitlichen Untemehmungskultur. Ein Optimum zwischen Individualisierung und Generalisierung der Fiihrung ware wiinschenswert, ist allerdings formal nicht bestimmbar. Die Konzeption der Individualisierung von Fiihrung ist offen und individuell ausfiillbar, ohne deswegen bereits beliebig zu sein. Sie versucht, die grobsten Llicken der Fiihrungstheorien zu liberbriicken und macht letzt1ich einen Vorschlag zu flexiblerer und zugleich personenorientierter Fiihrung des Personals, der liber die gangigen Fiihrungskonzeptionen (s. Teil III, 4.3.) und Fiihrungsgrundsătze (s. Teil III, 4.4.) hinausgeht. Insofem bietet diese Konzeption einen Rahmen fUr die Entwicklung von multikausalen Fiihrungstheorien auf systemtheoretischer Grundlage. Dieser Theorierahmen wiirde Vorgesetzten die Formulierung von Ad-hoc-Hypothesen zur Fiihrung einzelner Mitarbeiter in konkreten Fiihrungssituationen der Praxis erlauben.

5.3. Selbstfiihnmg Die Idee der Selbstfuhrung istjedem freiberuflich tătigen Menschen vertraut. Lediglich fUr Untemehmungen mit vielen Mitarbeitem und arbeitsteiliger Leistungserstellung klingt die Idee der Selbstfiihrung jedes Mitarbeiters ungewohnlich, obwohl sie unter anderen Namen wie z. B. Intrapreneurship (vgl. Pinchot 1985) oder neuerding!l "Selbst-GmbH" von verschiedenen Praktikem wie z. B. Heinz Fischer, Thomas Sattelberger oder Wemer Then ins Gesprăch gebracht worden ist (vgl. Fischer/Sattelbergerffhen 1999; o.v. 1999). Selbstfiihrung kaim in einen breiteren Rahmen eingeordnet werden, der seit langem und verstarkt in neuerer Zeit unter dem SchlagwortMitunternehmertum diskutiert wird (vgl. Wunderer 1999).

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Voraussetzungen der SelbstjUhrung sind intemalisierte Motivation und hohe Qualifikation der Mitarbeiter, Autonomie der Stellen, in denen diese Arbeiten, sowie das Recht zur Selbstorganisation und Selbstkoordination der eigenen Aufgaben und Aufgabenerfiillung. Diese Voraussetzungen gelten auch fUr eine Reihe von Ansătzen der Neuen Dezentralisation (vgl. Drumm 1996). Gegensttinde der SelbstjUhrung sind die eigenverantwort1iche Ausrichtung der individuellen Ziele eines Mitarbeiters auf die Untemehmungsziele, die selbstăndige Wahl der Mittel zur Verfolgung dieser Ziele, die selbstăndige Abstimmung der eigenen Aktionen mit denjenigen anderer betroffener Mitarbeiter sowie die geeignete Ausrichtung des eigenen sozialen wie auch des eigenen Leistungsverhaltens auf die Arbeitssituation und die vom sich selbst fiihrenden Mitarbeiter angestrebten Ziele.

Die Voraussetzungen der Selbstfiihrung sind heroisch, weshalb das Konzept in arbeitsteiligen Untemehmungen zu opportunistischem Verhalten ein1ădt - und somit betrăchtliche Transaktionskosten der Kontrolle und Fehlerkorrektur auslosen kann. Die Begrenzung dieser unerwiinschten Nebenwirkungen ist nur dann vorstellbar, wenn die Konstruktion eines Anreizsystems gelingt, das an den zurechenbaren, durch Selbstfiihrung gesteuerten Leistungen und Erfolgen einer Person ankniipfen kann. Die Probleme des Konzepts entstehen somit dann, wenn das sehr positive Menschenbild dieses Konzepts nicht mit der Wirklichkeit iibereinstimmt.

6.

Vergiitungssysteme

6.1. Uberblick Trotz aHer Normierungsversuche gibt es die absolut gerechte Vergiltung nicht, da sie nicht objektiv bestimmbar ist und sich auBerdem die werthaltigen VorstelIungen von Gerechtigkeit ăndem. Als relativ gerecht wird heute eine Vergiitung empfunden, die sich aus einer Leistungs- und einer Sozialkomponente zusammensetzt. Die Leistungskomponente solIte am Beitrag des Mitarbeiters zum Untemehmungserfolg, mindestens aber an Anforderungen einer Tătigkeit und personlichen Leistungen sowie gegebenenfalls personlichen Qualifikationen eines Mitarbeiters ankniipfen. Die Sozialkomponente solIte nach personlichen sozialen Merkmalen eines Mitarbeiters bemessen werden. Im tariflichen Bereich geniigen solche Merkmale nur zu einer Differenzierung der Vergiitung, wăhrend sie im auBertariflichen Bereich auch zur Bestimmung der VergiitungshOhe herangezogen werden konnen. Unter den Formen einer leistungsorientierten Vergiitung hat der Akkordlohn an Bedeutung verloren, wăhrend Zeit- und vor allem Prămienlohne wichtiger geworden sind. Zukunft konnte auch der an Mitarbeiterqualifikationen ankniipfende Potentiallohn haben. Unter den Zusatzlohnen treten die traditionellen Formen mehr und mehr in den Hintergrund, wăhrend neue Formen wie die Aufspaltung der Vergiitung in eine feste und eine variable erfolgsabhăngige Komponente an Bedeutung gewonnen haben. Diese Entwicklung ist im Wesentlichen aufftinf Ursachen zuriickfiihrbar: (1) Einfache Massenarbeiten sind mehr und mehr mechanisiert und automatisiert worden. (2) Aufvielen Tătigkeitsfeldem sind Anforderungen und Qualifikationen sprunghaft gestiegen. (3) Die Integration der Aufgabengebiete hat bei LeistungserstelIung und Untemehmungsfiihrung aufvielen Tătigkeitsfeldem zugenommen. (4) Die Arbeit von Mitarbeitem in mehrerenwechselnden Stellen ist hău:figer geworden. (5) Der Wunsch der Praxis nach stărkerer Leistungsorientierung der Vergiitung ist gewachsen.

556 Der Anteil der Sozialkomponente an der Vergiitung ist seit den 50er Jahren stăndig . gestiegen. Unter den vielflUtigen Zielen, die mit sozialen Vergiitungskomponenten angeblich verfolgt werden, solIten okonomische Vorrang vor sozialen Zielen haben: Akquisitorische Effekte und die indirekte Vergiitung von Leistungen entsprechen eher als patemalistische Fiirsorge dem Bild vom selbstverantwortlichen Mitarbeiter. Bei der Auswahl von Sozialkomponenten der Vergiitung scheint sich dort, wo nicht nivellierende Festschreibung durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung herrscht, das individualitătsfreundliche Cafeteria-Prinzip dtirchzusetzen. Allerdings zeichnet sich in der Praxis ab Mitte der 90er Jahre ein zunehmender Abbau von Sozialkomponenten der Vergiitung ab. Statt Sozialleistungen der Unternehmung werden Eigenleistungen der Beschăftigten immer wichtiger. Dies zeigt sich vor allem am Beispiel der Altersversorgung. Von den zahlreichen Alternativen der Praxis sind vor allem die betriebliche Altersversorgung, Gratiflkationen, Betriebsverpflegung und Deputate allgemein verbreitet. In neuerer Zeit gewinnen in der Praxis ferner eine Aufspaltung der Vergiitung in eine Perioden- sowie eine Rentenkomponente (aufgeschobene Vergiltung) sowie Pensionsfonds und das Zeit-Wertpapier an Bedeutung. Aufierdem werden zunehmend Vergiitungskonzepte entwickelt, in denen fixe und variabIe Leistungskomponenten mit Sozialkomponenten und Komponenten der Erfolgsbeteiligung zu einem ganzheitlichen Vergiltungspaket zusammen gefasst werden. Mitbestimmungsregelungen bestehen nur bei Fehlen gesetzlicher oder tariflicher Regelungen. Sie betreffen nicht die materielle Hohe, sondern den Prozess der formalen Festsetzung der Vergiitung sowie bei Soziallohnen eine von deren Voraussetzungen, nămlich den Betrieb sozialer Einrichtungen durch die Unternehmung.

6.2. Gnmdlagen, Ziele, transaktionskostentheoretiscbe Wiirdigung, Formen, Probleme und Stmktur der Vergiitung 6.2.1. Gmndlagen der Vergiitung Formale Grundlage jeder Vergiltung ist einArbeitsvertrag mit der Zusage eines bestimmten Entgelts fiir die im Vertrag genannten Dienste des Arbeitnehmers und der Zusage weiterer Zahlungen bei bestimmten sozialen Merkmalen. Arbeitsentgelte fiir Arbeiter werden als Lohn, solche fiir Angestellte als Gehalt bezeichnet. Gehălter wurden bis in die Gegenwart monatlich gezahlt, wlUrrend fiir Lohnzahlungen zwischen tăglicher, wochentlicher oder monatlicher Zahlungsweise gewăhlt werden konnte. Diese Unterschiede verschwinden zu Recht mehr und mehr, da in vielen

557 Branchen wegen der Angleichung von Aufgaben und Arbeitsbedingungen fUr Arbeiter und Angestellte sich seit langem einheitliche Entgelttarife durchgesetzt haben (vgl. VOGELE AGIIG METALL 1982; Zander 1986, 294; DSAGIIG CHEMIE 1987) und die monatliche Zahlung der Vergiitung zur Regel geworden ist. Die Vergiitung setzt sich normalerweise aus dem Arbeitsentgelt fUr erbrachte Leistungen und einem an sozialen Merkmalen des Mitarbeiters ankntipfenden Entgelt zusammen. Das Arbeitsentgelt wird im Folgenden als Leistungslohn, das soziale Entgelt als Soziallohn bezeichnet. Auf die Differenzierung nach Lohn und Gehalt wird wegen der Angleichung beider Entgeltformen verzichtet. FUr die nach Gewinn strebende Unternehmung ist Vergiltung eine Kostenart, deren Hohe moglichst niedrig gehalten werden solI. FUr den Arbeitnehmer ist Vergiltung Einkommen, aus dem er seinen Lebensunterhalt moglichst gut bestreiten will und muss. Der Vergiitungszielkonflikt zwischen Senkung fUr die Untemehmung und Steigerung fUr den Arbeitnehmer ist so alt wie die Geschichte des Menschen und fiihrt zu der Frage, ob es eine gerechte Vergiitung gibt und wie diese Vergiitung bestimmt werden solI (vgl. Zander 1986,289-290; SteinmannlLohr 1992b). Es gibt nicht eine einzig richtige Losung des Problems, eine gerechte Vergiltung zu bestimmen, sondem nur unvollkommene Losungsversuche. Der revolutionărste und zugleich folgenschwerste Losungsversuch ist die gleiche Vergiltung jilr alle. Diese Losung hebt alle Anforderungs-, Eignungs- und Belastungsunterschiede zwischen arbeitenden Menschen auf und wirkt deshalb demotivierend. Bereits das Neue Testament nennt im Evangelium des Matthaus (Kap. 20, Vers 1-16) das Gleichnis von den Arbeitem im Weinberg mit der Uminterpretation des Dienstvertrags in einen Werkvertrag als Losung: Filr ein bestimmtes Werk wird ein fest vereinbarter Lohn gezahlt, der wie im Gleichnis unabhangig von Anforderungen und Intensitat der Leistung (Leistungseinheiten je Zeiteinheit) ist. Die motivationalen Wirkungen sind dieselben wie bei gleicher Vergiitung fUr alle, weshalb der theologische Wert des Gleichnisses sicherlich hOher als der okonomische ist. Karl Marx hat in seinen "Theorien tiber den Mehrwert" in Fortfiihrung physiokratischer Gedanken die Vorstellung entwickelt, dass die vom einzelnen Arbeitnehmer durch seine Arbeit geleistete WertschOpfung den Wert eines bearbeiteten Wirtschaftsguts erhOhe, weshalb ein Teil des Mehrwerts auch dem Arbeitnehmer als Vergiitung zustehe (vgl. 1956, 11-19). Da marktfahige Leistungenjedoch durch Zusammenarbeit vieler Personen einschlieBlich der Untemehmungsleitung entstehen, ergibt sich ein unlosbares Zurechnungsproblem: Welcher Anteil des Mehrwerts als

558 z. B. Differenz aus Erlos und bewertetem Materialeinsatz entflUlt auf den einzelnen, an der Leistung beteiligten Arbeitnehmer, welcher Anteil auf den Einsatz sonstiger Produktionsfaktoren wie insbesondere das Kapital? Relativ einfach losbar ist dieses Problem nur bei Vorliegen einer Agency-Situation mit einem Prinzipal und einem Mitarbeiter (agent) (vgl. Laux 1992, 115-118). Auf einem vollkommenen Arbeitsmarkt mit Transparenz fUr alle Marktpartner und praktisch beliebig rascher Reaktion aufVerănderung der Marktdaten bestimmenAngebot und Nachfrage die Vergiltung als Preis jar die Arbeitseinheit. Abgesehen davon, dass die Bedingungen des vollkommenen Markts ideal und nicht real sind, wiirde ein freies Spiel der Marktkrăfte zu sozial unbefriedigenden Losungen fiihren (vgl. Hax 1977, 83). Dieses Ergebnis wird vermieden, mindestens aber gemildert, wenn die Vergiitung von Gewerkschaften und ArbeitgeberverbtJnden kollektiv ausgehandelt und in einem Tarifvertrag fUr eine vereinbarte Frist festgeschrieben wird (s. Teil 1,3.4.). Allerdings kann ein Tarifvertrag den Preismechanismus von Arbeitsmărkten nicht au6er Kraft setzen. Verknappt sich das Arbeitskrăfteangebot, so kann der effektiv gezahlte Lohn liber dem Tariflohn liegen, wăhrend bei entspanntem Arbeitsmarkt der Tariflohn die Lohnuntergrenze bildet. Femer ist zu beachten, dass Tarifvertrăge nicht fUr alle Beschăftigten gelten und im au6ertaritlichen Bereich die Vergiitung zwischen Arbeitgeber und -nehmer gemă6 der Lage auf dem Arbeitsmarkt ausgehandelt wird. Dies kann dazu fiihren, dass fUr gleiche Arbeit in verschiedenen Untemehmungen unterschiedliche Vergiitung gezahlt wird. Was in der Un.temehmung als relativ gerechte Vergtltung empfunden wird, hăngt im Wesentlichen von der Akzeptanz bestimmter Werthaltungen ab: Reute wird eine Vergiitung als gerecht empfunden, deren formale Grundlage sowohl Arbeitsleistungen als auch soziale Merkmale wie Alter, Familienstand, Kinderzahl oder Dauer der BetriebszugehOrigkeit sind. Dem Gerechtigkeitspostulat entspricht es, wenn untemehmungsintem das Leistungs- mit dem Gleichheitsprinzip so miteinander kombiniert werden kann, dass (1) (2)

der Leistungslohnsatz nach den Anforderungen der Tătigkeit und nach der erbrachten Leistung - soweit zurechenbar - bemessen wird (v~. Zander 1986, 291), dass (3) fUr gleiche Anforderungen und/oder gleiche Leistung auch gleicher Leistungslohn gezahlt wird und dass (4) fUr gleiche soziale Merkmale auch gleiche Soziallohnanteile gewăhrt werden.

559 Aus diesen aligemein akzeptierten Werturteilen resuitiert eine typische Struktur der Vergiltung mit dem Leistungslohn als Raupt.komponente sowie dem SoziaIIohn als Nebenkomponente. Beide konnen durch eine Erjolgsbeteiligung erganzt werden (s. Teil III, 7.2.). Die Bemessung dieser drei Komponenten war stets ein ProbIem der Einkommensverteilung innerhalb der Untemehmung (vgl. Remer 1978, 50). Zu Leistungs- und SozialIohn sind seit einigen Jahren die gespaltene Vergiltung ais eigenstandige Vergtitungsform sowie ganzheitliche Vergtitungspakete mit steigender Verbreitung in der Praxis getreten.

6.2.2. Ziele und transaktionskostentheoretische Wiirdigung der Vergiitung Mit der Vergtitung von Personal Iassen sich drei aIIgemeine Ziele verfolgen: (1) Das Personal solI einen angemessenen Gegenwert fur bereits erbrachte und noch zu erbringende Leistungen erhalten. Dieses ZieI ist bereits zuvor bei der Diskussion von Lohngerechtigkeit impIizit angesprochen worden. Zu seiner Verfolgung konnen alle LeistungslOhne eingesetzt werden. (2) Dem Personal solI mit Rilfe der Vergtitung einAnreiz gegeben werden, durch zukiinftige Leistungen unbestimmte Arbeitsvertrage auszufiilIen. In Grenzen kann dieses ZieI fur genau bestimmbare Leistungen mit Akkord- und PramienIohnen als LeistungsIohnformen verfoIgt werden. Wesentlich besser wird dieses ZieI jedoch mit gespaltener Vergtitung (fixe + variable Komponente) erreicht. (3) Das Personal solI mit Rilfe der Vergtitung dazu bewogen werden, in der Untemehmung zu bieiben, statt sie zu wecpseIn. Dieses ZieI kann insbesondere mit dem Angebot von SoziaIIohnen verfoIgt werden. Von ihnen konnen starke Bindungswirkungen ausgehen. Die Akquisition von Personal stelIt kein eigenes ZieI der Vergtitung dar. Akquisitorische Wirkungen konnen je nach der Lage auf dem Arbeitsmarkt mit alien drei zuvor genannten Zielen und Gruppen von Lohnformen verknupft werden, falIs die Vergtitung als Informationskomponente des Personalmarketings (s. Teil II, 5.3.4.) uberhaupt eingesetzt werden solI. Man wird dies eher bei sehr angespanntem als bei entspanntem Arbeitsmarkt erwarten diirfen. Eine transaktionskostentheoretische Wilrdigung der Vergiltung knupft an der Frage an, ob und gegebenenfalis wie die Ausfullung unbestimmter Arbeitsvertrage durch die Vergtitung abgesichert werden kann. Diese Anreizieistung erbringen alle Formen

560 der Vergiitung, bei denen die Vergiitungshehe von Art, Qualităt und Quantităt der Leistungen abhăngt, die eine Person erbringen kann - und auch tatsăchlich erbringt. Allerdings mfissen die Leistungsart vereinbart und Giite sowie Menge der Leistung von einzelnen Mitarbeitem durch Zeitverbrauch und Wahl von Techniken sowie Verfahren der Arbeit selbst bestimmt werden konnen. Ist dies der FalI, so riickt die hierzu geeignete Vergiitungsform an die Stelle eines Anreizes oder sogar Anreizsystems als Teil der Personal:fiihrung (s. Teil III, 4.5.3.2.2.). Transaktionskostenminimal wăre dann eine Vergiitungsform, die sowohl bei Planung und Anbahnung als auch bei Kontrolle und Fehlsteuerung geringe Transaktionskosten auslost. Diese Bedingung erfiillt am besten die gespaltene Vergiltung (vgl. auch Eigler 1996, insb. 200-202) und in Grenzen auch das ganzheitliche Vergiltungspaket. Die Wahl von Vergiitungsbestandteilen nach dem Cafeteria-Prinzip wiirde Transaktionskosten absenken, wenn die Wahl bediirfnisorientiert erfolgt und eine Koppelung zwischen vertragskonformem Handeln sowie Gewăhrung der Vergiitungsbestandteile fUr den Mitarbeiter nachvollziehbar hergestellt wird. Dass eine an Leistungen orientierte Vergiitung mit Anreizwirkungen auch dem Shareholder value am besten dient (vgl. Eigler 1999, 247), wird verstănd1ich, wenn man die folgende Wirkungshypothese akzeptiert: Der Marktwerteiner Untemehmung hăngt von ihren Erfolgen ab, die auf Leistungen mit hohem Kundennutzen zuriickgehen; einen Anreiz zu solchen Leistungen bieten Leistungslohne und insbesondere der gespaltene Lohn.

6.2.3. Formen der Vergiitung Die Grundformen der Vergiitung sind bereits zuvor genannt worden, nămlich Leistungs- und Soziallohne. Ihnen zur Seite stellen kann man die gespaltene Vergiltung, weil sie eine fixe Komponente als garantierten Mindestlohn enthălt, die anders als bei tariflich abgesicherten garantierten Mindestlohnen in ihrer Hohe gestaltbar ist. Sie wird durch eine variable Komponente mit Bezug zu erbrachten Leistungen oder Erfolgsgrofien ergănzt. Je heher der Sockel der fixen Komponente, umso geringer ist der Erfolgsbezug der Vergiitung - und umgekehrt. Wegen der Kombination von fixer Vergiitung mit einer Erfolgsbeteiligung ist die Einordnung der gespaltenen Vergiitung unter den Leistungslohnen problematisch. Die spăter gesondert zu diskutierende aufgeschobene Vergiltung (deferred compensation; s. Teil III, 6.6.) ist keine eigenstăndige Grundform der Vergiitung. Sie setzt sich als Mischform vielmehr aus Kombinationen von Leistungs- und Soziallohn mit unterschied1ichen Auszahlungszeitpunkten zusammen, bei der die Zahlung der Versorgungskomponente aufge-

561 schoben wird, bis ein Mitarbeiter in den Ruhestand getreten ist. Auch das ganzheitliche VergUtungspaket ist keine selbstăndige Grundform, sondem eine Kombination aus Leistungs- und Soziallohnbestandteilen sowie gegebenenfalls weiteren Vergiitungskomponenten, was eine gesonderte Darstellung rechtfertigt. Leistungslohne und Soziallohne treten in bestimmten Lohnformen auf. FUr Grundleistungen werden Grundlohne gezahlt. FUr weitgehend konstante Grundleistungen etwa in Hohe von Normalleistungen werden Zeitlohne, fUr variable Grundleistungen wird Akkordlohn gezahlt. FUr die Bereitstellung von Leistungspotentialen werden Potentiallohne gezahlt. Sie sind als Zeitlohnvarianten eine neuere Entwicklung unter den im Ubrigen liber Jahrzehnte hinweg festgefahrenen Lohnformen. FUr Zusatzleistungen werden Zusatzlohne gezahlt. Zusatzlohne existieren heute praktisch nur noch in der Form von Prâmienlohnen.

Die Differenzierung der Grundlohnsatze je Zeiteinheit erfolgt mit Hilfe der Arbeitsbewertung (s. Teil I, 5.5.2.4.) aufgrund von Anforderungen und mit Hilfe der Leistungsbeurteilung (s. Teil I, 5.4.2.6.) aufgrund von qualitativen und quantitativen Leistungen. Die Differenzierung der Zusatzlohne Mngt von der Pramienbezugsbasis ab. Die Differenzierung der Potentiallohne kann sich auf die Ergebnisse der Potentialermittlung etwa mit HUfe der Assessment-Center-Technik stiitzen (s. Teil I, 5.4.2.8.). Soziallohne konnen mittelbar an der Existenz oder unmittelbar an sozialen Merkmalen einer konkreten Person anknlipfen, z. B. ihrem Alter oder Familienstand. Unmittelbare Soziallohne bewirken Lohndifferenzierung, wăhrend mittelbare Soziallohne nach dem Gleichheitsprinzip dimensioniert werden und zur Lohnnivellierung beitragen. Die Vielzahl der Soziallohnformen wird in Abschnitt 6.5. exemplarisch vorgestellt.

6.2.4. Probleme der Vergiitung Ziele und Formen der Vergiitung werfenjanfProbleme auf: (1) Leistungslohne mlissen nur dann gezahlt werden, wenn Leistungen erbracht oder bereitgehalten werden. Dies mtte bei Beschăftigungsschwankungen Schwankungen des Leistungslohnanteils zur Folge, die zu Schwankungen des Arbeitseinkommens fiihren. Zur Begrenzung dieser Schwankungen nach unten wird in den Tarifvemagen das Institut des garantierten Mindestlohns festge-

562

schrieben. Es ist der Lohn, der unabMngig von der BescMftigung und Nutzung des Leistungspotentials eines Mitarbeiters nicht unterschritten werden darf. Er ist iiblicherweise mit dem Tariflohn identisch. Bei Erreichen der garantierten Mindestlohngrenze werden Leistungslohne allerdings zu SozialllJhnen, denn sie kniipfen dann nur noch an der sozialen Existenz einer Person und nicht mehr an deren Leistung an.

(2) LeistungsllJhnen werden die folgenden drei speziellen Ziele zugeschrieben, nămlich die Leistung qualitativ und quantitativ zu steigem und die Permanenz der Leistung zu sichem. Damit wird implizit unterstellt, dass Leistungslohne aufgrund ihrer Struktur zur Leistung motivieren und den Raubbau des Leistungspotentials verhindem. Diese Prămissen sind bedenklich, denn die motivierende Wirkung des Leistungslohns wird nicht nur bereits von Herzberg et al. (vgl. 1967) in Frage gestellt (s. TeillII, 2.2.3.), sondem sie hăngt auch von der Hohe des Arbeitseinkommens ab: Mit steigendem Arbeitseinkommen sinkt der Grenznutzen des Einkommens aufgrund von Sâttigungseffekten. Mit fallendem Grenznutzen des Einkommens sinktjedoch dessen motivierende Wirkung. Dieser Einwand gilt grundsâtz1ich auch fUr Prămien10hne als Form des Zusatz10hns. Mit steigender Hohe des Arbeitseinkommens nimmt dagegen dessen akquisitorische Funktion zu: Es steuert die Verbleibens-, Eintritts- oder Austrittsentscheidung des Personals und weitaus weniger dessen Leistung. (3)

Wâhrend pie LohnhlJhe fUr die tariflich bezahlten Mitarbeiter in Lohntarifvertragen festgelegt wird, erfolgt in den Manteltarifvertragen auBer der Regelung von Arbeitsbedingungen mehr und mehr auch die Festschreibung der Lohnstrukturen. Dariiber hinaus bietet § 87 Abs. 1 Ziff. 10 und 11 BetrVG die Moglichkeit, bei Ofrnungsklauseln im Tarifvertrag zusâtz1iche Betriebsvereinbarungen zur Lohngestaltung sowie zur Festsetzung leistungsbezogener Entgelte abzusch1iefien (s. Teil 1,3.4.2.). Dies fiihrt zu der Frage, ob Untemehmungen noch Freiraum fUr eine eigenstăndige Lohnpolitik mit Gestaltung von Lohnstruktur und -hOhe haben, um deren akquisitorische und in Grenzen auch motivatorische Funktion zu nutzen. FUr den tariflichen Bereich kann diese Frage zum Leistungslohn derzeit weitgehend vemeint, fUr den auBertariflichen Bereich dagegen bejaht werden. FUr den Soziallohn ist der Freiraum grofier, auch wenn er durch gesetzliche Vorschriften und Tarifvereinbarungen in den vergangenen zwanzig Jahren stândig enger gezogen worden ist. Hier konnte eine Reform von Tarif- und Betriebsverfassung (s. Teil 1,3.4.3.) grofiere Freirâume fUr Untemehmungen schaffen.

563 (4)

Die gespaltene Vergutung wirft zwei Probleme auf, niimlich die Bemessung der fixen Vergiitungskomponente und die Bestimmung der Bezugsgro6e filr die variable Komponente. Das erste Problem hiingt mit dem zweiten zusammen: Je stiirker die Bezugsgr06e vom Mitarbeiter beeinf1usst werden kann, umso geringer darf die fixe Vergiitungskomponente sein - und umgekehrt. Also muss eine gut beeinf1ussbare Bezugsgro6e zur Losung des zweiten Problems gewiihlt werden. Auf konkrete Ansatzpunkte filr eine Uisung des zweiten Problems wird spiiter einzugehen sein (s. Teil III, 6.4.). Das erste Problem liisst sich normativ in der Weise losen, dass sich die fixe Komponente an der Dimensionierung garantierter Mindestlohne orientiert. Auch darauf wird spiiter zurtickzukommen sein.

(5) Das fiinfte Problem entsteht aus der Uberlegung, dass man verschiedene Vergiitungskomponenten zu einem Vergutungspaket zusarnmenfassen kann. In solche Pakete konnen zusiitzlich solche geldwerten Leistungen der Untemehmung einbezogen werden, die man als Sozialleistungen interpretieren kann. Konzepte fUr solche Vergiitungspakete sind in der Praxis entwickelt worden und werden dort als total compensation bezeichnet. Wenn ein solches Konzept gewiihlt werden soli, muss die Struktur des Vergiitungspakets einschlie6lich des Gewichts seiner Komponenten festgelegt werden. Losungen dieses Problems konnen entweder an den im Zeitablauf wechselnden Bedfufnisstrukturen von Mitarbeitem ankniipfen und sich das Cafeteria-Prinzip mit individueller Wahl der Komponenten durch die Mitarbeiter zunutze machen (s. Teil III, 6.5.1.3.). Die Losung des Strukturproblems kann aber auch von Angemessenheitsvorstellungen der Untemehmung ausgehen und somit patemalistische Ziige tragen. Aufbeide Losungen wird spiiter in Abschnitt III, 6.7. zurUckzukommen sein. Fiir alle fiinf Probleme existieren somit Losungen. Die Tarifpolitik der Lohnsteigerungen mit gleichzeitiger Nivellierung der Lohne hat in den letzten dreillig Jahren allerdings dazu gefiihrt, dass viele Losungen immer weniger befriedigen. Die seit fast zwanzig Jahren zunehmende Komplexitiit von Arbeitsstrukturen und -inhalten sowie der notwendigerweise stetige Anstieg der Qualifikationen und schlie6lich die Flexibilisierung der Arbeitszeiten liefem stiindig Ansti:i6e zur Veriinderung der Vergiitungsstrukturen (vgl. Zander 1986).

564

6.2.5. Entstehungs- und Verwendungsstruktur der Vergiitung

Die Vergiitung aus Leistungs- und Soziallohn ist nicht identisch mit den ausgezahlten Beziigen, da Steuem und Versicherungsabgaben das Brutto-Arbeitseinkommen mindem: Brutto-Arbeitseinkommen (Leistungslohn + Soziallohn + ggf. Erfolgsbeteiligung) ./. Sozialversicherungsbeitrâge zur Renten-, Arbeitslosen-, Pflege- und Krankenversicherung, ./. Lohn- und Kirchensteuer, ggf. Lohnsteuerzuschlăge, ./. Beitrăge zu Pensionskassen, ./. vermoge,nswirksame Leistungen nach dem jeweils gUltigen Vermogensbildungsgesetz oder aufgrund von betrieblichen Vereinbarungen, = Netto-Arbeitseinkommen Das Netto-Arbeitseinkommen kann vom Arbeitnehmer fiir den Konsum oder fiir die Bildung von weiterem Vermogen verwendet werden. In Abb. m. 14. werden diese Uberlegungen noch einmal zusammengefasst.

EntsteblUlg der VergtltlUlg Zeitlohn naeb Anforderungen und Nonnalleistung

I

I

Filhigkeitswtentiale)

I

unmittelbarer Soziallohn

Akkordlohn

Potentiallohn (= Zeitlohn filr

mittelbarer Soziallohn

.1 SOZ1allohn

I

I I

Grundlohn

Zusa1zlohn (Priimien)

gespaltene Verg1ltung

I

I

LeisJgsIOhn

I

I

Erfolgsbeteiligung

I

Verg1ltung = Arleitseinkonunen

I

AuszahllUlg (NettobezOge)

I

Steuem (LSt, KiSt)

I

I

Sozialabgaben. Versicberungen

I

Vennogensbildwtg nacb dem jeweils gtlltigen VennBG

Verwendung der VergtltlUlg

Abb.

m 14. Entstehung und Verwendung von Vergiitung und Arbeitseinkommen

565

6.3. LeistungslOhne 6.3.1. GrundlOhne 6.3.1.1•. Der Akkordlohn Der Akkordlohn wird rur eine bestimmte quantitative Leistung bezahlt, die in Stiick oder einer anderen MaBeinheit wie z. B. In, m2 oder m3 gemessen wird. Akkordlohne sind an drei Prămissen gebunden: Erstens mfissen einzelne Leistungseinheiten abgrenzbar sein. Zweitens muss die Leistungsmenge ausschlie6lich vom Arbeitnehmer beeinflusst und wiederholt erbracht werden. Drittens muss ein qualitatives Mindestniveau der Leistung garantiert werden. Da die erste und zweite Prămisse infolge zunehmender Mechanisierung und Automatisierung der Prozesse der Leistungserstellung immer seltener erfiillt sind, hat die praktische Bedeutung und Verbreitung des Akkordlohns laufend abgenommen. Der Akkordlohn ist durch den Zeitlohn auf Normalleistungsbasis weitgehend verdrlingt worden. Der Akkordlohn existiert in den Varianten des Geld- und des Zeitakkords. Bei Geldakkord wird ein Geldbetrag je Leistungseinheit vereinbart, wăhrend bei Zeitakkord eine Vorgabezeit je Leistungseinheit und ein Geldbetrag je Zeiteinheit festgesetzt werden (vgl. Kosio11962b, 68-70; Bohrs 1980, 129-131; Lficke 1983,228-230). Der Akkordlohn geht von der Fiktion eines bis zu 20% liber normal erhOhten Stundenverdiensts r j :fiir Person i aus, der Akkordrichtsatz heiBt. Bei Geldakkord wird zur Ermittlung des Stackakkords als Normalgrape eine Menge von Leistungseinheiten X h bestimmt, die eine geeignete Arbeitskraft. je Stunde herstellen oder bearbeiten kann. Der Stiickakkord k1 ist dann gleich den Stiicklohnkosten als dem Quo;. tienten aus Akkordrichtsatz und Normalgro6e:

Der Periodenlohn Lit je Person i ist dann gleich dem Produkt aus Stiickakkord und ihrer Leistungsmenge xit in Periode t. Er muss mindestens gleich dem garantierten Mindestlohn min Lit sein:

Bei Zeitakkord wird mit Hilfe von zeitlichen Arbeitsstudien (s. Teil 1, 5.5.2.2.) als Normalgrape ein Zeitbedarf je Leistungseinheit ermittelt, nlin1lich die Vorgabezeit

566 tv. Der Quotient aus Akkordrichtsatz und 60 Minuten ergibt den Minutenfaktor mi'

der mit der Vorgabezeit tv multipliziert zum Geldbetragje Stiick wird:

Geld- und Zeitakkord sind also strukturgleich. Nur ihre Berechnung ist unterschiedlich. Der Periodenlohn Lit von Person i ist dann E

Lit =k"xit =mi~tve ~ minLit , e=1

wenn e =LE der Laufindex der Leistungseinheiten ist, fUr die die Vorgabezeiten tve ermittelt worden sind. Man erkennt, dass bei Ănderungen des Akkordrichtsatzes und Konstanz der Vorgabezeiten der Zeitakkord Berechnungsvorteile gegenuber dem Geldakkord bietet. Man erkennt femer, dass Steigerungen des Periodenlohns durch Unterschreiten der Vorgabezeiten tve oder Oberschreiten der Normalgro6en X h erreicht werden. Das Schlagwort "Akkord ist Mord" beleuchtet in p~akativer Form die motivationstheoretischen Implikationen dieses Grundlohns. Wenn die drei Prămissen des Akkordlohns erfiillt sind, ist die Normalgro6enbestimmung wegen des Bezugs auf eine Normalleistung (s. Teil I, 5.5.2.4.) Hauptproblem dieser Lohnform. Da Akkordlohne fUr Massenleistungen gezahlt werden und diese hăufig besonders einfach mechanisierbar sind, erklărt dies die Zurfickddlngung dieser Lohnform. Der klassische Akkordlohn hat eine begrenzte Wiederbelebung in der Variante des Pensumlohns gefunden, der fUr die Abwicklung eines bestimmten Auftragsvolumens gezahlt wird (s. Teil nI, 6.3.1.3.).

6.3.1.2. Der klassische Zeitlohn

Der klassische Zeitlohn wird alsfester Lohnje Bezugsperiode gezahlt. Dies konnen die Stunde, der Tag, die Woche, der Monat oder das Jahr sein. Bei flexiblen Periodenarbeitszeiten (s. Teil I, 6.3.6.) wird ein vereinbartes Zeitbudget oder die Summe der Ist-Arbeitszeiten je Teilperiode zur Bezugsgro6e. In der Bezugsperiode wird eine Leistung erwartet, die in etwa einer Normalleistung entspricht. A1lerdings kann gerade bei dieser Lohnform die Bestimmung einer Normalgro6e problematisch werden, denn Zeitlohn wird fUr qualitative und weniger fUr quantitative Leistungen

567

gezahlt. Es wird lediglich unterstellt, dass die Leistung eine Funktion der Zeit ist. Aher nicht einmal die Prămisse der Proportionalitat von Zeit und Leistung (vgl. Liicke 1983, 239) ist zwingend, denn kreative Leistungen etwa im Forschungs- und Entwicklungsbereich sind unabhăngig von der Zeit. Die Struktur des Zeitlohns ist einfach. Ist lij der Lohnsatz je Stunde von Person i in Stelle j und ist 1';const die tarif- oder dienstvertraglich vereinbarte Arbeitszeit je Monat fUr Person i, so ist deren normaler monatlicher Leistungslohn Li = lij . 1';const .

Wird nur die in der Periode abgeleistete Ist-Zeit 1'; < 1';const bezahlt, so ist der monatliche Leistungslohn mindestens gleich einem tarifvertraglich garantierten Mindestlohn minii' Bei Flexibilisierung der Periodenarbeitszeit in der Form von Teilzeitarbeit ăndert sich 1';const, wăhrend bei Gleitzeitmodellen oder variabler Arbeitszeit die Ist-Arbeitszeit 1'; fUr den Berechnungszeitraum des Leistungslohns durch geeignete Methoden erfasst werden muss (s. Teil 1, 6.3.2., 6.3.4., 6.3.65.). VemachIăssigt mao selbstverschuldete Ist-Arbeitszeitverkiirzungen sowieMehrarbeit in der Form von Uberstunden, so ist der verkiirzte monatliche Leistungslohn:

Der Lohnsatz lij wird im Tariflohnbereich durch Zuordnung einer Person i auf eine Stelle j definiert, wenn diese Stelle auf Lohngruppe k zugeordnet ist. In der Regel wird im Tarifvertrag eine Lohngruppenskala mit bis zu zwolf Lohngruppen und mit Zuordnungsregeln vereinbart, bei der die mittlere Position vom ausgebildeten Facharbeiter oder dem Angestellten mit qualifizierendem Berufsabschluss eingenommen wird (vgl. Liicke 1983, 247-249). FUr diese mittlere Lohngruppe wird dann im Lohntarifvertrag der Ecklohn vereinbart. Dieser Ecklohn kann iiber Ăquivalenzzif­ fem auf die iibrigen Lohngruppen umgerechnet werden. Insbesondere in der chemischen Industrie sowie im Haustarifvertrag zwischen der Deutschen Shell AG (DSAG) und der IG Chemie-Papier-Keramik vom 23. September 1987 ist die Differenzierung nach Lohngruppenskalen fUr Arbeiter oder Angesteţlte schon seit langem zugunsten einer einheitlichen Entgeltgruppenskala mit Zuordnung aller Stellentypen aufgegeben worden; bier entfallt die Ecklohnbestimmung zugunsten einer Festlegung von Monatslohnsatzen je Entgeltgruppe (vgl. DSAGIIG CHEMIE 1987). Im auftertariflichen Bereich sowie im tariffreien Bereich

568 wird lij frei vereinbart oder es wird von vomherein nur der Monatslohn Li' wenn nicht sogar nur der Jahreslohn bi vertraglich festgelegt. Eine Differenzierung des Zeitlohns nach Anforderungen und Leistungen wird măg­ lich, wenn eine Arbeitsbewertung sowie eine Leistungsbeurteilung durchgefiihrt worden sind (s. Teil 1, 5.4.2.6., 5.5.2.4.). Objektiviert wird der durch eine Arbeitsbewertung differenzierte Lohnsatz allerdings nicht, da die Arbeitsbewertung messtheoretischen Anforderungen kaum genligt und Akzeptanz nur durch Konvention gefunden hat. Zwischen dem Lohnsatz lij * und dem Arbeitswert Aj fiir eine mit Person i besetzte Stelle j kann eine lineare Funktion folgenden Typs angenommen werden:

*

min/j ~ lij ~ max/j lij*= aAjlminAj ~Aj ~ maxAj min/j ist der garantierte Mindestlohnsatz in Stelle j, wenn diese in eine bestimmte Lohngruppe eingeordnet ist. max/j ist die Lohnsatzobergrenze. Die Differenzierung des Lohnsatzes lij * aufgrund einer Leistungsbeurteilung zum Lohnsatz lij ** kann liber einen Leistungsgradfaktor A fiir Person i erfolgen, der analog der Schătzung des Leistungsgrads bestimmt wird und in der Regel zwischen 70% und 130% der Normalleistung normiert wird:

Das Ergebnis der Leistungsbeurteilung kann durch eine Lineartransformation auf folgende Skala libertragen werden: aufIallend sehr schwache schwache Leistung Leistung 0,7 0,8

schwache Leistung 0,9

normale Leistung

1,0

gute sehr gute Leistung Leistung

1,1

1,2

aufIallend gute Leistung 1,3

Der Zeitlohn auf der Grundlage von Normalleistung und Arbeitsbewertung bietet keinen Anreiz zu kurzfristiger Leistungssteigerung. Lăngerfristige Leistungssteigerungen aufgrund einer Verbesserung von Motivation und Eignung einer Person i kănnen nur nachtrăglich durch die Differenzierung des Lohnsatzes lij ** belohnt werden. Der Zeitlohn in seiner klassischen, hier erlăuterten Fonn ist daher fiir alle Tătigkeiten geeignet, bei denen Leistungsmenge odei Leistungsgiite vom arbeitenden Menschen nicht mehr direkt beeinflusst werden kănnen beziehungsweise bei de-

569 nen eine weitgehend konstante oder in engen Grenzen sehwankende Leistungsgtite angestrebt wird. Femer ist der klassisehe Zeitlohn bei allen kreativen Arbeiten sowie bei Aufsiehts- und Kontrolltătigkeiten angezeigt. Die Errechnung von Lohnkostenje Stiiek, wie sie in der ălteren Literatur noeh vorgesehlagen wird (vgl. Kosiol 1962b, 56, 90-91), ist kostentheoretiseh unhaltbar, wenn dabei fixe, periodenabMngige Lohnkosten dureh den Quotienten lij Ix willkiirlieh linearisiert werden. Zu den besonderen Problemen des Zeitlohns gehOrt dessenAnpassung an Ănderun­ gen von Qualifikationen, gegebenenfalls aueh an das Lebensalter der Mitarbeiter im Zeitablauf. Auf dieses Problem muss insbesondere bei der Gehaltsentwieklung fUr Fach.. und Fiihrungsnaehwuehskrlifte sowie fUr leitendes Personal im auBertarifliehen Bereieh geaehtet werden. Grundlage der Anpassung sollte mindestens eine Leistungsbeurteilung sein (s. Teil I, 5.4.2.6.). FUr die konkreten Verliiufe der Anpassung konnen Rahmenwerte untemehmungsspezifiseh festgelegt werden. Konnen im Zeitablauf mehrere Gehaltsgruppen in aufsteigender Reihenfolge von Abis D erreieht werden, so konnen aueh je Gehaltsgruppe Rahmenwerte fixiert werden. Abb. m. 15. zeigt in Anlehnung an Vergtitungssehemata der DSAG ein Beispiel fUr ein Anpassungsmodell mit Rahmenwerten fUr mehrere Lohngruppen Abis D sowie ein Beispiel fUr einen individuellen Verlauf der Anpassung der Vergtitung.

DMI

Periodc

Beispiel eines individuellen Anpassungsver1aufs

Bcrufseinstieg

Lebensalter, Qualifikation

Abb. III. 15. Anpassungsmodell fUr Zeitlohne im Zeitablauf

570 6.3.1.3. Der Potentiallohn

Der Potential/ohn wird wie der klassische Zeitlohn als fester Lohnje Bezugsperiode bezahlt. Er orientiert sich in seiner Bestimmung und Hohe allerdings nicht mehr an Normalleistungen und Anforderungen je Stelle, sondern an der betriebsnotwendigen oder - noch enger - der tătigkeitsfeldspezifischen Qualiflkation je Person. Der Potentiallohn stellt somit einen volligen Bruch mit allen Entlohnungstraditionen seit den 50er Jahren dar. Der Potentiallohn hat ebenso wie der fUr ein festgesetztes Arbeitspensum gezahlte Pensumlohn (vgl. Paasche 1981, 94-107; v. Eckardstein 1986b, 260-263; Zander 1986, 297-298) eine Reihe von Ursachen, auf die von Eckardstein aufmerksam macht: Die Anforderungsspektren vieler Stellen mit neuen Techniken der Leistungserstellung oder mit geforderter Mehrfachqualiflkation wie z. B. bei Springern werden breiter und difIuser, wahrend gleichzeitig die Grenzanforderungen rur einzelne Arbeiten stark steigen. Prăzise Leistungs- oder Zeitvorgaben werden immer seltener moglich, und die Selbststeuerung und -koordination sowie ganzheitliche, partizipative oder kollegiale Aufgabenlosungen nehmen zu. Dies ruhrt dazu, dass aktuelle Anforderungen und die Eingruppierung in eine Lohngruppe immer stărker auseinanderfallen konnen (vgl. v. Eckardstein 1986a, 56-57; 1986b, 255-257). Die von Ackermann schon vor langem nachgewiesene Tarifpolitik der Lohnnivellierung hat zusatzlich die Moglichkeiten zu einer Lohnsatzdifferenzierung durch Arbeitsbewertung in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen aufgehoben, mindestens aber ein'geschrankt, und demotivierend auf das Arbeitsverhalten des Personals gewirkt (vgl. 1981, 744-749). Zander hat schon friih darauf hingewiesen, dass die Vernetzung und Integration einzelner Tatigkeiten zugenommen hat und noch wachsen wird (vgl. 1986, 292). Auch diese inzwischen auf breiter Front eingetretene Entwicklung macht eine saubere Abgrenzung von Anforderungen zwischen einzelnen Stellen sowie die Zuordnung von Leistungen auf Einzelpersonen kaum noch moglich. Gemeinsamer Kern aller Ursachen sind die zunehmende Variabilităt von Aufgaben und Anforderungen und die wachsende Integration der Leistungen, die die Grundlagen des klassischen Zeitlohns aufheben. Dies alles wird durch einen Potentiallohn aufgefangen. Ein praktisches Beispiel rur einen Potentiallohn hat die Joseph Vogele AG in ihrem Haustarifvertag mit der IG Metall bereits im Jahr 1982 erstmals festgeschrieben (vgl. VOGELE AGIIG METALL 1982; Axer 1984; v. Eckardstein 1986a, 55-56). Dieser Vertrag sah einen Monatslohn rur Arbeiter und Angestellte, Einstufung in die

571 Entgeltgruppenskala nach der Qualifikation, Leistungszulagen fur Menge, Qualităt und Einsatzbereitschaft aufgrund einer mindestens jăhrlichen Leistungsbeurteilung mit einfacher Punktwerttabelle auf der Grundlage von Stufenordinalskalen sowie die Festschreibung einer durchschnittlichen Lohngruppe fur die gesamte Belegschaft vor. Diese Festschreibung verhindert praktisch die Absenkung des durchschnittlichen Lohnniveaus etwa durch Umschichtung des Personals. Femer verpflichtete sich die Untemehmung zur Weiterqualifikation ihrer Arbeitnehmer und zum Angebot von Arbeitsplatzen, auf denen die neu erworbenen Qualiflkationen genutzt werden konnen. Die Erfahrungen mit dieser Lohnform waren positiv, denn die Leistungsmenge und Mitarbeiterqualifikation sind gestiegen, ohne dass nicht verwendbare Qualifikationen erworben worden sind. Hohere Lohnkosten wurden durch Absenkung anderer Kosten kompensiert, wobei allerdings trotz Lohnanreiz nicht alle Mitarbeiter zur Hoherqualifikation fahig oder bereit gewesen sind (vgl. Axer 1984, 34-35). Unabhangig von der Ausgestaltung dieses konkreten Falls wirft der Potentiallohn vier grundsatz/iche Probleme auf: (1) Eine messtheoretisch einwandfreie, mehrdimensionale Erfassung und Ordnung von Qualifikationen und ihre Zurechnung aufEntgeltgruppen ist nicht moglich. Die Zuordnung kann daher nur nach Plausibilitătstiberlegungen analog dem summarischen Rangfolgeverfahren (s. Teil I, 5.5.2.4.) auf der Grundlage von Verhandlungen zwischen Untemehmer und Tarifpartner oder Betriebsrat erfolgen. Von Eckardstein nennt zusatzlich als Probleme die Abstufung und Auswahl betriebsspezifischer QuaIifikationsmerkmale (vgl. 1986a, 62-63). (2) Qualifikation und Einsatz des Personals mtissen so aufeinander abgestillţIllt sein, dass ungenutzte Kenntnisse und Fahigkeiten minimiert werden. Dies kann nur bei guter Planbarkeit des qualitativen Personalbedarfs (s. Teil II, 2.2.), bei gezielter Personalrekrutierung (s. Teil 11,5.4.1.) und bei Personalentwicklung auf der Grundlage von Deckungslticken (s. Teil 11,6.3.3.-6.3.4.) gelingen. Andemfalls mtissen nicht abbaubare Lohnkosten fur ungenutzte QuaIiflkationen in Kauf genommen werden, die unmittelbarer Soziallohn sind. (3) Da sich die Eingruppierung des Personals von den Stellenanforderungen IOst und letztlich nur noch durch eine Leistungsbeurteilung indirekt tiberprtift werden kann, verschiebt sich das Problem der Bestimmung einer NormalgroBe der Leistung als ReferenzmaBstab auf die Leistungsbeurteilung (s. Teil I, 5.4.2.6.). (4) Von Eckardstein weist darauf hin, dass der Potentiallohn einen Anreiz zur ungezielten Qualifikationssteigerung bietet, dem nur durch die Festlegung be-

572

triebsrelevanter Qualifikationen etwa nach §§ 96 fI. BetrVG zusammen mit dem Betriebsrat entgegen gewirkt werden kann (vgl. 1986b, 264). Die Vorteile des Potentiallohns sind uniibersehbar. Der Potentiallohn hat leistungsmotivierende Wirkungen. Dass diese Lohnform zur Weiterbildung motiviert, ist ebenfalls als Vorzug anzusehen, der Transaktionskosten der Personalentwicklung absenkt. Dieser VOrzUg wirkt allerdings nur dann, wenn der Bildungsbedarfvon der Untemehmung gesteuert werden kann. Dieser Vorzug kommt umso stărker zur Wirkung, je dynamischer die Umfeldentwicklung einer Untemehmung und damit auch der Zwang zur Anpassungsfortbildung ist. Die Anwendungsprobleme werden allerdings umso grOBer und die Vorziige umso geringer sein, je niedriger die durchschnittlichen Anforderungen und damit auch die benotigten Qualifikationsniveaus in einer Untemehmung sind. Der Potentiallohn ist daher insbesondere in kreativen Tatigkeitsfeldem wie dem Forschungs- und Entwicklungsbereich, in gehobenen Managementfunktionen, bei Springem, bei einer Arbeitsorganisation nach dem Muster teilautonomer Arbeitsgruppen und bei Anwendung des Paradigmas der Neuen Dezentralisation (vgl. Drumrn 1996) grundsatzlich geeignet. Auf jeden FalI ist der Potentiallohn ein Schritt hin zurFlexibilisierung und zur lndividualisierung der Leistungslohne, sofem er untemehmungsspezifisch im Rahmen von Betriebsvereinbarungen nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG ausgestaltet werden kann. Insgesamt ist der Potentiallohn ein bedeutender DenkanstojJ zur Entwicklung neuer Lohnformen auf variabler und komplexer werdenden Tatigkeitsfeldem.

6.3.2. ZusatzlOhne

ZusatzlOhne existieren in den traditionellen Formen von Grundpramienlohnen fUr Grundleistungen und von Zusatzpramienlohnen fur Zusatzleistungen. Die mit den Pramienlohnen verwandten Teilungslăhne (vgl. Kosiol1962b, 94-124, 161-167) haben keine praktische Bedeutung mehr und sind heute nur noch als historische Entwicklungsform der Entlohnung von Interesse. Unter den traditionellen Zusatzlohnformen haben Grundpramienlohne mit besonderer Vergiitung von hOheren Leistungsmengen oder der Verkiirzung von Leistungszeiten (vgl. Kosioll962b, 125-127) wegen der zuvor erlauterten Veranderungen von Arbeitsstrukturen und -inhalten (s. Teil III, 6.3.l.3.) auBer in der Form von Umsatz-

573 an Bedeutung verloren. Die Bedeutung von Zusatzpriimienlăhnen mit Pră­ mien fur qualitative Aspekte der Leistung sowie fur Zusatzieistungen ist dagegen gestiegen. Beispiele fUr Zusatzieistungen sind Termineinhaltung, geringer Energieund Materialverbrauch, Serviceleistungen, hohe Nutzungsgrade von Anlagen durch geeignete Wartung, personliche Hygiene (z. B. Nahrungsmittelindustrie) und Unfalivenneidung.

prămien

sind mit alien GrundIohnfonnen kombinierbar. Sie werden mit dem ZieI eingesetzt, ein bestimmtes Leistungsverhalten oder bestimmte zusătzliche Leistungen auszulosen. Ob dieses ZieI erreicht wird, hăngt (1) von der Wahl der Prămienbezugsgro6e und (2) der Prămienhohe im Vergieich zum Anspruchsniveau des betroffenen Mitarbeiters ab: Die Prămiengro6e muss eindeutig definierbar sein, der Mitarbeiter muss die Prămienbezugsgro6e merklich beeinf1ussen konnen, und die Prămie muss sein Anspruchsniveau mindestens erreichen. Dies wird der FalI sein, wenn der subjektive Nutzen der Zusatzprămie mindestens gieich dem subjektiven Nutzen von erwartetem Verhalten oder erwarteter Zusatzieistung ist.

Zusatzprămienlohne

Mit diesen beiden Prămissen verkniipft ist das ProbIem der Priimiengestaltung durch Prămienverlauf und Festlegung des Grenzwerts der Prămie. Der Verlauj der Prămi­ enhohe kann grundsătzlich der Prămienbezugsgro6e in einmaliger oder stetiger oder gestaffeiter Fonn folgen. Der Prămienanstieg kann linear, progressiv, degressiv oder S-farmig sein. Je stărker der Einf1uss des Mitarbeiters auf die Prămienbezugsgro6e ist, umso geeigneter sind lineare und progressive Prămienverlaufsfonnen, wăhrend bei abnehmendem Einf1uss eher degressive und S-farmige Verlăufe geeignet sind (vgl. Bohrs 1980, 167-168). FOr die Bemessung der Priimiengrenze gibt es nur eine fonnale, inoperable RegeI: Der Nutzen der Zusatzleistung fUr die Untemehmung sollte gleich dem Nutzen des GeIdwerts der Prămie fur den Mitarbeiter sein. Abb. III. 16. gibt die grundsătzlich wăhlbaren Verlaufsfonnen in schematischer Fonn wieder. Bei der Kombination von Leistungsbeurteilung (s. Teil r, 5.4.2.6.) und Prămienloh­ nen muss wie bei der Lohnsatzdifferenzierung des klassischen Zeitlohns auch (s. Teil III, 6.3.l.2.) eine Lineartransfonnation des mehrdimensionalen Beurteilungsergebnisses in die Prămienskala vorgenommen werden. Da diese Transfonnation messtheoretisch nicht begriindbar ist, kann sie nur Gegenstand von Verhandlungen zwischen Untemehmung 1.p1d Betriebsrat gemă6 § 87 Abs. 1 Ziff. Il BetrVG sein.

574

maxPH

degressiv

minPH minPB

Abb.

PrămienbezugsgriiOe PB

maxPB

m. 16. Zusammenhange zwischen PrâmienbezugsgroBe und Prâmienhohe

FUr alle ZusatzIohne giIt, dass ihre BezugsgroBen, Verlaufsfonnen und Begrenzungen auf die Bedingungen einzeiner Stellen und Personen zugeschnitten sein sollten, weshalb betrieblichen Losungen der Vorzug vor kollektiven tarifvertraglichen Vereinbarungen zu geben ist. Ob und inwieweit beabsichtigte motivationa/e Wirkungen einzeiner ZusatzIohne auftreten,sollte mit dem betrofIenen Personal im Mitarbeitergesprach oder durch Mitarbeiterbefragungen (s. Teil 1, 5.4.2.7., 5.4.2.5.) erortert werden.

6.4. Die gespaltene Vergiitung Bei gespa/tener Vergiltung wird eine feste Grundvergiitung fUr die Bereitste//ung des individuellen Leistungspotentials je Mitarbeiter gezahlt. Die Nutzung dieses Leistungspotentials wird in Abhangigkeit von den erbrachten Leistungen eines Mitarbeiters durch eine variable Vergfitungskomponente abgegoiten. Die gespaltene Vergfitung hat inzwischen unter verschiedenen Namen wie z. B. "Ieistungsorientierte", "variabIe" oder "flexibIe" Vergfitung auch in die Praxis deutscher Untemehmungen Eingang gefunden (vgl. z. B. Torka 1995; Zielke 1996; Siemens AG 1996; von Horen 1996, 7-8) und wirdvon Untemehmungsberatem propagiert (vgl. z. B. Schmeer 1996).

575 Aus der Struktur der gespaltenen Vergiitung ergeben sich zwei Probleme: (1) die Festlegung der fixen Vergtltungskomponente und (2) die Bemessung des variablen Anteils der Vergtltung.Zur LiJsung des ersten Problems kOnnen mehrere Wege gewăhlt werden: -

-

Die Hohe der fixen Komponente orientiert sich am tariflich vereinbarten Mindestlohn fUr vergleichbare Tătigkeiten. Die Hohe der fixen Komponente orientiert sich an den mittleren Lebenshaltungskosten eines je Arbeitnehmer vergleichbaren "statistischen" Haushalts. Der Arbeitgeber setzt den fixen Vergiitungsteil normativ fest. Betriebsrat und gegebenenfalls Sprecherausschuss handeln in einer Betriebsvereinbarung die Aufteilung der Vergiitung aus. Dies wăre nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG sowie § 30 Ziff. 1 SprAuG moglich. Die Untemehmung legt die Hohe der fixen Vergiitungskomponente abhăngig von der beabsichtigten Anreizwirkung der variablen Komponente fest: Je hOher die angestrebte Anreizwirkung ist, umso kleiner fant die fixe Vergiitungskomponente aus - und umgekehrt. Die LOsung des ersten Problems hăngt hier von der Losung des zweiten Problems ab. Sie bietet transaktionskostentheoretische Vorteile (s. Teil m, 6.2.2.).

Eine theoretisch begriindbare Losung des ersten Problems existiert jedoch nicht. Die theoretische LiJsung des zweiten Problems besteht in der Schătzung des zUsătzlichen KapitaIwerts der Einzahlungsuberschiisse, der allein auf das Handeln eines betrachteten Mitarbeiters zuriickgefiihrt werden kann. Diese Kapitalwertănderung konnte als variabler Vergiitungsanteil ganz oder zu einem Bruchteil an den betrachteten Mitarbeiter ausgeschuttet werden. Diese theoretische LOsung scheitert allerdings daran, dass solche Kapitalwertănderungen nicht monokausal zurechenbar sind. Der Grundidee dieser Vorgehensweise wird man bei Aktienoptionspltinen wieder begegnen (s. Teil m, 7.2.2.2.). Die pragmatische LiJsung des zweiten Problems besteht aus zwei Teillosungen, nămlich der Festlegung einer BezugsgriJj3e, die der Mitarbeiter durch seine Leistung zurechenbar beeinflussen kann, sowie der Festlegung eines Geldbetrags je Einheit der BezugsgriJj3e. Welche Bezugsgro6e ein Mitarbeiter durch seine Leistung beeinflussen kann, ist nicht generell angebbar. Dies muss je Stelle und Mitarbeiter festgelegt werden. Unter den denkbaren Bezugsgro6en bieten sich insbesondere Arbeitsund Leistungsziele an, die mit jedem Mitarbeiter vereinbart werden konnen. Auf diese Weise konnte das organisatorische Fiihrungsinstrument der Zielvereinbarung bzw. des Management-by-Objectives (s. Teil m, 4.5.2.) fUr die gespaltene Vergii-

576 tung nutzbar gemacht werden. Wăhlbar sind statt dessen aber auch Umsatze, Bereichserfolge oder die Ergebnisse von Leistungsbeurteilungen sowie Mitarbeitergesprachen, falls sie die person/iche Leistung eines Mitarbeiters zutreffend widerspiegeln. Die Festlegung von Graden der Zielerreichung sowie von Geldbetragen je BezugsgroBeneinheit miisste allerdings konventionalisiert werden. Als Losungsprinzip miisste gelten, dass (1) die variable Vergiitungskomponente steigt, je

stărker

die

BezugsgroBe durch einen Mitarbeiter beeinflusst werden kann und dass (2) die Geldbetrage je BezugsgroBeneinheit zur Erfiillung von Lohnanspruchsniveaus bei den einzelnen Mitarbeitem fiihren, wenn diese sich anstrengen und Leistungen erbringen. Die Verlaufe von Geldeinheiten abhangig von den Bezugseinheiten konnten sich je nach beabsichtigter Anreizwirkung an den Zusammenhangen zwischen Prămienhohe und PrămienbezugsgroBe bei Zusatzprămien orientieren (s. Teil III, 6.3.2.). Die Losung beider Teilprobleme ist entweder durch einseitige Festlegung seitens der Untemehmung oder durch Vereinbarungen zwischen Untemehmung und Betriebsrat sowie gegebenenfalls Sprecherausschuss moglich. Eine theoretisch gestiitzte Losung des Problems existiert wie bereits gezeigt nicht. Aus den Struktureigenschaften der gespaltenen Vergiitung ergibt sich, dass diese in erster Linie :fur Fiihrungskrăfte und kaum :fur ausfiihrendes Personal sinnvoll wăhlbar ist. AbschlieBend bleibt zu fragen, ob die Variante der gespaltenen Vergutung als Kombination von jixer Komponente und variabler Erfolgsbeteiligung (s. Teil III, 7.) gestaltet werden solIte. Fiir diese Losung spricht nur, dass die Leistungen der Mitarbeiter als eine der wichtigsten Ursachen des Untemehmungserfolgs angesehen werden miissen. Weitgehend ungelost bleibt jedoch das Problem der Zurechnung des Gesamterfolgs einer Untemehmung auf einzelne Mitarbeiter. Andere Ursachen wie z. B. Zufallserfolge oder "windfall profits", ein giinstiger Konjunkturverlauf, ein vorteilhafter Standort oder eine starke MarktstelIung bleiben unberiicksichtigt. Wiirden - trotz guter Leistungen des Personals - Verluste anfallen, so entfiele die variable Komponente der gespaltenen Vergiitung volIstăndig. Mit dieser Variante gespaltener Vergiitung wiirden das zweite und dritte al/gemeine Ziei der Vergutung (s. Teil III, 6.2.2.) vo//ig verfehlt. Es wiirde insbesondere vemachlassigt, dass die Erfolgsbeteiligung nicht an die Stelle der Vergiitung treten, sondem sie nur

ergănzen

kann.

Fiir diese Variante der gespaltenen Vergiitung spricht daher nichts. Auch bei gespaltener Vergiitung solIten daher die Erfolgsbeteiligung ebenso wie Soziallohnkomponenten (s. Teil III, 6.5.) nur zur Erganzung der Vergiitung herangezogen werden.

577

6.5. SoziallOhne 6.5.1. Ziele der Sozialentlohnung, Quellen von Soziallohnanspriichen und Auswahl von Soziallohnalternativen 6.5.1.1. Ziele Soziallohn sind alle Vergiitungsbestandteile, die unabhăngig von irgendeiner AIbeitsleistung gezahlt werden und auch nicht auf eine Beteiligung am Erfolg zuriickzufiihren sind (ăhnl. Gaugler 1974, 5). FUr die Untemehmung sind Soziallohne Teil der Lohnkosten, wăhrend die Sozialkosten der sozialen Leistungen einer Unternehmung als PeriodengroJle ihrerseits Teil des Sozialaufwands sind. Sozialkosten werden in der amtlichen Statistik der Bundesrepublik und in der Praxis seit langem auch als Personalnebenkosten bezeichnet (vgI. Gaugler 1974, 4). Sozialaufwand ist ein Begriff der externen Rechnungslegung durch Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung. Er deckt in der Gewinn- und Verlustrechnung den gesamten Aufwand rur soziale Leistungen an das Personal ab, die individuell oder kollektiv gewăhrt werden. Es wăre konsistent, wenn auch die Soziallohne im Sozialaufwand erfasst wtirden. Dies ist jedoch nur zum Teil der FalI. Ein Teil der Soziallohne wird unter der Position "Lohne und Gehălter" der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen (§ 275 Abs. 2 Ziff. 6a HGB). Verrechnet wird der Sozialaufwand nach § 275 Abs. 2 und 3 HGB unter den Positionen "Personalaufwand" bei "sozialen Abgaben und Aufwendungen :fiir Altersversorgung... " und nach § 275 Abs. 3 Ziff. 7 HGB unter "Sonstige betriebliche Aufwendungen". Beispiele :fiir kollektive soziale Leistungen sind die Bereitstellung von Kantinen und Aufenthaltsrăumen, von ărztlicher Betreuung und von Einrichtungen der Berufsaus~ und fortbildung wie Lebrwerkstătten oder Bildungszentren. Sie losen keine Soziallohne aus. lndividuelle soziale Leistungen werden dem einzelnen Mitarbeiter direkt gewăhrt. Uberblicke liber Ziele von Soziallohnen decken seit langem eine breite Vielfalt von keineswegs konsistenten Zielartikulationen ab (vgl. Gaugler 1974, 7-9; Thomsen 1982b, 47-55; Zander 1982, 16-21; Sadowski 1984, 580-581). Diese Vielfalt lăsst sich reduzieren, so dass im WesentlichenfiinjZiele von Soziallohnen verbleiben: (1)

Sie sollen soziale Nachteile ausgleichen, die aufgrund des AIbeitsverhăltnisses vom Personal in Kauf genommen werden mlissen (z. B. Kantinenessen, Fahrtgeld). Sozialleistungen sind somit nur eine andere Fomi von Lohn (vgI. Sadowski 1984, 581).

