Parlamentarische Informations- und Redebefugnisse [1 ed.] 9783428448487, 9783428048489

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Parlamentarische Informations- und Redebefugnisse [1 ed.]
 9783428448487, 9783428048489

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Beiträge zum Parlamentsrecht

Band 2

Parlamentarische Informationsund Redebefugnisse Von

Dr. jur. Hans-Josef Vonderbeck

Duncker & Humblot · Berlin

HANS·JOSEF VONDERBECK

Parlamentarische Informations- und Redebefugnisse

Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von Norbert Achterberg

Band 2

Parlamentarische Informationsund Redebefugnisse

Von

Dr. jur. Hans-Josef Von derb eck

DUNCKER & HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany

o 1981 Duncker &

ISBN 3 428 04848 2

Geleitwort Die Begründung der "Beiträge zum Parlamentsrecht" hat in den Fachkreisen Zustimmung gefunden. Ich freue mich daher, nunmehr den zweiten Band der Reihe vorlegen zu können. Da von vorneherein beabsichtigt ist, weder politikwissenschaftliche noch vor allem parlamentspraktische Grundfragen des Parlamentsrechts zu kurz kommen zu lassen - gerade das Parlamentsrecht ist ein Bereich, in dem Sollen und Sein vielfältig, und auch nicht zum Schaden, durchdrungen sind - , ist es besonders zu begrüßen, daß sich in dem Verfasser dieses Bandes, der als Ministerialrat in der Verwaltung des Deutschen Bundestages tätig ist, ein Autor gefunden hat, der seine Erfahrungen als langjähriger Kenner der Parlamentspraxis in die wissenschaftliche Erörterung des Parlamentsrechts einbringt. N orbert Achterberg

Inhaltsübersicht 1. Das Recht des Deutschen Bundestages auf Information durch die Bundesregierung (Originalbeitrag) ....................................................................

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2. Regelung der Debattendauer im Deutschen Bundestag - 1. bis 8. Wahlperiode (überarbeitete Fassung aus: ZPar11977, S.404) ............................ 47 3. Das Rederecht der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Beauftragten im Deutschen Bundestag (DÖV 1976, S. 555) .................................................... 61 4. Redemöglichkeit vor dem Deutschen Bundestag für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz (DVBl. 1980, S. 439) ............................................ 69 5. Rechtliche Unverbindlichkeit der Zusage eines Verzichts auf das Doppelmandat - Zum Verfassungsgrundsatz des freien Abgeordnetenmandats (ZParl 1979, S. 213) ................................................................................ 76 6. Zur Entwicklung des parlamentarischen Petitionsrechts von den Anfängen bis zur jüngsten Neuregelung für den Deutschen Bundestag (überarbeitete Fassung aus: ZParl 1975, S. ] 78) .............................................. 80 7. Verwaltungsgerichtliche Klage auf Erlaß eines parlamentarischen Petitionsbescheides (Überarbeitete Fassung aus: ZParl1974, S. 307) ........ 93 Sachverzeichnis

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Das Recht des Deutschen Bundestages auf Information durch die Bundesregierung Die Reihe der Bestimmungen, in denen sich das Grundgesetz zum parlamentarischen Regierungssystem bekennt, wird eröffnet von Artikel 63 mit der Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag. Andere Vorschriften regeln die Beziehungen zwischen Parlament und Regierung in Ausnahmesituationen. So ermöglicht Artikel 67 GG die Abberufung der Bundesregierung durch konstruktives Mißtrauensvotum gegenüber dem Bundeskanzler im Wege der Wahl eines Nachfolgers durch die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Artikel 68 GG erlaubt dem Bundeskanzler, die Vertrauensfrage zu stellen und, wenn ihm das Vertrauen vom Bundestag versagt wird, beim Bundespräsidenten auf die Parlamentsauflösung oder die Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes nach Artikel SI GG hinzuwirken. Mit dem Zusammentreten eines neu gewählten Bundestages endet nach Artikel 69 Abs. 2 GG die Amtszeit einer Bundesregierung. Eine Regelung für den besonderen Fall enthält auch Artikel 44 GG, der dem Bundestag das Recht gibt, einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung gerade solcher Vorgänge einzusetzen, die die Bundesregierung zu vertreten hat. Sucht man nun in der Verfassung nach einer Bestimmung, die für das ständige funktionsgerechte Zusammenspiel von Legislative und ihr verantwortlicher oberster Exekutive ein Verfahren schafft, so bietet sich Artikel 43 GG an: Der Bundestag und seine Ausschüsse haben nach Absatz 1 ein Zitierrecht gegenüber jedem Mitglied der Bundesregierung; im Gegenzug zu dieser Regelung gewährt Absatz 2 den Regierungsmitgliedern sowie ihren Beauftragten ein Recht auf Zutritt und jederzeitiges Gehör im Bundestag. I. Das Zitierrecht

Das Recht nach Artikel 43 Abs. 1 GG, die Anwesenheit jedes Regierungsrnitgliedes zu verlangen, gibt dem Bundestag und seinen Ausschüssen die Kompetenz für eine laufende Kontaktnahme zur Bundesregierung, um deren parlamentarische Verantwortlichkeit durchzusetzen1 • Das Parlament, berufen zur Gesetzgebung und Kontrolle der 1 Auch TheodoT Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Kommentar, 5. Aufl., München 1979, Art. 43 Rdnr. 1, betont die Bedeutung des Zitierrechts für die parlamentarische Kontrolle. Jedoch betrachtet er das Zitierrecht entgegen der überwiegenden Meinung - vgl. die dort angegebene Literatur - nicht als Ausfluß des parlamentarischen Regierungssystems, weil ohne

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Information durch die Bundesregierung

Regierung, kann diese Aufgabe überhaupt nur erfüllen, wenn es in der Lage ist, sich durch die Regierung ständig und umfassend unterrichten zu lassen. So kommt die Regierung dem Informationsbedürfnis des Parlaments in aller Regel entgegen, ohne daß es erst der förmlichen Herbeirufung eines Regierungsmitgliedes bedarf. Tatsächlich beschließt der Bundestag oder ein Ausschuß das Verlangen der Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes nur selten. In den 27 Jahren der 1. bis 7. Wahlperiode des Bundestages wurden im Plenum nicht mehr als 27 Anträge auf Herbeirufung gestellt2 ; zu keinem Antrag kam es während der 8. Wahlperiode. Ein Herbeirufungsbeschluß erübrigt sich zumeist, weil zur Unterrichtung des Parlaments vielfältige andere Formen entwickelt worden sind. Zunächst befolgt die Bundesregierung schon von sich aus den Grundsatz, an den Beratungen des Bundestages teilzunehmen und durch den je nach Beratungsgegenstand zuständigen Minister oder Parlamentarischen Staatssekretär in den Plenarsitzungen, in den Ausschußsitzungen auch durch weitere Beauftragte Rede und Antwort zu stehen. Häufig ergreift die Bundesregierung die Gelegenheit zu einer Regierungserklärung vor dem Parlament, wie es ihr durch das Recht nach Artikel 43 Abs. 2 GG auf Zutritt und Gehör in Plenum und Ausschüssen des Bundestages jederzeit gestattet ist. Verstärkt wird die Stellung der Regierung noch dadurch, daß der Bundeskanzler nach Artikel 39 Abs. 3 Satz 3 GG berechtigt ist, sogar eine Sondersitzung des Bundestages zu verlangen. Sodann beantwortet die Bundesregierung die zahlreichen Fragen - namentlich Mündliche, Schriftliche, Kleine und Große Anfragen gemäß der Geschäftsordnung -, die ihr aus der Mitte des Parlaments gestellt werden. Während hier die Regierung darauf verzichtet, erst einen Beschluß des Bundestages oder eines Ausschusses zu verlangen, wie es für eine Ausübung des Zitierrechts erforderlich wäre, so trägt ebenso zur Erleichterung des Informationsflusses bei, daß das Parlament Auskünfte zu einem großen Teil nicht von einem anwesenden Regierungsmitglied, sondern von Beauftragten der Regierung entgegennimmt, so vor allem in der Fragestunde von den Parlamentarischen oder auch den beamteten Staatssekretären, in den Ausschußsitzungen darüber hinaus von sonstigen Beauftragten aus der Ministerialbürokratie. Eine Abwandlung der Information durch Herbeirufung eines Regierungsmitglieds ist schließlich noch die Übersendung von schriftlichen Auskünften, das Erfordernis des parlamentarischen Vertrauens für die Regierung nicht etwa denknotwendig ein Zitierrecht ausgeschlossen wird (vgl. auch ebd. Art. 53 Rdnr. 6). Im gleichen Sinne Meinhard Schröder, in: Bonner Kommentar, Hamburg 1950 ff., Art. 43 (Zweitbearbeitung 1978) Rdnr.24. 2 Dazu Peter SchindIer, 30 Jahre Deutscher Bundestag, Bonn 1979, S. 210 ff. Vgl. auch Uwe Thaysen, Zur Praxis eines grundlegenden parlamentarischen Kontrollrechts, in: ZParl 1974, S. 459 ff.; Gert Schönfeld, Das Zitier-, Zutrittsund Rederecht des Artikels 43 Grundgesetz, Diss., Berlin 1973, S. 77 ff.

