Patente in der Praxis: Einführung für Ingenieure und Naturwissenschaftler beim ersten Umgang mit technischen Schutzrechten [1. Aufl.] 9783658296292, 9783658296308

Das Buch gibt einen Einblick in die Gewerblichen Schutzrechte, im speziellen, Patente und Gebrauchsmuster. Es ist in dre

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German Pages XIV, 82 [93] Year 2020

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Patente in der Praxis: Einführung für Ingenieure und Naturwissenschaftler beim ersten Umgang mit technischen Schutzrechten [1. Aufl.]
 9783658296292, 9783658296308

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIV
Einführung in die technischen Schutzrechte (Stefan Basler)....Pages 1-14
Patente Lesen (Stefan Basler)....Pages 15-40
Weiterführende Informationen für Patentbeauftragte (Stefan Basler)....Pages 41-72
Back Matter ....Pages 73-82

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Stefan Basler

Patente in der Praxis Einführung für Ingenieure und Naturwissenschaftler beim ersten Umgang mit technischen Schutzrechten

Patente in der Praxis

Stefan Basler

Patente in der Praxis Einführung für Ingenieure und Naturwissenschaftler beim ersten Umgang mit technischen Schutzrechten

Stefan Basler Brigachtal, Deutschland

ISBN 978-3-658-29629-2 ISBN 978-3-658-29630-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-29630-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Reinhard Dapper Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Denkt man im Zusammenhang mit technischen Schutzrechten, d. h. Patenten und Gebrauchsmustern in erster Linie an deren Schutzfunktion, so haben sie für Ingenieure und Naturwissenschaftler viel mehr zu bieten. Die Patentdatenbanken sind ein riesiger Informationspool. Es wird geschätzt, dass mehr als 70 % des technischen Wissens der Menschheit ausschließlich durch technische Schutzrechte beschrieben und veröffentlicht wird – also nicht durch wissenschaftliche Veröffentlichungen, Fachbücher, etc. Durch die zeitlich und räumlich begrenzte Schutzwirkung und die Filterfunktion von Prüfungsverfahren, können Ideen von über 90 % der Schutzrechtsschriften frei verwendet werden. Auch sind schon viele Gerichtsverfahren aufgrund von Schutzrechten geführt worden – viele sicherlich aus Unkenntnis oder gar Ignoranz der Patentliteratur. Wird einem dies alles bewusst, schärft sich der Blick auf die Patentliteratur. Allerdings wird dieser erschwert durch deren Wesen. Novizen auf diesem Gebiet fällt es erst mal schwer eine Patentschrift zu lesen und deren Inhalt zu erfassen. Steht das Thema Schutzrechte auf dem Curriculum nur weniger technischer oder naturwissenschaftlicher Studienfächer – meist nur auf der Liste der Wahlfächer – fällt der erste, unbedarfte Kontakt mit dem Thema schwer. Können in größeren Unternehmen mit Patentabteilung die Mitarbeiter in Fachabteilungen durch Patentexperten geschult und gecoacht werden, so ist dies in kleinen Unternehmen oder für freie Erfinder nur durch externe Schulungen oder durch Selbststudium möglich. Dieser Weg ist zeitaufwändig. Hier setzt dieses Büchlein an. Das vorrangige Ziel ist es, dass der Leser lernt in kurzer Zeit eine Schrift zielgerichtet zu lesen und für sich zu bewerten, ungeachtet dessen, ob diese die Erfindung eines Dritten oder eine eigene beschreibt. Apropos Zeitaufwand: der erste Ansatz war es ein Buch für die essentials-Reihe des Springer-Verlags zu verfassen (Wissen in kompakter Form zum Einstieg oder Einblick in ein Thema).

V

VI

Vorwort

In, sagen wir, zwei Stunden, also dem Umfang einer einführenden Schulung durch eine Patentabteilung sollte der Leser genug Information erhalten, um Patente bewerten zu können, frustfrei die tägliche IP-Praxis in einer Fachabteilung zu meistern und mit Patentexperten auf Augenhöhe diskutieren zu können. Das Ziel ist meiner Ansicht nach erreicht. Allerdings war dies mit dem angestrebten Umfang nicht sinnvoll möglich – ein solider Einstieg braucht seinen Raum. Motiviert, dieses Buch zu schreiben hat mich mein eigener Werdegang im Bereich des Patentwesens. Er begann mit einem großen Stapel gedruckter Patentschriften. Ohne Einführung und ohne direkten Ansprechpartner war der Einstieg steinig und frustrierend. Im Laufe der Jahre kam mehr Wissen, Erfahrung und Verantwortung im Patentwesen hinzu. Durch die Zusammenarbeit mit vielen Kollegen aus den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion und Marketing habe ich erlebt, dass auch andere sich im ersten Kontakt mit dem Themenfeld schwertun. Durch die Hilfestellungen und durchgeführte Schulungen konnte ich ihnen ein Verständnis zum Patentwesen und der Vorteile der Kenntnis der Patentliteratur vermitteln. Mit diesem Buch möchte ich diese Hilfestellung vielen weiteren Ingenieuren und Naturwissenschaftlern anbieten. Die Einstiegshürde im Umgang mit technischen Schutzrechten sollte genommen und somit Ingenieure und Naturwissenschaftler dazu motiviert werden aktiver mit Patentliteratur zu arbeiten. Durch Hervorheben wichtiger Schlagworte, ein ausführliches Stichwortverzeichnis und umfangreiche Literaturlisten dient es sicher auch als Nachschlagewerk in der täglichen Praxis. Herzlich bedanken möchte ich mich bei den Kollegen, die mich auf dem Weg durch die Patentliteratur begleitet haben. Ein besonderer Dank gilt drei Kollegen, die durch ihre Durchsicht des Manuskripts und deren Kommentare zum Schreiben dieses Buchs beigetragen haben. Besonders hervorheben möchte ich den Beitrag von Dr. rer. nat. Christoph Ludewigt, Patentanwalt und Leiter der Patentabteilung eines größeren Industrieunternehmens. Er hat das Manuskript aus Sicht des Patentexperten geprüft. Weiter nennen möchte ich Egon Baumann und Martin Keller. Beide sind im industriellen Umfeld in Forschung und Entwicklung tätig, haben unterschiedlich viel Erfahrung mit Patenten und brachten den Blick der angestrebten Leserschaft mit ein. Widmen möchte ich dieses Werk meiner Familie: Regina ♥ Sophia ♥ Lena. Abschließend muss ich darauf hinweisen, dass ich kein Patentexperte bin. Durch meine eigenen Erfahrungen aus der Patentpraxis und viel Recherchearbeit bin ich sicher ein solides Werk verfasst zu haben, getreu dem Motto: aus der Praxis in einer Fachabteilung für die Praxis in einer Fachabteilung. Eine Gewähr kann ich allerdings nicht übernehmen – schließlich handelt es sich um

Vorwort

VII

ein juristisches Fachgebiet und ich bin kein Patentanwalt. Dieses Buch hilft Ihnen aber gewiss dabei sich mit Ihrem Patentexperten in den Details abzustimmen. Da ich daran interessiert bin, ob und wie Ihnen dieses Buch in Ihrer Patentarbeit hilfreich war und ist, oder auch nicht, habe ich eine eMail-Adresse für Ihre Rückmeldung eingerichtet. Ich freue mich über jede Anekdote und jeden konstruktiven Hinweis: [email protected]. Brigachtal Dezember 2019

Stefan Basler

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung in die technischen Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Was macht Patente so interessant?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Einführung in das Patentwesen und Begriffsbestimmung. . . . . . . . . 3 1.3 Morphologischer Kasten: Technische Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . 11 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 Patente Lesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.1 Aufbau von Patentschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2 Titelseite mit bibliographischen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.3 Zeichnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.5 Ansprüche eines Schutzrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.5.1 Wesen und Struktur der Ansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.5.2 Anspruchskategorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.5.3 Anspruchsarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.5.4 „Divide and Conquer“ – Die Merkmalsanalyse. . . . . . . . . . . 33 2.6 Beschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.7 Recherchebericht/Zitierte Dokumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3 Weiterführende Informationen für Patentbeauftragte. . . . . . . . . . . . . 41 3.1 Überwachung und Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.2 Patentstrategien und Alternativen zu technischen Schutzrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.3 Arbeitnehmererfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

IX

X

Inhaltsverzeichnis

3.4 Abläufe und Wirkung von technischen Schutzrechten . . . . . . . . . . . 60 3.4.1 Von der Idee zum technischen Schutzrecht. . . . . . . . . . . . . . 60 3.4.2 Angriff auf ein Schutzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.4.3 Verletzung eines technischen Schutzrechts. . . . . . . . . . . . . . 64 3.5 Hinweise und Anmerkungen zu Kosten im Patentwesen. . . . . . . . . . 65 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Über den Autor

Stefan Basler  ist seit über zwanzig Jahren in Forschung und Entwicklung von Industrieunternehmen tätig. Im Laufe der Jahre hat er mehrere tauschend Schutzrechte überflogen, mehrere hundert bewertet und ist (Mit-)Erfinder von über zwanzig Patenten und Gebrauchsmustern.

XI

Abkürzungen

ArbNErfG Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie DPMA Deutsches Patent- und Markenamt; http://www.dpma.de/ EPA/EPO Europäisches Patentamt / European Patent Office; http://www.epo.org/ EPÜ Europäisches Patentübereinkommen FTO, FtO Freedom to Operate; dt.: Ausübungsfreiheit GebrMG Gebrauchsmustergesetz GebrMV Verordnung zur Ausführung des Gebrauchsmustergesetzes (Gebrauchsmusterverordnung) INID Internationally agreed Numbers for the Identification of (bibliographic) Data; im übertragenen Sinne: Nummern zur Identifikation bibliographischer Daten IP Intellectual Property, seltener auch Industrial Property IPC International Patent Classification; dt.: internationale Patentklassifikation KMU kleines oder mittleres Unternehmen PA Patentamt PatG Patentgesetz PatV Verordnung zu Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (Patentverordnung) PCT Patent Cooperation Treaty – Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens SdT Stand der Technik USP Unique Selling Point; dt.: Alleinstellungsmerkmal WIPO World Intellectual Property Organization – Weltorganisation für das geistige Eigentum XIII

XIV

Länderkennungen für Schutzrechte ausgewählter Länder/Regionen CN China DE Deutschland EP Vertragsstaaten des europäischen Patentübereinkommens FR Frankreich GB Vereinigtes Königreich IT Italien JP Japan US Vereinigte Staaten von Amerika WO Vertragsstaaten des PCT Eine vollständige Liste findet sich unter https://register.epo.org/help?lng=de&topic=countrycodes

Abkürzungen

1

Einführung in die technischen Schutzrechte

Zusammenfassung

Warum sind technische Schutzrechte so wichtig und interessant und welche Bedeutung haben diese in der Praxis? An dieser Stelle findet sich eine kurze Einführung in das Patentwesen und werden wichtige Begriffe eingeführt.

1.1 Was macht Patente so interessant? An keiner anderen Stelle ist technisches Wissen so umfangreich und so geordnet dokumentiert wie in der Patentliteratur1. Es wird sogar angenommen, dass 2/3 des technischen Wissens ausschließlich in technischen Schutzrechtsschriften veröffentlicht ist. Wieso ist das so? Eines der Grundprinzipien im Patentwesen ist das der Dualität des gewerblichen Rechtsschutzes. Die zwei Funktionen, auf die dabei Bezug genommen wird, sind zum einen die Schutzfunktion für technische Erfindungen und zum anderen die Informationsfunktion. Sind Monopole eigentlich verboten, um den Wettbewerb zu fördern, so ist bei den gewerblichen Schutzrechten das Monopolrecht gesetzlich verankert. Der Staat bietet demjenigen der eine technische Erfindung zu einem Patent oder einem Gebrauchsmuster anmeldet ein zeitlich und regional begrenztes Monopol an (Schutzfunktion, Ausschließlichkeitsrecht). Ein Unternehmen kann so seine Innovationen vor Nachahmern schützen. Die Innovationstätigkeit wird unterstützt

1Patentliteratur

umfasst Offenlegungs-, Patent- und Gebrauchsmusterschriften.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Basler, Patente in der Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29630-8_1

1

2

1  Einführung in die technischen Schutzrechte

und die damit verbundenen Investitionen werden abgesichert. Dem Monopolrecht bzw. dem Besitz von Schutzrechten sind mehrere Möglichkeiten und Chancen zuzuordnen:

• Direkter wirtschaftlicher Nutzen durch das exklusive Recht Produkte und Dienstleistungen anzubieten und Umsatz daraus zu erwirtschaften. • Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen gegenüber dem Wettbewerb (engl.: „unique selling point“; USP). • Blockieren des Wettbewerbs in seiner Handlungsfreiheit (auch durch Schutzrechte, die selbst nicht genutzt werden). • Erlösen von Lizenzeinnahmen durch ausschließliche oder ­nicht-ausschließliche Überlassung an einen oder mehrere Lizenznehmer. • Darstellung des Unternehmens oder des Erfinders als Innovator. • Steigerung des Unternehmenswertes, da Schutzrechte einen immateriellen Vermögenswert darstellen. • Verwirren des Wettbewerbs durch irreführende Veröffentlichungen. • Positive Darstellung gegenüber Investoren und Anteilseignern.

Zum Ausgleich für die Schutzfunktion ist geregelt, dass gewerbliche Schutzrechte öffentlich gemacht werden (Informationsfunktion). Durch die Offenlegung wird neues technisches Wissen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht2, was wiederum die Innovationstätigkeit Dritter befördert. Andererseits wird über die Veröffentlichung über ein Schutzbegehren informiert, d. h. eine Technologie, die geschützt werden soll bzw. ist. Der Informationsfunktion wird oft, aber völlig zu Unrecht, eine untergeordnete Rolle zugewiesen. Die folgende Auflistung verdeutlicht die Vorteile der Kenntnis der veröffentlichten Patentliteratur:

• Vermeiden von Patentverletzungen und somit Sicherstellen der eigenen Handlungsfreiheit. • Vermeiden von Doppelentwicklungen durch Anlehnung an bekannte frei umsetzbare Lösungsansätze.

2Lateinisch:

„litterae patentes“ bezeichnet einen offenen Brief, d. h. einen Brief, der gelesen werden kann, ohne dass ein Siegel zu brechen ist [1].

1.2  Einführung in das Patentwesen und Begriffsbestimmung

3

• Finden von Impulsen für neue Innovationen. • Beobachten der technischen Aktivitäten von Wettbewerbern und Technologieanbietern. • Feststellen von Lizenzierungsmöglichkeiten für neue Technologien. • Identifizieren von Lücken in den technischen Schutzrechten, die durch eigene Erfindungen beansprucht werden können.

All diese Aktivitäten sind Bestandteil des Innovationsmanagements. Entsprechend sollte das Patentwesen fest in Innovations-, Technologie- und Produktentstehungsprozessen von Unternehmen verankert sein. Sieht man sich die beiden Auflistungen an, fällt schnell auf, dass die Aspekte positiv wirken, wenn man selbst im Besitz eines Schutzrechts ist. Dies kehrt sich aber um, wenn man mit Schutzrechten Dritter konfrontiert ist. Diese Wechselwirkung macht den gewerblichen Rechtsschutz so spannend – auch für Ingenieur*innen und Naturwissenschaftler*innen in Fachabteilungen3.

1.2 Einführung in das Patentwesen und Begriffsbestimmung In diesem Kapitel werden verschiedene Themen und Begriffe rund um das Patentwesen angesprochen und Konventionen für dieses Buch festgelegt, die zum Studium von Kap. 2 und 3 relevant und nützlich sind. Ist einer der Grundsätze für dieses Buch auf Fachjargon zu verzichten, lässt er sich dennoch nicht völlig vermeiden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Zusammenhänge in Gesprächen mit Patentexperten, im Umgang mit Schutzrechten und der einschlägigen Literatur verloren gehen. Letztlich handelt es sich beim Patentrecht um ein juristisches Fachgebiet mit präziser Sprache. Verzichtet wird allerdings konsequent auf Verweise zu den Normen des Patentrechts (Gesetze, Verordnungen, usw.) sowie einer ausführlichen Einführung in das Patentwesen und dessen Geschichte. Hierzu gibt es viel und umfangreiche Literatur – sei es als Fachbuch [2–20], Veröffentlichungen der Patentämter [21]

3Unter Fachabteilungen werden in diesem Buch alle Abteilungen eines Unternehmens verstanden, die nicht hauptamtlich im Patentwesen tätig sind, z. B. Forschung & Entwicklung, Industrial Engineering, Produktion, Produktmanagement, Marketing, Generalmanagement.