578 (2)

Sie sollen zur Existenzsicherung des Personals beitragen, wenn dies nicht alleine durch den Leistungslohn erreicht werden kann (z. B. Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub, betriebliche Altersversorgung). Auch hier sind also Sozialleistungen wiederum nur Lohn in anderer Fonn. (3) Sie sollen soziale Lasten reduzieren, die der einzelne Arbeitnehmer im Sinn des Gesamtwohls und Fortbestands der Volkswirtschaft iibemommen hat (z. B. Kindergeld, LohDzuschlage fUr den Ehegatten). (4) Sie sollen das Leben der Mitarbeiter vielftiltiger und erftJ/lter machen (z. B. Freizeit-, Sport-, Kulturangebote an das Personal). (5) Sie sollen akquisitorisch wirken, indem sie vorhandenes Personal an die Unternehmung binden oder zur Anwerbung von neuem Personal beitragen, auch wenn eine Motivations- oder Bindungswirkung in einzelnen Untemehmungen vom Personal offensichtlich seit langem sehr unterschiedlich empfunden wird (vgl. Beck 1982, 95). Bei Forderung der Personalfreisetzung durch Verzicht auf Sozialleistungen kOnnte man von negativer Akquisition sprechen. Diese fiinf Ziele sind nicht gleichrangig, denn bei der Frage nach ihren steuernden Metazielen stOBt man auf die miteinander konkurrierende langfristige Gewinnmaximierung sowie auf die Ntichsten/iebe oder FUrsorge. Werden die Ziele (1) bis (4) aus Nachstenliebe oder Fiirsorge verfolgt, so ist ZieI (5) ein vielleicht angenehmer, im Grunde aber iiberfliissiger Nebeneffekt: Wird langfristige Gewinnmaximierung verfolgt, so ist die Akquisition und Erhaltung qualifizierten Personals eines der geeigneten Mittel zum Zweck, und die Ziele (1) bis (4) erweisen sich als final in Bezug auf ZieI (5). Letzteres diirfte als das okonomische ZieI daher in vielen Untemehmungen neben rechtlichen Verpflichtungen die eigentliche Ursache fUr die Gewăh­ rung von Soziallohn sein. Sadowski hat in seinemAnsatz einer okonomischen Theorie von Sozia/leistungen daher zuRecht schon vor langem daraufhingewiesen, dass bei okonomischer Betrachtung Soziallohne eine laufende oder nachtragliche Kompensation von Arbeitsleistungen sind (vgl. 1984, 583-588), auch wenn die Tauschrelationen zwischen Soziallohn und Art sowie Umfang der Arbeitsleistung offen bleiben. Einen Beitrag zur Ausfiillung unbestimmter Arbeitsvertrage leisten Soziallohne direkt nicht. Sie stellen daher keine Transaktionskosten dar. Nur durch die Beriicksichtigung von Bindungswirkungen der Soziallohne kann eine sehr indirekte Beziehung zur Ausfiillung unbestimmter Arbeitsvertrage hergestellt werden. Wenn mit SoziallOhnen keine okonomischen Ziele direkt (Lohn in anderer Fonn) oder indirekt (Akquisition) verfolgt werden, sind Soziallohne ein echtes Instrument unternehmerischer Sozialpo/itik (s. Teil IV, 4.5.5.) und folgen den sozialen Zielen von Unternehmungen. Fiir sie gilt: Sozia/lohne mUssen bezahlbar sein. Diese Bedin-

579 gung ist bei schlechter Ertragslage einer Untemehmung leicht verletzbar. Es iiberrascht daher kaum, dass zuerst Soziallohne und andere Sozialleistungen gekiirzt werden, wenn Untemehmungen in eine schlechte Ertragslage geraten: Okonomische dominieren dann die sozialen Ziele! Okonomische und soziale Wirkungen soziaIpo/itischer lnnovationen etwa bei Soziallolmen und -leistungen gehen allerdings verloren, wenn diese Innovationen durch Tarifvertrage zum AlIgemeingut gemacht werden (vgl. Gaugler 1981b, 231-233). Die faktischen Wirkungen von Soziallolmen auf das Mitarbeiterverhalten sind trotz des friihen Postulats einer Effizienz-Analyse (vgl. Gaugler 1974, 11-12) bislang eher unklar und nur bei Betriebsrenten deutlich (vgl. Gneveckow 1982, 177-191; Sadowski 1984, 582-583, 589). Gerade dieser Widerspruch zwischen Theorie und Wirklichkeit der Ziele fUr Soziallohne weckt den ketzerischen Verdacht, dass Sozialiolme vielleicht eine wesentlich altere, mittelalterliche WurzeI haben: Der mittelalterliche Herrscher zog umso mehr Glanz und Ehre auf sich, je groBmiitiger und freigebiger er sich gegeniiber seinem Gefolge verhielt (vgl. Borst 1987, insbes. 450-454). Vielleicht haben Personalvorstănde und -leiter insgeheim vergleichbare Erwartungen.

6.5.1.2. Anspruchsgrundlagen Als Anspruchsgrundlage fur Soziallohne kommen vier Quellen in Frage: (1)

Gesetzliche Regelungen, durch die insbesondere eine Absicherung gegen Risiken des Alters, der Erkrankung, der Arbeitslosigkeit und des UnfalIs erreicht werden soll. SoIche Regelungen sind seit langem oft nur eine Form der Absorption betrieblicher SozialmaBnahmen (vgl. Gaugler 1974,22). Hier sind als Beispiele zu nennen die Sozialversicherungsbeitrage der Arbeitgeber, Beitrage zur Versicherung gegen BetriebsuIifalle und Berufskrankheiten sowie die Entgeltfortzahiung im Krankheitsfall. Hinzu kommen EntgeltzahIungen aufgrund des Mutterschutzgesetzes sowie die Bezahlung von Feiertagen und sonstigen Ausfallzeiten.

(2)

Tarijvertrag/iche Regelungen konnen zur Art und Hohe des SozialloIms vereinbart werden. Sie sind im Gegensatz zu allen gesetzlichen Regelungen kiindbar und an die Geltungsdauer des Manteltarifvertrags gebunden. Dem Prinzip der Besitzstandswahrung foIgend ware nur schwer vorstellbar, dass tarifvertraglich vereinbarte Sozialleistungen abbedungen werden. Das Prinzip der Be-

580 sitzstandswahrung ist jedoeh ab der Mitte der 90er Jahre zunehmend problematisiert und aufgegeben worden. Zuvor war sogar hiiufig beobaehtbar, dass Quellen fUr Soziallohnanspruehe in Untemehmungen auf die Ebene des Tarifvertrags umgeleitet und dort allgemein verbindlich festgesehrieben worden sind. Beispiele fUr tarifvertragliehe Regelungen sind Urlaubslange und -geld, Gratifikationen sowie 13. und folgendes Monatsgehalt, betriebliehe Altersversorgung, Familienbeihilfen und Vermogensbildung, wenn letztere von der Untemehmung getragen oder bezusehusst wird (s. Teil III, 7.3.).

(3) Betriebsvereinbarungen zwisehen der Untemehmung als Arbeitgeber und dem Betriebsrat (s. Teil 1, 3.2., 3.3.) sind eine betriebs-, allenfalls untemehmungs~ spezifisehe Anspruehsgrundlage fUr Soziallohne. Der Vorzug der Betriebsvereinbarung gegeniiber dem Tarifvertrag besteht in besseren Mogliehkeiten zur Anpassung von SoziallOhnen an die Ertragslage der einzelnen Unternehmung. Je besser die Ertragslage ist, umso groBziigiger konnen SoziallOhne grundsatzlieh bemessen werden. Gegenstand von Betriebsvereinbarungen konnen bei Existenz einer OfInungsklausel im Tarifvertrag grundsatzlieh alle Soziallohnarten sein, die unter die Vorsehriften des § 87 Abs. 1 Ziff. 8und 9 sowie § 88 Ziff. 2 BetrVG fallen (s. Teil III, 6.8.). Sie sind wie bei tarifvertraglieher Regelung kiindbar und an die Dauer der Betriebsvereinbarung gebunden. (4) Soziallohne in der Form freiwilliger sozialer Leistungen sind naeh Art und Hohe nur von der Bereitsehaft der Untemehmung zur Gewahrung dieser Leistungen abhangig und im Prinzip jederzeit widerrufbar. Die Untemehmung kann zwisehen beliebigen Soziallohnarten wahlen und gesetzlieh vorgesehriebene oder vertraglieh vereinbarte Soziallohne iibersehreiten. Das Risiko der Widerrufbarkeit von freiwillig gewahrten Soziallohnen war seit jeher Anlass fUr Betriebsrate und Gewerksehaften, diese Lohne dureh vertragliehe Vereinbarungen festzusehreiben. Die Untemehmung kann freiwillige soziale Leistungen dureh einseitige Deklaration gewahren oder sie in den individuellen Arbeitsvertrag mit dem Mitarbeiter aufnehmen. Im Arbeitsvertrag kann die Widerrufbarkeit von SoziallOhnen ausgesehlossen, eingesehrănkt oder sogar abbedungen werden. FUr die meisten SoziallOhne gilt bei Arbeitszeitkiirzungen oder -sehwankungen als Folge einer Flexibilisierung der Periodenarbeitszeit (s. Teil 1, 6.3.6.) seit langem, dass sie grundsatzlieh zeitanteilig gewahrt werden (vgl. Zander 1987, 278-279).

581

6.5.1.3. Alternativenwahl Die Auswahl von Soziallohnalternativen nach Art und Hohe muss zwei Uberlegungen folgen: (1) Der Soziallohn muss konkrete Bediirfnisse des Personals befriedigen, da er andemfalls alle zuvor genannten :fiinf Ziele verfehlt. Das bedeutet, dass fUr eine Vielzahl unterschiedlicher Bediirfnisse des Personals auch unterschiedliche Soziallohnarten geschaffen werden miissten. Diese Bedingung wird durch gesetzliche und tarifliche Regelungen zum Soziallohn noch stârker als durch Betriebsvereinbarungen verletzt, da diese dem Prinzip der Gleichbehandlung folgen und eine individuelle Differenzierung der Soziallohnarten verhindem. Individuelle Differenzierung ist nur durch freiwillig gewăhrte Soziallohne erreichbar. (2)

Der hohe Anteil der Soziallohne an den direkten Lohnkosten macht erklărbar, dass auch rur SoziallOhne und Sozialaufwand das Tragfiihigkeitsprinzip gilt: SoziallOhne und Sozialaufwand diirfen ceteris paribus nur eine rur die Anteilseigner ertrăgliche Reduktion des Jahresiiberschusses auslOsen und insbesondere nicht die Wettbewerbsfăhigkeit einer Untemehmung gefahrden.

Der Bediirfnisorientierung und dem Tragfahigkeitsprinzip entspricht seit langem ein Angebot von freiwillig gewăhrten Soziallohnen nach dem Ca!eteria-Prinzip (vgl. Thieny 1982; Dycke/Schulte 1986; Wagner 1986). Das Cafeteria-Prinzip eroffnet Moglichkeiten zur lndividualisierung des Soziallohns. Eine umfassende Anwendung des Cafeteria-Prinzips insbesondere nach US-amerikanischem Vorbild auf alle Soziallohne scheitert an der Geltung gesetzlicher Vorschriften sowie tariflicher und betrieblicher Vereinbarungen zu SoziallOhnen. DasCafeteria-Prinzip ist dagegen auf freiwillige soziale Leistungen anwendbar. Es ermoglicht dem Mitarbeiter eine durch ein individuelles Aufwandsbudget begrenzte Auswahl aus Soziallohnen und iibertariflichen Leistungen oder die Wahl eines Pakets von Kemleistungen mit variablen Randleistungen gemăB seinen Bediirfnissen. Die Logik dieser Wahl wird nachfolgend erlăutert werden. Wagner nennt als weitere Optionen die chronometrische und chronologische Struktur von Lebens- und Periodenarbeitszeit sowie die Gewinnund Vermogensbeteiligung (vgl. 1986, 18-19). Durch Anwendung des CafeteriaPrinzips wird im Vergleich zur Gleichbehandlung aller Beschăftigten durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung der individuelle Gesamtnutzen des Soziallohns gesteigert, sofem der Mitarbeiter eine rationale Wahl zwischen den Soziallohnaltemativen trifft. Dass bei dieser Wahl auch die Wirkung altemativer zeitlicher

582 Verteilungen von Soziallohnen aufLohn- oder Binkommenssteuer beachtet werden muss, heben Dycke und Schulte zu Recht besonders hervor (vgl. 1986, 580-581). Die Anwendung des Cafeteria-Prinzips auf Soziallohne weckt die Vermutung, dass eine differeilzierte Wahl von Soziallohnen als Anreiz zur Ausfiillung unbestimmter Arbeitsvertrăge genutzt werden konnte. Auf diese Weise konnten Soziallohne dann doch Relevanz fUr eine transaktionskostentheoretische Analyse gewinnen. Diese Vermutung ist jedoch abwegig. Soziallohne miissten als Anreiz einzelnen Leistungen von Mitarbeitern zugeordnet werden konnen. Dies wiirde hăufige Wiederholung der Wahl von Soziallohnen nach dem Cafeteria-Prinzip erfordern. Dadurch wiirden sowohl die Soziallohne selbst als auch ihre Handhabung vollig uniibersichtlich. Die

Begrenzung der Funktionen von Sozia1l6hnen au!Akquisition und Bindungswirkungen bleibt somit zwingend. Grundstitzlich problematisch an allen Cafeteria-Systemen sind die unterschiedlichen Nutzenvorstellungen der Unternehmung sowie des einzelnen Mitarbeiters bei der Festlegung von Austauschrelationen fUr Soziallohnarten und -einheiten. Dieses Problem ist wegen der Unmoglichkeit eines intersubjektiven Nutzenvergleichs theoretisch nicht losbar. Bine Losung kann daher in Kontliktfăllen nur iiber eine Konventionalisierung der Austauschrelationen z. B. mit dem Betriebsrat erfolgen. Dies gilt prinzipiell auch dann, wenn das Cafeteria-Prinzip erweitert wird und bei Flexibilisierung der Perioden- und Lebensarbeitszeit (s. Teil 1,6.3.6.,6.4.) Zeitanteile gegen Soziallohne oder Leistungslohnanteile austauschbar werden. Dieser Tausch kann vom einzelnen Mitarbeiter nach einer subjektiven Nutzenbewertung von Zeitund Geldeinheiten grundsătzlich individuell konsistent vorgenommen werden. Bine Ubereinstimmung von unternehmungsseitig vorgegebenen Austauschrelationen wie z. B. "LohnsatzlStunde gleich Arbeits-Stunde" (vgl. Wagner 1986, 22-23) mit individuellen Vorstellungen vom Nutzen des Tauschs kann aber nur zufăllig erwartet werden. Das Problem der Bestimmung von Soziallohnaltemativen und der Festlegung von Austauschrelationen kann einer Losung năher gebracht werden, wenn das Personal zu seinen Bediirfnissen nach Sozialleistungen und seinen Vorstellungen von erwiinschten Austauschrelationen durch eine Mitarbeiterbefragung (s. Teil 1,5.4.2.5.) gehOrt wird (vgl. Dycke/Schulte 1986,585-586; Wagner 1986, 19-20,27). Man erso zwar keine individuellen Nutzenvorstellungen, wohl aber Hăufigkeitsvertei­ lungen von Prăferenzen, die als Grundlage fUr ein Soziallohnangebot nach dem Cafeteria-Prinzip genutzt werden konnen. Far die Unternehmung sind dann diejenigen hăIt

583 steuerlich abzugsjahigen Soziallohnalternativen attraktiv, die somit vom Fiskus subventioniert werden, wahrend fUr den Mitarbeiter Soziallohnalternativen attraktiv sind, die nicht der Einkommensteuer unterliegen.

Da sich Bediirfnisse im Zeitabiauf nach Art und Intensitiit iindem, muss eine periodische Revision der Wahl von Sozia1l6hnen etwa alle ein bis zwei Jahre durch den Mitarbeiter grundsătzlich mOglich sein. Dies gilt alierdings in gieicher Weise fUr die Untemehmung, wenn sich die ErtragsIage erheblich zu veriindem droht oder bereits veriindert hat. Probiematisch ist femer, dass der Verwaltungsaufwand hoch ist und dass steuer- sowie versicherungsrechtliche Vorschriften zu beachten sind. Insgesamt zeichnet sich seit etwa 1996 ab, dass das Angebot von SozialIOhnen in der Praxis zurUckgeht (vgI. auch Schmeer 1996. 789). Auf diese Weise solI eine Reduktion der "indirekten" Lohnkosten erreicht und die Wettbewerbsfahigkeit deutscher Unternehmungen verbessert werden. Im Einklang mit diesem ZieI werden zunehmend SozialIohnaltemativen in Konzepte ganzheitlicher Vergiltungspakete einbezogen (s. Teil ID; 6.7.). Das Cafeteria-Prinzip wird in der BundesrepubIik Deutschland seit den 80er Jahren von einer Reihe von Untemehmungen mit Erfolg praktiziert, wobei nicht nur SozialIohnanteile, sondem auch Zeiteinheiten bei Perioden- und Lebensarbeitszeit sowie ErfoIgsbeteiligungsanteile zum Austausch angeboten werden. Das Cafeteria-Prinzip muss als ein wichtiger Schrltt weg von Einheitskonzeptionen der Vergiitung hin zur Individualisierung gewertet werden. Dadurch, dass es an Bediirfnissen des einzeinen Mitarbeiters ankniipft, erlaubt es eine bessere motivationale Verkniipfung von SozialIohn und ArbeitsIeistung genUill dem zuvor genannten fiinften Okonomischen ZieI. Femer trngt seine Anwendung dazu bei, das Angebot von SozialIOhnen zu reduzieren und damit Lohnkosten abzubauen. Aufgrund seiner individualisierenden Wirkungen wird mall dem Cafeteria-Prinzip auch bei der Strukturierung von ganzheitlichen Vergiitungspaketen (s. Teil ID, 6.7.) wiederbegegnen.

6.5.2. Soziallohnalternativen 6.5.2.1. Uberblick

Die Fiille der SozialIohnaltemativen ist dreifach gruppierbar in Geldl6hne, Natural16hne und Nutzungsm6glichkeiten, wobei auch Kombinationen der drei Grundkategorien mOglich sind (vgI. Gaugier 1974, 5-6). Weitere Gruppierungen nach z. B.

584 der Periodizităt oder dem Empfllngerkreis der Soziallohne sind denkbar, bringen aber keine Erkenntnisgewinne zur Funktion der Soziallohne. Wesentlieh mehr zur Funktion der Soziallohne aus der Sieht des Personals sagt eine ăltere empirisehe Befragung dureh die Deutsehe Gesellsehaft fUr Personalfiihrung (DGFP) zu Hăufigkeit und Bekanntheitsgrad freiwilliger betrieblieher Sozialleistungen aus, die dem Personal unmittelbar oder mittelbar zuflie6en (vgl. Beek 1982, 90-92): Htiufige Leistungen waren seinerzeit die betriebliehe Altersversorgung, Weihnaehtsgeld oder 13. Monatsgehalt, kulturelle und gesellsehaftliehe Einriehtunge~, Urlaubsgeld, Gesundheitsdienstund Werksfiirsorge, Kantine, vermogenswirksame Leistungen, Arbeitskleidung, Jubilăumsgesehenke, sportliehe Einriehtungen, Deputate, Firmenauto und verbilligter Einkauf, Firmendarlehen sowie Unterstiitzung in Notfallen. Aus der Sieht des befragten Personals bekannteste Leistungen in diesem Katalog waren allerdings nur Altersversorgung, Weihnaehtsgeld, Urlaubsgeld, Kantine und Deputate. An dieser Informationsasymmetrie diirfte sieh nur wenig geăndert haben. Ausgelost dureh Flexibilisierungsmodelle fUr die Lebensarbeitszeit (s. Teil 1, 6.4.2.) gewinnt seit Beginn der 90er Jahre eine weitere Alternative betrieb:lieher Sozialleistungen waehsende Bedeutung: Die Einriehtung betrieblieher Kindertagesstătten sowie sonstige Formen der Kinderbetreuung zugunsten erwerbstătiger Mtitter (vgl. SehwartzlSehwarz/VogelI991, 107-135). Dieser Katalog ist unvollstăndig. Es fehlen die Arbeitgeberbeitrăge zur Sozialversieherung, bezahlte Feiertage und Ausfallzeiten, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlter Urlaub. Dass diese gesetzlieh vorgesehrlebenen Bestandteile der Vergtitung Soziallohne sind, ist dem Personal offenbar kaum noeh bewusst. Struktur und Hohe der Soziallohne konnen sieh vor allem aufgrund tarifvertraglieher Vereinbarungen zwisehen einzelnen Branehen erheblieh unterseheiden. Die Ftille der Soziallohnalternativen kann nieht in einem Lehrbueh erortert werden. Deshalb wird hier exemplariseh nur die Mufigste Alternative herausgegriffen und diskutiert.

6.5.2.2. Betriebliche A1tersversorgung Die Mufigste und zugleieh bekannteste Soziallohnalternative ist die betriebliche AItersversorgung. Sie kann inftJnfVarianten institutionalisiert werden und hat neben der Altersversorgung dureh die staatlieheIi Rentenversieherungstrăger in der Mehrzahl aller Fălle nur Ergtinzungsjunktion. Nur bei vorzeitiger Pensionierung tritt sie an die Stelle der staatliehen Rentenversieherung.

585 (1)

Pensionszusagen der Unternehmung als erste Variante bestehen im Verspreehen einer individuellen Pensionszahlung ab einem vereinbarten Zeitpunkt. Dazu bemisst die Untemehmung naeh versieherungsmathematisehen Methoden periodisehe Zu:fiihrungen an Pensionsrilckstellungen, die seit dem 1.1.1986 aufgrund des Bilanzriehtliniengesetzes bilanzierungspfliehtig geworden sind. Pensionsruekstellungen gehOren formal zum Fremdkapital der Untemehmung. Dureh das Gesetz zur Verbesserung der betriebliehen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19.12.1974 in seiner novellierten Fassung von 1997 sind betriebliehe Versorgungsanspruehe in vierfacher Weise gesiehert worden: Erstens wird bei Kfindigung oder Ent1assung der Pensionsansprueh gemăfi § 1 Abs. 1 BetrAVG garantiert, wenn der betroffene Arbeitnehmer mindestens 35 Jahre alt ist und die Pensionszusage bereits 10 Jahre besteht oder wenn der Arbeitnehmer der Untemehmung seit mindestens 12 Jahren angehOrt und die Pensionszusage seit drei Jahren besteht. Zweitens libemimmt im Konkursfall ein Pensionssieherungsverein als Versieherung auf Gegenseitigkeit mit den Arbeitgebem als Zwangsmitgliedem naeh § 7 BetrAVG die Rliekdeekungsversieherung. Drittens enthâlt § 6 BetrAVG ein Auszehrungsverbot in der Weise, dass steigende Rentenleistungen anderer Versieherer von der Betriebsrente nieht abgezogen werden dtirfen. Viertens zwingt § 16 BetrAVG den Arbeitgeber im Abstand von drei Jahren zur Anpassung der Renten an die Inflationsrate, wozu das Bundesarbeitsgerieht eine Indizierung vorgesehlagen hat. Eine Anpassung von 1% jăhrlieh gilt ab 1.1.1999 als angemessen. Dureh das Rentenreformgesetz 1992 und das Gesetz zur Forderung eines gleitenden Ubergangs in den Ruhestand 1996 sind einige Veranderungen eingetreten: Dureh die sehrittweise Anhebung der Regelgrenze fUr das Berufslebensalter auf 65 Jahre fUr Mănner und Frauen (s. Teil 1, 6.4.2.1.) steigt im Prinzip der Bedarf an Pensionszusagen fUr eine vorzeitige Beendigung der Lebensarbeitszeit zwisehen dem 60. und 65. Lebensjahr. Wenn die betriebliehe Altersversorgung nieht aufgestoekt wird, kommt es zur Kiirzung der vorgezogenen Altersrente um bis zu 10,8 % (vgl. ForsterfTrevisanylRechtenwald 1991, 114116). Im "Sparpaket" vom 1.10.1996 wurde bei vorzeitiger lnanspruehnahme der Rente ein jăhrlieher Absehlag von 3,6 % der Rente festgelegt. Dass die betriebliehe Altersversorgung trotz der Beteiligung des Fiskus an deren Finanzierung liber die Ktirzung der Steuerbemessungsgrundlage zur Vermogensumverteilung von Anteilseignem auf Personal fiihrt (vgl. Drukarezyk 1990, insbes. 340-347, 349-351), ist kaum liberrasehend. Pensionszusagen der Unternehmung konnen daher nur mit sozialpolitisehen oder akquisitorisehen Wirkungen glaubhaft begrfindet werden.

586 (2)

Zweite Variante ist eine Pensionszusage der Untemehmung unter Einschaltung einer Unterstatzungskasse oder einer Pensionskasse, die rechtlich und organisatorisch aus der Unternehmung ausgegliedert sind und nach § 87 Abs. 1 Ziff. 8 BetrVG der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegen. Die Vorschriften des BetrAVG insbesondere zur Insolvenzsicherung gelten auch hier. Bei dieser Variante hat sich ab Mitte der 90er Jahre in der Praxis die Gepflogenheit herausgebildet, die Arbeitnehmer mit je einem Drittel bis zur HaIfte an der monatlichen Zuweisung zur Untersmtzungs- oder Pensionskasse zu beteili-

gen. De facto bedeutet dies eine Reduktion des Soziallohns zugunsten der Unternehmung. (3)

Dritte Variante ist eine Pf!nsionszusage der Untemehmung mit Direktversicherung bei einem der gesetzlichen Versicherungstrăger oder einer privaten Versicherungsgesellschaft. Die Vorschriften des BetrAVG gelten auch fUr die Direktversicherung. Auch bei der Direktversicherung ist eine Soziallohnreduktion durch Beteiligung der Arbeitnehmer an der Versicherungsprămie moglich und liblich.

Die mit der betrieblichen Altersversorgung urspriinglich beabsichtigte Bindungswirkung ist aufgrund der Pensionsgarantie des § 1 Abs. 1 BetrAVG reduziert worden. Zur Wahl zwischen den drei Pensionsaltemativen sind deren Liquiditats- und Innenfinanzierungseffekte zu beachten: Wegen des Liquiditatsabflusses und der fehlenden Innenfinanzierungswirkung sind Untersmtzungs- und Pensionskasse sowie Direktversicherung fUr die Unternehmung deutlich ungiinstiger als PensionsrUckstellungen. Letztere sind daher nicht nur die relativ giinstigste, sondern seit langem auch die verbreitetste Alternative der Pensionszusage (vgl. GrătzJMennecke 1979,88-96). Eine Studie der Kienbaum Vergiitungsberatung, Gummersbach aus dem Jahr 1999 hat fiir leitende Angestellte ergeben, dass von ihnen 63% eine Pensionszusage, 19% eine Direktversicherung und 9% die Versorgung durch eine Pensions-oder Unterstiitzungskasse als Altersversorgung besitzen. Bei 8% sind diese drei Alternativen miteinander kombiniert und 1% der leitenden Angestellten besitzt keine zusătzliche betriebliche.Altersversorgung. Die Direktversicherung bietet der Unternehmung nur dann einige Vorteile, wenn sie zusătzlich beliehen wird (vgl. Schwetzler 1992). Die Aufteilung der Deckung auf die drei Altemativen stiitzt das Urteil liber deren Vorteilhaftigkeit: 1990 entfielen von den Deckungsmitteln fUr die betriebliche Altersversorgung in Hohe von 380 Milliarden DM 59,2% auf PensionsrUckstellungen,

587 21,1% auf Pensionskassen, 10,5% auf Direktversicherungen und 9,2% auf Unterstiitzungkassen. In der Folge der Rezession von 1992 bis Anfang 1994 ist es allerdings zur Einschrankung bereits erteilter und vor allem zum Verzicht aufneue Pensionszusagen gekommen (vgl. IW 1993, Nr. 26, 7), om den Aufwand fUr freiwillige Sozialleistungen zu begrenzen. Dieser Trend hat sich fortgesetzt. Die Beteiligung des Personals an den Prămienzahlungen fUr die Altersversorgung ist ein Beispiel hierfiir aus jfingster Zeit. Sie belegt, dass diese in der Vergangenheit wichtigste Soziallohnaltemative an Bedeutung verloren hat und auch weiter verlieren wird. Ein weiterer Indikator fUr die Existenz dieses Trends ist die zunehmende Bedeutung der aufgeschobenen Vergiitung (s. Teil In, 6.6.).

(4) Seit Oktober 1998 konnen als vierte Variante der Altersversorgung von Mitarbeitem nach anglo-amerikanischem Muster Pensionsfonds (AlterssicherungsFonds, AS-Fonds) geschaffen werden, in die Arbeitnehmer regelnUi6ig Einzahlungen leisten und dadurch Fondanteile erwerben. Besteuert werden nur die Auszahlungen aus dem Fond an den Arbeitnehmer (vgl. IW 1998, Nr. 9, S. 3). Die FestIegungsmindestfrist betmgt 18 Jahre. Pensionsfonds werden von Kreditinstituten oder Vermogensgesellschaften geschaffen und unterliegen der Genehmigung durch das Bundesaufsichtsamt fUr das Kreditwesen. Ihrer Struktur nach sind Pensionsfortds gemischte Fonds aus Immobilien, Aktien und festverzinslichen Wertpapieren. Fiir Untemehmungen haben Pensionsfonds nur dann Bedeutung, wenn diese Einzahlungen zugunsten ihrer Arbeitnehmer leisten. Nur dann sind diese Einzahlungen der Direktversicherung ăquivalent und bringen der Untemehmung einen Liquiditlits- und Vermogensabfluss. Den Arbeitnehmer sichem Pensionsfonds gegen Konkursrisiken seiner Untemehmung ab und erleichtem ihm den Wechsel des Arbeitgebers. (5) Eine ftlnfte Variante ist unter dem Namen Zeit-Wertpapier auf der Grundlage von Arbeitszeitkonten 1998 von der VW AG eingefiihrt worden (s. Teil 1, 6.3.6., 6.4 .. 2.1.4.). Bei dieser Variante werden Uberstundenlohne von Mitarbeitem ohne Abzug von Steuem und Sozialabgaben von der Untemehmung zu deren Gunsten an die Hypo-Vereinsbank als Vermogensverwalterin abgefiihrt. Diese legt die Uberstundenlohne in hoch rentablen und zugleich insolvenzgeschtitzten intemationalen Investmentfonds an. Ab dem 55. Lebensjahr konnen die Mitarbeiter auf ihr in den Fonds angespartes Geld zuriickgreifen, um es zur Finanzierung ihres Ruhestands zu verwenden. Abgaben fallen erst bei der Auszahlung an. Dieses urspIiinglich untemehmungsbezogene Modell ist dadurch

588 zum allgemeinen Modell geworden, dass es seit November 1999 auch anderen Untemehmungen angeboten wird. Die Ubertragbarkeit der Anspriiche bei Wechsel des Arbeitgebers solI auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Eine Insolvenzsicherung ist vorgesehen. Der Riickgang von Pensionszusagen in der Praxis :fiihrt ab der zweiten Halfte der 90er Jahre zumindest fUr Fiihrungskrăfte immer hăufiger dazu, Eigenvorsorge in der Form einer aufgeschobenen Vergatung zu betreiben (s. Teil III, 6.6.). Auch das zuvor erliiuterte Modell des Zeit-Wertpapiers der Volkswagen AG ist ein Modell der Eigenvorsorge und substituiert die als erste Variante erliiuterte Pensionszusage. Fragt man abschlieBend nach motivationalen Wirkungen von Soziallohnaltemativen, einschlieBlich der zuvor ausfiihrlicher behandelten betrieblichen Altersversorgung, so gibt zu denken, dass Untemehmungen offensichtlich seit langem mehr Soziallohnaltemativen anbieten, als vom Personal nachgefragt werden. Offen bleibt auch, ob die breite Palette der Sozialleistungsaltemativen Bediirfnisse des Personals befriedigt oder nur in Anspruch genommen wird, weil niemand ausschliigt, was allen zusteht. Wenn schon ein Markt fUr Sozialleistungen existiert, auf dem Verbleiben und eventuell Leistung gegen Soziallohn getauscht wird, so miisste dieser Markt als Kiiufer- und nicht als Verkiiufermarkt organisiert sein. Das Cafeteria-Prinzip ist ein Schritt auf dem Weg zum Kiiufermarkt. Die Verdrangung von Modellen betrieblicher Altersversorgung durch Modelle der Eigenvorsorge iibersieht dagegen die akquisitorischen Wirkungen dieser Soziallohnaltemative und folgt allzu offensichtlich dem Konzept des Shareholder value.

6.6. Die aufgeschobene Vergiitung Unter dem Namen "Aufgeschobene Verglitung" oder "deferred compensation" hat sich in der Praxis von Untemehmungen in Deutschland nach amerikanischem Vorbild eine neue gemischte Lohnform entwickelt, die Elemente von Leistungs- und SoziallOhnen sowie Erfolgsbeteiligung mit einer Aufspaltung der Auszahlungszeitpunkte nach Arbeits- und Ruhestandsperioden verbindet (vgl. Torka 1995, 333; Molders 1995, 54-71; Schmahl 1996a, 20; Grawert 1998). Diese gemischte Lohnform ist in erster Linie aufFiihrungskrăfte ausgerichtet. Die Grundidee dieser Lohnform ist relativ einfach (vgl. Schmahl 1996a,b). Die Summe der Lohnkomponenten wiirde als Barlohn einer Periode einem Einkommensteuersatz unterliegen, der hOher als bei Aufspaltung der Summe etwa im Ver-

589 10: 1 wăre. FUr den kleineren Teil der Summe fiele ein niedrigerer Einkommensteuersatz an, wenn er separat versteuert wiirde. Genau diesen Effekt macht sich die aufgeschobene Vergiitung zunutze: Ein vertraglich vereinbarter Anteil der Periodenvergiitung wird nicht in der Periode ausgezahlt, sondem vor Versteuerung abgezogen und angelegt. Die abgespaltenen und verzinsten Vergiitungsanteile werden dann nach Eintritt eines Mitarbeiters in den Ruhestand an· diesen ausgezahlt. Die aufgeschobene, dann ausgezahlte Vergiitung kann bei geringerem Umfang einem niedrigeren Einkommensteuersatz unterliegen. Ist bei hoher spaterer Pension der Steuersatz gleich demjenigen fUr die friihere Periodenvergiitung, so tritt fUr den Arbeitnehmer nur ein positiver Zinseffekt bei den abgespaltenen und fUr die Pension angesparten Anteilen der Periodenvergiitung auf. Femer ist selbst bei gleichem Steuersatz der Barwert zukO.nftig gezahlter Steuem fUr aufgeschobene Vergiitungsanteile immer niedriger als die in der Arbeitsperiode fUr den gleichen Vergiitungsanteil gezahlten Einkommensteuem.

hăltnis

Sechs wichtige Prlimissen der aufgeschobenen Vergiitung sind allerdings hervorzuheben:

(1) Das Periodeneinkommen eines Mitarbeiters muss so hoch sein, dass die Abspaltung und Aufschiebung eines Teils der Vergiitung keine negativen Folgen fUr dessen Lebenshaltung in der Gegenwart bat. (2) Die abgespaltenen Vergiitungsteile miissen innerhalb der Untemehmung angespart werden konnen. Sie wăren dann analog einem Mitarbeiterdarlehen mit niedrigerer als marktiiblicher Verzinsung fUr untemehmungsextem aufgenommenes Fremdkapital zu behandeln. Sie wiirden untemehmungsintem zu Bestandteilen des Fremdkapitals. Nur so wăren positive Finanzierungseffekte fUr die Untemehmung zu erwarten. (3) FUr die Untemehmung diirfte kein nennenswertes Insolvenzrisiko bestehen, da sonst die angesparten Vergiitungsanteile verlorengehen konnten. Schutz vor diesem rusiko Wtirde allerdings ein nachfolgend erlauterter Sicherungsfond bieten. (4) Die Inflationsraten miissten deutlich unter dem intemen An1agezinssatz fUr die aufgeschobene Vergiitung liegen. Andemfalls wiirde die Substanz der aufgeschobenen Vergiitung aufgezehrt.

590 (5) Die fiir Abspaltung und Aufschub geeignete Vergiitung muss iiber der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegen (vgl. Schmahl1996a, 19). (6) Die Steuersătze der Gegenwart diirfen nicht deutlich unter denjenigen der Zukunft liegen, da sonst die Steuererspamis entfallt. Fiir Unternehmungen, die aufgeschobene Vergiitung anbieten, ergeben sich drei Vorteile: (1) Pensionszusagen als Teil des Soziallohns konnen reduziert werden. (2) Die bereits genannten positiven Finanzierungseffekte treten umso stârker auf, je mehr Fiihrungskrăften aufgeschobene Vergiitung angeboten und von diesen dann genutzt wird. (3) Die einbehaltenen Vergiitungsanteile aus verlagerter Vergiitung werden auf der Basis eines versicherungsmathematischen Gutachtens wie Pensionsriickstellungen behandelt (vgl. EngelstădterlKraft 1998, 558). Fiir die Mitarbeiter ergeben sich Vorteile in Abhiingigkeit von ihrer personlichen Situation. Generell evident sind drei Vorteile: (1)

Sie konnen ihre AItersversorgung ausbauen und die Netto-Gesamtvergiitung durch Spalt1ing der Steuerlast fiir einbehaltenen und ausgeschiitteten Vergiitungsteil und Verlagerung der Besteuerung des einbehaltenen Vergiitungsteils in die Zukunft steigem.

(2) Dieser Ausbau kann dadurch individualisiert werden, dass Hohe und Zeitpunkte des abgespaltenen Vergiitungsanteils frei gewiihlt oder mindestens mit dem Arbeitgeber je nach personlichen Lebensumstănden vereinbart werden konnen. (3) Die aufgeschobene Vergiitung kann dazu genutzt werden, den Zeitpunkt fiir einen vorgezogenen Ruhestand selbst zu wiihlen oder aber einen vom Arbeitgeber angesetzten vorzeitigen Ruhestand besser abzusichem (vgl. Schmahl 1996a, 21). Insgesamt hăngen die Vor- und Nachteile der aufgeschobenen Vergiitung rur den Arbeitnehmer davon ab, welche Eigenschaften die iibrigen AItemativen der AIters-

591

sicherung haben, die ein Arbeitnehmer wlihlen kann. Eine Nutzung des Konzepts der aufgeschobenen Vergiitung zor Finanzierung der Familienphase berufstătiger Frauen (s. Teil I, 6.4.2.2.) ist mfiglich, wenn Frauen ihre Familienphase in der zweiten Hălfte des vierten Lebensjahrzehnts positionieren, bereits ab dem ersten Berufsjahreneine liberdurchschnittliche Vergiitung erhalten und dann einen nennenswerten Teil ansparen konnen.

Erstes Hauptproblem jar Unternehmung und Mitarbeiter ist die Insolvenzsicherung der aufgeschobenen Vergiitung. Wenn sie alle Voraussetzungen einer Altersversorgong erfiillt, ist eine Absicherung liber den Pensionssicherungsverein moglich - wie bei Pensionszusagen auch (s. Teil III, 6.5.2.). Dann greifen auch die sonstigen Vorschriften von §§ 1 ff. sowie 7 ff. BetrAVG. Zweites Hauptproblem sind Verlinderungen des Systems der Lohn- bzw. Einkommensteuer. Ein zukiinftiger Anstieg der Steuersătze macht die Vorziige der aufgeschobenen Vergiitung zunichte, wenn der Grenzsteuersatz zum Auszahlungszeitpunkt der aufgeschobenen Vergiitung liber demjenigen zum Sparzeitpunkt liegt. Ingesamt bringt die aufgeschobene Vergiitung sowohl der Untemehmung als auch dem einzelnen Mitarbeiter Vorteile (ăhnl. EbingerlKnolll999, 97-98). Auf die Alternative zor aufgeschobenen Vergiitung, nămlich das Zeit-Wertpapier der Volkswagen AG, sei an dieser Stelle nur verwiesen (vgl. Grawert!KnollI999; s. Teil III, 6.5.2.).

6.7. Ganzbeitlicbe Vergiitungspakete

Das praxisorientierte Konzept ganzheitlicher Vergiitungspakete wird auch als "total compensation" bezeichnet. Die in der Praxis realisierten Konzepte haben keine einheitliche Struktur. Sie folgen jedoch einer Idee, die sich wie folgt kennzeichnen Iăsst:

(1)

FUr die Gesamtvergiitung als Paket wird je Person eine Jahresobergrenze durch die UI;ltemehmung festgelegt. (2) Die Gesamtvergiitung wird in mehrere Komponenten aufgespalten. Als Komponenten kommen in Frage: eine periodenfixe Komponente, - eine leistungsabhiingige Komponente, - eine oder mehrere soziale Komponenten sowie geldwerte Zusatzleistungen. (3) Die Komponenten werden personenbezogen dimensioniert, wodurch je Mitarbeiter prinzipiell eine unterschiedliche Struktur der Vergiitung entstehen kann.

592 (4) Die Struktur der Vergiitung kann perioclisch, z. B. einmaljlihrlich an verănder­ te Aufgaben sowie soziale Merkmale angepasst werden. Die Hohe der Obergrenze richtet sich nach Angebot und Nachfrage bei einzelnen Berufsbildem oder Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt. Zur Dimensionierung der fixen und der leistungsabhăngigen variablen Vergiitungskomponente konnen clie gleichen Bedingungen wie zur Gestaltung der gespaltenen Vergiitung herangezogen werden (s. Teil III, 6.4.). Zur Dimensionierung der sozialen Komp~mente sowie der geldwerten Zusatzleistungen wie z. B. Dienstwohnung oder Dienstfahrzeug soUte das Cafeteria-Prinzip verwendet werden (s. Teil III, 6.5.1.3.). Ein Anwendungsbeispiel der Praxis ist das Konzept der total compensation, das von der ehemaligen Bayerischen Vereinsbank entwickelt worden ist (vgl. Kick 1997, insbes. 309-313) und in der Hypovereinsbank fortgefiihrt wird. Besonderheiten clieses Beispiels sind clie Einbeziehung geldwerter Leistungen in das Festgehalt, clie Abgabe einiger Sozialleistungen gegen Entgelt aus dem Nettogehalt, dem Angebot einer aufgeschobenen Vergiitung (s. Teil III, 6.6.) sowie ein hoher Anteil der Leistungskomponente an der Gesamtvergiitung. Die Obergrenze der Vergiitung bei Anwendung des Konzepts ganzheitlicher Vergiitungspakete liegt deutlich liber demjenigen bei normaler Vergiitungsstruktur. Ganzheitliche Vergiitungspakete haben fUr Mitarbeiter und Untemehmung eine Reihe von Vorzugen: Sie bieten Ansătze zur Inclividualisierung der Vergiitung, sie ermoglichen clie Begrenzung von Soziallohnen bei gleichzeitigem Aufbau der Leistungskomponenten und sie machen Begrenzungen der Gesamtvergiitung moglich. AuBerdem tragen sie durch Leistungsorientierung zur Reduktion von Transaktionskosten bei. Das Konzept ist allerdings nur im Bereich auBertariflicher Vergiitung anwendbar.

6.8. Vergiitung und Mitbestimmung sowie ausgewăhlte Rechtsvorschriften Die Vergiitung unterliegt der Mitbestimmung nur dann, wenn keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht (§ 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG sind nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG

593 24.2.1987) nicht dadurch ausgesch1ossen, dass der mitbestimmungspflichtige Sachverbalt fiblicherweise durch Tarifvertrag im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG geregelt ist. Erst eine Offnungsklausel im Tarifvertrag ersch1ie6t auch Leistungs- und Soziallohne der Mitbestimmung. Solche Offnungsklauseln gelten normalerweise fUr Betriebsvereinbarungen nach dem Zeitpunkt des Tarifabsch1usses. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht durch ein Urteil im April 1999 eine rUckwirkende Genehmigung von Betriebsvereinbarungen durch die Tarifpartner fUr zulăssig erkllirt (BAG 20.4.1999). Das Bundesarbeitsgericht hat ergănzend in seinem Urteil vom 13.8.1996 festgebalten, dass Betriebsvereinbarungen fiber die Lohnhohe unzulăssig sind und nicht mehr als die Funktion eines Lohnangebots durch den Arbeitgeber haben konnen (1 AZU 597/75). Daraus ergibt sich, dass nicht die materieUe Hohe der Vergiitung mitbestimmungsflihig ist, sondem nur der formale Prozess der Lohnbestimmung mitbestimmungspflichtig sein kann. Solche formalen Aspekte sprechen Zif!. 10 und 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG an, wâhrend die Zif!. 8 und 9 der §§ 87 Abs. 1 und 88 Zif!. 2 BetrVG die Mitbestimmung bei Soziallohnaltemativen betreffen. Ab 1997 wurden vor allem in der Chemie-Branche Tarifvertrăge abgesch1ossen, die fUr Betriebsvereinbarungen eine zeitlich befristete Abweichung vom Ecklohn von bis zu 10% vorsehen, um auf unterschiedliche Ertragslagen lohnpolitisch besser reagieren zu konnen. Diese Regelung wird durch einen Besch1uss des Bundesarbeitsgerichts vom 20.4.1999 untermauert, demzufolge Tarifvertrăge nicht von Betriebsvereinbarungen mit sch1echteren Regelungen unterlaufen werden dUrfen (BAG 20.4.1999). Die Hohe der Soziallohne ist nicht mitbestimmungsflihig. Das Bundesarbeitsgericht hat 1990 festgelegt, dass jedoch Auslandszulagen bei Tâtigkeit von Mitarbeitem in auslândischen Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften mitbestimmungspflichtig sind (BAG 30.1.1990). Die Freiwilligkeit betrieblicher Soziallohne wiirde begrenzt, wenn diese der betrieblichen Mitbestimmung unterlâgen. Eine Begrenzung der Freiwilligkeit ergibt sich de facto allerdings aus anderem Grund: Bei dreimaliger vorbehaltloser Gewâhrung eines Soziallohns entsteht ein Gewohnheitsrecht, das einen Rechtsanspruch auf diesen Soziallohn begrfindet (vgl. Nick 1992, 2067). Dieser Anspruch erlischt erst mit dem Wirksamwerden einer ĂnderungskUndigung (vgl. von Hoyningen-Huene 1992,424).

594 Uber die Errichtung von Sozialeinrichtungen konnen freiwillige Betriebsvereinbarungen getroffen werden (§ 88 Zif!. 2 BetrVG), ohne dass dadurch ein Mitbestimmungsrecht bei einzelnen Soziallohnen ausgelost wird. Dass sich dariiber hinaus Untemehmungen zu weitergehenden Betriebsvereinbarungen zum Soziallohn bereit finden, ist vorstellbar und in EinzelfaIien auch bekannt. FUr leitende Angestellte besteht nur eine abgeschwachte Mitwirkungsmoglichkeit bei der Festlegung der Vergiitung. § 30 Zif!. 1 SprAuG r!turnt dem Sprecherausschuss ein Mitberatungsrecht bei Ănderungen der Gehaltsgestaltung ein, das sich aber auf formale Aspekte beschrlinkt. GroJle Aufmerksamkeit hat 1996 die Novellierung des Entgeltfortzahlungsgesetzes von 1994 durch das Arbeitsrechtliche Beschiiftigungsferderungsgesetz erfahren. § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG Iegt einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei unverschuldeter Erkrankung fUr hOchstens sechs Wochen fest. Abs. 3 begrenzt diesen Anspruch auf Arbeitnehmer, die wenigstens vier Wochen Iang ununterbrochen in einem Arbeitsverhiiltnis stehen. § 4 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG reduziert dann die Entgeltfortzahlung auf 80% des normalen Arbeitsentgelts. Diese Regelung kann durch Tarifvertrag auf bis zu 100% verbesse.rt werden, was auch ZieI des -Arbeitskampfs 1996 gewesen ist. § 4a EntgeltfortzG eroffnet erstmals eine Verrechnung von fiinf Krankheitstagen mit einem Urlaubstag. Weitaus eleganter wlire die Moglichkeit der Verrechnung von Krankheitstagen mit Uberstunden auf dem Arbeitszeitkonto gewesen (s. Teil 1,6.3.6.).

7.

Erfolgs- und Vermiigensbeteiligung des Personals

7.1. Uberblick Erfolgs- und Vennogensbeteiligung des Personals gehOren in vielen Unternehmungen zu den erklărten Instrumenten der unternehmerischen Sozialpolitik gegenuber dem Personal, durch die iihnlich wie bei Soziallohnen soziale Nachteile fUr die Mbeitnehmer ausgeglichen werden sollen. Dieser sozialen Iăsst sich eine erste tJkonomische Interpretation von Erfolgs- und Vennogensbeteiligung gegenubersteHen, die uberzeugender ist: Erfolgsbeteiligung wird als Ausgleich fUr den durch die Vergfitung nicht abgegoltenen Mehrwert (s. Teil III, 6.2.) gewăhrt, wlihrend Vennogensbeteiligung die Bindungswirkung fUr das Personal erhOhen und zusătzliche, gUnstige Finanzierungsaltemativen fUr die Unternehmung erschliellen soH. Eine zweite okonomische interpretation weist weniger der Vennogens- als der Erfolgsbeteiligung die Funktion eines Anreizes fUr Ffihrungskrăfte ro, der deren Handeln im Einklang mit den Unternehmungszielen sichern solI (s. Teil III, 4.5.3.2.). Dass neben diesen okonomischen soziale Ziele mitverfolgt werden konnen, bildet keinen Widerspruch zur okonomischen Interpretation. Erfolgs- und Vennogensbeteiligung erfolgen dann unter mehrfacher Zielsetzung mit Hohergewichtung der okonomischen Ziele. Aktienoptionsplane werden als nene Fonn der Erfolgsbeteiligung seit Mitte der 90er Jahre von dentschen Aktiengesellschaften zunehmend eingesetzt. Ihr Vorbild sind amerikanische "stock option plans". Bei Aktienoptionsplănen sind soziale Ziele auszuschliellen. Aktienoptionsplăne bauen auf dem Shareholder-value-Konzept auf und folgen der ausschlielllich okonomischen Hypothese, dass Ffihrungskrăfte den Unternehmungserfolg durch ihr Handeln entscheidend beeinflussen. Wenn dann steigende Unternehmungserfolge angestrebt und erreicht werden, konnen die verantwortlichen Ffihrungskrăfte zur Belohnung an den infolge der Erfolgssteigerung

ansteigenden Aktienkursen beteiligt werden. Auf die heroischen Prămissen dieses Wirkungszusammenhangs wird spăter zuriickzUkommen sein (s. Teil III, 7.2.2.2.). Das Hauptproblem der Erjolgsbeteiligung ist die Definition einer Erfolgsgrolle und eines theoretisch exakten, mindestens aber relativ gerechten Verteilungsmodus fUr den Erfolg. FUr dieses Problem existieren einige, allerdings unterschiedlich geeignete Alternativen. Eine theoretisch uberzeugende Losung des Verteilungsproblems scheitert an der Unlosbarkeit der Zurechnung von Leistungen einzelner Mitarbeiter

596

auf den Gesamterfolg der Untemehmung. Nur im Agency-Modell mit einem Mitarbeiter (agent) ist dieses Zurechnungsproblem relativ leicht lOsbar, weil allein der Mitarbeiter arbeitet (vgl. Laux 1992, 116-118). Hauptprobleme der Vermogensbeteiligung sind dagegen deren Finanzierung, die Fungibilimt der Anteile und die Handhabung von Stimmrechten, die den beteiligten Mitarbeitem aus ihre·n Beteiligungen erwachsen konnen. Zur Losung dieser Probleme sind eine Reihe von Beteiligungsaltemativen entwickelt worden. Welche dieser Altemativen gewăhlt wird, hăngt von der Interessenlage der Anteilseigner vor einer Vermogensbeteiligung des Personals ab. Die Vermogensbeteiligung des Personals beIiihrt aufgrund von dessen Mitwirkungsrechten daher Grundprobleme der Unternehmungsverfassung. Zwar werden in der Praxis Erfolgs- und Vermogensbeteiligung oft in der Weise miteinander verkniipft, dass der Erfolgsant~il in eine Beteiligung am Vermogen der Untemehmung umgewandelt wird. Zwingend ist diese Verkniipfung allerdings nicht. Erfolgs- und Vermogensbeteiligung sind prinzipiell unabhăngig voneinander. Eine transaktionskostentheoretische Wilrdigung von Erfolgs- und Vermogensbeteiligung ware problemlos, wenn beide personalwirtschaftlichen Instrumente als Anreize zur Ausfiillung unbestimmter Arbeitsvertrage genutzt werden konnten. Genau dies misslingt jedoch weitgehend. Grundsatzlich sind Anreizeffekte beider Instrumente dann vorstellbar, wenn sie als Belohnungen fiir ein bestimmtes Leistungsverhalten eingesetzt wiirden. Eine Steuerung der BelohnungshOhe durch das eigene Leistungsverhalten ist jedoch bei der Vermogensbeteiligung kaum und bei der Erfolgsbeteiligung nur ausnalunsweise moglich. Diese Ausnahme liegt dann vor, wenn marktfahige Leistungen von einer Person oder einer kleinen Personengruppe geschaffen werden. In diesem FalI vereinfacht sich das Zurechnungsproblem. Erfolgs- und Vermogensbeteiligung unterliegen einer begrenzten Mitbestimmung durch den Betriebsrat. Betriebsrate machen auch geme von ihren Mitbestimmungsmoglichkeiten Gebrauch, zumal sich die Gewerkschaften aus eher ideologischen Griinden bisher nur wenig fUr eine individuelle Vermogensbeteiligung ihrer Mitglieder an Untemehmungen interessieren.

597

7.2. Erfolgsbeteiligung 7.2.1. Ziele, Voranssetznngen nnd Probleme der Erfolgsbeteiligung 7.2.1.1. Ziele die Vergiitung in den Formen der Leistungs- und SozialIohne negative Komponente des PeriodenerfoIgs ist, stellt die Erfolgsbeteiligung des Personals in ihren iiblichen Formen (s. Teil III, 7.2.2.) eineAlternative zur Verwendung des Periodenerfolgs dar nnd tritt erganzend neben die Vergiitung: Ein Teil des PeriodenerfoIgs wird statt an die Anteilseigner an das Personal ausgeschiittet. ErfoIgsbeteiligung setzt somit die Existenz eines durch die interne, meist jedoch externe RechnungsIegung ausgewiesenen PeriodenerfoIgs der Unternehmung voraus. lhr Komplement wăre die Verlustbeteiligung des PersonaIs, die theoretisch gut begriindbar ist, sich aber faktisch nicht durchgesetzt hat. Wăhrend

Da die ErfoIgsbeteiligung prinzipiell unabhangig von einer Kapitalbeteiligung des Personals ist, muss nach ihrem ZieI gefragt werden. Das wichtigste okonomische Ziei der Erfolgsbeteiligung ist die Beteiligung des Personals am Mehrwert, der durch seine Mitarbeit erzielt und durch den Lohn nicht angemessen abgegolten worden ist. Man kOnnte das okonomische ZieI auch so formulieren, dass durch LeistungsIohn, SozialIohn und ErfoIgsbeteiligung eine gerechte Vergiltung des Personals fUr seinen Beitrag zum Gesamterfolg der Untemehmung angestrebt wird. ErfoIgsbeteiligung als Anreiz insbesondere fUr Fiihrungskrăfte zu untemehmungszieIkonformem HandeIn kann zwar als eigenstandiges okonomisches ZieI benannt werden. Dieses ZieI steht aber im Einklang mit dem ZieI der angemessenen Beteiligung am Mehrwert. Die mit diesem zweiten ZieI verkniipfbare transaktionskostentheoretische Wardigung scheitert immer dann, wenn ein Untemehmungserfolg nicht eindeutig auf die Leistung einer Person zurechenbar ist. Diese Zurechenbarkeitsbedingung ist praktisch nur in der Ein-Personen-Untemehmung sowie in Grenzen in einer Zwei-Personen-Unternehmung gemăB dem Agency-Modell (s. Teil 1, l.4.2.l.) erfiillt. Ober diese Bedingung eindeutiger Zurechenbarkeit setzen sich Aktienoptionsplăne (s. Teil III, 7.2.2.2.) hinweg. Dieses Konzept der ErfoIgsbeteiligung geht von der heroischen -

Prămisse

aus, dass Fiihmngskrăfte von Aktiengesellschaften durch ihr

HandeIn den Untemehmungserfolg steigem konnen, was dann die AnIeger zum Kauf dieser Aktien veranIasst und Kurssteigerungen auslost. Die Partizipation der

598 an Kurssteigerungen der Aktien ihrer Untemehmung stellt darum in dieser Sicht eine Beteiligung am Untemehmenserfolg dar.

Ftihrungskrăfte

Leistungs- und Soziallohn konnen bei dieser Interpretation alsAbschlag aufdie Vergatung, der Erfolgsanteil als Restgrope interpretiert werden. Einer solchen Interpretation ist schon friih mit dem Argument widersprochen worden, Erfolgsbeteiligung konne nicht die Unzulănglichkeiten des Lohn- und Gehaltssystems ausgleichen (vgl. Schanz 1985, 76). Die Erfolgsbeteiligung hat in der Tat keine Reparaturfunktion, sondem sie stellt eine erfolgsabhtingige Vergiitungskomponente dar, wâhrend Leistungs- und Soziallohn im Prinzip erfolgsunabhăngig gezahlt werden. Diese Unterscheidung rechtfertigt eine Darstellung der Erfolgsbeteiligung neben der Darstellung von Vergiitungssystemen wie in Kapitel6 des III. Teils. Wie bereits bei der Bemessung des Leistungslohns ist das Ziei der gerechten Erfolgsbeteiligung nicht operationa-lisierbar, weil die Zurechnung von Erfolgsanteilen auf einzelne Mitarbeit~r und ihre Leistungsbeitrăge in theoretisch sauberer Form nicht moglich ist. Konventiona-lisierte Losungen dieses Problems sind dagegen durchaus moglich. Die Unlosbarkeit des Erfolgszurechnungsproblems diirfte der Hauptgrund dafiir sein, dass in der Literatur andere, zum Teil soziale Ziele der Erfolgsbeteiligung genannt werden, die diese in die Năhe des Soziallohns Iiicken, wenn nicht sogar explizit einbeziehen. Die in der Literatur genannten sonstigen Ziele der Erfolgsbeteiligung lassen sich dreifach klassijizieren (vgl. Esser/Faltlhauser 1974, 45-47; Gaugler 1975, insbes. 795; v. Eckardstein/Schnellinger 1978, 192-195; Schultz 1987,34-36; Schneider/Zander 1990, 39-55): (1) Leistungsorientierte Ziele gehen von der Prămisse aus, dass Erfolgsbeteiligung Interesse an der Untemehmung und an untemehmerischem Handeln weckt. Genau genommen wird Motivation zur Leistung durch die Beteiligung am Erfolg unterstellt. Da individuelle Leistung aber nicht oder nur ausnahmsweise auf den Untemehmungserfolg zurechenbar ist und die Erfolgsbeteiligung in der Regel erst lange nach der Leistung eiIies Mitarbeiters am Periodenende ausgeschiittet wird, sind motivationale EfIekte fUr ausfilhrendes Personal weder erklărbar noch zu erwarten. Dies gilt in gleicher Weise auch fUr das Ziei, durch Erfolgsbeteiligung den Wunsch nach besserer Zusarnmenarbeit des Personals zu wecken und wach zu halten. Auch eine Verlustbeteiligung ist aus dem gleichen Grund mit leistungsorientierten Zielen nur schwer vereinbar. FUr FahrungskrCijte mit langfristiger Orientierung ihres Interesses an Untemehmungszielen ist die Leistungsorientierung dagegen als Ziei besser nachvollziehbar. Genau dieses Ziei wird mit AktienoptionsplCinen fUr Ftihrungskrăfte

599 von Aktiengesellschaften verfoIgt. Fiir ausfiihrendes Personal sind Ieistungsorientierte Ziele noch am besten durch eine Verkniipfung von LeistungsIohnen mit einer ErfoIgsbeteiligung erreichbar (s. Teil III, 7.2.2.). (2)

Sozialpolitische Ziele haben die alIgemeine Verbesserung der Lebenssituation des Personals zum Gegenstand: Der ErfoIgsanteil wird dem Personal quasi als Ausfluss der Fiirsorge des Untemehmers oder der Geschăftsleitung geschenkt. Unter dieser Zielsetzung wird die ErfoIgsbeteiligung zum Soziallohn. Sozialpolitische Ziele der ErfoIgsbeteiligung sind allerdings nur dann gIaubwiirdig, wenn sie in ein sozialpolitisches Gesamtkonzept der Fiirsorge einer Untemehmung fUr ihre Mitarbeiter eingebunden werden. Dies ist auch dann der FalI, wenn der ErfoIgsanteil nicht mehr an die Mitarbeiter ausgeschfittet, sondem als Investivlohn (s. Teil III, 7.3.1.) in eine Vermogensbeteiligung umgewandelt wird. Gaugler weist darauf hin, dass dieses sozialpolitische ZieI seit den 60er Jahren wachsende Bedeutung mit dem Nebeneffekt erlangt hat, dass die Eigenkapitalbasis der so verfahrenden Untemehmungen verbessert worden ist (1982, 130). Eine Verlustbeteiligung ist mit sozialpolitischen Zielen nicht kompatibel.

(3) Akquisitorische Ziele haben die Bindung des vorhandenen Personals an die Untemehmung sowie die Anwerbung von neuem Personal zum Gegenstand. Akquisitorische Ziele werden umso stârker verfehlt, je gleichîormiger die ErfoIgsbeteiligung nach BezugsgroBe und Hohe je Mitarbeiter wird. Dies ist insbesondere in Aktiengesellscha:ften dann der FalI, wenn wie so ofi eine Politik der Dividendenkontinuitt'it mit weitgehend konstanter Dividende unabhăngig von der Ertragslage betrieben und der ErfoIgsanteil des Personals pauschal z. B. gleich der Dividendensumme gesetzt wird. Fiir die Wirkungslosigkeit akquisitorischer Ziele spricht auch die Beobachtung, dass die Fluktuationsbereitschaft des Personals in ertragsstarken Perioden mit Oberbeschăftigung steigt und in ertragsschwachen Perioden mit Unterbeschăftigung absinkt. Aufierdem sind akquisitorische Ziele und Verlustbeteiligung inkompatibel.

7.2.1.2. Voraussetzungen Die materiellen Voraussetzungen einer Erjolgsbeteiligung sind einfach: Es muss ein Erfolg erzielt worden sein, und die Untemehmungsleitung sowie die Anteilseigner miissen bereit sein, einen Teil dieses ErfoIgs an das Personal auszuschfitten. Diese Bereitschaft diirfte umso Ieichter fallen, wenn die Untemehmung (1) groB und ertragreich ist und mao (2) wegen breit gestreuter Anteile davon ausgehen kann, dass

600

an Ausschiittungsmaximierung interessierte Anteilseigner sich nicht organisieren und der Erfolgsbeteiligung des Personals widersetzen konnen. Dieformalen Voraussetzungen fUr eine Erfolgsbeteiligung sind (1) eine einseitige Erklârung der Unternehmungsleitung von FalI zu FalI, (2) eine vertragliche Zusage durch Ergănzung des Arbeitsvertrags, (3) ein Tarifvertrag oder (4) eine Betriebsvereinbarung (vgl. Schneider/Zander 1990, 99-103). Auf die Voraussetzungen von Aktienoptionsplănen wird aus systematischen Griinden nachfolgend einzugehen sein (s. Teil m, 7.2.2.2.).

