Patriarcha
 9783787336852, 9783787336845

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Philosophische Bibliothek

Robert Filmer P  atriarcha

Meiner

Robert Filmer

Patriarcha

Auf der Grundlage der Übersetzung von H. Wilmans neu übersetzt und herausgegeben von Peter Schröder

FELI X M EI N ER V ER LAG H A M BU RG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 729

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-3684-5 ISBN eBook: 978-3-7873-3685-2

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I N H A LT

Einleitung von Peter Schröder . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Die Person und der Autor Sir Robert Filmer . . . . . . . Zur Datierung von Filmers Patriarcha . . . . . . . . . . . . Filmers politische Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Filmer und die Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Publikationsgeschichte von Patriarcha . . . . . . . . Das Ende des politischen Patriarchalismus? . . . . . . . Zu dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Filmers Leben und Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XII XIV XVII XL LI LXXI LXXXV LXXXVII CIII

Robert Filmer PATRIARCHA

oder Die natürliche Gewalt der Könige, verteidigt gegen die unnatürliche Gewalt des Volkes KAPITEL I

Die ersten Könige waren Väter von Familien . . . . . . . . . .

3

KAPITEL II

Es ist unnatürlich für das Volk, zu regieren oder Herrscher zu wählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

KAPITEL III

Positives Recht beeinträchtigt nicht die natürliche und väterliche Gewalt der Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Für meinen Sohn Hanno

• »Der König soll Ihnen unbenommen sein – ich will den Vater nur für diese kurze Stunde.« (F. Schiller, Don Carlos, II-1)

EI N LEI T U NG The Naturall Power of Kinges Defended against the Unnatural Liberty of the People – Sir Robert Filmers politische Lehre

Sir Robert Filmer (1588–1653) wurde im gleichen Jahr wie Thomas Hobbes (1588–1679) geboren. Beide gelten bis heute als überzeugte Verteidiger absoluter Souveränitätsrechte. Aber während Hobbes als einer der bedeutendsten politischen Denker gilt, ist Filmer heute gerade im deutschsprachigen Raum kaum bekannt. Und sicherlich ist Filmers Werk kaum mit dem von Hobbes auf eine Stufe zu stellen. Ihre Schriften entstanden fast ausschließlich während einer Zeit politischer Konflikte zwischen Parlament und Krone, die durch konfessionelle Antagonismen verschärft wurden und die im englischen Bürgerkrieg und der Hinrichtung Charles I. mündeten. Hobbes lebte aber nicht nur deutlich länger als Filmer, er hatte unter anderem auch beabsichtigt, eine systematische politische Philosophie zu entwickeln, und das mit seinen politischen Schriften Elements of Law, De Cive und Leviathan dann auch beeindruckend eingelöst. Derlei Intentionen hegte Filmer nicht. Sein Werk zeichnet sich vor allem durch zumeist scharfe und oft auch hellsichtige Kritik an den gesellschaftlichen und politischen Debatten und Protagonisten seiner Zeit aus. Einer Zeit, die bereits von Hobbes als ein Höhepunkt der englischen Geschichte aufgefasst wurde.1 Der Untertitel von Filmers Patriarcha war Programm, er wollte »die natürliche Macht der Könige«, insbesondere seines Königs in England, Schottland und Irland, gegen »die unnatürliche Freiheit des Volkes« und die daraus formulierten politischen Ansprüche verteidigen. Filmers Einfluss auf Vgl. T. Hobbes, Behemoth, S. 1: »Wenn es ebenso wie im Raum auch in der Zeit Höhen und Tiefen gäbe, so möchte ich wahrhaft glauben, dass der Höhepunkt der Zeit zwischen 1640 und 1660 liegt«. 1

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die führenden Machthaber in England im 17. Jahrhundert war, zumindest bis zur Glorious Revolution, ungleich bedeutender als derjenige von Hobbes. Filmer und andere Royalisten verteidigten die Souveränitätsrechte der Monarchie »in der traditionellen Semantik«, während »für Hobbes’ Theorie mit ihren völlig anderen Denkvoraussetzungen eigentlich keine Rezeptionsbereitschaft bestehen konnte«. 2 Das mag heute überraschen. Auf die inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Gegensätze von Hobbes und Filmer wird genauer einzugehen sein, da erstens der spezifische Kontext zum Verständnis Filmers wichtig ist, zweitens Filmer Hobbes aber auch in den Observations concerning the Originall of Government kritisierte. Mit dieser Schrift liegt in der Tat eine der frühesten Auseinandersetzungen mit Hobbes’ Leviathan vor, die bemerkenswerterweise nicht aus dem Lager der Parlamentarier vorgetragen wurde, sondern von einem der entschiedensten Verteidiger der Monarchie. Die Forschung zu Filmer ist überschaubar. Sein Œuvre wurde nur von einer kleinen Zahl von vornehmlich anglo-amerikanischen Spezialisten analysiert, wobei Filmers Patriarcha die größte Bedeutung zugeschrieben wird. 3 Bemerkenswert ist, dass es – soweit ersichtlich – keine eigenständige deutschsprachige Studie zu geben scheint, die sich ausdrücklich Filmer widmet.4 Was darüber hinaus gelegentlich an vordergründigen H.-D. Metzger, Thomas Hobbes und die Englische Revolution, S. 50. 3 Die wichtigsten englischsprachigen Forschungen wurden von P. Laslett, G. Schochett, J. Daly und nun zuletzt von C. Cuttica vorgelegt. 4 Vor allem in Frankreich, aber auch in Italien, gibt es durchaus wichtige Studien zu Filmer. Siehe zum Beispiel die Arbeiten von F. Lessay, Le débat Locke-Filmer, F. Lessay, Filmer, Hobbes, Locke und P. Carrive, La pensée politique de Filmer. Gleiches kann erstaunlicherweise für die deutschsprachige Forschung nicht gesagt werden. Vgl. aber die Auseinandersetzung mit Filmer in M. Henningsen, Devine Right of Kings: James I. und Robert Filmer und R. Ottow, Politischer Patriarchalismus. Wilfried Nippel steuert ein kurzes, aber 2

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Stellungnahmen und Interpretationen zumeist zu Patriarcha verlautbart wird, ist – nicht nur in Deutschland – weitgehend durch John Locke (1632–1704) bestimmt und im Urteil entsprechend verzerrt, wobei leicht übersehen wird, dass Locke bereits in einem ganz anderen politischen und intellektuellen Kontext die Notwendigkeit sah, sich intensiv mit Filmers Patriarcha auseinanderzusetzen.5 Damit wird bereits deutlich, dass Filmer im Schatten von zwei der Giganten der englischen Ideengeschichte steht. Dem muss diese Einleitung Rechnung tragen, und was zunächst wie ein klar einzugrenzendes Forschungsfeld aussehen mag, wird nicht nur durch diese zwei großen Namen, sondern auch durch die komplizierte politische Geschichte zur Zeit Filmers alles andere als überschaubar. Die Einleitung analysiert Filmers Werk innerhalb dieses schwierigen historischen Kontexts, wobei es nicht das Anliegen sein kann, detailliert auf das Vorspiel und den Ablauf der englischen Bürgerkriege einzugehen, die 1649 zur Enthauptung Charles I. und zur Einführung einer nichtmonarchischen Regieinstruktives und im Urteil abwägendes Kapitel zu Filmer in seiner Studie bei: W. Nippel, Mischverfassungstheorie, S. 277–283. Siehe ferner die verstreuten Hinweise auf Filmer in den Interpretationen zu Locke, auch wenn diese zumeist kaum darum bemüht sind, Filmers Argumenten gerecht zu werden. Beispielhaft dafür ist die Einleitung zu John Locke von Walter Euchner, insbes. S. 29 oder die knappen Bemerkungen bei R. Specht, John Locke, S. 175 f. In seinen Studien zu Locke geht Euchner dann so gut wie gar nicht mehr auf Filmer ein. Vgl. W. Euchner, Naturrecht und Politik bei John Locke und W. Euchner, John Locke zur Einführung. Zwei englische Aufsätze, die sich mit Filmer beschäftigen, wurden ins Deutsche übersetzt: M. Goldie, Robert Filmer und der Royalismus und J. Moore, Patriarchalismus und klassischer Republikanismus. 5 Bemerkenswert und vielsagend ist auch, dass alle mir bekannten Übersetzungen von Filmers Patriarcha nur als Anhang zu Lockes Two Treatises of Government publiziert wurden. Gleiches gilt für die 1884 erschienene englische Edition von Filmers Patriarcha, die nach der erstmaligen Publikation von Patriarcha im Kontext der Exclusion Crisis (1680) diesen Text zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts erstmals wieder zugänglich machte (vgl. 1.b in den bibliographischen Hinweisen).

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rung im Interregnum führten. Wohl aber wird man Filmers Schriften und Überzeugungen am ehesten im Lichte dieser radikalen Herausforderungen begreifen und nachvollziehen können. Seine Argumente zu rekonstruieren und zu analysieren, das dürfte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, bedeutet nicht, dass damit seine politischen Überlegungen für unsere eigene Situation als vorbildlich oder fruchtbar bewertet werden. Diese Art anachronistischer Ideengeschichte ist ohnehin problematisch. Bei einem Denker, der Ideen vertrat, die sich sozusagen à la longue auf der Verliererseite nicht nur der politisch-philosophischen Argumentation, sondern auch der geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklung befanden, kann das Interesse nur philosophiehistorisch sein, wie es das Studium der Geschichte der politischen Ideen verfolgt. Filmers Wertesystem bezog sich auf eine uns heute fremd erscheinende Tradition. 6 Ist man nicht bereit, dies zum Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit Filmer zu machen, kann dies zu gravierenden anachronistischen Kurzschlüssen führen. Es wäre natürlich verfehlt, diese uns verlorengegangene Welt zu idealisieren. Ebenso ist es nachvollziehbar, bei der Lektüre Filmers heute bestenfalls den Kopf zu schütteln. Man kann seinen Ideen nur gerecht werden, wenn man sie im Kontext seiner und nicht der unsrigen Zeit bewertet. Zu glauben, man müsse hier, wie etwa Teile der sogenannten feministischen Literatur, noch posthum ideologische Abrechnungen mit der Ideenwelt Filmers vornehmen, ist jedoch nicht mehr als eine bizarre Form der Donquichotterie. 7 Siehe dazu grundsätzlich P. Laslett, The World we have lost und M. Ezell, The Patriarch’s Wife. 7 Simone de Beauvoir ermahnt ihre Leser, dass sie »den Argumenten der Feministen nicht mit weniger Mißtrauen [als den Männern, die ihre Privilegien verteidigen wollen] begegnen« dürfen. S. de Beauvoir, Das andere Geschlecht, S. 18. Die beste ›feministische‹ Studie zu Filmer und seinem politischem Patriarchalismus ist C. Pateman, The Sexual Contract, insbes. S. 82–89. In ihrem Vorwort S. XI erklärt Pateman, »my deepest intellectual debt is to the arguments and activities of the feminist movement«. 6

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Die Publikationsgeschichte von Patriarcha beinhaltet eine weitere Herausforderung, auf die hier ebenfalls in einem eigenen Teil einzugehen ist, und die mit dem Verweis auf Locke bereits angedeutet wurde. Erst nach Filmers Tod wurde Pa triarcha (1680) publiziert und damit in einem anders akzentuierten Kontext rezipiert. Zu Filmers Lebzeiten zirkulierte Patriarcha nur in Manuskripten, was für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts durchaus nicht ungewöhnlich war. 8 Die ungleich signifikantere Reaktion auf Patriarcha erfolgte aber erst in den achtziger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts, als dieser Text im Zusammenhang der Exclusion Crisis von den Royalisten als eine der vielversprechendsten argumentativen und polemischen Paraden gegen die Argumente der Whigs publiziert wurde.9 Damit wird vor allem deutlich, dass es sich im siebzehnten Jahrhundert bei Filmers Argumenten keinesfalls um aussichtslose und verschrobene Überzeugungen gehandelt hat. Seine Analogien zur politischen Begründung monarchischer Herrschaft trafen auf eine breite Resonanz und waren von einer für uns heute kaum noch nachvollziehbaren Überzeugungskraft. Es ist an der Zeit, diesem Denker nun auch in der deutschen Forschung den ihm gebührenden Platz einzuräumen. Dabei wird in der einführenden Einleitung über den hier in deutscher Übersetzung präsentierten Text der Patriarcha hinaus auszugreifen sein. Das gesamte Werk von Filmer ist heranzuziehen, wobei der Fokus auf Patriarcha liegt. Es steht zu hoffen, dass die vorgelegte deutsche Ausgabe zu einer Beschäftigung mit Filmer anregt, denn wo »die VergangenAuch Hobbes’ Elements of Law zirkulierten zum Beispiel unmittelbar nach der Auflösung des Short Parliament zunächst nur in handschriftlichen Kopien. Vgl. dazu H.-D. Metzger, Thomas Hobbes und die Englische Revolution, S. 13–53. 9 Die Tories inszenierten sich als die eigentlichen Anhänger der Stuarts und behaupteten, die wahren Königstreuen oder Royalisten und Verteidiger der Monarchie zu sein. Allerdings verstanden sich auch die Whigs zumeist als Anhänger einer monarchischen, wenn auch parlamentarisch-konstitutionellen Monarchie. Siehe dazu im Einzelnen unten »Zur Publikationsgeschichte von Patriarcha«. 8

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heit die Zukunft nicht mehr erhellt, tastet der Verstand im Dunkeln«.10

Die Person und der Autor Sir Robert Filmer Peter Laslett, der bis zum heutigen Tage maßgeblich die Interpretation von Filmer bestimmt,11 widmete sich in kleineren Studien Sir Robert Filmer und betont dabei vor allem den familiären Bezug zur Grafschaft Kent.12 Die vielfältigen Beziehungen Filmers zum Landadel in Kent und darüber hinaus waren nicht nur der Zugehörigkeit zur aristokratischen Elite geschuldet, sondern auch durch wirtschaftliche und intellektuelle Interessen motiviert. In der Schicht dieser privilegierten Grundbesitzer existierte geradezu beispielhaft die patriarchalische Familienstruktur.13 Der Familie stand der Vater als unabhängiges Oberhaupt der Haushaltsgemeinschaft vor, welche die abhängige Dienerschaft und Landsassen ebenso mit einschloss wie die eigene Ehefrau, eigene Kinder, jüngere Brüder, alle Schwestern sowie unverheiratete ältere verwandte Frauen. Diese uns fremd gewordene patriarchalische Familienstruktur war zur Zeit Filmers keineswegs neu, sie hatte sich über Millennia nicht nur in Europa ausgeprägt.14 Ausgehend von einem Selbstverständnis, A. de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, S. 360. Fraglos wurden wichtige Nuancierungen und gelegentliche Korrekturen, so vor allem von Schochet, Sommerville oder Cuttica, in ihren Studien vorgenommen. Grundsätzlich in Frage gestellt wurde Lasletts Interpretation aus guten Gründen aber nicht. Nicht nur die neuste, sondern auch die beste und umfassendste Arbeit zu Filmer liegt nun mit C. Cuttica, Sir Robert Filmer vor. 12 Siehe v. a. P. Laslett, The Gentry of Kent in 1640 und P. Laslett, Sir Robert Filmer. 13 Vgl. dazu auch die kritisch-revisionistischen Diskussionen in K. Hausen, Patriarchat und C. Opitz, Von der Patriarchatskritik. 14 Anna Becker verweist in ihrer Studie zu Recht darauf, dass diese Art Familienstruktur niemals durchgängig und exklusiv das Leben und das Denken der Menschen geprägt hat und die Überlegungen über den pater familias sehr komplex und zuweilen ambivalent waren. 10 11

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das auf römischen genauso wie jüdisch-christlichen Traditionen und Wertevorstellungen basierte, konnte Filmer darauf bauen, dass seine Leser gleich ihm von diesen Traditionssträngen nachhaltig beeinflusst waren. Die Position des pater familias war einzig von dem arbiträren Zufall abhängig, der erstgeborene Sohn in einer solchen Familienkonstellation zu sein. Robert Filmer hatte Glück, er war der älteste Sohn von insgesamt achtzehn Kindern des Sir Edward Filmer. Ihm wurde eine standesgemäß übliche Ausbildung zuteil. Zu Ostern 1604 wurde er im Trinity College in Cambridge eingeschrieben, ohne dort je einen akademischen Abschluss zu erlangen. Um 1612/13 wurde er an den Inns of Court (der Anwaltskammer/barrister in England) zugelassen, hat aber offenbar nie als Jurist gearbeitet. Mit dreißig Jahren, am 8. August 1618, heiratete er Anne Heton, die älteste Tochter und Erbin des einflussreichen Bischofs von Ely, Martin Heton.15 Bis zum Tode seines Vaters 1629, lebten Robert Filmer und seine Frau in London, denn auch als erstgeborener Sohn befand sich Filmer bis zum Tode seines Vaters in der hierarchischen Familienstruktur in einer abhängigen Situation und, horribile dictu, gewissermaßen in Wartestellung, um seinen Vater zu beerben. Das brachte die patriarchalische Organisation der Lebensläufe mit sich. Schwieriger war die Situation für Filmers jüngere Brüder. Sie hatten sich damit abzufi nden, wie seine älteren und jüngeren Schwestern selbstverständlich auch, dass sie keine vergleichbare Position einnehmen konnten.16 Die-

Vgl. A. Becker, Gendering the Commonwealth, S. 95 und S. 178. Ich bin Anna Becker sehr dankbar dafür, dass sie mir das Manuskript vor der Veröffentlichung zugänglich gemacht hat. 15 Laslett geht fälschlich von 1610 aus. P. Laslett, Sir Robert Filmer, S. 526. Siehe nun aber C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 40. 16 James Harrington und andere Republikaner kritisierten nicht nur die patriarchalen Rechtfertigungen der Monarchie, sondern auch das Erstgeburtsrecht mit scharfer Polemik. Harrington zeigte sich erstaunt, dass »die jüngeren Brüder (…) sich nicht einhellig gegen eine Tyrannei zur Wehr setzten, wie kein Land sie in dieser Form je geübt

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sem Schicksal (das so dramatisch auch wieder nicht war, denn Sir Edward Filmer hatte alle seine Kinder materiell großzügig versorgt17) fügte sich Roberts Bruder Henry, indem er nach Virginia auswanderte. Das brachte Robert Filmer in noch unmittelbareren Kontakt mit der Virginia Company und fachte die Faszination über die neu entdeckte Welt bei ihm weiter an. Durch die Verwandtschaft mütterlicherseits, seine Mutter Elisabeth (1570–1638) war eine geborene Argall, hatte Filmer ohnehin vielfältige Beziehungen in die neue Welt, denn sein Onkel Captain Sir Samuel Argall (1580?–1626) hatte einen kürzeren nördlichen Seeweg nach Virginia entdeckt und als einer der Ersten die Küste von Neuengland kartographiert. Virginia war für die reichen Landadligen in Kent sowohl ökonomisch als auch historisch und intellektuell reizvoll.18 Viele von ihnen investierten in die Virginia Company und interessierten sich für die historischen und ethnographischen Berichte, die sie in ihren Kreisen austauschten.

Zur Datierung von Filmers Patriarcha Seit der Entdeckung des ersten Manuskripts von Patriarcha19 ist die mögliche Entstehungszeit in einer Reihe von Studien habe. (…) wie [ist] es möglich (…), daß wir mit unseren Kindern nicht anders umgehen als mit unseren jungen Hunden. Wir suchen uns eines heraus, nehmen es auf den Schoß, füttern es mit lauter guten Bissen und ertränken fünf! Ja, schlimmer noch, denn während die Hunde sofort tot sind, lassen wir die Kinder langsam zugrunde gehen«. J. Harrington, Oceana, S. 148. 17 Vgl. dazu P. Laslett, Sir Robert Filmer, S. 530. 18 Vgl. P. Laslett, The Gentry of Kent in 1640, S. 150 f. 19 Peter Laslett entdeckte das erste Manuskript von Patriarcha, das sich inzwischen in der Cambridge University Library befi ndet, 1939 in East Sutton Park, wo die letzten Nachfahren Filmers noch lebten. Laslett ging davon aus, dass Patriarcha vor 1640 verfasst und vielleicht »durch die Kontroverse über die Ship Money von 1634–38 angeregt worden war«. P. Laslett, Introduction [zu Filmer], S. 3.

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immer wieder diskutiert worden. 20 Man wird angesichts der dort angeführten Argumente davon ausgehen können, dass die erste Version von Patriarcha in der Zeit zwischen 1628 und 1631 verfasst wurde. 21 Ein maßgebliches Indiz dafür wird in einem anderen Manuskript greifbar: Der deutsche Dichter Georg Rudolph Weckherlin (1584–1653), einst im Dienste des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz 22 nach England gekommen, war von 1627 bis 1638 im Dienste Charles I. für die Zensur und Drucklizenzvergabe von Manuskripten zuständig. 23 Am 8. Februar 1632 vermerkte Weckherlin unter der Überschrift: Gründe, warum die Druckerlaubnis von Sir Robert Filmers Patriarcha abgelehnt wird, dass er sich an Charles gewandt habe, um dessen Entscheidung einzuholen. Ein solches Vorgehen war durchaus üblich. Im Wortlaut heißt es in dem Dokument: »Sir Robert Filmer brachte mir einen Diskurs, der von der Regierung, dem Lob der Königswürde und deren höchsten Macht handelte, um diesen zur Drucklegung freigeben zu lassen. Ich bitte Eure Majestät höchst untertänig zu entscheiden, ob ein solcher Gegenstand derzeit öffentlich gemacht, oder besNeben Lasletts Beitrag zur Datierung vgl. ferner G. J. Schochet, Sir Robert Filmer, J. M. Wallace, The Date of Sir Robert Filmer’s Patriarcha, J. Daly, Some Problems, und nun zuletzt R. Tuck, A New Date for Filmer’s Patriarcha, dem sich die Forschung zu Filmer weitgehend angeschlossen hat. Vgl. beispielhaft C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 86: »Ich hänge Richard Tucks Hypothese an, dass der größere Teil dieses Werks [Patriarcha] in den späten 1620er Jahren geschrieben wurde«. Sommerville führt weitere Argumente an, die Tucks These untermauern. J. P. Sommerville, The Authorship and Dating, S. XXXIV. Inzwischen sind zwei Manuskripte, das sogenannte Cambridge Manuskript und das Chicago Manuskript, bekannt. Vgl. unten die bibliographischen Hinweise 1.a). 21 Vgl. R. Tuck, A New Date for Filmer’s Patriarcha, S. 185. 22 Friedrich V. war seit 1613 mit Elisabeth Stuart, der vier Jahre älteren Schwester des englischen Königs Charles I. verheiratet. Der glücklose »Winterkönig« war maßgeblich für den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges verantwortlich. 23 Zu Weckherlins Tätigkeit als Zensor vgl. A. B. Thompson, Licensing the Press. 20

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ser als nicht geziemend abgelehnt werden sollte«. 24 Damit fällt die Abfassung von Patriarcha in der Tat höchstwahrscheinlich in die Zeit zwischen 1628 und 1631, der Text muss in jedem Falle aber Anfang 1632 vorgelegen haben. 25 Charles I. regierte seit 1625 und seine dynastischen und religionspolitischen Pläne hatten das Parlament alarmiert. 1628 wurde von ihm zum ersten Mal die Steuer des Ship Money erhoben, um seine fi nanzielle Unabhängigkeit vom Parlament durchzusetzen.26 Kritik an der Krone wurde zunehmend schärfer formuliert, und die Legitimation der Monarchie schien zu erodieren. Gleichzeitig wurde die alte Freiheit des Parlaments und die Unabhängigkeit der frei Geborenen betont, womit natürlich nur eine kleine privilegierte Elite gemeint war. 27 Unter diesem Eindruck hatte sich Filmer an die Abfassung seiner Schrift Patriarcha gemacht, deren Publikation 1632 schließlich als nicht opportun eingeschätzt wurde. 28 Warum wurde FilReasons for refusing a licence to Sir Robert Filmer’s Patriarcha, BL, Additional MS 72439: »Sir Robert Filmer brought me a Discourse to be licensed for the printing, written of Government in praise of Royaltie and the supreme authority thereof. I most humbly crave your Majesties wise Censure such a subject at this time is fitter to be made publick or kept in Non licet«. Vgl. auch C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 66. 25 James Tyrrell ging 1681 noch davon aus, dass Patriarcha nach allen anderen Schriften von Filmer verfasst worden sei und hier seine ausgereiften Gedanken vorlägen. J. Tyrrell, Patriarcha non Monarcha, S. 1: »being (as I suppose) writ[ten] after the rest, (…) is likely to contain the Authors most mature thoughts«. 26 Diese Steuer war als außergewöhnliche Erhebung zur Küstenverteidigung gedacht. Ob der König das Recht hatte, diese Steuer auch dort zu erheben, wo die Grafschaften nicht an der See lagen, war einer der grundsätzlichen Streitpunkte. 27 Vgl. zum weiteren Kontext D. Hirst, Authority and Confl ict. England 1603–1658, S. 60–87. 28 Edmund Bohun gibt in seinem Vorwort zur zweiten Ausgabe von Patriarcha einen kurzen Überblick über den Verbleib und die Geschichte des Manuskripts. Offenbar war aber auch ihm nicht bekannt, warum es nicht schon zu Filmers Lebzeiten zur Publikation von Patriarcha gekommen war. Vgl. E. Bohun, Patriarcha, or, The 24

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mers Versuch, die Legitimität monarchischer Herrschaftsrechte zu verteidigen, vom englischen König und seinen Ratgebern offensichtlich nicht goutiert?29

Filmers politische Lehre Diese Frage führt zu den zentralen Argumenten der politischen Lehre Filmers. Die politische Philosophie hat sich seit jeher mit der Rechtfertigung politischer Herrschaftsrechte beschäftigt. Im ausgehenden sechzehnten Jahrhundert wird der monarchische Herrschaftsanspruch während der französischen Religions- und Bürgerkriege praktisch in der Lebenserfahrung der Menschen und theoretisch in den Widerstandstheorien der Monarchomachen radikal in Frage gestellt.30 Mit Blick auf diesen Konfl ikt formulierte Jean Bodin seine absolutistische Souveränitätslehre, die nicht nur für Hobbes wegweisend sein sollte, sondern auch von englischen Royalisten und hier im Besonderen von Filmer aufgenommen werden wird. Noch vor Hobbes und Filmer wird der schottische König James VI., ab 1603 als James I. auch englischer König in der Nachfolge von Elizabeth I., zu einem der wichtigsten englischsprachigen Theo-

natural power of kings by the learned Sir Robert Filmer, Baronet; to which is added a preface to the reader, [S. 1 f.]. 29 Eine ausführliche Diskussion der möglichen Gründe, warum eine Drucklegung von Filmers Patriarcha 1632 abgelehnt wurde, fi ndet sich in C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 143–154. Vgl. auch R. Cust, Charles I. A Political Life, S. 169. 30 Die wichtigste und einflussreichste Streitschrift der Monarchomachen ist zweifellos in den Vindiciae contra Tyrannos zu sehen. Nicht den Einzelnen, aber doch zumindest den Magistraten und Ständen wurde hier das Recht konzediert, ausgehend von ihrer Interpretation der Heiligen Schrift darüber zu entscheiden, ob der König seine Herrschaft im Widerspruch zu den Geboten Gottes ausübe. In diesem Falle kam den Magistraten nach Auffassung der Monarchomachen ein Widerstandsrecht zu. Vgl. J. Dennert (Hg.), Beza, Brutus, Hotman und C. Zwierlein, Discorso und Lex Dei.

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retiker des monarchischen Absolutismus. 31 Auch er ist von Bodin beeinflusst.32 In mehreren Schriften, vor allem dem Basilicon Doron (1599) und The Trew Law of Free Monarchies (1603), die in England zu Bestsellern werden, verficht James VI./I. die königlichen Herrschaftsrechte. James VI./I. wird von Hobbes und Filmer in ihren politischen Schriften lobend und geradezu ehrfurchtsvoll genannt, selbst Locke berief sich zustimmend auf James VI/I.33 Bodin, James VI./I. und auch Filmer konnten sich auf patriarchalische Strukturen und ein daraus hervorgehendes Selbst- und Weltverständnis beziehen.34 An kaum einem anderen historischen Grundbegriff wird »die Auflösung der alten und die Entstehung der modernen Welt in der Geschichte ihrer begriffl ichen Erfassung« so markant deutlich wie am Begriff des Patriarchalismus.35 Die Stärke und Überzeugungskraft des politischen Patriarchalismus lag gerade darin, dass er sich auf die Lebenserfahrung der Menschen berufen konnte, denn die Familie mit dem pater familias als Familienoberhaupt bildete den Kern der gesellschaftlichen und politischen Organisation.36 Vgl. zum monarchischen Absolutismus der Stuarts G. Burgess, Absolute Monarchy, S. 17–62. 32 Vgl. dazu U. Krautheim, Die Souveränitätskonzeption in den englischen Verfassungskonfl ikten des 17. Jahrhunderts. 33 Vgl. zum Beispiel T. Hobbes, Leviathan, (Kap. 19) S. 167, R. Filmer, The Free-holders Grand Inquest, S. 130, J. Locke, Zwei Abhandlungen, (§ 200) S. 325. 34 M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 580: »Von den vorbürokratischen Strukturprinzipien ist nun das weitaus wichtigste die patriarchale Struktur der Herrschaft«. 35 Insofern ist es gleichermaßen bedauerlich und verwunderlich, dass es in den Historischen Grundbegriffen keinen Eintrag zu Patriarchalismus gibt. Und dies, obwohl die Herausgeber emphatisch erklärten: »Die leitende Fragestellung ist, die Auflösung der alten und die Entstehung der modernen Welt in der Geschichte ihrer begriffl ichen Erfassung zu untersuchen«. R. Koselleck, Einleitung, S. XIV. 36 S. Freud, Totem und Tabu, S. 433: »die soziale Ordnung [kennt] göttergleiche Könige, welche das patriarchalische System auf den Staat übertragen«. Vgl. zur patriarchalischen Herrschaft auch M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 580–624. 31

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Die Rolle des Familienoberhaupts wurde als selbstverständlich und gottgegeben verstanden und zumeist nicht weiter in Frage gestellt. Die Bedeutung der Tradition, die patriarchalische Herrschaft nicht nur legitimierte, sondern auch begrenzte, ist uns heute zumeist fremd.37 Hinzu kam der Rekurs auf die Heilige Schrift. Daraus ließ sich durchaus auch politisches Kapital zur Begründung von Herrschaftsrechten schlagen.38 So wird denn auch bei James VI./I. die königliche Herrschaft durch göttliches Recht und den Patriarchalismus begründet: »Der König wird gegenüber seinem Volk zutreffend mit einem Vater seiner Kinder verglichen«.39 Im Basilicon Doron fi ndet sich diese auf den Staat übertragene, herrschaftsbegründende patriarchalische Auffassung noch nicht. Hier wird lediglich im Rückgriff auf die Heilige Schrift ausgeführt, dass es das Amt des Mannes sei, zu befehlen, während die Frau zu gehorchen habe.40 Aufgrund der Analogie, in der der König in The Trew Law of Free Monarchies zum pater patriae wird, kann es dann auch kein Widerstandsrecht der »Kinder« geben.41 James VI./I. vertrat aber in einer Parlamentsrede am 21. März 1610 die Auffassung, dass einem König die gleiche Autorität zukomme

Vgl. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 591. In der Geschlechtergeschichte (nicht der Frauengeschichte!) werden Geschlechterbeziehungen auch im Kontext von Staatlichkeit und der Ausübung staatlicher Macht immer genauer ausdifferenziert. Es herrscht hier nicht mehr das Bild der ubiquitär unterdrückten frühneuzeitlichen Frau vor. Vielmehr wird betont, dass die diffuse Verteilung von Macht auch und gerade über Dynastien und weitreichende Familienkontexte Strukturen ermöglichte, die durchaus auch gewisse Frauen politisch bevorzugen konnte. Vgl. dazu nun vor allem A. Becker, Gendering the Commonwealth. 38 Vgl. dazu J. P. Sommerville, Politics & Ideology, S. 27–34 und C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 104–129. 39 James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 76: »The King towards his people is rightly compared to a father of children«. Vgl. dazu A. Pečar, Macht der Schrift, S. 208. 40 James VI./I., Basilicon Doron, S. 42. 41 James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 77. 37

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wie einem Familienvater. 42 Johann Sommerville hat detailliert aufgezeigt, dass der politische Patriarchalismus in England mit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts zunehmend einflussreicher wurde.43 James VI./I. war mit dieser Begründung königlicher Herrschaftsrechte nicht allein, und die Gleichsetzung staatlicher mit väterlicher Herrschaft wurde als probates Argument gegen die Versuche angesehen, die königliche Herrschaft zu begrenzen. Diese Autoren wandten sich damit gegen die Idee eines herrschaftsbegrenzenden Gesellschaftsvertrags.44 Filmer machte sich diese grundsätzlichen Überlegungen James’ VI./I. weitgehend zu eigen. Walter Euchners Behauptung, Filmer »habe sich (…) mit seiner abstrusen Theorie, daß die absolute Gewalt der Könige von den Vollmachten, die Gott Adam verliehen habe, abzuleiten sei, eine Blöße gegeben«45 , verkennt allerdings Filmers Bedeutung innerhalb der politischen Auseinandersetzungen in England während des siebzehnten Jahrhunderts.46 Auch kann Euchners Urteil nicht erklären, warum Locke und andere es für geboten hielten, sich mit Filmers Patriarcha überhaupt auseinanderzusetzen. Vielmehr ist festzuhalten, dass Filmers Theorie nicht nur auf einen bedeutenden Traditionszusammenhang rekurrieren konnte, sondern auch eine erstaunliche Resonanz und Überzeugungskraft entfaltete, James VI./I., Speach to the Lords and Commons of the Parliament, S. 182: »As for the Father of a famillie, they had of olde under the Law of Nature Patriam potestatem, which was Potestatem vitae & necis, over their children or famillie, (I mean such Fathers of families as were the lineall heires of those families whereof Kings did originally come)«. 43 J. P. Sommerville, From Suarez to Filmer, S. 537–540. 44 James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 81: »I deny any such contract to bee made«. 45 W. Euchner, Einleitung, S. 29. 46 Innerhalb der deutschen Literatur zu Locke wird die Bedeutung Filmers für Locke zumeist bestritten. Es gibt aber auch andere Stimmen. Siehe beispielhaft G. Zimmermann, John Lockes theologische Auseinandersetzung, S. 97. 42

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die vor allem nach seinem Tod im Zusammenhang der Exclusion Crisis fassbar wird.47 Richtig ist, dass Hugo Grotius (1583–1645), Hobbes, Locke und andere einen begründungstheoretisch ganz anders akzentuierten Weg einschlugen. Sie begründeten die Legitimität politischer Herrschaft durch die Idee eines Vertrages, der die Zustimmung jedes einzelnen Menschen innerhalb des Staates voraussetzte. 48 Hobbes hob bereits in De Cive ausdrücklich hervor, dass im »Beginn der Welt (…) Gott nicht bloß in natürlicher Weise, sondern auch durch Vertrag [meine Hervorhebung] über Adam und Eva geherrscht« hat.49 Gott habe nach der Schöpfung der Welt einen »auf der Einwilligung der Menschen beruhenden Gehorsam verlangt«. 50 Hobbes erklärte wiederholt, er bevorzuge die Monarchie vor den anderen Staatsformen. Aber zum Beweis der Vorzüge monarchischer Herrschaft wollte er sich dezidiert nicht darauf berufen, dass »die väterliche Herrschaft, die von Gott bei der Schöpfung eingesetzt worden ist [Adam], eine monarchische ist«.51 Hobbes maß dem politischen Patriarchalismus offenbar nur eine geringe Überzeugungskraft Vgl. dazu unten »Zur Publikationsgeschichte von Patriarcha«. Siehe die Kritik von C. Pateman, The Sexual Contract, S. 6: »With the exception of Hobbes, the classic theorists [of the social contract] claim that women naturally lack the attributes and capacities of ›individuals‹. Sexual difference is political difference; sexual difference is the difference between freedom and subjection«. Sowie ebd. S. 21: »Locke’s ›individual‹ is masculine«. Zu beachten ist ferner, dass auch Hobbes’ Begründung der Souveränität durch Aneignung (acquisition/conquest) im Falle einer siegreichen Eroberung letztlich nur durch die Sanktionierung eines Vertrags legitimiert wird. Es heißt dazu ausdrücklich im 21. Kapitel des Leviathan: »die Souveränität durch Einsetzung [entsteht] mittels eines Vertrages eines jeden mit jedem (…) und die Souveränität durch Aneignung mittels Verträgen des Besiegten mit dem Sieger«. T. Hobbes, Leviathan, S. 183. Vgl. mit weiteren Angaben zur Forschungsliteratur die Diskussion in P. Schröder, Hobbes, S. 49 f. 49 T. Hobbes, Vom Bürger, (XVI–2) S. 254. 50 Ebd., (XVI–2) S. 255. 51 Ebd., (II–10) S. 176. 47

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zu und wurde stattdessen zum glühenden Verfechter einer herrschaftslegitimierenden Vertragstheorie. In seiner Kritik an Hobbes hatte sich Filmer ausdrücklich gegen diese Überlegungen gewandt. Filmer hatte erkannt, dass Hobbes’ Souveränitätstheorie seinen eigenen Vorstellungen entgegenkam. Doch die vertragliche Begründung souveräner Herrschaft, wie sie Hobbes entwickelt hatte, lehnte Filmer entschieden ab: »Mit nicht geringem Vergnügen habe ich Mr. Hobbes’ Buch De Cive gelesen sowie auch seinen Leviathan über die Rechte der Souveränität, die kein Mann, soweit ich weiß, derart umfänglich und verständig behandelt hat. Ich stimme mit ihm überein, was die Rechte der Herrschaftsausübung betrifft, kann aber dem von ihm vorgeschlagenen Weg, über den man zu dieser Macht kommt, nicht beipflichten. Es mag seltsam erscheinen, dass ich sein Gebäude lobe und trotzdem dessen Fundament ablehne, aber dem ist nun einmal so. Sein jus naturae [Naturrecht] und sein regnum institutivum [Herrschaft durch Einsetzung] fi nden bei mir keinen Beifall, sie scheinen voller Widersprüchlichkeiten und Unmöglichkeiten zu sein. Hier biete ich dazu einige kurze Anmerkungen an und wünsche mir, dass er bedenken möge, ob sein Gebäude nicht nach dem Prinzip des regnum patrimoniale [der väterlichen Herrschaft], wie er es nennt, überzeugender begründet wäre und so auch mit der Heiligen Schrift und der Vernunft übereinstimmen würde«.52 R. Filmer, Observations concerning the Originall of Government, S. 184 f.: »With no small content I read Mr Hobbes’ book De Cive, and his Leviathan, about the rights of sovereignty, which no man, that I know, hath so amply and judiciously handled. I consent with him about the rights of exercising government, but I cannot agree to his means of acquiring it. It may seem strange I should praise his building and yet mislike his foundation, but so it is. His jus naturae and his regnum institutivum will not down with me, they appear full of contradiction and impossibilities. A few short notes about them I here offer, wishing he would consider whether his building would not stand fi rmer upon the principles of regnum patrimoniale, as he calls it, both according to Scripture and reason«. 52

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Was hatte Filmer an Hobbes’ Vertragstheorie auszusetzen? Und warum griff er ihn in seiner Schrift Observations concerning the Originall of Government an? Die Idee eines Staatsvertrages war nicht neu.53 In England hatte sie bereits durch die Schriften von Richard Hooker (1554–1600) Einzug in die politische Debatte gehalten, bildete sich aber in ihrer ganzen theoretischen Wirkmächtigkeit erst im siebzehnten Jahrhundert aus. Zumeist war der Vertrag nicht nur als herrschaftsbegründend, sondern auch als herrschaftsbegrenzend formuliert. Bei Hobbes nun wurde allein der Vertrag als herrschaftsbegründend gedacht. Eine Begrenzung souveräner Herrschaft war in Hobbes’ Konstruktion ausgeschlossen. Dem Vertrag kam keine herrschaftsbegrenzende, sondern nur eine herrschaftslegitimierende Funktion zu. Radikal neu erdacht wurde der Vertrag aber insofern, als nun jeder Einzelne zum Rechtssubjekt im Naturzustand wurde. Das Individuum wurde somit zum Rechtsträger und zum die staatliche Herrschaft stiftenden Vertragschließenden – noch bei Johannes Althusius (1563–1638), einem der ersten deutschen Vertragstheoretiker, waren die Stände und nicht die einzelnen Individuen die Vertragspartner. 54 Dieser individualistisch gedachte Vertrag zur Begründung souveräner Herrschaftsrechte, der erst durch die künstliche Vertragskonstruktion zustande kam, wurde von Filmer grundsätzlich abgelehnt. Die Prämisse, dass im Naturzustand alle Menschen gleich und frei seien, war für Filmer schlicht falsch, aber auch politisch gefährlich. In den Observations upon Aristotles Politiques wiederholt Filmer diese Argumentation, bezieht sich aber auf den damals bekannten Kanon der politischen Theorie. Nicht nur die heidnischen Philosophen hätten sich diese Idee der ursprüngVgl. den prägnanten Überblick in G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 201–218 sowie die Studie von W. Kersting, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrages. 54 Vgl. zu Hobbes’ Vertragslehre D. Hüning, Freiheit und Herrschaft, S. 191–220 und P. Schröder, Hobbes, S. 37–73. Zu Althusius vgl. J. Althusius, Politik sowie dort die Einleitung von D. Wyduckel. 53

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lichen natürlichen Freiheit zu eigen gemacht, auch die modernen Theoretiker des Staatsrechts wie Grotius, John Selden (1584–1654), Hobbes, Anthony Ascham (1614?–1650) und andere begründeten ihre Herrschaftslehren mit diesem irreführenden Theorem.55 Filmer scheute nicht davor zurück, die Ideen bedeutender Philosophen der Vergangenheit und Gegenwart zu verwerfen. Niemals habe es so etwas wie eine unabhängige Menge von Menschen gegeben, die ursprünglich ein natürliches Recht zur Gemeinschaftsbildung innegehabt hätten. Das sei reine Phantasie jener, die den gängigen Lehrmeinungen der Philosophen nachliefen, um irgendwo den Ursprung politischer Herrschaft zu begründen, die ihnen zugleich einen Anspruch auf Freiheit verbürge. Das Gerede von ursprünglicher Freiheit war für Filmer nichts anderes als ein absurdes Skandalon, das die politische Ordnung bedrohte und das Christentum in Frage stellte.56 Für Filmer war Hobbes aber in vieler Hinsicht im politischen Kampf zwischen den Ansprüchen von Parlament und Krone auch ein Verbündeter. Ähnlich ambivalent stellt sich das Verhältnis zwischen Filmer und Grotius dar. Wie schon bei Hobbes, fand Filmer auch bei Grotius Ansätze, die seinem politischen Patriarchalismus entgegenkamen.57 Grotius’ Prämissen des Naturrechts verwarf Filmer aber ebenso energisch wie die Hobbes’schen Thesen über die Gleichheit im Naturzustand. Das Naturrecht beschreibt nach Grotius zumindest einen Referenzrahmen, anhand dessen eine Vorgabe für das menschliche Handeln und die Organisation des Staates gewonnen werden kann. Die natürlichen Gesetze sind naturrechtliche Gebote, Vgl. R. Filmer, Observations upon Aristotles Politiques, S. 236 f. Ebd.: »There never was any such thing as an independent multitude, who at fi rst had natural right to community. This is but a fiction or fancy of too many these days, who please themselves in running after the opinions of philosophers and poets to fi nd out such an original government as might promise them some title to liberty, to the great scandal of Christianity«. 57 Vgl. dazu nun auch M. Barducci, Hugo Grotius, S. 57–61. 55

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die zwar nicht wie positive Gesetze erzwingbar sind, aber die doch den Menschen moralisch verpfl ichten. Diese moralische Verpflichtung wird von Grotius eingeführt, um die Möglichkeit der Gültigkeit von Verträgen außerhalb des Staates einleuchtend zu machen. »Es entspricht nur dem Recht der Natur, Verträge zu halten. Denn irgendein Weg, sich zu verpfl ichten, ist für die Menschen notwendig, und ein natürlicherer als der Vertrag läßt sich nicht auffi nden. Aus dieser natürlichen Quelle ist das bürgerliche Recht entstanden. Denn die, welche sich einer Gemeinschaft anschließen und einem oder mehreren unterwerfen, versprachen entweder ausdrücklich oder stillschweigend (…), dass sie befolgen werden, was entweder die Mehrheit der Genossen oder die, welchen die Macht übertragen war, festsetzen würden«.58 Grotius ergänzt diese Überlegung durch die Annahme, dass der Mensch durch einen »gesellige[n] Trieb zu einer ruhigen und nach dem Maß seiner Einsicht geordneten Gemeinschaft mit seinesgleichen« geführt werde. 59 Damit scheint Grotius zunächst ein durch Vertrag begründetes Herrschaftsrecht aus dem Naturrecht abzuleiten. 60 Genau dagegen verwahrte sich Filmer ausdrücklich. Seine detaillierte Kritik von Grotius Naturrechtslehre gipfelt einmal mehr in der polemischen Behauptung, dessen Thesen seien »gefährlich und aufrührerisch«. 61 Allerdings räumte Grotius, ähnlich wie auch Hobbes, ein: »In Wahrheit kann auch eine durch Gewalt erworbene Staatsgewalt durch stillschweigende Willenserklärung ein festes Recht werden«. 62 Diese Überlegung korrespondierte durchaus mit Filmers eigenen Überzeugungen, kam sie doch seinem strateH. Grotius, Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens (Vorrede), S. 34. 59 Ebd., S. 32. 60 Zum Vertragsrecht bei Grotius vgl. F. Grunert, Normbegründung und politische Legitimität, insbes. S. 148. 61 R. Filmer, Observations concerning the Originall of Government, S. 220: »dangerous and seditious«. 62 H. Grotius, Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens (II–5–XIV), S. 172. 58

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gischen politischen Ziel entgegen, die Annahme individueller natürlicher Rechte zu widerlegen. 63 Da auch Grotius’ Naturrechtslehre durch patriarchalische Grundannahmen grundiert war, fiel es Filmer leicht, hier Anknüpfungspunkte für seine eigene Position zu finden. So wird für Grotius durch das Naturrecht bestimmt, dass »das Recht des Vaters« über die Kinder dem der Mutter vorgehe. 64 Er erklärt nicht, warum dies ein Naturrecht sei und konstatiert lediglich, dass das Naturrecht zwar grundsätzlich keine Unterschiede zwischen den Menschen kenne, abgesehen von diesem väterlichen Vorrecht gegenüber seiner Frau und seinen Kindern. Das väterliche Recht gegenüber seinen Kindern wird sogar noch weiter gefasst, denn »obgleich die väterliche Gewalt so an der Person und Gestalt des Vaters haftet, daß sie nicht an einen anderen abgetreten werden kann, so kann doch nach dem Naturrecht, wenn das bürgerliche Recht es nicht verbietet, der Vater den Sohn verpfänden und notfalls sogar verkaufen«. 65 Auch Grotius nimmt selbstverständlich die patriarchale Struktur eines Staates an, wenn er schreibt: »die Gemeinschaft, in welcher eine Anzahl Familienväter [meine Hervorhebung] zu einem Volke oder Staate zusammentreten, gibt der Gemeinschaft das größte Recht gegen die Teile. Sie ist die vollkommenste Gemeinschaft, und es gibt keine menschliche Handlung, welche nicht unmittelbar oder mittelbar darauf Beziehung hätte«. 66 Auch für ihn galt, »daß der Erstgeborene den anderen vorgeht«. 67 Selbst die Naturrechts- und Vertragstheorie von Grotius, wie dann auch noch bei Locke und selbst Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), legt die Vorherrschaft des Familienvaters als naturgegeben zugrunde, ohne doch in der Lage zu sein, dafür schlüssige Beweise zu geben. 68 Insofern war Vgl. R. Ottow, Politischer Patriarchalismus, S. 198. 64 H. Grotius, Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens (II–5–I), S. 174. 65 Ebd., (II–5–IV), S. 175. 66 Ebd., (II–5–XXIII), S. 187. 67 Ebd., (II–5–XXI), S. 186 f. 68 Grotius’ Annahme, das Vaterrecht sei naturrechtlich begründet, 63

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Filmers politischer Patriarchalismus durchaus in der Lage, an dieses Grund- und Selbstverständnis seiner Zeit anzuknüpfen. 69 Gordon Schochet fasst das in seiner maßgeblichen Studie zur politischen Theorie des Patriarchalismus prägnant zusammen: »Selbst Kritiker des politischen Patriarchalismus waren gemeinhin bereit zuzugestehen, dass das Recht der Väter, ihre Kinder zu kontrollieren, ein der Vaterschaft inhärentes natürliches Recht war. Was sie ablehnten, war die Annahme, dass die Rechte der Monarchen von dieser Gewalt abgeleitet werden könnten«.70 In Patriarcha, die deutlich vor den Observations geschrieben wurde, streitet Filmer bereits gegen die Auffassung, die Menschen seien frei geboren. Gleich zu Beginn attackiert Filmer auch hier die von den katholischen und calvinistischen Naturrechtlern gleichermaßen vertretene These, die ursprüngliche menschliche Freiheit bedeute auch, dass die Menschen »frei nach eigenem Belieben eine Regierungsform (…) wählen« könnten.71 Nach Filmer waren die Menschen niemals in einem Zustand natürlicher Freiheit. Er hält diese Verherrlichung der Freiheit für politisch gefährlich und gibt zu »bedenken, dass das Verlangen nach Freiheit der erste Grund von Adams Fall gewesen ist«.72

ist problematisch. Es wird daher auch zumeist zivilrechtlich bestimmt, das heißt es handelt sich um ein willkürlich festgelegtes positives Recht, dass den Mann und Vater privilegiert. Bei Filmer wird das Vaterrecht über den Rekurs auf das Alte Testament abgeleitet. 69 Vgl. R. Ottow, Politischer Patriarchalismus, S. 194–200. Unbegründet ist meines Erachtens hingegen James Dalys Behauptung, Filmer habe sich in einer »splendid isolation« befunden. J. Daly, Sir Robert Filmer, S. 103. 70 G. Schochet, Patriarchalism, S. 14: »Even the critics of political patriarchalism were usually willing to admit that the right of fathers to control their children was an inherent and natural attribute of paternity. What they disputet was the assumption that the rights of monarchs could be inferred from this power«. 71 R. Filmer, Patriarcha, unten, S. 3. 72 Ebd., unten, S. 3.