4

1  Einführung in die technischen Schutzrechte

oder Normtexte, wobei [22] auch eine Einführung enthält, die einiges über das Entstehen des Patentwesens und die Wesenszüge des deutschen und internationalen Patentrechts erläutert. Auch im Themenfeld allgemeines Management, Innovations- oder Technologiemanagement spielt der Technologieschutz eine wichtige Rolle und wird in entsprechenden Büchern berücksichtigt [23, 24, 25–27, 39]. Hilfreich sind auch einige auf das Patentwesen spezialisierte Internetseiten [1, 28, 29, 30]. Ferner gibt es zahlreiche Dissertationen zu Forschungsthemen rund um den gewerblichen Rechtsschutz (z. B. [31, 32, 33–36]). Der gewerbliche Rechtsschutz umfasst die Schutzrechte der Patente (engl.: „Patents“), Gebrauchsmuster (engl.: „Utility Model“), Marken (früher Warenzeichen; engl.: „Trade Marks“) und Designs (ehemals Geschmacksmuster; engl.: „Industrial Design“). Dieses Buch beschäftigt sich ausschließlich mit den Patenten und Gebrauchsmustern, also den technischen Schutzrechten oder umgangssprachlich mit dem Patentwesen. Konsequenterweise müsste in diesem Buch meist von den technischen Schutzrechten die Rede sein. Das kann beim Lesen allerdings eintönig werden. Aus diesem Grund werden die Begriffe Patent, gewerbliches Schutzrecht und technisches Schutzrecht oder schlicht Schutzrecht synonym verwendet – auch wenn dies patentrechtlich nicht immer korrekt ist4 Der Begriff des Gebrauchsmusters wird dann verwendet, wenn sich ein Aspekt ausschließlich auf ein solches bezieht. Dieses Vorgehen wird auch deshalb als legitim betrachtet, da dieses Buch sich primär auf Inhalte fokussiert und nur sekundär auf die formal rechtlichen Aspekte. Im Zusammenhang mit dem gewerblichen Schutzrecht wird oft die englische Bezeichnung „Intellectual Property“ verwendet (eigentlich „Intellectual Property Rights“; kurz: IP). Steht diese in der wörtlichen Übersetzung für das geistige Eigentum allgemein wird es im deutschen Sprachgebrauch mit dem wirtschaftlich orientierten Umgang damit verknüpft, in Unternehmen konkret mit den gewerblichen Schutzrechten. Neben der Einschränkung auf technische Schutzrechte liegt ein weiterer Fokus an dieser Stelle auf dem deutschen und dem durch das europäische Patentübereinkommen begründeten Schutzgebiet. Die anderen Regionen spielen für

4Diese

Begriffsverwendung lehnt sich an die Begriffsbestimmung im ­ PCT-Vertrag an, wonach der Begriff „Patent“ Bezug nimmt auf Erfindungspatente, Erfinderscheine, Gebrauchszertifikate, Gebrauchsmuster, etc.

1.2  Einführung in das Patentwesen und Begriffsbestimmung

5

international tätige Unternehmen auch eine wichtige Rolle5, diese zu betrachten würde aber der Idee dieses Buches widersprechen. Aber: die Grundprinzipien, die für den praktischen Einsatz technischer Schutzrechte relevant sind, lassen sich weitestgehend auf internationale Schutzrechte übertragen – die Unterschiede liegen weitestgehend in Details. Grundvoraussetzung dafür, dass Patente eine rechtliche Wirkung entfalten können, ist die Feststellung der Patentfähigkeit einer Erfindung. Diese wird anhand folgender Voraussetzungen beurteilt: • Technizität; • Neuheit; • erfinderische Tätigkeit; • gewerbliche Anwendbarkeit Die gleichen Kriterien gelten auch für Gebrauchsmuster zur Feststellung der Gebrauchsmusterfähigkeit, außer dass im Wortlaut zur Erfindungshöhe der technische Schritt gefordert ist. Wurde hier früher unterschieden, so wird heute in beiden Fällen der gleiche Maßstab angewandt. Patente und Gebrauchsmuster werden nur auf Erfindungen erteilt, die einen technischen Charakter aufweisen. Es soll ein technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst werden und das Ergebnis trägt zum Stand der Technik bei. Formaler versteht man unter der Technizität das „planmäßige Handeln, unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte, zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs“6. Für nicht technische Neuerungen stehen andere Möglichkeiten zum Schutz bereit, z. B. das Designrecht oder das Urheberrecht. In engem Zusammenhang mit den Begriffen Neuheit und erfinderischer Tätigkeit steht der Begriff Stand der Technik. Darunter versteht man alles Wissen (technisches, aber auch nicht-technisches), das bis zu dem Tag der Anmeldung eines Schutzrechts bekannt war, d. h. schriftlich oder mündlich beschrieben wurde bzw. durch Benutzung oder anderweitig der Öffentlichkeit zugänglich war – weltweit (!). Prüfer beim Patentamt suchen nach Dokumenten, sei es in der Patentliteratur oder anderswo, die gleiches oder ähnliches dokumentiert haben wie die eingereichte Erfindung. Findet die Rechercheabteilung vergleichbares, wird 5Im Jahr 2018 wurden in CN mehr als 1,5 Mio. Patentanmeldungen getätigt und damit knapp 50 % der weltweiten Anmeldungen – Tendenz: deutliche Steigerung. Im Vergleich: beim EPO wurden im gleichen Zeitraum weniger als 180.000 Patentanmeldungen eingereicht, Tendenz: eher stagnierend [37]. 6BGH, Beschluss vom 22.06.1976, Az.: X ZB 23/74.

6

1  Einführung in die technischen Schutzrechte

geprüft, ob dadurch die Neuheit widerlegt werden kann, oder die erfinderische Tätigkeit zu bezweifeln ist, da sich die Merkmale der Erfindung nur unwesentlich vom Stand der Technik abheben. Neu und erfinderisch muss dabei nicht bedeuten, dass es sich um eine bahnbrechende Erfindung handelt. Meist sind es Weiterentwicklungen und Verbesserungen scheinbar ausgereifter Technologien oder Verfahren. Entwicklungen, so „klein“ sie auch sein mögen, die einen unternehmerischen Nutzen bieten und Vorteile gegenüber dem Wettbewerb mit sich bringen sind schützenswerte Erfindungen und oft auch patentfähig. Die gewerbliche Anwendbarkeit wird in der Patentanmeldung durch Ausführungsbeispiele dargestellt und ist meist gegeben (vielzitierte Ausnahme: das Perpetuum Mobile). Hier ist zu erwähnen, dass der Begriff „Stand der Technik“ beim (deutschen) Gebrauchsmuster eingeschränkt ist. So gilt nur als neuheitsschädlich, was schriftlich beschrieben oder im Inland benutzt wurde – also nicht die Nutzung irgendwo auf der Welt. Neuheit und gewerbliche Anwendbarkeit sind objektive Eigenschaften. Bei der erfinderischen Tätigkeit gibt es Interpretationsspielraum, da es sich um ein qualitatives Kriterium handelt. Hier sind sich Patentanmelder und Patentprüfer oftmals uneinig. Der Patentanmelder versucht in einem solchen Fall argumentativ darzulegen, dass die Merkmalskombination, die durch die Erfindung beansprucht wird, dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt ist und somit ein erfinderischer Schritt notwendig war diese zu (er-)finden. Einige Themengebiete sind an sich nicht patentfähig, z. B. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien oder mathematische Methoden. Bei den Patenten spricht man von einem geprüften Schutzrecht, bei den Gebrauchsmustern von einem ungeprüften. Denn ein erteiltes Patent durchlief ein aufwändiges Prüfungsverfahren zur Feststellung seiner Patentfähigkeit (Neuheit und erfinderische Tätigkeit). Beim Gebrauchsmuster findet keine materialrechtliche Prüfung statt, sondern nur eine formale. Sind Formfehler beseitigt wird das Gebrauchsmuster eingetragen und veröffentlicht. Damit tritt es in Kraft. Es ist aber nicht gewährleistet, dass das Gebrauchsmuster einer kritischen Prüfung hinsichtlich Neuheit oder erfinderischem Schritt standhält. Eine Prüfung zur Ermittlung des Standes der Technik wird amtsseitig nur auf Antrag durchgeführt. Dabei ist zu beachten, dass diese Prüfung auch von Dritten beantragt werden kann, also auch einem Wettbewerber, den das Gebrauchsmuster stört. Weiterhin differenzieren sich Patent und Gebrauchsmuster durch

1.2  Einführung in das Patentwesen und Begriffsbestimmung

7

Tab. 1.1   Vergleich zwischen Patent und Gebrauchsmuster (Teil I) Patent

Gebrauchsmuster

Gesetzlicher Rahmen (Deutschland)

PatG, PatV

GebrMG, GebrMV

Schutzgegenstand

Vorrichtungen oder/und Verfahren

Vorrichtungen

max. Schutzdauer

20 Jahre

10 Jahre

Amtliches Prüfungsverfahren

formal und sachlich

formal

Schutzvoraussetzungen

Patentfähig: Technizität Neuheit Erfinderische Tätigkeit Gewerblich anwendbar

Gebrauchsmusterfähig: Technizität Neuheit Erfinderischer Schritt Gewerblich anwendbar

die maximale Schutzdauer. Sind es beim Patent bis zu 20 Jahren7, so sind beim Gebrauchsmuster maximal zehn Jahre möglich. Ein weiterer Unterschied ist, dass Patente auf Verfahren und Vorrichtungen, Gebrauchsmuster aber nur für Vorrichtungen beantragt werden können (Abschn. 2.5.2). Landläufig wird das Gebrauchsmuster als „kleines Patent“ bezeichnet, da es nicht geprüft ist und eine kürzere Schutzdauer belegt. Es ist aber ein mächtiges und kostengünstiges Instrument im gewerblichen Rechtsschutz8, da daraus die gleichen Rechte abgeleitet werden können wie aus einem Patent. Tab. 1.1 vergleicht wesentliche Eigenschaften von Patenten mit Gebrauchsmustern. Der inhaltliche Anspruch an die beiden technischen Schutzrechte ist vergleichbar. Somit ist der Aufwand für die Erstellung eines Gebrauchsmusters quasi gleich mit dem einer Patentanmeldung. Nicht in allen Regionen, in denen es ein Patentrecht gibt, findet sich auch ein Gebrauchsmusterrecht. Das Gebrauchsmuster – beziehungsweise ein dem (deutschen) Gebrauchsmuster vergleichbares Schutzrecht – wird derzeit in 57 Ländern und Regionen eingetragen mit

7Durch

ein ergänzendes Schutzzertifikat kann ein Patent max. fünf weitere Jahre gültig sein. Dies ist aber nur für zulassungspflichtige Produkte, wie sie z. B. im chemischen oder pharmazeutischen Bereich vorkommen möglich. 8Im Jahr 2018 waren 15,3 % der angemeldeten technischen Schutzrechte beim DPMA Gebrauchsmuster [38].

8

1  Einführung in die technischen Schutzrechte

unterschiedlich langer Schutzdauer. Darunter sind Länder wie CN, FR, IT, JP, nicht aber in EP, GB oder US. Bei den gewerblichen Schutzrechten gilt das Ausschließlichkeitsrecht nur bei gewerblicher Nutzung einer geschützten Erfindung. Diese können aber durchaus durch Dritte für nichtgewerbliche Zwecke genutzt werden, z. B. für Forschungsund Versuchszwecke oder im privaten Bereich. Es ist aber streng darauf zu achten, dass kein (direkter) wirtschaftlicher Nutzen daraus entsteht. An dieser Stelle mag die Frage aufkommen, wie sich eine Erfindung und ein technisches Schutzrecht voneinander abgrenzen. Eine Erfindung ist eine technische Neuerung, der eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt und die gewerblich anwendbar ist (siehe Liste oben). Ein Patent hingegen ist ein formales, zeitlich und regional begrenztes Monopolrecht auf eine Erfindung. D. h. jedes Schutzrecht beruht auf einer Erfindung, aber nicht jede Erfindung ist durch ein Patent oder ein Gebrauchsmuster geschützt. In der Entstehung gewerblicher Schutzrechte sind mehrere Parteien involviert: Erfinder ist der oder sind diejenigen, der bzw. die einen schöpferischen Anteil am Entstehen einer Erfindung haben. Es können eine oder mehrere Personen sein. Um umständliche Schreibweisen zu vermeiden wird in diesem Buch der Begriff „Erfinder“ stellvertretend für alle Kombinationsmöglichkeiten verwendet. Die weitaus meisten Erfindungen und gewerblichen Schutzrechte entstehen in Unternehmen (Diensterfindungen, vgl. Abschn. 3.3). Dies, und die Tatsache, dass dieses Buch durch die Arbeit in Industrieunternehmen motiviert ist führt zu folgender Definition: synonym für Anmelder und Patentinhaber, als auch für freie Erfinder wird die Bezeichnung Unternehmen verwendet. Es umfasst aber auch alle Dienstverhältnisse wie die von Hochschulmitarbeitern, Beamten oder Soldaten, ohne auf etwaige Besonderheiten für diese Personengruppen einzugehen. An einem Unternehmen als solches lassen sich auch Fachfunktionen und Abläufe entsprechend aufzeigen. In vielen Angelegenheiten des Patentwesens ist ein Unternehmen auf die Unterstützung von Personen angewiesen, die über Kompetenzen im Patentwesen verfügen bzw. eine Ausbildung in diesem Bereich absolviert haben. Zu dieser Berufsgruppe zählen Patentanwälte, Patentingenieure/Patentreferenten und Patentanwaltsfachangestellte. Ein Patentanwalt hat ein naturwissenschaftliches oder ingenieurtechnisches Studium abgeschlossen, kann eine mindestens einjährige praktische Tätigkeit bzw. eine Promotion nachweisen und hat eine mehrjährige Ausbildung in einer Kanzlei oder einer Patentabteilung sowie beim Patentamt und dem Bundespatentgericht durchlaufen und dies durch ein Studium im allgemeinen Recht ergänzt. Abgeschlossen wird die Ausbildung durch eine

1.2  Einführung in das Patentwesen und Begriffsbestimmung

9

Prüfung zum Patentassessor bei dem Patentamt, zu dem er zugelassen werden möchte. Freiberuflicher Patentanwalt wird man im Anschluss mit der Zulassung durch eine Patentanwaltskammer. Bei Patentingenieuren und Patentreferenten ist der Ausbildungsumfang im Patentrecht deutlich geringer als bei einem Patentanwalt und es erfolgt keine Zulassungsprüfung bei einem Patentamt. Die beiden Bezeichnungen unterscheiden sich durch die vorangegangene Ausbildung. Folgt die Ausbildung im gewerblichen Rechtsschutz auf ein ingenieurwissenschaftliches Studium, darf sich die Person als Patentingenieur bezeichnen, ansonsten als Patentreferent9. Bei einer Anstellung in einem Unternehmen dürfen diese Personen dieses trotzdem gegenüber einem Patentamt vertreten. Es gibt auch grundständige Studiengänge im Patentingenieurwesen. Dort wird die ingenieurtechnische Ausbildung, mit der im gewerblichen Rechtsschutz kombiniert. Dann darf man die Bezeichnung Patentingenieur direkt mit dem Abschluss führen. Patentanwälte und P ­ atentingenieure/-referenten vertreten das Unternehmen gegenüber den Patentämtern, bearbeiten und begleiten Patentanmeldungen von der Erfindungsmeldung durch den Erfinder bis zur Löschung aus dem Register und beraten die Unternehmensführung und die Fachabteilungen in allen Angelegenheiten rund um den gewerblichen Rechtsschutz. Patentanwaltsfachangestellte unterstützen die Prozesse durch Erledigung administrativer Aufgaben. All diese Personen sind entweder in der Patentabteilung eines Unternehmens oder in einer (Patent-) Anwaltskanzlei im Auftrag von Unternehmen tätig. Sie werden in diesem Buch unter dem Begriff Patentexperte zusammengefasst. Eine unternehmensinterne Patentabteilung wird meist durch einen Patentanwalt geführt. Diese wird auch als „Intellectual Property“ Abteilung oder schlicht IP-Abteilung bezeichnet. Daneben gibt es Personen, die in Fachabteilungen Aufgaben und Verantwortung im Patentwesen übernehmen. Als Fachabteilung werden hier alle Abteilungen neben der IP-Abteilung verstanden. Es sind die organisatorischen Einheiten, in denen die technischen Innovationen entstehen und betreut werden. Dies sind nicht nur Abteilungen der Forschung und Entwicklung, sondern können auch markt- oder fertigungsnahe Bereiche sein. Diese Personen sind als Patentbeauftragte oder Patentkoordinatoren tätig und arbeiten eng mit Patentexperten zusammen. Meist erfüllen sie diese Aufgabe neben anderen Fach- oder/ und Führungsaufgaben. Sie bringen im Wesentlichen ihr technisches Fachwissen

9Es handelt sich hier nicht um Titel, sondern Bezeichnungen. Diese sind aber geschützt und dürfen nur von Personen geführt werden, die eine entsprechend zertifizierte Ausbildung durchlaufen haben.