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vor allem der Antworten auf Große und Kleine Anfragen sowie der Berichte, die die Bundesregierung nach gesetzlicher Vorschrift, auf Ersuchen des Bundestages oder aus eigener Initiative vorlegt. Indem die Auskünfte der Regierung dem Parlament auf vielerlei Wegen zugehen, läßt sich die Anwendung der förmlichen Zitierung auf nur wenige Fälle beschränken, die dann freilich exemplarische Bedeutung gewinnen können. Ein zurückhaltender Gebrauch des Zitierrechts, gewiß auch eine Folge davon, daß die Verfassung dieses Kontrollmittel nicht als Minderheitenrecht gewährt, ist einer funktionsgerechten Zusammenarbeit von Parlament und Regierung eher förderlich 3• Nur so konnte die Praxis entstehen, daß die Regierung eine Fülle von Anfragen beantwortet, die nicht auf einem Mehrheitsbeschluß des Bundestages oder eines seiner Ausschüsse beruhen, gleichwohl aber durch die Rechtsrnacht des Artikels 43 Abs. 1 GG Gewicht erhalten, da für alle diese Fälle dem Zitierrecht eine Reservefunktion zukommt'. Das gilt noch mehr für die zahlreichen Berichtsersuchen an die Regierung, die bereits als Anwendungsstufe des Zitierrechts zu werten sind, weil sie vom Bundestagsplenum oder den Ausschüssen beschlossen werden, wenn auch in aller Regel abgewandelt in eine zunächst schriftliche Berichterstattung. Erst durch diese Praxis wurde es zur parlamentarischen Übung, daß in Fällen, in denen die Opposition die Anwesenheit eines Regierungsmit3 Daß die Herbeirufung rechtlich einen Mehrheitsbeschluß voraussetzt, obwohl sie der Regierungskontrolle dient, die gerade der Opposition zukommt (dazu Maunz, Deutsches Staatsrecht, 19. Aufl., München 1973, § 36 Abschn. II 5, S. 355; ders., in: Maunz I Dürig I Herzog / Scholz, Art. 44 Rdnr. 32), weil die Mehrheit diese Kontrolle eher innerhalb der Koalitionsfraktionen ausübt, das mag Anlaß geben zu Erwägungen, hier Minderheitenrechte einzuführen (vgl. Hans-Peter Schneider, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.1, Frankfurt a.M. 1974, S.240; Roman Herzog / Rainer Pietzner, Möglichkeiten und Grenzen einer Beteiligung des Parlaments an der Ziel- und Ressourcen-Planung der Bundesregierung, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Arbeitshefte 1979 (Nr.33), S. 105 f.; Joachim von Einem, Die Auskunftspflicht der Regierung gegenüber dem Parlament, Diss., Göttingen 1977, S. 164 ff., 196 f.). So ist von der EnqueteKommission Verfassungsreform des Bundestages der 6. und 7. Wahlperiode vorgeschlagen worden, für den Bereich staatlicher Aufgabenplanung einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder eines Planungsausschusses ein Recht auf Auskünfte über Planungsunterlagen der Regierung zu geben (Zwischenbericht v. 21.9.1972, BT-Drucks. VV3829, S.48; Schlußbericht v. 9.12.1976, BT-Drucks. 7/5924, S. 177 f.). Doch sollte bei derartigen Überlegungen die Gefahr einer überbeanspruchung der förmlichen Herbeirufung nicht verkannt werden (dazu Schröder [Anm.1], Art. 43 Rdnrn.48 bis 50; Friedrich Schäfer, Der Bundestag, 3. Aufl., Opladen 1977, S.80; SchönfeId [Anm.2], S. 84 ff.). Vgl. auch Burkhard Dobiey, Zur Frage eines unmittelbaren Zugangs des Parlaments zu Datenbanken der Regierung, in: ZParl 1974, S. 316 ff., der diesen Zugang unter Verzicht auf ein Minderheitenrecht zu regeln vorschlägt. , Vgl. auch Schröder (Anm.1), Art. 43 Rdnr.24; SchönfeId (Anm.2), S.83; a.A.: Bernd Fauser, Die Stellung der Regierungsmitglieder und ihrer Vertreter im Parlament, Diss., Bonn 1973, S. 117 f., der das Zitierrecht im parlamentarischen Regierungssystem für entbehrlich hält.

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gliedes im Bundestag wünscht und einen Herbeirufungsantrag stellt, die Koalitionsfraktionen diesem Antrag häufig zustimmen oder zumindest nicht widersprechen. Das Zitierrecht kann nur im Zusammenhang mit den Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages gesehen werden, die eine Information des Parlaments durch die Bundesregierung zum Inhalt haben. Schon die von einzelnen Abgeordneten gestellten Fragen für die Fragestunde gehören, wie das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat5 , in den Rahmen des Frage- und Interpellationsrechts des Parlaments, also seines Zitierrechts. Daß sich das Zitierrecht in solchen Geschäftsordnungsregelungen konkretisiert, wird auch in der Literatur bejaht6 , allerdings nicht einhellig. So hat sich jüngst Meinhard Schröder7 gegen die "Konkretisierungsthese" gewandt, die wesentlich von dem Anliegen motiviert sei, für die Fragemöglichkeiten nach der Geschäftsordnung zu einer Antwortpflicht der Bundesregierung zu gelangenB. Hier ist sicher eine deutliche Unterscheidung unumgänglich. Eine Antwortpflicht der Regierung bedarf einer verfassungsrechtlichen Grundlage, die Verfassung verlangt aber für eine Herbeirufung den Mehrheitsbeschluß im Plenum des Bundestages oder in einem seiner Ausschüsse. Die schon als Minderheitenrechte 9 ausgestalteten Fragemöglichkeiten nach der Geschäftsordnung sind nicht Rechtsgrundlage für einen Informationsanspruch gegenüber der Regierung, weil die Geschäftsordnung als internes Recht des Bundestages andere Staatsorgane nicht binden kann 10 • Schröder geht nun so weit, ausschließlich die Fragemöglichkeiten nach der Geschäftsordnung als "Interpellationsrecht", das mit dem Zitierrecht gewährte Interpellationsrecht aber als "unselbständiges Fragerecht" zu bezeichnen, unselbständig, weil "untrennbar mit Regierungspräsenz und Beratungsgegenstand verbunden"11. Das Kriterium der UnselbstänBeschluß v. 18.7.1961, in: BVerfGE 13, 123 (125). Vgl. Schäfer (Anm.3), S.66; Maunz, in: Maunz 1 Dürig 1 Herzog / Scholz, Art. 43 Rdnr.1; von Mangoldtl Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Berlin 1957/74, Art. 43 Erl. 111 2 u. Vorbem. zu Abschn. VI, Erl. 1113 a. 7 Siehe a.a.O. (Anm.1), Art. 43 Rdnrn. 4 bis 9; siehe auch unten Anm. 75. B Eine solche Antwortpflicht wird nachdrücklich bejaht von Siegfried Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, Berlin 1979, S. 326 ff.; dazu unten Anm. 178. 9 Vgl. H.-J. Vonderbeck, Die Minderheitenrechte im Deutschen Bundestag, in: ZPar11975, S.150 ff. 10 Desgl. Klaus Friedrich Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, Berlin 1966, S. 110 ff. Auch Maunz, in: Maunz 1Dürig 1 Herzog 1 Scholz, Art. 44 Rdnr. 32, verneint hier ausdrücklich eine Antwortpflicht der Bundesregierung, so daß jedenfalls Maunz die erwähnte Motivation nicht unterstellt werden kann. 11 Siehe a.a.O. (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 4. Den Begriff "unselbständiges Fragerecht" wählt Schröder im Anschluß an Schönfeld (Anm. 2), S. 8 f., und Gerhard Konow, Das Fragerecht der Landesregierungen im Bundesrat, in: DÖV 1979, S. 318 ff. (320). 5