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Filmer entwickelte seine politische Lehre zunächst in Reaktion auf die parlamentarischen Forderungen gegenüber der Krone, die sich im Namen der Freiheit auch auf die Naturrechtslehren beriefen. Diese Kritik führte ihn dann aber auch dazu, seine Alternative zur Begründung politischer Herrschaftsrechte vorzutragen. Seine Argumente waren schlicht, aber gerade deswegen auch von erstaunlicher Wirkmächtigkeit. Im Zentrum stand die schlagende Behauptung, dass die »Untertänigkeit der Kinder durch Verordnung Gottes selbst die Quelle aller königlichen Autorität ist«. 73 Die Macht des Vaters wird nicht nur analog zur Macht des Königs gedacht, sondern Filmer gab dieser altbekannten Rechtfertigung königlicher Herrschaft einen neuen argumentativen Dreh, indem er Adam als den einzigen und ursprünglichen Vater der Menschheit auffasste und so von ihm in genealogischer Übertragung alle Herrschaft ableitete.74 Abgesehen von Adam konnte kein Mensch je eine natürliche Freiheit besessen haben, da ja jeder als Kind unter einer väterlichen Herrschaft geboren worden war. Alle politische Macht war Adam von Gott gegeben worden, eine andere Quelle dafür gab es nach Filmers Ansicht nicht. »Die Herrschaft, die Adam auf Gebot über die ganze Welt besaß und die Patriarchen durch von ihm stammendes Recht ausübten, war so groß und weitreichend wie die absoluteste Herrschaft, die je ein Monarch seit Erschaffung der Welt inne gehabt hat«.75 Das ist der entscheidende Punkt des politischen Patriarchalismus, der auch etymologisch (πατήρ ἀρχεῖν) schlicht in der Herrschaft des Vaters fassbar wird. Die Herrschaft des Urvaters Adam wird von Filmer nun politisch gewendet. Einer anderen Ebd., unten, S. 9 Vgl. dazu auch W. H. Greenleaf, Filmers Patriarchal History, insbes. S. 158. Greenleaf zeigt, dass Filmers genealogisches Argument, selbst wenn es modernen Lesern lächerlich und unhaltbar erscheint, zu seiner Zeit weder unüblich noch dumm war. Vgl. dazu allgemein auch M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 585: »Patrimoniale Herrschaftsverhältnisse haben als Grundlage politischer Gebilde eine außerordentliche Tragweite gehabt«. 75 R. Filmer, Patriarcha, unten, S. 9 73 74

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Begründung staatlicher Herrschaft bedarf es nach dieser Lehre nicht nur nicht, sondern sie ist auch gar nicht denkbar. Insofern ging Filmer über Bodin hinaus, der zwar auch in seinem Hauptwerk, Six Livres de la République, erklärt, »die Familie« sei »der eigentliche Quell und Ursprung jedes Staates«, zugleich aber auch Unterschiede zwischen Familie und Staat beziehungsweise dem Familienvorstand und dem König betont.76 Bodins Auffassung schloss an die bis ins siebzehnte Jahrhundert immer noch wirkmächtigen Ideen von Aristoteles’ Politik an, wurde bei Bodin nun aber mit der Idee der staatlichen Souveränität verbunden.77 Souveränität war die Befugnis oder Gewalt zu befehlen.78 Im vierten Kapitel der Six Livres de la République erörtert Bodin »die väterliche Gewalt« und führt dazu aus: »Von Gewalt spricht man immer dann, wenn jemand in der Lage ist, anderen zu befehlen. So befiehlt (…) der Fürst den Untertanen, der Magistrat den Bürgern, der Vater den Kindern, der Meister den Lehrlingen, der Hauptmann den Soldaten, der Herr den Sklaven. Keinem von ihnen allen aber ist die Macht, anderen zu befehlen oder sie gar zu unterjochen von Natur aus verliehen, außer dem Vater, dem wahren Ebenbild des allmächtigen Gottes und Vaters aller Dinge«.79 Filmer hatte sich intensiv mit Bodin beschäftigt und sich dessen Argumente patriarchaler Souveränitätsrechte zu eigen gemacht.

J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 1 (I–2) S. 107. Vgl. zu den Unterschieden vor allem ebd., Bd. 1 (I–2) S. 111, sowie ebd. (I–3), S. 115. 77 Vgl. dazu R. W. K. Hinton, Husbands, Fathers and Conquerors: Filmer and the Logic of Patriarchalism, S. 294 und G. Schochet, Patriarchalism, S. 18–36. Siehe nun auch die wichtige Differenzierung zwischen Aristoteles’ und Bodins Konzeption patriarchaler Herrschaft in der Familie in A. Becker, Jean Bodin on Oeconomics and Politics, insbes. S. 148. 78 J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 1 (I–8) S. 205: »Unter Souveränität ist die dem Staat eignende absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt zu verstehen«. 79 Ebd., Bd. 1 (I–4) S. 124. 76

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Mit The Necessity of the Absolute Power of all Kings: And in particular of the King of England legte Filmer eine Schrift vor, die eine Sammlung von Zitaten aus der 1606 von Richard Knolles verfassten englischen Übersetzung von Bodins Six Livres de la République ist. 80 Die Ableitung väterlicher Herrschaftsrechte bei Bodin kam Filmer dabei genauso entgegen wie dessen Souveränitätstheorie, die Filmer detailliert in The Necessity of the Absolute Power ausbreitet. In dieser Zitatensammlung finden sich die zentralen Aussagen Bodins zur staatlichen Souveränität, beginnend mit dem auch für Filmer alles bestimmenden Satz: »Zur Majestät oder Souveränität gehört die absolute Gewalt, die keinem Gesetz unterworfen ist«. 81 Bodins Souveränitätsbegriff ist differenzierter, aber Filmer verschärfte mit seiner Auswahl der von Knolles durch seine Übersetzung bereits weiter zugespitzten Souveränitätslehre Bodins Aussagen über die absolute Souveränität, die bei Bodin durchaus kein Monopol der Monarchen war, sondern sich auch in anderen Regierungsformen finden konnte.82 Filmer unterschlug bei seinem Rekurs auf Bodin in Patriarcha zudem, dass dieser nirgends souveräne Herrschaftsrechte von Adam abgeleitet hatte. 83 Sie Knolles hatte in seiner Übersetzung durchaus Änderungen vorgenommen, die Bodin stärker in das patriarchalische Lager rückten. Vgl. A. Becker, Jean Bodin on Oeconomics and Politics, S. 153. 81 R. Filmer, The Necessity, S. 173: »To majesty or sovereignty be longeth an absolute power not subject to any law«. 82 J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 2 (II–1) S. 319: »Ruht die Souveränität bei einem einzelnen Fürsten, so sprechen wir von einer Monarchie. Liegt sie beim Volk als ganzem, so sprechen wir von einer Demokratie. Liegt die Souveränität in Händen einer Minderheit des Volkes, so sprechen wir von einer Aristokratie«. 83 Bodin verweist nur implizit auf Adam und kommt hinsichtlich der von Gott dem Ehemann über seine Frau verliehenen Gewalt zu anderen Schlussfolgerungen als dann nach ihm Filmer. J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 1 (I–3) S. 115 f. Vgl. J. P. Sommerville, Introduction, S. XVI: »he [Filmer] did not derive his patriarchal political theory from the Frenchman, for Bodin did not identify royal with fatherly power«. Siehe auch die Diskussion zu Bodin und Filmer in A. Becker, Jean Bodin on Oeconomics and Politics, S. 151–153. 80

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waren für Bodin zwar von Gott gegeben und der König wurde von Bodin als Stellvertreter Gottes auf Erden aufgefasst. 84 Das war aber doch eine anders, moderater akzentuierte Bestimmung monarchischer Souveränitätsrechte. Ein vielleicht noch wichtigerer Unterschied ist darin zu sehen, dass Bodin durchaus zugestand, dass es eine natürliche Freiheit geben könne und dass staatliche Herrschaft durch Konsens begründet werden konnte. 85 Eine Position, die eher den Überzeugungen von Filmers Gegnern entsprach, da hier das Argument der legitimen Herrschaft durch Vertrag beziehungsweise Konsens enthalten war. Auch auf diese Überlegungen Bodins ging Filmer nicht ein. In einem anderen Text Filmers, der 1648 zum ersten Mal publiziert wurde und ebenfalls Argumente aus Patriarcha wiederholte, wird erneut deutlich, wie sehr er seine Souveränitätstheorie zuspitzte und über die Bodin’schen Überlegungen zur Unteilbarkeit der Souveränität hinausging. Der erste bewaffnete Konfl ikt (1642–1646) von insgesamt drei Kriegen (1642– 1651) zwischen Royalisten und Independenten der New Model Army war zu Ungunsten der Monarchie ausgegangen und weitere militärische Aktionen der Royalisten schienen aussichtslos. Im Mai 1648 begann dennoch mit einer im Namen des Königs gegen die siegreichen Parlamentarier angezettelten Revolte in Filmers heimatlicher Grafschaft Kent der zweite Krieg. Filmers Schriften wurden offenbar im Zusammenhang mit diesem Konfl ikt im Sinne royalistischer Propaganda veröffentlicht. Einmal mehr legte Filmer eine bedeutende Schrift in Reaktion auf einen anderen Text vor. »Es zeigt sich hier wieder, daß Filmers größte Stärke die Kritik der Theorien anderer ist«. 86 In The Anarchy of a limited or mixed monarchy kritisierte er einen Text, der zwischen dem parlamentarischen und royalistischen Lager zu verJ. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 1 (I–10) S. 284: »Wer (…) seinen souveränen Fürsten schmäht, der schmäht Gott, dessen Ebenbild auf Erden er ist«. 85 Vgl. J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 1 (I–3) S. 115 und J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 2 (IV–1) S. 25. 86 W. Nippel, Mischverfassungstheorie, S. 281. 84

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mitteln suchte. Philip Hunton (1600–1682) sprach sich für eine gemischte Monarchie aus. 87 Diese Idee der mixed oder limited monarchy war für Filmer inakzeptabel. Sie widersprach seinen politischen Grundüberzeugungen fundamental. Erneut trägt Filmer die entscheidenden Argumente seiner politischen Lehre vor: Die Menschen sind nicht von Natur aus frei, da jeder Mensch der Herrschaft eines Vaters unterliegt. Politische Herrschaft ist durch Gott für die Menschen gestiftet worden. Sie kam zuerst und ausschließlich Adam zu, von ihm wurde sie durch Erbschaft übertragen und in verschiedenen Königreichen differenziert. 88 Durch Vertrag und Konsens sei die Legitimierung politischer Gewalt nicht möglich, da niemals alle Menschen zum Vertragsschluss vereint werden könnten. Darüber hinaus sei durch Tod und Geburt die Menschheit ständig in Bewegung. Es gäbe nicht den einen historischen Zeitpunkt, zu dem die Menschheit allgemein einem Vertrag zugestimmt haben könnte. Frauen und Kinder werden durch die Vertragsidee benachteiligt, da sie an diesem nicht teilhaben.89 Sollte ein Vertrag also doch die Kinder binden können? Dann könne man auch gleich die väterliche Herrschaft anerkennen. Wenn die Monarchie nicht absolut sei, dann könne es letztlich keine wirklich politische Herrschaft geben, da unbestimmt bleibe, wo die letzte Entscheidungsinstanz im Falle von konkurrierenden Interpretationen über das Recht liege.90 Nur wenn Gesetzgebung und Exekutive in einer Hand liege, könne dieser Widerspruch aufgehoben werden. Filmer macht sich eine strikte Souveränitätslehre zu eigen, die er durch göttlichen WilEs handelt sich um P. Hunton, A treatise of monarchie, zuerst 1643 erschienen und dann 1680 und 1689 erneut gedruckt. Filmer war nicht der einzige, der sich mit Hunton auseinandersetzte. Dieser verteidigte seine Überlegungen in einer weiteren Schrift: P. Hunton, A vindication of the treatise of monarchy. Vgl. zu den Debatten der englischen Mischverfassung W. Nippel, Mischverfassungstheorie. 88 Vgl. R. Filmer, The Anarchy of a limited or mixed monarchy, S. 138. 89 Vgl. ebd., S. 142. 90 Vgl. ebd., S. 150 f. 87

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len gerechtfertigt sieht. Dabei gelingt es ihm, passende Argumente aus Aristoteles’ Ethik und Politik heranzuziehen, um auch diese Autorität auf seiner Seite zu haben. Allerdings dürfte Filmer durchaus bewusst gewesen sein, dass gerade der von ihm vertretene politische Patriarchalismus mit Aristoteles nicht zu begründen war.91 Nicht ohne unverhohlene Genugtuung hebt Filmer hervor, dass Aristoteles der christlichen Lehre näher sei als Hunton mit seiner Lehre der begrenzten Monarchie.92 Filmers grundsätzliche Kritik an Hunton war aber vor allem durch Bodin inspiriert. Einmal mehr zitiert er lange Passagen aus Bodins Six Livres de la République und kommt zu dem Schluss, dass Huntons Argumente einer begrenzten oder gemischten Monarchie nicht nur in sich selbst widersprüchlich seien, sondern auch den politischen Lehren von Aristoteles und Bodin widersprächen.93 Während Filmer mit guten Gründen Bodin doch im Wesentlichen auf seiner Seite wissen und durch eine kreative, wenn Vgl. Aristoteles, Politik, S. 1 (1252a): »Die nun meinen, daß zwischen dem Leiter eines Freistaats oder eines Königreichs, einem Hausvater und einem Herrn kein wesentlicher Unterschied bestehe, haben unrecht«. Aristoteles erklärt im Folgenden diesen wesentlichen Unterschied. Vgl. Aristoteles, Politik, S. 13 (1255 b). Filmer konnte sich aber auf patriarchalische Auffassungen bei Aristoteles berufen, wie sie sich etwa in Aristoteles, Politik, S. 26 (1259 b) fi nden: »das Männliche ist von Natur mehr zur Leitung und Führung geeignet als das Weibliche«. 92 R. Filmer, The Anarchy of a limited or mixed monarchy, S. 161: »whereas the author [Hunton] of the Treatise of Monarchy affi rms it is a prime principle that all monarchies (…) depend upon human designment, when the consent of a society men, and a fundamental contract of a nation, by original or radical constitution confers power, he must know that Aristotle – searching into the original of government – shows himself in this point a better divine than our author [Hunton], and as if he had studied the books of Genesis, teacheth that monarchies fetch their pedigree from the right of fathers and not from the gift or contract of people«. 93 Ebd., S. 161: »What Aristotle’s judgement was two thousand years since, is agreeable to the doctrine of the great modern politician Bodin«. 91

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auch nicht immer getreuliche Auswahl Bodin’scher Argumente dessen Reputation und Doktrin für seine eigene politische Lehre nutzbar machen konnte 94 , war ihm bewusst, wie sehr die katholisch-jesuitischen Lehren, die in England und Europa von nachhaltigem Einfluss waren, seinen eigenen Grundsätzen entgegenstanden.95 Die politischen Lehren der Jesuiten waren mit den patriarchalischen und absolutistischen Überzeugungen weitgehend unvereinbar. Im Besonderen Roberto Francesco Bellarmin (1542–1621) und Francisco Suárez (1548–1617) hatten in ihren Schriften Positionen etwa über die natürliche Freiheit der Menschen, die Notwendigkeit des politischen Konsens zur Etablierung legitimier Herrschaft, die päpstliche Suprematie in weltlichen und religiösen Fragen auch über weltliche Herrscher oder das Widerstandsrecht und die Legitimität des Tyrannenmords vertreten, die Filmer keineswegs akzeptieren konnte.96 Die Katholiken wurden in England und Schottland seit der Reformation und der Schaffung der englischen Staatskirche als Bedrohung wahrgenommen. 1605 spitzte sich die Krise mit dem Gunpowder Plot dramatisch zu, als eine Gruppe radikaler Katholiken versuchte, während der Parlamentseröffnung am 5. November König und Abgeordnete durch einen Anschlag zu beseitigen. Nicht zu Unrecht wurde den katholischen Autoren vorgeworfen, eine Rebellion unter dem Vorwand der wahren (katholischen) Religion anzuzetteln und allein dem Papst statt der Krone zu gehorchen. Aber diese Wahrnehmung wurde auf alle Katholiken in England übertragen und säte massives Misstrauen gegen sie. Das wuchs sich zu einem stereotypen Vorurteil aus, auf das in den politischen Auseinandersetzungen immer wieder rekurriert wurde. Aufgrund ihrer konfessionellen Vgl. ebd., S. 163: »This judgement of Bodin’s touching limited and mixed monarchy is not according to the mind of our author [Hunton]«. 95 Vgl. zu den politischen Lehren der Jesuiten H. Höpfel, Jesuit Political Thought, insbes. S. 186–262. 96 Vgl. F. X. Arnold, Die Staatslehre des Kardinals Bellarmin und H. Rommen, Die Staatslehre des Franz Suarez. 94

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Andersheit wurden die Katholiken in England nachdrücklich diskriminiert und auch Filmer reiht sich in die lange Reihe der Autoren ein, die gegen die Katholiken leidenschaftlich polemisierten.97 Man merkt Filmers Patriarcha an, dass er sich bei allem Ernst in der Auseinandersetzung mit leiser Ironie auch amüsierte: »Wenn diejenigen, welche die natürliche Freiheit der Menschheit behaupten, es übel empfi nden, dass ich mir die Freiheit nehme, sie zu untersuchen, so mögen sie sich hüten, im kleinen nicht jene Freiheit zu verneinen, die sie im großen bejahen«.98 Von hier kommt Filmer dann gleich auf die Lehren der Jesuiten zu sprechen.99 Wie Hobbes nach ihm wählt er zunächst Bellarmin zum Ziel seiner Kritik, denn »um den Grund dieser Frage über die natürliche Freiheit der Menschen klar zu machen, will ich einige Sätze des Kardinals Bellarmin anführen, die am besten den Stand der Kontroverse offen legen werden«.100 Auf mehreren Seiten breitet Filmer Bellarmins ArguVgl. die von James VI./I. noch vor dem Gunpowder Plot 1604 gehaltene Rede im englischen Parlament: »Their point of doctrine is that arrogant and ambitious Supremacie of their Head the Pope, whereby he not only claimes to bee Spirituall head of all Christians, but also to have an Imperiall civill power over all Kings and Emperors, dethroning with his foot as pleaseth him and decrowning Princes. (…) The other point which they observe in continuall practice, is the assassinates and murthers of Kings, thinking it no sinne, but rather a matter of salvation, to doe all actions of rebellion and hostilitie against their natural Soveraigne Lord, if he be once cursed, his subjects discharged of their fidelitie, and his Kingdome given a prey by that three crowned Monarch, or rather Monster their Head«. James VI./I., A Speach,140. 98 R. Filmer, Patriarcha, unten, S. 5. 99 Vgl. dazu auch J. P. Sommerville, From Suarez to Filmer, S. 530 f. und C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 91–99. 100 R. Filmer, Patriarcha, unten, S. 6. Vgl. auch T. Hobbes, Leviathan (XLII), S. 463: »da die Anfechtung der Gültigkeit dieser Macht [der christlichen Souveräne] durch den Papst von Rom hauptsächlich und, wie ich denke, mit jeder möglichen Heftigkeit von Kardinal Bellarmin in seiner Kontroverse De Summo Pontifi ce unterstützt worden ist, habe ich es für nötig gehalten, so kurz wie möglich die Grundlagen und Beweiskraft seiner Darlegung zu prüfen«. Es folgen im Leviathan 97

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mente detailliert aus, kommt dann aber zu dem Schluss, bei Bellarmin selbst fi nde sich »ein klares Zugeständnis, dass die Schöpfung den Mann zum Fürsten über seine Nachkommenschaft gemacht hat. Und in der Tat haben nicht nur Adam, sondern auch die nachfolgenden Patriarchen durch das Recht der Vaterschaft königliche Gewalt über ihre Kinder besessen. Bellarmin wagt auch nicht, dies zu leugnen«.101 Filmer glaubte mit seiner patriarchalistischen Lehre von der königlichen Gewalt Adams auch Bellarmin widerlegen zu können. Bemerkenswert ist, wie Filmer Bellarmin gegen Suárez instrumentalisiert. Suárez hatte in seinen naturrechtlichen Schriften die Gleichheit und Freiheit der Menschen hervorgehoben und weniger radikal die Suprematie des Papstes gegenüber den weltlichen Herrschern behauptet. »Der Jesuit Suárez erhebt sich gegen die königliche Autorität Adams und verteidigt die Unabhängigkeit und Freiheit des Volkes«.102 Filmer musste sich im Interesse seiner eigenen politischen Lehre gegen diese Überlegungen aussprechen. Diese naturrechtliche Begründung der Freiheit und Gleichheit des Volkes stellte Filmers Argumente zur Rechtfertigung königlicher Autorität grundsätzlich in Frage. Er verweist auf Bellarmin, um seine eigenen Thesen zu untermauern und damit zugleich die beiden führenden Jesuiten gegeneinander auszuspielen: »Endlich folgert Suárez, dass durch Naturrecht allein es keinem Vorfahren zusteht, auch König seiner Nachkommenschaft zu sein. Diese Behauptung ist durch Bellarmin von Grund aus widerlegt worden, der ausdrücklich bezeugt, dass die ersten Väter Fürsten ihrer Nachdann dreißig Seiten detaillierter Auseinandersetzung mit Bellarmins De Summo Pontifi ce. Am Ende des 42. Kapitels entschuldigt sich Hobbes dafür, dass seine Widerlegung von Bellarmins Argumenten nicht so kurz ausgefallen ist, wie er das zunächst nahegelegt hatte. Er hätte sich »kürzer gefaßt und auf die Prüfung dieser Argumente Bellarmins verzichtet (…), wenn sie von ihm als Privatperson stammten und nicht als dem Verfechter des Papsttums gegen alle anderen christlichen Herrscher und Staaten«. 101 R. Filmer, Patriarcha, unten, S. 8. 102 Ebd., S. 20.

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kommenschaft hätten sein müssen. Und solange Suárez nicht Gründe vorbringt für das, was er sagt, werde ich Bellarmins Beweisen mehr Glauben schenken als seiner bloßen Ablehnung«.103 Mit fast schon verblüffendem Selbstverständnis macht Filmer von dem Argument väterlicher politischer Gewalt immer wieder Gebrauch. Die königliche Herrschaft wird durch diesen Bezug als nicht weiter hinterfragbar gerechtfertigt. Filmer beabsichtigte mit seinem politischen Patriarchalismus nicht nur, die königliche Herrschaft mit dem Verweis auf göttliche Sanktion und die genealogische Ableitung väterlicher und politischer Herrschaftsrechte zu begründen. Er wollte der parlamentarischen Faktion auch ihren Anspruch streitig machen, exklusiv die Interessen und die Freiheit des Volkes zu vertreten. Die wahren Interessen des Volkes seien beim legitimen König am besten aufgehoben, und »die neu aufgekommene Unterscheidung der Untertanen in Royalisten und Patrioten [ist] im höchsten Grade unnatürlich (…); denn die Beziehung zwischen König und Volk ist so eng, dass ihr Wohl sich gegenseitig bedingt«.104 Er bestritt die politischen Freiheiten und Privilegien nicht, verwies aber darauf, dass der Anspruch der Parlamentspartei anmaßend und irreführend sei. Filmer wusste um die Bedeutung der politischen Polemik und sah in dem Anspruch der parlamentarischen Partei, die er etwas voreilig als homogenen politischen Block charakterisierte, eine Bedrohung für das Gemeinwesen. Das Pathos der natürlichen Freiheit war nicht nur trügerisch und politisch gefährlich, sondern auch mit der Heiligen Schrift nicht zu vereinbaren. Für Filmer zeugte es lediglich von fehlendem Verständnis, wenn im Namen der Freiheit versucht wurde, die Rechte des Königs zu Gunsten des Parlaments einzuschränken. Konsequent heißt es daher auch in Patriarcha: »Die größte Freiheit in der Welt, wenn sie recht verstanden wird, ist für ein Volk die, unter einem Monarchen zu leben. Es ist die Magna Charta unseres Königreichs. Alle an103 104

Ebd., S. 25. Ebd., S. 6.

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deren Zeichen oder Vorspiegelungen von Freiheit sind nur verschiedene Grade von Knechtschaft, eine Freiheit, die Freiheit zu vernichten«.105 Charles I. mag genau deswegen Patriarcha ablehnend gegenüber gestanden haben, denn Filmer rechtfertigte hier die königliche Herrschaft, die in den Augen Charles I. selbstverständlich war und eigentlich keiner Rechtfertigung bedurfte. Im Gegenteil: Es war gefährlich zu versuchen, das Volk von seinen Gehorsamspflichten gegenüber der Krone überzeugen zu wollen, denn dies konnte nur allzu leicht als ein Eingeständnis königlicher Schwäche interpretiert werden.106 Filmers Kritik an der Naturrechtslehre und insbesondere an Hobbes, Suárez und Grotius mag überraschen, ist aber insofern konsequent, als Filmers vehemente Ablehnung naturrechtlich begründeter ursprünglicher Freiheitsrechte ihm letztlich keine andere Wahl ließ. Mit John Milton, den Filmer neben Hobbes und Grotius in seinen Observations concerning the Originall of Government ebenfalls einer eingehenden kritischen Auseinandersetzung würdigte, wird ein Repräsentant der parlamentarischen Partei angegriffen. Explizit bezieht Filmer sich auf Miltons Schrift A Defence of the People of England by John Milton, an Englishman in reply to A Defence of the King by Claudius Anonymous, alias Salmasius, die 1651 zunächst in Latein publiziert worden war. Milton war vom Staatsrat (Council of State) aufgefordert worden, Salmasius zu widerlegen. Bereits 1649 hatte Milton die Streitschrift The Tenure of Kings and Magistrates publiziert, in der er sich dezidiert für die Legitimität von Tyrannenmord und Widerstand gegen die Regierung aussprach. Ebd., S. 5. Ich folge hier der Interpretation von Cesare Cuttica. C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 146. Zu bedenken ist hier aber auch ferner, dass Charles I. dem Medium des Buchdrucks grundsätzlich ausgesprochen misstrauisch gegenüberstand und zur Darstellung seines Herrschaftsanspruchs und -selbstverständnisses vor allem eine visuelle Strategie verfolgte. Die Porträts, die von führenden Malern seiner Zeit, wie etwa van Dyck oder Mytens, von Charles I. angefertigt wurden, sprechen eine eindeutige Sprache. Vgl. dazu den Ausstellungskatalog der Royal Academy, Charles I. King and Collector. 105

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Im Januar 1649 war Charles I. wegen Hochverrats hingerichtet worden – die Monarchie war damit erst einmal in England und Schottland beseitigt. Durch den Act declaring England to be a Commonwealth wurde England noch im gleichen Jahr für eine kurze Dauer seiner Geschichte zu einer parlamentarischen Republik. Milton rechtfertigte diese Vorgänge.107 Für ihn lag die ursprüngliche Gewalt beim Volk, denn »jedermann sei natürlicherweise frei geboren«.108 Erst durch einen Vertrag sei die Ausübung der Herrschaft vertrauensvoll in die Hände eines Königs gelegt worden. Dieser wurde von Milton als Sachwalter der Interessen des Volkes angesehen. Nur solange ihm das Vertrauen des Volkes entgegengebracht wurde, war seine Herrschaft legitim und konnte jederzeit bei Vertrauensmissbrauch widerrufen werden.109 Angesichts dieser politischen Positionen von Milton und seiner Bedeutung für die parlamentarische Sache im Bürgerkrieg ist es naheliegend, dass Filmer Milton als einen der profiliertesten Advokaten republikanischer Überzeugungen angriff. Sein politischer Patriarchalismus gewann angesichts der republikanischen Argumente Miltons dabei aber nicht an Schärfe.110 Filmer argumentierte mit dem vertrauten Instrumentarium gegen die Annahme natürlicher Freiheit des Volkes und der Idee einer durch Vertrag begründeten Legitimität staatlicher Herrschaft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die ebenfalls 1649 erschienene Schrift von Francis Rous, der den Regimewechsel wie Milton durch die Ideen von Vertrag und Konsens rechtfertigte. Er berief sich dabei allerdings ausdrücklich auf Suárez. Vgl. F. Rous, The Lawfulnes of obeying the present Government, S. 16–19. Vgl. auch F. Rous, The Bounds and Bonds of Publique Obedience, S. 44 f. 108 J. Milton, The Tenure of Kings, S. 8: »all men naturally were borne free«. 109 Ebd., S. 9 f. Vgl. auch J. Milton, A Defence of the People of England, S. 78 f. 110 R. Saage, Herrschaft Toleranz Widerstand, S. 148: »bei John Milton [sind] durchaus Ansätze zu fi nden, die (…) zwischen einem Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag unterscheiden«. 107

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Exkurs: Filmer und die Frauen Friedrich Engels konnte noch mit guten Gründen schreiben, dass »bis zum Anfang der sechziger Jahre [des 19. Jahrhunderts] von einer Geschichte der Familie nicht die Rede sein [kann]. Die historische Wissenschaft stand auf diesem Gebiet noch ganz unter dem Einflusse der fünf Bücher Moses. Die darin ausführlicher als anderswo geschilderte patriarchalische Familienform wurde nicht nur ohne weiteres als die älteste angenommen, sondern auch (…) mit der heutigen bürgerlichen Familienform identifiziert«.111 Filmer macht da in seiner Zeit natürlich keine Ausnahme. Allerdings wird durch eine genauere Betrachtung ein detaillierteres Bild erkennbar, als man es im Allgemeinen von Filmers Frauenbild zeichnet. Im frühen sechzehnten Jahrhundert wurde auch in England das Frauenbild nicht zuletzt durch die aufkommende Hexenverfolgung geprägt.112 William Perkins’ (1558–1602) A discourse of the damned art of witchcraft ist eines der drastischsten Beispiele für die kursierenden Schriften zur Begründung der Hexenverfolgung. Damit wurde mit angeblich rationalen und auf die Heilige Schrift gestützten Argumenten einer fanatischen und paranoiden Entrechtung von Frauen vorgearbeitet. Bis zu seiner Schrift war in dem unter Henry VIII. beschlossenen Witchcraft F. Engels, Der Ursprung der Familie, S. 158. Voltaire und andere »Aufklärer« hatten den Begriff des Hexenwahns in polemischer Absicht geprägt und die Hexenverfolgungen dramatisch übertrieben. Die jüngere Forschung hat sich von diesem Begriff distanziert und betrachtet das Phänomen der Hexenverfolgung differenzierter. Siehe insbesondere R. Briggs, Witches & Neighbors. Gemeinhin, so Briggs, wird man nicht von einer ganzen Gesellschaft ausgehen können, die geradezu manisch und sehr systematisch Hexen verfolgte. Vielmehr handelte es sich um lokalisierte Verfahren. Die Gründe waren vielfältig und zumeist spezifisch. So konnte zum Beispiel Ressourcenknappheit in einem Dorf unter Umständen eine alte Nachbarin zur Hexe machen. Es wurden aber auch Männer als Hexen verfolgt und bestraft. Häufig beschränkten sich diese Verfolgungen auf einen Fall und man ging bald schon wieder dem Alltag nach. 111

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Act von 1542 ›lediglich‹ davon ausgegangen worden, dass eine Hexe jemand sei, die eine üble und Schaden stiftende Tat begehe. Ein strafwürdiges Delikt lag nach dem Witchcraft Act vor, wenn nachgewiesen werden konnte, dass eine Frau/Hexe in böser Absicht Schaden verursacht hatte. Perkins definierte nun das Wesen der Zauberei und Hexerei neu, indem er ausdrücklich betonte: »Eine Hexe ist eine Zauberin, die entweder in offenem oder geheimen Bündnis wissentlich und willentlich zustimmt, mit Hilfe und Beistand des Teufels ihre Zaubereien zu betreiben«.113 Perkins verschärfte die Hexenverfolgung, indem er behauptete, Hexen stünden mit dem Teufel im Bunde. Damit war nicht mehr nur der materielle Schaden justiziabel, sondern auch ein vermuteter Teufelspakt. Perkins wandte sich explizit gegen Frauen, denn »die Frau, da sie das schwächere Geschlecht ist, ist eher in den Vorspiegelungen des Teufels verfangen (…) als der Mann«.114 Wäre es nicht naheliegend, dass Filmer sich diese Argumentation und das ihr zugrundeliegende misogyne Frauenbild zu eigen machte? In der Tat mag es überraschen, dass Filmer sich ganz im Gegenteil vehement gegen die Verfolgung von Hexen wandte und ausdrücklich Perkins Schrift scharf angriff. Filmer hatte erlebt, wie in seiner Heimat Kent insgesamt sechs Frauen als Hexen verurteilt und im Sommer 1652 hingerichtet worden waren. In seiner Schrift An Advertisment to the Jury-Men of England Touching Witches nahm er, kurz vor seinem Tod, diesen Vorfall zum Anlass, die Gründe für die Verurteilung dieser Frauen in Frage zu stellen.115 Mit witziger und scharfer Ironie widerlegte er aber auch Punkt für Punkt die Argumente, die Perkins in B. P. Levack (Hg.), The Witchcraft Sourcebook, S. 103: »A witch is a magician who either by open or secret league wittingly and willingly consenteth to use the aid and assistance of the Devil in the working of wonders«. 114 B. P. Levack (Hg.), The Witchcraft Sourcebook, S. 103: »the woman, being the weaker sex, is sooner entangled by the Devil’s illusions (…) than the man«. 115 Vgl. R. Filmer, Advertisment, S. 309. 113

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seinem A discourse of the damned art of witchcraft vorgebracht hatte und die inzwischen die Rechtsprechung in Hexenprozessen nachhaltig beeinflussten. Filmer begann mit einem frontalen Angriff auf Perkins. Denn man müsse sich fragen, »ob nicht all jene Beweise und Annahmen, die Mr Perkins für die Verurteilung einer Hexe aufzählt, (…) unzureichend oder fragwürdig seien«.116 Das angebliche Bündnis der Hexen mit dem Teufel, das für Perkins’ Lehre zentral war und erst das Wesen von Hexen ausmachte, wurde von Filmer im Einzelnen als absurd und völlig irreführend entlarvt. Geistreich und ironisch wies Filmer zum Beispiel darauf hin, dass Perkins Behauptung, es sei konstitutiv für die Hexerei, dass die Hexen aufgrund ihres Paktes mit dem Teufel, Gott und die Taufe leugnen würden, »insofern dies allgemein für einen Pakt mit dem Teufel gilt, daraus folgen muss, dass niemand außer denjenigen eine Hexe sein kann, die zuvor Christen gewesen sind«.117 Filmer folgte hier seinen Grundüberzeugungen. Er hielt den Teufelsglauben, und insbesondere die Idee eines Paktes mit dem Teufel, für absurd. Er sprach sich scharf gegen die Hexenverfolgung aus und hielt Hexerei – somit übrigens über Hobbes hinausgehend118 – letztlich nicht für justiziabel. Zumindest legte Filmer nahe, dass die Beweise, auf die man sich in den Prozessen stützte, alles andere als verlässlich waren. Ferner wies er darauf hin, dass keiner der von Perkins genannten Ebd., S. 309 f.: »whether all those Proofs and Presumptions number’d up by Mr. Perkins for the Conviction of a Witch be not (…) unsufficient [sic!] or uncertain«. 117 Ebd., S. 320: »if this be common to all Contracts with the Devil, it will follow that none can be Witches but such as have fi rst been Christians «. 118 T. Hobbes, Leviathan, (Kap. 2) S. 15 f.: »Aus [der] Unwissenheit, wie sich Träume und andere starke Einbildungen von Visionen und Empfi ndungen unterscheiden lassen, entstanden (…) heutzutage der Glaube ungebildeter Menschen an Feen, Geister und Kobolde und die Macht von Hexen. Denn was Hexen betrifft, denke ich nicht, daß ihre Zauberei irgendwelche wirkliche Macht besitzt, daß sie aber dennoch zu Recht bestraft werden, wegen ihres falschen Glaubens«. 116

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Gründe die Anwendung der Folter in Hexenprozessen rechtfertige.119 Im Gegensatz zu Hobbes und den meisten anderen seiner Zeitgenossen scheute er nicht davor zurück, öffentlich die von Perkins zum Maßstab gemachten Argumente für die Hexenverfolgung im Einzelnen entschieden zu widerlegen. Filmers Frauenbild war nicht von den hysterischen Zügen geprägt, die der Hexenverfolgung Vorschub leisteten. Es deutet sich hier bereits an, dass das Bild von Filmers Patriarchalismus vielschichtiger ist als zumeist behauptet.120 Die Rolle, die er der Frau zumisst, ist ungleich bedeutender, als die Idee des Patriarchalismus nahezulegen scheint. Zwar wird ein vollwertiger Status für die Frau auch seines Ermessens erst durch Heirat erreicht. Diese war jedoch auch für Männer ein Instrument zur Verbesserung ihrer sozialen und ökonomischen Situation. Die Geschlechterhierarchien waren durchaus ambivalent.121 Die Position der Frau innerhalb der Gesellschaft und der Familie wurde durch Heirat, also durch die Schließung eines Ehevertrags mit einem Mann, nachhaltig erhöht. Der Status einer Frau war also dennoch von einem Mann abhängig. Mary Astell (1666–1731) hat das mit beißender Ironie in ihrer 1700 erschienenen Schrift Refl ections upon Marriage bereits kritisiert.122 Als Ehefrau wurde die gesellschaftliche Position einer Frau verändert und im Falle des Ablebens des Ehemannes blieb ihr als Witwe dieser Zugewinn an Selbstbestimmung und Entscheidungskompetenz dann zumeist erhalten. Das korrespondiert mit den Lehren des Christentums, das nicht nur die ideologischen Begründungen patriarchaler Herrschaft bereitstellte, sondern auch nachdrücklich die Rolle der Vgl. R. Filmer, Advertisment, S. 326. So hat bereits Margaret Ezell zu Recht darauf hingewiesen, »that a revision is needed in current interpretations of Filmer‘s patriarchalism«. M. Ezell, The Patriarch’s Wife, S. 130. 121 Vgl. dazu grundsätzlich G. Signori, Von der Paradiesehe zur Gütergemeinschaft und nun die wichtige Studie von A. Becker, Gendering the Commonwealth. 122 Vgl. zum Beispiel, M. Astell, Reflections upon Marriage, S. 62 oder S. 77 f. 119

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Frau gegenüber den aus der Antike tradierten Wertvorstellungen aufgewertet hatte. In der Antike, aber auch im Judentum, Islam und den anderen außereuropäischen Gesellschaften war die Frau dem Mann untergeordnet.123 Vor allem verheiratete Frauen wurden in der mittelalterlichen Lehre der Kirche besonders geschützt und ihre Rolle als gleichrangig gegenüber den Ehemännern betrachtet. Denn »vor Gott waren beide Eheparteien gleich und diese Doktrin der Gleichheit wurde zuerst im Christentum gelehrt. Praktisch bedeutete das insbesondere, dass Verpfl ichtungen (…) gegenseitig waren«.124 Bemerkenswert ist daher in diesem Zusammenhang, dass Filmer in seinen persönlichen Geschäften testamentarisch seine Frau und nicht etwa seinen ältesten Sohn oder einen anderen männlichen Verwandten als Haushaltsvorstand einsetzte.125 Hieran zeigt sich, dass die für den radikalen Feminismus bedeutende These von Carole Pateman, der Ehevertrag sei einzig und allein ein von Männern konstruiertes Instrument der Entmachtung und Unterordnung der Frau, historisch betrachtet zu undifferenziert und in ihrer Ausschließlichkeit irreführend ist.126 Niemand wird ernsthaft bezweifeln oder gar leugnen G. Lerner, The Creation of Patriarchy, S. 30: »women are always subordinate to men. There is not a single [hunting/gathering] society known where women-as-a-group have decision-making power over men or where they defi ne the rules of sexual conduct or control marriage exchange«. 124 H. Berman, Law and Revolution, S. 229. »Before God the two parties to marriage were equal and this doctrine of equality was fi rst taught by Christianity. In practice it meant, above all, that obligations (…) were mutual«. 125 Vgl. M. Ezell, The Patriarch’s Wife, S. 18. 126 Vgl. zum Beispiel C. Pateman, The Sexual Contract, S. 102 f.: »The individuals who enter into contract are brothers (sons of fathers) who transform themselves into a civil fraternity by contracting together. They are bound together (so the familiar social contract theory tells us) through their common interest in upholding the civil laws that secure their freedom. But they also have another fraternal bond constituted by the forgotten dimension of the original contract. They also have a common interest as men [Hervorhebung im Original] in 123

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wollen, dass die Frauen im siebzehnten Jahrhundert benachteiligt waren und von politischer und sozialer Gleichheit der Frauen in Europa noch bis ins zwanzigste Jahrhundert keine Rede sein kann.127 Aber die Ungleichheit der Frauen ergab sich nicht ursächlich aus dem Ehevertrag. Im Gegenteil, durch den Ehevertrag war es den Frauen auch möglich, ihren sozialen Status zu verändern und als Ehefrau und gegebenenfalls als Witwe neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Nicht als unverheiratet, wohl aber durch die Ehe wurde die Frau als zumindest bedingt geschäftsfähig in der patriarchalen Gesellschaft anerkannt. Das ist der historische Sachverhalt, den es erst einmal ohne weiteres Werturteil zu konstatieren gilt. Für uns, Männer wie Frauen, wäre eine solche Situation heute keineswegs mehr akzeptabel. Das Problem war aber nicht der Vertrag, sondern dessen Konditionen, die neu formuliert werden mussten, wenn man der politischen und sozialen Ungleichheit zwischen Mann und Frau begegnen wollte. Genau das geschah zum Glück in den europäischen Gesellschaften in dem langen Prozess der Emanzipation der Frau. Patemans These gerät in eine anachronistische Schieflage, die die Sicht auf die historischen Gegebenheiten verstellt und das Reformpotential legaler kontraktueller Veränderungen aus dem Blick verliert.128 upholding the terms of the sexual contract, in ensuring that the law of male sex-right remains operative«. 127 Ein guter historischer Überblick, mit knappen Verweisen zu Filmer, die zeigen, dass das Verhältnis zwischen Filmer und Locke gerade angesichts der Geschlechterfrage nicht so einseitig zu interpretieren ist, wie das zumeist geschieht, fi ndet sich in G. Bock, Frauen in der europäischen Geschichte, S. 47 f. 128 Pateman spricht sich wiederholt gegen diese Möglichkeit aus. C. Pateman, The Sexual Contract, S. 182. Der Mann wird von Pateman als Gegner und Ausbeuter gesehen und sie insistiert darauf, dass das einzige ihn leitende Interesse die Entmündigung der Frau war und ist. Vgl. C. Pateman, The Sexual Contract, S. 94 f. und S. 189 f. Das traf schon für Filmer und seine Zeit so nicht zu und ist im heutigen Kontext schlicht beleidigend. Pateman ist das auch durchaus bewusst. Sie rechtfertigt dies aber wiederholt mit dem Hinweis, dass die Strukturen nun einmal maskuline Dominanz und Ausbeutung der Frauen

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Inzwischen ist ein Manuskript von Filmer bekannt129, das ein interessantes Licht auf sein Frauenbild wirft und deutlich macht, dass Filmer seinen politischen Patriarchalismus von seinen patriarchalischen Auffassungen innerhalb der Privatsphäre durchaus unterschied.130 Der Text, In Praise of the Vertuous Wife, bezieht sich auf die Heilige Schrift und behandelt die mit sich bringen, egal wie die Männer sich im Einzelnen jeweils verhalten mögen. Vgl. zum Beispiel C. Pateman, The Sexual Contract, S. 95, 134 und 158. Patemans aggressiver Feminismus erweist den Frauen damit einen Bärendienst, denn das Ziel, eine auf Gleichheit zwischen den Geschlechtern begründete Gesellschaft zu schaffen, kann nur in gemeinsamer Anstrengung und gegenseitiger Anerkennung beider Geschlechter erreicht werden. Die durchaus berechtigte Kritik, dass ein Arbeits- oder Ehevertrag, der zwar formell auf gegenseitiger Anerkennung und Gleichheit beruht noch keine substantielle Gleichstellung garantiert, kann man so bereits bei Engels lesen. F. Engels, Der Ursprung der Familie, S. 211–213 und 218 f. Dieser wichtige Aspekt wird durch Patemans radikal formulierten Antagonismus zwischen Mann und Frau in wenig konstruktiver Weise in den Hintergrund gedrängt. Der Klassen- und Geschlechterkampf in Patemans feministischer Doktrin defi niert sich in Schmitt’schem Freund-Feind-Denken, ohne doch wirklich aufzeigen zu können, dass die Männer per se als existenzielle Bedrohung und Antagonisten der Frauen zu bestimmen wären. Mit ihrer Kritik ist sie »barking up the wrong tree« wie es im Englischen so treffend und unübersetzbar heißt. Immer noch bemerkenswert scharfsichtig zu Geschlechterrollen und -konfl ikten sind die Überlegungen von Virginia Woolf. Vgl. V. Woolf, A Room of one’s own, bes. S. 49, 114, 120, 138. Zu Männern als Feinden von Frauen siehe auch die Diskussion in G. Greer, The Female Eunuch, S. 297 f. 129 Peter Laslett entdeckte dieses Manuskript 1939 in Filmers Nachlass und Margret Ezell publizierte es als Appendix 1987 in ihrer Studie. Siehe auch die Hinweise bei Gordon Schochet zu Filmers Manuskripten. G. J. Schochet, Sir Robert Filmer, S. 151. 130 R. Filmer, In Praise of the Vertuous Wife, S. 169: »In the fi fthe commandement three duties are enioyne[d] 1. Betweene Superiors and inferiors. 2. Towar[des] Aequalls. 3. Towards Our selves. Of the fi rst kind some are Privat or Publique. Privat as [the] duty of wife, of Parents and Children (…). Publi[que] as the office of Kinge«. Die Zählung der zehn Gebote unterscheidet sich innerhalb der christlichen Konfessionen. Bei den Anglikanern, Reformierten (Calvinisten) und Orthodoxen lautet das fünfte Gebot ›Du sollst Vater und Mutter ehren‹,

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Qualitäten und Tugenden der Ehefrau.131 Bemerkenswerterweise wird hier nicht weiter über die Pfl ichten der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann gesprochen. Filmer geht es darum zu zeigen, dass die Frau dem Ehebündnis die ihr spezifischen Qualitäten beisteuert, die erst die Ehe zu einem besonderen Bund von Mann und Frau machen, von denen beide profitieren.132 Ein wesentlicher Teil des Manuskripts beschäftigt sich mit Fragen der Haushaltsführung. Filmer legt hier eine Arbeitsethik nahe, in der der Frau durchaus eine eigenständige Rolle zukommt.133 Hier von einem Frauenbild Filmers zu sprechen ist freilich etwas irreführend, da seine Abhandlung sich ja ausdrücklich mit der Ehefrau (wife) und nicht mit der Frau (woman) allgemein beschäftigt. Es ist die Ehefrau, der durch das Ehebündnis eine besondere Qualität, Verantwortung und Kompetenz zukommt. Im siebzehnten Jahrhundert sahen sich Frauen mit der Behauptung konfrontiert, die Frau (Eva) sei für den Sündenfall verantwortlich. Deshalb wurden Frauen nicht nur physisch als das schwächere Geschlecht aufgefasst, sondern wegen des Sündenfalls auch als moralisch inferior und weniger vernunftbegabt charakterisiert, videlicet diffamiert.134 Eines der für das siebzehnte Jahrhundert prominentesten Beispiele der offen frauenfeindlichen Schriften ist Joseph Swetnams (verst. 1621) The Arraignment of Lewd, Idle, Froward, and Unconstant Women, das zuerst 1615 erschien und mehrere Auflagen erlebte. Diese Schrift wurde aber nicht nur intensiv rezipiert, sie veranlasste auch eine ganze Reihe von scharfen Gegenreaktionen und führte zu einer anhaltenden Kontroverse, die mit dem Namen Swetwährend es bei Lutheranern und Katholiken ›Du sollst nicht töten‹ lautet. Filmer bezieht sich auf die anglikanische Zählung. 131 Sprichwörter Salomos, 12.4: »Eine tüchtige Frau ist die Krone ihres Mannes, eine schändliche ist wie Fäulnis in seinen Knochen«. 132 Vgl. R. Filmer, In Praise of the Vertuous Wife, S. 170 und 172– 176. 133 Vgl. ebd., S. 182–186. 134 Einen guten Überblick über diese misogyne Literatur in England während des siebzehnten Jahrhunderts gibt M. Ezell, The Patriarch’s Wife, S. 36–49.

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nam verbunden blieb.135 Swetnam wurde sogar karikiert und zum Gegenstand einer Komödie, die 1620 unter dem Titel Swetnam the Woman-hater arraigned by Women publiziert wurde. Wendet man sich Swetnams Pamphlet genauer zu, wird verständlich, warum es zu dieser Kontroverse kam. Gleich im ersten Kapitel können wir lesen: »Moses beschreibt die Frauen folgendermaßen: In den ersten Anfängen (sagt er) wurde die Frau geschaffen, um dem Mann eine Hilfe zu sein; und das sind sie in der Tat, denn sie hilft auszugeben und zu verzehren, was der Mann mühsam erarbeitet hat. Er sagt auch, dass sie aus der Rippe des Mannes geschaffen wurden und ihre eigensinnige Natur darin zum Ausdruck kommt, denn eine Rippe ist ein verwachsenes Ding und zu sonst nichts nütze. Frauen sind von Natur aus verkommen, denn Kleinigkeiten veranlassen sie schon ungehalten zu werden. (…) sobald sie erschaffen wurde, trachtete sie sofort danach Verderben anzurichten, denn mit ihrem ehrgeizigen Geist und liederlichem Willen betrieb sie alsbald den Fall [Sündenfall] des Mannes, und daher sind und waren sie seitdem eine elende Not für den Mann und folgen dem Beispiel ihrer ersten Führerin [Eva]«.136 In dieser Zeit waren es immer noch vornehmlich Männer, die sich dazu anschickten, gegen derartige Argumente Position zu beziehen.137 War nicht Adam von Gott aus der Erde erschafVgl. dazu S. Shepherd (Hg.), The Woman’s Sharpe Revenge, S. 53–55. 136 J. Swetnam, The Arraignment, S. 17: »Moses describes Women thus: At the fi rst beginning (saith he) a Woman was made to be a Helper unto Man; and so they are indeed, for she helpeth to spend and consume that which Man painfully getteth. He also saith, That they were made of the Rib of a Man; and that their forward Nature sheweth; for a Rib is a crooked thing, good for nothing else; (…) Women are crooked by Nature, for a small Occasion will cause them to be angry. (…) she was no sooner made, but straightway her Mind was set upon Mischief; for by her aspiring Mind and wanton Will, she quickly procured Man’s Fall, and therefore ever since they are and have been a Woe unto Man, and follow the Line of their fi rst Leader«. 137 Vgl. das abwägende Urteil in M. Ezell, The Patriarch’s Wife, S. 61: »The theory of patriarchal authority underwent intense scru135

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fen worden? Wie konnte es da eine Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau geben? »Was sollte ihn [den Mann] veranlassen, so stolz zu sein (…) und mit so vielen herbei gesuchten Worten [Gründen] die Frau (sein anderes Selbst) zu verachten? Ohne Zweifel rührt das nur aus seiner Ignoranz oder Vergesslichkeit her«.138 Zwischen der Hexenverfolgung und dem misogynen Frauenbild, wie es von Swetnam und anderen gezeichnet wurde, besteht natürlich insofern ein Zusammenhang, als hier eine aggressive frauenfeindliche Stimmung angeheizt wurde, die letztlich sehr schnell bis zu Verfolgung, Bestrafung und Verdammung führen konnte. Eine uneingestandene Irrationalität lag diesen ans Hysterische grenzenden verbalen Angriffen gegenüber den Frauen zugrunde, wie das erneut bei Swetnam sichtbar wird, wenn er schreibt: »Wird man nicht sagen müssen, dass Frauen vom Teufel abstammen? Ihre Köpfe, Hände, Herzen, Geister und Seelen sind böse. Daher werden Frauen Haken alles Bösen genannt, denn Männer werden von ihnen gleich einem Fisch am Haken gefangen. Denn Frauen haben tausenderlei Arten, dich zu verlocken und zehntausend Wege dich zu betrügen«.139

tiny and debate during the seventeenth century by the very sex it supposedly benefited. Its principal tenet, the unquestionable authority of the male head of the house, was severely critizised from within the male writers as part of the larger issues of power and governance. At no time during the century does one fi nd authoritarian, rigidly patriarchal, or misogynistic opinions in theological or satirical writings left unchallenged. Instead one fi nds a lively dialogue, where the male defenders of the female sex are actively engaged in sawing through the very supports of domestic patriarchal authority”. 138 W. Austin, Haechomo, S. 3 f.: »What should make him so proud (…) and, with so many sought-for words contemn woman (his other self?) Doubtless, it proceeds from his ignorance or forgetfulnesse«. Vgl. auch B. Rich, The Excellency of good women. 139 J. Swetnam, The Arraignment, S. 43: »Then who can but say, That Women sprung from the Devil? Whose Heads, Hands, Hearts, Minds, and Souls are Evil: For Women are called the Hook of all Evil, because Men are taken with them as a Fish is taken by the Hook: For

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Auch die Frauen bekommen zunehmend ihre eigne Stimme und wehren sich gegen diese die Frauen desavouierende Auffassung, die in Eva den Beweis für alle den Frauen zugeschriebenen Defizite sieht. 1617, also nur zwei Jahre nach der Publikation von Swetnams Schrift, erschienen drei längere Abhandlungen, von denen mindestens zwei eindeutig von Frauen verfasst worden waren.140 Rachel Speght (* 1597) macht bereits in dem Titel ihrer Schrift nachdrücklich deutlich, was sie von Swetnams Invektiven hält: Mouzell for Melastomus, The Cynical Bayter of, and foul mouthed Barker against Evahs Sex. Or an Apologetical Answere to that Irreligious and Illiterate Pamphlet made by Jo. Sw. And by him entituled, The Arraignment of Women. Speght greift Swetnams Interpretation der biblischen Eva und sein daraus begründetes negatives Frauenbild mit scharfer Polemik an, nimmt ihn aber insofern ernst, als sie detailliert seine Behauptungen mit ausgiebigen Bibelzitaten widerlegt. Speght argumentiert für die Gleichheit von Mann und Frau. Es sei absurd, Eva die Schuld für den Sündenfall zuzuschreiben, denn vor Gott seien Eva und Adam und folglich auch Mann und Frau grundsätzlich gleich. Dies werde vom »Hl. Paulus bestätigt, (…) dass Mann und Frau alle einer sind in Christus Jesus«.141 Speght ist im englischen Kontext die erste Frau, die unter ihrem eigenen Namen die Feder gegen frauenfeindliche Schriften führt. Im gleichen Jahr erschienen weitere gegen Swetnam unter den Pseudonymen Ester Sowernam (Ester has hang’d Haman: or An Answer to a lewd Pamphlet, entituled The Arraignment of Women) und Constantia Munda (The Worming of a Mad Dogge).142 Women have a Thousand ways to entice thee, and Ten thousand ways to deceive thee«. 140 Vgl. P. Crawford, Women’s published writings, S. 229 f. 141 R. Speght, A Muzzle for Melastomus, S. 67: »St Paul affi rms (…) that ›male and female are all one in Christ Jesus‹«. Das Zitat stammt aus Paulus’ Brief an die Galater III–28 und lautet vollständig: »Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ›einer‹ in Christus Jesus«. 142 Die Autorschaft des unter dem Pseudonym Constantina Munda

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In den nächsten Jahren setzte sich diese öffentliche Auseinandersetzung fort und über die Frage der besonderen Sündhaftigkeit und Schwäche der Frau, wie über ihre Rolle in der Gesellschaft wurde weiterhin lebhaft gestritten.143 Die Polemik gegen Eva als Inbild femininer Unzulänglichkeit und Verruchtheit war nicht neu, kulminierte im frühen siebzehnten Jahrhundert in England aber offensichtlich in einer zunehmend auch von Frauen ausgetragenen Polemik über den Charakter und die Rolle der Frau. Und auch Filmer sprach sich In Praise of the Vertuous Wife gegen diese weithin üblichen frauenfeindlichen Clichés aus: »Niemand sollte mit Adam ihr [Eva] die Schuld zuschreiben, sondern eher ihn [Adam] beschuldigen«.144 Hatte Filmer vielleicht sogar Swetnams misogyne Tiraden vor Augen, als er sein Manuskript abfasste und In Praise of the Vertuous Wife betitelte?145

Zur Publikationsgeschichte von Patriarcha Peter Laslett vertrat noch die These, Filmer habe nie beabsichtigt, Patriarcha zu publizieren.146 Laslett begründete diese Annahme mit dem Brief von Peter Heylyn an Filmers Sohn Sir publizierten Texts kann nicht eindeutig einer Frau zugeordnet werden. Vgl. P. Crawford, Women’s published writings, S. 281 (FN 163). 143 Vgl. zum Beispiel M. Tattle-well [Pseudonym], The Woman’s Sharp Revenge; T. Dangerfield, Tho. Dangerfield’s Answer to a Certain Scandalous Lying Pamphlet; C. Gerbier, Elogium Heroinum; E. Cellier, Malice defeated sowie M. Astell, Reflections upon Marriage. Siehe dazu allgemein M. Ezell, The Patriarch’s Wife. 144 R. Filmer, In Praise of the Vertuous Wife, S. 175: »let none therefore wth [sic] Adam lay the blame upon her, but rather blame him«. Vgl. auch ebd. S. 171: »It is obiected: woman was the fi rst sinner. Answer. 1. Not the cause (for that was mans will) but the occasion«. 145 J. Swetnam, The Arraignment, S. 48: »why shouldest thou spend one Hour in the Praise of a Woman [meine Hervorhebung], as some Fools do?«. 146 P. Laslett, Introduction [zu Filmer], S. 3 f.: »The writing of Patriarcha made no recorded difference in his life. (…) he was never at any time willing to allow the work to be printed«.