10

1  Einführung in die technischen Schutzrechte

mit ein und verfügen über Grundwissen im technischen Rechtsschutz (z. B. durch eine Ausbildung zum Patentingenieur, Studium von Literatur oder schlicht „learning-by-doing“). Tätigkeiten, in denen sie involviert sind, sind z. B. die Patentüberwachung (Abschn. 3.1), die Durchsetzung und Verteidigung eigener Schutzrechte10, Angriffe auf Schutzrechte Dritter, Patentrecherchen oder auch die technische Beratung in Lizenzierungsangelegenheiten. Im Patentrecht ist oft die Rede vom Fachmann bzw. Durchschnittsfachmann. Diese fiktive Person gilt u. a. als Referenz zur Feststellung der erfinderischen Tätigkeit einer Erfindung. Dabei wird angenommen, dass diese über durchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Erfindung verfügt und den Stand der Technik kennt. Weiterhin sind natürlich die Patentämter beteiligt. Dies sind die Behörden, die aufgrund ihrer Befugnis ein Schutzrecht gewähren. Bei den Patentämtern wird der Antrag auf Erteilung eines Patents oder Eintragung eines Gebrauchsmusters gestellt. Dort findet die formale und materielle Prüfung statt, wird das Schutzrecht erteilt bzw. eingetragen und werden Einsprüche/Löschungsanträge dagegen bearbeitet. Neben der Erteilung eines Patents üben die Patentämter die gleiche Funktion auch für die anderen gewerblichen Schutzrechte (Marken, Designs) aus. Patentämter sind nationale Behörden. Es gilt das sog. Territorialitätsprinzip. Soll ein Schutzrecht in mehreren Staaten gelten, so ist es in jedem gesondert anzumelden. Es gibt aber auch regionale Institutionen. Das Europäische Patentamt zum Beispiel, ist Anlaufstelle für Patente in Europa. Das bezieht sich nicht auf den Kontinent oder die europäische Union, sondern auf die Vertragsstaaten des europäischen Patentübereinkommens (EPÜ)11. Durch Anmeldung an einer Stelle, dem europäischen Patentamt (EPA) oder einem davon zugelassenen nationalen Patentamt kann ein Bündel nationaler Patente in einem Schritt beantragt werden (Bündelpatent). Dadurch wird im Wesentlichen die Patenterteilung vereinheitlicht. Erteilte europäische Patente wirken aber nicht automatisch in allen Vertragsstaaten des EPÜ, sondern nur in den durch den Patentinhaber benannten. Die für eine Schrift gewählten Staaten stehen im Patentregister. Darüber hinaus gibt es die Weltorganisation für das geistige Eigentum (engl.: „World Intellectual

10Dies

umfasst Aktivitäten gegenüber dem Patentamt oder einem Gericht: Recherchebericht, Prüfungsverfahren, Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren, widerrechtliche Entnahme, etc. 11Stand Ende 2019: 38 Vertragsstaaten.

1.3 Morphologischer Kasten: Technische Schutzrechte

11

Property Organization“; WIPO). Dort kann durch eine Patentanmeldung Schutz in vielen Staaten vorbereitet werden. Nach der ersten Prüfungsphase werden aus der einen Anmeldung die gewünschten nationalen oder regionalen Patentanmeldungen abgeleitet. Werden auf Basis einer Erfindung, bzw. einer Erstanmeldung mehrere nationale oder regionale Patente angemeldet, so entsteht eine Patentfamilie. Auch wenn sie sich auf eine Erfindung beziehen, können sich die einzelnen Familienmitglieder durch die nationalen/regionalen Verfahren unterschiedlich entwickeln. Mit einem technischen Schutzrecht sind verschiedene Dokumente gekoppelt, die veröffentlicht werden. Bei einem Gebrauchsmuster wird nach dessen Eintragung ins Register eine Gebrauchsmusterschrift veröffentlicht. Bei einem Patent wird 18 Monate nach dessen Anmeldung die Offenlegungsschrift verfügbar, mit der Erteilung des Patents die Patentschrift. Durch diese Patentdokumente wird die Öffentlichkeit über die Existenz eines Schutzrechts informiert und die zugrundeliegende Erfindung offengelegt, d. h. offenbart.

1.3 Morphologischer Kasten: Technische Schutzrechte Der morphologische Kasten in Tab. 1.2 stellt wichtige Begriffe aus dem gewerblichen bzw. technischen Rechtsschutz dar. Auf die meisten wird in den folgenden Kapiteln weiter eingegangen.

Nationale Anmeldung

Prioritätsschrift/ Erstanmeldung

Vorrichtung

Einspruch

Zeichnung(en)

Vernichtung

gewerbliche Anwendbarkeit

Internationale Anmeldung Bündelpatent

Handlungsfreiheit

Neuheit

Überblick

Patentfamilie

Arbeit

Mittel

rfinderische Tätigkeit / erfinderischer Schritt

Sache

Recherchearten (Auszug)

Anwendung Neuheit

Herstellung

Anordnung

Unteranspruch

Stoff

abhängig Nebenanspruch

Zusammenfassung

einteilig

Hauptanspruch

Ansprüche

Design

unabhängig

Schutzfähigkeit technischer Technizität Schutzrechte

Verfahren

Erzeugnis

Arten

Oberbegriff

kennzeichnender Teil

äquivalent

zweiteilig

wortsinngemäß

Anspruch

Gliederung

Beschreibung

Bibliographische Daten

Bestandteile des Patentdokuments

Marke

Informationsfunktion

Gebrauchsmuster

Patent

Schutzfunktion

Gewerbliche Schutzrechte

Funktionen

Ausprägungen

Parameter

Tab. 1.2   Morphologischer Kasten „technische Schutzrechte“

12 1  Einführung in die technischen Schutzrechte

Literatur

13

Literatur 1. Geschichte des Patentrechts. Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_ des_Patentrechts. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 2. Cohausz, H. B. (2018). Gewerblicher Rechtsschutz und angrenzende Gebiete – Leitfaden für die Praxis (3. Aufl.). Köln: Wolters Kluwer. 3. Maksymiw, R. (2017). Schutz technischer Erfindungen – Leitfaden für Erfinder, Unternehmen und Studierende. Köln: Wolters Kluwer. 4. Huppertz, M., & Cohausz, H. B. (2019). Das Patentsekretariat – Die Bürofachkraft im Gewerblichen Rechtsschutz (6. Aufl.). Köln: Wolters Kluwer. 5. Duttlinger, O. (2014). Patent und Patentrecherche – Praxisbuch für KMU, Start-ups und Erfinder. Wiesbaden: Springer Gabler. 6. Hahnl, W. (2015). Praktische Methoden des Erfindens – Kreativität und Patentschutz. Berlin: Springer Vieweg. 7. Gassmann, O., & Bader, M. A. (2011). Patentmanagement – Innovationen erfolgreich nutzen und schützen (3. Aufl.). Heidelberg: Springer. 8. Burr, W., Stephan, M., Soppe, B., & Weisheit, S. (2007). Patentmanagement – Strategischer Einsatz und ökonomische Bewertung von technologischen Schutzrechten. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. 9. Wagner, M. H., & Thieler, W. (2007). Wegweiser für den Erfinder – Von der Aufgabe über die Idee zum Patent (3., erweiterte u. aktualisierte Aufl.). Berlin: Springer. 10. Ensthaler, J., & Strübbe, K. (2013). Patentbewertung – Ein Praxisleitfaden zum Patentmanagement. Berlin: Springer. 11. Hering, H. (2014). Gewerblicher Rechtsschutz für Ingenieure. Wiesbaden: Springer Vieweg. 12. Weisse, R. (2014). Erfindungen, Patente, Lizenzen – Ratgeber für die Praxis (4. Aufl.). Berlin: SpringerVieweg. 13. Vorwerk, S. (2018). Schritt für Schritt zum Patent. Berlin: Springer Spektrum. 14. Tesch-Biedermann, C. (2017). Patentwissen für die Praxis – Das müssen Manager und Innovatoren in KMU über Patente wissen. München: Verlag Franz Vahlen. 15. Mittelstaed, A. (2009). Strategisches IP-Management – mehr als nur Patente. Geistiges Eigentum schützen und als Wettbewerbsvorsprung nutzen. Wiesbaden: Gabler. 16. Zaby, A. (2010). The Decision to Patent. Heidelberg: Springer. 17. Ahrens, S. (2016). Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht – Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – unlauterer Wettbewerb (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler. 18. Ensthaler, J. (2009). Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (3, überarbeitete u. erweiterte Aufl.). Heidelberg: Springer. 19. Gross, F. (2016) .Schutz von Erfindungen: Patent- und Lizenzrecht, Skript TU Berlin, Stand April 2016. http://www.maikowski-ninnemann.com/fileadmin/redaktion/redaktion/ downloads/TU_Berlin_Patentrechts_Skript_2016.pdf. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 20. Regierungspräsidium Stuttgart Informationszentrum Patente. (2011). Schutz von Erfindungen und Design: Patent – Gebrauchsmuster – Geschmacksmuster, Stand November 2011. https://www.patente-stuttgart.de/downloads/publikationen/Broschuere_ ErfindungenDesign_web.pdf. Zugegriffen: 31. Dez. 2019.

14

1  Einführung in die technischen Schutzrechte

21. Europäisches Patentamt. (2018). Der Weg zum europäischen Patent – Leitfaden für Anmelder, 18. Auflage, Juni 2018, aktualisiert zum 1. April 2018. 22. Heinemann, A. (2014). Patent- und Designrecht – Textausgabe zum deutschen, europäischen und internationalen Patent-, Gebrauchsmuster- und Designrecht mit einer Einführung sowie einem Literaturverzeichnis und einem ausführlichen Stichwortverzeichnis (12. Aufl.). München: Deutscher Taschenbuch Verlag. 23. Gassmann, O., & Sutter, P. (2013). Praxiswissen Innovationsmanagement – Von der Idee zum Markterfolg. München: Hanser. 24. Kaschny, M., Nolden, M., & Schreuder, S. (2015). Innovationsmanagement im Mittelstand – Strategien, Implementierung, Praxisbeispiele. Wiesbaden: Springer Gabler. 25. Schuh, G., & Klappert, S. (Hrsg.). (2011). Technologiemanagement – Handbuch Produktion und Management 2 (2. Aufl.). Heidelberg: Springer. 26. Schuh, G., & Klappert, S. (Hrsg.). (2012). Innovationsmanagement – Handbuch Produktion und Management 3 (2. Aufl.). Heidelberg: Springer-Vieweg. 27. Glavasevic, M. (2013). Patentstrategien und die TRIZ Innovationsprinzipien – Analyse. Systematik und Handlungsmuster: Diplomarbeit, Universität Kassel, Diplomica Verlag, Hamburg. 28. ipwiki.de. http://www.ipwiki.de/. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 29. Patent- und Markenzentrum Baden-Württemberg. https://www.patente-stuttgart.de/. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 30. COHAUSZ HANNIG BORKOWSKI WIßGOTT Patentanwaltskanzlei GbR. https:// www.copat.de/. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 31. Wich, Y. (2016). Methode zur patentbasierten Identifikation von Technologieentwicklungspotenzialen. Dissertation, Universität Stuttgart, Fraunhofer Verlag, Stuttgart. 32. Eppinger, E. (2014). Patentpools – Eigenschaften, Motive und Implikationen. Dissertation, Universität Potsdam, Springer Gabler, Wiesbaden. 33. Frischkorn, J. (2017). Technologieorientierte Wettbewerbspositionen und Patentportfolios – Theoretische Fundierung, empirische Analyse, strategische Implikationen. Dissertation, Universität Bremen, Springer Gabler, Wiesbaden. 34. Wustmans, M. (2019). Patent Intelligence zur unternehmensrelevanten Wissenserschließung. Dissertation, Universität Bremen, Springer Gabler, Wiesbaden. 35. Jell, F. (2012). Patent Filing Strategies and Patent Management – An Empirical Study. Dissertation, Technische Universität München, Gabler, Wiesbaden. 36. Lerchbaum, D. (2014). Patente in der Praxis – Ansatz zur Ableitung von Handlungsempfehlungen, Dissertation, Technische Universität Graz. https://diglib.tugraz.at/ download.php?id=576a7de22a80a&location=browse. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 37. WIPO. (2019). Wolrd intellectual property indicators 2019. https://www.wipo.int/ edocs/pubdocs/en/wipo_pub_941_2019.pdf. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 38. Deutsches Patent- und Markenamt. (2019). Jahresbericht 2018. https://www.dpma.de/ docs/dpma/veroeffentlichungen/jahresberichte/jahresbericht2018.pdf. Zugegriffen: 31. Dez. 2019. 39. Klotze, K., & Souchkov, V. (2017). Systematische Innovation – TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung (2. überarbeitete Aufl.). München: Hanser.

2

Patente Lesen

Zusammenfassung

Um mit technischen Schutzrechten arbeiten zu können ist es wichtig zu verstehen wie sie aufgebaut sind und welche Bedeutung die einzelnen Teile haben. Für einen effizienten Umgang ist ein Grundverständnis darüber unverzichtbar.

