Person, Persönlichkeit und juristische Person [1 ed.]
 9783428410774, 9783428010776

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GUSTAV

NASS

Person, Persönlichkeit und juristische Person

Schriften zur

Rechtstheorie

Heft 2

Person, Persönlichkeit u n d juristische Person

Von Dr. phil. Gustav Nass Oberregierangerat im Hessischen Justizministerium

DUN CKER& H UM

BLOT/BERLIN

A l l e Redite vorbehalten © 1964 Duncker & H u m b l o t , Berlin Gedruckt 1964 bei Broco- Druck, Berlin 44 Printed i n Germany

Vorbemerkung Kürzlich meinte ein Jurist, der über meine psychologische Anthropologie „Die Menschheit ist nicht am Ende" referierte, „die k u l t u r psychologischen Erkenntnisse des Verfassers mögen für philosophische und psychologische Arbeiten von Wert sein, der Jurist w i r d daraus keinen Gewinn oder Nutzen ableiten". Wenn diese Meinung auch kein Testfall sein dürfte, so scheint sie doch symptomatisch für jene zu sein, die sich gegen das Eindringen neuerer psychologischer Erkenntnisse i n die Jurisprudenz abschirmen. Vielleicht fürchten sie, den Boden, den ihnen die Rechtsdogmatik bereitet hat, unter den Füßen zu verlieren, wenn ihnen nunmehr eine naturwissenschaftlich fundierte Anthropologie die Fragwürdigkeit absolut gesetzter normativer Begriffssysteme aufzeigt. Es scheint weniger aufregend zu sein, wenn man so tut, als ob es keine Psychologie gäbe. Vor 50 Jahren dachte man anders. Von Liszt, Robert v. Hippel, Gustav Radbruch, Frank und viele andere waren i n der Psychologie ihrer Zeit ebenso zu Hause wie i n der Jurisprudenz. Seit den zwanziger Jahren ist das leider nicht mehr der Fall. Die Phänomenologen Husserl, Scheler und Nicolai Hartmann und zuletzt zu allem Überfluß die geisteswissenschaftlichen Psychologen traten m i t ihrer beschreibenden und spekulativen Methode an die Stelle exakter, naturwissenschaftlich fundierter anthropologischer Forschung. Der Mensch w i r d nicht erforscht, sondern beschrieben. Beschreibung bleibt aber an der Oberfläche der Erscheinungen. Kein Wunder, daß die Jurisprudenz dort, wo das Verständnis psychischer Vorgänge notwendig wäre, einfach nicht weiterkommt. Man meint m i t der philosophischen Anthropologie bereits eine philosophische Grundlage für die Rechtsdogmatik zu besitzen und merkt gar nicht, wie diese gegenüber den exakten Wissenschaften ins Hintertreffen gerät. Die Phänomenologie, ein fast ausschließlich auf deutschem Boden getriebener W i l d ling der späten Romantik, hat ein Menschenbild gelehrt, das m i t den Erkenntnissen der psychologischen Anthropologie nicht mehr übereinstimmt. Die Jurisprudenz droht m i t ihrem geisteswissenschaftlich orientierten Menschenbild i n eine Lage zu geraten, i n der manche Begriffe und Vorstellungen als antiquiert erscheinen. Wie unangebracht es ist, hier länger zu warten, zeigt die oben zitierte Meinung, ein Symptom der Selbstzufriedenheit und Selbstbeschränkung.

6

Vorbemerkung

M i t dieser Monographie zur Psychologie des Hechts möchte ich die Erkenntnisse der psychologischen Anthropologie für die Rechtswissenschaft nutzbar machen. Ich rechne m i t dem Widerstand derer, die sich m i t dem Menschenbilde der Phänomenologie begnügen wollen. Es ist m i r immer eine Freude, die auf hoher Ebene ausgetragenen und ergiebigen Auseinandersetzungen der vergangenen Juristengeneration zu lesen. Möge diese Schrift ebenfalls zu fruchtbaren Diskussionen anregen.

Inhall I. Geschichte des Personbegriffs

9

1. Der Personbegriff in der Antike

10

2. Der Personbegriff i m Mittelalter und in der Neuzeit

11

II. Geschichte des Begriffs Persönlichkeit

14

1. Die Entwicklung der Persönlichkeit aus dem Geiste der Renaissance

14

2. Erstes Auftreten des Begriffs Persönlichkeit bei Kant

15

3. Schillers Grundlegung einer Lehre von der Persönlichkeit

16

4. Weiterentwicklung des Persönlichkeitsbegriffs durch Schopenhauer

18

5. Der Persönlichkeitsidealismus

19

III. Der Personbegriff in der Psychologie

20

1. Persönlichkeit als Einheit des Bewußtseins

20

2. Das Ich und die Persönlichkeit

21

3. Entstehung der Modellvorstellungen

23

4. Person und Persönlichkeit unter dem Aspekt des Personalismus Kritik und Weiterentwicklung

25

a) Ist die Person causa finalis? b) Selbstentfaltung und Selbstbestimmung c) Die beiden bewegenden Momente der Entwicklung des Persönlichkeitsbegriffs

25 26 28

d) Determination der Modellvorstellung durch die Fragestellung 28

IV. Die Entwicklung des Personbegriffs in der Rechtsgeschichte

31

1. Der Personbegriff in der Rechtsauffassung des Altertums

31

2. Der juristische Personbegriff i m 16.—18. Jahrhundert

33

3. Der juristische Personbegriff im 19. Jahrhundert

34

a) Hufeland, Savigny und Puchta b) Bluntschli, Beseler und Zitelmann

34 36

c) Unger und Ihering

38

4. Der juristische Personbegriff während und nach der Jahrhundertwende a) Der Relativismus bei Binder

38 38

Inhalt

3

b) Der Personbegriff in der Genossenschaftslehre

39

α) v. Gierke und Holder

39

ß) Die „Persongesamtheit"

41

γ) Gesamtperson und Einzelperson