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Edward Filmer, der schließlich der 1680 publizierten Ausgabe von Patriarcha vorangestellt worden war und in dem Heylyn Filmers Publikationsabsicht ausdrücklich bestritt.147 Nun ist diese Auffassung aber durch Weckherlins Gründe warum die Druckerlaubnis von Sir Robert Filmers Patriarcha abgelehnt wird widerlegt, und man wird davon auszugehen haben, dass Filmer trotz der anders lautenden Beteuerungen Anfang 1632 versucht hatte, Patriarcha zu publizieren. Dazu kam es aber nicht. Erst nach seinem Tod erfuhren Filmers Ideen zum politischen Patriarchalismus eine Renaissance, die gleich in mehreren Ausgaben seiner Werke und eben auch in der erstmals erschienenen Patriarcha greifbar wird. Der Erzbischof von Canterbury, William Sancroft (1617–1693), hatte Edmund Bohun (1645–1699) nahegelegt, Patriarcha zu publizieren, um der Sache der Royalisten zu helfen. Bohun betreute schließlich mehrere Ausgaben Filmers und griff auch selbst in den politischen Meinungsstreit ein.148 Hier ist in breiterer Perspektive die Kontroverse zwischen den Royalisten (Tories) und den Whigs, die Instrumentalisierung von Filmers Schriften und der ihr folgenden dezidierten Widerlegungen von Filmers Argumenten durch Algernon Sidney (1623–1683) und James Tyrrell (1642–1718) zu betrachten.149 Heylyns Behauptung, Filmer hätte nicht beabsichtigt, Patriarcha zu publizieren, ist vor allem der Pointe des Briefes geschuldet, wonach alle anderen politischen Traktate großer Meister überflüssig gewesen wären, hätte Filmer Patriarcha nur veröffentlicht.150 Die Ansicht, mit Filmers Patriarcha läge eine nicht P. Hyleyn, The Copy of a Letter. Zu Bohun vgl. auch C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 212–224. 149 Vgl. zur Terminologie von Whigs und Tories oben Anm. 9. Siehe zu den Whigs auch M. S. Zook, Radical Whigs. Ein weiterer bedeutender Anhänger der Whigs, auf den ich hier nicht weiter eingehe, weil er sich nicht ausdrücklich gegen Filmer wandte, ist Henry Neville (1620–1694). Vgl. v. a. H. Neville, Plato Redivivus, sowie die Studien von G. Mahlberg, Henry Neville und S. Saracino, Republikanische Träume, insbes. S. 208 ff. 150 P. Hyleyn, The Copy of a Letter, ohne Seitenangabe [S. 4 f.] : 147

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mehr zu übertreffende politische Lehre zur Begründung monarchischer Herrschaft vor, kann nicht eindeutiger formuliert werden. Heylyns Brief ist Teil der royalistischen Rhetorik und sollte daher nicht als verlässliche Aussage über Filmers Intentionen interpretiert werden.151 All dies geschah, bevor Locke sich an die Abfassung seiner Two Treatises machte, die er 1689 anonym veröffentlichte. Der Untertitel der ersten Abhandlung erwähnt Filmer ausdrücklich und lautet: »Aufdeckung der falschen Prinzipien und Widerlegung der Begründung der Lehre von Sir Robert Filmer und seiner Nachfolger«.152 Mit den »Nachfolgern« waren die Tories gemeint, die geglaubt hatten, mit der Publikation von Filmers Schriften und insbesondere von Patriarcha den immer lauter werdenden Forderungen der Whigs gegenüber Charles II. wirkungsvoll begegnen zu können. Kann es einen eindringlicheren Hinweis für die historische Bedeutung der Patriarcha geben? 1660 wurde Charles II. zum König erklärt und die Monarchie in England wiederhergestellt. Die Restauration der Stuarts war aber nicht unumstritten und die alten Streitfragen über die Prärogative des Königs, die Konfession der Mitglieder der königlichen Familie, die Rechte des Parlaments und die politische Rolle der anglikanischen Kirche wurden wieder virulent. Der Konfl ikt brach offen aus, als die Whigs versuchten, James, den Bruder des Königs Charles II., von der Thronfolge auszuschließen. Anthony Ashley-Cooper, der First Earl of Shaftesbury (1621–1683), war die treibende Kraft und brachte im Mai »had he pleased to have suffered his Excellent Discourse Patriarcha to appear in Publick, it would have given such satisfaction to all our great Masters in the Schools of Politie, that all other Tractates in that kind, had been found unnecessary«. 151 Zu Heylyns Bedeutung innerhalb des royalistischen Lagers vgl. R. E. Althaus Meza, Heylyn’s Theory of Royal Sovereignty. 152 J. Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, S. 66. Zur Datierung und Bedeutung von Lockes Two Treatises vgl. P. Laslett, Introduction [zu Locke] und J. Tully, Placing the Two Treatises.

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1679 einen entsprechenden Gesetzentwurf im Parlament ein.153 Ein treffl icher Grund für diesen Vorstoß lag in der Tatsache, dass James sich offen zum Katholizismus bekannte und bereits 1670 den katholischen Glauben angenommen hatte. Shaftesburys Argumentation konnte sich auf den Test Act von 1673 berufen, der in seiner erweiterten Fassung von 1678 Katholiken grundsätzlich von allen militärischen und zivilen Staatsämtern ausschloss. Was Shaftesbury und seine Mitstreiter nicht wussten, war, dass auch Charles II. in einem Geheimvertrag, der 1670 in Dover mit Ludwig XIV. geschlossen worden war, diesem in Aussicht gestellt hatte, als Gegenleistung für französische Subsidien selbst zu einem opportunen Zeitpunkt zum Katholizismus zu konvertieren. Darüber hinaus war mit der Lancierung der angeblichen Bedrohung durch die Katholiken, dem von Titus Oates (1649– 1705) behaupteten sogenannten Popish Plot, im September 1678 einmal mehr eine extrem katholikenfeindliche Stimmung geschürt worden. Obwohl sich schließlich herausstellte, dass Oates die angebliche Verschwörung frei erfunden hatte, konnte Shaftesbury diese an Panik grenzende Furcht vor den Katholiken für den Plan nutzen, James von der Thronfolge auszuschließen. Mit dem Vorstoß im Parlament wurde das hergebrachte Erbrecht der Monarchie bestritten und eines ihrer zentralen Souveränitätsrechte eingeschränkt. Für die Whigs bedeutete die Neigung der Krone zum Katholizismus immer auch den Versuch, eine absolutistische Herrschaft zu errichten. Die Befürchtungen waren daher nicht nur konfessionspolitischer Natur, sondern auch von der Sorge um die politische Bedeutung und verbrieften Freiheiten des Parlaments getragen. In England ging die Sorge um, dass Charles II. versuchen könnte, eine nach dem Vorbild Frankreichs zentralisierte Monarchie zu errichten, die die parlamentarische Mitbestimmung aushebeln würde. Ludwig XIV. hatte seit 1679 eine zunehmend Zu Shaftesburys Opposition gegen die Krone vgl. P. Seaward, Shaftesbury and the Royal Supremacy. 153

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aggressive Politik gegen die Hugenotten betrieben, die schließlich 1685 in das Edikt von Fontainebleau mündete, welches das 1598 von Ludwigs Großvater Heinrich IV. erlassene Toleranzedikt von Nantes aufhob. Innen- und außenpolitisch fühlten sich die Whigs, die den Dissentern (protestantischen Nonkonformisten) nahe standen, also jenen religiös-kirchlichen Gruppen, die nicht der anglikanischen Staatskirche angehörten, zu Recht bedroht. Whigs und Dissenter sahen im Anglikanismus wie im Katholizismus gleichermaßen eine Gefahr für die verbrieften Freiheitsrechte des Parlaments. Die Tories vertraten die Interessen der Krone. Sie waren entschiedene Anglikaner und lehnten daher eine katholische Monarchie ebenfalls ab.154 Angesichts dieser aufgeheizten Stimmung und allseits empfundenen Bedrohung schien es zunächst, dass Shaftesbury und die Whigs eine Mehrheit im Parlament für ihre Pläne erringen würden. Sie gingen weiter in die Offensive, indem sie ein Amtsenthebungsverfahren (impeachment) gegen den engsten Vertrauten Charles II. anstrengten. Thomas Osborne, First Duke of Leeds (1632 – 1712) und allgemeiner bekannt als Lord Danby, war einer der mächtigsten Figuren in der Regierung des Königs. Mit seiner Absetzung hätte Charles II. die Auseinandersetzung mit dem Parlament verloren. Den Forderungen des Parlaments durfte aus seiner Perspektive folglich nicht nachgegeben werden. Da er jedoch eine parlamentarische Mehrheit für Shaftesburys Gesetzentwurf zu befürchteten hatte, löste er das Parlament unter Hinweis auf seine königlichen Prärogative kurzerhand auf und riskierte damit weitere Vorwürfe von Willkür und Machtmissbrauch. Die Exclusion Crisis führte zu einer bedrohlichen konstitutionellen Krise, in der es einmal mehr um die Frage der Souveränität im Königreich ging.155 Mit den Whigs und Tories bildeten sich zum ersten Mal politische Parteien heraus, wie sie für die weitere Geschichte des Parlamentarismus bestimmend werden sollten. Vgl. G. E. Aylmer, The Struggle for Constitution, S. 200–202. 155 Das Parlament wurde zwischen Januar 1679 und März 1681 insgesamt dreimal von Charles II. aufgelöst und wieder neu gewählt. Ab 154

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Die Monarchie befand sich unter erheblichem Druck, und es schien zunächst, als ob die Whigs ihre Forderungen durchzusetzen vermochten. Aber Charles II. behielt die Zügel in der Hand und wusste sich seiner Widersacher zu erwehren. Er betrieb nach der Auflösung des Parlaments eine verschärfte Politik gegen die Dissenter, zu denen die meisten Whigs zählten. Die anglikanischen Tories verfolgten die Nonkonformisten und angesichts einer öffentlichen Meinung, die zunehmend nicht mehr nur James, sondern auch Charles II. und die Monarchie insgesamt kritisierte, unternahmen die Tories einen propagandistischen Gegenangriff. Die Publikation von Filmers Schriften – und nun zum ersten Mal auch von Patri archa – sollte das argumentative und ideologische Rüstzeug dafür liefern.156 Pocock geht so weit, zu behaupten, dass »die Wiederveröffentlichung der Werke von Sir Robert Filmer (…) die gesamte polemische Situation veränderte«.157 Nun wurden die Whigs in die Enge getrieben, denn Filmers Schriften vertraten kompromisslos, dass die absolute Souveränität gottgegeben in den Händen des Monarchen liege. Das kam im Zusammenhang mit der Exclusion Crisis einer dramatischen Flucht nach vorne gleich, die zunächst aber sehr erfolgversprechend zu verlaufen schien. »Filmer spielte eine entscheidende Rolle darin, diese Ideologie der Tories zu begründen«.158 Es handelte sich bei Filmers Argumenten also keinesfalls um eine, wie von Euchner behauptet, »abstruse Theorie«. Filmers Patriarcha war von einer bemer-

März 1681 regierte Charles dann bis zu seinem Tod 1685 ohne Parlament und bestritt seinen Haushalt vor allem mit französischen Subsidien. Für eine detaillierte Analyse dieser Vorgänge siehe P. Seaward, The Restoration, S. 101–122. Vgl. auch L. K. J. Glassey, Shaftesbury and the Exclusion Crisis. 156 Vgl. dazu auch G. Burgess, Absolute Monarchy, S. 214 f. 157 J. G. A. Pocock, The Ancient Constitution, S. 187: »the republished works of Sir Robert Filmer (…) transformed the whole polemical situation«. 158 Ebd., S. 187: »Filmer played a major role in establishing that Tory ideology«.

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kenswerten Durchschlagskraft im Meinungsstreit der englischen Verfassungskrise. Shaftesbury und seine Anhänger erkannten die Gefahr der Lage. Es war nur zu deutlich, dass auf diese überraschend erfolgreich formulierten Machtansprüche der Königspartei unbedingt reagiert werden musste, wollte man nicht das Feld gegenüber den Tories räumen. Bereits 1681, nur ein Jahr nach dem Erscheinen von Patriarcha, reagierte James Tyrrell mit der Veröffentlichung von Patriarcha non Monarcha. The Patriarch Unmonarch’d als erster auf die Publikation von Filmers Schriften.159 Tyrrell veröffentlichte diese Schrift unter dem Pseudonym Philalethes (Freund der Wahrheit). Schon im Untertitel wird unzweifelhaft deutlich gemacht, dass es gegen Filmers Schriften und insbesondere seine Patriarcha geht.160 Allerdings ist Tyrrell in seinem Vorwort eher moderat und fast schon vorsichtig. Filmer habe die rechtmäßigen und gerechten Souveränitätsrechte der Krone gegen die Angriffe der revolutionären Faktion während des Bürgerkriegs verteidigen wollen, dabei sei er dann in ein anderes Extrem gefallen. Seine Lehren seien inzwischen an den Universitäten so verbreitet, dass die politische Erziehung Schaden nehme. Die Gefahr der Tyrannei sei die unvermeidbare Folge. Tyrrell betont allerdings, dass seine Kritik an Filmer und der absoluten Monarchie keineswegs bedeute, dass er zu den republikanischen Commonwealthmen zähle. »Ich für meinen Teil schätze die Monarchie vor jeder anderen Regierungsform«.161 Zu dem in der deutschen Forschung kaum beachteten Tyrrell siehe die Studien von J. Rudolph, Revolution by Degrees: James Tyrrell and Whig Political Thought und J. W. Gough, James Tyrrell. 160 Der vollständige Titel lautet Patriarcha non Monarcha. The Patriarch Unmonarch’d: Being Observations on a late Treatise and divers other Miscellanies, Published und the Name of Sir Robert Filmer Baronet in which the falseness of those Opinions that would make Monarchy Jure Divino are laid open: And the true Principles of Government and Property (especially in our Kingdom) asserted. 161 J. Tyrrell, Patriarcha non Monarcha, [S. IV]: »for my own part I reverence Monarchy above all other forms of Government«. 159

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Tyrrell spricht sich in seinem Vorwort gleichermaßen gegen die absolute Monarchie wie gegen die Demokratie aus.162 Für ihn findet sich in der konstitutionellen Monarchie die beste Regierungsform, die die legitimen Rechte und Freiheiten aller wahren Englishmen garantiere.163 Tyrrell behauptet damit, dass er den Status quo der englischen Verfassungsordnung gegen die extremen Vorstellungen der Tories verteidige. Es liege ihm fern, den guten Namen des verstorbenen Filmer zu schmähen.164 Da die Tories Filmer nun aber einmal zum wichtigsten und bedeutendsten Advokaten ihrer Sache gekürt hätten, bliebe ihm – im Namen der Wahrheit und in Verteidigung der bestehenden Staatsgewalt – keine Wahl, als gegen seine Patriarcha zu schreiben.165 Schon allein an Tyrrells detaillierten und minutiösen Auseinandersetzungen mit Filmers Argumenten wird deutlich, wie ernst er ihn nahm. Seitenlange Passagen werden aus Patri archa zitiert, um Filmers Ableitung patriarchaler politischer Herrschaftsrechte von Adam, die nun die Grundlage und Legitimierung monarchischer Souveränitätsrechte bilde, dem Leser zunächst einmal nahe zu bringen.166 Tyrrell lässt sich völlig auf Filmers Argumentationsstruktur ein. Er diskutiert ausführlich und zuweilen etwas langatmig Filmers Beweisführung. So setzt Tyrrell sich mit Filmers Interpretation der Heiligen Schrift auseinander und prüft, ob auf Filmers Grundlage tatsächlich von Ebd., [S. V]: »The like I would say of those who set up a Democracy amongst us; since I know not which is worst, to be knawn to death by Rats, or devoured by a Lion«. 163 Ebd., [S. VI]: »the just Rights and Liberties of all true Englishmen«. 164 Ebd., [S. VI]: »whose good Name (…) I designe not to diminish«. 165 Ebd., S. 9: »I have been so just to the Author as to transcribe as much of his fi rst Chapter as tends to prove the original power of Kings«. 166 Ebd., [S. VI]: »And therefore my Request to you is, That you would believe I write these Observations for no other end than for Truth, and in defence of the Government as it is established«. 162

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väterlichen Rechten über Frau und Kinder gesprochen werden kann. Das Ergebnis ist, wie dann auch bei Locke, wenig überraschend: Filmers Behauptungen werden nach dieser ausgiebigen Sichtung als unhaltbar verworfen. Bemerkenswert für den heutigen Leser ist die Ernsthaftigkeit, mit der Tyrrell und ihm folgend auch Locke sich mit Filmers Patriarcha auseinandersetzten. Diese Kritik blieb nicht unbeantwortet. 1685, zu einer Zeit, als der Konflikt mit den Whigs um die Thronfolge zugunsten der Royalisten entschieden war und James II./VII. inzwischen in der Nachfolge seines Bruders Charles II. im Februar diesen Jahres den Thron bestiegen hatte, nutze Edmund Bohun die von ihm besorgte zweite Auflage von Patriarcha, um sich in einem umfangreichen Vorwort intensiv mit Tyrrells Schrift auseinanderzusetzen. Er widmete die zweite Auflage von Patriarcha Henry Somerset, dem First Duke of Beaufort (1629–1700), der auf Seiten des Königs eine einflussreiche Rolle im Konfl ikt um die Thronfolge gespielt hatte.167 Die Aufregungen der Exclusion Crisis lagen 1685 in der Vergangenheit, und Bohun stellte mit kaum verhohlener Genugtuung fest, dass die Monarchie nun wieder auf festem Fundament ruhe, wie Filmer es so treffend in Patriarcha beschrieben hätte. Es sei vor allem der Zeitpunkt der Publikation von Patriarcha gewesen, der zu den heftigen Reaktionen gegen Filmer und sein Buch geführt habe.168 Mehr noch als die inhaltliche Auseinandersetzung führten aber die tatsächlichen politischen Machtverhältnisse dazu, die Forderungen der Whigs zum Schweigen zu bringen.

Bohun erwähnt im Einzelnen die Verdienste um die Monarchie, die Henry Somerset während der Exclusion Crisis gleistet hatte. Vgl. E. Bohun, Patriarcha, or, The natural power of kings by the learned Sir Robert Filmer, Baronet; to which is added a preface to the reader, [S. V]. 168 E. Bohun, Patriarcha, or, The natural power of kings by the learned Sir Robert Filmer, Baronet; to which is added a preface to the reader, [S. 3]. 167

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Auch Algernon Sidney wandte sich in seinen Discourses Concerning Government unmittelbar nach der ersten Veröffentlichung der Patriarcha (1680) gegen Filmers Lehre und folgte ebenfalls ziemlich stringent der Struktur des Werkes.169 Auch wenn Filmers Patriarcha Anlass und Ziel seiner Kritik war, so attackierte Sidney allerdings doch auch all jene, die sich auf die eine oder andere Weise für monarchische Herrschaft ausgesprochen hatten und zum royalistischen Lager gezählt werden konnten. Er wandte sich insbesondere gegen die Schriften von »Laud, Manwaring, Sybthorpe, Hobbes, Filmer, and Heylyn«, die als »zusätzliche Geißel die Schande und das Elend« Englands vervollständigten.170 Er störte sich dabei keineswegs daran, dass sich zwischen diesen Autoren durchaus markante Unterschiede in ihren Auffassungen über die Monarchie fanden. Sidney schrieb, mehr noch als Tyrrell und Locke, in polemischer Absicht. Gleich Tyrrell gehörte er zu den wichtigsten Vordenkern der Whigs, wobei Sidneys Eintreten für eine republikanische Regierungsform ihn von den moderateren Überlegungen Tyrrells und Lockes unterscheidet.171 Im Gegensatz zu ihnen war Sidney in seinen Anschauungen kompromissloser und radikaler. Darüber hinaus schien er ungestümer und nicht so vorsichtig wie Tyrrell oder Locke zu sein. Sidney verfasste die Discourses zwischen 1681 und 1683, sie wurden aber erst 1698, fünfzehn Jahre nach seinem Tod, publiziert. Gleich mit dem ersten Satz seiner Ausführungen machte Sidney deutlich, dass Filmers Patriarcha den Anlass für seine Discourses gegeben hatte. A. Sidney, Discourses concerning Government, S. 5: »Having lately seen a book entitled Patriarcha, written by Sir Robert Filmer, concerning the universal and undistinguished right of all kings, I thought a time of leisure might be well employed in examining his doctrine«. 170 A. Sidney, Discourses concerning Government, S. 11: »The production of Laud, Manwaring, Sybthorpe, Hobbes, Filmer, and Heylyn seems to have been reserved as an additional curse to compleat the shame and misery of our age and country«. 171 Vgl. dazu J. Scott, Algernon Sidney and the Restoration Crisis. Zur Whig-Ideologie allgemein und Lockes Platz innerhalb dieser politischen Bewegung siehe R. Ashcraft, Revolutionary Politics [1986], S. 181–227. 169

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Tyrrell hatte Locke zu dieser Zeit eindringlich nahegelegt, ebenfalls gegen Filmer Stellung zu beziehen. Locke kam diesem Anliegen offenbar nach. In diese Zeit fällt der Beginn seiner Arbeit an den schließlich 1689 erschienen Two Treatises. Im Vorwort heißt es dazu unmissverständlich: »Ich würde nicht gegen Sir Robert geschrieben und mir die Mühe gemacht haben, seine Irrtümer, Ungereimtheiten und den Mangel an Schriftbeweisen (…) aufzudecken, wenn es nicht Leute unter uns gäbe, die seine Bücher ausschreien und seine Lehre verteidigen«.172 Tyrrell, Sidney und Locke fühlten sich ihren eigenen Verlautbarungen nach genötigt, gegen den wachsenden Einfluss von Filmer zu polemisieren und dessen Argumente detailliert zu widerlegen. Dabei sollte Lockes Rolle nicht überbewertet werden. Er folgte sowohl chronologisch als auch argumentativ zunächst nur den bereits bekannten Argumenten von Sidney und Tyrrell.173 Auf die Exclusion Crisis hatte Lockes Schrift keinen Einfluss mehr. Sie war zwar in der Absicht geschrieben worden, wie Tyrrell und Sidney Filmer zu widerlegen, um die Sache der Whigs noch zu einem erfolgreichen Ende zu führen, wurde aber nicht mehr rechtzeitig veröffentlicht, um auf die Vorgänge noch einzuwirken.174 Locke wurde zunächst von den Ereignissen überrollt. Ähnlich wie Tyrrell nahm er eine Widerlegung Filmers vor, die eng der Struktur der Patriarcha folgte und Filmer ausgiebig zitierte. Hinreichend deutlich wird an dieser aufwendigen Auseinandersetzung mit Filmers Patriarcha, dass Tyrrell, Sidney und Locke in Filmers Argumenten eine Gefahr für die Sache der Whigs sahen. Sie fürchteten offenbar, dass die Tories wieder an politischem Boden gewinnen könnten. Und genau so kam es zunächst, denn die Auflösung des Parlaments verstellte die legalen Wege, J. Locke, Zwei Abhandlungen, (Vorwort) S. 64. Ob Locke Sidneys Discourses bereits kannte, ist nicht sicher nachgewiesen. Vgl. oben Anm. 169. 174 Maßgeblich dazu immer noch P. Laslett, Introduction [zu Locke], S. 126: »Locke wrote his book as a whole, the Second Treatise as well as the First against Filmer«. 172

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James von der Thronfolge auszuschließen. Der Meinungsstreit schien sich einstweilen zu Gunsten der Monarchie zu entscheiden. Dadurch wuchs bei einigen Whigs die Bereitschaft, mit Gewalt gegen die Stuarts vorzugehen. Der sogenannte Rye House Plot im Jahr 1683, durch den die Ermordung Charles II. und seines Bruders James geplant war, ist insofern eng mit der Exclusion Crisis verbunden. Die Verschwörung wurde aufgedeckt und scheiterte. Die politischen Pläne der Whigs wurden zunächst vereitelt.175 Führende Köpfe wie Sidney wurden zum Tode verurteilt. Der Prozess gegen Sidney ist minutiös überliefert. Als Sidney gefragt wurde, ob er sich des Hochverrats für schuldig bekenne, antwortete er, dass die Anklageschrift selbst rechtsunwirksam sei und er deswegen nicht angeklagt werden könne. Er versuchte zunächst zu vermeiden, sich zu der Schuldfrage zu äußern, wurde im Verlauf des Verfahrens dann aber dazu gedrängt und erklärte sich als im Sinne der Anklage für nicht schuldig.176 Sidney wurde nicht zuletzt deswegen so kompromisslos behandelt, weil er sich in den Discourses of Government gegen Filmer gewandt hatte. Das geht auch aus Sidneys kleiner Schrift hervor, die er nach fünfmonatiger Haft unmittelbar vor seiner Hinrichtung für seine Verteidigung und Rechtfertigung verfasste. Auf wenigen Seiten wiederholt er angesichts des Todesurteils nun seine Argumente gegen Filmer. Auch führt er aus, dass der entscheidende Grund seiner Anklage sich darauf stütze, dass er sich in einer Schrift gegen Filmers Patri archa Vgl. dazu auch P. Milton, Shaftesbury and the Rye House Plot, sowie zur Rolle von Locke im Zusammenhang mit den Verschwörungen der Whigs R. Ashcraft, Revolutionary Politics [1980], S. 431. 176 T. B. Howell (Hg.), The Trial of Colonel Algernon Sidney, S. 820: »How sayest thou? Art thou Guilty of this High Treason whereof thou standest indicted, or Not Guilty? Cl. Sidney: My lord, I fi nd a heap of crimes put together, distinct in nature one from another, and distinguished by law; and I do conceive, my lord, that the indictment itself is thereupon void, and I cannot be impeached upon it«. Ebd. S. 830: »Art thou guilty or not guilty? Sidney: Not guilty«. 175

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gewandt habe.177 Von anderer Seite wird diese Version in der anonym publizierten Schrift The Arraignment, Tryal & Condemnation of Algernon Sidney, Esq. for High-Treason bestätigt. Bereits hier wird, wie dann später in den State Trials, der Prozess wortgetreu zitiert. Im Einzelnen wird berichtet, Sidney habe ausgesagt, dass, als ihm die Schriften vom Staatsanwalt vorgelegt worden seien, er nicht sagen könne, ob es seine eigenen seien. Es handle sich nach Sidney um »einen polemischen Diskurs und scheint eine Antwort auf Filmer« zu sein.178 1684 veröffentlichte Bohun eine kleine Schrift, A Defence of Sir Robert Filmer, against the Mistakes and Misrepresentations of Algernon Sidney, in der er Filmer gegen Sidney verteidigte. Im Grunde waren Filmers politische Lehren bereits durch das Gerichtsurteil und die Hinrichtung Sidneys gewissermaßen von offizieller Seite rehabilitiert worden. Angesichts der Tatsache, dass Sidney seinen Prozess und selbst seine Hinrichtung als öffentlichkeitswirksame Bühne genutzt hatte, um Filmer noch ein letztes Mal anzugreifen, hielt Bohun es offenbar für nötig, Sidney nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit zu lassen.179 Nichts wäre den Absichten der Tories schädlicher gewesen, als wenn Sidney in der öffentlichen Meinung als Vorkämpfer der Freiheit gegen Tyrannei zum Märtyrer der Whigs geworden wäre. Bohun schließt seine Verteidigung Filmers [A. Sidney], Colonel Sidney’s Speech, S. 3 f.: »the whole matter is reduced to the papers, said to be found in my Closet by the Kings Officers (…). They plainly appear to relate to a larger Treatise written long since in Answer to Filmer’s Book, which by all intelligent men is thought to be grounded upon wicked principles equally pernicious to Magistrates and People«. Auch in dem Gerichtsverfahren wurden diese Papiere als Beweis herangezogen und ausführlich erwähnt. Vgl. T. B. Howell (Hg.), The Trial of Colonel Algernon Sidney, S. 884 f. 178 Anonym, The Arraignment, Tryal & Condemnation of Algernon Sidney, S. 32: »The Attorney shews these Papers to me, I do not know whether they are my own or no; (…) it is a polemical Discourse, it seems to be an Answer to Filmer«. 179 E. Bohun, A Defence of Sir Robert Filmer, S. 4: »the Reader (…) should not too easily believe the Account he [Sidney] gives of Sir Robert Filmer«. 177

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gegen Sidney daher auch mit dem Hinweis, dass Sidneys Schimpferei gegen Filmer grundlos und unvernünftig gewesen sei und nur durch seine eigenen Vorurteile gegenüber Filmer und dessen politischen Patriarchalismus motiviert war.180 Sidney bezahlte sein radikales Eintreten für parlamentarische Rechte, die er so nachdrücklich in seinen Discourses vertreten hatte, mit dem Leben. Shaftesbury, Locke und andere flohen ins Exil.181 Die politischen Ambitionen der Whigs waren vorerst gescheitert, während die Tories triumphierten. Filmers politische Lehre schien unter dem Eindruck dieser dramatischen Ereignisse fast schon zur offiziellen royalistischen Doktrin zu avancieren. Die Affäre spiegelte sich auch in der Universität Oxford wider. Mit drakonischen Verfolgungen und Bücherverbrennungen meinten die Autoritäten der Universität auf den Rye House Plot reagieren zu müssen. Der Vizekanzler der Universität, John Lloyd (1638–1687), und der Bischof von Oxford, John Fell (1625–1686), beauftragten den Regiusprofessor für Theologie (Divinity), William Jane (1645–1707), und andere Gelehrte der Universität, die aufrührerischen Schriften zu sichten. Innerhalb weniger Tage war dies offenbar geschehen, und die Universität beschloss das JUDGEMENT and DECREE of the UNIVERSITY OF OXFORD, passed in their Convocation against certain pernicious books and damnable doctrines, destructive to the sacred persons of Princes, their state and government, and of all human society. Das Decree, das in der modernen Forschung mitunter als anglikanisches Äquivalent des katholischen E. Bohun, A Defence of Sir Robert Filmer, S. 16. Vgl. J. G. A. Pocock, Negative and Positive Aspects of Locke’s Place in Eighteenth-Century Discourse, S. 51: »Algernon Sidney was executed for treason, partly on the evidence of his anti-Filmerian writings which contained the claim that power originated in the people and they retained a right of rebellion, and it is possible to imagine Locke sharing Sidney’s fate if he had not left the manuscript [von seinem Two Treatise of Government] in Tyrrell’s hands and gone into exile in the Netherlands«. 180 181

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Index verbotener Bücher bezeichnet wird182 , geht in einem erklärenden ersten Abschnitt auf den Rye House Plot ein und erklärt ausdrücklich, dass die formulierten Maßnahmen durch die konkrete politische Krise und den versuchten Königsmord von 1683 veranlasst wurden.183 In dem in Latein und Englisch publizierten Decree werden in siebenundzwanzig Propositionen die »schädlichen und verdammungswürdigen Lehren« verurteilt, die angeblich zum Rye House Plot geführt hatten. Die aufgeführten Bücher und Autoren werden für verboten erklärt und zum letzten Mal in der Geschichte der Universität Oxford werden Bücher öffentlich verbrannt. Bemerkenswert ist, dass uns hier nicht die Namen von Sidney, Locke, Tyrrell oder anderen Whigs begegnen, sondern frühere, zumeist längst verstorbene Autoren wie Buchanan, Bellarmine, Hunton, Milton, Owen, Baxter, Hobbes und andere. Hobbes nimmt in der zahlenmäßigen Nennung einen prominenten Platz im Decree ein. Zudem wird neben der ausdrücklichen Nennung seines Namens auch inhaltlich ohne weitere Namensnennung auf bekannte Konzepte von Hobbes eingegangen. Mit dem Decree triumphierten die Tories über die Whigs, nicht aber in direkter Auseinandersetzung. Wie ist das Decree zu verstehen und wie verhält es sich zu Filmer?

Vgl. R. A. Beddard, Tory Oxford, S. 892. The Judgement and Decree, S. 421: »Although the barbarous assassination lately enterprised against the person of his sacred majesty and his royal brother, engage all our thoughts to reflect with utmost detestation and abhorrence on the execrable villainy, hateful to God and man, and pay our due acknowledgements to the divine Providence, which (…) brought it to pass, that (…) the anointed of the Lord, is not taken in the pit which was prepared for him, and that under his shadow we continue to live and enjoy the blessings of his government; yet notwithstanding, we fi nd it to be a necessary duty at this time to search into and lay open those impious doctrines, which having of late been studiously disseminated, gave rise and growth to these nefarious attempts, and pass upon them our solemn public censure and decree of condemnation«. 182

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Immer wieder wird in der einschlägigen Literatur darauf verwiesen, dass Hobbes’ Bücher 1683 in Oxford verbrannt wurden. Erstaunlicherweise ist dieser Sachverhalt aber anscheinend nie genauer untersucht worden.184 Hobbes war 1679 gestorben. Was trieb die führenden Gelehrten in Oxford dazu, nun seine Bücher verbrennen zu lassen? Der konkrete Anlass hatte doch offenbar mit Hobbes gar nichts zu tun. Und dennoch wurde Hobbes, ganz anders als Filmer, von den Royalisten als unbequemer Störenfried und Atheist angegriffen. Das mag überraschen, denn Hobbes verstand sich als königstreu. Er gilt heute gemeinhin als Monarchist und wird landläufig als Verfechter einer uneingeschränkten Souveränität des Herrschers und als Theoretiker des Absolutismus angesehen.185 An dem Decree wird einmal mehr deutlich, dass jedoch Filmer und nicht Hobbes als der maßgebliche Theoretiker der Tories vor der Glorious Revolution zu verstehen ist.186 Ein kurzer Blick in die siebenundzwanzig Propositionen des Decrees genügt, um das zu belegen. Während Hobbes als einer der bedeutendsten Aufrührer in dem Decree immer wieder namentlich genannt wird, ist ebenso klar, dass hier Positionen verdammt werden, die Filmer bereits in seinen Schriften und insbesondere in Patriarcha kritisiert und verworfen hatte.187 Die erste Proposition lautet, dass alle staatliche Gewalt Vgl. die Diskussion in J. Parkin, Taming Leviathan, S. 368–377. In der Fachliteratur zu Hobbes ist dieses Bild freilich wesentlich nuancierter. Vgl. dazu den Überblick in P. Schröder, Hobbes, S. 37–73. Maßgeblich für den historischen Kontext ist die vorzügliche Studie von J. Parkin, Taming Leviathan. 186 Ohne auf das Decree einzugehen, kommt Cuttica zu dem gleichen Ergebnis. C. Cuttica, Sir Robert Filmer, S. 240: »his [Filmer‘s] absolutism was more palatable because it was not Hobbesian«. Daly hält den Einfluss von Filmer auf die Tories für sehr begrenzt, vermag allerdings keine überzeugenden Gründe für sein Urteil anzuführen. J. Daly, Sir Robert Filmer, S. 133: »few Tories used Filmer. He was a heady dose, and not a dose congenial to the needs of Tory argument«. 187 Insofern ist die von Daly vertretene Position, Filmer habe bei 184 185

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ursprünglich vom Volk ausgehe. Die zweite, dass es einen gegenseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag zwischen dem Herrscher und den Untertanen gebe und dass die Verpflichtungen der Untertanen endeten, sobald der Fürst seine Verpfl ichtungen gegenüber dem Volk nicht erfülle. Diese von dem Decree als »falsch, aufrührerisch und pietätlos« bezeichneten Lehren hatte auch Filmer ausdrücklich verworfen.188 Die Idee individueller Rechte im Naturzustand, wie in der ersten Proposition implizit nahegelegt und ausdrücklich auch in der elften Proposition aufgeführt (ohne Hobbes dort namentlich zu nennen), hatte Filmer, wie wir gesehen haben, in seiner Diskussion von Hobbes’ Lehre scharf kritisiert und grundsätzlich abgelehnt.189 Die Vorstellung eines naturrechtlich abgeleiteten Vertragsrechts zur Begründung staatlicher Herrschaft rückte Hobbes in den Augen der Royalisten in die Nähe von Autoren wie Hunton. Nicht nur Filmer wandte sich nachdrücklich gegen diese Überlegungen, die auf der Annahme ursprünglicher Freiheit der Menschen gründete. So erklärte zum Beispiel auch der spätere Bischof White Kennett (1660–1728) 1681 in einem zunächst anonym veröffentlichten Pamphlet, dass Hobbes wie Milton und Hunton zu denjenigen zu zählen sei, die mit ihren Schriften Rebellion und Verwirrung gestiftet hätten.190 Die Whigs hatten daraufhin versucht, den Autor ausfi ndig zu machen, um gegen ihn ein Verfahren (impeachment) im Parlament

diesem Vorgang gar keine Rolle gespielt und sei ohne jeden Einfluss auf die Tories und das Decree gewesen, wenig überzeugend. Vgl. J. Delay, Sir Robert Filmer, S. 142 f. 188 The Judgement and Decree, S. 424: »We decree, judge, and declare, all and every of these propositions to be false, seditious, and impious; and most of them to be also heretical and blasphemous, infamous to Christian religion, and destructive of all government in church and state«. 189 The Judgement and Decree, S. 422: »In the state of nature, there is no difference between good and evil, right and wrong; the state of nature is a state of war, in which every man hath a right to all things«. 190 W. Kennett, A Letter from a Student at Oxford, S. 14.

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anstrengen zu können. Durch die Auflösung des Parlaments konnte dieser Plan dann nicht weiterverfolgt werden.191 Wie bereits von Filmer selbst in seiner Kritik an Hobbes konstatiert, konnte er sich auch in einigen Punkten mit ihm einig wissen. Das gilt insbesondere für die strikte Ablehnung der Idee einer Mischverfassung oder mixed monarchy, wie sie in der vierten Proposition gegen Hunton und andere aufgeführt wurde.192 Dies ist vielleicht die wesentlichste Übereinstimmung zwischen Hobbes und Filmer, die sie auch nachdrücklich von den meisten anderen Royalisten der Bürgerkriegszeit unterschied.193 Filmer, nicht etwa Hobbes, war von den Tories als intellektuelle Schützenhilfe in der Exclusion Crisis dankbar in Anspruch genommen worden, um die Rechte der Monarchie zu verteidigen, insbesondere das Recht des Königs, die Thronfolge zu bestimmen.194 Als diese polemische Offensive gegen die Whigs Früchte zu tragen begann, griffen einige der radikaleren Whigs zu dem verzweifelten Mittel des politischen Mordanschlags, der dann allerdings fehlschlug und zu weiteren Verfolgungen und Verboten führte. Das Decree ist als eines der beredtsten Zeugnisse dieser Gegenmaßnahmen anzusehen. Die Tories hatten also die monarchischen Prärogative erfolgreich verteidigt und vor allem die Versuche vereitelt, den Bruder des Königs von der Thronfolge auszuschließen. Mit offenbarer Genugtuung schrieb der Royalist John Aucher (1619– Vgl. dazu Anonym, The Life, S. 195. The Judgement and Decree, S. 421. Filmer hatte sich in Patriarcha und wesentlich detaillierter und emphatischer, bei ausdrücklicher Nennung von Huntons Treatise of Monarchy, in seiner Schrift The Anarchy of a limited or mixed Monrachy gegen die Mischverfassungstheorie und die Beschränkung der Souveränität des Monarchen ausgesprochen. Siehe dazu oben S. XXXII f. 193 Vgl. T. Hobbes, Leviathan, (XIX) S. 156 f.; T. Hobbes, Behemoth, S. 132–134 und die Diskussion in P. Schröder, Behemoth, S. LVIII f. und J. Parkin, Taming Leviathan, S. 341. 194 Siehe auch J. Parkin, Taming Leviathan, S. 362: »Their [the Tories] distaste for Hobbes’s theory can almost be measured in terms of their enthusiasm for Filmer’s Patriarcha«. 191

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1700) im Rückblick auf den Rye House Plot 1684, es sei nun offenbar, dass der wahre Ursprung von Königen und Monarchen in der besonderen und umfassenden Übertragung und Vereinigung der väterlichen Gewalt auf sie liege.195 Die Autorität der Monarchie und somit entscheidende Ansichten Filmers schienen mit aller Gewalt durchgesetzt worden zu sein. Das wird auch in der 1685 veröffentlichten Schrift über den Rye House Plot deutlich, die im Auftrag von König James II./VII., der im Februar des gleichen Jahres trotz aller gegenteiligen Bemühungen der Whigs zum König gekrönt worden war, veröffentlicht wurde. A True Account and declaration of the horrid conspiracy against the late King, his present Majesty, and the Government: As it was order’d to be published by His Late Majesty wurde ohne Autorennennung publiziert, vermutlich aber im Wesentlichen von Thomas Sprat (1635–1713) verfasst. Hier wird die offizielle Version der Vorkommnisse festgehalten – nicht zuletzt mit dem Ziel, die Whigs endgültig ins politische Abseits zu stellen.196 Nur wenige Jahre später wandte sich das Blatt schließlich erneut: Mit der Glorious Revolution wurde 1688 die Transformation der englischen Monarchie eingeleitet. Diese Veränderung hin zu einer konstitutionellen Monarchie und Mischverfassung kam in vielem den verfassungsrechtlichen und konstitutionellen Vorstellungen Whigs sehr nahe. Wilhelm von Oranien (1650–1702), dessen Mutter Mary (1631–1660) die Schwester der Stuart-Könige Charles II. und James II./VII. war und der mit der Tochter von James II./VII., Mary (1662–1694), verheiratet war, wurde durch die Autorität des Parlaments zusammen mit Mary auf den englischen Thron gehoben. Allerdings mussten Wilhelm und seine Frau, bevor sie am 13. Februar 1689 gekrönt wurden, zuvor die Declaration of Rights unterzeichnen, in der J. Aucher, The Arraignment of Rebellion, S. 91: »And that this is indeed the true Original of Kings and Monarchs, all particular paternal Powers being really transfer’d and united in them, is very evident«. 196 Vgl. beispielhaft Anonym, A True Account, S. 9 oder S. 122. 195

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vom Parlament die Grenzen der königlichen Prärogativen und umfangreiche Rechte des Parlaments festgelegt wurden. Diese Declaration wurde im Oktober des gleichen Jahres als Bill of Rights als Gesetz verabschiedet. Von nun an wurde der König im Parlament (King-in-parliament), also nur der König gemeinsam mit dem Parlament, zum Träger der staatlichen Souveränität. Damit hatte sich nach dem englischen Bürgerkrieg und der Restauration letztlich das parlamentarische Regierungssystem in England durchgesetzt, auch wenn einige Tories noch für einige Jahre in Frage stellten, ob die Bill of Rights tatsächlich bindend war. Mit diesem souveränen Akt des Parlaments war offenbar auch die Zeit für Filmers Lehre einer Monarchie von Gottes Gnaden und seinem politischen Patriarchalismus zu einem Ende gekommen.197

Das Ende des politischen Patriarchalismus? Man sollte doch mit guten Gründen annehmen können, dass nach der Glorious Revolution der politische Patriarchalismus in England für die politischen Auseinandersetzungen bedeutungslos geworden ist. Mit dem vom Parlament geforderten oath of allegiance mussten alle Kleriker, Amtsträger des Staates und Mitglieder des Parlaments den Eid auf die neuen Monarchen William III. und Mary II. schwören. Der Erzbischof von Canterbury, William Sancroft, der die Publikation von Patriarcha angeregt hatte und uns bereits in diesem Zusammenhang begegnete, sowie acht weitere Bischöfe und etwa vierhundert Kleriker verweigerten diesen Eid, da sie sich noch an ihr Gelübde an James II. gebunden fühlten. Sie wurden deswegen als non-jurors nach dem lateinischen jurare (schwören) Eine knappe Überblicksdarstellung über die historischen Ereignisse fi ndet sich in H. C. Schröder, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert, S. 218–241. Allerdings wird auch hier einmal mehr die Bedeutung von Locke für die Ereignisse zwischen 1660–1688 überschätzt. 197

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bezeichnet. Die Verweigerung dieses Eides führte zunächst zur Spaltung der anglikanischen Kirche und hatte auch nachhaltige politische Konflikte zur Folge. Der aus Dublin stammende Theologe und glühende Anhänger der Stuarts Charles Leslie (1650–1722) war einer der nonjurors und ein leidenschaftlicher Vertreter der Legitimitätsansprüche der Stuartdynastie. Er reiste sogar wiederholt nach Paris zu den dort im Exil lebenden Stuarts. Leslie wärmt Filmers Argumente noch einmal in mehreren Schriften auf, um die dynastischen Ansprüche der Stuarts geltend zu machen, ohne sich allerdings explizit auf Filmer zu berufen.198 Der Sache nach gründen Leslies Argumente eindeutig in Filmers Patriarcha.199 In The fi nishing Stroke von 1711 untersucht er, wie der Untertitel deutlich macht, the Patriarchal Scheme of Government. Auch hier können wir gleich eingangs lesen, dass alle politische Gewalt von Gott auf Adam übertragen worden sei. 200 Nicht der Konsens des Volkes, sondern das göttliche Recht Adams begründete politische Herrschaft. Leslie wandte sich mit diesen altbekannten Argumenten gegen den Bischof In der 1709 anonym publizierten kleinen Streitschrift The best Answer ever was made, griff Leslie Hoadly an und bestreitet, dass der Ursprung staatlicher Herrschaft beim Volk liege und durch Vertrag begründet werde. Gleich Filmer verwarf Leslie diese Ideen und begründete staatliche Herrschaft stattdessen durch den politischen Patriarchalismus. Anonym [Leslie, C.], The best Answer ever was made, S. 7 f. 199 Gleiches gilt für den 1705 anonym veröffentlichen Text An Essay upon Government. Wherein the Republican Schemes reviv’d by Mr. Lock, Dr Blackal, &c. Are fairly Consider’d and Refuted. Diese Schrift kann allerdings nicht eindeutig Leslie zugeordnet werden. Auch hier wird aber – ebenfalls ausdrücklich gegen Locke – argumentiert, dass die monarchische Staatsgewalt gottgegeben sei und über Adam als väterliche politische Gewalt an die Monarchen vererbt worden sei. Siehe Anonym, An Essay upon Government, S.10–18. Vgl. zu Filmers Einfluss auf Leslie auch J. Daly, Sir Robert Filmer, S. 133: »the provenance of his [Leslies] ideas was evident, (…) he certainly used thoroughly Filmerian argument against the Whigs«. 200 C. Leslie, The fi nishing stroke, S. 5f f. 198

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Benjamin Hoadly (1676–1761), der die non-jurors angegriffen hatte. 201 Substantiell Neues wird in dieser Kontroverse nicht verhandelt, aber der oath of alligiance provozierte zumindest ein Nachbeben des politischen Patriarchalismus, mit dem die inzwischen verlorengegangenen Anrechte auf die Thronfolge der Stuarts verteidigt werden sollten. Diese Linien der Auseinandersetzung verblassen zunehmend, aber sie verschwinden nicht völlig. Noch 1781 publizierte Josiah Tucker (1712–1799) A Treatise concerning civil Government, in dem er sich ausdrücklich gegen Locke wandte. Es ging einmal mehr um den Ursprung staatlicher Herrschaft. Tucker kritisierte Locke und seine Anhänger dafür, dass sie allein die Zustimmung des Volkes als legitime Rechtfertigung staatlicher Herrschaft zuließen. Jedwede alternative Begründung werde radikal abgelehnt und diffamiert. Das stifte die Untertanen zur Rebellion an. 202 Tucker versuchte, einen Mittelweg zwischen Filmer und Locke einzuschlagen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Ihm war offenbar bewusst, dass man mit Filmer keine politischen Kontroversen mehr gewinnen konnte. Daher verC. Leslie, The fi nishing stroke, S. 13: »I think here is a full answer to all Mr Hoadly’s Book. For from the Beginning to the End of it he goes all along upon Government of Adam being that only of an Husband, or a Father: That this was no Civil Government: And consequently that Civil Government must have another Foundation: And that his can be no other than the Election of the People. But if I have proved, That the Government of Adam was truly and properly a Civil Government (…) Then there is an utter End to all Mr Hoadly has said«. Vgl. zu dem weiteren Kontext W. Gibson, Enlightenment Prelate, S. 98 f. und zu Leslie als überzeugtem Anhänger Filmers G. Schochet, Patriarchalism, S.221–224. 202 J. Tucker, A Treatise concerning civil Government, S. 81: »A (…) capital Error chargeable on the Lockean Sect (…) is that dreadful Notion, propagated by them with a Kind of enthusiastic Ardor, that their System of Government is the only true one (…) and that all others, not build on this Foundation are (…) detestable Robberies, and barefaced Usurpations of the unalienable Rights of Mankind. Now this is in Fact proclaiming War against all Governments upon Earth, and exciting their Subjects to rebel«. 201

