Percy Bysshe Shelley [Reprint 2020 ed.] 9783112358221, 9783112358214

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Percy Bysshe Shelley [Reprint 2020 ed.]
 9783112358221, 9783112358214

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Percy Lysshe Shelley.

4869.

Percy Sysshe Shelley von

H. Druskowih, Dr. phil.

Serlin, Verlag von Robert Oppenheim. 1884.

Uebersetzungsrecht Vorbehalten.

Druck von Metzger & «Bittig in Leitztig.

Vorwort. Die wichtigsten Vorgänge

von

im Leben

Percy

Bysshe Shelley, so weit sie bis jetzt bekannt sind, dar­

seine

zustellen,

Individualität

zu begreifen

und

den

philosophischen und ästhetischen Gehalt seiner poetischen Schöpfungen durch ausführliche Analysen derselben zu

würdigen, ist die Aufgabe, welche dieses Buch zu lösen sucht.

Welcher

große Dichter

Neuzeit

der

wäre

in

Wird seine

Deutschland so wenig gekannt wie Shelley?

Weltflüchtigkeit, sein excentrischer Idealismus auch stets ein Hinderungsgrund sein, daß Shelley irgendwo oder

irgendwann populär werde, so ist der Umstand doch be­ trübend, daß er, Englands größter Lyriker, der ideale

Dichterphilosoph, Engländer,

selbst

der

den

freigeistigste

hochgebildeten

klassen fast ein Fremder ist. auffallenden

Mangel

und

an

kiihnste

deutschen

aller Leser­

Die Hauptschuld an diesem Interesse

für

den

großen

Dichter trägt jedoch der Umstand, daß unsere Literatur­

forscher

denselben dem Publikum

haben.

Shelley ist von diesen

zu

wenig

vermittelt

in hohem Grade ver-

VI nachlässigt worden.

Es existirt in Deutschland keine einzige

größere Arbeit über ihn.

Die wenigen Kenner und Ver­

ehrer Shelley's werden jedoch einräumen, daß wir ihm eine Würdigung schuldig sind, und in Denjenigen, die

wird eine solche vielleicht den

ihn noch nicht kennen,

Wunsch erwecken, ihn kennen zu lernen. In England selbst ist Shelley's Stellung eine ganz

andere.

England ist zur Einsicht gekommen, was es an

ihm besessen und was es an ihm verbrochen hat, ja, es

wird von dem freisinnigeren Publikum vielleicht kein an­ derer Dichter des Landes gegenwärtig derart gefeiert wie

Shelley.

Es fehlt dort deshalb auch nicht an den man­

nigfachsten Schriften und Arbeiten über sein Leben und

seine Werke.

Was das erstere anbelangt, so existirt eher

Ueberfluß als Mangel an Quellen, obwohl keineswegs alle Punkte desselben genügend aufgehellt sind, da immer

noch viel Material zurückgehalten wird.

Unter den eng»

lischen Shelley-Biographien nehmen indeß zwei Schriften

eine Sonderstellung ein, indem sie sich von einem Theil

der übrigen durch wissenschaftliche Genauigkeit und Objek­ tivität, von dem anderen durch die größere Bollkommmheit

und Abgeschlossenheit des Lebensbildes, das sie geben, unterscheidm;

welches

es sind dies das

Rossetti

seiner

kriüschen

vortreffliche Memoire, Ausgabe

der

poe­

tischen Werke Shelley's vorangestellt und das Werkchen

„Shelley“, das I. 9L Symonds für Morley's Collektion der „English Men of Leiters“ geschrieben hat. beiden

Schriften

hat

jede neue Biographie

An diese

Shelley's

----

VII

----

anzuknüpfen. — Was die Würdigung der Werke Shelley's

anbelangt, so hat sich hierum Niemand ein größeres Ver­ dienst erworben, als der in seinem Vaterlande auch als

Dichter bekannte I. Todhunter in seinem ausgezeichneten

Buche: „A Study of Shelley“ (London 1880). Während bei Rossetti und Symonds der Schwerpunkt in der Biographie

liegt und die Werke Shelley's meist ganz kurz besprochen werden, beschränkt sich Todhunter ganz und gar auf die Würdigung der letzteren.

