Patroklos: Gedanken über Homers Dichtung und Gestaltung

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Patroklos: Gedanken über Homers Dichtung und Gestaltung

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RENATA VON SCHELIHA

PATROKLOS Gedankeniiber HomersDichtmzgmzdGestalten

BASEL BENNO

SCHWABE

&

eo .

VERLAG

Alle Rechte Druck:

Bacbdrackerel

Copyright

1943 by Beano Prlated

Torbeba

hea

Winterthur

Schwabe

lo Swiuerland

AG, Winterthur & Co., Bnel

Edith Landmann z.11geeig11e/

Inhalt

Von,,ort

11

Ei11fiibnt,,g:Üb,,. Ho111ms,b,Frage11

1

I. Die Lebenszeit Homers

s

33

II. Sage und Dichtung zu Homers Zeit

s9

m.

79

Die Läuterung der ilterco Sage durch Homer

IV. Die Gesittung der Homerischen Welt V. Homers Kunst der Darstellung VI. Die von Homer erfundenen Gestalten

12.1

163 195

VII. Patroklos

2. 33

.AJ,111,rlulllgm

32.9

Vorwort

Mit beuhämmder Z1111er1frht b11ingtein Difhter der spätantikenZeit die U1111,rgängli,hluit Homers: Eher ließ, Uranosselbst di, G11tirn, 11erlö1dJen Fiihrt, h11rtighi111111f Helios di, friedsam, Narht Eher bötedas Meer d,n Mm1,he11tri11/ebar, Qm/Je Eilte ei11Toter z.11ri«J:. i11d,r Leb,lldige11 Kreis Als der r#hmni,he N11111, d,s Mäo11id,,,Homeros /11die V erg,uenheitgilbmder S,hrijtm gerät.* liberblfrlull,tkr di, E11t1t1h1111gj11111 EpiWm11„ir J,,, Z1ilr1111m "°"11111 tr11111t, mlium „ir f11t1t1llm,daß 11t1rh d,111 Z111a111111mgr1111111111 brwh der 1111tilull W,lt di, Bedt11t1111g Hom,rs zwar ntlr in 1,lt,n,n l:.111"z.m Ep«he11ei11iger11111J,11 erJ:.a1111t „ord,,, ist, daß aber z.11keiner Zeit die Homtriuhm Ep,11 so sehr-i11G,jabr-11111rm, « i11di, Verg111111h,it gilbmder S,hriftm • z.11 geratm .,;, ;,, der Geg111111art. Sogar;,, d,111mmlulstm Zeitalter, da alks historiuhe Wi11e11 ,,,r11111/u11, da di, Sprarh, Homers tmbeJ:.amzt „ar, als n11rdie K,md, von Aristotelu, Plato11tmd Gaim - wrnehmlüh Jm-,h die spams,hm Jllde11- ins Abmdlalld drang, als die Ho111eri1,hm Epm 11111'in 1i,u111 diirftigm lateinis,hm Allsz.11g tmdin spätantilull,ro1111111haft a111g11,hmi«J:.tm, vonfrei erf1111m11111 AneJ:.dotm 11mranJ:./1n Darste/Jtmgendu troiuhen Kriegu fortl,bt,n, 'tllardo,h der ci rtdJ111refrhe Name d,s Mäonidtn Ho111,ro111 ni,ht verg,um tmd blieb11i,htohtu Wirl:.tmg.Di, Guitflmg der Homeriuhm Held,n hatte • Dil

ÜIJn-s11:{1111g diuu Epigrt1111111s, sm, dw si/1111/ühm i111T1xl z.ili,rlnr V1r.r1 .,,._,,,, Enul Marwil'{, &rlit,/DIITDtllll. II

llllj die Arhlssag,

,mJ llllj die Allsg,stalltmg d,s

ritterlirhm Kampfspiels 1i11111 Z!"armittelbaren,aber11irhtgeri11gm Ei11jlNß.Erst #lls1r111011 Gelehrsamluit erhwhtet, Eporhedrohtd,11Dirhterjt111sEpigramms 111dlirh dorhi11sU11nrhtZ.Nsetz.111. D11111 i11gltirhem Maß,, .,ie di, Homerisrhe11 Epm erforsrht 8111rdm,s1111/c du Dirhter Homer i11die V ergess111heit. Der Zeit, .,,kh, allt erfordulirhm historisrhm, arrhäologisrh,11 Nlld sprarhlirhm K11111llliss1 i11b,.,,md,nmgwiirdiger Fii/11erarbeitete,ging Zeit z_Ngleirh - ,mJ di,s s,hr im Untersrhi,d Z.Nd,r Altxalldri11isrhe11 das Verställdnisf iir a/1,s Wes111tlirh, einerDirht#llgverlorm. W ährelld di, Gelthrte11d,s Alterhlms dllrrhihr, fei11sinnig111 ästhetisrhe11 ErläNtmmg111di, Teilllllhm,fiir di, Dirht#llg Homers imm,r III#z_N1ntfarhe11 8/#ßtm, so daß s,lbst i11Z,itm g1istig111 Niederg1111g,s, sogarNKh d,m Si,g d,r Barbarm di, Homerisrhm Ep,11i11ihrer Srhöllheitversta,,d,n ,mJ dalserb1111ahrt 8/llrd,n, hab,11Nmg,luhrt di, mod,n,111 ForsrherdNrch ihr, a,if ZersttichlNng aNsgeb,,,d,Method,Jeti, Wir/c#llgd,s Dichters erstir/ct, so daß srho11vor d,m Ei11bNKhd,r Barbarei i11einergeistig "°'h ltbelldig111 Z1it du dichtlrisrheGehalt von /lias ,mJ Odysse, kaNm mehrguehm 8/llrd,. Ei11eWir/c#llgHomers, 81iesie bei Goethe,mJ iiberall in d,r Goethez.eit"°'h spiirbar 8/ar, ei11General,dm 81ieNapoleon am Abelld ,ines Sieg,s di, Eri11111nmg an Arhill NlldPriamos ,mJ damit a11 alles Leid du B1si1gte11 iib,r/commt,ist heNt111ichtmehr d,n/ebar,#lld di, Gestalt Homers ging - iibrige11s mitsamt sei11111 G,stalt111,die 11#11 11111' "°'h als ehemalig,Fillßgött,r ,mJ FNKhtbarluitsfetisrheinteressant 8/flrlll - in du MN hera,ifg1hobelle11 « Hom,ris,he11Welt• N11ter. Demgegmiiherhat Nietz.srhe srho11 im Jahrr86J in seinerAntrittsvorles#llgII Hom,r ,mJ die /classischePhilohgie» di, Wisse11srhaft a,efgefordut, di, dtirrh di, Zerltg,mg d,r DichtNnggt8/on11enen Ergeb11iss1 f iir das Verständnis d,r Dirht#llg als ga11z_er jNKhtbar 'Z_#marhen,mJ das • lndividmll-Homerisrh,», di, 1i11heitlirhe Persönlichluitd,s Dichters 81iederhera11sz_Nstelle11. Die Homer-Fors,hllllghat dies,rA,ifford,nmg mit .,,nigm AN!llahmen 11irhtFolg, g,geben;si, hat bis heNte11er111int, daß ,s die Dichterpersö11Persö11lichluit », so lirhluit Homer iiberhaNptgebe. • ZNm Begriff ei111r h,ißt es in d,m ofliz.iell,11 Halldhwh iiberdieHomerischeFrage, «gehören Linim, die si, begr,11z_m. Wen11aber alles, 8/as innerhalbd,r 'Z_81eimal 2,f Gesä11ge d,11Namm Homers Nmsp1111nt, als Srhöpf#llgeinerei11z_igen P,rsönlichkeitgedacht8/erdmsoll, so z.,rjließt sie ins Unbestimmte,nirht IZ

1111der1 als L,Jhlrg oderSm,i111Tllilittr.• Ge111iß, 11ist ni,ht kfrht, Ji, Persönli,hhit eines Dfrht1r1 a111einer Dfrhfllng z.11e,fauen, in wekh, Jas geistigeLeben z.11minde1t 1i1111 Jahrta111md1 1ing1flo11en ist, Jie also als eine ktzte reif, Fn1&ht1i111r hrxhmhllidultenK11lfllrsfrh 11111 Jarst,llt, nfrh1hfrht z.11mal fiir sokhe, di, dllr,h entfremdend,Jahrta11sendl davongetrennt sind ,mJ ni,ht mehr Ji, SprtHh, Ho1111r1 spre,hen. Der närhste Weg, 11111 das Individtitll-Ho111eriuhe z.11,rkmnm, wär, 111111 ge111iß der Vergl,frh mit V,rghfrhbar,111;aber Ji,s eben, ein Vergki,hbar11, gibt 11 ni,ht. Di, 11111 erhaltenengril'hiuhm ,mJ rö111iuhm Epen sind 111Kh dem Vorbild Homers g,1,haffen;in einem V,rghfrh mit Ho111er1 Dfrhfllngfllt man ihnenllllrl'ht ,mJ gt111innt fiir Homer n11rJi, ohnehin 1elb1tver1tänd/frh,Erkmnlnis flOII der Überhgenheitdes 11r1priinglfrhmGeni111 geg,niib,r seinen NtHhahmern. /111Verghfrh mit erzähhndlnHeld,ng11,bfrhten andererVölhr tritt zwar der Unteruhied der KMl111rt11 de11tlfrh hen,or, nfrht aber läßt si,h Dfrhfllng 1111 Dfrht,mg 111111111,· denngerade was das W,1111der Ho111eri1,hm Di,ht1111g a111111tHht: Ji, einheitlfrheKo111po1itionJ'lllei11 ,mJ Ji, 1111n1,hlfrh, D11r,hbild,mgder G11talten,Jehltbeiger111aniuhm, ro1111111i1,hen, inJis,hen,mJ p,rsis,hen Ep,n voll/eo111m111. Die hrxhenl'lllfrhlt, Erz.ähllumst des Orients endifrh,wi, wir si, a111einigmBi«h,rn der Bibel ,mJ flOII Mär,hen allJ • Ta111111a11111Uiner N"'ht » kmnm, w,ist zwar 111,hrer,atKh "°"Ho111,rven111ndeteK11111t111itt1I allf, .,;, die Vers,hling,mgm ,mJ RetarJienmgen,die Wiederhol,mgen,die wiederkehrendenFormeln am Beginnder dire/eten&den, 1111d läßt ,ms ahnen,was Homer dem Orient ,,,,-Jan/et;aber Vora11111tz.1111g JO'lllohl wie Absfrht ist hier 10vers,hieden, daß der V erghi,h nol'tllendig n11ruhi,j,s Li,ht a,if beidewi,ft. B,11,r als ,in V erglei,hmit di11enganz andersgeartetenDfrhfllngen können11111 Ji, Vora11111tz.1111gen der Ho111eri1,hen Dfrhfllng selbst daz.11 Jienm, das Eigmtiimlfrh-Ho1111riuhe de11tli,hz.11111"'hm.Danle. den ges,hi,htli,hen ,mJ besondersll/l(h den vorges,hfrhtli,henKenntniuen, Ji, 11111das htzte Jahrhllndlrt ver111ittelt hat, sind wir in der Lage, 11111 ,in Bild davonz.11m"'hen, was Homer vo,fand,,mJ damit erst tritt ins Blfrle.feld der ne111 Asp,let, den der Dfrhter dem Vorgefllndlnen gegeben.Wohl bleibt Vora11111tz.1111gj1der Homer-For1,h1111g, daß man dem 1inheitli,h1n Gehalt, dem iibera/1in der Dfrht1111g sfrhtbar werdendenM,nuhli,hen bis in seinefeinsten Ziig, hineinin immer wiederholtemLesen 111Khgehe; aber n11rindem man mit d,m hierdllr,hges,hä,ften A11g1das bei Homer

Erz.ählt, mit den ält,r,11Fass1111g111 desgl,kh,11Sag,nstoffes,111ie 111ir ihn a11sallllermgri"hiuhm Q114l/n,ers,hließenleb1111111, verglekht,wird das lndividmll-Homeris,h,,111ird Homerals ders,höpferis,h,Dkhter si,htbar. Viellekht kann a"'h das W,mder, 111i1 ein Gmi11salles Hohl einer ganz.111 K11IIIIT'ep°'he in seiner Dkht1111g sammelt ,mJ z.11glei,h ein ne11es Bild vom Mens,hm ,mJ von einemgeuhlossmen Kosmos mms,hli,h,r G1si//1111g in seinem Werk darstellt, 11111' dadllr,h1111s faßbar werden,daß ein Di,hter 1111serer Tag, dieses Wtmder 111iedenim verwirk/i,ht hat, so daß es in langemBemiihm vi,llekht gelingen/eö,mte,iiberden Abstand der Zeiten hi11111eg einigeZiige Homers de11tlkh,r111ahrz.11111h111m, wie wir, 111as 111ir ähnli,h einmalim Lkht oder1111s der Näh, ges,h,11haben,dann a"'h in der D1111hlh,itoderin großer Entfenumg lekhter erkennen.

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Einfiihrung: ÜberHomerischeFragen

Die Axfgabe, 111,khe 111u dllr,h die Homer-Forstl»mggestellt ist, hat einanderesGesi,ht,je n.a&hde111 man in denbeidenEpen eineSa111111/1111g 11011 r,ers,hi,denenH1/d,11/i1dem sieht oderIiias ,mJ Odyssee,so 111i1 die A/1111 sie 1111s iib,riieferlhaben,in ihrerdicht1ris,he11 Einheit 111ahrni111111I. W ährend man im ers/111 Fa//, die 11ersthiedene11 leih der Epen a,if eine&ih, r,ers,hiedenbegabterVerfasser Z!"is,hm d,111ZJ"Ö/flm,mJ sethstm vorthrist/ichenjahrhtmdert beliebiga,ift,ihn kann ,mJ sein Be111iibe11 dara,if mh/11111111/, Widerspriichez11mtdechn, gilt IS im andernFall,, ans,bei11,ndeWiderspriichedm-,hein tieferes Verstehendes Di,hters z11beheben, wb,i llllSdem iiberlief1rle11 Text 1111r einzelneVerse oder111e11ig1 Teil,, die nicht mit d,111Ganzen a,ifs engst, z11sa111111mhä11gm, llllsg,s,hi,den111,rden dii,fm. Wir 1110//,11 den i1tzter111Weg z11beschreiten11ers11the11 ,mJ können11111 dabei,llllthf iir den Text, den'lllirz11gnmdeieg,11,a,if die antihn HomerForstherstiitzen. D11111 sogardann,'/1111111 man alle 11011 denAiexandrinem athelier/111Vers, a111Homer streitht, bleiben llllsges,hi,denmTeil, 1111d i111111erhi11 dieEpen in ihrerGanzheit völligintalet,'lllährend, '11111111111a11 den der ANz!Jtilum in der Her1J11siös1111g einzelnerVerse ,mJ Teil,folgt, 11011 DichhlllgHomers, 111ie sie 11111 iiberii,ferl ist, so g11/wie nichts 1111hr bestehenbleibt. Aristar,h, der erstederAlexandriner, der ni,ht selbst di,htet,, 'llltiier, 'llli, er sagt, nicht dichtenkönne,wie er 'llloih,110th a11thdi,htm woiie,'lllieer kömu, der 11011 dem PhilosophenPalltlilios • der SeherII gellllnnl'lllt1rde, • 'llltiier mit sokher Leichtigkeit den einem Gedicht z11gr,mdeliegenden G,danhn hertlllsz11spiire11 111r111otht1 •, hat in seinen11111fa11greithe11 - 11111 leider1111Tin dii,ftigen Fragmenlt11110th erha//111111 - Kommen/armz11I iias

111111 Odysse,all, ,rdmklirhm Ho111triuhen Fragenbehantklt.Er gingdabei l/011dem Gnwisatz. 11111, daß « Ho111,rnw a111Ho,,,,r sirh 1rkläre•·

Wohl/emlfllei11WiderspnKhist sei/141' sorgfältigenBetrarhllmgentga11g111, aber a1Khhin, S,hönheit. Viele Stellen, die in ,,,_,.,,. Zeit z.11,,,A111gang1p1111/el derKritilegefllarht1'111rdm, 1'1an11 als derErklänmg bediirftig a1Khuho,rAristar,h a,ifg,fal/m, deralkrdingsin der B1hfllldl1111g sokher Apori,11sirhgna,dlegmd"°"de1IModmm, 1111t1ruheidet; de,r,r er verbJr •ar groß dari11, leki11niemalsdas Ganz, derDirhllmgllll1 de1IAllgm 111111 lirh, Ei,,.,äntk leirht abz.11111eisen. Un11r1Abhängigkeit vo11ih,,, erhellt a111 de11tlirh1ten a111der Tatsarhe,daß der Ho,,,,,.t,xt, der 11111 vorliegt, a,if ihn z.11rik/eg1ht. S,ho11die Hofll1r-Zitat1 bei Herodot, Platon 111111 Ari1tot1l11stifllfll111 z.,,,ar,,,,ist ~as,h,1111 g1111111 mit de,,, 11111 erhalte,rm Text iiblrli11,d«h di, Papyri 11111 deflldritten111111 z.,,,1iten Jahrblllldert v. Chr. z.eigm1i,u11,rh,blithmZ11111a,h11111b1de11tmder Vers,. Wahrdi, Ebrf11r,htvor uhei11lirh /ea111 inj,,,,,. Zeit, da llllfal/e,rLtb1111g1bi1t111 demAltherg1brarht1n d,r Lllst a11 N1111r1111g111 „i,h, derspieleriuh,Hang a".f.fl1I dm groß111 Dirhtm, - diegkirh, Unart 'lllirddafllalsalKha11de11 Tragihm geiibt- Jlllit,rz.lllli,htm.Vo11diesenspät hi,rz.11g,f iigt111 V 1r1111 bat""" Aristar,h t1il1 mit Hilf, älterer Ho1111r-A111gaben, teils llllf GnwJ eigenerKritik dm Text gereinigt.Di,jenigm Vers, 'lllieden1m, i11 J,,r,,, ,r ält1r1 Rhap1ode,rz.111ätz.1 v,r11111t1t1, oder sokh,, die dem Stil Ho1111r1 nirhtganz z.111nt1pre,hen uhienen,hat ,r 'lllohlangefllerlel, aber 11irhtllllJ d,111Text entfernt. Fiir die U111thth,iteines Verses 'tlltn"den vielerleiGriind, flllg1g,be11, so, daß ,r iiberfliissigsei, daß ihm di, Ho1111ri1,h, Kraft fehle, daß ,r der Prosa z.111111h, leä1111, daß ,r defllHo1111ri1,hm Ethos nirht entspräthe,daß ,r der Denle'llleise oderden111ythiuh,n Vor1t,ll1111g111 spät,rer Dirhter 1lflhest;;,,d,,daß ,r in älterenHalllluhriftenfehle; ing/eirh,r Weiseathlti,rt; d. h. l/011 Aristar,h fiir 11111tht erklärt 111111 deshalbmit ,in1111 Zei,h,11,J,,,, ObebJsv1r11hen, silllla1Khoft sokh, Stellen, die ,inen G1danh11Homers 1111its,l»ll1iftg a11sfiihnnoder ein K11111tmitt1I Homers iibertreiben.Wider1prikh1111111 Un1ti111111igleeiten im 1i,rz.1ln1n, 'llliesie sirh i11n1rhalb der Ep,n ftntkn, tmd 111i1 sie uhon seit der Sophist,,rz.eitentde,leltmdin Sy111po1ion1gespräthm erörtert'tlltn"den, bildetenfiir Aristar,h 1111r11hrselteneinenGnwJ, 11meineStelle z.11atheti,r,n oderga,rz.eTeil, a111Z,111,h,id,n. Sie z.11erklären,bliebeinan11111tiges Spiel des Geistesa1Khnothim M111eio11 Alexandria, 'tllo11, 111i1 Porpbyrioserzählt, BralKh"'""• Fragm iib,r Ho1111ri1,h, Widersprikhlz.11r

"°"

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g,gens,itigenAnrtg1111g arefz.11111,ifm llltd di, ErJ:/än111g tlllf1i,u Tafel Z" s,hreibm. Aristar,h hat 11i1111als, 111ie Nietzs,h, ,s an dm Mothnun geißelt, • mit thm arg111öhnis,hm AMg, 1i,us Poliz.1i111tlll1Us IIIKhth111 S,hatten 11011 Withrsprikhmgesplirtn,·er hat di, offensicht/ich,11 Withrsprikht ang,111erhllltd so 1111it 111i1 möglich,rJ:/ärt. Sogar an sokhm, di, J:,i,u Lös1111g ztdassm, so, 111~11 ein 11111"blilällfiggmannttr Kri,ger, dessenTodg,schildert111ird, später 111i1der 1111t,r dm L,b,nden ers,htint, nahmAristarch luinm Anstoß; gn,iß 111il Re,ht, 11111111 wir b,dmlun, daß derartig, Widersprikhtni,ht seltm awh b,i anderenDichtm, begegnen, llltd da ,s J«h g,rathf lir Rhapsodm,timendas Werk s,bonals Ganzes r,or/ag,llltd di, es 111ahruhtinli,h llMS111mdig konnten,nicht uhw,r g11111sen s,in diirft,, sie Z" verm,idm. Von größ,rm Stiklun thr Epen habendi, Alexlllldrinerdi, Doloni, llltddas Ende der Odyss11tlMsgeuhiethn. Di, Griinde,di, siehi,if lir flllgaben,sindni,ht iibtrliifert.Von thr Dolonie11eN11Mtet,n si,, daß si, zwar Hn Homer, ab,r nichtflir die Ilias gedi,htetllltd ,rst z11rZ,it ths Peisistratosin diellias ,ingejiigtworthnsei. Übtr dasEnde der Odyss11/un,un wir n11rdie S,holienbe111erhmg Z" lji 216: 111Hitr war "'"h Aristophams llltdAristar,h das Ende thr Odyss11.11 Was die Doloni, betrifft, sohabensichdie Mothf11111 thr AMss,heithmg des GesangesaMsthr Ilias weitgehend ang,uhlossen,llltdals Griindedaflir WIIT'dm zMmeislangifiihrt:die altertiimlicheBeJ:J,id,mg thr Heroen,ferntr, daß si, reiten,währendsi, sonst stetsfahren, ,mJ 11or allem,daß die ganz, Episodeflir di, Handl1111g entbehrlichist. Uns uhtint 11onuhmli,h der ti,jgehmth Unt,rschiedim Ethos f lir die AnnahmeZ" spr"hm, daß di,ser G,sang"°" thr guamten iibrigenIlias Z" trennensei. Die Ha11J>lhandl1111g, das Hinmord,n d,s uhlafmd,n Rhesos ,mJ s,in,r Gejährten, 111«h die Töt1111g d,s Dolon, 1111mitt1lbar IIIKhd,mman ihm 11erspro,h111, diein ihm das uben z11s,hmlun, 11e"ätZiige11011 Perfidiellltd Mordl11st, g,rad,z11a,iffallenderWeis, der iibrigenIlias fremd sind. Si, ,rinn,n, an a11ßerhomeris,ht Sagen,in d,nenawh s,bon, 'lllitin diesemGesang,Dioin nabtr Bezi,h1111g z111inand,r stehen.Odysse11s ist m,d,s ,mJ Odysse11s hier d,r S,hia111,Listenr,iche,Hinterhältig,, wi, er im KyJ:Jos,in der Tragödie,b1iHomeraberniesonsteruhtint. Dies, Griindespr"henfreili,h a"'h dagegen, daß die Dolonie,wiedi, Allen sagen,als Einzellied11011 Homergedicht,tsei. Sie trägt so11i1/e altertiimlich,Ziige,daß mangeneigt ist, eintH1Tho111eris,hes Lied in ihr Z" s,htn,·lltld Jo,h setzt sie, z11mindest 2

Pmokloo

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in der Sihlation, 111itder si, anhebt,s,hon di, Ilias tJOrfllls; illlth ist ihre St,lk innerhalbder Handl,mg,za,is,hm de111 9. 1111d r r. Gesang,dm-,ha11ssi,mvo/1,denn der Sti1111111111gS111ethsel - Ende des 9. Gesang,s tiefe M11tlosigluit,Anfang des rr. Z11111rsitht i111Lager der A,häer - »tird 11111" dm-,hdas näthtli,h, gehmgeneAbmt1111r111oti1Jiert. Vi,11,itht haben Rhapsodendes 6. Jahrhllllllerts,denm1i114soltheMoti1Jie11111ggefthlt hatte, diesesälter, Lied 111it viel K1111st eingedi,htet. Alls 111Jthho111ms,h,r Zeit sta111111t, so Je.innen 111ir 111itden Altm anneh111111, das Ende der OdySJee.Ob1llohlalks, 111a1 allj .J,296 folgt: "iiie Allfz.tihhmgder Abent1111r des Ody11e111, die Z!"eileNek.yia,das Wiedersehen'Z.711isthen OdySJIIIJ1111d La,rtes 1111d der Ka111pf 111it denIthalusiern, inhaltlithmit der iibrigmOdySJeeiiherei111ti111111t 1111d a11threin sprathlith bisherein Unteruhiednithtfestg,stellt werdenkonnte,mthält do,h dieser Teil 111a11therki Ziige, di, das Urteil der Akxandriner b11tätig111. Di, allj .J,296folgendeStelk, »toOdySJe111 desNathts alleseineAbente111r Penelope,rz.ählt, klingt 111i1 eineInhaltsangab,friiherer Oll_ySJeegesänge1111d ist eine Form der Rikk.stha111111d des Z111a111111111faSJens, die Ho111er sonst ni,ht an111,ndet. In der Untm,,elts.rz.1111 i1112,t. G,sangftndenGespräthestatt, die von den Umständenganz.abg,list sind, »ttihrendin der erstm Ne)gia 11111" gesagt 111ird, 111a1 de111 A11g111blitk. a11g1111eSJ111 ist. Die Be111erlumg Athi/11, 111ekh111 elendenTod Aga1111111111Jn, der 111äthtige König,gefllllden hab,, 111ievi,I beSJerihm g11e»t111 111äre, vor Ilion z11sterbm, bestätigtAga111e111non 1111d preist 111111 seinerseitsA,hi/1 gliitk.lith»tegenseinesglorni,hen Unterganges;dann erz.tihlt,r tJOIIden Ehnmgm, di, dem nm111t10/I Gefallenen z11t1il11111/"den. Es gibt Z!"arbei Ho1111r t1i1kReden,die ni,ht 1111111ittelbar allj di, Geg,,,.,artsi,h beziehen,in denmerzählt »tird,111a1 nitht im A11genblitk.nol1llendiggesagt»terden 11111ß,ja, »tasdm Teilneh111ern desG,sprä,hes 1igentli,hs,hon bekanntsein diirfte; aber.,,,,,, Nestor t1onKä111pfe111111d Si,gm a111 einerfriiherenZ,il b,ri,htet, so liegtstets ,in a111 der Wirk.li,hluil mtspringenderAnlaß daz11tJOr,di, Absitht z.B., einem&t mehr G1111itht z11g,bm, oder11 »tirdeinf iir den Allgmblitk. bede11tsa111er Z111a111111111hang t11rggt11»tärtigt, so 111e11n Phoinix, 11111 seinen Wtmsth bei Athi/1 dm-,bz.111etz111, ihm das sonderbareS,hitk.sal,das sie z111ammengef iihrt hat, ins Gedäthtnisruft. In alljenen Reden,mögensie no,h so »teil a11sgreif111, fehlt niemalsdi, V ,rbind/11,g z11der stets weiter drängenden Handl1111g. Jedes Gespräth mtsteht dllrth einenim Gegmstandliegenden 18

Anlaß, damit hebt es a11,111111 meist miilldetes 1be11 dahinwieder1i11.Das Gesprtkh aber z.wischmAcbill 111111 Agamem11011 am End6 der Odyssee mtbehrt ei111ssokhm Gnmdes,ja, esfehlt jede Wahrschei11licbhit, daß die Heldn,, ntUbdemsie bereitsz.ehnJahre Schattender Unt1n11elt sind, Fragm anei11and6r ricbtm, als träfm sie sich z.11merstmmal. AIKb bei jmer Scbildmmg der Tote11Jelage 11m Acbill, die von einemDichter nicht geringmRangesz.e11gt, ist ei11leichterUnterschiedim Ton gegmiiberder spezifisch Homeriscbm Sagew,ise spiirbar. Homer spricht geradedas Wichtigeä11ßerstverhaltena11s,Mndesgehörtz.11seinerK1111st, das Große leise z.11sagm. Daß, wie Agamem11011 i11der zweiten Ne~ia sagt, bei A,hills Tod sogardie 1111111 M11se11 mittraMtnl,daß Acbills Grabbiigel weithinsichtbarbleibenwird a1Kb f iir die späterm Menschen,daß Acbills RRhm niemals1111/ergehm werde,dies alles scheinta11sder Ilias selbstverstiilllilichsieb z.11ergebm;daß es aberin dieser Weise betont'fllird,iiberschreitetdie Grenze, die 'fllirbei Homer iiberallsonstbemerken,,md läßt a,if einenDichter schließm, der von der Ilias z.11tiefstergriffen,ihr 11nd ihrem SchöpfereineH11ldig,mg darbringenwollte. Das sich daran a11scbließende Unt1n11eltsgespräch, das z.wischmden Freien,, die im Gegensatz.z.11Patrokks 111111 Elpenor 1111bestatlel in den Hades kommm, 111111 Agamemnonslattftnd6t,gibteinenRikkblick a,if die Odyssee.Wie die Freier 11111 Pmelopewarben,wie diesemit dem Gewebe sie trog,'fllieplötzlich Odysse11s als Bettler heimkehrte,wiedie Freier, ihn nicht erkennend,ihn schmähten,wie dann Odysse11s Pmelopedie Bogenprobe,mpfohlt 1111d alle Freierder rikhend6nHand des Odysse11s erliegen, der Inhalt alsoderzweitenOdysseebälfte,wird in eindn«kwolkn Worten, diein einenPreis a,if Penelopemiinden,berichtet.Aber alKbhierwird das friihere Geschehen,ähnlichwie beijener Axfz.ähl,mg der AbenleMtr,n11r kttrz. z.11sam111e11gefaßt, ohnejenen EreignisseneineneMtSeileabz.11gewin111n. Der Gangdes Odysse11s z.11Laertes, der a,ifdie Unten11eltssz.ene folgt, ist einemitfeinster K1111st angelegte 1111d a11sgefiihrte Episode. Inmitten des einfa,hländlichm,idyllischa11sgemalten Lebens erscheintder vonK11mmer verzehrteGreis,geradesowientUhdenfriiherm En11ähn1111gen in der Odysseez.11en11arte11 war, als ein erschiitten,d,sBild des Grames.Nicht gleich gibt si,h Odysse11s dem Vater z.11 erkennen;er erzählt alKhihm eineseiner viele11 Tr11gges,hicbten 1111d nenntsich erst, als der Vater bei der Erin11enmg a11sei11111 Sohn völligz_11Sam111,nbricht. AIKh dieseSz.me - wiewohl dichteris,hergreifend- erscheintohne hinreichendeinnere Begriindlmg;

dnm im Gegensatz.Z.1'denanderenErlunn1111gssz.enen, 1110 Vorsi,ht tmd Tr11gei,u nol1llendige Sirhenmgdu alleinHei111/uhnnden bede11ten, ist die Liigengeschicht,de111 greisenLaertes gegeniiberJar,h die Lage des Odysse11snicht z.11erklären. denAngehörigender Freier: In Dm S,hl11ßbildet die Versöhntmg111it diesem letzten Teil wird Homers Art, Götter in 111msrhlirhes Handeln eingreifenz.11 lass1n,bis ins Unwahrscheinlirhe gesteigert.Wie Athena hier in der Gestalt des Mentor b1i111 Kampf hilft, dm-ehihr, Worte lähmendes Entsetzen hervorrrefend, tmdgleichdara,ifdar,h Ir.Nr{,Mahn1111g die V ersöhn1111g b1111irkt, erscheintals ein, a,if wtmderbareWeise herbeig,fiihrt, tmdMoti,,ieglikkliche Listmg tmdentbehrtderhmstvollm Vorbereit1111g nmg, die Homer sonst lunnz.eichnet,so daß man bei diesemStiklt. 111n11illHat Ho111er sein Werft.ohn, innereAnt1illlllh111e lt.iirlichsichfragen 11111/: 1111r des Stoffes wegenz.11Endt g,fiihrt, oderhat ein andererDi,hter ver1110er am s,hwerstenz.11 erreichenist, in demZ11sa111s"'ht, Homer in de111, men111irlun von Göttern tmdMenschen,na,hz.1111h1111n? Die wichtigstenEpisodendiesesletzten Odysseeteiles,das Wiedersehen mit Laert,s tmddie Folgendes Freiermordes,setzenfreili,h gradlinigdie Odysseefort; sie gehören,wennwir das S,hiclt.sallthalt.astmddes Odysse11sz.11Ende denlun,nol1llendig z.11ihr. Aber Homers Ko111positio11S111eis, wenndiesesEndt der Phantasiedes Hörers 'llliirdees nicht 'tllidersprechen, überlassenbliebe,ja der von den Alexandrinern angegeben, Schl11ß'llliirde sogardie Odysseein ihr1111 A,ifba11in eine tibe"aschendtParallelez.11r Ilias setzen. /111letz.Im Iliasgesang,besondersim Gespräch 'Z_'lllischen Pria111os tmd Achill tmd in der Totmlt.lage11111 Rektor, tritt das lt.o111111ende Verhängnis,Achills Tod 1111d Trojas Unlergang,inJast srhongreifbareNaö,, das dtisler, llllllt1S111eichbare Ende, das der Dichter selbst nicht darstellt, das zeitlich a11ßerhalb der /lias liegt 1111d dochihr 'tllesentlich z11gehört.Aber mit dieserSpann,mgklingt die Dichlllllgnichta11s.Btvor das Schlimmst, sich ver'tllirklicht,'lllirdAchi/1, 'II/erden die Troer nocheinmal dem einf(l(h stiß begliklundtnLeben wiedergegeben, damit trotz. der d1111!t.len Er'lllarlllllgtmddes tiefen Grames linderndesVergessensie 11mfange: A,hi/1 r,J,t in seinemGe111(l(h mit der schönwangigen Briseis, die Troer sammelnsichz.11111 Festmahl bei Priamos. Die Odyssee,'lllenn'lllirsie mit Odysse11s ,mJ Vers tji 296 endenlassen,beschließtein Gespräch'Z_'lllischen Pen,lop,: Odysse11s erzählt ihr denSehersp""'hdes Teiresias,daß er noch einmal a,ifbrechen,no,h einmal in 1111belt.annte Fernen ziehen mtiss,, 11m 2.0

Pos,idat,z.1111ersöhnm • .All&hhier 111ird ,;,, .AMsblitkin di, ZIWlllft gegebm,11ifhtflliei11der Ilias i11tragiuhm U11terga11g, sondern,de111 Charakter der Odysse, mtsprethmd, der .AMsblitkin ein 111MiN1111d gefahrvolles M111sdJ111lebm 1101/er Wagnis, U11g1111ißheit 1111d Unm. Di, letz.t,11ab1111d Pmelopedies, Z11s,hließmdn, Vers, aber erz.ählm,111ie Odysse11s hlllftsgeda11J:m 11or,rstbeiseit, s,hiebm 1111d ge111ei11sa111 z.11rRilh, gehe11: «mtClO'LOL Atx-rpoLO 1tClAClLOÜ &0-11-ovtxov-ro. So folgt llll'h i11der O4,sseed,111be1111rtihigmdm Blitk in das Kiillftigedie Wmd,mgz.11 gegmwärtiger111t11Sfhlither Frelld,. Neh111111111ir alsoa11,es habeeinalllier,rDitht,r das Ellliehill'{11g,f tigt, tmd'{fllar, .,;, 111ir sahen,ei11er, der Ho111ers Eptll ka1111te lllld11erehrte: 111ie läßt es sirh da1111 aber 11erstehm, daß ei11sokher es 111agte, Ho111ers groß, Di,httmgfortz.11setz.m? Wir 111ii.rs,111111s hierz.1111ergegm111ärtigm, 111ie sehr di, leidms,haftli,he Teil1lllh1111, 111ekhe di, Ho111eriSfhm Epm e"1glm, (Jll(hihrem bloße11 Stoff galt. Der W1111uh, z.11111issm, 111i1 es 111,iler geht, erklärt esja a"'h, daß 1111111ittelbar an denletz.Im V ,rs der Ilias sith di, Aithiopis, die dm Tod A,hills s,hildert, a11s,bloß.Obwohlsi,h die Gri,-. ,he,, tiberdm W er/1111/ers,hied beiderDirh1tmge11 g1111iß 11i,btgei"I habe11, war ibnn, der Stoff dorhso 111ithtig, daß sie ei111 Fortsetz.1111g, a"'h in b,-. s,heidmerFor111, hi111lllh111111. Es ist daherIJIIdmkbar, daß es ei11111 Ditbler r,iz.111ko1111le, die Odysseez.11ergänz.111 1111d all, Fäde11z.11Elllie z.11 spi1111n1. We1111 111a11 si,h in sokhm Fragenall(hhtite11soll, eineapodiktis,heAm sagez.11111arhm, so 111ird do,hdie Mei111111g der Al,xm,drin,r tiber das Ende der Odysseedllr,h so 11iele i11n,r,Griindebestädie Dolollie1111d tigt, dajl es ri,htig ers,heint, diese b,idm Teil, in ei111Betrarhttmgdes J,,J;.,iJNeJI-Ho111eris,hm 11irh1 mit eill'{llh,z.iehm. Fr,ilifh kö1111111 fllir11i,ht jede Athetese desAristar,h als endgtiltighi11111h111e11, J,,,,, llllfllillkiirlirhfllirdsifh ein Kritiker bei der Frage, ob ein Vers «hl oder11111,ht sei, 11onG,s,h111arksri,httmgm seinerZeit leite11 lassm. So lag es 111ohl dm Alexandri111m fm,, daß Verse, ""'h 11111111 sie lli,ht z.11111 wspriillglith,11Text z.11 gehörm s,hei11111, de11110fh 11011 Homer selbst später ei11gef tigl sein kö1111e11, ein Gesirhtsp1111kt, a,if dm z.111rst Goethehi11g1111iesm hat. « Einige Verse •• so s,hreibt er an S,hiller, « die 11111 a11sgegebm 111erde11, sind11011 derArt, 111ie ifh einige fiir 1/Ö/ligfal"h1111d selbst in 111ei11 Gedi,hl ( Herm1111111111d Dorothea), na,hdemesfertig 111ar, faßlither z.11marhm, 1111d 11111 ei11ges,hobe11 habe,11111 das Gall'{e/e/arer1111d kiinftige Ereignisse11orz.llbereil111. • /111111,rhin 11111ß es 1111s eineRegelder ZI

For1,h1111g bleiben,kein, Theoriealljz111tellen, die si,h vornehmlüha,ef Verse sllitz.t, die, 'llliedie Stelle iiberdieGe111ahlinnen des Zeus E 317 ff., Aristar,h f iir t111tfhl er/elärte. Ganz.im Gegensatz.z.11dm alten habendie motkrnenGelehrteninjeder Unsti111111igkeit ein Zeühen der Untfhlheit gesehen,·sie habensüh nüht g,uhe11t,Stellen11111 dem Text z.11tilgen,diefiir denZusammenhang1111erläßli,h sind, 1111d so z.ahlreüh'tllurtknuhließlüh die Stikke, die sie beanstantkten, daß die Di,hltlllg bis z.ur Unkenntlühkeit veräntkrt 1111d ihre Einheit in Fragegestellt 'tllurtk.Da aberdm Motkrnenin 110,hviel höhe,.,,,, Maße als tkn Alexandri111rn,die immerhinältereHanduhriften besaßen,ein objektivesKriteriumfehlt, so habenihre Athetesen, die, 'tllieoft z.11gestandm, vor'tlliegend 110111 individuellenGeuhmade besti111111t 'tllurtkn, mehrBetk11t1111gfiir die Be11rteil1111g tkr Ho111er-Foruher alsfiir die Be11rteil1111g tks Homeris,hen Werkes. Wir miiuen daher nicht in tkrselben Weise, 'lllie'llliressoebenfiir die vontkn Allen angez.'llleijelten Teile taten, aurh alle von dm Motkrnen leichthinher11111gt'lllorjenen Stikke tkr Epen, 'llliedie Telem(J(hie,dm S,hijfskata/og, Hektors Abschied IIJ'tll.,einzeln behandeln.Wir glaubenvielmehr,'tllenn'lllirn1111 tkn Text tkr Alexandrin" z.11ntkhstunangetastetbelauen, diese 11111"e Grundlaged11nhein inneres Kriteriumrtfhtjertigenz.11können.Mag 11111n nä111lich iibereinzelneS tel/en, ob1111111 sie als urspriinglühHo111eri1,h otkr als späteZutat a,effauen'lllill, 11111i111 sein, sogibt es do,h einElement tkr Dicht1111g, das unzweideutigtkn Text, tkn 'lllirzugrundelegen,als ein in si,h z.11111111111eng1höriges Ganz.es tr'tlleist,'llleiles nol'tllendig nur von einem1111d tkmselbenDichter sta111111e11 kann: 'tllirmeinendie Ko111position tkr Epen 1111d das, 'tllora,ef offenbardie Kompositionangelegtist, die reiche1111d z.11gleich einheitlicheS,hildenmg der Charaktere. S,hon alleindie Z11111111111enfa111111g eines1111gehe11ren Stoffes in einenkm-z.en Zeitraum 1111d die sich daraus ergebentk11eruhl1111gene Erz.ähl'llleise 1111/"uheitkt die Homeris,henEpen aurhvonihrenbestenNa,hah1111111ge11. Die lg/eliuhen Epen, die in engerAnlehn1111g an Homer entstanden,die ihn soz.111age11 'tlleiterdichtelen 1111d ihm so naheka111en, daß einzelneVerse dNr,haMs Homeriuh /elingen,habendo,h in derKo111position, 'tllitAristoteles, derjene 110,hkannte, 1111ifiihrli,h nach'llleist, Homer keines'tllegs erreichenkönnen.Und aurh Vergil, tkr fast alle Motive Homers iibernahm 1111d aurh darin tkm A,efba11der Odyueefolgte, daß er 'tlltsentlicheTeile der Handl1111g dNrchtkn Hauptheldenerz.iihlenläßt, tkr also die Rllndheit