7.2.1.3. Probleme

Die Probleme der Erfolgsbeteiligung ergeben sich aus dem Zwang, einen wenn schon nicht absolut gerechten, so doch objektivierbaren Verteilungsmodus zu finden, der dem okonomischen ZieI wenigstens in etwa Rechnung trăgt und von Anteilseignem, Untemehmungsleitung und Personal akzeptiert wird. Gaugler nennt vier Teilprobleme, die das komplexe Verteilungsproblem prăzisieren (vgl. 1982, 128-129); ein:fiinftes und sechstes Problem nennt Laux in Anlehnung an Hax (1997, 105-106) erganzend: (1) Die Wahl einer okonomischen Erfolgsgro.6e als Ansatzpunkt der Erfolgsbeteiligung. (2) Die Bestimmung desjenigen Anteils dieser Erfolgsgro.6e, der dem Personal als Beteiligung zuflie.6en solI. (3) Die Ermittlung individueller Beteiligungsquotenje Mitarbeiter. (4) Die Verwendung des individuellen Erfolgsanteils zur Ausschiittung oder ganz beziehungsweise zum Teil zur Vermogensbildung. (5) Die Bezugsgro.6e der Erfolgsbeteiligung kann Manipulationen durch die Entscheidungstrăger unterliegen. (6) Erfolge miissen nicht beziehungsweise nicht allein von der Bemessungsgrundlage, sondem auch von beeinflussenden anderen Entscheidungen abhăngen (Entscheidungsverbundenheit). Probleme von Aktienoptionspllinen werden aus systematischen Griinden handelt (s. Teil m, 7.2.2.2.).

spăter

be-

Die Losung des Bezugsgro6enproblems fUr eine Erfolgsbeteiligung kniipft am Erfolgsausweis der intemen (jder extemen Rechnungslegung an. Nur fUr Aktienoptionsplăne als Sonderform einer Erfolgsbeteiligung ist der Borsenkurs der Aktien einer Aktiengesellschaft Bezugsgro6e.

601 Die bisher entwickelten Verteilungsl6sungen haben, von theoretischen Einwănden abgesehen, einen erheblichen Nachteil: Sie stehen wie das "Pro-Kopf-Prinzip" entweder im Widerspruch zu allen Ansatzen einer Individualisierung oder sie individualisieren wie das "Leistungs-Prinzip" unabhăngig von Bediirfnissen des Personals. Eine exakte, individualisierte Verteilung des Erfolgs nach dem person1ichen Leistungsbeitrag des Mitarbeiters ist zwar erwiinscht, aber nur begrenzt moglich, weil individuelle Beitrage zum Untemebmungserfolg in arbeitsteiligen Untemebmungen bei ausfiihrendeIIi Personal und bei Fiihrungskrăften nicht willkiirfrei zuordenbar sind. Unter der Prămisse der Zurechenbarkeit miisste femer das Erfolgsrisiko durch eine zusatzliche Risikoprămie je Mitarbeiter abgedeckt werden, die mit der Hohe des Risikos einerseits und der Risikoaversion des Mitarbeiters andererseits steigen miisste (vgl. Laux 1992, 121). Die mit der Prămienbestimmung verbundenen Messund Zurechnungsprobleme nebmen zu, je arbeitsteiliger die Leistungserstellung organisiert ist. Ein Losungsansatz kann darin bestehen, dass jeder Mitarbeiter nur an dem von ibm selbst beeinflussbaren Gewinn beteiligt wird (vgl. Laux 1995, 488493). De facto ist dieser Ansatz aber nur fUr ranghohe Manager diskutabel. Das fiinfte und sechste Problem existiert vor allem fUr ranghQchste Entscheidungstrager. Heuristische Wege zor Losung dieses Problems hat Laux (vgl. 1995, XXIV.) innerhalb eines sehr engen Prămissenrahmens aufgezeigt. Um bei der Erfolgsbeteiligung mit Soziallohncharakter einen Schritt hin zor lndividualisierung tun zu konnen, miisste die Erfolgsbeteiligung in das Cafeteria-Prinzip einbezogen werden. Dies konnte so geschehen, dass statt der Erfolgsbeteiligung zusătzliche Soziallobnaltemativen wăhlbar werden oder dass bei Erfolgsbeteiligung mindestens zwischen Ausschiittung und Wiederanlage als Vermogensbeteiligung gewăhlt werden darf. Auch die aufgeschobene Vergiitung (s. Teil III, 6.6.) kann mit Einbezug der Erfolgsbeteiligung als Ansatz zor Individualisierung genutzt werden.

Weitere Probleme ergeben sich femer aus der logischen Koppelung von Erfolgs- und Verlustbeteiligung bei Verfolgung des okonomischen Beteiligungsziels (vgl. Scharf 1981, 145-150). Aus Griinden der Gleichbehandlung miisste die Bemessung des Verlustanteils in gleicher Weise wie die Bemessung des Erfolgsanteils je Mitarbeiter erfolgen. Da bereits ausgeschiittete Erfolgsanteile nur schwer wieder riickgefordert werden konnen, wenn ein Periodenverlust angefallen ist, liegt eine andere L6sung nahe, die sich als Analogie am Modell der Gewinnrucklage nach §§ 266 und 272 HGB orientiert: Ein Teil des Erfolgsanteils wird ·einbehalten und als Arbeit-

602 nehmerdar/ehen zurn kapitalmarktiiblichen Zinssatz verzinst (s. Teil III, 7.3.2.). Mit diesem Arbeitnehmerdarlehen konnen dann in Verlustjahren Verlustanteile verrechnet werden. Auf eine ăhnliche Form praktizierter Verlustbeteiligung macht Gaugler schon frtih aufmerksam (1982, 133): Verlustbeteiligungen werden vorgetragen und in den Folgeperioden mit Erfolgsbeteiligungen verrechnet. Praktizierte Modelle einer Verlustb~teiligung haben sich in der Vergangenheit nur dann durchgesetzt, wenn Erfolgs- und Vermogensbeteiligung miteinander kombiniert worden

sind (vgl. Guski/Schneider 1983, 159-162).

7.2.2. Alternativen der Erfolgsbeteiligung 7.2.2.1. Leistungs-, Ertrags- und Gewinnbeteiligung 7.2.2.1.1. Bemessungsgrundlagen Die vor allem von der Praxis entwickelte und in der Literatur diskutierte Vielzahl von Beteiligungsaltemativen Iăsst sich in drei Gruppen zusammenfassen (vgl. EsserlFaltlhauser 1974,25-31; v. Eckardstein/Schnellinger 1978, 195-198; Goossens 1981, 496-516; Gaugler 1982, 129-130; Schanz 1985, 76-84; Starke 1986, 38-39; Schneider/Zander 1990, 60-99): (1) Die Leistungsbeteiligung mit den Varianten der Produktions-, der Produktivitats- und der Kostenersparnisbetei ligung kntipft an der Steigerung betrieblicher Produktionsmengen oder Faktorrninderverbrăuchen an, fur die Prămien gewăhrt werden. Genau genommen handelt es sich bier um einen Pramien/ohn und keine Erfolgsbeteiligung. Diese in den 50er Jahren entwickelte Beteiligungsform existiert noch immer, hat aber an Bedeutung verloren. (2) Die Ertragsbeteiligung mit den Varianten der Nettoertrags-, der Wertschop" jungs-, der Rohertrags- und der Umsatzbeteiligung kntipft am Betriebs- oder Untemehmungsertrag an. Der Nettoertrag wird in der Regel als Saldo aus Betriebsertrag und -aufwand errechnet und dann um den kalkulatorischen Unternehmerlohn und die kalkulatorische Verzinsung des Eigenkapitals gekiirzt. Vom Nettoertrag wird dann ein zuvor festgelegter Anteil als Erfolgsbeteiligung ausgeschtittet. Da Betriebsertrag und -aufwand bei Verwendung des Gesamtkosten- wie des Umsatzkostenverfahrens gemăfi § 275 HGB Bewertungsspielrăume lassen, ist die Erfolgsbezugsgr06e manipulierbar: Sie vemachlăssigt Leistungsbeitrăge nicht produzierender Abteilungen. Sie Iăsst femer Verăn-

603 derungen von Marktpreisen ungefiltert durchschlagen, was allerdings mit der hier vertretenen Auffassung der Erfolgsbeteiligung als Restgro6e kompatibel ist. Dies gilt analog fUr den Rohertrag und die WertschtJpjung (Rohertrag ./. Aufwand fUr Leistungen betriebsfremder Dritter) sowie die Umsatzbeteiligung (Umsatz betrieblicher Leistungen). Alle Bezugsgro6en fangen nur Teile der betrieblichen Leistung und des Erfolgs ein. Bitz hat bereits 1971 darauf aufmerksam gemacht, dass bei Ertragsbeteiligungsmodellen eine Erfolgsbeteiligung zu Lasten der Anteilseigner auch dann ausgeschOttet wird, wenn Verluste angefallen sind (1971, 105). Die Ertragsbeteiligung ist somit eine hOchst unvollkommene Erfolgsbeteiligungsaltemative. (3) Die Gewinnbeteiligung mit den Varianten der Ausschilttungs- und der Unternehmungsgewinnbeteiligung kniipft am Gewinn der Handels- oder Steuerbilanz an. Zu diesem Gewinn hat das gesamte Personal beigetragen. Dieser Gewinn enthălt aber auch auBerordentiiche Ertrăge und Aufwendungen und kann aufgrund von Ansatz- und Bewertungswahlrechten in Grenzen manipuliert werden. Die vermeintlichen Vorzii~e des. Steuerbilanzgewinns aufgrund weitgehend eingeschrănkter Ansatz- und Bewertungswahlrechte werden durch den Zwang 'zu Korrekturen wieder relativiert, so dass der Handelsbilafi?:gewinn mit Korrekturen um kalkulatorischen Untemehmerlohn und kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital als ebenso brauchbare Grundlage erscheint (vgl. Schanz 1985, 78-79). Erjolgsbeteiligung in Unternehmungen mit Gescht'ijtsbereichsorganisation setzt voraus, dass je Geschăftsbereich ein Gewinn ausgewiesen wird, der dem Gewinn der Handels- oder Steuerbilanz formal entspricht. Sinnvoile Konsequenz einer Erfolgsbeteiligung bei Geschăftsbereichsorganisation ist allerdings, dass Geschăftsbereiche mit Verlustausweis keine Erfolgsbeteiligung zahlen, wăhrend gleichzeitig Geschăftsbereiche mit Gewinn ihren Mitarbeitem eine Erfolgsbeteiligung gewăhren. Die Ausschattungsgewinnbeteiligung der Aktiengesellschaft kniipft entweder an der Dividendensumme oder am Dividendensatz (Ausschiittung je Anteil zu dessen Nennwert) an. Im ersten Fali wird die Erfolgsbeteiligung als Ganzes in Hohe der Dividendensumme festgelegt und dann auf die einzelnen Mitarbeiter aufgeschliisselt. Dieses Procedere geht implizit von der Pranusse aus, dass der Erfolgsbeitrag des Kapitals gleich dem der Arbeit ist - eine willkiirliche Annahme, die aber ofIensichtiich in vielen Ufitemehmungen akzeptiert wird. Im zweiten Fali wird die Periodenlohnsumme, z. B. der Jahreslohn, mit dem Dividendensatz der Aktionăre multipliziert, was theoretisch vollig unhaltbar ist, da keine Kausalbeziehung zwischen Dividendensatz und Lohn besteht.

604 Die Unternehmungsgewinnbeteiligung knupft am Handelsbilanzgewinn an. Dieser ist durch Auflosung oder Bildung stilIer Rucklagen allerdings ebenso manipulierbar, wie durch Zuweisungen zu den Gewinmiicklagen oder durch Auflosung dieser Rucklagen. Wegen dieser Manipulationsmoglichkeiten ist das seit 1986 in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 Abs. 2 und 3 HGB ausgewiesene "Ergebnis der gewohnliehen Gesehiiftstătigkeit" ein etwas geeigneterer Ansatzpunkt fUr eine Erfolgsbeteiligung, da es zumindest keine auBerordentliehen Au:fwendungen und Ertrage enthaIt. Diese ErfolgsgroBe muss auf Anteilseigner und Mitarbeiter so aufgeteilt werden, dass mindestens eine marktkonforme Verzinsung des Eigenkapitals einsehlieBlieh einer Risikopramie moglieh wird. Als angemessener Zinssatz sind die Opportunitătskosten des Eigenkapitals anzusehen, nămlich der Kapitalmarktsatz fUr langfristige festverzinsliehe Anlagen (ăhnl. Seharf 1981, 120). Die auf den Einsatz von Fremdkapital entfallenden Gewinnanteile gelten als mit dem Fremdkapitalzins abgegoIten. Dieser wird vor Erreehnung des "Ergebnisses der gewohnliehen Gesehiiftstătigkeit" bereits abgesetzt. Gaugler stelIte bereits 1982 fest, dass eine klare Tendenz von der Leistungs- oder Ertragsbeteiligung weg und hin zur Gewinnbeteiligung besteht und dass diese aus den sozialpolitisehen Zielen der Erfolgsbeteiligung erklarbar wird (1982, l30-l31). Dieser Trend haIt bis heute an. Bemerkenswert ist die steuer/iche Behandlung der Unternehmungsgewinnbeteiligung. VorstelIbar ware eine Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter aus dem versteuerten Gewinn analog der AussehUttung an die Anteilseigner. Der Fiskus hat sieh jedoeh eine Uberlegung zu Eigen gemaeht, wie sie aueh hier vertreten worden ist (s. Teil III, 7.2.1.): Erfolgsbeteiligung ist naehgeholter Leistungslohn. Daher ist die Gewinnbeteiligung des Personals so, wie der Lohn, eine Betriebsausgabe. Sie kUrzt deshalb die Steuerbemessungsgrundlage.

7.2.2.1.2. VerteilungslOsungen Bei der Pauschalverteilung geht es um die Bestimmung desjenigen Erfolgsanteils, der insgesamt auf das Personal entfallen solI. Die Pausehalverteilung wirft die zuvor bereits als theoretiseh nieht exakt lOsbar eingestuften Zureehnungsprobleme auf. Der Aufteilungsmodus muss daher lediglieh als fair, gereeht oder akzeptabel empfunden werden, und zwar von den Anteilseignem ebenso wie vom Personal (vgl. Sehanz 1985, 80; Sehultz 1987, 56, 57). Das Attribut der Faimess wird bei der Geltung des Gleichbehandlungsprinzips bei der AktiengeselIsehaft die Grundidee der Dividen-

605 densummenbeteiligung noch am ehesten fUr sich rekIamieren konnen, nămlich eine gleich hohe Ausschiittung von Dividenden oder Gewinnanteilen sowie Erfolgsanteilen. Auf jeden FalI muss aber der auf die Anteilseigner entfaliende ErfoIgsanteil eine marktkonforme Verzinsung des Eigenkapitals gewahrleisten und bei Mitarbeit in der Untemehmung den kalkulatorischen Untemehmerlohn abdecken (vgl. Starke 1986, 52-53), der um Gehaltszahlungen an Anteilseigner in der Geschăftsfiihrung zu kiirzen ist. Insgesamt foIgt die Gewinnaufteilung weitgehend dem Schema (vgl. Scharf 1981, 117) in Abb. III. 17.

Ergebnis der gewohnlichen Geschăftstătigkeit nach § 275 Abs. 2 und 3 HGB ./. kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital ./. kalkulatorischer Untemehmerlohn nach Korrektur ./. Dotierung von Rilcklagen (bei der AG "Gewinnrilcklagen") = Verteilungsfăhiger Gewinn

I

I

I

Gewinnanteil der Anteilseigner

Gewinnanteil des Personals

Aufteilung des Gewinnanteils auf einzelne Anteilseigner

Aufteilung des Gewinnanteils auf einzelne Mitarbeiter

I

I

nach Kapitalanteil

Abb.

I

I

nach sonstigen Kriterien

I

nach Kopfen

nach dem Leistungslohn

I

nach sonstigen Kriterien

m. 17. Aufteilung des Untemehmungsgewinns

Eine solche Aufteilung geht davon aus, dass die Verzinsung des Eigenkapitals als Ăquivalent der Mitarbeiterent10hnung anzusehen ist. Zur lndividualverteilung des Erjolgsanteils auj das Personal kommen mehrere BezugsgrOfien in Frage, die seit Iangerem in der Literatur vertreten werden (vgl. Goossens 1981, 525-526; Gaugier 1982, l31-l32). Unter diesen sind zwei gut begriindbar, nămlich (1) die Verteilung nach Kopfen und (2) die Verteilung nach der LeistungsIohnsumme je Person. Dass eine Individualaufteilung des Erfolgs auf der Grundlage von Valenzen in Erwartungswert-Theorien (s. TeillII, 2.3.3.-2.3.5.) operational moglich ist, ist zwar behauptet worden (vgl. Strack 1984, 44-51), scheitert aber an unlosbaren Zurechnungsproblemen.

606 Die Verteilung nach Kopjen lost sich vollig von produktiven Leistungen des Personals. Diese Verteilungsregel ist nicht mit okonomischen, wohl aber mit sozialpolitischen Zielen der Erfolgsbeteiligung vereinbar. Der individuelle Erfolgsanteil Ei fur Person i bei i = 1...n anspruchsberechtigten Personen und einem verteilungsfahigen Erfolgsgesamtanteil von EB ist dann E.=EB 1 • n Diese Verteilungsregel wurde nach Feststellung Gauglers bevorzugt von solchen Untemehmungen gewiihlt, die den Erfolgsanteil ihrer Mitarbeiter als Investivlohn in eine Vermogensbeteiligung umwandeln. Dies geschieht offensichtlich mit dem sozialpolitischen ZieI, die Mitarbeiter in niedrigen Entgeltgruppen stărker an der Vermogensbildung teilhaben zu lassen (Gaugler 1982, 131). Die Verteilung nach der Leistungslohnsumme je Person ist ein sinnvoller Ansatz, wenn die Leistungsbeitrage des Personals als Ursache der Erfolgsentstehung angesehen werden und die Leistungslohnsatze anforderungsgerecht, leistungsgerecht und gegebenenfalls qualifikationsgerecht abgestuft worden sind (s. Teil III, 6.3.). Verursachungsgerecht und zugleich exakt ist diese Verteilungsregel allerdings nicht. Verschiedene Verteilungsmodi sind moglich (vgl. Scharf 1981, 130-135, 139), unter denen hier der plausibelste vorgeschlagen wird. Ist Lit der Leistungslohn von Person i im Monat ~ und ist EB der Erfolgsanteil, der an das Personal insgesamt verteilt werden solI, so errechnet sich der Erfolgsanteil Ei von Person i wie folgt: EB

Ei =

n 12

L L Lit

°L Lit· 12

1=1

i=1 1=1

Eine Korrektur der Verteilung nach der Leistungslohnsumme um Abziige fur Fehlzeiten und Urlaub entfallt, da das fur diese Zeiten bezahlte Entgelt ohnehin nicht Leistungs-, sondem Soziallohn ist. Festzulegen ist lediglich noch der Kreis der anspruchsberechtigten Mitarbeiter und der Zeitpunkt, ab dem ein Anspruch auf Erfolgsbeteiligung entsteht oder entfallt. Die Verteilung nachsonstigen Kriterien wie z. B. der Dauer der BetriebszugehOrigkeit ist moglich, aber okonomisch nicht begrtindbar.

607 Wird die Erfolgsbeteiligung als Anreiz jar Fahrungskriijte in Aussicht gestellt, so enthâlt die Koppelung an den Leistungslohn einen geflihrlichen Automatismus: Individuelle singulăre Erfolgsbeitrăge einzelner FiihrungskrMle werden quasi nivelliert wenn der Leistungslohn nicht alle Erfolgsbeitrăge einer Person als Komponenten von deren Leistung explizit erfasst. Eine plausible Festlegung individueller Beteiligungsquoten durch die Anteilseigner oder deren Vertretung z. B. im Aufsichtsrat ist hier vorzuziehen. Plausibilităt konnte dadurch erreicht werden, dass Erfolgsanteile von FiihrungskrMlen aufgrund von Zielvereinbarungen (mbo) und Graden der Zielerreichung festgelegt werden, wie dies auch fiir die gespaltene Vergiltung (s. Teil III, 6.4.) vorgesch1agen wird. Alternativ zu dieser Fonn der Erfolgsbeteiligung kann fiir FiihrungskrMle zumindest in Aktiengesellschaften a1}ch an Aktienoptionspliine gedacht werden (s. Teil III, 7.2.2.2.). Die Kombination der Verteilungsregeln nach Kopfen und nach der Leistungslohnsumme, wie sie in der Literatur vorgesch1agen und in der Praxis angewandt worden ist (vgl. SteinmannlMii1ler/Klaus 1982, 120-121~ Gaugler 1982, 131-132), ist bei mehrfacher Zielsetzung erwăgenswert: Dem sozialpolitischen ZieI der Vennogensbildung und dem okonomischen ZieI relativ gerechter Entlohnung genugt eineAujspaltung des Erfolgsanteils EB in eine Reinvestitionsquote, die nach Kopfen verteilt zu Eigenkapitalanteilen der Mitarbeiter wird, und in eine Konsumquote, die nach Leistungslohnsummen verteilt zur Ausschiittung gelangt. Akquisitorisch wirken vennutlich allerdings weder die einzelnen Erfolgsverwendungsaltemativen noch die Verteilungsregeln, sondern nur das Institut der Erfolgsbeteiligung selbst sowie die Hohe des individuellen Erfolgsanteils Ei' Dem Ansatz zu einer Individualisierung wiirde entsprechen, wenn aufier der Wahlmoglichkeit zwischen Ausschiittung und Wiederanlage einer Erfolgsbeteiligung auch Wahlmoglichkeiten zwischen verschiedenen Altemativen der Vennogensbeteiligung eroffnet werden. Wenn diese Alternativen mit unterschied1ichen, als Soziallohn interpretierbaren Vorzfigen ausgestattet sind, ist ihr Einbezug in das Cafeteria-Prinzip im Zuge der Soziallohnbestimmung (s. Teil III, 6.5.l.3.) sinnvoll und in den Grenzen moglicher Betriebsvereinbarungen nach § 88 Ziff. 3 BetrVG auch praktikabel.

7.2.2.2.

Aktienoptionsplăne fur Fiihrungskrăfte

Die Idee der Aktienoptionsplăne (stock option plans) stammt aus den USA und :fi.illt auf dem Shareholder-Value-Konzept. Dieses Konzept besagt, dass die Anteilseigner von Aktiengesellschaften den Marktwert ihrer Aktien maximieren wollen. Sie erwarten deshalb von der Leitung· ihrer Gesellschaft, dass diese die

608 warten deshalb von der Leitung ihrer GeselIschaft, dass diese die AktiengeselIschaft gemăfi diesem ZieI der Anteilseigner fiihrt (vgl. Rappaport 1986; 1995, insb. Kap. 8; Schwetzier 1994, 322; BemhardtIWitt 1997). Die Marktwertsteigerung der Aktien Iăsst sich durch den Anstieg von deren BOrsenkurs messen. BOrsenkurssteigerungen sind in diesem Konzept die Folge von steigenden Gewinnerwartungen fUr deren Erfiiliung die Filluungskrăfte durch ihr untemehmerisches Handein sorgen miissen. Der Iogisch zwingende năchste Schritt hin zum Aktienoptionsplan besteht dann darin, Filluungskrăfte an den durch sie ausgeiOsten Aktienkurssteigerungen zu beteiligen. Die Erwartung der Beteiligung wirkt als Anreiz, der VolIzug der Beteiligung als implizite Erfolgsbetei~igung und zugieich als Vermogensbeteiligung der Fiihrungskrăfte. Ein Aktienoptionsplan gemiill dieser Idee liegt dann vor, wenn eine AktiengeselIschaft eigene Aktien fUr ihre oberen Filluungskrăfte anbietet, die diese innerhalb einer festgeIegten Frist zu einem zuvor festgeIegten Preis, dem Optionspreis, erwerben kOnnen. In der Regei wird als Optionspreis der BOrsenkurs zum Zeitpunkt des Bezugsangebots, also der Einrăumung der Option, vereinbart. AlIerdings kann die Option, nămlich die Aktie zu beziehen oder auf den Bezug der Aktie zu verzichten, erst nach Abiauf einer Sperrfrist ausgeiibt werden (vgl. Schwetzler 1999, 332-334). Zur Abwicklung des Aktienoptionsplans kann die planende AktiengeselIschaft eine bedingte KapitalerMhung gemiill §§ 192 und 193 AktG durch:fiihren, die kaum zusătzliche Liquidităt beansprucht. Sie kann aber auch gemăfi § 71 AktG eigene Aktien an der BOrse kaufen, was ihre Liquidităt belastet. Die Kaufoption fUr Aktien der eigenen GeselIschaft wird von den Filluungskrăften nur dann ausgeiibt werden, wenn der BOrsenkurs zum Bezugszeitpunkt iiber dem Optionspreis liegt. Das Risiko eines Kursverlusts liegt somit grundsătzlich bei der Untemehmung und nicht bei den Der Erwerb eigener Aktien ist dabei fUr die planende Untemehmung grundsătzlich riskanter als die bedingte KapitalerMhung.

Filluungskrăften.

An der Dariegung der Idee von_ AktienoptionspIănen werden deren miteinander verbundenen Ziele Ieicht erkennbar: (1) Die Filluungskrăfte sollen zu MaBnahmen motiviert werden, die den Gewinn und den Marktwert ihrer AktiengeselIschaft steigem. (2)

Die Filluungskrăfte solIen sich an den Interessen ihrer Anteilseigner und nicht an ihren eigenen Interessen orientieren.

(3)

Opportunistisches Verhalten der Filluungskrăfte solI unterdriickt werden und so zu minimalen Transaktionskosten fiihren.

609 In transaktionskostentheoretischer Sicht wiiren Aktienoptionsplăne soweit ein perfektes Anreizsystem fur Fiihrungskrâfte von Aktiengesellschaften: Es wiirde sie veranlassen, ihre ofIenen Arbeitsvertrage selbstăndig zum Wohl der Gesellschaft und ihrer Anteilseigner auszufiihren. Die Fiihrungskrâfte wiirden annahmegemiill zu guten Agenten ihrer Aktioniire als Prinzi pal. Genau dieser EfIekt wird durch die Prămissen und Probleme von Aktienoptionsplănen jedoch vereitelt, mindestens jedoch gefahrdet. Idee, Ziele und transaktionskostentheoretische Betrachtung von Aktienoptionsplanen machen auf deren insgesamt sieben Pramissen aufmerksani: (1)

(2) (3) (4) (5)

(6) (7)

Gewinne und Verluste einer Aktiengesellschaft sind ausschlie6lich auf Entscheidungen und Handlungen von deren Fiihrungskrâfte zuriickzufiihren. Sie sind unabhăngig vom Handeln der iibrigen Mitarbeiter der Gesellschaft. Zufallsgewinne und -verluste sind ausgeschlossen. Gewinne oder Verluste werden im JahresabschlUSS ohne Nutzung von Bewertungs- oder Ansatzwahlrechten manipulationsfrei ermittelt. Die manipulationsfrei ermittelten Gewinne werden an die Aktioniire ausgeschUttet oder fur vorteilhafte Investitionsprojekte einbehalten. Anleger auf dem KapitaImarkt orientieren sich bei Kauf oder Verkauf von Aktien ausschlie6lich an den Ausschiittungen der Gesellschaft oder an deren vorteilhaften Investitionen und daraus abgeleiteten Gewinnerwartungen. Nur das Verhalten der so orientierten Aktioniire beeinflusst den Aktienkurs der betrachteten Gesellschaft und der KapitaImarkt insgesamt bewertet die Aktie der betrachteten Gesellschaft richtig.

Zumindest in der deutschen Realitat ist keine dieser Prămissen erfiillt. Genau das macht die Prob/ematik vonAktienoptionsp/anen aus. In verschiedenen empirischen Studien wird auBerdem nachgewiesen, dass sich die oberen Fiihrungskrâfte weder in den USA noch in Deutschland an den Interessen ihrer Aktioniire orientieren (vgl. Schwetzler 1999, 333-334). Uniibersehbar ist auch die Gefahr, dass Fiihrungskrâfte sich auf kurzfristige Gewinnsteigerungen konzentrieren und langfristige Strategien mit positiven Erfolgswirkungen vemachlassigen. Eine Verkaufssperre fur die im Rahmen von Aktienoptionsplănen erworbenen Aktien kann diese Gefahr nur begrenzen aber nicht ausschlie6en. Uniibersehbar ist auch die Gefahr einer opportunistischen GestaItung von Aktienoptionsplănen insbesondere bei Ausgabekursen, Optionsfristen und Verkaufssperren, wenn die begiinstigten Fiihrungskrâfte selbst Einfluss auf die GestaItung der Aktienoptionsplăne nehmen konnen. Zur Problematik

610

von Aktienoptionen gehOrt auch, dass der US-amerikanische sich erheblich vom deutschen Kapitalmarkt unterscheidet, weshalb das bereits in den USA kritisierte Konzept der Aktienoptionsplane nicht auf Deutschland "libertragen werden sollte (vgl. BemhardtIWitt 1997, 94-96). Die Gefahr der falschen Bewertung der Aktie einer Aktiengesellschaft mit Aktienoptionsplan durch den Kapitalmarkt wird auch in der Praxis gesehen. Die von der Praxis gewahlten Korrekturalternativen begegnen dieser Gefahr jedoch nur unzulanglich. Beispiele fiir solche Korrekturaltemativen sind: (1) Der Kursanstieg der eigenen Aktie muss "liber dem Anstieg des DAX, (2) "liber dem Kursanstieg aller Aktien der eigenen Branche oder (3) "liber demjenigen der drei schărfsten Wettbewerber liegen. Die Wardigung von Aktienoptionsplanen kommt vor dem Hintergrund ihrer Ziele, Prămissen und Probleme zu dem ersten Ergebnis, dass diese Kombination aus Anreizsystem, Erfolgs- und Vermogensbeteiligung den betroffenen Fiihrungskraften Vorteile bietet, ohne dass die Untemehmung selbst und ihre Anteilseigner vergleichbare Vorteile erlangen. Sie kommt zu einem zweiten Ergebnis bei PIii:fung der transaktionskostentheoretischen Beurteilung: Die Anreizwirkung fiir F"lihrungskrafte, stets im Interesse ihrer Aktionlire zu handeln, tritt nur zufallig auf, so dass Aktienoptionsplane das opportunistische Verhalten betroffener Fiihrungskrafte nicht unterbinden. Angesichts dieser Măngel sollte von zumindest deutschen Aktiengesellschaften eine andere, weniger missbrauchbare Alternative der Vergiitung gewahlt werden, auf die Bemhardt und Witt aufmerksam machen (vgl. 1997,97): Fiihrungskraften sollte ein Teil ihrer Vergiitung als Variante des lnvestivlohns in derForm von Aktien ihrer Gesellschaft zum Borsenkurs des Zahlungstags zur Verfiigung gestellt werden.

7.3. Vermogensbeteiligung 7.3.1. Ziele, Voraussetzungen und Probleme der Vermogensbeteiligung 7.3.1.1. Ziele Mit Vermogensbeteiligung des Personals ist gemeint, dass die Mitarbeiter ihrer Untemehmung Eigenkapital oder Fremdkapital zur Verfiigung stellen. Hauptformen der Vermogensbeteiligung des Personals sind Belegschajtsaktien, stille Beteiligung,

611

Genussscheine und Mitarbeiterdarlehen. Das Beteiligungskapital der Mitarbeiter kann erstens aus deren Eigenmitteln oder zweitens ganz beziehungsweise teilweise aus Mitteln der Untemehmung finanziert werden. Die Vennogensbeteiligung wăre im zweitem FalI ein Instrument unternehmerischer Sozialpolitik (s. Teil IV, 4.5.5.). Bei Finanzierung durch die Untemehmung wird dem Mitarbeiter fonnal ein Soziallohn gewlihrt, der uno actu in einen Kapitalanteil umgewandelt wird. Davon zu trennen ist eine Erfolgsbeteiligung des Personals, die ganz oder teilweise in eine Kapitalbeteiligung transformiert wird. Man konnte in diesem FalI von einem Investivlohn sprechen. Ein Investivlohn liegt formal dann vor, wenn Teile der Vergtitung in eine Vennogensbeteiligung umgewandelt werden. Das lange vemachUissigte Investivlohnkonzept wird seit Beginn der 90er Jahre wieder lebhaft empfohlen, um die Probleme der Eigenkapitalbescha:ffung in Untemehmungen der neuen Bundeslănder zu losen (vgl. Sievert 1992). Neben der Beteiligung an· der eigenen Untemehmung ist eine indirekte und eine aberbetriebliche Verm6gensbeteiligung zu unterscheiden, bei der entweder je Mitarbeiter ein Beteiligungsportefeui11e gehalten oder wie z. B. bei der Bayer AG in einem Mitarbeiterfonds analog einem Investmentfonds Anteile an einem Gesamtportefeui11e an die Mitarbeiter ausgegeben werden (vgl. Guski/Schneider 1977, 130-138; Schneider/Zander 1990, 13-16, 184-185), StandardJorm der Verm6gensbeteiligung ist die Eigen- oder Fremdkapitalbeteiligung des Personals an der eigenen Untemehmung, von der im Folgenden vorrangig als Vennogensbeteiligung die Rede sein wird. Die fanJ Ziele der Verm6gensbeteiligung, die seit langem in der Literatur diskutiert werden, sind teils sozialpolitischer, teils okonomischer Natur (vgl. Esser/Falt1hauser 1974, 45-47; v. Eckardstein/Schnellinger 1978, 195; SteinmannlMflller/Klaus 1982,118-120; Gaugler/GroosIWeber 1983, 64-65~ Guski/Schneider 1983,111-114; SchanzlRiekhof 1984,37-40; Stai'ke 1986, 35; Gaugler 1993, 220-222). Vennogensbeteiligung des Personals so11 insbesondere (1) private Vennogensbildung und eine breite Vennogensstreuung herbeifiihren, (2) untemehmerisches Denken, Mitbestimmung und Mitverantwortung des Personals erweitem, (3) Interesse fUr und Bindung an die Untemehmung f6rdem, (4) als akquisitorisches Potential die Anwerbung von Personal erleichtem und (5) die Kapitalbasis, insbesondere die Eigenkapitalbasis verbessem.

612 Wahrend sich das erste ZieI von den Interessen der Untemehmung sowie ihres Personals abhebt und das zweite, vermeintlich motivationale ZieI eine eher ideologische Komponente ăhnlich den Ieistungsorientierten Zielen der ErfoIgsbeteiligung fUr ausfiihrendes Personal hat, sind das dritte, vierte und fiinfte ZieI als okonomische Begriindung einer Vermogensbeteiligung interpretierbar. Schanz stellte allerd,ings schon vor einiger Zeit fest, dass gesellschaftspolitische Zieisetzungen der Vermogensbeteiligung zugunsten untemehmungsbezogener Ziele zurUckgetreten sind, weshalb die durch Beteiligungsmodelle begriindete Partnerschaft pragmatischer und weniger ideologisch geworden ist (1986, 30-31). Zu beachten ist auch, dass die Vermogensbeteiligung der Arbeitnehmer seit dem 4. Vermogensbildungsgesetz (4. VermBG) von 1984, durch das 5. Vermogensbildungsgesetz (5. VermBG) von 1987 in der Fassung vom 19. Januar 1989 sowie vom 4. Mărz 1994 durch die Neuaufnahme des § 19a in das Einkommensteuergesetz vom Staat gefordert wird. Allerdings ist die Steuerbefreiung von 500 DM pro Jahr und Mitarbeiter fUr eine Vermogensbeteiligung gemăfi § 19a Abs. 1 EStG eher bescheiden ausgefallen. Der Versuch einer transaktionskostentheoretischen Interpretation scheitert daran, dass die Vermogensbeteiligung kaum alS Anreiz zur Ausfiillung offener Arbeitsvertrage interpretierbar ist. Auch die These, dass Vermogensbeteiligung das Interesse an der Untemehmung weckt und deshalb erfoIgs- und Ieistungsorientiertes Verhalten îordert, hilft nicht weiter: sie ist weder generell noch zwingend.

7.3.1.2. Voraussetzungen

Voraussetzungen einer Vermogensbeteiligung sind (vgl. Gaugler/Groos/Weber 1983, 70-73; GuskiISchneider 1983, 143-145; SchanzJRiekhof 1984,47-49): -

-

Die Bereitschaft der Untemehmungsleitung und gegebenenfalls der Anteilseigner zu einer solchen Beteiligung, das Interesse des Personals an einer Beteiligung, in vielen FălIen eine MindestzugehOrigkeit des Personals zur Untemehmung, die kaum unter einem Jahr liegt und Grenzwerte bis zu 10 Jahren erreichen kann, Sperrfristen fUr die Veraufierung von Kapitalanteilen insbesondere bei Finanzierung durch die Untemehmung sowie die ZugehOrigkeit zu bestimmten Mitarbeitergruppen.

613

Bei der ersten und zweiten Voraussetzung sind seit langerer Zeit Wertverschiebungen erkennbar, die die Weiterentwicklung von Verm6gensbeteiligungsmodellen begiinstigen (vgl. Schanz 1986, 33-38). Durch das erste und zweite VermOgensbeteiligungsgesetz hat der Gesetzgeber die Beteiligung am Produktionskapital den Vorrang vor der Geldverm6gensbildung gegeben und dazu einige formale Voraussetzungen festgelegt. Das zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene novellierte dritte Vermogensbeteiligungsgesetz erMht den F6rderrahmen von 936 DM auf 1736 DM im Jahr, solange die neuen steuerpflichtigen Einkommensgrenzen von 35000 DM fUr Ledige und 70000 DM fUr Verheiratete nicht iiberschritten werden. Der ForderMchstbetrag wird aufgeteilt in 800 DM fUr Beteiligungen am Produktionskapital und 936 DM fUr Bausparvertrage. Der Staat gewăhrt eine Forderprămie von 20% fUr Kapitalbeteiligungen. Die Wahl zwischen den Verm6gensanlagen ist nach §12 VermBG frei. Durch Tarifvertrag kann in Zukunft die reine Geldvermogensbildung zugunsten der Beteiligung am Produktionskapital ausgescWossen werden. Zur Absicherung der Verm6gensbeteiligung muss der Arbeitgeber mit dem beteiligten Arbeitnehmer nach §2 Abs. 52 VermBG reichlich vage "geeignete Vorkehrungen" treffen. Diese miissen allerdings noch gefunden werden. Insgesamt kann man in diesen neuen Regelungen einen Schritt hin zum Investivlohn sehen (vgl. Schneider 1998, 463).

7.3.1.3. Probleme

Probleme der Vermogensbeteiligung werfen deren Finanzierung, die FungibiliUit der Anteile und die AUsUbung von Stimmrechten aus der Verm6gensbeteiligung auf. Die steuerrechtlichen Probleme der Verm6gensbeteiligung bleiben hier unberUcksichtigt (vgl. Kuchinka 1975; Schneider/Zander 1990, 44-50). Als Finanzierungsquellen von Vermogensbeteiligungen kommen alleine oder in Kombination vor allem Eigenleistungen des Personals aus Vergiitung oder Privatvermogen, femer Zuwendungen der Unternehmung, Erfolgsbeteiligungen sowie tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung begriindete vermOgenswirksame Leistungen in Frage (vgl. Gaugler/Groos/Weber 1983, 75-77; Guski/Schneider 1983, 124-125; Gaugler 1985,52-54). Da mit wachsender Eigenleistung des Personals dessen Beteiligungsquote sinkt (vgl. SchanzlRiekhof 1984,56-57), entsteht das Problem einer angemessenen Mischung aus Leistungen der Untemehmung und Leistungen des Personals, zu dessen L6sung lediglich motivationstheoretische Uberlegungen plausibel sind: Die Untemehmung miisste durch eine Mitarbeiterbefragung (s. Teil 1,5.4.2.5.) herausfinden, ab welcher Eigenleistungsquote das Personal auf eine Verm6gensbeteili-

614 gung verzichtet. Davon unabhangig hat allerdings Schwetzler im Rahmen einer Modellanalyse auf hohem Niveau gezeigt, dass die Beteiligung von Mitarbeitem am Eigenkapital fur die Untemehmung und die Alteigentiimer vorteilhaft ist und Investitionsbeschrănkungen zu reduzieren vennag (vgl. 1989,330-339). Mit Fungibilittit der Vermogensbeteiligung ist die Moglichkeit gemeint, dass ein Mitarbeiter seine Kapitalanteile an Dritte verăufiem oder bei Austritt aus der Unternehmung mitnehmen kann. Wăhrend die Losung dieses Problems bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien relativ einfach isi, nehmen die Losungsschwierigkeiten bei anderen Rechtsfonnen wie der stillen Gesellschaft, der GmbH oder erst recht bei Personengesellschaften stark zu. Grundsătzlich Iăsst sich, aufier bei Aktien, die Fungibilitat von Eigenkapitalanteilen des Personals nach Auslaufen einer Sperrfrist durch Einrichtung einer untemehmungsintemen MitarbeiterC1rse verbessem (vgl. Guski/Schneider 1983, 150-156), die allerdings in groBen besser als in kleinen Untemehmungen organisierbar ist und den durch Angebot und Nachfrage gesteuerten Preismechanismus beachten muss. Mitspracherechte aus der Vennogensbeteiligung entstehen aufier bei stiller Beteiligung nur bei Beteiligung am Eigenkapital der Untemehmung. Bei grOBerem Anteilsbesitz und Vorabkoordination ihrer Interessen konnen die beteiligten Mitarbeiter eine Uberparitat erreichen und versuchen, Personalpolitik mit anderen als den vorgesehenen ublichen Mitteln z. B. in der Hauptversammlung zu machen. Dies ist zum Beispiel bei Hauptversammlungen der Siemens AG oder der BMW AG beobachtbar gewesen, wo Auszubildende bzw. Ingenieure versucht haben, fur sich bessere VergtitungsbediIl:gungen zu erreichen. Denkt man ein solches Problem unter der Prămis­ se steigender Anteile des Personals am Grundkapital der Aktiengesellschaft zu Ende, so wird eine bedenk1iche Einschrănkung des Direktionsrechts der Ftihrungskrafte sichtbar. Problematisch ist femer, dass ehi Anstieg der Anteile des Personals am Eigenkapital der Untemehmung bei Uberschreiten der 50%-Quote zur Zurtickdrangung der alten Anteilseigner fuhrt.

7.3.2. Alternativen der Vermogensbeteiligung 7.3.2.1. Uberblick Vennogensbeteiligungsmodelle fur Mitarbeiter sind von der Praxis vor allem ab den 70er Jahren mit unterschiedlichen Zielsetzungen sowie mit einer groBen Zahl von Variationen entwickelt und in der Literatur breit diskutiert worden (vgl. Esser/Faltl-

615 hauser 1974, 52-88, 97-197~ Guski/Schneider 1977, 165-369~ Gauglerl GroosIWeber 1983, 128-204~ SchanzlRiekhof 1984, 79-228; Milller-VogglSchneider 1985, 19-48~ Starke 1986, 54-72~ Schneider/Zander 1990, 137-140, 150-157, 169-174, 207-219). Die Vielzahl der Vennogensbeteiligungsaltemativen Uisst sich danach gruppieren, ob eine Beteiligung am Fremdkapital oder am Eigenkapital der Untemehmung vorgenommen wird. Beteiligungen am Fremdkapital konnen in den Fonnen des Mitarbeiterdarlehens oder der Mitarbeiterschuldverschreibung (Obligation) mitjeweils unterschiedlicher Ausgestaltung erfolgen. Beteiligungen am Fremdkapital konnen unabhăngig von Rechtsfonn und Grofie einer Untemehmung gewăhlt werden, wenn auch die Obliga-

tion eher grofien Aktiengesellschaften vorbehalten ist. Beteiligungen am Eigenkapital sind problemlos nur bei der Aktiengesellschaft fiber Belegschajtsaktien moglich. Mit vergleichsweise geringen Problemen ist die stille Beteiligung verbunden, die bei fast allen Rechtsformen wăhlbar ist. Genussscheine als Vennogens- und Gewinnbeteiligung ohne Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechte werden zuerst vom 4. und zuletzt vom 5. VermBG in § 2 Abs. 1 Zif!. lf. als fordeningsfâhige Beteiligungsaltemative genannt. Deren praktische Bedeutung ist, von Einzelfăllen abgesehen, allerdings bis heute kaum fiberschaubar (vgl. Guski/Schneider 1983, 129~ Schneider/Zander 1990, 207-209).

Erhebliche, kaum losbare rechtliche und organisatorische Probleme wirft dagegen eine Beteiligung als Gesellschajter an der GmbH oder OHG sowie als Kommanditist an der KG auf. Deshalb sind diese Beteiligungsaltemativen nach in der Literatur weitverbreiteter Ansicht fUr die Praxis bedeutungslos (vgl. Esser/Faltlhauser 1974, 32-44~ Guski/Schneider 1977, 100-123~ Guski/Schneider 1983, 126-128~ Strack 1984, 159-163~ Schanz 1985, 88-91~ Starke 1986, 40-42~ Schneider/Zander 1990, 158-174). Darfiber hinaus sind Kombinationen aus Beteiligungen am Fremd- und Eigenkapital moglich und fiblich. Abb. III. 18. fasst die Fonnen der Vennogensbeteiligung und ihre Finanzierung zusammen. Das Mitarbeiterdarlehen ist ein Geldbetrag, den der Mitarbeiter durch vertragliche Vereinbarung der Untemehmung fUr begrenzte Zeit gegen zahlung von Zinsen zur Verfiigung stellt. Festlegungsfristen, Rfickzahlungsmodalitiiten und ZinshOhe konnen frei vereinbart werden. Man kann jedoch ·davon ausgehen, dass sich die Darlehenskonditionen zumindest hinsichtlich der ZinshOhe an der Situation auf dem Kapitalmarkt zum Zeitpunkt des Vertragsabsch1usses orientieren werden. Verzinst die

616 Unternehmung das Darlehen hOher als marktiiblich, so ist der uberschie6ende Zinsanteil als Soziallohn anzusehen. /

/

Mittelherkunft

"'-

Untemehmungsmittel - - Soziallohn

Eigenmittel der Mitarbeiter

Vennogensbeteillgung

-----

Investivlohn

Eigenes VermOgen oder Einkommen

_ _ _ Belegschaftsaktien \

/ Beteiligungsform en

"'-

Eigenkapitalbeteiligung

_ _ Aktienoptionsplan Mitarbeiterfonds - - Stille Beteiligung _ _ _ Genussschein

Fremdkapital. beteiligung

- - Mitarbeiterdarlehen - - Mitarbeiterschuldverschreibung

Abb. III.18.: Fonnen und Finanzierung der Vennogensbeteiligung

7.3.2.2. Fremdkapitalbeteiligung Mitarbeiterdarlehen konnen nach § 2 Abs. 1 Ziff. lk 5. VennBG in der Fassung vom 4.3.1994 als steuerbegiinstigte vennogenswirksame Leistung behandelt werden, wenn der Arbeitgeber z. B. eine Gewinnbeteiligung in ein Darlehen umwandelt. Diese Beteiligungsfonn hat sich seit den 70er Jahren nach der Belegschaftsaktie als zweithăufigste Alternative durchgesetzt (vgl. Gaugler/Groos/Weber 1983, 106-107; Guski/Schneider 1983, 23). Zuvor war sie sogar die hăufigste Alternative der Vermogensbeteiligung. Die Absicherung des Mitarbeiterdarlehens gegen Konkursrisiken erfolgt durch Bankbtirgschaft oder eine Versicherung. Die Mitarbeiterschu/dverschreibung ist aufUnternehmungen mit Zugang zum Kapitalmarkt, im Wesent1ichen also auf gr06e Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien beschrănkt. Mitarbeiterschuldverschreibungen sind festverzinsliche Wertpapiere, die vom Mitarbeiter zu einem bestimmten Kurswert erworben werden. Emissionskurs, Zinstermin und Zinssatz sowie Laufzeit und Ruckzah-

617 lungsbedingungen konnen in Anlehnung an die Kapitalmarktkonditionen zum Emissionszeitpunkt gewăhlt werden. Werden giinstigere Konditionen eingernumt, so ist die Differenz zur Kapitalmarktkondition wiederum als Soziallohn anzusehen. Schanz wies schon vor einiger Zeit darauf hin, dass auch Gewinnschuldverschreibungen mit Mindestverzinsung und Beteiligung am Gewinn der Untemehmung sowie Wandelschuldverschreibungen mit der Moglichkeit einer spăteren Umwandlung der Obligation in Aktien der Untemehmung als Formen der Mitarbeiterschuldverschreibung gewăhlt werden konnen (1985,88). FOr die Unternehmung bringen Mitarbeiterdarlehen und -schuldverschreibung Liquiditătsvorteile insbesondere dann, wenn das VerschUldungspotential auf dem Kapitalmarkt gering oder bereits ausgeschOpft ist. Genau diese Situation ist allerdings fiir das beteiligungswillige Personal unvorteilhaft, da mit abnehmendem Verschuldungspotential das Anlagerisiko steigt. Die Kapitalstruktur der Untemehmung verschlechtert sich ceteris paribus. Ein Zinsvorteil existiert fiir die Untemehmung allerdings dann, wenn die Fremdkapitalkosten auf dem Kapitalmarkt hOher als die Zinssătze fiir Anleger aus dem Kreis der Mitarbeiter sind. Dies ist in der Regel bei Darlehenszinsen gegeniiber Zinsen festverzinslicher Wertpapiere der FalI: Die Unternehmung nutzt die Zinsspanne aus. Diese Differenz kann durch die Emissionskosten einer Obligation noch erhOht werden. FOr das Personal bringt die Fremd-

kapitalbeteiligung nur dann Vorteile, wenn der Zinssatz - oder die Rendite als Quotient aus Zinsbetrag und Kurs - bei vergleichbarer Sicherheit der Anlage iiber dem fiir das Personal realisierbaren Kapitalmarktniveau liegen. Nennenswerte praktische Bedeutung hat die Mitarbeiterschuldverschreibung im Gegensatz zum Mitarbeiterdarlehen als Beteiligungsform aber bis heute nicht erreicht (vgl. bereits Guski/Schneider 1983, 126, 129-130).

7.3.2.3. Eigeokapitalbeteiliguog 7.3.2.3.1. Stille Beteiliguog uod Kommanditanteil Die stille Beteiligung gemiill §§ 230 bis 237 HGB besteht nach § 230 Abs. 1 HGB aus einer vertraglich vereinbarten Einlage des stillen Gesellschafters in das Vermogen des Inhabers des Handelsgeschăfts. Diese Einlage kann durch Bareinzahlung oder durch Umwandlung einer Gewinnbeteiligung erfolgen. Der stille Gesellschafter ist nach auBen nicht sichtbar. Die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn ist gemiill § 231 Abs. 2 HGB zwingend,

wăhrend

eine Verlustbeteiligung ausge-

schlossen werden kann. BezugsgroBe und Hohe der Gewinn- und gegebenenfalls

618 Verlustbeteiligung mlissen vertraglich so vereinbart werden, dass sie - nach dem Verstăndnis der Vertragspartner - angemessen sind, wobei der Verlustanteil die Einlage nicht libersteigen darf (§§ 231 Abs. 1 und 232 Abs. 2 Satz 1 HGB). Kontrollrechte hat der stille Gesellschafter nur insoweit, als er nach § 233 Abs. 1 HGB eine schriftliche Mitteilung des Jahresliberschusses verlangen und deren Richtigkeit durch Einsicht in d.ie Bilcher und Papiere liberpIiifen kann. Dieses Einsichtsrecht kann an Vertreter der stillen Gesellschafter delegiert werden (vgl. Guski/Schneider 1983, 165). Die Haftung des stillen Gesellschafters ist nach § 232 Abs.2 Satz 1 HGB auf die Einlage begrenzt. Mitwirkungsrechte an der Geschaftsfiihrung hat der stille Gesellschafter nicht. In der Regel konnen stille Beteiligungen nach einer Sperrfrist von drei bis fiinf Jahren untemehmungsintem an andere Mitarbeiter verkauft werden, ohne dass sich dadurch das Eigenkapital der Untemehmung andert. AHerdings ist auch eine Befristung der stillen Einlage moglich. Stille Einlagen konnen nach § 2 Abs. 1 Ziff. li 5. VermBG in der Fassung vom 4.3.1994 als steuerbegtinstigte vermogenswirksame Leistung behandelt werden, wenn der Arbeitnehmer kein Mituntemehmer im Sinn von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist. Die stille Gesellschaft ist mit Einzeluntemehmung, Personen- und Kapitalgesellschaften als Rechtsform vereinbar (vgl. Schanz 1985, 93), so dass dieses Modell als Grundlage unternehmungsspezijisch variierter Eigenkapitalbeteiligungsjormen dienen kann und in der Praxis in zahlreichen Făllen auch gedient hat. Fiir die Unternehmung bietet diese Kapitalbeteiligungsform den Vorteil, zeitlich begrenzt oder unbegrenzt liber Eigenkapital zu verfiigen, ohne dass Mitspracherechte der Miteigenttimer wirksam werden (vgl. Schneider/Zander 1990, 143-145). AuBerdem sind die Kapitalkosten dieser Beteiligungsform unabhangig vom Marktzins. Fiir das Personal hat diese Beteiligungsform den Vorzug, am Gewinn der Untemehmung partizipieren zu konnen, ohne am Verlust partizipieren zu miissen. Die stille Beteiligung hat sich nach Belegschaftsaktie und Mitarbeiterdarlehen schon seit langerem als dritthaufigste Beteiligungsaltemative durchgesetzt (vgl. Gaugler/Groos/Weber 1983, 107). Die Eigenkapitalbeteiligung als stiller Gesellschafter kann positive motivationale Effekte aufLeistung und Verbleiben des Personals ausiiben, wie die Befunde von Guski und Schneider gezeigt haben (vgl. 1983, 131). Zwingend ist dieser Effektjedoch nicht. Nachteilig fUr die Entwicklung motivationaler Effekte ist insbesondere der Ausschluss von Mitwirkungsrechten an der Geschaftsfiihrung. Wiirden Mitwirkungsrechte der stillen Gesellschafter in der Form eines Beirats vereinbart, so wiirde dies bei grOBerer Zahl stiller Gesellschafter auf schwer liberwindbare organisatorische Hindemisse sto.6en: Das Entscheidungssystem konnte gelahmt werden, obwohl

619 ein Beirat gegenfiber der Unternehmungsleitung nur beratende Funktion hat - oder haben sollte. In Kommanditgesellschaften konnten die Mitarbeiter als Kommanditisten eine aeteiligung am Eigenkapital erwerben. Wegen der - bescheidenen! - Mitwirkungsrechte der Kommanditisten an der Untemehmungsleitung konnte der Fiskus aber Mitunternehmerschaft im Sinn von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG annehmen. Aus steuerlichen Grfinden wiirde dieses Beteiligungsmodell dann ausscheiden. Dies

erk1ărt,

warum

dieses Modell keine praktische Bedeutung gewonnen hat (vgl. Gaugler 1993, 224).

7.3.2.3.2. Belegschaftsaktien Die Belegschaftsaktie ist seit langem die unproblematischste und zugleich hăufigste Form der Eigenkapitalbeteiligung des Personals (vgl. Gaugler/Groos/Weber 1983, 52-53, 106-107; Guski/Schneider 1983, 23). Diese Beteiligungsform ist allerdings auf Aktiengesellschaften und auf Kommanditgesellschaften auf Aktien beschrankt. Die Ausgabe von Belegschaftsaktien ist in vierfacher Form moglich: (1)

Die Unternehmung erwirbt eigene Aktien fiber die Borse, um sie nach § 71 Abs. 1 Ziff. 2 AktG ihren Arbeitnehmem oder den Arbeitnehmern einer verbundenen Unternehmung zur Verfiigung zu stellen. Der Gesamtbesitz an eigenen Aktien wird durch § 71 Abs.2 AktG auf 10% des Grundkapitals beschrlinkt. § 71 Abs. 3 Satz 2 AktG schreibt vor, dass die erworbenen eigenen Aktien innerhalb eines Jahres nach Erwerb den Mitarbeitem als Belegschaftsaktien angeboten werden mfissen.

(2)

Die Hauptversammlung besch1ie6t mit Dreiviertelmehrheit eine ordentliche

Kapitalerhohung nach §§ 182 fI. AktG und sch1ieBt nach § 186 Abs. 3 AktG das Bezugsrecht der Altaktionâre ganz oder zum Teil aus. Die Untemehmung bietet dann die neuen Aktien aus der KapitalerhOhung ihren Mitarbeitern als Belegschaftsaktien an. (3)

Die Hauptversammlung besch1ieBt nach § 192 Abs. 1 AktG eine bedingte Ka-

pitalerhohung. Von ihr wird aber nur im Umfang eines Bezugsrechts Gebrauch gemacht, das die Gesellschaft auf die neuen Aktien einrăumt. Dieses Bezugsrecht kann nach § 192 Abs. 2 Ziff. 3 AktG den Arbeitnehmern und den Mitgliedern der Geschăftsfiihrung fiir den Bezug von Aktien ihrer Gesellschaft angeboten werden. Der Nennbetrag des bedingten Kapitals darf nach § 192

620 Abs. 3 AktG 10% des Grundkapitals nicht Obersteigen. Weitere Einzelheiten regeln die §§ 193 bis 201 AktG. (4) Der Vorstand erhOht aufgrund einer Satzungsennăchtigung mit Zustimmung des Aufsichtsrats innerhalb von fiinf Jahren nach § 202 Abs. 1,2 und 3 AktG das Grundkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag, dem genehmigten Kapital. Die Satzung kann nach § 202 Abs. 4 AktG vorsehen, dass die neuen Aktien an die Arbeitnehmer als Belegschaftsaktien ausgegeben werden. Das genehmigte Kapital darf nach § 202 Abs. 3 AktG die Hălfte des Grundkapitals nicht Obersteigen. Weitere Einzelheiten regeln die §§ 203 bis 206 AktG. Bei allen Formen der Ausgabe von Belegschaftsaktien kanndie Untemehmung ihren Mitarbeitem einen Nachlass au! den Barsenkurs oder Ausgabekurs einrăumen und auch den Erwerbsaufwand wie z. B. Provision und MaklergebOhr Obemehmen. Ferner kann die Untemehmung Belegschaftsaktien nach § 2 Abs. 1 Ziff. la 5.VermBG steuerbegOnstigt fUr den Arbeitnehmer vermogenswirksam anlegen, wenn sie die Belegschaftsaktien durch Umwandlung einer Gewinnbeteiligung finanziert. Falls sie dies tut, ist die Differenz zwischen Borsenkurs und Ausgabepreis Soziallohn und damit ein weiteres Instrument unternehmerischer Sozialpolitik (s. Teil IV, 4.5.5.). FOr die Unternehmung besteht der Vorteil der Ausgabe von Belegschajtsaktien in der Beteiligung ihres Personals an Chancen und Risiken der Untemehmungsmtigkeit sowie insbesondere in der Erweiterung ihrer Eigenkapitalbasis. Die Erweiterung der Eigenkapitalbasis erhOht das Verschuldungspotential der Untemehmung. FOr das Personal besteht der Vorteil der Belegschajtsaktie in derBeteiligung an Ertrag und Vermogenswachstum der Unteniehmung und in der Begrenzung der Haftung auf die Einlage. Allerdings trăgt das am Grundkapital beteiligte Personal - wie bei allen anderen Formen der Eigenkapitalbeteiligung auch - das Risiko des Kapitalverlusts. Eine Absicherung .gegen dieses Risiko ist zwar schon friih diskutiert worden (vgl. Gaugler 1985, 60-61), wOrdejedoch insbesondere bei Belegschaftsaktionăren die Gleichbehandlung aller Aktionăre verletzen. Bei Wegfall oder Auslaufen von Sperrfristen konnen Belegschaftsaktien Ober die Borse verăuBert werden. Als Vorteil ist femer zu werten, dass die Belegschaftsaktie ihren Inhabem in der Hauptversammlung die in § 119 Abs. 1 AktG eingerăumten Entscheidungsrechte einrăumt.

621 Es sind dies bei Stammaktien die Beste11ung des Aufsichtsrats, die Verwendung des Bilanzgewinns, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, die Beste11ung der Abschlussprtifer, Sa~gsănderungen,

-

KapitalerhOhung und -herabse~g, die Beste11ung von Prtifem fUr Vorgănge bei Griindung der und die Auflosung der Gese11schaft.

Geschăftsfiihrung

Wie die Hauptversammlungen etwa der Siemens AG oder der BMW AG in den 90er Jahren gezeigt haben, machen Belegschaftsaktionare von diesen Mitentscheidungsrechten lebhaft Gebrauch. Auf die Probleme der Belegschaftsaktie als Form der Vermogensbeteiligung ist bereits zuvor eingegangen worden. Eine besondere Form der Vermogensbeteiligung konnen in Aktiengese11schaften Aktienoptionsplane jUr Fuhrungskrafte werden (s. Teil III, 7.2.2.2.). Wenn Fiihrungskrăfte im Rahmen dieser PIăne Optionen auf den Erwerb von Aktien ihrer Gese11schaft ausliben und die erworbenen Aktien halten, so liegt eine Vertnogensbeteiligung vor. Diese kann von der Untemehmung zusiitzlich dadurch gefardert werden, dass Sperrfristen fUr den Verkauf der so erworbenen Aktien eingefiihrt werden. Durch solche Sperrfristen sol1 alillerdem verhindert werden, dass Fiihrungskrăfte statt an langfristigen nur an kurzfristigen Erfolgen ihrer Untemehmung interessiert sind. Die Abwicklung der Beteiligung erfolgt liber eine bedingte KapitalerhOhung nach § 192 AktG oder den Erwerb von eigenen Aktien nach § 71 AktG. Insgesamt werden die Erfahrungen der Untemehmungen mit Vermogensbeteiligungsmode11en seit Iăngerem als gut dargeste11t (vgl. Guski/Schneider 1983, 45; SchanzJRiekhof 1984, 68-72; Starke 1986, 57-69). Die Interessen von Personal, Betriebsriiten und Untemehmungsleitung an der Vermogensbeteiligung sind liberwiegend positiv. Ob allerdings die erhofften motivationalen Effekte nur aufgrund der Vermogensbeteiligung von Mitarbeitem eingetreten sind, ist sehr fraglich, wie ein Uberblick liber empirische Untersuchungen zeigt (vgl. Schneider/Zander 1990, 50-55). Welche Beteiligungsaltemative gewiihlt wird, hăngt nicht nur von der Rechtsform einer Untemehmung, sondem auch von deren Ertrags- und Finanzlage ab. Gaugler empfiehlt daher die Entwicklung untemehmungsspezifischer Beteiligungsaltemativen (vgl. Gaugler 1993, 223).

622 7.4. Mitbestimmung bei Erfolgs- und Vermogensbeteiligung

Zu Erfolgs- und VermOgensbeteiligung existieren nur wenige, allerdings weitreichende Mitbestimmungsvorschriften. Wenn man wie hier (s. Teil m, 7.2.1.) die Erfolgsbeteiligung als im Ubrigen einkommensteuerpflichtige Residualgr06e einer relativ gerechten Vergiitung sieht, so OOlt die Erfolgsbeteiligung unter § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG (anders Schneider/Zander 1990, 106-109). Diese Vorschrift răumt dem Betriebsrat bei Fehlen einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung ein Mitbestimmungsrecht bei allen Entlohnungsgrundsătzen ein, die zu Struktur und Methoden aufgestellt werden (vgl. Richardi 1998, § 87 RZ 801,802,811-815). Dies wiirde im Wesentlichen eine Mitbestimmung Ober den Modus der Individualverteilung des Gewinns und der Bezugsgro6e (s. Teil m, 7.2.2.) beinhalten. Eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Ziff. 11 BetrVG istjedenfalls ausgeschlossen, da die Erfolgsbeteiligung kein leistungsbezogenes Entgelt ist (vgl. Richardi 1998, § 87 RZ 961). Freiwillige Betriebsvereinbarungen Ober eine Erfolgsbeteiligung kann die Untemehmung als Arbeitgeber ohnehin abschlie6en, und man muss davon ausgehen, dass dies in vielen Fâllen auch geschehen ist und noch geschieht. Eine Mitbestimmung bei Ma6nahmen zur Vermogensbildung sieht § 88, Ziff. 3 BetrVG vor. Zwar handelt es sich nur um freiwillige Betriebsvereinbarungen, die abgeschlossen werden kOnnen und nicht mOssen. Fiir sie gilt aber nach Auffassung von Ric1ulrdi (vgl. 1998, § 87 RZ 802, § 88 RZ 26) auch die Generalklausel des § 87 Abs. 1 Ziff. 10 B,etrVG, so dass sich die Mitbestimmung auf Verteilungsgrundsătze und Durchfiihrung der Vermogensbildung konzentriert. Diese Vorschrift korrespondiert mit § 10 Abs. 1 5. VermBG, der die Regelung vermOgenswirksamer Leistungen des Arbeitgebers durch Betriebsvereinbarungen explizit vorsieht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen jedoch auch andere Formen der Vermogensbildung der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen, als sie die Vermogensbildungsgesetze vorsehen (vgl. Richardi 1998, § 88 RZ 24). Somit kOnnten alle Formen der Vermogensbeteiligung mit Eigenteistungen der Mitarbeiter zum Gegenstand von Betriebsvereinbarungen werden. Aktienoptionsplăne sind nicht mitbestimmungsfăhig, da sie nur fUr leitende Angestellte aufgestellt werden, die nicht unter das BetrVG fallen. Wie mehrere âltere empirische Untersuchungen zeigen (insbes. Gaugler/GroosIWeber 1983, 73-74; Guski/Schneider 1983, 55, 140, 344-345; SchaJ:WRiekhof 1984, 73-76), haben Betriebsrăte gr06es Interesse an der VermOgensbeteiligung des Personals gehabt, allerdings aus anderen Griinden als die Untemehmungsleitung: Sie wollen durch Vermogensbeteiligung mehr Arbeitszufriedenheit und eine bessere Altersversorgung erreichen. VermogensbeteiligungsmodeUe aufgrund von Betriebsver-

623 einbarungen haben in der Vergangenheit deutlichen Vorrang vor tarifvertraglichen Regelungen gehabt. Dies kann mit dem deutlichen Desinteresse der Gewerkschaften an einer Integration der Arbeitnehmer durch eine individuelle, betriebliche Vermogensbeteiligung in das "kapitalistische System" erkllirt werden (vgl. Guski/Schneider 1983,334,345-348; Miiller-VogglSchneider 1985, 2-3; Starke 1986,20-23). Erst im Friihjahr 2000 haben die Tarifverhandlungen in der Metallindustrie ein steigendes gewerkschaftliches Interesse an Formen individueller Vermogensbeteiligung erkennen lassen. Dem von den Gewerkschaften favorisierten Modell des iiberbetrieblichen Investmentfonds in einer Kapitalanlagegesellschaft (vgl. Kobele/Riirup 1993; Rappe 1993) haben die Arbeitgeber ihre Zustimmung bis heute zwar weitgehend versagt. Dieses Modell steckt jedoch zumindest teilweise im Zeit-Wertpapier der VW AG (s. Teil m, 6.5.2.2.).