Vorliegendes Buch versucht in

gleichem Maße ein Bild von dem Menschen, wie von dem Dichter Shelley zu geben, denn in der That müssen bei ihm mehr als bei jedem anderen Dichter Leben, Denken und

Schaffen im innigsten Zusammenhänge betrachtet werden.

Es bleibt der Kritik zu entscheiden überlassen, inwiefern

dieser Versuch im Vergleich mit den Leistungen der eben­

genannten Autoren selbständigen Werth besitzt.

Wien, März 1883.

H. Druskowih.

Inhalt. Seite

I. II. III. IV. V.

Familie und Kindheit.................................................... 1 Eton........................................................................................... 15 Erste Liebe. — Poetische Versuche......................................25 Oxford...................................................................................... 31 Erster Aufenthalt in London und erste Ehe. - Edin-

burg. — Keswick.................. 56 VI. Shelley als politischer Agitator in Irland .... 81 VII. Züge und Flüge.................................................................91 Vin. „Königin Mab"..................................................................... 104 IX. Zweiter Aufenthalt in London. — Trennung von Harriet................................................................. 121 X. Verbindung mit Mary Godwin und erste Reise nach der Schweiz. — London. — Bishopsgate Heath . 136 XI. „Alastor." - Prosaschriften.............................................. 142 XII. Zweite Reise nach der Schweiz. — Begegnung mit Lord Byron. — „Hymne an die geistige Schön­

XIII.

XIV. XV.

heit"..................................................................... 160 Harriet's Selbstmord. — Zweite Ehe. — Aufenthalt in Marlow. — Der Schiedsspruch des Kanzlei­ gerichtes ........ 172 „Laon und Cythna".................................................. 184 Reise nach Italien und erste Zeit des dortigen Auf­

enthaltes ........................................................... 204 XIV. „Rosalinde und Helena." — „Prinz Athanase." — „Julian und Maddalo." —„DieEuganeen"..213 XVII. Neapel. — Rom. — Balsovano. — Florenz... 236 XVIII. „Der Entfesselte Prometheus".................................. 252

Seite

„Die Cenci"........................................................................... 282 Aufenthalt in Pisa. — Naturgedichte aus den Jahren 1819 und 1820. — Politische Gedichte und Satiren 301 XXI. Rückkehr nach Pisa.— „Epipsychidion."— „Adonais" 314 XXII. „A Defence of Poetry.“ — „Hellas." — Besuch in Ravenna bei Lord Byron. — Letzter Aufenthalt in Pisa.................................................................................. 330 XXIII. Die letzten Tage............................................................. 349 XXIV. Schlußwort....................................................................... 369 XIX. XX.

Ouellen. The Poetical and Pröse Works of Percy Bysshe Shelley, edited by Mrs. Shelley. (Moxon 1840, 1845.) The Works of Percy Bysshe Shelley in Verse and Prose, edited by H. B. Forman. (Reeves and Turner 1876—1880.) 8 vols. Relics of Shelley, edited by B. Garnett. (Moxon 1862.) Selected Letters of Percy Bysshe Shelley, edited by R. Garnett. (Kegan Paul 1882.) Th. Medwin, Life of Shelley. (Newby 1847.) 2 vols. Th. S. Middleton, Shelley and his Writings. (1858.) 2 vols. Th. 8. Hogg, Life of Shelley. (Moxon 1858.) 2 vols. Shelley Memorials, edited by Lady Shelley. (Henry 8. King 1875.) 3. edition. Leigh Hunt, Lord Byron and Some of his Contemporaries. — Correspondence. — Autobiography. (Smith and Elder 1878.) New edition. Th. Moore, Life of Lord Byron. E. J. Trelawney’s Records of Shelley, Byron and the Author. (Pickering 1878.) 2 vols. W. M. Rossetti, Memoir of Shelley (der kritischen Ausgabe von Shelleys poetischen Werken vorgedruckt). D. F. Mac-Carthy, Shelleys Early Life. (Chatto and Windus 1877.) J. A. Symonds, Shelley, erschienen in der Collektion der English Men of Letters von I. Morley. (Macmillan 1881.) Aufsätze: De Quincey, P. B. Shelley, Works I — T. L. Pea­ cockes Artikel über Shelley (Frasefs Magazine 1858, 1860). — Th. Hunt, Shelley by one who knew him (Atlantic Monthly