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derHomtris,hm Kompositio11 a11strebt1, deh11td,1111°'h de11Z1itrtJ11m sei"" Hll1llil1111g 1ib1rmehr,r, Jahn a11s,md 1'hildtrt di, Kämpf, mit J,,, Lllti111r11 i11,hro110logis,her Folg,. Di, Halldl1111g der Ilias 11mfaßtdtJg1ge11 1111rnmd J o Tag, ,md gibt do,h ein Bild desgm,zen trois,hm Krieg,s "°"sei111mUrspnmg bis z.11sei11em.AMsgang,,md ,bmso s,hildtrt di, Odysse, di, z.ahJ/ose11 Gejahr,11,md S,hirl:sals1'hlägeb,i der Heimfuhr des Odyss111s ,md n«h 11iekrIJllderer Heldtll, in11trfulbei11tsAbkz,ifs d,s Ges,hehe11s f/011 lltlf' 1/"Jlla 40 Tagen./11ei11trz.eitlirhso A:nllppz.11samme11g,drängt111 HIJ11dl1111g wird dtJsgm,z.1Ltbm der Ha11ptbeldtll,du A,hiJ/ wiedes Odyss111s, mit allm S,hirl:salm ,md Z11stä,,d,,,at«h ihrer U,,,-.,,lt dtJrgesteJ/t,so dtJß die einzigartigeHöbe ,md at«h alle Tragik d,s mit Liebe ,md Wehm11Igepries111t11 herois,hm Zeitalters dtJrana,iflet«htet. Das a11sg1111ogene Gkirhg1111i,ht ferner, in dem alle Teile der Epen z.11einlJ11der stehm, der furmollis,beAxfba11,der at«h weit a11sgreifende Episode,, 111ieder in dieHa,tpthandlrmgeinmiindm,md di, in sovielf"'benS,hi,htm tks Lebens si,h abspiele,,J,,,Sz.e11111 i11rl!Jthmis,berFolgewerhselnläßt, diese, 111ie Nietz.srbe sagt, « einzigeganz.originelle,md wrbildli,he Form ei111s gmialenGeist,s. des Epos II ist n11rdellkbarals die S,höpf1111g Dieser llllllllflösbar,md mit hörhsterdi,httri1'ber Feinheitfestgejligte Z111ammmhtJ11g d,s Ganz.m, der nirhtganz.11erborgm bkibe11kon11te,hat di, modernenFors,ber, welchedie /lias ,md die Odysse,in einzeln,Lieder oderKlei11-Epn,a,ifz.11/ösen tr"'hteten 1111d de11 poeti1'ben Wert des Ganz.m i11diesm einz.el11en Stiklun sahm, 11orein, 11i,htleirht z.11behebend, Aporie guteJ/t. Dm11die Kompositionm11ßtenohllelldig demj1111eils letz.Im Di,hter d,r /Jias oderder Odysse,z.11ges,hriebe11 werd,11,11011 dem, der lllla/ytisrhmMethodez.,ifolge,1111r minderwertige11erbind,nde Verse stammm Jm:lte11.Wi, aberko1111te er dtJ11n z.11gkirh sogmial sei11 ? Einige Fors,her st8hte11die Aporie dtJJ11r,h z.11lösm, dtJß sie dem RedtJhor z.war ,i,u starlu, aber einseitig,Begab1111g z.11s,hriebm:Er mlisse, so meinten sie, ein, tJ11ßerordelltlirbe Fähigluit im Kombi11ieren ,md Komponieren gehtJbt htJbm, aber d,,,n°'h ein s,hlerhter Dirhter gtWesensein, während amlrerseitsdie Dirhter einz.el111r Stiklu ,md Lieder wohl in der Fähigkeit d,s S,hildtnu, in der Beherrs,hrmgder Spra,h, her11orragten, aber nüht imstandeg1111esen seien,eingrößeresGanz.esz.11s,haffen. Diese Theseaber,die in z.ahlrei,benkriti1'h-ana!Jtis,henHomer-Arbeitm so oder älJflli,hwiederkehrt,berikl:sirhtigtnirht, was 1111/rennbar mit der Komposition11erblllldell ist: die ChtJraherisienmgd,r einz.elnm

G,stalten. Gn,iß treten11111 IZIKh i# einz,i,,m Gesä#gen,"''"" 111ir sie a11s dem Z11sa1111111#ha#g hera11s/ös1#, 111i1 elJllai" Hektors Abs,hied oderi# der T,l,mathi,, einzigartig, Charakter, l#tg,g,", aberglekhsa111 #IIT'i# einemA11ss,hnitt. Um ein 110//stäwtliges Bild der Mens,hen z.11gnvinnen geniigtes nkht, sie #IIT'in einer,inzigen Sit11atio#z.11sehen;hi,rz.11ist es nolJllewtlig, daß 111ir sie in den 111rs,hi1denst1n Lebenslagen,daß 111ir ihre Wirhmg a,if die U 111J11elt betr«hten können,daß 111ir ihrefriiheren S,hidcsak ,rjahren. Dies alles ist n11rin dem großen Zt11a111111enhang mögli,h, in den Homer sein, Gestalten hineinstellt. Wie aber dm-,h ein, no,h so ges,hi,kt, Z11sa111111enst1//1111g dkhteris,h s,höner,aber11rspriitlgli,h ""Z"· sammenhängender Stiklu ei# so rekhes ,mJ in skh geuh/ossenesBild einzelner Menuhen, 111i1 die Ep,n es geben,entstehen/eonn,ein Bild, in dem - 111ie 111ir g1na111r n(}(hsehen111,rden - einjeder Z11g,besondersderHa11pth1/J,n, elJllasN1111shinz,ifiigt ,mJ do,b mit dem Gnmtkharakter iib1r1instim111t, dieshat die ana!Jtis,heMethodenkht z.11erklärenr,,rmo,ht,ja nkht einmalz.11erklären111rs11&ht, da sie 11011 derHawtll1111g, ni,ht aber110n denGestaltenihrtn A11sgangnahm. Ein, hmstr,o/1komponierteHand/1111g läßt skh a11seinzelnenEpisoden dm-,h na,hträgli,he Berekhenmg ,mJ Verr,o//ständig1111g a11&h r,oneinemges,hi,kten Redaktor z.11sam1111nstel/en: in Ilias 1111d Ot!Jsseeentgegentreten, die bis in Gestaltenaber, 111i1 sie 11111 diefeinst, NIIIIIU"e hineinin den11eruhi1densten Sit11ationen immer"'" ,mJ i111111er do,h in Üb1r1insti1111111111g mit skh selbst siwtl,missen einheitli,h konzipiert sein. Der Di,hter, der iiber so große Z11samm1nhäng1 hin ein so einheitli,hesBild 11011 M,ns,hen z.11gestalten r,ermag,/eonnnkht 1111t1r dem Niv1a11der S,höpf,r der 1inzeln1nEpisoden, er /eonnhö,hst,ns ff(}(h iiberdi111111 stehe#. Rühten 111ir 11111,r Allgenmerka,if die Komposition,mJ a,if die Charaka,if di, letzt, Frag,, die in diesem ter,, sof ä//t 11011 hi,r a11sein Lkht a11&h Abs,hnitt ff(}(hz.111rörtern ist, a11fdie Frage, ob 1/ias ,mJ Ot!Jsseer,on dem gl,khen Dkhter stammen. Wenn es he11tea11&h s,honfast z.11den s,lbswerständli,henVora11ssetz.1111g111 der Homer-Foruh1111g gehört, daß Di,htern geuhaffen 11111rden, so steht llias ,mJ Ot!Jssee110#11ers,hi1denm dem do&hdie M1in1111g desganzen Alt1rt11111s, a11&h die der A/exawtlriniuhen Kritiker, entgegen.Es gabfnilkh z.11rZeit des Aristar,h di, sog,nanntenChoriz.onten,111ekhe die Z11sammeng1hörigluit r,onIlias ,mJ Ot!Jsseea,if Gnmd 11011 kleinen Widersprikhenbestritten;ihre Thesen11111rden abersog/ei,h11011 Aristar,h in einerbesonderen S,hrift « Gegendiefaluhe#

Behmtplll#gmdes X ""'11 • - f iir das Altert11111 mdgiiltig- a,iderkgt.Daß i11aJJde11 Jabrl»atderteavorJe,, Akxlllldri11trndie Ody.r.ree geradeso a,ie di, Ilias Homer z.11g11,hri1b111 a,11rde, läßt süh lui11ts111egs damit erklärm, daß Ho1111r als Sa111111el1111111e fiir alk Verfauer epi1'herGedi,htegtbrawht 11111rd,. W11111 awh eillig,Jgk/i.r,h, Epn, 1111d 111111Khe H_y11111111, derm Dirhter ni,ht gm,z.sirh,r iiberli,f,rt a,arm,der Einfa,hheit halber HoflUris,hge11a1111t 11111rJe11, so hat 111a11 dorhs,ho11 i11 friihtr Zeit Ilias 1111d Ody.r.re,als die eigmtlirhtllWerlu Ho111ers a11sg11,hi1det,. Herodotpok111i.rier1 gegm die Mei111111g, daß a1Khdi, K_yprim"°"Ho111er sta111111m, ohneindeum alKh1111r ei11111 Z111eif1I an Jer E,hth,it Jer Odyuee a11.rz.11spre,he11, 1111d f iir Xe110phon, Plato11 ltlld Aristot,ks ist di, Tats(l(h,,daß Homer /lias 1111d Odyssee,1111d 1111rdie.re,g,s,haffm hab,, so s,lbst,,,rstä/llJJirh,daß .ri, lui11trkiErörttr1111g111 dariiberf iir 110ta,mdig beftndn,. Wäbrmd f iir di, Di,hter der l:Jldis,hm Epm v1rs,hi1det,e Na111e11 g1111Z1111t werdet,,a,ori11 ja das Bn1111ßtsei11, daß si, vo11 Homer nirhtsta111111111, si,h 1111Sdrikkl, a,irdf iir di, Ody.r.r1111i,111als ,i11IZlldu,r Na111,1111gegeb111 als Homer. Di, Choriz.ontmselbst hattm so 111,nig Wirhmg oderdi, Gegms,hrift des Aristarrh 1i11tsogroße,daß a""hf iir die a,if 1i1f0Jge11Je,, JahrmwJert, der 1i11tDirhter beiderEpn, 1111b11trittm fe.rtstallli. Je,, tlielmFragm, tZII det,n, IIIIZII sei11t11 Geist S111t,a IUlllltallerdi11gs 1111ter 1'härfte, a,iedie Frage""'h der Zahl der G,jäbrt111Jes Odyu111s,a1"h die: Ist die Ilia.roderdie Ody.r.ree friiher mt.rtlllllUll ltlld sta111111n, b,id, """ demgkirhtll Dirhter? Aber di, S,hrift Ilepl Gljioui;,di, sirh 1i11g1hend 111itde111 Verhältnis der /lias z.11rOdyu11befaßt 1111d di, Unter1'hied, beiderEpn, darkgt 1111d darllll.ferklärt, daß Homer i11s,honvorgerikkle111 Alter die Odyuee verfaßt hab,, lf'1llägtdie Mögli,hluit, daß II si,h 11111 z.a,,it1trs,hi,JeneDirhter halldel11 kmme,lli,ht. Ulld LJINIZII, dererzählt, 11111 ihll ""'h all,111nirht Gn1111ßt111 a,i1er Je,, G,i.rt Homers be1'm11or, flll.rz.,ifors,htll, erhmdigt sirh 1111,h Je,, vo11 Je,, Akxallliri11trnath,ti1rt111 V ersm, a,ora,ifHo111er 1Z11/a,ort~t, si, s1i111 ,rht,fragt ""'h der Blindheit, dieHomer l111g,,,t,fragt IZll(h,ob /Jias oderOdyueefriihtr mtstlZllden sei, a,ora,ifHomer die llias ,,,,,,,t, dorhob Homer beiJeEpn, verfaßt habe, 1'heintfiir L#h1Z1111i,ht erst ei11er be.ronderm Be.rtätig,mg desDirhters z.11 bediirfm.Also vonder hlrz.m Episodeder Choriz.ontn,abg,s,hm, stalld imgm,z.mAlterlll1111111btz.111eif,Jt fest, daß llias 1111d OdysseevonHo111,r ges,haffm11i111. In 111t1trtr Zeit hat di,su Probkm langelui111,nt1'heidmdeBede11flmg gehabt,da 111a11 ja ohnehinIZII ein, größer, Anzahl ver-

uhiedenerDkhter fiir jedes der beidenEpm gWte,·jed«h sthreibenawh die meisten11011 denen,'lllekhedie Epen, einjedesf iir skh, als Einheit betrfKhte11, Ilias 1111d Ot[yuee11eruhiedmmV eifa11tr11 z.111111d tre1111111 sie, man&hmal sogard11r,hdie Klllft mehrererJahrhlllllierte,t1onei1111,ukr. An der Vers,hiedmheitin der Grtmdhalhmgder beidenEpen ist 1111tiirli,h 11i,ht11orbei-{_111ehen. Aber es ist z.11 fragen: Ist dies, Vers,hiedenheit so groß, daß sie 11ol'llle11dig Z,'lllei ganz 11er1,hiedene Dkhter anz.11111hme11 Z,'lllingt odera"'h 1111r er/allht? Um diese Frag, z.11e11t1,heide11, m11ßman skh /e/ar mll(he11: 'lllekherArt sind di, Ähnlkhhiten, 1111d 'lllekherArt sind die Unteruhiede? Von den U11teruhiede11, di, di, Choriz.011ten des Altert11m1geltend mfKhm,sind11111 in denHomer-S,holieneinigeProbenerhalten:in der llias hat Nestor Z,'lllölj Söhne,in der Ot[yuee1111r dni, in der Iliasfolgte He/e1111 dem Paris 1111/rei'lllillig, in der Ot[yueefrei'lllillig,in der 1/ias euen die HeroenniemalsFiuhe, in der Ot[yueet1111 sie es bil'lllei/e11, in der Ilias ist H,phaistos mit Charis 11ermählt,in der Ot[yueemit Aphrodite. Diese Unters,hiede,die Aristar,h z.11m größten Teil allf Miß111rständni11e, allf 1111ge111111t1 Lesen der Epen z.11ri«kf iihrte, kö1111e11, 'lllie'llliruho11sahen, a"'h i1111erhalb ein 1111d derselbenDkht1111g 11orkommen,ja sie sind soperipher, daß siea"'h 11011 Abs,hreibernhe"iihre11 könnten.Di, Ne11tren,tJOr11ehmli,h Herder 1111d sokhe,die,'lllieer, beideEpen 110,hals Dkht1111ge11 z.11 be'lllert,11 '11111ßt111, habeneinentiifergreife,uk11U11ter1,hied gespiirt. Die Otfyuee, so meinensie, stelleeinespäter, K11/t11r1tllfe dar, die skh dllr,h das Er1,hei11e11 des Sängers,d11r,hdie höhereSte//1111g der Fra111111d d11r,h die 110//kommen 11erä,ukrte Behandl1111g der Götterszenenkmnz.ekhne. Von diesenArl,llmenten'lllirddas eine,das Allftreten des Sängers,hin/ a"/lig,'lllenll 'lllirbedenhn, daß der Sängerz.11mFestmahlgehört,1111d daß in der 1/ias'tlleder im Kriegs/ag,rderA,häer 110,hin dembedrängtenTroja Gelegenheitz.11einem Festmahlgegebenist. Der in seinemZelt singe,uk A,hi/1 abersetzt denSänger11ora11s. Daß in der Ot[yueedie Fra11t11 mehr hervortnte11 als in der Ilias, hängt mit dem Friede111/ebe11 z.11sammen, das den Fra11t11 einen'llleitere11 Wirkllllgsknis gl'lllährte.So'llleites aber der Stoff der Ilias irgendz.11ließ, hat Homer a"'h dort Fra11tn,1111d Z,'lllar 11011 großgeartetemWesen,z.11 uhi/Jernge't1111ßt. Hekabe, Androma,he,He/11111 stehen11i,htmi,ukr plastiuh 1111d eindri«k/kh 11or11111 als die Fra11t11 der Ot[yuee.Und selbsta111 der erbe11tete11 kriegsgefangenen Briseis 11,rmo,hte Homer eineli,benl'lllerte, 111111ergeßlkh1 Gestalt z.111,haffe11. Geradein der

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Darstelhmg der Fr1111e11 ist der V erhurli,her der Pnulope t1ölligeins mit dem llias-Dfrhler, dessen Fra,m,gestalten1111 Wiirde 1111d Adel hinter de11t11 der Odysseenfrht z11rikkstehm. Älmlfrh also wi, die spra,hli,hm Unteruhiede, di, ei111 Zeitlang f iir awh dits, ents,heidendgehalten,dtn-,bwegJJ!iderlegt wordensind, leö11m11 uhei11bare11 Veruhiedenh,itender Kult11rstllj1 lefrhtdtn-,hden G,gmstand selbst erklärt werden.Die Gött,r indessensind in der Odysseeso weitgehendt1erändert,daß dies in der Tat 1r11st,r1 Betra,htMllgt11rdient.Ganz. im Gegensatz.z11rIlias wirkendi, GötterversammlU11ge11 der Od_ysse,wie ein aller Stoff, der IIO(halljgeno111men, ab,r ohlll i11n1r,Anteilllllhm, g1staltet wird. S,hongleüh dtn-,hdie ersten Worte des Zeus werdendie Mmuhm vonden Göttin, asdrikklfrh abgtrikkt. Ganz. 111u wiederumist die 1111mit1,lbare 1111d 1111hez.u menuhlfrheBez.ieh1111g, die Ath,na mit Od_ysseus 1111d sei111m H1111s verbindet.Ist ab,r IIOl'tllmdig hi,r1111s z11s,hließen,daß ein lllldererDfrht,r mit anderem Gött,rg/aubendie Od_ysse,geuhaffen habe? Das N111e,wekhts di, Homeriuhm Gött,r awh s,hon in der llias gegmiiberallenfrtiheren Götten, hnnz.ei,hnet, ist di, vollkommendtn-,hgefiibrte Verme111,hlüh1111g. Die dämonis,ht D,nk.form, die in dem Stoff der llias gegebenwar, dazu die t1011 S,hr,,k.en 1111d GefahrenerftillteLieft, in der sfrh die HandlMllgder Ilias abspielt, legt das Eingnifen 1111ßerme111,hlfrher Mä,hte 1111/Jt 1111d bot Ho111,rdi, Gelegenheit,die t1eruhiedenste11Göller in ihrent11ruhiede11t11 Wirk.Ullgmz11zeigenMIiddiegroßartig, Sfrht des o!Jmpiuhtn Göllerst1111tes alljlewhtenz11lassm. Die Gött,r der Ilias wurdenin ei111m jnur seltnun glikkli,bm A11gmbli,h geboren,die 1111'111iederholbar sind. Der Stoff selbst MIiddes Düht,rs eignesGötterbild wirkten in wMllderbarer Weise zusammen, die Geb11rtsokhtr Göller z.11 ermöglfrhm.Daß sie in der Od_yssee ni,ht in gleühtr Lebmsftille wiederkehren,liegt t1or11ehmlfrh s,hon daran,daßjede Urs,höpf""g einmaligisl, dannab,r awh an demStoff, d,r di, steteEimrk.Ullg dämoniuhtr M ä,hte ni,ht so 1111/Jt legte, MIidnfrht zum wenigsten1111 der anderenLebensst11fe, allj der derDfrhler stand, als er die Od_yssee di,hlete. Geradein der Darslell1111g der Götter bestätigtsüh die MeinMllg des Alt1rt11ms,daß Homer die Od_ysse,später als die Ilias, erst in höheremAlter, geuhaffen habe. Bei dem ents,htidendNe11e11, was Homer in der AuffassMllgder Göller gibt, ist 1111r selbstv,rständlüh,daß in einemJugend'tllerk. no,h t1ielvonder älterenGötteralljf11111111g ,nthaltenist, so di, bösenMIids,hadendenGöller,

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die 111an&h111ai nochganz. wie Koboitk, ohneIIIKhRlcht otkr Unree-htz.11 fragen, das T1111 tkr Menschendllrchlere"Z,en. In tkr Ilias sind alte Götter, die z.1111'eilen nochd11rchscheinen, ebenerst dllrchdnmg,n110ntkr HomerischenIdee. Statt tkssen treten in tkr OdysseediejenigenGötter tmd diejenigenZiige an tkn Göttern stärker herr,or,wekhenicht im wiitkn Krieg, sondernf iir einegesilleteK11ltll1"Jllelt im Frietkn 11011 B1tk11hmg sind. Dar11111 tritt hierZe11sgleichals Schiitz.ertks Rechtesall/, dar11111 geht ar«hdie Gestalt1111g tkr Athena, in tkr wir tks Dichters reifste tmdeigensteSchöpJ1111g erlunnendiirfen, deren Verhältnis z.11Odysse11s ganz. im Sittlichen begriindetliegt, wohl iiberdie l/ias hina11s,abernicht in antkrer Richt1111g als die Ilias. Ebensogeht es ar«h in tkrselben,aber nochrniter in eben wennin tkr Odysseedas Mense-hlie-he gegeniibertkm GöttdieserRicht11ng, lichenselbständigerwird, wennwenigerGötter da sind, wenigerGötter tmd seltenerin das uben tkr Menschen1111111ittelbar eingreifen1111d awh in tkn Mense-hen selbst das Verhältnis z.11tkn Göttern wenigerRa11111 einni111111t. Der 1111gehe11re Abstand, tkr im Stoff liegt, tkr Abstand 11011 Krieg tmd Frietkn, 1111d die Wandl1111g, die dllrch11ielleicht JOJahre in tkm Dichter selbst sich11ollz.ogen haben11111ß, erklärenalso die V erschietknheitawh tkr Götter, so daß z.1111äe-hst mintkstensswiel sich sagenläßt: möglichist das eineso sehrwiedas andere:tkr Dichter tkr Odysseekönnteeinantkrersein als tkr Dichter tkr l/ias; aber mit gleichemRlcht kann man annehmen, daß es tkrselb, gewesensei. Aber nehmenwir einmalan, es habezwei Dichter gegeben;in wekhem Verhältnis stehen sie dann z.minantkr? Es ist 1111bestreilbar, daß tkr Dichter der Odysse,nicht1111r die Sagetks troischenKrieges,sontkrna11rh die l/ias selbstgekannt haben11111ß, 1111d zwar sehrgena11.Dies geht a11s dergleichenKompositionsweise hen,or,die originärnicht zweimal sogleich e,jlllllitnwertknh,nnte,ferner a11stkr Sprache,tkn K1111sl111illeln tmdganz. besontkrsa11stkr 110/lh,111111enen Übereinsti1111111111g tkr Chara/etere.Nicht 11111'Odysse11s, awh Nestor, Menelaos,AgamemnontmdHelena sind bis in die leisestenReumgenhineindieselbenwie in tkr Ilias, 11111'in antkren Sit1111tionen. Wenn111111 tkr Dichter der Odysseedie llias gekannt 1111d sichan sie als an seingroßes Vorbild angelehnthat, ist es dann nicht seltsam, daß er jetkn 1111111ittelbaren Hinweis all_/die Ilias vermied?Die Ande11lllllgen tkr Odysseeall_/tkn trojallise-hen Krieg beziehensich n11rall_/Ereignisse, die zeitlich a11ßerhalb der l/ias liegen,all_/die ersten Kriegsjahre1111d all_/den z8

lttz.tm Kriegsabubniff, di, Ein1111h1111 Trojas, 111ährmd allj dm 1ig111tli+henInhalt d,r Jlias, denZorn desA,hillnls 1111d dess111 Folgen,nirgends agespielt wird. Z1111Z11gloser als di, Hypothese,daß einjingmr Di,ht,r jeden Hi11111eis allj den Ha11ptinhaltder Jlias, dm Zorn des hhi/1, so sorgfällig ver111ied, ist die Annahm,, daß derglekhe Dkhter allj einfrt1htres t10llleo111111en abgeuhlossmes Werk nkht z_11rikkko111111111 1111d si,h nüht 111ied,rholm 1110,ht,, daß er viel1111hr 11111gehhrt dm Stoff, dener in J,,, Planjmes Werkes ni,ht 111ehr 1inbez.i1hen leonnt,,später 111ieder allj111Zh111 1111d in ti11e111 11111m Werk verarbeitet,.Es ist uh711er dmkbar, daß 1i11 Di+hter,d,r i111111esmtlkhen der Jliasfolgte, der also hi11gflllZ.11rspringlfrherDühter 111ar, vo11 jed,r sklaviuhen N«hah1111111g skh sof,rn halt111 lu»mte111ie der Dkhter d,r Odysse,. Di, Unählllkhhit ni,ht 111e11ig1r als dieÄhlllichhil der beidmEp,n de11tet allj dm 1i11111Dkht,r. Dmn sollt, gerad,diej111ig1 die 1111111ahrs,hti11lkhst1 sein, t1i,ht"°"allm M111111aß1111g111 daßei11sog111ialer Di+ht,rwi, Homer '{711ti111al völligÄhllli,hts geuhaff,11, NUhde111 Kampf 11111 Troja t1711a dm vor Thebm bes1111ge,, hah,? Ja, 111är, dieOdysseeni,ht erhalt111, 1111d 1110//1111 wir 1111s a11s111ale11, 111as Homer 1111ß,r der Ilias 1111d na,h ihr gedi,ht,t hab,, 111t1ßt111 111ir dann ni+htallt111al a11t1thmen,daß sei11,u11esWerk gerad, im Grtllldtont10llleo111111e11 andersals dasersteg111111111 s,i, daß andereM111uhen,andereS,hkksale 1111d no/111111digdeshalbawh andereGötter dargestellt11111rdm, ni+htn11r,111eil 111ir ft1r dieEntsteh1111g eines'{711tile11 Epos,;,,, andereSt,if, im Ltben d,s Di,hters fZIIIUh111111 miiss111, sondern111eil 1i11G111i11s vo111 &11ged,s Ilias-Di+hters m,ht '{711ei111al dasglti,he, skh selbst M,hah111md, s,hafft? Lassen 111ir dar11111 die Hypotheseäahi11gest1/lt, daß es '{711ti Di+htervo11 gltfrherHöhe, v°" gl,i+herUrspringlkhhil g,g,b,11habe,die eitltlnderso ,,,,..,a,,Jt1111d ähllli,h111ar111, daß der ei111 tl1I dm andernskh anl,hllendmit ihm vers,h111elz.111 leo1111te, ohflldo,h sei111 Urspringlkhhit z.11v,rlimn ein Wlllllier,das si+hfnili+h ebms0111t11ig bestrtit111111i1 b1111eis111 läßt- lllld stell,,, wir 11111 allj d,11Boden-deranlih11 Üb,rlitfmmg, daß Ilias 1111d Ot!Jssee demglei,he11 Dkht,r sta111111111, so erhebtskh jr,ili+h 110,hdie Frage,ob ;,, d,111selb111 Dkhter der Sin11fiir das Heroiuh, 1111d f iir das ldy/liuhe,fiir Krieg 111i1 fiir Friedm,fiir Sage 111i1 fiir Mär,htn b1isa111111t11g1111ohllt habm kil1111. Was die V,rs,hiedmhtit betrifft, so brawhen111ir nkht einmalGoethes ga,rz.eLthensz.eitz.11v,rfolg111, 11111 die U11ters,hied, i11Stoff 1111d Stimm1111g seinerWerke größer z.11 ftnde11als di, ZJ"is,henIlias 1111d Odysse,. Was

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aberdie Analogienbetrifft, 10m,,ähntm wir 1'ho11 diei11derKompositionsweise ,mJ in der Schildtrtmgder Chara/etere,·wir /cönne11 hinz.".fiigen, was wir später nochgenauerbetrachtenwerden:das in beidenFällen gleiche Verhältnis des Dichters z.11seinemStoff. Wohl ist der Stoff in dem einen Epos die Sagetmdder Krieg zweier Völhr, im anderndas Märchentmd einEinz.eiuhidesalim Frieden.Aber was Homer in beidenFällen dara11s gemachthat, ist dasglei,he:er hat a111 Heldenliedern,die 11111' die Kämpfe als solcheschilderten,ebensowie a11sFabeln tmd Marchen,denenes nllf' 11mdie Episode geht, Menlfhen tmdSchicksalegestaltet. Die frmdamentale Verschiedenheitaber,die dennochin beidenEpen z.11konstatierenist, erklärt sichals der Abstand des AlterS711erkuvoneinem]11gendwerk. Das höher, Alter des Dichters ist z.,mä(hst schon spiirbar in der Resignation,diein der Ot{ysseeder Ilias gegeniiber 111111erkennbar ist. Nicht Empörtmgtmd Gelä(hter,sondernein billeresLächelnder Ergebtmggibt der Dichter ntm dem ,ma111rollbar DisharmonischenmenschlicherVerhältnisse, tmdstall des heroischenA".fuhw,mgs, den er in der Ilias verhe"licht, scheintihm in der Ot{ysseesilllicherAnstand volla".fz.11 geniigen. Dariiber hina111 tmdnochde11tlicher wahrnehmbarist dergrößerezeitliche Abstand z.11den Kiimpfen 11m Troja, den man dem Dichter der Ot{yssee anmer/et. Die Ilias schildert die Kämpfe des trojanischenKrieges als Jiingshlergangene, der Dichter lebtnochmit ihnenals mit seinerGegen111arl. In der Ot{ysseesind sie Vorvergangenheit. Der Ton der Elegie, der Klage 11m1111111iederbringlich Verlorenes,der neue Weltz.111tand, der sich a111 tmd na,h diesenKämpfen ergeben,wird de11tlich spiirbar, ein UnterschiedZ.111' Ilias, der sich im Abla".f von e/7'1adreißigJahren no/7'1endig ergibt, den abergeradenicht ein viel später Geborener,den nllf'der ältere Mann im Riickblick a11fseinef 11gend empfindenkann. A111derneuenWirklichkeit, wiesiederZeil nachtmdwiesie a"'h dw-ch seineeigeneersteDichttmgbedingtist,ergibt sichfiir denDichter die A".fgabe ne11erGestalt1111g. Nachdem er in der Ilias das Bild menlfhlicher Größe a".f dem Gnmde kriegerischenGetiimmelsen1111orfen hatte, macht er die Ot{ysseez.11dem, als was schondie Allen sie gesehenhaben,z.11m • s,hönenSpiegeldes mmschlichenLebens». Das neueBild des Menschen tmddesmenschlichen Gottes, wie es in dem einmaligenvonailßerstenSpann,mgentmd steten GefahrenbedrohtenLeben der Ilias sichgestaltet, bewährt sichntmin breitererWirklichhit. In der Ot[ysseeerfahrenwir, mit wekher Anm11t,mJ G,lassenheitdie Helden, die wir nllf' im Krieg ge-

sehm, im Friedm ei11a11sg,f ii/ltes 1111d 111iirdig,s Dasei11sich z.11bereitm 111issm..AJKh die 11al6"6'htlicheOrd111111g, i11der llias 11i1l/eifhtz.11m ,rslmmal bis z.11de11Göf/en, hillllllfg,fiihrt,oderllielmehrdie dadm-,hgefordert, strmge Fo,-,,,der Ei111he 111ird i11der Odyss11mdgiiltigerkämpft. /11 Jllllllderbarer A11sg1glifhellheit, ohlll jede ei11s1itig1 Üb1rtreib1111g, i11 ei111r Form, die dm Frllllffl 1i11111 hohm &11g beläßt, stellt der Dichter Arele, bei dieses 111ue Prinz.ip i11s1i111r AIIS111irlellllg bei AlleillOOs1111d OdysslllS1111d Pe111/op, dar. Z11dem GöllersohllAchill gehört,damit die Ganz.heildes Lebe11ssich herstelle,der Mmsth Odysse11S, der in steter Gefahr, i11gra11samstem E/elld,jedem M11tÜbe'711indlmg vo11Miihe 1111d .,;11m,jeder Roheit niedrigerNat11re11 preisgegeben,dm-,h Beson11e11heil immer 11111sifh b1111ährt 1111d a11sde1111ielf ältigste11me11s,hliche11 Leiden i11 1111Verämlerter Großartig/eeithen,orgeht.A,if diese11 neuenCharaleter,der ist, 111ird bei sei111rerste11E'711ähll1111g in der dem Odysse11sz.11gedacht Odyssee1111d at«h bei sei111m erstm Allf tre/111 hing1111iesm. Den Ma11n,der I"sa/en 11111 sei11Lehm ringenm11ß,11en11m ihn die in z.ahllosmMiihen1111d erslm Verse des Epos, 1111d at«h bei seinemerslm Ers,beine11ist erganz. demmms,hlichenLebenz.11g1111alldt: er sitzt an derKiiste vonOgygia,na,h der Heimat si,h 11erz.ehrmd, nachdemer der Unslerblich/eeit,die die Nymphe ihmg1111ähren 111ollte, entsagthat, 11111 sei11mens,hlicheres, aberreifheres Los z.11erfiille11. So /reim die Gestalten der Odysseeals dichteristhe Vorbilder eines Vollees,11mdasgesamteLeben in al/e11Sphären z.11bestimmen,no/Dlendig ,rgänz.mdz.11 denGestaltender Ilias, unddie Gril'hen habenes 11orgez.ogen, dieseeinz.igartigeG1111st, die ihllm ermöglichte,ihregeistige Welt a,if der Dicht1111g Homers aufzubauen,nichteinemglik/e/i,henZ,ifall z.NZ11schreibm, sOlldernder WeisheiteinesgroßenDichters.

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DIE LEBENSZEIT

S Purokb

HOMERS

Um eine Dichtung wahrhaft zu verstehen und zu beurteilen, ist es notwendig, ihre geschichtlichen und kulturellen Voraussctzungen sich zu vergegenwärtigen, denn das Ewige, das eine Dichtung enthilt, leuchtet auf nur an dem Zeitlichen, das sie darstellt. Es muß daher zunächst betrachtet werden, welches Zeitalter sich in den Homerischen Epen spiegelt, und zu welcher Zeit sie entstanden sein können. Das Ereignis, das den geschichtlichen Hintergrund beider Epen bildet, der trojanische Krieg, war der letzte große Kampf jenes Zeitalters, welches die Griechen das heroische oder das mythische nannten, das eine in sich abgeschlossene Epoche bildet, alle Geschehnisse der ältesten Vergangenheit umfaßt und mit der dorischen Wanderung, also im elften Jahrhundert endet. Aus diesem ganzen Zeitraum besaßen die Griechen keinerlei schriftliche Dokumente, wie die Ägypter aus ihrer Vorvergangenheit sie haben, aber eine Fülle von Sagen, durch welche die Erinnerung an jene Vergangenheit lebendig blieb. Von den griechischen Dichtern und bildenden Künstlern wurden die Geschichten der Vorzeit immer wieder neu gedeutet und gestaltet. Schon Winckelmann hat die einzigartige Bedeutung, welche das Herocnalter hierdurch für die Kunst gewann, entdeckt: 11Ich kam», so sagt er, 11der Wahrheit auf die Spur, daß auf geschnittenen Steinen und in erhabener Arbeit die Bilder sehr selten von Begebenheiten genommen sind, die nach dem trojanischen Krieg und nach der Heimkehr des Odysseus in lthaka vorfallen, wenn man die Herakliden ausnimmt, denn die Geschichte derselben grenzt noch mit der Fabel, die der Künstler eignes Vorbild war. » Dies ist ein unterscheidendes Merkmal der griechischen Kunst, nicht nur im Vergleich zur igyptischen und orientalischen, sondern auch zur vorgriechischen, wie wir aus zahlreichen Kunstwerken und aus der Schildbcschrci-

bung Homers erkennen können, wo zumeist Bilder des Lebens oder allegorische Bilder dargestellt werden. Bei den Griechen dagegen verherrlichen sowohl die Plastik wie die Malerei, die Tragödie wie die Chorlyrik Ereignisse des mythischen Alters. Sehr selten nur werden Gestalten und Stoffe der geschichtlichen Zeit von den Künstlern behandelt. Die höchsten menschlichen Vorbilder waren nicht Wunschbilder der Zukunft, nicht Helden der Gegenwart, sondern Ahnen aus lingst versunkenen Zeiten. Obwohl aber die Mythen immer wieder umgestaltet wurden, sahen doch die griechischen Gcschichtschrciber keineswegs nur Fabeln in ihnen, denen keine Wirklichkeit entspreche. Sie wußten, daß Mythen keine geschichtlichen Urkunden sind, daß nicht alle Sagen einen historischen Kern enthalten, daß viele Einzelheiten von Dichtern hinzuerfunden worden sind; aber dennoch erkannten sie in Sagen wie denen vom Reich des Minos, von den Kimpfen um Theben und Troja Ereignisse ihrer ältesten Vergangenheit. Herodot behandelt einzelne Mythen der Vorzeit kaum anders als Begebnisse seiner eigenen Gegenwart, Thukydides betrachtet den trojanischen Krieg mit kritischem Blick als geschichtliche Wirklichkeit, und Aristoteles berücksichtigt bei der V erfassungsgeschichte der Stldte und Insdn auch die ältesten Überlieferungen aus heroischer Zeit. Daß Ephoros, ein Geschichtsschreiber des vierten Jahrhunderts, in seiner Universalgeschichte erst mit der dorischen Wanderung einsetzt, beweist nicht, daß er dem heroischen Zeitalter keine geschichtliche Wirklichkeit beimaß; es hat seinen Grund vidmehr, wie überliefert ist, darin, daß er für sein ohnehin breit angelegtes Werk die schwierige Arbeit vermeiden wollte, aus den vielfach verschlungenen und dichterisch ausgeschmückten Mythen die historische Wahrheit auszusondern. In überraschender Weise wurde die Vorstellung der Griechen von ihrer schicksalsreichen großen Vergangenheit, die man im christlichen Zeitalter meist nur für das Phantasiespiel eines kindlichen Volkes hielt, durch die Ausgrabungen, die mit Schliernann ihren Anfang nahmen, bestätigt. Trümmer von Palästen, Griber, Waffen, Gefißc und Schmuckstücke aus dem dritten und zweiten vorchristlichen Jahrtausend, also aus dem mythischen Zeitalter

vor der dorischen Wanderong, bezeugen, daß es schon damals auf dem griechischen Festland, auf den Inseln und an der Küste Kleinasiens eine hochentwickelte Kultur gab, mit ausgeprigten und oft schon außerordentlich verfeinerten Lebensformen, ja, daß sogar mehrere « mythische • Kulturepochen der geschichtlichen Zeit der Griechen vorangegangen waren. Wieviel Wahrheit den griechischen Mythen zugrunde liegt, zeigt sich vornehmlich auch darin, daß gerade die im Mythos berühmten Landschaften und Städte sich durch einen besonderen Reichtum von archiologischen Funden auszeichnen, daß Mykene und Tiryns, Orchomenos und Theben, Kreta und Troja sich auch den Ausgribern als Kulturzentren jener frühesten Zeit erwiesen. Da außer spirlichen Nachrichten der Nachbarlinder schriftliche Urkunden aus jener Zeit nicht erhalten oder nicht entziffert sind, bleiben zwar viele Lebenserscheinungen, die nur durch das Wort deutlich werden, unbekannt; aber schon die stumme Überlieferung von Steinen und Geraten führt zu der unausweichbaren Erkenntnis, daß die Erbauer von Palästen wie solchen von Mykene und Tiryns nicht in primitiver Barbarei lebten, sondern einer hohen Kulturstufe angehörten, daß vor allem die Kultur Kretas in ihrer Anmut und Zartheit Ausdruck später V erfeincrung, nicht etwa anfänglicher Roheit ist. Archäologisch wird diese Kultur, die man zusammenfassend die ägäische zu nennen pflegt, weil sie die Küstenlinder und die Inseln des ägäischen Meeres umfaßt, in zwei Epochen geteilt, benannt nach den bedeutendsten Ausgrabungsstätten, Kreta und Mykene. Auf Kreta, wo die ersten Spuren menschlichen Lebens, die sich fanden, auf das Jahr 3000 weisen, entwickelte sich sehr früh schon eine eigene Kultur, die bereits gegen 2000 eine hohe Stufe erreicht hat und von 16oo-1400, in ihrer Blütezeit, die .Ä.gäis beherrscht. Die Bewohner der fruchtbaren und durch ihre Lage vor feindlichen Einfällen geschützten Insel konnten schneller und leichter als die meisten anderen Bewohner der .Ä.gäis zu einem höheren Bildungsgrad und zu einer Eigenkultur gelangen. Hier zuerst finden wir Städte; große Paläste entstanden, kunstvoll angelegt, mit Treppen, Lichtschichten, Wasserleitungen, Vorratsmagazinen und Prunkgemächern; hier stiegen jene erlesenen Fres37