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digkeit überzeugt am wenigsten in dem Bezug auf die Regierungspräsenz. Ein Fragerecht, das gegen einen Anwesenden und damit auf mündliche Auskünfte gerichtet ist, erweist sich dadurch nicht als ein unselbständiges Recht. Wie weit aber eine Begrenzung dieses Rechts durch anstehende Beratungsgegenstände12 vorliegt, bedarf näherer Prüfung. 1. Herbeirufung im Plenum

Der Antrag zur Herbeirufung eines Regierungsmitgliedes ist ein Verfahrensantrag, der im Bundestag der Unterstützung in Fraktionsmindeststärke, nämlich von 26 anwesenden Abgeordneten bedarf l3 , damit nur Anträge von gewissem Gewicht zur Abstimmung gelangen14 • Eine Bindung des Zitierbeschlusses an den Beratungsgegenstand ist darin zu sehen,. daß der Antrag bis zur Eröffnung der die Beratung eines Gegenstandes abschließenden Abstimmung zu stellen istl5 • Es ist aber nur selbstverständlich, daß die Beratung eines Gegenstandes mit dessen Verabschiedung ihr Ende findet und damit die Möglichkeit entfällt, ein Regierungsmitglied zu dieser Beratung zu zitieren. Doch nach wie vor kann der Bundestag die im Zusammenhang mit diesem Gegenstand offen gebliebenen Fragen aufgreifen und zum Inhalt eines Berichtsersuchens an die Bundesregierung machen. Dies geschieht sogar häufig durch Annahme einer Entschließung, die bereits vom federführenden Ausschuß im Sachzusammenhang mit einem zu verabschiedenden Gesetzentwurf oder sonstigen Gegenstand als Beschlußempfehlung vorgelegt wird. Berichtsersuchen des Bundestages16 sind regelmäßig auf eine angemessene Frist zu ihrer schriftlichen Beantwortung abgestellt. In der parlamentarischen Praxis wird im allgemeinen die schriftliche Beantwortung abgewartet. Der Bundestag ist aber rechtlich nicht gehindert, ein solches Ersuchen jederzeit erneut zu aktualisieren, als selbständigen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen und zu seiner Beratung die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern zu verlangen. 12 13

So Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnrn.4, 46; Schönjeld (Anm.2), S. 8 f. § 46 in Verb. mit § 10 Abs. 1 GOBT, der die Mindeststärke einer Fraktion

auf 5 v.H. der 518 Mitglieder des Bundestages - diese gesetzliche Mitgliederzahl (Art. 121 GG) kann sich durch überhangmandate erhöhen - festlegt. Dazu Hans Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, Kommentar, München 1977, § 46 Rdnrn. 4 u. 5; Heinrich Ritzel / Joseph Bücker, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Frankfurt a.M. 1970 ff., § 46 Erl. 2 u. 3a. In der ab 1.10.1980 geltenden Geschäftsordnung (siehe unten Anm. 19) wird klargestellt, daß der Herbeirufungsantrag außer von anwesenden Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke auch von einer Fraktion gestellt werden kann (§ 42 in Verb. mit § 10 Abs. 1 GOBT n.F.). 14 Beschluß nach Art. 42 Abs. 2 GG. Vgl. Ritzel/ Bücker (Anm. 13), § 46 Er!. 2. 15 So Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr.46, im Anschluß an Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 46 Rdnr. 4. 16 Auf Inhalt und Bedeutung der Berichtsersuchen wird noch näher einzugehen sein, siehe unten Irr und IV.

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Auch wenn ein förmliches Auskunftsersuchen an die Bundesregierung nicht beantragt worden ist, kann der Bundestag die Aussprache über ein bestimmtes Thema auf entsprechenden Antrag hin in seine Tagesordnung aufnehmen17 und mit der Aufsetzung oder während der Aussprache die Herbeirufung von Regierungsmitgliedern beschließen. Die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens antrags, der ohne eine Vorlage als Beratungsgegenstand eine Aussprache herbeiführen will, ist nicht unbestritten. Die Zulässigkeit müßte verneint werden, falls der Geschäftsordnung ein grundsätzliches Verbot derartiger Anträge zu entnehmen wäre und somit nur ausdrücklich geregelte Ausnahmen erlaubt sein könntenl8 • Das ist nicht festzustellen. Aussprachen ohne Vorlagen sind in der Geschäftsordnung vorgesehen mit der Regelung der "Aktuellen Stunde"18 und mit der Vorschrift, daß über Erklärungen, die von Vertretern der Bundesregierung oder des Bundesrates außerhalb der Tagesordnung abgegeben werden, eine Aussprache verlangt werden kann20 • Darüber hinaus besteht nach ständiger Parlamentspraxis die Möglichkeit, die Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung auf die Tagesordnung zu setzen, wenn die Absicht einer Erklärung von der Bundesregierung vorab - wie es die Regel ist - dem Bundestag mitgeteilt wird. Die Entgegennahme einer Regierungserklärung als Tagesordnungspunkt trägt dem Rederecht der Mitglieder und Beauftragten der Bundesregierung nach Artikel 43 Abs. 2 GG Rechnung. Die Parlamentsmitglieder haben indes ein in ihrem freien Mandat nach Artikel 38 Abs. 1 GG begründetes und 17 § 24 GOBT regelt die Voraussetzungen für Anträge zur Tagesordnung. Mit der Aufsetzung auf die Tagesordnung wird der Präsident nach § 27 GOBT verpflichtet, die Aussprache zu eröffnen (§§ 20, 23 GOBT n.F., dazu unten Anm. 19). 18 Vgl. Hans Troßmann, Der Bundestag: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, in: JöR 1979, S.156: "Der Bundestag verhandelt - außer nach Regierungserklärungen und in sogenannten Aktuellen Stunden ... - grundsätzlich nur anhand von Dokumenten." 19 Anlage 4 zur GOBT unterscheidet eine Aktuelle Stunde (mit Fünf-Minuten-Reden) auf Antrag (Nr. 1) und auf Verlangen (Nr.2) jeweils in Fraktionsmindeststärke (dazu oben Anm. 13): über den Antrag auf Aussprache über eine bestimmt bezeichnete Frage von allgemeinem aktuellen Interesse entscheidet nach Erörterung im Ältestenrat das Haus; regelmäßig wird vorher eine interfraktionelle Vereinbarung getroffen. Das Verlangen einer Aussprache über die Antwort auf eine Mündliche Frage von allgemeinem aktuellen Interesse kann unmittelbar nach Schluß der Fragestunde gestellt werden. Nach der neuen Geschäftsordnung, die der Bundestag am 25.6.1980 mit Wirkung zum 1.10.1980 beschlossen hat (Bekanntmachung v. 2.7.1980, BGBl. I S. 1237) - vgl. 225. Sitzung der 8. Wahlperiode, Stenogr. Bericht S. 18267 H., dazu BT-Drucksachen 8/3460, 4127, 4262 -, entfällt die Unterscheidung der Aktuellen Stunde auf Antrag und auf Verlangen, weil nunmehr Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke eine Aktuelle Stunde auch unabhängig von einer Mündlichen Frage verlangen können (vgl. Nr. 1 u. 2 der Anlage 5 zur GOBT n.F.). 20 § 48 Abs. 3 GOBT (§ 44 Abs. 3 n.F., dazu oben Anm. 19) setzt für eine Aussprache über die Erklärung ein Verlangen in Fraktionsmindeststärke (dazu oben Anm. 13) voraus.