8.

Zusammenfassung

Eine Untemehmung, die Personalbeschăftigen will, stellt Menschen mit Bediirfnissen und Werthaltungen ein und beschaffi: nicht nur austauschbare Produktionsfaktoren. Diese menschliche Seite der Untemehmung wirft andere Probleme als der Einsatz des Personals zur Leistungserstellung auf. Es sind dies vor allem die Probleme der Motivation zu Leistung und Verbleib, der Fiihrung, der Vergtitung durch Lohn und Erfolgsbeteiligung sowie der sozialpolitischen Einbindung durch die Vermogensbeteiligung. Auch das stărker mit organisationstheoretischen Fragestellungen verkniipfte Problem der Einbindung von Mitarbeitem in die Untemehmungskultur muss bier genannt werden. Vor allem die Probleme der Motivation, Fiihrung und Vergtitung sind iiber dreillig Jahre lang in mehr oder weniger einheitlicher oder vereinheitlichender Form gelost worden. Bei Motivation und insbesondere Fiihrung des Personals wurde ein einziges, positives Menschenbild zugrunde gelegt und mangels geeigneter operationaler Theorien im Wesentlichen ein einziges Fiihrungskonzept propagiert, das sich die Kooperation von Vorgesetzten und Mitarbeitem sowie die Partizipationvon Mitarbeitem an Entscheidungen des Vorgesetzten zur Kernforderung gemacht hat. Situative Differenzierungen partizipativer Fiihrung blieben Ausnahme, und das Institut der Fiihrung selbst blieb weitgehend unangetastet. Erst mit der Veranderung von Arbeit selbst, von Arbeitsbedingungen, Qualifikationen und Werthaltungen des Personals ist zunehmend deutlich geworden, dass auch der Fiihrungsprozess differenzierter gestaltet werden muss und der Individualităt des einzelnen Mitarbeiters und Vorgesetzten Rechnung zu tragen hat. Zwar ist die akademische Fiihrungsforschung breiter und differenzierter geworden. Sie hat auch versucht, sich den neu an sie herangetragenen Anforderungen zu stellen. Ihre Beitriige zur Losung der Fiihrungsproblematik in der Praxis sindjedoch eher als bescheiden zu werten. Die Griinde fUr dieses Ergebnis liefert die Struktur des Fiihrungsprozesses selbst: Er ist hoch komplex, und ein nur schwer messbarer Fiihrungserfolg hat viele miteinander verkniipfte Ursachen. Insbesondere der Ansatz in Abschnitt III, 3.4.8. macht dies deutlich. Dies zwingt zur Vereinfachung von Fiihrungstheorien und insbesondere Fiihrungskonzeptionen bei gleichzeitig erheblich steigendem Falsifikationsrisiko.

626 Ăhnlich wie bei der Arbeitszeit, haben sich die Gewerkschaften bei der Vergiitung

bis heute eher :fiir Einheitskonzepte als :fiir individualisierte Losungen eingesetzt. Ihr Kampf um den Flachentarif und gegen untemehmungsspezifische Losungen von Problemen der Arbeitsbedingungen sowie der Vergiitung, Erfolgs- und Vermogensbeteiligung tragt bis in das lahr 2000 hinein die Ziige des Einheitskonzepts mit Gleichbehandlung:fiir das Personal moglichst aller Untemehmungen in einem Tarifbezirk. FUr die Erfolgs- sowie vor allem :fiir die Vermogensbeteiligung haben die Gewerkschaften ohnehin seit jeher wenig Interesse gezeigt. Auch das Interesse der Wissenschaft an diesen Problemen war :fiir lange Zeit gering und hat sich erst in neuerer Zeit belebt. Auf den Problemfeldem der Entlohnung, Erfolgs- und Vermogensbeteiligung beginnen sich inzwischen die erstarrten Strukturen der Problemlosungen deutlich zu lockem. Dies ist, ahnlich wie bei der Fiihrung, auf die Veranderung der Tatigkeitsfe1der hin zu hOherer Dynamik und Komplexitat, auf den Zwang zu flexiblerer Reaktion auf Veranderungen der Beschaffungs- und Absatzmarkte, auf die Steigerung der Qualifikation des Personals mit einem wachsenden Anteil an akademisch gebildeten Mitarbeitem sowie auf die Veranderung des Wertesystems der Mitarbeiter zuriickzufiihren: Der Wunsch nach Individualitat verdrangt die Akzeptanz von Konformitat. Diesen Veranderungen der Bedingungen miissen auch Veranderungen von Lohnformen sowie Formen der Erfolgs- und Vermogensbeteiligung Rechnung tragen. Paradigmatische Beispiele rur die letztgenannten Veranderungen sind der Potentiallohn als Leistungslohn sowie das CafeteriaPrinzip bei der Bemessung von Soziallohn, die gespaltene sowie die aufgeschobene und die ganzheitliche Vergiitung. Ob allerdings der Weg zur weiteren Modemisierung und Individualisierung von Vergiitungs- und Vermogensbeteiligungssystemen lang oder kurz sein wird, hangt nicht nur von den personal- und sozialpolitischen Zielen der Untemehmungen ab. Diese Ziele waren ohnehin bis Ende der 90er lahre durch die Verknappung bei hoch qualifiziertem Personal bestimmt und hatten den Aufbau akquisitorischer Potentiale im weitesten Sinn zur Folge. Daran haben auch die Folgen der Rezession von 1992 bis 1994 sowie der haufig praktizierte Einstellungsstop bis Anfang 1998 im Prinzip nur wenig geandert. Die Lange dieses Wegs hin zur Modemisierung und Individualisierung wird im Ubrigen auch durch die Haltung der Gewerkschaften und Betriebsrate zu allen Fragen der Entlohnung, Erfolgs- und Vermogensbeteiligung bestimmt. FUr die Gewerkschaften bedeutet jeder Schritt zur betriebsindividuellen Differenzierung und Losung der genannten Probleme bis hin zur personenbezogenen Individualisierung ceteris paribus einen Verlust an Macht, :fiir die Betriebsrate dagegen ei-

627

nen Zuwachs an Macht, da die betriebliche Mitbestimmung bier f1achendeckend zu greifen vennag - in den von den Gewerkschaften erlaubten Grenzen. Bier schlagt somit eine politische Entwicklung auf die Ltisung von zunachst betriebswirtschaftlichen Problemen durch. Auch die Tendenz zur Verlagerung von tarifpolitischen Entscheidungen auf die Betriebsebene (s. Teil 1,3.4.) wird bier neue Akzente setzen. Wissenschaftlich begriindbar ist der Weg zur Individualisierung von Arbeitszeit, Fiihrung, Vergiitung und Venntigensbeteiligung allerdings besser als der Weg zur schematischen Gleichbehand1ung aller Untemehmungen und ihrer Mitarbeiter. Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung statt durch Beachtung von individuellen Unterscbieden der Mitarbeiter kann nur zum ideologischen Argument gemacht werden. Die transaktionskostentheoretische Wiirdigung der in Teil III diskutierten personalwirtschaftlichen Funktionen hat gezeigt, dass sie uberwiegend zur Ausfiillung offener Arbeitsvertrage eingesetzt werden ktinnen. Sie besitzen somit in den meisten Fă1len die Eigenschaften personalwirtschaftlicher Transaktionen. Wegen dieser Eigenschaften wăre der Verzicht auf den Einsatz von Motivation und Fiihrung, Vergiitung mit Anreizcharakter sowie Erfolgsbeteiligung ein Schritt hin zum Abbau von Untemehmungsspezifitat bei deren Leistungsprogramrn und zum Abbau von Wettbewerbsfahigkeit: Man ktinnte von einem Sieg des Geizes uber die Klugheit sprechen. Die personalwirtschaftliche Theorie und Lehre muss sich allen diesen letzt1ich politischen Problemen stellen. Sie darf sich weder wieder allein auf tikonomische Uberlegungen zum optimalen Einsatz des "Faktors Arbeit" oder zur Interpretation personalwirtschaftlichen Handelns ausschlieBlich im Licht der Theorie der Finna (s. Teil 1, 1.4.2.) zurUckziehen, noch ausschlieBlich sozialpsychologischen Uberlegungen zu Struktur, Nutzung und Wirkung der hier diskutierten Funktionen Platz einraumen. Sie sollte dabei aber nicht eigene Werthaltungen entwickeln und politische Ltisungen anbieten, indem sie etwa Vorschlage fUr eine emanzipatorische Erziehung von Personal macht. Es genugt, Bediirfuisse, Werthaltungen und politische Ziele zu ermitteln und als Prămissen in ihre theoretischen Ansatze einzubauen, um zu schlussigen theoretischen Erklarungen ihres Erfahrungsobjekts Personal vorzustoBen. Wenn dennoch werthaltige Ansatze personalwirtschaftlicher Theorie und Lehre entwickelt werden, so mussen die zugrunde liegenden Werte aufgedeckt werden (vgl. Drumrn 1994).

9.

Aufgaben zur Lernkontrolle und kritischen Reflexion

l. (a) Stellen Sie Ziele,

und Grundaussagen von je zwei Inhalts- und Prozesstheorien der Motivation einander kritisch gegeniiber. (b) Welche Funktionen haben Situation, Werthaltungen und Menschenbilder in den vier Theorien Ihrer Wahl? (c) Welche instrumentellen Anregungen zur Mitarbeitennotivation vennitteln diese Theorien? Kann man bei der Vorgesetztenschulung auf die BeschMtigung mit Inhalts- und Prozesstheorien folgenlos verzichten?

2. (a)

Prămissen

Sie Prămissen, Grundaussagen und offene Probleme von vier Fiihrungstheorien Ihrer Wahl. (b) Unter welchen Voraussetzungen konnte man in Fiihrungstheorien aufMenschenbilder von Mitarbeitem und Vorgesetzten vollig verzichten? Welche Folgen hătte dieser Verzicht fUr Struktur und Inhalte von Fiihrungstheorien? (c) Welche Zusammenhănge bestehen zwischen Heckhausens Motivationstheorie und Neubergers Weg-Ziel-Theorie der Fiihrung? Welche Schritte miissten zur Operationalisierung dieser beiden Theorien untemommen werden? Wo liegen deren Operationalisierungsgrenzen? Erlăutem

3. (a) Wie kann man Prămissen, Struktur und Leistung ein- oder mehrdimensiona-

ler Fiihrungskonzeptionen kennzeicbnen? (b) Welche Probleme losen

Fiihrungsgrundsătze

als Ersatz fUr Fiihrungskon-

zeptionen? Welche Probleme losen sie nicht? (c) Welche Bedeutung haben Werturteile rur Fiihrungskonzeptionen und -grundsătze, und wie konnte man symbolische Fiihrung zur Durchsetzung werthaltige.r Fiihrungskonzeptionen nutzen?

4. (a)

Erlăutem Sie Struktur,

Verhaltenswirkungen und Wirkungsbeschrl1nkungen organisatorischer Fiihrungsinstrumente. (b) Wăgen Sie die Wirkungen organisatorischer und persomiler Fiihrungsinstrumente gegeneinander ab. (c) Wenn Anreizsysteme z. B. in der Agency- oder der Transaktionskostentheorie die Aufgabe haben, vertragsgetreue und vertragsausfiillende Verhaltenssteuerung von Mitarbeitem zu leisten, wie mtissen dann Anreizsysteme fUr

630

einerseits, ausfiihrendes Personal andererseits gestaltet werden? Begriinden Sie Ihre Vorschlăge.

Fiihrungskrăfte

5. (a) Welche Probleme wirft die Konstruktion eines Anreizsystems fUr Mitarbeiter aur? Welche Losungen kommen in Frage? (b) Welche organisatorischen und personalen Fiihrungsinstrumente konnen mit Anreizwirkung zur Fiihrung von Personal eingesetzt werden? (c) Wie konnten Anreizsysteme fUr Fiihrungskrăfte und ausfiihrendes Personal, nach Alter und Geschlecht differenziert, entwickelt werden? Welche Probleme ergeben sich fUr die Bestimmung erfolgsabhăngiger Belohnungen aus der ungelosten oder sogar unlosbaren Zurechnung von Fiihrungskrăf­ teverhalten auf Erfolgsgrofien? 6. (a) Aus welchen Komponenten besteht ein Konzept individualisierter Fiihrung? Auf welchen Prămissen baut ein solches Konzept aur? (b) Wie kann man die Eignung organisatorischer und personaler Fiihrungsinstrumente zur Unterstiitzung individualisierter Fiihrung beurteilen? Wie ist der Beitrag der Untemehmungskultur zu individualisierter Fiihrung zu sehen? (c) Welche Probleme wiirde der Verzicht aufindividualisierte Fiihrung zugunsten maximaler Selbstverantwortung jedes Mitarbeiters als weitgehend selbstăndiger "Intrapreneur" aufwerfen? Welche Problemlosungen kămen in Frage? 7. (a) Stellen Sie die wichtigsten Grund- und Zusatzformen des Leistungslohns einschliefilich ihrer Prămissen kritisch dar. Erlăutem Sie das Problem der Lohngerechtigkeit am Beispiel der von Ihnen ausgewăhlten Lohnformen. (b) Welche Differenzierung der von Ihnen ausgewăhlten Lohnformen ist mit Hilfe einer Arbeits- und einer Leistungsbewertung moglich? Inwieweit ist eine solche Differenzierung mitbestirtunungspflichtig? (c) Diskutieren Sie, wie anforderungs- und leistungsgerechte Lohne so ausgebaut werden konnen, dass sie (1) zusătzliche Lem- und MotivationsefIekte auslosen und (2) die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit ihrem Vorgesetzten einerseits und die Zufriedenheit des Vorgesetzten mit seinen Mitarbeitem andererseits angemessen berucksichtigen. 8. (a) Erlăutem Sie Ziele, Prămissen und Altemativen des Soziallohns sowie deren Funktion als Teil der Vergiitungspolitik.

631 (b) Wie sind die motivationalen und akquisitorischen Wirkungen des Soziallohns zu beurteilen? Werden diese Wirkungen durch die betriebliche Mitbe-

stimmung verstărkt oder konterkariert? (c) Wie wiirden Sie fiir AktiengeseHschaften den Ersatz aller freiwilligen sozialen Leistungen durch Gratis-Belegschaftsaktien beurteilen, wenn deren Gesamtwert dem bisherigen Volumen des Sozialaufwands entspricht? 9. (a) Welche Struktur haben gespaltene und aufgeschobene Vergiitung? Wie sind sie miteinander verkniipfbar? Wie konnen beide in ganzheitliche Vergiitungspakete eingebunden werden? (b) Welche transaktionskostentheoretischen Interpretationen erlauben gespaltene und aufgeschobene Vergiitung? Welche Probleme werfen diese Interpretationen aur? Wie konnen die Komponenten beider Lohnformen dimensioniert und operationalisiert werden? (c) Welche Argumente lassen sich fiir und gegen den Vorschlag vorbringen, beide Lohnformen durch ein Gesetz fiir alle Beschăftigten aHer Untemehmungen verbindlich vorzuschreiben? 10. (a) Diskutieren Sie die wichtigsten Grundlagen und Formen der Beteiligung des Personals am Untemehmungserfolg einschlieBlich ihrer transaktiohskostentheoretischen Interpretation. (b) Fiihrt eine stăndige Erfolgsbeteiligung des Personals zur Enteignung der Anteilseigner oder kann sie deren Reichtumsposition fordem? Begriinden Sie Ihre Antworten. (c) Welche Probleme der Nutzenbewertung treten auf, wenn Komponenten des Erfolgsanteils je Mitarbeiter nach dem Cafeteria-Prinzip gegen Arbeitszeitanteile ausgetauscht werden diirfen? Welche Problemlosungen schlagen Sie vor? 11. (a)

Diskutieren Sie Pramissen und Altemativen der Vermogensbeteiligung von Mitarbeitem vor dem Hintergrund sozialer Untemehmungsziele. (b) Unter welchen Voraussetzungen konnte eine Vermogensbeteiligung des Personals sowohl zu dessen Verbleib als auch zur Leistung motivieren? (c) Welche okonomischen Vor- und Nachteile fiir Untemehmung und Personal bietet die Vermogensbeteiligung des Personals in Abhiingigkeit von der Rechtsform der Untemehmung, der UntemehmungsgroBe und der Turbulenz des Untemehmungsumfelds?

632 Wie k6nnte man Prămissen, Ziele und Konzeption einer unternehmerischen Sozialpolitik definieren? (b) Welche Instnunente aus den Funktionsfeldern der Arbeitszeitgestaltung, der Personalfreisetzung, der Vergiitung sowie der Erfolgs- und Vennogensbeteiligung wăren mit der von Ihnen gewăhlten Konzeption unternehmerischer Sozialpolitik kompatibel? (c) Diskutieren Sie die Moglichkeiten und Grenzen unternehmerischer Sozialpolitik vor dem Hintergrund einer guten und alternativ einer schlechten Ertragslage von Unternehmungen.

12.(a)

Teil IV

Querschoitts- uod Metaprobleme der Persooalwirtschaft

1.

Strategisches Personalmanagement

1.1. Uberblick ZieI strategischen Personalmanagements ist die personalwirtschaftliche Vorbereitung und Absicherung vorteilhafter Wettbewerbssituationen der Untemehmung. Strategisches Personalmanagement hat als Gegenstand die Planung, Umsetzung und Kontrolle von grundsătzlichcn Handlungsmoglichkeiten zum friihzeitigen Aufbau, zum Erhalt, zur Nutzung oder zum Abbau von Personalpotentialen. Unter einem Personalpotential wird hier eine Menge von Personen mit bestimmter Qualifikation verstanden. Ein Personalpotential wăren alle Mitarbeiter mit einem Satz gleicher oder ăhnlicher Kenntnis- bzw. Făhigkeitsmerkmale. Auf- und Abbau, Erhalt und Nutzung von Personalpotentialen dienen dazu, Vorteile gegeniiber Konkurrenten wahrzunehmen, Erfolgspotentiale zu sichem oder zu steigem und Risiken von der Untemehmung abzuwenden. Diese drei Zwecke sind Ausfluss einer antizipativen und erfolgszentrierten Verfolgung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips. Hinzu muss kommen, dass die aufzubauenden Personalpotentiale fUr knappes Personal gebildet werden miissen: Was nicht knapp ist, muss auch nicht strategisch geplant und abgewickelt werden! Dass dieses Prinzip durch die Beachtung sozialer Ziele und ethischer Werte begrenzt wird, sei in Erinnerung gerufen (s. Teil 1, l.3., 2.2.; Teil IV, 4.). Ebenso ist in Erinnerung zu rufen, dass bisher alle Anslitze zu einem strategischen Personalmanagement iiber "Kunstlehren" im Sinne ungestiitzter Hypothesen nicht hinausgelangt sind (s. Teil 1, l.5.). Eine transaktlonskostentheoretische Wiirdigung von Konzepten eines strategischen Personalmanagements gelingt nur dann, wenn die Ausfiillung offener Arbeitsvertrlige als ein Mehrebenenproblem gesehen wird, wie zuvor in Abschnitt 1, l.4.2.2. entwickelt (vgl. auch Drumrn 1998b).

Der konzeptionelle Bezugsrahmen eines strategischen Personalmanagements besteht aus drei Bausteinen. Erster Baustein ist ein ausgebautes Personalplanungssystem. Eine Beschrănkung auf die Planung von Personalbedarf, -beschaffung, -freisetzung und -ausbildung sowie -entwicklung wiirde allerdings zu einseitiger Auslegung des strategischen Personalmanagements fiihren. Strategisches Personalmanagement muss vielmehr durch werthaltige· politische Grundslitze sowie den Einbezug von erganzenden Funktionsjeldern der Personalwirtschaft vervollstlindigt

636

werden. Dazu rechnen ferner strategisch orientierte Vergiitungssysteme, strategisch geprăgte Konzepte der Personalfiihrung sowie eine strategisch orientierte unternehmerische Sozialpolitik. Auch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen kann dazu genutzt werden, benotigtes Personal zu gewinnen und zu halten oder nicht mehr benotigtes Personal abzubauen. Im Hinblick auf die akquisitorischen Ziele von Fiihrung, Vergiitung und Sozialpolitik konnte man auch von einem strategisch orientierten Personalmarketing sprechen (s. Teil 11,5.3.4.). SchlieBlich mftssen alle personalwirtschaftlichen Komponenten des ersten Bausteins im Finanzplan abgesichert werden. An der Struktur des ersten Bausteins ist zu erkennen, dass strategisches Personalmanagement ein Querschnittsproblem der PersonalwirtschaJt ist: Es verknftpft mehrere personalwirtschaftliche Funktionsfelder durch eine gemeinsame Konzeption der Problemabgrenzung und -losung miteinander. Diese gemeinsame Konzeption liegt logisch auf einer dem operativen Planen und Handeln ftbergeordneten Ebene. Der zweite Baustein der· Umsetzung besteht erstens in der Implementation von Methoden und Output der Planungen im Personalplanungssystem. Implementation bedeutet, dass die planenden Stellen mit der Planungsmethodik und die von strategischen Planungen betroffenen Stellen mit dem Planungsoutput und dessen Umsetzung in taktisches und operatives Handeln vertraut gemacht werden.. Er besteht zweitens in der Durchfiihrung von personalwirtschaftlichen Strategien zu Aufbau, Erhalt oder Abbau von Personalpotentialen sowie in der Ableitung taktischer MaBnahmenkategorien und operativer EinzelmaBnahmen zur Konkretisierung dieser Strategien. Dritter Baustein des strategischen Personalmanagements ist eine dreifach differenzierte strategische Kontrolle. Diese solI friihzeitig Fehler strategischen Handelns aufdecken. Strategisches Personalmanagement trăgt mit seinen Bausteinen der Planung, Umsetzung und Kontrolle auch Jrei konstitutive Merkmale des PersonalControlling (s. Teil IV, 2.).

Eine Integration des strategischen Personalmanagements in das strategische Management der Unternehmung ist in doppelter Weise moglich: Die strategischen PIăne der Unternehmung, mit Ausnahme deIjenigen fUr das Personal, werden einerseits zu Prămissen des strategischen Personalmanagements. Andererseits kann das strategischePersonalmanagement bei Aufdeckung von Restriktionen z. B. interner oder externer Personalbeschaffuitg Prămissen fUr andere Planungsbereiche der Unternehmung setzen - eine altbekannte Interdependenz.

637 Der Ausbau eines strategischen Personalmanagements ist nicht auf allen Funktionsfeldem der Personalwirtschaft in gleicher Weise moglich, obwohl dies wiinschenswert wăre. Ursachen dieser Beschrănkung sind entweder enge rechtliche oder tarifvertragliche Rahmenbedingungen oder das Fehlen geeigneter, realistischer konzeptioneller Ansătze. Teil des strategischen Personalmanagements ist eine unternehmerische Arbeitsmarktpolitik. Strategischer Kem dieser Politik ist der Versuch, auf dem Arbeitsmarkt frtihzeitig und vor den Konkurrenten zum eigenen Nutzen zu handeln, und zwar bei der Beschaffung von Personal ebenso wie bei dessen Freisetzung.

1.2.

Grundsătze

einer Konzeption strategischen Personalmanagements

1.2.1. Vorarbeiten, Definition, Prămissen, Ziele und transaktionskostentheoretische Beurteilung einer Konzeption strategischen Personalmanagements 1.2.1.1. Vorarbeiten Einen einheitlichen Begriff, eine Theorie oder eine zumindest durchKonvention akzeptierte oder praktizierte, differenzierte Konzeption des strategischen Personalmanagements gibt es bisher nicht. Vielmehr konkurrieren verschiedene, heterogene Modelle des strategischen Personalmanagements miteinander. Literarische Beachtung gefunden haben allein der MIT-Ansatz von Tichy, Fombrun und Devan (vgl. 1982/87), der Ansatz von Laukamm (vgl. 1985/92), der INSEAD-Ansatz von Evans (vgl. 1984; 1986a; 1986b), der Ansatz von Rtihli und Wehrli (vgl. 1986), der Ansatz von Staffelbach (vgl. 1986a; 1987), der Ansatz von Ackermann (vgl. 1986; 1987) und der Ansatz von Scholz (vgl. 1987; 1989; 1993; 1994; 2000). Untereinander sind diese Ansătze nicht kompatibel. Soweit erkennbar, hat sich auBerdem keiner dieser Ansătze praktisch oder theoretisch durchgesetzt. Auch der Systematisierungsversuch von EIsik (vgl. 1992) deckt letztlich nur die Heterogenitat der einzelnen Ansătze auf. Es falit allerdings auf, dass ab etwa 1989 das Interesse an strategischem Personalmanagement und seiner Konzeptionalisierung in der Praxis ebenso wie auf der akademischen Ebene zurUckgegangen ist, wăhrend das Interesse an Personalcontrolling und vor allem Lean-Management-Konzepten zugenommen hat. Erst ab 1994 belebt sich vor dem Hintergrund des konjunkturellen Aufschwungs das Interesse an strategischen Problemen des Personalmanagements wieder. Allerdings treten ab Mitte der 90er Jahre zunehmend Probleme der Dezentralisation und Virtualisierung von Personalwirtschaft hervor, die neben Problemen der Vergtitung, des Arbeitszeitmana-

638 gements und einer Shareholder-VaIue-Orientierung der Personalwirtschaft die Diskussion in Theorie und Praxis beeinflussen. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend eine Konzeption strategischen Personalmanagements abgeleitet, indem zunachst die Konzeption definitorisch umrissen wird. Pramissen und Ziele einer solchen Konzeption werden im nachsten Schritt herausgearbeitet, um dann zu konzeptionellen Anforderungen und Strukturelementen vorzusto6en.

1.2.1.2. Definition uod Prămissen Als strategisches Personalmanagement wird hier die integrative Planung, Umsetzung und Kontrolle von intendierten und zugleich proaktiven Personalstrategien definiert. Mit integrativ ist gemeint, dass nicht nur werthaItige politische Grundsatze der Untemehmung und wechselseitige oder einseitige Abhăngigkeiten zwischen den personalwirtschaftlichen Inhalten der verschiedenen Strategien beachtet werden, sondem auch Verkniipfungen zwischen Planung, Ausfiihrung und Kontrolle Aufmerksamkeit finden. Diese Verkniipfungen ergeben sich ex ante aus logischen Zusammenhangen und ex post im Wesentlichen aus Lemprozessen aIs Folge der Kontrolle von Planung und Umsetzung der PersonaIstrategien. Proaktive Strategien sind abgestimmte Biindel und Sequenzen grundsatzlicher Handlungsmoglichkeiten zor jrahzeitigen Verfolgung von Zielen des strategischen Personalmanagements wie insbesondere dem Aufbau, dem BrhaIt, der Nutzung oder dem Abbau von PersonaIpotentiaIen (vgl. Drumrn/Scholz 1988,206). Unter PersonalpotentiaI wird dabei eine Menge von Mitarbeitem mit gleichen oder lihnlichen Fahigkeitsvektoren (s. Teil II, 3.2.) verstanden, wenn diese Fahigkeiten rur zukiinftiges Handeln in der Untemehmung genutzt werden konnen. Die Aktivităten des strategischen PersonaImanagements sind zugleich nach dem Muster des Regelkreises miteinander verkniipft:

Plaoen_ Haodelo _

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Kootrollieren-- Korrigiereo

I

639 sich das strategische Personalmanagement nur mit den grundsătzlichen Problemen des Auf- und Abbaus von Personalpotentialen befasst, mtissen auf der taktischen Ebene Altemativenkategorien und auf der operativen Ebene einzelne Altemativen festgelegt werden, die mit den strategischen Altemativen im Einklang stehen. Dieser Einklang wird hergestellt, wenn operative Altemativen final in Bezug auftaktische Altemativenkategorien sind und Letztere Finalităt bezfiglich der strateWăhrend

gischen Altemativenbtindel besitzen. Femer steigt der Grad der Konkretisierung des Handelns bei Ubergang von der strategischen zur taktischen und von dort zur operativen Ebene. Femer ist zu beachten, dass zumindest der Au:fbau von Personalpotentialen sich auf knappes Personal beschrănken muss. Ausdruck von Knappheit erwtinschten Personals konnen auch Strategien des Umbaus nicht mehr benotigter in benotigte Personalpotentiale durch strategische Personalentwicklung sein (Verwendungsstrategie). Eine inhalt/iche Priizisierung dieser formalen Definition ist moglich, wenn GegensUinde der Personalstrategien benannt und der Zweck sowie die Erweiterung der Planung von Personalstrategien um deren Umsetzung und Kontrolle erlăutert wird. Gegenstande von Personalstrategien sind auf der Grundlage von Personalbedarfsund -bestandsplanungen (s. Teil II, 2., 3.) insbesondere die Beschaffung, Freisetzung, Ausbildung und Entwicklung von Personal. Um akquisitorische Wirkungen zu erzielen, miissen diese Gegenstănde ergănzt werden um die Ftihrung und Vergtitung des Personals sowie um sozialpolitische Konzepte der Untemehmung fur das Personal. Die vier Priimissen strategischen Personalmanagements lassen sich wie folgt kennzeichnen: Die Untemehmung arbeitet in einem turbulenten Untemehmungsumfeld und ist erfolgsorientiert. (2) Die Untemehmung ist planungserfahren und betreibt eine strategische Unternehmungsplanung, deren Ergebnisse die strategische Personalplanung beeinflussen - aber auch von dieser beeinflusst werden konnen. Planungserfahrung

(1)

ist als notwendige Prămisse empirisch nachweisbar (vgl. DrummlScholz 1988, 218-219). (3)

Die Untemehmung akzeptiert alle Planungshorizonte fur ein strategisches Personalmanagement.

(4) Hoher Zeitbedarf fur den Au:fbau von Personalpotentialen ist aufgrund langsam . verlaufender Lemprozesse und der Existenz von Arbeitsmarktrestriktionen die

640 RegeI. Diese Prămisse entfaIit nur bei beliebiger BeschaJJbarkeit von Personal mit eIWiinschten Kenntnissen und Făhigkeiten. Der Planungshorizont des strategischen Personalmanagements kann kurz-, mitteIoder Iangfristig sein. Er Iiickt umso weiter in die Zukunft, je langwieriger der Aufbau von Personalpotentialen, z. B. aufgrund von durchschnittlichen Lernverlăufen, oder der Zeitbedarf bei Ausbildungs- und Fortbildungsprozessen ist. Strategisches Personalmanagement und strategische Personalplanung als einer seiner Bausteine sind daher keineswegs nur mit Iangfristiger Planung identisch. Alierdings konnen sich bei hohem Anpassungspotential aus dem Unternehmungsumfeld die Planungshorizonte aller PiaDe bis zur Kurzfristigkeit verschieben. Strategischen PlaDen bIeibt

dann nur die Funktion des RahmenpIans.

1.2.1.3. Ziele uod transaktiooskosteotheoretische Beurteiluog Mit strategischem Personalmanagement sollen drei Ziele erreicht werden: (1)

Das erste strategische Ziei besteht darin, Personalpotentiale mit zentraler Bedeutung fiir den Unternehmungserfolg zu erkennen und diese fiiihzeitig sowohl qualitativ als auch quantitativ aufzubauen sowie zu erhalten. Der Abbau von Personalpotentialen wird dann zum strategischen ZieI,' wenn die Existenz von Personalpotentialen den Unternehmungserfolg zu

gefăhrden

droht. Das strate-

gische Personalmanagement solI somit positive Beitrnge zum Unternehmungserfolg unter Beachtung sozialer Nebenbedingungen leisten. Dies ist bei Aujbau

von Personalpotentialen nur moglich, wenn fiiihzeitig und in ausreichender Menge die Bereitstellung von qualitativ geeignetem Personal fiir die Arbeit auf strategisch wichtigen Tătigkeitsfeidern der Unternehmung durch Ausbildung, externe Beschaffung oder Entwicklung vorbereitet und abgewickelt wird. FUr den Abbau von Personalpotentialen giit analog, dass er fiiihzeitig vorbereitet und abgewickelt werden muss. Andemfalis sind negative ErfoIgsbeitrăge wie Sozialplruizahlungen und remanente Lohnkosten nicht zu vermeiden. (2)

Das zweite strategische Ziei tritt unterstiitzend neben das erste ZieI. Das zweite ZieI besteht darin, Fiihrungskonzeption, Vergiitungssystem und sozialpolitische Ma6nahmen der Unternehmung so zu gestalten, dass sie ilie ErfoIgsorientierung und Zukunftsorientierung des Personalpotentialaufbaus akquisitorisch fordern oder den Abbau von Personalpotentialen durch die Reduktion von Anreizen sowie den AusgIeich sozialer Nachteile unterstiitzen.

641 (3) Das dritte strategische Ziei besteht darin, moglichst alle Mitarbeiter, insbesondere aber die Fiihrungskrăfte, zu strategischem Denken und Handeln zu erziehen. Dies kann durch Fiihrung insbesondere in individualisierter Form (s. Teil ID, 5.) und durch Personalentwicklung (s. Teil n, 6.3.) angestrebt werden. Der Mitarbeiter muss lemen, selbstiindig und untemehmerisch im Gesamtsystem Untemehmung zu denken sowie eigenverantwortlich zu handeln, statt nur sein Ressort gut zu veIWalten. Die Reagibilităt des Personals aufVerănderungen in der Untemehmung und im Untemehmungsumfeld mit selbstiindigem Handeln kaim durch geeignete, erfolgsabhăngige Belohnungen mit Anreizfunktion gelenkt und gefestigt werden: Gesucht und gefOrdert wird der ''Intrapreneur'' (vgl. Pinchot 1985, 3-22), der als Leitbild bereits Schmalenbachs Theorie der pretialen Lenkung beherrscht (vgl. 1947/48): Selbstiindige und eigenverantwortliche Mitarbeiter entlasten die Untemehmungsleitung und tragen zor Verbesserung der Anpassung von Untemehmungen an Entwicklungen in ihrem Umfeld bei. Es sei daran erinnert, dass dieser Mitarbeitertyp auch Voraussetzung aller Organisationskonzeptionen ist, die dem Leitbild der Neuen Dezentralisation folgen (s. Teil I, 4.2.). Das iiberaus positive Menschenbild dieser Konzeptionen ("Erzengel") kann allerdings weit von der Realităt abweichen. Fiir eine transaktionskostentheoretische WUrdigung strategischen Personalmanagements kann die Mehrebenenbehandlung geniitzt werden, die bereits in Abschnitt I, 1.4.2.2. vorgestellt worden ist (vgl. auch Drumm 1998). Transaktionskosten der strategischen Ebene konnen nicht mehr direkt an der Ausfiillung offener Arbeitsvertrăge auf operativer Ebene ankniipfen. Sie miissen statt dessen auf der năchst hOheren Ebene mit der strategischen Konzeption fUr die operative Ebene verbunden werden: Je genauer ein strategisches Konzept des Personalmanagements vorbereitet worden ist und je besser die Verkniipfungen zwischen interdependenten personalwirtschaftlichen Problemfeldem der operativen Ebene zuvor auf der strategischen Ebene antizipiert worden sind, um so niedriger diirften die personalwirtschaftlichen Transaktionskosten auf der operativen Ebene ausfallen. Personalwirtschaftliche Transaktionskosten der strategischen Ebene steuem somit die Transaktionskosten der operativen Ebene und fallen vor allem in der Form von Transaktionskosten der Anbahnung und Planung von Handlungsstrategien auf operativer Ebene an. Personalwirtschaftliche Transaktionskosten der Abwicklung auf strategischer Ebene fallen groBtenteiis mit den Produktionskosten personalwirtschaftlicher Mannahmen auf operativer Ebene zusammen. Transaktionskosten der Kontrolle und Fehlerkorrektur sind Kosten des Lemens auf strategischer Ebene, die

642 kaum eindeutig abgrenzbar sind. Oher die entscheidungsrelevante Summe personalwirtschaftlicher Transaktionskosten auf strategischer und operativer Ebene Iâsst sich nur sagen, dass die Transaktionskosten beider Ebenen kompensatorisch wirken und dass .dasjenige persona1wirtschaftliche Konzept strategischen Managements okonomisch vorziehenswert ist, fUr das diese Summe minimal ist.

1.2.2. Konzeptionelle Anforderungen

Aus Abgrenzung, Prămissen und strategischen Zielen eines strategischen Persona1managements lassen sich fanf konzeptionelle A'?forderungen an ein strategisches Persona1management abieiten: (1) Das strategische Personalmanagement muss bestehen aus den Bausteinen der - Planung von strategisch relevantem Bedarf, aus - Bereitstellung oder Abbau von Persona1potentialen durch geeignete Strate- gien, aus der - Umsetzung von Bereitstellungs- und Abbaustrategien sowie von Strategien zu deren Untersrutzung und aus der - Kontrolle von strategischen Personalpiiinen und ihrer Umsetzung in der Form einer Prtimissenkontrolle, einer Fortschrittskontrolle und einer Planergebniskontrolle mit Korrektur von Planabweichungen oder aber der Piiine seibst. Die Prtimissenkontrolle muss priifen, ob die den Persona1strategien zugrundeliegenden Informationen Ober ZieIe, Szenarien und Umfeld der Untemehmung noch zutreffen. Die Fortschrittskontrolle muss priifen, ob und wie die Umsetzung der Persona1strategien, mindestens aber deren Vorbereitung vorangekommen ist. Die Ergebniskontrolle muss nach Oherpriifung von Prămissen und Planergebnis einer Personalstrategie gegebenenfalls durch Variation der Persona1strategie sicherstellen, dassdas angestrebte ZieI erreicht werden kann. Sie muss schlie6lich pIiifen, ob und wie das angestrebte ZieI erreicht worden ist. Die Kontrolle foIgt dem Leitbild des Regelkreisprinzips (s. Teil III, 5.2.2.l.) und miindet in eine zielorientierte Korrektur einzelner strategischer Plilne einschlie6lich deren Umsetzung. Hier ist die Oherschneidung mit dem Persona1controlling unObersehbar (s. Teil IV, 2.2.l., 2.3.3.). Der Schwerpunkt strategischer Ergebniskontrolle liegt auBer bei sehr kurzfristigem Handeln vor dem Erreichen des Ziels, wenn bei dessen Verfehlen Korrekturen strategischen Handelns schwierig oder unmoglich werden.

643 (2) Der Umfang des strategischen Personalmanagements wird einerseits durch die fUr Aujbau, Erhalt, Nutzung oder Abbau von Personalpotentialen relevanten Problemfelder bestimmt. Es sind dies auf der Grundlage einer Personalbedarfsund -bestandsplanung die Felder der Beschaffung, Ausbildung, Entwicklung und Freisetzung sowie der Zuweisung. Bedarfs- und Bestandsplanung miissen dabei den quantitativen und qualitativen Bedarf an strategisch erforderlichen Personalpotentialen aufdecken. Beschaffungs-, Ausbildungs- und Entwicklungsmanagement miissen Strategien zum Aufbau von Qualifikationspotentialen, das Freisetzungsmanagement dagegen Strategien zu deren Abbau liefem und umsetzen. Der Umfang des strategischen Personalmanagements wird andererseits durch unterstiitzende Strategien geprngt. Zu ihnen gehOren Strategien der Filhrung, der Personalentwicklung, der Vergiltung, der Gestaltung von Arbeitsbedingungen und der unternehmerischen Sozialpolitik. Diese Strategien miissen die Umsetzung der zuvor genannten potentialorientierten Strategien des Auf- oder Abbaus von Personal unterstiitzen.

(3) Die informatorische Untermauerung des strategischen Personalmanagements insbesondere in der Planungsphase muss durch. die Heranziehung sonstiger strategischer PIăne der Untemehmung sowie durch die ErstelIung von Szenarien erfolgen. Sie sind bereits als Grundlage qualitativer Personalplanung vorgestelIt worden (s. Teil II, 2.2.2.-2.2.3.). (4)

Eine Konzeption des strategischen Personalmanagements solIte schlie6lich den drei Verhaltensprinzipien der Relevanz, der Vereinfachung und der ProaktiviUit geniigen, die fUr das strategische Management im Aligemeinen und fUr die strategische Personalplanung im Besonderen aufgestelIt worden sind (vgl. Scholz 1982, 980-982; Scholz 1987, 32-42; DrummJScholz 1988, 20S-20ţi). Diese Prinzipien tragen der Knappheit von Ressourcen fUr strategisches Handeln Rechnung, sichem die Handlungsfăhigkeit der Untemehmung und fordem eine Beschrânkung auf das Wesentliche bei Bewahrung einer ganzheitlichen Sichtweise. Relevanz besagt, dass sich ein strategisches Personalmanagement aufwichtige, als erfolgswirksam angesehene Problemfelder konzentrieren solIte. Es solIte

dort Schwerpunkte bei der Identifikation und Bewertung von wahrscheinlichen, bedrohlichen oder giinstigen Entwicklungen setzen, ohne die Einbettung dieser Entwicklungen in den Gesamtzusammenhang personalwirtschaft1icher Probleme aus den Augen zu lassen.

644 Vereinfachung besagt, dass ein strategisches Personalmanagement die Probleme sowie deren Einbettung strukturieren und dadurch iiberschaubarer machen solIte, um die Komplexităt der Probleme'zu reduzieren. Vereinfachung besagt aufierdem, dass sich ein strategisches Personalmanagement auf Erfolgs- oder Risikopotentiale konzentrieren solIte.Das zweite ergănzt somit das erste Verhaltensprinzip. Proaktivittit besagt, dass ein strategisches Personalmanagement von mehrwertigen Erwartungen zur Umweltentwicklung ausgehen solIte. Diese Erwartungen sind bei der Planung und Auswahl von Strategien dadurch zu berucksichtigen, dass man robuste, fiir mehrere Umweltentwicklungen geeignete Strategien oder alternative Strategien wăhlt. Die Strategiewahl solIte friihzeitig vor Bintritt eines erwarteten Umweltzustands erfolgen und antizipatives Handeln auf taktischer und operativer Ebene ermoglichen. (5) Die Erziehung der Mitarbeiter, insbesondere der Fiihrungskrăfte zu strategischem Denken und selbstverantwortlichem Handeln ist als fiinfte Anforderung unabdingbar. Ist die fiinfte Anforderung nicht erfiillt, so scheitert auch die Umsetzung der ersten bis vierten Anforderung. Die Erfallung aller fanf Anforderungen wird hier als notwendig und hinreichend angesehen, um ein umfassendes Konzept strategischen Personalmanagements zu erhalten. Diese Anforderungen losen sich allerdings von der Vorstellung einer situativen Differenzierung strategischen Personalmanagements. Sie wiirde derzeit kaumIOsbare Probleme der Zuordnung von Typen des strategischen Personalmanagements auf Situationstypen aufwerfen. Bine Typisierung des strategischen Personalmanagements ist nur insoweit sinnvoll, als unterschiedliche Grade der Erfiillungje Anforderung an ein Konzept miteinander zu jeweils einem Typus kombiniert werden. Eine Konzeption strategischen Personalmanagements stellt zunăchst eine Denkhaltung zur Losung von dessen grundsătzlichen Problemen dar. Sie muss nicht zwingend als eigenstăndige personalwirtschaftliche Funktion verstanden werden. Zur eigenstăndigen Funktion kann sie z. B. mit wachsender UnternehmungsgroBe werden. Auch wenn strategisches Personalmanagement nicht zur Funktion wird, muss es zur Aufgabe jedes Personalmanagers werden. Weiter als eine Konzeption ist deren Bezugsrahmen. Er grenzt eine Konzeption durch die Definition von solchen Bausteinen ein, die mindestens vorhanden sein miissen. Diese Bausteine konnen dann ausgebaut und ergănzt werden.

645 1.2.3. Die Bausteine eines konzeptionellen Bezugsrahmens fUr strategisches Personalmanagement Die Erfiillung der zuvor genannten fiinf Anforderungen (s. Teil IV, 1.2.2.) fiihrt zu einem umfassenden konzeptionellen Bezugsrahmen. Dessen umfassende situative Differenzierung nach UntemehmungsgroBe, Branche, Umfelddynamik, Verhaltenst:ypen, Kulturtypen oder Markttypen wiirde allerdings kaum losbare Probleme aufwerfen. Deshalb muss dem Planer die Auswahl der fur ihn wichtigen Situationsmerkmale uberlassen werden. Im ersten Baustein dieses konzeptionellen Bezugsrahmens werden nicht nur die strategische, taktische und operative Handlungsebene mit den zuvor unterschiedenen personalwirtschaftlichen Funktionsfeldem verknupft. Auch eine Verknupfung der Funktionsfelder untereinander ist auf allen drei Handlungsebenen in der Form einer vollkommenen Permutation zu prUfen, selbst wenn nicht alle Kombinationen methodisch besetzbar sind. Prinzipiell hătten diese Kombinationen die Gestalt eines Polyeders, der zur Vereinfachung in Abb. IV. 1. exemplarisch auf eine komplexe Matrix fur zwei Felder reduziert wird. Die Funktion des strategischen Problempolyeders, die in Abb. IV. 1. nur als Ausschnitt erscheint, ist heuristischer Art: Der Polyeder erleichtert die systematische Suche nach Problemen der Integration von Funktionen und Ebenen. Die Differenzierung nach verschiedenen Situationen Si bleibt dem Planer uberlassen, falls er Einf1iisse verschiedener Situationen auf Problemabgrenzung und -lOsung zu erkennen vermag. Es fehlen nun noch einige Prazisierungen des konzeptionellen Rahmens. Alle in Teil II behandelten methodischen Konzepte und Techniken der Personalplanung konnen grundsatzlich fur die Strategieplanung bei strategischem Personalmanagement eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere fur die qualitative Personalbedarfsplanung, fur die Arbeitsmarktforschung in Verbindung mit der Personalbeschaffungsplanung sowie fur die Freisetzungs- und Entwicklungsplanung. Allerdings muss eingestanden werden, dass noch keineswegs fur alle strategischen und taktischen Probleme auf den personalwirtschaftlichen Funktionsfeldem gut geeignete methodische Losungsansatze zur Verfiigung stehen. AuBerdem muss die Wirkung jeder Strategie auf den Finanzplan abgeschătzt werden.

646

PERSONALBESCHAFFUNG

Funktion

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Ebene

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Abb. IV. 1. Exemplarische Verkniipfung von zwei Funktionen, drei Ebenen und drei Situationen Ss (z. B. Ertragslage/UntemehmungsgroJle/Untemehmungsku1tur)

Zweiter Baustein eines Bezugsrahmens for strategisches Persona/management sind Uberlegungen zur Auswahl, Umsetzung und Implementation von Strategien. Die Strategieumsetzung in konkrete Mallnahmenbiindei und EinzelmaJlnahmen macht (1) eine Finalitatspriifung erforderlich, bei der die Zweckeignung und der Zielbeitrag jeder EinzeimaJlnahme zum strategischen ZieI zu iiberpriifen ist. Dazu kann mit heuristischer Absicht die Relevanzbaumtechnik eingesetzt werden (s. Teil 11,2.2.3.). Zur Implementation und Umsetzung gehOrt (2), dass die von einer Personal strategie betroffenen Personalmanager und Linieninstanzen an deren Formulierung mitwirken, mindestens aber iiber die geplante Strategie fiiihzeitig informiert werden. Bei Existenz von bisher unberucksichtigten Restriktionen oder mangeIhafter Strategieformulierung miissen sie an der Redefinition der Strategie mitarbeiten konnen. SchlieJllich muss (3) die Akzeptanz der Personalstrategien gesichert werden. Dazu kann das Akzeptanztheorem in seiner determimstischen oder stochastischen Formulierung (s. Teil II, 7.3.2.) zumindest heuristisch genutzt werden.

647 Dritter Baustein des Bezugsrahmens ist die Kontrolle im strategischen Personalmanagement. Die Priimissenkontrolle ist formal vollstăndig, wenn sie mit (1) der Gilltigkeitspriifung aller den Personalplanungen zugrunde liegenden sonstigen strategischen PIăne beginnt, mit (2) einer Gilltigkeitspriifung der den personalwirtschaftlichen Strategien zugrunde liegenden Szenarien fortgesetzt wird und mit (3) einer Priifung der bisher gelt~nden Ziele bzw. Zielannahmen abschlie6t. Die Prămissen­ kontrolle ist inhaltlich vollstăndig, wenn alle Pliine der Untemehmung, alle Elemente der Szenarien von demographischer Entwicklung, Entwicklung von Bildungssystem, Arbeitsmărkten und arbeitsrechtlichen Vorschriften und alle Ziele iiberpriift werden. Da diese Uberpriifung sehr aufwiindig sein kami, ist eine Beschriinkung auf wichtige Prămissen mit sensitiven Auswirkungen auf den Erfolg von Strategien sinnvoll. Eine solche Beschriinkung entspricht dem Relevanzprinzip strategischer Planung (vgl. Scholz 1982, 981-982; Scholz 1987, 32-42). Die Prămissenkontrolle sollte im Idealfall laufend, mindestens aber in kiirzeren Abstiinden erfolgen, um fehlerhaftes strategisches Planen und Handeln frtihzeitig erkennen zu kOnnen. Deckt die Prămissenkontrolle eine Veriinderung von zuvor als relevant angesehenen Prămissen auf, so miissen die Folgen der Prămisseniinderung fiir das erwartete Ergebnis der gewăhlten Strategien abgeschătzt werden. Absehbare negative, erhebliche Ergebnisabweichungen miissen d~ Anlass zur Korrektur, wenn nicht sogar zur Aufgabe der ursprunglich gewăhlten Strategie(n) sein. Die Fortschrittskontrolle setzt einen zeitlichen, der zeitliche einen logischen Ablaufplan voraus, der Soll-Reihenfolgen sowie Soll-Start- und -Endzeitpunkte von finalen Handlungsa1temativen im Rahmen persona1wirtscha:ftlicher Strategien angibt. Gegenstănde der Fortschrittskontrolle sind die strategischen Pliine im strategischen Persona1management selbst, femer ihre Umsetzung sowie ihre Prăzisierung auf taktischer und operativer Ebene. Die Fortschrittskontrolle selbst erfolgt dann durch Vergleich von Soll- und Ist-Reihenfolgen sowie -Zeitpunkten und durch Analyse der Abweichungsursachen. Auch die Fortschrittskontrolle sollte zur Vermeidung strategischer Fehler laufend~ mindestens aber in kiirzeren Abstiinden erfolgen. Negative Abweichungen bei der Umsetzung von Strategien m(issen Anlass zur PIiifung sein, ob die gewăhlte Strategie korrigiert oder sogar aufgegeben werden muss. Die Planergebniskontrolle kniipft an den Zielen einer Personalstrategie an. Diese Ziele haben die Funktion von Soll- oder Fiihrungsgro6en, wenn sie erwiinschte qualitative und quantitative Ausprngungen des Persona1s in grundsătz1icher Weise am Planungshorizont umschreiben. Auf der Grundlage der Ergebnisse von Prămissen­ und Fortschrittskontrolle ist im Zug der Planergebniskontrolle je Personalstrategie

648 zu pIiifen, ob deren Ziele schon erreicht worden sind oder noch erreicht werden konnen. Werden Zielabweichungen erwartet, weil sich Prămissen oder Eigenschaften oder Wirkungen der Handlungsaltemativen geăndert haben, so sind - soweit moglich - Korrekturen der Zielabweichungen durch Veranderung der Handlungsaltemativen und durch deren Anpassung an verănderte Prămissen vorzubereiten: Bei fehlender Korrekturmoglichkeit sind Abbruch und Ersatz der Personalstrategie zu pIiifen. Pianergebniskontrolle und Abweichungskorrektur stimmen mit der Grundidee eines der ersten Controlling-Konzepte fiir die Personalwirtschaft weitgehend uberein (vgl. Potthoff/Trescher 1986, 23-25), wobei mit Controlling die Steuerung der Untemehmung zum Erfolg und nicht deren Kontrolle ohne Steuerung gemeint ist (s. Teil IV, 2.).

1.2.4. Eine Konzeption strategischen Personalmanagements In den zuvor aufgespannten konzeptionellen Handlungsrahmen lăsst sich nun eine Konzeption strategischen Personalmanagements einbetten. Sie ist ihrer Struktur nach eine verkiirzte, empirisch ungepIiifte instrumentelle Hypothese, die den logischen Ahlau! strategischen Personalmanagements und die Nutzung geeigneter Instrumente je Schritt des Ablaufs angibt. ber logische, nicht unbedingt auch zeitliche Ablau! des strategischen Personalmanagements solIte in neun Schritten erfolgen. FUr eine solche Konzeption lassen sich mehrere Grlinde anfiihren: (1) Eine systematische Vorgehensweise wird unterstiitzt, (2) inkrementale Problemlosungen werden erschwert, und (3) die Genese personalwirtschaftlicher Strategien wird transparent gemacht. Dabei ist es zunăchst unerheblich, ob die einzelnen Schritte in einer spezialisierten Personalabteilung oder von Linienstellen a~gewickelt werden. Ebenso wenig wird durch die Vorgabe einer logischen Struktur der Schritte deren zeitgleiche Abwicklung behindert.. Die neun Schritte des logischen Ablauft in der Konzeption strategischen Personalmanagements sind: (1)

Die Exploration des entscheidungsrelevanten Umfelds durch Szenarlen mit Ar- beitsmărkten, Personalstrukturen zum Planungszeitpunkt und am Planungshorizont, mit strategischen PIănen der LeistungserstelIung und -verwertung, der Finanzierung und Bescha:ffimg steht am Anfang strategischen Personalmanagements.

649 (2) Die Identijikation von SUirken und Schwtichen der vorhandenen Personalausstattung folgt. Dazu geMrt als Grundlage die Identifikation qualitativer und quantitativer Personalpotentiale und das AusmaB von deren Nutzung oder Nichtnutzung. (3) Die Formulierung von personalwirtschaftlich erwilnschten Eigenschaften wie z. B. Qualifikationen des Personals als strategische Ziele aufgrund zukiinftiger Leistungsprogranune sowie Technologien der Leistungserstellung und des Managements schlieBt sich an (qualitativer Personalbedarf). (4) Die Formulierung, Bewertung und Auswahl von Personalstrategien auf den relevanten Funktionsfeldern der Personalplanung - mit flankierenden Strategien der Personalfiihrung und -vergiitung einschlieBlich der untemehmerischen Sozialpolitik zur Erreichung der potentialorientierten Ziele - folgt als niichster Schritt. Begleitende Stategien eines Personalmarketings sind unabdingbar. Ferner sind Strategien des Personalumbaus durch Personalentwicklung fUr nicht mehr benotigtes Personalpotential zu entwerfen. Mit solchen Verwendungsstrategien kann Sozialvertriiglichkeit von Freisetzungen erreicht und der Abbau von Beschaffungsengpiissen eingeleitet werden. (5) Die simultane oder sukzessive Abstimmung der Personalstrategien mit den Produkt-, Markt-, Technologie-, Beschaffungs- und Finanzierungsstrategien bUdet den fiinften logischen Schritt. Diese Strategien gehen zwar bereits als Informationsinput in den ersten Schritt des Ablaufs ein. Bei Aufdeckung von uniiberwindbaren oder verzogemden Restriktionen im Personalbereich wie z. B. von Beschaffungsrestriktionen kann jedoch eine Revision der iibrigen strategischen Untemehmungsplane notwendig werden. Im Finanzplan sind zuniichst die Auszahlungswirkungen von Personalentwicklung und -beschaffung sowie -freisetzung und Personalmarketing abzuschiitzen. Femer ist die Tragfahigkeit dieser Auszahlungen als Teil eines neuen Investitionsprojekts und unabhangig vom neuen Investitionsprojekt zu priifen. Wird Tragfahigkeit verfehlt, so wird eine Korrektur der Personalstrategien des vierten Schritts erforderlich. (6) Die Umsetzung und Implementation der Personalstrategien - mit Korrektur der Ziele soweit moglich und notwendig - ist Gegenstand des sechsten. Schritts. Auch die planerische Umsetzung der Strategien in konkrete Handlungsbiindel und EinzelmaBnalunen auf taktischer und operativer Ebene ist Teil dieses Schritts.

650

(7) Paraliei zu (6) Iaufen Pramissen-, Fortschritts- und Planergebniskontrollen. (8)

Steuernde EingrijJe nach Abweichungsanalysen bei Soll-Ist-Abweichungen foI-

gen, falis sie erforderlich sind: (9) Die Suche nach marktrelevanten Aufgaben fUr die ungenutzten Kenntnis- und Fahigkeitspotentiale des Personals und Abstimmung sowie Implementation dieser Aufgaben mit emeutem DurchlaUf der Schritte (5) bis (8) schliefit die Konzeption ab. Die Probleme einer Konzeption dieser Art liegen im Detail der Ausfiihrung einzelner Schritte und in deren inhalt1icher sowie methodischer Ausfiillung. Eine vollig befriedigende Bewăltigung dieser Probleme ist noch immer nicht erreicht.

1.3. Wechselwirkungen zwischen strategischem Personalmanagement, sonstigen Unternehmungsstrategien und personalwirtschaftlichem Umfeld

Ob und wie das strategische Personalmanagement in das strategische Management der Untemehmung integriert wird, hlingt VOil dessen Stellenwert im Gesamtzusammenhang aller strategischen Planungen und ihrer Umsetzung ab. Man kann den okonomischen Standpunkt einnehmen, dass die Marktaufgabe der Untemehmung erfiilit werden muss, um zu iiberleben und erfolgreich zu sein. Zur Erfiillung dieser Marktaufgabe wird Personal benotigt, weshalb Personalmanagement immer abgeleitete Funktion der zentralen Funktionen Absatz, Leistungserstellung und Bescha:ffimg ist. Bei dieser Sichtweise hlitte ein strategisches Personalmanagement sich an die iibrigen strategischen Planungen und deren Umsetzung anzupassen. Man konnte von einem Personalbedarf ausgehen, an den man sich durch geeignete Strategien der Beschaffung, Entwicklung oder Freisetzung anpasst. Strategisches Personalmanagement hlitte ausschliefilich dienende Funktion und konnte bereits bei der Formulierung von Untemehmungsstrategien antizipiert und in diese mit eingebaut werden. Personale Restriktionen z. B. der Beschaffimg oder Entwicklung konnten in geeigneter Weise in anderen strategischen PIănen beriicksichtigt werden. Problematisch kann hier nur ein Personalbedarf sein, der nicht abdeckbar ist. Man kann aber auch den humanen Standpunkt einnehmen, dass Personal eine eigen-

nicht beliebig beschaftbare menschliche Ressource ist, mit der man je nach Anzahl und Făhigkeiten unterschiedliche Marktaufgaben erfolgreich bewăltigen kann. In diesem FalI ist strategisches Personalmanagement die zentrale selbstandige stăndige,

651 Funktion, und Absatz-, Leistungs- oder BeschafIungsfunktionen sind eher abgeleitete Funktionen. Bei breitem Quali:fikationsspektrwn wird auch ein breites Spektrum an Aufgaben abdeckbar, und es entsteht statt eines Personalbedarfs ein Aufgabenbedarf. FUr die LOsung des Integrationsproblems bedeutet dies, dass sich die sonstigen strategischen Untemehmungsplane den Planungen im strategischen Personalmanagement anscWie6en miissten: Das strategische Persona1management setzt die Beschaffungs-, Entwicklungs- oder Freisetzungsrestriktionen, die von den iibrigen strategischen Planungen zu beachten sind. Problematisch wird hier ein ungenutztes Personalpotential, fUr das keine angemessenen Aufgaben gefunden werden konnen. Beide Standpunkte sind jeder fUr sich vertretbar. Ihre Synthese zu einer simultanen Betrachtung von strategischem Personalmanagement und anderen strategischen Planungsfeldem ist jedoch sinnvoller, da sie die Nutzung der vorhandenen Personalpotentiale verbessert und den Abbau ungenutzter und auch in Zukunft nicht nutzbarer Personalpotentiale erleichtert. Diesem Gedanken folgt weitgehend der zuvor vorg.eschlagene Ablauf des strategischen Persona1managements mit Analyse von Starken und Schwachen des Personals, sonstigen strategischen Untemehmungsplanen als Input und insbesondere der Riickkopplung von Personalstrategien mit den sonstigen strategischen Planen zu einem spateren Zeitpunkt (vgl. auch Scholz 1984,265). Allerdings treten auch zwischen strategischem Persona1management und Umfeld Wechselwirkungen auf: Arbeitsmarkt und Bildungssystem determinieren Beschaffungs- und Ausbildungspotentiale, das Rechtssystem mit insbesondere Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht determiniert Ausbildungs- und Freisetzungspotentiale sowie einen T~il betrieblicher Sozialpolitik durch Vorgabe von Soziallohnen, wăh­ rend das Tarif'vertragssystem Vergiitungssysteme und Arbeitsbedingungen determiniert. Riickwirkungen des strategischen Personalmanagements _auf das Umfeld betreffen vor allem die Arbeitsmărkte durch Einstellung und Freisetzung von ArbeitskrMten (s. Teil IV, 1.5.). Auf das Bildungssystem haben Untemehmungen dagegen nur relativ geringen Einfluss (s. Teil II, 6.2.). Rechts- und Tarif'vertragssystem sind von einzelnen Unternehmungen praktisch nicht beeinflussbar. Nur Haustarif'vertrage konnten den Handlungsspielraum von Untemehmungen erweitem. Abb. IV.2. macht diese Wechselwirkungen in symbolischer Form sichtbar.

652 Sonstige Untemehmungsstrategien Beschaffi.mg

~

Leistungserstelhmg

H

Absatz

Forschung & Entwicklung

Abb. IV. 2.