2.1 Aufbau von Patentschriften Der Aufbau von Schutzrechtsschriften ist sehr genau geregelt. Auch wenn die Definition in der Hoheit des Patentamtes liegt, das die Schutzrechtsschrift veröffentlicht, sind die wesentlichen Bestandteile global weitestgehend vereinheitlicht. Dieses Kapitel beschreibt wichtige Eigenschaften der Bestandteile einer Patentschrift, zeigt Zusammenhänge zu Elementen des Patentwesens und gibt Tipps wie eine Schrift zielgerichtet gelesen werden kann. Abb. 2.1 stellt die Elemente in Form einer Mindmap dar1 und orientiert sich dabei an einem Patentdokument des DPMA. Demnach besteht eine Schrift immer aus mindestens vier Elementen: den bibliographischen Daten, der Beschreibung, einer Zusammenfassung und den Ansprüchen. Mehr oder weniger optional sind Zeichnungen, ein Recherchebericht sowie Zitate zu Dokumenten, die in der Beschreibung aufgeführt sind. All diese Elemente werden in den folgenden Kapiteln beschrieben. Trotz der

1Elemente

in Klammer sind nicht zwingend vorhanden.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Basler, Patente in der Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29630-8_2

15

Abb. 2.1   Anatomie einer Schutzrechtsschrift

16 2  Patente Lesen

2.1  Aufbau von Patentschriften

17

Ausführungsvarianten

Ansprüche Zusammenfassung

Stand der Technik Technisches Gebiet

Aufgabe der Erfindung Bezeichnung der Erfindung

Zeichnungen

gering

Bibliographische Daten

Abstraktionsgrad

hoch

Abb. 2.2   Komplexität vs. Abstraktion (in Anlehnung an [15])

teils ausführlichen Erläuterungen wird auf tiefergehendes oder gar Verweise zu Gesetzestexten oder Verordnungen verzichtet. Die Reihenfolge der Kapitel folgt einem typischen Ablauf der Erstsichtung einer Schrift. Eine weitere Orientierungshilfe zu einem Patentdokument gibt Abb. 2.2. Dort sind die einzelnen Elemente in einer Matrix mit den Achsen Abstraktionsgrad und Komplexität dargestellt. Bevor es in die Details der Elemente der Schutzrechtsschriften geht, folgend einige allgemeine Anmerkungen: • Ist eine Anmeldung einmal eingereicht ist der Umfang der Anmeldung definiert. Änderungen können danach vorgenommen werden, allerdings dürfen diese inhaltlich über die ursprünglich eingereichte Fassung nicht hinausgehen. • Um das Zitieren und Navigieren in Patentschriften zu erleichtern finden sich in vielen Schriften Zeilen- oder Absatznummern. Zeilennummern stehen neben dem Text der Beschreibung und der Ansprüche – und zwar für jede fünfte Zeile. Absatznummern finden sich in der Beschreibung und stehen immer zu Beginn eines neuen Absatzes. Diese sind vierstellig und in eckige Klammern

18

2  Patente Lesen

Tab. 2.1    Vergleich wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit Schriften technischer Schutzrechte Schutzrecht

Wissenschaftliche Veröffentlichung

Bibliographische Daten

BibTeX-Code

Themengebiet

Abstrakt

Ansprüche

Zusammenfassung als Essenz

Figuren

Bilder

Prüfungsverfahren

(Peer-)Review

gesetzt, z. B. [0001]. Die Variante der Absatznummern wird heute bevorzugt, da sie medienunabhängig immer den gleichen Bezug hat (gedrucktes Papier oder elektronisch). • Patente gibt es weltweit und werden in unterschiedlichen Sprachen veröffentlicht. Übersetzungsmöglichkeiten gibt es für viele Schriftsätze, die nicht in Deutsch oder Englisch veröffentlicht wurden, z. B. durch Google Patents, [1], oder Espacenet, [2]. • An dieser Stelle sei ein Vergleich erlaubt, der forschungsorientierten Personen zugutekommen soll: Die wesentlichen Elemente eines Schutzrechtes finden sich auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder sog. „Papers“ (vgl. Tab. 2.1)

2.2 Titelseite mit bibliographischen Daten Die Titelseite einer Patentschrift listet die sogenannten bibliographischen Daten2. Dies ist eine Zusammenfassung zahlreicher rechtlich relevanter und inhaltlicher Angaben zu einem Schutzrecht. Entsprechend gibt das Titelblatt bereits einen ersten guten Eindruck über ein Schutzrecht. Zur Vereinheitlichung der Angaben der Titelblätter mit unterschiedlichem Status und regional spezifischer Ausprägung von Schriften wurde von der WIPO ein Standard für die bibliographischen Daten definiert. Über die INID-Codes (engl.: „Internationally agreed Numbers for the

2Bibliografie:

Der Duden [3], definiert diesen Begriff als Zusammenstellung von Büchern und Schriften, die zu einem bestimmten Fachgebiet oder Thema erschienen sind. Im Patentwesen lässt sich dies als Zusammenstellung wichtiger Daten die Erfindung betreffend beschreiben.

2.2  Titelseite mit bibliographischen Daten

19

Identification of (bibliographic) Data“), vgl. [4], lassen sich die Angaben leicht zuordnen – insbesondere, wenn es sich bei der Schrift um eine in einer fremden Sprache handelt. Für Leser von Patentdokumenten werden nun relevante bibliographische Angaben näher erläutert, wobei die INID-Codes weitestgehend die Reihenfolge bestimmen. Weitere Details zu den Codes finden sich in Anhang A1. Als Beispiel dient das in Abb. 2.3a, b kommentierte Titelblatt. Die Patentnummer (INID-Code: 11) ist eine eindeutige Kennzeichnung einer Patentschrift (Veröffentlichungsnummer). Sie besteht aus drei Teilen: dem Ländercode, einer Zahl und einem Schriftartencode. Insbesondere sagen der Ländercode und der Schriftartencode einiges über die Schrift aus. Der Ländercode identifiziert das Land oder die Region, welche die Schrift veröffentlicht hat. Dabei steht DE für Schriften gemäß dem deutschen Patent- und Markenamt oder EP für das europäische Patentamt. Der Schriftartencode besteht zumindest aus einem Buchstaben. Viele Regionen ergänzen diesen durch eine Zahl zwischen 1 und 9. Dieser Code gibt an in welchem Status sich eine Schrift befindet, z. B. ob es sich um eine Offenlegungsschrift handelt (in DE z. B. „A1“; umgangssprachlich: „A-Schrift“) oder um ein erteiltes Schutzrecht (in DE z. B. „B1“; umgangssprachlich: „B-Schrift“). Eine ausführliche Liste der Schriftartencodes findet sich in Anhang A2. Allerdings sagt der Code nichts über den aktuellen rechtlichen Stand der Schrift aus. So kann eine „B-Schrift“ sich auf ein erloschenes Patent beziehen, oder man entdeckt eine „A-Schrift“ von einem Schutzrecht zu der es bereits eine „B-Schrift“ gibt. Die zwischen Länderkennung und Index eingebettete Zahl wird von den verschiedenen Ämtern unterschiedlich gehandhabt und kann sich über die Zeit ändern. Die Zahl kann schlicht eine fortlaufende Zahl ohne weitere Aussagekraft sein (z. B. EP1553581A1). In manchen Fällen wird der fortlaufenden Zahl eine vierstellige Jahreszahl vorangestellt (z. B. bei US2007171779A1 oder WO2005069292A1). Diese bezieht sich auf das Jahr der Anmeldung (z. B. DE) oder das der Veröffentlichung (z. B. US, WO). Eine Besonderheit gibt es bei deutschen Schriften seit 2004. Hier setzt sich die Zahl aus drei Teilen zusammen, der Schutzrechtsart (zwei Ziffern), wie schon erwähnt, dem Jahr der Anmeldung (vier Ziffern) und ebenfalls einer sechsstelligen fortlaufenden Zahl (z. B. DE 10 2004 017583 A1 mit der Schutzrechtsart „10“ für eine nationale Patentanmeldung). Eine Patentnummer identifiziert eine Schrift eindeutig. Die eingebettete Zahl kann sich mit dem Status ändern. So wurde aus der Offenlegung US2007171779A1 die Patentschrift US7512047B2. Die in diesem Abschnitt genannten Schriften entstammen einer Patentfamilie (Ausnahme die DE-Schrift). Es zeigt sich, insbesondere in der sechsstelligen fortlaufenden Ziffer, dass die Patentnummern innerhalb einer Patentfamilie keinen

Abb. 2.3a   Titelseite der EP2500698 (Teil 1)

Bezeichnung der Erfindung

Anmelder

Anmeldedatum benannte Vertragsstaaten (EPA)

Offenlegungstag

Schriftenart

Ländercode

Vertreter

Erfinder

Patentklassifikation

Patentnummer

20 2  Patente Lesen

Abb. 2.3b   Titelseite der EP2500698 (Teil 2)

Zusammenfassung mit Zeichnung

2.2  Titelseite mit bibliographischen Daten 21

22

2  Patente Lesen

Bezug zueinander haben. Dies wird weiter verdeutlicht durch weitere Länderschriften der Familie: JP2007519146A, KR20060126680A oder CN1898735A. Die Bezeichnung der Schriftenart (Dokumentenart; INID-Code: 12) zeigt im Klartext um welche Gattung von Schrift es sich handelt. Dies kann sein eine „Offenlegungsschrift“ (engl.: „Patent Application Publication“), eine „Patentschrift“ (engl.: „Patent“), ggf. mit Regionalangabe, z. B. „Europäische Patentschrift“ oder „United States Patent“, eine „Gebrauchsmusterschrift“ (engl.: „Utility Model“) oder eine Übersetzung, z. B. „Übersetzung einer europäischen Patentschrift“. Aber Achtung, auch hier gilt: Die Bezeichnung sagt nichts über den rechtlichen Stand des Schutzrechts aus. Der Ländercode (INID-Code: 19) gibt an, welches regionale Amt das zuständige Patentamt ist. Hierzu gibt es entsprechende Verzeichnisse zur Aufschlüsselung dieser, [5]. Das Anmeldedatum (INID-Code: 22) entspricht dem Tag der Anmeldung einer Erfindung bei einem Patentamt. Dieses Datum ist wichtig für die Beurteilung der Neuheit und für die Bestimmung des Ablaufs der Schutzdauer. Ist seit der erstmaligen Anmeldung einer Erfindung noch kein Jahr vergangen können weitere, inhaltlich identische Anmeldungen vorgenommen werden. So können Anmeldungen in anderen Ländern/Regionen vorgenommen werden, oder zu einem Gebrauchsmuster eine Patentanmeldung angemeldet werden bzw. umgekehrt. Dann definiert das Anmeldedatum der ältesten Anmeldung der Patentfamilie das sog. Prioritätsdatum, oder schlicht, die Priorität (INID-Code: 30). Dieses Datum ist relevant für die Beurteilung der Neuheit für alle Mitglieder einer Patentfamilie. Alle Veröffentlichungen vor diesem Datum gelten als Stand der Technik in Bezug auf die Erfindung. Der Patentprüfer und etwaige Dritte müssen dieses Datum berücksichtigen wollen sie gegen den Schutzbereich der Erfindung vorgehen, bzw. diesen einschränken. Anzumerken ist aber, dass eine Schrift, auch wenn sie die Priorität einer älteren Schrift in Anspruch nimmt ihren Anmeldetag beibehält. Dies ist relevant für die Berechnung der Schutzdauer, die sich auf den Anmeldetag bezieht. Der Offenlegungstag/das Offenlegungsdatum (INIDCode: 43) definiert, wann eine Offenlegungsschrift der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Spätestens ab hier ist die Erfindung Stand der Technik3. Außerdem entstehen ab diesem Zeitpunkt Ansprüche durch den Inhaber eines

3Achtung:

Bei einigen Ländern, z. B. DE und EP gilt eine technische Lösung bereits mit der Anmeldung zum Schutzrecht als Stand der Technik und muss dazu nicht veröffentlicht sein. Solche Anmeldungen mit älterem Zeitrang sind neuheitsschädlich, werden aber nicht zur Feststellung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen.

2.2  Titelseite mit bibliographischen Daten

23

Schutzrechts (siehe Abschn. 3.4). Ein Sonderfall ist, wenn ein Patent innerhalb der Offenlegungsfrist von 18 Monaten bereits erteilt wird, was durchaus vorkommen kann. Dann gilt das Datum der Veröffentlichung der Patentschrift als Offenlegungsdatum. Eine Offenlegungsschrift gibt es dann nicht. Das Erteilungsdatum (INID-Code: 45) gibt das Datum der Eintragung des Patents in die Patentrolle des Patentamts und der Veröffentlichung der Patentschrift an. Ab hier können rechtliche Ansprüche des Inhabers gegen Verletzer des Patents geltend gemacht werden. Für die Zeit zwischen Patentanmeldung und Patenterteilung entsteht ein Anspruch auf Entschädigung. Ab dem Datum der Patenterteilung kann z. B. das Ausschließlichkeitsrecht durchgesetzt werden (Abschn. 3.4.3). Die Internationale Patentklassifikation (IPC; INID-Code: 51) unterteilt die gesamte Patentliteratur und somit das darin enthaltene technische Wissen in Klassen. Dies dient dem Zweck Schriften in ein einheitliches System einzuordnen und diese auffindbar zu machen ([6], oder als Übersetzung ins Deutsche [7]). Basis für das IPC ist ein hierarchischer Aufbau. Dieser beginnt mit der Sektion und wird über Klasse, Unterklasse, Haupt- und Untergruppe fortgeführt. Das Beispiel, das in Tab. 2.2 angegeben ist soll die Idee verdeutlichen. Weitere Details zu der Klassifizierung finden sich in Anhang A3. Die IPC-Klasse, die einer Patentschrift zugeordnet ist, wird durch das Patentamt festgelegt. Somit ist sie eine der wenigen Angaben, die nicht durch den Anmelder bestimmt wird, sondern durch das Amt. Diese Neutralität wirkt Versteckmechanismen der Anmelder entgegen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man relevante Schriften in einer Recherche oder der Patentüberwachung auch findet (vgl. Abschn. 3.1). Allerdings kann die IPC-Klasse unabhängig von den Ämtern vergeben werden, wodurch sie für die Mitglieder einer Patentfamilie variieren können. Außerdem kann sie sich im Verlauf des Erteilungsverfahrens ändern. Einer Schrift können mehrere Klassen zugeordnet sein, wenn sie sich nicht eindeutig über eine Klasse kategorisieren lässt. Es gibt eine Hauptklasse, die den Schwerpunkt der Erfindung klassifiziert. Eine oder mehrere Nebenklassen geben weitere technische Gebiete an, in die die Erfindung kategorisiert werden kann. Die Bezeichnung der Erfindung (INID-Code: 54) ist deren Titel und gibt kurz und (idealerweise) prägnant an, um was es bei der Erfindung geht. Doch Vorsicht: hier können kreative Formulierungen zum Tragen kommen. Durch Verwendung korrekter, aber verklausulierter Schlüsselworte kann anhand der Bezeichnung nicht auf den ersten Blick auf den Inhalt der Schrift geschlossen werden. Die Bezeichnung wird durch den Anmelder mit dem Anmeldeantrag vorgegeben. Diese kann aber durch das Patentamt geändert werden sollten Vorgaben nicht eingehalten worden sein (Verwendung von Fantasiebegriffen, Eigennamen, Abkürzungen, Handelsnamen, usw.).

24

2  Patente Lesen

Tab. 2.2   Aufschlüsselung der Hauptklasse der EP2500698A1 mit dem Klassifikationssymbol G01D 5/34 Sektion

G

Physik (Instrumente)

Untersektion

G01

Messen; Prüfen

Klasse

G01D

Anzeigen oder Aufzeichnen in Verbindung mit Messen allgemein; Einrichtungen oder Instrumente zum Messen von zwei oder mehr Veränderlichen, soweit nicht von einer anderen Unterklasse umfasst; Tarifmessgeräte; Übertragungs- oder Umwandlungseinrichtungen, die nicht an eine spezielle Veränderliche angepasst sind; Messen oder Prüfen, soweit nicht anderweitig vorgesehen

Unterklasse

G01D 5/00

Mechanische Vorrichtungen zur Übertragung des Ausgangssignals eines Abtast-Elements; Einrichtungen zum Umformen des Ausgangssignals des Abtast-Elements in eine andere Veränderliche wobei die Art und Beschaffenheit des Abtast-Elements nicht die Mittel des Umformens bedingt; Messgrößenumwandler, die nicht an eine spezielle Veränderliche angepasst sind

Gruppe

G01D 5/26

. unter Verwendung von optischen Mitteln, d. h. unter Verwendung von infrarotem, sichtbarem oder ultraviolettem Licht

Hauptgruppe

G01D 5/32

.. mit Abschwächung oder ganzer oder teilweiser Abdeckung von Lichtstrahlen

Untergruppe

G01D 5/34

… Erfassen der Lichtstrahlen mit Fotozellen

Ergebnis der IPC-Recherche (https://depatisnet.dpma.de/ipc/, 31.12.2019) in hierarchischer Darstellung

zuletzt

geprüft

am

Entgegenhaltungen (INID-Code: 56) sind Dokumente, die als Stand der Technik in Bezug auf die Erfindung betrachtet werden. Dies können Dokumente sein, die vom Anmelder benannt wurden und bekannte Lösungen zum technischen Gebiet und deren Schwachstellen aufzuzeigen. Andererseits können es Dokumente sein, die der Prüfer des Patentamts durch seine Recherche identifiziert hat und als konkrete Entgegenhaltung für eine Patentanmeldung herangezogen werden. Mit diesen Schriften muss sich der Patentinhaber auseinandersetzen und wird dabei versuchen die Parallelen, die der Prüfer sieht zu entkräften. Dabei können verschiedene Mitglieder einer Patentfamilie aus den unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Entgegenhaltungen aufweisen. Bei den Dokumenten handelt es sich meist um Patentschriften, können aber durchaus auch andere Dokumentenarten, wie wissenschaftliche Veröffentlichungen,