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so von der Verfassung nicht minder geschütztes Rederecht21 • Die Regierungsvertreter, die jederzeit im Parlament gehört werden müssen, können auch außerhalb der Tagesordnung das Wort ergreifen22 • Die Parlamentsmitglieder entscheiden in ihrer Mehrheit selbst über die Tagesordnung. Ist es der Bundesregierung mit ihrem Redeprivileg anheimgestellt, jederzeit ein von ihr angesprochenes Thema zum parlamentarischen Verhandlungsgegenstand zu machen, so kann es dem Bundestag nicht verwehrt sein, seinerseits eine Aussprache über ein bestimmtes Thema herbeizuführen, ohne erst auf einen Umweg, nämlich einen förmlichen Antrag als Beratungsgrundlage angewiesen zu sein. Der schlichte Antrag zur Tagesordnung, eine Aussprache über ein Sachthema zu führen, ist freilich im Bundestag noch nicht zur Abstimmung gestellt worden. Denn wenn der Bundesregierung der Wunsch des Parlaments nach einer Aussprache bekannt wird, erübrigt sich ein solcher Antrag in aller Regel, weil die Bundesregierung sich zur Teilnahme an der beabsichtigten Debatte veranlaßt sieht, ohne erst ihre Herbeirufung durch den Bundestag abzuwarten und weil sie es deshalb vorzieht, die Debatte mit einer Regierungserklärung einzuleiten23 • Da sowohl ein Auskunftsersuchen an die Bundesregierung als auch die Aufsetzung einer Aussprache auf die Tagesordnung - dies selbst ohne eine Vorlage als Beratungsgegenstand - einen Mehrheitsbeschluß des Bundestages erfordern, ist der Opposition, die eine entsprechende Verständigung mit der Mehrheit nicht erreicht, ein anderer Weg eröffnet, unverzüglich zu einer parlamentarischen Auseinandersetzung mit der Regierung zu gelangen: Fragen von allgemeinem aktuellen Interesse können als Mündliche Fragen, auch kurzfristig als dringliche Mündliche Fragen eingebracht werden, über deren Beantwortung in der Fragestunde daran anschließend die Kurzdebatte einer "Aktuellen Stunde" bereits von 26 Abgeordneten verlangt werden kann24 • Eine "Aktuelle 21

Vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 14.7.1959, in: BVerfGE 10, 4

(12 f.).

22 Vgl. H.-J. Vonderbeck, Regelung der Debattendauer im Deutschen Bundestag, in : ZParl 1977, S. 404 ff. (407); siehe auch unten S. 47 ff. (51 f.) § 47 GOBT (§ 43 n.F., dazu oben Anm. 19) enthält nur eine Wiederholung des Inhalts von Art. 43 Abs. 2 GG. 23 So war es auch in der 203. Sitzung des Bundestages der 8. Wahlperiode am 28.2.1980. Die Oppositionsfraktion hatte am Vortag den Antrag gemäß § 24 Abs. 2 GOBT gestellt, eine Aussprache über die internationale Lage auf die Tagesordnung zu setzen; die Koalitionsfraktionen hatten sich mit der gewünsdlten Aufsetzung einverstanden erklärt. Daraufhin fand sich die Bundesregierung entgegen ihrer ursprünglichen Absicht zu einer Regierungserklärung bereit, die außerhalb der Tagesordnung abgegeben wurde. Zuvor erklärte die Oppositionsfraktion ihren Antrag für erledigt. Die anschließende Aussprache beruhte auf § 48 Abs. 3 GOBT (siehe oben Anm. 17 u. 20). Vgl. Stenogr. Bericht S.16167,16175. 24 Anlage 3 Nrn. 9, 10 (Anlage 4 Nrn. 8, 9 n.F.) u. Anlage 4 Nrn. 2, 3 (Anlage 5 Nrn. 1 ,2, 6 bis 9 n.F.) zur GOBT. Siehe auch oben Anm. 19.

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Stunde" ist erfahrungsgemäß für jedes in seiner Zuständigkeit angesprochene Regierungsmitglied Anlaß genug, im Bundestag sofort zu erscheinen, um Rede und Antwort zu stehen. Gerade dieses Ineinandergreifen des Rechts des Bundestages auf Herbeirufung eines Regierungsrnitgliedes und der schon Parlamentsminderheiten gewährten Fragemöglichkeiten der Geschäftsordnung mit gleicher Zielrichtung zeigt deutlich, wie das Zitierrecht durch Geschäftsordnungsregelungen ergänzt wird25 • Da die Geschäftsordnung auch die Bindung des Zitierrechts an einen Beratungsgegenstand relativiert, indem sie die Möglichkeit bietet, jederzeit mit einem Berichtsersuchen an die Bundesregierung oder lediglich mit der Aussprache über ein bestimmtes Thema die Herbeirufung eines Regierungsmitgliedes zu realisieren, bedeutet das Zitierrecht aus dieser Sicht mehr als ein "unselbständiges" Fragerecht. 2. Herbeirufung im Aussmuß

In gleicher Weise wie dem Plenum des Bundestages gewährt die Verfassung dessen Ausschüssen, ständigen Ausschüssen und Sonderausschüssen, das jederzeitige Zitierrecht. Jedes Ausschußmitglied kann zu einem Beratungsgegenstand die Herbeirufung beantragen, über die der Ausschuß zu beschließen hat, ohne daß der Antrag einer Unterstützung weiterer Abgeordneter im Ausschuß bedarf26 • Ausschüsse des Bundestages, denen das Zitierrecht zusteht, können nur von Bundestagsmitgliedern gebildet werden. Gleichgestellt sind die Ausschüsse, die sich gemeinsam aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates zusammensetzen; solche gemischten Ausschüsse haben das Zitierrecht, weil ein dem Artikel 43 Abs. 1 GG entsprechendes Recht dem Bundesrat und seinen Ausschüssen nach Artikel 53 Satz 1 GG gegeben ist. Gemischte Ausschüsse sind der Vermittlungsausschuß nach Artikel 77 Abs. 2 GG und der Gemeinsame Ausschuß nach Artikel 53 a GG27 • Unterausschüsse haben dagegen kein Zitierrecht, weil die Verfassung ein solches nicht schon Teilen von Ausschüssen zugesteht. Nur wenn der 25 So sieht es auch das Bundesverfassungsgericht, a.a.O. (Anm. 5), wenn es feststellt, daß Antworten in der Fragestunde des Bundestages "in den Rahmen" des parlamentarischen Frage- und Interpellationsrechts gehören. 26 § 73 Abs. 1 in Verb. mit §§ 71 u. 46 Satz 1 GOBT. Eine entsprechende Anwendung der §§ 46 Satz 2 u. 10 Abs. 1 GOBT ist abzulehnen, weil eine Antragsunterstützung von 5 v.H. der Ausschußmitglieder schon rechnerisch zu keinem sinnvollen Ergebnis führt. Desgl. Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 71 Rdnr. 3.2; Norbert Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, Berlin 1979, S. 162. Der dem § 73 Abs. 1 entsprechende § 68 n.F. (dazu oben Anm. 19) geht unausgesprochen davon aus, daß jedes Ausschußmitglied ohne weitere Unterstützung den Herbeirufungsantrag stellen kann. 27 DesgI. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 43 Rdnr. 4; Roman Herzog, ebd., Art. 53 a Rdnrn.42, 64, 65; Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr.31, jedoch a.A. beim Gemeinsamen Ausschuß (ebd. Rdnr. 31 a), dazu unten V 4.