PersonalwirtschaftIiches Umfeld

Strategisches Personalmanagement Bedarfs- _ potentiale

Bestandspotentiale

~~Ml'A~bH-

dungs-, Entwicklungs-, Freisetzungspotentiale

1

Vergilh!ngssysteme Ffihnii1gskonzeptionen Arbeitsbedingungen Sozialpolitik

H

1-

Arbeitsmarkte Bildungssystem

Rechtssystem

Tarifvertragssystem

Integration von strategischem Personalmanagement, sonstigen Unternehmungsstrategien und personalwirtschaftlichem Umfeld

1.4. Auswirkungen des strategischen Personalmanagements auf einzelne Funktionsfelder der Personalwirtschaft Aufgrund von spezifischen Restriktionen sind nicht a1le personalwirtschaftlichen Funktionsfelder fur ein strategisches Management in gleicher Weise geeignet. Mit wachsender Normierung durch Rechtsvorschriften, Tarifvertrage und Betriebsvereinbarungen gehen die Freiheitsgrade fUr ein strategisches Personalmanagement zuriick. Insgesamt verbleiben aber geniigend Freiraume fUr ein strategisches Personalmanagement mit zentraler Ausformulierung und dezentraler Umsetzung (vgl. Oechsler 1994, 56-57). Strategisches Personalmanagement wird insbesondere auf den Problemfeldem der berufsqualifizierenden Erstausbildung (s. Teil II, 6.2.) und der Vergiitung (s. Teil III, 6.) eingeschrankt:. Die Untemehmung kann bier nur versuchen, Tarifvertrage und Betriebsvereinbarungen geplanten strategischen Veranderungen der Personalstruktur anzupassen oder Freiraume solcher Vereinbarungen zu nutzen. Einfluss auf gesetzliche Vorschriften hat sie praktisch nicht. Indirekte Einfliisse aUf den Gesetzgeber sind a1lenfalls durch die Mitgliedschaft einer Untemehmung in Interessenverbanden wie Kammem oder Wirtschaftsverbanden denkbar. Begrenzungen eines strategisch orientierten Arbeitszeitmanagements entstehen aus Gesetzesvorschriften und Tarif-

653 vereinbarungen (s. Teil 1,3.4.). Sie sind durch die Ănderung des Arbeitsrechts deutlich reduziert worden. Die Begrenzungen aus dem Rentenrecht bestehen trotz zaghafter Reformen allerdings noch immer. Ein Beispiel fur strategisches Handeln auf den Funktionsfeldem der Arbeitszeitgestaltung und der Vermogensbildung sowie Altersversorgung ist das Zeit-Wertpapier der Volkswagen AG (s. Teil 1, 6.3.5. und 6.4.2.1.4.). Ein unabhangiges strategisches Personalmanagement ist auf den Feldern des Personalbedarfs und -bestands nur sehr begrenzt moglich, wăhrend die derivative strategische Planung des qualitativen und quantitativen Personalbedarfs sehr wohl moglich ist (s. Teil 11,2.). Unabhăngige Strategien des Bestandsmanagements sind auBer bei der Altersstruktur des Personals in selbstăndiger Form kaum vorstellbar. Ein strategisches Personalmanagement ist dagegen auf den Feldem der Beschaffung und der Freisetzung in Verbindung mit Strategien der Zusatzausbildung und Fortbildung moglich. In Abhiillgigkeit vom Personalbedarf der Zukunft kann hier durch frOhzeitige Personalakquisition, durch Steuerung der Ausbildungsinhalte und durch Ableitung von Entwicklungszielen aus zukiinftigen Anforderungen auf strategisch relevanten Tatigkeitsfeldem der Untemehmung der friihzeitige Aufbau von Personalpotentialen angestrebt werden. Dies gilt analog fur Freisetzungsstrategien der Unternehmung. Der Aufbau von Personalpotentialen kann durch ein strategisch ausgerichtetes Personalmarketing unterstiitzt werden (s. Teil II, 5.3.4.). Ein strategisches Beschaffungs- und gegebenenfalls komplementăres Freisetzungsmanagement ist in der Form einer unternehmerischen Arbeitsmarktpolitik vorstellbar (s. Teil IV, 1.5.). Gute Ansatzmoglichkeiten fur ein strategisches Personalmanagement bieten die Personalausbildung und die Personalentwicklung dann, wenn sie auf strategischen PIănen des qualitativen Bedarfs und auf Bestandsprognosen fur einzelne Personalkategorien aufbauen (vgl. Dnunm/Scholz 1988,208-210; ElSik 1992, insb. 170-174; s. Teil II, 2.2., 3.2.). Bei Aufdeckung strategisch relevanter Kenntnis- und Fiihigkeitsliicken kann deren proaktiver Abbau in AngrifI genommen werden. Strategisch orientierte Personalentwicklung solI frOhzeitig zum Erwerb von Kenntnissen, Fahigkeiten, Verhaltensweisen und gegebenenfalls auch Werthaltungen fiihren, wenn von diesen positive Beitrage zum Untemehmungserfolg zu erwarten sind. Vom Funktionsfeld der Vergiltungssysteme im strategischen Personalmanagement miissen mindestens akquisitorische Wirkungen auf das potentielle und Bindungswirkungen auf das vorhandene Personal ausgehen. Ansatzpunkte hierzu bieten insbesondere alle Zusatzlohne dann, wenn sie auf personlich zurechenbaren Erfolgen strategischen Handelns als BezugsgroBen aufbauen (vgl. Becker 1987; 1990). Wenn

654 die Zurechenbarkeitsprămisse verletzt wird, steht allerdings keine objektive Pră­ niienbezugsgroJle mehr zur Verfiigung. Dies gilt analog fUr eine Erfolgsbeteiligung des strategisch handelnden Personals. Wenn Vergiitungssysteme jedoch als Anreiz fUr Leistungshandeln und selbststandiges Ausfiillen ofIener Arbeitsvertrăge wirken sol1en, um Transaktionskosten zu reduzieren, so wird eine strategisch gelenkte Auswahl zwingend erforderlich. Potentiallohn, gespaltene VergiJtung und ganzheitliche VergiJtungspakete mfissen dann andere Vergiitungsaltemativen ersetzen.

Arbeitsbedingungen auJler Perioden- und Lebensarbeitszeiten (s. Teil r, 6.), also Arbeitsinhalte und Arbeitssituation (s. Teil r, 5.5.2.5.) oder Belastungen durch die Arbeit (s. Teil r, 5.5.2.3.) konnen strategisch genutzt werden, wenn durch ihre groJlziigige oder restriktive Ausgestaltung positive oder negative Bindungswirkungen fUr das vorhandene Personal oder akquisitorische Wirkungen auf potentielles Personal erreicht werden sol1en (s. Teil IT, 5.3.4.). Theoretische oder konzeptionelle Uberlegungen zu einem strategischen Personalmanagement auf dem Funktionsfeld der Personaljahrung sind bisher insoweit erkennbar, als nach dem Vorschlag von Scholz (vgl. 1994, Kap. 6.4.) die Untemehmungskultur zur FUhrungsunterstiitzung nutzbar gemacht werden solI. Einige der Uberlegungen Martins (vgl. 1989, insbes. 39-43) lassen sich dahingehend zusammenfassen und interpretieren, dass die ErhOhung der Rationalităt von Entscheidungen und ihres organisatorischen Bedingungsrahmens die strategische Ausgestaltung der Personalfiihrung ausmachen. Die von Deal und Kennedy in ihrer Typologie vorgestellten Verhaltensrituale von Vorgesetzten und ihren Mitarbeitem (vgl. 1984, 107-127) sind nur bei groJlziigiger Interpretation als FUhrungsaltemativen vor unterschiedlichem strategischem Hintergrund zu werten. Die von Wunderer vorgeschlagene engere Verknfipfung von wertorientierter Personalfiihrung und Personalentwicklung (vgl. 1988,435-438) kann dadurch geeignetes Element eines strategischen Personalmanagements sein, dass sie das selbstverantwortliche Handeln des Mitarbeiters zum Leitbild hat. Die lndividualisierung von Personalentwicklung und Fahrung wiirde dann zum Inhalt strategischen Personalmanagements und konnte durch die Individualisierung von Arbeitszeitregelungen, Vergiitung und Arbeitsgestaltung ergănzt werden (vgl. Scbanz 1992,265-274). Das Funktionsfeld der unternehmerischen Sozialpolitik mit Soziallobnen und bei geeigneter Interpretation auch mit der Vermogensbeteiligung kann in das Konzept des strategischen Personalmanagements eingeordnet werden, wenn Sozialpolitik positive oder negative Bindungswirkungen fUr das Personal. auslosen solI. Sozialpolitik unterstiitzt dann den Ab- oder Aufbau von Personalpotentialen. Personalwirtschaftliche Transaktio-

655 nen auf operativer Ebene stellen Erfolgs- und VermOgensbeteiligung jedoch nicht und sonstige MaBnahmen der Sozialpolitik nur begrenzt dar. Strategisches Personalmanagement muss eine im Ergebnis integrative Verknapjung mehrerer, wenn nicht aller Funktionsfelder der Personalwirtschaft anstreben. Strategisches Personalmanagement nur auf einem dieser Funktionsfelder wiirde gegen die Anforderung der Relevanz verstoBen. Daher miissen die Auswirkungen einer Personalstrategie auf einem Funktionsfeld um eine Analyse von deren Auswirkungen auf andere Funktionsfelder ergănzt werden. Ergibt sich z. B. aus einer Bedarfsstrategie, dass das Qualifikationsniveau einer Beschăftigtenkategorie spiirbar angehoben werden muss, so sind nicht nur Personalentwicklungsstrategien zu entwerfen. Vielmehr muss auch die Anpassung der Vergiitung, eine Veranderung von Arbeitszeiten und sonstigen Arbeitsbedingungen sowie die Notwendigkeit einer Ânderung des FUhrungssystems einschlieBlich des Anreizsystems iiberpriift, gegebenenfalls planerisch vorbereitet, implementiert und umgesetzt werden, um das Mher qualifizierte Personal nach Abschluss der Entwicklung halten zu konnen. Femer miissen die Wirkungen der Personalstrategien auf Kosten und Finanzbedarf iiberprtift werden. SchlieBlich muss auch gefragt werden, ob aufgrund der Hoherqualifikation eine Anpassung der Organisationsstrukturen mit mehr Autonomie und offener Kommunikation notwendig wird. Diese Aufgabe wlire von dem der Personalwirtschaft benachbarten Funktionsbereich "Organisation" zu losen. Die elementare Sichtweise auf ein Einzelproblem muss also immer durch eine ganzheitliche und zugleich integrative Sichtweise auf mindestens den gesamten Personalbereich, wenn nicht sogar die gesamte Untemehmung ergănzt werden.

1.5. Untemehmerische Arbeitsmarktpolitik als Teil strategischen Personalmanagements 1.5.1. Grundlagen untemehmerischer Arbeitsmarktpolitik Als unternehmerische Arbeitsmarktpolitik werden alle zielorientierten, strategischen Mafinahmen verstanden, durch die eine Untemehmung Arbeitskrăfteangebot und -nachfrage auf ihren Arbeitsmlirkten zu ihren Gunsten zu beeinf1ussen versucht (Drumm 1987a, 37). Dies bedeutet, dass die strategisch handelnde Untemehmung den Auf- oder Abbau ihrer Personalpotentiale durch geeignete Strategien auf ihren Arbeitsmărkten unterstiitzt und gleichzeitig versucht, Ab- und vor allem Aufbau von Personalpotentialen bei ihren Konkurrenten gemăfi eigenen Zielen zu beeinf1ussen. Untemehmerische Arbeitsmarktpolitik erfordert daher die finale Verkniipfung von

656 Planung und Planumsetzung der Arbeitsmarktbeeinflussung auf strategischer sowie ergănzend auf taktischer und operativer Ebene. Damit sind auch die Ziele einer strategisch orientierten Arbeitsmarktpolitik klar umrissen. Die betriebswirtschaftliche Theorie hat sich bisher mit diesem Problem kaum beschiiftigt. Sie hat Arbeitsmarkttheorien sowie -politik der Volkswirtschaftslehre iiberlassen. Die Notwendigkeit einer untemehmerischen Arbeitsmarktpolitik mit theoretischer Untermauerung aus personalwirtschaftlicher Sicht zeichnet sich inzwischen deut1icher ab, da die demographische Entwicklung einerseits, das Ausbildungsverhalten junger Menschen andererseits in Zukunft bei einigen Personalkategorien wie z. B. Facharbeitem, Ingenieuren sowie Im:ormatikem zu strategisch wichtigen Personalbeschaffungsengpăssen fiihren diirften. Ein strategisch geprâgtes personalwirtschaftliches Konzept untemehmerischer Arbeitsmarktpolitik liegt seit lăngerem vor (vgl. Drumm 1987a) und ist als Teil eines strategischen Personalmanagements einzuordnen. Zwingende Prtimissen wirksamer untemehmerischer Arbeitsmarktpolitik sind (1) eine strategische Untemehmungsplanung, (2) eine ausgebaute Personalplanung und (3) eine effektive untemehmerische Arbeitsmarktjorschung (s. Teil 1, 5.3.). Fehlt eine der drei Prâmissen, so ist statt arbeitsmarktpolitischem Handeln nur die Reak.;. tion auf Prozesse im Arbeitsmarkt mOglich. Zu den Pramissen geMrt (4) eine herausragende Stel/ung der Untemehmung am Arbeitsmarkt. Eine solche Stellung liegt vor, wenn die Untemehmung gemessen am Gesamtvolumen des Arbeitsmarkts groSe Mengen von Personal nachfragt oder abbaut oder wenn sie monopolăhnlicher Nachfrager auf einem kleinen Arbeitsmarkt ist. Untemehmerische Arbeitsmarktpolitik setzt nicht voraus, dass sich die strategisch handelnde Untemehmung an gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen und an der Arbeitsmarktpolitik des Staates orientiert. Sie handelt nur zu eigenem Nutzen - auch wenn sie dies nicht ausdriicklich erklărt. Untemehmerische Arbeitsmarktpolitik besteht in der Formulierung und Umsetzung yon zwei Strategietypen zur Beeinflussung des Arbeitsmarkts (vgl. Drumm 1987a, 39-40): (1) Strategien des direkten Eingriffs in den Arbeitsmarkt sollen giinstige Bedingungen fUr den Auf- oder Abbau eigener PersonalPotentiale schaffen. (2) Strategien der indirekten Arbeitsmarktbeeinj1ussung wie insbesondere Mobilittits-, Beschaffungs- und Freisetzungsstrategien sind zunăchst personalwirtschaftliche Strategien. Sie werden dann zu Bestandteilen untemehmerischer

657

Arbeitsmarktpolitik, wenn sich die Untemehmung die Wirkungen dieser Strategien zunutze macht: Sie wăhlt Strategien mit fUr sie giinstigen, fUr Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt jedoch ungiinstigen Wirkungen und greift damit indirekt in den Arbeitsmarkt ein. Die Wirkungen dieser Strategien auf den Arbeitsmarkt sind dann besonders ausgepragt, wenn sie von der strategisch handelnden Untemehmung fIiihzeitig und moglichst erstmalig eingesetzt werden. Man muss femer davon ausgehen, dass die Wirkungen dieser Strategien von der GrOBe des relevanten Arbeitsmarkts und seines Arbeitskrăftepotentials, von der Anpassungsfahigkeit des Arbeitsmarkts, vom Umfang der auf- oder abzubauenden Personalpotentiale sowie von der Grofie der arbeitsmarktpolitisch handelnden Untemehmung abhangen. Kleine Untemehmungen erzielen auf einem grofien Arbeitsmarkt kaum Wirkungen. Bei grofien Untemehmungen sind auf einem kleinen Arbeitsmarkt erhebliche Wirkungen einer Strategie besonders dann zu erwarten, wenn grofie Personal potentiale auf- oder abgebaut werden sollen.

1.5.2. Unternehmerische Arbeitsmarktstrategien 1.5.2.1. Strategien des direkten Arbeitsmarkteingriffs

Zum direkten Eingrifj in den Arbeitsmarkt stehen Untemehmungen nur zweÎ schwach wirksame Strategien zur Verfiigung (vgl. Drumrn 1987a, 43-45): (1) Die strategische Ankilndigung besteht darin, potentiellen Bewerbem und gleichzeitig den konkurrierenden Nachfragem auf dem Arbeitsmarkt die eigenen Handlungsziele offen zu legen. Diese Handlungsziele konnen den Auf- wie den Abbau von Personalpotentialen betreffen. So kann eine Untemehmung anktindigen, dass sie in Zukunft Personen mit einer bestimmten Erstausbildung oder Qualiftkation bevorzugt ei.nstellen wird oder dass sie bestimmte Berufsbilder als iiberholt und nicht mehr benotigt ansieht. Strategische Ankiindigungen dieser Art konnen das Aus- und Fortbildungsverhalten oder die MobUităt von Personen auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen. Kontrollierbar ist die Wirkung dieser Informationsstrategie seitens der anktindigenden U ntemehmung jedoch nicht. Selbst bei richtiger Vorhersage zuktinftig benotigter Berufsbilder kann eine strategisch anktindigende Untemehmung nicht erwarten, dass durch sie ausgeloste Verănderungen des Aus- oder Fortbil-

658

dungsverhaltens nur ihr selbst zugute kommen. Sie muss daher strategische Ankiindigungen durch ein strategisch orientiertes Personalmarketing unterstiitzen (s. TeiI 11,5.3.4.). (2)

Der Eingriffin die berufliche Bildung ist nur in indirekter Form moglich, dort aber zumindest begrenzt wirksam. Dieser Eingriff ist in unterschiedlicher Weise moglich, indem die Besonderheiten des dualen BiIdungssystems genutzt werden (s. TeiI II, 6.2.). Die Untemehmung kann auf der Ebene der Industrieund Handelskammem iiber die BerufsbiIdungsausschiisse versuchen, Einfluss auf die Definition von BerufsbiIdem und insbesondere auf Prlifungsanforderungen zu nehmen. Dariiber hinaus kann die Untemehmung versuchen, Einfluss aufBiIdungsinhalte und -ziele von BiIdungsinstitutionen zu gewinnen, indem sie z. B. PiIot-Lehrprogramme vorschlăgt oder selbst entwickelt, AusbiIdungshilfen anbietet oder eigenes Personal als A&sbiIder delegiert. Der Untemehmung stehen als wirksamste Form des Eingriffs die Gestaltung der praktischen Ausbildung gemaft eigenen zukanftigen Anforderungen sowie das Angebot von Zusatzausbildungsgangen zur Verfiigung. Diese Eingriffe werden aber nur dann strategisch nutzbar, wenn die Absolventen der AusbiIdung ausSChlie6lich oder iiberwiegend der strategisch eingreifenden Untemehmung zuflie6en.

Da beide Strategien nur schwache und teiIweise auch ungezielte Wirkungen haben, kommen sie flankierend fur andere Strategien in Frage.

1.5.2.2. Strategien indirekter Arbeitsmarktbeeinflussung Zur indirekten Beeinflussung des Arbeitsmarkts kann die UntemehmungfunfStrategien in der Form von Mobilităts-, Beschaffungs-, Aus- und Fortbildungs-, Freisetzungs- oder Flexibilisierungsstrategien wăhlen. (1) Mobilitatsstrategien sollen arbeitslose oder bereits beschaftigte potentielle Bewerber aus anderen Regionen hin zur arbeitsmarktpolitisch handelnden Unternehmung fiihren. Durch diese Strategien sollen im Wesentlichen Mobilitătsbar­ rieren abgebaut werden, die aufgrund familiărer, finanzieller, landsmannschaftlicher oder umfeldspezifischer Bindungen bestehen. Ihre Wirkungen sind eher als schwach einzustufen. Mobilitătsstrategien miissen durch Personalmarketing unterstiitzt werden (s. Teil II, 5.3.4.).

659 (2) Unter den BeschajJungsstrategien (vgl. Drumm 1987a, 47-52; s.Teil II, 5.3.) haben Closed-Shop-Strategien wachsende Bedeutung gewonnen: Aliller bei Wachstums- oder Schrumpfungsprozessen wird eine Minimierung von Neueinstellungen und Entlassungen angestrebt. Diese Strategie kann fur das gesamte Personal oder nuc fur deil Kem des koch qualifizierten Stammpersonals praktiziert werden. Closed-Shop-Strategien implizieren Dominanz intemer PersonalbeschafIung, Aufuahme von Nachwuchs aus dem Arbeitsmarkt sowie Abgabe von berufsunfăhigen oder unqualifizierten Mitarbeitem an den Arbeitsmarkt. Unter den Griinden fur die Wahl dieser Strategie ragen der Regulierungsdruck ducch das Betriebsverfassungsgesetz bei Neueinstellungen und Entlassungen (s. Teil II, 4.4., 5.6.), Aufstiegsversprechen und SicherheitsbedOrfnisse des Personals heraus. Arbeitsmarktwirkungen dieser Strategie sind uniibersehbar: Qualifiziertes Personal wird im Gegensatz zu unqualifiziertem Personal nicht oder nuc in geringem Umfang an den Arbeitsmarkt abgegeben (s.u. "Cinderella-Prinzip"). Wer bei der BeschafIung von Berufsan:făngem - dem Hauptproblem dieser Strategie - erfolgreich gewesen ist, bietet Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt keinen Zugriff mehr auf die eigenen Personalpotentiale und kann so bei hoher Qualifikation des eigenen Personals einen Wettbewerbsvorteil sichem. (3) Aus- und Fortbildungsstrategien sollen den Aufbau von Personalpotentialen bewirken. Dieser Aufbau kann erstens darin bestehen, dass bei Ausbildung iiber den eigenen Bedarf hinaus die besten Absolventen behalten und die schlechteren an den Arbeitsmarkt abgegeben werden. Man konnte in Erinnerung an die Arbeit der Tauben im Mărchen vom Aschenputtel vom "Cinderella-Prinzip" der Ausbildung sprechen ("Die Guten ins Topfchen, die Schlechten ins Kropfchen"). Der Aufbau kann zweitens darin bestehen, dass eine Zusatzausbildung fur neue Berufsfelder entwickelt und auf die Standardberufsausbildung des dualen Systems (s. Teil II, 6.2.) aufgesetzt wird. Die Identijikation neuer Berufsbilder ware Aufgabe der qualitativen Personalbedarfsplanung (s. Teil II, 2.2.2.- 2.2.4.). Es bestehen uniibersehbare Verbindungen zur zweiten Strategie des direkten Markteingriffs. Diese Strategien miissen durch Strategien der Vergiitung, Fiihrung und Sozialpolitik unterstiitzt werden, utn die Fluktuation von Quali:fikationspotentialen zu verhindem. Gelingt dies, so sind Konkurrenten auf dem gemeinsamen Arbeitsmarkt zur eigenen Ausbildung und Zusatzausbildung gezwungen. Unterstiitzende Strategien wirken aber nur dann akquisitorisch, wenn ihre Vorteilhaftig-

660 keit dem in der Unternehmung zu haltenden Personal transparent gemacht wird. Dies ist eine Aufgabe des Personalmarketing (s. Teil II, 5.3.4.). Aus- und Fortbildungsstrategien baben in Verbindung mit unterstiitzenden Strategien relativ starke Wirkungen auf den Arbeitsmarkt. Dies gilt ăhnlich auch fUr Placement-Strategien, bei denen die Unternehmung mit Ausbildungsinstitutionen kooperiert, um deren Absolventenals Nachwuchs zu gewinnen. Wer bei dieser Strategie durch Personalmarketing seine akquisitorischen Potentiale erfolgreic~ einsetzen kann, verhindert den Eintrittvon Absolventen in den Arbeitsmarkt - zum eigenen Nutzen und zum Nachteil der Konkurrenten. (4) Unter den Freisetzungsstrategien (vgl. Drumrn 1987a, 52-56; s. Teil II, 4.3.3.) baben insbesondere Arbeitskrtiftetausch und Outptacement Wirkungen auf den Arbeitsmarkt. Beide Strategien bewirken bei Erfolg eine "unsichtbare" Plazierung freigesetzten Personals in anderen Unternehmungen, ohne dass der externe Arbeitsmarkt beriihrt wird. So konnen gegebenenfalls knappe Arbeitskrăfte am Arbeitsmarkt vorbeigeschleust werden. Dass dabei Personal bei Konkurrenten der eigenen Branche plaziert wird, ist in AusnahmefiUlen vorstellbar. Beispiele hierfiir bat es zwischen 1974 und 1979 in der mineralolverarbeitenden Industrie gegeben. (5)

Flexibilisierungsstrategien mit Umsetzungssequenzen fUr freigesetztes Personal, mit Ausgrfuldung oder mit Aufhebungsvertrligen bertihren den Arbeitsmarkt insofern, als die Unternehmung die qualifizierteren, freigesetzten Mitarbeiter halten und die weniger qualifiziertenMitarbeiter ausstellen und damit an den externen Arbeitsmarkt abgeben wird. Auch hier kiime wieder das "Cinderella-Prinzip" zum Zuge. Ausgegrfuldete Mitarbeiter gehen als selbstlindige Kleinunternehmer dem Arbeitsmarkt allerdings vollig verloren.

1.6. Offene Probleme Strategisches Personalmanagement ist als konzeptioneller Rahmen ausbau- und ausfiillungsbediirftig. Auch das hier vorgetragene Konzept llisst sechs Fragen offen: (1) Inwieweit ist eine Differenzierung des Konzepts des strategischen Personalmanagements nach der Ertragslage der Unternehmung notwendig? Es ist zu vermuten, dass ertragsstarke Unternehmungen sich von Fehlern eines strategi:"

661 schen Persona1managements freikaufen kOnnen. Ertragsschwache Untemehmungen kOnnen dies nicht. (2) Muss ein Konzept des strategischen Personalmanagements nach Branchen differenziert werden? Dies ist sinnvoll, wenn Beschaffungsengpăsse, Ausbildungs- und Entwicklungsbedarfberufs- und branchenspezifisch sind. (3) Wie beein:flusst die UnternehmungsgrtJjJe ein strategisches Persona1management? Man kann davon ausgehen, dass das fOr ein strategisches Persona1management relevante Know-how in gro6en Untemehmungen verbreiteter als in kleinen ist, weil gro6e Untemehmungen sich Planungsspezialisten leisten konnen. Wachsende Untemehmungsgro6e wirkt somit vermutlich positiv auf die Professiona1ităt strategischen Personalmanagements. (4) Welcher Zusammenhang besteht zwischen Unternehmungskultur und strategischem Personalmanagement? Die bisherige Diskussion von Problemen der Untemehmungskultur (vgl. Diilfer 1997) Iăsst erwarten, da6 unterschiedliche Kulturtypen aufgrund der ihnen eigenen Werthaltungen 'und Grundannahmen zu unterschiedlichen Konzepten des strategischen Persona1managements fiihren. Solange allerdings die Messproblematik der Untemehmungskultur ungelost ist und eine Konventionalisierung der Kultur-Typologien aussteht, wird eine kulturspezifische Differenzierung des strategischen Persona1managements spekulativ bleiben. Dieser Einwand gilt im Ubrigen auch gegen den Versuch einer strategischen Nutzung der Untemehmungskultur zur Personalfiihrung. (5) Wie ist die Realisation eines systemtheoretisch geprăgten strategischen Persona1managements des hier skizzierten Typs praktisch zu losen und welche Implementationsprobleme mfissten wie bewiUtigt werden? Eine umfassende Antwort auf diese Fragen fant schwer, denn die Diskussion fiber Ziele, Gegenstande und Methoden strategischen Persona1managements hat zu keinen allgemein akzeptierten Losungen gefiihrt.Man kann d~shalb vermuten, dass untemehmungsspezifischen Losungen fOr ein strategisches Personalmanagement der Vorzugvor generellen Modellen gegeben werden muss. (6) Kann man Untemehmungen strategisches Persona1management einschlie6lich einer Arbeitsmarktpolitik angesichts modischer Lean-Management-Reformen mit Outsourcing selbst dann noch empfehlen, wenn sie z. B. die vier Prămissen .untemehmerischer Arbeitsmarktpolitik (s. Teil IV, l.5.l.) erfiillen? Diese Frage ist dann uneingeschrănkt zu bejahen, wenn rationa1es und zugleich okono-

662 misehes Verhalten der Untemehmung - aueh auf ihren Arbeitsmărkten - beabsiehtigt ist. Wird das Rationalitătspostulat fallen gelassen, so liegt der Verzieht auf strategisehes Personalmanagement nahe. Weitgehend unstrittig ist bisher nur, dass ein strategisehes Personalmanagement integraler Bestandteil des gesamten strategisehen Managements mit Planung, Umsetzung und Kontrolle von Strategien auf allen Funktionsfeldem der Untemehmung sein muss. Gerade diese Einbindung wirft allerdings eine grundsătzliehe Frage auf: Strategisehes Management ist stets auf den Ausbau und die Sieherung des lăngerfristigen Unteme1u;nungserfolgs geriehtet und maeht so eine langfristige Gewinnmaximierung unabdingbar. Gewinnmaximierung kann in langfristiger wie in kurzfristiger Form gegen ethische Normen verst06en, die von Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, dem Personal oder der Offent1iehkeit geteilt werden. Eine Begrenzung strategisehen Handelns dureh ethisehe Normen ist bei Existenz eines sol-. ehen KonfliktS also denkbar. Dureh die Einbindung von Strategien des Personalmanagements in die Gesamtstrategie der Untemehmung kann es zur Verletzung ethisehet Normen kommen, die das Personal teilt oder die in der Offent1iehkeit akzeptiert werden. Die ethische Steuerung personalwirtschaftlichen strategischen Handelns wird somit zu einem eigenstăndigen Metaproblem der Personalwirtschaftslehre (s. Teil IV, 4.).

2.

Personalcontrolling

2.1. Uberblick

Untemehmungs- und Personalcontrolling werden inzwischen breit diskutiert und partiell hOherer Anwendungsreife zugefiihrt. Dabei ist nur zum Teil klarer geworden, was sich hinter beiden Begriffen und den mit ihnen verbundenen methodischen Konzeptionen verbirgt. Untemehmungscontrolling wird noch am besten begreifbar, wenn man es als Denkhaltung versteht, die genUill dem Regelkreisparadigmaeine erfolgsorientierte Steuerung der Untemehmung unterstiitzt. Diese Denkhaltung kann zumindest in grofien Untemehmungen auch als Funktion verselbstllndigt und organisatorisch institutionalisiert werden. Personalcontrolling muss bei konsistenter Interpretation Teilfunktion eines als dynamisch verstandenen Untemehmungscontrolling sein. Es muss dann eine erfolgsorientierte, stllndige Steuerung des Einsatzes von Personal beinhalten. Dies wird in der Literatur keineswegs einheitlich so gesehen. Gerade deshalb ist es sinnvoll, Untemehmungscontrolling als Bezugsrahmen fUr das Personalcontrolling zu entwickeln und dieses dann in den Bezugsrahmen einzuordnen. Auffallig ist die zum Teil nur schwache Abgrenzung des Personalcontrolling von der Personalplanung einerseits, dem strategischen Personalmanagement andererseits. Prăzisiert man Personalcontrolling als laufende Uberpriifung der Effektivităt und

Effizienz personalwirtschaftlichen Handelns mit der Folge korrigierender Eingriffe bei unerwiinschten Abweichungen, so wird der Blick rasch auf die methodischen Probleme der Bestimmung von Effektivităt und Effizienz gelenkt. Die bisher vorgeschlagenen methodischen Ansiitze kranken an unscharfen oder fehlenden Beziigen zu Erfolgszielen der Untemehmung ebenso wie an der in vielen Fiillen mangelhaften Zurechenbarkeit von Kosten oder Auszahlungen auf personalwirtschaftliche MaBnahmen. Beides behindert den erfolgreichen Ausbau des Personalcontrolling erheblich, ohne dass dessen Leitidee einer okonomischen UberpriifungpersoIialwirtschaftlichen Handelns in Frage gestellt wird. Eine exakte Losung dieses zentralen Problems jedes Personalcontrolling zeichnet sich nicht ab. Eine Reduktion dieses zentralen Controllingproblems der Personalwirtschaft konnte jedoch, iihnlich dem Untemehmungscontrolling, dadurch erreichbar sein, dass auf exakte Zurechnung von Erfolgen auf personalwirtschaftli-

664

ches Handeln verzichtet und stărker auf Controlling als Denkhaltung ZUIiickgegriffen wird, die sich auf Wirkungsanalysen besclminkt. Der Einbau dieser Denkhaltung bereits in Planungs- und Implementationsprozesse fUr personalwirtschaftliche MaBnahmen wfirde dann ein Selbstcontrolling der Personalmanager unterstiitzen und den Aufbau - iiberfliissiger - Institutionen des Personalcontrolling verhindem oder wenigstens ZUIiickdrăngen. Die theoretische und transaktionskostentheoretische Wiirdigung aller nachfolgenden Aussagen zum Personalcontrolling unterscheidet sich in nichts von denjenigen strategischen Personalmanagements. Bei den konzeptionellen und instrumentellen Empfehlungen handelt es sich um Kunstlehren (s. Teil 1, l.5.) mit plausiblen Hypothesen, deren breite empirische Stiitzung oder Widerlegung aussteht.

2.2. Unternehmungscontrolling als Bezugsrahmen 2.2.1. Abgrenzungen Seit Ende der 70er Jahre werden unterschiedliche Konzepte fUr ein Untemehmungscontrolling auch in der deutschsprachigen Literatur dargestellt und in der Praxis in mehr oder weniger modifizierter Form eingesetzt. Von einer unreflektierten ersten Ubemahme amerikanischer Vorbilder kann daher heute keine Rede mehr sein. Seit Mitte der 80er Jahre ist eine Aufsplittung des Untemehmungscontrolling zuerst in ein Bereichs-, dann mehr und mehr in ein Funktionscontrolling beobachtbar. Neben z. B. Anlagen-, Investitions-, Vermogens-, F&E-, Marketing-, Beschaffungs- und Logistikcontrolling (vgl. MayerlWeber 1990; AlbachIWeber 1991a) hat sich auch ein Personalcontrolling etabliert (vgl. Wunderer/Jaritz 1999). Untemehmungscontrolling ist dadurch zu einem Bezugsrahmen fUr Funktions- und dort insbesondere Personalcontrolling geworden. Die Zahl der Veroffentlichungen zu Einzelfragen eines Untemehmungs- und Personalcontrolling ist zwar gestiegen .. Allerdings geht mit der steigenden Anzahl vor allem praxisorientierter Publikationen keineswegs eine zunehmend theoriegeleitete Prăzisierung des Controlling einher. Albach und Weber sprachen schon fiiih von einem "Nebeneinander, ja Miteinander von Theorie und Praxis" (1991b, VII). AuBerdem ist erkennbar, dass eine Tendenz zur Ausweitung von Begriff und Konzeption des Untemehmungscontrolling existiert. Diese Entwicklung veranlasst zu Fragen nach ZieI, Gegenstand, Methodik und Problematik eines allgemeinen Unternehmungscontrolling sowie nach der Aufspaltung des Untemehmungscontrolling

665 in ein Controlling einzelner untemehmerischer Funktionen einschlieBlich eines Personalcontrolling. Begriff und Vorstellungen davon, was Unternehmungscontrolling sein solI, sind keineswegs einheitlich und differieren alleine schon zwisphen Praxis und Theorie ganz erheblich. Sie liegen zwischen Untemehmungskontrolle mit falscher und steuerung mit richtiger Ubersetzung des amerikanischen Verbs "to control". Dieser

Spannbreite zwischen Missverstăndnis und Verstăndnis entsprechen die praktischen Auspragungen von Untemehmungscontrolling. Sie reichen von der Informationsversorgung iiber einfache Kostenkontrolle bis hin zu Abweichungsanalysen und steuemden Eingriffen in untemehmerische Funktionen. Hinzu kommt eine an Stellenausschreibungen ablesbare Verschiebung der Einzelaufgaben des Controlling (vgl. Weber/Kosmider 1991,22-23,27-29) von der Kostenkontrolle bis hin zur Fiihrungsuntersmtzung. Zumindest in der Theorie herrscht zur BegrifIsbildung etwas stărkere Ubereinstimmung. Haase (vgl. 1980, 317-318, 364-366) macht relativ frtih darauf aufmerksam, dass Controlling als Prozess zu verstehen ist. In diesem Prozess werden Ziele formuliert, MaBnahmen zur Zielerreichung ausgewahlt und umgesetzt, um dann Zielverfehlungen jrahzeitig erkennen und durch geeignete GegenmaBnahmen kompensieren zu konnen. Controlling als Kombination aus Planung und Kontrolle folgt somit dem Regelkreisparadigma (s. Teil III, 5.2.2.2.): Controlling bietet StellgroBen an, durch die Abweichungen zwischen Fiihrungs- und ZustandsgroBen der Regelstrecke kompensiert werden konnen. Als Regelstrecke ist dabei die Unternehmung als Ganzes ebenso interpretierbar wie ihre groBen organisatorischen Bereiche oder einzelne Funktionen. Als FiihrungsgroBen sind die Ziele der Unternehmung zu sehen. Controlling wird in dieser dynamischen Sicht zum organisierten, zielgerichteten Lernen der gesamten Unternehmung und ihrer Tei/e. Diese dynamische Abgrenzung von Controlling findet sich zumindest als Kem in anderen, umfassenderen Definitionen der theoretisch gepragten Literatur wieder. Kiipper (1987) etwa hebt pointiert die Koordinationsfunktion des Controlling hervor, die eine bessere Erreichung der Erfolgsziele anstrebt. Horvâth (1994, 144) sieht die Controllingfunktion ăhn1ich als ein Subsystem der Fiihrung, das Planung, Kontrolle und Informationsversorgung koordiniert und eine ergebnisorientierte Anpassung der Untemehmung an Veranderungen des Untemehmungsumfelds untersmtzt. Ein weiteres Beispiel bietet Weber, der Controlling als Teil der Untemehmungsfiihrung versteht, dem die Aufgabe der Koordination des Fiihrungsgesamtsystems zukommt (vgl. 1991a, 29-30; 1993,46-47). Kiipper, Weber und Ziind (1990,

.666 282) interpretieren Controlling - sehr weit - als "Komponente der Fiihrung sozialer Systeme". Den Gegenstand des Controlling sehen die Autoren in der zielorientierten Koordination des FUhrungssystems durch Gestaltung und Uberwachung des Planungs-, Kontroll- und Infonnationssystems (1990, 283). Dies entspricht der systematischen Grundidee des Controlling, wie sie Haase (1980) fiiih aufgezeigt hat und wie sie auch hier als weiterfiihrend angesehen wird. Trotz der gemeinsamen Leitidee der Koordination in den verschiedenen Begriffen des Untemehmungscontrolling kann von volliger Ubereinstimmung der Begriffe aber keine Rede sein. AuffaIlig ist vielmehr eine seit 1980 fortschreitende Ausdehnung des Controllingbegriffs. Diese kann damit begIiindet werden, dass die Komplexităt des Steuerungsproblems zunehmend besser erkannt worden ist. Die Begriffsextension zieht eine Ausweitung von Konzeptionen und Instrumentarium des Controlling nach sich. Diese Ausweitung erhOht die Komplexităt des Controlling und lost dadurch Schritte zu einer Komplexitătsreduktion aus. Ein solcher Schrltt ist dann die Disaggregation des Controlling. Eine zusatzliche Unterscheidung in operatives und strategisches Controlling wiirde nur bei ausreichender Verfiigbarkeit von Methoden und InstrumenteIi des Controlling fUr beide Ebenen Sinn machen.

2.2.2. Ziei, Gegenstand und Metbodik des Unternebmungscontrolling Denkt man die exemplarisch herausgegriffenen, insgesamt aber typischen Definitionen zu Ende, so entsteht das Bild eines- sozialen Systems, das durch Controlling eine Spezialisierung auf zielorientierte Anpassungsprozesse an Veranderungen seines Umsystems anstrebt: Controlling soli die Selbstregulation des Systems Unternehmung sichern. Das ist im Kem das eigentliche ZieI des Unternehmungscontrolling. Die Literatur nennt dagegen noch eine Reihe ~eiterer Ziele, die Weber iiberblicksartig zusammengestellt hat (vgl. 1991a, 14-20): Informationsversorgung fUr die Untemehmungs:fiihrung, Unterstiitzung des Managements und Koordination des FUhrungssystems.

In dieser Sicht ist der Gegenstand des Unterneh,mungscontrolling der moglichst antizipative Vergleich von angestrebten Zielauspragungen mit bereits erreichten oder erreichbaren Zielauspragungen, die Identifikation von Zielabweichungen, die Analyse der Abweichungsursachen und die kompensatorische Abweichungskorrektur fUr alle Funktionen der Untemehmung in den Phasen der Planung und Realisation

667 von Leistungsprozessen. Misslingt die Abweichungskorrektur auf Dauer, so wird die Korrektur der Ziele selbst zum Gegenstand des Untemehmungscontrolling. Je weiter Begriff, Ziele und Gegenstand des Controlling gefasst werden, um so mehr verschwimmen allerdings die Grenzen zwischen strategischem Management und Controlling. In transaktionskostentheoretischer Sicht ist Untemehmungscontolling somit wie alle strategischen Konzeptionen der Untemehmungsfiihrung oberhalb der operativen Ebene angesiedelt: Untemehmungscontrolling steuert von dort operative Konzepte der Ausfiillung unbestimmter Arbeitsvertrage. Die Methodik des Unternehmungscontrolling ergibt sich aus dessen Gegenstand. Sie besteht in der Bereitstellung und dem Einsatz von Instrumenten zur Abweichungsanalyse und kompensatorischen AbweiChungskorrektur oder Zielkorrektur. Unter den relevanten Instrumenten hat fiir die Untemehmung als Ganzes die Kosten- und Erfolgsrechnung die grOBte Bedeutung. Weitere Instrumente diskutieren Welge (vgl. 1988, Teil 3, Kap. 4), Albach!Weber (vgl. 1991b) und zum Teil auch Horvâth (vgl. 1994, Kap. 6), wahrend Weber (1993) in neueren Arbeiten auf die Behandlung von Controllinginstrumenten verzichtet.

2.2.3. Disaggregation des Controlling Die Disaggregation des Unternehmungscontro/ling nach Funktionen sowie organisatorischen Bereichen lasst sich in doppelter Weise mit der zu hohen Komplexitat seines Gegenstandes und dem hohen Aggregationsniveau der Erfolgsziele sowie ihrer Korrektur begriinden. Es falIt leicht, sich ein Untemehmungsmodell vorzustellen, in dem vorhersehbare Veranderungen von Aufwendungen und Ertragen erfasst und durchgerechnet werden, um Erfolgsanderungen frtihzeitig erkennen zu konnen. Abweichungsursachen sind jedoch kaum auf dem hohen Aggregationsniveau von Aufwendungen oder Ertragen fiir ganze Bereiche oder Produktgruppen erkennbar. Antizipierte oder ex post ermittelte Abweichungsursachen liegen haufig auf wesentlich niedrigerem Aggregationsniveau bei einzelnen Funktionen, Abteilungen, Produktionsfaktoren und Produkten. Femer konnen Abweichungsursachen nicht nur in der Realisationsphase, sondem bereits auch in der Planungsphase von Leistungsprozessen liegen. Diese Vermutungen sind umso eher angebracht, je groBer und in sich differenzierter eine Untemehmung ist. Disaggregation des Unternehmungscontrolling zum Funktions- oder Bereichscontrolling ist somit eine ver-

668 ntinftige Strategie zur

Bewăltigung

von

Komplexităt

bei der Analyse von Erfolg

oder Misserfolg und deren Ursachen. Die funktionale Disaggregation des Control/ing - und damit zugleich auch dessen Dezentralisation - macht also auf den ersten Blick Sinn. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch ein altes Dilemma jeder Dezentralisation: Mit zunehmender Dezentralisation kommt man der Realităt zwar năher, gleichzeitig wachst aber der Koordinationsaufwand fUr das dezentrale Handeln. Auf das Controllingproblem iibertragen bedeutet dies, dass mit der Aufspaltung des Controlling nach Funktionen die Antwort auf die Frage schwieriger wird; welchen Beitrag jede Funktion zum Untemehmungserfolg leistet, vor allem wenn alle oder viele Funktionen interdependent sind. Mit der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach Folgen der Disaggregation des Controlling ist eine Analyse des Zielbezugs zwischen Unternehmungs- und Funktionszielen sowie Handlungszielen in Funktionsbereichen verbunden. Auf diese Analyse wird in Teil IV, 2.4. zuriickzukommen sein. Funktionale Disaggregation des Untemehmungscontrolling erleichtert deshalb die erfolgsorientierte Untemehmungssteuerung nicht zwingend. Mit dieser Aussage gerat ein zentrales Problem des Controlling ins Blickfeld, namlich die Begriindung des Controlling als eigenstăndige, auch organisatorisch institutionalisierte Funktion. Die Ein-Mann-Untemehmung braucht kein selbstandiges funktionales Controlling. Der Ein-Mann-Untemehmer muss seine erfolgsorientierten Anpassungsprobleme vollstăndig allein bewăltigen. Mit zunehmender Arbeitsteilung und Dezentralisation geht der Bezug zu den Untemehmungszielen tendenziell verloren. Die Wiederherstellung dieses Bezugs muss als eine der wichtigsten Aufgaben des Controlling und der Controller gesehen werden. Andemfalls kann das Controlling seine Koordinationsaufgabe nicht IOsen. Der Controller solI als quasi AuBenstehender mit der Wiederherstellung des Zielbezugs aber genau das leisten, was der dezentrale Entscheidungstrager selbst nicht mehr leistet. Es lohnt dariiber nachzudenken, wie dieses zentrale Problem gelOst werden kann. Der starken Zielorientierung des Controllers bei gleichzeitig relativ geringer Fachkompetenz steht die hOhere Fachkompetenz bei gleichzeitig relativ geringer Zielorientierung des dezentralen Entscheidungstragers gegeniiber. Fachkompetenz ist schwieriger als Zielorientierung zu erwerben. Daher miisste die Forderung nach verstărkter Orientierung dezentraler Entscheidungstrager an Untemehmungszielen gemaB z. B. dem Leitbild des Intrapreneurs dazu :fiihren, dass das Controlling als untemehmerische Funktion zugunsten eines Selbstcontrolling wird.

zuriickgedrăngt

669 2.3. Idee, Prămissen, Abgrenzungen, Ziei und Gegenstand des Personalcontrolling 2.3.1. Die Idee des Personalcontrolling Die Idee von einem Personalcontrol/ing ist seit den ersten Veroffentlichungen (vgl. Potthoff/Trescher 1986; Wunderer/Sailer 1987a, 1987b, 1987c, 1988) kaum noch als Modeerscheinung abzutun. Vor allem in der Praxis, aber auch in der Theorie werden das Personal selbst und die Personalarbeit mehr und mehr als strategische Erfolgsfaktoren verstanden, deren Qualităt den Untemehmungserfolg nachhaltig positiv beeinflusst (vgl. Weber 1989b). Investitionen in die Qualifikation des Personals und der direkte Personalaufwand selbst werden gleichzeitig je nach Aufwandsstruktur zu gewichtigen negativen Komponenten des Untemehmungserfolgs. In der besseren Wiirdigung dieser beiden Einjliisse auj den Unternehmungserjolg durfte die wichtigste Ursache fur das gewachsene Interesse am Personalcontrolling liegen. Die allgemeinen Grunde fur die Disaggregation des Untemehmungscontrolling gelten zusătzlich. Personalcontrolling als disaggregierte Teilfunktion des Unternehmungscontrolling folgt in der Theorie der Idee, die wirtschaftlichen Folgen des Einsatzes von Personal uberwachen und beeinflussen zu konnen. Dieser Idee folgt die bisherige Praxis keineswegs uneingeschrănkt. Zwar hat die Verbreitung des Personalcontrollings in den vergangenen 13 Jahren dramatisch zugenommen. Die Beratung von Linienmanagem in Personalangelegenheiten steht jedoch eindeutig im Vordergrund, wăh­ rend erfolgsorientierte Steuerung und Kontrolle nur geringe Bedeutung haben (vgl. Gutschelhofer/Sailer 1998). Fur das Personalcontrolling gilt daher, dass es hinsichtlich Zielen, Gegenstand sowie Methodik sowohl mit dem Untemehmungscontrolling als auch mit anderen funktionalen Controllingkonzepten strukturgleich sein muss (ăhnl. Kupper 1991, 230-231). Dies wird in der Literatur keineswegs ubereinstimmend so gesehen, wie Wunderer und Schlagenhaufer uberblicksartig gezeigt haben (vgl. 1994, 13-17).

2.3.2.

Prămissen,

Abgrenzungen und Grundprobleme

In Weiterfiihrung des Untemehmungscontrollingbegriffs wird bier unter Personalcontrolling vorlăufig eine stăndige, erfolgsorientierte Steuerung und Kontrolle des Personaleinsatzes im weitesten Sinn verstanden. Diese Begriffsabgrenzung verweist

670 auf mehrere Pramissen, die fUr die Konzeption eines Personalcontrolling erfiillt sein mussen. Die wichtigsten vier Prămissen sind: (1) Die Definition einer ErfolgsgroBe, die durch den Personaleinsatz erreicht werden solI und kann. (2) Die Existenz von Personalplanen auf mindestens den Funktionsfeldern der Beschaffung, Freisetzung, Ausbildung und Entwicklung. (3) Die Existenz von StOrgrOBen, die auf die Formulierung und Umsetzung dieser Plane wirken. (4) Es muss eine Unternehmungskultur existieren, in der okonomischer Erfolg als positiver Wert akzeptiert ist. Diese Kultur muss das Controlling auch der Personalwirtschaft nicht nur als notwendig ansehen, sondern auch durch die Entwicklung positiver Einstellungen bei dem gesamten Personal untersttitzen. Diese Pramissen werden in der noch jungen Literatur zum Personalcontrolling keineswegs in gleicher Weise gesehen. Auch die Begriffsabgrenzungen unterscheiden sich durchaus voneinander, wie einige Beispiele nachfolgend zeigen sollen und ein Uberblick bei Remer (vgl. 1992) belegt. Potthoff und Trescher (vgl. 1986, 24-25) verstehen unter Personalcontrolling die Planung, Kontrolle und Abweichungsanalyse bei Kosten und Leistungen "sowohl im strategischen als auch operativen Sinne". Pramissen des Personalcontrolling nennen sie nicht. Wunderer wahlt den Begriff des Personalcontrolling besonders weit und versteht darunter ein integratives Evaluationsdenken und -rechnen zur Abschatzung von Entscheidungen zum Personalmanagement sowie insbesondere von deren okonomischen und sozialen Folgen (1989, 244). Wunderer (mit Schlagenhaufer 1994, 17) erganzt diese Definition unter Rekurs auf andere seiner Arbeiten durch den expliziten Hinweis auf Service, Beratung und Steuerung zur optimalen WertschOpfung menschlicher Ressourcen. Das Konzept eines Personalcontrolling als wertschOpfungsorientierte Evaluation des Personalmanagements haben Wunderer und Jaritz in jungster Zeit ausgebaut (vgl. 1999). Ein solches Konzept muss auf der schwer priifbaren Hypothese aufbauen, dass der WertschOpfungsbei trag der Personalwirtschaft abgrenzbar und messbar, mindestens aber schătzbar ist. Damit nahert sich das Konzept von Wunderer und Jaritz ·in seiner Grundidee dem hier vorgeschlagenen und nachfolgend erlauterten Konzept. Bei weiter Extension des Begriffs wird allerdings der Unterschied zum Personahnanagement flieBend. Der seIn breite Literaturuberblick bei Haunschild (1998, insbes. 25-73) gibt dafiir zahlreiche Beispiele. Es uberrascht daher kaum,

671 dass Marr schon ftiih (1989a, 694) in erklărt provokativer Absicht Personalcontrolling als konstitutives Element eines strategischen Managements deklariert. Die Gefahr einer Vermischung beider Funktionen wird selbst durch eine Beschrănkung des Personalcontrolling auf die Priifung der Wirtschaft/ichkeit der Persona/arbeit nur scheinbar geringer (s. Teil IV, 2.4.4.). Eine wt!itaus engere Abgrenzung des Personalcontrolling wăhlt Kiipper (1997, insbes. 401-406) indem er diesem Funktionsbereich vorrangig die Koordination der iibrigen personalwirtschaftlichen Funktionen untereinander sowie die Koordination personalwirtschaftlicher und sonstiger untemehmerischer Funktionen zuweist. Uberschneidungen mit Personalplanung und -manage-ment nimmt Kiipper in Kauf. Hier wird ebenfalls einer relativ engen BegrifJsfassung der Vorzug gegeben, wie sie auch Scherm vorschlagt (1991b, 16). Daruit werden Konfusionen zwischen Personalmanagement und -controlling begrenzt. Hier wird unter Persona/contro/ling die erfo/gsorientierte Bewertung, Abstimmung und Korrektur persona/wirtschaftlicher MaJ3nahmen verstanden. Der untemehmerische Zielvektor wird damit auf die okonomischen Zie/e reduziert, wie dies zuvor auch fUr das Untemehmungscontrolling als konstitutiv und sinnvoll gesehen worden ist. Soziale Effizienz, die Marr (1989, 698) neben okonomischer Effizienz fUr das Personalcontrolling fordert, widerspricht der betont okonomischen Ausrichtung von Unternehmungs- und Persona/controlling. Sie ist besser in der Form einer Nebenbedingung mit fixiertem Anspruchsniveau in die Personalplanung einzubringen. Dann ist sie mit der okonomischen Ausrichtung eines Personalcontrolling vereinbar. Femer wird durch den Bezug zum Untemehmungserfolg hier ăhnlich wie bei Kiipper (1997, 405-406) eine ganzheitliche, letztlich systemtheoretische Sichtweise auf das Personalcontrolling bevorzugt. Wer Personalcontrolling betreiben mochte, sieht sich rasch finf Grundproblemen gegeniiber. Diese existieren auch im Untemehmungscontrolling. Sie haben im Personalcontrolling lediglich andere Gewichte. Alle Grundprobleme kniipfen an die einfache Frage an, welche Beitrage einzelne personalwirtschaftliche Aktionen oder Aktionsbiindel zu Erfolgszielen der Untemehmung leisten. (1)

Das erste Grundprob/em besteht darin, dass Erfolgsziele immer ranghoch sind, wăhrend die fiir Steuerungs- und Regelungsprozesse des Personalcontrolling relevanten Ziele rangniedriger sind. Zwischen ranghohen Erfolgszielen und rangniedrigeren Beitragen zu den Erfolgszielen bestehen nur ausnahmsweise deterministische Zusammenhange. Meistens sind die Zusammenhange stochastisch, was Zurechnungsprobleme auslost.

672

(2)

(3)

Das zweite Grundproblem besteht darin, dass die Erfolgsziele der Untemehmung unscharf sein konnen wie z. B. die Reputation einer Untemehmung, wăhrend die bisher entwickelten Methoden des Personalcontrolling eher auf scharfe Probleme zugeschnitten werden. Das dritte Grundproblem hăngt mit dem ersten und zweiten zusammen: Es gibt in der Personalwirtschaft mehr qualitative als quantitative Ziele, weshalb Zielabweichungen schwerer identi:fizierbar sind und so ein wirksames Perso-

nalcontrolling behindem. (4) Das vierte Grundproblem ergibt sich aus der Beobachtung, dass sich Ziele und Prămissen personalwirtschaftlichen Handelns im Zeitablauf ăndem. Regelungstheoretisch miissten also die FiihrungsgroBen im Regelkreis selbst der Regelung unterworfen werden (vgl. Scherm 1992b, 311; 1993,255). Die bisherigen Konzepte und Methoden des Personalcontrolling sind jedoch kaum auf die Losung dynamischer Probleme zugeschnitten. (5) Das filnfle Grundproblem des Personalcontrolling ergibt sich daraus, dass Menschen sich bei ihren Entscheidungen in Untemehmungen irren oder opportunistisch handeln konnen. Zwar warees Aufgabe von Personalbeschaffung und -auswahl (s. Teil II, 5.4.) sowie Personalfiihrung (s. Teil III, 3.-5.), Fehlverhalten zu vermeiden oder zu unterdriicken. Es ware jedoch unrealistisch, auf eine stets perfekte Losung dieser Probleme in Untemehmungen zu vertrauen. Personalcontrolling muss daher im Einzelfall auch die Aufgabe der Fremdkontrolle von Mitarbeitem iibemehmen und gewinnt damit eine "Reparaturfunktion". In transaktionskostentheoretischer Sicht trăgt Personalcontrolling somit von vorgelagerter Ebene aus zur besseren Ausfiillung von unbestimmten Arbeitsvertragen auf operativer Ebene bei. Die Existenz dieser fiinf Grundprobleme des Personalcontrolling - die in modifizierter Form auch fiir das Untemehmungscontrolling gelten - hat Auswirkungen auf dessen Ziele, Gegenstande und insbesondere dessen Methoden. Das Rechnungswesen allein ist mit der Losung dieser Grundprobleme vollig iiberfordert: Untemehmungs- und Personalcontrolling, die sich schwerpunktmă.Big auf die Kostenrechnung als Instrument stiitzen, konnen keines der fiinf Grundprobleme lOsen. Ob geeignete methodische Losungsansatze in Zukunft erarbeitet werden konnen, lasst der derzeitige Stand der Entwicklung und Diskussion noch immer nicht erkennen. Personalcontrolling bleibt daher rtoch eine vorerst unscharfe Funktion innerhalb der Personalwirtschaft.

673

2.3.3. Ziele und

Gegenstănde

Die Auffassungen von Zielen des Persona/controlling werden durch die unterschiedlichen Begriffsfassungen geprăgt. Hier werden einige Ziele des Personalcontrolling forrnuliert, die mit der regelungs- und steuerungstheoretisch geprăgten Auffassung von Controlling im Einklang stehen (s. Teil IV, 2.2.1.). Miteinander verknupfte Ziele des Persona/controlling sind dann entweder die erjolgsorientierte Steuerung und ex-ante-Koordination oder die Rege/ung personalwirtschajtlichen Handelns im Fuhrungssystem von Unternehmungen. Regelung ohne Koordination ist nicht moglich. Personalcontrolling hat mit der Konzentration auf diese Ziele Untersmtzungsfunktion fUr die Untemehmungsflihrung (ăhnl. Kiipper 1991, 232233). Seine enge Verwandtschaft mit dem Personalmanagement - vor allem in dessen strategischer Forrn - bleibt bestehen, was auch von Praktikem deutlich gesehen wird (vgl. Walsh 1991, 250-251). In transaktionskostentheoretischer Sicht ist die Prămisse wichtig, dass Personalcontrolling durch erfolgsorientierte Kontrolle und Steuerung bzw. Regelung die Verbesserung personalwirtschaftlicher MaBnahmen erreichen sol1. Wenn dies gelingt, trăgt Personalcontrolling im Grenzfall auf allen personalwirtschaftlichen Funktionsfeldem dazu bei, Defizite in unbestimmten Arbeitsvertrăgen zu erkennen und zu beseitigen. Opportunistisches Verhalten und eingeschrănkte Rationalităt konnten auf operativer Ebene zurUckgedrăngt werden, wenn dazu auf ubergeordneter Ebene wirksame Kontroll- und Steuerungskonzepte entwickelt worden sind. In dieser Sicht wird das gesamte Personalcontrolling zur personalwirtschaftlichen Transaktion fUr die personalwirtschaftlichen Funktionsfelder der operativen Ebene. Die Kosten des Personalcontrolling sind darum insgesamt Transaktionskosten und differenzierbar nach Anbahnungs-, Abwicklungs-, Kontroll- und Fehlsteuerungskosten. Ergănzend ist darauf hinzuweisen, dass ein so verstandenes, erfolgsorientiertes Personalcontrolling auch zur ErhOhung des Shareho/der value beitrăgt (vgl. auch Eigler 1999). Die Gegensttinde des Personalcontrolling ergeben sich aus dessen Abgrenzung und Zielen. Sie gelten fUr die Ebenen der Planung und der Realisation personalwirtschaftlicher MaBnahmen. Es sind dies zunăchst (1) die Bestimmung van quantitativen und qua/itativen Zielbeitragen personalwirtschaftlicher Handlungen, also deren Effektivităt,

und (2) die Zurechnung von Kosten oder Au.fwendungen oder qualitati-

ven lnputs auj Zielbeitrage, also die Effizienz personalwirtschaftlichen Handelns auf allen personalwirtschaftlichen Funktionsfeldem. (3) Der dritte Gegenstand sind korrigierende Eingriffe bei Zielabweichungen mit einer Verănderung von Effektivi-

674 tiit und Effizienz. Aus dem Koordinationsziel ergibt sich je Funktionsfeld die Verwendung von Ergebnissen der Kontrolle zur Korrektur personalwirtschaftlicher Handlungen - und im Grenzfall auch Ziele. Antizipative Korrekturen beginnen auf der Planungsebene durch Vergleich der gesetzten Prămissen mit den zum Kontrollzeitpunkt geltenden Prămissen und sowie mit der erforderlichen Anpassung von PIănen. Sie setzen sich auf der Realisationsebene fort und miissen dabei an dem Vergleich von Soll-Werten mit den zum Kontrollzeitpunkt erreichten Ist-Werten ankniipfen. Zusătzlich ist vom Personalcontrolling die Abstimmung des Handelns auf verschiedenen personalwirtschaftlichen Funktionsfeldem zu leisten, soweit diese Funktion nicht bereits als Teil strategischen, taktischen oder operativen Personalmanagements ausgefUllt worden ist (ăhnl. Scherm 1991b, 16). Die Kontrolle der Koordination wăre dann die (4) verbleibende "Restaufgabe" des Personalcontrolling. Gegenstand des Personalcontrolling konnte schlieBlich (5) auch die Koordination personalwirtschaftlicher Handlungen mit Handlungen auf den iibrigen Funktionsfeldem einer Untemehmung sein, wenn diese Koordinationsleistung nicht bereits bei der Planung erbracht worden ist. Mindestens îallt aber die UberpIiifung bereits getătigter Koordination an. Der fiinfte Gegenstand bat mit der "Reparaturfunktion" des Personalcontrolling zu tun (s. Teil IV, 2.3.2., 2.5.4.). Kem aller Koordination ist die UberpIiifung des Zielbezugs personalwirtschaftlichen Handelns im Verbund (vgl. Drumrn 1990a). Die enge Verkniipfung von Personalcontrolling und strategischem Personalmanagement wird vor allem aufgrund der Uberschneidung bei den Gegenstănden des Personalcontrolling deutlich sichtbar. Methodische Konsequenzen dieser Abgrenzung von Gegenstănden des Petsonalcontrolling ist die Konzentration auf Wirkungsanalysen und Kosten sowie bei mittel- bis langfristigen Aktionen auf die Auszahlungen personalwirtschaftlichen Handelns. Analog der Ebenentrennung im Personalmanagement (s. Teil IV, 1.2.4.) bietet sich auch fUr das Personalcontrolling eine Unterscheidung der Gegenstănde und Methodik nach strategischer, taktischer und operativer Ebene an, wie sie WundererlSailer (vgl. 1987b, 224-226) schon friih vorgeschlagen und WundererlSchlageilhaufer (vgl. 1994, 43-46) spăter ausgebaut haben. Abbildung IV.3. zeigt die denkbaren systematischen Zusammenhănge.

675 Personalwirtschaftliche Funktionen BEREIT-. STELLUNG Beschaffung Freisetzung Aus-und Fortbildung

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FOHRUNG MOTIVATION FUhrungskonzepte

VERGOTUNG SOZIALPOLlTlK Leistun~sl6hne

Sozial6hne Verm6.sensbeteihgung

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Abb. W.3. Strukturierung des Personalcontrolling nach Ebenen, Funktionen und Methoden Eine solche Zuordnung wirft allerdings Probleme auf, die in der Literatur iibergangen werden. Methodische Ansatze des Controlling existieren nur auf der operativen Ebene einiger Funktionsfelder (s. Teil IV, 2.5.) und tragen wenig zur Losung der zuvor genannten Grundprobleme bei (s. Teil IV, 2.3.2.). Die taktische und die strategische Ebene sind praktisch nicht besetzt, so dass die gesamte -Systematik derzeit noch immer mehr oder weniger inhaltsleer ist. Was bereits fUr das strategische Personalmanagement gesagt worden ist (s. Teil IV, 1.2.2.), gilt fUr das Personalcontrolling noch pointierter: Bine Zuordnung von Methoden auf Handlungsebenen und Funktionsfelder ist auch fUr das Personalcontrolling erwiinscht, hOchstens aber punktuell zu leisten. Eine Systematik des Personalcontrolling nach Ebenen, Funktionen und Methoden hat daher, âhnlich wie fUr das strategische Personal management (s. Teil IV, 1.2.4.), noch immer nur heuristische Funktion: Sie deckt unbesetzte Kombinationen der drei Merkmale und damit Forschungsbedarf auf.

676 2.4. Methodik und Einzelprobleme des PersonalcontroIIing 2.4.1. Systematik der Methoden Dem Leitbild ăkonomischer Uberpriifung personalwirtschaftlichen Handelns folgend, kănnte ein methodischer Ansatz des Personalcontrolling darin bestehen,alles in ein methodisches Controllingkonzept einzubeziehen, was vorzugsweise auf operativer Ebene messbar ist. Das Ergebnis wăre eine Renaissance von "Kennzahlen, Richtzahlen, Planungszahlen" (vgl. Antoine 1958, insbes. 50-90), die in der Personalwirtschaft zur Anlage von Datenfriedhăfen mit Fluktuationskennziffem, Absenz- und Krankheitsdaten bis hin zu unbrauchbaren Daten wie dem durchschnittlichen Lohnanteil je Leistungseinheit oder den durchschnittlichen Kosten des Betriebsrats je Beschăftigtem fiihren kănnte. Hauptmangel dieser methodischen Vorgehensweise sind fehlende oder schwache Beziige der Kennzahlen zu ăkonomi­ schen Zielen und damit fehlende Entscheidungsrelevanz. FUr taugliche Methoden des Personalcontrolling gilt dagegen, dass sie ihre Benutzer zu klugem Nachdenken liber die Ursachen und Wirkungen personalwirtschaftlicher Handlungen anregen miissen. Gefragt ist also eine Wirkungsanalyse. Diese sollte in Berichten zu personalwirtschaftlichen Fuktionen, Problemen und Leistungen festgehalten werden. FUr Benchmarking als methodischen Ansatz des Personalcontrolling spricht allerdings nichts: Der Vergleich fremder mit eigenen personalwirtschaftlichen Methoden oder Leistungen sagt nichts dariiber aus, wie diese innerhalb der eigenen Untemehmung auf die Untemehmungsziele wirken. Methoden zur Wirkungsanalyse personalwirtschaftlicher Handlungen mlissen gemăJl der zuvor gewăhlten Definition von Personalcontrolling (s. Teil IV, 2.3.) Beitrâge der Personalwirtschaft zu den Erfolgszielen der Untemehmung aufdecken also Aussagen zu deren EfIektivitât und Effizienz machen. Die unterschiedIichen methodischen Vorgehensweisen zur Bestimmung von EfIektivitât und Effizienz personalwirtschaftlichen Handelns lassen sich nach den Komponenten von EfIektivitât und Effizienz klassifizieren. Dies zeigt Abbildung N. 4. Als Instrument fUr ein Personalcontrolling werden in der Literntur immer wieder explizit oder implizit Kennzahlen genannt (z. B .. PotthoffITrescher 1986, 230-242; Schulte 1989, insbes. 51-113; Wunderer 1989, 249-250; Klipper 1991, 241-244; Wunderer/Schlagenhaufer 1994, 47-48, 182-184; Biihner 1996, insbes. 44-47, 5861, 92, 95-97, 231; Pharao 1996, insbes. 170-174). Kritik an Kennzahlen wird da-

677

bei aber nur selten geiibt (vgl. Scherm 1991b, 18-19). Kennzahlen werden in der Regel als Quotienten aus einer Beobachtungsgro6e im Zăhler und einer Bezugsgro6e im Nenner gebildet. Kennzahlen werden (1) zu Strukturgro6en gebildet (z. B. Bestand an weiblichem Personal bezogen auf den Gesamtbestand an Personal). Sie existieren (2) als Beziehungs- oder Wirkungskennzahlen (z. B. Sozialaufwand bezogen auf den Gesamtbestand an Personal). Femer kennt fnan (3) Indexkennzahlen bzw. Verlaufskennzahlen (z. B. Personalbestand in Periode t + 1 bezogen auf den Personalbestand in Periode t).