2.2  Titelseite mit bibliographischen Daten

25

Bücher, Zeitschriftenbeiträge, Firmenbroschüren, usw. sein. Somit sind diese Dokumente wertvolle Literaturhinweise, wenn man sich mit einem Themenfeld oder deren Protagonisten weiter beschäftigen möchte. Bei der Zusammenfassung bzw. dem Abstrakt (INID-Code: 57) handelt es sich um eine kurze textliche Passage mit ersten Details der Erfindung. Sind Zeichnungen in der Schrift enthalten, so wird eine davon der Zusammenfassung hinzugefügt. Sie ist nicht Teil der bibliographischen Daten wird aber bei vielen Schriftarten auf dem Titelblatt mit aufgeführt – leider nicht auf allen (z. B. ­EP-Patentschriften). Damit sind bzw. wären auf dem Titelblatt Informationen enthalten, die einen weitreichenden Blick auf ein Schutzzertifikat geben. Weitere Details zur Zusammenfassung finden sich in Abschn. 2.3. Der oder die Erfinder (INID-Code: 72) sind der oder die Urheber der Erfindung4. Initial hat ein Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger5 alle Rechte an einer Erfindung. Ist die Erfindung allerdings im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses entstanden, so greift in Deutschland das Arbeitnehmererfindergesetz (ArbNErfG, [8], Abschn. 3.3). Ein Arbeitgeber hat das Recht eine Erfindung, die im Rahmen eines Arbeitsvertrages entstanden ist in Anspruch zu nehmen und unter seinem Namen anzumelden. Dem Erfinder bleibt das Recht erhalten als solcher dem Patentamt gegenüber und somit auf der Patentschrift benannt zu werden (Erfinderehre). Das heißt, dass der Erfinder bei der Einreichung einer Anmeldung beim Patentamt zu benennen ist, es sei denn: • der Erfinder (nicht der Anmelder!) hat einen Antrag gestellt weder veröffentlicht noch im Register vermerkt zu werden (Nichtnennung). In der Patentschrift steht dann explizit „Der Erfinder hat auf Nennung des Namens verzichtet“; • dass die Nennung nachgereicht wird. Dabei gilt allerdings eine Frist. Verstreicht diese tatenlos, gilt die Anmeldung als zurückgenommen; • es handelt sich bei dem Schutzrecht um ein Gebrauchsmuster. Wird der Erfinder genannt, dann mit vollem Namen und dessen Anschrift (Wohnort und -land werden auf der Patentschrift veröffentlicht). Für den Erfinder hat die Erfindernennung einen weiteren positiven Effekt: eine Schutzrechtsschrift ziert jede persönliche Patent-/Publikationsliste.

4Im

Folgenden wird nur auf einen Erfinder verwiesen, auch wenn eine Gruppe von Erfindern beteiligt ist. 5Rechte an Schutzrechten können vererbt werden.

26

2  Patente Lesen

Der Anmelder (INID-Code: 71) ist die natürliche oder juristische Person, die eine Patentanmeldung beim Patentamt einreicht. Somit ist der Anmelder initial auch der Patentinhaber. Der Patentinhaber (INID-Code: 73) besitzt die Rechte und Pflichten an einem Schutzrecht. Der Patentinhaber kann im Verlauf des Lebens eines Schutzrechts durchaus wechseln, z. B. durch Verkauf oder eine andere Form der Übertragung. Jedoch Vorsicht: dieser Schritt ist auf den Schriften nicht unbedingt ersichtlich. Will man wissen wer zu einem Zeitpunkt Inhaber eines Patents ist, muss dies im entsprechenden Register nachgesehen werden. Ein Schutzrecht kann mehrere Anmelder oder Inhaber haben. Der Anmelder gibt einen Vertreter (INID-Code: 74) an, der für diesen die patentrechtlichen und amtlichen Angelegenheiten abwickelt. An den Vertreter werden alle Sendungen des Patentamts adressiert. Dieser kann durch eine Person aus dem Unternehmen gestellt werden, meist aus einer internen Patentabteilung oder durch einen Patentanwalt einer Kanzlei. Hat der Anmelder keinen Wohnoder Firmensitz auf dem Gebiet, für das das Patentamt zuständig ist, so ist ein Vertreter zu benennen, andernfalls ist das nicht vorgeschrieben (Inlandsvertreter). Bei Patenten, die im Rahmen des internationalen PCT-Verfahrens oder einem regionalen Patentübereinkommen angemeldet werden, wird angegeben für welche Länder innerhalb dieses Übereinkommens diese gelten. Beim ­ PCT-Verfahren werden die Bestimmungsstaaten (INID-Code: 81) angegeben, beim internationalen Patentübereinkommen (z. B. EP) benannte Vertragsstaaten (INID-Code: 84). Auch hier ist zu beachten, dass sich dies ändern kann. Insbesondere sieht man dies bei EP-Anmeldungen: Umfasst eine Patentschrift zum Zeitpunkt der Offenlegung (fast) alle Vertragsstaaten des EP-Übereinkommens, so reduziert der Patentinhaber bei Erteilung den Umfang der benannten Vertragsstaaten. Denn ab der Erteilung fallen zusätzliche Kosten für jedes benannte Land und ggf. Übersetzungskosten an. Auch kann der Patentinhaber den Umfang der Liste im Lebenszyklus der Schrift weiter reduzieren - meist aufgrund der entstehenden Kosten (Abschn. 3.5). Neben den genannten Angaben sind und können weitere bibliographische Daten enthalten sein. Diese sind aber eher für den zweiten oder tieferen Einblick relevant und werden aus diesem Grund nicht weiter angesprochen. Eine umfangreiche Liste der INID-Codes findet sich in Anhang A1.

2.3 Zeichnungen Bei Patenten und Gebrauchsmustern handelt es sich um Erfindungen auf technischem Gebiet. Entsprechend wird erwartet, dass deren Beschreibung (vgl. Abschn. 2.6) durch Zeichnungen unterstützt wird, getreu dem Motto „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Dabei sind Zeichnungen nicht vorgeschrieben,

2.4 Zusammenfassung

27

sondern nur dann erforderlich, wenn in der Beschreibung oder in den Ansprüchen auf solche Bezug genommen wird. Im Umkehrschluss: sind Zeichnungen enthalten, müssen diese in der Beschreibung erläutert werden. Generell haben sie keine unmittelbare rechtliche Wirkung, sie können aber zur Auslegung der Ansprüche herangezogen werden. Die Zeichnungen sollen die Erfindung und deren Anwendung „nur“ verdeutlichen. Insbesondere zur Darstellung von Ausführungsbeispielen stellen sie eine hilfreiche Ergänzung dar. Für die Form der Zeichnungen gibt es recht Vorschriften (z. B. [9], [16]). Zeichnungen sind grundsätzlich schwarz-weiß ausgeführt. Die Darstellung sollte deutlich sein. Die Regeln dazu folgen nahe denen des technischen Zeichnens. Auch wenn verordnet ist, dass nur Wesentliches in einer Zeichnung darzustellen ist, finden sich oft Konstruktionszeichnungen deren Detailtreue vieles überdeckt. Die Konturschärfte kann auch mal zu wünschen übriglassen. Sind in einer Anmeldung Zeichnungen enthalten, so soll eine Verknüpfung zwischen den Ansprüchen und den Zeichnungen durch Bezugszeichen erfolgen, wenn dies für das Verständnis förderlich ist. Diese Bezugszeichen werden dann meist auch in der Beschreibung verwendet (Abb. 2.6). In den Ansprüchen werden die Merkmale mit Ihren Bezugszeichen versehen, wobei diese in Klammern gesetzt sind. Als Bezugszeichen werden meist Zahlen oder Buchstaben verwendet. Zeichnungen dürfen allerdings keine Erläuterungen enthalten. Dies kann zu kurios anmutenden Figuren führen. So werden z. B. bei vielen Ablaufdiagrammen die Verfahrensschritte nicht textlich formuliert, sondern eben durch Bezugszeichen. Dies macht sie mühselig zu interpretieren. Bei allen Vorgaben finden sich aber auch Schriften, bei denen nicht alles indiziert ist und nicht alles indizierte in den Zeichnungen vorkommt.

2.4 Zusammenfassung Aufgabe der Zusammenfassung ist es einen Überblick über die Erfindung, bzw. die Offenbarung zu geben, [10]. Sie stellt eine Kurzfassung anderer Elemente einer Schrift dar, d. h. der Beschreibung, der Ansprüche und der Zeichnungen. Somit gibt sie Aufschluss über das technische Gebiet, die Aufgabe der Erfindung, die erfinderische Lösung und wesentliche Anwendungen. Oft entspricht die Zusammenfassung dem ersten Satz der Beschreibung und dem Wortlaut des Hauptanspruchs bzw. einer Abwandlung davon. Sind in der Anmeldung Zeichnungen enthalten, so wird eine davon der Zusammenfassung beigefügt. Die Zusammenfassung hat keine rechtliche Relevanz hinsichtlich der Erfindung, sondern dient rein der technischen Information. Sie ermöglicht zu beurteilen, in wie fern weitere Teile der Schrift relevant sein können.

28

2  Patente Lesen

2.5 Ansprüche eines Schutzrechts 2.5.1 Wesen und Struktur der Ansprüche Kern einer Schutzrechtsschrift sind deren Ansprüche (engl.: „Claims“). Sie definieren den „Gegenstand des Schutzbegehrens“, [11], d. h. sie beschreiben konkret was durch die Schrift geschützt wird. Die Ansprüche bestehen aus einer Kombination von technischen Merkmalen. Diese Merkmalskombination beschreibt, was für die Erfüllung der Erfindung erforderlich ist. Dabei darf diese Kombination der Merkmale so noch nie beschrieben oder umgesetzt worden sein (Neuheit). Die Kombination darf dem Stand der Technik auch nicht naheliegen, um die Forderung nach der erfinderischen Tätigkeit, die an Patente gestellt wird zu erfüllen. Allerdings fallen in den Schutzbereich nicht nur wortsinngemäße Ausführungsformen, sondern auch äquivalente (vgl. Abschn. 2.5.4). Da die Ansprüche eine solch hohe Bedeutung haben, hat deren Formulierung eine hohe Relevanz: Sie, und nur sie beschreiben das Schutzbegehren bzw. den Schutzgegenstand einer Patentschrift. Entsprechend müssen diese juristischen Anforderungen genügen und dabei den Schutzbereich treffend und technisch korrekt wiedergeben. Ansprüche sollten deutlich und knapp sein, [8]. Dazu sind sie eng an die Beschreibung (Abschn.  2.6) und ggf. vorhandene Zeichnungen gekoppelt (Abschn. 2.3). Das heißt zum einen, dass die Ansprüche durch die Beschreibung und die Zeichnungen gestützt werden. Da die Formulierungen in den Ansprüchen aber kurzgehalten werden, Fachbegriffe nicht definiert werden, etc. entsteht Raum für Interpretation, wenn man die Ansprüche für sich allein nimmt. Entsprechend können für deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen herangezogen werden. Zum anderen dürfen die Ansprüche keine über die Beschreibung hinausgehenden Inhalte einschließen. Sie extrahieren aus der Beschreibung eine gewünschte Kombination von Merkmalen, die den Schutzbereich gleichzeitig begründen und begrenzen. Merkmale, die in der Beschreibung enthalten sind, d. h. offenbart wurden, können beansprucht werden – aber auch nicht mehr. Entsprechend ist der beschreibende Text, maßgebend für die Ansprüche und deren Änderungen. Die Ansprüche sollten widerspruchsfrei gegenüber der Beschreibung sein. Dabei sind die Ansprüche in sich unabhängig, d. h. nehmen in ihrer Formulierung keinen direkten Bezug auf die Beschreibung bzw. die Zeichnung(en). Die Verwendung der Bezugszeichen ist erlaubt, wenn dies das Verständnis fördert. Sie haben aber keinen Einfluss auf die Auslegung der Ansprüche.

2.5  Ansprüche eines Schutzrechts

29

Ziel eines Anmelders ist es den Schutzbereich breit zu halten. Entsprechend werden die Ansprüche möglichst allgemein formuliert. Es gilt: Ansprüche sind breit gehalten, wenn sie wenige Merkmale enthalten. Im Umkehrschluss, je mehr Merkmale Ansprüche kombinieren, desto enger ist deren Schutzbereich, denn jedes Merkmal macht einen Anspruch spezifischer. Allerdings ist zu beachten, dass breit formulierten Ansprüchen mehr Stand der Technik entgegensteht als eng gehaltenen. Sind zu wenige Merkmale enthalten ist das Risiko höher, dass diese Merkmalskombination in anderer Form bereits beschrieben wurde. Die Durchsetzung der Ansprüche im gesamten Verlauf des Lebenszyklus eines Schutzrechts kann dadurch erschwert werden. Andererseits sind viele Merkmale in dem Anspruch, so kann das Schutzrecht durch leichte Variation in der Ausführung umgangen werden – es verliert an Wert (Abb. 2.4). Um den Spagat zu mildern, werden gängige Formulierungen verwendet, z.  B. beispielsweise, insbesondere (entspricht beispielsweise), bevorzugt, wenigstens, mindestens, etc. Damit soll erreicht werden den Anspruchsbereich weit zu halten, auch wenn viele Merkmale enthalten sind. Dabei muss aber die Klarheit des Anspruchs erhalten bleiben. Aus dem Ziel heraus, Ansprüche bei der Anmeldung breit zu gestalten ergibt sich, dass ein Anspruch eines Schutzrechts von der Anmeldung bis zur Rechtsgültigkeit „wachsen“ kann (siehe Tab. 2.3 mit einem Vergleich der Merkmale einer Offenlegungsschrift mit denen einer Patentschrift). Es können einem Anspruch im Laufe des Verfahrens eingrenzende Merkmale hinzugefügt werden. Dabei ist der Anmelder für die

viele

eng

spärlich

Technische Merkmale

Stand der Technik

Schutzbereich

breit

wenige

umfangreich

Abb. 2.4   Wechselwirkung aus technischen Merkmalen, dem Stand der Technik und dem Schutzbereich

30

2  Patente Lesen

Tab. 2.3   Vergleich Anspruch 1 aus EP2664898A1 und EP2664898B1 EP2664898A1

EP2664898B1

Anspruch 1

Anspruch 1

M1

M1

Sende- und Empfangseinheit für die Erfassung eines Drehwinkels mit einem Lichtsender (20), einem Lichtempfänger (22) und einem dazwischen angeordneten transparenten Träger (24), der auf dem Lichtempfänger (22) flächig aufliegt und diesen abdeckt, wobei

Sende- und Empfangseinheit für die Erfassung eines Drehwinkels mit einem Lichtsender (20), einem Lichtempfänger (22) und einem dazwischen angeordneten transparenten Träger (24), der auf dem Lichtempfänger (22) flächig aufliegt und diesen abdeckt, wobei

M2

diese Komponenten zu einer integrierten Einheit fest verbunden sind (4/1–3) und ein Optikmodul bilden (3/11–13), (Quelle: Absatz [0009] + [0014]) wobei

M2

M3 der Lichtsender (20) auf dem Träger (24) aufgebracht ist und in eine Richtung (28) von dem Lichtempfänger (22) weg abstrahlt, wobei der Lichtsender (20) derart mittig über dem Lichtempfänger (22) angeordnet ist, dass Empfangslicht (32) an dem Lichtsender (20) vorbei auf den Lichtempfänger (22) fallen kann.

der Lichtsender (20) auf den Träger(24) geklebt ist und in eine Richtung (28) von dem Lichtempfänger (22) weg abstrahlt, wobei der Lichtsender (20) derart mittig über dem Lichtempfänger (22) angeordnet ist, dass Empfangslicht (32) an dem Lichtsender (20) vorbei auf den Lichtempfänger (22) fallen kann, wobei

M4

die optische Empfangsfläche (30) des Lichtempfängers (22) größer ist als die geometrischen Abmessungen des Lichtsenders (20) (Quelle: Absatz [0012])