kcn und Stuckrclicfs an das Licht, die kostbaren Gctaßc und Schmuckstücke, die uns die Höhe der kretischen Kunst zeigen. Die häufigen Erdbeben und Vulkanausbrüche, welche die Insel heimsuchten, mochten es wohl mit sich bringen, daß die Kreter in bewußtem V erzieht auf Dauer und Monumentalität ihre Kräfte ganz der Gegenwart zuwandten. Ihre vornehmlich malerische Kunst zeichnet sich durch Lebendigkeit und Beweglichkeit und durch die Weichheit der Farben und Formen aus. Die Darstellung von Kulthandlungen und Göttern enthält keine grauenerregenden Züge, keine furchtbaren Riten, keine häßlich-verzerrten Gestalten. W~d Bilder aus dem Kriegsleben fast ganz zurücktreten, werden Feste, vor allem das beliebte Sticrspiel, Tänze und Opferfeiern oft dargestellt. Hierin zeigt sich -der musische Charakter dieses kleinen Inselvolkes, das sich neben den uralten Kulturzentren im Orient und in Ägypten eine eigene Kunst und Kultur geschaffen hatte. Die Kreter besaßen auch eine eigene Schrift, ursprünglich eine Bilderschrift, zu der wahrscheinlich Ägypten sie angeregt hatte, gegen 16oo jedoch eine Linearschrift. Gewiß gab es bei den Kretern auch Gesänge und Dichtungen, da Kitharaund Flötenspieler auf dem Sarkophag von Hagia Triada dargestellt sind. Im Homerischen Apollonhymnos sind es die Kreter, die den ersten Päan singen. Kreta scheint vor allem durch seine Überlegenheit zur Sec und seinen Handel mächtig geworden zu sein. Bis nach Ägypten und nach Kleinasien wurden kretische Gefäße ausgeführt. Die Bewohner der Kykladcn waren wahrscheinlich den Kretern unterworfen, und auf dem griechischen Festland - mit Ausnahme Thcssaliens war seit 1600 die kretische Kultur vorherrschend, wobei wir nicht wissen, ob Kreta, worauf manche Sagen hindeuten, auch politisch Teile Griechenlands beherrschte, oder ob die Bewohner des Festlandes freiwillig die höhere Kultur Kretas übernahmen. Wir wissen nicht einmal, ob Kreta selbst politisch geeinigt war; seit 1 600 hat zwar Knossos den Vorrang, aber auch in anderen Städten gab es mächtige Paläste, und nirgends findet sich ein Anzeichen dafür, daß der Herrscher von Knossos eine absolute Machtstellung einnahm. Wie die künstlerische Leistung der Kreter in den Daidalossagcn, so mag die Vollkommenheit ihrer politischen Einrichtungen

in den Sagen von Minos und seinen gerechten und weisen Satzungen Dllchkliogen. Aber nicht nur in Sagen lebte die heiter festliche Kultur Kretas fort, sondern auch durch die Wirkung, die davon ausging, zunächst auf die mykcnische Kultur und dann, durch diese vermittelt, auf das Hellas der Blütezeit. Schon um 16oo muß es in Mykene, in Tiryns und in anderen Städten des Festlandes mächtige Herrschergeschlechter gegeben haben, wovon vor allem die Sehachtgräber Mykencs mit ihrem reichen Goldschatz, den Goldgcflßcn und goldnen Masken, zeugen. Aber erst um 1400, als die Paläste ·Kretas, sei es durch die Mykener, sei es durch andere Völker zerstört wurden und an seiner Stelle nun die Bewohner des gricchlschen Festlandes, vor allem der Argolis, die Ägiis beherrschten, verbreitete sich die mykcnische Kultur, und mykenische Gefäße gelangten nun, wie vormals die kretischen, bis nach Ägypten und an die syrische Küste bis Palästina. Freilich erwies sich die kulturelle Kraft Kretas als so stark, daß es zu keinem Bruch, keinem Abreißen der künstlerischen Tradition kam; die Darstellung von Gottheiten und kultischen Handlungen aus mykenischer Zeit lehrt, daß nicht nur im Handwerklichen, sondern auch im Geistigen die Kultur, die sich zuerst auf Kreta entfaltet hatte, in mykenischer Zeit fortbestand. Die mykenische Kultur ist allerdings nicht nur in der iußcrn Anlage der Paläste, sondern auch im Wesen von der kretischen unterschieden. Es mag sein, daß Stimme aus dem nördlichen Balkan, die eine andere, eine indogermanische Sprache redeten, schon um das Jahr 2000 eingedrungen waren. Die Unterschiede der mykenischen Kultur gegenüber der kretischen erkliren sich am leichtesten durch die Einwanderung neuer Stimme, die mit den Ureinwohnern Griechenlands durch eine leibliche und geistige Mischung zu einer neuen Einheit zusammenwuchsen und wahrscheinlich auch die Sprache, die wir als griechische kennen, hervorbrachten. Die mykenische Kultur spricht von einem schwereren, ernsteren Leben. Die kühngebauten Kuppclgriber und die • kyklopischen II Mauem aus wuchtigen Steinblöcken von solcher Größe, daß man schon im Altertum glaubte, nicht Menschen, sondern Riesen bitten sie aufeinandergetürmt, sind die Wahrzeichen 39

dieser Zeit. Gewaltige, gewiß auch gewaltsame Menschen machten in stolzem, eigenwilligem Herrschertum die Bevölkerung zu einer dienenden Menge. Im Gegensatz zu Kreta sind die Paläste befestigt, Kampf- und Jagdszenen werden hiufig dargestellt und gerade die Waffen mit reichstem Schmuck bedacht; dies alles zeigt, was auch die Sagen von den wilden Klmpfen um Tiryns und Mykene, um Theben und Troja bcstitigen, daß nun ein vorwiegend kriegerisches Zeitalter angebrochen war. Wie weit M ykene selbst, die gewaltigste der Burgen jener Zeit, den Vorrang hatte, ob die Könige von Mykcne über die Argolis, über den Peloponncs oder noch über weitere Bereiche herrschten, wissen wir nicht. Es ist wahrscheinlich, daß das mykenische Herrscherhaus wenigstens zeitweilig eine solche Obergewalt besaß wie der Agamemnon Homen, der gegenüber den anderen Königen zwar nicht als absoluter Herrscher, aber doch als primus inter parcs auftritt. Einheitlich war die mykcnische Kultur vom Peloponnes bis nach Nordgriechenland hin verbreitet. Sogar Thcssalien, das lange Zeit zurückgeblieben und der südlichen Kultur verschlossen gewesen war, kam nun unter mykenischen Einfluß. Im ganzen Bereich der Agiis gab es damals nur eine einzige Stadt, die an Macht und Reichtum Mykene gleichkam: Troja am Hellespont. Zugleich mit Mykene - um 16oo- war Troja, das vorher schon einmal zcntört worden war, aufgeblüht; es stand außerhalb des mykenischen Kulturbereiches, aber in Troja gefundene mykenische Scherben zeigen, daß llngere Zeit hindurch ein friedlicher Verkehr Troja mit Mykcne verband bis zu jenem großen Krieg am Anfang des zwölften Jahrhunderts, der das Ende bringen sollte, nicht nur für Troja, sondern auch fur Mykene und die ganze mykcnische Kultur.

* Wann zuerst die Stimme, welche vermutlich den besonderen Charakter der mykenischen gegenüber der kretischen Kultur hervorgebracht haben, auftraten, woher sie ·kamen, welche Stufe der Gesittung sie erreicht hatten, bevor sie sich mit den vorgricchischen Stimmen mischten, wissen wir nicht. Die Ureinwohner Kretas und der übrigen Inseln wie auch die des griechischen Fest-

Iandes, welche die Alten Pelasger oder Lcleger oder Karcr nannten, waren - dies verraten schon die Ortsnamen - mit cioaoder und mit klcioasiatischen Völkern verwandt und sprachen nicht griechisch. Es müssen also einmal anders sprechende Stimme eingedrungen sein und sich mit den Urbewohnem von Hellas gemischt haben, so daß die Sprache der Neueinwandemden herrschend wurde. Wie bildend aber die Kultur, die in der Agiis unter der Führung von Kreta aufgeblüht war, auf die Neueindringenden einwirkte, das zeigt sich darin, daß die meisten Götter- und Heroeooamen, daß Worte wie Basileus und Thalassa, wie Kithara, Phorminx, Syrinx der vorgricchischen Sprache entstammen, und daß darüber hinaus auch die einzigartige Durchbildung und klangliche Schönheit des Griechischen, wie ein französischer Sprachforscher nachwies, dem Pelasger-Einßuß zu danken ist. Aus einer Mischung und V erschmclzung also, deren einzelne Stufen uns nicht mehr greifbar sind, gingen die Griechen hervor. • Es ist•• wie Nietzsche sagt, • ein ganz noklarci: Begriff, von Griechen zu reden, die noch nicht in Griechenland lebten. Das eigentümlich Griechische ist viel weniger das Resultat der Anlage als der adoptierten Institutionen und auch der angenommenen Sprache. • Die Griechen selbst, mit Ausnahme der Dorer, fühlten sich trotz all der fremden Stämme, die, wie sie wußten, ihr Land überflutet und sich mit den Ureinwohnern verschmolzen hatten, als Nachkommen der Pelasger. Oft kehren die Sagen wieder, daß der erste Mensch einer Landschaft - Phoroncus in Argos - Sohn eines Gottes und einer Ortsnymphe oder des Flußgottes ist. Ausdrücklich nannten sich die Stimme, die, wie sie meinten, von der dorischen Wanderung unberührt geblieben waren, Autochthonen, aus dem Land selbst Stammende, und gerade die Athener waren stets stolz darauf, ein solches Urvolk zu sein; sie glaubten, wie Herodot erzählt, daß die dorische Wanderung an ihnen vorbcigctlutct sei, daß sie Pelasger seien und nur die Sprache von ihrer Umgebung angenommen bitten. Die Griechen wußten, daß eine nicht griechisch sprechende Bevölkerung ursprünglich Griechenland bewohnt hatte, und gerade diese, nicht die Einwanderer, welche die neue Sprache mitbrachten, die sich auf ihrem Boden zur griechischen Sprache entwickelte, ehrten sie als ihre V orfahrcn. 41

Dies Bewußtsein, Autochthonen zu sein, hat die Griechen nicht gehindert, die Erinnerung an Einflüsse und Einströmungen anderer Kulturvölker, die in früher Zeit zu ihnen gedrungen, zu bewahren. Zwei Völker vornehmlich werden genannt, denen die Griechen in ihrer Frühzeit Wichtigstes zu verdanken glaubten: die Agypter und die Phoinikier, die einzigen, die auch späterhin niemals zu den Barbaren gezählt wurden. Herodot berichtet von dem Einfluß der Agypter auf die frühgriechische Religion, und in der Danaidensage kommt die Vermischung ägyptischer Frauen mit den Argivem zum Ausdruck. Die nahe Beziehung zu Agypten ist auch von den archäologischen Funden bestätigt worden: igyptische Schmuckstücke haben sich in Kreta und M ykene, kretische und mykenische Gcfaßc in Agypten gefunden, und zwar fast durchgehend während all der Jahrhunderte der ägäischen Kultur, so daß sie die Hauptstütze für die Chronologie der kretisch-mykenischen Zeit bilden. Die Tatsache, daß die Kreter und die Bewohner der mykenischen Kulturzentren in stetem V er kehr mit den Agyptern standen, wo ihnen eine um mindestens ein Jahrtausend ältere Kultur entgegentrat, genügt, um die Aussagen Herodots über die Einwirkung Agyptens zu bestätigen. Auch das Bewußtsein, daß Griechenland in früher Zeit mit Kleinasien eine Einheit gebildet hatte, lebte in verschiedenen Sagen fort. So glaubte man, Pclops, der Begründer der Pclopidenherrschaft im Pcloponncs, sei aus Kleinasien gekommen. In gleicher Weise hat die griechische Überlieferung, vor allem die Sage von dem Kulturbringer Kadmos, die vielfachen Beziehungen mit den Phoinikiem festgehalten, die wahrscheinlich schon in spitmykenischer Zeit vereinzelte Siedelungen, Handelsfaktoreien in Griechenland hatten, und von denen jedenfalls schon damals die Griechen die Buchstabenschrift übernahmen. Wie sehr sie die Phoinikier als ihre geistigen Ahnen ehrten, geht auch daraus hervor, daß sie an den allgcliebten Tyrannenmördem Harmodios und Aristogeiton hervorhoben, sie stammten als Gephyraier von den phoinikischen Begleitern des Kadmos ab. Auffallend ist nun, daß, während diese von Osten kommenden und kulturbringenden Einflüsse so treu bewahrt wurden, nach Norden nur eine einzige Sage weist, die Sage von den Hyper-

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boreem, deren zwei nach Griechenland gekommen und auf Delos gestorben seien. In dieser Sage lebt wohl die Erinnerung an eine alte Handelsstraße fort, die bis an die Ostsee ging und der Be-schaffung von Bernstein diente; es ist eine Sage, die wohl deshalb so berühmt geworden ist, weil auf Delos einerseits ein Handelszentrum besonders für Bernstein war, andrerseits ein Apollonkult bestand, was die Phantasie der Griechen zu jener schönen Vorstellung befeuerte, daß Apollon selbst auf seinem Schwanenwagen zuweilen das Land der Hyperboreer, die den Bernstein spendende Ostseeküste, besuche. Die Überlieferungen der Griechen also wissen viel von der älteren, noch nicht griechisch sprechenden Urbevölkerung zu erzählen, viel auch von Kulturbringern und von Einwanderungen aus dem Orient und aus .Ägypten. Eine Erinnerung jedoch, daß Stämme einst aus einer Gegend, die nördlich der Balkanhalbinsel lag, zu ihnen kamen, daß gar diese Stämme die eigentlichen Griechen gewesen seien, findet sich bei ihnen nicht. Da nun die griechische Überlieferung, wie man weiß, alles auch nur im gc-ringstcn geistig Bedeutsame sorgf'"altigbewahrt, so muß man aus ihrem Schweigen über die nordischen Stämme entnehmen, daß diese eine kulturell entscheidende Rolle niemals gespielt haben. Wire wirklich eine • nordische Herrenschicht » Triger der mykenischen Kultur gewesen, so bitte sich etwas davon im Bewußtsein der Griechen erhalten müssen.

* Unmittelbar nach dem troischen Krieg, schon vor der dorischen Wanderung, zeigt die mykenische Kultur, wie wir aus den erhaltenen Vasen und Waffen ersehen, Spuren der Erschöpfung, und es mag wohl nicht nur an der kriegerischen Überlegenheit der Dorer gelegen haben, daß diesmal nicht wie bei früheren Einwanderungen die eindringenden Stämme sich assimilierten, sondern ihrerseits die Bevölkerung, die sie vorfanden, vertrieben oder unterwarfen. Von Norden, wohl aus Illyrien, zogen anfangs des elften Jahrhunderts die vielleicht erst später Dorer genannten Stämme südwärts und vernichteten die mykenischen Reiche. Um 43

das Jahr 1050 wurden die Pallste der Argolis, die Zentren der mykenischen Kultur, zerstört. Wahrscheinlich ist ein längerer Zeitraum vergangen, bis die Dorer Herr über einen Teil von Griechenland wurden. Die Sage von der Rückkehr der Herakleiden, in der die dorische Wanderung mythisch ausgedrückt wird, zeigt, daß die Einwanderung erst allmihlich und nach mehreren Vorstößen gelang. Damals wechselte fast jede griechische Landschaft und jede Insel einmal oder mehrmals ihre Bevölkerung, und bei den unaufhörlichen Wanderungen und Beunruhigungen vermochten sich keine Staatswesen, die auf sicherndem und gesichertem Recht begründet sind, zu bilden. Im Verlauf dieser Zeit wurde auch die Besiedelung der kleinasiatischen Küste durch Äoler, Ionier und Dorer vollendet. Schon unmittelbar nach dem troischen Krieg hatte sie begonnen, erst durch wenige und vereinzelte Vorstöße, dann unter dem Druck der dorischen Eindringlinge in immer größerem Umfang, bis schließlich die Inseln und die Westküste Kleinasiens griechisch wurden. Was im einzelnen während dieser Zeit vorging, können wir nicht ermitteln, schon die Griechen wußten es nicht mehr. Wir müssen uns mit der Tatsache begnügen, daß im Lauf des elften Jahrhunderts sich das Bild von Hellas völlig veränderte. Um das Jahr 1000 scheinen dann all jene Bewegungen ein Ende gefunden zu haben; aber auch während des zehnten und neunten Jahrhunderts waren die Verhlltnisse im ganzen hellenischen Bereich derart, daß sich ein höheres Leben nicht entfalten konnte. Es sind die dunklen Jahrhunderte, von denen so gut wie keine Kunde auf uns gekommen ist, von denen es keine Sage mehr und noch keine geschichtliche Überlieferung gibt, und auch die Ergebnisse der Ausgrabungen weisen auf eine völlige Brache. Geometrische Gcfiße, die Hauptmerkmale der auf die dorische Wanderung folgenden Epoche, waren sporadisch zwar schon nach dem troischen Krieg, im zwölften Jahrhundert, aufgetreten, und auch die mykenischen Gcflße waren schon damals kunstloser geworden und hatten sich geometrischen Formen angenähert. Alles aber, was an archäologischen Funden aus der Zeit nach der Wanderung, also dem zehnten und neunten Jahrhundert, stammt, ist Zeichen 11 äußerster Primitivität: ein vollkommenes Zurückgesunkensein 44

gegenüber der krctisch-mykcnischen Kunst 1. An. die Stelle der großartigen Steinbauten treten nun dürftige, primitive Hütten. So weit es Tempel gibt, sind es rohe Holzgebiude. Kleinplastik und Gefäße der Griechen jener Zeit sind kaum von den Schöpfungen barbarischer Völker zu unterscheiden. Es fehlen die edlen Metalle, es fehlen die kunstvollen Goldgefäße; statt Bronie wird Eisen verwendet. Man pßegt diese Zeit die geometrische zu nennen, weil die Tongefäße keinen andern Schmuck tragen als geometrische Muster. Mit Dreiecken, Zickzacklinien, Kreisen und anderen ähnlichen Ornamenten sind die Vasen übersät, und nirgends findet sich mehr die aus freier Hand gezogene Linie des Künstlers. Auch die wenigen Tiere, die damals dargestellt wurden, und die - nur auf attischen Vasen vorkommenden - Menschen sind in geometrische Formen eingezwängt. Mythische Darstellungen fehlen ganz, und nicht wie von den mykenischen und spiteren griechischen können wir von den frühgeometrischen Vasen ablesen, was die Menschen jener Zeit bewegte. Auch in den Gegenden, in welche die Dorer nicht eindrangen, wie in Attika, herrschte der geometrische Stil, und der durchaus lokale Charakter aller Erzeugnisse dieses Zeitraumes zeigt, daß V er kehr und Handel zum Stillstand gekommen waren. Nur durch einen einzigen Menschen ist diese Zeit, die Zeit des geometrischen Stils, zu Wort und Klang geworden, durch Hcsiod, der am Ende der dunklen Jahrhunderte, aber schon zu einer Zeit lebte, als höhere Gesittung und die Erinnerung an die alte mykcnische Kultur eben wieder erwachten. Hesiod, in dem der Schrekken vor der Wüstheit und Roheit jenes Zeitalters noch nachklingt, entwirft ein ergreifendes Bild von jenem gesetzlosen Geschlecht, das zu jedem Frevel, jeder Niedrigkeit, jeder Untat bereit sei, das die Gerechtigkeit nicht mehr kenne, das sogar die heiligsten Satzungen, sogar die Gastfreundschaft, sogar die Ehrfurcht vor den Eltern unbedenklich verletzt, ein Geschlecht, wo jeder mit jedem in Feindschaft lebe, jeder des anderen Stadt zerstöre. Erschütternd ist die Klage des Dichters, dem ein höheres Leben nur in der Homerischen Dichtung, nur in einer früheren Epoche entgegentrat, von der er nur hoffen konnte, daß Ahn.liebes einmal wiederkehre; er verwünscht den Zeitpunkt seiner Geburt: früher

als das eiserne Geschlecht oder später, so sagt er, hätte er leben wollen. Die Griechen der geschichtlichen Zeit haben diesen Einschnitt, dieses Enden und Neubeginnen selbst empfunden, und die Einsicht in Schicksalsgesetze, die Erkenntnis, daß • alles von Natur bestimmt ist, auch wieder geringer zu werden », welche ihre Denkweise kennzeichnet, mag zum Teil dem Erlebnis dieser gewaltsamen Erschütterung entstammen, dem Bewußtsein, daß ein Abgrund sie von dem Herocnzcitalter trennt. Der Glauben an die Dauer der einmal erreichten Höhe oder gar an Fortschritt lag ihrem Denken fern: • Kleine und große Städte der Menschen durchzog ich 11, sagt Herodot, • viele, die ehemals groß waren, sind klein geworden, die aber zu meiner Zeit groß sind, waren ehemals klein.• Und Pindar:

P1111s,Jos schmkt nkht der sclnvarze S,hoß der G,bännden Frikht,, Bä111111 v1r111ög1n z11tragm Nkht allt Zeiten desJahres Bliit,n voll D11ftin glti,h,111Üb1rft11ß. SOIIIKhi111.A,if' ,mJ Ab Fiihrt sein, Bahn st,rblkh G,uhl"ht Moira. Erst im achten Jahrhundert begannen, unter dem Einfluß des Orients, die schöpferischen Kräfte der Griechen wieder zu erwachen, zuerst in Kleinasien, wo Nachkommen der Träger der mykenischen Kultur lebten. Orientalische Motive lösen die geometrischen Muster ab; aus .Ägypten kam die Anregung zur Steinplastik, auch steinerne Tempel erstanden nun, und die Dorer, die sich inzwischen allerorten, besonders in Sparta, mit der ilteren Bevölkerung gemischt hatten, wirkten jetzt mit an der Schöpfung hellenischer Lebensformen. Das primitive, ungenähte Gewand der Dorer wird nun zum schön gegliederten Peplos, primitiver Zickzack wird zum fortlaufenden rahmengebenden Mäander. Diese neue hellenische Kultur knüpft an das untergegangene Zeitalter von Kreta und Mykene an. Die mykenische Kultur, die von einzelnen mlchtigen Herrschern ausging, die durch zahl-

reiche und blutige Kämpfe erschüttert wurde, hatte, trotz der Pracht, trotz der reichen und prunkenden Lebensformen noch vielfach wilde und rohe Züge getragen. Noch fehlte die beseelte Geistigkeit, die glühende Andacht vor der menschlichen Gestalt, die Schicksalsfrömmigkeit, wodurch die Griechen der geschichtlichen Zeit diejenigen wurden, die der Dichter preist:

Die ihr in fkisrh ,md in ,,z 111111/er dem mens,h/11111 gejorml. Daß aber die spätere Vollendung ihre Grundlage in dem hat, was

in jener Frühzeit gebändigt und errungen worden, das zeigt sich zunächst schon darin, daß die griechischen Tempel die Grundform der mykenischen Herrenhäuser haben, und daß, wo Sticlte auf den alten Siedlungen entstanden, in Athen, in Korinth, in Theben, der Tempel an der Stelle steht, wo in der mykenischen Zeit das Herrenhaus stand. Auf der Akropolis, unter den Tempeln, fand man die Grundmauern des mykenischen Palastes. Ganz besonders aber zeigt sich das Fortleben der krctischmykenischen in der historisch-griechischen Zeit im Mythos. Die Unterbrechung zwischen der neuen und der alten Kulturzeit ist bei diesem glücklichen Volke kein unheilbarer Bruch. Als auf griechischem Boden nach den kriegerischen Wirren und Wanderungen Ordnung, Frieden und Gesittung und mit ihnen Dichtung und Kunst in den neugegründeten Staatsgebilden, den Stidtcn, wieder erwachten, lebte die Erinnerung an eine schon früheT einmal dagewesene geordnete Welt, an die krctisch-mykenischc Kultur als Mythos fort. Die Sagen und Geschichten aus dem heroischen Alter hatten sich, wie wir erwähnten, bewahrt, wie auch manche alten Kulte die dunkle Zeit überdauert hatten.

* Man könnte nun meinen, und viele Forscher haben es angenommen, daß die Homerische Dichtung am Neubeginn der historischen Zeit, also kurz vor oder gar erst nach Hesiod entstanden sei und den noch fortlebenden Mythos der alten Zeit neu gestaltet habe. Wir müssen zu dieser These zunichst Stellung nehmen.

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So wie sich sieben Stidte darum gestritten hatten, Homen Geburtsstadt zu sein, so erheben fünf venchicdcne Zeitalter den Anspruch, Homer hervorgebracht zu haben. Wihrcnd einige behaupten, Homer sei der Zeitgenosse der Ereignisse gewesen, die er schildert, er habe also wie ein Phemios an mykcnischen Höfen zur Zeit des trojanischen Krieges gesungen, versetzen ihn andere in die Zeit des Pcisistratos; aber auch in die anderen zwischen diesen lußcrsten Polen liegenden Zeitabschnitte hat man Homers Lebenszeit verlegen wollen: in das Ende der mykenischen Zeit und den Beginn der dorischen Wanderung, in die I dunklen Jahrhunderte •• die darauf folgten, und in die Zeit nach 800, da die griechische Kultur neu erwachte. Von diesen Thesen sind die ersten beiden kaum einer ernsthaften Betrachtung wert. Homer kann nicht zur Zeit des troischen Krieges gelebt haben, da überall, wie wir gleich sehen werden, die Spuren einer Übergangszeit in den Epen sich finden, die der Dichter um 12.00 noch nicht bitte bemerken können, und da vielfach, was dasEpos erzihlt, im Tone einer schon versunkenen Herrlichkeit geschildert wird. Homer kann aber auch nicht zur Zeit des Pcisistratos, überhaupt nicht nach Hcsiod, also gleichzeitig mit den ersten Lyrikern oder gar nach ihnen gelebt haben, da sowohl bei Hcsiod wie auch bei den Lyrikern der Einfluß der Homerischen Dichtung unverkennbar ist und auch die griechische Überlieferung Homer als den iltcsten Dichter bezeichnet. Setzt man sich, wie moderne Philologen es oft mit Vorliebe und Leichtigkeit tun, über jede antike Überlieferung hinweg und hilt sich nur an Stil und Ton, so kann man die Homer verwandten Züge in der griechischen Dichtung auch darauf zurückführen, daß Homer von dieser Dichtung bccinßußt worden sei, und kann ihn in die Zeit des Peisistratos, ja man könnte ihn schließlich auch in die Zeit des Euripidcs setzen. Wenig wahrscheinlich ist es auch, daß Homer während der dunklen Jahrhunderte gelebt habe, in der düstersten Epoche der griechischen Geschichte, da in dieser Zeit auf irgend einer Oase, auf irgend einer Insel eine Pßege der Tradition vielleicht sich erhalten haben kann,eine so umfassende Bildung aber, wie sie die Epen voraussetzen, eine solche geographische und historische

Kenntnis der gesamten ägiischen Welt in einer Zeit, wo, wie wir sahen, der Verkehr der Städte, Staaten und Linder untereinander fast ganz eingeschlafen war, niemandem zuginglich sein konnte. Außerdem spricht gegen diese Annahm~ schon derselbe Gesichtspunkt, der auch die weitere These widerlegt, nach der Homer um 800 gelebt haben soll, der Gesichtspunkt nimlich, daß in diesem Fall der Dichter bewußt archaisiert haben müßte, daß er mit der historischen Akribie eines Alexandriners die in den Schacht dunkler Jahrhunderte versunkene Vergangenheit wieder heraufgczaubcrt habe. Eine solche ausführliche Beschreibung der mykcnisch~ Kultur mit allen für sie typischen Kennzeichen, wie sie in den Homerischen Epen sich findet, ist in der auf jene dunklen Jahrhunderte folgenden Zeit nicht anders denkbar, als durch ein konsequent durchgcführtcs Archaisicrcn; daß aber ein Dichter in seinem gesamten Werk durchweg archaisiere, ist uns weder aus der griechischen noch auch aus moderner Dichtung bekannt. Kein Dichter hat je von einem für ihn lang versunkenen Zeitalter ein so lebendiges, bis ins Einzelne gehendes, in jedem Zug richtiges Kulturbild entworfen. So bewußtes Historisieren widerspricht dem Wesen des Dichters. Selbst wenn wir von dem entscheidenden Grund, der dagegen spricht, absehen wollen, von der Frage, wie Homer in der armen und grausamen Zeit, die wir aus Hcsiod kennen, zu all den großartigen und liebenswerten Gestalten, zur Kenntnis all jener humanen Sitten kam, die er darstellt, und die selbst der erfindungsreichste Dichter nicht aus freier Luft erdichten kann, wie bitte Homer all diePalistemit ihrem Schmuck, all die Gctite, Gcfiße und Waffen, wie bitte er die Lebensweise und die Kampfarten der mykcnischen Zeit so ausführlich schildern können, wenn er nichts Derartiges mehr gesehen bitte. Im 11 ., 12. und 13. lliasgcsang sind-wie zumeist angenommen wird-Altere Stücke von Heldenliedern enthalten, die Homer aufgenommen hat. Nun ist aber das Merkwürdige, daß Homer in allen übrigen Teilen seiner Dichtung von diesen Stücken sich wohl im dichterischen Sehen und menschlichen Gehalt, in allem also unterscheidet, was das innere Wesen der Kultur ausmacht, keineswegs aber in der Außcrcn Kultur, woraus sich der Schluß ergibt, daß Homer einen Umkreis höherer Gesittung gesehen oder selbst um sich

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geschaffen haben muß, mit dem er einen lltercn Stoff, den er in sein Epos aufnahm, durchdrang, nicht aber in einer anderen Kulturepoche als der, aus der er seinen Stoff nahm. gelebt haben kann. Am wahrscheinlichsten scheint uns daher die These, die nun von den möglichen Annahm~o über die Lebenszeit Homers allein noch übrig bleibt, die These, daß Homer am Ende der mykcnischen Zeit, anderthalb Jahrhunderte etwa nach dem troischen Krieg, gelebt hat. Und dies wurde auch schon bei den Griechen vielfach angenommen. Die beste uns erhaltene Lebensgeschichte Homers, die im Altertum Herodot zugeschrieben wurde, und Aristoteles wie auch der große Alexandrinische Homer-Forscher Aristarch stimmen darin überein, daß Homer am Beginn der ionischen Wanderung gelebt habe, also am Ende des heroischen Zeitalters, als die aus dem Peloponncs vertriebenen Ionier über Athen und die Inseln zu der Küste Kleinasiens zogen. Übereinstimmend und schon aus sehr früher Zeit wird überliefert, daß Homer auf los gestorben und dort begraben sei, und es mag sein, daß, wie von manchen Gestalten des mythischen Alters, auch von dem Dichter, der es verherrlichte, das Grab die einzige Stitte war, an die sich eine persönliche Erinnerung knüpfte. In den dunklen Jahrhunderten nach der dorischen Wanderung riß, wie gesagt, jede Überlieferung ab, und daraus erklärt es sieb hinreichend, warum den Griechen so gut wie nichts vom Leben ihres größten Dichters bekannt war. Die Homerischen Epen scheinen 7.unäcbst auf den Inseln und in Ionien gewirkt zu haben und durch Singerschulen verbreitet worden zu sein. Die llteste dieser Schulen war die der Homeriden auf Chios; diese nannten sich Nachkommen Homers, und es ist möglich, daß ihnen die Bewahrung der Homerischen Dichtung zu danken ist. Auf ein von ihnen verfaßtes Gedicht geben wahrscheinlich die lltcsten erhaltenen Berichte über das Leben Homers zurück. Aus diesen Berichten erfahren wir zwar mehr über die früheste Wirkung Homers und die Geschichte des epischen Heldengesanges als über Homer selbst. In einzelnen Zügen jedoch deutet die schon erwihnte Vita Homers, welche uns unter dem Namen des Herodot

überliefert ist, auf ein hohes Altertum, auf die spltmykcnische Epoche hin. In diese Zeit versetzen wir daher aus den oben angeführten Gründen das Leben Homers. Als altertümlich, wie eine Erzählung aus mythischer Zeit, muß schon die Nachricht gelten, daß Homers Vater ein Flußgott gewesen sei. Dies erinnert an jenen alten Brauch, den öfters die llias erwähnt, daß das erste Kind nicht von dem rechtmißigen Gatten, sondern vor der Ehe geboren wurde und daher Sohn des Flußgottcs des Landes oder eines anderen Gottes, wie z.B. des Hermes oder des Ares, genannt wurde. Gerade so, wie in der llias die Frauen oft erst nach der Geburt des ersten Sohnes heiraten, heiratet auch die Mutter Homers, Krethcis, erst nachdem sie Homer, den Sohn des Flußgottcs Melas, geboren hat. Für Aristoteles, der die Überlieferung ehrt, ist der Vater des Dichters ein 't"6>V ovrxopwrC>v -ra.'Lt.; Mouaa.r.t;). Muscngcist (31dµ.Ct>v Altertümlich ist auch die Schilderung, welche die Vita von der Lebensweise Homers gibt, von seinen Beziehungen zur Umwelt. Nicht wie Alkman, Anakreon, Pindar, von den Mächtigen seiner Zeit berufen und geehrt, nicht wie die Sänger, die er selbst erwähnt, Dcmodokos oder Phemios an Fürstenhöfen lebend, nicht wie die Rhapsoden von Stadt zu Stadt wandernd, um an den Festen seine Gesänge vorzutragen, und auch nicht in einsamer lindlicher Stille wie Hesiod verbrachte nach jener Vita Homer sein Leben, sondern auf unaufhörlichen Wanderungen, ohne eigentliche Heimat, ohne eine bestimmte Wirkungsstätte, fern von aller Öffentlichkeit, nur bei Freunden länger verweilend. Dieses Wanderleben hatte es wohl auch zur Folge, daß der Geburtsort des Dichters nicht aus seinen Werken zu erschließen ist. Wir können den einander widersprechenden Berichten der Griechen nicht einmal entnehmen, ob der Dichter in Kleinasien, auf den Inseln oder auf dem griechischen Festland beheimatet ist. Wenn Homer öfter als Lehrer von Knaben auftritt, so mag dies vielleicht eine Erinnerung an frühe Sängerschulen sein. Von dem Ruhm, der später diesem Dichter wie keinem andern zuteil werden sollte, weiß die Vita nichts zu erzählen. Immer wieder läßt sie Homer als einen fut Unbekannten auftreten, in all den zahlreichen Städten, auf all den Inseln, zu denen seine Wanderungen ihn führen. So weisen

diese Züge auf das Ende der mykcni.schen Zeit, als die bestehende kulturelle Ordnung zwar noch nicht versunken war, aber doch schon sich aufzulösen begann. Und auf die Annahme dieser Lebenszeit kommen wir nun auch, wenn wir die Epen selbst befragen und zunichst die Stellen uns vcrgegenwirtigen, in denen der Dichter ausdrücklich oder andeutend seine eigene Zeit erwihnt. Die Kontrastierung einer schwichercn Gegenwart mit einer größeren Vergangenheit ist ein Thema. das in der Ilias sowohl wie in der Odyssee immer wieder aufklingt. Die Kimpfer der Ilias nennen sich selbst schwächer als die früheren. Nestor, der drei Generationen erlebte, rühmt stolz die überlegene Kraft der Gcfihrten und Gegner aus den Tagen seiner Jugend. und Odysscus nennt sich den besten Bogenschützen. jedoch nur unter seinen Zeitgenossen und betont ausdrücklich, daß er mit den Früheren sich nicht messen möchte. Herakles' Riesengestalt überschattet alle späteren Göttersöhne. Sthenelos, von Agamemnon heftig angegriffen, daß er und Diomedcs weniger taugten als ihre Viter, die im Kampf um Theben sterbend größten Ruhm erwarben, verteidigt sich zwar: weit tüchtiger als die Väter rühme er sich zu sein, da die Eroberung Thebens, die jenen mißlang, von ihm und seinen Gcfahrten vollbracht wurde. Diomedes jedoch weist ihn sogleich streng zurecht. Aber nicht nur die Helden sprechen in diesem Ton von ihren Vätern, sondern auch der Dichter selbst ist offenbar von der gleichen Stimmung beherrscht. Er gibt den Kämpfern um Troja zumeist erlauchte und gepriesene Väter, ihre Söhne indessen treten wenig hervor. Peleus, den Vater des Achill, schildert der Dichter als einen michtigen und weisen Herrscher mit allen Tugenden eines Fürsten jener Zeit und mit der besonderen Großmut und der Einsicht, die er in der Aufnahme des Phoinix und des Patroklos bcwihrt, so dem Sohne den höchsten Besitz zuführend, den Erzieher und den Freund. Neoptolemos dagegen, Achills Sohn, ist bei Homer nicht wie in der späteren Dichtung ein zweiter Achillcus, sondern nur ein Krieger wie andere mehr, und Telemachs von allen bewunderte .Ähnlichkeit mit dem Vater gilt nicht für selbstverstindlich:

Se/tm 11ä111/kh sind die S6htu gki,h,nd d,111Vat,r S,hwhter die Mimt,ahl, .,,,,;g, buser als ihr, Erz_1Ng1r.

Vielleicht stammt aus der gleichen Lebensstimmung auch die besondere Liebe und Auszeichnung, mit der der Dichter shntliche · in den Epen überhaupt vorkommenden Greise schildert. Wir brauchen sie nur zu nennen: Priamos, Nestor, Phoinix, Lacrtcs, Pcleus. Nur viermal, und immer um seine eigne Gegenwart gegenüber einer größeren Vergangcnheit wehmütig herabzusetzen, kommt das Wort • vüv • in des Dichters eigenem Mund vor: Diomedes schwingt allein und mit Leichtigkeit einen Stein, den zwei Menschen, • wie Sterbliche jetzt sind•• kaum zu heben vermöchten; und ebenso oder ihnlich wird an den drei anderen Stellen, um die Stirkc des Aias, die des Hektor und die des Ancas hervorzuheben, auf die geringere Kraft der Gcgcnwirtigcn hingewiesen. Wir sehen also: schon in der Ilias und erheblich stärker noch in der Odyssee herrscht die Schwermut der Untergangsstimmung, die Trauer, daß Größe und Schönheit im Niedergehen sind. Nach dem Tode Rektors, im Bewußtsein schon ihres eigenen Endes, bewundern Priamos und Achill einer des andern Schönheit. In der Klage des vereinsamten Menelaos, daß der troische Krieg alle Besten entrissen, dürfen wir wohl die Stimme des Dichters vernehmen, der um den Niedergang des Herocnalters klagt, nicht wie einer, dem dieses Ende eine längst vergangene historische Tatsache ist, sondern der im Nachglanz der noch wachen Tradition jener Zeit lebt. Dieser Seelenton des Dichters entspricht durchaus der historischen Lage, wie wir sie nach dem trojanischen Krieg uns vorstellen müssen. Nicht auf einmal wird die ganze ägäische Kulturwelt vernichtet. Im zwölften Jahrhundert erschöpfen sich zwar in vielerlei Kriegsabenteuern die Kräfte der Achäcr, aber in zahlreichen Gegenden erhilt sich die mykenische Kultur noch im elften Jahrhundert, noch während der dorischen Wanderung. Wohl ist, wie Homer erzihlt, durch den troischen Krieg Odysseus' Herrschaft gcrahrdct, Agamemnons Reich bedroht, wohl zerstören die Dorer, wo sie hingclaogen, die mykenischen Paläste.