Outputorientierung Effektivităt

1

Okonomische Zielbeitrage Kennziffem und Wirkungsanalysen

In- und OutputOrientierung EffIzienz Wirtschaftlichkeit

+

Inputorientierung Kostenabweichungen . Mengenabweichungen

Zielbeitrage

Kennziffeni

Ressourceneinsatz

ZahlungsstroIildifferenzen

Kosten-NutzenAnalysen

Wi~gsanalysen

Kennziffem und Wirkungsanalysen

Abb. IV. 4. Methodische Ansatze des Personalcontrolling Struktur-, Beziehungs- und Indexkennzahlen sto6en zwar auf das Problem der "richtigen" Bezugsgro6e, sind aber im Ubrigen :fUr das Personalcontrolling dann einsetzbar, wenn sie Folgen personalwirtschaftlichen Handelns abbilden und Erfolgsbezug besitzen. Werden Zeitvergleiche zwischen Strukturkennzahlen vorge~ nommen, so ist auf die Strukturgleichheit der Beobachtungs- und Bezugsgro6en zu achten. Im Prinzip gilt dies auch fUr Index- und Beziehungskennzahlen. Aber selbst bei Beachtung dieser Anforderung bleiben Beziehungskennzahlen problematisch. Was zur Personalplanung mit Kennzahlen gesagt worden ist (s. Teil II, 2.3.4.1.), gilt sinngemaB auch hier: Beziehimgskennzahlen setzen Konstanz aller Einflussgro6en auf ihre Komponenten mit Ausnahme einer einzigen, der personalwirtschaftlichen Aktion, voraus. Ohne diese implizite ceteris-paribus-Klausel sind Abweichungsursachen nicht sinnvoll bestimmbar.

678 Wenn Beziehungskennzahlen als Quotient aus einer Input- und einer OutputgrOfie gebildet werden, so erhalten sie die interne Struktur eines EffizienzmaBes. Deshalb muss eine Kausalbeziehung zwischen der Input- und der Outputvariable herstellbar sein. Dies ist z. B. bei einem Quotienten aus einer MaBgroBe fiir den Lernerfolg und der Dauer oder den Kosten einer PersonalentwicklungsmaBnahme zu leisten. Nicht zu leisten ist dies bei einem Quotienten aus durchschnittlichem Umsatz und der Zahl der Mitarbeiter oder aus durchschnittlichem Umsatz und der Leistungslohnsumme.

2.4.2. Outputorientierte Methoden Bei Wirkungsanalysen als Grundlage der Effektivitătsbestimmung stoBt man auf ein altes Dilemma: Je ranghOher etwa auf der Stufe von Bereichszielen einerseits die Erfolgsziele der Unternehmung sind, umso weniger kOnnen diesen Zielen personalwirtschaftliche Einzelbeitrăge zugerechnet werden. Solche ranghohen Ziele sind z. B. die Periodenrentabilităt, kurzfristiger Betriebserfolg, Erfolg aus normaler Geschăftstătigkeit, Gesamtdeckungsbeitrăge und im Grenzfall der Jahresiiberschuss. Je rangniedriger andererseits Erfolgsziele etwa auf der Stufe von Handlungszielen formuliert werden, umso stochastischer wird der Bezug zwischen Handlungszielen und ranghohen Unternehmungszielen. Die Beitrăge personalwirtschaftlichen Handelns zu den Handlungszielen sind allerdings leichter bestimmbar. Ein Beispiel solI dieses Dilemma illustrieren. Eine Unternehmung hat ihren Mitarbeitern als Teil.des Personalentwicklungsprogramms ermoglicht, fundierte Kenntnisse in der Nutzung des PC mit verschiedenen Programmen zu erwerben. Wie sich diese MaBnahmen auf die Erfolgsziele der Unternehmung auswirkt, ist nicht bestimmbar. Sehr wohl bestimmbar ist aber der Lernerfolg des einzelnen Mitarbeiters im Verlauf dieser PersonalentwicklungsmaBnahme im Lern- und Tătigkeitsfeld. Welcher Zusammenhang zwischen einzelnen Lernerfolgen und Erfolgszielen besteht, bleibt offen. Dieses auch im Beispiel deutliche, genere11e Dilemma der Wirkungsanalyse scheint zunăchst nicht behebbar zu sein. Aus diesem Dilemma fiihrt ein Ausweg, den Scherm (1991b, 19) angedeutet hat. Dieser Hinweis so11 nun ausgebaut werden. Zur Wirkungsanalyse muss ein zweistufiges Verfahren gewăhlt werden. Auf der ersten Stufe werden alle Handlungsziele herausgegriffen, fiir die gut zurechenbare Handlungserfolge vorliegen. Unter diesen Handlungszielen greift man dann in der zweiten Stufe auf diejenigen als Objekte des Controlling zuriick, fiir die eine eindeutige finale Beziehung zu Unterneh-

679 mungszielen herstellbar ist. Diese finale Beziehung kann ein- odermehrstufig sein. Zur formellen Unterstiitzung der mehrstufigen Finalitatsanalyse kann insbesondere auf mehrstufige Scoringmodelle wie z. B. PATTERN zuriickgegrifIen werden (s. Teil II, 6.2.3.). FUr unser Beispiel konnte eine solche Wirkungsbeziehung wie folgt konstruiert werden: PC-gestiitzte-Nutzung einer Personaldatenbank und integrierter Methodenprogramme (s. Teil 1, 4.6.2.) verkUrzt die Entscheidungszeit und verbessert das Entscheidungsergebnis bei der unternehmungsinternen Personalbeschaffung. Schnellere und bessere interne Personalbeschaffung mindert die Opportunitatskosten aufgrund von Stellenvakanzen. Der Abbau von Opportunitătskosten vermindert Erfolgseinbufien oder :fiihrt zur Steigerung von Erfolgen bei Abschluss und Abwicklung von Geschăften mit Kunden. Dies :fiihrt zu positiven Beitragen bei den Gewinnzielen. Ist eine solche finale Beziehung eindeutig und konkret aufbaubar, so geniigt fUr die Wirkungsanalyse das zunachst zuordenbare Handlungsziel und der Beitrag einer personalwirtschaftlichen MaBnahme zu diesem ZieI. Mit dieser effektivitatsorientierten Wirkungsanalyse wird eine Begrenzung allein auf Inputgro.Ben vermieden (vgI. Scherm 1991b, 19). Wunderer und Jaritz (1999, Kap.6 u.7) haben weitere Vorschlage zur Messung von ErsatzgrO.Ben fUr den Unternehmungserfolg gemacht, die sie als Wertschopjungsindikatoren interpretieren. Ăhnlich wie bei Benchmarking-Modellen mit einem Vergleich von eigenen und fremden personalwirtschaftlichen Leistungen weill man bei WertschOpfungsindikatoren nie prazise, was man wirklich gemessen hat. Genau genommen ist dies jedoch ein Einwand gegen alle Ansatze eines Personalcontrolling einschlie.6lich desjenigen der Wirkungsanalysen. Der nachste, abschlieJ3ende Schritt der Wirkungsanalyse ware bei Abweichungen zwischen erstrebten und erreichten Zielbeitragen personalwirtschaftlicher Handlungen die Suche nach und die Beseitigung von Abweichungsursachen. Dabei gilt zwar die Regel, dass der Korrekturaufwand nicht gro.Ber als das positive Ergebnis der Korrektur sein sollte. Die Anwendung dieser Regel wirft jedoch aufier einem Zurechnungsproblem ein Fristigkeitsproblem auf. Bis zu welchem Prognose- und Planungshorizont muss die in dieser Regel steckende Ungleichung erfiillt sein? Dies hăngt von der Art der Korrektur ab: Korrekturen bei dem Aufbau von Personalpotentialen wirken eher langfristig, wahrend Korrekturen bei dem Einsatz von MaBnahmen der Personalentwicklung eher kurzfristig angelegt sind.

680 Die erkennbaren Probleme der Bestimmung von personalwirtschaftlichen Leistungen zwingen zu qualitativen Aussagen und begrenzen Ansătze zur quantitativen Bestimmung des Outputs. Damit wird auch die Nutzung von Kennzah/en begrenzt. Sie sind als Verlaufskennzahlen auf einigen personalwirtschaftlichen Funktionsfeldem wăhlbar. So kann z. B. bei der Personalentwicklung die quantitative Verănde­ rung der Zahl von Entwicklungsma6nahmen und von Entwicklungsadressaten im Zeitablauf durch lndexkennziffern erfasst werden. Zum - wichtigeren - Lemerfolg der Entwicklungsadressaten sagen solche Kennzahlen jedoch nichts.

2.4.3. Inputorientierte Methoden Das lnslrumentarium des Personalcontro//ing bei lnputgropen wie Kosten oder Auszahlungen ist zumindest auf operativer Ebene reichhaltiger als dasjenige bei OutputgroJlen. Es wird auch in der Praxis eingesetzt (vgl. Reimann 1990). Kostenabweichungsana/ysen (vgl. Scherrer 1999, Teil 5) haben lange Tradition, stoJlenjedoch bei Persona1kosten auf einige Probleme. Beispielsweise sind die Kosten der Vergiitung relativ problemlos als Plan- und Istkosten je Kostenstelle ausweisbar und auf Abweichungen sinnvoll uberpriifbar. Dazu sollte allerdings die Kostenstellenabgrenzung mit der Abgrenzung organisatorischer Verantwortungsbereiche ubereinstimmen. Die Kostenzurechnung auf personalwirtschaftliche MaJlnahmen scheitert aber immer dann, wenn fUr mehrere MaJlnahmen periodenfixe Kosten anfallen. Dies gilt analog fUr Auszahlungen, die fUr mehrere MaJlnahmen je Periode oder sogar fUr mehrere Perioden einmal gemeinsam anfallen. Ein Beispiel fUr nicht zurechenbare Kosten und Auszahlungen sind Raumkosten - und hăufig auch Lohne - fUr ein betriebliches Bildungszentrum. Dieses Problem kann nur dadurch gelost werden, dass als Controllingobjekt dasjenige MaJlnahmenbiindel gewăhlt wird, auf das Kosten oder Auszahlungen ohne willkiirliche Schliisselung zurechenbar sind. Es ist unmitlelbar einsichtig, dass die Bestimmung der Effizienz personalwirtschaftlicher MaJlnahmen nicht nur am Fehlen iurechenbarer Zielbeitrnge, sondem auch an mangelnder Zurechnung von Kosten oder Auszahlungen scheitem kann. Beschrănkt man sich auf Auszahlungen oder Kosten, so kann die Oberpriifung vor-

gegebener Knsten- oder Zahlungsbudgets ein Ansatzpunkt fUr relativ anspruchsloses Personalcontrolling sein. Analog zu Kostenabweichungen mi,issen hier Budgetabweichungen und ihre Ursachen bestimmt werden, um korrigierende Eingriffe in personalwirtschaftliches Handeln vomehmen zu konnen. Zusătz1ich konnen vor allem durch Einbezug von Kosten Struktur- und Verlaufskennziffem auf allen personalwirtschaftlichen Funktionsfeldem gebildet werden. Einige Beispiele sind Quo-

681 tienten aus Soziallohn und Leistungslohn oder gesamtem Lohnau:fwand, die Verăn­ derung des Entwicklungsau:fwands im Zeitablauf, Fluktuationsraten, Absenzraten oder Quotienten aus Ist- und Planbeschiiftigung.

AlsAnsatz zur Kontrolle der Koordination personalwirtschaftlicher Ma6nahmen ist im Prinzip ebenfalls die Wirkungsanalyse brauchbar. Sie wird ergănzt durch eine Analyse der logischen und faktischen Widerspruchsfreiheit von zwei oder mehr Ma6nahmen. Die Widerspruchsfreiheit ist gewăhrleistet, wenn zwei oder mehr Ma6nahmen final sind und sich nicht gegenseitig ausschlie6en. Diese Anforderungen sind z. B. verletzt, wenn das durchschnittliche Vergiitungsniveau einer Personalkategorie der Untemehmung unter dem Branchendurchschnitt liegt, Personalbeschaffungsma6nahmen nur. ausnahmsweise bei dieser Personalkategorie erfolgreich sind und eine hohe Reklamationsquote fUr Leistungen vorliegt, die von dieser Personalkategorie schwerpunktmă6ig erstelIt werden. In der Literatur werden immer wieder HumanvermlJgensrechnungen als geeigneter methodischer Ansatz eines Personalcontrolling genannt (vgl. Potthoff/Trescher 1986,88-92; WundererlSailer 1987a, 324; Hoss 1989,288-296; Papmehll990, 6976; Kiipper 1991, 241-244; WundererlSchlagenhaufer 1994, 78-81). Durch Humanvermogensrechnungen solI der Wert des Personals fUr die Untemehmung ermittelt werden. Dazu ist eine ganze Reihe von meist ungeeigneten Verfahren entwickelt worden. Uberblicke (vgl. z. B. Hoss 1989, 291-295; Marr/Schmidt 1992) zeigen z. B. eine erste Gruppe von Verfahren, die den Wert des Personals in der Form eines Ertragswerts als Barwert zukiinftiger Vergiitungen zu ermitteln versuchen. Eine zweite Gruppe von Verfahren wilI den Wert des Personals anhand der Personalkosten auf historischer Wiederbeschaffungs- oder Opportunitiitskostenbasis bestimmen, wobei diese Kosten als Indikatoren fUr Făhigkeitspotentiale interpretiert werden. Eine drltte Gruppe von Verfahren verwendet nichtmonetiire Indikatoren fUr Personalqualifikationen. Da kein Verfahren zu einem objektiven und wilIkiirfreien Wert des Humankapitals fiihrt, ist von Humanvermogensrechnungen als Methode des Personalcontrolling abzuraten.

2.4.4. In- und outputorientierte Methoden Zu den methodischen Ansâtzen des Personalcontrolling wird auch die mit der Effizienz verwandte Priifung der Wirtschajtlichkeit von personalwirtschaftlichem Handeln gerechnet. Ublicherweise wird Wirtschaftlichkeit als Verhâltnis aus Ressourceneinsatz und erstellter Leistung definiert. Wirtschaftlichkeit ist somit als Inverse

682 der Produktivităt identisch mit der Effizienz - mit allen zuvor genannten Folgen fUr eine operationale Bestimmung. Beispiel fUr eine sinnvolle Kennziffer wăre der durchschnittliche Aufwand je Entwickh.mgsmaBnahme oder Entwicklungsadressat. Sinnlos wăre dagegen ein Quotient aus Zahl der Betriebsrate und deren Lohnkosten. Das von Wunderer und Sailer (1987c, 288) vorgeschlagene Wirtschaftlichkeitsma6 von geplantem zu realisiertem Einsatz einer personalwirtschaftlichen Ressource gehOrt zu den Erspamis- oder Ausbeutekennzahlen. Diese Wirtschaftlichkeit hat nur indirekten Bezug zu den Erfolgszielen der Untemehmung und ist durch den Ansatz des Planwerts manipulierbar. Uberlegungen zur Wirtschaftlichkeit personalwirtschaftlichen Handelns stehen bisher allerdings nicht im Zentrum der wissenschaftlichen Forschung.

Kosten-Nutzen-Analysen gehen vom gleichen Denkansatz wie Wirtschaftlichkeitsanalysen aus. Wăhrend die Kosten personalwirtschaftlicher MaBnahmen zumindest bei variablen Kosten zurechenbar sein konnen, wirft die Bestimmung von deren Nutzen die gleichen Probleme wie die Zurechnung von Erfolgsanteilen auf. Deshalb mfissen qualitative Wirkungsberichte als Nutzenanalyse ausreichen. In- und Outputorientierung des Personalcontrolling kann prinzipiell auch im Mitarbeitergesprtich (s. Teil 1,5.4.2.7.) erreicht werden. Wie wirksam das Mitarbeitergesprach zur UberpIiifung von Mitarbeiteraufwand und -leistungen sowie von Wirkungszusammenhăngen ist, hăngt vom - fast immer stochastischen - Einfluss des einzelnen Mitarbeiters auf Erfolgsziele der Untemehmung ab: pie Wirkung steigt mit abnehmender Stochastlk. Diese Bedingung ist in der Personalwirtschaft schwă­ cher als im Marketing erfiillt.

2.5.

Ausgewăhlte

Ansatzpunkte fur ein PersonaicontroIIing

2.5.1. Voruberlegungen Bei der Suche nach fruchtbaren Ansatzpunkten fUr ein vorrangig operatives Personalcontrolling sind Uberlegungen zu zwei Kriterien hilfreich: (1) Man betreibt den Ausbau von Konzepten des Personalcontrolling auf denjenigen personalwirtschaftlichen Funktlonsfeldem, fUr die geeignete methodische Ansătze bereits verfiigbar sind.

683 (2) Persona1controlling wird auf denjenigen Funktionsfeldern der Persona1wirtschaft vorangetrieben, die besonders sensitiv auf die MaSgr6Ben des Unternehmungserfolgs wirken. Der Grundidee des Controlling (s. Teil IV, 2.2.2.) enţspricht das zweite Kriterium besser als das erste .. Daher sind Controllingansătze auf denjenigen Funktionsfeldern der Persona1wirtschaft zu entwickeln, auf denen der Charakter des Persona1s als Investitionsgut besonders deutlich hervortritt (vgl. Schenn 1991b, 18). Es sind dies die Funktionsjelder der BeschafJung und Auswahl von Personal, der Personalfreis.etzung sowie der Personalausbildung und -entwicklung. Die Grundlagen dieser drei Funktionsfelder, nâm1ich die qualitative und quantitative Personalbedarfsplanung sowie die Persona1bestandsplanung werden somit automatisch zum Objekt des Persona1controlling. Angesichts dieser Auswahl der Controllingobjekte nach ihren Erfolgswirkungen uberrascht die Konzentration bisher veroffentlichter Personalcontrollingansatze auf das Bildungscontrolling (s. Teil IV, 2.5.3.). Erkliirbar ist diese Konzentration noch am besten mit der einfachen Bestimmung von Bildungserfolgen im Lemfeld - manchmal auch im Tatigkeitsfeld (s. Teil II, 6.3.5.). Die methodischen L6sungen des Controllingproblems auf den ubrigen personalwirtschaftlichen Funktionsfeldern sind jedenfalls weitaus weniger befriedigend.

2.5.2. Controlling der Personalbereitstellung Personalbereitstellung umfasst die Funktionen der Personalbestands-, -bedarfs-, bescha:ffungs- und -freisetzungsplanung. Controlling der PersonalbesUinde ist ohne Controlling des Personalbedarfs nicht sinnvoll. Eine Steuerung der Persona1bestande nach anderen als Bedarfskriterien wlire un6konomisch. Controlling des Personalbedarfs kann zunachst darin bestehen, dass alle Bedarfsentscheidungen nach dem Prinzip des Zero-Base-Budgeting (s. Teil II, 2.4.) in Frage gestellt und die negativen Ertragswirkungen bestlmmter Bedarfsfestlegungen ausgewiesen werden. Im zweiten, wesentlich wichtigeren Schritt mfissten die Erfolgsbeitrage einzelner Personalkategorien im Rahmen der Bedarfsentscheidungen abgeschatzt werden. Dieser zweite Schritt bleibt selbst dann methodisch unbefriedigend, wenn wenigstens :fiir einige Personalkategorien Leistungsmengen und Ertragsbeitrage abschatzbar sind. FUr die Mehrzahl der Personalkategorien bleibt das Bedarfscontrolling auf eine Betrachtung der Kosten- und Auszahlungswirkungen beschrankt. In transaktionskostentheoretischer Sicht liegen Controlling von Persona1bestanden sowie bedarf einerseits vor dem Abschluss eines Arbeitsvertrages. Anderseits konnen

684 Controllingfelder aber auch die Korrektur bestehender setzung vorbereiten und einleiten.

Arbeitsvertrăge

durch Frei-

Controlling der Personalbeschaffung und -auswahl miisste danach fragen, ob das Beschaffungs- und Auswahlergebnis - nămlich die Einstellung oder interne Versetzung bestimmter Mitarbeiter - positive Erfolgsbeitrăge ausgelost hat oder auslosen wird. Prinzipiell treten bier ăhnliche Probleme der Erfolgszurechnung auf, wie sie zuvor behandelt worden sind (s. Teil IV, 2.4.). Deshalb muss auf Ersatzkriterien des Erfolgs zurUckgegriffen werden: Man kann das Ergebnis der Beurteilung im Auswahlprozess mit Ergebnissen der Leistungsbeurteilung konfrontieren und damit die Validităt der Auswahl ex post zu priifen versuchen. Die methodischen Elemente dieSes Ansatzes sind bereits vorgestellt worden (s. Teil 1, 5.4.2.4., 5.4.2.6., 5.4.2.8.; Teil II, 5.4.1.). Auch die Problematik dieser methodischen Ansătze ist bereits erortert worden. Insbesondere auf die Validierungsproblematik wurde bingewiesen.

Gerpott (1990b, insbes. 38-39) hat einen Ansatz zur okonomischen Bewertung von Personalauswahlverjahren vorgestellt, der auf diesem Funktionsfeld als Ansatz des Personalcontrolling gelten kann. Er ist auf der Grundlage von Kosten-NutzenUberlegungen konzipiert worden. Der Ansatz folgt nicht ausschlie6lich dem sonst iiblichen Validierungsgedanken, da dieser okonomische Beurteilungskategorien ausklammert und nur eine eindimensionale Nutzenbestimmung zulăsst. Vielmehr wird ein mehrdimensionaler Bruttonutzen errechnet, und zwar durch multiplikative Verkniipfung von (1) der Zahl der je Periode ausgewăhlten Kandidaten, (2) der Vorhersagevalidităt des Verfahrens, (3) dem mittleren standardisierten Punktwert, den die eingesteUten Kandidaten im Auswahlverfahren erreichen, und (4) der Standardabweichung der in Geldeinheiten bewerteten jăhrlichen Arbeitsleistung der Mitarbeiter je Personalkategorie, fUr die Kandidaten ausgewăhlt worden sind. Von diesem Bruttonutzen werden die Kosten des Auswahlverfahrens abgezogen, um den Nettonutzen zu erhalten. Das Auswahl-v'erfahren mit dem hOchsten Nettonutzen wird dann gewăhlt. Der so errechnete Nettonutzen des Auswahlverfahrens erhălt einen Bezug zu Erfolgszielen der Unternehmung nur, wenn man den Bruttonutzen als finale Voraussetzung fUr den Unternehmungserfolg interpretiert. Auf weitere Ansătze weist Gerpott an anderer Stelle ausfiihrlich bin (vgl. 1989). Controlling der Personaljreisetzung soUte nicht an den sozialen, sondern ausschlie6lich an den okonomischen Folgen der Freisetzung angreifen. Diese ergeben sich bei einigen Freisetzungsalternativen aus der Belastung durch Sozialplăne einerseits und aus der Ent1astung durch entfallende Vergiitungen andererseits. ControUing der Personalfreisetzung bereitet somit auf konzeptioneUer Ebene die Kor-

685 rektur bestehender Arbeitsvertrăge auf der operativen Ebene vor. Methodische Ansătze zum Controlling der Personalfrei-setzung sind bisher kaum vorgelegt worden, eine Ausnahme bildet ein Versuch von JochumlMeyer (vgl. 1995, 266-291). Methodische Ansătze konnten jedoch in einer Bestimmung der Effizienz einzelner Freisetzungsaltemativen einschlie6lich der Personalverwendungsaltemativen bestehen.

2.5.3. Bilduogs- uod Entwickluogscontrolling Controlling der Personalausbildung und -entwicklung muss der Leitidee folgen, dass aus Kosten und Nutzen der Ausbildung oder Entwicklung von Personal der Nettonutzen einzelner Ausbildungs- und Entwicklungsma6nahmen bestimmt werden solI. In transaktionskostentheoretischer Sicht bereitet Bildungscontrolling die Ausfiillung unbestimmter Arbeitsvertrăge vor und uberpIiift die Wirksamkeit dieser Ausfiillung.

Auf die Problematik der Nutzenbestimmung von Ausbildungs- und EntwicklungsmaJlnahmen ist bereits ebenso hingewiesen worden wie auf die Zureehnungsproblematik von Ausbildungs- und Entwicklungskosten oder langfristig von -auszahlungen (s. Teil II, 6.3.5., Teil IV, 2.4.). Controlling der Personalausbildung und Personalentwicklung durch Bestimmung von deren Effizienz st06t daher auf sehr gr06e, kaum uberwindbare Schwierigkeiten. Damit werden auch korrigierende Eingriffe problematisch. Dies erklărt, warum fUr das Bildungscontrolling meist andere, gelegent1ich auch fragwiirdige Wege eingeschlagen werden. Ein Blick au! verschiedene, literarisch dokumentierte Anstilze solI diese Aussage belegen. Gemeinsam ist allen hier referierten Ansătzen, dasssie die beiden Kemprobleme der Zurechenbarkeit und Messung von Entwicklungserfolgen auf Unternehmungserfolge entweder ausklammem oder nur indirekt zu losen versuchen. Papmehl (1990) formuliert zwar. Anforderungen an ein Bildungscontrolling. Er entwickelt aber nur wenige, kaum geeignete Uberlegungen zu dessen Methodik (60-61). Von Landsberg (1990) fordert eine Kombination aus "betriebswirtschaftlichem" und pădagogisch-psychologischem Controlling der Weiterbildung ,mit u. a. Bildungsbudgets, Lemerfolgskontrollen, WirtschaftlichkeitsprOfungen, Sol1-lstVergleichen und Abweichungsanalysen (353-356). Operationalisierungen dieser

686 Instrumente werden nur angedeutet (368-370): Abstimmung der Weiterbildung mit der Untemehmungsplanung, Bildungsbedarfsanalysen, Festlegung von Erfolgskriterien und Standards, Verrechnungspreise' fiir Weiterbildungsangebote usw. Mehr als eine Sammlung von Schlagworten entsteht aus diesen Andeutungen nicht.

Wilkening (1992) stellt zunăchst Uberlegungen zur Verbesserung der Lemtransfers bei PersonalentwicklungsmaJlnahmen an, die auf den Aufbau eines selbstgesteuerten Weiterlemens hinauslaufen (426-432). Zur Konzeption eines Bildungscontrolling schlăgt Wilkening naheliegenderweise die Bewertung des Entwicklungserfolgs im Lem- und im Tătigkeitsfeld vor. Er formuliert die Bestimmung einer Bildungsrendite als Quotient aus zusătzlichen, bildungsabhăngigen Deckungsbeitrngen und Kosten der Bildungsinvestition. Zumindest im Produktionsbereich sieht Wilkening keine emsten Messprobleme bei der Bestimmung dieser Rendite (438). Kostenvergleiche einzelner BildungsmaJlnahmen sowie Beziehungskennziffem aus Entwicklungskosten und verschiedenen BezugsgroBen werden von Wilkening neben anderen, eher zweifelhaften Ansătzen unter den bekannten Instrumenten des Bildungscontrolling genannt (439-440). Ergănzt werden diese instrumentellen Vorschlăge durch ein Scoringmodell zur multipersonalen Bewertung von Bildungs- und EntwicklungsmaJlnahmen (Wilkening 1992, 440-450). Die grundsătzlichen Probleme eines Ausbildungs- und Entwicklungscontrolling bleiben allerdings ungelost. Eine Finalitătspriifung der Bildungs- und Entwicklungsinhalte wird bei Wilkening ebenfalls nicht erkennbar. Walsh (1991) will personalwirtschaftliche MaJlnahmen, insbesondere auf dem Feld der Bildung, dadurch beurteilen, dass er deren IWertschOpfung" mit dem Investitionsaufwand - gemessen offenbar in Zeit und Geld (253) - vergleicht. Da die Messproblematik bei Input und Output stillschweigend als gelost unterstellt wird, fălIt ein positives Urteil liber diesen Ansatz schwer. Wunderer und Fr6hlich (1991) schlagen eine Bewertung des Lemtransfers nach EntwicklungsmaJlnahmen im Lem- und Tătigkeitsfeld dadurch vor, dass nach Abschluss der MaJlnahme die Teilnehmer den Entwickluilgserfolg im Lemfeld und spăter Vorgesetzte im Tătigkeitsfeld abschătzen. Kosten, Auszahlungen und letztlich auch der Erfolgsbeitrag bleiben unberucksichtigt. Indirekt wird ein Nutzenwert nur dadurch bestimmt, dass durch den Teilnehmer selbst der Wert des Gelemten fur das eigene Tătigkeitsfeld subjektiv grob abgeschătzt werden solI. Die Idee ist richtig, stoBt in ihrer Umsetzung jedoch auf erhebliche Mess- und Zurechnungsprobleme. Wunderer und Frohlich baben die Idee der Selbsteinschătzung in Kombina-

687

tion mit der Einschătzung durch Vorgesetzte 1994 emeut aufgegriffen und auf das Fiihrungstraining ausgeweitet (96-102). Wenn die Kosten und der Erfolgsbeitrag von Bildung und Entwicklung nicht eindeutig auf Einzelpersonen und -mafinahmen zurechenbar sind, bleiben nur die bereits zuvor aufgezeigten Wege wahlbar (s. Teil II, 6.3.5.). Unter ihnen ist eine Variante der Ziel-Mittel-Idee besonders anregend: Auf der Grundlage guter, qualitativer Personalbedarfsprognosen wird zunachst der Bildungs- und Entwicklungsbedarf ermittelt. Dieser Bedarf ist dann in Entwicklungsziele fUr einzelne Mitarbeiter zu iibersetzen, die einen stochastischen Bezug zu den Erfolgszielen der Untemehmung besitzen miissen. Die Uberpriifung der Entwicklungszielerreichung im Lemund im Tatigkeitsfeld durch Vorgesetzte und Fachkrăfte der Personalabteilung erlaubt dann Aussagen zum Bildungserfolg.

2.5.4. Kritische Wiirdiguog uod offene Probleme

Grundsatzlich kannjede personalwirtschajtliche Funktion zum Objekt des Personalcontrolling werden. Warum sollte dies also nicht auch fur Arbeitszeitcontrolling (vgl. Hoss 1990) oder ein Motivationscontrolling (vgl. Scholz 1992, 375) gelten? Personalwirtschaftliche Funktionen wie Personalfiihrung und -motivation oder untemehmerische Sozialpolitik werfen jedoch erhebliche Probleme bei der Definition von SollgrOBen als Referenzgrundlage fUr IstgroBeo und Abweichungen auf. Damit sind steuemde Eingriffe bei fehlender Referenzgrundlage eher zufrulig, wenn nicht sogar willkiirlich. Hinzu kommt, dass fUr einzelne personalwirtschaftliche Funktionen ein okonomischer Zielbezug zwar grunJlsatzlich besteht. Probleme wirft jedoch dessen Operationalisierung auf, wenn eine Wirkungsanalyse angestrebt wird. Sinnvoll ist daher insbesondere fUr diese personalwirtschaftlichen Funktionen der Einbezug der Controllingidee bereits in die Planungs- und Implementationsphase personalwirtschaftlicher Mafinahmen. Als eigenstăndige Funktion sollte sich das Personalcontrolling auf die erfolgswirksamen personalwirtschaftlichen Funktionen beschrănken, falls man nicht generell auf die Institutionalisierung der Funktion verzichtet. Eine Reihe von Problemen bleibt jedoch offen. Das Untemehmungscontrolling ist ebenso wie das Personalcontrolling begrifflich und konzeptionell stăndig erweitert worden, ohne dass zumindest fUr das Personalcontrolling parallel ein fruchtbarer Ausbau auch des methodischen Instrumentariums betrieben worden ist. Mit wenig geeigneten Instrumenten sind die Ziele des Personalcontrolling jedoch nicht erreichbar. Hinzu kommt, dass Theorien des Per-

688 sonalcontrolling fehlen und nur Kunstlehren sie ersetzen (s. Teil 1, l.5.). Ferner ist deutlich geworden, dass die Probleme der Zurechenbarkeit von Erfolgsgro6en auf personalwirtschaftliche MaBnahmen ebenso ungelost sind wie deren Messbarkeit. Auch die Operationalităt ersatzweise formulierter Wirkungshypothesen ist letztlich bescheiden. Man muss ferner Scherm (1991b) zustimmen, dass viele der unter dem BegriffPersonalcontrolling behandelten Probleme bereits in der Planungsphase abgehandelt werden miissten und auch gelost werden konnten. Dies gilt betont rur die dem Personalcontrolling zugewiesene Aufgabe der Koordination personalwirtschaftlicher MaBnahmen. Insbesondere dann, wenn strategisches Personalmanagement als stăn­ diger und damit dynarnischer Prozess verstanden wird, kommen iiber die Fortschritts- und Prămissenkontrollen, gegebenenfalls auch iiber Ergebniskontrollen, alle wesentlichen Elemente eines Personalcontrolling zum Zuge. Personalcontrolling wăre dann nichts anderes als eine Teilfunktion des strategischen Personalmanagements. Geht man noch einen Schritt weiter, so wiirde ein effizientes strategisches Personalmanagement das Personalcontrolling iiberfliissig machen. Ernst zu nehmen ist das Argument der Praxis, die Reparaturjunktion des Personalcontrolling bei jehlerhaftem Personalmanagement sei als ultima ratio bei Fehlbesetzungen vor allem in Fiihrungspositionen sinnvoll. Sorgfaltige interne oder externe Personalbeschaffung, -auswahl und -zuweisung einerseits (s. Teil II, 5.), Personalentwicklung mit Kontrolle des Entwicklungserfolgs und gezielte Fiihrung des Personals andererseits (s. Teil II, 6.3.; Teil III, 4.) reduzieren jedoch die Reparaturfunktion des Personalcontrolling erheblich. Personalcontrolling bleibt dann zwar alS Denkhaltung, nicht aber als eigenstăndige Funktion notwendig. stăndige

Scholz (1992, 380-381) ist der Auffassung, dass Unternehmungskultur selbst bereits Fiihmngscontrolling bewirkt. Dies ist im Prinzip richtig, kann aber nicht ·rur jede Ausprăgung von Unternehmungskultur gelten. Eine Kultur mit hoher Bewertung von Individualităt, Autonomie und gleichzeitiger Ziel- und Leistungsorientierung diirfte am ehesten Controlling durch Dritte zurUckdrăngen und die aufwăndige organisatorische Institutionalisierung der Controllingfunktion reduzieren. Es falIt auf, dass keines der bisher vorgelegten Konzepte zu den Paradigmen Neuer Dezentralisation (s. Teil 1, 4.2.l.) irgendeine Art von ControllingFunktion explizit

enthălt

und trotz der Moglichkeit eines zentralen Controlling e-

her der Idee des Selbstcontrolling zu folgen scheint. Selbstcontrolling wird in neuerer Zeit verstărkt propagiert (vgl. z. B. M. Becker 1999,407-408) und lăuft auf eine Stărkung von Selbstverantwortung und Selbstftihrung einzelner Mitarbeiter hinaus.

689 Es passt sehr gut zu dem in jtingster Zeit propagierten Konzept der "Selbst-GmbH" (vglo.V. 1999). Eine solehe Reduktion der Controllingfunktion wfirde dazu beitragen, Personaleontrolling iiberfliissig zu maehen. Angesiehts seiner offenen Probleme konnte dem Personaleontrolling das Sehieksal der Lola Montez bliihen, die bekanntlieh fUr ihre Zeitgenossen - und nieht nur fUr Ludwig 1 von Bayem - sehOn, auf- und anregend gewesen ist, aber auJler Gesehiehten keine Gesehiehte gemaeht bat.

3. Internationalisierung der Personalwirtschaft

3.1. Uberblick Der Versuch, internationales Personalmanagement zu prăzisieren, st()6t immer noch auf erhebliche Schwierigkeiten. Prima facie handelt es sich um das Personalmanagement in einem internationalen Konzern. Bisher fehIt jedoch noch immer eine geeignete und allgemein akzeptierte theoretische Basis fUr ein internationales Personalmanagement. Konkrete Probleme sind ebenso reichIich vorhanden, wie praxisgeborene L()sungsansatze: Sie verharren auf der Entwicklungsstufe von Kunstlehren (s. Teil!, 1.5.). Im Folgenden werden Personalmanagement als die neuere und Personalwirtschaft als die etwas rutere Bezeichnung synonym fUr den gleichen Begriffbenutzt. Der Weg zur Antwort darauf, was die Internationalisierung der Personalwirtschaft sein und leisten k()nnte, muss zwingend von einem theoretischen Konzept ausgehen. Nach Klărung der Prămissen internationalen Personalmanagements einschIie6lich der Formen des Auslandsengagements internationalisierender Unternehmungen wird deshalb ein theoretischer Ansatz vorgestellt. Er besteht aus vier einfachen und plausiblen Axiomen. Die Axiome der Gewinn- und Sozialorientierung, der Unternehmungsidentitat sowie der rechtlichen und soziokulturell gepragten Differenzierung haben die Funktion von Anforderungen an ein internationales Personalmanagement. Das Problem besteht darin, ein Optimum bei der Beachtung der vier axiomatisierten Anforderungen zu finden. Dieses Problem ist nicht exakt, sondern nur unscharf l()sbar. Es stellt sich dem internationalen Konzern ebenso wie einer Unternehmung, die mit auslăndischen Partnern eng kooperiert. Daher muss sich der Wissenschaftler in ăhnlicher Weise wie der Praktiker dann mit diesen Anforderungen auseinandersetzen, wenn er EmpfehIungen zur Gestaltung eines internationalen. Personalmanagements abgeben m()chte. Die Wahl von Strategien oder Einzelma6nahmen des internationalen Personalmanagements wird allerdings nicht nur durch die vier Axiome, sondern auch durch drei miteinander verkniipfte Bedingungen gepragt. Es sind dies die Unternehmungsstrategien vor allem auf den Absatzund Bescha:ffungsmarkten, die Organisationsstrukturen der Unternehmung sowie deren Verstăndnis von Unternehmungskultur.

692

Anregungen zu internationalem Personalmanagement kommen bisher vorzugsweise aus der Praxis internationaler Unternehmungen. Sie werden durch einige explorative empirische Untersuchungen ergănzt. Pragmatische Ansătze des internationalen Personalmanagements liegen vor allem auf den Funktionsfeldern der Personalbedarfsbestimmung, der Personalbereitstellung, der Personalentwicklung, der Fiihrung und der Vergiitung vor.

3.2.

Prămissen

der Intemationalisierung des Personalmanagements

Die Internationalisierung vieler Unternehmungen ist zumindest in den entwickelten Industriestaaten Europas, Amerikas und Asiens seit Ende der 70er Jahre uniibersehbar. Diese Entwicklung hat durch die Schaffung des europăischen Binnenmarkts und der Europăischen Union sowie die ă:tInung Osteuropas zusătzliche Antriebe erhalten. Die Internationalisierung der Personalwirtschaft ist logische und faktische Folge der Ausweitung unternehmerischer Geschăftsfelder iiber die nationalen Grenzen hinaus. Um die Pramissen internationa/en Persona/managements aufdecken zu konnen, ist dessen vor/auflge Abgrenzung notwendig. Internationa/isierung des Persona/managements wird dazu als eine Anpassung der Strategien, Gegenstănde und methodischen Vorgehensweisen des Personalmanagements an die okonomischen, kulturellen und rechtlichen Bedingungen der Standorte von Auslandsgesellschaften oder Auslandsbeteiligungen eines Konzerns verstanden. Grenzfall der Internationalisierung ist ein Kooperationsverband in- und auslăndischer Unternehmungen, die untereinander fUr die Dauer der Kooperation Personal austauschen. Personalmanagement war zuvor als Planung, Umsetzung und Kontrolle von Personalstrategien, taktischen Mallnahmenbiindeln und operativen EinzelmaJlnahmen verstanden worden (s. Teil IV, l.2.l.). Durch Personalmanagement sollen im Verbund mit den iibrigen Managementfunktionen die okonomischen und sozialen Ziele der Unternehmung erreicht werden (s. Teil 1, 1.3.). Die folgenden Uberlegungen zu den Pramissen internationalen Personalmanagements werden zunăchst vereinfachend aus dem Blickwinkel einer fiktiven nationalen Unternehmung heraus entwickelt, die ihre Geschăftsfelder international ausrichtet. Auf die Prăgung internationalen Personalmanagements durch Unternehmungsstrategien auf einzeInen Geschăftsfeldern wird zurUckzukommen sein.

693 Nicht jede international gewordene Unternehmung muss auch eine Internationalisierung ihres Personalmanagements betreiben. Eine Ausweitung des Export- oder Importgeschăfts lost noch keine personalwirtschaftlichen Konsequenzen aus, die liber die Beschaffung von Import- oder Exportexperten im Inland sowie einigen Reprnsentanten im Ausland hinausgehen. Ebensowenig werden nennenswerte personalwirtschaftliche Aufgaben· ausgelost, wenn sich das Auslandsengagement auf reine Finanzinvestitionen einer Unternehmung beschrănkt, sie also als inlăndische Unternehmung Beteiligungen an auslăndischen Unternehmungen zor Steigerung des langfristigen Gewinns aufnimmt, aber nicht in das Management der auslăn­ dischen Beteiligungsgesellschaften eingreift. Man kann hier von einem PortfolioModell der Internationalisierung einer Unternehmung sprechen. Eine Internationalisierung der Ziele und Gegensttinde des Personalmanagements wird erst ausgelost, wenn einer der folgenden Typen unternehmerischer Auslandsaktivittit gewăhlt wird: (1) Kooperationen mit auslăndischen Partnern, beispielsweise in der Produktion oder dem Vertrieb oder der Forschung, wenn sie durch einen partiellen Austausch von Personal unterstiitzt werden. Diese Kooperationsform ist auf dem Europăischen Binnenmarkt in Zukunft verstârkt zu erwarten. Sie kann auf Vertragsbasis ohne eigene Rechtsform abgewickelt werden. Der Einfluss der inlăndischen Unternehmung auf das Personalmanagement der auslăndischen Partner ist bei dieser Kooperationsform allerdings gering. Die Personalplanung bei solchen Kooperationen lost ăhnliche Probleme wie bei der Entsendung von eigenem Personal in auslăndische Tochter- und Beteiligungsgesellschaften aus (vgl. Meckl1996; s. Teil N, 3.6.3.2.).

(2) Der Abschluss eines Joint Venture mit einem oder mehreren auslăndischen Partnern ist die zweite Alternative. Fiir das Joint Venture ist die Griindung einer Gemeinschaftsunternehmung in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft des Gastlandes liblich, in der die Partner im Gastland in der Regel zusammen ~ 51 % der Kapitalanteile und der deutsche Partner ~ 49 % der Kapitalanteile halten. Diese Form der Kooperation nationaler mit auslăndischen Unternehmungen wird dann gewăhlt, wenn Niederlassungsbeschrănkungen rechtliclier oder kapitalmăfiiger Art im Ausland bestehen. Der Einfluss auf das Personalmanagement der Partner im Ausland ist begrenzt, sofern nicht Personal ausgetauscht wird.

694

(3) Die Griindung einer gemeinsamen Unternehmung zusamrnen mit einem oder mehreren auslăndischen Partnern ist die dritte Alternative. In der Europăi­ schen Gemeinschaft kann dies in der Rechtsform der Europăischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) geschehen. Der Einfluss auf das Personalmanagement ist fur den nationalen Partner in diesem FalI begrenzt, sofern nicht Personal ausgetauscht wird. (4) Die Grundung oder Obernahme von Unternehmungen im Ausland, bei der der nationalen Unternehmung eine Kapitalbeteiligung von ~ 51 % eingeraumt wird, ist die vierte Alternative. Bei dieser Form des Auslandsengagements kann die nationale Unternehmung das Management der auslăndischen Beteiligungsgesellschaft als herrschende Gewalt bestimrnen; Man kann in diesem FalI von einem internationalen Konzern oder einer internationalen Unterneh- . mung sprechen. (5) Als fiinfte Alternative griindet die nationale Unternehmung im Ausland selbstăndige Tochtergesellschaften mit eigenem Management. Auch in diesem FalI ist weitgehender Einfluss auf das Personalmanagement der auslăndischen Tochtergesellschaft moglich. Man spricht auch hier von einem internationalen Konzern oder einer internationalen Unternehmung. Die Freiheitsgrade fur eine Jnternationalisierung der Personalwirtschaft nehmen vom ersten bis zum fiinften Typ des Auslandsengagements zu, weil auf die Unternehmungen im Ausland mehr Einfluss genomrnen werden kann. Ob in gleicher Weise auch die Notwendigkeit einer Jnternationalisierung zunimrnt, ist zunachst ein offenes Problem. Dies hăngt sehr vom Grundverstăndnis der nationalen Unternehmung ab: Es kann zwischen den Extremen der Stammhausmentalitat mit Export des nationalen Personalmanagements sowie der Nichteinmischung in das Management im Aligemeinen und insbesondere in das Personalmanagement der ausIăndischen Kooperationspartner, Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften liegen. Es ist nicht sinnvoll, sich ausschlieJ3lich auf die internationale Unternehmung zu beschrănken, die unter eigenem oder fremdem Namen an einem oder mehreren Standorten im Ausland selbstandige Unternehmungen mit eigenem Leistungs- und Absatzprogramrn unterhalt sowie ihr Personal Oberwiegend unter den Landeskindern des Gastlandes rekrutiert (vgl. Drumrn 1979b). Diese Beschrănkung wtirde alle Kooperationsformen der Typen 1 bis 3 aus der Internationalisierung der Personalwirtschaft ausschlieBen. Vielmehr mOssen auch diese Typen dann in die Betrachtung aufgenomrnen werden, wenn Strategien, Taktiken und operative MaB-

695 nahmen des Personalmanagements der Kooperationspartner sich gegenseitig beeinflussen.. Liegt solch ein wechselseitiger Einf1uss vor und passt sich die Stammunternehmung im Gastland dem okonomischen, rechtlichen und kulturellen Bedingungsralunen an, so konnte man auch von einem Adaptions- und lntegrationsmodell des intemationalen Personalmanagements sprechen. Abbildung IV. 5. zeigt diese Abgrenzungen.

Prămissen

I

Kooperationen

Beteiligungen

I

I

Anpassung andie Kooperationspartner

Austausch von Personal

Einf1uss aufdie Beteiligungsgesellschaft(en)

Austausch von Personal

Abb. IV. 5. Prămissen internationalen Personalmanagements Globalisierung und die sogenannte Triade werden zwar als Konzepte der Internationalisierung von Unternehmungen angesehen. Sie sind aber genau genommen Grundstrategien internationaler Unternehmungen und keine allgemeinen Prămis­ sen der Internationalisierung der Personalwirtschaft. Unter Globalisierung versteht man die weltweite Ausdehnung der Geschăftsfelder einer intemationalen Untemehmung (z. B. MefIert 1989).

Mit Triade ist eine Konzentration der Geschăftstătigkeit auf mindestens drei gro6e Mărkte gemeint (Ohmae 1985). Bei diesen gro6en Mărkten wird in der Regel an den nordamerikanischen, den europăischen und den asiatisch-pazifischen Raum gedacht. Globalisierung und die Sonderform der Triade sollen als Strategien zur Ausweitung von Marktvolumina, zur ErhOhung der Kostendegression und damit implizit des Erfolgs von Unternehmungen fiihren. Auf diese Strategien wird an anderer Stelle zuIiickzukommen sein (s. Teil IV, 3.5.).

696

3.3. Ein theoretischer Bezugsrahmen fur die Intemationalisierung der Personalwirtschaft 3.3.1. Stand der Diskussion Nach Theorien oder einem theoretischen Bezugsrahmen internationalisierter Personalwirtschaft sucht man selbst in der neueren Literatur bisher noch weitgehend vergebens (vgl. z. B. LiickfTrommsdorf 1982; Staehle 1982; DowlingiSchuler 1990; Engelmeyer 1992; MendenhalVOddou 1991; Festing 1996, 19-22). Dii1fer (vgl. 1997, 103-108) und Kreikebaum (vgl. 1998, 41-65) referieren theoretische Erklă­ rungsansătz~ der Intemationalisierung von Unternehmungen, die aber kaum Erklă­ rungskraft fUr eine intemationalisierte Personalwirtschaft haben. Lediglich Wirth (vgl. 1992a, 56-67) nennt einige Elemente eines theoretischen Bezugsrahmens fUr intemationales Personalmanagement. Scherm hat in neuerer Zeit einen Vorschlag fUr eine theoretische Basis internationalen Personalmanagements vorgelegt, der unserem eigenen Vorgehen ăhnlich ist (vgl. 1995a, Kap. 2-3). Der Import fachfremder Theorien fUr ein internationales PersoruiImanagement, den Marr (1983,31-33) als Alternative genannt hat und den Wolf (1994, 36-38) mit guten Argumenten ahlehnt, wirft dagegen grofie Probleme auf, die an anderer Stelle bereits diskutiert wordensind (s. Teil 1, 1.4.2.).Der systemtheoretische "situative Ansatz" (vgl. Wolf 1994, 88-100) oder die unmodifizierte Transaktionskostentheorie (vgl. Festing 1996, Kap. II; s. Teil 1, 1.4.2.1.) liefern keine Erklărungsmodelle, sondern nur einen Bezugsrahmen zur Entwicklung genuiner Theorien des internationalen Personalmanagements. Dies alles iiberrascht kaum. Das anhaltende, schon seit einiger Zeit beklagte Theoriedefizit der Personalwirtscha:ft im nationalen Bereich (vgl. Marr 1983, 36-37; Drumrn 1993a) bietet eine erste Erklărung. Eine zweite Erklărung liefert die Komplexităt von Auslandsaktivităten intemationaler Unternehmungen: Okonomischer, zielorientierter Personaleinsatz miisste fUr verschiedene Typen intemationaler Unternehmungen und fUr mehrere Lănder situativ difIerenziert erklărt werden und nach instrumenta1isierter Umsetzung erklărender Theorien in Handlungsanwei!fU11gen miinden. Diese miissten nicht nur empirisch iiberpriifbar sein , sondern auch tatsăchlich iiberpriift werden. Dieses ZieI ist derzeit zu hoch gesteckt. Man kann vorerst nur Schritte aufzeigen, die zu diesem ZieI fiihren Wiirden (vgl. Drumrn 1991b, 807-809). Bei diesen Schritten bandelt es sich um eine verstărkte vergleichende internationale Forschung sowie die empirische Untersuchung des faktischen personalwirtschaftlichen Handelns intemationaler Unternehmungen. Ansătze zu theoretisch orientierter Forschung sind zwar inzwischen erkennbar. Auffallig ist

697 jedoch, dass sie mit der Absicht situativer Erklarungen von personalwirtschaftlichem Handeln an der von ihnen unerwartet hohen Multikausalităt dieses Handelns letztlich scheitern (vgl. Welch 1994; RosenzweigINohria 1994; Wolf 1994). Mehr als Partialerklărungen der Wirkungen einiger Kontextvariablen auf personalwirtschaftliches Handeln werden nicht erreicht.

3.3.2. Ein axiomatischer Theorierahmen Der Mangel an geeigneten, allgemein akzeptierten und empirisch gehaltvo11en Theorien zwingt zu einem anderen Weg, der zu einem theoretischen Bezugsrahmen fiihrt: Es ist die Formulierung einer axiomatischen, instrumentellen Theorie der Internationalisierung des Personalmanagements. Die vier Axiome in dieser Theorie sind Aussagen liber eine vernlirrftige Ausgestaltung des internationalen Personalmanagements. Man kann diese Axiome auch als Anforderungen an ein intemationales Personalmanagement verstehen. Anforderungen sind dabei nichts anderes als Ziele mit einem Mindest- oder Hochstanspruchsniveau. Das erste und zweite Axiom gelten fUr die nationale und internationale Unternehmung. Ihre Nennung an dieser Ste11e bedeutet nur, dass sie fUr eine Internationalfsierung der Personalwirtschaft nicht aufier Kraft gesetzt sind. Das dritte Axiom gilt bevorzugt und das vierte Axiom ausschlieBlich fUr internationale Unternehmungen. Die vier Axiome fUr ein internationales Personalmanagement als unternehmerische Funktion sind: Personalwirtschaft unterstiitzt die VeIfolgung der okonomischen Markt- und insbesondere Gewinnziele einer Unternehmung im In- und Ausland. (2) Personalwirtschaft sorgt fUr die Beachtung von sozialen Zielen der Unternehmung bei allen Entscheidungen liber das Personal im In- und Ausland. Diese sozialen Ziele konnen unternehmungsethische Wurzeln haben (s. Teil IV, 4.4.). Sie definiert fUr die sozialen Ziele der Unternehmung standortspezifische Mindest- oder Hochstanspruchsniveaus der sozialen Zielerreichung. Sie konnen aber auch ausschlieBlich akquisitorische Funktion haben. (3) Personalwirtschaft unterstiitzt die Schaffung einer einheit/ichen Identitat der Unternehmung im In- und Ausland durch Vereinheitlichung des Handlungsrahmens fUr das Personalmanagement in den Grenzen des jeweils national geltenden Rechts. Die Vereinheitlichung des Handlungsrahmens wird durch genere11e Normen gesteuert, die werthaltig sein konnen. Identitat kann beispielsweise durch Unternehmungsgrundsatze angestrebt werden. Sie sol1 be-

(1)

698 wirken, dass gleiche personalwirtschaftliche Probleme unter gleichen Bedingungen gleich oder zumindest ăhnlich geregelt werden. (4) Personalwirtschaft passt sich mit ihren Mafinahmen und Strategien seIbstverstăndlich dem Rechtsrahmen und dariiber hinaus den kulturellen Bedingungen am Standort im Ausiand durch eine situative Di./Jerenzierung der Inhalte des Personalmanagements an. Das erste Axiom zieit auf die Sicherung des okonomischen Uberlebens der Unternehmung. Das zweite Axiom trăgt ethischen und sozialen Normen Rechnung. Das dritle Axiom soll sichem, dass eine internationale Untemehmung in jedem Gastland als Teil eines einheitlichen unverwechseibaren Ganzen wiedererkannt werden kann. AuBerdem soll das dritte Axiom die Schaffung einer Mindestidentităt im intemationalen Konzem sichem, die die KompIexităt von Entscheidungen mit konzemweiter Geitung reduziert. Das vierte Axiom soll sichem, dass sich die intemational tătige Untemehmung an ihre Umwelt in den Gastlăndem anpasst, um Akzeptanz und durch Akzeptanz Erfolg zu erreichen. Die Systematisierung der kultureUen Umwelt in jedem Gastland kann dabei dem revidierten Schichtenmodell von Dillfer (vgl. 1997,260-263) folgen. Dieses Schichtenmodell unterscheidet Wechselwirkungen zwischen rechtlich-politischen Normen, sozialen Beziehungen und Bindungen, kulturell bedingten Wertvorstellungen sowie dem Stand der Realitătser­ kenntnis und Technologie in einem Land. Man erkennt unschwer, dass das erste und das zweite Axiom gegensătzliche Anforderungen enthalten, die zur Suche nach einem partiellen Optimum zwingen. Auch das dritte und vierte Axiom formulieren gegenlăufige Anforderungen, da das dritte Axiom Einheitlichkeit und das vierte Axiom Differenzierung verlangen. Auch zwischen diesen beiden Anforderungen ist nach einem partiellen Optimum zu suchen. Das dritte und vierte Axiom zusammen beeinf1ussen unterstiitzend oder behindemd die Ausprăgungen des ersten und zweiten Axioms - und umgekehrt. lm Ergebnis muss fur ein internationales Personalmanagement ein Optimum unter den vier axiomatisierten Anforderungen gesucht werden. Man kann sich dieses Optimum so vorstellen, dass das erste Axiom maximal beachtet wird, wăhrend for die drei ubrigen Axiome unternehmensspezijische, durch Werthaltungen gesteuerte Anspruchsniveaus eingehalten werden. Das Optimum gilt alierdings nicht generell,

sondem muss untemehmungsspezifisch bestimmt werden, da verschiedene Unternehmungen die vier Anforderungen jeweils unterschiedlich gewichten kOnnen. Abbildung VI. 6. macht die Zusammenhănge sichtbar.

699

Internationales Personabnanagement

Abb. IV. 6.

Axiomensystem des internationalen Personalmanagements

Auf dieser axiomatischen Grundlage kann eine allgemeine instrumentelle Hypothese zur Ausrichtung des internationalen Personalmanagements formuliert werden: Personal ist so einzusetzen, dass der Unternehmungserfolg maxim iert wird, gleichzeitig landesspezijische Anspruchsniveaus bei sozialen Zielen eingeha/ten, rechtliche, soziale und kulture//e Normen des Gastlandes beachtet und unternehmungsspezijische generelle Muster des Personalmanagements durchgesetzt werden. Eine erkltirende Theorie internationalen Personalmanagements konnte durch Umkehrung dieser instrumentellen Hypothese nach deren erfolgreicher empirischer Uberpriifung entstehen. Sie sollte zwei Varianten baben, die sich ineinander uberfiihren lassen. Die erste Variante besttinde in der Aussage, dass der Erfolg der Untemehmung steigt, wenn sich ein spezifisches Optimum findet zwischen den An-

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forderungen der untemehmungsweiten Identităt, der Anpassung an die rechtlichen und kulturellen Bedingungen im Stammland und in den Gastlăndem sowie der Beachtung sozialer Ziele. Die zweite Variante besagt, dass langfristiges Uberleben und Wachstum einer Untemehmung mit Auslandsaktivităten nur gesichert werden konnen, wenn diese Untemehmung ein spezifisches Optimum zwischen allen vier zuvor genannten axiomatischen Anforderungen findet. Intemationales Personalmanagement ist weit davon entfemt, ausschlie.6lich Kulturmanagement zu sein. Unter Kulturmanagement wird meist die Gestaltung einer einheitlichen Unternehmungskultur verstanden. Kulturmanagement kann lediglich Teil des Personalmanagements sein und mit der Funktion eines Leitbildes die Beschaffung, den Einsatz und die Entwicklung von Personal in der Untemehmung mit Auslandsengagement steuem. Darauf wird zuriickzukommen sein (s. Teil N, 3.5.). Die axiomatische instrumentelle Theorie gilt fUr das gesamte Personalmanagement. Wie bereits bei der Vorstellung von nationalem strategischem Personalmanagement (s. Teil IV, 1.2.) und Personalcontrolling (s. Teil IV, 2.3.) ist auch fUr das internationale Personalmanagement eine Differenzierung nach strategischer, taktischer und operativer Ebene denkbar. Je Ebene konnten wiederum personalwirtschaftliche Funktionen unterschieden werden, so dass je Kombination von Ebene und Funktion Probleme und konzeptionelle sowie methodische Losungsansătze zugeordnet werden konnten. Anders als bei nationalem strategischem Personalmanagement und Personalcontrolling scheint fUr das internationale Personalmanagement prima facie eine Zuordnung von Problemen au! die strategische, taktische und operative Ebene besser moglich zu sein. Auf strategischer Ebene ist das Problem der Schaffung von Untemehmungsidentităt anzusiedeln, dessen konkrete Umsetzung und Losung bis auf die operative Ebene hinunter reicht. Auf taktischer und operativer Ebene sind die Probleme der Anpassung personalwirtschaftlicher Ma.6nahmen an den rechţ1ichen und soziokulturellen Kontext schwerpunktmă.6ig angesiedelt. Sie reichen bei Grundsatzfragen jedoch bis auf die strategische Ebene hinauf. Kulturmanagement zur Unterstiitzung internationalen Personalmanagements ist zuniichst auf strategischer Ebene angesiedelt. Seine Umsetzung zieht sich jedoch von der strategischen liber die taktische bis hin zur operativen Ebene. Secunda facie kommt daher eine eindeutige Zuordnung von Problemen und Losungsansătzen auf jeweils eine einzige Personal-managementebene nur willkiirlich zustande. Deshalb wird - wie zuvor auch - hier auf diese Differenzierung verzichtet.

701 3.4. Abgrenzung, Ziele nnd maDllgements

Gegenstănde

intemationalen Personal-

Die Abgrenzung intemationalen Personalmanagements muss unter Beachtung der vier Axiome erfolgen. Mit intemationalem Personalmanagement sind alle Strategien, Maftnahmenbundel und Einzelmaftnahmen zum Einsatz von Personal gemeint, die unter Beachtung sozialer Nebenbedingungen die Erfolgsziele der Unternehmung unterstUtzen und dabei untemehmungsweit im In- und Ausland einheitlichen Handlungsmustem folgen; sie mUssen gleichzeitig den rechtlichen, sozialen und kulturellen Bedingungen des jeweiligen Gastlandes Rechnung tragen. Es iiberrascht nicht, dass auf einem noch jungen Gebiet wie dem intemationalen Personalmanagement, noch keine Begriffskonvention zustande gekommen ist. Ein Uberblick von Scherm iiber den Stand der Diskussion macht dies deut1ich (vgl. 1992a). An diesem Stand der Diskussion bat sich bis heute nur wenig geăndert. Ziei desintemationalen Personalmanagements ist die untemehmungsweite optimale Anpassung aller strategischen, taktischen und operativen Maftnahmen des Personalmanagements an die vier axiomatischen Anforderungen des okonomischen und sozialen Zielstrebens, der Untemehmungsidentităt und der Differenzierung. Ein exaktes, punktgenaues Optimum ist nicht bestimmbar, so dass je Untemehmung Anspruchsniveaus je Anforderung definiert werden miissen. Diese grenzen zusammen einen Losungsraum ein, innerhalb dessen opti~es intemationales Personalmanagement angesiedelt ist. Das Ziei intemationalen Personalmanagements ist somit unscharf Wie schon bei der Begriffsabgrenzung ist auch bei den Zielen keine Konventionalisierung in Theorie oder Praxis zu erwarten. Transaktionskostentheoretische Oberlegungen zum intemationalen Personalmangement miissen an dessen ZieI ankniipfen. Dieses Iăsst sich so reformulieren, dass fUr den zentralen wie dezentralen Einsatz von Personal in intemationalen Unternehmungen konzeptionelle Losungen geschaffen werden miissen, die den zuvor aufgestellten vier Axiomen geniigen. Da Konzeptionen intemationalen Personalmanagements alle personalwirtschaftlichen Funktionsfelder beriihren, ist die Transaktionskostenproblematik derjenigen bei strategischem Personalmanagement vergleichbar. Die personalwirtschaftlichen Losungen der konzeptionellen Ebene steuem die Losungen der operativen Ebene und damit auch deren personalwirtschaftliche Transaktionskosten. Steigende Vorbereitungs- und Anbahnungskosten auf konzeptioneller Ebene haben daher fallende Vorbereitungs- und Anbahnungskosten auf operati-

702 ver Ebene zur Folge. Die Transaktionskosten der konzeptionellen Ebene sind vor allem Kosten des organisatorischen Lernens. Fiir die Auswahl einer Konzeption miisste bei vergleiehbarem Transaktionsertrag dann das Minimum der Summe aus konzeptionellen Anbahnungskosten und operativen Abwieklungs-, Kontroll- und Fehlerkorrekturkosten gesueht werden. Die Gegenstiinde des intemationalen Personalmanagements sind eng mit dessen Begriff und ZieI verkniipft. Es sind Aussagen iiber strategisehes, taktisehes und 0peratives Handeln auf allen Funktionsfeldem der Personalwirtsehaft unter Beaeht1ing der vier Axiome. Zu Beginn eines Intemationalisierungsprozesses ist die Besehrănkung auf die Personal:funktionen der Rekrutierung, Entwieklung, Vergiitung und Fiihrung angemessen (vgl. Weber et al. 1998,9-11). Dieses Minimum an Personalarbeit darf jedoeh nieht den Bliek auf andere personalwirtsehaftliehe Funktionsfelder verstellen. Man kann nieht erwarten, dass die zuvor formulierten Axiome bereits praktizierten instrumentellen Vorsehlăgen zu einem intemationalem Personal management stets zugrunde gelegen haben. Man kann nieht einmal erwarten, dass die zwei traditionellen Anforderungen okonomiseher und sozialer Zielorientierung in der Literatur durehgăngig beaehtet worden sind. Man kann lediglieh erwarten, dass von intemationalen Untemehmungen Problemexplorationen und untemehmungsspezifisehe Losungsvorsehlăge gemă6 dem 4. Axiom selbst erarbeitet worden sind. Das internationale Personalmanagement steekt noeh immer in seinen Kindersehuhen.

3.5. Unternehmungsstrategien, Organisationsstrukturen und Unternehmungskultur als Bedingungsrahmen internationalen Personalmanagements 3.5.1. Unternehmungsstrategien Es ist nur sehwer vorstellbar, dass Auslandsaktivităten einer Untemehmung strategielos abgewiekelt werden. Im Umkehrsehluss wird die Empfehlung plausibel, Auslandsaktivităten auf Strategien aufzubauen, fUr die es in Theorie und Praxis zahlreithe Vorsehlăge gibt. Die Strategien der Globalisierung oder der Triade (s. Teil IV, 3.3.) sind hier ebenso zu nennen wie die Strategie deutseher Untemehmungen, auf vorzugsweise auf den Waehstumsmărkten der Europăisehen Gemeinsehaft zu expandieren (vgl. Drumm 1990b, 209-211). In den 90er Jahren sind Strategien der Kooperation mit osteuropăisehen Untemehmungen bis hin zu deren Ubemahme hinzu gekommen.