Modifikation verantwortlich – der Prüfer kommentiert lediglich ob eine neue Merkmalskombination erteilungsfähig ist oder nicht (und warum nicht). Dabei werden Merkmale aus der Beschreibung oder den abhängigen Ansprüchen den unabhängigen hinzugefügt (Erläuterungen zu unabhängig/abhängig folgt in ein

2.5  Ansprüche eines Schutzrechts

31

paar Absätzen). Dabei gilt es zu beachten, dass sich Schriften einer Patentfamilie in verschiedenen Regionen unterschiedlich entwickeln können, da die Verfahren unabhängig geführt werden. Erst in einer erteilten Schrift und nach Ende eines Einspruchsverfahrens (falls gegeben) sind die Ansprüche rechtsbeständig und unveränderlich (es sei denn es kommt noch eine Nichtigkeitsklage oder ein Löschungsverfahren hinzu, vgl. Abschn. 3.4.2). Patentansprüche können einteilig oder zweiteilig ausgeführt werden ([16]). Üblich sind zweiteilige Ansprüche. Diese bestehen aus einem Oberbegriff und einem kennzeichnenden Teil. Der Oberbegriff beschreibt das technische Gebiet des Anspruchs und umfasst technische Merkmale, die bekanntem Stand der Technik entsprechen. Darauf folgen die Merkmale, die im Rahmen der Erfindung in Kombination mit dem Oberbegriff unter Schutz gestellt werden sollen/gestellt sind. Da dies die kennzeichnenden Merkmale sind nennt man den zweiten Teil folglich kennzeichnenden Teil. Abgegrenzt werden die beiden durch übliche Verbindungsphrasen wie „dadurch gekennzeichnet“, „gekennzeichnet durch“, „umfassend“, „die folgenden Schritte umfasst“ oder schlicht durch das Wort „wobei“. Englische Begriffe sind, z. B. „characterized in that …“ (vgl. Tab. 2.4). Einteilige Ansprüche werden dann verwendet, wenn eine Aufteilung in Oberbegriff und kennzeichnenden Teil zu einer schlechten Lesbarkeit führt, da sich z. B. lange oder umständliche Formulierungen ergeben würden. Entsprechend kann auch keine klare Verbindungsphrase zwischen Oberbegriff und kennzeichnendem Teil verwendet werden (Abb. 2.5). Eine Schutzrechtsschrift soll immer nur eine Erfindung enthalten. Eine Gruppe von Erfindungen, ist nur dann zulässig, wenn diesen die gleiche erfinderische Idee zugrunde liegt. Eine Erfindung wird immer durch einen unabhängigen Anspruch beansprucht, bei einer Gruppe von Erfindungen sind es mehrere, wobei der Grundsatz der Einheitlichkeit (eine erfinderische Idee als Grundlage) gewahrt

Stand der Technik

Oberbegriff Kennzeichnender Teil

Anspruch Abb. 2.5   Aufbau eines Anspruchs (in Anlehnung an [17])

32

2  Patente Lesen

sein muss. Oft finden sich eine Kombination aus einem Vorrichtungs- und einem zugehörigen Verfahrensanspruch (vgl. Abschn. 2.5.2). Bei regionalen Patentschriften kann es sein, dass die Patentansprüche in mehr als nur einer Sprache aufgeführt sind. Bei europäischen Patentschriften ist es zum Beispiel so, dass diese die Ansprüche in der Offenlegungsschrift in einer der drei Amtssprachen des EPA Deutsch, Englisch und Französisch gedruckt ist, bei der Patentschrift kommen zusätzlich Übersetzungen in den beiden anderen Sprachen hinzu.

2.5.2 Anspruchskategorien Bei gewerblichen Schutzrechten unterscheidet man zwei wesentliche Anspruchskategorien: den Erzeugnisanspruch und den Verfahrensanspruch. Bei einem Erzeugnis handelt es sich um einen technischen Gegenstand, wie z. B. eine Maschine, ein Fahrzeug, eine elektronische Schaltung, chemische oder pharmazeutische Erzeugnisse, ein Gebäude, einen Sensor, usw. – sowie Teile davon. Entsprechend beziehen sich alle Merkmale des Anspruchs auf Eigenschaften des Erzeugnisses. Unterteilen lässt sich der Erzeugnisanspruch in Sachen, Anordnungen, Stoffe, Mittel, oder Vorrichtungen. Patente, die nur Vorrichtungen (engl.: „apparatus“, „system“, „device“) beanspruchen bezeichnet man auch als Vorrichtungspatent, die Ansprüche als Vorrichtungsanspruch. Ein Verfahrensanspruch formuliert einen Ablauf von Verfahrensschritten, die zur Lösung eines Problems erforderlich sind. Beansprucht werden, z. B. Verfahren zur Herstellung oder Verwendung von Erzeugnissen, Test-, Mess- oder Auswahlverfahren sowie Anwendungsmöglichkeiten. Zusammenfassend könnte man es mit Tätigkeiten beschreiben, die eine Veränderung eines Zustandes bewirken. Unterteilt wird diese Kategorie nochmals in Herstellungs-, Anwendungs- und Arbeitsverfahren. Patente, die nur Verfahrensansprüche enthalten, nennt man daher auch Verfahrenspatent (engl.: „method“). Gebrauchsmuster, die beim DPMA angemeldet werden, dürfen nur Vorrichtungsansprüche enthalten.

2.5.3 Anspruchsarten Bei Ansprüchen gibt es die Unterscheidung wonach sie unabhängig oder abhängig sind. Selbstredend, dass ein unabhängiger Anspruch für sich steht. Ein abhängiger hingegen bezieht sich immer auf einen oder mehrere der vorangehenden Ansprüche – entweder auf unabhängige oder andere abhängige.

2.5  Ansprüche eines Schutzrechts

33

Bei DE-Anmeldungen werden die Begriffe Haupt-, Neben- und Unteranspruch verwendet. Der erste Anspruch eines Schutzrechts, der Hauptanspruch, ist immer ein unabhängiger. In ihm sind die wesentlichen Merkmale der Erfindung enthalten, die gattungsbildend, kennzeichnend und zwingend sind, d. h. sogenannte anspruchsbegründende Merkmale. Weitere unabhängige Ansprüche nennt man Nebenansprüche. Sie sind dem Hauptanspruch rechtlich gleichgestellt. Da nur eine erfinderische Idee in einem Patent beansprucht werden kann unterscheiden sich Haupt- und Nebenanspruch dadurch, dass sie entweder unterschiedliche Anspruchskategorien betreffen, z. B. der eine beansprucht eine Vorrichtung und der andere das zugehörige Verfahren (siehe Abschn. 2.5.2) oder stellen alternative Lösungen (Ausführungsarten) für dieselbe erfindungsgemäße Aufgabe dar. Unteransprüche sind abhängige Ansprüche, d. h. sie beziehen sich auf einen Haupt- oder Nebenanspruch und/oder einen oder mehrere andere Unteransprüche. Begriffe wie „Verfahren nach Anspruch 1“ oder „Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche“ geben die Abhängigkeit an. Abhängige Ansprüche stellen eine Konkretisierung des Anspruchs dar auf den sie sich beziehen. Sie wirken aber nicht rückwärts, d. h. sie haben keinen Einfluss auf den Anspruch, auf den sie sich beziehen. Sie schränken diesen also nicht ein. Unteransprüche sind wertvoll im Verlauf eines Schutzrechtsverfahrens. So können deren Merkmale in der Prüfungsphase, in Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren einem angefochtenen Anspruch hinzugefügt werden. Dieser neue Anspruch wird zwar beschränkt kann dadurch aber eine neue Merkmalskombination gestalten, die dadurch erteilbar/erhaltbar wird, da sie dann neu und erfinderisch sind. Auch dienen sie in der Durchsetzung von Rechten gegenüber Verletzern, da der eher abstrakte unabhängige Anspruch durch die Merkmale des abhängigen Anspruchs konkreter interpretierbar wird. Auch dienen die unabhängigen Ansprüche der erweiterten Offenbarung und somit für einen breiteren Stand der Technik. Das macht es schwieriger konkurrierende Schutzrechte zu platzieren.

2.5.4 „Divide and Conquer“ – Die Merkmalsanalyse Patentansprüche können schwer verständlich sein, da sie mit einer gewissen Eigenart geschrieben sind. Insbesondere wenn sie durch die Kombination vieler Merkmale lang werden, kann es mühevoll sein einen Einblick zu bekommen. Erschwerend kommt hinzu, dass jeder Anspruch in nur einem Satz formuliert wird, wodurch lange Schachtelsätze entstehen können. Teilt man jedoch den Anspruch in seine Merkmale auf, so sind diese wesentlich einfacher zu fassen

34

2  Patente Lesen

Tab. 2.4   Merkmalsanalyse zu Anspruch 1 (Hauptanspruch) der EP2500698A1 M1

Vorrichtung zur Messung des Drehwinkels zweier relativ zueinander rotierender Objekte,

M2

mit einem dem einen Objekt zugeordneten Sender, der Licht aussendet,

M3

welches entweder polarisiert ist oder mittels eines Polarisationsfilters polarisiert wird,

M4

mit einem polarisationsempfindlichen Analysator,

M5

wobei sich der Sender und der Analysator in Abhängigkeit vom Drehwinkel relativ zueinander drehen,

M6

und mit einem Empfänger, der die durch den Analysator durchtretende Lichtintensität misst,

M7

um ein drehwinkelabhängiges Signal zu erzeugen,

Oberbegriff

dadurch gekennzeichnet, M8

dass an einem der Objekte ein magnetisiertes Element (30)

M9

und an dem anderen der Objekte ein Sensor (32) zur Detektion eines Magnetfelds angeordnet ist

Kennzeichnender Teil

und können einzeln bewertet werden – eben „divide and conquer“6. Diese Methode bezeichnet man als Merkmalsanalyse (gelegentlich auch „Merkmalsaufstellung“). In einer Tabelle werden die einzelnen Merkmale voneinander isoliert, indem in jede Zeile ein Merkmal eingetragen wird. Ein Beispiel ist in Tab. 2.4 aufgeführt. Über die Darstellung der Merkmalsanalyse in einer Tabelle ist es natürlich ein leichtes: • Anmerkungen zu jedem Merkmal einzutragen, • zur besseren Interpretation der einzelnen Merkmale Referenzen zur Beschreibung oder den Zeichnungen einzutragen, • die Ansprüche denen anderer Patentschriften gegenüberzustellen (z.  B. Schriften einer Patentfamilie aus verschiedenen Regionen oder mit anderem Status) oder • zu vermerken ob ein Merkmal auf die eigene Entwicklung zutrifft oder auch nicht. 6„Divide

and conquer“ heißt im Wortsinn übersetzt „teile und herrsche“; hier ist der Ausdruck aber eher als „aufteilen und meistern“ zu interpretieren.

2.6 Beschreibung

35

Bei der näheren Analyse der Ansprüche ist aber folgendes zu beachten: eine Patentverletzung liegt nicht nur vor, wenn es sich um eine wortsinngemäße Verletzung handelt (identische Verletzung), sondern auch bei einer äquivalenten. Eine äquivalente Verletzung liegt dann vor, wenn ein Fachmann sinngemäße Ausprägungen der erfinderischen Lösung durch einfache Überlegungen ableiten kann. Die Verletzung ergibt sich also nicht nur aus dem Wortlaut heraus, sondern auch aus dem Wortsinn. Zur Feststellung der Äquivalenz müssen folgende drei Grundsätze erfüllt sein. • Gleichwirkung: Die Lösung des Problems wird mit Mitteln erreicht, die gleichartig technisch wirken; • Auffindbarkeit: Die Abwandlung ist für den Fachmann als gleichwirkend verständlich (auffindbar anhand der Lehre des Patents); • Gleichwertigkeit: Für den Fachmann ergibt sich aus der abweichenden Ausführung eine gleichwertige Lösung zu der wortsinngemäßen. Das ist interpretationswürdig. Im Zweifel sollte man mit einem Patentexperten Rücksprache halten. Die Äquivalenz spielt dabei nicht nur eine Rolle in Verletzungs- sondern auch in Anmeldeverfahren, insbesondere in der Feststellung der erfinderischen Tätigkeit.

2.6 Beschreibung In der Beschreibung wird die Erfindung im Detail offenbart ([16]). Sie soll dabei vollständig und deutlich ausgeführt sein. Dadurch soll gewährleistet werden, dass ein Fachmann des technischen Gebiets diese ausführen kann. Fachjargon sollte vermieden werden, wobei die Verwendung anerkannter Fachausdrücke durchaus gewünscht ist. Dabei führt der beschreibende Text auch Begriffe ein, die in den Ansprüchen verwendet werden. Die Verwendung von Bezeichnungen und Begriffen sollte durchgängig und eindeutig sein. Somit ist die Beschreibung eingänglicher als es die Ansprüche meist sind. Rechtlich gesehen, dient die Beschreibung der Auslegung der Ansprüche, ggf. zusammen mit vorhandenen Zeichnungen. Sie definiert auch den Rahmen der Offenbarung. Im Verlauf des Erteilungsverfahrens dürfen keine Erweiterungen in die Schrift einfließen, die über diesen Rahmen hinausgehen (unzulässige Erweiterung). Die Beschreibung (engl.: „Specification“) beinhaltet das technische Gebiet, den Stand der Technik, eine Darstellung der Erfindung, eine Übersicht zu den

36

2  Patente Lesen

Ausführungsbeispielen und den Zeichnungen und stellt die Möglichkeit der gewerblichen Anwendung dar, [12]. Das technische Gebiet (engl.: „Technical Field“) stellt den Kontext der Erfindung zu einem Fachgebiet her, d. h. hier wird die Frage beantwortet, worum es überhaupt geht. Dabei entspricht dieser Teil wörtlich oder zumindest sinngemäß dem Oberbegriff eines zweiteiligen unabhängigen Anspruchs. Der Stand der Technik (engl.: „Related Art“, „Prior Art“) soll soweit angegeben werden, wie er dem Anmelder bekannt ist und wie er von Nutzen in der Darstellung der Erfindung ist. Idealerweise wird dies gestützt durch die Angabe von Quellen. Dies sind meist andere Schutzrechte, aber auch anderweitig öffentlich zugängliche Dokumente wie wissenschaftliche Papers oder Artikel in einschlägigen Fachzeitschriften. Oft wird dieser Teil der Beschreibung mit Ausdrücken wie „Bekannt sind …“ oder „Als Stand der Technik werden benannt …“ eingeleitet. Bezogen auf den genannten Stand der Technik zeigt die Darstellung der Erfindung (engl.: „Summary“) auf, welches bestehende technische Problem gelöst werden soll. Unter der Angabe des zugrundeliegenden Problems, d. h. der zu lösenden Aufgabe wird die erfindungsgemäße Lösung und die sich dadurch ergebende vorteilhafte Wirkung gegenüber dem Stand der Technik dargestellt. Dabei entspricht die Darstellung der Lösung inhaltlich den Ansprüchen. Dies wird unterstrichen durch die Verwendung von Phrasen wie „Die Aufgabe der Erfindung wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1“ oder „Dieses Problem wird erfindungsgemäß durch … mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst“. In einer Patentanmeldung sind eine oder mehrere Ausführungsvarianten anzugeben. Diese verdeutlichen die (gewerbliche) Anwendbarkeit der Erfindung. Dabei werden sie durch vorhandene Zeichnungen gestützt. Entsprechend folgt nach der allgemeinen Beschreibung der Erfindung eine kurze Einführung zu den Zeichnungen (engl.: „Brief Description of the Drawings“) und anschließend konkretisierende Erklärungen zu den Ausführungen an sich (engl.: „Description of Exemplatory Embodiements“). Im folgenden beschreibenden Text ist auch eine ausführliche Beschreibung der Zeichnungen enthalten. In dieser werden auch die in der Zeichnung verwendeten Bezugszeichen eingeführt. Diese werden in den Zeichnungen, in der Beschreibung und in den Ansprüchen (hier immer in Klammern) verwendet und verbinden diese somit. Sie stehen im Zusammenhang mit Merkmalen. Dabei kann man von einer konsistenten Verwendung ausgehen (amtsseitige Forderung). In einigen Schriften findet sich auch eine Liste der Bezugszeichen

37

2.7 Recherchebericht/Zitierte Dokumente

Patentansprüche 1. Optoelektronischer Sensor, insbesondere für die Erfassung eines Drehwinkels, mit einer Maßverkörperung (34), einem Lichtsender (20), der Sendelicht (32) in Sendelichtrichtungen abstrahlt, und einem Lichtempfänger (22) mit einer Lichtempfangsfläche (38), die derart angeordnet ist, dass die Lichtempfangsfläche (38) sich im Wesentlichen zwischen der Maßverkörperung (34) und dem Lichtsender (20) befindet und der Lichtempfänger (22) zurückreflek‰ertes Sendelicht (32) als Empfangslicht (36) empfängt, gekennzeichnet durch eine sendelichtlenkende Einheit, die derart ausgelegt ist, dass sich ein vordefinierter Auslenkwinkel des Sendelichts (32) zu den Sendelichtrichtungen ergibt, wenn das Sendelicht (32) aus der sendelicht-lenkenden Einheit wieder austriŒ, wobei die sendelichtlenkende Einheit in dem Lichtempfänger (22) vorgesehen ist.