Aber dies hindert nicht, daß an einzelnen Fürstensitzen die alte Kultur verknüpft mit den großen Erinnerungen an die Helden des Krieges sich fortsetzt, und Fürstensitze dieser Art, deren jeder seine besonderen Erinnerungen an einen Helden der Vorzeit bewahrt, muß Homer noch gekannt haben. Deutlicher noch wird die Stellung Homers zur mykenischen Zeit durch einen Vergleich mit Hesiod. Hesiod lebte später als Homer; in seinem Werk ist die Wirkung der Homerischen Epen in jeder Weise spürbar. Für Hesiod jedoch ist das Heroenalter schon ein anderes Zeitalter, das völlig abgeschlossen weit hinter ihm liegt. Er klagt nicht mehr um den Untergang dieser Epoche; sie ragt nicht mehr in seine eigene Gegenwart hinein, die von ganz anderen Gefahren und Qualen bedrängt wird. Die düstere Lebensauffassung, die Ergebenheit in ein kaum mehr erträgliches Schicksal zeigen einen Dichter, der aufs härteste an seiner eigenen Zeit litt und sich weder an früherer Größe noch an der Hoffnung auf künftige Zeiten aufrichtet. Gewiß liegt die Verschiedenheit beider Dichter zum großen Teil in ihrem Wesen begründet. Daß aber bei Homer das Heroenalter fortlebt als die große Vergangenheit, deren Glanz bis in seine Tage_hineinleuchtet, bei Hesiod hingegen das Geschlecht der Heroen unter die längst vergangenen Alter eingereiht wird, ist eine Tatsache, die, soweit wir sehen, nur eine Deutung zuläßt, die nämlich, daß der eine vor den dunklen Jahrhunderten, der andere nach ihnen gelebt hat. Die Lebenszeit Homers und die Ereignisse, die er schildert, fallen nicht zusammen, aber sein Stoff liegt nicht in einer V orvergangenheit, sondern in einer Vergangenheit, die noch in die Gegenwart hineinragt, die mit ihr noch kontinuierlich verbunden ist. Wo er eine llngst versunkene Zeit wieder aufleben läßt, wie in der Schilderung der Phaiaken, da gibt er ihr deutlich die Züge des Märchens. Überall sonst ist innerhalb der Epen für den, der aufmerkt, deutlich erkennbar, ob das Geschilderte mehr oder minder weit hinter der Lebenszeit des Dichters liegt; denn der Dichter hat, um das Bild des heroischen Alters in seiner ganzen Schönheit aufleuchten zu lassen, die Farben aus räumlich und zeitlich verschiedenen Bezirken genommen. So gehören vielleicht der Palast des Menelaos und das Herrscherhaus des Odysseus zwei verschie-

denen Stufen der mykenischen Kultur an. Was er aus der Epoche, die mit ihm zu Ende ging, festgehalten hat, ist, sqweit wir sehen, gerade was sie auszeichnete, was ihm wichtig und bedeutsam erschien, um die Menschen, die er verherrlicht, zu erhöhen: die reiche Pracht der Paliste, der Schmuck der Geräte und Waffen, das souveräne und doch einfache Leben. Was er am ausführlichsten schildert, sind die Schöpfungen aus der Blütezeit der mykenischen Kultur, während die Züge des Niederganges nur beiläufig erwähnt werden. Auch im Dargestellten hat Homer bewußte Auswahl getroffen, deren Bedeutung wir allerdings nicht mehr in jedem einzelnen Fall verstehen können. So wissen wir nicht, warum er nirgends die Kuppelgräber erwähnt, obwohl er Bau und Anlage der Paliste, die zum Teil gleichzeitig mit jenen entstanden, eingehend beschreibt. Vielleicht waren an die Bestattung in Kuppelgräbem bestimmte Vorstellungen vom Fortleben der Toten geknüpft, die Homer ablehnte. Bei ihm werden die Toten durchweg verbrannt, eine Sitte, deren Herkunft, Verbreitung und Alter wir nicht mit Sicherheit angeben können, die aber wohl erst in jener Übergangszeit aufgekommen ist in Folge der Wanderungen und - wie eine griechische Sage andeutet - fern von der Heimat geführten Kriegen. An einigen Stellen scheint Homer einen bewußten Anachronismus zu begehen, indem er in die Vergangenheit, auf die seine Erzihlung abgestimmt ist, Ereignisse seiner unmittelbaren Gegenwart hfoeiooimmt. Und auch diese Ereignisse weisen auf die Lebenszeit, die wir annehmen, auf die ersten Anfinge der dorischen Wanderung. In einem Gespräch der Ilias, in welchc;m Hera den noch zögernden Zeus zum Untergang Trojas, der ihm teuren Stadt zu bestimmen sucht, erklärt die Göttin in bedenkenloser Gehässigkeit, sie sei bereit, ihre eigenen Städte, Mykene, Sparta und ·Argos, preiszugeben, wenn nur Zeus ihr gestatten wolle, die Troer zu vernichten. Sollte nicht die Preisgabe der Städte durch die Göttin sich auf die Eroberung dieser Städte durch die Dorer beziehen, die Homer wohl selbst noch erlebt hat? Der Gedanke, daß der Untergang Trojas nur um den Preis des eigenen Unterganges erkimpft wurde, daß der troische Krieg die Kdfte der Achäer erschöpft hat, worauf auch die Odyssee mehr-

mals hinweist, war vielleicht des Dichters eigenster Gedanke, als das stolze Atridenrcich zusammenbrach. Eine Übertragung spiterer V erhiltnisse in frühere Zeiten könnte es auch sein, wenn bei Homer der Um&ng des Pylischen Reiches nach Nestors eigenen Angaben kleiner ist als nach den Angaben des Schiffskataloges. Der Schiffskatalog gibt die Verhiltnisse wieder, wie sie in jener Vergangenheit bestanden, deren Bild Homer festhilt. Da aber, wo er Nestor sprechen llßt, llßt er ihn vielleicht die V erhiltnisse schildern, wie sie sich inzwischen durch die Angriffe der Dorer ergeben hatten. Pylos, die Zuflucht vieler Vertriebencn, hatte diesen Angriffen lange standgehalten, verlor aber in ihrem Verlauf immer größere Stücke seines Gebietes an die Dorer. Vielleicht auch, daß einige Er2lhlungen des Nestor aus seinen früheren K.lmpfen, welche die Modemen als so langatmig und langweilig empfinden, ein Denkmal darstellen, das Homer dem heldenmütigen Widerstand setzte, den das Pylische Reich gerade zu seiner Zeit gegen die Dorer aufbrachte. Wlhrcnd in der Ilias die Ereignisse, die der Dichter selbst erlebt hat, nur in solchen gelegentlichen Anachronismen zum Ausdruck kommen, zeigt sich in der wohl um dreißig Jahrespiter verfaßten Odyssee die eigene, nun im Niedergang schon weiter vorgerückte Zeit des Dichters deutlicher . .Ähnlich wie in den spiteren Werken von Shakespeare spüren wir am Ton der Elegie, welcher nicht nur die Telemachie, welcher die ganze Odyssee durchzieht, wie die Endzeit, in der er lebt, den Dichter bedrückt. Hier tritt auch jene Brechung hervor, welche die Dias noch nicht kennt: Menschliche Größe flllt bei fortschreitendem Niedergang nicht mehr mit einer gehobenen Stellung innerhalb der menschlichen Ordnung zusammen: der Dichter zeigt uns hier den König im Bcttlergewand, im Schweinehirten den Königssohn und im Hirtenknaben den Gott io Menschengestalt. Wir sehen also, daß die Epen von einer Spannung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen der niedergehenden Zeit, in der der Dichter lebt, und der größeren Vergangenheit, die er schildert, keineswegs frei sind. Auch dieses Urbild der naiven Dichtung zeigt deutlich sentimentalische Züge. Wenn daher weiter auseinanderliegende Zcitriume, die der weite Blick des Dichters über-

schaut, in den Epen sich spiegeln, so hat doch der Dichter für die Ereignisse, die er schildert, einen objektiv fixierbaren und historisch für uns durchaus identifizierbaren Zeitraum ins Auge gefaßt und festgehalten. Nirgends erwihnt Homer die dorische Wanderung, er nennt jedoch Dorer unter den vielen Stämmen Kretas, und die Forschung über den Verlauf jener Wanderung hat ergeben, daß nicht die Eroberer des Peloponnes die ersten Dorer waren, die nach Griechenland kamen, sondern daß schon Vorliufer von ihnen vom Norden Griechenlands aus über das Meer nach Kreta gelangten. Auch das Bild von Hellas, wie Homer im Schiffskatalog es darstellt, entspricht, so weit man es feststellen kann, der let%tcn mykenischen Zeit. Nach der dorischen Wanderung hat sich die Verteilung der Stimme vollkommen verindert, und da, wie schon oft beobachtet worden, frühere geographische Verhältnisse den Menschen nur kurze Zeit im Gedlchtnis zu bleiben pflegen, ist es kaum denkbar, daß Homer Grenzen und Einteilungen, die es schon seit Jahrhunderten nicht mehr gab, bitte erforschen und mit solcher Genauigkeit wiedergeben können. Auch die Gründung griechischer Stidte in Kleinasien wird in llias und Odyssee nirgends berücksichtigt, ebensowenig wie die Besiedelung der Inseln durch die Griechen. Milet, so sagt Homer, ist von barbarisch-sprcchcnden Karcm bewohnt. Die Züge nach Kleinasien begannen, wie wir sagten, nach dem troischen Krieg, aber es verging eine lange Zeit, bis die Griechen die Vorherrschaft an der kleinasiatischen Küste erlangt hatten. Wenn nun Homer -wie die Griechen vermuteten - zur Zeit der ionischen Wanderung lebte, dann hat er zwar selbst vielleicht schon erste Gründungen in jenem neuen Bereich gekannt; daß aber vor kurzem noch jenes Gebiet Stämmen gehörte, die nicht griechisch sprachen, muß ihm und seiner Zeit noch gegenwärtig gewesen sein. Von all den Erscheinungen, die erst nach der dorischen Wanderung eintraten, von den geometrischen GefAßc:n,den irmlichen Hütten, der durchweg eisernen Bewaffnung erwihnt Homer nichts. Die Homerischen Helden kämpfen mit Waffen aus Erz. Nur wenige eiserne Geräte, vor allem eiserne Messer, kommen in den Epen vor, und auch dies stimmt mit den Funden aus Gräbern 17

der spitmykenischen Zeit überein, die neben bronzenen Waffen auch eiserne Messer enthielten. Der in der Odyssee mehrmals wiederkehrende Ausspruch: «Das Eisen reizt den Mann• deutet vielleicht an, daß zu Homers Zeit die neue Waffe Sinnbild war der Kampflust und Blutgier, welcher die mykenische Kultur zum Opfer fiel. Auf die gleiche Zeitstufe weist es, daß die erlesensten Gcfißc und Gerite, die Homer schildert, aus einer ilteren Zeit oder aus fernen Lindern stammen, wie der Becher des Nestor und der Mischkrug des Menclaos. Am Ende der mykcnischen Epoche hatte das Kunsthandwerk nachgelassen. Homer schildert also den Zustand kurz vor den Dorerkimpfen und unmittelbar nach ihrem Beginn und ist insofern naiv unhistorisch, als er mit den Farben seiner Zeit die nun schon ein- bis anderthalb Jahrhunderte zurückliegende Epoche des Trocrkampfes darstellt. Aus einigen Andeutungen können wir entnehmen, daß er selbst die ersten Stürme der dorischen Wanderung noch erlebt hat, und vielleicht wurde gerade durch die Lockerung und Auflösung jener End- und Übcrgangszeit,dienacharchiologischen Feststellungen das Ende des zwölften und das elfte Jahrhundert kennzeichnet, auch Raum geschaffen für die - wie wir sehen werden- neuen, über die Auffassungen seiner Zeit hinausgehenden Erkenntnisse, die der Dichter zum Ausdruck bringt. Wir gewinnen durch Homer ein verklärtes und doch wirkliches Bild des kretisch-mykenischen Zeitalters, das er rückschauend überblickte, dessen Schönheit vielleicht erst bewußt wurde, als es versank. u Bei Homer bcstitigt sich 11, so sagt Welckcr, I[ die mehrmals gemachte Bemerkung, daß große Zeitbildungen von großen Geistern in den Zeiten ihres Untergehens dargestellt worden sind •·

II.

SAGE UND DICHTUNG

ZU HOMERS ZEIT

In Dias und Odyssee werden fast alle großen Gestalten der griechischen Sage erwähnt. Neben den Helden des troischen Krieges, von welchen die Epen handeln, ist die Rede auch von den Kimpfem um Theben, auch von Herakles, Melcager, Bcllerophon, Minos, den Argonauten, Ocdipus und Niobe. Die Menschen, die in den Homerischen Epen auftreten, erzihlen Sagen, um ihren Gedanken und Wünschen Ausdruck zu geben. Dabei bcschrinken sie sich oft auf flüchtige Anspielungen, und fast nie wird ein Mythos in aller Ausführlichkeit von Anfang bis zu Ende erzihlt. So erfahren wir bei Melcager nichts über seinen Tod, von Bcllerophon nicht den Grund seiner Schwermut; nachdem Homer von den siegreichen Taten des Helden berichtet, flhrt er unvermittelt fort:

Aber alsj1111ra/Jm dm Gott,rn 11,rhajtdanngn,,ordm, Sd11111ift ,r 11111/J,rJMr,hdi, Eb111Ahion, 11a/Jig r,1r1insa111t, Se/bstr,,rz_ehrt,rseinH,rz_lllld111r1111id,tdi1 Pfad, d,r Mms,hln. Wenn auch viele wesentliche Züge aus dem Leben des Herakles bei Homer zu finden sind, so wird doch keiner, der die Sage nicht kennt, aus den zahlreichen, über beide Epen hin verstreuten Erwih.nungen sich ein abgerundetes Bild von dem scbicksalreichen Leben dieses Heros machen können. Nur wer die Sagen kannte, wer mit ihnen lebte, vermochte Homers Anspielungen ganz zu verstehen und das Angedeutete zu Ende zu denken. Wir Splteren sind daher, um seine Andeutungen uns erkllren zu können, oft auf die Erglnzung einer Sage aus anderen griechischen Quellen angewiesen, und wo solche fehlen, bleiben uns viele Hinweise Homers dunkel. So wissen wir nicht mehr, warum die Kraniche, wenn sie nach dem Weltmeer fliegen, den Pygmäen Mord und Tod bringen, nicht, warum König Echetos durch seine Graunmkeit berüchtigt war, noch was es damit auf sich hat, daß Ami-

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sodaros die Schimlre aufzog. oder daß Rhadamanthys auf den Schiffen der Phaiaken von Scheria nach Euböa gebracht wurde, um den Sohn der Gaia.Tityos. zu besuchen. Wir dürfen also. wie wenig auch immer wir von Hornen Epoche und von den ersten Hörern seiner Gedichte wissen, eines bestimmt voraussetzen: zu seiner Zeit war eine Fülle von Mythen. wahrscheinlich viel mehr, als Homer selbst erzlhlt, bekannt. Schon diese Feststellung dürfte wohl den Schluß erlauben, daß auch der eigentliche Stoff Homers, die Sage vom trojanischen Krieg, nicht vom Dichter frei erfunden wurde, sondern in den · Hauptzügen, vom hub der Helena bis zur Rückkehr der Heroen, bereits vorhanden war. Eine klare Grenzlinie zu ziehen zwischen dem, was Homer der Überlieferung entnommen, und dem, was er neu hinzuerfunden. wird allerdings nicht immer gelingen, doch haben wir sichere Anzeichen dafür, daß einige Gestalten aus Ilias und Odyssee, daß Achill und Odysseus, Priamos, Paris und Hclena schon zu Homers Zeit allbekannt und besungen waren. und daß es einen reichen Schatz von M ythcn über diesen Krieg und über die Zeit nach diesem Kriege gab. aus dem der Dichter nach Belieben schöpfen konnte. Die Epitheta, die schmückenden Beiworte, die oft in Ilias und Odyssee sich finden, beziehen sich manchmal auf Taten und Ereignisse, die innerhalb von Ilias und Odyssee nicht erwähnt werden, die also in der vorhomerischen Sage zu suchen sind. gerade so, wie einige Epitheta der Götter auf Götterkimpfe hindeuten, die Homer nicht erzählt, z. B. Zeus, der Sohn des • krummdenkenden • Kronos, und der II verderbensinnende • Atlas. Gleich am Anfang der Ilias, als er zum erstenmal das Wort ergreift, und dann im folgenden immer wieder, heißt Achill der 11 Schnellfüßige •• obwohl die Kraft seiner Füße in der Ilias nirgends besonders hervortritt. Er ltuft zwar, um dem Flußgott zu entgehen, er verfolgt den ebenfalls laufenden Hektor dreimal um die Stadt; aber vor dem Skaroaoder rettet ihn nur das Eingreifen des Hcphaistos, der den Fluß zum Stehen bringt, und Hektor wird nicht von Achill eingeholt, sondern Athena bestimmt ihn durch Trug, sich zum Kampf zu entschließen. Helena wird mehr als einmal c die Zcusentsprossene • genannt, ohne daß je die näheren Umstinde ihrer Herkunft erzählt werden.

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Nicht einmal der Name ihrer Mutter findet sich bei Homer, obwohl sonst auch von wenig Bekannten und selten Genannten die Geschichte ihrer Geburt, zumal eines göttlichen Ursprungs, ausführlich berichtet wird. Schon in der Ilias heißt Odysseus • der Stidtccroberer •, und in der Odyssee wird er hiufig und ausdrücklich mit diesem Beinamen geschmückt, der sich auf seine berühmte List bei der Eroberung Trojas bezieht, auf die Erfindung des hölzernen Pferdes, die in der llias zeitlich noch gar keine Stelle haben kann, die erst in der Odyssee, im 8. Buch, und auch dort nur mittelbar, durch den Singer in wenigen Versen erzihlt wird. Auf Abenteuer, von denen wir einige erst aus der Odyssee erfahren, weisen wohl auch Epitheta des Odysseus in der Ilias wie • listenreich • u. i., die seine Schlauheit, seine Fihigkeit sich in jeder Lage zurecht zu finden, hervorheben. In der Ilias wird zwar seine wundervolle Rednergabe öfters genannt und durch die Reden unvergeßlich eingcprigt, sonst aber, im Kampf, streitet Odysseus wie jeder andere, vornehm und tapfer, ohne sich je einer besonderen List zu bedienen. Und sogar auf die Leiden des Heimkehrenden, auf das Dulderschicksal des Helden wird in einem Epitheton schon der Ilias angespielt: er heißt der • Vielduldende ,. Unbeschadet also der einzigen und genialen Durchbildung, die nur Homer dieser Gestalt gegeben hat, bleibt festzustellen, daß Odysseus, der • Listenreiche ,, Odysseus, der • Eroberer Trojas •, Odysscus, der • Dulder 11, schon der vorhomerischcn Sage angehört. Priamos, der in der Ilias niemals am Kampf teilnimmt, heißt • der mit der guten Eschenlanzc ,. Er war also eine altbekannte Sagengestalt; dies bestitigt auch jene schöne Stelle aus dem letzten Iliasgcsang, in der von seinem weitverbreiteten Ruhm die Rede ist, den er nicht allein bei den Völkern seines Reiches, sondern auch bei den Fremden genoß. Und wie Priamos war Troja, das bei seiner ersten Erwlhnung einfach des Priamos Feste genannt wird, als Sitz dieses michtigcn Herrschers berühmt. Auch die Eigennamen geben der Vermutung Gewißheit, daß einige Gestalten schon der vorhomerischen Sage entstammen, vielleicht gar geschichtlich sind, wihrcnd andere sich deutlich als Dichtererfindung erweisen. Manche Heroen, für deren Alter die

Epitheta bürgen, tragen, wie außer Zeus die meisten Götter, vorgriechische Namen: Priamos, Paris, wohl auch Achilleus, Nestor und Odysseus, und es ist wohl sicher, daß die Triger solcher alten Namen, auch wo andere Kriterien fehlen, einem frühen Mythos zuzuschreiben sind. (« Griechisch 11 heißt hier • zu dem indogermanischen Sprachstamm gehörend 11, im Gegensatz zu Vorgriechisch, der Sprache der Agiis vor der Vermischung mit indogermanisch sprechenden Stimmen. Diese Scheidung ist nur linguistisch durchführbar.) Innerhalb der griechischen Namen, deren Bedeutung wir kennen, können wir solche unterscheiden, die eine unmittelbare Beziehung auf ihren Trlger haben, wie z. B. Thersitcs, der Freche, die Namen vieler Phaiakcn, die von der Schifffahrt abgeleitet sind, und der Name desbewihrten Steuermannes Phrontis Onetoridcs, der Bedachte, desHelfers Sohn. In den Namenbildungen dieser Art, die von einem Dichter erfunden sein müssen, mag sich oft ein geheimes Spiel verstecken, das wir nur in seltenen Pillen noch erraten können. Diejenigen Namen wiederum, die zwar griechisch und deutbar, aber richtige Eigennamen sind und ihren Ursprung nicht erkennen lassen, können ebenso wie die vorgriechischcn Namen geschichtlicher oder mythischer Überlieferung entspringen, wie Menclaos • der im Volk Bleibende 11 nicht weniger als der vorgriechische Name Agamemnon ein wirklicher und nicht erst für den TrAger dieses besonderen Schicksals erfundener Name ist. Eine einzigartige und für das Verhältnis von Überlieferung und Erfindung besonders aufschlußreiche Erscheinung ist der Doppelname Paris Alexandras. Wihrend Homer sonst Doppelnamen ausdrücklich zu erklären pflegt, wie es von Hektars Sohn heißt: der Vater nennt ihn Skamandrios, die anderen Troer aber Astyanu; oder vom troischen Fluß: die Götter nennen ihn Xanthos, die Menschen aber Skamander, berichtet er nirgends, daß sich Paris und Alexandras auf die gleiche Gestalt beziehen. Dieser Sohn des Priamos war also schon zu Homers Zeit so bekannt, daß seine beiden Namen unwillkürlich identifiziert wurden. Hingegen ist die Art, wie die cio:relnen Heroen eingeführt werden, allein für sich genommen, kein Kriterium für das Alter einer Sagengestalt. Achill, Odysseus, Agamemnon, Idomeneus werden

nicht ausdrücklich vorgestellt, Nestor aber wird wie ein Unbekannter eingeführt, obwohl sein Epitheton Gcrenios, dessen Bedeutung bis heute unerklärt ist, eher auf den alten Ursprung dieser Gestalt hinweist. Kalchas, vermutlich eine alte Sagenfigur, wird ausführlich vorgestellt, während Hektar nur beiläufig erwähnt wird, und dennoch hat Homer gerade ihn, wenn nicht erfunden, dann doch aus der großen Schar der Priamossöhne erst selbst zu einem der Haupthelden des troischen Krieges erhoben. Vielleicht gehörte es zu der Kunst des Dichters, Wichtiges nicht gleich am Anfang mit Nachdruck zu betonen: erst klingt ein Name an, später wird er wieder aufgenommen, allmählich, unmerklich fast tritt er in den Mittelpunkt der Handlung, wird selbst zum Schicksal, gerade wie im Leben das Entscheidende, Bestimmende sich oft nur langsam und sehr leise vorbereitet. Wie diese Gestalten selbst, waren auch zahlreiche Abenteuer, waren Ruhmestaten und Verhängnisse der Helden schon in vorhomerischer Zeit besungen worden, wie wir aus einigen Geschichten entnehmen können, auf die Homer anspielt. So erzählt Homer wie Poscidon und Apollon bei Laomcdon, dem Vater des Priamos, ein Jahrdienen mußten, und wie sie dann, nachdem sie die Mauer erbaut hatten, von Laomedon um den verabredeten Lohn betrogen wurden. An einer anderen Stelle wiederum berichtet er, wie Herakles das Ungeheuer, welches die Götter zur Strafe für den Frevel des Laomedon gesandt hatten, und dem dessen Tochter Hcsione ausgeliefert werden sollte, mit Athenas Hilfe tötete. Homer erwähnt dies beide Male beiläufig, ohne auf den Zusammenhang beider Sagen hinzuweisen, ohne auch zu erklären, wie es kam, daß die mächtigen Götter dem troischen Herrscher dienen mußten; es gab demnach zu seiner Zeit schon mancherlei Sagen über die früheren Begebnisse in Troja. Auch die erschütternden Schicksale der beiden Aias erfahren wir nur bruchstückhaft, in derselben seltsam beiläufigen Art. Einiges, was Homer im Verlauf der Handlung von Aias dem Telamonier erzählt: jenes Ringen zwischen Odysseus und Aias bei den Grabspielen für Patroklos, das so lange unentschieden hin und her schwankt, bis Achill schließlich beiden den Sieg zuspricht und beiden gleichwertige Preise zuteilt, bekommt seine 5 l'luokloo

tiefere Bedeutung erst dann, wenn man an jenen andern Streit denkt,in demAias undOdysseuscinander gcgenüberstehen,in dem eine Entscheidung auch erst nach langem Schwanken herbeigeführt wird, diesmal aber nicht durch Achills gerechten Spruch, sondern durch das willkürliche Urteil troischer Gefangener: eine Entscheidung, diedemAias bittereKrinkung, V erdüstcrung und Tod bringt. Aias hatte nimlich, so erzählt die Sage, aus Gram darüber, daß im Streit um die Waffen Achills Odysseus und nicht er den Preis der Tapferkeit gewann, seinem Leben ein Ende gemacht. Auf dieses Ende des Aias wird in der Odyssee bei der Begegnung zwischen Odysseus und Aias in der Unterwelt angespielt: als der Schatten des Aias erscheint, denkt Odysseus an jenen unseligen Streit um die Waffen des Achill, bei dem er nach dem Urteil der• Kinder der Troer• und der Atbena über Aias siegte, und verwünscht seinen Sieg, der • dem tapfersten der Achäcr das Leben gekostet •; wie aber dieses Urteil zustande kam, das den Preis der Tapferkeit Odysseus und nicht Aias zusprach, und warum und wie es dem Aias das Leben kostete, erfahren wir von Homer nicht. Homer konnte die Geschichte von dem Wahnsinn, der den Helden infolge gek.rinkten Ehrgeizes befiel und ihn in den Tod trieb, bei seinen Hörern als bekannt voraussetzen, und es ist denkbar, daß der Dichter den Streit der beiden Helden bei den Spielen zu Ehren des Patroklos eigens erfunden hat, um an diesem Widerspiel zu zeigen, wie nach seiner Meinung auch der Streit um die Waffen hätte geschlichtet werden sollen. In ähnlicher Weise hat Homer auch die Freveltat des Aias Oileus behandelt, der bei der Eroberung Trojas Kassandra, die Tochter des Priamos, vom Altar der Atbena riß, sie vergewaltigte und dadurch den Zom der Göttin auf die Acbäer herabbcschwor. Diese Freveltat des Aias kennen wir aus dem Kyklos, aus Vasenbildern und anderen Quellen, bei Homer aber wird sie nur angedeutet. Von dem verhängnisvollen Sturm, den Atbeoa zur Strafe für des Aias Frevel an Kassandra sandte, ist in der Odyssee öfters die Rede, aber seine Ursache wird nirgends erwähnt, nicht einmal bei der Erzählung von Aias' Tod, in der Homer den unbändigen Trotz dieses Helden in eindrucksvoller Weise darstellt: Als sein Schiff, vom Sturm ergriffen, schon fast dem Untergang nahe war,

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rettete es Poseidon auf einen Felsen; da aber prahlte Aias, daß er gegen den Willen der Götter dem Schlund des Meeres entronnen sei, und erst daraufhin stößt Poseidon mit seinem Dreizack das Schiff vom Felsen herab. Diesen selben Charakter des kleinen Aias, seinen unfrommen Trotz, finden wir schon in der llias. In den Kämpfen tritt zwar nur seine Kriegstüchtigkeit hervor, die ihn oft an der Seite des großen Aias streiten läßt; in den W ettspiclen aber wird sein Wesen, und zwar zweimal, näher geschildert. Als Idomeneus, voller Spannung das Wagenrennen verfolgend, seine Vermutungen ausspricht, wer der Sieger sein werde, fährt ihn Aias Oileus schimpfend an: o: Was schwatzest du vorweg? Du bist nicht mehr der Jüngste und hast nicht mehr die schärfsten Augen. Immer mußt du schwatzen. Dieselben Rosse wie anfangs, die des Eumelos, sind die ersten. • Idomeneus erwidert ihm: 11Aias, im Zwist der Beste, stets Boshafter ... • Tatsächlich behält Aias Unrecht, denn Diomedes wird Sieger. Danach, beim Wettlauf, läuft Aias erst dicht vorOdysseus. Als dieser aber dann Athenas Hilfe erßeht,gleitetAias imRindermistaus und gelangt erst als Zweiter zum Ziel. Spottend bemerkt nun Aias, daß die Göttin ja schon immer in allen Dingen dem Odysseus wie eine Mutter zu Hilfe kam. Homer gibt also hier in der ausgeführten Erzählung dem Aias Züge, die nur im Hinblick auf jene von dem Dichter angedeutete Erzählung bedeutsam sind, wo die gleichen Wesenszüge den Helden in Frevel und Untergang treiben. Auch kleinere Episoden werden manchmal so erzählt, daß wir den Eindruck gewinnen, Homer deute nur an, was seine Hörer ausführlicher wußten. Als bei der Mauerschau das Gespräch auf Odysseus kommt, schildert Antenor, wie Odysseus und Menelaos wegen Helena nach Troja kamen, wie er sie bewirtete, und wie die Redekunst dieser beiden in ganz verschiedener Weise sich darstellte, und an einer andern Stelle wird erzählt, daß Antimachos den Troern geraten habe, Odysseus und Menelaos zu töten. Aus späteren Quellen, welche die ältere Sage wiedergeben, erfahren wir, daßdieAchäervor Kriegsbeginn Odysseus undMenelaos nach Troja geschickt hatten, um Helena und ihre Schätze zurückzufordern, und daß Antenor die beiden Gesandten vor einem Mordanschlag der Troer gerettet hatte.

Der Streit zwischen Achill und Odysscus, den Dcmodokos besingt, und der, wie man später erzählte, ein Agon zwischen Tapferkeit und Klugheit war, kann der Gegenstand eines alten Liedes gewesen sein, denn das Streitgedicht, die Gegenüberstellung zweier Typen im Wechselgesang, ist, wie wir wissen, eine primitive Gattung. Wie weit jener andere Streit, der den eigentlichen Inhalt der Ilias bildet, der Streit zwischen Achill und Agamcmnon, schon vor Homer bekannt war, wissen wir nicht. Durch klarste Disposition und knappe Hcrzählung führt der Dichter in seine besondere Erzählung ein, so daß auch der Hörer, der den Zusammenhang nicht kennt, sogleich am Anfang der Ilias alles Notwendige cnahrt. Aber Uneinigkeit unter den Führenden ist während eines so lang andauernden Kampfes nichts Außergewöhnliches, und die trojanische Sage kennt noch eine weitere V crfeindung zwischen Achill und Agamcmnon, so daß es denkbar ist, auch der Zorn des Achill gehörte schon zu den zahlreichen Episoden, die man sich von jenem Krieg erzählte, zu jenen Leiden der Achäer vor Troja, von denen Nestor sagt, daß keiner imstande sei, sie alle zu nennen. Wie und wann der trojanische Sagenkreis zu einer solchen Fülle von Gestalten und Ereignissen angeschwollen, und welches seine ursprüngliche Form war, können wir nicht mehr feststellen. Die zablrcichcn sagengcschichtlichen Forschungen führten bisher nur zu dem Ergebnis, daß ursprünglich nur wenige Namen damit verknüpft waren, daß aber das Bestreben, eine jede berühmte Gestalt, alle « Göttcrsöhnc •• soweit es zeitlich irgend möglich war, mit Troja zu verbinden, die Sage erweiterte. An einen geschichtlichen Kern schlossen sich andere Erzählungen an, die zum Teil wiederum einen geschichtlichen Ursprung haben, zum Teil auf Mirchen und Naturmythen zurückgehen, die auf diese Weise lokalisiert und mit Heroen verbunden wurden. Wie im einzelnen dieser Werdegang sich vollzog, darüber herrscht unter den Forschem, die mit Hilfe der Archäologie oder der vergleichenden Religionswissenschaft versuchten, dieser Frage nachzuspüren, noch wenig Übereinstimmung, und vielleicht wird es nicht mehr gelingen, Herkunft und Ausgestaltung dieser viclvcrschlungcncn Mythen zu bestimmen, - dieser M ythcn, von denen man wohl sagen kann, was man

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von den großen Homerischen Epen zu Unrecht gesagt hat, daß sie das Werk des• schaffenden Volksgenius» waren. Durch vieler Eiozelner Mund und Geist und Phantasie - einzelner dichterischer Gemüter, die deshalb nicht große Dichter zu sein brauchen muß schon in den anderthalb Jahrhunderten, die Homer vom troischen Krieg trennen, die Geschichte dieses Kampfes ausgebaut und bereichert worden sein .

.. Um aber Ilias und Odyssee zu verstehen, ist es nicht durchaus notwendig, dem historischen Kern der Trojasage und dem Ursprung all der verschiedenen damit verknüpften Mythen nachzugehen; hierfür müssen wir uns vor allem das letzte Stadium der vorhomerischen Sage vergegenwärtigen. Wir müssen zunlchst fragen: welche Form hatte dieser offenbar schon vor Homer so reiche Sagen- und Märchenschatz? Woher wußte Homer von der trojanischen Sage, woher von den zahllosen anderen Mythen, die in Ilias und Odyssee uns begegnen? Wir kennen das geistige Leben seiner Zeit so wenig, daß Mutmaßung bleibt, was wir nicht von ihm selbst erfahren. Das Forschen und Suchen nach Erinnerungen und Erzählungen, nach den Spuren heroischen Lebens, nach allem, was aus jener Zeit noch lebendig fortwirkte, war, so glaubten die Griechen, ein Antrieb Homers zu seinen vielen Wanderungen. Wenn die Sirenen - ihr Gesang besitzt solche Zauberkraft, daß, wer ihn hört, ihm widerstandslos venallt - Odysseus mit der Verheißung locken, sie wüßten alles, was Argeier und Troer im Kampf nach dem Willen der Götter erlitten, so dürfen wir hieraus vielleicht entnehmen, daß es der Dichter selbst war, den die Kunde von Troja so mächtig anzog, ihn, der mit der Leidenschaft des Schöpfers den Stoff seiner Dichtung suchte, der von überallher sammelte, Göttergeschichten und Märchen, Ahnenüberlieferungen und Darstellungen, um dann auszuwählen, was zu seinem Werk ihm tauge. In den Homerischen Epen ist eine Form mythischer Überlieferung zunächst die Erzählung, die Rede von « Haus und Geschlecht •: Jugenderinnerung wie bei Nestor oder - vielleicht

durch Generationen hindurch überlieferte - Geschichte der Ahnen. Diomedes und Glaukos, Achill und Äncas erzählen einander auf dem Schlachtfeld die Geschichte ihres Geschlechtes, und Nestor und Priamos lassen im Gespräch vergangene Zeiten wieder aufleben. Die von Homer so oft geschilderte Erzählfreudigkeit der Helden wird gewiß nicht reine Erfindung, wird ein Wesenszug der Menschen jenes Zeitalters gewesen sein. Während die Geschichten, die Homer in der Ilias den Heroen in den Mund legt, der Vergangenheit angehören und zumeist von Taten und Menschen berichten, die noch gewaltiger waren als die Erzählenden, werden in der Odyssee, gemäß der menschlicheren Ebene dieses Epos, Abenteuer und Schicksale der Gegenwärtigen berichtet. Man schildert, was man selbst erlebt hat, und man erwartet von dem Fremden, sogar von dem Bettler, daß er Kunde bringe aus den Gegenden, aus denen er kam. Ja, der Bettler, der von Ort zu Ort wandert, konnte, wenn auch in bescheidenerem Maße als der Singer, den Ruhm eines Menschen über die Erde hin verbreiten. Auch an alte Graber, die dauerhaft und mächtig von der Kraft der Früheren kündeten, knüpfte sich ein Mythos über den Heros, seine Taten und seinen Tod; was Spätere sich erzählen werden, wenn sie das Grab sehen, was sie zum Ruhme des Toten sagen oder zu seiner oder seiner Freunde Schande, erwägen die Heroen oft in den Augenblicken der Gefahr. Vielleicht bewahrten sogar Darstellungen auf Geweben und Bilder Geschichten aus früherer Zeit. Wenn es bei Homer heißt, Helena webe in purpurnes Linnen viele der Kämpfe, die Achäer und Troer ihretwegen gestritten, ist dies nur Erfindung? Oder kann es nicht tatsächlich schon zu Homers Zeit Gewebe kunstvoller Art gegeben haben, die, wie dasGewebe der Philomele, von dem die attische Sage erzählt, eben geschehene Ereignisse durch ihre Darstellung mitteilten? Die wichtigste Quelle für den Dichter aber - dies dürfen wir seiner eignen Dichtung entnehmen - war dasLied. In der Odyssee werden Episoden des trojanischen Krieges von Sängern beim Mahl vorgetragen, und der Slnger, so heißt es dort, sagt die Wahrheit; ausdrücklich wird er dem u Lügenerzähler• gegenübergestellt. Auch die Lieder, die in der Ilias Achill singt, haben zum Inhalt die Ruhmestaten der Männer, und wir dürfen wohl an70

nehmen, daß alle bedeutenden Ereignisse und alle berühmten Gestalten vornehmlich in Gesängen weiterlebten. Das Lied führt zur Frage nach der dichterischen Tradition der vorhomerischen Zeit, der Ausbildung von Sprache und Vers, die von der mythischen Tradition, welche den Stoff für das Homerische Epos bot, deutlich unterschieden werden muß. Mögen beide Momente bisweilen, wie auch im Lied, zusammenfileßcn, so sind sie doch verschiedenen Ursprungs und können daher als Voraussetzung für Homers Werk nur getrennt betrachtet werden. Schon in den frühesten Anfängen der Dichtung, in einfachen Gebeten und Götteranrufen, in den ersten kultischen Hymnen, bildeten sich traditionelle Formen aus. Und wenn die Griechen erzählen, Orpheus oder Musaios oder Phemonoc, die erste Pythia, bitten den Hexameter erfunden, so dürfen wir daraus entnehmen, daß dieses Versmaß, das für alle späteren Zeiten so untrennbar mit Homer verbunden ist, in der kultischen Dichtung seinen Ursprung habe. Zur Feier eines Sieges wird in der Ilias der Päan gesungen, der also damals schon ein bekanntes Kultlied ist, und neuere Untersuchungen haben ergeben, daß Gebete und sogar einige Reden bei Homer an solche ältesten kultischen Hymnen anklingen. Die griechischen Gcncalogien, die Orpheus und Musaios als Vorfahren Homers nennen, drücken wohl den gleichen Gedanken aus, daß nämlich die künstlerische Formung der Kultgesänge eine wichtige Voraussetzung für Homers Werk bildet. Auch die Totenklage, durch die das Wesen und das Schicksal des Toten in dichterischer Form verherrlicht wurde, war ein vorhomerischer Brauch, der aus dem Orient stammt. Vielleicht sind, wie einige meinen, daraus sogar die Lieder von den Ruhmestaten der Helden entstanden, ähnlich wie aus den Wettspielen, die ursprünglich nur bei einer Bestattung zu Ehren des Toten abgehalten wurden, alle späteren agonalen Feste hervorgingen. Die Lieder, mit denen Andromache, Hekabe und Helena den toten Hektar feiern, gehen wahrscheinlich auch im Aufbau auf die rituellen Totenklagen zurück. Zu Homers Zeit war aber auch die vom kultischen Sang abgelöste weltliche Dichtung weit entwickelt. Er selbst schildert auf 71

dem Schild des Acbilleus den Singer, der den kunstvollen Tanz der Knaben und Mädchen begleitet, gewiß nicht zufallig durch einen Vergleich nach Kreta hinweisend, wo verfeinerte Formen der Lebensfreude schon Jahrhunderte früher eine einzigartige Vollendung erreicht hatten:

Drimm, den Tm,zplatz. uh,if der vor allengeriih111te ErbaMr, Jnu111ga"Z,.äim/it"h,den eh111als i111weithingelagertenK110ssos Daida/osf iir Ariadne 1rba11te, di, Fle.hthaar-G,luönte. dort, die den E/tm, fiillgli11g1 uhlangenden Reigen,md J1mgfra11111 Zllhri11g111 Rinder dllr,h Heirat - einanderdie Hami a111 Ge/n,/u Li1111m, Haltmd. Dies, 11111jloß dllr,hsi,htig,r S,hlei,r r,011 Jnu 11111hii//t111 Gl'IJländer in hmstr,ol/er Webart, ein wenig S,hi1111111rnd "°"'Ol 11Mh,,md die hatten lieb/it"h,Krä"Z,.,,md i,ne Opfm111ss,r"°"Gold an den silberbes,hlagenen GNrten. Mllllth111al stiir111te11 jene r,ora11 a,ifhmdigm Fiiße11 Bar j,der S,h'IJl,re,wie wennein Töpfer sitz.enddi, S,htibe z11sehn,ob si, la,ife, Priifend 1111Tin den Händen hl'IJlegt, Ab,r 1i11""""'1ta/ liefen si, wi,der in &ihn 111iteinander. Di,ht sttZflddi, M,11g,htru111 a111 b,zatd,r1111gwe.lunden TllflZ.Platz., Fnllf, sit"h./hn,11 sangder begeistert,S ä11ger Z"" La11te S,lbst si,h b,g/eitmd. Zwei Ga11/der,als der Gesangbegomm1, S,h/11g,11 ihr &zd ,md dnht111si,h wirb,lnd 111ittmi111Knis,. Welcher Art die Lictler waren, mit denen solch ein Singer den Tanz begleitete, erfahren wir aus der Odyssee, wo im Kreis der Phaiaken Dcmodokos beim Tanz der Knaben das Lied von Ares und Aphrodite singt. Mag auch für diese Gelegenheit Homer mit Absicht einen besonders leichten Stoff gewählt haben, so dürfen wir doch annehmen, daß zu Fest und Tanz ähnliche Erzählungen von den Göttern, vielleicht auch von den Heroen gesungen wurden, die eine in sich abgeschlossene Handlung enthielten. Wir wissen nicht, ob diese Festgcsinge und die Lieder, die, wie Homer so häufig schildert, beim Mahl von einem Singer vorgetragen wurden, gleichartig waren oder verschiedene Kunstformen darstellten; gewiß ist nur, daß diese mehr als alle anderen die Grundlage bilden für Homers eigne Dichtung. In ihnen wurden die großen Ereignisse der Vergangenheit und Gegenwart besungen,

und die Sprache des Epos ist wohl weitgehend von solchen Singern geschaffen worden. - Eine Untersuchung neuerer Zeit hat ergeben, daß die Sprache der Homerischen Epen feste Formeln voraussetzt, die metrisch die drei durch die Caesur getrennten Abschnitte des Hexameters ausfüllen. Solche Formeln waren in der Zeit vor Homer in jahrhundcrtlangcr Kunstübung ausgebildet worden, sie gehörten zum Bestand der epischen Sprache, und mit diesen Wortformeln dichteten die Singcr des vorhomcrischcn Heldengesanges ähnlich wie spätere Dichter mit ciou:loen Worten. Sie bilden ein Element auch der Homerischen Sprache, dessen der Dichter sich bedienen konnte, um daraus allerdings etwas ganz Neues und Eigenes zu schaffen. Wir werden zwar nicht mehr feststellen können, worin der Vcrs Homers von dem der früheren Dichter sich unterscheidet, welche von den 32 möglichen Bildungen des Hexameters ihm zuzuschreiben sind, wie viele Wortbildungen dieser unermeßlich reichen Sprache - in Ilias und Odyssee finden sich fast tausend &1t«~>.ty6µ.cv«- von Homer erfunden, wie viele alte Worte von ihm mit neuem Sinn erfüllt wurden, ob es sein Einfall war: um alte Ausdrücke zu bewahren oder neue einzuführen, sie einander gegenüberzustellen mit der Erklirung, der eine stamme aus der « Sprache der Götter •• der andere aus der • Sprache der Menschen 11. Aber wir müssen nach allem, was wir über den Ursprung eines großen, bleibeodcn Kunstwerkes sonst wissen, vermuten, daß dieser Dichter, der alle früheren so weit überragte, daß sein Werk allein erhalten blieb, der die Sagen, die er vorfand, zu etwas durchaus Neuem umgestaltete, dem neuen Inhalt auch eine neue Form gegeben hat, daß er es war, der - wie Plutarch sagt - durch gesetzmäßige Unregelmäßigkeiten den epischen Vers belebte, der die Vcrwendung der Spondeen so meisterhaft dem Sinn angepaßt und es vermocht, das Rauschen des Meeres,das Getöse der Waffen, das Schwirren des Pfeiles und das Rieseln der Quelle durch die Folge der Vokale und Konsonanten wiederzugeben. -Auch andere Kunstmittel, wie Wiederholung und Retardierung, wurden wahrscheinlich schon vor Homer ausgebildet und in lebendiger Überlieferung gelehrt und gelernt. Es ist sogar möglich, daß mehrere Lieder, die einen fortlaufenden Stoff behandelten, verbunden wurden, so daß auch sie schon, 73

wenn auch nicht in der verschlungenen Kompositionsweise Homers, über ein Einzelereignis hinaus eine Reihe von Geschehnissen wiedergeben konnten; doch die Sänger, die Homer nennt und rühmend hervorhebt, trugen, soweit wir sehen, nur kurze Lieder vor. Drei Sängern begegnen wir bei Homer, die mit Namen genannt sind, und wir vermuten, daß diese so ausdrücklich Genannten und Gepriesenen ihm Vorbild oder Lehrer waren. Die Aufzählung der Städte Nestors im Schiffskatalog nimmt der Dichter zur Gelegenheit, um des Thamyris erschütterndes Schicksal zu erzählen:

... Dorio11,dort 1110die MNsm Trafm Thalll.Jris,tkn Thrahr, 1111d marht,11s1i11Si11gmvershlm111111, Als vo11Oi,halia er Je.am- vo11Okhalias Kö11ig Emytos. Riihmt, ,r skh do{hv,rblmdet, ,r 111,rde si,gm, selbst 11111111 die MNs111 sä11gm,die Tkht,r des ZeNs, der di, Ägis emporhält. Sie ab,r zfirnellllvm,khtigtm ihn: sie llllhmmihm göttlkhKiillllnuhsLi,d, 1111d si, li,j,11 das Spi,I ihn der LIINtevug,um. Thamyris war ein wandernder Sänger - worauf auch sein Name hinweist - und er soll, wie die Alten berichten, die Knabenliebe in Thrakien eingeführt haben. Aus Homers Huldigung dürfen wir wohl schließen, daß ihm in der Geschichte der vorhomerischen Dichtung eine besondere Bedeutung zukam, daß er etwas Neues wagte, vielleicht dem bis dahin kultisch gebundenen Gesang einen weltlichen Inhalt gab. Eine Neuerung wirkt sich leicht als Frevel gegen altgewohnte Ordnungen aus, und oft muß der Neuerer den Ruhm, den er davon trägt, mit einem grausamen Schicksal bezahlen. Dcmodokos, der blinde Sänger der Pbaiaken, dessen Gesang selbst einen Odysseus zur Bewunderung hinreißt, trägt bei Homer so sehr die Züge einer wirklichen Gestalt, daß man schon im Altertum sich fragte, ob der Dichter etwa in ihm sein eigncs Ebenbild geschaffen habe: die Vorstellung von Homers Blindheit, wie sie z. B. in der Huldigung des Apollonhymnos an den blinden Sänger von Chios zum Ausdruck kommt, geht vornehmlich auf die Gleichsetzung von Homer und Demodokos zurück. Gewiß hören wir, wenn Homer Gesang und Sänger preist, die Stimme des

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Dichters, dem Gesang Lebenswerk ist. So läßt er auch Odysseus, als dieser Dcmodokos mit einer besonderen Gabe ehrt, über den hohen Rang, den der Sänger unter den Menschen einnimmt, sprechen:

Htr0/d, bri11g bitr di,s Fkisth d,111 D1111odohu, daß tr sith stiltigt. Ob i,h i11K111111111r awh bi11,Jo,h 111öth1 ith ihm Li1b11,,..,,ism, dm ,rd,bn,o/mmdm Mms,bm dm Sä11gm, Wird doth bei a/1111 Ehrn1gab11111d Ebrf11r,blz.111,i/, J,,,,, se/b,r di, M11J1 Gibt das Li,d ih,u,, ,;,,, si, /i,bt di, Gu,hk,httr J,r Sä11g1r. Doch da die Kunst des Dcmodokos gerade in kurzen Liedern sich zeigt, ist es wahrscheinlicher, daß Homer in dieser Gestalt nicht sich selbst darstellen, sondern das Bild eines Sängers festhalten wollte, dessen Lied ihn ergriffen, oder eines Dichters, der nicht nur erlernten Gesang vortrug, sondern eine Reihe von Liedern über den Untergang Trojas selbst gedichtet hatte. Ausdrücklich wird diese Begabung, selbst Lieder zu dichten, bei Phemios, dem Sänger der Freier, hervorgehoben, der wider Willen jene wüsten Gelage in Odysseus' Haus mit seiner Kithara erheitern muß, dann aber, nach dem Freiermord, von Odysseus verschont wird um der Meisterschaft seiner Kunst willen. In Phemios, so glaubten die Alten, wollte Homer seinen eignen Lehrer verherrlichen, und Welcker meint, es sei keineswegs un_glaubhaft, daß es zur Zeit Homers Sängerschulen gab. Aus nachhomerischer Zeit sind uns solche bekannt, vor allem die der Homeriden aufChios, die sich die Nachkommen Homers nannten und in Homer ihren Gründer verehrten. Die Ausbildung eines so einheitlichen Stiles, wie wir bei Homer ihn finden, llßt sich fast nur durch Sängerschulen erkliren, wo nicht nur eine Reihe von Liedern, sondern auch die Gesetze des epischen Gesanges, auch zahlreiche metrische Formeln von Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben wurden. Die Kraft des Gcdichtnisses, die dazu bcfahigt, eine solche Fülle von Formeln, Namen und Mythen stets gegenwärtig zu haben, galt als Gabe der Musen. Sie sind es, die Homer feierlich anruft, bevor er Namen und Zahl der Kämpfer, der Achäcr und Troer, aufzählt, - sie, die alles Wissenden, die der höchste Gott,

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wie später Hcsiod erzählt, mit Mncmosync erzeugte. Homer sagt selbst, er könnte die Menge der Danaer nicht nennen, wenn nicht die Musen sie ihm ins Gedächtnis riefen. Und noch an drei andc'ren Stellen wendet er sich an die Göttinnen: als er die Heldentaten des Agamemnon nennt, als er die durch Poseidons Hilfe siegreichen Einzelkämpfe der Danacr aufzihlt, und als er schildert, wie der erste Troer den Feuerbrand in das Schiff des Protcsilaos wirft. Der Inhalt, vielleicht sogar die Form solcher Stücke geht also auf ältere Lieder zurück. Welche Bedeutung es dagegen hat, wenn Homer nach dem Vorgang eines Kampfes fragt, ohne die Musen dabei zu nennen, also gleichsam an sich selbst sich richtend, und warum der Dichter meist zu der Mehrzahl der Musen, zuweilen aber auch zu einer einzigen spricht, ist noch nicht erklärt. Der Anruf der Muse am Anfang der Odyssee ist wohl eine traditionelle Form des Bcginncns. Am Anfang der llias hingegen ruft Homer nur die u Göttin II an. Ist dies eine Umschreibung der Muse, oder wendet sich hier der Dichter an seine eigenste Göttin, die ihn nicht nur an vergangene Taten erinnern, die ihm vielmehr die dichterische Kraft und Begeisterung verleihen soll? Bleibt sie ihm namenlos, weil sie ihm jene geheimnisvolle Macht der Inspiration ist, welche die Ilias entstehen ließ, während die Gabe der Musen sich damals auf das Gedächtnis beschränkte ? Eine griechische Überlieferung verbindet die Musen auch mit der Erfindung der Schrift. « Den Musen wurde •, so erzählt Diodor, « von dem V atcr die Erfindung der Schrift gegeben und die Zusammenfügung der Worte, welche man die dichterische nennt. • Wir wissen, daß schon lange vor Homer die Träger der ägäischen Kultur die Schrift kannten. Seit dem 16. Jahrhundert gab es die kretische Linearschrift, und wahrscheinlich wurde schon im I I. Jahrhundert die phoinikische Buchstabenschrift übernommen. In Kreta gebrauchte man die Schrift, so weit wir sehen, zumeist für staatliche Zwecke, für Urkunden und dergleichen. Es ist aber sehr wohl möglich, daß, wie Diodor sagt, auch für die Dichtung die Schrift schon früh verwandt wurde, und nichts widerspricht jedenfalls der Vermutung, daß Homer selbst seine Epen schriftlich festgehalten hat oder festhalten ließ, wenn sie auch selbstverständlich für den mündlichen Vortrag gedichtet worden sind. Bei

wdcher Gelegenheit seine Epen vorgetragen wurden, und wer seine Hörer waren, wissen wir zwar nicht, aber die vielen Andeutungen und Anspielungen auf Sagen und geschichtliche Ereignisse, die in Ilias und Odyssee sich finden, setzen eine nicht geringe Bildung voraus. Homer steht also am Ende einer stofflich wie formal bereits ungemein reichen und hohen Tradition, als deren Bekrönung er das Epos geschaffen hat. Wir werden ihn nur verstehen, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß er eine Sprache vorfand, die Sänger bereits geformt und veredelt hatten, und daß die Geschicke der Kämpfer um Troja und ihrer Ahnen schon zu seiner Zeit von zahllosen Sagen umwoben waren. Wohl können wir auch von diesem ersten Dichter sagen, was der letzte von sich gesagt hat: auch Homer war • ein End und ein Beginn 11. Ein Beginn war Homer durch die seltene Gunst des Geschickes, daß eine spätere, die auf die dorische Wanderung folgende Epoche ihr geistiges Leben mit ihm begann, nicht aber in dem Sinn, daß mit seinem Werk ein erstes Erwachen aus primitiver Dumpfheit begönne. Die Ursprünglichkeit eines großen Geistes zeigt sich nicht so sehr in der Fähigkeit, aus einem Nichts heraus zu schaffen, als in der Kraft, Vorhandenes sich anzueignen und sich anzuverwandeln. • In den leisesten Veränderungen 11, so sagt Nietzsche, « den kostbarsten entlehnten Motiven und deren Auswahl liegt seine Größe. •

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III.

LAUTERUNG

DER ALTEREN

DURCH HOMER

SAGE

Um uns darüber klar zu werden, was Homer vorgefunden und übernommen, was er ausgeschlossen, was er verändert und was er erfunden hat, müssen wir zunächstdensogcnanntenK yklos betn.chten, jene Reihe von Epen, deren frühestes wahrscheinlich in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts, deren spätestes erst im sechsten Jahrhundert entstanden ist, die aber dem Stoff nach auf ältestes Sagcngut zurückgingen und die sich dem Inhalt nach so ancinanderschlossent daß sich ein Sagenkreis, eben ein u K yklos 11, aus ihnen bildete. Diese Epen sind nicht mehr erhalten, aber in der • Bibliothek II des Photios befindet sich eine Inhaltsangabe aus der Chrestomathia des Grammatikers Proklos, der im zweiten Jahrhundert n. Chr. lebte. Dieser Bericht wird ergänzt durch das mythologische Handbuch des Apollodor, durch Zitate und Fragmente aus anderen Schriftstellern und durch verstreute Bemerkungen in den Homerscholien, da die Alexandriner oft die Homerische Sage mit der Sage des Kyklos verglichen. Aus diesen Quellen ergibt sich übereinstimmend, daß ein Epos u Kypria • von Stasinos von Kypros alle Ereignisse von der ersten Ursache des troischen Krieges bis zur Ilias darstellte, und dann drei weitere Epen, die • Aithiopis • und die u Iliupersis • des Arktinos von Milet und die II Kleine Ilias II des Lcsches von Mytilene, die Lücke zwischen Ilias und Odyssee ausfüllten. Die Odyssee wurde ergänzt durch die II Nostoi II des Hagias von Troizcn und fortgesetzt durch die c Telegonie II des Eugamnos von Kyrene. Die kyklischen Epen hatten einen viel geringeren Umfang als Ilias und Odyssee; die Kypricn umfaßten elf Bücher, die übrigen fünf, vier oder zwei, und ein Buch scheint ungefähr die Länge eines Homerischen Gesanges gehabt zu haben. Um einen Überblick über die ganze Fülle des alten Stoffes zu gewinnen, der noch in der historischen Zeit der Griechen außer 6

Pauokloo

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dem in Ilias und Odyssee verarbeiteten lebendig war, geben wir im folgenden zunächst eine kurze Inhaltsangabe dieser Epen. Die K yprien, so benannt nach der Heimat des Verfassers, begannen mit einer Beratung zwischen Zeus und Themis: Auf die Klagen der Themis hin, daß die Erde durch eine allzugroße Menge von Menschen beschwert werde, beschließt Zeus, von Mitleid mit ihr ergriffen, einen furchtbaren, menschenvertilgenden Krieg zu erregen. Hieran schloß sich die Hochzeit von Peleus und Thetis mit der Geschichte von Eris, die man allein von allen Göttern zur Hochzeit zu laden versäumt hatte, und die deshalb den verhängnisvollen goldenen Apfel « der Schönsten » zuwirft, die Erzählung vom Parisurteil, die Fahrt des Paris, die er, allen düsteren Prophezeiungen von Helenos und Kassandra zum Trotz, unternimmt, und der Raub der Helena, mit vielen Einzelheiten ausgeschmückt. Als Menelaos durch Iris von diesem Bruch der Gastfreundschaft erf"ahrt, berät er sich mit Agamemnon und begibt sich zu Nestor, um mit ihm den nun beschlossenen Feldzug gegen Troja zu besprechen. In einer Zwischenepisode wurde der Kampf der Dioskuren mit Lynkeus und Idas und der Tod des Kastor berichtet, und in einer Rede des Nestor das Schicksal des Oidipus und der Wahnsinn des Herakles erwähnt. Auf Nestors Rat hin laden die Atriden nun die einzelnen Helden zur Teilnahme am Krieg ein, wobei Odysseus, der nicht mitgehen mag, sich wahnsinnig stellt, durch des Palamedes List aber überführt wird. Bei der Abfahrt von Aulis ereignet sich das auch in der Ilias erzählte Drachenwunder. Irrtümlich landen die Achäer in Mysien statt in der Troas, kehren aber nach einem erfolglosen Kampf mit Telephos, dem König Teuthraniens, zurück. Achill vermählt sich in Skyros mit Dcidamcia und heilt dann in Argos, wo anscheinend die Helden bis zur neuen Ausfahrt verweilen, den von ihm selbst verwundeten Tdephos, der nach einem Orakelspruch nur von dem, der die Wunde schlug, geheilt werden kann. Als dann die Flotte von Aulis wiederum abfahren soll, sendet Artemis ungünstigen Wind, und ihr Zorn muß erst durch das Opfer der Iphigenie beschwichtigt werden. Die Achäcr gelangen zunächst nach Tenedos, wo bei einem Gelage ein Streit zwischen Agamemnon und Achill entsteht, weil dieser zu spät zum Festmahl gerufen worden war. Es

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ist dasgleiche Mahl, bei dem Philoktet von der giftigen Schlange gebissen wird; ihn lassen die Achäer, da sie den Geruch seiner Wunde nicht ertragen können, auf Lemnos zurück. Bei der Landung der Achäer in der Troas wird der erste, der den feindlichen Boden betritt, Protesilaos, von Rektor getötet. Dann aber jagt Achill die Troer in die Flucht und erschlägt mit Steinen Kyknos, den durch Erz und Eisen nicht verwundbaren Sohn des Poscidon - es ist vielleicht derselbe, der in der • Aspis , als Sohn des Ares von Herakles erschlagen wird. Nach einer ergebnislosen Gesandtschaft zu den Troern erobern die Achier die umliegenden Städte und Inseln. Eine sonderbare Begebenheit, deren Eioulheiten uns leider nirgends überliefert sind, muß im ersten Kriegsjahr stattgefunden haben: Achill wünscht Helena zu sehen, und Thetis und Aphrodite ermöglichen eine Begegnung zwischen ihnen. Achill, der erst jetzt ganz für den Kampf entftammt ist, beschwichtigt kurz darauf die meuternden Achier, die heimkehren wollen, erobert dann eine Reihe von Stidten in der Troas und auf den Inseln und tötet den Priamossohn Troilos aus dem Hinterhalt. Die letzte größere Episode der K yprien bildet der Tod des Palamedes durch die Rinke des Odysseus und Diomedes. Am Schluß folgt eine Anfzäbhmg der troischen Bundesgenossen. Die Kyprien enthielten auch alle die Ilias unmittelbar vorbereitenden Ereignisse, wie die Erbeutung der Briscis und der Chryseis. Die Haupthandlung der Aithiopis, die sich inhaltlich an die Ilias anschloß, und die dem Epos den Namen gab, bestand im Kampf zwischen Achill und dem Aithioperkönig Memnon. Vorher wurde noch erzählt, wie die Amazonenkönigin Penthesilea mit ihrem Heer Priamos zu Hilfe kommt und von Achill im Kampf getötet wird. Achill, von ihrem Heldenmut und ihrer Schönheit zutiefst betroffen, gibt ihren Leichnam den Troern zur Bestattung zurück und wird deswegen von Thersites aufs heftigste angegriffen. Im Zorn erschligt er den Sehmäher, und nun entsteht ein Streit unter den Achäem, da Diomedes, der in der Aithiopis Thersites' Verwandter ist, dasRecht der Blutrache für sich fordert und die Achäer sich in zwei Lager spalten, die einen für Achill, die andern gegen ihn sich entscheidend. Nur Odysseus findet einen Ausweg, indem er mit Achill nach Lesbos ßhrt, wo dieser von der

Blutschuld durch Apollon, Artemis und Lcto gereinigt wird. Memnon, der Sohn der Eos, berühmt durch seine strahlende Schönheit, tritt als letzter Bundesgenosse der Troer auf. Er wütet vernichtend unter den Achäern und tötet Antilochos, der sein Leben für seinen Vater Nestor opfert. Schließlich aber wird auch Memnon von Achill, der seinen Freund Antilochos rächen will, erschlagen und, mit Einwilligung des Zeus, von Eos zu den Unsterblichen entrückt. Nach seinem Tod gelingt es Achill, die Troer wieder bis zur Stadt zurückzudrängen. Als er schon in der Nihe der Mauern ist, trifft ihn der Pfeil, den Paris mit Hilfe des Apoll auf ihn gelenkt. Am Ende dieses Epos wurde der Kampf um Achills Leichnam, seine Bestattung, die Entrückung Achills nach der Insel Lcuke und der Streit um seine Waffen zwischen Aias und Odysseus bis zum Tod des Aias erzihlt. Die Iliupcrsis schloß wahrscheinlich unmittelbar an die Aithiopis an: Nachdem die drei von dem gefangenen troischen Scher Helenos offenbarten Bedingungen für Trojas Fall: die Abholung des Philoktet aus Lcmnos, die Berufung des Neoptolemos aus Skyros und der Raub des Palladion, erfüllt sind und nach erneuten heftigen Kimpfen, in deren Verlauf nun auch Paris durch Philoktet getötet wird, ersinnt Odysseus die List mit dem hölzernen Pferd. Die Haupthandlung des Epos spielte in dem eroberten Troja, aus dem nur .Äncas und die Seinen sich retten konnten. Die Ermordung des greisen Priamos, der sich auf den Altar geßüchtet, durch die Hand des Neoptolemos, die Zerschmetterung des kleinen Astyanax, der brutale Frevel des Aias Oileus an Kassandra, die Opferung der Priamostochter Polyxena auf dem Grabe Achills, die erste Wiederbegegnung zwischen Menelaos und Helena und endlich die Verteilung der erbeuteten Troerinnen, all diese so oft dargestellten, zumeist grausamen und wüsten Szenen kennzeichneten den düsteren Charakter dieses Epos. Die Kleine Ilias umspannte den gleichen Zeitraum wie die Aithiopis und die Iliupcrsis, lief also diesen beiden Epen parallel. Es ist allerdings nicht ganz klar, wo sie einsetzte, und wo sie abbrach, doch mit Sicherheit wissen wir, daß sie den Kampf um die Waffen Achills sowie des Priamos und des Astyanax Ende erzihlte. Wir wissen auch, daß Lcsches in einigem von Arktinos abwich.

Priamos wird nicht auf dem Altar, sondern nur in der Nähe des Altares erschlagen, und Astyanax wird nicht auf Anstiften des Odysseus durch gemeinsamen Beschluß aller Achäer, sondern von Neoptolemos in der Wut getötet. Und während Arktinos Achill und dann Neoptolemos in den Mittelpunkt der Handlung rückt, tritt bei Lesches, dem Dichter der Kleinen llias, am meisten Odysseus hervor .. Im Vergleich mit dem kriegerischen, ernsten, tragischen Charakter, der das Epos des Arktinos kennzeichnet, war Lesches' Darstellung, soweit wir sehen können, leichter, aber auch menschlicher; die furchtbaren und grausamen Züge der Iliupersis waren darin abgemildert. Der Name II Kleine llias II ist wahrscheinlich nicht nur durch den geringeren Umfang, sondern auch durch den Mangel an Wucht und Großartigkeit zu erklären. Die Nostoi des Hagias von Troizen, das erste auf dem griechischen Festland gedichtete Epos, berichteten von dem furchtbaren Sturm, der die Helden auf der Heimfahrt traf und von den Irrfahrten und Abenteuern aller Achäerfürsten mit Ausnahme des Odysseus. Besonders ausführlich stellte dieses Epos den Tod des Agamemnon, die Rachetat des Orestes und die glückliche Heimkehr des Neoptolemos dar. Die Telegonie schloß unmittelbar an die Odyssee an: Odysseus versöhnt Poseidon, wie Teiresias es geraten, und gelangt bei dieser Fahrt nach Thesprotien. Dort heiratet er die Königin Kallidike und bleibt bis zu ihrem Tod Herrscher der Thesproter. Dann überläßt er Polypoites, seinem Sohn von Kallidike, die Herrschaft und kehrt nach Ithaka zurück. Telegonos, ein Sohn, den ihm Kirke geboren hat, kommt den Vater suchend nach Ithaka. Ohne sich zu erkennen, kämpfen Vater und Sohn miteinander, bis Telegonos Odysseus mit einem Rochenstachel, einer uralten giftigen Waffe, tötet. Sie alle, auch Penelope und Telemach, werden nach Aiaie zu Kirke entrückt. All diese Epen, die man später unter dem Namen Kyklos zusammenfaßte, bildeten eine unerschöpfliche Quelle für die Dichter und Künstler der griechischen Blütezeit. Schon auf Fibeln des achten und Vasen des siebenten Jahrhunderts wurden Szenen aus dem Kyklos dargestellt, ebenso auf dem Amykläischen Thron und auf der K ypseloslade. Die zahlreichen Einzelepisoden, die sich in

den kyklischen Epen finden, eigneten sieb besonders gut für die erzählende Darstellungsweise der Vasenmaler, die daher auch im fünften Jahrhundert noch viele Motive dem Kyklos entnahmen. Sogar die große Malerei verscbmibte für ihre Darstellungen troischer Sagen den Kyklos nicht. Polygnot bat z.B. auf seinem Bild • Die Eroberung Ilions und die Abfahrt der Hellenen • mehrere Gestalten und Szenen aus der Kleinen Ilias des Lcschcs übernommen. Von den Dichtern griffen :mn11cbstdie Lyriker kyklische Sagen auf; so geht die• Eroberung Ilions • des Stcsichoros auf Arktinos zurück und die berühmte Stelle Pindars über die Dioskuren auf die K yprien. Eine unentbehrliche Quelle bildeten die kyklischeo Epen auch für die Tragiker. Nach Szenen der Kleinen Ilias sind, wie Aristotdcs berichtet, mehr als acht Tragödien geschaffen worden. Von den 32.uns erhaltenen Tragödien banddn sechzehn vom troischen Krieg; nur eine davon,• Rhcsos •• gebt auf die Ilias zurück, und zwar auf die wahrscheinlich vorhomerische Dolonie, alle übrigen bebanddn kyklische Sagen. Wie inspirierend kyklische Epen auf einen Dichter wirken konnten, läßt sich auch daraus entnehmen, daß man sich noch spät von Sophokles erzählte, er habe seine Freude am Kyklos gehabt und vide Tragödien nach kyklischen Sagen gedichtet. Und obgleich Aischylos in seiner großen troischen Trilogie nicht dem Kyklos, sondern Homer folgte, so bat doch auch er nicht wenige kyklische Motive, wie verwandelt auch immer, zu Tragödien verarbeitet. So viel ist in die bildende Kunst, in die Lyrik und in die Tragödie an kyklischen Motiven eingegangen, daß es möglich ist, die allzu knappen und späten Angaben des Proklos aus Werken der griechischen Blütezeit zu ergänzen. Freilich dürfen wir, wenn wir von Ergänzung sprechen, nicht vergessen, daß hier, wo es sieb um lauter schöpferische Künstler handelt, stets in Betracht gezogen werden muß, daß diese ihrerseits den Mythen des Kyklos ihren eignen Geist eingehaucht, daß sie, ähnlich wie Homer, durch Weglassen und Hinzuerfinden, jene Mythen umgewandelt und die Charaktere verindert haben. Mehr noch: Durch die Dichter der Blütezeit wurden die einfachen kyklischen Erzählungen so kunstvoll gestaltet, so neu motiviert und vertieft, daß die kyklischen Dichter von jenen

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großen Lyrikern und Tragikern schließlich verdunkelt wurden und mehr in deren Dichtungen fortlebten als durch sich selbst. Auf dem Stoff also, auf der Fülle der Sagen, die er enthielt, beruhte die außerordentliche Wirkung des Kyklos. • Des Stoffes, nicht seines dichterischen Wertes wegen•, so sagt Proklos, • bewahrten die Griechen den Kyklos und beschäftigten sich eifrig mit ihm. • Wir dürfen jedoch aus dieser erst aus dem spiten Altertum stammenden Bemerkung nicht schließen, daß die Form dieser Epen dem Inhalt ganz unangemessen gewesen wire. Aus der uns erhaltenen Inhaltsangabe geht hervor, daß die Sagen im Kyklos, ganz im Gegensatz zu Hesiod, klar und übersichtlich erziblt waren, und die wenigen Fragmente, die uns geblieben sind, zeigen, daß auch die Sprache der Schönheit nicht entbehrte. Die Griechen der Blütezeit scheinen die kyklischen Epen als eine nicht unwürdige Umrahmung der Homerischen Epen aufgefaßt zu haben, mit denen sie zuweilen zusammen vorgetragen wurden, wie wir aus der unmittelbaren Anknüpfung der Aithiopis an die Ilias erkennen können. AufKypros trugen Rhapsoden bei einem Fest die Kyprien sogar für sich allein vor. Wenn Isokrates polemisch von manchen rednerischen Leistungen sagt, sie blieben hinter anderen weiter zurück, als hinter dem Ruhm Homers die, welche die gleiche Dichtart übten, und wenn Aristoteles die meisterhafte Homerische Kompositionsweise durch einen Vergleich mit den kyklischen, solcher Komposition entbehrenden Epen verdeutlicht, so zeigt dies zwar, daß die Griechen die kyklischen den Homerischen Epen niemals gleichsetzten, nicht aber, daß sie jene verachteten. Welcker, der für die neuere Zeit den Kyklos gleichsam wieder entdeckte, warnt mit Recht davor, von Werken, über die kein ausdrücklich lobendes Urteil aus dem Altertum überliefert worden ist, allzu gering zu denken. Er weist daraufhin, daß Aristoteles nur die Komposition, und diese nur im Vergleich mit Homer, tadle, und betont, gerade ein solcher Vergleich lehre, daß man die kyklischen Epen auch als Dichtungen ansah.« Überdies•, so sagt er,• da man von Homer nie groß genug denken kann, so berührt es ihn gar nicht, wenn man zeigt, wie wenig wir berechtigt seien, von dem nachhomerischen Epos gering zu denken 11. Erst zur Zeit der Alexandriner, als eine wahre Originalitätswut ausbrach, ging

jegliches Verständnis dafür verloren, was Nachahmung und damit Erhaltung und Fortführung eines großen Vorbildes bedeutet. Damals wurden die kyklischen Dichter herabgesetzt und mit Geringschätzung betrachtet. So sagt Kalliroachos: • Verhaßt ist mir das kyklische Gedicht•, und dieses Urteil blieb, zumal bei den Dichtern, auch in der Folgezeit vorherrschend. • Zur Entwertung des Kyklos trug auch die Polemik des großen Horoerforschers Aristarch nicht wenig bei. Zcnodot nämlich, sein Vorginger, hatte versucht, eine vollkommene Übereinstimmung zwischen Homer und dem Kyklos herzustellen; ja er war sogar so weit gegangen, eine Anzahl Homerischer Verse, weil sie der im Kyklos erzählten Sage nicht entsprachen, für unecht zu erkliren. Empört über ein solches V erfahren dem großen Dichter gegenüber, ließ sich nun Aristarch zu einer heftigen Polemik hinreißen. Bei jeder Gelegenheit, bei jedem Widerspruch zwischen Homer und den Kyklikern wies er die Überlegenheit Homers nach und verslumte nicht, die Minderwertigkeit der kyklischen Epen demgegenüber in jeder Beziehung herauszustellen. Diese vielleicht überscharfe Kritik des Aristarch brachte es mit sich, daß der Kyklos überall bei den Gebildeten an Ansehen verlor. Immer mehr geriet er in Vergessenheit. Zwar zeigen die zahlreichen Erwihnungen bei Pausanias und Athenaios, daß der Kyklos in der Kaiserzeit, jedenfalls zuweilen noch, gelesen wurde, aber es ging keine Wirkung mehr von ihm aus. Sein Inhalt war in mythologische Handbücher aufgenommen worden, die ihn nunmehr ersetzten, wie z.B. die Kompilation des Peisander zur Zeit des Scptimius Scverus ihn entbehrlich machen sollte. Und bereits zu Beginn der christlichen Zeit - vielleicht schon im dritten Jahrhundert - waren die kyklischen Epen selbst nicht mehr vorhanden. • Die Tafel des Gcdichtnisscs der Menschen ist•• wie Herder sagt, · • eine enge Tafel •• und die Geschichte des K yklos lehrt, wie schnell selbst in ruhigen Zeiten zugrunde geht, worum die Menschen sich nicht mehr bemühen. Nicht immer freilich fallt, wie hier bei den Griechen, nur das aus, was den Vergleich mit dem Vollkommenen nicht ertrigt. Wihrend also im Altertum der Kyklos sich schließlich neben Homer nicht mehr zu halten vermochte und von diesem über88

schattet wurde, ist man in neuerer Zeit geneigt, llias und Odyssee den kyklischen Epen gleichzusetzen, nicht weil man diese, die man ja nur mittelbar kennt, so hoch cinschitzte, sondern weil man die Dichtung Homers nicht mehr als einheitliches Kunstwerk gelten läßt. Um Homers Einzigartigkeit in Frage zu stellen, sucht man vor allem nachzuweisen, daß die Griechen lange Zeit überhaupt keinen Unterschied zwischen Homer und den kyklischen Dichtern machten, daß ihnen vor dem vierten Jahrhundert llias und Odyssee nicht mehr bedeutet hätten als irgend ein Epos des Kyklos. Diese Meinung beruht auf dem Mißverständnis, daß die Griechen, wenn sie ein Werk Homerisch nennen, allemal Homer als Verfasser annähmen, während sie doch mit dieser Bezeichnung oft nur ein Abhängigkeitsverhältnis ausdrücken wollen, worauf auch die Überlieferung von der Entstehung der kyklischen Epen deutlich hinweist. Arktinos, der Dichter der Aithiopis und der Iliupersis, wird Schüler Homers genannt, was nicht wörtlich zu verstehen ist, sondern im übertragenen Sinne, nimlich so, daß Arktinos an Homers Werk sich schulte. Auch die in der HomerVita überlieferte Erzählung von der Herkunft der Kyprien deutet nicht daraufhin, daßdie Griechen dieses Epos Homer zuschrieben. Homer, so wird erzihlt, sei sehr arm gewesen und konnte, als sich die eine seiner beiden Töchter vermihlen wollte, keine Mitgift für sie beschaffen; so habe er dem Stasinos, seinem Schwiegersohn, statt der Mitgift die K yprien gegeben. Solche Anekdoten sind, wie schon Welcker zeigt, eine in der Antike übliche Form, um literarische Zusammenhänge auszudrücken. Die beiden Töchter Homers sind hier, wie in andern ähnlichen Geschichten, llias und Odyssee, und durch eines der beiden Epen, wahrscheinlich durch die Ilias, wurde Stasinos zu seinem Werk inspiriert. In dem gleichen Sinn, wie hier Homer der Verfasser des Werkes genannt wird, das seine Entstehung ihm verdankt, gingen auch andere kyklische Epen, wie ja auch die Hymnen und manche Epen aus anderen Sagenkreisen, unter Homers Namen. Homer bedeutet bei den Griechen keinen farblosen Sammelnamen für alles Epische, sondern, wenn sie die kyklischen Epen Homerisch nannten, so darum, weil Homer, der Dichter von llias und Odyssee, ihnen als

Urheber auch von allen anderen Epen in dem Sinne galt, daß er für alle spltere epische Dichtung maßgebend blieb. Daß Homer Alter ist als die Kykliker, und welchen Einßuß er auf sie gehabt hat, zeigt sich zunächst schon daran, daß die kyklischen Dichter innerhalb des ganzen Stoffgebietes, das sie verarbeiten, den in Ilias und Odyssee schon behandelten Stoff gleichsam aussparen, und daß sie alle Stellen, in denen Homer zeitlich hinter seinen Stoff zurück-oder über ihn hinausweist, aufgreifen, so daß vieles bei ihnen Ausbau ist von dem, was Homer nur flüchtig erwähnt. Im Formalen sind die Kykliker ebenfalls von Homer abhingig. Mag auch ihre Sprache, wie Aristarch meint, matter und weniger dicht als die Sprache Homers gewesen sein, so daß sie nicht, wie diese, eine wörtliche Interpretation vertrug, mochten auch die Epitheta zuweilen gedankenlos verwandt werden, so zeigen doch die uns erhaltenen Fragmente, daß die Kykliker Wohllaut und Schmiegsamkeit der Homerischen Sprache sich angeeignet hatten, daß sie den leichten Fluß des Hcumcters, den klaren Satzbau von Homer übernahmen, daß sie, wie die Dichter der Hymnen, die meisterhafte Form Homers, nicht ohne Erfolg, sich zum Vorbild genommen hatten. Sie verweilen gern, wie Homer, bei ausführlichen Schilderungen, wie wir aus jenem Fragment der Kyprien erkennen, wo Chariten und Horen die Gcwinder für Aphrodite mit den schönsten Frühlingsblumen durchduften. Und wie bei Homer ist der Bericht von Tatsachen oft knapp und einfach: in der Kleinen Ilias wird der Tod des Astyanax in nur fünf Versen außerordentlich klar erzählt. Auch die Homerische Art der Darstellung, die Unterbrechung der Erzählung durch direkte Reden, die Einfügung kleiner Episoden, die Belebung durch Götterszenen wurde von den Kyklikern übernommen, wenn auch der viel geringere Umfang ihrer Epen vermuten läßt, daß sie weit seltener als Homer die eigentliche Erzählung unterbrachen. Wie sehr sie sich zuweilen auch in der inneren Motivierung an Homer anschlossen, zeigt der Kampf zwischen Achill und Memnon, der in der ilteren Sage ohne innere Begründung erzählt, von Arktinos dadurch motiviert wurde, daß Achill Memnon aus Rache für Antilochos töten will, also in enger Anlehnung an die Homerische Motivierung des Kampfes zwischen Achill und Hektar. Auch

fehlte es bei einigen k.yklischen Dichtern nicht an Bemühungen, die Homerischen Charaktere fortzuführen, wie auch der Odysscua der Aithiopis, der im Streit zwischen Achill und Diomcdcs versöhnend eingreift, an geistiger Überlegenheit dem Helden der Odyssee ähnlich gewesen sein muß. Dennoch dürfen wir natürlich nicht erwarten, daß die Kykliker die dichterische Höhe Homers auch entfernt nur erreichten. Bewußt oder unbewußt haben sie Homer gegenüber erfaßt und befolgt, was Quiotiliao crwihnt, daß es nämlich an großen Vorbildern neben vielem Nachahmbarcn auch Uooachahmbares gebe. In der Kompositionsweise kamen die Kreisdichter, wie wir schon von Aristoteles hörten, Homer nicht gleich, und der Vorwurf des Aristarch, daß im Kyklos die Götter und Menschen, vornehmlich auch die Frauen, im V crgleich zu Homers Epen kleiner erscheinen, mag berechtigt gewesen sein. Vor allem aber ist ihnen, wie wir aus dem Erhaltenen entnehmen können, das nicht gelungen, was die eigentliche Tat Homers ist: die Humanisierung des alten, rohen Stoffes. Im Gegensatz zu Sprache und Stil, die in jeder Weise von Homer abhiogig sind, tragen nimlich die Sagen der Kykliker oft noch ein altertümliches, vorhomcrischcs Gcprigc. Sie sind reich an phantastischen und mlrchcohaftcn Zügen. Das Unwahrscheinliche wird vielfach hiocingcflochtcn, während bei Homer das Wunderbare, das im Stoff lag, durch die Wirklichkeit gleichsam aufgesogen wird. Auch rohe, unmenschliche Taten, deren Schilderung Homer so sorgBltig vermied, kommen bei den K yklikc~ oft vor. Die Grausamkeiten bei der Eroberung Trojas, die Opferung der Iphigcnic, die Opferung der Polyxcoa erfahren wir überhaupt erst aus dem Kyklos. Nicht etwa, daß dieses Rohe, dies Abstruse, Außcrmcnschlichc und Unwirkliche der Phantasie der Kykliker entsprungen wllrc, - es stammt vielmehr aus derselben Sage, die auch Homer vorfand, der aber die Kykliker im Gegensatz zu Homer ohne wesentliche Veränderungen und ohne Auswahl folgten. Die chronologische Anordnung, zu der sie sich, vielleicht bewußt an Stelle der Homerischen Kompositionsweise, entschieden hatten, verpflichtete sie gleichsam, alle Ereignisse, wie sie aufcioaodcrfolgtcn, lückenlos zu erzählen. 91

Daß eine Neugestaltung und Läuterung des alten Stoffes damals nicht mehr möglich war, hingt gewiß auch mit dem zeitlichen Abstand zusammen, der die Kykliker von dem Gegenstand jener Sagen schon trennte. Homer kommt der geschichtlichen Wirklichkeit viel näher als die kyklischen Dichter, die zu der von ihnen geschilderten Wirklichkeit sich ihnlich verhalten wie Vergil, von dem Napoleon sagte, daß er im Gegensatz zu Homer Kämpfe schildere, wie sie so nicht stattgefunden haben können, eine Bemerkung, mit welcher wahrscheinlich durch V ergil hindurch auch der Kyklos getroffen ist, da Vergil die Iliupcrsis des Arktinos als Quelle benutzte. Für die Kykliker, die erst lange nach der dorischen Wanderung lebten, war die Kultur der mykenischen Zeit schon vollstindig versunken, die für Homer - wenn auch in ihren letzten Auswirkungen - noch gegenwärtig, noch lebendig gewesen sein muß. Daher fehlte auch in den kyklischen Dichtungen der endhafte Ton. So nimmt in der Iliupcrsis Neoptolemos in jede~ Beziehung die Stelle Achills, seines Vaters, ein, ihn gleichsam in Vergessenheit bringend, ganz im Gegensatz zur Odyssee, wo die Trauer um die großen Toten den Grundton mitbestimmt, wo Telemachs anmutige Erscheinung mehr wie ein letzter schöner Ausklang des Herocnaltcrs, nie aber wie eine Wiederholung des Odysseus wirkt. Die zeitliche Ferne, die es zur Folge hatte, daß die Kykliker schildern mußten, was sie selbst nicht mehr gesehen, liißt die von ihnen erzihlten Vorgänge oft der Wirklichkeit und Wahrscheinlichkeit entbehren. Häufig brachten sie daher auch Ereignisse ihrer eignen Zeit, wie den Feldzug in M ysien, ohne Bedenken mit den Kämpfen um Troja in Zusammenhang. Die kyklischen Dichter haben, so scheint es, aus diesem großen Abstand, in dem sie zeitlich selbst zu ihrem Stoff standen, den Schluß gezogen, die Sage so weit wie möglich unangetastet zu belassen, wie sie ihnen überliefert war. Mit den an Homer geschulten Kriften bemächtigten sie sich des Stoffes, den Homer liegen gelassen, vielleicht um die trojanische Sage, deren Kenntnis Ilias und Odyssee voraussetzen, in einer würdigen und leicht zugänglichen Form zu bewahren, vielleicht auch nur, um den bei den Hörern der Homerischen Dichtung erwachenden Wunsch, zu wissen, was vorher kam, und wie es weiterging, zu befriedigen. Wohl haben

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auch die kyk.lischen Dichter manches in den alten Stoff hineingc• dichtet, was unverkennbar ihrer eignen Zeit angehört. Aber in der Mehrzahl der Fälle können wir durch Vergleich mit anderen Sagen und durch unser Wissen um das Primitive in den Geschichten des Kyklos Lieder und Erzählungen aus noch vorhomerischer Zeit erkennen. Das Alte wird bei ihnen nicht von neuem Geist durchdrungen, es wird aber auch nicht, wie bei den Alexandrinern, bis zur Unkenntlichkeit verändert. Vergleichen wir, wie spätere Dichter, die den Kyklos schmähten, den noch größeren Abstand, der sie von der alten Sage zeitlich trennte, zu überbrükken suchten, so scheint uns das Verfahren der kyklischen Dichter ehrwürdig. Lykophron hat in seiner « Alexandra » mit gelehrtem Ballast die einfache Sage bis zur Unverständlichkeit beschwert, aus Originalitätssucht die Nebenzüge aufgebauscht und mit dem nicht mehr verwandten und auch nicht mehr höheren Pathos seiner Zeit dasAlte entstellt. Wir müssen den Dichtern des Kyklos wohl dankbar sein, daß sie pietätvoll gegen den Stoff, der ihnen vorlag, und gegen das große Vorbild, dasüber ihnen stand, taten, was ihren Kräften und ihrer Zeit nach möglich war. Wir sahen, wie anregend für die Griechen der Kyklos gerade durch die Erhaltung des alten Stoffes gewirkt hat, und für uns ist unschätzbar, daß durch die Kykliker in einigen Fällen das Material uns sichtbar wird, an das Homer die schöpferische Hand gelegt. Indem wir etwas von dem erfahren, was Homer vorgelegen hat, erfahren wir zugleich, wie Homer das V orgcfundene behandelt hat, was ihn daran interessiert, was nicht interessiert, und in welcher Weise, woraufhin er es stilisiert hat. Die Vergleichung der alten Bestandteile des Kyklos mit den Homerischen Epen kann uns einen Einblick vermitteln in das Individuell-Homerische, in das Wesen des Dichters selbst.