XII



1863). — R. Garnett, Shelley in Pall Mall (Macmillan’s Magazine, Juni 1860). — W. M. Rossetti, Lectures on Shelley (üniversity Magazine, Februar und März 1878). — R. Garnett, Shelleys Last days (Fortnightly Review, Juni 1878). — H. B. Forman, Shelleys Life near Spezzia his Death and Burials (Macmillan’s Magazine, Mai 1880). — W. Hate White, Notes of Shelley’s Birthplace (Macmillan’s Magazine 1881).

I. Familie und Kindheit. Die Familie Shelley kann sich eines hohen Alters und

Ansehens und eines beträchtlichen Wohlstandes rühmen. Ohne auf ältere,

halb sagenhafte Ehren,

die

ihr

zu

Theil wurden, eingehen zu wollen, sei nur erwähnt, daß sie in der älteren Linie im Jahre 1611 durch eine Baronie ausgezeichnet wurde,

und

im Jahre 1806 durch eine

zweite in der jüngeren Linie.

Und zwar war es in der

letzteren der Großvater des Dichters, Sir Bysshe Shelley,

dem durch Vermittlung seines Freundes, des Herzogs von Norfolk, der Baronstitel verliehen wurde.

Sir Bysshe zeigte verschiedene Züge, die wir, wenn auch in anderer Form, bei seinem Enkel wiederfinden werden: er war überaus energisch, ungestüm und excentrisch. Obwohl er der Träger eines altaristokratischen Namens war, hatte er doch sich selbst und seinen persönlichen Vorzügen Ehren,

Stellung und Reichthum zu verdanken.

Er wurde 1731

zu Ehrist's Church in Newark (Nord-Amerika) geboren

und begann daselbst seine Laufbahn als Quacksalber

als er später nach England kam,

gewann er durch sein

1 Thomas Medwin, Life of Shelley I, p. 2 ff. Druslowitz, Shelley.

1

2 einnehmendes Wesen Herzen und Vermögen zweier Erb­

töchter.

Von seiner ersten Frau» Mary Catharine, der

Tochter eines Rev. Michell von Horsham, hatte er einen

Sohn, Namens Timotheus, und eine Tochter, von seiner zweiten Frau, Elisabeth Jane, der Tochter eines Mr.

Sidney von Penshurst, drei Söhne und zwei Töchter. Auch dem ältesten Sohne seiner zweiten Ehe, der den Namen Shelley-Sidney von Penshurst führte, wurde der

Baronstitel verliehen und dessen Sohn zum Lord de l'Jsle

und Dudley ernannt.

Unter den vielen Gerüchten, welche

über Sir Bysshe umliefen, ist das merkwürdigste dies,

daß er beide Erbtöchter entführt habe, nachdem er früher in Amerika mit einer Frau vermählt gewesen sein soll,

die er gleichfalls entführt hatte und ebenso sollen zwei seiner Töchter entführt worden fein1 2— Vorgänge, die

sich im Leben des großen Enkels von Sir Bysshe wieder­ holen sollten.

Um das Bild von Sir Bysshe zu vervoll­

ständigen, sei noch erwähnt, daß er, der Aussage seines

großen Enkels zufolge, ein „vollständiger Atheist"

wesen sein soll?

ge­

Er starb im Jahre 1815 und er, der

mit Nichts begonnen, hinterließ seiner Familie ein Ver­ mögen von 300,000 Pf. und Güter, die jährlich 20,000 Pf. 1 Medwin (I, p. 7) erzählt, daß ihre Flucht durch das elende Leben, das sie im väterlichen Hause führen mußten, veranlaßt wor­ den sei. Sir Bysshe sei im vorgerückten Alter ein Geizhals und Despot geworden und habe, obwohl er ein Schloß erbaut (Goring Castle), ein kleines Haus in Horsham bewohnt, in dem die größte Dürftigkeit herrschte. Auch Th. Jefferson Hogg (Life of Shelley II, p. 37) spricht von dem dürftigen Leben, das Sir Bysshe aus Geiz geführt haben soll. 2 S. W. M. Rossetti, Memoir of Shelley, p. XXXII.