703 Allen Marktstrategien ist gemeinsam, dass sie eher langfristig angelegt sind und eine ErschlieBung neuer oder Verteidigung alter Markte beinhalten, um Produktions-, Umsatz- und vor allem Erfolgszuwachse zu erzielen. Dies kann gemaB der fruhen Strategietypologie Perlmutters (1969) geozentrisch - also weltweit -, polyzentrisch in verschiedenen Gastlandem, ethnozentrisch mit einseitigen Beziehungen vom Stammland in ein Gastland oder sogar nur regiozentrisch (vgl. WindIDouglas/ .Perlmutter 1973, 15, 20-21) im kleinen Grenzverkehr oder fUr eine Gruppe von Landem geschehen. Diese Typologie lasst sich auch gut als Ordnungsschema auf alle Grundstrategien des Personalmanagements in der intemationalen Untemehmung Obertragen und ist zur Nutzung von Strategien des Kulturmanagements nutzbar (vgl. Scherm 1992a; s. Teil IV, 3.5.3.). Mandarf bei dem Umgang mit Strategietypen jedoch nie Obersehen, dass alle Typen zwar Ordnungsfunktion haben, aber nicht automatisch auch Handlungsempfehlungen enthalten. AuBerdem ist fast jede Typologie unvollsmndig und bildet nicht alle Varianten der Realităt ab. Es entspricht somit durchaus vemOnftigem Vorgehen, wenn die Praxis in ihren realisierten Strategien Komponenten aller Strategietypen einbaut. Wundererverweist daher zu Recht auf den Strategiemix als Losung des Anpassungsproblemszwischen konzemweiter Einheitlichkeit und lokaler Differenzierung (vgl. 1993b, 11-12). Dieses Anpassungsproblem ist Teil des zuvor formulierten Optimalproblems (s. Teil IV, 3.3.). Die folgenden fUnf Grundstrategien des internationalen Personalmanagements sind wahlbar: (1)

Bei ethnozentrischer Grundstrategie des Personalmanagements exportiert die Stammuntemehmung ihr Personal und ihre Managementkonzepte in die Auslandsgesellschaften und zu den auslandischen Kooperationspartnem. Ihr Einfluss auf die Auslandsgesellschaften ist groB und wird durch die Entsendung von Personal der Stammuntemehmung abgesichert.

(2) Bei polyzentrischer Grundstrategie des Personalmanagements wird Personal am jeweiligen Standort der Gesellschaft rekrutiert. Die Managementkonzepte werden ebenfalls weitgehend am Standort entwickelt oder den Standortbedingungen angepasst. Der angestrebte Einfluss auf einzelne Auslandsgesellschaften ist schwach und dient grundsatzlich der Schaffung einer Mindestidentitat im intemationalen Konzem. (3)

Geozentrische Grundstrategien beanspruchen einheitliche Geltung weltweit.

Zumindest fUr das Personalmanagement sind sie jedoch eher Utopie als Realitat, weil dieser Strategietyp die Unterschiedlichkeit des soziokulturellen Um-

704

felds der verschiedenen Auslandsunternehmungen nicht berucksichtigt. Der Realităt angepasster sind daher synergetische Grundstrategien, die trotz einiger weltweit einheitlicher Elemente jeweils landestypische Formen des Personalmanagements aufnehmen. (4)

Synergetische Grundstrategien sollten dem Identităts- und dem DifferenzieruQgsaxiom geniigen. Bei synergetischer Grundstrategie wird Personal im Inund Ausland beschafft. Es kann zwischen allen Gesellschaften einer internationalen Unternehmung ausgetauscht werden. Stammunternehmung und Auslandsgesellschaften beeinflussen sich gegenseitig. Die Managementkonzepte werden teils zen trai, teils dezentral entwickelt. Zentrale Konzepte beschrănken sich auf strategische Probleme und die Vorgabe eines Handlungsrahmens zur Sicherung der Mindestidentităt. Die synergetische entspricht in einigen Merkmalen der globalen Grundstrategie, wie sie Heenan und Perlmutter spăter beschrieben haben (1979, 17-18).

(5)

Bei regiozentrischer Grundstrategie beschrănkt sich die punktuelle Personalbeschaffung in Einzelfallen auf eine relativ homogene auslăndische Region, in der die Unternehmung tătig ist. Zentral in der Stammunternehmung entwickelte Managementkonzepte konnen den Bedingungen in der auslăndischen Region angepasst werden und sichern Mindestidentităt. Die Auslandsgesellschaften konnen die Strategien der Stammunternehmung im Einzelfall' Professionalităt

PIanung../Organisationsflihigkeit Entscheidungs-lInnovationsflihigkeitJ Visionăres Denken Konzeptionelle Flihigkeiten

Flihigkeit zur SubstitWon (kulturge· bundener) zufriedenheitsstiftender Aktivităten

Flihigkeit zur HandhablDlg von EntfremdlDlg lDld lsolation Mobilitătsfiligkeit

Ganzheitliches kUturilbergreifendes Denken interaktionsbezogen

KOl11IIIJIIi.kationsflihigkeit Kooperationsbereitschaftl Team-lKonlliktflihigkeit Motivationsfăngkeit

Flihigkeit zur Ertwicklung dauerhafter interpersoneller BeziehlDlgen zu AngeMrigen fremder Kulturen lnterkulturelle Konurunikationsflihigkeit

Durcmetzungsflihigkeit umweltbezogen

Analyseflihigkeit (Monitoring)

Flihigkeit zur korrekten Attribwon fremdkultureller VerhaltensIIJJSter Flihigkeit zur kogritiven Anpassung an fremdkulturelle BewertungsscheImta

Natlonaler Manager E~Manager

Abb. IV. 9. Quali:fikationsanforderungen fiir Euro-Manager Die Merkmale von Engelhard und Wonigeit sind zwar nicht iiberschneidungsfrei, wie die Autoren selbst zu Recht feststellen. Sie sind auch nicht auf den EuroManager beschrănkt. Sie gel ten ebenso fiir Manager, die in das nichteuropăische Ausland zu Auslandsgesellschaften oder auslăndischen Partnem entsandt werden. Femer sind sie aufgrund ihrer Allgemeinheit nicht stellenspezifisch. Sie vermitteln jedoch einen Eindruck von Tendenzen der Anforderungsverschiebung, die sich in der qualitativen Personalbedarfsplanung fiir Fiihrungskrăfte bei einer Intemationalisierung der Personalwirtschaft ergeben.

718 3.6.3. Externe Persooalbeschaffuog, Eotseoduog uod Repatriieruog 3.6.3.1. Externe Persooalbeschaffuog

Untemehmungen mit Auslandsaktivitaten kannen ihr Personal - wie jede nationale Untemehmung auch - prinzipiell extern auf (1) dem jeweils nationalen Arbeitsmarkt, (2) auf auslăndischen Arbeitsmărkten oder (3) untemehmungsintem im Inund Ausland beschaffen. Die Probleme der Beschaffung auf dem jeweils nationalen Arbeitsmarkt stimmen bei polyzentrischer Grundstrategie mit den zuvor behandelten methodischen Problemen einschlie6lich des Personalmarketing und ihren bekannten Lasungsmaglichkeiten iiberein (s. Teil II, 5.3.). Lokale Beschaffung des Personals vermeidet mangelhafte Vertrautheit mit der Soziokultur des Gastlandes. Sie last aber gleichzeitig das Problem aus, dass die lokalen Manager mit Sozio- und Untemehmungskultur von Stammland und -untemehmung erst vertraut gemacht werden miissen. AuBerdem kann die lokale Beschaffung auf Know-how- und Ausbildungsbarrieren sto6en. Lokale Beschaffung ist jedoch eine gute Voraussetzung fiir Karrieren von Landeskindem in den Auslandsuntemehmungen des intemationalen Konzems. Die motivierende Wirkung solcher Karriereoptionen heben Djarrahzadeh und Schwuchow hervor (vgl. 1993,62-63). Die Untemehmung mit Auslandsaktivitaten und ethnozentrischer Grundstrategie entsendet Mitarbeiter aus der Stammuntemehmung. Sie sollte sich bei Personalbeschaffung auf dem Arbeitsmarkt im Inland zunutze mac·hen, dass von vielen Universitaten und Hochschulen in der Europaischen Union seit Mitte der 80er Jahre in wirtschaftswissenschaftlichen und technischen Studiengăngen eine wachsende Zahl von Studenten ein integriertes Auslandsstudium mit teilweise integrierten Auslandspraktika durchlaufen. Diese integrierten Auslandsstudien folgen dem SOKRATES/ERASMUS-Konzept der Europaischen Union. Die Absolventen dieser integrierten Studiengănge besitzen in der Regel bereits Sprach- und Kulturkompetenz auf hohem Niveau fiir ein bis zwei Lănder der Europaischen Union. Als Berufsanfânger sind femer solche Absolventen von Universitaten und Hochschulen interessant, die ohne integriertes Auslandsstudium wenigstens ein oder mehrere Auslandspraktika abgeleistet haben. Es liegt auf der Hand, dass sich bei dieser Grundstrategie die Entsendung auf Fiihrungskrafte und Fachkrafte beschrankt. Das iibrige Personal muss wie bei polyzentrischer Grundstrategie lokal beschafft werden. Bei synergetischer Grundstrategie wird Personal grundsatzlich auf in- und auslandischen Arbeitsmărkten beschafft. Bei Personalbeschaffung auf inlăndischen Ar-

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treten die gleichen Probleme wie bei ethnozentrischer Grundstrategie auf. Die Personalbeschaffung au! ausltindischen Arbeitsmdrkten gleicht derjenigen bei polyzentrischer Grundstrategie und hat angesichts der relativen Intransparenz dieser Mărkte :fUr die Untemehmung mit Auslandsaktivitâten - gegeniiber der nationalen Untemehmung - einen komparativen Vorteil: Sie kann die Intransparenz des Arbeitsmarktes im Ausland leichter abbauen, wenn sie im Land der vorgesehenen Bescha:ffimg einen Standort hat. Im iibrigen kommt auch sie um eigene Arbeitsmarktforschung nicht herum (s. Teil I, 5.3.). Allerdings muss sie diese auch auf auslăndische Arbeitsmarkte ausdehnen.

beitsmărkten

Bei externer Beschaffung von Personal auf ausldndischen Arbeitsmdrkten kann die Strategie verfolgt werden, die auslăndischen Arbeitskrăfte zunăchst in die Stammuntemehmung zu integrieren. Erst nach einiger Zeit werden diese dann zu den Auslandsgesellschaften in ihren Heimatlăndem entsandt. Mit dieser Grundstrategie wiirde die Entwicklung einer synergetischen Unternehmungskultur unterstiitzt (s. Teil IV, 3.5.3.). Diese Strategie wiirde im Obrigen einem von Wirth (1992b, 207) bei deutschen Untemehmungen festgestellten Entwicklungstrend entsprechen. Die synergetische Grundstrategie der Personalbescha:ffimg ist mit einem Rotationsmodell des Personaleinsatzes sehr gut vereinbar: Das Personal beginnt seine Berufslaufbahn in der Heimatuntemehmung, wechselt dann nacheinander zu verschiedenen Gesellschaften der intemationalen Untemehmung - einschlie6lich des Stammhauses - und kehrt schlie6lich wieder in seine Heimatuntemehmung zuriick. Allerdings ist auch ein Verbleib in einer Auslandsgesellschaft denkbar. Insgesamt verlaufen dann Karrieremuster nicht mehr zwingend vertikal innerhalb der Hierarchie des Konzems, sondem auch horizontal mit einigen vertikalen Erweiterungen: Man konnte von Karriere-Spiralen sprechen. Zu den Problemen der Intransparenz ausldndischer Arbeitsmdrkte gehOren insbesondere die Vergleichbarkeit von Berufsqualiflkationen sowie die Vergleichbarkeit von berufsqualifizierenden Ausbildungs- und Studienabschliissen. Zumindest in der Europăischen Union ist die Chance gegeben, zu standardisierten Ăquivalenzen berufsbefahigender Ausbildungsnachweise vorzusto6en (vgl. Sellin 1991). Das SOKRATESIERASMUS-Programm des integrierten Auslandsstudiums in der Europăischen Union bietet weitere Hilfen zur Ermittlung von Ăquivalenzen :fUr Studienabschliisse (vgl. Drumm 1993e). Ăquivalenzkenntnisse der Hochschulen konnten von nationalen und intemationalen Untemehmungen :fUr ihre Arbeitsmarktexploration genutzt werden (Drumm 1991b, 8Q1). Personalbeschaffung bei regiozentrischer Grundstrategie wirft ăhnliche Probleme wie ethnozentrische und synergetische Personalbescha:ffimg auf.

720

Der Ausbau von Intranet-Strukturen in internationalen Unternehmungen riickt allerclings die lange vernachllissigte konzernweit interne Personalbeschaffung wieder stărker in den Mittelpunkt. Virtuelle Stellenausschreibungen und virtuelle Bewerbungen werden im Intranet moglich und sinnvoll. Riickfragen zu konzeminternen Bewerbern sind leichter als bei konzernexternen Bewerbern moglich. Diese Bewerbungsform ist besonders gut mit synergetischer Grundstrategie kompatibel. Sie kann durch ein mediengestiitztes Personalmarketing im Intranet unterstiitzt werden (s. Teil II, 5.3.3.).

3.6.3.2. Entsendung 3.6.3.2.1. Entsendungsstrategien Die Entsendung ist in intemationalen Unternehmungen eine Form der unternehmungsinternen Personalbeschaffung. Mit einer Entsendung von Personal werden alternativ oder kumulativ janjZiele verfolgt, nămlich (1) der Transfer von technischem sowie Management-Know-how, (2) clie Weiterentwicklung von Personal einschlie6lich des Durchlaufs von Karrierepfaden, (3) clie personale Absicherung der Steuerung und Kontrolle von Auslandsgesellschaften, (4) clie Abdeckung von Beschaffungsdefiziten in einzelnen Konzerngesellschaften der internationalen Unternehmung sowie (5) clie Sicherung einer einheitlichen Unternehmungspolitik und Unternehmungsidentităt.

clie Bedeutung des ersten, zweiten, dritten und fiinften Ziels in der Praxis zuzunehmen scheint, geht clie Bedeutung des vierten Ziels zuriick, wie einige Beispiele zeigen (DSAG, VW AG). Wăhrend

Die Entsendung ist urspriinglich nur fUr ethnozentrische Grundstrategien konzipiert worden. Bei geeigneter Uminterpretation ist clie Entsendung jedoch auch mit synergetischen und begrenzt regiozentrischen Grundstrategien vereinbar. Mit polyzentrischen Grundstrategien ist clie Entsendung dann vereinbar - sieht man von ein bis zwei Kontaktpersonen zur Stammunternehnlung (local residents) einmal ab -, wenn die Entsendung Teil einer Karrierestrategie ist und auch horizontal zwischen

721 Auslandsgesellschaften oder von der Auslandsgesellschaft zur Stammuntemehinung hin erfolgt. Die ethnozentrische Entsendungsstrategie ist ein erstes Modell zur Ubertragung eigener Managementmuster sowie zum Aufbau und zur Wahrung von Unternehmungsidentităt. ~n der Untemehmung mit Auslandsaktivităten ist die inteme Personalbeschaffi.mg von Fiihrungskrăften und Spezialisten mit Entsendung von sogenannten Expatriates aus dem Stammhaus in Aus/andsgesellschaften Ausdruck dieses Modells. Dieses erste Modell war bis Anfang der 80er Jahre die prăferierte Strategie untemehmungsintemer Personalbeschaffung bei FUhrungskrăften (vgl. Hoffmann 1981, 227-228) und hat in den 90er Jahren immer mehr Bedeutung rur die Steuerung von Auslandsgesellschaften gewonnen (vgl. Stahl1999, 688). Bei synergetischer Entsendungsstrategie als zweitem Modell kommt es zum Austausch von Fahrungskrăften zwischen Auslandsgesellschaften ebenso wie zwischen diesen und dem Stammhaus. Der Austausch kann bilateral sein oder dem Rotationsmodell folgen (s. Teil IV, 3.6.3.l.). Diese Entsendungsform f6rdert den konzemintemen Transfer von technischer und kaufmănnischer Kompetenz sowie die Entwicklung einer synergetischen Unternehmungskultur (s. Teil IV, 3.5.). Als eine Ausprăgung des zweiten Modells untemehmungsintemer Personalbeschaffi.mg - vor allem bei Fiihrungskrăften und Experten - kommt die Hospitation von Managem aus Auslandsgesellschaften im Stammhaus in Frage. Die Austausch- und Hospitationsstrategie konnen - auBer als Anregung fUr eine synergetische Untemehmungskultur - auch als Formen der Persona/entwicklung gesehen werden. Eine solche Personalentwicklung wăre mit einer Organisationsentwick/ung geradezu automatisch verkniipft. Genau dieses Entsendungsziel tritt neuerdings offenbar auch bei deutschen Untemehmungen mit ethnozentrischer Grundstrategie an die Stelle des Ziels, "nur" Vakanzen von FUhrungspositionen im Ausland zu schlie6en (vgl. Wirth 1992b, 206). Dieses Entsendungsziel ist femer mit der Tendenz zu stărkerer Dezentralisation in intemationalen Untemehmungen gut vereinbar. Die Entsendung von Fiihrungskrăften und Spezialisten aus dem Stammhaus in Auslandsgesellschaften oder zwischen Auslandsgesellschaften wirft eine Reihe von Problemen auf, deren Losung den Erfolg untemehmungsintemer Personalbeschaffung bestimmt. Vergleichbare Probleme stellt Tung (1991, 206) auch fUr US-amerikanische Expatriates mit einer Ausnahme fest: Mangelhafte Fremdsprachenkompetenz bleibt als Problem ungenannt, vermutlich weil dieser Kompetenzmangel von amerikanischen Managem nicht als Problem empfunden wird - ăhnlich wie in der Wissenschaft auch. FremdsprachenkompetenZ wird offensichtlich neben intematio-

722

naler Orientierung bevorzugt von europCiischen internationalen Unternehmungen gefordert (vgl. Tung 1991,209,215-216). Eine tJkonomische lnterpretation der Entsendung kann auf die personalwirtschaftlich modifizierte Transaktionskostentheorie zuriickgreifen (s. Teil 1, l.4.2.2.). Der Verzicht auf jede Vorbereitung der Entsendung wiirde zur mangelhaften Erfiillung der Arbeitsvertrlige von Expatriates fiihren. Dies wiirde zur Anhebung von Transaktionskosten der Kontrolle und Fehlerkorrektur fiihren. Die Vorbereitung der Entsendung lost dagegen Anbahnungskosten aus, die fast immer niedriger als die Summe aus Kontroll- und Fehlerkorrekturkosten sein diirften.

3.6.3.2.2. Entsendungsprobleme und -lOsungen Die Vorbereitung einer Entsendung wirft allerdings eine Reihe von Problemen auf. Die insgesamt zehn Probleme der Entsendung werden nachfolgend vorgeStellt. (1) Die Abgrenzung eines Potenzials von KandidatenftJr eine Entsendung ist das erste zu losende Problem. Es muss durch Detinition von Mindestanforderungen und die Identi:tikation solcher Personen gelost werden, die diese Mindestanforderungen erfiillen~ Die Nutzung eines PIS ist hierbei grundslitzlich moglich (s. Teil 1, 5.6.l.-5.6.2.). Hoffmann nennt als wichtiges Potential die mittleren Fiihrungskrăfte vor allen Dingen im Stammhaus (vgl. 1973, 64-66). Fritz (1984, 141) weist zuslitzlich auf das Potentiallilterer erfahrener Mitarbeiter hin, das diese fUr begrenzte Auslandseinslitze besitzen. Denkbar ist auch der Einsatz der Mitarbeiterbefragung (s. Teil 1, 5.4.~.5.) und Befragung bei der Einstellung sowie spliter im Mitarbeitergesprlich (vgl. Wirth 1992a, 143) zur Identi:tikation weiterer Kandidaten, die fUr eine Entsendung hohes Potential besitzen. Anders als in Frankreich, Gr06britannien oder den USA gilt in Deutschland der Besuch einer bestimmten Universitlit nicht zwingend als Indikator fUr hohes Potent:al der Absolventen dieser Universitlit. (2) Die FtJrderung von Mitarbeitern durch eine auf die intemationalen GeschMt:sfelder ausgerichtete fachliche Ausbildung ist Voraussetzung fUr die Losung des zweiten Problems. Nach der Ausbildung ist zuslitzliche Forderung durch fachliche Personalentwicklung erforderlich (s. Teil IT, 6.3.). Personalbeurteilung (s. Teil 1, 5.4.2.6.) und Mitarbeitergespmch (s. Teil 1, 5.4.2.7.) sollten so genutzt werden, dass einzelne Mitarbeiter zur Aufnahme in die Menge von

723 entsendbaren Kandidaten identifiziert werden konnen. Diese Identifikation stellt das zweite Problem der Entsendung dar. (3)

Die

Fărderung

der Mobilitatsbereitschajt von Mitarbeitem stellt das dritte Problem dar. Dieses Problem ist angesichts der ofIenbar abnehmenden Mobilitatsbereitschaft gewichtig (vgl. Wirth 1992a, 135). Diese Forderung kann durch ausfiihrliche Mitarbeitergesprache und zusatzlich Anreizsysteme wie z. B. Beftirderungsoptionen, Familienhilfen, Doppelkarrieren von Ehepartnem oder Anstellung von Ehepartnem geschehen. Nur schwer iiberwindbar ist allerdings die Mobilitatsbarriere einer festen lokalen, beruflichen oder familiaren Bindung des Ehepartners. Fast uniiberwindbar ist auch die Mobilitatsbarriere eines Beschăftigungshindemisses fiir Ehepartner, wie sie in einigen arabischen Lăndem besteht. In den USA ist das Dual Care,er Modell stărker als bisher in Europa ausgebaut worden. Dieses Modell sieht fiir berufstatige Ehepaare in einer intemationalen Untemehmung die gemeinsame Versetzung und gegebenenfalls Beftirderung bei Entsendung vor (vgl. DowlingiSchuler 1990, 109-110). Mobilitătsbarrieren bestehen in einigen islamischen Lăndem auch dann, wenn dorthin weibliche Mitarbeiter entsandt werden sollen.

(4)

Die

Fărderung

von Sprach- und Ku/turkompetenz sowie internationaler Orientierung bei Kandidaten fiir eine Entsendung in das Ausland stellt das vierte Problem dar. Diese Forderung ist Aufgabe der Personalentwicklung (s. Teil IV, 3.6.4.) und kann in vielen Făllen durch Kurse, fremdsprachliche Rollenspiele oder durch Seminare erreicht werden. FUr diese Form der Entwicklung von Sprach- und Kulturkompetenz wird zunehmend die Bezeichnung "interkulturelles Training" verwendet. Hinzu kommen "Schnupperreisen" in die Ziellănder im Ausland (vgl. DomschILichtenberger 1990, 403-404). Auch Hospitationen von begrenzter Dauer bei Auslandsgesellschaften konnen zur Forderung der genannten Kompetenzen eingesetzt werden. Mit dem Expatriate geht hău:fig dessen Familie ebenfalls ins Ausland und steht dann vor den gleichen Sprach- und Kulturkompetenzproblemen. Familiare Belastungen haben deshalb unter den Entsendungsproblemen grofie Bedeutung (vgl. Stahl 1999, 695-696). Zum Abbau dieser Belastungen ist daher der Einbezug der Familie des Expatriate in ein interkulturelles Training auJ3erst sinnvoll.

(5)

Die Forderung des Umgangs mit sozialen Barrieren stellt das ftlnjte Problem dar. Soziale Barrieren konnen zwischen einzelnen gesellschaftlichen Gruppen - und damit auch Mitarbeitem in der Auslandsuntemehmung - bestehen (vgl.

724

Hoffmann 1981, 232). Beispiele fur solche Barrieren sind das im Măn 1992 formal iiberwundene Apartheidsystem Siidafrikas oder das Kastenwesen Indiens. Zur Ltisung dieser Probleme kommen Erfahrungen im Zielland sowie PersonalentwicklungsmaBnahmen mit aufklarendem Charakter in Frage. Stahl berichtet, dass jiingere besser als altere Fiihrungskrafte mit der Uberwindung sozialer Barrieren im Ausland fertig werden (vgl. 1999,692-693). (6) Die Beschriinkung der Kandidatenzahl fur eine Entsendung zumindest aus dem Stammhaus ware der sechste Problemkomplex. Mit seiner Ltisung ktinnten politisch gepragte Konflikte begrenzt werden. Femer verbessert eine Beschrankung der Entsendungskandidaten die Aufstiegschancen qualifizierter auslandischer Manager (vgl. Hilb 1991, 114). Die Vermutung liegt nahe, dass die Notwendigkeit einer solchen Beschrankung umso weniger gesehen wird, je starker ausgepragt die ethnozentrischen Grundstrategien einer Untemehmung sind und je ausgepragter die koloniale Vergangenheit des Stammlandes ist. (7) Die konkrete Auswahl der Kandidaten fur die Entsendung in das Ausland ist als siebtes Problem zu nennen. Diese Auswahl gehtirt zwingend zur Vorbereitung effektiver Entsendung und sollte sich an den Grundstrategien der Unternehmung orientieren (s. Teil IV, 3.5.l.). Sie sollte femer die mit der Auswahl beabsichtigten Effekte auf die Untemehmungskultur. berucksichtigen (s. Teil IV, 3.5.3.). Von planvoller Selektion der Kandidaten auf der Basis einer intemationalen strategischen Personalpolitik konnte allerdings nach den Befunden von Domsch und Lichtenberger (1990, 403) aus 16 deutschen Untemehmungen bis zum Beginn der 90er Jahre nicht die Rede sein. Diese Situation hat sich seither nur unwesentlich verbessert (vgl. Stahl 1999, insb. 698699). Die Auswahl sollte zunachst nach fachlicher Eignung erfolgen (s. Teil II, 5.5.) und dann Zusatzkriterien berucksichtigen, die nach Diilfer (vgl. 1997, Kap. 8) und Kiihlmann/Stahl (vgl. 1998, 49-51) wie folgt umschrieben werden ktinnen: physische und psychische Belastbarkeit; Kontaktfâhigkeit; Ambiguitatstoleranz; Einfiihlungsvermtigen; Verhaltensflexibilitat; Vorurteilsfreihei t;

725 die Fahigkeit ZUlU Umgang mit den Umfeldeinf1fissen am auslandischen Standort, insbesondere die Akzeptanz von fremdem Verhalten und fremden Sozialstrukturen; die Fahigkeit ZUlU Erlemen des Umgangs mit diesen Umfeldeinf1fissen durch Verhaltensanpassung; die Fahigkeit zu geeigneter Reaktion auf Interaktionen auslandischer Kollegen, insbesondere die Fahigkeit zur Ffihrung auslandischer Mitarbeiter; - die Fahigkeit zur Verknfipfung der Geschăftspolitik des Stammhauses mit den Bedingungen der Auslandsgesellschaft; die Fahigkeit zu familiărer Flexibilitat sowohl bei dem Kandidaten selbst als auch bei dessen Lebenspartner und gegebenenfalls gemeinsamen Kindern; zusatzlich zu den genannten Kriterien gewinnt ein weiteres Kriterium Gewicht (vgl. Wirth 1992b, 207): Es ist die Existenz von karriereorientiertem Entwicklungspotential bei den Kandidaten fUr eine Entsendung. Wenn mit den Methoden der Personalforschung (s. Teil 1,5.4.2.) Entwicklungspotential festgestellt worden ist, wiirde dies die Zusage von Wiedereingliederungsgarantien (s. Teil IV, 3.6.3.3.) erleichtem und Repatriierungsprobleme reduzieren. (8) Die konkrete Vorbereitung der ausgewahlten Kandidaten auf den Auslandseinsatz stellt das achte Entsendungsproblem dar. Diese Vorbereitung entscheidet liber den Erfolg der Entsendung (vgl. DowlingiSchuler 1990, 99). Dieses Problem kann durch Sprachkurse, die Einfiihrung in Kultur und Zivilisation der Bevolkerung am auslandischen Standort, die fachliche Spezialisierung auf Managementpraktiken oder -techniken am auslandischen Standort und gegebenenfalls kurze Hospitationen geltist werden. Hinzu mlissen die Regelung der Unterkunft, der medizinischen Versorgung und der Kranken- und Unfallversicherung kommen. Dass diese Vorbereitung in der Praxis bis heute nicht immer geleistet wird, ist zwar mit fehlender Vorbereitungszeit begrtindbar, nicht jedoch verstandlich (vgl. DomschJLichtenberger 1990, 401-403, 407408; 462; Wirth 1992b, 207). Die Entsendung von Managem zu Auslandsgesellschaften endet relativ oft erfolglos wegen unzureichender Anpassung an das fremde kulturelle Umfeld (vgl. insbes. DomschJLichtenberger 1990, 401; Engelhard/Wonigeit 1991, 191-192). Femer deuten Befun~e von Kenter und Welge darauf hin (vgl. 1983, 193-195), dass Repatriierungsprobleme (s. Teil IV, 3.6.3.3.) bei langfristiger und systematischer Vorbereitung des Auslandsaufenthalts abnehmen.

726

(9) Das neunte Problem der Beschaffung von Einreise-, Aujenthalts- und Arbeitserlaubnis tritt in jedem Zielland in unterschiedlicher Weise auf. In der Europliischen Union besitzen deren Biirger automatisch Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis fiir jedes Mitgliedsland der Union. (10) Die Betreuung der im Ausland beflndlichen Mitarbeiter durch die Heimatunternehmung stellt das zehnte Problem dar. "Aus den Augen, aus dem Sinn" darf fiir die Entsendung von Mitarbeitern nicht gelten, da sonst Iăngerfristig Motivationsverluste bei den Expatriates zu erwarten sind. Die Betreuung etwa durch einen Mentor in der Stammunternehmung kann Informationen liber Entwick1ungen in der Heimatunternehmung, Mitarbeitergesprăche liber die weitere berufliche Entwick1ung und Karrierepfade eines Expatriates, liber MaBnahmen der Personalentwick1ung und liber die Vorbereitung seiner Rlickkehr (s. Teil IV, 3.6.3.3.) zum Gegenstand haben. Sie kann aber auch darin bestehen, dass sich die Stammunternehmung um Verstăndnis ihrer Expatriates bemtiht, die sich mit wachsender Dauer des Auslandsaufentha1ts stărker mit Problemen des Gastlands und der Auslandsunternehmung als mit Problemen des Stammlands und der Stammunternehmung identifizieren. Dass nicht nur dieses, sondern auch andere Betreuungsprobleme von deutschen Unternehmungen besonders vemachUissigt worden ist, belegt eine Untersuchung von Stahl (vgl. 1999,694-697). Zu den wichtigsten MafJnahmen der Vorbereitung auf eine konkrete Tâtigkeit im Ausland gehOren Informationen liber den Umgang mit den am Standort tâtigen auslăndischen Mitarbeitern und liber die konkrete Ftihrungssituation am auslăndi­ schen Standort (vgl. DomschILichtenberger 1990, 407). Die Befunde von Domsch und Lichtenberger deuten an, dass Interviews mit Rlickkehrern bei systematischer Auswertung und Dokumentation wichtige Informationsquellen fiir die konkrete Vorbereitung von Kandidaten fiir eine Entsendungsein konnen. Zu den VorbereitungsmaBnahmen sollte auch der Einbezug der Familie von Expatriates in die Information liber das Gastland und ebenso in die Vermittlung der Fremdsprache gehOren; wo dies geschehen ist, wurden positive Erfahrungen gesammelt (vgl. Wirth 1992b, 208). A1lerdings zeigen die Untersuchungen von Abbruchursachen bei Auslandsaufenthalten fUr die USA (Tung 1991) und Australien (Welch 1994), dass auch zusătzliche, typisch nationale Faktoren den Erfolg von Auslandsaufentha1ten mitbestimmen und in die Vorbereitungen der Expatriates mit einbezogen werden mtissen. Offensichtlich ist mitbestimmend fUr den Entsendungserfolg, ob und wie die internationale Unternehmung aus ihren Fehlern lernt (vgl. Welch 1994, 152) fast eine Trivialitât.

727 Die Abgrenzung und Operationalisierung des Entsendungserjolgs ist allerdings ein bisher nur unbefriedigend gelostes Problem. Die Studien von Engelhard und Hein (1996) sowie Hein (1999) zeigen deutlich, dass Entsendungserfolg mehrdimensional gemessen werden muss. AuBerdem ist eine eindeutige Zuordnung von Erfolgsdimensionen auf vorbereitende Mafinahmen kaum moglich. Die Ermittlung eines Entsendungserfolg!\ stOBt femer auf emste Probleme, wenn die entsendende Unternehmung kaum am Entsendungserfolg interessiert ist und deshalb invalide Beurteilungskriterien verwendet (vgl. Hein 1999, 168-169, 172-173, 197). Die clusteranalytischen Auswertungen von Hein zeigen auch, dass nur multikausale

Erklănmgen

von Entsendungserfolgen Sinn machen; allerdings entsprechen die wichtigsten Ursachen von Erfolg oder Misserfolg den bisher schon bekannten Einzelkausalităten (vgl. 1999, 192-205). Die Cluster-Bezeichnungen "Stars", "Kămpfer", "Resignierte" und "Fremde" treffen die Erfolgs- und Misserfolgsursachen in plakativer Form recht gut. Insgesamt ist der Vorbereitungsaufwand bei unternehmungsinterner Entsendung sofern er Oberhaupt erbracht wird - als hoch anzusehen. Es falIt schwer, diesem Aufwand einen konkreten Nutzen gegenOberzustellen, da nur die hohen Abbruchquoten bei unterlassener Vorbereitung indirekte SchlOsse auf einen Vorbereitungsnutzen erlauben. Opportunitătskosten bei Verzicht auf Entsendung wOrden in der Form von Koordinationsmăngeln auftreten. Der ROckfall auf das Portfolio-Modell (s. Teil IV, 3.2.) wăre die Folge. Die Alternativen zur ethnozentrischen Entsen-

dung, nărnlich das Rotationsmodel/ sowie die zeitlich begrenzte Hospitation von Managem der Auslandsgesellschaft im Stammhaus, werfen jedoch kaum andere Probleme der Vorbereitung als das ethnozentrische Entsendungsmodell auf. Welches der drei Modelle schlieBlich gewăhlt wird, hăngt vom beabsichtigten Effekt auf die Untemehmungskultur sowie von den Grundstrategien der Untemehmung ab (s. Teil IV, 3.5.1.; 3.5.3.). Man wird bei fortschreitender Dezentralisation intemationaler Untemehmungen (s. Teil IV, 3.5.2.) mit dem Ausbau polyzentrischer oder synergetischer Grundstrategien rechnen mlissen. Diese Strategien werden Entsendungen aus dem Starnmhaus in andere Gesellschaften des intemationalen Konzems reduzieren. Sie werden Entsendungen zwischen allen Auslandsgesellschaften und zwischen diesen sowie der Starnmuntemehmung fardern. Hinzu kommt, dass bei Aufbau eines konzemweiten Intranet Informationsaustausch, Entscheidungsvorbereitung und -koordination sowie Personalentwicklungsprozesse mediengesmtzt und virtuell abgewickelt werden kOnnen. Kommunikation liber das Intranet erleichtert die Vemetzung von Entscheidungsprozessen. Diese Tendenz wird zunehmen

(ăhnl.

Engelhard 1999, 326-

728 335). Die ethnozentrische verliert dann im Vergleich zur polyzentrischen und erst recht synergetischen Entsendungsstrategie an Bedeutung.

3.6.3.3. Repatriierung Das Problem der Repatriierung oder Reintegration entsteht bei Iăngerer Auslandstatigkeit von Managem und beinhaltet deren berujliche und soziale Wiedereingliederung in die urspriinglich entsendende Heimatuntemehmung. Das Problem der Repatriierung entsteht zwar vor allem bei ethnozentrischer Grundstrategie mit Wahl des Entsendungsmodells (vgl. Kenter/Welge 1983, 174). Repatriierungsprobleme treten grundsatzlich aber auch bei synergetischer Grundstrategie mit der Wahl des RotationsmodeIIs und des HospitationsmodeIIs in Abhăngigkeit von der Lănge des Auslandsaufenthalts auf. Die Repatriierungsproblematik wird umso groBer, je Iănger ein Expatriate im Ausland gewesen ist. Sie wachst zusatzlich, wenn ihn wăhrend dieser Zeit seine Familie begleitet hat. Die mangelhafte Losung dieses Problems gefahrdet Entsendungserfolge nachhaltig (vgl. Stahl1999, 693-694). Das Teilproblem der berujlichen Wiedereingliederung tritt auf, weil sich in der Heimatuntemehmung in der Regel Stellengefiige und -aufgaben sowie die Besetzung der Stellen geandert haben. Diese muss der Heimkehrer erst wieder kennenlemen. Das Teilproblem der sozialen Wiedereingliederung entsteht, wenn sich die Lebensbedingungen im Heimatland wăhrend der Auslandstatigkeit verăndert haben. Dieses Problem kann insbesondere fiir die Familie des Expatriate groBe Bedeutung gewinnen. Im Einzelfall kann auch der Lebensstandard des Heimkehrers im Ausland hOher als im Heimatland gewesen sein (vgl. Kenter/Welge 1983, 176). Eine ăkonomische Interpretation der Repatriierungsproblematik ist unter Rekurs auf die modifizierte Transaktionskostentheorie moglich (s. Teil 1, l.4.2.2.). Eine erste Idee zu solcher Interpretation haben Weber und Festing 1996 (insb. 472) vorgelegt. Ăhnlich wie bei der Entsendung (s. Teil IV, 3.6.3.2.) lOst fehlende Vorbereitung der Riickkehr die Untererfiillung der Arbeitsvertrage von Repatriates aus. Dieser Gefahr muss durch Kontrollen und KorrekturmaBnahmen mit entsprechender Steigerung der Transaktionskosten begegnet werden. Deren Hohe hăngt von der Fehlanpassung des Riickkehrers ab, und diese steigt mit der Dauer seines Auslandsaufenthalts. Die Vorbereitung der Riickkehr wird also in transaktionskostentheoretischer Sicht umso vorteilhafter, je Iănger der Auslandsaufenthalt eines Repatriates gedauert hat. SorgfaItige Planung der Repatriierung vermeidet Transaktionskosten. Sie lost jedoch auch eine Reihe von Problemen aus.

729 Zur Losung von Repatriierungsproblemen hat vor allem die Praxis - kaum jedoch die Theorie - vier Alternativen entwickelt. Diese werden nachfolgend im Uberblick dargestellt. (1) Erste Problemlosung ist die Bereitste/lung einer vakanten Ste/le in der Heimatunternehmung, deren Anforderungen mit den Kenntnissen und Făhigkei­ ten des Heimkehrers grundsatzlich abgedeckt werden konnen. Die Bereitstellung kann auf einer vertraglich vereinbarten Wiedereingliederungsgarantie beruhen. Die Bereitstellung setzt bei der Heimatuntemehmung eine ausgebaute Personalplanung voraus, die die Komponenten einer systematischen Personalbedarfs-, -beschajJungs- und -zuweisungsplanung enthalten muss (s. Teil 11,2., 5.). Nur im Rahmen dieser Planungen wird eine Vakanz so rechtzeitig erkennbar, dass die Ruckkehr von entsandten Expatriates vorbereitet werden kann. Besonders geeignet :fur Repatriates sind in der Heimatuntemehmung solche Stellen, die :fur die Beziehungen zu den Auslandsgesellschaften in den Gastlăndem verantwortlich sind, in denen der Repatriate einmal tiitig gewesen ist (vgl. Fritz 1984, 128). Auch die Vorbereitung der Repatriierung durch einen Mentor in der Heimatuntemehmung ist bier als flankierende MaBnahme zu nennen (vgl. Wirth 1992a, 152). Zur effektiven Vorbereitung der Wiedereingliederung muss in der Heimatuntemehmung auch eine Personalbestandsplanung betrieben werden (s. Teil II, 3.). In dieser Personalbestandsplanung mussen die Bestănde der Expatriates mit ihren Făhigkeitsvektoren und Fristen des Auslandsaufenthalts ausgewiesen sein. Fristeninkongruenzen bei der Besetzbarkeit einer vakanten Stelle in der Heimatuntemehmung einerseits, dem Freiwerden der Stelle des Expatriates im Ausland andererseits konnen durch PersonalentwicklungsmaBnahmen, durch Sonderurlaube oder Sonderaufgaben uberbruckt werden. Im Ubrigen kann auch eine Anschlussentsendung der Repatriates in eine andere Auslandsgesellschaft erwogen werden - mit angemessener Vorbereitung. Dem Regelfall einer Planung der Ruckkehr steht die Ausnahme kurzfristiger Disposition der Ruckkehr bei Abbruch des Auslandsaufenthalts gegenuber. AbbruchursaGhen konnen private Anlasse, zuvor unerkannte fachliche Quali:fikationsdefizite, politische Strukturbruche im Gastland oder die bereits genannten Anpassungsdefizite an die fremde Kultur sein (vgl. Fritz 1984, 125). Wie bei allen kurzfristigen Dispositionen muss bier statt systematischer Wiedereingliederung auf ErsatzlOsungen zurUckgegrifIen werden. Auch bier kommen wieder die bereits genannten PujJerlosungen der Betrauung mit Sonder-

730 aufgaben, Persona1entwicklungsmaJlnRhmen oder der in jfingster Zeit verstărkten Langzeiturlaube (Sabbatical) in Frage.

(2)

Wiedereingliederungsgarantien schlieBen Freisetzung und anschlieBende Entlassung des Heimkehrers aus. Sie konnen in unterschiedlicher Fomi abgegeben werden (vgl. Fritz 1984, 135-139): (a)

Nur die WiedereingUederung in die Heimatunternehmung wird garan-

tiert. (b) Die Wiedereingliederungsgarantie wird mit der Zusage einer Mindestvergiitung verbunden, die sich aus dem letzten Grundgehalt im Ausland ableitet. (c) Die Wiedereingliederungsgarantie wird mit der Zusage einer Position verbunden, die der letzten Stelle des Heimkehrers in der Heimatunternehmung entspricht. Dies kann auch dann gelten, wenn die Auslandsstelle hierarchisch hOherrangig einzuordnen gewesen ist (vgl. Kenter/ Welge 1983, 178-179). (d) Die Wiedereingliederungsgarantie wird mit der Zusage einer Position verbunden, die der letzten Stelle des Heimkehrers in der Auslandsunternehmung entspricht. (e) Die Wiedereingliederungsgarantie wird mit der Option auf eine Position verbunden, die hOherrangig als die letzte Stelle des Heimkehrers in der (f)

Auslandsuntemehmung ist (Aufstiegsoption). Alle zuvor genannten Garantien werden zeitlich begrenzt oder unbegrenzt gegeben.

Aus der Sicht des einzelnen Mitarbeiters ist eine unbegrenzte Zusage des Typs (e) allen anderen vorzuziehen. Aus der Sicht der Untemehmung birgt dagegen die begrenzte Zusage des Typs (a) die geringsten Risiken. Die Art der Zusage sollte seitens der Untemehmung bei rationa1er Entscheidung davon abhăngig gemacht werden, wie die Untemehmung das Entwicklungspotential des Mitarbeiters einschătzt: Je hOher die Potentialeinschătzung aufgrund von Personalbeurteilungen (s. Teil 1,5.4.2.6.), Mitarbeitergesprăchen (s. Teil 1,5.4.2.7.) oder Tests und ACT-Ergebnissen (s. Teil 1, 5.4.2.4., 5.4.2.8.) ausfâllt, umso weitreichender kann die Wiedereingliederungsgarantie ausfallen.

731 Bei ihrer Zusage sollte die entsendende Untemehmung allerdings bedenken, dass Heirnkehrer Motivationsverluste erleiden, wenn sie nach der Ruckkehr eine steilere Karriere bei den in der Heimatuntemehmung verbliebenen Kollegen als bei sich selbst bemerken mussen (vgl. Kenter/Welge 1983, 182-183). Femer verstehen Mitarbeiter von Untemehmungen mit Auslandsaktivităten immer hau:figer einen Auslandsaufenthalt als einen Baustein ihrer personlichen Karriere (vgl. Wirth 1992b, 206). Deshalb sollten Auslandsaufenthalte von Anfang an systematisch in Karriereplanungen miteinbezogen werden (s. Teil IV, 3.6.4.). (3) Der Abbau von Kenntnis- und Fahigkeitsdejiziten (Deckungslucken) wird notwendig, wenn die Anforderungen in der vakanten Stelle der Heimatuntemehmung von den Kenntnissen und Făhigkeiten des Heirnkehrers erheblich abweichen. Analog allen Uberlegungen zur Personalentwicklungsplanung (s. Teil II, 6.3.) mussen dann Mafinahmen zum Abbau der Deckungslucke geplant werden. Diese Mafinahmen sind vor oder nach der Ruckkehr des Heimkehrers anzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ruckkehr mit einem Aufstieg auf dem Karrierepfad des Heirnkehrers verbunden ist. (4) Die soziale Wiedereingliederung des Heimkehrers ist - vor allem nach Iănge­ rem Auslandsaufenthalt - nicht nur dessen eigenes Problem, sondem mehr noch dasjenige seiner Familie. Bei dem Wiederaufbau eines Freundeskreises kann keine Untemehmung sinnvoll helfen, wohl aber bei der Suche nach angemessener Unterkunft, bei der Erlauterung verănderter Lebens- und Einkaufsgewohnheiten sowie verănderter Schul- und Ausbildungssysteme. Das Angebot von Begegnungsmoglichkeiten z. B. in untemehmungseigenen Clubs mit Erfahrungsaustausch zwischen den Ruckkehrem und ihren Familien ist hilfreich. Hilfe bei der sozialen Wiedereingliederung kann auch das Angebot von Sprachkursen besonders dann bkten, wenn der Lebenspartner des Heimkehrers selbst Auslănder ist. Zur sozialen Wiedereingliederung sollte auch die Einfiihrung des Heirnkehrers in verănderte Sozialstrukturen des Heimatlandes sowie eine verănderte Untemehmungskultur der Heimatuntemehmung gehOren. Vor allem Informationsveranstaltungen der Heimatuntemehmung zu Verănderungen im Rechts-, Wirtschafts-, Bildungs- und Verkehrssystems des Heimatlandes sollten zu einem Wiedereingliederungsprogramm gehOren. Auch Ănderungen der Verhaltensregeln im tăglichen Umgang mit anderen oder Verănderungen der Wert-

732

haltungen konnen dem Heimkehrer im Rahmen sozialer Eingliederungskurse nahe gebracht werden. Die Breite des Feldes denkbarer Wiedereingliederungsmafinahmen wird letztlich nur aufgrund der- sozialpolitischen Grundhaltungen der Heimatuntemehmung abgesteckt. Unabdingbares Minimum sozialer Wiedereingliederung ist die Ein:fiihrung des Heimkehrers bei seinen Kollegen, Mitarbeitem und Vorgesetzten in Abteilung oder Untemehmungsbereich der Heimatunternehmung, in der seine neue Stelle eingeordnet ist. Man erkennt unschwer, dass das Repatriierungsproblem umso grofiere Dimensionen annimmt, je mehr Personal aus der Heimatunternehmung zu Auslandsgesellschaften delegiert wird. Dies ist bei ethnozentrischer, dem "Kolonialmodell" verpflichteter Grundstrategie (s. Teil IV, 3.5.l.) eher der FalI als bei polyzentrischer Grundstrategie. Das Repatriierungsproblem kann somit durch die Wahl der Grundstrategie nicht nur in seiner Dimension, sondern auch in seinen Losungen erheblich beeinflusst werden.

3.6.4. Personalentwicklung

Personalentwicklung zur Anpassung der Untemehmung an Verănderungen ihrer Geschăftsfelder ist als Aufgabe und hinsichtlich ihrer Methodik fur die nationale und die internationale Unternehmung gleich. Abweichungen ergeben sich gegenliber der nationalen Untemehmung insofem, als die internationale Unternehmung ein erweitertes Spektrum von Entwicklungsa/ternativen hat. Ihre Entwicklungsaltemativen setzen sich aus unterschiedlichen Entwicklungsarten im Stammland und Ausland sowie aus unterschiedlichen Gruppen von Entwicklungsadressaten aus der Sicht des Entwicklungsortes zusammen. Inlănder stammen aus dem Land mit Sitz des Entwicklungsortes, Auslănder aus einem anderen Land. Entwicklungsaltemativen lassen sich durch die Kombination der beiden Merkmale Entwicklungsort und Entwicklungsadressat in Verbindung mit zwei inhaltlichen Schwerpunkten gewinnen: Entwicklungsort sind die Stammunternehmung oder eine Auslandsgesellschaft, Entwicklungsadressaten sind Inlănder oder Auslănder, Entwicklungsschwerpunkte sind entweder allgemeine 'ulld spezielle Probleme des Konzems bei Technik sowie Management, oder es sind lokale und regionale Probleme einzelner Auslandsgesellschaften.

733 Abb. N. 10. zeigt Entwicklungsaltemativen, die aus den Merkmalen "Ort", "Adressat" und "Schwerpunkt" gebildet worden sind.

~gsort I~

Inlander

[2] ~ Allgemeine und spezielle Lokale und regionale Probleme Probleme des Konzems [2]

Ausliinder

Auslandsgesellschaft

Stammuntemehmung

••

Allgemeine und spezielle Probleme des Konzems

~

Lokale und regionale Probleme

Abb. IV. 10. Entwicklungsa1ternativen der internationalen Unternelunung Diese Entwicklungsa1temativen haben typologische, also wie alle Typen klassiflkatorische Funktion. Durch diese Typologie wird nicht ausgeschlossen, dass eine Auslandsgesellschaft z. B. ein Entwicklungsprogramm zu neuen Techniken oder Produkten mit Bedeutung fUr den gesamten Konzern fUr In- und Auslănder anbietet. Diese Entwicklungsaltemativen tragen den Anforderungen der Differenzierung und der Unternelunungsidentităt in gleicher Weise Rechnung. Aufierdem sind sie kompatibel mit den Grundstrategien der internationalen Unternelunung. Feld 1 hat Tradition und steht im Einklang mit einer ethnozentrischen Grundstrategie. Die Felder 2 und 3 sowie 4 passen zu einer polyzentrischen Grundstrategie. Feld 2 ist inzwischen hău:figer zu finden (vgl. Djarrazadeh 1993, 190-191, 198). Die Besetzung der Felder 3 und 4 ist bisher zwar nicht dokumentiert worden; sie ist jedoch mit Konzepten eines interkulturellen Trainings (cross cultural training) kompatibel (vgl. Scherm 1995a, 238-251). Im Ralunen solcher Konzepte werden Fach- und Ffihrungskrăfte mit Sprache und Kultur in ihren zukiinftigen Gastlăndern vertraut gemacht (s. Teil IV, 3.6.3.2.). Internationale Unternehmungen mit ,Personalentwicklungsprogrammen auf allen vier Feldern passen gut zu einer synergetischen Grundstrategie. Die Behandlung der Entsendungs- und Repatriierungsprobleme hat deutlich gemacht, dass internationale Unternehmungen einen besonderen Personalentwicklungsbedarjhaben: Die Vorbereitung der Entsendung und die Vor- oder Nachbereitung der Wiedereingliederung durch interkulturelles Training (vgl. ThomasIHagemann 1996) mit Sprachkursen und landeskundlichen Informationsveranstaltungen sind Minima der Personalentwicklung. Hinzu kommen die fachliche

734 Vorbereitung der Expatriates sowie die fachliche Wiedereingliederung der Repatriates als wichtige Mafinahmen der Personalentwicklung. Dariiber hinaus kann die Entsenduljg selbs als ein Instrument der Personalentwicklung genutzt werden, um einerseits Know-how liber die Arbeit von Konzemgesellschaften und andererseits Kulturkompetenz zu erwerben oder auszubauen. Erinnert sei auch Iioch einmal an den Einbezug der Familienmitglieder von Expatriates und Repatriates in Entwicklungsmafinahmen (s. Teil IV, 3.6.3.2., 3.6.3.3.). Ein ergiebiger Ansatzpunkt fUr Personalentwicklung ist der Austausch von Knowhow zwischen Stamm- und Auslandsgesellschaften (vgl. Posth 1990, 375). Dieser Austausch ist mit einer synergetischen Grundstrategie und mit Dezentralisation (s. Teil IV, 3.5.1.-3.5.2.) gut vereinbar. Er kann in der Form gemeinsamer Seminare und hausinterner Tagungen, durch Video-Konferenzen oder Nutzung des Intranet fur Gruppendiskussionen geschehen. Weiterbildungs- und Aufbauprogramrne in der Stammuntemehmung fUr das Personal von Auslandsgesellschaften konnen hinzukommen. Bei allen diesen Mafinahmen der Personalentwicklung kann die Verstetigung des Lemens wăhrend des gesamten Berufslebens zu einer fruchtbaren Leitidee der Personalentwicklung werden (vgl. Drumm 1991b, 802). Eine zweite Leitidee der Personalentwicklung ist: Nicht nur die Mitarbeiter der Auslandsgesellschaften haben von der Stammuntemehmung zu lemen, auch deren Personal kann von Auslandsgesellschaften lemen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es auch bei Managem sehr unterschiedliches, kulturell gepragtes Lemverhalten gibt. Eine Untersuchung von Hayes und Allinson (1988) macht dies deutlich. Wie diese Erkenntnis instrumentell genutzt werden kann, ist allerdings noch offen. Ein zusatzlicher Ansatz der Personalentwicklung in intemationalen Untemehmungen ist der Aufbau eines internationalen Traineeprogramms (posth 1990, 373-374). In einem solchen Programrn mlissten die Berufsanfanger von Universităten oder Hochschulen jeweils begrenzte Zeit in verschiedenen Abteilungen der Stammunternehmung und verschiedener Auslandsgesellschaften verbringen. Vor allem internationale Untemehmungen mit synergetischer, begrenzt auch mit ethnozentrischer Grundstrategie konnen auf internationale Karrierepfade als Entwicklungsinstrument zuruckgreifen, die gleichzeitig Teil konzemintemer Personalbeschaffung sind. Diese Karrierepfade verlaufen in der Regel liber mehrere Funktionsfelder in mehreren Auslandsgesellschaften. Der konkrete Verlauf von Karrierepfaden kann durch soziokulturelle Werthaltungen gepragt werden, wie vergleichende Untersuchungen deutlich machen (vgl. Hilb 1985, 135-142; EvanslLan:k/ Farquhar 1990, 125-129). Generelle Regeln fiir die Struktur dieser Kar-

735 rierepfade gibt es allerdings nicht, da hier die Leitbilder der Spezia/isierung auj einem Funktionsjeld in mehreren Lăndem sowie der Generalisierung auf mehreren Funktionsjeldern in mehreren Lăndem miteinander konkurrieren. Die Geltung dieser Leitbilder wird durch die Heterogenităt der Leistungsprogramme beeinf1usst. Das erste Leitbild gilt eher bei heterogenem,das zweite eher bei homogenem Leistungsprogramm. Als heuristische Entscheidungsregel kann bei rationalem Vorgehen zusatzlich die Uberlegung dienen, dass ein als eng vermutetes Entwicklungspotential eines Expatriate-Kandidaten zum Leitbild der Spezialisierung besser passen konnte. Ein hohes Entwicklungspotential ware dagegen besser mit dem Leitbild der Generalisierung vereinbar.

3.6.5. Personalfiihrung

Lichtenberger (1992, 156-161) konnte zeigen, dass Erwartungen an das Ftihrungsverhalten von - auslăndischen - Vorgesetzten durch soziokulturell gepragte Werthaltungen der gefiihrten Mitarbeiter gepragt werden. Die Untemehmung mit Auslandsaktivităten hat bei den Modellen der etbnozentrischen Entsendung sowie bei synergetischer Grundstrategie. mit horizontaler Entsendung, mit weltweiter Rotation oder mit Hospitation ein Ftihrungsproblem von weitgehend gleicher Struktur: Vorgesetzte und Mitarbeiter konnen aus verschiedenen Soziokulturen und im Einzelfall auch aus unterschiedlichen Untemehmungskulturen kommen. Kulturbedingte Ftihrungskonf1ikte sind daher unvermeidlich. Ftihrungsverbalten, das von einem Inlănder hingenommen wird, kann einem Auslănder vertibelt werden. Untersuchungsergebnisse von Lichtenberger belegen diese Erwartung auch empirisch (vgl. 1992, 92, 94-95). Zur Losung solcher Ftihrungskonf1ikte konnen drei Wege beschritten werden (vgl. Drumm 1991b, 804): (1) Der Vorgesetzte orientiert sich am Konzept individualisierter Ftihrung (s. Teil III, 5.). Er versucht auf die Bediirfnisse und Werthaltungen jedes einzelnen seiner Mitarbeiter einzugehen. Je heterogener die soziokulturelle Zusammensetzung einer Mitarbeitergruppe ist, umso schneller ist der Vorgesetzte bei diesem Ansatz allerdings tiberfordert. (2) Der Vorgesetzte erprobt als Teil seiner Ftihrungskonzeption die demokratischen Verhaltensregeln der Anhorung, der Beratung und der Mitbestimmung nach dem Leitbild kooperativer oder partizipativer Ftihrung (s. Teil III, 4.3.).

736 Dies setzt allerdings voraus, dass alle beteiligten Mitarbeiter unabhăngig von imer Nationalităt demokratische Verhaltensregeln erlemt haben und anwenden wollen. Die Untersuchungen von Lichtenberger belegen (vgl. 1992, 136-140) die Bedeutung dieser Prămisse selbst fiir verschiedene Kulturen relativ eindrucksvoll. Ist diese Prămisse nicht erfiillt, so miissten demokratische Verhaltensregeln erst als Teil eines besonderen Personalentwicklungsprozesses vermittelt und erlemt werden. (3) Ein dritter, je nach Kultur sehr schwieriger Weg besteht darin, dass der Vorgesetzte oder der Experte als Expatriate sich an das Fiihrungsverhalten am auslăndischen Standort anzupassen versuchen. Man wird aber davon ausgehen diirfen, dass bei national gemischten Gruppen national geprăgte Verhaltensmuster trotz aller Beein:flussung durch die Untemehmungskultur und eine fremde Soziokultur erhalten bleiben. Akzeptanz des fremden Verhaltens ist daher die geeignete Basis jeder Fiihrung in der Untemehmung mit intemationalen Aktivităten und Personal aus unterschiedIichen Nationen. Auf dieser Basis ist eine Fiihrung durch Einbindung in Gremien vorstellbar, in denen der Umgang mit fremder Mentalităt bei der gemeinsamen Losung von Sachaufgaben geiibt werden kann (vgl. Drumm 1991b, 804). Akzeptanz und Kooperation sind an Kommunikation und damit an eine gemeinsame Sprachbasis gebunden. Allerdings kann die Zusammenarbeit in Gremien durch soziokulturell unterschiedIich geprăg­ te Verhaltensweisen der Gremienmitglieder erheblich gestort werden.

Anreizsysteme als Element von Fiihrungssystemen werfen in der Untemehmung mit intemationalen Aktivităten Probleme aJ]f, die Diilfer (1997, ~454-456) so beschreibt: Anreize konnen gegen soziale Normen verstofien, die fiir bestimmte ethnische Gruppen gelten oder geschlechtsspezifisch sind oder nur Personen mit gleichem gesellschaftlichen Rang vorbehalten werden. Solche Normen konnen ebenso die Stellenbesetzung und Beforderung wie die Unterbringung oder die Einnahme von Mahlzeiten betreffen. Hier muss ein Anreizsystem konstruiert werden, das Verstofie gegen solche Normen vermeidet. Aus allen Uberlegungen zur Personalfiihrung folgt, dass sie von allen personalwirtschaftlichen Funktionen am stărksten den soziokulturellen Bedingungen am jeweiligen Standort unterliegt. Eine unreflektierte Ubertragung von Fiihrungskonzeptionen und Anreizsystemen aus der Stammuntemehmung auf Auslandsgesellschaften - und umgekehrt - ist daher abzulehnen.

737

3.6.6. Vergiitung und Erfolgsbeteiligung Die Vergiitung der Mitarbeiter in Stammuntemehmung und ~uslandsgesellschaf­ ten muss wegen des Wettbewerbs am lokalen oder regionalen Arbeitsmarkt den Bedingungen am Standort angepasst sein. Bei Kooperationen gibt es keine Argumente fUr eine Anpassung der Vergiitung von Mitarbeitem der Kooperationspartner. Ganz im Gegenteil bewirkt unterschiedliche Vergiltung Vorteile rur eine Kooperation. Im Grundsatz gilt dies auch fUr den intemationalen Konzem. Es macht keinen Sinn, konzemweit iiber die Landesgrenzen hinaus gleiche Lohne rur gleiche Tătigkeiten zu zahlen, wenn sich diese Lohne an der Vergiitung im Hochstlohnland innerhalb des Konzems orientieren. Vorteile der Auslandsaktivităt wiirden dann aufgegeben. Es macht lediglich Sinn, die Lohnstrukturen innerhalb von intemationalen Konzernen zu vereinheitlichen. Dies ist ein Beitrag zur Schaffung von Untemehmungsidentităt. Diese Aussage ist unabhăngig davon giiltig, dass sich die Lohnpolitik intemationaler Untemehmungen je nach Nationalităt der Stammuntemehmung ganz erheblich voneinander unterscheiden konnen (vgl. Hilb 1985,239-243). Besonderheiten der Vergiltung entstehen lediglich rur Expatriates bei vertikaler 0der horizonta1er Entsendung gemiill ethnozentrischer oder synergetischer Grundstrategie. Fiir sie kann entweder eine stammland- oder eine gastlandorientierte Vergiitung gewâhlt werden. Eine geozentrische Vergiitungsstrategie (vgl. Mayrhofer 1996) mit einheitlichen Vergiitungsstrukturen weltweit macht unter Anreizas-

pekten wenig Sinn und verstOfit gegen das Differenzierungsaxiom. Expatriates konnen femer einen Lohnausgleich zum Basislohn bekommen, wenn das Lohnniveau oder die Belastung im Ausland hOher als im Heimatland ist. Femer konnen mit ihnen Zusatzlohne in der Form von Zulagen fUr hOhere Lebenshaltungskosten, fUr zusătzlichen Reprăsentationsaufwand im Ausland, Umzugskostenerstattung, Dienstwohnungen, Erschwemiszulagen, lăngere Heimaturlaube mit Reisekostenerstattung auch fUr die Familie, Dienstpersonal, Dienstwagen oder andere Zusatzleistungen ausgehandelt werden. Der Wechsel in ein Niedriglohnland fiihrt fUr einen Expatriate bei Anwendung des iiblichen Prinzips der Besitzstandswahrung nicht zu einer Absenkung des Vergiitungsniveaus. Im Niedriglohnland kann dann zwar die ortsiibliche Vergiitung gezahlt werden. Die Differenz zur Vergiitung im Heimatland wird jedoch dort thesauriert. Eine solche Art der Kompensation von Vergiitungsdifferenzen muss jedoch wie jede andere Vergiitungsregelung auch konzemspezifisch festgelegt werden. Auch hier konfligieren die Anforderungen der Unternehmungsidentităt und der Differenzierung (s. Teil IV, 3.3.).