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Bundestag einen Beratungsgegenstand unmittelbar einem Unterausschuß überwiesen hat, wird diesem dadurch die Funktion eines selbständigen Ausschusses übertragen, daher ist insoweit auch ein Zitierrecht zu bejahen28 • Geht man von diesen Unterscheidungen aus, so sollte sich der Meinungsstreit beenden lassen, der in der Literatur zu der Frage entstanden ist, ob die vom Bundestag nach § 74 a seiner Geschäftsordnung gebildeten Enquete-Kommissionen ein Zitierrecht haben29 • Da den Enquete-Kommissionen nicht nur Bundestagsmitglieder, sondern auch andere Personen als Sachverständige angehören, sind sie keine Ausschüsse des ßundestages, und deshalb kommt ihnen ein Zitierrecht nicht zu30 • Ein Recht, das die Verfassung dem Bundestag und Teilen desselben gewährt, kann nur von Mitgliedern dieses Organs und nicht von Dritten wahrgenommen werden. Allein den Bundestagsmitgliedern in einer EnqueteKommission das Zitierrecht zuzubilligen, läßt Artikel43 Abs. 1 GG wiederum nicht zu, der nur von Ausschüssen als solchen, nicht auch von Teilen eines Parlamentsorgans spricht. Der Einwand, daß die Zusammensetzung der Enquete-Kommission abweichend von den Ausschüssen in diesem Zusammenhang unerheblich sei, weil eine Enquete-Kommission die gleichen Funktionen wie die Ausschüsse wahrzunehmen habe31 , ist nicht zutreffend. Nach der Geschäftsordnung unterscheidet sich der Bericht einer Enquete-Kommission nicht unwesentlich von einem Ausschußbericht: Eine Enquete-Kommission spricht keine Beschlußempfehlungen aus. Denn der Bundestag könnte über solche Empfehlungen nicht unmittelbar abstimmen, weil ihm neben den Gesetzesinitiativen und sonstigen Vorlagen der Bundesregierung oder des Bundesrates Anträge ausschließlich von Abgeordneten zur Entscheidung vorgelegt werden können32 • Berät der Bundestag den Bericht einer Enquete-KomDesgl. Troßmann, Parlamentsrecht (Anm.13), § 73 Rdnr.1; vgl. auch (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 27. 29 § 74 a wird in die ab 1.10.1980 geltende Geschäftsordnung (dazu oben Anm. 19) als § 56 übernommen, lediglich erweitert um einen Abs. 4. Der Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform (Anm.3), S.57, bejaht ein Zitierrecht der Enquete-Kommissionen ohne nähere Begründung "in zumindest analoger Anwendung des Art. 43 Abs. 1 GG". Desgl. Franz Klein, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Neuwied 1977, Art. 43 Rdnr. 4; Konrad Schmittner, Bessere Rechtsgrundlagen für Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages, in: DÖV 1973, S. 694 ff. (697 f.). 30 Desgl. Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 74 a Rdnrn. 1, 15. Vgl. auch Günter Hindrichs, Erfahrungen aus der Arbeit der Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik, in: Zeitschr. f. Kulturaustausch 1976, Heft 1, S. 39 ff., der das Problem der fehlenden Rechtsgrundlage für eine Auskunftserteilung als weitgehend entschärft durch die Kooperationsbereitschaft der Regierung empfand. 31 So Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 39, der aus dieser Erwägung ein Zitierrecht der Enquete-Kommissionen bejaht. 28

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mission, so kann er Sachentscheidungen nur treffen, indem er Entschließungs anträge aus der Mitte des Hauses33 annimmt; den EnqueteBericht kann der Bundestag lediglich zur Kenntnis nehmen. 3. Pfiicht zum Erscheinen Beschließt das Plenum des Bundestages oder ein Ausschuß die Herbeirufung eines Regierungsmitgliedes, wird dieses zum persönlichen Erscheinen vor dem zitierenden Gremium verpflichtet. Wie sich das Zitierrecht ausschließlich gegen die Mitglieder der Bundesregierung richtet, so ist der Zitierte nicht berechtigt, einen Beauftragten zu entsenden34 • Nur im Einvernehmen beider Seiten kann Ersatz durch einen Beauftragten gestellt werden. So hat sich die Praxis entwickelt, daß Plenum oder Ausschüsse häufig mit dem Erscheinen des Parlamentarischen Staatssekretärs anstelle des Ministers einverstanden sind und gelegentlich bereits in Herbeirufungsbeschlüssen zum Ausdruck bringen, der Minister könne sich durch den Parlamentarischen Staatssekretär vertreten lassen35 • Von der Pflicht, sofort oder zu dem gewünschten späteren Zeitpunkt anwesend zu sein, ist das Regierungsmitglied nur entbunden, wenn sein Erscheinen tatsächlich unmöglich ist, beispielsweise durch Krankheit oder wegen Abwesenheit während einer größeren Reise38 • Eine Einschränkung, daß jeweils nur der zuständige Minister zitiert werden könnte, enthält eiie Verfassung nicht37 • Das Zitierrecht unterliegt freilich einer Schranke durch das Mißbrauchsverbot38 • In diesem Rahmen 32 Der Bericht einer Enquete-Kommission ist demnach kein Ausschußbericht im Sinne des § 74 in Verb. mit § 60 Abs. 2 GOBT (§ 66 mit § 62 Abs. 1 n.F., dazu oben Anm. 19). Desgl. Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 74 a Rdnrn. 1, 8. a., § 89 GOBT (§ 75 Abs. 2 Buchst. C u. § 76 n.F. [dazu oben Anm. 19]). 34 Nach Art. 78 Abs.2 der Verfassung des Saarlandes kann auch durch Bevollmächtigte einer Herbeirufung gefolgt werden. Entsprechende Regelungen enthalten die Verfassungen von Bremen (Art. 98) und Hamburg (Art. 23 Abs. 1). 35 Dazu Troßmann, Parlamentsrecht (Anm.13), § 46 Rdnr.1; Schröder (Anm.1), Art. 43 Rdnr. 34, 38. Daß nach den Verfassungen von Baden-Württemberg (Art. 34 Abs. 1 u. 45 Abs. 2) und Bayern (Art. 24 Abs. 1 u. 43 Abs. 2) die Landtage auch Staatssekretäre zitieren können, folgt aus deren Mitgliedschaft in der Landesregierung. 38 Desgl. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 43 Rdnr. 7; Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 41. 37 Ebenso von Mangoldt / Klein, Art. 43 Erl. III 1; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 43 Rdnr. 5; Hamann / Lenz, Das Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl., Neuwied 1970, Erl. zu Art. 43; Model/Müller, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Taschenkommentar, 8. Aufl., Köln 1976, Erl. 1; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, München 1977, § 22 Abschn. III 3 b, S. 778; Fauser (Anm. 4), S. 107 f. 38 Mißbrauch bedeutet hier einen Verfassungsverstoß. Vgl. auch Ludger Anselm Versteyl, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, München 1976, Art. 43 Rdnr.23; Schönfeld (Anm.2), S. 90 ff.; Troßmann, Parlamentsrecht (Anm.13), § 46 Rdnr.2; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 43 Rdnr.24.

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hat das Parlament, wenn es ein Herbeirufungsverlangen stellen will39, selbst darüber zu befinden, ob eine Verantwortlichkeit des zu zitierenden Regierungsmitgliedes in Betracht kommt. Der Zitierte kann aber nicht mit dem Hinweis auf mangelnde Zuständigkeit sein Erscheinen verweigern40 • Er kann sich gegenüber einem Ausschuß auch nicht darauf berufen, daß der Beratungsgegenstand, zu dem er herbeigerufen wird, nicht in die Kompetenz des Ausschusses falle. Die Bestimmung der Geschäftsordnung, daß ein Ausschuß des Bundestages seine Beratungen auf den ihm vom Plenum übertragenen Geschäftsbereich zu beschränken hat41 , bedeutet eine Bindung des Ausschusses durch internes Recht ohne rechtliche Außenwirkung für oder gegen andere Staatsorgane42 •

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Im Plenum oder in einem Ausschuß (§ 46 Satz 3, § 73 Abs. 1 GOBT; bzw.

§§ 42, 68 n.F., dazu oben Anm. 19).