Abb. 2.6   Verwendung von Bezugszeichen in der EP2860497A1

(engl. „Reference Signs List“), was die Verwendung dieser weiter vereinfacht (Abb. 2.6).

2.7 Recherchebericht/Zitierte Dokumente Einer Schutzrechtsschrift kann eine Liste zitierter Dokumente und/oder ein Recherchebericht beigefügt sein (engl.: „Search Report“; EPA: Recherchenbericht), [13]. Die Liste zitierter Dokumente („In der Beschreibung aufgeführte Dokumente“) fasst die Dokumente zusammen, die der Anmelder des Schutzrechts als bisherigen, relevanten Stand der Technik aufführt. Der Recherchebericht, [14], listet und kategorisiert das Ergebnis der Recherche zum einschlägigen Stand der Technik mit Blick auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit, welche durch die Rechercheabteilung eines Patentamts durchgeführt wird. Gegenstand der Recherche sind die Patentansprüche, wobei auch die Beschreibung und die Zeichnungen berücksichtigt werden. Dabei werden vom Patentamt veröffentlichte Dokumente recherchiert, aber auch neue, noch nicht offengelegte Patentanmeldungen, die dem Patentamt bereits vorliegen. Diese spielen in der Beurteilung der Neuheit eine gleichwertige Rolle. Dient der Recherchebericht vorwiegend dem Amt im

38

2  Patente Lesen

Prüfungsverfahren so ist er auch wesentlich für den Anmelder des Schutzrechts. Der Anmelder muss dem Amt darlegen wie sich die Erfindung von dem recherchierten Stand der Technik abgrenzt, um die Chance auf Erteilung zu wahren. Die Schriften, die im Recherchebericht aufgeführt sind, werden vom Rechercheur bewertet und kategorisiert (Tab. 2.5). Er gibt auch an auf welche Ansprüche diese reflektiert werden. In jedem Patentanmeldeverfahren ist die amtliche Recherche obligatorisch. Entsprechend gibt es zu Patenten ein Recherchebericht. Für Gebrauchsmuster ist die Recherche kein zwingender Bestandteil des Verfahrens. Sie kann aber beim Patentamt angefordert werden, um die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters festzustellen und somit gegen Verletzer vorgehen zu können. Nicht nur im eigentlichen Patentierungsverfahren ist der Recherchebericht relevant. Er ist auch für diejenigen interessant, die sich konkreter für das Themengebiet einer Schrift interessieren. So kann man die von Amtswegen durchgeführte Recherche als Startpunkt eigener Recherchen verwenden oder die recherchierten Schriften und deren Anmelder konkreter betrachten. Im Recherchebericht wird auch angegeben, welches Sachgebiet recherchiert wurde (Angabe der IPC-Klasse), sowie wann, wo und von wem der Recherchebericht angefertigt wurde. Im Anhang zum Recherchebericht sind weitere Details zu den recherchierten Schriften angegeben, z. B. Mitglieder der jeweiligen Patentfamilie mit deren Veröffentlichungsdatum. Abb. 2.7 zeigt beispielhaft einen Auszug aus einem europäischen Recherchenbericht.

Tab. 2.5   Kategorien recherchierter Dokumente (in Anlehnung an [13]) X

Von besonderer Bedeutung allein betrachtet (neuheitsschädlich)

Y

Von besonderer Bedeutung in Verbindung mit einer anderen Veröffentlichung derselben Kategorie (nicht erfinderisch)

A

Technologischer Hintergrund

O

Nichtschriftliche Offenbarung

P

Zwischenliteratur

T

Der Erfindung zugrundeliegende Theorien oder Grundsätze

E

Älteres Patentdokument, das jedoch erst am oder nach dem Anmeldedatum veröffentlicht worden ist

D

In der Anmeldung angeführtes Dokument

L

Aus anderen Gründen angeführtes Dokument

&

Mitglied der gleichen Patentfamilie, übereinstimmendes Dokument

Literatur

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Abb. 2.7   Europäischer Recherchenbericht der EP2500698A1 (Auszug)

Literatur 1. https://patents.google.com/. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 2. https://worldwide.espacenet.com/advancedSearch?locale=de_EP. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 3. https://www.duden.de/. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 4. Deutsches Patent- und Markenamt. (2014) DPMAinformativ – Normierung von Patentliteratur – Nummern zur Identifikation bibliographischer Daten gemäß WIPO-Standard ST.9 (INID-Codes), Ausgabe Januar 2014. https://www.dpma.de/ ­ docs/dpma/veroeffentlichungen/dpmainformativ_01.pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 5. World Intellectual Property Organization. (2019). PCT contracting states and two-letter codes. https://www.wipo.int/export/sites/www/pct/en/list_states.pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019.

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2  Patente Lesen

6. World Intellectual Property Organization. (2019). Guide to the international patent classification (Version 2019). https://www.wipo.int/edocs/pubdocs/en/wipo_guide_ ipc_2019.pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 7. Deutsches Patent- und Markenamt. (2019). Internationale Patentklassifikation – Handbuch zur IPC (Ausgabe 2019). https://www.dpma.de/docs/recherche/handbuch_ipc. pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 8. Heinemann, A. (2014). Patent- und Designrecht – Textausgabe zum deutschen, europäischen und internationalen Patent-, Gebrauchsmuster- und Designrecht mit einer Einführung sowie einem Literaturverzeichnis und einem ausführlichen Stichwortverzeichnis (12. Aufl.). München: Deutscher Taschenbuch Verlag. 9. Europäisches Patentamt (ständig aktualisierte HTML-Version) Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen: Regel 46 – Form der Zeichnungen. https:// www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/epc/2016/d/r46.html. Zugegriffen 31. Dec. 2019. 10. Deutsches Patent- und Markenamt. (2005). Merkblatt für die Erstellung der gemäß § 36 des Patentgesetzes (PatG) vorgeschriebenen Zusammenfassung zur Patentanmeldung (Ausgabe 2005). https://www.dpma.de/docs/formulare/patent/p2794.pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 11. Deutsches Patent- und Markenamt. (2018). Merkblatt für die Abfassung von nach Merkmalen gegliederten Patentansprüchen (Ausgabe 2018). https://www.dpma.de/ docs/formulare/patent/p2793.pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 12. Europäisches Patentamt (ständig aktualisierte HTML-Version) Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen: Regel 42 – Inhalt der Beschreibung. https:// www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/epc/2016/d/r42.html. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 13. Deutsches Patent- und Markenamt. (2014). Richtlinien für die Durchführung der Recherche nach § 43 PatG, Stand April 2014. https://www.dpma.de/docs/formulare/ patent/p3611.pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 14. Europäisches Patentamt (ständig aktualisierte HTML-Version) Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt - Kapitel X: Recherchenbericht. https://www.epo. org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/b_x.htm. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 15. Gassmann, O., & Bader, M. A. (2011). Patentmanagement – Innovationen erfolgreich nutzen und schützen (3. Aufl.). Heidelberg: Springer. 16. Deutsches Patent- und Markenamt. (2019). Merkblatt für Patentanmelder. https:// www.dpma.de/docs/formulare/patent/p2791.pdf. Zugegriffen: 31. Dec. 2019. 17. Cohausz, H. B. (2018). Gewerblicher Rechtsschutz und angrenzende Gebiete – Leitfaden für die Praxis (3. Aufl.). Köln: Wolters Kluwer.

3

Weiterführende Informationen für Patentbeauftragte

Zusammenfassung

Die Leser, die ihre Kenntnisse und Tätigkeit im Patentwesen über das reine Lesen und Bewerten von Schutzrechtsschriften ausdehnen wollen, erfahren in diesem Kapitel mehr über weiterführende Aspekte. Es werden einige ausgewählte Themen angeboten, die sich insbesondere an Mitarbeiter in Fachabteilungen, z. B. aus Forschung und Entwicklung, Produktion oder dem Produktmanagement richten.

3.1 Überwachung und Recherche Sehr wichtige Aktivitäten im Zusammenhang mit Schutzrechten sind die Überwachung von neu erscheinenden und die Recherche nach bestehenden. Für beide Aufgaben ist es notwendig mit Patentdatenbanken zu arbeiten, [1]. Entsprechend werden in diesem Kapitel die beiden Prozesse, zuerst aber der Umgang mit frei verfügbaren Datenbanken erläutert. Viele Patentämter bieten Dienste, die über das Internet zugänglich sind, mit der Möglichkeit auf deren Patentdatenbanken und -register zuzugreifen und nach Patentdokumenten zu suchen. Dabei finden sich nicht nur Schriften des jeweiligen Amtes sondern auch die zugehörigen internationalen Schriften innerhalb einer Patentfamilie. Der Fokus liegt im Folgenden auf den Diensten des deutschen und des europäischen Patentamts. Aber auch andere Suchdienste ermöglichen es diese Aufgabe auszuführen:

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Basler, Patente in der Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29630-8_3

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3  Weiterführende Informationen für Patentbeauftragte

Suchdienste von Patentämtern • DEPATISnet (deutsches Patentamt) – Einsteigermodus: https://depatisnet.dpma.de/DepatisNet/depatisnet?a ction=einsteiger – Expertenmodus: https://depatisnet.dpma.de/DepatisNet/depatisnet?ac tion=experte • Espacenet (europäisches Patentamt) – Einsteigermodus: https://worldwide.espacenet.com/advancedSearch? locale=de_EP – Expertenmodus: https://worldwide.espacenet.com/?locale=de_EP Hierbei gibt es jeweils im Einsteigermodus vordefinierte Felder, die befüllt werden können. Im Expertenmodus hingegen gibt es eine vordefinierte Syntax und Codewörter, aus denen eine Suchanfrage erstellt werden kann. Gleiches gilt auch in DEPATISnet für Anfragen im IKOFAX-Stil (siehe Tab. 3.1 für ein Beispiel). Dies bietet den Vorteil komplexe Anfragen zu stellen und diese mehrfach wiederverwenden zu können. Freier Suchdienst • Google Patents: https://patents.google.com/ Dieser Dienst bietet auch die Möglichkeit in einer Suche neben Patentschriften auch Nicht-Patentliteratur mit einzubinden. Bei der Darstellung sind Texte ggf. direkt übersetzt. Neben den zitierten und zitierenden Schutzrechten werden auch ähnliche Dokumente direkt angegeben. Sowohl für die Recherche als auch für die Patentüberwachung spielen fünf Suchparameter eine wesentliche Rolle: • Patentklassen • Akteure: Anmelder/Inhaber/Erfinder • Schlagworte • Regionen • Zeit

3.1  Überwachung und Recherche

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Aus diesen fünf Suchparametern gilt es eine passende Recherche- oder Überwachungsstrategie zu erstellen. Hierbei ist etwas Geduld gefragt und Erfahrung hilfreich, die man sich mit der Zeit erarbeitet. Patentklassen als Suchparameter sind insbesondere dann nützlich, wenn es darum geht in einem abgegrenzten technischen Gebiet Schriften ausfindig zu machen. Liegen einem bereits eine oder mehrere Schriften vor, die zu dem Themengebiet gehören, das man überwachen oder recherchieren möchte, so kann man sich an den darin angegebenen Patentklassen orientieren. Findet man dabei keinen gemeinsamen Nenner, sollte man sich die Bedeutung der Klassen über eine IPC-Klassen-Recherche1 analysieren und dann die passende(n) Klasse(n) herausarbeiten. Der Weg über die IPC-Klassen-Recherche ist auch dann nötig, wenn man keine Anhaltspunkte zu einer relevanten Patentklasse hat. Allerdings ist das mit Aufwand verbunden, der nur bedingt durch die hierarchische Struktur der IPC-Klassen unterstützt wird. Ratsam wäre hierbei zuerst gezielt relevante Schriften über die anderen Suchparameter ausfindig zu machen, ggf. durch einen Zitierungsbaum ergänzt (vgl. Abb. 3.1), und sich dann wieder an den entsprechenden Klassen dieser zu orientieren. Anmelder/Inhaber sind entweder natürliche oder juristische Personen, Erfinder immer natürliche. Dies sind die Akteure, die in irgendeiner Form direkt mit einem Schutzrecht in Verbindung stehen. Interessiert man sich für die schutzrechtlichen Aktivitäten von Firmen, Forschungseinrichtungen, etc., die als Marktbegleiter oder Technologieanbieter in einem Themenfeld aktiv sind für das man sich interessiert, in dem man selbst auch aktiv ist oder in das man eintreten möchte, so recherchiert man nach Anmelder oder Inhaber. Auch kann man direkt nach Erfindern suchen, die einem immer wieder durch gute Ideen oder kritische Patentanmeldungen auffallen. Verwendet man deren Namen, so findet man entsprechende Schriften, auch wenn diese das Unternehmen wechseln sollten oder in die Selbständigkeit übergehen. Eine sehr freie Suche ist die mittels Schlagworte (engl.: „keywords“). Diese ermöglicht nach beliebigen Begriffen innerhalb der Patentschriften der jeweiligen Patentdatenbank zu suchen. Dabei kann man auswählen, ob diese Worte nur im Titel, der Zusammenfassung, den Ansprüchen oder im gesamten Dokument (Volltext) gesucht werden sollen. Komplexe Suchabfragen werden durch logische Operatoren (oder/und/nicht), Nachbarschaftsoperatoren (z. B. Vorgaben hinsicht-

1z. B.

via DEPATISnet unter https://depatisnet.dpma.de/ipc/ oder via Espacenet unter https://worldwide.espacenet.com/classification?locale=de_EP.

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3  Weiterführende Informationen für Patentbeauftragte

lich Wortfolgen), Trunkierung, Platzhalter, usw. ermöglicht2. Mit den Schlagworten ist allerdings Vorsicht geboten. In der Auswahl der Begriffe sind die Anmelder bzw. deren Patentexperten gerne kreativ. Da wird aus einem Motorrad ein Einspurfahrzeug (DE102010015859A1), aus einem E-Bike ein ­ Muskel-Elektro-Hybrid-Fahrzeug (DE19732468A1) oder aus einer Schraube eine Fixiereinrichtung oder ein Befestigungsmittel. Dies hat zwei Gründe. Zum einen werden durch breitere Begriffe Merkmale weiter gefasst. Zum anderen erschwert es dem Suchenden das Auffinden von Schriften. Eine Suche kann auch auf Regionen begrenzt werden. Abhängig von der Motivation der Suche kann dies ein sinnvoller Weg sein die Anzahl der Treffer zu reduzieren, wenn die Suche auf bestimmte Regionen begrenzt wird. Zeitdaten kommen im Patentwesen eine hohe Bedeutung zu. So bestimmt ein Anmeldedatum die Laufzeit eines Schutzrechts und definiert, wann eine Erfindung zum Stand der Technik wird. Veröffentlichungsdaten definieren ab wann Ansprüche aus einem Schutzrecht entstehen. Daher ist die Zeit ein wichtiger Suchparameter für Recherchen. Dabei kann gezielt mit Vergleichsoperatoren und verschiedenen Zeitintervallen gearbeitet werden. Mittels einer Recherche wird nach bereits veröffentlichten Dokumenten gesucht – bei einer Patentrecherche insbesondere nach Schutzrechtsschriften. Die folgende Aufzählung zeigt einige der unterschiedlichen Motivatoren für eine Patentrecherche: • Vermeidung fehlgeleiteter Entwicklungen bzw. Doppelentwicklungen in bereits geschützten Themenfeldern bzw. technischen Details; • Prüfung auf die Kriterien Neuheit und erfinderische Tätigkeit eigener Erfindungen vor deren Anmeldung. Dabei sollten nicht nur Patentdatenbanken recherchiert werden, sondern auch andere Informationsquellen (Fachartikel, Konferenzbeiträge, Firmenschriften, usw.); • Ableitung einer eigenen Patentstrategie, z.  B. durch Schutz unbelegter Gebiete mit dem Ziel einen eigenen „Claim“ abzustecken oder ein für die Lizenzierung attraktives Portfolio abzuleiten; • Stimulieren der eigenen Inspiration; • usw.