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wahrte er sich in seinem Text auch vor dem »patriarchal Scheme of Sir R. Filmer«203 , was aber seine Widersacher wenig überzeugte. So wurde ihm beispielsweise in einer Replik A vindication of the political principles of Mr. Locke: in answer to the objec tions of the Rev. Dr. Tucker auf seinen Treatise concerning civil Government bereits ein Jahr später von Joseph Towers (1737– 1799) vorgehalten, dass, wenn Tucker zur Zeit Filmers gelebt hätte, er wohl einer seiner Schüler gewesen wäre. Nur weil Filmers Lehre inzwischen so diskreditiert sei, mache er sich dessen Argumente nicht ausdrücklich zu eigen und versuche lediglich, Lockes politische Lehre zu verleumden. 204 Der Verweis auf Filmer diente polemischen Absichten. Es kam gar nicht mehr darauf an, ob Tucker Positionen von Filmer übernommen hatte. Es genügte zu insinuieren, dass es Übereinstimmungen gäbe, um Tuckers Kritik an Locke zu desavouieren. 205 Daran zeigt sich, wie sehr die intellektuelle und politische Bedeutung von Filmers politischem Patriarchalismus inzwischen an Wert verloren hatte. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in groben Zügen auch in Kontinentaleuropa beobachten. In Frankreich hatte zunächst der einflussreiche Bischof Jacques Bénigne Bossuet (1627–1704) in seiner dem Dauphin und späteren König Ludwig XIV. gewidEbd., S. 113. Vgl. auch ebd. S. 123: »to keep a sufficient Distance from the Patriarchal System, and the indefeasible Right Lined Monarchy of Sir Robert Filmer«. 204 J. Towers, A vindication of the political principles of Mr. Locke, S. 31: »Had Dr Tucker lived in the days of Filmer, he would probably have been one of his disciples; but the doctrines of that writer are too much exploded, in the present age, for any man to venture to maintain them; and therefore all that the Dean of Gloucester can now do, is not formally to vindicate Filmer, but to degrade Locke as much as possible«. 205 J. Towers, A vindication of the political principles of Mr. Locke, S. 29 f.: »The misrepresentation of the great principles of liberty by that eminent advocate for tyranny, Sir Robert Filmer, and those of Dr Tucker, appear to be extremely similar«. 203

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meten Schrift Staats-Kunst auß denen selbst-eigenen Worten der heiligen Schrift gezogen noch selbstbewusst einen politischen Patriarchalismus zur Begründung staatlicher Herrschaft vertreten können. Bossuet behauptete lapidar, »die Königliche gewalt ist väterlich«. 206 Es bedürfe dafür keiner weiteren Beweise, denn »wir haben bedeutet, daß die Könige Gottes platz vertreten, welcher der wahre vater des menschlichen geschlechts ist«. 207 Ganz ähnlich wie Filmer machte Bossuet sich für eine absolutistische, einzig von Gottes Gnaden begründete und damit legitimierte Monarchie stark. Allerdings warnte er den Dauphin auch davor, seine Macht zu missbrauchen, und betonte wiederholt, der Dauphin müsse seine Verantwortung gegenüber Gott ernst nehmen. Die höchste Qualität des Königs lag für Bossuet in der väterlichen Güte. Aber im Ergebnis unterscheidet sich Bossuet kaum von Filmer. Auch für Bossuet stand fest, »daß die erste vorbildung der gewalt, so unter den menschen gewesen, diejenige der väterlichen gewalt war, und daß man die Könige nach dem muster der väter gemacht«. 208 Das Ende des politischen Patriarchalismus sollte daher nicht zu voreilig erklärt werden. Er wurde auch in Europa von Bossuet wirkungsmächtig und mit erstaunlichem Selbstverständnis vorgetragen. 209

J. B. Bossuet, Staats-Kunst, S. 108. Bossuet war Tutor des Dauphins Ludwig und diese Schrift wurde im Wesentlichen in den 1670er Jahren verfasst und dann zunächst ab 1679 nicht weiter verfolgt. Um 1700 nahm Bossuet sie offenbar wieder vor, aber erst 1709 konnte sie posthum publiziert werden. Sie wurde dann bereits 1712 ins Deutsche übersetzt. 207 Ebd., S. 108. 208 Ebd., S. 109. 209 Eine genauere Untersuchung zum politischen Patriarchalismus im Deutschen Reich ist weiterhin ein Desiderat der Forschung. Martin Mulsow konstatiert allgemein, dass die »Kritik an der Göttlichkeit der Könige (…) in Deutschland andere Wege gegangen [ist] als die bekannte englische Kritik Lockes an Sir Robert Filmer«. M. Mulsow, Moderne aus dem Untergrund, S. 194. Zur Geschichte des politischen Patriarchalismus vgl. nun die Studien in C. Cuttica/G.Mahlberg 206

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Genau gegen derartige Überlegungen wandte sich noch gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts der Baron d’Holbach (1723–1789) auf polemische Weise. Denn sozusagen »als letztes Hilfsmittel sagt man uns, dass die souveräne Gewalt nach dem Vorbild der angeblich grenzenlosen väterlichen Gewalt gebildet ist. Aber gewährt die väterliche Autorität das Recht, die Kinder zu tyrannisieren, zu quälen, zu berauben, zu zerstören?«. 210 Auch wenn der politische Patriarchalismus nicht zuletzt durch die Französische Revolution in Europa schnell seine Bedeutung zur Legitimierung monarchischer Souveränitätsrechte verlor 211, ist es doch beachtenswert, dass patriarchale Grundüberzeugungen nicht nur die konkrete Lebenswelt der Menschen noch sehr lange prägen sollten, sondern diese auch in den politischen Theorien der führenden Köpfe geradezu unerschütterlich verwurzelt waren. 212 Der politische Patriarchalismus wurde in der frühen Neuzeit vor allem von Männern, die gegenüber den Frauen einen privilegierten Zugang zu den politischen Diskursen ihrer Zeit hatten, herausgefordert und letztlich als Legitimationsgrundlage (Hg.), Patriarchal Moments. Bedauerlicherweise wird Bossuet in den insgesamt 21 Fallstudien zu einzelnen Denkern nicht berücksichtigt. 210 P.-H. Th. D’Holbach, Système Social, Bd. II, S. 17: »Pour dernier ressource, on nous dit que la Puissance Souveraine s’est formée sur le modele de la puissance paternelle qui paroit illimitée. Mais l’autorité paternelle peut-elle donner le droit de tyranniser, de tourmenter, de dépouiller, de détruire des enfants«. 211 Das wird bereits programmatisch in der revolutionären Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit fassbar, denn nicht zuletzt in jener Brüderlichkeit war »die Vision einer Gleichstellung der Menschen und der Bruch mit der Hierarchie des Patriarchats verbunden«. D. Thomä, Väter, S. 91 f. Vgl. dazu auch grundsätzlich L. Hunt, The Family Romance of the French Revolution. 212 Auch bei Locke fi ndet sich dieses Residuum patriarchalischer Vorstellungen. Vgl. insbesondere J. Locke, Zwei Abhandlungen, (§49) S. 105 und (§105) S. 265. Der familiäre Patriarchalismus wurde durch die Modernisierung in der bürgerlichen, kapitalistisch geprägten Gesellschaft und nach Abschaffung der Ständegesellschaft im 19. Jahrhundert sogar tendenziell eher noch gestärkt. Siehe etwa U. Vogel, Patriarchale Herrschaft.

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staatlicher Herrschaft verworfen. Die politische Inszenierung der patriarchalen Leitfigur, also eines mit Herrschaftsrechten ausgestatteten Landesvaters, widersprach der zunehmend Raum greifenden Auffassung, dass Männer in einem staatlich verfassten Gemeinwesen mündig seien und keinen Vormund mehr bräuchten. 213 Sie verstanden sich nur insofern als Untertan, als sie den von ihnen selbst als Souverän gegebenen Gesetzen – also letztlich nur sich selbst – gehorchten. 214 Da passte das Bild einer hierarchischen Gesellschaft vom gebietenden Landesvater und seinen ihm gehorchenden Landeskindern nicht mehr. Frauen halten zunächst nur insofern Einzug in die Politik, als das männliche Herrschaftsbild des Monarchen in der politischen Ikonographie ersetzt und nun durch die als Frau verkörperte Republik inszeniert wird. 215

Dies ist klassisch bei Kant formuliert. I. Kant, Was ist Aufklärung, S. 35: »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen«. 214 J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 100: »das Wesen der politischen Körperschaft [beruht] auf dem Zusammenklang von Gehorsam und Freiheit (…) und (…) die Begriffe Untertan und Souverän [sind] identische Wechselbegriffe (…), deren Idee in dem einen Begriff des Bürgers vereinigt ist«. 215 Vgl. zum Beispiel die Gemälde von Alexandre-Évariste Fragonard (1780–1850), La République, oder Honoré Daumier (1808–1879), La République (1848), sowie die Statue Triumphe de la République von Aimé Jules Dalou (1838–1902). Zum Begriff der Republik vgl. W. Mager, Republik. In der Dedikation an die Republik zu Genf verweist Rousseau die Frauen in die Privatsphäre des Hauses – seine euphemistische Tirade auf die Tugend der Frauen zeigt, wie gefährlich Lob sein kann: »Könnte ich jene kostbare Hälfte der Republik vergessen, die das Glück der anderen ausmacht und deren Milde und Klugheit dort Frieden und gute Sitten aufrecht erhalten? Liebenswerte und tugendhafte Bürgerinnen, das Los eures Geschlechts wird immer sein, das unsere zu lenken. O Glück, wenn eure keusche Macht, allein im Bund der Ehe ausgeübt [meine Hervorhebung], nur spürbar wird zum Ruhme des Staates und zum öffentlichen Wohl«. J.-J. Rousseau, Der Republik zu Genf, S. 194. 213

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Selbst Rousseau und Immanuel Kant (1724–1804) sehen in der vom männlichen Familienoberhaupt geleiteten Familie noch die älteste und einzige natürliche politische Gesellschaft. 216 Obwohl die »Familie (…) das Urbild der politischen Gesellschaften«217 für Rousseau abgibt, ist das Recht, auf welchem die gesellschaftliche Ordnung beruht, für ihn kein natürlich gegebenes Recht, sondern »es beruht (…) auf Vereinbarungen«. 218 Ausführlicher noch widmet sich Rousseau dieser Thematik in seiner Abhandlung über die politische Ökonomie. Vehement verwahrt sich Rousseau hier gegen den politischen Patriarchalismus. »Wie könnte die Führung eines Staates der einer Familie gleichen, deren Grundlage von jener so verschieden ist?«219 Rousseaus Ausführungen kulminieren in einem Angriff auf Filmer, was vor allem als Indiz dafür gewertet werden kann, dass Filmers Auffassungen immer noch eine gewisse Wirkmächtigkeit besessen und durchaus noch auf das politische Selbstverständnis der Menschen Einfluss ausgeübt haben dürften. Rousseau insistiert darauf, »daß man aus gutem Grund die öffentliche Ökonomie von der privaten Ökonomie unterschieden hat und daß dieselben Verhaltensregeln nicht auf beide zutreffen können, weil der Staat mit der Familie nichts weiter gemein hat als die Verpfl ichtung der Oberhäupter, beide glücklich zu machen. Ich meine diese wenigen Zeilen sollten ausreichen, um das widerwärtige System zu zerstören, das Sir Robert Filmer in einem Werk mit dem Titel Patriarcha zu errichten bestrebt war und dem zwei berühmte Männer zu viel Ehre erwiesen haben, indem sie Bücher schrieben, um es zu widerlegen. Im übrigen ist dieser Irrtum sehr alt, denn selbst Aristoteles hat es für angebracht gehalten, ihn aus Gründen J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 6: »Die älteste aller Gesellschaften und die einzig natürliche ist die der Familie. Und selbst dort bleiben die Kinder nicht länger an den Vater gebunden, als sie seiner zu ihrer Erhaltung bedürfen«. 217 Ebd., S. 7. 218 Ebd., S. 6. 219 J.-J. Rousseau, Abhandlung, S. 335. 216

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zu bekämpfen, die man im ersten Buch seiner Politik fi nden kann«. 220 Gleich mehrere Gesichtspunkte sind hier hervorzuheben. Zunächst wird offenbar selbstverständlich, wenn auch stillschweigend, der Vater als Familienoberhaupt von Rousseau durchaus anerkannt. Bei den »zwei berühmten Männern« handelt es sich wohl um Locke und Sidney, beide werden von Rousseau im gleichen argumentativen Kontext in seinem Discours über die Ungleichheit erwähnt. 221 Es könnte aber auch Tyrrell gemeint sein. Rousseaus etwas oberflächlicher Verweis auf Aristoteles zeigt einmal mehr, wie nachhaltig der politische Patriarchalismus über Jahrhunderte eine prägende Kraft ausgeübt hatte. Filmer hatte ja vor allem die Autorität der Heiligen Schrift, aber eben auch Aristoteles bemüht, um seine Argumente zu fundieren. Im Gegensatz zu Rousseau geht Kant auf diese Diskussionen, die in England im Kontext der Exclusion Crisis geführt wurden, und die einzelnen Protagonisten wie Sidney, Locke und Tyrrell nicht mehr ein. Auch wenn Kant den politischen Patriarchalismus als despotisch verwirft 222 , wird bei ihm deutlich, wie sehr patriarchalische Strukturen immer noch stillschweigend seinem Denken zugrunde liegen. Der Familienvater wird auch bei Kant als Haupt der Familie und damit als der einzige in der Familie beschrieben, der als politisch handeln-

Ebd., S. 338. 221 J.-J. Rousseau, Über den Ursprung der Ungleichheit, S. 239: »Was die väterliche Autorität betrifft, von der mehrere die absolutistische Regierung und die ganze Gesellschaft abgeleitet haben, so genügt, ohne die Gegenbeweise Lockes und Sidneys zu bemühen [Übersetzung geändert, P.S.], der Hinweis, das nichts auf der Welt vom Wilden Geist des Despotismus weiter entfernt ist als die Milde dieser Autorität«. 222 Vgl. I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 290 f.: »Eine Regierung, die auf dem Princip des Wohlwollens gegen das Volk als eines Vaters gegen seine Kinder errichtet wäre, d. i. eine väterliche Regierung (…) ist der größte denkbare Despotismus«. 220

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der aktiver Bürger auftreten kann. 223 Nur er wird von Kant als möglicher Träger politischer Partizipationsrechte und damit als politisch Handelnder gedacht: »Derjenige nun, welcher das Stimmrecht in dieser Gesetzgebung hat, heißt ein Bürger (citoyen, d. i. Staatsbürger, nicht Stadtbürger, bourgeois). Die dazu erforderliche Qualität ist außer der natürlichen (daß es kein Kind, kein Weib sei) die einzige: daß er sein eigener Herr (sui iuris) sei, mithin irgend ein Eigenthum habe«. 224 Kant schließt Frauen aber nicht grundsätzlich als aktive Staatsbürger aus. Er verwahrt sich gegen revolutionäre Veränderungen, hält es aber ganz im Sinne der Idee einer stetig fortschreitenden Aufklärung für unabdingbar, dass sich jeder »im Volk (…) aus diesem passiven Zustande zu dem activen empor arbeiten« könne. 225 Das bedeutet, dass zumindest potentiell, obgleich für Kant vermutlich eher in ferner Zukunft, auch Frauen zu aktiven Staatsbürgern werden könnten. 226 Vgl. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 314: »Nur die Fähigkeit der Stimmgebung macht die Qualification zum Staatsbürger aus; jene aber setzt die Selbstständigkeit dessen im Volk voraus, der nicht bloß Theil des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben, d. i. aus eigener Willkür in Gemeinschaft mit anderen handelnder Theil desselben, sein will. Die letztere Qualität macht aber die Unterscheidung des activen vom passiven Staatsbürger nothwendig (…). Der Geselle bei einem Kaufmann (…), der Unmündiger (…), alles Frauenzimmer und überhaupt jedermann, der nicht nach eigenem Betrieb, sondern nach der Verfügung (außer der des Staats) genöthigt ist, seine Existenz (…) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen Persönlichkeit«. 224 I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 295. 225 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 315. 226 In ihrer ›feministischen‹ Kritik des Gesellschaftsvertrags übersieht (oder unterschlägt) Carole Pateman diesen wichtigen Aspekt. Ihre grundsätzliche Kritik an dieser Tradition und im Besonderen an Locke ist aber durchaus stichhaltig. Allerdings ist es fragwürdig, ob uns und insbesondere den Frauen wirklich damit gedient ist, diese Kritik zum Ausgangspunkt der Emanzipation und Gleichstellung der Frauen zu machen. C. Pateman, The Sexual Contract, S. 41: »the classic contract theorists have a crucial feature in common. They all tell patriarchal stories. Contract doctrine entails that there is only one, conventional origin of political right, yet, except in Hobbes’ theory 223

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Aber nicht jeder begnügte sich mit solchem Langmut. Mary Wollstonecraft (1759–1797) hat in ihrer Streitschrift A Vindication of the Rights of Women die Unterdrückung der Frauen kritisiert und versucht, in bewusster Weiterführung von Rousseaus Emanzipationsforderungen, diese auch für Frauen zur Geltung zu bringen. 227 Ihre Schrift gipfelte in der Forderung, dass die Gesellschaft darauf hinarbeiten müsse, Bedingungen zu schaffen, die es Frauen erlauben würden, rationale Wesen und freie Staatsbürger zu werden. 228 Damit zielte sie noch nicht auf den privaten Bereich der Ehe und das dort herrschende Geschlechterverhältnis von Mann und Frau. Mit dem Verschwinden des politischen Patriarchalismus wurde aber auch die privilegierte Rolle des pater familias nachhaltig konterkariert. 229 Alexander Mitscherlich erhob das zum sozialpolitischen Programm. 230 Und noch heute, ein »paar Jahrhunderte nach John Lockes (…) (…), the contract theorists also insist that men’s right over women has a natural basis. Men alone have the attributes of free and equal ›individuals‹«. 227 Vgl. M. Wollstonecraft, A Vindication of the Rights of Women, S. 90. 228 M. Wollstonecraft, A Vindication of the Rights of Women, S. 275: »make women rational creatures, and free citizens«. Vgl. auch S. de Beauvoir, Das andere Geschlecht, S. 20: »Das Drama der Frau besteht in dem Konfl ikt zwischen dem fundamentalen Anspruch jedes Subjekts, das sich immer als das Wesentliche setzt, und den Anforderungen einer Situation, die sie als unwesentlich konstituiert. Wie kann sich ein menschliches Wesen in der Lage der Frau erfüllen? (…) Wie kann man die Unabhängigkeit inmitten der Abhängigkeit wiederfi nden?«. 229 Pateman attackiert diese Interpretation scharf und macht sie zum Gegenstand ihrer feministischen Kritik des klassischen Gesellschaftsvertrages und der zeitgenössischen politischen Theorie. C. Pateman, The Sexual Contract, S. 9: »Patriarchal subordination is central to the theories of all classical writers but has been almost entirely neglected by radical political theorists«. Vgl. auch ebd., S. 19 f. 230 A. Mitscherlich, Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft, S. 186–188 und 191–194. Mitscherlich betont zugleich die Bedeutung der technischen Entwicklung für den »schockierenden Zerfall der Vaterautorität«. Ebd. S. 188.

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ersten treffsicheren Attacken auf das [politische!] Patriarchat ist in der Tat noch immer nicht klar, wie die neue Rolle der Väter, die die Rückendeckung von oben verloren haben, aussehen soll«. 231 Dass selbst heute zumindest Wollstonecrafts politische Forderung längst noch nicht so selbstverständlich ist, wie man das doch eigentlich erwarten sollte, wird man Filmer nicht zur Last legen können. Das gilt erstaunlicherweise nicht nur für den privaten Bereich, denn der pater patriae wird selbst heute noch in der Politik beschworen und zuweilen mit frappierendem Erfolg instrumentalisiert.232 Erleben wir eine Renaissance von Filmers Ideen? Vermutlich nicht. Filmer sollte nicht voreilig als unbedeutend für die politische Ideengeschichte abgetan werden. Sein Bezug auf die Heilige Schrift und die Ableitung absolutistischer Herrschaftsrechte der Monarchie entwickelte eine eindrucksvolle argumentative Durchsetzungskraft im siebzehnten Jahrhundert. Auch lohnt es sich zu beachten, dass das europäische Christentum nicht nur die Begründung gottgegebener monarchischer Herrschaftsrechte bereitstellte. 233 Auch wenn es paradox erscheinen mag, so wurde in Europa durch das Christentum zugleich auch zunehmend die Grundlage für ein neues Selbstverständnis individueller Selbstvergewisserung geschaffen. 234

D. Thomä, Väter, S. 240 f. Vgl. beispielhaft D. Thomä, Väter, S. 18: »Kurz vor seiner Wahl zum französischen Präsidenten hielt Nicolas Sarkozy eine große Rede in Paris-Bercy, in der er dazu aufrief, das ›Erbe der 68er zu liquidieren‹, die den ›Hass auf die Familie geschürt‹ und alle Autorität demontiert hätten. Bei anderer Gelegenheit sagte er: ›Von nun an müssen wir die Staatsgeschäfte so führen, wie dies ein Familienvater tun würde‹«. 233 In der frühen Neuzeit haben die Monarchomachen, Levellers, Diggers und Commonwealthmen sich ebenfalls ausdrücklich auf die Bibel berufen, um nicht-monarchische Gemeinwesen und das Recht auf Widerstand gegen Monarchen zu begründen. 234 Larry Siedentop hat das zum Beispiel in seiner Studie Democracy in Europe bereits angedeutet und nun ausführlich in einer weiteren Arbeit ausgeführt. Ich bin Larry für zahlreiche Anregungen während unserer langjährigen Gespräche sehr dankbar. Siehe L. Sie231

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Filmer wusste um diesen Sachverhalt und argumentierte daher entsprechend scharf gegen dieses Element der christlichen Lehre und angeblich natürlich gegebene Freiheiten der Menschen. Er verwarf selbst Hobbes’ individualistisch gedachten Ausgangspunkt eines ius in omnia im Naturzustand. Nach Filmers Auffassung wurden alle Menschen unter natürlicher- und daher auch notwendigerweise unter väterlicher Herrschaft geboren. Väterliche Herrschaft innerhalb der Familie wurde von Filmer auf das politische Gemeinwesen übertragen und der König zum pater patriae erklärt. Genau diese Analogie griffen Sidney, Tyrrell, Locke und andere Whigs im Kontext der Exclusion Crisis dann scharf an. Dabei ist erneut zu unterstreichen, dass die Whigs die natürliche paternalistische Herrschaft keineswegs bestritten. Für den Staat lehnten sie die Legitimierung politischer Herrschaft durch den politischen Patriarchalismus ab, aber im Privaten gingen sie unbekümmert und selbstverständlich von der männlichen Vorherrschaft aus. Auch bei den Vertragstheoretikern wurde die Frau aufgrund ihrer natürlichen und gottgegebenen Disposition als dem Mann untergeordnet angesehen. Mary Astell hatte das bereits erkannt und sich spöttisch gegen die Vertragstheoretiker und insbesondere gegen Locke gewandt. 235 Und dennoch wird »die emanzipatorische Potenz des kontraktualistischen Denkens, das in der englischen Revolution seinen ersten großen Durchbruch hatte«, zu Recht betont. 236 Im Gegensatz dazu erklärt Carole Pateman die Theorie des Gesellschaftsvertrages dentop, Democracy in Europe, S. 193 f. und L. Siedentop, Inventing the Individual. 235 M. Astell, Reflections upon Marriage, S. 18 f.: »If all Men are born free, how is it that all Women are born slaves? As they must be if being subjected to the inconstant, uncertain, unknown, arbitrary Will of Men, be the perfect Condition of Slavery?« Astell wird völlig zu Recht als eine der ersten englischen feministischen Autorinnen gesehen. Sie teilte aber auch viele politische Überzeugungen Filmers und sprach sich unter anderem für das dynastische Erbrecht der Monarchie aus. 236 R. Saage, Herrschaft Toleranz Widerstand, S. 260.

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als den eigentlichen, wenn auch nicht unmittelbar einsichtigen Grund männlicher Domination. Das Konstrukt des Gesellschaftsvertrages erlaube die Fiktion freier Vertragsverhältnisse zwischen Mann und Frau, die aber nur kaschiere, dass Frauen durch Männer strukturell als (Sex)Sklaven gehalten werden. 237 Nicht zuletzt in der bemerkenswerten Ironie, dass Pateman sich durchaus die Filmer’sche Kritik am Vertragsdenken zu eigen macht, liegt ein weiterer, über das philosophiehistorische Interesse hinausweisender Grund, Filmers politische Schriften ernst zu nehmen. 238 Die gelegentlich fast schon an Hagiographie grenzende Hervorhebung Lockes in der westlichen politischen Philosophie verstellte allzu bald den Blick auf die Gedankenwelt Filmers und seiner Zeit. In seiner substantiellen Einleitung zu Lockes politischen Schriften versucht der renommierte englische Ideenhistoriker David Wootton dem zu begegnen. Da C. Pateman, The Sexual Contract, S. 158: »Women were forced to enter this supposed contract. (…) The marriage ›contract‹ was just like the contract that the slave-owners in the West Indies imposed on their slaves; marriage was nothing more than the law of the strongest, enforced by men in contempt of the interests of weaker women«. Vgl. zum »law of male sex-right« auch ebd., S. 110. 238 Vgl. ebd., S. 90: »Sir Robert Filmer’s alarmed reaction to contract theory had some basis«. Siehe zum Beispiel R. Filmer, The Anarchy, S. 142. Patemans radikale Denunziation männlicher Dominanz in der Geschichte der politischen Theorie sowie ihre übertriebene und von ihr selbst als solche charakterisierte Kritik des Vertragsdenkens (vgl. C. Pateman, The Sexual Contract, S. 221) führt sowohl in Patemans Rhetorik (»to fight, (…) to wage this battle« usw., vgl. z. B. ebd., S. 233) als auch in der Sache substantiell zu einem Kampf der Geschlechter. Wie Männer sich angesichts einer derartigen Kriegserklärung noch konstruktiv verhalten können, um die legitimen Forderungen nach Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau durchzusetzen, ist mir nicht einsichtig. Siehe auch ebd., S. 225: »Sex is central to the original contract. The brothers make the agreement to secure their natural liberty, part of which consists in the patriarchal right of men, the right of one sex. Only one sex has the capacity to enjoy civil freedom. Civil freedom includes right of sexual access to woman and, more broadly, the enjoyment of mastery as a sex«. 237

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Locke es für nötig erachtete, Filmer im Einzelnen zu widerlegen, und diese Überlegung allererst zur Abfassung von Lockes First Treatise of Government geführt habe, müsse man Filmer und nicht Locke als den Erfi nder des politischen Liberalismus ansehen. 239 Selbst die Prinzipien des Second Treatise seien Filmer geschuldet. 240 So weit wie Wootton wird man nicht gehen müssen, aber eine unvoreingenommene Lektüre Filmers (ohne sofort Locke mitzudenken oder gar mitzulesen) ist für ein angemesseneres Verständnis der politischen Ideenwelt des siebzehnten Jahrhunderts sicherlich hilfreich. 241 So manches zeitgenössische Urteil – wie zum Beispiel im Fall Hobbes und des Oxforder Dekrets zur Verbrennung seiner Bücher gesehen – kann dann erst tatsächlich nachvollzogen werden. Einer Auseinandersetzung mit der politischen Lehre Filmers mit dem Anspruch, seine Argumente zu widerlegen, bedarf es nicht. Seine Überzeugungen sind derart zeitgebunden, dass sie für uns und den politischen Diskurs obsolet sind. Ihnen kommt – so sollte man doch zumindest hoffen – für das politische Selbstverständnis der Menschen im 21. Jahrhundert keine Bedeutung mehr zu. Wohl aber ist Filmers politischer Patriarchalismus als ideengeschichtlich bedeutender Meilenstein ernst zu nehmen, denn die politische Auseinandersetzung und Theoriebildung um die Souveränitätsrechte nicht nur der englischen Monarchie wird man ohne Filmer nur unzureichend verstehen können. Beurteilt man Filmers politische Lehre im Kontext seiner Zeit, dann wird hier ein origineller Denker sichtbar, der in kritischer Auseinandersetzung mit den politischen Ideen seiner Zeit einen erheblichen Einfluss im politischen Meinungsstreit ausübte. D. Wootton, Introduction , S. 15: »Locke was the only one (…) who fully accepted the challenge presented by Filmer. He did not only attack the positions Filmer had defended; he systematically defended the views Filmer had attacked. Filmer, not Locke, invented liberalism«. 240 Ebd., S. 16: »There is no mystery about where the fundamental principles of the Second Treatise came from: they came from Filmer«. 241 Vgl. dazu auch C. Cuttica, Reputation versus Context. 239

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Zu dieser Ausgabe Patriarcha wurde 1906 von H. Wilmans übersetzt. Diese Ausgabe ist nur noch in einigen wenigen Bibliotheken zu finden. Der vorliegende Text von Patriarcha ist eine Neubearbeitung dieser Übersetzung. Wilmans kannte die Manuskripte von Patriarcha nicht und stützte sich daher auf die 1680 erschiene Druckfassung. Das führt zu gelegentlichen Abweichungen, die, wenn sie von Bedeutung sind, in den Fußnoten vermerkt wurden. Die im inneren Kolumnentitel angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die von Johan P. Sommerville edierte Ausgabe der englischen Originaltexte: Patriarcha and other Writings, hg. v. J. P. Sommerville, Cambridge 1991.

DA N K SAGU NG

Dem Bibliothekar von der University Library Cambridge, Frank Bowels, gilt zunächst mein Dank. Er hat mir die Konsultation des Manuskripts von Patriarcha gewährt und war mir auch sonst bei mancherlei Detailfragen behilfl ich. Nachdrücklicher Dank gilt meinen Freunden und Kollegen: Anna Becker, Cesare Cuttica, Gaby Mahlberg, Frans Julius Morche, Eva Odzuck, Raffaella Santi, und Stefano Saracinio haben meine Einleitung kritisch kommentiert oder standen mir bei Fragen zu Filmer und dem politischen Patrarchalismus mit ihrer Expertise zur Seite. Katja Kersten-Babeck und Rolf Geiger halfen mir mit ihrem Fachwissen bei altsprachlichen Übersetzungsfragen, und auf Ruth Browns unermüdliche Hilfsbereitschaft konnte ich mich wie immer verlassen. Ohne sie hätte ich einige sprachliche Probleme der Übersetzung kaum lösen können. Ganz besonderer Dank gilt zu guter Letzt erneut Marcel Simon-Gadhof vom Meiner Verlag, der mir bei der Vorbereitung dieser Ausgabe mit seinem umsichtigen und kompetenten Lektorat erheblich geholfen hat. Peter Schröder, London

BI BLIOGR A PH I E

1a) Manuskripte von Filmers Patriarcha Patriarcha (MS Add. 7078) Cambridge University Library Patriarcha (MS 413) University of Chicago Library

1b) Editionen von Filmers Patriarcha Patriarcha, or the Natural Power of Kings, London 1680. Patriarcha, or the Natural Power of Kings, in: R. Filmer, Political Discourses of Sir Robert Filmer, London 1680, S. 1–141. Patriarcha, or the Natural Power of Kings, London 1685. Two Treatises of Civil Government by John Locke. Preceded by Sir Robert Filmer’s Patriarcha, hg. v. H. Morley, London 1884 [weitere Auflagen 1887 und 1903]. Patriarcha oder Die natürliche Gewalt der Könige, hg. und übersetzt v. H. Wilmans, Halle [1906]. Patriarcha, in: Patriarcha and other Political Works of Sir Robert Filmer, hg. v. P. Laslett, Oxford 1949, S. 49–126. Robert Filmer y John Locke, Patriarca o el poder natural de los reyes y Primer libro sobre el gobierno, übersetzt und hg. v. C. Gutierrez de Gambra, Madrid 1966. Patriarca o il potere naturale dei Re, hg. und übersetzt v. L. Pareyson, Turin 1968. Patriarcha, in: Patriarcha and other Writings, hg. v. J. P. Sommerville, Cambridge 1991, S. 1–68. Franck Lessay, Le débat Locke-Filmer, avec la traduction du Patriarche et du Premier traité du gouvernement civil, Paris 1998, S. 143–257. Patriarca o el poder natural de los reyes, hg. und übersetzt v. J. Udi, Bernal, Editorial de la Universidad Nacional de Quilmes (in Vorbereitung).

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F I L M E R S L E BEN U N D W E R K E

1588 Geburt Filmers (das genaue Geburtsdatum ist nicht bekannt). 1603 Königin Elizabeth Tudor stirbt am 24. März. Der Sohn der schottischen Königin Maria Stuart, James, der ab 1567 schottischer König (James VI.) war, wird am 24. März als James I. zum englischen König gekrönt. 1604 Filmer immatrikuliert am Trinity College, Cambridge. 1605 Filmer tritt in Lincoln’s Inn ein. Der sogenannte Gunpowder Plot wird aufgedeckt. Katholische Fanatiker hatten mit dieser Verschwörung beabsichtigt, durch einen Sprengstoffanschlag James VI./I. und das Parlament zu beseitigen. 1606 Das englische Parlament beschließt, dass diejenigen Katholiken, die den Oath of Allegiance (in dem der Anspruch des Papstes bestritten wird, Könige absetzen zu können) nicht leisten, bestraft werden können. 1607 James VI./I. veröffentlicht zunächst anonym eine Verteidigung des Oath of Allegiance gegen katholische Kritiker (Triplici Nodo, Tripley Cuneus, Or an Apologie for the Oath of Allegiance). 1610 König Heinrich IV. von Frankreich wird am 14. Mai von dem katholischen Fanatiker François Ravaillac umgebracht. 1613 Der Jesuit Francisco Suárez veröffentlicht die Schrift Defensio Fidei Catholicae, in der er die Ideen von James I. angreift. Sein Buch wird in London öffentlich verbrannt. 1617 Veröffentlichung der Werke von James I. (1616 erscheint auf dem Titelblatt). 1618 Im Mai Ausbruch der Revolte in Böhmen gegen die Herrschaft der Habsburger, mit der der Dreißigjährige Krieg

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Filmers Leben und Werke

beginnt. Am 8. August heiratet Filmer Ann Heton. Das Paar lebt in Westminster. 1619 Der Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, Schwiegersohn von James VI./I., wird zum König von Böhmen gekrönt (Winterkönig). 1622 James VI./I. löst am 6. Januar (27. Dezember 1621 nach dem Kalender alter Rechnung) das Parlament auf. 1625 James VI./I. stirbt am 27. März. Am gleichen Tag wird Charles I. neuer König von England, Schottland und Irland. 1628 Beschwerden gegen die königliche Politik. Das Unterhaus (House of Commons) veröffentlicht eine Petition of Right, mit der u. a. versucht wird, Extrasteuern, die ohne das Parlament verabschiedet wurden, als rechtswidrig zu unterbinden. Offiziell nimmt Charles I. diese Petition an, versucht aber zugleich, sie zu umgehen. 1629 Erneuter Konfl ikt zwischen dem House of Commons und dem König. Charles löst das Parlament auf und regiert die folgenden elf Jahre ohne Parlament. 1632 In einem Patentbrief (10. Februar) von König Charles I. wird Filmer die Erbschaft des Landgutes seines Vaters in East Sutton in der Grafschaft Kent erlaubt. 1637 Charles versucht ein neues Gebetsbuch in Schottland einzuführen, was zur Rebellion der Schotten gegen ihn führt. 1639 Erster Schottischer Krieg gegen England. Da es Charles I. nicht gelingt, die Rebellion zu unterdrücken, ist er 1640 genötigt, in England ein neues Parlament einzuberufen, um die fi nanziellen Mittel zu erhalten, die für den Krieg in Schottland nötig sind. 1640 Das Short Parliament tagt vom 13. April bis zum 5. Mai. Politische Unruhen in England und zweiter Schottischer Krieg. Am 3. November 1640 tritt das Long Parliament zusammen, das seinen Namen der Tatsache verdankt, dass ein Act of Parliament verfügt, dass das Parlament nur durch Zustimmung seiner Mitglieder aufgelöst werden kann. Die Mitglieder des Parlaments stimmen der Auflösung aber erst

Filmers Leben und Werke

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nach dem englischen Bürgerkrieg gegen Ende des Interregnums zu. Das Parlament wird offiziell erst am 16. März 1660 aufgelöst. 1642 Ausbruch des englischen Bürgerkriegs. Henry Parkers Observations upon some of his Majesties late Answers erscheint. Die Kontroverse über die Frage der königlichen Herrschaft und ähnliche politische Fragen führt zum Schlagabtausch in zahlreichen Pamphleten. Auch Thomas Hobbes’ De Cive erscheint in Paris als Privatdruck und wird unter den Gelehrten um den Kreis von Mersenne verteilt und diskutiert. 1643 Filmer wird verhaftet und für mehrere Monate durch die Parlamentarier gefangen gesetzt. 1646 Die Kapitulation von Charles I. beendet den englischen Bürgerkrieg. 1647 Publikation von Filmers Of the Blasphemie against the Holy Ghost. 1648 »Zweiter Bürgerkrieg« – Kurze Phase royalistischer Aufstände und Offensive schottischer Kampfverbände. Das Parlamentsheer kann schnell die Kontrolle wieder herstellen. Publikation ohne Autorennnennung von Filmers Schrift The Free-holders Grand Inquest, in der er sich mit den Argumenten von Cooke, Prynne und anderen auseinandersetzt und für die Monarchie eintritt. Im gleichen Jahr erscheinen auch, ebenfalls zunächst anonym, The Anarchy of a limited or mixed monarchy und The Necessity of the Absolute Power of all Kings: And in particular of the King of England. Letztere Schrift ist eine Sammlung von Zitaten aus der 1606 von Richard Knolles verfassten englischen Übersetzung von Jean Bodins Six Livres de la République. 1649 Verurteilung und Hinrichtung Charles I., England wird zunächst republikanisch und dann unter Cromwells Protektorat autokratisch, quasi-monarchisch regiert. 1650 Von der gesamten männlichen Bevölkerung in England

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Filmers Leben und Werke

wird verlangt, öffentlich Treue gegenüber dem Commonwealth zu erklären (Engagement). 1651 Veröffentlichung von Miltons Pro Populo Anglicano. Auch Hobbes’ Leviathan erscheint in London, die englischen Monarchisten im französischen Exil sehen in diesem Werk einen Verrat an der Monarchie. 1652 Filmer veröffentlicht die Schrift Observations concerning the Originall of Government, in der er Hobbes, Milton und Grotius kritisiert. Hobbes kehrt aus dem französischen Exil nach London zurück. Im gleichen Jahr werden Filmers Observations upon Aristotles Politiques publiziert. 1653 Filmer publiziert: An Advertisement to the Jurymen of England, Touching Witches. Together with A Difference between An English and Hebrew Witch und Quaestio Quodlibetica, or A Discourse, Whether it may bee Lawfull to take Use For Money. Filmer stirbt im Mai. 1660 Restauration der Stuarts – England wird erneut eine Mo narchie unter Charles II. 1666 Vom 2.–5. September der »große Brand« von London, bei dem ein Großteil der City zerstört wird. 1679 Hobbes stirbt am 4. Dezember. Veröffentlichung der gesammelten Werke Filmers. In dieser Ausgabe fehlen allerdings Patriarcha und The Necessity of the Absolute Power of all Kings. 1679-81 Die sogenannte Exclusion Crisis: Abgeordnete des House of Commons versuchten, angeführt von Anthony Ashley-Cooper, 1. Earl of Shaftesbury, den katholischen Bruder von Charles II., James den Herzog von York, per Gesetz von der Thronfolge auszuschließen. 1680 Die erste Veröffentlichung von Patriarcha. 1683 Der sogenannte Rye House Plot, bei dem die Ermordung Charles II. und seines Bruders James geplant ist. Die Verschwörung wird aufgedeckt und scheitert. Führende Köpfe wie Algernon Sidney werden zum Tode verurteilt. Mit dem Judgement and Decree of the University of Oxford wird

Filmers Leben und Werke

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ebenfalls scharf auf den Rye House Plot reagiert. Die politischen Schriften von Buchanan, Bellarmine, Hunton, Milton, Owen, Baxter, Hobbes und anderen werden in Oxford im Innenhof der Bodelain Library öffentlich verbrannt. 1684 Bohun veröffentlicht eine kleine Schrift: A Defence of Sir Robert Filmer, against the Mistakes and Misrepresentations of Algernon Sidney, in der er Filmer gegen Sidney verteidigte. 1685 Veröffentlichung einer verbesserten Ausgabe von Patriarcha.

»Patriarcha« oder

Die natürliche Gewalt der Könige verteidigt gegen die unnatürliche Gewalt des Volkes1 von dem gelehrten Sir Robert Filmer »Libertas … populi, quem regna coercent Libertate perit …« Lucanus, Lib. III. 2 »Fallitur egregio quisquis sub principe credit Servitium; nunquam libertas gratior extat Quam sub rege pio …« Claudianus. 3

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K A PI T E L 1 Die ersten Könige waren Väter von Familien. |

(1.) Seit der Zeit, als die scholastische Theologie zu blühen anfing, hat sowohl bei Theologen als auch bei anderen Gelehrten allgemein folgende Ansicht bestanden: Die Menschheit wird von Natur frei von jeder Dienstbarkeit geboren und ist frei, nach eigenem Belieben eine Regierungsform zu wählen; und dass die Gewalt, die ein Einzelner über andere besitzt, ihm zuerst nach dem Gutdünken der Menge übertragen worden sei. Dieser Lehrsatz wurde zuerst in den Schulen4 aufgestellt und ist später von allen nachfolgenden Papisten als gute Gotteslehre beibehalten worden. Auch die Theologen der reformierten Kirchen haben ihn übernommen, und begierig ergreift ihn allenthalben, als am meisten einleuchtend für Fleisch und Blut, das gemeine Volk; denn freigiebig verschenkt er einen Teil von Freiheit selbst an den Niedrigsten der Menge, die die Freiheit verherrlicht, als ob die Höhe menschlichen Glücks allein in ihr gefunden werden könnte, ohne zu bedenken, dass das Verlangen nach Freiheit der Grund von Adams Fall gewesen ist. | Aber wenn auch diese volkstümliche Anschauung in neuerer Zeit zu großem Ruf gelangt ist, so kann sie doch weder bei den Kirchenvätern noch bei den Lehrern der Alten Kirche gefunden werden. Sie widerspricht der Lehre und der Geschichte der Heiligen Schrift, dem beständigen Brauch aller alten Monarchien und selbst den Prinzipien des Naturrechts. Es ist schwer zu sagen, was größer ist, ihr theologischer Irrtum oder ihre politische Gefahr. Und dennoch haben auf Grund dieser Lehre Jesuiten sowohl als auch eifrige Anhänger der Genfer Schule5 eine gefährliche Schlussfolgerung konstruiert, nämlich: »das Volk oder die Menge hat die Macht, den Fürsten zu strafen oder abzusetzen, sobald er die Gesetze des Königreichs überschreitet«. Dies bezeugen Parsons und Buchanan. Der erstere sucht unter

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Kapitel I

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dem Namen Dolmans im dritten Kapitel seines ersten Buches nachzuweisen, dass Fürsten rechtmäßig durch das Volk gestraft worden sind6; der andere behauptet in seinem Buch »De jure regni apud Scotos« die Freiheit des Volkes, den Fürsten abzusetzen.7 Kardinal Bellarmin8 und Calvin9 schielen beide nach dieser Richtung. Diese verwegene Behauptung, nach welcher Könige den Maßregelungen und der Absetzung durch ihre Untertanen unterworfen sein sollen, folgt nach der Auffassung ihrer Urheber als notwendige Konsequenz aus dem vorhergehenden Lehrsatz von der angeblichen natürlichen Gleichheit der Menschen und ihrer Freiheit, die Regierungsform nach eigenem Gefallen zu wählen. Und obwohl Sir John Heywood10 , Adam Blackwood11, John Barclay12 und einige andere Buchanan und Parsons mit Aufwand großer Gelehrsamkeit widerlegen und das Recht der Könige in den meisten Punkten entschlossen verteidigen, so nehmen sie dennoch alle, sobald sie zu dem aus der natürlichen Freiheit und Gleichheit der Menschen hergeleiteten Schluss gelangen, ihn als unbestreitbare Wahrheit einstimmig an, ohne ihn auch nur einmal anzugreifen oder zu verneinen, während, wenn sie nur dieses erste irrige Prinzip widerlegten, der ganze Bau dieser ungeheuren Maschine öffentlicher Aufruhr in sich selbst zusammenfallen würde. Die aufrührerischen Folgen, die sich aus diesem ersten Artikel von der natürlichen Freiheit der Menschheit ergeben, gewähren mir ein hinlängliches Recht, seine ursprüngliche Richtigkeit zu prüfen. Vieles ist von vielen zu ihrer Bejahung gesagt worden; die Billigkeit erfordert, dass auch die Verneinung ein Ohr finde. Dreierlei werde ich in dieser Abhandlung zu vermeiden suchen: Erstens werde ich mich nicht in Staatsgeheimnisse mischen, in solche »arcana imperii« [Staatsgeheimnisse] oder Beratungen des Kabinetts, | in die der gemeine Mann nicht hineinspähen soll. Ein stillschweigendes, unbedingtes Vertrauen wird dem

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gewöhnlichsten Handwerker für sein Handwerk geschenkt; um wie viel mehr gebührt es einem Fürsten in den tiefen Geheimnissen seiner Regierung! Die Ursachen und Ziele der größten politischen Ereignisse und Staatshandlungen blenden die Augen und übersteigen die Fähigkeiten aller, ausgenommen derjenigen, die stündlich mit öffentlichen Angelegenheiten zu tun haben. Und doch, da die Regel zu wissen, worin ein jeder dem Fürsten zu gehorchen hat, nicht gelernt werden kann, ohne eine entsprechende Kenntnis derjenigen Punkte, in denen der Souverän befehlen darf, ist es notwendig, dass, wenn die Befehle der Oberen kundgegeben werden und Gehorsam fordern, jedermann selbst sein Handeln oder Dulden zu bemessen wisse. Denn je nach Beschaffenheit des befohlenen Dinges ist ein aktiver oder ein passiver Gehorsam zu leisten, und dies nicht, um die Macht des Fürsten zu begrenzen, sondern die Ausdehnung des Gehorsams der Untertanen, indem dem Kaiser gegeben wird, was des Kaisers ist etc. Zweitens will ich die Rechte oder Freiheiten unserer oder irgendeiner anderen Nation weder bezweifeln noch bestreiten. Meine Aufgabe ist hauptsächlich zu untersuchen, woher diese zuerst entsprungen sind; nicht zu erörtern, welche und wie viele diese sind, sondern ob sie aus dem Recht natürlicher Freiheit oder aus der Gnade und Güte der Fürsten abzuleiten sind. Ich hoffe und wünsche, dass das Volk Englands so weitgehende Rechte genieße wie irgendeine Nation unter dem Himmel. Die größte Freiheit in der Welt, wenn sie recht verstanden wird, ist für ein Volk die, unter einem Monarchen zu leben. Es ist die Magna Carta unseres Königreichs.13 Alle anderen Zeichen oder Vorspiegelungen von Freiheit sind nur verschiedene Grade von Knechtschaft, eine Freiheit, die Freiheit zu vernichten. Wenn diejenigen, welche die natürliche Freiheit der Menschheit behaupten, es übel empfi nden, dass ich mir die Freiheit nehme, sie zu untersuchen, so mögen sie sich hüten, im Kleinen nicht jene Freiheit zu verneinen, die sie im Großen bejahen. Denn wenn die These richtig ist, wird auch die Hypothese folgen14, dass alle Menschen berechtigt sind, ihre eigenen Urkun-

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Kapitel I

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den, Titel oder sonstigen Beweismittel zu prüfen, kraft derer sie die Erbschaft und den Besitz ihrer Freiheiten in Anspruch nehmen und festhalten. Drittens soll mir fern bleiben, den Wert aller jener Gelehrten zu schmälern, die in dem Punkt natürlicher Freiheit entgegengesetzter Meinung sind. Der tiefste Denker, der je gelebt, ist nicht imstande gewesen, jede entdeckbare Wahrheit aufzufinden, weder Aristoteles in der Philosophie noch Hooker15 in der Theologie. Sie sind eben nur Menschen, doch verehre ich ihr Urteil in den meisten Punkten und bekenne, dass ich ihnen auch für ihre Irrtümer verpfl ichtet bin. Manches, was ich in ihren Anschauungen unrichtig fand, hat mich zur Entdeckung jener Wahrheit geführt, die | ihnen (nach meiner Überzeugung) entging. Ein Zwerg mag zuweilen sehen, was ein Riese übersieht16 , denn während einer Wahrheit emsig nachgespürt wird, muss eine andere notwendigerweise vernachlässigt werden. Neuere Schriftsteller haben auf Treu und Glauben zu viel von spitzfi ndigen Scholastikern übernommen, die beabsichtigten, den König dem Papst unterzuordnen, und es für den geeignetsten Weg hielten, um dieses Ziel zu erreichen, das Volk über den König zu stellen, da so die päpstliche Gewalt einfacher an die Stelle der königlichen gesetzt werden konnte. Auf diese Weise ist manch ein törichter Untertan zu dem Glauben verführt worden, dass ein Mann durch Verrat an seinem Fürsten zum Märtyrer seines Landes werden könne, wie auch die neu aufgekommene Unterscheidung der Untertanen in Royalisten und Patrioten im höchsten Grade unnatürlich ist; denn die Beziehung zwischen König und Volk ist so eng, dass ihr Wohl sich gegenseitig bedingt. 2. Um den Grund dieser Frage über die natürliche Freiheit der Menschen klar zu machen, will ich einige Sätze des Kardinals Bellarmin anführen, die am besten den Stand der Kontroverse offenlegen werden. »Weltliche oder staatliche Gewalt«, sagt er, »ist durch Menschen eingesetzt worden; sie liegt beim Volke, wenn dieses sie nicht einem Fürsten überträgt. Diese Gewalt