40 Art. 33 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung sein Inhalt entspricht der Fassung des Art. 43 Abs.2 GG: Anwesenheit "jedes" Reichsministers konnte der Reichstag verlangen - wurde von der Literatur in dem einschränkenden Sinne verstanden, daß jeweils nur das sachlich zuständige Regierungsinitglied zitiert werden könne. Dabei berief man sich auf eine Interpretation des Reichsministers des Innern im Verfassungsausschuß der Nationalversammlung (28. Sitzung v. 11.4.1919, Prot. S. 303 f.). Vgl. Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, München 1932, Art. 33 Erl. 1; Ludwig Gebhard, Die Verfassung des Deutschen Reiches, München 1932, Art.33 Erl. 3; Friedrich Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., Berlin 1931, Art. 33 Erl. 1; Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein, Die Verantwortlichkeit der Reichsminister, in: HdbDStR, 1. Bd., Tübingen 1930, S. 520 ff. (536). Die gleiche Auffassung wird - entgegen den oben in Anm.37 Zitierten - auch zu Art. 43 Abs. 1 GG vertreten: Ritzel/ Bücker (Anm. 13), § 46 Erl. 1 c; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 1. Aufl., Berlin 1953, Art. 43, Erl. 2; Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 33; Schönfeld (Anm. 2), S. 56 f. Diese restriktive Auslegung des Zitierrechts ist auch im Geschäftsordnungsausschuß des Bundestages erörtert und unter Hinweis auf das korrespondierende - ebenfalls nicht einschränkbare - Recht der Bundesregierung, im Bundestag jederzeit gehört zu werden, abgelehnt worden (vgl. BT-Drucks.8/3460 v. 3.12.1979, Erl. zu § 68, S. 96 f.). Im übrigen stützt die erwähnte Interpretation des Reichsinnenministers weniger die von den Genannten vertretene Auffassung, als vielmehr den hier eingenommenen Standpunkt. Denn es darf der damalige Sachzusammenhang nicht übersehen werden. Die Äußerung des Ministers, daß nur der zitiert werden könne, "dessen Verantwortlichkeit in Betracht kommt", war eine Entgegnung auf den vom Preußischen Abgeordnetenhaus eingenommenen Standpunkt, "es könne jederzeit das Gesamtministerium zitieren". So stellte der Minister ausdrücklich klar: "Die Frage, ob nur ein Minister oder auch andere Minister des Reiches beteiligt sind, wird aber wohl der Reichstag zu entscheiden haben". Damit werden die Grenzen nicht enger gezogen als durch das Mißbrauchsverbot, dazu oben Anm. 38. u § 60 Abs. 2 GOBT (§ 62 Abs. 1 n.F., dazu oben Anm. 19). Zum Zitierrecht der Ausschüsse vgl. auch Schäfer (Anm. 3), S. 231; Rudolf Huber, Die Verfassung des Freistaates Preußen, Mannheim 1921, Art. 24 Erl. 1. 42 Desgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 43 Rdnr.3, Art. 40 Rdnr. 18; vgl. auch Arndt (Anm. 10), S. 110 ff.; Magiera (Anm. 8), S.124.

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Information durch die Bundesregierung 4. Pflicht zur Beantwortung

Nach dem Sinn und Zweck des Zitierrechts löst die Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes dessen Verpflichtung aus, dem Parlament auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Als 1848 durch die erste Verfassung Preußens das Herbeirufungsrecht nach dem Vorbild der belgischen Verfassung von 1831 in die deutsche Staatspraxis Eingang fand, war eine solche Auskunftspflicht noch nicht anerkannt. Sie wurde daher zum Gegenstand parlamentarischer Auseinandersetzungen mit der Regierung43 • Wie in Preußen, so setzte sich auch im Reich der um diese Frage von Theorie und Praxis geführte Streit fort. Denn obwohl die Reichsverfassung von 1871 ein Zitierrecht noch nicht enthielt, beanspruchte damals der Reichstag unter Berufung auf die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers von den Vertretern der Reichsleitung, im Reichstag zu erscheinen und Auskunft zu geben44 • Erst zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 konnte sich mit der Geltung des parlamentarischen Regierungssystems die Ansicht durchsetzen, die eine Rechtspflicht zur Beantwortung bejaht45 • Heute ist diese Auffassung als Verfassungsgewohnheitsrecht anerkannt46 • Die Interpellation, die alte Waffe der Volksvertretung seit den Anfängen des Parlamentarismus47 , hat somit im 43 Vgl. E. Schwartz, Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat, Breslau 1896, S. 189 f.; A. Plate, Die Geschäftsordnung des Preußischen Abgeordnetenhauses, Berlin 1904, § 34 Anm. 17; Adolf Arndt, Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat, Berlin 1911, Art. 60 Erl. 6; earl von Waldow, Die geschichtliche Entwicklung und juristische Tragweite des Artikels 60 der preußischen Verfassungsurkunde in rechtsvergleichender Darstellung, Diss., Greifswald 1902, S. 51 ff. Nach dem preußischen Vorbild enthielt auch der Frankfurter Entwurf einer Reichsverfassung von 1849 im § 122 das parlamentarische Herbeirufungsrecht und zudem ausdrücklich eine Auskunftspflicht der Zitierten: "Die Reichsminister haben die Verpflichtung, auf Verlangen jedes der Häuser des Reichstages in demselben zu erscheinen und Auskunft zu ertheilen oder den Grund anzugeben, weshalb dieselbe nicht ertheilt werden könne." 44 Dazu Ludwig Dambitsch, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Berlin 1910, Art. 9 Erl. I 2, Art. 17 Erl. V d; Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. III, Stuttgart 1963, S. 900 ff. 45 Art. 33 Abs.1. Vgl. Anschütz (Anm.40), Art. 33 Erl. 1; Giese (Anm.40), Art.33 Erl. 1; Freiherr Marschall von Bieberstein (Anm.40), S.536; a.A.: Gebhard (Anm. 40), Art. 33 Erl. 2; Fritz Poetzsch-Heffte1', Handkommentar zur Reichsverfassung, 3. Aufl., Berlin 1928, Art. 33 Erl. 2. 46 Vgl. Bundesverfassungsgericht, a.a.O. (Anm. 5); Maunz, in: Maunz! Dürig! Herzog! Scholz, Art. 43 Rdnr. 8; von Mangoldt! Klein, Art. 43 Erl. III 2; KarlHeinz Mattern, Grundlinien des Parlaments, Berlin 1969, S. 62; R. Schneider, in: Bonner Kommentar (Anm. 1), Art. 43 (Erstbearbeitung) Er!. II 2; Schröder, ebd., Art.43 (Zweitbearbeitung) Rdnr.43; a.A.: Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 46 Rdnr. 3; Ritzel! Bücker (Anm. 13), § 46 Erl. 3 b; Fauser (Anm. 4), S. 111 ff., der die Erteilung verlangter Auskünfte lediglich als eine Frage des politischen Stils ansieht. - Ein Zitierrecht, das ausdrücklich die Auskunfts~ pflicht erwähnt, enthält Art. 78 Abs. 2 der Verfassung des Saarlandes. 47 Vgl. Siegbert Morscher, Die parlamentarische Interpellation in der Bundesrepublik Deutschland, in Frankreich, Großbritannien, Österreich und der