* Wenn wir nun die Erzlhlungen vom troischen Krieg, die bei Homer vorkommen, mit denen vergleichen, die im K yklos standen, so müssen wir feststellen, daß Homer gerade einige der wichtigsten kyklischcn Sagen verschweigt oder nur ganz beiläufig andeutet. Er

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erzählt nichts vom Parisurtcil noch vom Raub der Helena, nichts von dem vorgetäuschten Wahnsinn des Odysseus und der Ermordung des Palamedes, nichts von der Aussetzung des Philoktet. Es fehlt jede Erwlhnung von den wichtigsten Ereignissen bei der Zerstörung Trojas, vom Tod des Priamos und des Astyanax, von der Opferung der Polyxcna und dem Schertum der Kassandra, auch die Opferung der Iphigenie und viele andere Freveltaten des Pelopidengcschlcchtcs werden nicht berichtet. Daß Homer all diese Sagen nicht erzählt, weil er sie nicht gekannt habe, ist schon ihres altertümlichen Charakters wegen unwahrscheinlich, ja undenkbar. Mit Recht sagt Strabo: • Einen falschen Schluß zieht, wer daraus, daß etwas von dem Dichter nicht gesagt wurde, schließt, daß es von dem Dichter nicht gekaqnt worden sei • Zudem finden sich in Ilias und Odyssee flüchtige Anspielungen, aus denen mit Sicherheit hervorgeht, daß einige jener Sagen dem Dichter bekannt gewesen sind. Ebensowenig kann das Fehlen der kyklischen Sagen dadurch erklärt werden, daß Homer in I1iasund Odyssee einen zeitlich nur kurzen Ausschnitt aus dem trojanischen Krieg und dem Leben des Odysseus wiedergibt und aus diesem Grund jene Geschichten in sein Werk nicht hätte einfügen können; denn der Dichter hat eine Fülle von Sagen aufgenommen, die zeitlich außerhalb seiner Epen liegen: Ausführlich erzählt er, wie die Achäer bei der Abfahrt von Aulis durch das Schlangenwunder ermutigt wurden, wie Achill das hypoplakische Theben, die Heimatstadt der Andromache, eroberte, wie er die Rinderherde des .Äncas erbeutete; und durch ,-jnulne über beide Epen hin verstreute Bemerkungen gewinnen wir eine Vorstellung von dem ganzen Verlauf des Krieges, auch von seinem Ausgang und dem Schicksal der Heimkehrenden. Auch über das Leben des Odysseus erfahren wir aus der Odyssee weit mehr als seine Fahrtabenteuer und die Kimpfe, die er nach seiner Rückkehr zu bestehen hatte. Wir hören, wie er zu seinem Namen kam, wie er, als Knabe noch, in Mcsscnien eine Schuld eintrieb, wie er bei der Jagd sich die schwere Wunde zuzog, wie er vor seinem Zug nach Troja auf Ithaka herrschte, und welche Schicksale ihm nach der an den Freiern vollzogenen Rache bevorstanden; wir können nach dem in I1iasund Odyssee Erzähl-

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ten sein ganzes Leben mit allen entscheidenden Ereignissen überschauen. Wenn cs somit durchaus der Kompositionsweise des Dichters gemäß ist, Ereignisse, die jenseits des erzählten Rahmens liegen, dennoch einzubeziehen, so erhebt sich die Frage, ob die Auswahl, die Homer getroffen hat, lediglich durch Zufall und Willkür bestimmt wurde, oder ob Homer, der, wie die Alten meinten, das Verschweigen zu seinen wichtigsten Kunstmitteln zählt, mit Absicht eine Reihe der ihm überlieferten Sagen nicht in sein Werk aufgenommen hat. Diese Frage läßt sich nur durch eine Betrachtung einzelner kyklischer Sagen entscheiden.

* Der Kyklos nennt bekanntlich das Parisurtcil und den Raub der Hclena als Ursache des troischen Krieges. In den Kyprien, in denen das Parisurtcil ausführlich erzählt wurde, bildete es den eigentlichen Ausgangspunkt des Kampfes, und wir dürfen annehmen, daß cs auch in der vorhomerischen Sage die gleiche Stellung einnahm. Das Parisurtcil gehört deutlich zu jenen älteren Geschichten, auf die auch Homer zuweilen anspielt, in denen Götter noch auf der Erde wandeln und mit den Menschen verkehren. Gerade von dem trojanischen Königshaus kannte man zahlreiche solcher Sagen: den Dienst des Poseidon und des Apoll bei Laomedon, den Raub des Ganymed, Eos und Tithonos, Anchiscs und Aphrodite. Diese Sagen gibt Homer einer ilteren Generation und rückt sie dadurch ausdrücklich von dem eigentlichen Geschehen ab. Auf das Parisurtcil macht er nur einen einzigen Hinweis im letzten Iliasgcsang; nirgends verwendet er dieses Motiv, weder die Parteinahme der Götter noch die Freundschaft der Aphrodite zu Paris sucht er damit zu erkliren. Ein solches Märchenmotiv paßte weder zu den Homerischen Göttern noch zu den Homerischen Menschen. Das, was Homer aus den Göttern gemacht hat, ist unvereinbar mit Gottheiten, die vor einem Menschen über ihre Schönheit streiten und sich dem Urteil eines Sterblichen fügen. Und auch der Paris der Ilias ist als Schiedsrichter über drei mächtige Göttinnen nicht denkbar. Obwohl er auch bei Homer der verwöhnte Günstling der Aphrodite ist, der er seine Schönheit, sogar seine musische Be95

gabung verdankt, so wird er doch keineswegs hervorgehoben, im Gegensatz zur älteren Sage, wo er als der berühmteste und bedeutendste der Söhne des Priamos auftritt, dem sogar die Rolle zufiel, den großen Peliden zu töten. Er ist unbedeutender als die meisten troischen und achäischen Helden und spielt in den Kämpfen keine besonders rühmliche Rolle. Er erscheint zwar auch bei Homer als der schuldbeladene Urheber des Krieges, dessen Begierde die Stadt ins Unglück stieß, wie manche Vorwürfe, vor allem die bitteren Worte Hektors, verdeutlichen, der sogar in Gegenwart seiner Mutter ausruft: Ich wünschte, ihn verschlänge die Erde. Aber seine Schuld, sein Anteil am Unglück wird nicht an das Einwirken der Götter geknüpft, nicht zu einem tragisch verhängnisvollen Schicksal gesteigert. Er wird schuldig nur als Mensch, durch jene Schwäche und Leichtfertigkeit seines Wesens, wie sie besonders nachdrücklich im sechsten Gesang durch die Gegenüberstellung von Paris und Hektor gezeigt wird: Hektor nimmt nach der Niederlage die ganze Schwere des Schicksals auf sich, während Paris sich mit dem Gedanken beruhigt, daß die Götter das Kriegsglück einmal diesen, einmal jenen zuwenden. Auch von dem Raub der Hclena, dem eigentlichen Anlaß des Krieges, erfahren wir bei Homer nur wenig, während der Kyklos gerade diesem Motiv eine außerordentliche Bedeutung zumißt und der Raub selbst mit allen Einzelheiten in den Kyprien erzlhlt war. • Paris •• so heißt es in der knappen Inhaltsangabe des Proklos, • fuhr auf Anraten der Aphrodite nach dem Pcloponnes. In Lakedaimon wurde er von den Tyndariden, in Sparta von Menelaos als Gast aufgenommen. Bei dem Festmahl, das in Sparta ihm zu Ehren stattfand, gibt er Helena Geschenke. Danach ahrt Menelaos nach Kreta und befiehlt Hclena, in seiner Abwesenheit die Güte zu bewirten. Während Menclaos fort ist, führt Aphrodite Hclena mit Paris zusammen; nach ihrer Vereinigung bringen sie heimlich zahlreiche Schätze auf das Schiff und segeln während der Nacht davon.• Daß dieser Raub zugleich mit der Entwendung der Schitzc und dem Bruch des Gastrechts den Grund des Krieges bildete, wird zwar in der Ilias von den Helden öfters gesagt, aber den Anteil, den Hclcna selbst an diesem Frevel hat, ob sie Paris freiwillig

folgte, ob sie mit Gewalt entführt wurde, bat Homer niemals eindeutig festgelegt. Die Achier sprechen von « Klagen und Tränen der Helena •• als werde sie gegen ihren Willen in Troja zurückgehalten, sie selbst hingegen spricht sich schuldig und nimmt ihre eigne Tat auf sich. Der Odyssee zufolge scheint es dagegen, als habe sie zeitweise auf der Seite der Troer gestanden und sich erst kurz vor der Eroberung Trojas der Seite der Achier zugewandt. Dieses nicht eben edle Wechseln je nach dem Erfolg wird aber von Homer nur so flüchtig angedeutet, daß man vermuten darf, es sei ein alter Sagenzug gewesen, den der Dichter absichtlich überging. Das Bestreben, die Gestalt der Helena zu vermenschlichen und zu veredeln, mag Homer bewogen haben, nur wenig Tatsachen aus ihrem Leben, wie die ältere Sage sie überlieferte, zu er- . zählen, nicht den Mythos ihrer Geburt, der - wie schon ihr Beiname, die Zcusentsprossene, verrät - allbekannt war, nicht ihre Entführung durch Theseus und Peirithoos, nicht ihre spiltere Ehe mit Dciphobos, die sie, wie die Kleine Ilias berichtete, noch nach dem Tode des Paris einging. Und obwohl die Lieder und Erzählungen, die in der Odyssee von den letzten Kriegsjahren und der Eroberung Trojas handeln, Gelegenheit zur Schilderung dieser Szene gegeben bitten, und obwohl gerade diese Begegnung die Phantasie vielfach beschäftigt haben muß, verschweigt Homer auch jene erste Begegnung zwischen ihr und Menelaos nach der Eroberung Trojas, wobei sie, wie die Kleine Ilias erzählte, durch Entblößung ihrer Brust den Zorn des früheren Gatten beschwichtigte. Die Episoden der Ilias und der Odyssee, in denen Helena erscheint, die Mauerschau, wo Helena den Greisen Trojas die Achierfürsten mit Namen nennt, die durch Aphrodite herbeigeführte Versöhnung zwischen ihr und Paris, das schöne Gcsprilch zwischen ihr und Hektor, die ergreifende Totenklage um Hektor am Ende der Ilias und dann das Auftreten Helenas in Menelaos' Palast, all dies sind frei erfundene Szenen, die durch den Dichter, ganz unabhängig von dem Stoff der alten Helena-Sage gestaltet wurden. Nur jene beiden Erzählungen in der Odyssee, wie Helena Odysseus, der sich in Troja eingeschlichen hatte, wiedererkannte, und wie Helena die im hölzernen Pferd verborgenen Helden in Verwirrung zu bringen suchte, können Umdichtungen 7 Paaoldoo

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üterer Sagen sein, die bei Homer in auffallend leichtem Ton erzihlt werden. Sicherlich trägt auch die Szene, in der Aphrodite die widerstrebende Hclcna zu dem unrühmlich aus dem Zweikampf heimkehrenden Paris ruft, einzelne Züge von jener ersten V crführung in Sparta, als Paris in Abwesenheit des Mcnclaos Hclcnas Liebe gewann; wie Hclcna nur widerstrebend der mächtigen Göttin folgt, wie Aphrodite in eine alte Magd verwandelt, die Rolle einer Kupplerin übernehmend, Hclcna zu Paris führt, ihr gar den Sessel Paris gegenüber zurecht stellt, wie dann Paris Hclcna zu einem Schäferstündchen überredet, all dies könnte bei ihrer ersten Vcrcinigung ebenso verlaufen sein, und es ist möglich, daß Homer die Sage, die davon erzählte, hier für seine Zwecke umdichtete. Öfters nimlich kommt es vor, daß Homer Sagcnmotivc auf eine andere Situation überträgt und auf diese Weise die Sage neu deutet und seinen, den neuen Menschen, anpaßt. In keinem anderen Augenblick konnte die Unterwerfung Hclcnas unter den Willen der Aphrodite so ergreifend geschildert werden wie hier, wo sie, den früheren Gemahl soeben in ruhmvollstcm Kampf erblickend, ihre Bewunderung und ihre Liebe erneut ihm zuwendet und dennoch Paris, der in dem gleichen Kampf kläglich unterlag, mit ihrer Liebe beglückt, gegen ihr cigncs besseres Wollen, von der Göttin überwältigt. Durch solche Umdichtungcn hat es Homer vermocht, die fragwürdige Stellung Hclcnas als einen schmerzlichen Konßikt, als ein wahrhaft großes Schicksal darzustellen. Leidend, aber bewußt erträgt sie ihr Los, ja sie weiß ihm einen überpcrsönlichen Sinn zu geben: sie, die doch ihre Tat als Schande empfindet und sich mehr als einmal « die Hündische • nennt, denkt an den kommenden Ruhm. So sagt sie zu Hcktor:

ujttz_t abtr komm htrtin, a,if den Schtmelhitr laut dich nitder, Sch1llager I 1111chdem mir am 1111ist111 das Kritgsleiddit Seelelimz.irkt hat Mtintr, der hiindischtn,111eg111 1111d 111eg111 des Fr1111/s des Paris, Uns, den111 Zelis ein traNrigGtschick a11flegte, daß künftig Wir denkommendenMenschenGestalttn des Sangts nochseien.• Welches Gewicht Homer darauf legte, Hclcnas Schönheit nicht nur als weiblichen Reiz, sondern als seelische Hoheit erscheinen

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zu lassen, zeigt sich auch darin, daß er am Ende der Ilias die letzten Klageworte um Hektor Hclena in den Mund legt; Worte, in denen die ganze Schwere ihres Schicksals noch einmal in ergreifender Weise zum Ausdruck kommt. Notwendig ergänzend tritt zu diesem Bild Helenas, das wir aus der Ilias gewinnen, Helenas Erscheinung in der Odyssee. Es überrascht, sie so unversehrt und ungebrochen, heiter und anmutig im Palast des Menelaos anzutreffen. Diese Unversehrtheit nach allen Wirrnissen und Schicksalsschlägen hebt Hclena fast über die Sphäre des Menschlichen hinaus unter die göttlichen Wesen; andrerseits aber erscheint neben Menclaos, der als Sieger heimgekehrt, seine Tage in Trauer um die verlorenen Gefährten verbringt, Helenas heitere Leichtigkeit auch als charakteristische Begrenztheit ihres Wesens. Sie ragt zwar auch durch ihren Geist und ihre Regsamkeit hervor, sie erkennt Telemach sogleich an der Ah.nlichkeit tnit dem Vater, sie weiß die niedergedrückte Stimmung durch einen Zaubertrank aufzuheitern, sie versteht schneller als Menelaos, das V ogelzcichen richtig zu deuten, aberihre Lcichtig keit schließt ein tragisches Leiden, wie es die Heroen, wie es auch Penelopc adelt, aus. Sie ist kein Charakter, der Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen fahig ist ;ihr fehlt die tiefere Einsicht in den Fug menschlichen Daseins. Sie findet sich tnit dem Schicksal ab: 0 Menelaos,Alride, dll starker dt1rrhZ1111,,mJ ihr Söhne

Tapferer Männer, ma11&hmal verleihtdiesemG11teslllldjenem Wieder11m Böses dergöttlirheZe11s:er vermag11ämlirh alles. Welch anderes Gewicht hat eine ähnliche Betrachtung bei Achill: De1111 es st,hn Z}l'eiGefäße b,reit an der S,l»velledes Ze11s,voll

Gaben,die sie vergeben:das Böse, das andredas G11te. Wem ge111iuhte11 Teil der Blitze s,hlellliernde Ze11sgibt, S,hlimm11begegnetihm bald, ihm begegnettlll(hwiederG11tes. den belegter mit Srhande: Wem er vom Leid llfir z.11111ißt, Ihn 11ämlirh jagt 1111seliges Darb,11a11fgöttlirherErde U11stät,wedervon Göttm, gu,hätz.t ll()(h11011 JlerblühenMens,he11.

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Man siebt, daß Homer die ihm überlieferte Sagengestalt der Helena. in ihrem Grundzug nicht verändert bat, wie es ihm aber gelungen ist, ihr geistige Feinheit und auch Hoheit zu geben. Wie anders zeigt sieb dagegen Helena in anderen Dichtungen, im Kyklos uncl in der Tragödie. Die Trocrinnen des Euripidcs, die wahrscheinlich auf die Iliupcrsis oder auf die Kleine Ilias zurückgehen, vermitteln uns am besten das Bild dieser unhomeriscben Helena. Hier ist sie nichts als eine leichtfertige Buhlerin, die sich ihrer Macht über die Männer nur allzu bewußt ist. Die Flüche, die in der Orcstie des Aiscbylos _gegen sie ausgesprochen werden, scheinen auf einen ihnlicben Charakter hinzudeuten. Und wenn von Stesicboros erzählt wird, er habe durch einen Gesang Helena so sehr beleidigt, daß sie ihn zur Strafe des Augenlichtes beraubte, so dürfen wir daraus entnehmen, daß es auch dieser Dichter nicht vermocht bat, Hclena Würde zu verleihen. Stcsicboros bat dann, wie es in jener Anekdote beißt, um Helena wiederum zu versöhnen, seine berühmte Palinodie gedichtet, worin er, anschließend an einen spartanischen Kultmytbos, erzählte, daß die wirkliche Helena Menclaos niemals verlassen habe und nur ein Scheinbild von ihr mit Paris nach Troja kam, eine Umdicbtung ihnlicb jener, welche Herodot überliefert, daß nlmlicb die wirkliche Helena von Hera nach Agypten entrückt worden sei und Paris nur ein Trugbild von ihr nach Troja mitgenommen habe; es ist, wie Herodot sagt, unglaubhaft, daß die Troer einer Frau wegen einen so langen und so blutigen Krieg auf sieb genommen bitten, wo es doch leicht gewesen wäre, den Krieg zu beenden, indem sie Helena auslieferten. Der Version des Stcsicboros bat sich da, wo er sie zu veredeln sucht - in seiner • Helena • - auch Euripides angeschlossen. Gerade an solchen Umdicbtungen sehen wir, wie schwer es war, die Helena-Sage mitWabrscbe.inlicbkeit zu gestalten, und daß es sogar einem Dichter vom Range des Stcsicboros nur durch eine tiefgreifende Umbildung der Sage geglückt ist, Helena in edler und hoheitsvoller Gestalt erscheinen zu lassen. Er mußte, wollte er nicht Helena entwürdigen, ihren Mythos gewaltsam verändern, während Homer, und soweit wir wissen nur er alle.in, den Charakter der Helena 100

glaubhaft so zu gestalten wußte, daß sie ihr mythisches Schicksal durchlebt, ohne Adel und Anmut dabei einzubüßen.

* Der verstellte Wahnsinn des Odysseus und der Mord an Palamedes wurde in den Kyprien erzählt: Als die Atriden mit Palamedes nach lthaka kamen, um Odysseus zum Zug nach Troja abzuholen, tiuschte ihnen Odysseus vor, er wäre wahnsinnig, denn er wollte sich der Teilnahme am Krieg entziehen; Palamedes jedoch überführte ihn, indem er den kleinen Telemach von der Brust der Penelope riß, als wolle er ihn töten,· worauf Odysseus aufsprang, um seinen Sohn zu schützen. Diese Sage verarbeitete spiter Sophokles in seiner berühmten Tragödie • Der rasende Odysseus 11. Hier spannt Odysseus als Zeichen seines Wahnsinns ein Pferd und ein Rind vor den Pflug und sät, wihrend er pflügt, Salz in die Furchen. Sein Betrug wird dadurch aufgedeckt, daß Palamedes den kleinen Telemach vor den Pflug legt, worauf Odysseus erschrocken anhält. Wir wissen nicht, ob Sophokles diese Abwandlung der Sage erfunden hat, oder ob es schon in früher Zeit verschiedene Versionen gab. Odysseus nun, so erzihlten die Kyprien weiter, rächte sich aufs grauenvollste dafür, daß Palamedes ihn zur Teilnahme an dem Krieg gezwungen hatte. Als die Achäer schon längere Zeit vor Troja lagen und eine Hungersnot ausgebrochen war, zog Palamcdes, um ihr zu steuern, aus und holte den Achäem Fische. Auf seinem Rückweg wurde er von Odysseus und Diomedes überfallen und meuchlings erwürgt. Leider ist uns nicht überliefert, wie im einzelnen die K yprien den Vorgang darstellten. Doch haben auch Aischylos, Sophokles und Euripides den Tod des Palamedes zum Gegenstand einer Tragödie gemacht, und es ist wahrscheinlich, daß einige Züge, die wir bei den Tragikern finden, auch schon in den Kyprien erwähnt wurden. Bei Euripidcs, vielleicht sogar auch bei allen drei Tragikern, war außer der Rachsucht des Odysseus auch sein Neid gegen den außerordentlich klugen und erfinderischen Palamedcs ein Motiv des Mordes. Diesen Neid teilt Odysseus bei Euripides mit den Atriden, und es ist wahrscheinIOI

lieh, daß diese auch schon in den K ypricn dem Palamcdes, obwohl er als Wohltätcr der Achicr auftrat, feindlich gesinnt waren, denn sonst wäre wohl erzählt worden, auf welche Weise Odysscus und Diomcdcs für ihren Meuchelmord bestraft wurden. In den Tragödien wird Palamcdes nicht nur unschuldig erwürgt, sondern einer fingierten Schuld angeklagt und unschuldig verurteilt und gesteinigt. Auch in dieser V crsion erscheint Odysscus nicht minder verrucht als im Kyklos. Er nämlich habe Palamcdes durch gefälschte Briefe und durch hci~ch unter seinem Zelt vergrabenes Gold in den Verdacht gebracht, von den Troern bestochen zu sein. Da dies im Einvernehmen mit den Atridcn geschah, konnte bei einerHeeresversammlung die Schuld des Palamcdcs leicht nachgewiesen werden. Seit dieser Darstellung der Tragiker lebte Palamcdcs unter den Griechen als das Urbild des unschuldig Verurteilten, des Wohltäters fort, der dem Undank, dem Neid, der Rachsucht zum Opfer fiel. Sokrates sieht in Palamedes einen ihm im Schicksal Verwandten, und später noch wurde oft der Tod des Palamedcs mit dem Tod des Sokrates verglichen. Palamedes gehörte auch zu jenen Sagengestalten, denen, ähnlich wie Prometheus, Sisyphos, Kadmos, zahlreiche Erfindungen zugeschrieben wurden. Buchstaben, Zahlen, Gewichte, Feuerzeichen, die Heereseinteilung, ja auch die Einteilung der Mahlzeiten und das Brettspiel habe er die Menschen gelehrt. All dies erfahren wir allerdings erst aus den Fragmenten der Tragiker, und es ist anzunehmen, daß die Zahl seiner Erfindungen mit der Zeit vermehrt wurde. Daß aper auch schon der Palamedcs der ältesten Sage durch besondere Geschicklichkeit sich auszeichnete, geht bereits aus seinem Namen hervor, der von Palame (ein Ausdruck für •Hand» und zwar Hand als Werkzeug des Menschen) abzuleiten ist. Vielleicht war er ursprünglich durch ähnliche List und Gewandtheit berühmt, wie Odysseus und ist eben darum auch der Gegenspieler des Helden geworden. In frühe, vorhomerischc Zeit weist auch der Zug, daß Odysseus und Diomedes ihn gemeinsam ermordeten, denn die Verbindung dieser beiden findet sich in mehreren älteren Sagen, bei der Ermordung des Rhesos, bei dem Raub des Palladion, bei der Abholung des Philoktet, also immer in solchen Erzählungen, in denen Odysscus als der Listige, Schlaue, Verschlagene auftritt, 102.

und es ist anzunehmen, daß es vor Homer eine Reihe von Liedern gab, die solche von Odysscus und Diomcdes gemeinsam vollbrachte Abenteuer besangen. Mit dem Odysscus der Ilias und der Odyssee wäre eine derart schnöde Mordtat an einem wehrlosen Kampfesgefährten, wäre auch die nicht eben würdige Weise, sich dem Kampf entziehen zu wollen, unvereinbar. Hier, scheint uns, liegt der Grund dafür, daß Homer, dem sie mit dem Charakter seines Odysscus nicht übereinstimmte, die Palamcdcs-Sagc ausschied. Auch bei Homer werden die Helden persönlich zur Teilnahme am Krieg geladen, und in der zweiten Nckyia, die, wie wir sahen, von einem Homcridcn stammt, wird erzählt, daß die beiden Atridcn nach Ithaka kamen, um Odysscus zur Teilnahme am Kampf aufzufordern. Von einem Widerstand des Odysscus jedoch ist nicht die Rede. Nur eine einzige Bemerkung, die bczcichncndcrwcisc in einer Lügengeschichte des Odysscus steht, könnte auf diese Sage bezogen werden: Odysscus, der hier als der Kreter Kastor spricht, sagt, daß man auch ihm befohlen habe, sich an dem Zug nach Troja zu beteiligen, und daß es kein.Mittel gab, sich dem zu entziehen. Bei dem Odysscus der llias wären Tücke und Mord aus Rachsucht oder Neid gegen einen Kriegsgefährten undenkbar; gerade er ist mit fast jedem der anderen Helden durch eine besondere Freundschaft verbunden; er kennt kein V crlcumdcn, er sät keine Feindschaften unter den Achäcrn, im Gegenteil, er sucht zwischen Achill und Agamcrnnon zu vermitteln; er vermag es, das aufrührerische Heer von der Heimfahrt zurückzuhalten, und nur ein einziger tritt ihm feindlich und gehässig entgegen: Thcrsites. Thcrsites ist, wie wir sehen werden, eine von Homer erfundene Figur, und die Thcrsitcs-Szenc dient vornehmlich dazu, Odysscus', des Homerischen Odysscus Geistesgegenwart, Besonnenheit, unantastbare Hoheit zu zeigen. Die überlegene Ironie, mit der Odysscus diesen häßlichsten aller Achäcr, dessen rebellische Rede in jenem Augenblick leicht bitte gefährlich werden können, zum Gegenstande allgemeinen Gelächters macht, gewinnt ihm die Bewunderung des ganzen Achäerhceres. Wenn also Homer nicht die ganze Palamedes-Sagc gewaltsam umdichten wollte, was -wie noch zu zeigen ist - seinem Stil nicht entspricht, so blieb ihm nichts 103

übrig, als sie ganz auszulassen, denn sie ist mit seinem Odysscus unvereinbar, oder wir können auch sagen: er bildete den Oiarakter seines Odysseus, indem er solche Sagen ausschied. Eine gewaltsame Umdichtung der Sage zeigte sich auf der • Nekyia • des Polygnot, wo Palamedcs, der Nebenbuhler des vorhomerischen Odysseus, mit Thersitcs, dem einzigen Widerpart des Homerischen Odysseus, vereint beim Brettspiel dargestellt war, eine Herabsetzung des sonst seiner Klugheit und seines hilfreichen Geistes wegen gepriesenen Palamcdcs, die in der ganzen uns bekannten Sagenüberlicferung einzigartig ist. Wir wissen von Polygnot, daß er, der den klassischen, den hohen Stil in der Malerei schuf, und dessen Einfluß auch in der Plastik die Wendung vom archaischen zum klassischen Stil bewirkt haben soll, von Homerischem Geist erfüllt war, - eine entscheidende Tatsache, die in ihrer ganzen Tragweite nur in einer Arbeit über die Wirkung Homers auf die griechische Welt dargelegt werden könnte - und Welcker hat gezeigt, daß Polygnot ganz besonders auf seiner • Nekyia •• obwohl er eine Reihe berühmter Sagengestalten hinzuzog, die Homer nicht erwähnt, das Werk Homers, seine Helden, ja seine Darstellungsweise verherrlicht hat. Vielleicht hat Polygnot, der den sagenberühmten Palamedcs auf seinem Bild nicht weglassen durfte, ihn mit Thersitcs zusammengestellt, um zu zeigen: einer, an dem Odysseus, nimlich der Homerische Odysseus, so tückisch handelt, kann nur eine Art Thersitcs sein.

* Zu den Sagengestalten, die bei den kyklischen Dichtern, bei den Lyrikern und bei den Tragikern untrennbar mit der Eroberung Trojas verknüpft sind, gehört auch Philoktet. Er zog mit den andern Achicrfürsten aus, um Troja zu bekämpfen, aber bei einem Festmahl auf Tenedos, wie es im Kyklos heißt, oder, nach einer ilteren Sage auf der Märcheninsel Chryse wurde er von einer giftigen Schlange gebissen. Da seine Wunde nicht heilen wollte, ließen ihn die Achicr des eklen Geruches wegen, den die Wunde verbreitete, auf Lcmnos zurück. Aber im letzten Kriegsjahr verkündete ihnen der gefangene troische Scher Helcnos, daß Troja 104

nur durch den Bogen des Philoktet erobert werden könne. Von diesem Bogen erzählte man, es sei der Bogen des Herakles gewesen, Herakles aber habe ihn dem Poias, dem Vater des Philoktet, geschenkt zum Dank dafür, daß Poias den Mut gefunden hatte, ihm den Scheiterhaufen zu entzünden. Um sich nun dieses Bogens zu bemächtigen, fuhr, nach der Aithiopis, Odysseus zusammen mit Diomedes, nach der Kleinen llias, Diomedes allein nach Lemnos und suchte den schnö und o?Toc;•Geschick•,, Todeslos• abzuleiten, und diese Bedeutung scheint die bei den Griechen geltende gewesen zu sein, da auch einer der Giganten, ein Bruder des Promctheus, Mcnoitios hieß, der, von Zeus für immer in den Erebos verstoßen, Hüter der Herden des Hades wurde. Auf den Vater des Patroklos hat allerdings ein solcher Name keinerlei Beziehung, da dieser sowohl

bei Homer wie auch bei anderen eine nur wenig ausgcprigtc Ge-

stalt ist und keine besonderen Schicksale durchlebt. Aus welchem Grund Homer diesen Namen wählte, ob er vielleicht auf das vorzeitige und standhafte Sterben des Patrok.los dadurch hindeuten wollte, können wir nicht mehr feststellen. Außer Aktor und Mcnoitios nennt Homer keinen Namen aus Patroklos' Geschlecht, nicht einmal den der Mutter. Erst in Hesiodischer Zeit, als das Interesse an genealogischen Vcrknüpfungen erwachte, wurde Patrok.los eine Mutter gegeben; unter den verschiedenen ihr nun beigelegten Namen ist Sthenelc der hiufigstc. Wie Phoinix und Eumaios ist auch Patrok.los unvermählt und ohne Nachkommen. Bei Pindar werden Achill und Patrok.los durch einen gemeinsamen Ahnen, Aiakos, der Vater des Peleus wie des Aktor gewesen wäre, miteinander verbunden - eine Kombination, die auf Hesiods Eoicn zurückgeht. Es wurde auch eine Sage erzählt, welche begründen sollte, warum Mcnoitios sowohl nach .Ägina, dem Reich des Aiakos, als - wie es bei Homer heißt - nach Opus in Lokris und auch nach Thessalicn, der späteren Heimat des Patrok.los, gehört; doch erweist sich diese Sage deutlich als eine spitc Erfindung. Ganz besondere Schwierigkeiten macht die Erklärung des Namens von Patrok.los selbst. Patrok.los heißt: •Der durch den Vater Berühmte •; so wird auch ein Sohn des Herakles Patrok.los genannt, von dem nichts anderes zu berichten war, als daß er von jenem berühmten Vater abstammte. Nun ist aber gerade Patrok.los lediglich durch sich selbst berühmt. Mehr wie mancher andere Vater der Homerischen Helden, mehr als Peleus, als Lacrtcs, als Tclamon und Laomcdon tritt Menoitios hinter dem Sohn zurück. Er ist, wie wir schon sagten, eine farblose Gestalt, von der die Sage nichts zu erzählen weiß. Auch Homer erwähnt ihn nur beiläufig; die Ermahnungen, die Menoitios beim Auszug in den Krieg seinem Sohn gibt, sind die einzigen Worte, die in der Ilias ihn charakterisieren. Zu Menoitios kann also der Name des Patroklos keine Beziehung haben. Andrerseits hat in neuerer Zeit eine Untersuchung über den Ursprung der Homerischen Namen ergeben, daß die Namen aller hervortretenden Helden der Ilias

älter sind als der Name des Patroklos, daß dieser also spiter hinzugekommen sein muß und daher schwerlich auf eine uns unbekannte ältere Sage zurückgehen kann. Will man nun nicht in dem Namen dieser so bedeutsamen Iliasgestalt lediglich einen II Ehrennamen ohne tieferen Gehalt 11(wie ein moderner Forscher sich ausdrückt) sehen, so muß man sich mit zwei möglichen, wenn auch nicht beweisbaren Erklärungen begnügen: Entweder Homer bat diesen Namen nicht erfunden, sondern aus dem Leben, von einer wirklichen Gestalt übernommen, oder aber Homer hat dem Patrok.los einen Namen gegeben, der selbst eine Anspielung darauf enthält, daß Homer diese Gestalt erfunden hat, indem nimlich der Dichter als der Erfinder gleichsam der Vater des Patrok.los ist, dieser also 11berühmt durch seinen Vater II heißen kann, weil er durch Homer berühmt wurde. Wir wissen, daß Homer öfters mit seinen Namengebungen geheime Anspielungen verknüpft. So sagt er in der Geschichte von Melcagers Zorn, die er Phoinix erzählen läßt, die futtin des Melcager, die schöne Kleopatra, sei von ihren Eltern Alkyone genannt worden. Alkyone ist, wie wir wissen, der ursprüngliche Name von Meleagers futtin. Warum, so müssen wir fragen, gibt Homer ihr einen anderen, warum gibt er ihr diesen Namen? Kleopatra ist die weibliche Form von Patroklos, und Homer gibt der von ihm nach Patrok.los umbenannten futtin des Melcager dieselbe Funktion, die Patrok.los bei Achill ausübt: Nachdem Vater und Mutter und Geschwister, nachdem auch die liebsten der Gcfahrtcn Melcagcr zur Teiloabme am Kampf umsonst gebeten, weiß sie den Helden zu bestimmen, seiner Stadt zu helfen, - allerdings auch sie erst im äußersten Moment, als der Feind in die Stadt eingedrungen war und sie niederbrannte, so daß Melcagcr zwar noch den Seinen rettend beistehen konnte, aber um den Lohn seiner Hilfe gebracht war, um das Ehrengeschenk, das ihm die Aitoler versprochen, wenn er rechtzeitig helfen würde. Diese Erzählung, die eine Warnung für Achill sein soll, enthält zugleich in nucc die Handlung der Ilias. Bis in Eiou:lheiteo lißt sich die Parallele durchführen: der Bittgang der liebsten Gcfahrten des Melcager entspricht dem Bittgang in der llias, eben dem neunten Gesang, in dem jene Geschichte erzählt wird; und wie in der Ilias der Tod des 2