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liegt unmittelbar beim ganzen Volke wie auch bei seinen Einzelwesen; denn sie liegt im göttlichen Gesetz. Das göttliche Gesetz aber hat diese Gewalt keinem besonderen Menschen gegeben; wenn also das positive Gesetz wegfällt, ist kein Grund vorhanden, weshalb unter einer Menge, die gleich ist, einer eher als ein anderer über die Übrigen herrschen sollte. Gewalt wird durch die Menge einem einzelnen Menschen oder mehreren nach demselben Naturrecht gegeben; denn die Gesamtheit vermag sie nicht auszuüben und ist deshalb gezwungen, sie einem Einzelnen oder einigen Wenigen zu übertragen. Von der Zustimmung der Menge hängt es ab, einen König über sich einzusetzen oder einen Konsul oder andere Beamte; und wenn ein rechtmäßiger Grund vorliegt, darf die Menge das Königreich umwandeln in eine Aristokratie oder eine Demokratie«. So weit Bellarmin. In diesen Sätzen ist der Kern von allem enthalten, was ich über die natürliche Freiheit der Untertanen je gehört oder gelesen habe. Bevor ich diese Lehren prüfe oder widerlege, muss ich einige Bemerkungen über ihren Wortlaut machen: Erstens sagt er, dass nach dem Gesetz Gottes die Gewalt unmittelbar beim Volke liege. Hierdurch macht er Gott zum unmittelbaren Schöpfer | eines demokratischen Staates, denn eine Demokratie ist nichts anderes als die Gewalt der Menge. Wenn dies richtig ist, sind nicht nur alle Aristokratien, sondern auch alle Monarchien ungesetzlich, da sie von Menschen (wie er meint) eingesetzt wurden, Gott selbst aber eine Demokratie gewählt hatte. Zweitens behauptet er, dass, obwohl eine Demokratie die Verordnung Gottes sei, das Volk dennoch keine Macht habe, von der Gewalt, die Gott ihm gegeben, Gebrauch zu machen, sondern nur die Macht, seine Gewalt wegzugeben. Daraus folgt, dass es keine demokratische Regierung geben kann, weil, wie er sagt, das Volk »die Gewalt an einen Einzelnen oder einige Wenige abtreten muss«. Das ergibt entweder einen königlichen oder einen aristokratischen Staat, und das Volk ist so zu handeln gezwungen eben nach demselben Naturrecht, das ihm

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Kapitel I

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ursprünglich die Gewalt verlieh. Weshalb aber sagt er dann, dass das Volk das Königreich in eine Demokratie verwandeln dürfe? Drittens schließt er, dass, »wenn ein rechtmäßiger Grund vorliegt, das Volk das Königreich in eine Aristokratie oder Demokratie umändern darf«. Hier möchte ich gern wissen, wer über diesen rechtmäßigen Grund entscheiden soll? Wenn die Menge (und ich sehe keinen anderen, der es könnte), dann ist es eine gefährliche und verderbliche Folgerung. 3. Ich gehe nun an die Prüfung des von Bellarmin benutzten Arguments, des einen und einzigen, das ich bei meinem Autor als Beweis für die natürliche Freiheit des Volkes finden kann. Es ist so gefasst: Dass Gott die Gewalt gegeben oder eingesetzt hat, beweist die Heilige Schrift; aber Gott hat sie keiner bestimmten Person gegeben, weil von Natur alle Menschen gleich sind; deshalb hat er sie dem Volk oder der Menge gegeben. Um diesen von der natürlichen Gleichheit der Menschen hergeleiteten Schluss zu beantworten, will ich zunächst die Hilfe Bellarmins selbst benutzen, der wörtlich Folgendes sagt: »Wenn viele Männer zusammen aus der Erde erschaffen worden wären, so hätten sie alle Fürsten über ihre Nachkommenschaft sein müssen.«17 In diesen Worten haben wir ein klares Zugeständnis, dass die Schöpfung den Mann zum Fürsten über seine Nachkommenschaft gemacht hat. Und in der Tat haben nicht nur Adam, sondern auch die nachfolgenden Patriarchen durch das Recht der Vaterschaft königliche Gewalt über ihre Kinder besessen. Bellarmin wagt auch nicht, dies zu leugnen. »Dass die Patriarchen«, sagt er, »mit königlicher Gewalt ausgestattet waren, bezeugen ihre Taten, denn wie Adam Herr war über seine Kinder, so hatten unter ihm seine Kinder Macht und Gewalt über ihre eigenen Kinder, immerhin aber mit Unterordnung unter den ersten Vater, der als Großvater | seines Volkes oberster Herr ist über seine Kindeskinder in allen Generationen«. Ich sehe nicht, wie dann die Kinder Adams oder irgendeines anderen Menschen frei sein können von Untertänigkeit gegen

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die Eltern.18 Und da diese Untertänigkeit der Kinder durch Verordnung Gottes selbst die einzige Quelle aller königlichen Autorität ist, so folgt, dass staatliche Gewalt nicht nur im Allgemeinen, sondern selbst ihre Überweisung an die ältesten Eltern im Besonderen durch göttliche Institution besteht. Dies beseitigt die neue und landläufige Unterscheidung, die Gott nur eine universale und absolute Gewalt überlässt, die spezielle aber, die Form der Regierung betreffende Gewalt, der Wahl des Volkes. 4. Die Herrschaft, die Adam durch die Schöpfung über die ganze Welt besaß und die Patriarchen durch von ihm stammendes Recht ausübten, war so groß und weitreichend wie die absoluteste Herrschaft, die je ein Monarch seit Erschaffung der Welt innegehabt hat. So finden wir, in Bezug auf Gewalt über Leben und Tod, dass Juda, der Vater, über Thamar, seine Schwiegertochter, das Todesurteil verhängte, weil sie die Hure gespielt: »Bringet sie hervor, dass sie verbrannt werde«.19 Den Krieg betreffend sehen wir, dass Abraham ein Heer von dreihundertachtzehn Soldaten seines eigenen Hauses20 befehligte und Esau seinem Bruder Jakob mit vierhundert Bewaffneten 21 entgegen zog. In Angelegenheiten, die den Frieden berühren, schloss Abraham ein Bündnis mit Abimelech und bekräftigte es durch einen Eid. 22 Diese Handlungen, über Todesverbrechen das Urteil zu sprechen, Krieg zu führen und Frieden zu schließen, sind die wichtigsten Merkmale der Souveränität jedes Monarchen. 5. Nicht nur bis zur Sintflut, sondern auch nach ihr hat die patriarchalische Herrschaft fortgedauert, wie zum Teil schon der Name Patriarch beweist. Unter die drei Söhne Noahs wurde die ganze Welt durch ihren Vater verteilt, und über die ganze Welt breiteten sie sich aus nach dem ihm und seinen Söhnen gegebenen Segen: »Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet die Erde.«23 Die meisten zivilisierten Nationen der Erde bemühen sich, ihre Abstammung von irgendeinem der Söhne oder Neffen Noahs herzuleiten, die nach der Verwirrung von Babel

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zerstreut wurden. In dieser Zerstreuung müssen wir sicherlich die Einsetzung königlicher Gewalt in allen Königreichen der Welt finden. Man ist allgemein der Ansicht, dass bei der Sprachverwirrung zweiundsiebzig verschiedene Nationen begründet wurden. Alle diese waren aber nicht verworrene | Mengen ohne Häupter und Führer, frei, Führer und Regierung nach Belieben zu wählen, sondern es waren verschiedene Familien, die Väter zu Herrschern hatten, und daraus erhellt, dass selbst bei der Verwirrung Gott Sorge trug, die väterliche Gewalt aufrechtzuerhalten, indem er die Verschiedenheit der Sprachen nach der Verschiedenheit der Familien verteilte. Dies geht klar aus dem Text hervor. Zuerst, nach Aufzählung der Söhne Japhets, heißt es am Schluss: »Von diesen sind ausgebreitet die Inseln der Heiden in ihren Ländern, jegliche nach ihrer Sprache, ihren Geschlechtern und Völkerschaften.«24 Weiter heißt es: »Dieses sind die Söhne Hams nach ihren Familien, nach ihrer Sprache, in ihren Ländern und Geschlechtern.«25 Und ebenso lesen wir: »Dieses sind die Söhne Sems nach ihren Familien, nach ihrer Sprache, in ihren Ländern und Geschlechtern«. »Das sind nun die Nachkommen der Kinder Noahs in ihrer Geschlechterfolge nach ihren Völkern. Von ihnen zweigten sich nach der Flut die Völker der Erde ab.«26 Manche glauben, dass Noah zu dieser Verteilung der Welt sich des Loses bedient hat; andere behaupten, er sei in zehn Jahren über das Mittelmeer gesegelt, habe jedem seiner Söhne seinen Teil zugewiesen und so die Teilung der damals bekannten Welt nach der Zahl seiner Söhne in Asien, Afrika und Europa, deren Grenzen sämtlich am Mittelmeer liegen, ausgeführt. 6. Aber so ungewiss die Art der Verteilung auch sein mag, sicher ist jedenfalls, dass sie nach den Familien Noahs und seiner Kinder, über die die Väter Häupter und Herrscher waren, gemacht wurde. Zu diesen gehörte Nimrod, der unzweifelhaft, wie Sir Walter Raleigh bestätigt 27, durch gutes Recht Herr oder König

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über seine Familie war, aber gegen das Recht sein Reich dadurch vergrößerte, dass er die Rechte anderer Familienhäupter gewaltsam an sich riss. In diesem Sinne darf er der Urheber und erste Begründer der Monarchie genannt werden. Und alle diejenigen, welche ihm die ursprüngliche königliche Gewalt beilegen, behaupten auch, dass er sie durch Tyrannei oder Usurpation erlangte und nicht durch irgendeine Wahl durch das Volk oder die Menge, noch durch irgendeinen Vertrag. Wie diese patriarchalische Gewalt bei Abraham, Isaak und Jakob selbst bis zur ägyptischen Herrschaft fortdauerte, so finden wir sie auch bei den Söhnen Ismaels und Esaus. Es heißt: »Dies sind die Kinder Ismaels mit ihren Namen, in ihren Höfen und Städten, zwölf Fürsten | über ihre Leute.«28 »Also hießen die Fürsten von Esau in ihren Geschlechtern, Örtern und Namen.«29 7. Manche mögen vielleicht meinen, dass diese Fürsten und Anführer von Familien nur unbedeutende Herren unter größeren Königen gewesen seien, weil sie so zahlreich waren, dass das Gebiet jedes Einzelnen nur klein und des Namens eines Königreichs nicht wert sein konnte. Sie sollten aber bedenken, dass anfangs die Könige nicht so ausgedehnte Herrschaften besaßen wie heute. Wir fi nden zur Zeit Abrahams, etwa dreihundert Jahre nach der Sintflut, dass sich in einem kleinen Winkel Asiens neun Könige gleichzeitig in der Schlacht begegneten, von denen die meisten nur Könige einer Stadt mit dem angrenzenden Gebiet waren, wie Sodom, Gomorrha, Shinar etc. In demselben Kapitel wird Melchisedek, König von Salem, erwähnt, das nichts anderes war als die Stadt Jerusalem. 30 Und in dem Verzeichnis der Könige von Edom wird der Name der Stadt jedes Königs angegeben als einziges Kennzeichen zur Unterscheidung ihrer Gebiete. 31 Im Lande Kanaan, das nur von kleinem Umfang war, vernichtete Josua einunddreißig Könige32 , und um dieselbe Zeit hatte Adonibesek zweiundsiebzig Könige, denen er die Hände und Zehen abgeschnitten hatte und die er unter seinem Tisch füttern ließ. 33 Einige Jahre später

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kommen zweiunddreißig Könige zu Ben-Hadad, König von Syrien 34, und ungefähr siebzig Könige von Griechenland zogen in den trojanischen Krieg. Caesar fand in Frankreich mehr Könige, als es jetzt Prinzen gibt, und bei seiner Ankunft auf unserer Insel vier Könige in der jetzigen Grafschaft Kent. 35 Diese Mengen von Königen in jeder Nation sind ein Argument dafür, dass ihre Gebiete nur klein waren, und bestätigen unsere Behauptung, dass die Errichtung von Königreichen anfangs nur aus der Unterscheidung von Familien hervorgegangen ist. Die patriarchalische Regierung lässt sich auf deutlichen Spuren bis zum Zuge der Israeliten nach Ägypten verfolgen, wo sie in die Abhängigkeit eines stärkeren Fürsten gerieten und die oberste patriarchalische Gerichtsbarkeit deshalb unterbrochen wurde. Nach der Rückkehr der Israeliten aus der Knechtschaft wählte Gott, aus besonderer Fürsorge für sie, Moses und nach diesem Josua, um als Fürsten an Stelle der ältesten Väter zu regieren; und nach ihnen, gleichfalls für eine Zeit, berief Er die Richter, Sein Volk in Zeiten der Gefahr zu schützen. Als Gott aber den Israeliten Könige gab, stellte Er das alte, ursprüngliche Recht der Lineal-Nachfolge von der patriarchalischen Regierung wieder her. 36 Wenn Er aber | irgendeine besondere Person zum König einsetzte, beabsichtigte Er, dass auch die Nachkommenschaft den Vorteil genießen solle, wie es, wenn auch der Vater allein namhaft gemacht wurde, schon in der Persönlichkeit des Vaters hinlänglich inbegriffen war. 8. Es mag absurd erscheinen, zu behaupten, dass Könige jetzt die Väter ihres Volkes sind, denn die Erfahrung beweist das Gegenteil. Allerdings, die Könige sind nicht die natürlichen Väter ihrer Untertanen, aber sie sind alle oder sind wenigstens anzusehen als die nächsten Erben jener ersten Vorfahren, die ursprünglich die natürlichen Eltern des ganzen Volkes waren, und folgen in deren Recht, die oberste Gerichtsbarkeit auszuüben. Und solche Erben sind nicht allein Herren über ihre eigenen Kinder, sondern auch über ihre Brüder und alle anderen, die

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ihren Vätern untertan waren. Und deshalb finden wir, dass Gott Kain von seinem Bruder Abel sagte: »Sein Wille soll dir untertan sein und du sollst über ihn herrschen«. 37 Entsprechend, als Jakob seines Bruders Erstgeburtsrecht kaufte, segnete ihn Isaak und sprach: »Sei Herr über deine Brüder und deiner Mutter Kinder müssen sich vor dir verneigen«. 38 Solange die ersten Väter der Familien lebten, gehörte der Name Patriarch füglich nur ihnen. Nach wenigen Generationen indessen, als die erste Vaterschaft erloschen war und nur das Recht des Vaters auf den rechtmäßigen Erben überging, wurde der Titel Fürst oder König aussagekräftiger, um die Gewalt desjenigen auszudrücken, der nur in den Rechten jener Vaterschaft folgte, die seine Vorfahren von Natur besessen hatten. Auf diese Weise geschieht es, dass so manches Kind, dadurch dass es auf einen König folgt, das Recht eines Vaters über eine grauköpfige Menge und den Titel eines pater patriae besitzt. 39 9. Man mag fragen, was aus dem Recht der Vaterschaft wird, falls die Krone mangels eines Erben erledigt wird, ob es dann nicht an das Volk zurückfällt? Die Antwort ist: 1. Nur aus Nachlässigkeit oder Unwissenheit des Volkes geht die Kenntnis des wahren Erben verloren, denn es ist immer ein Erbe vorhanden. Wenn Adam selbst noch lebte und sich jetzt zu sterben bereitete, so gäbe es sicherlich einen Mann, und zwar nur einen in der Welt, der sein nächster Erbe ist, wenn auch die Kenntnis dieses einen Mannes gänzlich verloren gegangen sein sollte. 2. Diese Unwissenheit des Volkes zugestanden, folgt aber keineswegs, dass mangels eines Erben die höchste Gewalt an das Volk zurückfällt und dass dieses die Macht hat, zu herrschen oder sich die Herrscher zu wählen, wie es ihm gefällt. Nein: Die königliche Gewalt fällt in | solchen Fällen an die Prinzen und unabhängigen Familienhäupter; denn jedes Königtum wird auf jene Teile zurückgeführt, aus denen es ursprünglich gebildet wurde. Aus der Vereinigung großer Familien oder kleinster Königreiche wurden die großen Monarchien zuerst

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errichtet und in solche, als in ihren ursprünglichen Zustand, kehren sie oft zurück. Und da die Abstammung von alten Familien oft dunkel oder der Kenntnis entschwunden ist, hat die Weisheit aller oder der meisten Fürsten es für zweckmäßig gehalten, diejenigen zu Familienhäuptern oder Fürsten von Provinzen zu erheben, deren Verdienste, Fähigkeiten oder Besitz sie auszeichneten und sie deshalb dieser königlichen Gunstbezeugungen würdig machten. Alle diese höchsten Häupter und Väter haben die Macht, ihre väterlichen Rechte souveräner Autorität zu vereinigen und nach Gutdünken auf einen anderen zu übertragen, und der so Erwählte nimmt seine Gewalt nicht als ein Geschenk des Volkes in Anspruch, sondern als Eingesetzter Gottes, von dem er, bestätigt durch die Mitwirkung der Häupter des Volkes, die königlichen Vorrechte eines Vaters aller empfängt. Wenn es Gott gefällt, zur Züchtigung der Fürsten oder zur Bestrafung des Volkes zuzulassen, dass durch Empörung des Adels oder Aufruhr des Volkes Fürsten gestürzt und andere an ihre Stelle gesetzt werden, so ist in allen solchen Fällen der Richterspruch Gottes, der die Macht hat, Königreiche zu geben und zu nehmen, der gerechteste. Die Mitwirkung der Menschen aber, die Gottes Urteil vollstrecken, ohne beauftragt zu sein, ist sündhaft und zu verdammen. Gott benutzt nur der Menschen ungerechte Handlungen und wandelt sie zur Vollbringung Seiner eigenen gerechten Beschlüsse. 10. In allen Königreichen oder Staaten der Welt, gleichviel ob der Fürst der oberste Vater des Volkes oder nur der rechtmäßige Erbe eines solchen Vaters ist, ob er die Krone durch Usurpation oder durch die Wahl der Edlen oder des Volkes oder auf irgendeine andere Weise erlangt, ob einige wenige oder eine Menge den Staat regiert, die Autorität, die bei einem oder bei vielen oder bei allen liegt, ist immer die einzig richtige und natürliche Autorität eines obersten Vaters. Ein natürliches Recht eines obersten Vaters besteht über jede Menge und wird bestehen bis zum Ende der Welt, wenn auch durch den verborgenen

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Willen Gottes viele es zu Anfang auf sehr unrechtmäßige Weise erlangen und ausüben. Zur Bestätigung dieses natürlichen Rechtes der königlichen Gewalt finden wir im Dekalog, dass das Gesetz, welches Gehorsam gegen den König vorschreibt, in die Worte gefasst ist: »Ehre deinen Vater«,40 als ob alle Gewalt | ursprünglich beim Vater gelegen hätte. Wenn Gehorsam gegen die Väter unmittelbar durch das natürliche Gesetz vorgeschrieben ist, die Untertänigkeit unter den Fürsten aber [lediglich] aus der Vermittlung einer menschlichen Einrichtung, [dann ist zu fragen] was für einen Grund es gibt, dass das Naturgesetz den Gesetzen der Menschen nachstehen sollte, da wir doch sehen, dass die Macht des Vaters über sein Kind der Macht der Obrigkeit nachzugeben hat und ihr unterworfen ist? Wenn wir die natürlichen Aufgaben eines Vaters mit denen eines Königs vergleichen, finden wir, dass sie die gleichen sind ohne anderen Unterschied als den ihrer Weite und Ausdehnung. Wie der Vater über eine Familie, so sorgt der König als Vater über viele Familien für die Erhaltung, Ernährung, Kleidung, Bildung und Sicherheit des ganzen Staates. Seine Kriege, sein Frieden, seine Gerichtshöfe und alle seine Handlungen als Souverän haben kein anderes Ziel, als jedem untergebenen und niedriger stehenden Vater samt seinen Kindern ihre Rechte und Vorrechte zu erhalten und zuteilwerden zu lassen, so dass alle Pfl ichten eines Königs in einer allgemeinen väterlichen Sorge für sein Volk aufgehen.

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K A PI T EL II Es ist unnatürlich für das Volk, zu regieren oder Herrscher zu wählen.

1. Bei einem Vergleich dieser der Autorität der Heiligen Schrift entnommenen Beweise und Gründe erweist sich die Behauptung | Bellarmins und anderer von der Freiheit des Volkes, den Herrscher nach eigenem Belieben zu wählen, kaum anders als paradox. Ist den Patriarchen die Gewalt durch ihre eigenen Kinder gegeben worden? Bellarmin wagt nicht das zu sagen, sondern das Gegenteil. Wenn dann so viele Generationen hindurch die Vaterschaft diese Autorität nach dem Naturrecht ausgeübt hat, wann ging sie verloren oder wann wurde sie verwirkt oder wie fällt sie an die Freiheit der Menge zurück? Weil die Heilige Schrift der Freiheit des Volkes nicht günstig ist, nehmen viele ihre Zuflucht zu der natürlichen Vernunft und der Autorität des Aristoteles. Ich muss um die Freiheit bitten, die Ansicht dieses großen Philosophen ganz kurz untersuchen oder erklären zu dürfen. Ich fi nde folgenden Ausspruch im dritten Buch Kap. 16 seiner Politik: »es [scheint] einigen nicht einmal naturgemäß, wenn Einer, da wo der Staat aus Gleichen besteht, Herr über alle Bürger sein soll«.1 Lambin hat in der lateinischen Erläuterung dieses Textes übersehen, dieses Wort τισιν [einige] zu übersetzen, und gibt dadurch als Ansicht von Aristoteles, was Aristoteles nur als Ansicht einiger anführt. 2 Dieses unachtsame oder beabsichtigte Versehen Lambins, ein so wesentliches Wort nicht zu übersetzen, ist Anlass gewesen, viele zu täuschen, die, nicht weiter blickend als diese lateinische Übersetzung, den Schluss gezogen haben und die Welt heute noch glauben machen wollen, dass Aristoteles hier die natürliche Gleichheit der Menschheit behauptet. Nicht allein der englische Übersetzer von Aristoteles’ Politik wird dadurch, dass er Lambin folgt, an dieser Stelle irregeführt, sondern selbst der

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gelehrte Duval leistet ihm Gesellschaft in seiner Synopsis. 3 Und doch wird diese Übersetzung Lambins für die beste gehalten und ist in Paris mit Casaubons korrigierter griechischer Abschrift gedruckt, obwohl in der Wiedergabe dieser Stelle die älteren Übersetzungen gewissenhafter gewesen sind. Und dennoch wird derjenige, der den griechischen Text mit dem lateinischen vergleicht, finden, dass Casaubon gerechten Grund hat, in seiner Vorrede zu Aristoleles’ Werken zu klagen, dass die besten Übersetzungen des Aristoteles der Korrektur bedürften.4 Zum Beweis, dass in diesen Worten, die die Gleichheit | der Menschheit zu begünstigen scheinen, Aristoteles nicht sein eigenes Urteil ausspricht, sondern nur die Ansicht anderer, fi nden wir seine eigene Meinung klar dahin ausgesprochen, dass die Regierungsgewalt ursprünglich aus dem Recht der Vaterschaft entstand, was sich mit jener natürlichen Gleichheit, von der die Menschen träumen, unmöglich vertragen kann. Im ersten Buch seiner Politik stimmt er mit der Heiligen Schrift genau überein und legt folgende Grundlage für die Regierung: »Die erste aus vielen Hausständen gebildete Gemeinschaft ist das Dorf, das am natürlichsten eine Kolonie von Familien oder Milchvettern von Kindern und Kindeskindern zu sein scheint. Deshalb standen anfangs die Städte unter der Herrschaft von Königen, denn der durch Alter ehrwürdigste in jedem Hausstande ist König. Und so blieb es infolge der Verwandtschaft in den Kolonien«. 5 Und im vierten Buch seiner Politik, Kap. 2, gibt er der Institution von Königen den Titel der ersten und göttlichsten Regierungsart, indem er die Tyrannei als eine Abschweifung von der ersten und göttlichsten bezeichnet. 6 Jeder, der diese Sätze mit Bedacht abwägt, wird bei Aristoteles wenig Hoffnung finden, die natürliche Freiheit der Menge aus natürlicher Vernunft nachzuweisen. Auch vor ihm folgert der göttliche Plato, dass der Staat nichts anderes sei als eine große Familie.7 Ich weiß, dass Aristoteles über diesen Punkt mit seinem Lehrer streitet, allerdings ohne berechtigten Grund. Denn er widerspricht darin seinen eigenen Prinzipien, da beide

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darin übereinstimmen, den Ursprung der staatlichen Regierung von der ersten Regierung der Familie abzuleiten. Ohne Zweifel hat Moses’ Geschichte von der Erschaffung der Welt beide Philosophen geleitet, aus dieser die von dem Recht der ersten Eltern folgende ererbte Untertänigkeit festzustellen, nach jener Lehre des Hl. Chrysostomos: »Gott schuf die Menschheit aus einem Menschen, um der Welt zu zeigen, dass sie von einem König und nicht von einer Menge regiert werden soll«. 8 Die Unkenntnis der Schöpfung hat unter den heidnischen Philosophen zu verschiedenen Irrtümern Anlass gegeben. Polybios, der sonst ein tiefdenkender Philosoph und scharfsinniger Historiker ist, strauchelt an diesem Punkt. Denn in seinen Versuchen, den Ursprung staatlicher Gesellschaften zu ergründen, gelangt er zu der Vorstellung, dass nach einer Flut, Hungersnot oder Pestilenz die Menschen wie Viehhorden ohne jegliche Abhängigkeit voneinander zusammengelaufen seien, bis die stärksten und klügsten unter ihnen die Herrschaft über ihre Genossen erlangten, »ebenso wie es unter Stieren, Bären und Hähnen geschieht«.9 Aristoteles selbst sagt uns, ohne Rücksicht auf seine erste Lehre, dass die ersten heroischen Könige vom Volke wegen der Verdienste erwählt wurden, die sie sich um die Menge erworben hatten, teils durch Unterweisung in neuen Künsten, teils durch Kriege, | die sie für sie führten, oder durch Begründung der staatlichen Vereinigung oder durch Gebietserwerbungen, die sie unter dem Volk verteilten.10 Aristoteles hatte aber noch eine andere Vorstellung, dass nämlich die Männer, die sich weise an Geist zeigen, von Natur bestimmt sind, Herren zu sein und zu regieren, diejenigen aber, die stark an Körper sind, zu gehorchen und zu dienen.11 Dies ist indessen eine gefährliche und unsichere Lehre und nicht ohne einige Torheit. Denn wenn ein Mensch beides ist, weise und stark, was soll nach Aristoteles mit ihm geschehen? Da er weise ist, könnte er nicht dienen, und da er stark ist, könnte er nicht Herr sein. Überdies, um wie ein Philosoph zu sprechen, will die Natur, dass alle Dinge vollkommen seien an Geist sowohl als an Kraft. Narrheit oder Schwäche ent-

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steht aus einem Irrtum in der Erzeugung oder Erziehung, denn die Natur strebt nach Vollkommenheit in allen ihren Werken. 2. Der Jesuit Suárez erhebt sich gegen die königliche Autorität Adams und verteidigt die Unabhängigkeit und Freiheit des Volkes. »Durch das Recht der Schöpfung«, sagt er, »hatte Adam nur eine ökonomische Gewalt, aber keine politische. Er hatte Gewalt über sein Weib und eine väterliche Gewalt über seine Söhne, solange sie nicht frei wurden. Mit der Zeit konnte er auch Knechte und eine vollständige Familie haben und in dieser Familie eine vollkommene ökonomische Gewalt besitzen. Als aber die Familien anfingen, sich zu vermehren, die Männer sich voneinander trennten und Häupter verschiedener Familien wurden, hatten sie die gleiche Gewalt über ihre Familien. Politische Gewalt entstand erst, als die Familien begannen, sich zu einer vollkommenen Gemeinschaft zu vereinigen. Da also die Gemeinschaft weder mit der Erschaffung Adams begann noch durch seinen Willen allein, sondern durch den Willen all derjenigen, die in diese Gemeinschaft eingewilligt hatten, können wir auch nicht sagen, dass Adam natürlicherweise in jener Gemeinschaft eine politische Vorrangstellung zukam. Denn das lässt sich aus keinen natürlichen Prinzipien folgern, weil kraft des Naturrechts allein es keinem Vorfahren zusteht, auch König seiner Nachkommenschaft zu sein. Und wenn dies nicht aus den Naturprinzipien gefolgert werden kann, dürfen wir auch nicht sagen, dass Gott ihm diese Gewalt durch eine besondere Schenkung oder aus Vorsorge verliehen habe. Denn dafür gibt es weder eine Offenbarung noch ein Zeugnis der Heiligen Schrift.«12 Soweit Suárez. Da er nun Adam mit einer väterlichen Gewalt über seine Söhne ausstattet, diese Gewalt aber auf eine Familie beschränkt, scheint er sich vorzustellen, dass entweder Adams sämtliche Kinder in einem Hause und unter | einem Dach mit ihrem Vater wohnten oder dass die Kinder, sobald sie außerhalb des Hauses lebten, aufhörten, ihm untertan zu sein, und dadurch frei wurden. Ich für meinen Teil kann nicht glauben, dass Adam, auch

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wenn er der einzige Monarch der Welt gewesen wäre, einen Palast hatte, geräumig genug, einen so bedeutenden Teil seiner Kinder zu beherbergen. Wahrscheinlicher ist, dass irgendeine bescheidene Hütte oder ein Zelt ihm zur Hofhaltung diente. Es wäre unbillig, dass er einen Teil seiner Autorität hätte verlieren sollen, weil seine Kinder nicht innerhalb der Wände seines Hauses schliefen. Wenn Suárez zugestehen will, dass alle Kinder Adams zu seiner Familie gehörten, gleichviel ob sie in getrennten Wohnungen lebten oder ob ihre Wohnungen nahe beieinander oder in solcher Entfernung lagen, dass die väterlichen Befehle sie mit Leichtigkeit erreichen konnten und dass alle, die unter seinem Befehl standen, auch zu seiner Familie gehörten, selbst wenn viele ihrer Kinder und Knechte verheiratet waren und selbst auch wieder Kinder hatten, – dann sehe ich keinen Grund, weshalb, ohne in Wortklauberei zu verfallen, wir Adams Familie nicht ein Gemeinwesen nennen sollen. Da Adam neunhundertdreißig Jahre lebte und auf eine Nachkommenschaft von sieben oder acht Generationen blicken konnte, mochte er wohl aus den Kindern und ihren Nachkommen über eine Menge gebieten, die weit größer war als die vieler Gemeinwesen und Königreiche. 3. Ich weiß, dass die Politiker und Rechtsgelehrten mit dieser Bestimmung einer Familie nicht übereinstimmen, und Bodin scheint sie an einer Stelle auf ein Haus zu beschränken. Jedoch erweitert er in seiner Definition den Begriff auf alle Personen, die in dem Gehorsam eines und desselben Familienoberhauptes stehen, und hält das hebräische Wort für Familie, das von einem »Haupt«, »Fürst« oder »Herr« bedeutenden Wort abgeleitet wird, für treffender als das griechische Wort für Familie, das von οἴκοϛ, Haus, herstammt.13 Auch Aristoteles beschränkt die Familie nicht auf ein Haus, sondern nimmt an, dass sie von denen gebildet wird, die täglich miteinander verkehren, während vor ihm Charondas eine Familie »homosypioi« nannte, d. h. diejenigen, die zusammen aus einem Korb essen, und Epimenides, der Kreter, »homocapnoi«, d. h. diejenigen, die an einem

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gemeinsamen Feuer oder Rauch sitzen.14 Aber mag Suárez unter Adams Familie verstehen, was er will, wenn er nur zugibt, wie er zugeben muss, dass Adam und die Patriarchen innerhalb ihrer Häuser und Familien Gewalt hatten über Leben und Tod, über Krieg und Frieden und Ähnliches, so muss er uns wenigstens erlauben, sie Könige ihrer Häuser und Familien zu nennen. Und wenn sie das durch das Gesetz der Natur sind, welche Freiheit bleibt dann noch den Kindern zur Verfügung? | Aristoteles bezichtigt Plato und alle diejenigen der Lüge, die behaupten, politische und ökonomische Gemeinschaften seien ein und dasselbe und nicht »specie« zu unterscheiden, sondern nur »multitudine« und »paucitate«, als ob es keinen Unterschied gäbe zwischen einem großen Haus und einem kleinen Staat. Das ganze Argument, das er gegen sie vorbringt, ist folgendes: Die Gemeinschaft von Mann und Weib ist verschieden von der Gemeinschaft von Herr und Sklave, weil sie verschiedene Zwecke haben. Die Absicht der Natur in der Verbindung des Männlichen und Weiblichen ist Zeugung; aber der Zweck von Herr und Sklave ist Erhaltung. Weib und Sklave sind von Natur unterschiedene Wesen, denn die Natur arbeitet nicht wie die Messerschmiede von Delphi, sondern zu je einem Zweck schafft sie ein besonderes Mittel.15 Wenn wir dies Argument als richtig anerkennen, kann nichts anderes folgen, als dass die eheliche Gemeinschaft und die Gemeinschaft von Herr und Sklave voneinander verschieden sind. Nicht aber folgt daraus, dass ökonomische und politische Gemeinschaften es ebenfalls sind. Denn wenn es auch beweist, dass ein Hausstand aus zwei verschiedenen Gemeinschaften besteht, so folgt doch nicht, dass ein Hausstand und ein Staat verschieden sind, weil im Staat sowohl als in dem Hausstand beide Gemeinschaften angetroffen werden. Und ebenso wenig wie dieses Argument auf unseren Punkt zutrifft, vermag es zu beweisen, was es beweisen will. Denn wenn zugegeben werden sollte (was falsch ist), dass Zeugung und Erhaltung beim Individuum verschieden sind, so fallen sie

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doch in der Allgemeinheit zusammen und dienen beide zur Erhaltung der Menschheit. Wie ja auch verschiedene Sklaven sich in ihren besonderen Verrichtungen unterscheiden, der eine zu brauen, der andere zu backen hat, und sie sich dennoch in der allgemeinen Erhaltung des Haushalts vereinigen. Überdies gesteht Aristoteles zu, dass bei den Barbaren (wie er alle diejenigen nennt, die nicht Griechen sind), Weib und Sklave zusammenfallen, weil von Natur kein Barbar zu gebieten fähig ist. Den Griechen kommt es zu, über die Barbaren zu herrschen, denn von Natur sind Sklave und Barbar ein und dasselbe. Ihre Familie besteht nur aus einem Stier an Stelle des männlichen Sklaven und einem Weib als Magd, sie taugen daher nur dazu, über ihre Weiber und ihr Vieh zu gebieten.16 Endlich hätte Aristoteles, wenn es ihm beliebte, sich auch erinnern können, dass die Natur nicht immer ein Ding nur für einen Zweck schafft. Er weiß, dass die Zunge sowohl zum Sprechen dient als auch zum Schmecken. | 4. Aber um Aristoteles zu verlassen und zu Suárez zurückzukehren. Er sagt, dass Adam väterliche Gewalt über seine Söhne besaß, solange diese nicht frei wurden. Hier wünschte ich, dass der Jesuit uns zeigte, wie und wann Söhne frei werden. Aus dem Naturrecht ist mir kein Mittel bekannt. Ich denke, es ist allein Güte der Eltern, die, wenn die Kinder erwachsen und verständig genug sind, den Eltern einen Teil der väterlichen Sorgen abzunehmen, zufrieden sind, einen Teil ihrer väterlichen Autorität abzutreten. Deshalb ist es auch in einigen Ländern Sitte, Kinder niederer Eltern in gewissen Fällen frei zu geben. Viele Völker aber haben diese Sitte nicht, sondern im Gegenteil strenge Gesetze für den Gehorsam der Kinder. Das richterliche Gesetz Moses’ gibt dem Vater volle Gewalt, seinen ungehorsamen Sohn zu steinigen, sofern es in Gegenwart des Magistrats der Stadt geschieht.17 Und doch waren, wie manche sagen, die Magistrate nicht befugt, ein Verhör anzustellen oder sonst den Fall auf seine Gerechtigkeit zu untersuchen, sondern es war so beschlossen, nur um zu verhüten, dass der Vater seinen Sohn

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plötzlich im Zorn oder heimlich töte. Auch nach den Gesetzen der Perser sowie des Volkes von Oberasien und der Gallier und auch nach den Gesetzen in Westindien18 hatten die Eltern Gewalt über Leben und Tod ihrer Kinder. Bei den Römern war dieses Gesetz selbst während der Demokratie in Kraft. Durch die Zwölftafelgesetze wurde die Gewalt der Väter bestätigt und in solchem Maße erweitert, dass die Eltern ermächtigt wurden, ihre Kinder zwei- oder dreimal zu verkaufen. Mit Hilfe der väterlichen Gewalt hat Rom lange geblüht und ist oft aus großen Gefahren errettet worden. Väter haben ihre Söhne aus den Ratsversammlungen vertrieben, wenn sie als Tribunen Gesetze gaben, die auf Empörung abzielten.19 Denkwürdig ist das Beispiel des Cassius, der seinen Sohn jäh aus der Ratsversammlung warf, die die lex agraria über Landverteilung zugunsten der Plebejer erließ. Danach, durch seinen eigenen Richterspruch, tötete er ihn, indem er ihn vom Tarpejischen Felsen hinabstürzte, in Gegenwart des erschreckten Magistrats und Volkes, die, trotzdem sie jenes Gesetz von Herzen gewünscht hatten, nicht wagten, der väterlichen Gewalt entgegen zu treten. Daraus geht klar hervor, dass der Vater das Recht hatte, | selbst gegen den Willen des Magistrats oder des Volkes über das Leben seines Kindes zu verfügen. Die Römer hatten noch ein anderes Gesetz, nach welchem das, was die Kinder erwarben, nicht ihnen, sondern den Eltern gehörte, obgleich schon Solon ein Gesetz gegeben hatte, welches den Sohn von der Verpflichtung, den Vater zu unterhalten, befreite, wenn der Vater ihn kein Gewerbe gelehrt hatte, um sein Leben zu verdienen. Suárez sagt weiter, dass Adam im Laufe der Zeit vollkommene ökonomische Gewalt erhielt. Ich weiß nicht, was diese vollkommene ökonomische Gewalt ist, noch wie und worin sie sich tatsächlich und wesentlich von der politischen unterscheidet. Wenn Adam dieselbe Gerichtsbarkeit ausübte oder ausüben durfte, die heute ein König in einem Staatswesen ausübt, dann sind die Arten der Gewalt nicht verschieden, wenn sie auch eine unwesentliche Verschiedenheit durch die Weite und

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Ausdehnung der Grenzen der einen über die andere erhalten mögen. Eine gleiche Verschiedenheit ist aber auch in politischer Beziehung vorhanden, und daraus folgt, dass ökonomische und politische Gewalt sich nicht anders unterscheiden als ein kleines Gemeinwesen von einem großen. Danach sagt Suárez, dass die Gemeinschaft nicht mit der Erschaffung Adams anfing. Das ist richtig, denn er hatte niemand, mit dem er eine Gemeinschaft hätte bilden können. Aber die Gemeinschaft folgte unmittelbar auf seine Erschaffung, und zwar durch seinen Willen allein, denn nur in seiner Gewalt, der Herr war über alles, lag es zu bestimmen, was seine Söhne als Eigentum und was sie gemeinschaftlich besitzen sollten. Eigentum und Gütergemeinschaft folgten also ursprünglich aus ihm, und es ist Pfl icht eines Vaters, ebenso für das gemeinsame wie für das besondere Gut der Kinder zu sorgen. Endlich folgert Suárez, dass durch Naturrecht allein es keinem Vorfahren zusteht, auch König seiner Nachkommenschaft zu sein. Diese Behauptung ist durch Bellarmin von Grund aus widerlegt worden, der ausdrücklich bezeugt, dass die ersten Väter Fürsten ihrer Nachkommenschaft hätten sein müssen. Und solange Suárez nicht Gründe vorbringt für das, was er sagt, werde ich Bellarmins Beweisen mehr Glauben schenken als seiner bloßen Ablehnung. 5. Wir wollen aber einmal Bellarmin und Suárez und allen denjenigen, die die höchste Gewalt dem Volk beilegen, für einen Augenblick recht geben und sie fragen, ob nach ihrer Meinung es bei der ganzen Bevölkerung der Welt nur eine und dieselbe Gewalt gibt, so dass keine Gewalt übertragen werden kann, ohne dass alle Menschen der Erde zusammenkommen und einwilligen, einen Herrscher zu wählen. Eine Antwort wird hier durch Suárez gegeben: | dass es kaum möglich noch zweckdienlich ist, dass alle Menschen der Welt zu einer einzigen Gemeinschaft vereinigt werden sollten. Es ist wahrscheinlicher, dass entweder nie oder nur für sehr kurze Zeit die Gewalt in dieser Art in der ganzen Menge der Men-

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schen zusammengefasst war, dass aber kurz nach der Schöpfung die Menschen sich in verschiedene Gemeinwesen zu teilen anfingen und diese unterschiedene Gewalt in jedem einzelnen von ihnen vorhanden war. 20 Diese Antwort: »kaum möglich noch zweckdienlich« wird wahrscheinlich einen neuen Zweifel hervorrufen, nämlich wie diese unterschiedene Gewalt zu jeder besonderen Gemeinschaft gelangte, wenn Gott sie nur der ganzen Menge verlieh und nicht einer besonderen Versammlung von Menschen. Können sie zeigen oder beweisen, dass jemals die ganze Menschheit zusammengekommen ist und die von Gott ihr gemeinsam gegebene Gewalt teilte, sie zerstückelte und jedem einzelnen Gemeinwesen eine besondere Gewalt übertrug? Ohne eine solche Übereinkunft kann ich, wenn man ihre eigenen Prinzipien zugrunde legt, nicht sehen, wie die Wahl einer Obrigkeit durch irgendein Gemeinwesen anders stattfi nden kann als durch Usurpation eines Vorrechts, welches der ganzen Welt zusteht. Wenn manche denken, einzelne Mengen hätten die Macht besessen, sich nach Gutdünken in verschiedene Gemeinwesen zu teilen, so haben sie für eine solche Auffassung weder einen Grund noch einen Beweis. Dadurch wird für jede kleinste parteiische Menge eine Bresche geöffnet, ein neues Gemeinwesen zu errichten und mehr Gemeinwesen zu schaffen, als es in der Welt Familien gibt. Aber wir wollen ihnen auch dies zugestehen, dass in jedem besonderen Gemeinwesen eine unterschiedene Gewalt beim Volke liegt. Hat man je vernommen, dass ein ganzes Königreich sich zur Wahl eines Fürsten versammelt habe? Ist in der ganzen Welt dafür ein Beispiel zu finden? So etwas zu glauben, heißt kaum weniger als eine Unmöglichkeit glauben, und folglich ist keine einzige Regierungsform, kein einziger König je nach diesem angeblichen Naturrecht eingesetzt worden. 6. Man wird vielleicht antworten, dass wenn der größte Teil eines Königreiches oder wenn nur der kleinere Teil persönlich und alle übrigen durch Stellvertretung oder wenn diejenigen, welche nicht an der Wahl teilnehmen, durch stillschweigendes

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Einverständnis die Handlungen anderer bestätigen, – dass in allen diesen Fällen es das Werk der ganzen Menge genannt werden kann. Was die Handlungen des größeren Teiles einer Menge betrifft, so ist es richtig, dass durch menschliche politische Verfassungen oft bestimmt wird, dass die Stimmen der Mehrzahl über die Übrigen den Ausschlag geben sollen. Solche Bestimmungen sind bindend, weil, wo Menschen durch menschliche Gewalt versammelt werden, die versammelnde Gewalt auch die Art der Ausübung jener Macht begrenzen und lenken kann. | Und durch eine solche von einer anderen abgeleitete, durch Gesetz oder Gewohnheit bekannt gewordene Gewalt haben die Mehrzahl oder zwei Drittel oder drei Fünftel oder Ähnliches die Macht, die Freiheit der Gegenpartei zu unterdrücken. In Versammlungen aber, die ihre Autorität dem Naturrecht entnehmen, ist dies nicht möglich. Keine dem Menschen durch Naturrecht gehörige Freiheit kann durch eine geringere Gewalt geändert, beschränkt oder vermindert werden. Noch kann irgendein Mensch oder eine Menge das natürliche Recht eines anderen veräußern. Das Naturrecht ist unveränderlich, und wenn auch ein Mensch den anderen an der Nutzung oder Ausübung seines natürlichen Rechtes hindern kann, das Recht selbst geht dadurch nicht verloren. Denn das Recht und der Gebrauch des Rechtes können ebenso unterschieden werden, wie Recht und Besitz oft verschieden sind. Wenn deshalb durch Naturrecht nicht bewiesen werden kann, dass der größere oder irgendein anderer Teil Macht hat, die Übrigen zu überstimmen, so folgt, dass Beschlüsse, die nicht von der ganzen Menge gefasst sind, nicht für alle bindend sind, sondern nur für diejenigen, die ihre Zustimmung gegeben haben. 7. Hinsichtlich des Aspektes der Stellvertretung kann man weder zeigen noch beweisen, dass alle diejenigen, die bei Volkswahlen abwesend waren, je ihre Stimmen einem ihrer Genossen übertragen haben. Ich frage nur nach einem Beispiel aus der Geschichte der ganzen Welt. Man nenne nur den Namen des

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Gemeinwesens, wo die Menge oder auch nur der größere Teil durch Stimmabgabe oder durch Vollmacht der Wahl eines Fürsten zugestimmt hat. Der Ehrgeiz bald eines, bald vieler Menschen, Aufruhr einer Stadt oder der Bürger oder Meuterei des Heeres haben Fürsten ein- oder abgesetzt. Aber nie haben sie auf dieses vorgebliche Verfahren der ganzen Menge gewartet. Wenn schließlich die stillschweigende Annahme eines Herrschers seitens eines Teiles des Volkes ein Beweis seiner Beteiligung an der Wahl ist, kann aus demselben Grunde auch die stillschweigende Zustimmung des gesamten Gemeinwesens geltend gemacht werden. Daraus würde folgen, dass jeder Fürst, der eine Krone erlangt, gleichviel ob durch Nachfolge, Eroberung oder Usurpation, als vom Volke erwählt betrachtet werden kann. Solch eine Folgerung ist zu lächerlich, denn in solchen Fällen ist das Volk so weit entfernt von der Freiheit eigener Wünsche, dass ihm sogar die des Einspruches mangelt. 8. Es ist indessen vergeblich, gegen die Freiheit des Volkes bei der Wahl der Könige zu streiten, solange die Menschen sich einbilden, Beispiele dafür in der Heiligen Schrift zu fi nden. Wir wollen deshalb die Gründe dieses Irrtums aufdecken. Aus einer unwiderleglichen Textstelle geht klar hervor, dass es ein Ding ist, den König zu wählen, ein anderes aber, einen König | über das Volk einzusetzen. Diese letztere Macht haben die Kinder Israels gehabt, nicht aber die erstere. Dieser Unterschied findet sich in überzeugendster Weise Deut. XVII, 15, wo das Gesetz Gottes sagt: »So sollst du den zum König über dich setzen, den der Herr dein Gott erwählen wird«. So muss Gott »eligere«, und das Volk kann nur »constituere«. Mr. Hooker setzt im 8. Buch seiner Ecclesiastical Polity diesen Unterschied klar auseinander. Seine Worte verdienen angeführt zu werden: »Eine Menge von Schriftstellen werden für die feierliche Krönung oder Einsetzung von Saul, David, Salomo und anderen durch Edle, Älteste und das Volk des Staates Israel angeführt, als ob diese Feierlichkeiten eine Art von Titel wären, durch den das Recht der Herrschaft verliehen wird. Diese

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sonderbaren, unrichtigen und unnatürlichen Begriffe werden durch solche verbreitet, die Rebellion säen, nur um unruhige Geister aufzuregen und sie mit Möglichkeiten zu nähren, sich auf den Thron zu schwingen, falls sie die Herzen des Volkes gewinnen können, ungeachtet des erblichen Anspruches, den ein anderer vor ihnen gehabt haben mag. Ich sage, ich würde diesen ungerechten und anmaßenden Standpunkt nicht erwähnen, wenn es nicht geschähe, um das Antlitz der Wahrheit dadurch umso heller erglänzen zu lassen. Denn wenn wir nicht allem Recht, aller Billigkeit und Vernunft offen Trotz bieten wollen, müssen wir – es gibt keine andere Lösung – anerkennen, dass in erblichen Königreichen das Geburtsrecht das Recht auf souveräne Herrschaft verleiht und der Tod des Vorgängers den Blutsnachfolger in den Besitz setzt. Jene vorerwähnten öffentlichen Feierlichkeiten dienen entweder zur offenen Bezeugung des Rechts des Erben oder gehören zu der Form, ihn in den Besitz dessen einzuführen, worauf er ein Recht hat.«21 Dies ist Hookers Urteil über die Macht der Israeliten, einen König über sich einzusetzen. Kein Zweifel, dass, wenn das Volk Israels die Macht gehabt hätte, seinen König zu wählen, es nie Joas, ein Kind von sieben Jahren, oder Manasse, einen Knaben von zwölf Jahren, gewählt haben würde. Denn, wie Salomo sagt: »Wehe dir Land, des König ein Kind ist«. 22 Noch ist es wahrscheinlich, dass die Israeliten Josia gewählt haben würden, der nur ein Kind war und Sohn eines verworfenen, abgöttischen Vaters, der von seinen eigenen Knechten getötet wurde. Und dennoch setzte das ganze Volk den jungen Josia zum König ein und erschlug die Verschwörer, die für den Tod seines Vaters Ammon verantwortlich waren, eine Gerechtigkeit des Volkes, die Gott dadurch lohnte, dass er diesen Josia zu dem frömmsten König machte, dessen jenes Volk sich je erfreute. 9. Da behauptet wird, das Volk habe die Macht, sowohl die Form der Regierung als auch die Herrscher zu wählen, welche es will, | eine Auffassung, die Bellarmin in den oben zuerst angeführten Sätzen vertritt, ist es notwendig, die Beweiskraft

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dessen zu untersuchen, was zur Verteidigung von demokratischen Staatswesen im Gegensatz zu der von mir behaupteten natürlichen Form von Königreichen gesagt wird. Hier muss ich den Kardinal zunächst daran erinnern, was er nüchtern an anderen Stellen ausspricht: »Als Gott die ganze Menschheit aus einem Menschen erschuf, schien er in der Tat offen zu zeigen, dass er an der Regierung eines Menschen besseren Gefallen habe als an der vieler«. 23 Ferner: »Gott gab seine Meinung zu erkennen, indem er nicht nur die Menschen, sondern alle Kreatur mit einer natürlichen Neigung zur Monarchie begabte, und man kann nicht zweifeln, dass eine natürliche Neigung auf Gott zurückgeführt werden muss, der der Schöpfer der Natur ist«. 24 Und wieder an einer dritten Stelle: »Welche Regierungsform Gott durch seine Autorität bestätigte, kann aus dem Gemeinwesen geschlossen werden, das er unter den Hebräern einrichtete und das nicht aristokratisch war, wie Calvin sagt, sondern offensichtlich monarchisch«. 25 Nun, wenn Gott, wie Bellarmin sagt, die Vortreffl ichkeit der Monarchie uns durch natürlichen Instinkt gelehrt, durch die Schöpfung kundgetan und durch sein eigenes Beispiel bestätigt hat, weshalb sollen Bellarmin oder wir zweifeln, dass sie natürlich ist? Finden wir nicht in jeder Familie, dass das Regiment eines Einzigen das natürlichste ist? Gott hat sein Volk stets durch Monarchie regiert. Die Patriarchen, Fürsten, Richter und Könige – alle waren Monarchen. In der ganzen Heiligen Schrift wird keine andere Regierungsform erwähnt oder gepriesen. Selbst zu der Zeit, als nach der Heiligen Schrift »kein König war in Israel und ein jeglicher tat, was ihm recht däuchte«, 26 standen die Israeliten unter der königlichen Regierung der Väter bestimmter Familien. Denn in der Beratung nach dem Benjaminitischen Krieg, der unternommen worden war, um den Benjaminitern Weiber zu verschaffen, herrschten nur die Ältesten des Stammes (Richter XXI, 16). Vor diesen wurden auch, wie aus Vers 22 hervorgeht, Klagen vorgebracht. Und wenn auch von allen Kindern Israels gesprochen wird, vom ganzen Stamm oder vom ganzen Volk, meint doch die Schrift mit dem Ausdruck »alle« oder

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»ganz« nur alle Väter, aber nicht die ganze Menge, wie sich klar aus dem Text 2. Chron. 1, 2 ergibt, wo Salomo redete mit dem ganzen Israel, mit den Obersten, mit den Richtern und mit allen Fürsten in Israel, mit den obersten Vätern. So sind auch die Ältesten in Israel anzusehen als die obersten Väter der Kinder Israels. 1. Könige 8, 2; 2. Chron. 5, 2. Auch zu jener Zeit, als die Israeliten Samuel um einen König baten, wurden sie von königlicher Gewalt regiert. | Aus besonderer Liebe und Fürsorge für das Haus Israel beschloss Gott, selbst ihr König zu sein, und regierte sie zu jener Zeit durch seinen Vizekönig Samuel und dessen Söhne. Deshalb sprach Gott zu Samuel: »Denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, dass ich nicht soll König über sie sein«. 27 Wie es scheint, fand ein König, der durch Delegation bestimmt wurde, keinen Beifall bei ihnen, sondern sie wünschten, wie andere Völker, einen durch Erbfolge bestimmten König. Wahrscheinlich hatten damals alle Völker Könige, und zwar durch Erbnachfolge, nicht durch Wahl. Wir finden nicht, dass die Israeliten baten, ihren König selbst wählen zu dürfen; von einer solchen Freiheit träumen sie nicht, und doch waren sie die versammelten Ältesten Israels. Wenn andere Völker ihre Könige selbst gewählt hätten, würden die Israeliten ohne Zweifel gewünscht haben, sie in der Wahl des Königs ebenso nachzuahmen wie im Königtum selbst. 10. Aristoteles ist an der Stelle seiner Politik, wo er die verschiedenen Arten der Regierung miteinander vergleicht, sehr zurückhaltend mit dem Urteil, welche Form er für die beste hält. Sehr fein erörtert er viele Punkte und urteilt scharf über viele Irrtümer, aber er gibt kein eigenes Urteil ab. In allen jenen Büchern finde ich die Monarchie wenig empfohlen. Es war sein Schicksal, in einer Zeit zu leben, in der die Griechen reichlich gesonderte Staaten hatten und Gelehrsamkeit genug besaßen, sie aufsässig zu machen. 28 In seiner Ethik aber ist er so vernünftig, mit klaren Worten einzugestehen, dass die Monarchie die beste Regierungsform ist, die Demokratie aber die schlech-

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teste. 29 Und obwohl er in seiner Politik nicht so freimütig ist, hat die Notwendigkeit der Wahrheit ihm doch abgerungen, was nicht weniger für die Würde der Monarchie spricht: Er bekennt, dass sie die erste, die natürliche und göttlichste Form der Regierung gewesen ist und dass die Götter selbst unter einer Monarchie gelebt haben. 30 Was kann ein Heide mehr sagen? In der Tat, während langer Zeit hat die Welt keine andere Regierungsform gekannt als die Monarchie. Die beste Ordnung, die größte Stärke und Beständigkeit, die einfachste Regierung sind sämtlich in der Monarchie und in keiner anderen Regierungsform zu finden. Die neuen Staatsprogramme sind zuerst in einem Winkel der Welt, unter einigen wenigen Städten Griechenlands ausgeheckt, aber nur von sehr wenigen anderen nachgeahmt worden. Gerade jene Städte waren anfangs viele Jahre hindurch von Königen regiert worden, bis Üppigkeit, Ehrgeiz oder Parteisucht des Volkes sie verleiteten, neue Regierungsformen zu versuchen. Alle diese Wechsel erwiesen sich für ihre Urheber als überaus blutig und verhängnisvoll, glücklich allein darin, dass sie nur kurze Zeit dauerten. | 11. Um die Unvollkommenheit einer Volksregierung ein wenig klar zu machen, wollen wir nur die blühendste aller Demokratien betrachten, die die Welt je gekannt hat. Ich meine diejenige Roms. Erstens in Bezug auf die Dauerhaftigkeit, hat sie nur 480 Jahre gedauert (denn so lange war es von der Vertreibung des Tarquinius bis Julius Caesar), während die Assyrische Monarchie ohne Unterbrechung mindestens 1200 Jahre und das Reich des Ostens 1495 Jahre bestanden haben. Zweitens, was die innere Ordnung betrifft, so hat es in Rom während jener 480 Jahre keine beständige Regierungsform gegeben. Denn nachdem sie einmal die natürliche königliche Gewalt verloren hatten, waren sie unschlüssig, auf welche Regierungsform sie sich stützen wollten. Ihre Unbeständigkeit beweist, dass sie die Dinge nach jedem Wechsel schlecht fanden. Zunächst wählten sie erstens an Stelle der Könige zwei jähr-

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liche Konsuln. Zweitens gefielen ihnen diese nicht lange und sie mussten zum Schutz ihrer Freiheit Volkstribunen haben. Drittens schaffen sie Tribunen und Konsuln ab und wählten Zehnmänner, um ihnen Gesetze zu geben. Viertens rufen sie erneut nach Tribunen und Konsuln, bald ernennen sie Diktatoren, die zeitweilig Könige waren, bald Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt. Alle diese Schwankungen verursachten in der Regierung so große Veränderungen, dass Historiker und Politiker keine einzige feste Form inmitten der Verwirrung zu finden vermögen. Zu einer Zeit gab der Senat die Gesetze, zu anderer das Volk. Die täglichen Zwistigkeiten zwischen Patriziern und Plebejern erzeugten jene denkwürdigen Empörungen über Wucher, Ehen und den Magistrat. Der gracchische, apulische und drusische Aufstand füllte die Marktplätze, die Tempel und selbst das Kapitol mit dem Blut der Bürger. Die Kriege der Sklaven, der Fechter, die Bürgerkriege des Marius und Sulla, des Catilina, des Caesar und Pompejus, des Triumvirats Octavianus, Lepidus und Antonius, alle diese gossen einen Ozean von Blut über Italien und die Straßen Roms. Drittens in Bezug auf die Regierung selbst mag zugegeben werden, dass sie während eines Teiles dieser Zeit demokratisch war, indessen war sie demokratisch nur für die Stadt Rom allein und nicht für das Dominium oder das ganze römische Reich. Denn keine Demokratie kann weiter reichen als über eine Stadt. Es ist unmöglich, ein Reich, geschweige viele Reiche durch das ganze Volk oder dessen größten Teil zu regieren. 12. Man wird aber einwenden, dass doch das römische Reich unter | dieser demokratischen Regierung heranwuchs und Rom die Herrin der Welt wurde. So ist es nicht. Rom begann seine Herrschaft unter Königen und vollendete sie unter Kaisern; unter der Demokratie nahm sie nur zu. Seine höchste Erhebung erreichte Rom unter Trajan, den längsten Frieden unter Augustus. Selbst in den Zeiten, als die auswärtigen Siege Roms die Welt in Staunen setzten, fand das tragische Blutvergießen der Bürger in der Heimat das Mitleid seiner besiegtenFeinde.