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Zitierrecht eine gesicherte Anspruchsgrundlage gefunden48 • Der Regierung ist die verfassungsrechtliche Pflicht auferlegt, auf Fragen des Parlaments Auskünfte zu geben. Über den Umfang der zu erteilenden Information entscheidet, sofern nicht Sonderregelungen gelten49 , die Regierung selbst nach pflichtge· mäßem Ermessen 5o • Aber nur bei einem wichtigen Grund hat der Zitierte das Recht, eine materielle Antwort zu verweigern. Ein solcher Grund kann sich schon wegen des Persönlichkeitsschutzes für Dritte oder durch das Verbot des Eingriffs in ein schwebendes gerichtliches Verfahren ergeben. Der wichtige Grund ist freilich nicht generell aus einer Gefährdung geheimhaltungsbedürftiger Interessen privater oder öffentlicher Art zu begründen. Hier sind zunächst die Möglichkeiten der nichtöffentlichen Sitzung, ferner der besonderen Vorkehrungen einer Geheimschutzordnung des Parlaments und schließlich einer Beschränkung der Information auf einen Ausschuß oder ein zahlenmäßig noch kleineres Gremium auszuschöpfen. Als wichtiger Grund ist jedoch anzuerkennen, daß eine Auskunft die Funktionsfähigkeit der Regierung als eigenständige Entscheidungsträgerin in Frage stellen könnte51 • Jedenfalls muß die Verweigerung einer Antwort, die eine Ausnahme bleiben soll, motiviert werden52 • Insoweit eine Antwort abgelehnt werden darf, bleibt also eine formelle Antwortpflicht53 • Eine grundsätzliche Antwortverweigerung wäre ein Verfassungsverstoß 54 • Schweiz, in: JöR 1976, S. 53 ff.; H.-J. Vonderbeck, Geschäftsordnung - 100jähriges Jubiläum eines parlamentarischen Instruments, in: Das Parlament, Bonn 1968, Nr. 24. Die Interpellation - heute die in den §§ 105 bis 109 GOBT (§§ 100 bis 103 n.F., dazu oben Anm. 19) geregelte Große Anfrage.- wurde im deutschen Parlamentsrecht erstmals in den §§ 28, 29 der GO der Preußischen Nationalversammlung v. 26.6.1848 normiert. Dazu Gertrud Witte-Wegmann, Recht und Kontrollfunktion der Großen, Kleinen und Mündlichen Anfragen im Deutschen Bundestag, Berlin 1972, S.15 H.; Julius Hatsche1c, Das Interpellationsrecht, Leipzig 1909, S. 103 H. 48 Da das Zitierrecht ebenso wie die Interpellation schon 1848 in Preußen seine Normierung fand (siehe oben Anm. 43) und seit der Reichsgründung neben der Interpellation auch das Herbeirufungsrecht vom deutschen Zentralparlament in Anspruch genommen wurde (siehe oben Anm. 44), sollte die Interpellation nicht in einer vom Zitierrecht losgelösten Tradition gesehen werden, wie es bei einigen Autoren festzustellen ist: Witte-Wegmann (Anm.47), S. 81 f.; Dieter G. Bodenheim, Kollision parlamentarischer Kontrollrechte, Hamburg 1979, S. 26 f.; von Einem (Anm. 3), S. 84 f. 49 Dazu unten V. 50 Desgl. von Mangoldt / Klein, Art. 43 Erl. III 2. 51 Dazu Ulrich Scheuner, Die Lage des parlamentarischen Regierungssystems in der Bundesrepublik, in: DÖV 1974, S. 433 ff. (437); Herzog / Pietzner (Anm. 3), S. 81; Magiera (Anm. 8), S. 320 ff.; Dobiey (Anm.3), S. 322 ff. 52 Desgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 43 Rdnr. 8; von Mangoldt / Klein, Art. 43 Erl. III 2,3. So lautete schon § 122 FrankfRVerf, siehe oben Anm. 43. 53 Desgl. Norbert Gehrig, Parlament Regierung - Opposition, München 1969, S.293; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art.43 Rdnr.3; a.A.: von

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Haben die Mitglieder der Bundesregierung auf Verlangen des Bundestages Rede und Antwort zu stehen, so bedeutet dies nicht weniger als eine Verpflichtung zur mündlichen Berichterstattung. Denn wie das Verlangen einer Erklärung oder eines Berichts ohne weiteres auch durch bestimmte Fragen zu formulieren ist, so kann umgekehrt die Antwort auf Fragen die Form einer Erklärung oder eines Berichts annehmen. Für die Verpflichtung der Bundesregierung, sich zu äußern, begründet es demnach keinen Unterschied, ob zu einer bestimmten Thematik die Beantwortung gestellter Fragen, die Abgabe einer Erklärung oder eine Berichterstattung verlangt wird55 • Der Zitierte hat im übrigen nicht nur eine Redepflicht. Sein Rederecht als Zutrittsberechtigter nach Artikel 43 Abs. 2 GG steht ihm jederzeit zu, also auch im Rahmen einer Herbeirufung56 • 5. Schriftliche Auskünfte

Ein Recht auf schriftliche Unterrichtung ist aus dem Zitierrecht nicht herzuleiten. Eine schriftliche Darstellung wird im allgemeinen, je komplexer der zu erörternde Tatbestand ist, um so mehr an Genauigkeit und Vollständigkeit über eine mündliche Äußerung hinausgehen. Ist aber die Auskunft in Schriftform nicht notwendigerweise ein Weniger gegenüber mündlicher Beantwortung, dann kann nicht der Schluß gezogen werden, ein Regierungsmitglied, das zu erscheinen und zu antworten hat, sei damit "zumindest" zur schriftlichen Information verpflichtet57 • Schriftliche Auskünfte können, da das Zitierrecht hierfür keinen Rechtsanspruch gewährt, nur im beiderseitigen Einvernehmen von ParEinem (Anm. 3), S. 131 ff., der durch Art. 43 Abs. I GG nicht mehr als eine nur formelle Antwortpflicht begründet sieht, weil es schon grundsätzlich in das freie Ermessen des zitierten Regierungsmitgliedes gestellt sei, ob und in welchem Umfang inhaltliche Auskünfte zu erteilen sind; desgl. Witte-Wegmann (Anm. 47), S. 80 f. 5( Desgl. Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art.43 Rdnr.8; von Mangoldt I Klein, Art. 43 Erl. III 3. 55 A.A.: Joachim Linck, Berichte der Regierung an das Parlament, in: DOV 1979, S. 116 ff., der in die Verpflichtung der Regierung, Rede und Antwort zu stehen, eine Pflicht zur Erstattung auch nur mündlicher Berichte nicht einbezogen sieht (ebd., S. 119 f.), jedoch eine "Kompetenz" des Parlaments für Berichtsersuchen und eine "politische Verpflichtung" der Bundesregierung zur Berichterstattung einräumt (ebd., S. 121). 56 Desgl. Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 43 Rdnr.19; Mattern (Anm. 46), S. 62; Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 44; Modell Müller, Art. 43 Erl. 1. 57 Desgl. Norbert Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, München 1971, S. 61; Klemens Kremer, Zum Recht eines Bundestagsausschusses, über den Entwurf einer Rechtsverordnung unterrichtet zu werden, in: ZParl 1977, S. 11 ff. (17); Günter Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 17 Rdnr. 75, Art. 45 c Rdnr. 24 Fußn. 8. Zur schriftlichen Auskunft über Petitionen siehe unten V2.

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lament und Regierung erfolgen. Es handelt sich in diesem Fall nicht darum, daß sich eine Seite mit einem Weniger begnügte, sondern beide Seiten einigen sich, indem sie die schriftliche Äußerung wählen, auf ein aluid. In der Praxis bevorzugen die Beteiligten schriftliche Stellungnahmen zur sachlichen KlarsteIlung bei komplizierten Zusammenhängen, im übrigen in der Mehrzahl der Fälle schon zur notwendigen Arbeitserleichterung, sei es auch nur als vorläufige Unterrichtung. Dabei sind auch die Fälle zu sehen, in denen die Bundesregierung Auskunftswünschen aus dem Parlament nachkommt, ohne daß zuvor ein Beschluß des Plenums oder eines Ausschusses ergangen wäre. Das ist der Sinn bestimmter Regelungen in der Geschäftsordnung. 11. Fragemöglichkeiten nach der Geschäftsordnung Informationswünsche aus dem Bundestag werden zum überwiegenden Teil im Rahmen der von der Geschäftsordnung angebotenen Verfahren an die Bundesregierung gerichtet. Hierzu zählen die Großen und Kleinen Anfragen von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke, ferner jeweils von einzelnen Fragestellern die Mündlichen Fragen sowie die Zusatzfragen in der Fragestunde und daneben die Schriftlichen Fragen58 • Bei allen diesen Regelungen bleibt festzustellen, daß sie keinen Rechtsanspruch auf Beantwortung durch die Regierung begründen. Die Geschäftsordnung als internes Recht des Parlaments reicht dafür nicht aus 59 • Es geht auch nicht an, die geschäftsordnungsmäßige Zulassung der Anfragen von Abgeordneten als eine vorweggenommene Übernahme durch den Bundestag und somit die Anfragen als Auskunftsbegehren des Parlaments zu werten, um so zu einer Antwortpflicht der Regierung zu gelangen. Minderheitenrechte können nicht in Mehrheitsrechte umgedeutet werden, schon deshalb ist eine solche Konstruktion nicht vertretbar60 • Sie scheitert aber vor allem an der Besonderheit einer Herbeirufung. Ein Zitierbeschluß kann nicht generell für unbestimmte Fälle, er muß als Maßnahme mit Bezug zu einem Beratungsgegenstand getroffen werdens1 . 58 §§ 105 bis 111 GOBT u. Richtlinien für die Fragestunde in Anlage 3 zur Geschäftsordnung. Nach der ab 1.10.1980 geltenden Geschäftsordnung (dazu oben Anm. 19) wird das Recht des Abgeordneten, zwei Schriftliche Fragen für jede Sitzungswoche einzureichen, abgewandelt in ein Recht auf vier Schriftliche Fragen in jedem Monat, die jeweils binnen einer Woche beantwortet werden sollen (§§ 100 bis 105 in Verb. mit Anlage 4 GOBT n.F.). Für die Fragestunden einer Sitzungswoche kann der Abgeordnete nach wie vor zwei Mündliche Fragen einreichen. 59 Siehe oben Anm. 42. 80 Desgl. Schröder (Anm.1), Art. 43 Rdnr.6; vgl. auch Wiltraud Rupp-von Brünneck I Gerhard Konow, in: Zinn I Stein, Verfassung des Landes Hessen, Bad Homburg v.d.H. 1979, Art. 91 Erl. 5. Für die Zeit der Weimarer Verfassung vgl. Kurt Perels, Der Reichstag, Geschäftsgang und Geschäftsformen, in: HdbDStR, 1. Bd., Tübingen 1930, S. 449 ff. (459).