3

abwarfen.

Nach seinem Tode ging die Baronie auf Sir

Timotheus über. Sir Timotheus, der Vater des Dichters, wurde im September 1753 geboren.

Im Jahre 1791 vermählte er

sich mit Elisabeth, einer Tochter von Charles Pilfold, Esquire zu Effingham, einer Frau von großer Schönheit, sanftem, liebenswürdigem und nachgiebigem Wesen, doch

ohne hervorstechende geistige Begabung. Der älteste Sohn

dieser Ehe war Percy Bysshe, Bysshe nach seinem wunder­

lichen Großvater, Percy nach einer entfernten Beziehung zu dem herzoglichen Hause von Northumberland genannt;

vier Töchter, Elisabeth, Mary, Hellen und Margaretha,

alle berühnlte Schönheiten, und ein Sohn Namens John,

der im Jahre 1866 starb, waren die anderen Sprößlinge der Ehe von Sir Timotheus. Es war das Verhängniß dieses keineswegs schlecht, doch unbedeutend und unerquicklich

gearteten

Mannes,

daß er, der nur dazu berufen gewesen wäre, der Vater eines gewöhnlichen Menschen zu sein, der Vater eines Percy Bysshe Shelley werden mußte.

Er war ein Land­

edelmann gewöhnlichen Schlages, Anhänger alles Be­

stehenden, also rechtgläubig, correct und ganz und gar in der konventionellen Moral seines Standes befangen.

Er

äußerte sich, daß er seinem Sohne niemals eine Mes­

alliance verzeihen werde, daß er aber uneheliche Kinder

desselben, so viel er wolle, zu versorgen bereit sei? Sir

Timotheus

nach

irgend

einer

Richtung

Daß

geistige

Vorzüge besessen hätte, davon hat wohl Niemand gehört.

1 Medwin I, p. 11.

— 4 — Er war Mitglied des Parlamentes, ohne je eine Rolle zu spielen, und stimmte blind mit seiner Partei.

Dem

Maße seiner Fähigkeiten entsprach das seiner Bildung, ob­

wohl ihm für den Werth des Wissens keineswegs der Sinn fehlte, vielmehr mahnte er seinen Sohn stets, so lange sich dieser auf Schule und Universität befand, seinen Studien mit Fleiß obzuliegen und Kenntnisse zu erwer­

ben, nur er selbst war unfähig Kenntnisse zu sammeln, cokettirte indeß mit allerlei unverdautem Wissen, liebte es, sich auf den Schöngeist hinauszuspielen und gefiel sich

darin, wie Lord Chesterfield in den Briefen an seinen Sohn, diesen „My dear boy“ zu nennen.

Es ist nicht zu

bezweifeln, daß es Sir Timotheus nicht ungern gesehen

hätte, hätte man seine Briefe überhaupt mit denjenigen seines Vorbildes verglichen; in Wahrheit konnten aber

Briefe einander nicht leicht unähnlicher sein, als die be­ rühmten von

Lord Chesterfield

von Sir Timotheus.

und

die

unberühmten

Es war dem letzteren nämlich nicht

möglich, einen Gedanken festzuhalten und er kam stets vom Hundertsten ins Tausendste.

so sprach er,

Und wie er schrieb,

sprach überdies mit lauter,

kreischender

Sttmme, so daß er einen ebenso peinlichen wie komi­ schen Eindruck machte?

Wir dürfen jedoch nicht ver­

gessen hervorzuheben, daß er als Landwirth wohl an

seinem Platze war, auch war er ein gastfreier Schloß­

herr und in Haus und Familie so lange freundlich, als

sein Wille geschah.

Dieser Wille war aber von äußerst

hartnäckiger, ja tyrannischer Art.

1 Hogg, Life I, p. 304.

Mit solchen Eigen-

5 schäften war