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13. Obschon Rom auch in seiner demokratischen Zeit viele berühmte Führer und Befehlshaber hervorgebracht hat (von denen jeder einzelne fähig war, ein Heer zu führen, und trotzdem ihrer viele vom Volke schlecht belohnt wurden), so hat doch keiner von ihnen es verstanden, Rom in Zeiten der Gefahr zu erhalten, sondern gegenüber den größten Problemen war Rom gezwungen, einen Diktator mit königlicher Gewalt zu ernennen, und gab damit der Monarchie das ehrenvolle Zeugnis, dass die letzte Zuflucht in Gefahren des Staates bei der königlichen Autorität liegt. Zwar wurde der demokratische Staat Roms durch eine größere Voraussicht 31 als seine eigene eine Zeitlang wunderbar in Glanz erhalten, nach mannigfachen Wechseln aber durch eigene Hand schnell zugrunde gerichtet. »Suis et ipsa Roma viribus ruit«32 , denn die Waffen, die er vorbereitet hatte, um andere Völker zu unterjochen, kehrten sich gegen ihn selbst, bis Bürgerkriege zuletzt die Regierung wieder in eine Monarchie umwandelten. 14. Gewöhnlich ist man der Meinung, die erste Ursache, das demokratische Regiment einzuführen, sei die Absicht gewesen, die Tyrannei der Monarchie zu brechen. Wie falsch dies ist, ergibt sich am besten aus der ersten blühenden Demokratie von Athen, die nicht wegen der Fehler seines letzten Königs gegründet wurde, sondern weil dessen tugendhafte Verdienste so groß waren, dass das Volk niemand für würdig erachtete, sein Nachfolger zu sein, – ein merkwürdiger Grund der Abneigung gegen eine Monarchie! Denn als der König Kodros durch das Orakel erfuhr, dass sein Vaterland nicht gerettet werden könnte, wenn nicht der König in der Schlacht getötet würde, begab er sich verkleidet ins feindliche Lager und fi ng dort Streit an mit einem gewöhnlichen Soldaten und veranlasste jenen auf diese Weise, ihn für sein eigenes Königreich zu opfern. Mit seinem Tod endete die königliche Regierung, denn nach ihm gab es in Athen keine Könige mehr. Wie Athen aus Liebe für Kodros die Regierung änderte, so Rom aus dem Gegenteil, aus Hass gegen seinen Tarquinius. Und obwohl diese beiden

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berühmten Staatswesen aus entgegengesetzten Gründen die Monarchie abschafften, so handelten sie doch darin gleich, dass keines von ihnen | den Staat in eine Demokratie verwandelte. Athen wählte Archonten zu Herrschern, Rom Konsuln. Beide waren Königen sehr ähnlich und blieben es, bis das Volk durch allmähliche Verminderung der Autorität dieser ihrer höchsten Beamten heimlich und unvermerkt die demokratische Regierung einführte. Ich glaube auch fest, dass nie ein demokratischer Staat von Anfang an mit einem ehrlichen Wahlakt in die Welt eingetreten ist, sondern dass sie alle sich heimlich durch die Hintertür von Empörung und Aufstand eingeschlichen haben. 15. Wenn wir auf das Urteil derjenigen hören, die die Natur der Demokratie am besten kennen sollten, werden wir für gute Menschen kaum einen Grund fi nden, sie zu wünschen oder vorzuziehen. Xenophon, der tapfere Soldat und Gelehrte, missbilligte die Athenische Republik, weil sie diejenige Regierungsform befolgte, in der die Schlechten stets am meisten gelten, die Guten aber niedergehalten werden. Aristides den Gerechten vertrieben sie, Themistokles starb in der Verbannung, Miltiades im Gefängnis; Phokion, der tugendhafteste und gerechteste Mann seiner Zeit, der fünfundvierzigmal zum Heerführer gewählt worden war, wurde mit allen seinen Verwandten, Freunden und Sklaven durch die Wut des Volkes ohne Richterspruch, Anklage oder Prozess getötet. Die Römer handelten mit ihren verdienten Männern nicht glimpfl icher: Sie verbannten Rutilius, Metellus, Coriolanus, die beiden Scipio und Cicero. Der Schlechteste gelangte am weitesten, denn wie Xenophon von Athen sagt, so war Rom die Freistätte aller unruhigen, unzufriedenen und aufrührerischen Geister. Die Straflosigkeit verruchter Menschen ging so weit, dass bei Todesstrafe dem Magistrat verboten war, einen Bürger zum Tode zu verurteilen, ihn zu verbannen oder der Freiheit zu berauben oder selbst ihn zu peitschen, welches auch das Verbrechen gewesen sein mochte, das er gegen die Götter oder Menschen begangen hatte.

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Die Athener verkauften ihre Justiz, wie sie eine Ware verkauften, was Plato Anlass gab, die Demokratie einen Markt zu nennen, wo alles zu haben sei. 33 Wenn die Beamten ihr Amt antraten, pflegten sie zu prahlen, sie gingen zu einer goldenen Ernte. Die Korruption Roms war so groß, dass Marius und Pompejus sich erkühnen durften, Scheffel mit Silber in die Versammlungen zu nehmen, um die Stimmen des Volkes zu kaufen. Viele Bürger gingen zu den Volksversammlungen mit Waffen unter den ernsten Gewändern, als ob sie in den Krieg zögen. Oft kam es unter den feindlichen Parteien zum Kampf, bald mit Steinen, bald mit dem Schwert. Das Blut auf dem Forum wurde mit Schwämmen aufgetrocknet, der Tiber | mit den Leichnamen erschlagener Bürger angefüllt, die Kloaken mit ihnen vollgestopft. Wenn jemand glaubt, dass diese Ausschweifungen in Demokratien nur zufällig und nicht andere waren, als sie sich unter jeder Regierungsform ereignen können, so muss er wissen, dass solches Unheil in Demokratien unvermeidlich ist und notwendigerweise aus jeder demokratischen Regierung folgen muss. Der Grund ist, dass alle Menschen von Natur nach schrankenloser Freiheit streben, die nur da bestehen kann, wo die Schlechten die Herrschaft führen. Denn wenn das Volk so unvorsichtig wäre, tugendhafte Männer emporzuheben, würde es seine Macht verlieren, weil die Guten nur die Guten, die stets in der Minderzahl sind, begünstigen würden; die Schlechten aber und Lasterhaften, die noch immer den größten Teil des Volkes bilden, würden von allen Ämtern ausgeschlossen bleiben und weise Männer schließlich sich des Staates bemächtigen und ihn dem Volk entreißen. Ich weiß nicht, wie ich den Charakter des Volkes besser schildern könnte, als es durch solche Schriftsteller geschieht, die in oder in der Nähe von demokratischen Staaten gelebt haben. Thukydides, Xenophon, Livius, Tacitus, Cicero und Sallust haben ihn in ihren richtigen Farben dargestellt. Ich will einige ihrer Aussprüche wiedergeben: »Es gibt nichts Unzuverlässigeres als das Volk. Seine Meinung ist so veränderlich und übereilt wie Gewitterstürme. Es

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besitzt weder Wahrheit noch Urteil und wird in seinem Urteil nicht durch Vernunft geleitet, sondern durch Gewalt und Unbesonnenheit, noch macht es irgendeinen Unterschied zwischen Wahrem und Falschem. Nach Art des Viehes folgt es dem Hirten, der vorausläuft. Mit eifersüchtigen Augen verfolgt es das Glück der anderen. Es ist gewohnt, stets den Schlechtesten und Schwächsten zu begünstigen, immer geneigt zu Misstrauen und Menschen auf irgendeinen falschen Verdacht als schuldig zu verurteilen. Es glaubt alles Neue, besonders das, was aufregt, und vergrößert es in seinem Glauben wie das Gerücht. Wenn kein wirklicher Grund vorhanden ist, fürchtet es die Gefahren, die es sich einbildet. Es ist immer begierig nach Aufregung und Wechsel, ein Feind aller Stille und Ruhe. Alles, was abenteuerlich und eigensinnig ist, hält es für mutig und männlich, was bescheiden und vorsichtig ist, aber für schwach. Jedermann sorgt für sein eigenes Interesse und denkt gering vom allgemeinen Wohl. Es blickt auf heranziehendes Unglück wie auf ein Gewitter, ein jeder wünscht, dass es nur seine eigene Person nicht treffe. Es ist seine Natur, knechtisch zu dienen oder anmaßend zu herrschen, denn es kennt kein Mittelmaß.« So wird dieses vielköpfige Ungeheuer nach dem Leben gemalt. Ich will das charakteristische Zeichen dieser Regierungsform | angeben: Durch Empörung erzeugt, kann sie nur durch die Waffen genährt werden. Sie kann nicht ohne Kriege bestehen, entweder gegen auswärtige Feinde oder die eigenen Freunde daheim. Das einzige Mittel, sie zu erhalten, ist die Nähe mächtiger Feinde, die anstatt eines Königs dazu dienen, das Volk zu beherrschen, das, wenn es auch selbst keinen König hat, doch etwas über sich fühlt, was so gut ist wie ein König, denn die gemeinsame Gefahr vor einem Feinde hält es besser zusammen als die Gesetze, die es sich selbst gibt. 16. Viele haben ihren Scharfsinn aufgeboten, die Nachteile königlicher und demokratischer Regierung zu vergleichen. Wenn wir aber der Erfahrung mehr trauen als philosophischen Spekulationen, können wir nicht in Abrede stellen, dass allein das

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Unheil der Empörung, das jede Volksherrschaft zu erwarten hat, alle die Nachteile weit überwiegt, die, obwohl nie so zahlreich, in einer Monarchie gefunden werden können. Es heißt: »Haut für Haut; und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben«34 und »Ein Mensch wird alle seine Reichtümer hergeben, um sein Leben zu retten«. 35 Wenn wir also untersuchen wollen, in welchem Verhältnis die Schäden durch Empörung und durch Tyrannei zueinander stehen, müssen wir zunächst sehen, unter welcher Regierungsform die größte Menge von Untertanen das Leben eingebüßt hat. Rom, das wegen seiner demokratischen Herrschaft stets verherrlicht und wegen seiner tyrannischen Ungeheuer, der Kaiser, verschrien gewesen ist, möge uns die Beispiele liefern. Bedenke man, ob die Grausamkeit aller Tyrannenkaiser, die je in Rom geherrscht haben, ein Viertel des Blutes vergossen hat, das in den letzten hundert Jahren der ruhmreichen Republik geflossen ist. Die Mordtaten des Tiberius, Caligula, Nero, Domitian und Commodus alle zusammengenommen können der Tragödie des Staates nicht gleichkommen, die sich in jenem einen Kriege zwischen Marius und Sulla abgespielt hat. Nein, durch Sulla allein, von den Taten des Marius ganz zu schweigen, wurden neunzig Senatoren, fünfzehn Konsuln, zweitausendsechshundert Ritter und hunderttausend andere getötet. Das war die Höhe römischer Freiheit! Ein jeder konnte getötet werden, eine Gunst, die wohl in keiner Monarchie gewährt wird. Das Elend jener zügellosen Zeiten wird von Plutarch kurz mit folgenden Worten berührt: »Sulla begann Blut zu vergießen und erfüllte ganz Rom mit unzähligen, unsäglichen Mordtaten. Das geschah nicht allein in Rom, sondern in allen Städten Italiens. Es gab keinen Tempel irgendeines Gottes, keinen Altar in irgendjemandes Haus, kein Gastrecht, kein Vaterhaus, das nicht mit Blut | und furchtbarer Mordtat befleckt war. Gatten wurden in den Armen ihrer Frauen getötet, Kinder auf dem Schoss ihrer Mütter, und dennoch waren die, die aufgrund privater Bosheit erschlagen wurden, nichts im Vergleich zu all denen, die allein wegen ihres Besitzes ermordet wurden. … Öffentlich verkaufte

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er ihre Güter durch den Ausrufer, während er selbst so stolz auf dem Staatssessel saß, dass es das Volk mehr erbitterte, zu sehen, durch wen sein Hab und Gut weggeschleppt wurde, als es überhaupt zu verlieren. Es kam vor, dass er ein ganzes Land oder die gesamten Einkünfte gewisser Städte an Frauen für ihre Reize weggab oder an Possenreißer, Mimen und freigesprochene lasterhafte Sklaven. Und manchen gab er anderer Männer Frauen mit Gewalt und nötigte sie wider ihren Willen zu heiraten«. 36 Man möge nun Tacitus und Sueton nachsuchen und sehen, ob alle ihre grausamen Kaiser in so allgemeinem Vergießen von Bürgerblut und Bürgergemetzel es mit dieser republikanischen Schändlichkeit aufnehmen können! Nur Gott allein konnte ihm gewachsen sein, und er übertraf ihn, indem er ihm einen Tod gab, der ganz seinem Leben entsprach. Wie er der Tod vieler Tausender seiner Mitbürger gewesen war, so wurden viele Tausende seines eigenen Fleisches Ursache seines Todes, denn er starb an einem Geschwür, das sein Fleisch derartig zersetzte, dass es sich ganz und gar in Läuse verwandelte. Er hatte viele um sich, ihm bei Tag und bei Nacht die Wäsche zu wechseln, aber die Läuse, die sie abwischten, waren nichts gegen die, die sich neu auf ihm vermehrten. Und es gab weder Verbände noch Leinen, noch Bäder, noch Waschungen, noch Speisen, die sich nicht sofort mit Schwärmen dieses ekelhaften Ungeziefers angefüllt hätten. 37 Ich führe dies nicht an, um die blutigen Taten tyrannischer Fürsten zu beschönigen, noch will ich ihre Grausamkeiten verteidigen. Nur vergleichend behaupte ich, dass die Schäden für den Staat unter einem tyrannischen König weniger allgemein sind. Denn die Grausamkeit solcher Tyrannen erstreckt sich in der Regel nicht weiter als auf einige wenige, ihnen missliebige Personen, aber nicht auf das ganze Königreich. Seine verstorbene Majestät 38 , gesegnet sei sein Andenken, hat richtig gesagt: Ein König kann gar nicht so verrucht schlecht sein, als dass er im Allgemeinen nicht die Gerechtigkeit unterstützen und einige Ordnung aufrechterhalten möchte, ausgenommen besondere Umstände, in denen ausschweifende Lust ihn fortreißt. 39 Selbst der grausame Domitian und Dionysos,

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der Tyrann, und viele andere wurden | von den Geschichtsschreibern wegen ihrer Gerechtigkeitsliebe gelobt. Es gibt dafür auch einen natürlichen Grund. Die Menge des Volkes und der Reichtum seines Besitzes sind es, was die einzige Stärke und den Ruhm jedes Fürsten bildet. Der Körper der Untertanen leistet ihm Kriegsdienste und ihr Besitz befriedigt seine jeweiligen Bedürfnisse. Deshalb sucht jeder Tyrann, wenn nicht aus Liebe für sein Volk, so doch aus natürlicher Selbstliebe, das Leben seiner Untertanen zu erhalten und ihren Besitz zu schützen, was nicht anders geschehen kann als durch Gerechtigkeit, und wenn es nicht geschieht, ist der Verlust des Fürsten am größten. Dagegen weiß in einem demokratischen Staat ein jeder, dass das öffentliche Wohl nicht gänzlich von seiner Sorge abhängt, sondern dass das Gemeinwesen ebenso gut durch andere regiert werden kann, auch wenn er lediglich auf seinen eigenen privaten Nutzen bedacht ist. Er betrachtet das öffentliche Wohl nie als eigene Angelegenheit. Wie in einer Familie, wo eine Arbeit durch viele Dienstboten verrichtet werden soll, verlässt sich der eine auf den anderen und jeder lässt die Arbeit für seinen Genossen liegen, bis sie von allen völlig vernachlässigt wird. Wegen ihrer Nachlässigkeit ist ihnen auch kaum ein ernster Vorwurf zu machen, weil es ausgemacht ist, dass ihre Unwissenheit ebenso groß ist. Denn da in Demokratien die Obrigkeiten meistens nur auf ein Jahr ernannt werden, müssen sie stets ihr Amt niederlegen, bevor sie es verstehen, so dass ein Fürst selbst bei geringerem Verstand durch Übung und Erfahrung sie notwendigerweise übertreffen muss. Ferner gibt es keinen so grausamen und boshaften Fürsten, dem der eigene Verstand nicht sagte, dass, wäre er auch ein Gott, er sterben muss wie jeder andere Mensch und dass es keinen so armseligen Untertanen gibt, der nicht Mittel finden könnte, sich für erlittenes Unrecht zu rächen. Daher kommt es, dass große Tyrannen beständig in schmählicher Furcht leben, wie Dionysos der Ältere. Und Tiberius, Caligula und Nero werden alle von Sueton erwähnt, panischer Furcht ausgesetzt gewesen zu sein.

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Aber es ist nicht so, wo einer Privatperson Unrecht durch die Menge geschieht. Niemand weiß, wer ihn geschädigt hat, noch wen er anklagen oder von wem er Entschädigung fordern soll. Ein jeder kann in jeder Volksversammlung seiner Böswilligkeit und Grausamkeit freien Lauf lassen. Es gibt keine Tyrannei, die mit der Tyrannei der Menge verglichen werden könnte. 17. Obwohl nun die Regierung des Volkes ein Ding ist, das weder zu ertragen noch viel weniger zu verteidigen ist, gibt es doch viele, die sich in der Meinung gefallen, dass, wenn auch das Volk nicht regieren soll, es doch an der Regierung teilnehmen und sich mit dem König vereinigen könne, um so einen aus Königs- und Volksgewalt gemischten Staat zu bilden, den sie für | die vollkommenste und gerechteste Regierungsform halten. Aber die Haltlosigkeit dieser Idee ist zu offenkundig. Sie ist eine völlige Unmöglichkeit, ein Widerspruch.40 Sobald der König nur einmal das Volk als Gesellschafter zulässt, hört er auf, König zu sein, und der Staat wird eine Demokratie. Zumindest ist er nur dem Namen nach, jedoch nicht tatsächlich ein König, der die Souveränität innehat. Denn erst der Besitz der Souveränität und nichts sonst macht den König zum König. Was jenen Schein von Volksregierung anbetrifft, der in solchen Königreichen angetroffen wird, die allgemeine Versammlungen zur Beratung öffentlicher Gesetze abhalten, so ist wohl zu beachten, dass diese Versammlungen nicht die Souveränität mit dem Fürsten teilen, sondern nur beraten und dem obersten Haupt raten, welches die absolute Gewalt immer für sich behält. Denn wenn in solchen Versammlungen der König, der Adel und das Volk gleichen Anteil an der Souveränität haben, hat der König nur eine Stimme, der Adel ebenfalls eine und das Volk eine, so dass zwei von diesen die Macht haben würden, die dritte zu überstimmen. So würden Adel und Volk zusammen die Macht haben, den König durch Gesetz zu binden, was noch nie in irgendeinem Königreich gesehen worden ist. Wenn derlei aber geschehen könnte, würde der Staat notwendigerweise ein demokratischer und kein königlicher sein.

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18. Wenn es unnatürlich ist, dass die Menge ihren Herrscher wähle oder selbst regiere oder an der Regierung teilnehme, was kann dann von jenem verwerfl ichen, von nur zu vielen gezogenen Schluss gedacht werden, die Menge dürfe im Notfall ihren Fürsten strafen oder absetzen? Sicherlich kann die Unnatürlichkeit und Ungerechtigkeit dieser Anschauung nicht genug betont werden. Denn selbst wenn man zugebe, dass der König einen Pakt oder Vertrag mit seinem Volk schließe, entweder ursprünglich durch seine Vorfahren oder persönlich bei seiner Krönung (denn von beiden Arten von Verträgen träumt man, kann aber für keinen einen Beweis beibringen), so kann doch nach keinem Gesetz irgendeiner Nation ein Vertrag für gebrochen erachtet werden, wenn nicht ein gesetzmäßiges Verhör derjenigen, die ihn gebrochen, durch den ordentlichen Richter voraufgegangen ist. Andernfalls würde jeder Partei und Richter in eigener Sache sein, und das ist absurd auch nur zu denken. Denn dann würde es in der Hand der kopflosen Menge liegen, wann sie will, das (ihr von Gott aufgelegte) Joch der Regierung abzuwerfen und denjenigen zu verurteilen und zu strafen, durch den sie selbst verurteilt und gestraft werden sollte.41 Aristoteles kann uns sagen, welche Richter die Menge in eigener | Sache abgibt: »Die Menge ist ein schlechter Richter in eigener Sache«.42 Das Urteil der Menge, wenn sie über die Souveränität verfügt, kann aus der römischen Geschichte ersehen werden, wo wir viele gute Kaiser durch das Volk ermordet, viele schlechte durch das Volk gewählt fi nden. Nero, Heliogabalus, Otho, Vitellius und andere Ungeheuer waren Lieblinge der Menge und durch sie eingesetzt. Pertinax, Alexander Severus, Gordianus, Gallus, Emilianus, Quintilius, Aurelianus, Tacitus, Probus und Numerianus waren sämtlich nach dem Urteil der Geschichtsschreiber gute Kaiser und wurden dennoch vom Volk ermordet. 19. Dagegen behaupten viele aus eingebildeter Furcht, die Gewalt des Volkes sei notwendig, um die Anmaßungen der Tyrannen zu steuern, bringen damit aber ein Heilmittel in Vor-

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schlag, das schlimmer ist als das Übel. Auch ist das Übel nicht so häufig, wie sie uns glauben machen möchten. Beurteilen wir uns nach der Geschichte unserer eigenen Nation. Wir haben seit der Eroberung43 uns etwa sechshundert Jahre einer ununterbrochenen Reihe von Königen zu erfreuen gehabt (eine Zeit, die viel länger ist, als je ein demokratischer Staat gedauert hat). Wir rechnen fünfundzwanzig dieser Fürsten zu den Normannen, und noch ist keinem einzigen von ihnen von unseren Geschichtsschreibern der Vorwurf einer tyrannischen Regierung gemacht worden. Es ist wahr, zwei dieser Könige sind vom Volk abgesetzt und auf barbarische Weise ermordet worden, aber keiner von beiden wegen Tyrannei. Denn wie ein gelehrter Historiker unserer Zeit sagt, Edward II. und Richard II. waren nicht unerträglich, weder in Charakter noch in ihrer Regierung, und dennoch ergriff das Volk die zügellosesten Maßregeln gegen sie, mehr aus Mangel an Zucht als aus Not. »Edward II. wird von vielen Historikern als von guter, tugendhafter Natur geschildert und als nicht ungebildet. Seine Mängel schreiben sie mehr dem Zufall zu als der Beratung oder Ausübung seiner Geschäfte. Die Absetzung war ein Akt gewalttätiger Wut, geleitet durch ein grausames, unzüchtiges Weib, und kann mit keinem besseren Schein von Recht gerechtfertigt werden als seine beklagenswerte, unwürdige Behandlung und sein Tod. Ebenso entsprang die Absetzung Richards II. einer wilden Raserei, die weder durch Vernunft noch durch Rücksichten auf den Staat geleitet oder gezügelt wurde. Man prüfe seine Handlungen ohne Voreingenommenheit, und man wird ihn nicht verurteilen, weder als besonders untauglich noch als besonders schlecht; man wäge die Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben werden, und man wird nichts fi nden, was irgend richtig oder von wesentlichem Belang wäre. | Holinshed schreibt44, dass er von seinen Untertanen höchst undankbar behandelt worden sei. Denn wenn er auch in jugendlicher Schwachheit ein ungeregelteres Leben führte, als mit seiner königlichen Stellung verträglich war, so war doch unter keinem König der Wohlstand des Volkes größer, der Adel mehr geachtet

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und der Klerus weniger bedrängt. Trotzdem erhoben sie sich in übelgeleiteter Kraft ihres Willens gegen ihn zu ihrer eigenen späteren jähen Vernichtung teils schon unter der Regierung Heinrichs IV., seines nächsten Nachfolgers, dessen größte Taten gegen sein eigenes Volk gerichtet waren, indem er alle diejenigen hinrichten ließ, die sich mit ihm gegen König Richard verschworen hatten. Mehr aber geschah das noch in späteren Zeiten, als aus Anlass dieser Ausschreitungen mehr englisches Blut vergossen wurde als in allen auswärtigen Kriegen seit der Eroberung«.45 Zweimal ist dieses Königreich durch Bürgerkriege furchtbar verwüstet worden, aber beide Male nicht aus Anlass der Tyrannei eines Fürsten. Der Grund der Kriege der Barone [barons’ wars] wird von guten Historikern der Starrköpfigkeit des Adels zugeschrieben46 , während der blutige Zwist der Häuser Lancaster und York der ungezügelten Selbstüberhebung des Volkes entsprang.47 Diese zwei unnatürlichen Kriege 48 haben unsere Nation bei Fremden entehrt, so dass man in der Kritik der Königreiche sagt: Der König von Spanien ist König über Menschen wegen des willigen Gehorsams seiner Untertanen; der König von Frankreich König über Esel wegen ihrer endlosen Steuern und Abgaben; aber der König von England König über Teufel wegen der häufigen Aufstände seiner Untertanen und der Entthronungen ihrer Fürsten.

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K A PI T EL III Positives Recht beeinträchtigt nicht die natürliche und väterliche Gewalt der Könige. |

1. Bis hierher habe ich mich bemüht, die natürliche Einsetzung der königlichen Gewalt zu zeigen und sie von der Unterwerfung unter eine willkürliche Wahl des Volkes freizumachen. Es ist auch nötig zu untersuchen, ob menschliche Gesetze über den Fürsten stehen, weil diejenigen, welche die Erwerbung königlicher Jurisdiktion vom Volk behaupten, ihre Ausübung tatsächlich dem positiven Gesetz unterwerfen. Aber auch darin irren sie. Denn da die königliche Gewalt durch Gesetz Gottes besteht, gibt es kein untergeordnetes Gesetz, das sie beschränken könnte. Der Vater einer Familie regiert durch kein anderes Gesetz als seinen eigenen Willen, nicht durch die Gesetze oder den Willen seiner Söhne oder Diener. Es gibt keine Nation, die Kindern irgendein Klagerecht oder Rechtsmittel wegen ungerechter Regierung zugesteht, und doch ist der Vater durch Naturrecht gebunden, das Beste zur Erhaltung seiner Familie zu tun. Viel mehr aber ist ein König durch dasselbe Naturrecht gebunden, den allgemeinen Grundsatz festzuhalten, dass die Wohlfahrt des Königreichs sein oberstes Gesetz ist. Er muss sich darauf besinnen, dass der Nutzen jedes einzelnen Menschen im Besonderen und aller zusammen im Allgemeinen nicht immer ein und dasselbe ist, dass die Allgemeinheit dem Einzelnen vorangehen muss und dass die Kraft der Gesetze nicht so groß sein darf wie die natürliche Billigkeit selbst, die in Gesetzen überhaupt nicht völlig ausgedrückt werden kann, sondern der gewissenhaften Ausführung derjenigen überlassen werden muss, welche verstehen, Staatsangelegenheiten zu handhaben und je nach der unendlichen Mannigfaltigkeit von Zeit, Ort und Personen den Nutzen des Einzelnen mit dem öffentlichen Nutzen weise ins Gleichgewicht zu bringen. Ein unwiderlegbarer Beweis, dass

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Fürsten über Gesetze erhaben sind, ist dies, dass es Könige gegeben hat, lange bevor es Gesetze gab. Während langer Zeit war das Wort des Königs das einzige Gesetz. Und wenn, wie Sir Walter Raleigh sagt, die Ausübung der Autorität ihre Größe anzeigt, so waren gerade die besten Könige von Juda und Israel durch kein Gesetz gebunden, denn in den wichtigsten Angelegenheiten taten sie, was sie wollten.1 2. Die unbeschränkte Jurisdiktion der Könige wird von Samuel so ausführlich beschrieben, 2 dass einige auf den Gedanken gekommen sind, es sei entweder eine List Samuels gewesen, die Israeliten durch die | Übelstände einer Monarchie zu schrecken und so die Regierung für sich und seine Familie zu behalten, oder nur eine prophetische Schilderung der künftigen Missregierung Sauls. Aber die Grundlosigkeit dieser Vermutung zeigt sich klar in jener majestätischen Rede Über das wahre Gesetz einer freien Monarchie, in der überzeugend nachgewiesen wird, dass es der Zweck Samuels war, das Volk den pfl ichtmäßigen Gehorsam gegen seinen König zu lehren, sogar in Dingen, die es selbst für schädlich und unzuträglich halte. 3 Denn dadurch, dass er ihm sagt, was ein König tun könnte, lehrt er es, was ein Untertan dulden muss, indessen nicht so, dass Könige das Recht haben, Unrecht zu tun, sondern dass sie zu Recht vom Volk nicht bestraft werden können, wenn sie es tun. In diesem Punkt ist es also einerlei, ob Samuel einen König beschreibt oder einen Tyrannen, denn duldender Gehorsam wird beiden geschuldet. Gegen Tyrannen gibt es nach dem Text keine andere Hilfe, als zu diesem Tag zu klagen und zu Gott zu beten. Wenn aber auch in strengem Sinn Samuels Beschreibung auf einen Tyrannen angewendet werden mag, so dürften dennoch bei wohlwollender Auslegung seine Worte auf die Gebräuche eines gerechten Königs passen, und Zweck und Zusammenhang des Textes schließen auch am besten den gemäßigten oder beschränkten Sinn der Worte in sich. Denn, wie Sir Walter Raleigh zugibt, alle jene Nachteile und Plagen, die Samuel als zur königlichen Regierung gehörig aufzählt, waren nicht unerträglich, sondern

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solche, die aus freiwilliger Übereinkunft der Untertanen mit ihrem Fürsten entstanden waren und noch entstehen. Selbst heutzutage und in unserem Lande sind viele Gutspächter durch ihre Lehn- und Dienstbarkeit zu derselben Unterwerfung unter viel untergeordnetere und geringere Herren verpflichtet. Dem König Kriegsdienste zu leisten und seinen Boden zu bebauen ist der Natur der Untertanen nicht nur angemessen, sondern wird von ihnen je nach der verschiedenen Geburt und Lebensstellung sogar gewünscht. Ähnliches kann man von den Verrichtungen weiblicher Dienstboten, Zuckerbäckerinnen, Köchinnen und Brotbäckerinnen sagen. Denn wir dürfen nicht annehmen, dass der König ihre Dienste in Anspruch nähme, ohne ihnen einen Lohn zu geben, da der Text selbst von einer reichlichen Belohnung seiner Knechte spricht. Was den Zehnten ihrer Saat, ihres Weins und ihrer Herden betrifft4, so dürfte er eine notwendige Lieferung für des Königs Haushalt gewesen sein und so zum Tributrecht gehören. Denn da vom Nehmen des Zehnten die Rede ist, kann es nicht gut auf einen Tyrannen passen, der im Plündern des Volkes nicht Maß zu halten pflegt. Endlich ist die Besitznahme der Äcker, Weinberge und Ölgärten, wenn sie durch Gewalt oder Betrug oder ohne gerechte Entschädigung, nur zum Schaden einzelner Personen, geschieht, nicht zu verteidigen. Wenn sie aber auf öffentliches Gebot und unter allgemeiner Zustimmung geschieht, kann sie, | als bei der ersten Errichtung eines Königtums notwendig, gerechtfertigt werden. Denn diejenigen, welche einen König haben wollen, sind verpfl ichtet, ihm einen königlichen Unterhalt zuzugestehen und Einkünfte für die Krone zu schaffen, weil es zur Ehre, zum Wohl und zur Sicherheit auch des Volkes dient, den König glorreich, mächtig und reich an Besitz zu haben. Überdies wissen wir alle, dass Land und Besitz vieler Untertanen durch Verwirkung, Heimfall, gerichtliches Urteil, Acht, Konfiskation usw. vom König eingezogen werden kann. So sehen wir, dass Samuels Charakter eines Königs dem Buchstaben nach wohl einen milden Sinn haben kann.

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Um die größere Wahrscheinlichkeit zu belegen, dass Samuel ihn so gemeint hat und die Israeliten ihn so verstanden haben, sei noch Folgendes hinzugefügt: Samuel sagt den Israeliten: »Das wird des Königs Recht sein, der über euch herrschen wird«, »und wenn ihr dann schreien werdet über euren König, den ihr euch erwählet habt«5 – das heißt, das soll der gewöhnliche Brauch und die Handlungsweise Sauls eures Königs sein; oder wie das vulgäre Latein es wiedergibt, dies soll das Recht oder Gesetz eures Königs sein. Nicht aber ist, wie manche es erklären, die zufällige Möglichkeit oder Handlung irgendeines individuum vagum oder unbestimmten Königs gemeint, der eines Tages kommen könnte, als Tyrann über sie zu herrschen, so dass Saul und die beständige Handlungsweise Sauls mit dem buchstäblichen Sinn des Textes am besten übereinstimmen. Dafür, dass Saul kein Tyrann war, können wir anführen, dass das Volk um einen König bat, wie alle Völker ihn hatten.6 Gott antwortet und befiehlt Samuel, der Stimme des Volkes zu gehorchen in allem, das sie gesagt haben und ihnen einen König zu geben.7 Sie hatten nicht um einen Tyrannen gebeten; und ihnen einen Tyrannen zu geben, wenn sie um einen König gebeten, wäre nicht eine Erfüllung des Befehls, ihrer Stimme in allem zu gehorchen, gewesen, sondern, wenn sie nach einem Ei fragten, ihnen einen Skorpion zu geben, falls wir nicht sagen wollen, dass alle Völker damals Tyrannen hatten. Überdies finden wir nirgends in der Schrift, dass Saul wegen einer der von Samuel beschriebenen Handlungen bestraft oder auch nur getadelt wurde. Und wenn Samuels Zweck gewesen wäre, das Volk nur zu schrecken, würde er nicht übersehen haben, Sauls blutige Grausamkeit vorherzusagen, mit der er fünfundachtzig unschuldige Priester mordete und mit der Schärfe seines Schwertes die Stadt Nobe schlug, Männer, Weiber und Kinder.8 Die Israeliten sind vor diesen Bedingungen Samuels keineswegs zurückgeschreckt, sondern nahmen sie an als solche, denen alle anderen Völker unterworfen waren, denn ihr Schluss ist: »Mitnichten, sondern es soll ein König über uns

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sein, dass wir auch seien wie alle anderen Heiden, dass uns unser König richte und vor uns her ausziehe, wenn wir unsere Kriege führen«9, was bedeutete, er solle sich seine Vorrechte dadurch verdienen, dass er die Arbeit für sie tue, sie richte und | für sie kämpfe. Endlich, da man aus der Erwähnung von »des Volkes Schreien zum Herrn« folgert, es habe in tyrannischer Knechtschaft leben sollen, sei daran erinnert, dass des Volkes Geschrei und Klagen nicht immer ein Beweis dafür sind, dass es unter einem Tyrannen lebt. Niemand wird sagen, dass König Salomo ein Tyrann war, und dennoch klagte die ganze Gemeinde Israel, dass Salomo ihr Joch drückend machte, und ihre Bitte an Rehabeam lautete deshalb: »So mache du nun den harten Dienst und das schwere Joch leichter, das er uns aufgelegt hat: so wollen wir dir untertänig sein«.10 Um zu schließen: Es ist richtig, Saul verlor sein Königreich, aber nicht weil er zu grausam oder zu tyrannisch gegen seine Untertanen, sondern weil er zu milde gegen seine Feinde war. Dass er Agag schonte, als er ihn hätte töten sollen, war der Grund, weshalb ihm das Königreich entrissen wurde.11 3. Wer sich nach dem Neuen Testament zu richten wünscht, wird finden, dass unser Erlöser die königliche Gewalt dadurch begrenzt und unterscheidet, dass er »dem Kaiser gibt, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist«.12 St. Basilius13 erklärt diesen Text wie folgt: »Obediendum est in quibus mandatum Dei non impeditur«, d. h. wir müssen den Fürsten in jenen Dingen gehorchen, in denen das Gebot Gottes uns nicht hindert. Es gibt kein anderes Gesetz als Gottes Gesetz, das unseren Gehorsam hindern könnte. Ein Christ war es, der dem Kaiser die Antwort gab: »Wir beten Gott nur an, in anderen Dingen sind wir dir freudig untertan«. Und Tertullian scheint geglaubt zu haben, dass, was nicht Gottes war, des Kaisers war, wenn er sagt: »Bene opposuit Caesari pecuniam, te ipsum Deo; alioqui quid erit Dei, si omnia Caesaris«. Sehr wohl hat unser Heiland unser Geld dem Kaiser zugeteilt, uns selbst aber Gott; denn was sollte sonst Gottes Teil sein, wenn dem Kaiser alles gehörte?

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Die Väter erwähnen nicht, dass den Gesetzen des Landes oder dem Volk irgendeine Gewalt vorbehalten war. St. Ambrosius sagt in seiner Apologie Davids ausdrücklich: »Er war ein König und deshalb an keine Gesetze gebunden; denn Könige sind frei von den Banden [bonds] des Unrechts«. Ebenso entscheidet Augustin: »Imperator non est subjectus legibus, qui habet in potestate alias leges ferre«, d. h. der Kaiser, der Gewalt hat, andere Gesetze zu geben, ist keinen Gesetzen unterworfen. Und in der Tat, es ist Vorschrift Salomos, dass »wir des Königs Befehlen gehorchen sollen« und nicht sagen »Was machst du?«, denn »in des Königs Wort ist Gewalt«14, alles was er will, kann er tun. | Wenn jemand diese Lehre in England missfällt, so möge er von Bracton15, Oberrichter [chief justice] zu Heinrichs III. Zeit, hören, welche Auffassung seit Einsetzung der Parlamente galt. Vom König sprechend sagt er: »Omnes sub eo, et ipse sub nullo, nisi tantum sub Deo«, d. h. alle stehen unter ihm, er selbst aber unter niemand als Gott allein. Da keine Anklage gegen ihn erhoben werden kann, wenn er fehlt, gibt es keine andere Abhilfe, als ihn zu bitten, sein Verschulden gut zu machen. Sollte er es nicht tun, wird es Strafe genug für ihn sein, Gott als Rächer zu erwarten. Niemand möge sich anmaßen, seine Handlungen zu untersuchen, geschweige denn sich ihnen zu widersetzen.16 Als die Juden unseren Heiland fragten, ob es recht sei, dass man dem Kaiser Zins gebe, fragte er nicht zuerst, welches das Recht des Landes sei oder ob irgendein Gesetz ihm entgegenstehe oder ob der Zins mit Zustimmung des Volkes gegeben werde, noch riet er ihnen, die Zahlung einzustellen, bis die Bewilligung von einem Parlament erteilt sei. Er tat nicht mehr, als auf die Überschrift zu sehen, und schloss: »Dieses Bildnis, sagt ihr, ist das des Kaisers; so gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist«.17 Auch darf man hier nicht einwenden, dass Christus diese Weisung nur den unterworfenen Juden gab; in diesem Punkte richtete seine Vorschrift sich an alle Völker, die in Gehorsam ihren rechtmäßigen Königen ebenso verpfl ichtet sind als irgendeinem Eroberer oder Usurpator.

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Dagegen haben, was die Unterwerfung unter höhere Gewalten18 betrifft, manche die Worte Paulus’ dahin verdreht, dass darunter das Recht des Landes oder sonst die Obrigkeit, aristokratische, demokratische oder königliche, zu verstehen sei. Paulus scheint eine solche Auslegung erwartet zu haben und hielt es deshalb für angemessen, sein eigener Erklärer zu werden und zu verkünden, dass er unter Gewalt oder Obrigkeit einen Monarchen verstehe, der ein Schwert trägt. »Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit?«, d. h. der Obrigkeit, die das Schwert trägt, denn »sie ist Gottes Dienerin dir zu gut … denn sie trägt das Schwert nicht umsonst«.19 Nicht das Recht ist es, das die Dienerin Gottes ist oder das Schwert trägt, sondern die Obrigkeit oder der Herrscher. So dass diejenigen, welche sagen, das Gesetz regiere das Königreich, ebenso gut sagen könnten, des Zimmermanns Richtmaß baue das Haus und nicht der Zimmermann, denn das Recht ist nur das Richtmaß oder Werkzeug des Regierenden. Und Paulus schließt: »Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre«. 20 Er sagt nicht, gebt | es Gottes Diener als ein Geschenk, sondern ἀ πόσυτε, gebt oder bringt den Tribut auf wie eine Schuldigkeit. Auch Petrus erklärt diese Stelle des Paulus sehr klar, indem er sagt: »Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem König als dem Obersten oder den Hauptleuten als den Gesandten von ihm«. 21 Hier wird genau das gleiche Wort (Oberst oder ὑπερέχοντι), welches Paulus mit »Obrigkeit« verbindet, von Petrus mit »König«, βασιλεῑ ὡϛ ὑπερέχον, verbunden, um zu zeigen, dass König und Obrigkeit ein und dasselbe ist. Ferner erklärt Petrus seine eigenen Worte »menschliche Ordnung« mit »König«, der die »lex loquens«, ein sprechendes Gesetz, ist. Er kann nicht meinen, dass die Könige selbst eine menschliche Ordnung sind, weil Paulus die Höchste Gewalt die Ordnung Gottes nennt und die Weisheit Gottes sagt: »Durch mich regieren die Könige«. 22 Er kann daher nur meinen, dass die Befehle

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oder Gesetze der Könige die menschliche Ordnung sind. Weiter: »Die Hauptleute, die von ihm gesandt sind« bedeutet: vom König, nicht von Gott, wie manche fälschlich den Text verdrehen möchten, um das Volksregiment als von Gott ermächtigt zu rechtfertigen; denn grammatisch muss das relative »ihm« auf das nächste Beziehungswort bezogen werden, was König ist. Überdies beweist die Antithese von »Oberst« und »Gesandten« ganz klar, dass die Hauptleute von den Königen gesandt waren. Denn wenn die Hauptleute von Gott gesandt und die Könige eine menschliche Ordnung wären, würden die Hauptleute die obersten sein und nicht die Könige. Oder wenn man sagen würde, dass beide, Könige und Hauptleute, von Gott gesandt sind, so sind beide gleich und keiner von beiden der oberste. Deshalb ist der Sinn der Worte Petrus’ kurz dieser: Gehorcht den Gesetzen des Königs oder seiner Diener. Daraus geht klar hervor, dass weder Petrus noch Paulus eine andere Regierungsform als die monarchische im Sinne hatten und noch viel weniger eine Unterwerfung der Fürsten unter menschliche Gesetze beabsichtigten. Die gewöhnliche Unterscheidung der Scholastiker, nach der sie die Könige zwar der direktiven, aber nicht der Zwangsgewalt der Gesetze unterwerfen, ist ein Bekenntnis, dass Könige durch das positive Recht einer Nation nicht gebunden sind – da die zwingende Kraft der Gesetze es ist, was Gesetze eigentlich erst zu Gesetzen macht, indem sie durch Belohnung oder Strafe die Menschen zum Gehorsam zwingt. Die Direktive des Gesetzes gleicht höchstens dem Ratschlag oder der Richtschnur, die der König von seinem Rat empfängt und von denen kein Mensch sagt, dass sie ein Gesetz für den König sind. 4. Es fehlt auch nicht an solchen, die glauben, der erste Zweck der | Gesetze sei gewesen, die übergroße Macht der Könige zu zügeln und zu mäßigen. Die Wahrheit ist aber, dass die ersten Gesetze gegeben wurden, um die Menge im Zaum zu halten. Demokratische Staaten konnten ohne Gesetze überhaupt nicht bestehen, während Königreiche lange Zeit hindurch ohne sie

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regiert worden sind. Sobald das Volk von Athen die Könige abgeschafft hatte, sah es sich gezwungen, zuerst Drakon, später Solon zu ermächtigen, ihm Gesetze zu geben, nicht um Könige im Zaum zu halten, sondern das Volk selbst. Und obwohl viele ihrer Gesetze sehr streng und blutig waren, bewirkte doch die Achtung vor den Gesetzgebern, dass es sich ihnen willig unterwarf. Auch gab es Solon nicht etwa eine beschränkte Macht, sondern absolute Jurisdiktion, abzuschaffen oder zu bestätigen, was er für gut befand, eine Macht, die das Volk nie für sich in Anspruch nahm. Ebenso gaben die Römer den Zehnmännern, die die Gesetze für die Zwölf Tafeln auszuwählen und zu verbessern hatten, eine absolute Vollmacht ohne jede Berufung an das Volk. 5. Der Grund, weshalb auch von Königen Gesetze gegeben worden sind, ist dieser: Wenn Könige mit Kriegen beschäftigt oder durch die Sorge für das öffentliche Wohl abgelenkt waren, so dass nicht jedermann Zutritt zu ihrer Person erlangen konnte, ihren Willen und ihr Belieben zu erfahren, war es eine Notwendigkeit, Gesetze zu erfinden, damit jeder Untertan das Belieben seines Fürsten in den Gesetzestafeln erklärt fi nde und nicht nötig habe, sich an den König zu wenden, außer wenn es sich um Auslegung oder Milderung dunkler oder strenger Gesetze handelte oder um eine Ergänzung, wo, wie in neuen Fällen, das Gesetz nicht ausreichte. Dies war sowohl für den König als für das Volk in vieler Beziehung eine Erleichterung. Erstens befreit sich der König dadurch, dass er Gesetze gibt, von großer und unerträglicher Last, wie es Moses durch die Wahl der Ältesten tat. 23 Zweitens besitzt das Volk das Gesetz wie einen vertrauten Mahner und Ausleger des königlichen Willens, der, über das ganze Königreich bekannt gemacht, die Gegenwart und Majestät des Königs darstellt. Auch die Richter und Beamten, deren Hilfe der König in der Rechtsprechung häufig bedarf, werden, da sie nach den Gesetzen urteilen müssen und nicht ihren eigenen Meinungen folgen, durch die allgemeinen Rechtsregeln abgehalten, ihre eigene Freiheit zum Nachteil anderer zu benutzen.