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Achill wohl angedeutet, aber nicht dargestellt wird, so weist auch die Erzihlung des Phoinix nur auf des Melcagcr Tod hin, ohne ihn zu berichten. Die deutlichste Obereinstimmung aber findet sich zwischen Klcopatra und Patroklos: beiden gelingt es, den zürnenden Helden zur Nachgiebigkeit zu bewegen, jedoch erst in dem Augenblick höchster Gefahr, als der Feind schon mit Feuer herangedrungen ist; in der Melcagergcschichtc, die als Beispiel einen allgemeineren Charakter trigt, geht der entscheidende Einfluß von der Gattin, nicht von dem Freund des Helden aus. Die Er6ndung des neuen Namens, Klcopatra, für die Gattin des Melcagcr erklirt sich also aus der Absicht des Dichters, die Parallele dieser Gestalt zu Patroklos zu betonen. Vielleicht macht Homer bewußt auch hier, wie bei Patroklos, durch den Namen, den er ihr gibt, die Figur oder vielmehr ihre Funktion in der Handlung als seine Schöpfung kenntlich. Als Homerisch und nicht vorhomerisch erweisen sich auch die Epitheta des Patroklos. Wir sahen bei Achill und Odysseus, bei Priamos und Nestor Epitheta, die sich nicht ohne weiteres aus dem, wu Homer über diese Gestalten berichtet, erk11rcn lauen. Bei Pattoklos hingegen findet sich ein solches Epitheton nicht; die einzigen stehenden Epitheta, d. h. solche, die sich nicht aus der jeweiligen Situation notwendig ergeben, sind die wenig besagenden •Reiter•• •Rosselenker•; und ein Forscher hat festgestellt, daßdie Verbindung von Namen mit Beiwort, welche eine bestimmte metrische Formel ergibt und daher, wenn oft und ohne Bezug auf den Sinn verwandt, ein Zeichen dafür ist, daßder Name in früheren Heldenliedern hiufig vorkam und gleichsam zum Bestand des epischen Stils gehörte, sich bei Patroklos 10 gut wie nicht findet; bei gleicher Hiufigkeit der Verwendung des Namens im Nominativ, wird z.B. der Name des Agamemnon siebenmal 10 oft durch ein stehendes Epitheton begleitet als der des Pattoklos. Die übrigen Epitheta dienen, soweit sie sich nicht auf du Schicksal des Helden beziehen (wie 3cL>.6~:arm, elend, von dem Toten gesagt), seiner Charakteristik und sind, wie wir noch sehen werden, gerade bei Pattoklos sehr nuanciert und treffend. Außerdem findet sich noch eine auffallende Erscheinung: Patroklos wird vom Dichter hiufig im Vokativ angeredet. Eine

solche Anrede kommt in der I.lias sonst nur ganz vereinzelt vor, an Stellen, an denen der Dichter die Aufmerksamkeit des Hören auf einen besonders wichtigen Vorgang hinlenken will: viermal bei Menclaos, einmal bei Mclaoippos, einmal bei Achill, zweimal bei Phoibos. So hiufig wie bei Patroklos findet sich die Vokativform nur bei Eumaios in der Odyssee, also bei einer, wie wir schon sahen, gleichfalls von Homer erfundenen Gestalt. Eine so oft wiederkehrende, unmittelbare Anrede erweckt unwillkürlich den Eindruck, daß der Dichter dieser angeredeten Gestalt seine besondere Teilnahme zuwendet, daß er mit ihr denkt und fühlt; er verllßt den Standpunkt des nur Berichtenden und sieht den Helden gleichsam vor sich. Der Weg, auf dem Homer die ncuerfundene Gestalt des Patroklos in die Nihe des Achill bringt, ist ganz ihnlich dem Wege, auf dem er - wie wir sahen - auch seinen Phoinix zu Achill gelangen llßt: es ist ein außergewöhnliches Schicksal. Pattoklos muß seine Heimat verlassen, weil er, selbst noch ein Kind, einen Knaben versehentlich beim Knöchelspicl erschlug; daraufhin bringt ihn sein Vater zu Peleus, der - wie durchgehend bei Homer - durch seine vornehme Gastfreundschaft sich auszeichnet und Pattoklos als Gefihrten seines Sohnes bei sich aufnimmt. Gerade so wie bei Phoinix knüpft sich hier eine geistige Lebensbeziehung an ein Schicksal, das für sich genommen Fluch und nicht Segen ist. Kaum minder furchtbar als der Fluch des Vaters, der den jungen Phoinix traf, ist das Geschick des Pattoklos, das den Knaben aus seiner Heimat vertreibt. Daß ein Kind eines versehentlichen Mordes wegen ß.iehen muß, ist Anzeichen einer schon höheren Sittenordnung und zeigt, daß wir es hier nicht mit einem Mythos der Frühzeit zu tun haben, ihnlich wie die strenge Forderung der Einehe in der Geschichte des Phoinix. Wir können also gerade in dem Zug, daß die Freundschaft zwischen Achill und Patroklos nicht aus natürlichen Lebensbedingungen sich ergibt, Homers eigene Erfindung erkennen. Homer bedurfte besonderer Motivierung, um die der alten Sage noch unbekannten Gestalten: einen Erzieher und einen Freund, einzuführen. In der Art dieser Motivierung drückt sich ein Gedanke aus, den wir schon bei Phoinix als einen eigensten Gedanken Homcn

kennen lernten: Ein Geistiges, wie alles Erste und Neue, geht über das Nur-Natürliche hinaus; es wird hervorgctrieben durch ein Geschick, das gewaltsam aus dem gewohnten Lebenskreis herausreißt. Gegen die Behauptung, daß Homer in Patroklos etwas ganz Neues, nimlich das Urbild eines Freundes dargestellt habe, könnte man einwenden: Patroklos wird an einigen Stellen Achills Wagenlenker geoaoot, und die Zusammengehörigkeit von .Kimpfer und Wagenlenker, wie sie die Ilias oft schildert, weist darauf hin, daß diese Form der Gemeinsamkeit zur Zeit Homers und wahrscheinlich auch früher schon üblich war; sie ergibt sich aus der wechselseitigen Abhingigkeit voneinander in Gefahr und trlgt daher den Keim zu naher Freundschaft schon in sich. Daß, Patroklos die Rosse Achills gelenkt habe, wird in der Tat bei Homer erwähnt: einmal schon, wie wir sahen, in den J\cioarot:n, die Patroklos an einigen Stellen erhilt, sodann bei der Schilderung, wie die Rosse Achills um Patroklos trauern, und endlich bei den Wettspielen, wo Achill erklirt, daß er am Wagenrennen nicht teilnehmen könne, weil seine Rosse dazu nicht imstande seien, denn die Trauer um ihren Lenker habe ihre Kraft verzehrt. Waffenbrüderschaft und Wagenlenkertum nimmt also Homer auf als Funktionen, von denen angenommen wird, daß einer, der als Freund neben Achill lebte, sie erfüllte. Eine wie geringe Rolle aber in der Freundschaft der beiden Helden ihr Verhlltnis als Kimpfer und Wagenlenker spielt, dies zeigt sich darin, daß Patroklos seine Bitte, seine Asche möge mit der Asche Achills vereint werden, nur mit dem Hinweis auf die gemeinsam verbrachte Jugend begründet, und als er Achill die früheren Zeiten, da er noch mit ihm lebte, in Erinnerung ruft, wohl von Beratungen spricht, nicht aber von Abenteuern und Kimpfcn, bei denen er Achill als Wagenlenker beigestanden bitte. Homer betont also ausdrücklich, daß es sich hier im wesentlichen nicht um Waffenbrüderschaft handelt. Neben Patroklos wird auch Automcdon als Wagenlenker Achills genannt, und eine Bemerkung Aristarchs llßt vermuten, daß in den kyklischen Epen - also wohl auch in der älteren Sage -Automcdon, nicht Patroklos diese Stelle eiooahlT\. Deutlich tritt der Kontrast zwischen einer Freundschaft und einer Waffenbrüderschaft her-

vor, wenn man das Verhältnis zwischen Achill und Patroklos mit dem Verhältnis zwischen Sarpedon und seinem Verwandten und Waffengcf"ahrten Glaukos vergleicht. Sarpcdon bittet sterbend Glaukos, ihn zu richen, seinen Leichnam und seine Waffen den Feinden nicht zu überlassen, sonst werde er ihm zu Schimpf und Schande gereichen, und Glaukos, obwohl selbst verwundet, dringt sogleich mit Eifer in den Kampf, um den Wunsch des Sterbenden zu erfüllen. Aber weder in der letzten Rede des Sarpcdon noch in dem Gebet, das Glaukos gleich nach Sarpcdons Tod an Apollon richtet, ihn um Beistand für diesen Kampf anflehend, fillt ein persönliches Wort; Glaukos' Klage gilt dem tüchtigen und tapferen Kricgsgcfahrten, nicht, wie die Klage des Achill um Patroklos, einem geliebten Menschen.

Eine Interpretation der Patroklosstcllen der Ilias wird uns am leichtesten verdeutlichen können, welche Bedeutung dem Freunde Achills und dem Motiv der Freundschaft innerhalb des Homerischen Werkes zukommt. Gleich im ersten Gesang lernen wir Patroklos als den nichsten V ertrautcn des Achill kennen. Als Achill zürnend die V ersammlung verlißt, da - so heißt es - folgte ihm « der Menoitiade mit den anderen Gcfahrten »; und als die Herolde in Achills Zelt erscheinen, um Briseis abzuholen, ist es Patroklos, dem Achill auszuführen auftrigt, was ihm selbst zu tun wohl allzu bitter wire: Briseis den Herolden zu übergeben. Daß Patroklos hier von Homer nicht ausdrücklich vorgestellt wird und wir hier noch nicht einmal erfahren, daß der Menoitiade Patroklos sei, ist nicht notwendig ein Anzeichen dafur, daß Homer ihn als bekannt voraussetzt, denn, wie wir sahen, gehört es zu des Dichters Ökonomie, seine Figuren nicht immer bei ihrem ersten Auftreten vorzustellen, sondern Tatsachen und Zusammenhänge erst dann zu berichten und zu kliren, wenn sie für die Handlung von entscheidender Wichtigkeit werden und der Hörer dadurch nicht aus der Handlung herausgerissen wird. Wie in jeder großen Dichtung findet sich auch bei Homer vieles, das erst für den, der sich ganz hineingelebt

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hat, der das Game kennt und gut kennt. zu verstehen ist. Wer in die Ilias als Ganzes noch nicht eingedrungen, wird die beiden kurzen Erwihnungen des Patroklos im ersten Iliasgcsang weder in ihrer Bedeutung verstehen, noch aber auch unverstindlich finden, ebensowenig wie den kurzen Hinweis auf Hektor im gleichen Gesang. Wer aber die Bedeutung des Patroklos bereits erfaßt hat, wird jener Stelle entnehmen, was Homer wohl zum Ausdruck bringen wollte: Wo Achill ist. da ist auch Patroklos, und die V erbundcnheit der Freunde ist so groß, daß Achill durch Patroklos ausführen llßt. was, wie der Scholiast sagt, nur einem ganz Nahestehenden anvertraut werden kann. In den nlchsten Gcsingen wird Patroklos nicht erwihnt. Er fehlt auch im Schiffskatalog; Homer llßt nämlich die Aufzählung der Myrmidonenführcr hier aus und holt sie erst im sechzehnten Buch nach, als die M yrmidonen in den Kampf ziehen. Im Katalog erzählt er an der Stelle, wo Achill genannt wird, nur von dessen Kampfenthaltung. Vielleicht hat der Dichter gerade deshalb die Nennung der Myrmidoncnführcr verschoben, weil er in den traditionellen Katalog nicht zwei neue Gestalten, Phoinix und Patroklos, einführen wollte. Erst in dem Göttcrgesprich des achten Buches Bllt wieder der Name des Patroklos. Nach dem mißglückten V ersuch von Hera und Athena, den Achäcm zu helfen, betont Zeus noch einmal seinen Plan, viele Achäcr zu vernichten, und - um die Göttinnen nicht allzu sehr zu reizen - gibt er an, wann die Not der Achäcr enden werde: Erst dann wird Hektor vom Kampf ablassen. so sagt er, wenn Achill zur Schlacht aufbricht, an jenem Tag, da die Achlcr um Patroklos' Leichnam kimpfen. Ob diese Stelle, die wie andere, ihnliche, an denen durch Göttermund die kommenden Ereignisse vorausgesagt werden, von Aristarch athctiert worden ist. wirklich von Rhapsoden hineingcfügt wurde in dem Bestreben, den Plan des Dichters etwas deutlicher darzulegen, als eine Art von Inhaltsangabe, wie sie vielleicht durch den nur eiou:lne Stücke umfassenden Vortrag gefordert wurde, wissen wir nicht. Es gibt auch bei Homer viele Stellen, in denen er auf den kommenden Gang der Handlung weist, da, wie Goethe einmal tdgala llllli Papyri: A. Ludwich, Die Homervulgata ala voralcundrinisch erwiesen, 1898, und N. Wccldcin, Die Homervulgata und die ägyptischen Papyrusfunde, in: Rh. Mus. 74, 192y,S. 13ff.gcgcnB.P.Grcnfcll, JHSt. 39, 1919, S. 16 ff., der die Meinung vertritt, erst die Alcundrincr hätten einen festen allgemein geltenden Tut geschaffen. S. 16: Griintk f iir di, Atbtt,sm Aris111r,bs: z. B. Schol. T zu M 1n; Schol. zu y 241/242; Schol. zu & 333/342; Schol. zu x 189; Schol. zu). 1,i/1y9; Schol. zu ). 6o1; Schol. zu T 130. S. 16: Witkrsprikhl: über Widersprüche in anderen unbezweifelbar von einem und demselben Verfasser stammenden Dichtungen vgl. Schmid, Gr. Lit. II S. 143 Anm. 1, 2, 3 mit Literaturangabe; über Widersprüche bei Vergil 'f'gl. auch Hcinzc, Vergil S. 41. Gegen die lange Zeit hindurch herrschende Methode, Widersprüche in den Homerischen Epen als Beweis für verschiedene Verfasser anzusehen, siehe vor allem Nitzsch, Sagenpocsie, S. 178/84. Nietzsche, Phil. II§ y S. 26 ff., Scott, U. o. H. S. 137 ff., 162 ff., Bowra, Iliad s. 96 ff. S. 16: Erlelänmg _, Widtrsprii&hmim M11.11iD11: Porphyrios in: Schol. B zu I 688. s. 17: Di, Doloni,: Schol. T zu K: ~(lCJl'")V ~Cllj,c,>3(ClV uqi''01171pou13(~ x«l l'll dVClL11ipoc;Tijc;'l>.Lti3oc;,U1t031 IlcLCJLCJTp(XTOU Ttttix&«L TCTtix&«L

'" '")V ff:Ol'fltoii-roff:OlOÜV"ttU; vgl. auch Eust. zu 4,296. Nach SchoL zu Co>1 jedoch war von Aristarch selbst nur die zweite Nekyia athcticrt worden. Vielleicht läßt sich dieser Widcnpruch damit erklären, daß sich Aristarch zwar der Vermutung von Aristophancs anschloß, lji 296 sei dasEnde der Odyucc. daß er aber mit Sicbcrbcit nur die zweite Nekyia einem nachhomcrischcn Dichter zuweisen zu müssen glaubte. Unter den modernen Fonchcrn besteht über das Ende der Odysscc ebensowenig Übereinstimmung wie in hczug auf andereHomerische Fragen. Den Vertretern der kritischen Homcranalyse gilt Cut durchweg das Ende der Odyssee, aber neben zahlreichen anderen Teilen. als späte Zutat zu einer uns nur fragmentarisch überlieferten echten Odyaec. Von den Unitariern sind die meisten für die Echtheit von 4'297ff. eingetreten: S. Busctt, The Sccond Nccyia. in: Cl. Journ. XIII, 1918, S. p.ofsz6 und Tbc Sccond Nccyia again, in: Amcr. Joum. of Phil. 44, 1923, S. .w-,z, Scott. Tbc End of the Odysscy, in: Cl. Joum. XXV, 1929/30, S. ,47, Woodhome, Odysscy S. 116; vgl. auch Arend, Typ. Sccocn S. 10, Anm. 1. Bury dagcgco {Tbc End of the Odysscy, in: JHSt. 42, 1922, S. 1-1,) vermutet, Homer ac:i vor dem Abschluß der Odyssee gestorben und das Ende sei, spätestens im 8. Jh., von Homcriden, z. T. aus Hornen Nachlaß, hinzugefügt worden. Zu lhnlichcm Ergebnis kommt auch 1. W. Mackail in seiner sorgf"altigcn, sowohl Stil wie Inhalt berücksichtigenden Analyse: Thc Epiloguc of thc Odysscy, in: Gr. Poctry and Life S. 1-14; auch er hält es für möglich, daß cinigca aua dem letzten Teil der Odyssee von Homer selbst stamme, das meiste jedoch enrciac sich als das Werk anderer, von Homer abhängiger Dichter. S. 21: Vo,r HollUr 11/bst später ,ingtf iigt, V,,-1,: Die Ale:aoddocr, die ca sich vor allem zur Aufgabe gcnw:ht hatten, die Kunst der Homcdschcn Kompoaitionaweisc, das Vorauskomponieren usw. darzulegen, scbcincn die Arbcii.wciae Homcn nicht im cinzc1ncn verfolgt zu haben. Daher wiaaeo wir nicht, ob man bcmta im Altertum die Möglichkeit, daß Homer eclhlt einige Stcllea

spltcr eingefügt habe, in Betracht zog. Auch in neuerer Zeit ist man dieser Frage bisher noch kaum nachgegangen. Hinweise auf diese Möglichkeit, kleine Unstimmigkeiten zu erklären, finden sich bei Bury, in: CA H II S. B. Kalinka, Die Dichtungen Homers, 1934, Schmid. Gr. Lit. I 1 S. 90, 102, 1, 1. Doch fehlen noch alle Einzeluntersuchungen, zu denen vor allem Vergil herangezogen werden müßte, von dem überliefert ist, daß er einiges splter hinzufügte; vgl. Heinzc, Vergil S. 86 und 261. -Goctbe über nachttiglich eingefügte Verse: an Schiller, 19.4.1797. S. u: Objehiw Kriterim: Objektive Kriterien zur Feststellung von Interpolationen in den Homerischen Epen gibt es streng genommen nicht, da uns Texte aus der Zeit Homers nicht erhalten sind. G. M. Dolling, The Extemal Evidcncc for Interpolation in Homer, 192,, versucht solche durch Untersuchung der in den älteren Papyri vorhandenen Plusversc zu gewinnen, doch beschränken sich seine Ergebnisse, soweit sie nicht Mutmaßungen bleiben, auf einige iußcre Merkmale spltercr Rhapsodeninterpolationcn, z. B. deren durchschnittliche Länge. S. u: Ari.tlot,J,.r #lld di, AJ,xalllirin#r iiber Ho1111r.tKo111po.ritionntti.t1: Aristot. Poet. 14J 9a ff. Ober das Vorauskomponiercn: z. B. SchoL zu ~ 108 ; vgl. Gricsingcr, Ästhet. Ansch. passim. Ober das Vorausdcutcn: ,;poaatvat~WV1J vgl. G. E. Duckworth, in: Amer. Joum. of Phil. ,2, 1931, S. 320 ff. (G. E. Duckworth, Forcshadowing and Suspcncc in the Epics of Homer, Apollonios and Vergil, Diss. 1933, war mir nicht zugänglich.) S. 23: Ein g,ubi&her Rldahor #lld 1tbh,bter Dkbllr al.t Z11.1a111111mfig,r d,r ä/t,rm di&bteri1tb Mrl110//m Einz.1lli1d,r:Diese unzihlige Male vertretene These findet sich zuletzt ausführlich dargelegt bei De Sanctis, Storia dei Grcci I, 1940, 183 ff. S. 24: Ilia.t #lld Odyu11 "°"d,111 gki,bm Di,bt,r: vgl. Wdckcr, Ep. Zyklus; K. 0. Müller, Gr. Ut.; Nitzsch, Ep. Poesie; Lccuwcn, Commentationcs Homcricac, 1911; C. Rothe, Die Odyssee als Dichtung und ihr Verhiltnis zur Ilias, 1914; E. Drcrup, Horn. Poet. I, 1921; Scott, U. o. H.; Allen, Homer; E. Hcrkcnrath, Eth. Aufbau; Bury, The End ofthc Odysscy, in: JHSt. 43, 1923, S. 1-1,; Domsciff, Arch. Myth; E. Kalinka, Die Dichtungen Homers, 1934; E. S. Bassett, Thc Poetry of Homer, 1938 (nach der Besprechung von L. A. Post, Class. Phil. H, 1940, S. 336; das Buch selbst war mir nicht zugänglich). Die Vertreter der kritischen Homeranalysc ziehen zumeist die Möglichkeit, daß Ilias und Odyssee von einem Dichter stammen könnten, überhaupt nicht in Betracht, vgl. z.B. F. Jacoby, Die geistige Physionomie der Odyssee, in: Antike IX, 1933, S. 1,9-194. S. 2,: Herodot iiber di, Kyprim: II 116 f. S. 2J: Sm"a: De brevitate vitac 13. S. 2,: Ile:pl Gcjiout;:IX. S. 2,: ult:ian: Ver. bist. II 20. S. 26: E;,,.,iiNJ, d,r Cborizontm: z.B. Schol. AB zu B 3J6: in der I. folgt Helcna freiwillig, in der O. unfreiwillig dem Paris; Schol. A B T zu A 692:

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in der I. hat Nelcus u, in der O. nur 5 Söhne; Schol. ABT zu II 747: nur in der O. essen die Heroen FIICbc; SchoL T zu O 412: nur in der 0. wird jede ffXVJ) aoqi!ot genannt; SchoL A zu ~ 416: in der I. ist Hcphaiat mit Cham vennihlt, in der 0. mit Aphrodite. Alle dicacin den Scholien erwähnten Einwände der Chorizootcn werden von Arutarch widerlegt. J. W. Kohl, De Chorizontibus, Diss. 1917, hat versucht nachzuweisen, daß auch aodcn: Scholienstdlcn, in denen die Chorizontcn nicht erwähnt werden, diesen zuzuschreiben sind, aber er geht dabei von dem &Ischen Gesichtspunkt aus, daß alles in den Scholien über die Beziehung der Odys,ec zur Dias Gesagte von den Chorizontcn stammen müsse. S. z6: Hmlw: • Homer, ein Günstling der Zcitt, Kap. 1. S. z6: Das A,eftnt111 du S411z,rs it, J/i,u ,wJ Od:,ssn: vgl. hierzu Scott. U. o. H. S. u8. S. z6 f.: Fr;,, 1/ias ,.J OdyssN: Den Unterschied zwischen Dias und Odyssee in der Darstellung weiblicher Figuren hat vor allem Mumay, Gr. Epic S. 1 54, hervorgehoben, doch hat er hierbei, wie zahln:iche Forscher vor und nach ihm, den Unterschied des Milieus so gut wie gar nicht in Bctncht gezogen; vgl. Kap. IV, S. 147 u. Anm. S. z7: Spr«hlithe Unttrubi1d, z.wiuhn J/i,u llllli Od_yss11:Daß dicac Unterschiede viel geringfügiger sind, als infolge einer den Inhalt allzu wenig hcrück1ichtigenden Untersuchung und Zählung lange Zeit angenommen wurde. hat Scott nachgewiesen, U. o. H. S. 89 ff. S. z7: Od:,uu "°"Ho,,,,,.;,, böhtrnwAlllr -J•.ßt:vgl. u. L Ilcpl Glj,o~ IX; auch neuen: Forscher hahcn sich dieser Meinung aogcschlossen, z. B. Scott. U. o. H. S. 119, Bury, Tbc End of tbe Odyuey, Kalioka, Die Dichtungen Homers S. 517 ff. S. z8: /• Od:,ss11Götllr du FrildMu ,.J d,r G1sil""'8: Siebe vor allem Jacoby, Odyssee, passim. über die ausgesprochen ethische Note der Odys,ec; ihm erscheint es jedoch so unbezweifelbar, daß die Odyssee von einem aoden:n, späteren Dichter als die llias stammt, daß er das Problematische an dieser These gar nicht berührt und keine tiefere Erklärung sucht. So llCllllt er ca z. B. einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Ilias und Odyucc. daß die Helden der Ilias über dem erschlagenen Feind Spottreden halten, in der Odyssee jedoch Odysseus ausdrücklich Euryk.lcia das Jubeln angesichts der erschlagenen Freier verbietet . .Aber läßt dieser Unterschied tatsächlich keine andere Erklärung zu, als daß die Epen in zwei durch längeren Zeitraum von einander getrennten, grundverschiedenen Kulturstufen entstanden sind? Könnte es sich nicht vielmehr so verhalten, daß Homer in den vielen Einzelkämpfen der Ilias die Gepflogenheiten des Kampfes, wie sie zu seiner Zeit und wahrscheinlich auch vor und nach seiner Zeit üblich waren, schildert, an dieser einen Odyssccstelle dagegen seinem eignen Empfinden .Ausdruck gibt, indem er Odysseus, dessen Milde er auch sonst oft hervorhebt, jcocs humane Verbot, dem die allgemein herrschende Sitte wahrachcinlich keineswegs entsprach, in den Mund legt?

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S. z8: 111llüu IINl Odyuu di, g/ei,h, Charakttruhildw1111g: Daß, wie oft schon bemerkt wurde, cinzclne Charaktere, wie z.B. Nestor, Menelaoa usw., in beiden Epen die gleichen Wesenszüge tragen, braucht zwar nicht notwendig auf einen gemeinsamen Dichter hinzuweisen, denn diese Wesenszüge könnten bereits aus einer der llias und Odyssee gemeinsamen Vorlage stammen. Daß aber auch die Art der Charakterschilderung und vor allem die Art, wie eine ältere Sagcnfigur umgestaltet wird, in beiden Epen die gleiche ist, läßt sich kaum mehr anders erklären, alsdaß der gleiche Dichter beide Epen schuf. Durch diesen Gesichtspunkt ist auch Burckhardt zu der Überzeugung gekommen, daß llias und Odyssee von ein und demselben Dichter stammen müssen; vgl. Griechische Kulturgeschichte III S. 74: cWer einen Achill und einen Odysaeus so zu steigern wußte, das kann nur einer und zwar ein Dichter höchsten Ranges gewesen sein. • Hin1111is a11fdi, llias: vgl. S. 28 f.: 111dw Odyu11J1h/1j,dw 1111111it11/bar, Schol. zu y 248: lcnr; ~r; 'IALci3or;ii'03uaacLot ).cyrrocL, ! ycxp l(otffAl:LqlCV ixc't, motü&ot )jycL. Nur ). 467, das gemeinsame Auftreten von Achill, Patroklos und Antilochos, erinnert an den eigentlichen Inhalt der Ilias, doch auch hier wird weder die Menis erwihnt, noch die Freundschaft von Achill und Patroklos ausdrücklich hervorgehoben. S. 30: Stoff dw Odyu11 llflt'nlhmlüh Minhm IINl N0111/lm:vgl. Jacoby, Odyssee S. 167, Woodhouse, Odyssey S. 17 ff. und passim. Es ist anzunehmen, daß der Stoff der Odyssee zum .Teil aus minoischer Zeit stammt und ilter als der Stoff der llias ist, wenn auch, durch die stirkere Umformung, die er erfahren hat, die Odyssee selbst weniger altertümlich als die llias wirkt; vgl. hierüber Stella, Echi di Ov. preistor. S. 46. S. 30: Di, Odyu11: ,;,, uhöntr Spi,g,J d,s 1111,mh/i,h,,, ubmJ: Alkidamaa bei Aristot., Rhet. 1400b. Aristoteles selbst nennt die Odyssee im Gegensatz zum 7tot&-rj·nx6v der llias 1j&Ll 1 : Hermes q,ux 61t0µ.1t0~sei erst eine nachhomerische Vorstellung, ist wohl nur darauf begründet, daß diese Vorstellung des Hermes sonst bei Homer nirgends vorkommt; wahrscheinlich ist es eine alte volkstümliche Vorstellung, die Homer nicht aufgenommen hat; hierauf weist auch A626. - 8!4X-ropo~nach Bcchtcl, Lcxilogos: «der über Schätze verfügt•, also wohl ein Epitheton des Hcrmca in seiner Funktion als Gott der Fruchtbarkeit, vgl. E 491 und ~ 43J• - Wie Hermes zum Gott der Listen und Schützer der Diebe - T 394 ff. - wurde, hat sich noch nicht feststellen 1aascn.- Hermes bei Homer Bote der Götter und Helfer der Menschen: 0 339ff.; at 38ff.; E 28ff.; x 277ff. - Zeus' Rede an Hermes: 0 334f. S. 1J4ff.: Apollo,,: Asiatischer Gott: vgl. Blumenthal, Sophokles S. 3 und Anm.; Picard, :8re hom. S. Jo; Nilason, Gricch. Religion S. J27: seine asiatische Herkunft ist auch aus der Dias ersichtlich, vgl. Schol. T zu A 43. Apollon als mutterrcchtlichcr Gott: vgl. Anm. zu S. 140: Di, Mlllltrn&ht/kb, Dm.ta,,is, du Lylutrs GU11WJ1; aus diesem Grunde wird bei Apoll die Abstammung von der Mutter hervorgehoben, vgl. z.B. A 36; siehe auch Bachofen, Mutterrecht CXXXIII S. 3o6; als mutterrcchtlicher Gott ist Apoll xoup6-rpocpo~-r86: das Eintreten der Geschlechtsreife wird ihm zugeschrieben. - Apoll als Sender des Todes durch Sonnenstich z.B. 0 7H ff.; vicllcicht ist er als Todesgott Triger des Bogens und Schützer der Bogenkunst, vgl. B 827; A 101; E lOj; 0441; '1'86j. Warumerauch Schützer des Faustkampfes ist, vgl. 'F 66o, hat sich noch nicht erklin:n lasacn. Apollon als Kitharaapiclet und als Schützer des Kitharaapicla: 0 62; & 488. - Beziehung zwischen Bogen und Kithara: cp4o6 f. und Aristot. Rhct. 1413a. Die ausdrückliche Vorstellung A 9 deutet darauf hin, daß Apollon erst durch Homer zum Sohn des Zeus geworden ist; daher wohl auch das Betonen seiner Beziehung zu Zeus: II 676 ff.; ..cx TOLIXÜTIX Ea-rLyvwvixL nixp' ixö-rcj>· In der modernen oö ycxp JL6VOV -rl dnn, ci>..>..cx xixl -r( !L"lr:fan iipp6vTL1o6; vgl. auch Y 425 ff.; Hektors Tod wie Patroklos' Tod geschildert: X 361 ff.= II 855 ff.; siehe auch X 378 f., 'Y 17 ff., 591 ff. S. 172: S,häntiMng"°"Ltonida.r'uülmam: Herodot VII 138, IX 78/9. S. 271: R,uh,pflüht bti d#IIG,rm-,,: Vgl. Woltcrs-Petcrscn, Germ. Heldensagen S. 10, 13 und passim.

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S. 2.72.:S,h/,ifm tks FtilltÜs thtssaliuht Sitt,: Aristoteles in Schol. B zu 0 1s; vgl. Bassett, The Treatment of Rektors Body, in: Transactions LXIV, 1933, S. 41. - Die Sage, daß Achill Hektor aus dem Hinterhalt überfallen habe: Schol. A zu X 188. Gegen die von mehreren Forschem vertretene These, daß in der ursprünglichen Fassung Achill Hektor lebendig geschleift habe, siehe die Ausführungen von Shcwan, Horn. Essays S. 2.12.ff. S. 2.72.f.: A,hi/Js Milt/,: Gefangennahme und Rückgabe der bezwungenen Gegner für Lösegeld: A 101 ff. ; ~ 100 ff.; X 44 ff.; Cl 7S1. - Seine Großmut gegen FA!tion: Z 414 ff.; vgl. auch Athcnaios XIV 62.4A. S. 2.73: Hektor hat die Absi,ht, Patrolelos dm Hlllllim IIIJr{#M"fm: P 12.6ff., vgl. Schol. B zu P 12.7. di, Opfm111gtkr Trotr: X 39S, S. 2.73: Homer tatklt di, S,hhif1111gH,ktors 1111d 'I' 2.4 und 176. Vgl. hierzu P. C. Wilson, S. 2.73f.: Arhi/Js Vo/""""11g im l,tz.tm /Jia.rgtst111g: The 1tli&c1 i-ut&o~of Achilles, in: Transactions LXIX, 1938, S. sn/74S. 2.74: Di,Lykao,,-Episotk: ~ 34ff.; Erfindung Homers: G. Schcibner,Dcr Aufbau des zo. und u. Buches der Dias, 1939, S. 118/9. Zu Achills Worten vgl. 8~ xpclaab>v lJ,vnrxprxµ.u&ciTrxL Tilv aycww~ Schol. B T zu ~ 106; &rxvci-rou TOÜC'ijv lq11!µ.cvov. S. 2.74f.: Achi/Js T,_: 'I' 6s ff. S. z76f.: K'4gm 11111Patroklos: l: 2.33ff. und 314 ff., T z8z ff., X 378ff. (der lautmalende Vers: 'I' 116), 'I' 12.8ff. und 2.17ff. ('I' 2.21ein 6)..oa1tov8cio~) 'I' zz s : lp1ruCb>vschildert den vom Schmerz wie gelähmten Gang Achills, vgl. rx 193, wo mit dem gleichen Ausdruck der Gang des um Odysscus sich gnlmenden Laertcs geschildert wird, und v 2.20der des Odysseus, als er, auf lthaka erwachend, wiederum in fremdem Land zu sein glaubt. S. 2.78f.: Altertiimlicht Form II01I Patrolelos' Btslatlllllg: Vgl. E. Rohde, Psyche, Kap. 1, bes. S. 14ff. und L. Malten, Leichenspiele und Totenkult, Röm. Mitteilungen 38/9, 192.3/4,S. 303. - Die Schilderung von Achills Bestattung Vorbild: Mülder, Iliasqucllen S. 2.66. S. 2.79: A,hi/Js Tr1111tr""' Patrolelos: T 32.1ff., Cl 46 f. (vgl. Z 42.9, wo Andromachc zu Hektor sagt: er sei ihr Vater, Bruder und Gatte; bei Achills Trauer noch eine Steigerung); Achill wünscht, Briseis wirc gestorben, bevor der Zwist begann: T S9 (vgl. dagegen I 394); Klagen Achills: l: Soff., 'I' 17 ff., zu ff. und 2.80; vgl. auch Plut. Horn. II 1p. S. z79f.: Di, S,hildnv,g tks Mahles in O lllldI: I zos-2.2.2.und (l 62.1-62.8: I 116/7 = 0 6zs/6. Auch die Schlafszenen parallel: I 663 ff. und n 6n ff.; 1 663 = 0 67S. - Patroklos in O erwähnt: 0 6 ff., 12.3, pz, S7S, s92., 7S6. S. 2.80ff. : Patrolelos' Charakter: Vgl. die treffende Charakteristik in den Scholien: Schol. B T zu A 307; Schol. B zu A 337; Schol. B zu A 34S; Schol. B zu I 6n; Schol. B T zu A 616; Schol. B zu A 678; Schol. B zu P 1; Schol. T zu P 670. Menelaos über Patroklos' Milde: P 670; Briseis über Patroklos: T 2.82.ff.; Achill über Patroklos' Milde: 'I' 2.81; alle Achäer trauern um Patroklos: 'I' 2.11und 2.sz; Patroklos mild und stark: P 2.04(vgl. P 2.68und 400)

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und~ 96. - Nestor über Patroklos: y 110; vgl. auch E. Bauet, Tbc Omission of the Vocativ in Homcric Speeches, in: Amer. Joum. of Phil, s,, 1934, S. 144 Anm. 1 und S. 1,0, über die höfliche Redeweise des Patrokloa. Patroluos das 1niz.ig,Frllllld,spa;,r dir /üas: Vgl. Max. S. 283: A&hi/1111111 Tyr. Diss. XXXV 4. S. 283 f.: Kri1gsg,fäbr11t1;,, dir 1/ias 111111 ;,, 11t1rho,w,riublr Sag,: Über den Typua des Heldenpaars in vorhomcriscbcr Zeit, die Verbindung zumeist cinca brutalen Kraftmenschen mit einem hinterlistig verschlagenen Abenteurer, siebe Howald, Mythos S. 74 ff. Züge eines solchen vorhomerischcn Heldenpaares tragen noch Diomcdes und Odysscus in der Dolonie, vgl. K 214 f. Waffenbruderschaften in der llias: Diomcdes und Sthcnelos: E pusim, I 4S ff.; obwohl zwischen Diomedes und Sthcnelos öfters ähnliche oder gleiche Worte fallen wie zwischen Achill und Patroklos, ist das Verhiltnis zwischen ihnen doch ohne jede persönlichere Note und wird z.B. bei den Wettspidcn, wo Homer mehrere Helden auf eine persönlichere Weise schildert, gar nicht erwähnt. Sarpcdon und Glaulr.os: II 492 ff. Brüderpaare: z. B. E I S9, A 122 ff.; Agamemnon und Menclaos: z.B. A. 148 ff.; am gleichen Tag Geborene: l: 2.p: Hektor und Polydamas (letzterer vidlcicht eine Erfindung Homers, vgl. Howald, Mythos S. 2.4); Aias und Odysseus, W affengefährtcn Achilla: 1 1~. 204, s 2.0; vgl. auch Porphyrios in Schol. B zu A 138. Über die Schätzung des Waffengefährten siehe auch die schönen Worte des Allr.in001: & s8s f. Der Ausspruch des Pammenes: Plut. Quacst, Conv. I 2,6. S. 2.84: Antilothos 111111 A,hill;,, dir Aitbiopis: Prolr.los S. 1o6,4 ff. V g1. auch Evelyn-White, Hesiod, Introduction S. XXX darüber, daß diese Episode der llias nachgebildet ist. S. 2.84f.: Antilothos b.i Hom,r: Die Art seines Auftretens in der llias li.ßt vermuten, daß Homer ihn nicht erfunden bat: er ist der erste Achier, der einen Troer tötet: A. 457; E s6s erfahren wir, daß er Nestors Sohn ist; immer wieder wird von seinen Kämpfen und Siegen berichtet: E s6s ff., Z 32. ff., N 396 ff., 418 ff. und ,so ff. Sein Tod durch Memnon, den Sohn der Eoa, wird in der Odyssee erwähnt: y 111 ff. und 3 188. Von seinem Opfertod für Nestor erzählt Pindar, Pyth. VI 28 ff., wohl in Anlehnung an Arlr.tinos (vgl. Famdl, zu Pindar a. a. 0.). Die Ahnlichlr.eit der Schilderung Pindars mit 8 BI ff. li.ßt vermuten, daß entweder Arktinos 0 81 ff. zum Vorbild hatte (so Famdl a. a. 0., Robert III 1180, Scbadewaldt,lliasstudicn S. 97), oder daß beide Stellen auf eine :Utere Qudlc zurückgehen (so Shewan, Hom. Essays S. 364; auch Schadcwaldt a. a. O. hält dies für möglich). S. 2.8s: Charakllrislilc d11 Anti/tH'hoJ;,, dir /lias: Antilochos' Trauer um Patrok.los: P 68s ff., l: 1 ff.; (schon P '77 ff. wird diese Szene vorbereitet, vgl. Schol. B zu P 698}; Antilochos in den Wettspielen: 'I' 541 ff. und 78s ff.; Antilochos nc=iiivoi;: vgl. Kap. VI, Anm. zu S. 2.17: ncnw!J,ivoi;. Als nächster Freund Achilla nach Patrokloa' Tod wird Antiloch01 (o) 78 f. genannt; vgl. auch A 468 und (o) 1 ,r. S. 2.86f.: Ody111MJ 111111 Atbma: v 287 ff. und 372. ff., u 393. Daß Odysseua 400

stets im Gcgematz zu seinen Gcfllhrtcn steht und mi• keinemvon ihnen in Fn:undachaft verbunden ist, ist ein Zug der alten Odyueuaaagc, den Homer beibehalten hat, vgl. Howald, Mythos S. 6J. S. 287: M-laos in h l!Orbot,,lriuhMS•t, ,it, S,l,a,idJJi,,g:Der Chamkter des Mcndaos, wie er in einigen Tragödien, z. B. im • Aiu • des Sophokles, in der • Andromacbc• und dem • Orcat • des Euripidcs zum Ausdruck kommt, geht aller Wahischcinlichkcit nach auf Schilderungen des Menelaos in den kyklischen Epen zurück, denen ihreneits wiederum vorhomerische Sagen zugrunde liegen. Über den Untenchied zwiachen dem Charakterdes Menelaoa bei Homer und bei den Tragikern vgl. Schol. zu Euripidcs, 0restea JJ6. S. 288: M,ru/aos Nnd Odyssnu: 3 169 ff. S. 289: M-laos in h IU1J.1 Mr F,.,.,Js,beft fiibig t,Jrbildwt: Seine Trauer über Patroldos' Tod: P I ff., J61 ff. und 684 ff. - Antilochoa 1tcht Menelaos bei: E J6J ff.; Menelaos ruft Antilochos herbei: 0 J68 ff.; vgl. Schol. T hierzu; Menelaoa und Antilochos bei den Wettspielen: 'Y 401 ff., J66 ff. und J97 ff. S. 289f.: A,biJ/s Wort, iilNrstiMLilb,z.- L,i,,,, ).4llff.: Über die Zweifel an der Echtheit dieser Stelle vgl. z. B. P. V. d. Milhll, Odyuee, in: RE Suppl. VII, 1940, Sp. 727. Zur lnterpn:tation der Worte Achille vgl. Schol. T zu I: 98: ... &Off >COtAWV lpyc.>v7tpOXCL!U"c.>V 6 q1LA6xa:A~:xa:lt:wv ~chcu a:lp1Jaffotr.,cl 1,LiAAOL xa:A6v -rLxp~cLv clxo&a:vt:>v, :xa:l~~~ clv~~aa:a&a:L,cl 1,LiAAoL -rwv xa:-r' clpc'rlJ" -rL xp«~ELVclvatl:11a~. Vgl. auch Schol. B zu I J12. S. 264: Dflllid NndJonatba: Der Tod des Jonathanum 1010 nach der Datierung von S. Dubnow, Die iltcste Geschichte des jüdischen Volkce, übers. v. A. Steinberg, I 1925, S. 176. - Die These von Jensen, GilgamCl('bEpoa, judiische Nationalsagen, Dias und Odyaacc, 1924, das GilgameachEpos sei die Quelle für Ilias und Odyaacc wie für die jüdische Königsgeschichte gcweacn, ist nicht überzeugend; die Motive, die nach Jcnsena Meinung, dem Gilgamesch-Epoa entnommen sind, u. a. die Fn:undschaft, sind gerade solche, die im Leben aelbst ihn: VoraUIICtZUllghaben müasen, um gestaltet zu werden.