738 Bei den Soziallohnen der Expatriates konnen Sozialversicherung und direkte Sozialleistungen Probleme aufwerfen, die die nationale Untemehmung nicht kennt. Wenn bei Auslandsaufenthalten ein ExPatriate nur begrenzte Zeit im Sozialversicherungssystem seines Heimatlandes bleiben darf, das Sozialversicherungsniveau im Ausland jedoch niedriger als im Heimatland ist, treten Versorgungslucken auf (vgl. Mische 1990, 1.70). Diese lassen sich jedoch durch eine Doppelversicherung im Stamm- und Gastland schliefien. Die Mitnahme von Sozialleistungen in das Ausland Iăsst dann Probleme entstehen, wenn durch unterschiedliche Besteuerung Sozialleistungsanteile abgeschOpft werden (vgl. Mische 1990, 171). Bei Zunahme eines horizontalen Austauschs von Expatriates fiihren Strukturunterschiede bei Leistungs- und Soziallohnen zwischen verschiedenen Auslandsgesellschaften zu einem konzemweiten Harmonisierungsdruck. Losungen des Harmonisierungsproblems miissen allerdings konzemspezifisch gefunden werden, da theoretisch fundierte Harmonisierungsmodelle fehlen. Zumindest in der Europăischen Union ist zu erwarten, dass unterschiedliche Sozialleistungen in den Mitgliedstaaten durch die Sozialcharta der Europtiischen Union in Zukunft einander angeglichen werden. Dies gilt auch fUr sonstige Beschăfti­ gungsbedingungen mit sozialem Charakter wie z. B. Urlaubslănge, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Pensionsregelungen - aber nicht dem Kiindigungsschutz. Bisher. spricht nichts dafiir, dass die angestrebte Harmonisierung auf dem Niveau des sozial schwăchsten Mitgliedstaates der Europăischen Union erfolgt. Sie scheint sich eher an Staaten mit hohem Niveau der sozialen Bedingungen, wie z. B. Deutschland, zu orientieren (vgl. Drumm 1991b, 806). Interpretiert man eine Erjolgsbeteiligung nicht nur als Teil des Anreizsystems fUr Fiihrungskrăfte (s. Teil III, 4.5.3.2.), sondem auch als nachschlăgig gezahlten Leistungslohn (s. Teil III, 6.3.), so liegt eine Erfolgsbeteiligung der Fiihrungskrăfte im In- und Ausland nahe. Bei Kooperationen der Typen (1) bis (3) (s. Teil IV, 3.2.) tritt dieses Problem nicht auf, wohl aber in intemationalen Untemehmungen. Es betri:fll somit auch die Beteiligung von Expatriates am Untemehmungserfolg der Auslandsgesellschaft. Eine solche Erfolgsbeteiligung wird problematisch, wenn es Gewinnverlagerungen zwischen Auslandsgesellschaften oder zwischen Stammuntemehmung und Auslandsgesellschaften gegeben hat (vgl. Scherm 1991a). Mittel zur Gewinnverlagerung sind Transjerpreise fUr konzeminteme Guter, Dienstleistungen oder Kapital,beschaffungsmafinahmen (vgl. Drumm 1989d). Angesichts der geltenden Doppelbesteuerungsabkommen und der Fragwiirdigkeit der Ziele einer Gewinnverlage-

739 rung darf diese zwischen den westlichen Industriestaaten eher als Ausnahme denn als Regel betrachtet werden (vgl. Drumm 1989d, 2083),auch wenn selbst in der Europăischen Union unterschiedliche Besteuerung von Gewinnen in Einzelfallen die Gewinnverlagerung noch attraktiv machen kann. Wird aber eine Gewinnverlagerung konzemintem vorgenommen, so verflUscht sie die Bemessungsgrundlage fUr eine Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter in den betroffenen Untemehmungen. Dies miisste Anlass entweder zum Verzicht auf eine Erfolgsbeteiligung oder aber zu deren Korrektur entsprechend dem verlagerten Gewinnanteil sein. Die gleichen Bedenken gelten im Ubrigen auch gegen Aktienoptionsplane (s. Teil III, 7.2.2.2.), wenn diese in intemationalen Konzemen als Mittel der Erfolgsbeteiligung fUr Fiihrungskrăfte eingesetzt werden.

3.7. Mitbestimmung Zumindest in deutschen Untemehmungen ist keine Funktion so stark von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats durchzogen wie die Personalwirtschaft. Daher ist zu fragen, ob dies auch dann gilt, wenn eine deutsche Untemehmung im Ausland Kooperationen eingeht, Gesellschaften gtiindet bzw. Beteiligungen aufnimmt und so zum Konzem wird, oder wenn eine auslandische Stammuntemehmung in Deutschland vergleichbare Strategien wăhlt. Hier gilt generell, dass Mitbestimmungsrecht nationales Recht ist und daher das Betriebsverfassungsgesetz sowie das Sprecherausschussgesetz nur in Deutschland gelten. Sie gelten fUr eine deutsche Muttergesellschaft ebenso wie fUr eine deutsche Tochtergesellschaft einer auslandischen Muttergesellschaft.

Im Ausland gilt - wenn fiberhaupt - prinzipiell jeweils nationales Mitbestimmungsrecht. In einigen Landem wie z. B. den USA wird Mitbestimmung-durch umfassendere und anders strukturierte Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen substituiert. Diese Beziehungen konnen Gegenstand eines eigenen "Industrial-Relations-Managements" werden (vgl. Scherm 1995a, Kap. 4.6). Zumindest in der Europăischen Union unterscheidet sich das nationale Mitbestimmungsrecht im Ausland bis heute ganz erheblich vom deutschen Mitbestimmungsrecht (vgl. Waschke 1982; Macharzina/Engelhard 1984, 301-307; WachterlMetz 1993, 133-137; Drumrn/Dal Zotto 1999). Dies ist nicht zuletzt darauf zurUckzufiihren, dass Mitbestimmungsrechte von soziokulturellen Werturteilen in den einzelnen Landem ihrer Geltung gepragt werden. Eine Harmonisierung des Mitbestimmungsrechts in den Mitgliedsstaaten der Europăischen Union zeichnet sich bisher nicht ab. Unterschiedliches oder fehlendes Mitbestimmungsrecht an den Standorten der Auslandsgesellschaften kann

740 daher dazu fiihren, dass personalwirtschaftliche Grundslitze oder RahmenvorschrifteI. der Stammunternehmung verlindert werden mussen. Solch ein Ănde­ rungsbedarf tritt auf, wenn personalwirtschaftliche Verfahrensvorschriften jeweils nationalem Mitbestimmungsrecht unterliel!en. Insgesamt behindert somit unterschiedIiches ausllindisches Mitbestimmungsrecht bei restriktiver Geltung die Schaffung von Unternehmungsidentitlit in Stammunternehmung und Auslandsgesellschaften. In der Europliischen Union hat sich diese Situation gelindert, nachdem die EGRichtlinie zur Bildung eines Europtiischen Betriebsrats (s. Teil 1, 3.2.l.) gem1i6 dem vorliegenden Vorschlag durch Beschluss der EU-Arbeitsminister vom 22.9.1994 mit Wirkung ab September 1996 in Kraft gesetzt und in nationales Recht umgesetzt worden ist. Der Europtiische Betriebsrat solIte in seiner ersten Konzeption mit umfassenden Informations-, Anhorungs- und Mitentscheidungsrechten zu beschliftigungs- und entgeltpolitischen Grundslitzen, zur beruflichen Ausbildung, zu Arbeitszeitregelungen, zu Sicherheits- und Sozialeinrichtun2;en ausgestattet werden (vgl. MacharzinalEngelhard 1984, 308-309). Diese zunăchst geplanten Rechte sind mit dem Beschluss vom 22.9.1994 auf ein Informations- und Anhorungsrecht bei Fusionen, Restrukturierungen und Entlassungen reduzieit worden (s. Teil 1, 3.2.l.). Man muss davon ausgehen, dass die inzwischen geschaffenen europliischen Betriebsrăte sich fUr eine Vereinheitlichung der konzeminternen sozialen Bedingungen einsetzen und sich die dazu notwendigen Informationen konzernintern beschaffen werden. Inwieweit diese BemUhungen erfolgreich sein werden, ist noch nicht absehbar.

3.8. Wiirdigung und offene Probleme Empirisch gehaltvolle und weitreichende Theorien des internationalen Personalmanagements fehlen noch immer. Alle in Abschnitt 3.6. vorgestellten Losungsanslitze fUr personalwirtschaftliche Probleme sind pragmatische Kunstlehren. Sie kommen groBtenteils aus der Praxis und gelten fUr einzelne internationale Konzerne. Sie sind heuristisch auf personalwirtschaftliche Probleme bei Kooperationen ubertragbar. Sie sind auch fUr die Auslandsaktivitliten mittlerer und kleinerer Unternehmungen heuristisch nutzbar. Inwieweit diese Losungen wenigstens den zuvor formulierten vier axiomatischen Anforderungen an ein internationales Personalmanagement genugen, wurde so weit als moglich gezeigt. Hier liegt ein erstes offenes Problem, das Forschungsbedarf auslost.

741 Zweites offenes Problem ist der Aufbau einer empirisch-theoretischen Basis internationalen Personalmanagements. Drittes offenes Problem ist der systematische Vergleich von personalwirtschaftlichen Problemlosungen verschiedener internationaler Unternehmungen zum gleichen Problemkomplex mit einer Identifikation der Ursachen von Losungsunterschieden (vgl. Drumm 1991b, 807-809). Es ist zu vermuten, dass auf diese Weise durch empirische Untersuchung die soziokulturelle und unternehmungskulturelle Basis dieser ProblemlOsungen deutlicher als bisher aufgedeckt werden kann. Auch hier besteht weiterhin Forschungsbedarf. Viertes offenes Problem ist die Exploration situativer Einf1iisse auf das internationale Personalmanagement iiber die bisherigen, bescheidenen Versuche hinaus. Internationales Personalmanagement ergibt sich somit nicht nur als Folge der Internationalisierung vieler Unternehmungen fast aller GrOBenklassen. Es lost als noch vages Funktionsfeld der Personalwirtschaft auch erheblichen Forschungsbedarf aus, der bis heute nicht abgedeckt ist. Uniibersehbar ist schlieBlich, dass die Internationalisierung der Personalwirtschaft von einem professionellerem Umgang mit personalwirtschaftlichen Problemen und ihren Losungen getragen werden muss. Wachters scheinbar etwas betagte Forderung nach mehr Professionalisierung der Personalwirtschaft (vgl. 1987) gilt zumindest auf diesem personalwirtschaftlichen Feld offenbar noch immer.

4.

Personalwirtschaft nod Ethik

4.1. Uberblick Der Stellenwert einer Untemehmungsethik rur die Betriebswirtschaftslehre wird seit der Mitle der 80er Jahre in der deutsch-sprachigen Literatur stărker und durchaus auch kritisch diskutiert (z. B. SteinmannJOppenrieder 1985; Brantl 1985, Kap. 3; Steinmann/Lohr 1987; Lattmann 1988b, 8-11; S~elbach 1988, 40-41; Steinmannl.Uihr 1992a; Hax 1994; Kreikebaum 1996). Parallellăuft eine Diskussion liber Untemehmungsethik in der Wirtschaftspraxis (z. B. Wollert 1988, insbes. 5567; v. Beckerath 1988, insbes. 300-312; Nawroth 1988). Gegenstand beider Diskussionen ist der Inhalt werthaltiger ethischer Normen und deren Wirkung auf untemehmerisches Handeln. Diese Diskussion ist zwar nicht neu. Es hat sie auch schon in den 20er Jahren gegeben. Vor dem Hintergrund von Umweltkatastrophen aufgrund untemehmerischen Fehlverhaltens ist sie in mehreren westlichen Lăndem jedoch emeut aufgeflammt. Femer wird zunehmend zur Kenntnis genommen, dass viele Entscheidungen in Untemehmungen, dem Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre, werthaltig sind und ethischen Normen folgen. die Betriebswirtschaftslehre nach einem auf Max Weber (vgl. 1904, 2526, 37-39) zurUckgehenden Leitbild zwar selbst kein Urteil liber Werthaltungen abzugeben hat, so muss sie Werthaltungen aber sehr wohl als Prămissen untemehmerischen Handelns berucksichtigen. Sie kann dann Konsequenzen werthaltiger Normen fUr okonomisches Handeln aufzeigen. Sie kann dazu bestimmte ethische Normen in die "Wenn"-Komponente ihrer Hypothesen einbauen, in deren "Dann"Komponente bestimmte okonomische Wirkungen dieser Normen behaupten und die gesamten Hypothesen Tests im empirischen Feld unterwerfen. Dieses Leitbild der wertfreien Wissenschaft wirkt in der Betriebswirtschaftslehre bis in die Gegenwart. Eine Aus-einandersetzung mit dem werthaltigen Handeln im Erfahrungsobjekt "Untemeh-mung" wăre allerdings notwendig. Hier liegt offensichtlich ein Metaproblem der Betriebswirtschaftslehre und damit auch der Personalwirtschaftslehre vor. Wăhrend

744 Der Diskussion dieses Metaproblems hat sich die Personalwirtschaftslehre zu stellen. Ihr Hauptproblem ist die Identifikation von ethischen Normen, die neben okonomischen Zielen personalwirtschaftliches Handeln bestimmen konnten. Einen alIgemein verbindlichen Normenkatalog ethischen Handelns von und in Untemehmungen gibt es bisher nicht. Er konnte erstens dogmatisch festgesetzt, zweitens von der Untemehmung und den Adressaten ihres Handelns vereinbart oder drittens in der Untemehmung selbst erarbeitet werden. Die Sozialethik der katholischen und der evangelischen Kirche bietet ein Beispiel fUr dogmatische Festlegung., Ihre Grundprinzipien des personalen Gemeinwohls, der Solidarităt und Subsidiarităt wăren zu opemtionalisieren, wenn eine christliche Verantwortungsethik fUr Untemehmungen inhaltlich Gestalt annehmen solI. Das prozessuale VerstăndigungsmodelI der Diskursethik mit einer fallweisen einvernehmlichen Definition untemehmungsethischer Normen wăre ein Beispiel fUr die zweite Vorgehensweise. Ein untemehmungsintemes Konsensmodell wiirde dem dritten Ansatz genugen. Die Personalwirtschaft der Praxis bietet auf den Funktionsfeldem der Personalplanung, der Personalentwicklung, der Personalfiihrung, der Vergiitung und untemehmerischen Sozialpolitik eine Reihe von Ansatzpunkten zu untemehmungsethisch geprăgtem Handeln. Dass wissenschaftliche Uberlegungen dazu nach jahrzehntelanger Abstinenz der personalwirtschaftlichen Theorie von ethischen Problemen schwierig sind, liegt nalle. Die Auseinandersetzung mit der Untemehmungsethik in der ersten Auflage dieses Buchs im Jahr 1989 fand aus personalwirtschaftlicher Sicht auf Neuland statt. Inzwischen haben sich auch andere (z. B. Steinmaon/Lohr 1992c) zur Ethik in der Personalwirtschaft geăuBert. Ein Widerspruch zwischen Gewinnstreben und Verantwortungsethik existiert dann, wenn der VerstoB gegen verantwortungsethische Normen gewinnsteigemd wirkt. Dies wăre bei - verbotenem - Handel mit Drogen, Waffen oder Menschen der FalI. Der Widerspruch wird jedoch aufgehoben, wenn die Beachtung verantwortungsethischer Normen seitens einer Untemehmung von deren Kunden honoriert wird. Wenn bestimmte verantwortungsethische Normen allgemeine Akzeptanz finden und von einer Untemehmung deshalb auch beachtet werden, so erhOht sich ceteris paribus das akquisitorische Potential dieser ethisch handelnden Untemehmung bei der BeschafIung und dem Halten von Personal: Die verantwortungsethisch handelnde Untemehmung gewinnt nutzbare Reputation hinzu.

745

4.2. Ethische Normen Ethik leitet sich von der griechischen Bezeichnung "ethos" fUr Brauchtum und Sitte ab. Sie kann als die normative Lehre vom guten und richtigen Handeln und Leben definiert werden (vgl. Rich 1987, 15-16). Ausfiillungsbediirftig ist dabei, was unter "gut und richtig" zu ~erstehen ist und welchen Ma6stăben dieses Handeln zu geniigen hat. Bereits ein Grundkonsens iiber gut und richtig erscheint zunăchst als fragwiirdig, weil unterschiedliche Religionen und philosophische Positionen voneinander abweichende Vorstellungen vom guten und richtigen Handeln haben. Auch die biblische "goldene" Regel zur Definition des guten Handelns nach MattMus Kap. 7 Vers 12 (vgl. Spaeman 1982, 89), die mit geringfiigigen Variationen in vielen Kulturkreisen und Religionen verbreitet ist (vgl. Enderle 1988, 132-137), bleibt inoperational: Alles, von dem ihr wollt, dass es die Menschen euch tun, das tot auch ihnen. Ethische Normen als unbedingte Einzelempfehlungen zu gutem und richtigem Handeln sind somit also stets erst inhaltlich zu definieren. Die Forderung nach gutem und richtigem Randeln wăre iiberfliissig, wenn der Mensch von sich aus gut und altruistisch wăre. Dieses Menschenbild ist ofIensichtlich unrealistisch. Lachmann stellt zu Recht fest, dass mao von Menschen auszugehen habe, deren Denken und Handeln grundsatzlich vom Eigeninteresse bestimmt ist, auch wenn sie zu altruistischem Randeln durchaus fahig sind (vgl. 1987, 41). FUr dieses Menschenbild also, das an die eher negativ belegten Menschenbilder von Fiihrungstheorien erinnert (s. Teil III, 3.2.1.), sollen ethische Normen entworfen werden. Dieses negative Menschenbild gilt dann als Prămisse fUr die Kunden, die Lieferanten, die Kreditgeber und -nehmer, die Vertreter des Staats, die Anteilseigner, die Untemehmungsleitung sowie das Personal. Mit einem negativen Menschenbild verkniipft ist die kritisch gemeinte Feststellung, dass eine einzige Person durch Randeln gegen ethische Normen ihren Nutzen maximiert, wenn alle iibrigen Personen diese ethischen Normen beachten (vgl. Rax 1994, 773). Schlie6lich bildet dieses negative Menschenbild auch eine der Grundlagen der Transaktionskostentheorie (s. Teil 1, 1.4.2.). Praktisches ethisches Randeln in und von Untemehmungen hat es immer gegeben, ohne dass sich Randelnde oder auBenstehende Beobachter dessen bewusst sein mussten. Untemehmerisches Handeln geJ.lUill ethischen Normen ist okonomisch dann sinnvoll, wenn durch die Beachtung dieser Normen schădliches Verhalten von und gegeniiber anderen Marktteilnehmem vermieden wird und deshalb Transaktionskosten abgesenkt werden konnen. Die Beachtung ethischer Normen ist oko-

746 nomisch vorteilhaft, wenn sie durch die Markt- und Vertragspartner der Unternehmung honoriert wird. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung der Betriebswirtschaftslehre mit Problemen ethischen Handelns in und von Untemehmungen ist dagegen relativ neu. Sie ist seit ihrem Aufilammen in den USA inzwischen auch auf Europa und dort vor allem auf die Bundesrepublik und die Schweiz ubergesprungen (vgl. v. NellBreuning 1983; SteinmannlOppenrieder 1985; Brantl 1985; De George 1986; Steinmann/Ltihr 1987; Lattmann 1988a; Rebstock 1988; SteinmannILtihr 1992a; Hax 1994). Ziele dieser wissenschaftlichen BemUhungen sind einerseits die Suche nach ethischen Normen fur wirtschaftliches Handeln von und in Untemehmungen und andererseits die Analyse ihrer Wirkungen auf untemehmerische Entscheidungen.

4~3.

Abgrenzuog voo Sozialethik, Wirtschaftsethik uod Unternehmungsethik

An dieser Stelle kann nicht die Entwicklung der Ideengeschichte der Ethik nachgezeichnet werden. Eine Skizze des heutigen Standes muss genugen. Es ist ublich, zWischen deskriptiver und normativer Ethik zu unterscheiden, denen zusătzlich eine Metaethik gegenubergestelIt wird (vgl. Rich 1987, 21-24). Wăhrend die deskriptive Ethik real existierende Normensysteme in ihrem Kontext beschreibt und die Metaethik sich mit sprachkritischen Problemen ethischer Aussagen befasst, macht die normative Ethik vor allem in den Varianten der Prinzipienethik, der Gesinnungsethik und der Verantwortungsethik Aussagen uber Handlungsnormen, uber die innere Motivation zu Handlungen sowie uber deren Folgen. Die Wirtschaftsethik ist formal ein Zweig der Verantwortungsethik. Die Verantwortungsethik greift drei Grundprobleme auf, nămlich das Verhăltnis des Menschen zu sich selbst in seinem Streben nach Selbstverwirklichung, das Verhăltnis zu seinen Mitmenschen und das Verhăltnis zu seiner Umwelt (vgl. Rich 1987, 42-49). Fur die Ltisung der drei Probleme solI der handelnde Mensch Verantwortung ubemehmen. Offenes Problem dabei ist alIerdings, wieweit diese Verantwortung reichen solI. Das Prinzip, dass der Zweck die Mitlel heilige, ist jedenfalls nicht generelI anwendbar, so dass eine fallweise Begrenzung von Verantwortung besser wăre (vgl. Spaemann 1982,65-70). Eine vemunftige Begrenzung wăre diejenige auf die absehbaren Handlungsjolgen zum Zeitpunkt der Planung und Ausfiihrung des Handelns. Was absehbar ist, musste dann durch Konsens des Han-

747 delnden und der von seinen Handlungen betroffenen Menschen objektiviert werden - ein nur im konkreten Einzelfalilosbares, schwieriges Problem. Vor allem das zweite und drltte Problem der Verantwortungsethik gehen nach Rich (1987,65-66) in eine Sozialethik ein. Diese befasst sich mit der Verantwortung des Menschen, die dieser als Teil sozialer Institutionen gegeniiber anderen Mitmenschen sowie gegeniiber seiner Umwelt hat. Die Inhalte der Sozialethik werden in der westlichen Welt sehr stark durch die katholische Soziallehre und die evangelische Sozialethik geprngt. Beide stimmen weitgehend iiberein (vgl. v. Nell-Breuning 1987, 48-49; Ziegler 1988; Pawlas 1991). Die Inhalte der katholischen Soziallehre wurden vor allem durch die păpstlichen Enzykliken "Rerum Novarum" von 1891, "Quadrogesimo Anno" von 1931, "Mater et Magistra" von 1961, "Laborem Exercens" von 1981 und "Centesimus Annus" von 1991 geprăgt (vgl. Drumm 1993b). Die Sozialethik wird zur Wirtschaftsethik, wenn sich die ethischen Verhaltensnormen auf wirtschaftliches Handeln zur Erzeugung und Verwendung knapper Giiter beschrănken (vgl. Rich 1987, 67). Dazu stellt von Nell-Breuning fest, dass das Solidaritătsprinzip den Wettbewerb und damit implizit das Gewinnstreben vemiinftigerweise begrenzt (vgl. 1983, 42-46). Verstăndigung als Ausfluss des Solidarităts­ prinzips diirfte somit in der Wirtschaftspraxis langfristig fUr alle Marktpartner vorteilhafter sein als hemmungsloser Wettbewerb. Nach ihrem Gegenstandsbereich kann man die Wirtschaftsethik in drei Teilbereiche untergliedem (vgl. Kiipper 1988, 322-323, 328): (1) Die Ethik des Wirtschaftssystems mit AIialyse von deren Grundordnung und normativen Empfehlungen zu deren Zielen und Gestaltung. (2) Die Ethik der Wirtschaftspolitik mit Analyse und normativer Ausgestaltung gesamtwirtschaftlicher Ziele. (3) Die Unternehmungsethik mit der Analyse von Normen fUr und deren Wirkungen aufwirtschaftliches Handeln in und von Untemehmungen. Hier interessiert nur die Untemehmungsethik, da gesamtwirtschaftlicheProbleme von der Personalwirtschaftslehre nicht behandelt werden.

748

4.4. Unternehmungsethik als Normenrahmen fiir die Personalwirtschaft 4.4.1. Ziei und Grundprobleme der Unternehmungsethik Die Unternehmungsethik will ein Nonnensystem :fiir die in der Untemehmung tatigen Menschen liefem, das deren Entscheiden und Handeln lenkt. Unterstellt man in Ubertragung einer Idee Lachmanns, dass ein Nonnensystem :fiir ein altruistisches Menschenbild entwickelt wird, so kann dieses System durch egoistisches Handeln sehr verletzt werden. Konstruiert man dagegen ein Nonnensystem :fiir egoistisch und opportunistisch handelnde Menschen, so wird dies bei altruistischem Handeln kaum verletzt (vgl. Lachmann 1987, 41). Auf diese asymmetrische Wirkung von untemehmungsethischen Nonnen sind nicht die Nonnen selbst, sondem ihre Umsetzung in praktische Handlungsanweisungen, in Systeme zur Kontrolle und zur Absicherung gegen Missbrauch durch eigennutziges Handeln auszurichten. Erstes Hauptproblem einer Unternehmungsethik ist die Bestimmung von Inhalten desjenigen Nonnensystems, das die Handlungen von Untemehmungsmitgliedem leiten solI. Zweites Hauptproblem einer Unternehmungsethik ist die Berucksichtigung der drei Prămissen, dass erstens arbeitsteiliges Handeln in Untemehmungen zur Koordination von Entscheidungen direktive Eingri:ffe von Vorgesetzten und damit Fremdbestimmung erfordert, dass zweitens cfas Personal treuhănderisch mit Produktionsfaktoren und Leistungen umgeht, an denen es kein Eigentum hat (vgl. Staffelbach 1988, 44), und dass drittens :fiir Untemehmungen im Wettbewerb des marktwirtschaftlichen Systems das Erwerbsprinzip mit Gewinnstreben gemă6 dem Prinzip vemiinftigen Handelns in der Fonn der Gewinnmaximierung unter Beachtung von Nebenbedingungen gilt.

Zur Losung dieser Probleme ist zu prtifen, wie untemehmungsethische Nonnen generiert werden konnen. Dartiber hinaus ist die Frage nach Inhalten untemehmungsethischer Nonnen und ihrer Kompatibilitat mit dem Gewinnstreben von Untemehmungen sowie mit der Geltung des okonomischen Prinzips zu stellen.

4.4.2. Die Genese unternehmungsethischer Normen Ein erstes Genesemodell konnte man als dogmatisch insofem bezeichnen, als zwei grofie christliche Religionsgemeinschaften verantwortungsethische Grundprinzipien fonnuliert haben und ihren Anhăngem zur Beachtung empfehlen. Die katholische Kirche hat dies in ihrer Soziallehre getan. Die evangelischen Kirchen haben

749 eine Sozialethik entwickelt, die in den wesentlichen Punkten mit der katholischen Soziallehre libereinstimmt. Die inzwischen breit ausgebaute katholische Soziallehre ist in Enzyk1iken festgehalten worden, die sich urspriinglich nur an Katholiken, inzwischen jedoch an alle Menschen guten Willens wenden. Die nachfolgend knapp zu erlautemden Prinzipien der katholischen Soziallehre fordem im Kem ein partnerschaftliches Nebeneinander von Kapital und Arbeit (s. Teil IV, 4.4.3.). Insofem begrenzen sie das von der Betriebswirtschaftslehre akzeptierte Leitbild der Gewinnmaximierung. Dogmatisch formulierte Normen der Verantwortungsethik werfen ein Akzeptanzproblem auf: Ihre Ubemahme durch einzelne Adressaten wie in unserem FalI Untemehmer, Manager oder das Personal und seine Vertretungen ist freiwillig. Die Nichrubemahme und Nichtbeachtung bleibt prinzipiell sanktionslos. Bestenfalls ist ein Konsens vorstellbar, dass bestimmte dogmatisch festgelegte Normen akzeptiert werden sollten und ihre Missachtung durch sozialen Reputationsverlust sanktioniert wird. A1lerings ist die These begriindbar, dass die katholische Soziallehre mit ihrem langjăhrigen deutschen Sprecher Oswald von Nell-Breuning das Denken und die Werthaltungen von Untemehmem, Gewerkschaften, einigen politischen Parteien und nicht zuletzt der Offentlichkeit in Deutsch1and tief beeinflusst hat. Man kann dies indirekt aus der Untersuchung von Kaufmann, Kerber und Zulehner (1986) und den Stellungnahmen von Politikem, Gewerkschaftem und Arbeitgebervertretem zu von Nell-Breunings beginnendem einhundertsten Lebensjahr ablesen (vgl. Klein 1989). Mehr noch: Liest man aufmerksam die letzte Sozialenzyk1ika "Centesimus annus", so bietet sie in ihren verantwortungsethischen Forderungen fast ein Portrat der Bundesrepublik Deutsch1and. In Deutsch1and scheint das Akzeptanzproblem der Soziallehre gelost zu sein. Auffa1lig ist allerdings, dass Kenntnis und Akzeptanz der Soziallehre in den letzten Jahren immer stărker zu schwinden scheinen. Ein zweites Genesemodell baut auf der These auf, dass verantwortungsethische Normen von Untemehmungen mit den Adressaten ihres Handelns so vereinbart werden, dass die Aufienwirkungen untemehmerischer Entscheidungen auf den Mărkten der Untemehmung konsensflihig werden. Oberlegungen zur Akzeptanzsicherung ethischer Normen lenken deshalb die Aufmerksamkeit auf ein Dialogoder Verhandlungsmodell, das Steinmann und Oppenrieder in AnIehnung an die Diskursethik von Habermas induktiv aus dem "Nestle-Fall" ersch10ssen haben (vgl. 1985, 172-173; vgl. auch Steinmaon/Lohr 1992a, 67-77): Untemehmungsethische Normen werden zwischen der Untemehmung und Vertretem der von ihrem Handeln betroffenen Gruppen vereinbart oder· mao verstăndigt sich liber die Geltung

750 bestiIIlIllter verhaltensbindender Nonnen, soweit diese nicht bereits ihren Niederschlag in Rechtsnonnen gefunden haben. Dieses Prozessmode11 miindet in eine Definition, die die Inhalte untemehmungsethischer Nonnen vallig ausklammert (vgl. SteinmannlOppen- rieder 1985, 174). Diese Definition ist spăter von Steinmann und Lahr (1988, 310) geringfiigig modifiziert worden: "Untemehmensethik umfasst alle durch dialogische Verstăndigung mit den Betroffenen begriindeten bzw. begriindbaren materialen und prozessualen Nonnen, die von einer Untemehmung zum Zwecke der Selbstbindung verbindlich in Kraft gesetzt werden, um die konf1iktrelevanten AusWirkungen des Gewinnprinzips bei der Steuerung der Unternehmensaktivităten zu begrenzen". Mit einer solchen Definition wird nicht gesagt, was Untemehmungsethik ist oder Sein sol1, sondem wie sie im Einzelfall gewonnen wird und wie sie zu wirken hat. Ihre wichtigste, wenn nicht sogar einzige Funktion sehen Steinmann, Oppenrieder sowie Lahr in der Begrenzung des Prinzips der Gewinnmaximierung. Den organisatorischen Rahmen kannten Ethik-Kommissionen liefem, die sich liber verantwortungsethische Nonnen verstăndigen mlissten. Das Mode11 der Diskursethik sichert im Prinzip die Akzeptanz der vereinbarten verantwortungsethischen Nonnen. Die Ausdehnung des Mode11s auf personalwirtschaftliche Probleme wiirde bedeuten, dass der Kreis der Adressaten wenigstens aus Anteilseignern, Untemehmungsleitung, den sonstigen Trăgem der Personalwirtschaft (s. Teil 1, 2.4.), dem Personal selbst und seinen Vertretem (Betrlebsrat, Sprecherausschuss, Gewerkschaft) bestehen mfisste. Im Hinblick auf Mitbestimmungsund Tarifprobleme wăre dies kein institutiolle11es Novum (s. Teil 1;- 3.3.-3.4.). Hinzu kămen neu lediglich die Inhalte, nămlich Verhandlungen liber verantwortungsethische Inhalte. Genere11e, untemehmungslibergreifende Nonnen sind von diesem Mode11 aber nur .dann zu erwarten, wenn die gefundenen Nonnen publik gemacht werden und Nachahmer finden. AuBerdem birgt das Mode11 - wie alle Verhandlungsmodelle die Gefahr, dass die Akteure taktisch argumentieren, um ihren eigenen Nutzen zu erhOhen (vgl. Hax 1994, 771). Die Auswahl der Akteure und die Durchsetzung der vereinbarten Nonnen wăren zusătzliche Probleme, fUr die eskeine genere11 akzeptablen Lasungen gibt. Ein drittes Genesemodell ist von Staffelbach ins Gesprăch gebracht worden (vgl. 1994, 301-346). Es greift eine Reihe von Teilvorschlăgen aus der Literatur aufund enthălt in seinem Kem ein Verhandlungs- und Konsensmodell wie das diskurs-

751 ethisch geprăgte zweite Genesemodell auch. Es ist untemehmungsspezifisch gestaltbar (vgl. 1994, 313-314). Staffelbach sch1ăgt allerdings eine Reihe vonformalen Beschrankungen des Diskurses vor, um sein Modell praktisch handhabbar zu machen (vgl. 1994,317-318,321-325): - Der Diskurs wir auf Vertreter der Betroffenen beschrănkt. Der Diskurs wird zeitlich limitiert und durch formale Abstimmungen abge-

-

sch1ossen. Der Diskurs sollte sich auf tatsăch1ich existierende wichtige Konflikte beschrăn­ ken. Fiir jeden einzelnen der Betroffenen muss das grundsătzliche Recht zur Beteiligung am Diskurs erhalten bleiben. Diskursergebnisse miissen anfechtbar sein. Der Einbezug von Beratem in den Diskurs muss zulăssig und moglich sein.

Zur organisatorischen Umsetzung des Modells macht Staffelbach einige Vorsch1ăge. Sie regeln im Wesentlichen Fragen der Kompetenzverteilung (vgl. 1994, 327-335): - Es konnen spezialisierte Stellen mit Beratungs-, Vorsch1ags- und Sch1ichtungsfunktion eingerichtet werden oder die Unternehmung scham spezialisierte Abteilungen mit ăhnlichen Aufgaben. Es werden Ethik-Kommissionen gebildet, die den Diskurs liber untemehmungsethische Normen fiihren, beratend tătig werden oder in Konflikte um untemehmungsethische Normen kanalisierend eingreifen. Das Modell kann fUr sich den Vorzug untemehmungsspezifischer Losungen beanspruchen. Es hat aber - wie das zweite Genesemodell auch - den Nachteil, dass die Inhalte der untemehmungsethischen Normen ex ante unbestimmt sind. Sie hăngen im Wesentlichen davon ab, welche verantwortungsethischen Normen die Akteure des Normenfindungsprozesses bereits mitbringen und mit welcher Intensităt sie ihre eigenen Normen akzeptieren. Dariiber hinaus gelten alle Einwănde gegen das zweite Genesemodell zusătzlich auch gegen das dritte Modell. Welches der drei Modelle gewăh1t wird, enthălt seinerseits ein Werturteil liber die subjektive Bedeutung eigener und ausgehandelter Normen im Vergleich zu Normen etwa der katholischen Soziallehre. Unubersehbar ist jedoch auch, dass das zweite und dritte Modell zur Ausfiillung und Interpretation der Normen aus dem ersten Modell genutzt werden kann. Das zweite und dritte Modell sind im Licht des Urteils allerdings dann vorziehenswert, wenn die ausgehandelten Normen den selbst prăferierten Normen angenăhert werden sollen.

752 4.4.3.

AusgewăhIte

Normen fUr personalwirtschaftliches Handeln

Wegen ihrer weitreichenden Bedeutung und Geltung sollen zunăchst die drei Prinzipien der katholischen Soziallehre und die aus ihnen in "Centesimus annus" abgeleiteten wichtigsten Einzelnormen behandelt werden. Zwei in der betriebswirtschaftlichen Literatur betonte andere Normen werden anschlieBend beispielhaft vorgestellt. Die drei Grundprinzipien der katholischen Soziallehre sind in den Enzykliken "Quadrogesimo Anno" von 1931 und ihren Nachfolgerinnen bis "Centesimus annus" von 1991 formuliert worden (vgl. von Nell-Breuning 1967a; 1967b; 1983; 1987; Drumrn 1993b): (1) Das personale Prinzip betont die Wiirde des Menschen und ist auf den einzelnen Menschen ausgerichtet. Es verpflichtet ihn zur Entfaltung seiner Făhig­ keiten und richtet einerseits das Individuum als Mitmensch auf das gemeinsame Wohl al1er seiner Mitmenschen aus; andererseits schlieBt das Gemeinwohl das eigene Wohl eines jeden Einzelnen ein. (2) Das Solidaritiitsprinzip fordert Raftung und Verantwortlichkeit des Individuums fur die Gemeinschaft. Jeder Einzelne ist fur das Wohl des Ganzen und fur das Versagenjedes Anderen verantwortlich. (3) Das Subsidiaritiitsprinzip legt im Rahmen des Solidaritatsprinzips die Verantwortungskompetenzen fest: Jeder und analog jede Gruppe ist nur sich se1bst verantwortlich. Ubergeordnete Einrichtungen greifen nur bei Verantwortungsdefiziten mit Rilfe zur Selbsthilfe ein. Das zweite Prinzip folgt aus dem ersten Prinzip, wăhrend das dritte das zweite Prinzip prăzisiert. Das Solidaritatsprinzip hat seinen Niederschlag in zahlreichen Formen kollektiver wirtschaftlicher Absicherung sowie im Genossenschaftswesen gefunden (vgl. Lachmann 1987, 128-130). Eigenverantwortung und Se1bstverwirklichung werden aufgrund der drei Prinzipien somit ergănzt durch die Verantwortung fur die Selbstverwirklichung Dritter. Das in der Enzyklika des Papstes Pius XI "Quadrogesimo Anno" 1931 erstmals formulierte Subsidiaritatsprinzip mit seiner Untersrutzung von eigenverantwortlichem Rande1n und Selbstbestimmung steht somit im Widerspruch zu allen Versuchen zentraler Lenkung und Fremdbestimmung. Die drei Prinzipien bedingen sich also insofem gegenseitig, als der Mensch seine Făhigkeiten zum eigenen Nutzen und zum Nutzen anderer maximal entfalten solI, um anderen Menschen helfen zu konnen. Gleichzeitig solI diese Rilfe aber auf Hilfe zur Selbsthilfe begrenzt werden.

753 Man erkennt rasch, dass diese drei Prinzipien im Gegensatz zum Prinzip der Gewinnmaximierung stehen. Wăhrend die katholische Soziallehre dies lange nicht sehen konnte oder wolIte, hat sie in "Centesimus annus" erstmals den Gewinn gleichberechtigt neben das Prinzip sozialer Verantwortung gestelIt: Ein Schritt hin zu mehrfacher Zielsetzung und Realitatsnâhe, wie sie Betriebswirten vertraut sind (vgl. Drumm 1993b, 27-29). Auch das der Soziallehre zugrunde liegende Menschenbild ist seit "Centesimus annus" realistischer geworden, weil es dem Menschen nicht mehr nur positive, sondem auch negative Eigenschaften zuschreibt. Aus den drei Grundprinzipien werden in "Centesimus annus" einige Normen von unmittelbarer personalwirtschaftlicher Relevanz abgeleitet (vgl. Drumm 1993b, 2931): - Mit freigesetztem Personal solI Solidaritat geubt werden. Sonntagsarbeit wird in allen Enzykliken abgelehnt. Personalentwicklung wird zwingend gefordert und mit der Forderung nach entwicklungsf6rdemden Arbeitsbedingungen verknupft, um die Mitarbeiter zur Selbstverantwortung zu erziehen. Selbstverantwortung wird zum ZieI der Mitarbeiterfiihrung und damit implizit zum Gegenstand von Erziehungsprozessen durch Vorgesetzte. - Die Vergfitung muss den Lebensunterhalt sichem - also einen garantierten Mindestlohn enthalten - und leistungsgerecht sein. - Die Mitarbeiter mfissen zur Stfitzung ihrer Entwicklung zur Selbstverantwortlichkeit am Vermogen der Untemehmung beteiligt werden. Diese Normen sind in den Untemehmungen der Bundesrepublik Deutschland bereits in vielen Flillen praktisch umgesetzt worden. Darfiber hinaus sind aber auch andere Normen formuliert worden, die untemehmungsethische Relevanz und steuemde Wirkung fUr die Personalwirtschaft in der Praxis haben konnten. Kupper formuliert fur Untemehmungen als ubergeordnetes ethisches Prinzip das der Wahrhaftigkeit und nennt als Ausf1uss dieses Prinzips das Liquiditatsziel von Untemehmungen (1988, 329). Auch wenn das Liquiditatsprinzip fUr Untemehmungen sicherlich gilt, so ist das Prinzip der Wahrhaftigkeit mit strategischem Verhalten von Untemehmungen auBer im FalI der strategischen Ankiindigung (s. Teil IV, l.5.2.l.) als Ausf1uss des Prinzips der Gewinnmaximierung nicht vereinbar. Hier heiligt eben doch der Zweck der Gewinnmaximierung die Mittel der Information uber eigene Handlungsabsichten: Man solIte zwar nicht lugen, muss aber auch nicht die vollstândige Wahrheit sagen.

754 "Vertrauen schaffen und bewahren" konnte in Fort:fiihrung des Prinzips der Wahrhaftigkeit als untemehmungsethisches Prinzip formuliert und Untemehmungen aller Branchen zur Ubemahme vorgeschlagen werden. Vertrauen, bei Banken hoch gehandelt, mfisste gegeniiber all~n Geschiiftspartnem inhaltlich so ausgefiillt werden, dass eine Vertrauen geniefiende Unteme~ung nicht gegen die lnteressen ihrer Geschiiftspartner handelt und sich an einmal getroffene Abmachungen hăIt. Als untemehmungsethisches Prinzip wiirde "Vertrauen" auch noch dazu beitragen, Transaktionskosten abzubauen (s. Teil 1, 1.4.2.), die durch die gegenseitige Kontrolle von Geschiiftspartnem nach Abschluss eines Vertrages ausgelost werden. Als ethisches Prinzip kann "Vertrauen" eine Untemehmung allerdings dazu veranlassen, kurzfristig gegen ihre eigenen lnteressen zu handeln. Ein opportunistischer Verstofi gegen dieses Prinzip der Untemehmungsethik ist daher wahrscheinlich und zerstort Vertrauen. Die Gefahr eines solchen Vertrauensbruchs ist der Anlass fiir die Konstruktion von Anreizsystemen als Transaktion und damit das Entstehen von Transaktionskosten: Vertrauen bedarf der Absicherung gegen Missbrauch (vgl. Hax 1994, 774). Ein Beispiel kann dies zeigen: Eine bayerische Bank hatte.zur Scha:ffimg von Corporate ldentity und zur Betonung ihrer untemehmungsethischen Grundposition mit der Aussage geworben: "Die Bank, die Ihr Vertrauen verdient". Von Mitarbeitem wurde in Kenntnis der Geschăftspraktiken diese Aussage verăn­ dert zu: "Die Bank, die an Ihrem Vertrauen verdient" (vgl. Riittinger 1986). Das Fazit ist eher unbefriedigend. Ethische Normen, wie sie z. B. im Grundgesetz der Bundesrepublik formuliert worden sind, gelten fiir alle und sind deshalb nicht mehr zusătz1ich Bestandteile einer Untemehmungsethik. Die Normen der katholischen Soziallehre - und ăhnlich diejenigen der evangelischen Sozialethik - st06en wie alle dogmatisch formulierten Normen auf ein Akzeptanzproblem. Dieses ist nur in der Bundesrepublik relativ gering, weil diese Normen das Handeln von Gewerkschaften und Untemehmerverbănden seit der Griindung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1947 geprăgt haben. Sonstige untemehmungsethische Normen mit generellem Anspruch sind nur schwer zu identi:fizieren. Untemehmungen konnen daher nur unter Nutzung eines der Genesemodelle fiir sie giiltige verantwortungsethische Normen suchen, falls sie das als vorteilhaft fiir sich ansehen. Unabhăngig vom Inhalt der ausgewăhlten Normen gilt dann jedoch fiir die Untemehmungsleitung, dass sie die von ihr akzeptierten und praktizierten verantwortungsethischen Normen nach innen gegeniiber dem Personal und nach auBen gegeniiber den Marktpartnem begranden muss. Das grofite offene Problem bleibt jedoch die

praktische Umsetzung offiziell akzeptierter verantwor-

755 jedoch die praktische Umsetzung offiziell akzeptierter verantwortungsethischer Normen.

4.4.4. Die Funktion verantwortungsethischer Normen fiir die Personalwirtschaftslehre . Es entspricht dem Selbstverstăndnis der Betriebswirtschaftslehre in der Tradition von Max Weber, selbst keine werthaltigen Verhaltensnormen zur Befolgung zu empfehlen. Das gilt auch fUr die Personalwirtschaftslehre als wissenscha:ftliches Fach. Verantwortungsethische Normen mlissen nur dann explizit als Prămissen von Theorien aufgenommen werden, wenn sie das Handeln von Managem im Erfahrungsobjekt "Untemehmung" bestimmen. Ist dies der FalI, so mlissen verantwortungsethische Normen auch in die "Wenn"-Komponente theoretisch begriindeter personalwirtschaftlicher Handlungsempfehlungen aufgenommen werden. FUr die personalwirtschajtliche Forschung bedeutet dies allerdings, dass bei der Untersuchung des Erfahrungsobjekts "Untemehmung" auch aufgedeckt werden muss, welche verantwortungsethischen Normen das Handeln von Personalmana. gem prngen oder geprngt haben. Dieser Weg ist aber in der empirischen Forschung bisher nicht beschritten worden (vgl. Drumm 1993a, insbes. 700-702). Deshalb sind die Uberlegungen im năchsten Abschnitt 4.5. nicht theorieuntermauert. Sie stellen lediglich eine hypothetische Analyse von Wirkungen dar, die bei Akzeptanz insbesondere der katholischen Soziallehre fUr personalwirtscha:ftliches Handeln in Untemehmungen zu erwarten sind. Wer trotz aller zuvor erlăuterten Einschrăn­ kungen als personalwirtschaftlicher Wissenscha:ftler verantwortungsethische Normen empfehlen mochte, muss seine Wertebasis explizit auJdecken. So halten etwa wir selbst die katholische Soziallehre fUr eine attraktive Quelle verantwortungsethischer Normen.

4.5. Ansatzpunkte ffir ethisches Handeln auf personalwirtschaftlichen Funktionsfeldern 4.5.1. Unternehmungs- nnd personalpolitische Grundsătze

Unternehmungspolitische GrundsCitze machen werthaltige Aussagen liber Grundannahmen des

Selbstverstăndnisses

der Untemehmung, liber die wichtigsten Unter-

nehmungsziele, liber Leitlinien des Handelns in Verfolgung der eigenen Ziele, liber

756 die Behandlung von Marktpartnem sowie liber die Beziehungen zur Gesellschaft und zur Umwelt. Der Katalog dieser Gegenstande der Unternehmungspolitik kann im Einzelfall unterschiedlich umfangreich sein. Personalpolitische Grundsatze sind Teil untemehmungspolitischer Grundsatze. Sie machen werthaltige Aussagen liber den Umgang der Untemehmung mit ihrem Personal; von Eckardstein und Schnellinger erganzen den Gegenstand der Personalpolitik sinnvollerweise noch um die Beziehungen des Personals untereinander sowie um die Beziehungen zwischen dem Personal und seiner Arbeit (vgl. 1978, 2). Ansatzpunkte far ethisches Handeln bieten sowohl untemehmungs- als auch personalpolitische Grundsatze, wenn die in ihnen verankerten Werthaltungen mit libergeordneten ethischen Normen im Eink1ang stehen. Dies gilt im Ubrigen auch analog fUr Flihrungsgrundsatze (s. Teil III, 4.4.). Man kann die Notwendigkeit der Beachtung ethischer Normen in Grundstitzen der Unternehmungs- und vor allem der Personalpolitik damit begriinden, dass in Untemehmungen liber die Lebenschancen der einzelnen Mitarbeiter entschieden wird, fUr die die Untemehmung dann Verantwortung tragt (ăhnl. Ruh 1988, 81-82). Denkbar ist in unternehmungspolitischen Grundsatzen, z. B. eine Begrenzung der Gewinnmaximierung durch freiwilligen Ausschluss bestimmter Arten von Geschaften und durch freiwillige Begrenzung der Werbung fur bestimmte Produkte oder Dienstleistungen. Moglich ist auch die Betonung des Prinzips von Leistung und Gegenleistung, die einander zu entsprechen haben (vgl. BMW AG, Bonfig et al. 1985) und so dem Subsidiaritătsprinzip Rechnung tragen. Bei personalpolitischen Grundsatzen auf der Grundlage der Normen katholischer und evangelischer Sozialethik konnte das Fiirsorgeprinzip als Ausfluss der Verantwortung fur das Personal ebenso genannt werden, wie der Respekt vor der Einzelperson und ihren Werten und vor der Selbstverantwortung und Selbstăndigkeit des einzelnen Mitarbeiters als Ausfluss des Subsidiaritătsprinzips. Das personale Prinzip kOnnte zur Formulierung des Grundsatzes genutzt werden, dass jeder Mitarbeiter zu selbstverantwort1ichem Handeln angehalten und gegebenenfalls auch erzogen wird. Praktiziert wird auch eine Ausrichtung personalpolitischer Grundsatze an Werthaltungen, die das Personal aus dem sozialen Umfeld der Untemehmung mitbringt (vgl. Wollert 1988, 31-43). Die Untemehmung reagiert dadurch aufethische Normen ihres Personals, auch wenn gegen deren plebiszitare Ermittlung Bedenken erhoben werden konnen. Letztlich kommt es darauf an, welche ethischen Normen Eigentiimer und Leitung einer Untemehmung fUr sich als verbindlich ansehen und praktizieren. Die Akzep-

757 tanz ethischer Normen durch Eigenrumer und Leitung der Untemehmung ist Voraussetzung dafiir, dass diese ethischen Normen in personalpolitische Grundsătze eingehen. Sie steuem dann als Orientierungsrahmen vorrangig die Auswahl und das Gewicht sozialer Ziele der Untemehmung. Dass personalpolitische Grundsătze allerdings nicht die Funktion von GesetzesmaJlstăben haben konnen, wurde auch in der Praxis erkannt (vgl. BMW AG, Bonfig et al. 1985). Die Grundproblematik aller personalpolitischen Grundslitze bleibt allerdings, 11ch wie bei FUhrungsgrundsătzen (s. Teil III, 4.4.), ungelost:

ăhn-

(1) Die Formulierung der Grundsătze muss allgemein bleiben und wirft daher Subsumtionsprobleme auf, wenn konkretes Handeln mit allgemeinen Grundsătzen abgestimmt werden solI. (2) Aufgrund der Subsumtionsprobleme ist ein Verst06 gegen selbst auferlegte ethische Normen im Einzelfall nicht immer nachweisbar. (3) Versto6e gegen ethische Normen in personalpolitischen Grundsătzen bleiben zunăchst sanktionslos, da keine Gegenmacht in der UntemehmungsveIfassung - auch.nicht der Betriebsrat oder der Sprecherausschuss - formale Sanktionspotentiale besitzen. Auf Versto6e kann allenfalls der einzelne Mitarbeiter dadurch reagieren, dass er kiindigt oder bei emsthaften Versto6en die Unternehmung verklagt. (4) Ein letztes Problem besteht darin, dass ethische Normen und Konkurrenzdruck auf dem Absatzmarkt sich gegenseitig beschrănken, so dass die Unternehmungsleitung sich gezwungen sehen kann, gegen ihre eigenen Grundsătze zu verst06en, wenn ihr dies das Uberleben erleichtert oder sogar ermoglicht (vgl. Ruh 1988,91). Eine solche Situation wird moglich, wenn konkurrierende Untemehmungen die Notlage einer Untemehmung auszunutzen versuchen, damit selbst gegen die sozialethische Norm der Solidarităt verst06en und durch diesen Verst06 die notleidende Untemehmung zum Verst06 gegen ethisch geprăgte Grundsătze zwingen.

4.5.2. Personalplanung Es falIt schwer, sich vorzustellen, dass ethische Normen die Planung von Personalbedarf und -bestand prăgen. PersonalbedaIf und -bestand werfen erst dann unternehmungsethische Fragen auf, wenn die mit ihnen verkniipfte Stellenplanung in die Struktur der Aufbauorganisation einbezogen wird und dabei eine Kompetenzzuweisung z. B. gemă6 dem Subsidiaritătsprinzip geplant und implementiert wird

758 (vgl. auch Rebstock 1988, 147-153). Hier ware bei der Stellenbildung gemă6 dem personalen und dem Subsidiaritătsprinzip daran zu denken, den einzelnen Stellen moglichst grofie Autonomie und Entscheidungskompetenz einzurăumen. Auf den Planungsfeldern der Personalbeschaffung, -jreisetzung und -entwicklung lassen sich dagegen zahlreiche Ansatzpunkte :fiir Handeln gemă6 ethischen Normen finden. Wie schon zuvor gilt aber auch hier, dass die Beachtung ethischer Nonnen bei der Personalplanung und ihrer Umsetzung durch scharfen Konkurrenzdruck auf Absatz- oder Beschaffungsmarkten und durch sch1echte Ertragslage unterbunden werden kann. Der Zweck des Uberlebens heiligt dann auch hier die Mittel der Beschaffung, Entwicklung oder Freisetzung von Personal. Da die Beachtung ethischer Nonnen bei der Personalplanung im Widerspruch zum Prinzip der Gewinnmaximierung stehen kann, sind Gewinnverzichte aus ethischen GIiinden umso leichter vorstellbar und in Kauf zu nehmen, je besser die Ertragslage ist. Eine gute Ertragslage ist - so paradox dies auf den ersten Blick klingt - somit eine ncltwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung:fiir ethisch gelenktes Handeln bei der Personalplanung und ihrer praktischen Umsetzung. Im Folgenden wird wieder exemplarisch auf die drei christlichen Grundprinzipien der Sozialethik zurUckgegriffen. Bei der Personalbeschaffung verstofien unter den Beschaffungsstrategien (s. Teil II, 5.3.) z. B. Head-Hunting, das Abwerben ganzer Abteilungen oder der Ankauf von Untemehmungen nur, um an qualifiziertes Personal heranzukommen, gegen das Solidaritătsprinzip. Andererseits kann untemehmungsinteme Beschaffung in Verbindung mit einer Closed-shop-Strategie (S. Teil IV, 1.5.2.2.) als kompatibel mit dem Solidaritătsprinzip gesehen werden. Gemessen an okonomischen Zielen macht Head-Hunting allerdings bei angespanntem Arbeitsmarkt Sinn, wiihrend die Closed-shop-Strategie bei entspanntem Arbeitsmarkt negative Zielbeitrlige liefem kann. Die Personaljreisetzung stofit auf ethische Nonnen bei der Selektion von Mitarbeitem, die entlassen werden sollen. Dies wird besonders deutlich, wenn es sich um liltere Arbeitnehmer, hochgradige Spezialisten oder gering qualifiziertes Personal handelt. Mit der Entlassungsentscheidung wird das Leben dieser Menschen vor allem dann erheblich verlindert, wenn sie keine oder keine angemessene Wiederbeschăftigung finden: Das Solidaritătsprinzip wird verletzt. Lediglich die Variante der AusgIiindung ist als Strategie zu werten, die mit Solidarităts- und Subsidiaritătsprinzip im Eink1ang steht. Man kann allerdings auch argumentieren, dass gerade durch die Entlassung das Solidaritătsprinzip beachtet wird - nli.rnlich :fiir das in

759 der Untemehmung verbleibende Personal, dessen Weiterbeschliftigungschancen dadurch ceteris paribus verbessert werden. Im Prinzip fordert jedoch das Solidaritatsprinzip Rilfe fiir die freigesetzten Personen bei der Umsetzung oder bei der Plazierung auf dem Arbeitsmarkt. Ansatzpunkt fUr ethisches Randeln bei der Personalfreisetzung sind die Ausgestaltung der Sozialplăne (s. Teil II, 4.3.4.) und dieAusgestaltung unternehmungsinterner Verwendungsstrategien fiir freigesetztes Personal. Wenn die grundsiitzlich gewinnmindemden Sozialplanleistungen dem versetzten oder entlassenen Personal Uberleben und Wiedereingliederung in einen Beruf oder einen Arbeitsplatz erleichtem, so entspricht dies ebenso dem Solidaritatsprinzip wie eine Weiterverwendung freigesetzten Personals an anderer Stelle in der Untemehmung. Dass der Freiraum fUr ethisch gelenktes Planen und Randeln bei der Freisetzung sich proportional zur Ertragslage der Untemehmung iindert, muss abschlieBend nochmals betont werden.

4.5.3. PersonaIentwicklung Die drei Prinzipien der katholischen Soziallehre fordem durch das Gebot der Ent·faltung personlicher Fiihigkeiten und das Gebot der Rilfe bei der Entfaltung geradezu zwingend eine permanente Personalentwicklung durch Untemehmungen (vgl. Drumrn 1993b, 29). Der Ausbau von Kenntnissen und Fiihigkeiten allein geniigtjedoch nicht. Er muss durch interessantere Gestaltung der Arbeit ergănzt werden. Ebenso ist vorstellbar, dass Karriereplăne als Mittel der Personalentwicklung eingesetzt werden. Alle MaBnahmen miissten dem Leitbild des selbstverantwortlichen und fahigen Mitarbeiters geniigen, das auch der Konzeption der Selbstfuhrung zugrunde liegt (s. Teil III, 5.3.). Es wiire verfehlt, in dem vor allem von Centesimus annus formulierten Grundsatz der Entwicklung von Personallediglich einen Ansatz zu dessen Fremdbestimmung zu sehen. Das Subsidiaritatsprinzip wirkt bier begrenzend und fordert Eigeninitiative von jedem Mitarbeiter bei der Planung seiner personlichen Entwicklung. Der Untemehmung wird dann in erster Linie die Aufgabe der Untersrutzung von personlicher Entwicklung zugewiesen - einfast revolutionărer Gedanke. Er findet seine erste Grenze in der Existenz zeitlich und materiell begrenzter Ressourcen fiir die Personalentwicklung: Entwicklung gegen die Ziele der Untemehmung wiirde die Vergeudung knapper Ressourcen bedeuten und dem Rationalprinzip wie auch dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip entgegenstehen. Er findet seine zweite Grenze

760 dann, wenn Făhigkeitspotentiale und Motivation zur Entwieklung bei einzelnen Mitarbeitem fehlen oder nur sehwaeh ausgeprngt sind.

4.5.4. Personalfiihrung Die bier behandelten Theorien der Filhrung (s. Teil m, 3.) bieten mit einer Ausnahme keine Ansatzpunkte fUr ethisehgelenktes Handeln, da sie Werthaltungen ausgrenzen. Lediglieh im Prozessmodell der Filhrung (s. Teil m, 3.4.8.) lassen sieh aueh Werthaltungen einbauen. Unter den Filhrungskonzeptionen (s. Teil m, 4.) :tindet man dagegen eine Reihe von Ansatzpunkten fUr ein Handeln naeh ethisehen Normen wie z. B. denjenigen der ehristliehen Sozialethik. Es sind dies Wahl und Ausgestaltung der Fiihrungskonzeption, Inhalte der Fiihrungsgrundsătze sowie Wahl, Ausgestaltung und Einsatz von Fiihrungsinstrumenten. Die Individualisierung der Fiihrung (s. Teil m, 5.) kann von ethisehen Normen geprăgt werden, wenn sie sieh von einer personenspezifisehen Lenkung des Mitarbeiters dureh den Vorgesetzten zu einer Fiihrung dureh personenspezifisehe Aufgabendelegation mit Selbstverantwortung des Mitarbeiters versebiebt. Individualisierte Fiihrung kann femer dadureh eine untemehmungsethisehe Prngung erhalten, dass sie Werthaltungen von Vorgesetzten und Mitarbeitem als situative Variablen beriieksiehtigt. Fiihrung so, dass die Făhigkeit zur Selbstverantwortung gesteigert wird, wiirde im Ubrigen dem personalen und dem Subsidiaritătsprinzip entspreehen. Die Konzeption der Selbstfiihrung folgt dieser Idee (s. Teil m, 5.3.). Bei den Filhrungskonzeptionen bestehen die folgenden vier Ansatzpunkte filr eine Ausgestaltung gemap den drei Prinzipien der katholischen Soziallehre: (1)

Sehulung von Vorgesetzten gemă6 ethisehen Normen, die Eigentiimer und Untemehmungsleitung akzeptieren, (2) Formulierung von ethiseh geprăgten Verhaltens- und Fiihrungsgrundsătzen (z. B. BMW AG, Bon:fig et al. 1985), (3) Auswahl von Fiihrungskonzeptionen mit weitgehender Selbstverantwortung des Mitarbeiters - und damit einem Minimum an Fiihrung dureh Vorgesetzte, (4) Auswahl von Fiihrungsinstrumenten, die mit dem Subsidiaritătsprinzip im Eink1ang stehen.

Letzterem genfigen vor allem die Management-by-Teehniken des MbO und MbE (s. Teil m, 4.5.2.). Aueh das Mitarbeitergesprneh kann als Fiihrungsinstrument

761 gemiill diesem Prinzip eingesetzt werden, wenn es nicht in direktiver Form, sondem im mitarbeiterzentrierten Dialog gefiihrt wird (s. Teil l, 5.4.2.7.). Probleme wirft eine an ethischen Normen ausgerichtete Personalfiihrung allerdings dann auf, wenn die betroffenen Mitarbeiter die von Eigentiimem und Untemehmungsleitung akzeptierten untemehmungsethischen Normen nicht teilen und sich diese Normen auch nicht zu Eigen machen wollen. Dieser Konflikt ist insofem absehbar, als es allgemein verbindliche ethische Normen nicht gibt. Femer muss hervorgehoben werden, dass ethisch geprăgte Personalfiihrung gemiill z. B. den Prinzipien christlicher Sozialethik Selbstverantwortung nur innerhalb der individuellen Kenntnis- und Făhigkeitsgrertzen des einzelnen Mitarbeiters einraumen darf, um Schaden:fiir die Untemehmung zu vermeiden. Ein Verst06 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Mitarbeiter wăre die zwingende Folge.

4.5.5. Vergiitung und Sozialpolitik Die Vergutung bietet nur wenige Ansatzpunkte :fiir eine untemehmungsethische Prăgung. Garantierte Mindestlohne und Ăquivalenz von Anforderungen, Leistungen und Leistungslohnhohe wăren zwar zu nennen. Sie sind aber lăngst tarifvertraglich fixierte Bestandteile der Vergiitungssysteme (s. Teil III, 6.3.). Wenn Soziallohne nicht, wie hier zuvor angenommen (s. Teil III, 6.5.), akquisitorisch eingesetzt werden, um qualifiziertes Personal :fiir eine langfristige Gewinnmaximierung halten zu konnen, bieten sich Ansatzpunkte :fiir deren untemehmungsethisch geprăgte Ausgestaltung. SoziallOhne miissten dann ausschlie6lich zur Verbesserung der Lebenschancen des Personals gezahlt werden. Dies gilt analog :fiir eine Sozialpolitik der Untemehmung mit dem Schwerpunkt der Vermogensbeteiligung von Mitarbeitem ohne deren oder mit deren Selbstbeteiligung. Auch eine Erjolgsbeteiligung mit Erfolgsverteilung nach Kopfen wăre hier zu nennen. Andere Felder betrieblicher Sozialpolitik wie die Bereitstellung von vergiinstigten Wohnungen, Ferienplătzen, Krankenversorgung, Sozialhelfem, Altershilfe oder Kindergărten sowie die Unterstiitzung von Freizeitaktivităten und die Schaffung oder Subventionierung eines Kulturangebots konnen auf sozialethische Grundsătze der Fiirsorge als Ausfluss des Solidaritătsprinzips zurUckfiihrbar sein. Sozialpolitik der Untemehmung ist dann der Ausgleich fUr Benachteiligungen und Schăden, die die Untemehmungspolitik im Leben des einzelnen Mitarbeiters verursacht hat. Solche Schăden bestehen in der Beschneidung von Lebenschancen des Mitarbeiters dadurch, dass ihm durch die Beschiiftigung andere Moglichkeiten der

762 Selbstverwirklichung vorenthalten werden. Da Sozialpolitik aber auch als Mittel der Personalakquisition eingesetzt werden kann, ist als Synthese jedoch vertretbar, dass untemehmungsethische Nonnen mit dem ZieI einer Verbesserung der Lebenschancen des Personals durchaus zu einer Sozialpolitik der Untemehmung zu fiihren vennogen, die zusatzlich akquisitorische Wirkungen hat. Eine solche Sozialpolitik miisste allerdings auch dann fortgefiihrt werden, wenn die Untemehmung auf akquisitorische Wirkungen dieser Politik verzichten kann.

4.6. Fazit und offene Probleme Die Uberlegungen in Teil III und in den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels machen deutlich, dass Vorgesetzte und Mitarbeiter Werthaltungen in die Untemehmung mitbringen und gemiiB diesen Werthaltungen handeln. Verantwortungsethische Nonnen miissen in personalwirtschaftlichen Entscheidungen beriicksichtigt werden, wenn sie vom Personal selbst als Teil der Personlichkeit jedes Einzelnen akzeptiert werden. Die Beachtung verantwortungsethischer Nonnen durch alle Mitglieder der Untemehmung kann Transaktionskosten absenken. Dies gilt nicht nur fUr die Nonnen christlicher Sozialethik, sondem auch besonders fiir die in und zwischen Untemehmungen praktizierbare Norm des Vertrauens. Die Beachtung verantwortungsethischer Nonnen bei personalwirtschaftlichen Entscheidungen ist fUr eine Untemehmung okonomisch besonders dann vorteilhaft, wenn diese Beachtung bekannt gemacht und von den Marktpartnem honoriert wird. Dariiber hinaus sind fiir die Untemehmung als soziales System insgesamt Werte vorstellbar und fonnulierbar, die im systematischen Verbund als Untemehmungsethik deren Handeln gegeniiber Marktpartnem, sozialem Umfeld sowie Personal in Gegenwart und Zukunft pragen. Griinde fiir die Entwicklung einer Untemehmungsethik bestehen insofem, als die Untemehmung wissentlich und willentlich bei allen Adressaten ihres Handelns nicht nur Nutzen, sondem auch venneidbaren Schaden stiften kann. Unternehmungsethik, so verstanden, hat dann die Funktion der Schadensunterdrackung und -begrenzung fiir das Personal. Dessen Lebenschancen beeinflusst die Untemehmung nachhaltig und iibemimmt soVerantwortung fUr das Leben jedes Mitarbeiters. In diesem Sinn konnten verantwortungsethische Nonnen auch Bestandteil von Hypothesen und empirisch auf ihre Wirkungen hin getestet werden. Nichts davon ist jedoch erkennbar. Dass Gewinnmaximierung und ethische Nonnen zur Schadensunterdriickung oder -begrenzung miteinander konkurrieren, ist uniibe~