2vgl.

z. B. Hilfe zum Expertenmodus bei DEPATISnet: https://depatisnet.dpma.de/prod/de/ hilfe/recherchemodi/experten-recherche/index.html.

3.1  Überwachung und Recherche

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Diese Ziele münden in unterschiedlichen Schwerpunkten für eine Recherche. Die gängigen Recherchearten sollen kurz vorgestellt werden. Die Recherche kann selbst innerhalb der Fachabteilung durchgeführt werden. Wenn aber eine Patentabteilung oder eine Patentkanzlei zugänglich ist, kann diese mit der Recherche beauftragt werden. Dazu ist es notwendig einen Rechercheauftrag zu stellen. Dieser soll so formuliert sein, dass ein Fachfremder eine treffsichere Recherche daraus formulieren kann. Der Schwerpunkt der Sichtung und Bewertung der Suchergebnisse liegt allerdings wieder bei der Fachabteilung. Ziel einer Überblicksrecherche (Übersichtsrecherche) bzw. Recherche zum Stand der Technik ist es einen Überblick über die Patentliteratur in einem technischen Gebiet zu erhalten. Diese Recherche ist auch nützlich, wenn Alternativen zu bestehenden Technologien erarbeitet werden sollen. Ebenso bei der Bewertung hinsichtlich einer Lizenzierungs- oder Kaufabsicht wäre die Überblicksrecherche ein möglicher erster Schritt. Die primären Medien der Suche sind somit Patentdatenbanken. Hier kann man in relativ kurzer Zeit bereits Ergebnisse erzielen, die einen ersten Eindruck vermitteln. Bei dieser Recherche ist es zweckmäßig zuerst die Zusammenfassung und die Figuren zu sichten. Bei den interessierenden Schriften können dann auch noch die Ansprüche und die Beschreibung zur tieferen Studie betrachtet werden. Bei einer Neuheitsrecherche prüft man, ob zu einer angedachten Schutzrechtsanmeldung bereits Stand der Technik veröffentlicht wurde, um abschätzen zu können, ob die eigenen Lösungsansätze tatsächlich neu und erfinderisch sind. Bei dieser Recherche gilt es nicht nur Patentliteratur, sondern auch Fachliteratur oder gar Produkte zu berücksichtigen. Die Produkte müssen dabei auf dem freien Markt erhältlich sein. Da den wenigsten ein Datum eingeprägt ist, unterstützten Lieferscheine, Kassenbelege, Montageanleitungen, usw. deren Veröffentlichungsdatum zu belegen. Hier ist der Aufwand schon recht groß. Es ist sinnvoll und notwendig Schriften komplett zu prüfen, denn schon ein Nebensatz kann neuheitsschädlich sein. Es sind Veröffentlichungen relevant, welche eine Lösungsidee vorwegnehmen oder nahelegen. Gegebenenfalls kann man seine Erfindung neben bestehenden Patenten platzieren oder hat Glück und findet nichts und hat somit gute Chancen eine Anmeldung erteilt zu bekommen. Diese Recherche reduziert das Risiko einer fehlgeleiteten und damit unnützen Patentanmeldung. Mittels einer Verletzungsrecherche (engl.: „Freedom-to-Operate“; FtO) unter­ sucht man, ob eine angedachte Neuentwicklung oder ein neues Produkt (wobei es da eigentlich schon zu spät ist) bereits bestehende Schutzrechte verletzt. Entsprechend fokussiert die Recherche nur Schutzrechtsschriften. Dabei sind vorrangig die Ansprüche zu prüfen. Dazu wird der beanspruchte Merkmalssatz detailliert analysiert und der angestrebten Neuentwicklung gegenübergestellt. Gibt es Spielraum für Interpretation so sind auch die anderen Teile des Schutzrechts

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3  Weiterführende Informationen für Patentbeauftragte

mit einzubeziehen. Im Zweifel ist es ratsam einen erfahrenen Patentexperten hinzuzuziehen. Relevant kann auch die Prüfung auf Äquivalenz sein (Abschn. 2.5.4). Aber selbst, wenn ein störendes Schutzrecht gefunden wurde ist noch nicht alles verloren. Als nächstes sollte mittels einer Rechtsstandsrecherche geprüft werden welchen Status die Schriften der störenden Patentfamilie haben (vgl. Patentfamilienrecherche). Eventuell ist kein Schutzrecht in der Region des Zielmarktes vorhanden oder dort bereits erloschen. Darüber hinaus bietet es sich an zu prüfen ob eine Lizenz bezogen werden kann. Eine Hilfe dabei ist der Eintrag im Patentregister (vgl. Abschn. 3.5; Lizenzbereitschaft). Wird man auf ein Schutzrecht aufmerksam, das erteilt ist und die eigenen Aktivitäten nachhaltig stört, kann es angezeigt sein, rechtliche Schritte dagegen einzuleiten. Ziel wäre dabei dieses anzugreifen und den Patentinhaber über das Patentamt so weit zu bringen, dass das Schutzrecht derart eingeschränkt wird, dass es nicht weiter stört oder es gar widerrufen wird. Dazu ist es notwendig im Nachhinein, d. h. nach dessen Erteilung zu beweisen, dass das Schutzrecht die Kriterien der Patentfähigkeit bei Anmeldung nicht erfüllt hat (Neuheit, erfinderische Tätigkeit). Die hierfür nötige Recherche bezeichnet man entweder als Einspruchsrecherche, wenn man sich innerhalb einer Einspruchsfrist befindet oder als Vernichtungsrecherche bzw. Nichtigkeitsrecherche, wenn die Erteilung bereits länger zurück liegt. Diese Recherchen gleichen quasi einer Neuheitsrecherche unterscheidet sich aber im betrachteten Zeitraum. Denn hier ist das Prioritätsdatum der Schrift maßgebend die angegriffen wird und nicht alle Dokumente. Man muss nach Veröffentlichungen suchen, die nachweislich vor dem Prioritätsdatum der Streitschrift öffentlich waren. In diesem Zusammenhang sei noch ein Grundsatz erwähnt, der hinsichtlich Recherchen im Patentierungsprozess immer gilt: Bei aller Sorgfalt, die alle Beteiligten an den Tag legen ist es unmöglich alle relevanten Veröffentlichungen aufzuspüren. Es besteht also immer die Möglichkeit, dass Stand der Technik unentdeckt geblieben ist. Eine neue Suche kann solchen an die Oberfläche spülen – es besteht also immer die Chance bzw. die Gefahr, dass trotz erteiltem Patent schädliches Material auftaucht, das man selbst bzw. ein Dritter verwenden kann. Recherchen, die in der Beobachtung der Patent- und Entwicklungsaktivitäten Dritter unterstützen (z. B. Wettbewerber oder Technologieanbieter) sind die Namens- und die Patentfamilienrecherche. Bei der Namensrecherche wird explizit nach Schutzrechtsdokumenten anhand der Namen von Erfindern, Anmeldern oder/und Inhabern gesucht. Über die Patentfamilienrecherche sucht man nach Familienmitgliedern bekannter Schutzrechte und erhält dadurch einen Eindruck über die Patent- und Marktstrategie der Patentinhaber. Eine weitere Rechercheart ist die Zitierungsrecherche. Hier werden zu bekannten Schriften Vorwärts- und Rückwärtszitationen ermittelt. Bei der Rückwärtszitation identifiziert man Schriften, welche die Ausgangsschrift zitiert, bei

3.1  Überwachung und Recherche

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der Vorwärtszitation die, die sich auf diese beziehen. Stellt man dies grafisch dar, ergibt sich ein Zitierungsbaum (Abb. 3.1). Neben den Recherchearten, die in Patent- oder Fachabteilungen durchgeführt werden, gibt es auch spezielle die durch die Patentämter betrieben werden. Dies sind z.  B. die Patentfähigkeitsrecherche oder die Rechtsbeständigkeitsrecherche. Diese werden im Rahmen von Patent- oder Gebrauchsmusterprüfungsverfahren durchgeführt mit der Aufgabe die Neuheit und/oder die erfinderische Tätigkeit einer angemeldeten oder geschützten Erfindung zu prüfen. Ergänzend zur Nutzung öffentlicher Datenbanken empfiehlt es sich eigene Dokumentenarchive anzulegen und zu pflegen. Diese können digital und/oder in Papierform sein. Darin legt man eigene Dokumente, solche aus Veröffentlichungen, aber auch solche von Lieferanten, Wettbewerbern und Technologieanbietern ab. Das können sein Datenblätter, Montageanleitungen, Beipackzettel, einfach alles das mit Produkten und Technologien im eigenen Tätigkeitsfeld in Zusammenhang steht. Wichtig ist immer, dass ein Datum lesbar vorhanden ist. Hier gilt auch: je älter je besser. So kann es passieren, dass die neueste Ausgabe eines Datenblattes eines Produkts, das seit Jahren auf dem Markt vertrieben wird,

Zitierte Dokumente

Rückwärtszitation

Untersuchte Patentfamilie

Vorwärtszitation

Zitierende Dokumente

EP1014043A1 23.12.1998 Dr. Johannes Heidenhain GmbH

DE102017124535A1 20.10.2017 SICK AG

US20050023450A1 23.07.2003 Olympus Corp.

DE102017012251A1 20.10.2017 SICK AG

US20080142688A1 22.07.2004 Takashi Nagase

US6567572B2 28.06.2000 The Board Of Trustees Of The Leland Stanford Junior University

EP2860497A1 EP2860497B1 EP2860497B2 CN204313806U US2015097111A1 09.10.2013 Sick Stegmann GmbH

US7732233B2 24.07.2006 Touch Micro-System Technology Corp. EP2541273B1 28.06.2011 SICK AG

Abb. 3.1   Zitierungsbaum zur Patentfamilie der EP2860497A1

CN106774653A 06.12.2016 Guangdong Oppo Mobile Telecommunication Corp Ltd. US10164156B2 31.03.2017 Taiwan Semiconductor Manufacturing Co., Ltd. JP2019133994A 29.01.2018 AOI ELECTRONICS CO LTD

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3  Weiterführende Informationen für Patentbeauftragte

nicht als neuheitsschädlich anerkannt wird. Ein gut gepflegtes Archiv kann in Patentverfahren verfahrensbestimmende Dokumente bereitstellen. Einen anderen Fokus als die situative Recherche hat die fortlaufende Patentüberwachung zur Beobachtung von Wettbewerbern, eines Marktes oder eines Technologiefeldes. Die Überwachung ist eine regelmäßige, meist zyklische Überprüfung der Patentdatenbanken, um ausfindig zu machen, ob neue relevante Schriften veröffentlicht wurden. Auf diese Weise erhält man den frühest möglichen Einblick in die Patentaktivitäten Dritter. Trotzdem ist es immer ein Blick in die Vergangenheit was dem Zeitraum von 18 Monaten bis zur Offenlegung geschuldet ist. Bei der Überwachung empfiehlt es sich strukturiert vorzugehen, indem man einen Patentüberwachungsschlüssel erstellt. Dieser besteht aus den o.  g. Suchparametern Patentklasse und/oder Anmelder/Inhaber/Erfinder und/oder Schlagworte und/oder Länder/Regionen. Die daraus erstellte Suchanfrage wird in einem festgelegten Intervall auf Patentdatenbanken angewandt. Die ermittelten Treffer müssen dann natürlich gesichtet und bewertet werden. Wie die Ergebnisse archiviert werden, sollte dem Arbeitsstil des Patentverantwortlichen oder des Unternehmens angepasst werden. Bei der Erarbeitung von Patentüberwachungsschlüsseln ist es sinnvoll, dass man über einige Iterationen und den dazwischenliegenden Erfahrungszuwachs diesen nach und nach verfeinert, um zielgerichtet die richtigen Treffer zu landen und dabei nicht zu viele irrelevante Schriften ermittelt. Durch die Verfeinerung des Schlüssels kann die Überwachung die Effizienz erreichen, dass der Aufwand der Prüfung der Trefferlisten und der Nutzen der Erkenntnisse zu einem Vergnügen an der Überwachung führen kann. Allerdings sollte der Schlüssel von Zeit zu Zeit verifiziert werden um ihn auf Veränderungen im Unternehmen (z. B. neue Technologien oder Produktklassen) oder des Marktes (z. B. neue Wettbewerber) anzupassen. Das Intervall sollte so gewählt werden, dass die Menge an Treffern stressfrei bewältigt werden kann und keine Probleme aufgrund amtlicher Fristen entstehen. Ein Sonderfall der Patentüberwachung ist die Statusüberwachung. Hierbei beobachtet man, ob und wann eine Schrift innerhalb einer Patentfamilie erteilt wird oder ob diese durch den Inhaber nicht weiter aufrechterhalten wird. Im ersten Fall kann zeitnah zur Erteilung bewertet werden, ob die Schrift in der erteilten Form Auswirkungen auf die eigenen betrieblichen Aktivitäten hat. Stört die erteilte Fassung die eigenen Belange, kann geprüft werden, ob innerhalb der gesetzlichen Frist ein Einspruch aussichtsreich ist und entsprechend eingereicht wird (Abschn. 3.4). Im zweiten Fall erfährt man frühzeitig, ob die Offenlegung od. ggf. ein erteiltes Schutzrecht zum freien Stand der Technik wurde und die

3.1  Überwachung und Recherche

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Erfindung somit womöglich genutzt werden kann. Die Statusüberwachung ist eine sinnvolle Fortführung der Ergebnisse der Patentüberwachung für Schriften, die als kritisch oder interessant identifiziert wurden. In diesem Fall wird auch zyklisch der Rechtsstand der interessierenden Schrift geprüft. Dies kann manuell durch Prüfung über die Patentdatenbanken der Patentämter durchführt werden. Einige Patentdatenbanken bieten auch den Service, dass man nach einer Registrierung Schriften angeben kann zu denen man zyklisch oder bei Statusänderung eine eMail zugesandt bekommen möchte (z. B. beim europäischen Patentamt über das EPO Register, [19], oder beim Deutschen Patentamt über den DPMAkurier des DPMAregister, [3]). Für komplexe Such-, Recherche- bzw. Überwachungsanfragen stehen mehrere Möglichkeiten, auch bei den kostenfreien Portalen der Patentämter zur Verfügung. Ein Beispiel ist die IKOFAX-Recherche beim DPMA [4, 5]. IKOFAX ist die interne Recherchesprache des Patentinformationssystems DEPATIS das über DEPATISnet angesprochen werden kann. Die Rechercheterme hinsichtlich IPC-Klasse, Datumsangaben, Personen, Land/Region und Schlagwörtern können durch Boolsche Operatoren (AND, OR, NOT), Trunkierung (?, !, #) und Auswertehierarchien über Klammern unterschiedlicher Schreibweisen mit oder ohne Vergleichsoperatoren (=, , =) zu komplexen Konstrukten ausgebaut werden. Tab. 3.1 soll anhand eines noch recht einfachen Beispiels zum Experimentieren anregen.

Tab. 3.1   Beispiel für eine IKOFAX-Rechercheanfrage in DEPATISnet Anfrageterm: 'G01D 5/34'/ICM AND /AD < 31.12.2018 AND /IN=Basler AND EP/AC AND (magnet?/CL OR kapa!it?/CL NOT opti?/CL OR indi!tiv#/CL) 'G01D 5/34'/ICM

IPC-Klasse (ICM) G01D 5/34 → vgl. Tab. 2.2

/AD