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6. Obwohl nun Könige, die die Gesetze geben (wie König James uns lehrt), über den Gesetzen stehen, werden sie doch ihre Untertanen nach dem Gesetz regieren. 24 Und ein König, der in einem geordneten Königreich regiert, | hört auf, ein König zu sein, und artet in einen Tyrannen aus, sobald er nicht mehr nach seinen Gesetzen herrscht. 25 Dennoch, wo er sieht, dass sie zu streng oder zweifelhaft sind, darf er sie mildern oder nach eigenem Ermessen auslegen. Allgemeine, vom Parlament gegebene Gesetze können – das erfordert die selbstverständliche Achtung vor der Krone – durch Machtspruch des Königs abgeschwächt oder aus nur ihm bekannten Gründen suspendiert werden. Und wenn auch ein König alle seine Handlungen den Gesetzen entsprechend einrichtet, so ist er dennoch nicht weiter dazu verpfl ichtet, als sein guter Wille und sein Bemühen, ein gutes Vorbild abzugeben, oder aber das allgemeine Gesetz des Staatswohls ihn von Natur aus dazu anhalten. 26 Nur in dieser Weise kann man sagen, dass positive Gesetze den König binden, nicht deshalb, weil sie positiv sind, sondern weil sie das von Natur beste oder einzige Mittel zur Erhaltung des Staates bilden. Durch dieses Mittel sind alle Könige, selbst Tyrannen und Eroberer, gebunden, das Land, den Besitz, die Freiheiten und das Leben aller ihrer Untertanen zu erhalten, nicht durch irgendein Partikulargesetz des Landes, gerade wie das natürliche Gesetz eines Vaters sie verpflichtet, in Dingen, die das öffentliche Wohl ihrer Untertanen erfordert, die Handlungen ihrer Vorväter und Vorgänger zu bekräftigen. 7. Andere behaupten, dass, wenn auch die Gesetze an sich die Könige nicht binden, sie doch durch den Krönungseid verpfl ichtet sind, alle Gesetze ihres Königreichs zu halten. Wieweit das richtig ist, wollen wir an dem Krönungseid der Könige von England untersuchen, dessen Worte folgende sind: »Willst Du in allen Deinen Urteilen unparteiliche und aufrichtige Gerechtigkeit walten lassen und Besonnenheit üben mit Gnade und Wahrhaftigkeit? Willst Du, dass unsere rechtschaffenen [upright] Gesetze und Gewohnheiten beobachtet werden, und

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versprichst Du, sie zu schützen und aufrechtzuerhalten?«27 Dieses sind die beiden Artikel des Eides, welche die Laien oder Untertanen im Allgemeinen betreffen, worauf der König bejahend antwortet, nachdem er zuvor vom Erzbischof von Canterbury gefragt worden ist: »Willst Du die Gesetze und Rechte alter Zeiten bestätigen und beobachten, die von Gott durch gerechte und fromme Könige der englischen Nation eidlich dem genannten Volk verliehen, insbesondere die Gesetze, Freiheiten und Rechte, die der Kirche und dem weltlichen Stand durch den ruhmvollen König Edward gewährt worden sind?«28 Wir müssen bemerken, dass in diesen Worten der Eidesartikel vom König nicht verlangt wird, alle Gesetze zu befolgen, sondern nur die rechtschaffenen [upright], und dies mit Besonnenheit und Gnade. Das Wort »rechtschaffenen [upright]« kann nicht alle Gesetze bedeuten, weil ich in dem Eid Richards | II. schlechte und ungerechte Gesetze erwähnt fi nde, die der König abzuschaffen schwört. Und nach der alten, in den Tagen Heinrichs VIII. erlassenen Kurzfassung der Gesetzbücher [Abridgment of Statutes] hat der König zu schwören, alle schlechten Gesetze völlig aufzuheben, was er nicht tun kann, wenn er gebunden ist, alle Gesetze zu halten. Nun, was nun rechtschaffene und was schlechte Gesetze sind, wer anders soll darüber urteilen als der König selbst, da er ja doch schwört, redlich Recht zu sprechen, mit Besonnenheit und Gnade, oder wie Bracton sagt, »aequitatem praecipiat et misericordiam«. In der Tat also schwört der König, keine anderen Gesetze zu halten als solche, die nach seinem Urteil rechtschaffen sind, und diese auch nicht immer buchstäblich, sondern nach Billigkeit und Gewissen verbunden mit Gnade, was streng genommen eher das Amt eines Kanzlers als eines Richters ist. Und wenn ein König ausdrücklich schwören müsste, alle Gesetze zu halten, so könnte er ohne Meineid nicht seine Zustimmung geben, durch Parlamentsakte irgendein Gesetz zu widerrufen oder abzuschaffen, was für den Staat sehr verhängnisvoll sein würde. Aber selbst angenommen, dass Könige tatsächlich schwören, alle Gesetze ihres Königreichs zu halten, so kann doch

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kein Mensch dies für einen Grund halten, dass Könige durch ihren freiwilligen Eid mehr gebunden sein sollten als gewöhnliche Menschen durch den Ihrigen. Wenn ein Privatmann einen Vertrag schließt, gleichviel ob mit Eid oder ohne Eid, so ist er nicht weiter gebunden, als Billigkeit und Gerechtigkeit des Vertrages ihn verpfl ichten. Denn ein Mensch kann von einem unvernünftigen und ungerechten Versprechen entbunden werden, wenn Täuschung, Irrtum, Gewalt oder Furcht ihn dazu bewogen haben oder wenn es verderblich oder gefährlich in seiner Ausführung ist. Da die Gesetze dem König in vielen Fällen ein Vorrecht gegenüber gewöhnlichen Menschen einräumen, sehe ich keinen Grund, weshalb ihm ein Recht verweigert werden sollte, das der niedrigste seiner Untertanen genießt. Hier ist eine geeignete Stelle, die von manchen aufgeworfene Frage zu prüfen: ob es für den Untertanen eine Sünde ist, dem König den Gehorsam zu verweigern, wenn sein Befehl gegen die Gesetze verstößt? Diesen Punkt können wir damit erledigen, dass nicht allein im Bereich menschlicher, sondern sogar göttlicher Gesetze Dinge befohlen werden können, die gegen das Gesetz sind, in denen aber dennoch Gehorsam geleistet werden muss. Die Heiligung des Sabbats ist ein göttliches Gesetz, wenn aber ein Herr seinem Knecht befiehlt, an einem Sabbat nicht zur Kirche zu gehen, muss, nach der Lehre der besten Theologen, der Knecht diesem Befehl gehorchen, obwohl er von Seiten des Herrn sündhaft und ungesetzlich sein kann, denn der Knecht hat keine Befugnis oder Freiheit zu fragen oder zu urteilen, ob sein Herr mit einem solchen Befehl sündigt oder nicht, wie aus Lucas 14,5 hervorgeht. Es kann für den Herrn einen gerechten Grund geben, den Knecht von der Kirche abzuhalten aber es ist nicht angebracht, den Herrn zu verpfl ichten, den Knecht mit | seinen geheimen Gedanken oder augenblicklichen Bedürfnissen bekannt zu machen; und in solchen Fällen wird die Versäumnis des Knechtes, zur Kirche zu gehen, Sünde des Herrn, nicht des Knechtes. Das Gleiche gilt, wenn der König einem Mann befiehlt, ihm im Krieg zu dienen: Der Mann hat nicht zu fragen, ob der Krieg gerecht ist oder ungerecht, sondern er hat zu

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gehorchen; er hat keinen Auftrag, über die Rechtsansprüche von Königreichen oder die Ursachen eines Krieges zu urteilen, noch ist irgendein Untertan befugt, seinen König aufgrund des Bruches seiner eigenen Gesetze zu verdammen. 8. Viele werden mit dem Einwand bei der Hand sein, dass es ein sklavischer und gefährlicher Zustand ist, dem Willen eines einzigen Mannes untertan zu sein, der nicht einmal den Gesetzen unterworfen ist. Diese Menschen bedenken aber nicht: 1. Dass es die Prärogative eines Königs ist, zum Heil allein derer, die unter dem Gesetz leben, über allen Gesetzen zu stehen und die Freiheiten des Volkes zu schützen, wie S. Majestät in der Rede nach seiner letzten Antwort auf die Petition of Rights gnädig auszusprechen geruht hat. Sosehr sich manche auch vor dem Namen Prärogative fürchten, sie mögen versichert sein, dass ohne sie die Lage der Untertanen eine verzweifelt erbärmliche sein würde. Der Court of Chancery29 selbst ist nur ein Zweig der königlichen Prärogative, Menschen gegen die unerbittliche Strenge des Gesetzes zu schützen, das ohne sie nicht besser ist als ein Tyrann, denn: summum jus summa injuria. 30Allgemeine Amnestien bei Krönungen und Parlamentseröffnungen sind nichts anderes als Wohltaten der Prärogative. 2. Es kann keine Gesetze geben ohne eine höchste Gewalt, die sie befiehlt oder macht. In allen Aristokratien steht der Adel über dem Gesetz, in allen Demokratien das Volk. Aus dem gleichen Grund muss in einer Monarchie notwendigerweise der König über dem Gesetz stehen. In dem, der unter den Gesetzen steht, kann es eine souveräne Majestät nicht geben. Das, was dem König erst das wahre Wesen verleiht, ist die Macht, Gesetze zu geben; ohne diese ist er nur ein fragwürdiger König. Es kommt nicht darauf an, auf welchem Wege Könige zu ihrer Macht gelangen, ob durch Wahl, Verleihung, Erbfolge oder irgendein anderes Mittel; denn es ist nicht das Mittel, wie sie die Krone erlangten, sondern immer die Art der Regierung durch höchste Gewalt, was sie zu eigentlichen Königen macht. Weder die Verschiedenheit der Gesetze noch entgegengesetzte Gebräuche, durch die

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jedes Königreich sich von anderen unterscheidet, gestaltet die Staatsformen verschiedenartig, es sei denn, dass die Macht der Gesetzgebung bei verschiedenen Subjekten liegt. Dieser Punkt wird durch Aristoteles bestätigt, der sagt, dass ein vollkommenes Königreich dasjenige ist, wo der König alle Dinge nach seinem eigenen Willen regiert; denn der, welcher ein König nach dem Gesetz genannt wird, macht überhaupt kein | Königreich. 31 Dies scheinen auch die Römer als höchst notwendig für eine Monarchie erkannt zu haben. Denn obwohl sie ein überaus freiheitssüchtiges Volk waren, entband der Senat Augustus von jeglichem Zwang der Gesetze, damit er frei wäre, kraft eigener Autorität, mit absoluter Gewalt über sich und die Gesetze zu tun, was ihm gefiel, und ungetan zu lassen, was er wollte. Und dieser Beschluss wurde gefasst, während Augustus noch abwesend war. 32 Dementsprechend finden wir, dass der große Rechtsgelehrte Ulpian als Regel des Zivilrechts aufstellt: »Princeps legibus solutus est«, der Fürst ist nicht durch die Gesetze gebunden. 33 9. Bei sorgfältiger Erwägung der Natur der Gesetze wird die Notwendigkeit, dass Fürsten über ihnen stehen, sich noch deutlicher zeigen. Wir alle wissen, dass ein Gesetz, allgemein genommen, das Gebot einer höheren Gewalt ist. Gesetze werden eingeteilt (wie Bellarmin das Wort Gottes einteilt), in geschriebene und ungeschriebene. Das Gewohnheitsrecht [common law] wird ungeschriebenes Recht genannt, nicht weil es überhaupt nicht geschrieben wurde, sondern weil es von denjenigen nicht geschrieben wurde, die es zuerst ersonnen und gegeben haben. Das Gewohnheitsrecht ist, wie Lord Chancellor Egerton uns lehrt, der allgemeine Gebrauch des Reichs. 34 Nun, was Gebräuche anbetrifft, ist wohl zu bedenken, dass es für jeden Gebrauch eine Zeit gab, wo er kein Gebrauch war, und dass das erste Präzedens, das wir jetzt haben, kein Präzedens hatte, als es begann. Zu Beginn jedes Gebrauchs gab es etwas anderes als den Gebrauch, was ihn gesetzlich machte, sonst wäre der Anfang jedes Gebrauchs ungesetzlich. Gebräuche wurden zum

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Gesetz nur durch irgendeinen Höheren, der ihren Anfang befahl oder ihnen zustimmte. Und die erste Gewalt, die wir finden, ist, wie von allen zugegeben wird, die königliche Gewalt, die in unserer und allen anderen Nationen der Welt bestanden hat, lange bevor an Gesetze oder irgendeine andere Art von Regierung gedacht wurde. Daraus müssen wir notwendigerweise folgern, dass das Gewohnheitsrecht selbst oder die allgemeinen Gebräuche unseres Landes ursprünglich ungeschriebene Gesetze und Gebote von Königen waren. Man darf auch nicht glauben, dass die allgemeinen Gebräuche (welche die Elemente des Gewohnheitsrechts und nur wenige sind) an Beschaffenheit und Zahl genügen, bestimmte Regeln zur Entscheidung jedes einzelnen Falls zu geben. Die Mannigfaltigkeit der Fälle ist unendlich und unmöglich | durch ein Gesetz zu regeln. Und deshalb finden wir sogar in den von Moses gegebenen göttlichen Gesetzen nur gewisse grundlegende Gesetze, die den Hohenpriester und die Obrigkeit nicht bestimmen, sondern ihnen allein als Richtschnur dienen sollten, während ihr eigenes Urteil in den einzelnen Fällen zu entscheiden hatte, was in der Absicht des allgemeinen Gesetzes lag. Ebenso ist es mit dem Gewohnheitsrecht, denn wenn es eine vollkommene Regel nicht gibt, greifen die Richter auf jene Prinzipien oder Axiome des Gewohnheitsrechts zurück, nach welchen frühere Urteile in ähnlichen Fällen von früheren Richtern gefällt worden sind, denn sie alle werden vom König ermächtigt, in seinem Recht und Namen das Urteil zu sprechen nach den Regeln und Präzedenzen alter Zeit. Und wo Präzedenzen fehlten, sind die Richter auf das allgemeine Vernunftgesetz zurückgegangen und haben demgemäß das Urteil gefällt, ohne ein Gewohnheitsrecht, das sie hätte leiten können. Häufig sogar, wenn es Präzedenzen gab, haben sie sowohl in Kriminalfällen als auch in Zivilfällen allein aufgrund besserer Gründe das Gesetz abgeändert und nicht so sehr auf den Beispielen früherer Richter bestanden, als vielmehr ihre Schlüsse geprüft und korrigiert. Daher kommt es, dass, wie Lord Chancellor Egerton an verschiedenen Beispielen zeigt, manche Gesetze jetzt veraltet

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und außer Gebrauch sind und die Praxis eine ganz entgegengesetzte ist, als sie in früheren Zeiten war. Dies ist nicht gesagt, um das Gewohnheitsrecht (oder Gemeine Recht) herabzusetzen, denn es verhält sich ebenso mit den Gesetzen aller Nationen, obwohl einige von ihnen geschriebene und feststehende Gesetze und Grundsätze haben. Dies bezeugt Aristoteles in seiner Ethik und an mehreren Stellen seiner Politik. Ich will einige anführen: Jedes Gesetz, sagt er, ist allgemein gehalten, für manche Dinge aber kann es kein allgemeines Gesetz geben. Wenn deshalb das Gesetz im Allgemeinen spricht und ein Fall eintritt, der außerhalb der allgemeinen Regel liegt, ist es angebracht, dass, was der Gesetzgeber übersehen oder worin er durch allgemeine Behandlung geirrt hat, korrigiert oder vervollständigt werde, gleich als ob der Gesetzgeber selbst anwesend wäre, es zu veranlassen. 35 Der Regierende, einerlei ob er ein Mann ist oder mehrere, sollte Herr sein über alle die Dinge, von denen das Gesetz im Besonderen nicht sprechen konnte, denn es ist nicht leicht, alle Dinge unter allgemeinen Regeln zusammenzufassen. Alles, was das Gesetz nicht bestimmen kann, bleibt der Beurteilung der Regierenden überlassen, und sie müssen | verbessern dürfen, was durch Erfahrung sich besser erweist als das geschriebene Gesetz. 36 Überdies sind alle Gesetze an und für sich stumm, und irgendjemand muss damit betraut werden, sie unter Prüfung aller Umstände auf die einzelnen Fälle anzuwenden und zu entscheiden, wann sie gebrochen sind und durch wen. Die Aufgabe der richtigen Anwendung der Gesetze ist nicht leicht oder für gewöhnliche Fähigkeiten klar fassbar, sondern erfordert eine tiefe natürliche Befähigung, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Was durch die in manchen schwierigen Punkten abweichenden, zuweilen entgegengesetzten Meinungen gelehrter Richter bezeugt wird. 10. Da dies die gewöhnliche Beschaffenheit der Gesetze ist, ist es auch am vernünftigsten, dass der Gesetzgeber mit der Anwendung und Auslegung der Gesetze betraut wird. Deshalb haben in alter Zeit unsere Könige persönlich zu Gericht gesessen

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und sind repräsentativ noch in allen Gerichtshöfen gegenwärtig. Die Richter sind nur Stellvertreter und heißen »des Königs Richter«, und ihre Macht hört auf, sobald der König zur Stelle ist. In dieser Beziehung sagt der gelehrte Oberrichter [chief justice] unter Heinrich III. Bracton ausdrücklich: »In zweifelhaften und dunklen Punkten ist die Auslegung und der Wille unseres Herrn und Königs abzuwarten, denn dem, der das Gesetz gegeben, kommt es zu, es auszulegen«, oder, wie er an einer anderen Stelle sagt: »Rex et non alius debet judicare, si solus ad id sufficere possit etc.« »Der König und kein anderer soll Recht sprechen, wenn er | es allein vermag, weil er durch seinen Eid dazu verpfl ichtet ist. Deshalb soll der König die Macht ausüben als Stellvertreter oder Diener Gottes. Doch wenn unser Herr der König nicht imstande ist, jede Sache zu entscheiden, so soll er, um sich die Mühe zu erleichtern, die Last auf mehrere Personen verteilen, weise, gottesfürchtige Männer erwählen etc. und sie zu Richtern machen.«37 Demselben Zweck dienen die Worte Edwards I. zu Beginn des auf seinen Befehl von John Briton, Bischof von Hereford, verfassten Gesetzbuchs [Book of Laws]: »Wir wollen, dass unsere eigene Jurisdiktion über jeder anderen Jurisdiktion unseres Reichs stehe, so dass in jeder Art von Kriminalverbrechen, Übertretungen, Verträgen und allen anderen Händeln, persönlichen wie sachlichen, wo nur immer wir die Wahrheit als Richter kennen, wir die Macht haben, ohne anderes Verfahren Recht zu sprechen, wie es sich gebührt.«38 Dies darf auch nicht aufgefasst werden, als ob eine imaginäre Gegenwart der Person des Königs bei seinen Gerichtshöfen gemeint sei, weil er an derselben Stelle unmittelbar darauf die Jurisdiktion der gewöhnlichen Gerichtshöfe getrennt aufführt, sondern es muss notwendigerweise als eine in des Königs königlicher Person verbleibende Jurisdiktion verstanden werden. Und dass dies damals kein neugemachtes oder erst durch die normannische Eroberung ins Land gebrachtes Gesetz war, ergibt sich aus einem unter König Edgar gegebenen sächsischen Gesetz, dessen Worte nach Herrn Lambarde folgende sind: »Nemo in lite regem appellato, nisi quildem domi

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justitiam consequi aut impetrare non poterit, sin summo jure domi urgeatur, ad regem, ut is onus aliqua ex parte allevet, provocato«. »Niemand soll an den König appellieren, ausgenommen wenn er zu Hause kein Recht erlangen kann; wenn er aber durch das Recht zu sehr bedrückt ist, dann soll er zum König gehen, um es erleichtert zu bekommen.«39 Wie vor der Eroberung die richterliche Gewalt vom König ausgeübt wurde, so auch in jenen ruhigen Zeiten nach der Eroberung, wo Parlamente sehr in Gebrauch waren und dem König ein Hofgericht folgte, das die Stelle souveräner Justiz für Rechts- und Gewissenssachen war, wie aus einem Parlament in Edwards I. Zeit hervorgeht, das anordnete: »dass der Kanzler und die Richter des Hofgerichts dem König folgen sollten zu dem Zweck, dass er in Rechtsfragen, die vor ihn gebracht würden, beständig fähige Männer zu seiner Leitung zur Hand habe«.40 Und dies war nach der Zeit, als der Court of Common Pleas41 einen festen Sitz erhalten hatte, ist also ein Beweis dafür, dass der König sich eine souveräne Macht vorbehielt, durch die er dem Mangel des Gemeinen Rechtes42 begegnen oder seine Strenge verbessern konnte, weil das positive Gesetz, das auf die gewöhnlichsten Vorgänge gegründet ist, | nicht jeden besonderen Fall, welchen Zeit und Erfahrung hervorbringen, vorhersehen kann. 11. Deshalb kann das Gemeine Recht, auch wenn es im Allgemeinen gut und gerecht ist, in besonderen Fällen wegen irgendeines wesentlichen Umstandes, an den zur Zeit der Gesetzgebung nicht gedacht werden konnte, einer Verbesserung bedürfen. Auch ereignen sich im Krieg und im Frieden allerlei Fälle, die eine außerordentliche Hilfe erfordern und nicht auf die gewöhnliche Behandlung nach Gemeinem Recht warten können, das stets nur nach einer Weise gehandhabt wird, und dies nicht ohne Verzögerung der Hilfe und Verlust an Zeit. Wenn daher auch alle Sachen an das gewöhnliche Verfahren nach Gemeinem Recht verwiesen werden und verwiesen werden sollten, so treten von Zeit zu Zeit doch seltene Fälle auf, die

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aus guten Gründen erfordern, der Hilfe der absoluten Gewalt des Königs überlassen zu werden. Und das Statut der Magna Carta ist nach der damals eingesetzten gewöhnlichen Jurisdiktion in Zivilsachen verstanden worden und nicht zur Beschränkung der absoluten Gewalt, die in einigen wenigen seltenen und besonderen Fällen behilfl ich sein muss.43 Allerdings waren durch falsche Anklagen und böswillige Verdächtigungen beim König und seinem Rat die Untertanen sehr geschädigt worden, namentlich in der Zeit Edwards III., während er im Krieg in Frankreich abwesend war, insofern als unter seiner Regierung verschiedene Statuten gegeben wurden, die bestimmten, dass niemand ohne gehörigen Prozess [due process] vor dem König und seinem Rat vor Gericht erscheinen solle; dennoch aber ist offenbar, dass die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens so groß war, dass sowohl vor Edwards III. Tagen als zu seiner Zeit und nach seinem Tod das Verfahren des Königs und seines Rates durch mehrere Statuten erleichtert und geordnet wurde.44 So beschloss das Parlament 28. Edward I. c. 545: »dass der Kanzler und die Richter des Oberhofgerichts [king’s bench] 46 dem König folgen sollen, damit er Männer in der Nähe habe, die in den Gesetzen unterrichtet und imstande sind, alle die Sachen zu ordnen, die vor das Gericht kommen, zu jeder Zeit, wo Hilfe nötig ist«.47 Durch Statut 37. Edward III. c. 18 wurde Wiedervergeltung [taliation] verhängt, falls der Rat für den König sich als unwahr erwies.48 Dann wurde durch 38. Edward III. c. 9 die Wiedervergeltung aufgehoben und durch Gefängnisstrafe ersetzt, bis der König und der geschädigte Teil befriedigt sind.49 In den Statuten 17. Richard II. c. 6 und 15. Henry VI. c. 4 wird in solchen Fällen auf Schaden und Kosten erkannt. 50 Nach allen diesen Gesetzen ist es selbstverständlich, dass Klagen | aus gerechter Sache vor den König und seinen Rat gebracht werden durften. Als auf einem Parlament in Gloucester 2. Richard II. die Commons baten, dass niemand auf Befehl des Kanzleigerichts oder durch das Geheimsiegel gezwungen sein solle, vor dem König und seinem Rat zu erscheinen, um sich wegen Freile-

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hens [freehold] zu verantworten, gab der König folgende Antwort: »Er sehe keinen Grund, weshalb er, um seine Lehnsleute vorzuladen, auf gerechtfertigten Anlass beschränkt sein solle. Und obwohl er nicht beabsichtige, dass die Vorgeladenen sich endgültig über ihr Freilehen verantworten, sondern zu richterlicher Untersuchung nach dem Gesetz an das Gericht zurückverwiesen werden sollen, wolle er doch immer, dass, wie er sagt, in allen Fällen, wo der König und sein Rat glaubwürdig unterrichtet sind, dass wegen unbefugten Eingreifens [maintenance]51, Unterdrückung oder anderer Gewalttätigkeiten das Gemeine Recht nicht seinen gebührenden Lauf haben kann, auf Verlangen der Partei der Rat für die Partei vorbehalten bleibe«. 52 Auch im dreizehnten Jahr seiner Regierung, als die Commons baten, dass bei Strafe der Güterverwirkung der Kanzler oder der Rat des Königs nach Schluss des Parlaments keine Verordnung gegen das Gemeine Recht erlassen solle, antwortete der König: »Lasst Gebrauch bleiben, was vor dieser Zeit Gebrauch gewesen ist, damit die Hoheit des Königs gewahrt bleibe, denn der König wird seine Hoheit wahren, wie seine Vorfahren es getan haben.«53 Ferner 4. Henry IV., als die Commons über Subpoenas54 und andere auf falsche Berichte begründete Vorladungen Klage führten, antwortete der König: »Er werde seine Beamten beauftragen, mehr als bisher davon abzustehen, seine Untertanen in dieser Weise vorzuladen. Aber dennoch, sagt er, ist es nicht unsere Absicht, dass unsere Beamten sich dessen so weit enthalten sollen, unsere Untertanen überhaupt nicht vorzuladen, wenn Gegenstand und Ursache es erfordern, wie es zur Zeit unserer guten Vorfahren Brauch gewesen ist.«55 Ebenso als 3. Henry V. die Commons sich über die gleiche Ursache beschwerten, lautete des Königs Antwort: »Le roy s’advisera« – »Der König wird es sich überlegen«56 , was für den Augenblick einer abschlägigen Antwort gleichkam nach einer Formulierung, die der Weigerung des Königs, eine von Lords und Commons gegebene Bill zu genehmigen, eigentümlich war.

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Diese Klagen der Commons und die Antworten der Könige zeigen, dass zwar so weit Maß gehalten werden sollte, dass der Lauf des Gemeinen Rechts gehörig gewahrt bleibe, dass Untertanen | nicht ohne triftigen Grund vor den König und seinen Rat geladen werden und das Verfahren des Ratstisches [council table] nicht auf jede leichte Anschuldigung eintreten noch eine endgültige Entscheidung über erbliches Freigut geben sollte. Und doch sollte bei triftigen Gründen und glaubwürdigem Bericht in wichtigen Sachen des Königs Hoheit oder Prärogative, seine Untertanen vorzuladen, aufrechterhalten bleiben, wie es ihm von Rechts wegen zukam und in früheren Zeiten beständig üblich gewesen war. 57 König Edward I. befahl, als Bogo de Clare aufgrund einiger Formfehler in der Anklage von einer im Parlament gegen ihn erhobenen Anklage freigesprochen worden war, dennoch, dass er vor ihm und seinem Rat erscheine, »ad faciendum et recipiendum, quod per regem et ejus concilium fuerit faciendum« [um zu tun und zu empfangen, was der König und sein Rat beschlossen hatten], und schritt so zu einer Untersuchung des ganzen Falls (im Jahr 18 Edwards I.). 58 Auf die Klage der Elisabeth Audley befahl Edward III. in der Sternkammer [Star Chamber] (dem alten Ratszimmer in Westminster) James Audley, vor ihm und seinem Rat zu erscheinen, und entschied einen Streit, den sie über Ländereien führten, die in ihren Verträgen über das Wittum enthalten waren (41. Edward III.). 59 Heinrich V. beschloss in einem Prozess, der von ihm und seinem Rat über das Besitzrecht der Landgüter [manors] von Seere und St. Lawrence auf der Insel Thanet in Kent geführt wurde, die Beschlagnahme der Einkünfte, bis das Recht entschieden sei, teils um einen Friedensbruch zu vermeiden, teils um der Vergeudung und Vernichtung vorzubeugen (Rotulo patenti anno [in der Patentrolle des Jahres] 6 Henry V).60 Heinrich VI. befahl den Richtern des Oberhofgerichtes [king’s bench], bis auf neuen Befehl von ihm und seinem Rat die Anklage eines gewissen Verney von London aufzuhalten, weil

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Verney, der beim König und anderen verschuldet war, wegen Kriminalverbrechens angeklagt zu werden suchte, wo er geistlichen Beistand haben und sich von der Absicht, seine Gläubiger zu betrügen, hätte reinigen können (34 Henry VI rotulo 37 in banco regis).61 Edward IV. und sein Rat hörten in der Sternkammer die Sache der Armen Brüder von St. Leonards in York, die klagten, dass Sir Huge Hastings und andere | ihnen einen großen Teil ihres Unterhalts entzogen hätten, der hauptsächlich im Bezug einer gewissen Menge Getreide von jedem Pflug Landes in den Grafschaften [counties] von York, Westmoreland, Cumberland und Lancashire bestand (rotulo patenti de anno [in der Patentrolle des Jahres] 8 Edward IV). 62 Heinrich VII. und sein Rat entschieden durch Sternkammerbeschluss, dass Margery und Florence Becket den Prozess gegen die Witwe Alice Radley, die Ländereien in Woolwich und Plumstead in Kent betreffend, nicht fortführen sollten, weil die Sache bereits gehört worden war, zuerst vor dem Rat Königs Edward IV., darauf vor dem Vorsitzenden der Requests, 63 Heinrich VII., und endlich vor dem Rat des genannten Königs (1 Henry VII).64 Was bisher von der Abhängigkeit und Unterordnung des Gemeinen Rechts unter den souveränen Fürsten behauptet worden ist, kann ebenso wohl von allen statutarischen Gesetzen gesagt werden, denn der König ist auch von diesen der einzige unmittelbare Verfasser, Korrektor und Vermittler, so dass keine der beiden Arten von Gesetzen eine Verminderung jener natürlichen Gewalt ist oder sein kann, welche die Könige durch das Recht der Vaterschaft über ihr Volk besitzen, sondern vielmehr ein Argument durch sie geliefert wird, ihre Wahrheit zu bekräftigen. Um dies zu beweisen, wollen wir in einigen Punkten die Natur der Parlamente betrachten, weil in ihnen allein die statutarischen Gesetze gemacht werden. 12. Obwohl der Name »Parlament«, wie Camden sagt, nicht sehr alt, sondern aus Frankreich herübergebracht worden ist,

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hatten doch unsere Vorfahren, die Angelsachsen, eine Versammlung, die sie die »Versammlung der Weisen« nannten, lateinisch: »conventum magnatum« oder »praesentia regis, procerumque, praelatorum collectorum«, die Versammlung der Edlen oder die Gegenwart des Königs und der versammelten Edlen und Prälaten oder allgemein »magnum concilium« oder »commune concilium«.65 Und viele unserer Könige in alter Zeit benutzten diese großen Zusammenkünfte, um wichtige Staatsangelegenheiten zu beraten. Alle diese Versammlungen können im allgemeinen Sinne Parlamente genannt werden. Groß sind die Vorteile, die beide, der König und das Volk, von einem wohlgeordneten Parlament haben können. Nirgends kann die Majestät und die höchste Gewalt eines Königs deutlicher zum Ausdruck gelangen als in einer solchen Versammlung, in der das ganze Volk ihn als souveränen Herrn anerkennt, alle Wünsche durch untertänige Bitten und Gesuche vor ihn bringt und | durch Zustimmung und Billigung alle die Gesetze bekräftigt, die der König auf Bitten, auf den Rat und unter Mitwirkung des Volkes erlassen soll. So erleichtert es dem König die Regierung, indem es die Gesetze für die untergebenen Beamten und die widerspenstige Menge unangreifbar macht. Die Wohltat, die den Untertanen aus Parlamenten erwächst, ist, dass auf ihr Flehen und Bitten Könige häufig bewogen werden, ihren gerechten Beschwerden abzuhelfen, und, überwunden von ihrer zähen Aufdringlichkeit, viele Dinge zugestehen, denen sie sich sonst nicht fügen würden, denn die Stimme der Menge wird leichter gehört. Viele Bedrückungen des Volkes geschehen ohne Wissen des Königs, der im Parlament sein Volk selbst sieht und hört, während er zu anderen Zeiten gewöhnlich nur die Augen und Ohren anderer benutzt. 13. Das Alter der Parlamente brauchen wir nicht zu erörtern, weil sie, je älter sie sind, desto mehr der Monarchie zur Ehre gereichen. Hinsichtlich der Form der Parlamente aber gibt es gewisse Punkte, die beachtet zu werden verdienen. Erstens müssen wir uns erinnern, dass ungefähr bis zur Zeit der Eroberung [the Conquest] Parlamente aller Staaten des ge-

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samten englischen Reichs nicht versammelt werden konnten, weil es bis zu jenen Zeiten nicht ganz zu einem einzigen Königreich vereinigt, sondern entweder in mehrere Königreiche geteilt war oder nach verschiedenen Gesetzen regiert wurde. Als Julius Caesar landete, fand er vier Könige in Kent66 , und die britischen Namen Dammonii, Durotriges, Belgae, Attrebatii, Trinobantes, Iceni, Silures und die übrigen geben reichlich Zeugnis der verschiedenen Königreiche der Briten, als die Römer unsere Herren wurden.67 Sobald die Römer uns verließen, teilten uns die Sachsen in sieben Königreiche. 68 Als diese Sachsen zu einem Königreich vereinigt waren, hatten sie stets die Dänen als Genossen oder Herren im Reich bis zu den Tagen Edwards des Bekenners, seit dessen Zeit das Königreich vereinigt geblieben ist, wie es heute besteht.69 Für die voraufgegangenen tausend Jahre lässt sich aber nicht finden, dass es während der Regierung irgendeines Königs vollständig geordnet gewesen ist. Was die Gesetze betrifft, so stand der mittlere Teil des Königreichs unter den Gesetzen der Mercier, die Westsachsen standen unter sächsischen Gesetzen, Essex, Norfolk und Suffolk wurden durch dänische Gesetze bedrückt. Und auch die Bewohner von Northumberland hatten ebenfalls ihre eigenen Gesetze, bis zur Regierung Edwards des Bekenners, des vorletzten Königs vor dem Eroberer [the Conqueror]70 , waren die Gesetze des Königreichs so verschiedenartig und unbestimmt, dass er genötigt war, | einige wenige unter den billigsten und besten von ihnen auszuwählen, die nach ihm St. Edwards Gesetze genannt worden sind. Manche sagen indessen, dass Edgar diese Gesetze gegeben und der Bekenner sie nur wieder hergestellt und verbessert habe. Auch Alfred71 sammelte aus Mulmutius Gesetze72 , die er in die sächsische Sprache übersetzte. So waren während der Zeit der Sachsen die Gesetze so veränderlich, dass wenig oder gar keine Wahrscheinlichkeit besteht, irgendeine feststehende Form von Parlamenten des gesamten Königreichs zu finden. Ein zweiter beachtenswerter Punkt ist, ob in solchen Parlamenten, wie sie zur Zeit der Sachsen bestanden, der Adel und

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Klerus allein zu den Versammlungen gehörten oder ob auch die Commons berufen wurden. Einige sind der Ansicht, dass, obwohl keins der sächsischen Gesetze die Commons erwähnt, doch aus dem Worte »witena«, »weise Männer«, entnommen werden kann, dass die Commons an jenen Versammlungen teilnehmen sollten, und glauben dies als wahrscheinlich beweisen zu können, teils aus dem Alter einiger Flecken, die heute noch Vertreter zum Parlament entsenden, teils aus solchen in alten Domänen, die davon ausgeschlossen sind. Wenn es wahr ist, dass die Westsachsen die Sitte hatten, Vertreter aus einigen ihrer Städte zu versammeln, so muss doch bezweifelt werden, dass andere Königreiche den gleichen Brauch befolgten. Sicher aber ist, dass während der Heptarchie73 das Volk keine Knights of the shire wählen konnte, weil England damals noch nicht in Shires eingeteilt war.74 Im Gegenteil, es gibt englische Historiker, die behaupten, dass zum ersten Mal Heinrich I. die Commons durch Knights und Burgesses ihrer eigenen Wahl versammelte, denn vor seiner Zeit wurden nur gewisse Mitglieder des Adels und Prälaten des Königreiches zur Beratung der wichtigsten Staatsangelegenheiten berufen. 75 Wenn diese Behauptung richtig ist, scheint es nur ein Gnadenakt dieses Königs gewesen zu sein und beweist durchaus kein natürliches Recht des Volkes, von Anfang an zur Wahl von Parlamentsmitgliedern zugelassen zu werden. Es wäre für das Parlament allerdings ehrenvoller gewesen, wenn ein König, der ein besseres Anrecht an die Krone besaß, diese Form geschaffen hätte, weil Heinrich I. sie nur für seine eigenen unrechten Zwecke benutzte. Denn dadurch, dass er den Adel im Parlament Treue schwören ließ, gelang es ihm, sich selbst gegen seinen Mitbewerber und älteren Bruder durchzusetzen, die Krone aber für seine Kinder zu sichern. Und wie der König das Volk benutzte, so verfolgte das Volk unter dem Deckmantel des Parlaments seine eigenen Zwecke. Denn nachdem mit Gewalt | und dem Schwert die Parlamente eingesetzt waren, entlockte das Volk ihm die Große Charter, die er nur gewährte, um Adel und Volk umso mehr zu schmeicheln. Sir Walter Raleigh bestä-

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tigt dies mit folgenden Worten: »Die Große Charter wurde ursprünglich nicht gesetzmäßig und freiwillig gegeben; denn Heinrich I. hatte das Königtum nur usurpiert und schmeichelte mit den Charters dem Adel und dem Volk, um sich gegen seinen älteren Bruder Robert besser zu schützen.76 Ja, König John, der sie bestätigte, hatte die gleichen Beweggründe; denn Arthur, Herzog der Bretagne, war der unzweifelhafte Erbe der Krone, die König John usurpierte. So hatten diese Charters ihren Ursprung von Königen de facto, aber nicht de jure … Die Große Charter hatte eine dunkle Geburt durch Usurpation; sie wuchs und trat vor die Welt durch Rebellion«. 77 14. Eine dritte Überlegung hat zu sein, dass in den früheren Parlamenten seit Heinrichs I. Zeit die Ausübung irgendwelcher natürlichen Freiheit des Volkes nicht nachgewiesen werden kann. Denn alle die vom Parlament in Anspruch genommenen Freiheiten sind Freiheiten von Königs Gnaden und nicht natürliche Freiheiten des Volkes. Wenn die Freiheit natürlich wäre, würde sie der Menge Macht geben, zusammenzukommen, wo und wann sie will, Souveränität zu verleihen und die Ausübung der Souveränität durch Verträge zu begrenzen und zu lenken. Dagegen bleiben die Freiheiten aus Gunst und Gnade, zu denen das Parlament berechtigt ist, in Zeit, Ort, Personen und anderen Umständen allein auf den Willen des Königs beschränkt. Das Volk kann sich nicht aus eigener Macht versammeln, sondern der König beruft es durch seine Befehle nach dem ihm gefälligen Ort und zerstreut es wieder durch seinen Hauch [with his breath] in einem Augenblick, ohne irgendwelchen anderen Grund zu zeigen als seinen Willen. Auch wird nicht das ganze Volk berufen, sondern so viele, als des Königs Befehle bezeichnen. Der kluge König Edward I. berief stets diejenigen Barone alter Familien, die für sein Parlament am geeignetsten waren, überging aber nach ihrem Tod ihre Söhne, wenn diese an Verstand ihren Vätern nicht gleichkamen.78 Ferner hat nicht das ganze Volk eine Stimme bei der Wahl von Knights und Burgesses, sondern nur die Freisassen [freeholder] in den Graf-

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schaften und die freien Bürger in den Städten. Doch sind in der City of Westminster alle Hausbesitzer, auch wenn sie weder freie Bürger noch Freisassen sind, bei der Wahl von Burgesses stimmberechtigt. Auch während der Dauer des Parlaments sind alle jene Privilegien des Unterhauses, wie Redefreiheit, Macht, die eigenen Mitglieder zu bestrafen, das Verfahren und Betragen der Gerichts | höfe und Beamten zu prüfen, Zutritt zur Person des Königs zu haben und ähnliches, nicht etwa irgendwelchem natürlichen Recht zu verdanken, sondern entstammen der Güte und Gnade des Königs. Dies wird auch vom Haus [dem Parlament/House of Parliament] feierlich anerkannt, denn wenn bei Eröffnung des Parlaments der Speaker dem König vorgestellt wird, bittet er untertänigst für das Unterhaus [House of Commons] und in seinem Namen, dass Seine Majestät geruhen möge, ihm die gewohnten Rechte der Redefreiheit, des Zutritts zu seiner Person usw. zu gewähren. Diese Privilegien werden mit der selbstverständlichen Bedingung gewährt, dass sie sich innerhalb der Verpfl ichtungen und Schranken der Treue und des Gehorsams halten, denn weshalb verhängt sonst das Unterhaus Strafe über die eigenen Mitglieder, wenn sie gegen einen dieser Punkte fehlen? Und der König, als Oberhaupt, hat häufig die Mitglieder wegen ähnlicher Vergehen bestraft. Die Macht zu strafen, die der König in allen seinen Gerichtshöfen den Richtern und anderen gibt, schließt ihn nicht davon aus, durch Prävention, Konkurrenz79 oder Wiederaufnahme des Verfahrens das Gleiche zu tun, sogar in demselben Punkt, den er einer stellvertretenden Gewalt übertragen hat. Denn diejenigen, welche eine Gewalt durch Bevollmächtigung erteilen, behalten an Gewalt immer mehr zurück, als sie verleihen. Keines der beiden Häuser [Ober- und Unterhaus des Parlaments] erhebt einen Anspruch auf Unfehlbarkeit und niemals zu irren, nicht mehr als eine allgemeine Ratsversammlung sie beanspruchen kann. Es ist nicht unmöglich, dass der größte Teil im Unrecht ist oder zumindest an dem Vergehen irgendeines einzelnen Mitgliedes interessiert oder mit beteiligt sein kann. In solchen Fällen ist

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es durchaus angebracht, dass das Oberhaupt strafe und nicht die Zustimmung der Mitglieder erwarte oder die schuldigen Teile ihre eigenen Richter werden. Auch ist es überflüssig, den König in solchen Fällen auf die Grenzen eines Gerichtshofes zu beschränken, da er oberster Richter in allen Gerichtshöfen ist. Und in seltenen und neuen Fällen sind seltene und neue Mittel zu suchen; denn es ist Regel des Gemeinen Rechts: »In novo casu novum remedium est apponendum«80; und das Westminster-Statut 2. c. 24 bevollmächtigt sogar die Beamten des Kanzleigerichts, in neuen Fällen neue Formen von Gerichtsbefehlen auszufertigen, damit niemand, der bei des Königs Kanzleigericht Beistand sucht, ohne Hilfe abgewiesen werde. 81 Nicht für jeden Fall kann ein Präzedens gefunden werden, und für Dinge, die selten vorkommen, kann es keinen gewöhnlichen Brauch geben. So schwer es auch für den König und seinen Rat sein mag, bei besonders schweren Verbrechen ein Präzedens für angemessene Bestrafung zu finden, so dürfen sie deshalb nicht unbestraft bleiben. Ich habe nicht gehört, dass das Volk, durch dessen Stimmen Knights und Burgesses gewählt werden, diejenigen, welche es | gewählt hat, je zur Rechenschaft gezogen habe. Es gibt ihnen weder Anordnungen noch Weisungen für das, was sie im Parlament zu sagen oder zu tun haben, und kann sie deshalb, wenn sie nach Hause kommen, auch nicht bestrafen, weil sie unrichtig gehandelt haben. Wenn das Volk eine solche Macht über seine Vertreter hätte, dann könnten wir uns die natürliche Freiheit des Volkes ausmalen. Aber das Volk ist so weit entfernt zu strafen, dass es für seine Einmischung in Parlamentsangelegenheiten selbst bestraft werden kann. Es hat nur zu wählen und denjenigen, die es wählt, zu überlassen zu tun, was ihnen beliebt, und das ist gerade so viel Freiheit, als viele von uns für unsere unregelmäßigen Wahlen von Burgesses verdienen. 15. Ein vierter Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, nämlich dass im Parlament alle Statuten oder Gesetze im eigentlichen Sinne durch den König allein auf Bitten des Volkes gegeben

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werden, wie Seine Majestät König James, glücklichen Angedenkens, es in seinem wahren »True Law of Free Monarchy« bekräftigt82 und wie Mr. Hooker uns lehrt, dass »Gesetze ihre bindende Macht nicht von der Eigenschaft derer nehmen, die sie ersinnen, sondern von der Gewalt, die ihnen die Kraft von Gesetzen gibt«. 83 »Le roy le veult [sic]«, »Der König will es so«, ist die gebieterische Redewendung, mit der jede Genehmigung einer Parlamentsakte durch den König ausgesprochen wird. Und es war die alte Sitte während langer Zeit bis zu den Tagen Heinrichs IV., dass die Könige, wenn ihnen eine Gesetzesvorlage [bill] gebracht wurde, die von beiden Häusern angenommen war, aussonderten, was ihnen nicht gefiel, und nur das zum Gesetz erhoben, was ihren Beifall fand. Aber die Sitte der späteren Könige ist so gnädig gewesen, stets die gesamte Gesetzesvorlage, wie sie durch beide Häuser verabschiedet worden war, zu genehmigen. 16. Das Parlament ist des Königs Gerichtshof, denn so nennen es alle die ältesten Statuten, »der König in seinem Parlament«. Aber keines der beiden Häuser noch beide zusammen sind an sich jener oberste Gerichtshof. Sie sind nur Glieder und ein Teil des Körpers, dessen Haupt und Gebieter der König ist. Dass der König diesen Körper des Parlaments regiert, wird sehr bezeichnend bewiesen, sowohl durch die Statuten selbst als auch durch solche Präzedenzfälle, die ausdrücklich zeigen, wie der König bald aus sich selbst, bald durch seinen Rat oder durch seine Richter die Urteile der Häuser des Parlaments verworfen und geleitet hat. Was den König betrifft, so finden wir, dass die Magna Carta und die Forst-Charter [charter of forests] und viele andere Statuten aus jener Zeit nur die Form von königlichen Urkunden [letters-patents] oder von Bewilligungen unter dem großen Siegel [great seal] hatten und damit bezeugen, dass jene großen Freiheiten der alleinige Akt und eine Gnade des Königs waren. Die Magna Carta beginnt mit folgenden Worten: »Edward84, durch die Gnade Gottes | etc. An alle unsere Erzbischöfe etc. und an unsere treuen Untertanen ein Gruß.