w

SCHLUSS BETRACHTUNG: OBER DIE MACHT DER HOMERISCHEN DICHTUNG S. 29J: Ktdt Ho1111rs:Cicero, Pro Arch. 8,19; in Argoa: Alian, Var. ff. - Homcn:ion in Smyrna: Strab. XIV, t,J7 (6,46). bist. IX I J; Agon Auf Chios: Alkidamu b. Aristot. Rbet. II 2J, 1,98b; Homcn:ion in der Kaiserzeit: C I G I 2221 ; Homermünz.e: siebe z. B. B. K. Lange, Herneherköpfe des Altcrtwm in MünzbiJdnilSCO ihn:r Zeit, Abb. J8, Tat S. 59. -

,o,

26

Pauolilol

401

Bin Mooat Homeieion auf l01: 1 G XII j,l-lj, - Homcntatw:n in Olympia: Pa111.V 26,2; in Delphi: Paus. X 24,2; an der heiligen Sttaße nach Elcuaia: Plut. Orat. Vit. Isocrat. S. 293: Alusprlltbt dir GrildJM ill#r H,-J ZiWI tlllS MIi Ep,,,: Eine volladodige Z11nrnmen1uillung gibt es leider bisher noch nicht. Ober die Gepflogenheit der Gric:cben, Homer m zitieren. vgl. Nitzach, Sagenpocsie S. H3· ein Aooc:n ... •: Anth. Pal. XVI 300; e An S. 293f.: Ho-,--Ep;,;,--; dieser Stelle ... •: Anth. Pal. VIl 3 ; e Ist dieser Hügel ... •: Anth. Pal. VII 26; e Freue dich ••• •: Anth. Pal. XVI 302; e Ist Horneroa ein Gott ... •: Anth. Pal. XVI 301. S. 294: Ho-,- dw E,zj,l#r dw GrildJM:Platon, Politeia X 6o6 E. S. 294: Ho_,.11/1#,diMluis,l#r DidJur: Siebe die Ausfllhrungen Herden, Ideen z. Phil. d. Gesch. d. Menschh. ill. Teil, 2. Buch darüber, daß Homer nur durch die Darstellung wirkt; vgl auch bei Arend, Typ. Szenen S. 23 Anrn. J den Vergleich zwischen Homer und Vergil. S. 294: Alhgoriuh, D,llhtllg: Vgl. hierzu P. Wehrli, Zur Geachi.chte der allegorischen Deutung Homers im Altertum, Disa. Bucl, 1928. Wenn auch, wie Wehrli nachweist, die allegorische Homcrdeutung nicht erst im Gefolge der von den Philosophen ausgebenden Hornerpolernik ent1Wlden ist, 10 ist die Verbreitung der allegorischen Interpretation zweifelloe eine Wirkung voo Platona Homer-Angriff. S. 294: Di, Wirhlng Ho-s: Bin grundlegendes Werk über die Wirkung Hornen auf die Griechen gibt es noch nicht, auch Eimcluntenuchungcn über aeine Wirkung auf den venchiedenen Lebensgebieten, auf die Kunst usw., fehlen fast ausnahmslos. Nur allgemein ist die Wirkung Hornen öften hervorgehoben worden, z.B. von Ehrenberg, Ost und West S. 46; St. Witkowski, De Homcro indolia et naturae Graecorwn 1pcculo, in: Eoe 26, 192.3,S. 31 II., zihlt nur einzelne Züge auf, die die Horneri1ebeo Heldeo rnit den apitercn Griecben gemeinsam haben. S. 29i: Hoflltrpa,,h,J/nisdJ:Vgl. Eluenberg, Ost und West, S. 61 ff. Ober die Homerische Kunstsprache ala Vorauaaetzung für die-paohellcoi1ehe Wirkung der Epen siehe Domseiff, Arch. Myth. S. 44- Vgl auch Nietzscbe, Phil. II S. l j 3, über die Etsehütteruog der stidtilChen exklusiven Religioeidt durch die alle Stidte verbindende Verehrung für Homer. dir Rhtlpsodl#wrtrög,fiir du Wirmg H,,_s: Vgl. S. 2.9j: Du &dnll1111g Wclcker, Ep. Zykl. I S. 36j II. S. 2.9j f.: Urspr,,,g dir Rhtlpsodl#wrträg, ;,, /Ollin: Homeriden auf Chioe: Harpokration: '0µ1jpl3cu; Strabon XIV 1. Jj (64j); Schol zuPindarNcm.111. Die von Harpokration überlieferte These des Seleukoe,daß die chiiacben Homeriden nicht nach dem Dichter, sondern nach 6µ1jpoC = Geisel benannt seien, ist schon wegen des gesichert überlieferten Homcrkultes auf Chioe wenig wahrscheinlich; vielleicht kam man auf jene andere Ableitung, weil der Überlieferung zufolge Homer keine oder wenigstcoa keine mlnolicbeo

40.2

Nachkommen hatte, vgl. Kapitel III, Anm. zu S. 89: SlasillosHo1111rs S,bt,,i,gwsoh,,. Die Homeriden sind vermutlich geistige Nachkommen, Schüler Homers, vgl. Scott, U. o. H. S. 8 und Schmid, Gr. Lit. I 1 S. 1 n. Von diesen Homeriden ging die erste Verbreitung der Homerischen Gcslngc aus, vgl. Welckcr, Ep. Zyklus I S. 370. Nur wenige Homcriden werden namentlich erwibnt: z.B. Partbcn.ios (Suidu a. v.), Kynaitbos (s. u.). Auch war für die Verbreitung der Homerischen Gesänge Ion.ien schon deshalb besonders empfinglicb, weil hier die Nachkommen der Homerischen Acbicr lebten, z. B. die Ncleidcn in Milet: Herodot I 147. - Über Lykurg siebe Anm. zu S. 305. - Geburtsorte Homers= erste Wirkungsstätten der Homerischen Dichtung: vgL Wclcker, Ep. Zyklus I 137. - Delische Amphiktionie von Rhapsoden aus Chioa beschickt: Apollonbymnus 166/176. - Die von den Alcnndrinem benutzten Homer-Exemplare (vollziblig aufgeführt von Scveryns, Aristarque S. 1) z. T. von ionischen Stldtcn oder Inseln stammend, z. B. Chios, Sinopc, Kypros, sind ein Zeichen für die frühe Verbreitung der Homerischen Epen in Ionicn: Welcker, Ep. Zyklus I S. 213. - Schilderung des Rhapsoden Magnca: bei Nikolaos Damasc. frg. 62. S. 296: D,r d6/iuJ» Apol/Oflhy111110s: H. T. Wade-Gcry, Kynaitbos, in: Gr. Poctry and Life S. 56 ff., kommt, entgegen der These von Domseiff, Arcb. Mytb. S. 41 ff., bei der Interpretation von Scbol. zu Pindar Nem. II 1 zu dem Ergebnis, daß Kynaithos aus dem im 8. Jb. entstandenen delischen Apollonhymnos und einem dem 7. Jb. entstammenden delphischen Apollonbymnos durch vielfache Einschübe und Verinderungen den uns vorliegenden Homerischen Apollonbymnos zusammengestellt habe. Gegen die Vermutung von Wade-Gcry, der delische Apollonbymnos stamme von Homer selbst, vgl. Schmid, Gr. Lit. I 1 S. 234, der Vers 165 ff. dahin interprcticrt,daßdcrdcliscbe Hymnos von einem Rhapsoden aus Chioa 1tammc, der für die Verbreitung der Epen Homers, des • blinden Singers von Chioa •• zu wirken wünscht; 'liiu;!t; = wir: die Homerischen Rhapsoden. S. 296: B,z.111gt,Rhflpsodm-Vorträg,: In Sikyon: Herodot V 67 (gegen die hlufig vorgetragene Behauptung, hier könnten nicht die Epen Homers, sondern es müsse die Tbebais gemeint sein, weil Argos bei Homer doch gar nicht so sehr gepriesen werde, vgl. W. Zscbitzscbmann, Athen und die attische Bildkunst um 560, in: Jahrb. d. d. arch. Instituts, 1931, S. 19 Anm. 4); in Syrakus: Schol. zu Pindar Nem. II 1 ; in Epidauros: Platon, Ion 530 A; in Salamis auf Kypros: aus den Homerischen Hymnen VI 19 f. und X 4 zu erschließen, falls hier nicht die K yprien gemeint sind. in Atbm: Lykurg, clt; Ac6vx. 102; Platon, HipS. 297: Rhapsodml/Orträg, parcb 228 B; Isokratcs, Panatb. § 159; Alian, Var. bist. XIII 2. Wclckcr, Ep. Zyklus I 371, hilt Solon für den Urheber der Rhapsodenvortrigc, Zscbitzscbmann (a. a. 0. - vgl. vorige Anmerkung - und: Apollon, in: W clt als Geschichte I, 1931, S. 29), Peisistratos. S. 297: Di, 1/ias ;,, ro/1111, di, Odyss11in •iol,tt,111Gn,tznd 110rgtlrflgt11: Eust. ad lliadem p. 6. Eustatbios gibt keine Zeitangabe für diesen Brauch; da er 26 • P11rokloo

jedoch eine Deutung referiert. die. wie er mitteilt, die ncx>.atLol gegeben hatten. ist anzunchmcn.daß der Brauch in frühe Zeit zurückreicht, und nichts bot wohl bcsscrc Gelegenheit zur Instituicrung einer solchen Sitte als die feierlichen Rbapsodcnvortrige in Athen. S. 2.97: Hi,ron ihn- di, RhapsodM:Plucan:h. Reg. Apophth. 1n C. S. 2.97: Ho1111r ;,,, S,h"1111111rmh1: Xcnophanca bei Hcrodian. n. 8L)(p.p. 2.96,6 (frg. 10 Diels'; vgl. Schmid, Gr. Lit. II S. 174); Platon, Prot. H9 A; Lukian, Anacbania2.1; vgl. Ziebanh, Aua dem griechischen Schulwesen, Eudemos von Milet und Verwandtes, 1914, S. u9. - Kein Schulzwang in Athen: Ziebarth, L L 0. S. 33 ; daher sagt Nikarctos bei Xenophon, Symp. III , , daß ihn sein Vater die Epen Homers habe auawendig lernen lassen. Über die Regelung des Jugendunterrichts durch Teilnahme an den Festen, vgl. Ziebarth, a. L Q. S. 40. Daß die Kinder Homers Epen auswendig lernten, geht auch schon darauahervor, daß man diese beim Symposion zur Kithara vorzutragen pftcgtc (Schol. zu Aristophanes Nub. 1H8; Hesych: Tplcx:t't"l)aL)(6pou)und Rltscl aufgab, die eine genaue Kenntnis der Homerischen Epen vorauslCtZtcn (AthenaiosX 4'7 E, vgl. Rcitzc:oatein, Ep. und Skolion S. 94 und 117 und Bowra, Gr. Lyr. S. 116/7). - Die Alk.ibiadcs-.Anckdote: Alian, Var. hiat. XXI 38. S. 2.97: G'""""-il ,,,,J Cbaro/u,r: Aristoteles, Eth. Nik. 1179b; vgl. Winckclmann, Gcsch. d. Kunst d. Alt. I 3 § 2.1. S. 2.98: Ho1111r 111111 di, gri"his,h, Vas,,,,,,llkni: Vucn mit Darstellungen aus den Epen Homers und dem K yldoa sind zuaammcngcstellt von H. Luckenbach: Das Verhilmia der griechischen Vasenbilder zu den Gedichten dea epischen Kykloa, in: Jahrbuch f. klaas. Philologie, herausg. v. Flcckeiscn. 11. Suppl., 1880, S. 493 ff.; diese Arbeit ist insofern unergiebig, als die Darstellungen aus den Homerischen Epen nur sehr summarisch behandelt werden. Vasen mit Darstellungen aus der Ilias hat K. Bulas, Lcs Illustrations antiques de l'Iliade, 1929, zusammengestellt; auch dies nur ein brauchbarer Katalog, erginzt von J. D. Bcazley in: JHSt. J1, 1931, S. 301 f. Weit mehr als eine bloße Zusammenstellung ist die Arbeit von F. Müller, Die antiken OdysseeIllustrationen in ihrer kunsthistorischen Entwicklung, 1913; Müller geht vor allem den Ursachen nach, warum die frühen Vascnmalcr nur selten ihren Stoff Homer entnommen und fast nie die bedeutenden Homerischen Szenen zur Darstellung gebracht haben. - Über den Einfluß der Rhapsodcnvortrigc auf die Vasenmalerci vgl. W. Zschitzschmann, Homer und die attische Bildkunst um J6o, in: Jahrb. d. d. arch. Instituts 47, 1931, S. 4J ff. und F. Johannsen, Iliaden i tidlig gracsk kunst, 1934 (nach der Besprechung dieses mir nicht zugAnglichcn Buches von Bcazley in: JHSt. J4, 1934, S. 84); vgl. auch WadcGcry, Kynaithos, in: Gr. Poctry and Life, S. 77. S. 298 f.: Po/yg,,ol:E. Pfuhl, Malerei und 7.cichnung der Griechen Il, 1923, § J J 2 ff., 699 f., 704 ff., 709 f., 724. - Über Polygnots EinBuß auf die Vascnmalerci vgl. auch, K. Müller, a. a. 0. (siebe vorige Anm.) S. 80. - Odysseus und Nausikaa: Paus. I 22,6, vgl. K. Müller, a. a. 0. S. 1o6; der Frcicrmord:

Paus. IX 4,1; Nekyia: Paus. X 28 ff., vgl. K. Müller, a. a. 0. S. no, Wclcker, Kleine Schriften V 103 ff. und B. Schweitzer, Der Paris des Polygnot, in: Hermes, 72, 1936, S. 288 ff.; Iliupcrsis: Paus. X 25 ff., vgl. Wclckcr, KI. Sehr. V I IO ff. S. 299: Ho,,,,,. ,.,J di, friihgri1thisrh,Plastik.: Chor der Phaiaken auf dem Amyklii.schen Thron: Paus. III 18,n; Pausanias über die Apollonstatue: Ill 19,2; der Thron ist später entstanden als die Statue, etwa Mitte des 6. Jh. - Szenen aus Horn. Epen auf der K ypecloslade: Paus. V 19,7. S. 2.99f.: Ho,,,,rs Einfl11ßmefdi, Plastik. tkr A:Ja.uis,hmZ1i1: Die PhcidiasAnekdote: Strabon VIII 3,90 (3 54), vgl. Dio Chrys. 0r. XII. - Melisches Relief abgebildet b. Jacobsthal, Die melischen Reliefs, 1931, Taf. 48, 49. S. 300: E111lalhio1;;J,,r Ho,,,,,., Einjl11ßmefdi, Di,ht,r: Ad Iliadem. Prooimion p. I. S. 300: Ho,,,,,., Einf"'ß mef di, A!,,k.lis,hm Ep,,, ,.,J di, Homlrisrhm Hymnm: Siehe Bowra, Gr. Lyr. S. 140 und Evclyn-Whitc, Hcsiod, lntroduction S. XXX; vgl. auch Kap. III S. 87 ff. S. 500: Ho,,,,,., Wirhlng mefHuiod: Siehe Kap. l, Anm. zu S. 54: Das Htrt11t111lt,r bti H11iod;vgl. Evclyn-Whitc, a. a. 0. S. XXV. S. 3oof.: Ho,,,,,., Wirhlngmef di, Lyrim ,.,J E/,gi/ur: Sappho: Bowra, Gr. Lyr. S. 2.19; Alkaios: Bowra, a. a. 0. S. 179, 181; Archilochos: Bowra, Elcgists S. I 2 (in seinen Elegien schließt sich A. sprachlich eng an Homer an, während er in den Jamben bewußt alle Anklänge an Homer vermeidet); Kallinos: Bowra, Elcgists S. I 5 ; Mimnermos: Bowra, Elegists S. I 8 und u ; Pindar: Farnlill, zu Pytb. IV 2.78 und Schmid, Gr. Lit. I I S. 596. Über den Einfluß Homers auf Epiker und Lyriker im allgemeinen vgl. Nitzsch, Sagenpocaie S. 57. S. 301: T,rpa,,d,r ,.,J Hom'!: Hcraklcidcs Pont. b. Plut. d. mus. 5; vgl. Bowra, Gr. Lyr. S. 61, Elegists S. 59. S. 301: Alk.man ,.,J Ho,,,,r: Vgl. Bowra, Gr. Lyr. S. 61. S. 301: Ho,,,,rs Einjl11ß1111f S11,i,horos:Antb. Pal. I 328; VII 7S; Quintilian X 1 (62); Dio Cbrys. 0r. II 25; vgl. Bowra, Gr. Lyr. S. 99, 136, 139. S. 301: Tyrtaios,.,J Ho,,,,r: Frg. 6-7; 21-2.8 (Diehl): Anklang an X 71-76, vgl. Bowra, Gr. Elcgists S. 54. S. 301: Solon,.,J Hom,r: Schol. ABT zu P 265; vgl. Bowra, Elegists S. 78. S. 302.f.: Ais,h.Jlos,.,J Hom,r: Atbcnaios VIII 347 E; siehe zu diesem ruschlich auf den Kyklos bezogenen Ausspruch Nitzsch, Sagenpocsie S. 405, Schmid, Gr. Lit. I 2 S. 265. Über Aischylos' sprachliche Anklänge an Homer vgl. Plut. Horn. II 153 ff. M. Lcchner, De Aeschyli studio Homerico, 1866. Über Aischylos' Achilleis siehe W. Schadcwaldt, Aischylos' Achilleis, in: Hermes 71, 1936, S. 25-69. - Über die Odysscus--Trilogie des Aischylos siehe Hartmann, Tod des Odysscus, S. ,i, 1o6 f., III f; vgl. auch Schmid, Gr. Lit. I 2 S. 257. -Der Charakter des Odysscus bei Aischylos: Dio Chrys. 0r. 52; vgl. auch Blumenthal, Sophokles S. 76. - Nietzsche über das Homerische Epos: Phil. I S. 240.

S. 30-4: Ho,,,,,.-E,luiinlllg = Urspnt,,gd,,-1,ri«biubm Spra&bwissms,haft:Vgl. Schmid, Gr. Lit. I I S. 77-4 über die Altesten Homer-Glossare. Tbcagencs v. Rhcgion: Homer-Interpret und ältester Grammatiker: Schol. zu Dionys. Thru p. 16-4(Hilg); Tatian, ad Grace. c. ,1; Schol. B zu Y 67. S. 30-4: Ho,,,,,. IINI di, R,dMr: Vgl. Wehrli, Homer-Allegorie S. 7. Die Sophisten sahen in den Reden der Homerischen Helden ihre Vorbilder: Platon, Phaidr. 261 B. Siehe auch die lehrreichen Analysen Homerischer vgl. Hermog. n. l8. B 10 Reden: Ps. Dionya. Hal. na:pl iaxlJIL(XTLaµivv; (3n). Zuaammcnfasacnd war Homers Einfluß auf die Rhetorik behandelt worden von Telephos v. Pergamon: nEpl Tij.6xct>.~: Das Schöne liebend: Platon, Phaidros 248 D; die Schönen liebend: Älian, Var. bist. II 4. - Häufig ist die Verbindung lpc.>TLXoC XctlcpL>.6ii,ouao,;:Theokrit XVI 61; Älian, Var. bist. II 21. S. 307: V "·uln,,indm dn M1111"göttin in friihgri1&his,bn-Z,it: Siehe Picard, ~re hom. S. 24. - Über den kretischen Ilcti,;, den Sohn oder den Geliebten der großen Muttergöttin, siehe H. R. I. Hall in: C. A. H. II S. 463. - Poscidon und Zeus als bartlose Knaben dargestellt: Paus. V 24,S; VII 24,4; vgl. auch Picard, ~re hom. S. 24. Der jeweils schönste Knabe Priester eines solchen Gottes: Paus. VII 24,4; vgl. Paus. IX 10 und u; Athen. XIII s6s F ff. s. 307: Knabmli,b, ZJIT Holfltrl ni,hl Sill,: w. Kroll, Knabenliebe, in: RE XI Sp. 904/s. S. 307: Di, Al,x""'1rinlr iiblr Knabmli,bl in dm Ho1111risthmEpm: Schol. T zu n 6. S. 308 f.: Ganym,d: DieGriccbenberufensichaufihn: z.B. Thcognis 134s f.; in der Dias erwähnt: E 26s ff. und Y 232 ff. B 127 kann wohl kaum, wie Schol. T zu dieser Stelle meint, eine Anspielung auf Ganymed sein. - Unterschied zwischen der Homerischen und der nach-Homerischen Ganymcdsage: Aristarch in Schol. ABT zu Y 234. Ganymed tritt bei Homer nicht als Weinschenke auf: vgl. Schol. AB zu 6. 2 und Schol. A zu Y 234. - Über die Ganymedsagc in cL;tKleinen Dias siehe ~hol. zu Euripides 0rcst 1391. - Im Aphroditehymnos 202-217 raubt Zeus selbst Ganymed (daß hier an Knabenliebe gedacht ist, wird durch den Zusammenhang deutlich, den Bcier, a. a. 0. S. 42 ff., der dies leugnet, anscheinend nicht beachtet hat). - Die Ganymedsage bei Ibykos: Schol. zu Apollonios Rhod. Arg. III I s8. - Das Adlermotiv muß, archiologischcn Funden zufolge, spätestens Anfang des 4. Jh. in die Ganymedsage gekommen sein. - Daß der Raub des Ganymed in verschiedenen Gegenden, sowohl in der Troas (Strabon XIII 1,u, s87) wie auf Kreta (Platon, Nom. I 636) wie in Chalkis auf Euböa (Athen. XIII 6o1 F) lokalisiert wurde, mag aus dem Bestreben hervorgegangen sein, der Knabenliebe im dgencn Land einen göttlichen Ursprung zu geben. Es gab auch Sagen, nach denen nicht Zeus, sondern Tantalus oder Minos Ganymed entführt haben (vgl. Bcier a. a. 0. S. 42 und 48); daraus und aus der Lokalisierung des Raubes auch in Kreta zog Wclcker, Kleine Schriften II S. 90, den Schluß, daß die Ganymcdsage kretisch sd. - Wie die in Phlius verehrte Ganymede (Paus. II 13,3) mit Ganymed zusammenhängt, ist noch nicht erforscht. - Die von Apollon geliebten Knaben werden aufgezählt bei Plutarch, Numa 4. S. 309 f.: Nir1111:B 671/6n; B 673/s wurde von Zcnodot athctiert, von Aristarch jedoch nicht, vgl. Schol. A zu B 673. Drei Verse fangen bei Homer sehr selten mit dem gldchcn Wort an (mdst wohl aus klanglichen Gründen

z,;,

wie z. B. A ,06 ff., 'I' , 1, ff.), nie mit dem gleichen Namen; daher wu die Nircuaatclle schon im Altertum aufgefallen: Ariatot. Rhct. m 124,,; Dcmctrioa, ncpl lpµ.. 62. - Die Erzihlung von Nireua' Tod durch Eurypyl011 in der Dias parva ist wohl eine mch-Homcrische Konstruktion; es lag nahe, den schönsten Achicr durch den schönsten Helden auf troischer Seite (A ,22) ums Leben kommen zu lassen. - Die zahlreichen Stellen, in denen Nircua seiner Schönheit wegen erwihnt wird, sind zusammengestellt bei H. Rcnz, Mythologische Beispiele in Ovids erotischer Elegie, Diss. 193 h S. 47. - Nircus als Geliebter Homers: Ovid, Ars amandi II 109; vgl. Philostr. Epist. '7· Daß Homer, wie Mülder lliasqucllcn S. 99 meint, Nireua einer älteren Quelle entnommen habe, ist deshalb wenig wahrscheinlich, weil in diesem Fall Nircus in der Dias wohl nicht nur dieses eine .Mal, und hier in dicscr seltsamnachdrücklichen Form. erwähnt worden wirc. S. 311: hbi/1111111 Pt1tro/ekJs:Vgl. hierzu Anm. zu S. 3zo f.: D;. RIM tks Ais,bit,u. E. Bcier, a. a. 0. S. führt alle Stellen auf, in denen Achill und Patrold011 als Liebende erwähnt werden. Ptisislrt1los:Robinson, a. a. 0. (vgl. Anm. zu S. 3o6: S. , 11: T1/1mt1tb111111 Ursp,v,g tkr gri1tbis,hm KMbmli1b,) S. 19 glaubt, daß es sich hier um Knabenliebe handelt, worauf vielleicht auch das Epitheton cuµ.µ.cMlJ~z.B. y 400 (vgl Kap. II, Anm. zu S. 63: Prit1mos)und Stellen wie y 397 ff. hinweisen. Athma t1lsKMbm: Hermes: 0 347ff.; in der Odyssee S. 3uf.: Hl1'1llls111111 ftüchtig wieder aufgenommen: x 277 ff. Athcna: v 221 ff.; vgl. Schol. AB T zu O 348: iu&6pLOV -ljALXl«~tlvBpo~ x«l 'lt«L8~ «ßp6TCpov 1,1,h~ X«T' 4v8p«, ycw«L6Ttpov 8~ ~ X«T11.n«i8«· mpl TOU~ TOLOUTO~ ijv x«l o I:6>xp«TLXo~lp6>~; siehe auch Platon, Prot. 309 B. S. 314: Wirhorg tkr Homms,hm Erz.ilbtrgulilllffl: Berühmte Erzieher werden Phoinix genannt: Plut. Alex. , und &4; Plut. Philop. 1; Llbanios, Or.

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XII 43• Vgl. Kap. I, Anm. zu S. ,o: Blrkhu ilHr dtu Llba S. 314: Ho--Vitt1: Hom,rs. - Die Glaukos-Epiaode: Vita Herodotca 2off. Mentor und Mentcs: ebenda6 f. Eitu,hriilrhorgtkr BwölMN111gsz_tlb/: Ariatot. Pol. II S. 31, f.: KMIH,,/i,b, 111111 1272 a. -Herodot ühcr die Perser: I 136.-0bcrdie VorbildlichkcitderGricchcn auch gerade in der Beachrinkung ihrer Bevölkerungszahl vgl. die Ausführungen von Matthew Arnold, Culture and Anarchy 18~ (cd. Wilaon, 1935, s. 193 ff). S. 316: K"""'1,/i1b, tlllf Krrtt1: Ephoroa bei Strabon X 4,21 (483 f.); vgl. auch Athen. IX 782 C. S. 316: K"""'1,/i1b, itl Sj)tlrlil: Plutarch, Lyk. 17 f.; vgl Alian.Var. hist. III u. S. 316 f.: hhi/1/aJt;,, SJ>tlrltl:Paus. III 24,,; vgl. auch Schol. zu Apolloo. Rhod. IV 814. S. 317f.: 0ml ,,,,J Py/41Us:Daß Homer Oreata Freundschaft mit Pyladcs und auch deren Vorauaactzung, Oreata Aufenthalt bei Strophi011.nicht kannte,

ist eine seit dem Altertum feststehende Tatsache: vgl. Aristarch: Schol. zu y 307 entgegen Zenodots Auffassung; Roemer, Aristarch S. 169, In den Nostoi ist Pylades Helfer Orcsts bei der Rachetat, vgl. Severyna, Aristarque S. 408. Auf frühen Vasenbildem ist Orestes noch ohne Pylades dargestellt. vgl. C. Robert, Bild und Lied S. 161. Da Pylades Enkel des Krisos, des Eponym von Krisa (Paus. II 29,z), und sein Name von Pylai, dem alten Sitz der Delphischen Amphiktionie, abgeleitet ist (vgl. Parke, Delphi S. 119), so liegt die Vermutung nahe, daß er wegen seiner Beziehung zu Delphi mit Orcst verbunden wurde. Denn auch Orcst oder vielmehr die spitere Orcstcssage steht im Zusammenhang mit Delphi: der Gedanke, daß ein unfreiwilliger oder notwendiger Mord gesühnt werden kann, wurde von Delphi aus verbreitet, und Orcstes - der vom delphischen Apoll von dem Mord Gereinigte - wurde hierfür zum Sinnbild. Da nun auch die Überführung der Gebeine des Orcst nach Sparta auf delphisches Geheiß hin geschah und zu dieser Gelegenheit Stesichoros seine Orcstie dichtete (vgl. Bowra, Gr. Lyr. 126, Parke, a. a. 0. S. 111), ist die Vermutung wohl gerechtfertigt. daß Stesichoros zu Ehren Delpbis Pylades mit der Orcstessage verband. Die Behauptung von Schmid, Gr. Lit, 1 3 S. szo, erst Euripides habe der Freundschaft Orestes - Pyladea Leben gegeben, wird allein schon durch das Auftreten des Pylades in den • Choephoren • des Aischylos und durch Pindar, Pyth. XI widerlegt. ll1lliP,irithoo.r:B74J wirdLeonteusalsHelferdesPeirithoos S. 317 f.: Th,.r,11.1 genannt. Die Erwähnung des Theseus A z6s fehlt im Venetus A und in anderen hdd. :>..631 soll, wie Plut. Thes. zo erzihlt, von Peisistratos aus Hesiod entnommen und in die Nekyia eingefügt worden sein. (Es ist seltsam. daß Forscher wie U. v, Wilamowitz, die zabllosc Homerverse entgegen der antiken Überlieferung für unecht erklären, diesen einen Vers, der nach antiker Überlieferung unecht ist, für echt halten, vgl. Homerische Untersuchungen S. 140 f.) Theseus wurde also bei Homer nicht erwihnt; vgl. auch Nitzsch, Sagenpoesie S. uo und Radennacher, Mythos S. zzo. F;eilich kann man aus diesem Schweigen Homers noch nicht auf einen spiten Ursprung der Theseuasage schließen. Theseus ist, wie F. Wolgcnainger, Theseus, Diss. 1935, dargelegt hat, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Sagenheld der mykeniscben Zeit, und es ist sogar möglich, daß auch die Sage von dem gemeinsamen Zug des Theseus und Peiritboos in die Unterwelt, um die Unterweltsgöttin zu rauben, in vorbomeriscbe Zeit zurückgebt. Dieser gemeinsame Raubzug wurde dann späteren Dichtem zum Anlaß, ein Freundespaar im Homerischen Sinn aus diesem Abenteurerpaar zu gestalten. - Plutarchs Schilderung dieser Freundschaft: Thes. 30. S. 318 f.: H,ra/ek.r ,md Iolao.r:lolaos, der bei Homer nirgends vorkommt, wird Hesiod Theog. 317 als Helfer des Herakles bei der Tötung der lemiischen Schlange erwähnt, und auch auf frühen V asenbildem wird Herakles bei diesem Abenteuer bereits zusammen mit ibm dargestellt, vgl. B. Schweitzer, Heraklea S. 163. Ursprünglich ein tbebaniscber Heros (vgl. seinen Kult in Theben: Schol zu Pindar Nem. IV 3z und Paus. IX 23,1), muß Iolaos schon vor 411

Hcsiod mit Herakles, vidlcicht zunichat in einer thcbanischcn Loblsagc, verbunden worden sein. Wihrcnd er aber, wie gesagt, ursprünglich nur bei dem einen Abenteuer als Helfer des Herakles auftrat, ist er bei Archilochos und in der Pscudo-Hesiodischcn Aspis des Herakles steter Gefährte, und schließlich bei den Tragikern der treuste Schützer von Herakles' Kindcm nach dem Tod des Helden. - Über das Tcndla-Licd des Archilochos siebe Pindar 01. IX I und Schol; vgl. auch Famcll zu dieser Stelle und Bowra. Elegists S. 151. S. 318 f.: Di, Dio.rhlm,: 27 wird ihr Tod crwihnt,). 298 ihr ein wn den anderen Tag wechselndes Leben und Totscin. Sie sind ursprünglich Lichtbringer, den As'vins verwandt; der Sage von ihrem Fortleben bei den Oberen und bei den Unteren liegt wohl die Vorstellung vom Auf- und Untergang des Lichtes zugrunde, vgl. F. Chapouthier, Lcs Dioscurcs au Service d'unc Dcessc, 193s, S. 272 und 322. Die Verehrung dieses Brüdcrpaars stammt aua vordorischcr Zeit, vgl. U. v. Wilamowitz, Herakles II S. 13 und Howald. Mythos S. 6o. Der Tod der Dioskuren wurde in den Kyprien eIZihlt, doch läßt sich aus Prok.los (S. 103,13) nicht ersehen, ob in dieser EIZihlung ben:ita Polydeukcs freiwillig seine Unsterblichkeit mit Kastor teilte, ob also aus dem göttlichen Brüderpaar bereits das opferbereite Frcundcspaar geworden war. wie es Pindar, Nem. X s s ff., besingt. oder ob etwa Pindar selbst diesen Zug der Sage hinzufügte. S. 319: .AJUUrthwoiub, FrtllllM.rj>tllln: Herakles und Thcscus: Euripidcs, •Herakles•; Phokos und Jascua: Paus. X 30,4; Tydcus und Polyncikcs: Lact. Plac. zu Stat. Theb. I 476; auch Idomcncua und Meriones, Achill und Antilochos, Diomcdcs und Stbcndos werden unter den berühmten Freundespaaren aufgezihlt: Myth. gr. Wcsterm. p. HS· - Chloris und Thyia: Paus. X 29,s. Über die stets geringe Zahl von Frcundcspaarcn vgl Plut. de amic. mult. II 43 E ff. S. 320: Kho1111Kho.r Cba/Jus: Plut. Erot. 17 (über die Datierung des Lclantinischen Krieges vgl. A. A. Blakeway, Thc Date of Archilochos, in: Gr. Poctry and Life S. 34 ff.). S. 320: Har111odio.rt111d Ari.rtog,ilOII:Hcrod. V SS; VI 109, 123; Thuk. I 20; VI H/9; Platon, Hipparch 228 C; Aristot. Ath. Pol 18 f.; Pol V 13ua. -Ihr Kult: Dcmosth. XIX 280; Aristot. Ath. Pol. sB; Pollux VIII 91. - Andere Ehrungen: Hyperides, in Phil. coL II 33; Gcllius, N. A. II 10; Dio Chrys. Or. XXX 28. Ihre Standbilder: Aristot. Rhct. 1368a; Paus. I B,s; Mann. Par. S4·- Über das Skolion zu ihrem Preis und den Brauch, beim Symposion während des Singcns einen M yrtcnzweig in der Hand zu halten, vgl Bowra. Gr. Lyr. S. 41s, S. 320 f. : Air,hinls: XatTIX TLJLCXPX 0u S4ff. S. 321 f.: P1/opidtu IIIUi di, b,ilig, S,htzr: Plut. Pdop. 4 und 18 ff.; Athen. XIII s61 F. S. 322: Ahxa,rd,, ,,,,.br,;1,1Ho1111rs Guiillg, bis """1 lndim: Plut. d. Alex. fort. 1 S·

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S. 321: Aüxtllldlr NarbhJm1111A,hil/s:SttabonXIll 1,27(597); Paus. I II,II. S. 323: Auxtllldlr 1111d Aristot1/1s: Plut . .Alex. 7 ff. und d . .Alex. fort. I 4; Plin. N. H. XXX 1o6; Diog. Laert. V 21; Gcero, ad Att. XII 49,2. S. 323: Aüxtllldlrs B,.,,.,J,,v,gfiir Ho•tr: Plut . .Alex.8; de .Alex. fort. l 4; Oncsikritos bei Strabon XIII 1,27 (594). - Die Lade für die Iliu: Plut . .Alex. 26; Gründung .Alexandrias: Plut . .Alex. 26. S. 323: Auxander g,gm Kri,gslist: Vgl. Kap. IV, S. 138. S. 323: Auxtllldlrs Großm11t: Plut . .Alex. 13, 21, 29, 43; Diod. XVII 37,6. s. 323: M11.1iuh,s ubm;,, Auxtllldlrs H,,,J,,g,r: Plut . .Alex. 8 ff., 10, 29; Arrian, Anab. III 1, 4. S. 324: H,phaistion;,, P1/J,,: Art. Anab. VI 28,4; Ind. 18,3. S. 324: H,phaistions St1//1111g i11Aüxtllldlrs Hur: Hipparch: Art. Anab. III 27,4; Verwaltung von Sidon: Diod. XVII 47,1 ff.; Curt. IV 15 ff.; er führt die Flotte nach Ägypten: Curt. IV 5,10; neben Perdikkas enter Fddhcrr im Indicnfddzug: Art. Anab. IV 21,7 f.; neben Krateros erster Fddhcrr: Art. Anab. VI 2,2; Chiliarch: Arr. Anab. VII 14,10, S. 324: H,phaistio,u T,iblllhm, b,i dm Städt,griilllillllgm Aüxtllldlrs: Arr. Anab. IV 16,3; VI 18,1; VI 21,1. s. 324: Aristot,ur' Bri,f 1111H,phaisliOII: Diog. Laert. V 1, 27. 324: H,phaisliOII b,im Vtrral MS Phiwtu: Curt. VI di„ Eiottlhcitcn aind hier romanhaft ausgeschmückt. S. 324f.: H,phaistio11b,itkr Pros!t;y,,u,: Art.Anab.IV 12,4;Plut . .Alex.54/55. H. Bcrvc, Das Alcxanderrcich auf prosopographischcr Grundlage II, 1926, S. 171 legt den Bericht des Plutarch dahin aus, daß Hepbaistion Kallistbcnes habe stürun wollen. Aber aus der Plutarchstcllc und ebeoso aus Art. Anab. a. a. 0. geht nur hervor, daß Hepbaistion in der Frage der Proskyncsc auf Alexanders Seite stand. Auch in die Plut . .Alex. 47 f. en:ihlte Episode (der Streit des Hepbaistion mit Krateres) legt Bcrve, a. a. 0. S. 173, mehr hinein, als darin steht; sie zeigt nur die Leidenschaftlichkeit all dieser jungen, um den jungen König vereinten Menschen und den unmittelbaren, durchaus unhöfischen Ton der zwischen ihnen und dem König herrschte. s. 325: H,phaistiOIIals v-illur: Harpokration:' Ap,o-r(Co>v und Aischines, x. Knia,qi. 162. S.. 325: O/ympiu' Eif1rswht t111fH,phaisti011: Diod. XVII n4,3. E111111111s IKl1I Karduz: Plut. Eum. II; Art. Anab. S. 325: H,phaistiOII 1111d VII 13,1 (leider ist die Arrianstclle verstümmelt). S. 325 f.: •.Awh diutr ist A/1xtllldlr1: z.B. Art. Anab. II 12,3 ff. s. 326: Auxtllldlr 1111dH,phaistiOII ;,, 1/iOII:Art. Anab. I 12,1; Alian,Var. bist. XII 7. S. 326: H,phaistions Tod: Arrian,"Anab. VII 14,1; Plut . .Alex. 77; Diodor XVII IIo,8; Justin XII 12,n. S. 326: Auxtllldlrs Tr1111tr 11111H,pbaistion: Art. Anab. VII 14,3 ff.; Diodor XVII 114,4; Plut . .Alex. 72. S. 326: Dil Chiliar,hi, H,phaistio,u ,-b tkssm Tod: Art. Anab. VII 14,10.

s.

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S. 327: H1ph,,ulio,u Bultllhttlg: An. Anab. VII 14,7; zum Teil pbantutiach ausgeschmückt bei Diodor XVII 11s, 1 ff.; Plut. Alex. 72. und A.lian, Var. bist. VII 8. S. 327: Htr0isilnlllg H,pl»utiotu: Arr. Anab. VII 14,s und 2.3,6; vgl P. Trevea, Hypcridcs and the Cult of Hepbaistion, in: Oass. Review H, 1939, S. s6. - Die Berichte von Diodor XVII us,6; von Justin XII u,11/u und von Lukian, n. -r. µ.. ~rx3.nta. 3Lrx(3.17 zeigen, welches Aufsehen diese Hcroisierung in der hcllcnischcn Welt erregte, so daß aie zu den tollsten Übertreibungen Anlaß gab. S. 327: Ahxtllll#rs Tod: Arr. Anab. VII 14,10; A.lian,Var. bist. VII 8. S. 3z8: Ahxtllll#r 1,nht,1 1itml Hoflllr: z.B. PluL .Ala. 14; vgl Cicero, pro Arch. 2.0.

ZUM TITELBILD

Kopf ius Ho•tr, Glyptotb,I:, MiiMhm Abgebildet in der Sammlung • Gricchiache und Römische Portrits •• herausgegeben von F. Bruckmann, München, 1891 ff. (Du Portrit wird dort noch als Kopf des Epimcnidcs bezeichnet).

VERZEICHNIS DER MIT ABKÜRZUNGEN

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