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Wisset, dass wir aus unserem eigenen freien Willen allen freien Bürgern diese Freiheiten gewährt haben«.85 In derselben Weise lauten die Forst-Charter und viele andere Statuten. »Statutum Hiberniae« [das Statut von Irland], gegeben zu Westminster am 9. Februar, 14 Henry III., ist nur ein Brief des Königs an Gerard, Sohn des Maurice, Richter von Irland. 86 Das Statut »De anno bisextili« beginnt so: »Der König seinen Richtern des obersten Gerichtshofes, einen Gruß etc.«. 87 »Explanationes statuti Glocestriae« [Erklärung der Statuten von Gloucester], die allein vom König und seinen Richtern verfasst wurden, sind stets als Statuten angesehen worden und werden heute noch mit ihnen gedruckt.88 Das Statut, welches zur Verbesserung des zwölften Kapitels des Statuts von Gloucester gegeben wurde, war mit dem großen Siegel gesiegelt und in der Form eines offenen Befehles an die Richter des Obersten Gerichtshofes gesandt, mit einem von der Hand des Königs in Westminster datierten geschlossenen Befehl, der sie aufforderte, »alles und jedes zu tun und auszuführen, was in ihm enthalten war, auch wenn selbiger nicht in allen Dingen mit dem Statut von Gloucester übereinstimme«.89 Das Statut von Rutland sind Briefe des Königs an den Schatzmeister und die Richter des Exchequer und an seinen Kämmerer.90 Das Statut »Circumspecte Agis« lautet: »Der König sendet seinen Richtern einen Gruß«.91 Es gibt noch viele andere Statuten der gleichen Form und einige, die nur in die majestätischen Ausdrücke gefasst sind: »Der König befiehlt« oder »Der König will« oder »Unser Herr der König hat bestimmt« oder »Unser Herr der König hat befohlen« oder »Seine besondere Gnade hat geruht«, ohne jegliche Erwähnung der Zustimmung der Commons oder des Volkes, insofern gleichen manche Statuten eher Proklamationen als Parlamentsakten. Und in der Tat waren einige auch nichts anderes als Proklamationen, wie die Verordnungen von Merton, die vom König auf einer Versammlung der Prälaten und des Adels für die Krönung des Königs und seiner Königin Eleanor erlassen wurden und folgendermaßen beginnen: »Provisum est

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in curia domini regis apud Merton«.92 Eine andere Verordnung wurde 19 Henry III. gegeben: »De assisa ultimae praesentationis«, die in Kraft blieb und als Gesetz betrachtet wurde bis Westminster 2, im Jahr 13 Edward I., c. 5, wo in ausdrücklichen Worten das Gegenteil bestimmt wird.93 Diese Verordnung beginnt so: »Provisum fuit coram domino rege, archiepiscopis, episcopis et | baronibus quod etc«.94 Es scheint, dass anfangs der Unterschied zwischen einer Proklamation und einem Statut nicht groß gewesen ist. Die Letzteren gab der König durch den Allgemeinen Rat des Reiches. Für die Ersteren stützte er sich nur auf die Beratung durch seinen Großen Rat der Peers [great council of the peers] oder allein auf seinen Geheimen Rat [privy council]. Dass der König neben seinem Parlament einen Großen Rat besaß, ergibt sich aus einem Bericht 5 Henry IV. über einen Tausch zwischen dem König und dem Earl von Northumberland, wonach der König verspricht, dem Earl Ländereien im vollen Werte zu geben nach dem Ratschlag des Parlaments oder sonst seines Großen Rates und anderer Stände des Reiches, die der König versammeln wird, falls das Parlament nicht zusammentritt.95 Welches Urteil Parlamente in späteren Zeiten über Proklamationen hatten, ersehen wir aus einem Statut 31 Heinrich VI. c. 8 in folgenden Worten: »Angesichts der Tatsache, dass der König auf Vorschlag seines Rates Proklamationen erlassen hat, die widerspenstige Personen verachtet haben, ohne zu bedenken, was ein König kraft seiner königlichen Gewalt tun darf, und in Anbetracht, dass sich häufig und plötzlich Dinge und Anlässe ereignen, die schleunige Hilfe erfordern, und dass, wenn man auf ein Parlament warten wollte, dem Königreich in der Zwischenzeit großer Schaden erwachsen könnte, und ferner in Erwägung, dass Seine Majestät, die kraft der ihr von Gott verliehenen königlichen Gewalt in solchen Fällen vieles tun darf, infolge des Eigensinns widerspenstiger Untertanen nicht genötigt werden sollte, die Freiheiten und Suprematie ihrer königlichen Macht und Würde zu erweitern: wird deshalb für angemessen gehalten, dass der König mit dem Beistand sei-

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nes ehrenvollen Rates Proklamationen erlasse, wie die Notwendigkeit es erfordert, zum Wohle des Volkes und zum Schutz der königlichen Würde«.96 Diese Ansicht eines Parlaments wurde später durch ein zweites Parlament bestätigt, und das Statut verlieh den Proklamationen eine ebenso große Gültigkeit, als ob sie vom Parlament erlassen worden wären.97 Dieses Gesetz blieb in Kraft, bis die Staatsregierung während der Minderjährigkeit Edwards VI. unter einen Protektor kam, und wurde in seinem ersten Jahr widerrufen.98 Ich fi nde auch, dass ein Parlament im elften [Regierungs-]Jahr Heinrichs VII.99 | den Handlungen und Verordnungen des Königs so große Ehre erwies, dass es durch Statut das Mittel vorsah, eine dem König bewilligte Zwangsanleihe [benevolence] aufzubringen, trotzdem durch ein nicht lange vorher gegebenes Statut alle Zwangsanleihen verurteilt und für immer abgeschafft worden waren.100 Mr. Fuller sagt in den Arguments gegen das Verfahren des Hohen Gerichtshof [High Commission Court],101 dass das Statut 2 Henry IV c. 15, welches die gewöhnlichen Richter ermächtigt, auf Gefängnis und Geldstrafen zu erkennen, ohne Einwilligung der Commons gegeben worden war, weil diese in der Akte nicht erwähnt sind.102 Wenn dieses Argument richtig ist, werden wir sehr viele Statuten derselben Art fi nden, denn in den älteren Parlamenten wurde die Zustimmung der Commons selten erwähnt. Der gebräuchlichste Parlamentstitel in der Zeit Edwards III., Richards II., der drei Heinriche IV., V., VI., Edwards IV. und Richards III. war: »Der König in seinem Parlament, mit Zustimmung der Prälaten, Earls und Barone und auf Bitten oder besonderes Ansuchen der Commons, bestimmt.«103 Derselbe Mr. Fuller sagt, dass das Statut gegen die Lollards104 ohne Einwilligung der Commons gegeben wurde, wie aus folgenden Worten ihrer Petition hervorgeht: »Die Commons bitten, dass, eingedenk des im letzten Parlament gegebenen Statuts etc., welches von den Commons nie gebilligt noch zugestanden, sondern was darin geschehen, ohne ihre Zustimmung geschehen ist«.105

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17. Wieweit der Rat des Königs das Parlament beeinflusst und beherrscht hat, ist teilweise im Vorhergehenden nachgewiesen worden. Als weiteres Zeugnis können wir das Statut von Westminster anführen, das erste, welches sagt: »Dieses sind die Beschlüsse König Edwards I., gefasst auf seinem ersten allgemeinen Parlament durch seinen Rat und mit Zustimmung der Bischöfe, Äbte, Prioren, Earls, Barone und der gesamten Körperschaften [commonalty, sic]106 des Reiches etc.« (3 Edward I).107 Das Bigamie-Statut sagt: »In Gegenwart gewisser ehrwürdiger Väter, der Bischöfe von England und anderer aus des Königs Rat wurden die unterschriebenen Ordonanzen vor dem König und seinem Rat vorgetragen und veröffentlicht.108 Da der gesamte königliche Rat, Richter sowohl als andere, übereingekommen sind, dass sie niedergeschrieben und gehalten werden sollen etc.« (4 Edward I).109 Das Statut von Acton Burnel sagt: »Der König für sich und | seinen Rat hat angeordnet und festgesetzt« (13 Edward I).110 In »Articuli super Chartas«, durch die auf Bitten der Prälaten, Earls und Barone die Große Charter bestätigt wurde, finden wir folgende Sätze (28 Edward I): 1. »Dessen ungeachtet beabsichtigen der König und sein Rat nicht, durch dieses Statut die Rechte des Königs zu vermindern«.111 2. »Und trotz aller dieser vorerwähnten Dinge oder eines Teiles von ihnen wünschen und beabsichtigen der König und alle, die bei Abfassung dieser Verordnung zugegen waren, dass die Rechte und Prärogative der Krone ihm in jeder Hinsicht gesichert bleiben«.112 Hier können wir in demselben Parlament die Charter der Freiheiten des Volkes bestätigt und die Prärogative des Königs gesichert sehen. Jene Zeiten stießen sich nicht an den Namen, noch dachten sie an einen Gegensatz zwischen den Bezeichnungen, der sie unverträglich miteinander hätte machen können. Das Escheator-Statut [statute of Escheators]113 sagt: »Auf dem Parlament unseres Souveränen Herrn des Königs wurde durch seinen Rat beschlossen und durch den König selbst befohlen« (29 Edward I).114 Und die »Inquest Ordonanz«115 lautet so: »Durch den König selbst und seinen ganzen Rat wird

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Kapitel III

61–62

beschlossen und befohlen« (33 Edward I).116 Das Statut von York (9 Edward III) lautet: »Wohingegen die Knights, Bürger und Burgesses unseren Souveränen Herrn den König in seinem Parlament gebeten haben, dass auf ihr Gesuch, zu seinem Wohl und zum Nutzen seiner Prälaten, Earls, Barone und Commons es ihm gefallen möge, Hilfe zu schaffen; hat unser Souveräner Herr der König, das Wohl seines Volkes wünschend, mit Zustimmung seiner Prälaten, Earls, Barone und anderer gegenwärtiger Edlen seines Rates beschlossen« (9 Edward III).117 Im Parlament 2 Edward III, das die Magna Carta bestätigte, finde ich folgende Einleitung: »Auf Bitten der Mitglieder der Körperschaften wurde die dem König und seinem Rat im Parlament überreichte Petition mit Zustimmung der versammelten Prälaten, Earls, Barone und anderer versammelter Großen bewilligt«.118 Die Commons, die dem König eine Petition überreicht hatten, welche der königliche Rat missbilligte, begnügten sich, sie abzuändern und zu erläutern, was in folgender Form geschah: | »Zu ihrem höchst gefürchteten Souveränen Herrn dem König flehen besagte Commons, in Erwägung nachstehender Gründe sie ihn gebeten haben, jegliche Art von Artikeln des Eyre119 etc. abzuschaffen; da diese Petition seinem Rat nachteilig für ihn zu sein und zur Enterbung der Krone zu führen scheint, falls sie so allgemein angenommen würden; und da die besagten Commons nicht wollen noch wünschen, Dinge von ihm zu fordern, die auf ewig zur Enterbung seiner selbst oder seiner Krone führen könnten, wie die Abschaffung der Escheators etc., sondern nur der Übertretungen, Missbräuche, Nachlässigkeiten, Torheiten etc. …« (27 Edward III).120 In der Zeit Heinrichs III. wurde durch den königlichen Rat eine Verordnung oder Verfügung erlassen und als peremptorische Exzeption auf einen Prozess wegen Wittums nach Gemeinem Recht geltend gemacht. Des Klägers Anwalt konnte sie nicht ablehnen, worauf das Urteil fiel »ideo sine die«.121 In jenen Tagen scheint eine Verordnung des Rates entweder einen

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Positives Recht und die Gewalt der Könige

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Teil des Gemeinen Rechts ausgemacht oder sogar über ihm gestanden zu haben. Die ehrwürdigen Richter haben Sorge getragen, bevor sie in neuen Fällen entschieden oder ein Urteil fällten, das Gutachten des Geheimen Rates des Königs einzuholen. In dem Falle von Adam Brabson, der in Gegenwart der Geschworenenrichter [justices of assize] in Westminster von R. W. tätlich angegriffen worden war, wünschten die Richter den Beistand des königlichen Rates zu haben, denn in einem ähnlichen Falle, wo R. C. bei einer gerichtlichen Untersuchung gegen einen seiner Freunde einen Geschworenen in Westminster geschlagen hatte, wurde durch den ganzen Rat entschieden, dass ihm die rechte Hand abzuschneiden sei und seine Ländereien und sonstiges Besitztum dem König verfallen sollten. Green und Thorpe wurden von den Richtern an den Geheimen Rat des Königs geschickt, um zu fragen, ob nach dem Statut 14 Eduard III c. 16 in einem Haftbefehl ein Wort geändert werden dürfe. Die Antwort war, dass die Änderung eines Wortes erlaubt sei, obwohl das Statut nur von einem Buchstaben oder einer Silbe spreche.122 In dem Falle Sir Thomas Oghtreds, Knight, der einen gerichtlichen Auslieferungsbefehl gegen einen armen Mann und sein Weib vorbrachte, kamen diese und unterwarfen sich dem Kläger, was dem Gericht verdächtig schien und Anlass gab, das Urteil aufzuschieben. Thorpe sagte, »dass in dem ähnlichen Falle des Giles Blacket im Parlament darüber verhandelt und uns befohlen wurde, wenn ein gleicher Fall sich ereigne, nicht ohne gute Beratung das Urteil zu fällen«. 123 | Deshalb entschieden die Richter: »Wendet euch an den Rat, und wie er will, dass wir tun sollen, so werden wir tun; und anders nicht in diesem Fall«. 18. Wir wollen zuletzt auch untersuchen, wieweit in den Parlamenten die Ansichten der Richter des Königs entscheidend gewesen sind. Wir werden fi nden, dass der Rat des Königs die Richter geleitet und regiert, die Richter aber das Parlament geleitet haben.

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Kapitel III

63–64

»Im Parlament 28 Henry VI beantragten die Commons, dass William de la Poole, Herzog von Suffolk, wegen vielfachen Verrates und anderer Verbrechen ins Gefängnis geworfen werde. Da die Lords des Oberhauses in Zweifel waren, welche Antwort zu geben sei, wurde die Ansicht der Richter befragt. Die Richter waren der Meinung, dass er nicht verhaftet werden dürfe, weil er von den Commons nicht mit einem bestimmten Verbrechen, sondern nur mit allgemeinen Gerüchten und Angebereien belastet sei. Diese Meinung wurde angenommen«. 124 In einem anderen Parlament (31 Henry VI) (welches vertagt war) wurde während der Vakanz der Speaker des Unterhauses »in einer peinlichen Klage zu tausend Pfund Schadenersatz verurteilt und in Vollstreckung des Urteils gefangen gesetzt. Als das Parlament sich von neuem versammelte, ersuchten die Commons den König und die Lords, ihren Speaker frei zu geben. Die Lords befragten die Richter, ob er nach dem Privileg des Parlaments aus dem Gefängnis entlassen werden dürfe«.125 Auf die Antwort der Richter wurde beschlossen, dass der Speaker »im Gefängnis bleiben müsse nach dem Gesetz, ungeachtet des Privilegs des Parlamentes und obwohl er der Speaker war. Dieser Beschluss wurde den Commons durch Moyle, des Königs Sachwalter [serjeant at law]126 , bekannt gegeben und durch den Bischof von Lincoln (in Abwesenheit des Erzbischofs von Canterbury, des damaligen Kanzlers) den Commons im Namen des Königs befohlen, einen anderen Speaker zu wählen.127 In 7 Henry VIII »wurde im Parlament die Frage aufgeworfen, ob geistliche Personen in Kriminalfällen vor weltliche Richter geladen werden dürfen. Sir John Fineux und die anderen Richter waren der | Ansicht, sie dürfen und müssen. Und diese Ansicht wurde vom König und den Lords angenommen und beibehalten. Und so auch von Dr. Standish, der schon vorher diese Meinung vertreten hatte. In gleicher Weise äußerten sich die Bischöfe. Wenn im Parlament ein Befehl zur Revidierung eines Urteils des Oberhofgerichts [king’s bench] angestrengt wurde, hatten die Lords des Oberhauses allein (ohne die Commons) die Fehler

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Positives Recht und die Gewalt der Könige

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zu prüfen. Die Lords sollen nach dem Gesetz verfahren und zu ihrem Urteil darüber durch den Rat und Beistand der Richter belehrt werden, die sie zu unterweisen haben, was das Gesetz ist, und sie auf diese Weise in ihrem Urteil leiten sollen. Denn die Lords sollen nicht ihrer eigenen Ansicht und Willkür folgen«. 128 So geschah es, wie aus dem Bericht (17 Richard II) hervorgeht, in der Berufungssache, die von Dekan und Kapitel von Lichfield gegen den Prior und das Kloster von Newton-Panel vor das Parlament gebracht wurde.129

A N M ER KU NGEN

k a pi t el i 1

Der kursiv gesetzte Teil des Satzes wurde in Wilmans Ausgabe nicht mit übersetzt. Er fehlt auch in den Ausgaben von 1680 und 1685, fi ndet sich aber im Manuskript in Cambridge. Laslett und Sommerville bringen diesen Teil des Satzes in ihren Ausgaben, aber nirgends wird in der Forschung zu Filmer darauf eingegangen, dass er in den frühen Drucken von Patriarcha nicht vorkam. 2 Das Zitat stammt aus Buch III von Marcus Annaeus Lucanus, Pharsalia sive de bello civile. Vgl. M. A. Lucanus Pharsalia oder der Bürgerkrieg, übersetzt v. F. H. Bothe und hg. v. C. R. Osiander, Stuttgart 1855, III–144 f., S. 90: »Volksfreiheit (…) beschränkt von siegender Herrschaft stirbt an der Freiheit selbst«. 3 Das Zitat stammt aus Buch III von Claudianus, De Consulatu Stilichionis, XXIV, 113–115. Vgl. Dichtungen des Claudius Claudianus, übersetzt von G. Freiherr von Wedekind, Darmstadt 1868, XXIV, 113–115, S. 211: »Schwer irrt, wer im Staat, von treffl ichem Fürsten geleitet, Knechtschaft sieht. Nie wirkt so reichlichen Segen die Freiheit, Als wo treu ein König regiert«. 4 »Schools« meint die mittelalterlichen römisch katholischen Universitäten. 5 Calvinisten. 6 Robert Parsons (1546–1610) war ein Jesuit und mehrfach daran beteiligt, den Katholizismus wieder in England einzuführen. 1594 publizierte er unter dem Pseudonym Doleman A Conference about the Next Succession to the Crown of England. Filmer bezieht sich hier auf diese Schrift. 7 George Buchanan (1506–1582) war ein schottischer Humanist und Historiker. Er spielte eine wichtige Rolle dabei, den Presbyterianismus in Schottland einzuführen, und war maßgeblich daran beteiligt, die Katholikin Maria Stuart ihres Throns zu entheben und anzuklagen. Sein einflussreicher 1579 zuerst publizierter politischer Traktat De jure regni apud Scoti, den Filmer hier nennt, macht sich die Positionen der Monarchomachen und insbesondere

Anmerkungen

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ihre Widerstandstheorie ausdrücklich zu eigen. Nicht zuletzt deswegen wurde das Buch wiederholt als subversiv verboten. 8 Robert Bellarmin (1542–1621) ein italienischer Jesuit und einer ihrer einflussreichsten politischen Vordenker. Zu Bellarmin und Filmer vgl. ausführlicher meine Einleitung. 9 Jean Calvin (1509–1564). Filmer hat hier vermutlich vor allem Kapitel 16 von Calvins Institutio Christianae Religionis (Unterricht/Unterweisung in der christlichen Religion) von 1536 vor Augen. 10 Filmer hat hier den Namen verwechselt. Es handelt sich um den englischen Historiker Sir John Hayward (1564–1627), der in seiner Schrift An Answer to the First part of a certain Conference concerning Succession (London 1603) auf die oben genannte Schrift von Parsons reagierte. 11 Adam Blackwood (1539–1613) war ein schottischer Rechtsgelehrter, der mit Apologia pro Regibus, adversus Georgii Buchani dialogum de Jure Regni apud Scoti (Potiers 1581) auf Buchanan antwortete. 12 Hier handelt es sich um William (nicht John) Barclay (1546– 1608), einem weiteren schottischen Rechtsgelehrten, der sich mit seiner Schrift De Regno et Regali Potestate, adversus Buchananum, Brutum, Boucherim et reliquos Monarchomachos (Paris 1600) ebenfalls gegen Buchanan und die Monarchomachen wandte. 13 Der ironische Verweis auf die Magna Carta, in der 1215 die Freiheitsrechte zum ersten Mal gegenüber der Krone verbrieft wurden, dürfte die Republikaner kaum amüsiert haben. 14 Der Originaltext lautet: »For if their thesis be true, the hypothesis will follow«. 15 Richard Hooker (1554–1600) war einer der bedeutendsten anglikanischen Theologen im 16. Jahrhundert. 16 Bereits im 12. Jahrhundert wurde dieses Bild von Bernhard von Chartres und John of Salisbury geprägt. Es wurde über Didacus Stella und andere weitergereicht. Filmer dürfte es von Robert Burton übernommen haben, der das Bild vom Zwerg auf den Schultern des Riesen nach Didacus Stella in seiner 1621 zunächst unter dem Pseudonym Democritus Junior erschienenen Schrift The Anatomy of Melancholy zitiert. Vgl. R. Burton, The Anatomy of Melancholy. What it is, with all the kinds, causes, symptoms,

84

Anmerkungen

prognostics & several cures of it. In three Partitions with their several Sections, members, and subsections. Philosophically, Medicinally, Historically, opened and cut up, London 1806, S. 12: »Though there were many giants of old in physics and philosophy, yet I say with Didacus Stella, ›A dwarf standing on the shoulders of a giant may see farther than a giant himself‹; I may likely add, alter, and see farther than my predecessors«. 17 Das Manuskript verweist auf R. Bellarmin, De Pontifice Romano, Buch I, Kap. 2. 18 »Eltern« (parents) steht hier im Sinne von »Vätern«. Auch im Folgenden ist das Wort »parents« zumeist in diesem Sinne zu verstehen. Vgl. dazu die Kritik von John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, hg. v. W. Euchner, Frankfurt/Main 1998, (I– 63), S. 116: »wenn mit Eltern hier nur der Vater gemeint sein soll, so wäre das meines Wissens zum ersten Mal der Fall, und mit einem solchen Gebrauch der Worte läßt sich schließlich alles behaupten«. 19 Genesis 38,24. 20 Genesis 14,14. 21 Genesis 33,1. 22 Genesis 21,23 f. 23 Genesis 9,1. 24 Genesis 10,5. 25 Genesis 10,20. 26 Genesis 10,31 f. 27 Sir Walter Raleigh (1552/4?–1618). Raleigh war ein Günstling der englischen Königin Elisabeth und als Seefahrer, Abenteurer und Entdecker bekannt. Er verfasste aber auch mehrere Bücher, u. a. eine Geschichte der Welt (1614). 28 Genesis 25,16 29 Genesis 36,40. 30 Genesis 14. 31 Genesis 36. 32 Josua 12,24. 33 Richter 1,7. 34 1. Könige 20,16. 35 Filmer nimmt dieses Argument weiter unten noch einmal detaillierter auf (vgl. Kapitel III–13). 36 Vgl. zur Lineal-Nachfolge auch H. Grotius, Drei Bücher

Anmerkungen

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vom Recht des Krieges und des Friedens nebst einer Vorrede von Christian Thomasius zur ersten deutschen Ausgabe des Grotius vom Jahre 1707, neu hg. v. W. Schätzel, Tübingen 1950, II–7–XXII, S. 208. 37 Diese Auslegung von Genesis 4,7 ist nur aus dem Wortlaut des englischen Bibeltextes möglich, der in der Tat in der Version der sogenannten King James Bibel lautet: »And unto thee shall be his desire and thou shalt rule over him«. Locke kritisierte diese Interpretation Filmers ausdrücklich. Vgl. J. Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, I–112, S. 155. Die Luther’sche Übersetzung gibt die Stelle eindeutiger wieder: »Aber lass du ihr (nämlich der Sünde) nicht ihren Willen, sondern herrsche über sie«. 38 Genesis 27,29. 39 Dieser Ehrentitel (Vater des Vaterlandes) geht auf einen Brauch in der römischen Republik zurück. Er wurde ursprünglich vom römischen Senat verliehen. Filmer scheint sich indes nicht daran zu stören, dass es sich hier um ein »republikanisches Erbe« handelt. 40 Exodus 20,12.

k a pit el ii 1

Aristoteles, Politik, hg. v. G. Bien, Hamburg 1981, 1287a 9–11, S. 116. 2 Filmer bezieht sich hier auf die von dem französischen Humanisten Denis Lambin besorgte lateinische Ausgabe von Aristoteles. D. Lambin (Hg.), Aristotelis opera, 2 Bde, Paris 1612. Die Verweise, die er hier und im Folgenden bringt, zeigen, dass er mit seiner Kritik durchaus richtig lag. 3 Die englische Übersetzung war nach einer französischen Übersetzung angefertigt worden. Obwohl der französische Übersetzer Le Roy diesen Übersetzungsfehler nicht gemacht hatte, fi ndet er sich dennoch in der englischen Übersetzung, worin sicherlich der Einfluss Lambins deutlich wird. Vgl. Aristotle’s Politiques (…) translated out of Greeke into French by Loys Le Roy (…) out of French into English, London 1598, S. 179. Guillaume Duval oder du

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Anmerkungen

Val (1572–1646) hatte 1619 eine lateinisch-griechische Ausgabe von Aristoteles’ Werken herausgegeben. Zehn Jahre später wurde diese Ausgabe erneut mit einer Interpretation Duvals von Aristoteles’ Philosophie gedruckt. Filmer bezieht sich auf diese Ausgabe. G. Duval, Synopsis Analytica, Paris 1629, Bd. II, S. 53. 4 Der Humanist Isaac Casaubon (1559–1614).  5 Vgl. Aristoteles, Politik, 1252b 16–23, S. 3. 6 Vgl. ebd., 1289a 39–40, S. 125. 7 Vgl. Plato, Politikos (Der Staatsmann), hg. v. W. F. Otto/ E. Grassi, Hamburg 1989, Bd. 5, 259b, S. 13. 8 Vgl. F. Suárez, Tractatus de Legibus ac Deo Legislatore, Coimbra 1612, III–II–3, S. 202: »Sic enim dixit Chrysost. (…) Ex uno Adamo omnes homines formatos, & procreatos esse, ut signficaretur subordnatio ad unum principem«. Suárez fährt dann allerdings fort, dass daraus nur eine häusliche, aber keine politische Macht abgeleitet werden könne. 9 Vgl. Polybios, Geschichte, hg. v. H. Drexler. 2 Bde. Zürich/ Stuttgart 1961, VI–5, S. 529. 10 Vgl. Aristoteles, Politik, 1285b 3–9, S. 111. 11 Vgl. ebd., 1252a 31–37, S. 2. 12 Vgl. F. Suárez, Tractatus de Legibus, III–II–3, S. 202. 13 Vgl. J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, hg. v. P. C. Mayer-Tasch, München 1981, Bd. 1, I–2, S. 107 ff. 14 Vgl. Aristoteles, Politik, 1252b 11–15, S. 3. Charondas war ein antiker griechischer Philosoph und Gesetzgeber, der aus Katane, dem heutigen Catania auf Sizilien, stammte und im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. lebte. Der Vorsokratiker Epimenides war Philosoph und ein berühmter Seher und Priester. Er lebte vermutlich im 5., 6. oder 7. Jahrhundert v. Chr. in Knossós auf Kreta und später in Athen.  15 Vgl. ebd., 1252b 1–8, S. 2 f. 16 Vgl. ebd., 1252b 5–12, S. 2 f. 17 Deuteronom. 21,18–20. 18 Das heißt den Inseln in der Karibik. 19 Filmer referiert hier und im Weiteren im Wesentlichen Bodin. Vgl. J. Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Bd. 1, I–4, S. 127. 20 Vgl. F. Suárez, Tractatus de Legibus, III–II–5, S. 203. 21 Vgl. R. Hooker, On the Laws of Ecclesiastical Polity, London

Anmerkungen

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1648, VIII–II–8. Nur die ersten vier Bücher von Hookers On the Laws of Ecclesiastical Polity wurden zu seinen Lebzeiten (1554– 1600) publiziert. Das 8. Buch erschien zum ersten Mal gedruckt in der Ausgabe von 1648. In der Forschung zu Filmer wird allgemein davon ausgegangen, dass ihm ein Manuskript des 8. Buches vorlag, was durchaus nicht unüblich gewesen wäre. Nur durch diese Annahme lässt sich die oben in der Einleitung diskutierte Datierung von Patriarcha vertreten. Es gibt dafür allerdings keine Beweise. 22 Prediger 20,16. 23 Vgl. R. Bellarmin, De Romano Pontifice, I–2. 24 Vgl. ebd. 25 Vgl. ebd. 26 Richter 21,25. 27 1. Samuel 8,7. 28 Wie Hobbes, so ist auch Filmer hier ironisch-kritisch gegenüber dem antiken Freiheitsideal. Vgl. T. Hobbes, Leviathan, hg. v. H. Klenner, Hamburg 1996, XXI, S. 180. 29 Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, hg. v. G. Bien, Hamburg 1985, 1160a 37, S. 197. 30 Aristoteles’ Bewertung der Monarchie ist skeptischer, als Filmer das hier nahelegt. Vgl. Aristoteles, Politik, 1284b35–1288a 32, S. 108–120. 31 Das Wortspiel, das Filmer hier mit der doppelten Bedeutung von »providence« möglich ist, kann im Deutschen nur ungenügend wiedergegeben werden. Providence heißt sowohl Vorsehung als auch Fürsorge und Voraussicht. 32 Vgl. Horaz, Sämtliche Werke, hg. v. M. Simon, Epoden 16, Köln 2009, S. 138. Der vollständige Satz lautet: »Altera iam teritur bellis civilibus aetas, suis et ipsa Roma viribus ruit« – »Bereits die zweite Generation wird durch Bürgerkrieg in Schrecken versetzt, und Rom selbst geht durch die eigenen Kräfte zugrunde«. 33 Vgl. Plato, Politeia, hg. v. W. Otto/E. Grassi, Hamburg 1989, Bd. 4, VIII. 557d, S. 257. 34 Hiob 2,4. 35 Sprüche 13,8. 36 Vgl. Plutarch, Sulla, in: Plutarch, Griechische und römische Heldenleben, hg. v. W. Ax, Wiesbaden 1996, XXXI, S. 115 f. 37 Vgl. Plutarch, Sulla XXXVI, S. 120 f.

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Anmerkungen 38

Filmer bezieht sich auf James VI./I. (vgl. dazu auch die Einleitung). 39 Filmer zitiert hier James VI./I. Vgl. James, The Trew Law of Free Monarchies, in: The Political Works of James I, hg. v. S. H. McIlwain, Cambridge 1918, S. 66. Algernon Sidney kritisierte Filmer ausdrücklich für diese Argumentation. Vgl. A. Sidney, Discourses concerning Government, S. 263. 40 Vgl. die Diskussion in der Einleitung zur Mischverfassungstheorie der mixed Monarchy. 41 Vgl. James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 68–9. 42 Vgl. Aristoteles, Politik, 1280a 15 f., S. 93: »fast die meisten [sind] in eigener Sache schlechte Richter«. Die deutsche Übersetzung ist in dieser (und auch in anderen) Ausgaben sprachlich genauer und auch hinsichtlich des argumentativen Kontextes von Aristoteles Politik inhaltlich treffender als Filmers Übersetzung. οἱ πεῖστοι ist ein substantivierter Superlativ von πολύς (viel). Demzufolge kann man οἱ πεῖστοι ganz wortwörtlich, also mit die Meisten, wiedergeben. Da die Meisten eine sehr große Menge sind, übersetzt man die Verbindung u. a. auch mit die Mehrheit oder die Mehrzahl  oder  die große Masse. Dass Filmer οἱ πεῖστοι (hoi pleistoi  ) als »multitude« auffasst, ist also auch durchaus möglich und im Rahmen seiner eigenen politischen Theorie plausibel. 43 1066 durch William the Conqueror. 44 Der englische Schriftsteller Raphael  Holinshed  (ca.1520– ca.1580). 45 Filmer zitiert hier aus Sir John Hayward, An Answer to the First Part of a Certaine Conference Concerning Succession, London 1603. 46 Der erste Krieg der Barone dauerte von 1215–1217. Durch die opponierenden Barone wurde der König genötigt, die magna carta libertatum (die große Urkunde der Freiheiten) 1215 zu verabschieden. Nicht zuletzt deswegen wurde Filmers negatives Urteil gegenüber den Baronen längst nicht von allen geteilt. Der zweite Krieg der Barone dauerte von 1264–1267. 47 Die sogenannten Rosenkriege von 1455–1485, in denen die Häuser Lancaster und York, die beide Nebenlinien des englischen Königshauses Plantagenet waren, um die Thronnachfolge kämpften.

Anmerkungen

89

48

In der 1680 von Bohun besorgten Ausgabe von Patriarcha ist von drei (und nicht wie im Manuskript von zwei) unnatürlichen Kriegen die Rede, denn es wird hier nun der englische Bürgerkrieg als »the late rebellion« ebenfalls erwähnt. Vgl. R. Filmer, Patriarcha, London 1680, S. 76. Als Filmer Patriarcha schrieb, konnte er von diesen Ereignissen freilich noch nichts wissen. Bohuns Interpolation geschah aber durchaus im Geiste Filmers.

k a pit el iii 1

Vgl. Sir Walter Raleigh, History of the World, London 1614. 1. Samuel 8,11–18. 3 Vgl. James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 56–9. 4 Vgl. 1. Samuel 8,15 f. 5 Vgl. 1. Samuel 8,11 und 8,18. 6 Vgl. 1. Samuel 8,5. 7 Vgl. 1. Samuel 8,7. 8 Vgl. 1. Samuel 22,18 f. 9 Vgl. 1. Samuel 8,18–19. 10 1. Könige 12,4. 11 Vgl. 1. Samuel 15,9. 12 Matthäus 22,21. 13 Basilius von Caesarea (ca. 330–379). 14 Vgl. Kohelet (Prediger) 8,4. 15 Henry de Bracton (ca. 1210–1268) 16 Vgl. H. Bracton, De Legibus et Consuetudinibus Angliae, London 1640, 5b–6a. 17 Vgl. Matthäus 22,21. 18 Vgl. Römer 13,1. 19 Vgl. Römer 13,3–4. 20 Vgl. Römer 13,6–7. 21 1. Petrus 2,13. 22 Sprichwörter 8,15. 23 Vgl. Exodus 18,13–26. 24 Vgl. James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 63. 25 Wilmans weist darauf hin, dass in der englischen Ausgabe der Patriarcha von 1680 hier offenbar ein Fehler unterlaufen ist. 2

90

Anmerkungen

Es heißt dort S. 93 »seems to rule«, müsste aber »seems not to rule« heißen. Im Manuskript lautet die Stelle »leaves to rule«. Filmer zitiert hier James VI/I. Vgl. James VI./I., A Speach to the Lords and Commons of the Parliament at White-Hall, in: The Political Works of James I, hg. v. S. H. McIlwain, Cambridge 1918, S. 309. 26 Vgl. James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 63. 27 Vgl. T. Miles, The Catalogue of Honor or Treasury of the True Nobility, London 1610, S. 53. 28 Vgl. ebd., S. 53. 29 Court of Chancery: Kanzleigericht, welchem der Lordkanzler präsidiert, nächst dem Hause der Lords das höchste Tribunal in England, auch Court of Equity genannt, weil es die Befugnis hatte, die Strenge des Common Law zu mildern. 30 »Das höchste Recht ist das höchste Unrecht«. Vgl. M. T. Cicero, De officiis/Vom pfl ichtgemäßen Handeln, hg. v. H. Gunermann, Stuttgart 1984, I–10, S. 33. 31 Vgl. Aristoteles, Politik, 1287a 1–10, S. 115 f. Filmer gibt Aristoteles’ Argumentation nur sehr approximativ wieder. 32 Vgl. Cassius Dio, Römische Geschichte, hg. v. O. Veh, Düsseldorf 2007, Bd. IV, LIII–28,2–3 S. 137. 33 Vgl. Digesten I–III, 31. Vgl. dazu auch D. Wyduckel, Princeps legibus solutus. Eine Untersuchung der frühmodernen Rechts- und Staatslehre, Berlin 1979, S. 48 ff. 34 Sir Thomas Egerton (ca. 1540–1617). Vgl. T. Egerton, The Speech of the Lord Chancellor of England, in the Eschequer Chamber, touching the post-nati, London 1609, S. 35. 35 Vgl. Aristoteles, Ethik, 1137b 14–24, S. 126. 36 Vgl. Aristoteles, Politik, 1282b 3–10, S. 101. 37 Vgl. H. Bracton, De Legibus et Consuetudinibus Angliae, 34a und 107a. 38 Vgl. W. Lambarde, Archeion, or, A discourse upon the High Courts of Justice in England, hg. v. C. H. McIlwain/P. L. Ward, Cambridge Mass. 1957, S. 57. Zur Bedeutung dieser Quelle für Filmer sowie zur Datierung seiner Schriften vgl. J. P. Sommerville, The authorship and dating of some works attributed to Filmer, in: Patriarcha and other Writings, hg. v. J. P. Sommerville, Cambridge 1991, S. XXXVI f. 39 Vgl. W. Lambarde, Archeion, S. 58.

Anmerkungen 40 41

91

Vgl. ebd., S. 28. Court of Common Pleas: Obergericht in bürgerlichen Sa-

chen. 42

Common Law: Gewohnheitsrecht, Gemeines Recht, im Gegensatz zum Statutarischen Recht, das in ausdrücklichen Parlamentsgesetzen enthalten ist. In der Übersetzung ist, solange es sich um die Entstehung des Common Law handelt, mit »Gewohnheitsrecht«, im späteren Verlauf aber durchweg mit »Gemeines Recht« übersetzt worden. 43 Vgl. W. Lambarde, Archeion, S. 62. 44 Vgl. ebd., S. 63 f. 45 Filmer nutzte hier die in England übliche Abkürzung für die Verabschiedung von Statuten. Die erste Zahl bezeichnet das Jahr der Regierung des Königs, »c« steht für »caput« (Kapitel), was das Datum der Parlamentssitzung meint, und die letzte Zahl bestimmt die Ordnungsnummer, die das Statut während der entsprechenden Parlamentssitzung führte. »28. Edward I. c. 5« bedeutet demnach das 5. Statut, das während der Parlamentssitzung im 28. Regierungsjahr von Edward I. angenommen wurde. Diese Systematik gilt dann auch für die anderen hier folgenden Verweise, wie z. B. Richard oder Henry. Die Statuten wurden bereits zu Filmers Lebzeiten veröffentlicht und nach diesem System strukturiert. Vgl. The Statutes at Large. Conteyning All Such Acts which at Any Time Heretofore Haue Beene Extant in Print from Magna Charta, Vntill the Sixteenth Yeere of the Raigne of Our Most Gratious Soueraigne Lord Iames, by the Grace of God King of England, Scotland, France and Ireland, Defender of the Faith, &c., 2 Bde., London 1618. 46 »Kings Bench« ist das Oberhofgericht in London und der oberste Gerichtshof des Common Law, welchem die Regenten ehemals selbst präsidierten. Das Gericht entscheidet in Kriminal- und Zivilprozessen. 47 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 51. 48 Vgl. W. Lambarde, Archeion, S. 64. 49 Vgl. ebd. 50 Vgl. ebd. 51 »Maintenance« ist eigentlich die widerrechtliche Unterstützung eines Prozessierenden.

92

Anmerkungen 52

Vgl. W. Lambarde, Archeion, S. 70. Vgl. ebd., S. 71. 54 Vorladung unter Strafandrohung bei Nichtbefolgung. 55 Vgl. W. Lambarde, Archeion, S. 72. 56 Vgl. ebd. 57 Vgl. ebd. 58 Vgl. ebd., S. 73. 59 Vgl. ebd. 60 Vgl. ebd., S. 74. 61 Vgl. ebd., S. 75. »in banco regis« heißt wörtlich »auf der Königsbank/king’s bench«, gemeint ist also das Oberhofgericht. 62 Vgl. ebd., S. 75. 63 Der Court of Requests war der ehemalige Gerichtshof für den Gnadenweg. 64 Vgl. W. Lambarde, Archeion, S. 76. 65 Vgl. W. Camden, Britain, or a Chorographicall Description of the most flourishing Kingdoms, England, Scotland, and Ireland, übersetzt v. P. Holland, London 1637, S. 177. Dies Buch erschien zuerst 1586 in Latein, die erste englische Übersetzung, die Filmer offenbar nutzte, erschien 1610. 66 Vgl. J. Caesar, Der Gallische Krieg, hg. v. M. Oberbreyer, Leipzig 1877, 5–22, S. 124. 67 Auch hier weicht der englische Text der 1680 erschienenen Ausgabe vom Manuskript ab. Während es im Manuskript »when the Romans became our lords« heißt, liest man in der Buchausgabe »when the Romans left us«. 68 Filmer spielt hier bereits auf die »Heptarchie« an, auf die er im Folgenden dann konkret eingeht. 69 Edward the Confessor (1003–1066) regierte ab 1042 bis zu seinem Tode. Da er kinderlos starb, brach nach seinem Tod ein Bürgerkrieg aus. Der normannische Herzog William I. behauptete, Edward habe ihn noch zu seinen Lebzeiten zu seinem Nachfolger bestimmt. Am 14. Oktober 1066 fand die Schlacht bei Hastings statt. Sie war der erste militärische Erfolg der französischen Normannen bei der Eroberung Englands durch William the Conqueror. Dies Datum blieb bis weit über Filmers Zeit hinaus einer der wichtigsten Bezugspunkte in der Verfassungsgeschichte Englands. 53

Anmerkungen 70

93

Gemeint ist William the Conqueror (1027/28–1087). König Alfred the great (849–901). 72 Wohl der Kodex von Dunvallo Mulmutius, sechzehnter König der Briten (um 400 vor Christus). Dieser Kodex wurde von Alfred ins Angelsächsische übersetzt. Die Gesetze waren bis zum Conquest 1066 in Geltung. 73 Heptarchie (griechisch für Siebenherrschaft) bezeichnet die frühmittelalterliche Periode vom 6.–9. Jahrhundert, in der England in sieben angelsächsische Kleinkönigreiche (Essex, Sussex, Kent, East Anglia, Mercia und Northumbria) aufgeteilt war. 74 »Knights« und »Burgesses«: Parlamentsmitglieder, erstere für die Grafschaften (shires), letztere für die Flecken (boroughs). Ursprünglich bedeutete »burgess« ein »freier Mann« in einem »borough«. Erst später kam es zu der Bedeutung eines gewählten Repräsentanten für einen »borough« im englischen Unterhaus (House of Commons). 75 Vgl. J. Hayward, The Lifes of the III. Normans, Kings of England, London 1613, S. 283 f. 76 Gemeint ist die »Charter of Liberties«, die Heinrich I. im Jahr 1100 proklamierte und in der er bestimmte Rechte der geistlichen und weltlichen Großen anerkannte, um so seine Herrschaft abzustützen. Die »Charter of Liberties« ist als Vorläuferin der »Magna Carta« anzusehen, die ganze Textpassagen übernahm. 77 Vgl. Sir W. Raleigh, The Prerogative of Parliaments in England, London 1628, S. 4 f. Filmer besaß ein Manuskript dieser Schrift. 78 Vgl. Camden, Britain, S. 169. 79 Gemeint ist das Zusammentreffen mehrerer Klagen. 80 »In einem neuen Fall ist eine neue Abhilfe zu schaffen«. 81 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 34 f. 82 Vgl. James VI./I., The Trew Law of Free Monarchies, S. 62. 83 Vgl. R. Hooker, On the Laws of Ecclesiastical Polity, hg. v. R. W. Church, Oxford 1876, Buch I, X–8, S. 58. 84 In der 1680 von Bohun besorgten Ausgabe und dieser folgend in Wilmans deutscher Übersetzung von Patriarcha ist von »Henry« bzw. »Heinrich« (und nicht wie im Manuskript von »Edward«) die Rede. In der »charter of forests« hatte Edward I. 1297 71

94

Anmerkungen

die Magna Carta bestätigt. Mehrere Könige hatten das aber bereits zuvor getan. Die Magna Carta war 1215 durch John Lackland (Johann Ohneland), der von 1199–1216 König von England war, unter dem Druck der Barone verabschiedet worden. Henry III. bestätigte die Magna Carta 1216 und erneut 1217 und 1225. 85 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 1. 86 Vgl. ebd., S. 4 f. 87 Vgl. ebd., S. 25. 88 Vgl. T. Egerton, The Speech of the Lord Chancellor of England, S. 15. 89 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 26. 90 Vgl. ebd. 91 Vgl. ebd., S. 43. 92 Vgl. T. Egerton, The Speech of the Lord Chancellor of England, S. 14. »Zu Merton am Hof des Königs unseres Herrn wurde veranlasst«. 93 Vgl. ebd., S. 5. 94 Vgl. ebd., S. 15. »Es wurde angeordnet, in Anwesenheit des Königs unseres Herrn, Erzbischöfe, Bischöfe und Barone, dass, etc.«. 95 Vgl. W. Lambarde, Archeion, S. 59 f. 96 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 640. 97 Vgl. ebd., S. 807 f. 98 Vgl. ebd., S. 918. 99 Also im Jahr 1491. 100 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 328. 101 Der High Commission Court wurde 1559 während der Regierung von Königin Elisabeth gegründet. Er entschied in Religionssachen und hatte über die Genehmigung der Publikation von Theaterstücken zu befinden. Der High Commission Court verfügte damit über das Zensurrecht in England. 1641 (und nicht, wie Wilmans behauptet, 1688) wurde der High Commission Court durch das sogenannte Long Parliament aufgelöst. König James II. setzte dieses Gericht allerdings 1686 wieder ein, das dann 1688 erneut und endgültig aufgelöst wurde. 102 Vgl. N. Fuller, The Arguments of Master Nicholas Fuller, in the case of Thomas Lad, London 1607, S. 7 f. 103 Vgl. das Statut von 1382, 5 Richard II, c. 5.

Anmerkungen 104

95

Der Ursprung des Namens ist nicht bekannt und bezeichnet die Mitglieder einer religiösen Bewegung, die sich in  England gegen Ende des 14. Jahrhunderts entwickelte. Die »Lollards« antizipierten viele Thesen Martin Luthers und wurden durch die Lehren John Wyclifs (ca. 1330–1384) inspiriert. 105 Vgl. N. Fuller, The Arguments, S. 8. 106 »Commonality« kann auch »das gemeine Volk« bedeuten, aber hier sind offenbar die verschiedenen Körperschaften gemeint. 107 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 15. 108 Auch hier weicht der englische Text der 1680 erschienenen Ausgabe vom Manuskript ab. Es fehlt in der von Bohun besorgten Ausgabe folgender Passus (der oben in der Übersetzung kursiv gesetzt wurde): »the constitution underwritten were recited and after published before the king and his council«. 109 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 23. 110 Vgl. ebd., S. 27. 111 Vgl. ebd., S. 50. 112 Vgl. ebd., S. 52. 113 »Escheat« bedeutet Heimfall eines Lehens an den Lehnsherrn, wenn der Lehnsmann stirbt, ohne einen qualifizierten Erben zu hinterlassen. Der »Escheator« war ein jedes Jahr vom Lord Schatzmeister ernannter Beamter, der auf die in seinem Bezirk heimfallenden Güter zu achten und sie dem Exchequer anzuzeigen hatte. 114 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 52. 115 »Inquest« ist eine gerichtliche Untersuchung. 116 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 54. 117 Vgl. ebd., S. 74. 118 Vgl. ebd., S. 55. 119 »Eyre« ist der Bezirk oder das Gericht eines herumziehenden Richters. 120 Vgl. The Statutes at Large, Bd. 1, S. 119 f. 121 »ideo sine die« bedeutet »deswegen ohne Tag«, das Urteil wurde also auf eine unbestimmte Zeit vertagt. 122 Vgl. T. Egerton, The Speech of the Lord Chancellor of England, S. 52 f. 123 Vgl. ebd., S. 52. 124 Vgl. ebd., S. 19.

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Anmerkungen 125

Vgl. ebd. »Serjeant at law« war ein Beamter von höchstem Rang im Dienste des Königs. 127 Vgl. T. Egerton, The Speech of the Lord Chancellor of England, S. 19. 128 Vgl. ebd., S. 22. 129 Der Text bricht hier etwas überraschend ab, da das Manuskript von Patriarcha von Filmer nicht abgeschlossen wurde. 126

PER SON EN R EGIST ER

Alfred der Große 68 Althusius, Johannes XXIII Ambrosius von Mailand 50 Antonius s. Marcus Antonius Argall, Sir Samuel XIV Aristides von Athen 35 Aristoteles XXIX , XXXIII , LXXVII , LXXVIII , 6, 17–19, 21–23, 31, 42, 58, 60 Arthur I 70 Ascham, Anthony XXIV Ashley-Cooper, Anthony, 1st Earl of Shaftesbury LIII , LIV, LV, LVII , LXIV Astell, Mary XLIII , LXXXII Aucher, John LXVIII Audley, Elisabeth 65 Audley, James 65 Augustinus von Hippo 50 Augustus 33, 58 Aurelian 42 Barclay, John 4 Baron d’Holbach s. PaulHenri Thiry d’Holbach Basilius von Caesarea 49 Baxter, Andrew LXV Bellarmin, Roberto Francesco XXXIV–XXXVI , LXV, 4, 6, 7, 8, 17, 25, 29, 30, 58 Blacket, Giles 79 Blackwood, Adam 4 Bodin, Jean XVIIXXXI , XXXIII , XXXIV, 21

Bohun, Edmund

LII , LIX ,

LXIII

Bossuet, Jacques Bénigne LXXIII , LXXIV Brabson, Adam 79 Bracton, Henry de 50, 55, 61 Briton, John 61 Buchanan, George LXV, 3, 4 Caesar s. Gaius Iulius Caesar Caligula 38, 40 Calvin, Johannes 4, 30 Casaubon, Isaac 18 Cassius Dio 24 Catilina 33 Charles I VII , IX , XV, XVI , XXXVIII , XXXIX Charles II LIII , LIV, LV, LVI , LIX , LXII , LXIX Charondas 21 Chrysostomos s. Johannes von Antiochia Cicero s. Marcus Tullius Cicero Clare, Bogo de 65 Commodus 38 Coriolanus 35 d’Holbach, Paul-Henri Thiry LXXV Dionysios I. von Syrakus 39, 40 Domitian 38, 39 Drakon 53 Duval, Guillaume 18 Edgar, König von England 61, 68

98

Personenregister

Edward der Bekenner 68 Edward I 61, 62, 63, 65, 70, 73, 75, 77, 78 Edward II 43 Edward III 63, 65, 76, 78, 79 Edward IV 66, 76 Edward VI 76 Egerton, Sir Thomas 58, 59 Elagabal 42 Eleonore von Aquitanien 74 Elizabeth I XVII Engels, Friedrich XL Euchner, Walter XX , LVI Fell, John LXIV Filmer (Jr.), Sir Edward LII Filmer (Sr.), Sir Edward XIII , XIV

Filmer, Elisabeth XIV Filmer, Henry XIV Filmer, Sir Robert VII –XVIII , XX , XXII –XLIV, XLVI , XLVII , LI , LII , LIII , LVI – LXXIV, LXXVII , LXXXI , LXXXII , LXXXIII , LXXXIV

Fineux, Sir John 80 Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz XV Fuller, Nicholas 76 Gaius Iulius Caesar 12, 32, 33, 68 Gaius Marius 33, 36, 38 Gaius Vibius Trebonianus Gallus 42 Gallus s. Gaius Vibius Trebonianus Gallus Gnaeus Pompeius Magnus 33, 36

Gordianus s. Marcus Antonius Gordianus Green, Sir Henry 79 Grotius, Hugo XXI , XXIV, XXV, XXVI , XXXVIII Hastings, Sir Hugh 66 Heliogabalus s. Elagabal Henry I 69, 70 Henry III 50, 61, 74, 75, 78 Henry IV LV, 44, 64, 73, 75, 76 Henry V 64, 65, 76 Henry VI 63, 65, 66, 75, 76, 80 Henry VII 66, 76, Henry VIII XL , 55, 80 Heton, Anne XIII Heton, Martin XIII Heylyn, Peter LI , LII , LIII , LX Heywood, Sir Henry 4 Hoadly, Benjamin LXXII Hobbes, Thomas VII , VIII , XVII , XVIII , XXI –XXV, XXXV, XXXVIII , XLII , XLIII , LXV– LXVIII , LXXXII , LXXXIV

Holinshed, Raphael 43 Hooker, Richard XXIII , 6, 28, 29, 73 Hunton, Philip XXXII , XXXIII , LXV, LXVII , LXVIII James I/James VI (Schottland) XVII , XVIII , XIX , XX , 54, 73 James II/James VII (Schottland) LIII , LIV, LIX , LXII , LXIX , LXIX , LXX Jane, William LXIV

Personenregister

Johann Ohneland 70 Johannes von Antiochia 19 Kant, Immanuel LXXVII , LXXVIII , LXXIX Kennett, White LXVII Knolles, Richard XXX König John, s. Johann Ohneland Lambarde, William 61 Lambin, Denis 17, 18 Laslett, Peter XII , LI Lepidus s. Marcus Aemilius Lepidus Leslie, Charles LXXI Livius s. Titus Livius Lloyd, John LXIV Locke, John IX , XI , XVIII , XX , XXI , XXVI , LIII , LIX , LX , LXI , LXIV, LXV, LXXII , LXXIII , LXXVIII , LXXX , LXXXII , LXXXIII , LXXXIV Lucius Tarquinius Superbus 32, 34 Ludwig XIV. LIV, LV, LXXIII Marcus Aemilius Aemilianus 42 Marcus Aemilius Lepidus 33 Marcus Antonius Gordianus 42 Marcus Antonius 33 Marcus Aurelius Probus 42 Marcus Salvius Otho 42 Marcus Tullius Cicero 35, 36 Marius s. Gaius Marius Mary Henrietta, Princess Royal LXIX Mary II LXIX , LXX Maurice FitzGerald, 2nd Lord of Offaly 74

99

Metellus s. Quintus Caecilius Metellus Numidicus Miltiades der Jüngere 35 Milton, John XXXVIII , XXXIX , LXV, LXVII Mitscherlich, Alexander LXXX

Moyle, Sir Walter 80 Munda, Constantia L Nero 38, 40, 42 Numerian 42 Oates, Titus LIV Octavianus s. Augustus Oghtred, Sir Thomas 79 Osborne, Thomas LV Otho s. Marcus Salvius Otho Owen, Robert LXV Parsons, Robert 3, 4 Pateman, Carole XLIV, XLV, LXXXII , LXXXIII Paulus von Tarsus L , 51, 52 Perkins, William XL –XLIII Pertinax s. Publius Helvius Pertinax Petrus s. Simon Petrus Philalethes LVII Phokion 35 Platon 18, 22, 36 Plutarch 38 Pocock, J. G. A. LVI Polybios 19 Pompejus s. Gnaeus Pompeius Magnus Poole, William de la 80 Probus s. Marcus Aurelius Probus Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus 35

100

Personenregister

Publius Cornelius Scipio Africanus 35 Publius Helvius Pertinax 42 Publius Rutilius Rufus 35 Quintilius 42 Quintus Caecilius Metellus Numidicus 35 Raleigh, Sir Walter 10, 46, 69 Richard II 43, 44, 55, 63, 76, 81 Richard III 76 Robert II 70 Rousseau, Jean-Jaques XXVI , LXXVII , LXXVIII , LXXX Rutilius s. Publius Rutilius Rufus Sallust 36 Salmasius, Claudius XXXVIII Sancroft, William LII , LXX Schochet, Gordon XXVII Scipio s. Publius Cornelius Scipio Africanus; Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus Selden, John XXIV Severus Alexander 42 Sidney, Algernon LII , LX– LXV, LXXVIII , LXXXII Simon Petrus 51, 52 Solon 24, 53 Somerset, Henry, 1st Duke of Beaufort LIX Sommerville, Johann XX Sowernam, Ester L Speght, Rachel L

Sprat, Thomas LXIX Suárez, Francisco XXXIV, XXXVI –XXXVIII , 20–25 Sueton 39, 40 Sulla 33, 38 Swetnams, Joseph XLVII , XLVIII , XLIX , L , LI Tacitus 36, 39, 42 Tarquinius s. Lucius Tarquinius Superbus Tertullian 49 Themistokles 35 Thorpe, John de, Baron 79 Thukydides 36 Tiberius 38, 40 Titus Livius 36 Towers, Joseph LXXIII Trajan 33 Tucker, Josiah LXXII , LXXIII Tyrrell, James LII , LVII , LVIII , LIX , LX , LXI , LXV, LXXVIII , LXXXII Ulpian 58 Vitellius 42 Weckherlin, Georg Rudolph XV, LII William I 68 William III LXIX , LXX Wollstonecraft, Mary LXXX , LXXXI

Wootton, David LXXXIV

Xenophon

35, 36

LXXXIII ,