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Können diese Fragemöglichkeiten, da sie keinen Mehrheitsbeschluß voraussetzen, sondern schon einzelnen Abgeordneten oder Gruppen von nur wenigen Parlamentsmitgliedern gegeben sind, auch nicht auf das Zitierrecht des Artikels 43 Abs. 1 GG gestützt werden, so haben sie doch ihre Rechtsgrundlage nicht allein in der Geschäftsordnung. Fragen an die Regierung zu richten gehört zum Rederecht des Abgeordneten. Das Rederecht hat im Grundgesetz keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden. Es ist aber als Statusrecht des Abgeordneten anerkannt. So wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, daß das freie Mandat nach Artikel 38 GG dem Abgeordneten Eigenständigkeit nicht nur in der Ausübung des Stimmrechts, sondern auch im selbständigen Gebrauch des Rederechts garantiert62 • In den Verhandlungen des Bundestages, wie sie von Artikel 42 GG vorausgesetzt werden, führt der Abgeordnete einen Dialog auch und gerade mit der Regierung. Die Wahl der rhetorischen Mittel bleibt ihm freigestellt. Der Redner kann sich der Frageform bedienen. So gesehen bedeutet die Fragestellung nichts anderes als eine Erscheinungsform des Rederechtsu . Es sind lediglich Gründe der Praktikabilität, wenn die Geschäftsordnung vorsieht, daß der Abgeordnete sein Rederecht auch ganz auf die Formulierung von Fragen reduzieren kann. Zwischenfragen, die ein Redner zuläßt64, sollen die Debatte beleben, indem sie eine spätere Wortmeldung, die aber zeitlich vielleicht nicht mehr möglich sein wird, vorwegnehmen. Als Ersatz oder als Vorbereitung einer parlamentarischen Aussprache dienen die anderen geregelten Fälle der Fragestellung, die sich ausschließlich an die Regierung richten. Dazu gehören die Zusatzfragen, die in der Fragestunde mündlich vorgetragen werden, während in allen übrigen Fällen die Fragen schriftlich einzureichen sind. Die der Regierung schriftlich zugeleiteten Fragen - Mündliche Fragen zur Fragestunde, Schriftliche Fragen, Große Anfragen mit der Möglichkeit einer Beratung und Kleine Anfragen - erhalten in der Regel eine schriftliche Antwort, ausgenommen die Mündlichen Fragen, soweit sie in der Fragestunde aufgerufen und mündlich beantwortet werden. Alle diese Möglichkeiten der Fragestellung gewähren also ~eine Fragerechte im Sinn eines Rechtsanspruchs auf Beantwortung, enthalten jedoch als Teil des Rederechts durch die Verfassung geschützte Frageäußerungsrechte. Siehe oben I 1; desgl. Schönfeld (Anm. 2), S. 9. BVerfGE, a.a.O. (Anm. 21). 63 Desgi. Hans-Achim Roll, Fragerecht und Richtlinien zur Fragestunde in verfassungsrechtlicher Sicht, Verwaltung des Deutschen Bundestages, Fachbereich Parlamentsrecht, 114179, S. 8 ff. Auch Bodenheim (Anm.48), S. 48 ff., leitet das Fragerecht des Abgeordneten aus dessen von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG umschriebenen Status ab; er geht jedoch so weit, auch eine Antwortpflicht der Regierung zu bejahen (ebd., S. 101 ff.). Dazu ders., Das parlamentarische Fragerecht unter dem Grundgesetz, in: ZPar11980, S. 38 ff. 6' Anlage 5 zur GOBT (§ 27 Abs. 2 n.F., dazu oben Anm. 19). Bi

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Deren große Bedeutung in der parlamentarischen Praxis wird durch die fehlende Antwortpflicht nicht gemindert. Die Bundesregierung beantwortet die Fragen im allgemeinen nach den Kriterien, die für die Auskunftspflicht eines zitierten Regierungsmitgliedes festzustellen sinds~. Eine Antwortverweigerung unter Berufung auf eine mangelnde Rechtspflicht findet jedenfalls nicht statt. Gewiß, schon durch das Gebot der Selbstdarstellung vor allem gegenüber der Opposition und auch gegenüber der Öffentlichkeit sind der Regierung diese Anfragen eine Antwort wert66 • Letztlich ist es doch die Zitierbefugnis des Parlaments, die hier den Maßstab setzt. Es genügt, daß sich die Antwortpflicht auf den Fall der Zitierung beschränkt, daß jedes Regierungsmitglied vom Parlament vorgeladen und persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Deutlich zielt in diese Richtung die Geschäftsordnung. Der Beschluß des Bundestages, eine in angemessener Frist nicht beantwortete Große Anfrage zur Beratung auf die Tagesordnung zu setzen87 , steht in seiner praktischen Bedeutung einem Beschluß der Herbeirufung des zuständigen Ministers schon sehr nahes8 . Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke, die eine Herbeirufung nur beantragen könnten, haben jetzt sogar ein stärkeres Recht, weil auf ihr Verlangen hin die Beratung der Großen Anfrage stattfinden muß 69 • Im übrigen ist es üblich, jede Große Anfrage nach Eingang der schriftlichen Antwort auf die Tagesordnung zu setzen und zu beraten7o • Schlechthin verweigert wurde eine Antwort niemals, über eine verlängerte Frist zur Beantwortung verständigte man sich in der Regel mit der Regierung71 • Bei Kleinen Anfragen, deren schriftliche Siehe oben I 4. Dazu Troßmann, Parlamentsrecht (Anm.13), § 105 Rdnr.1; Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 15. 67 § 108 GOBT (§ 102 n.F., dazu oben Anm. 19) geht von einer Dreiwochenfrist für die Beantwortung aus und läßt dann die parlamentarische Beratung zu; auf diese Vorschrift wird Bezug genommen durch § 6 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil (GGO II v. 15.10. 1976, GMBl. S. 550). 68 Desgi. Rupp-von Brünneck / Konow (Anm. 60), Art. 91 Erl. 5. 89 § 108 Satz 2 (§ 102 Satz 2 n.F., dazu oben Anm. 19) in Verb. mit § 10 Abs. 1 GOBT (dazu oben Anm. 13). 70 Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke können die Beratung der Großen Anfrage und ihrer Beantwortung verlangen, sie können Sachanträge stellen, §§ 106, 107 (§§ 101, 88 n.F., dazu oben Anm. 19) in Verb. mit § 10 Abs. 1 GOBT (dazu oben Anm. 13). 71 Bisher sind nur zwei Fälle der Beratung noch nicht beantworteter Großer Anfragen festzustellen: Während der 4. Wahlperiode erklärte die Bundesregierung zu einer Großen Anfrage (BT-Drucks.IV/153), sie sei gegenwärtig nicht in der Lage, über eine frühere Äußerung hinaus zu antworten, weil die gestellten Einzelfragen nur im Zusammenhang mit erst vorbereiteten Gesetzesentwürfen erörtert werden könnten (Stenogr. Bericht der 16. Sitzung v. 22.2.1962, S. 483 ff.). In der 8. Wahlperiode sah die Bundesregierung die Verzögerung der Antwort auf eine Große Anfrage (BT-Drucks. 8/872) durch Sachzusammenhang mit einem noch nicht abgeschlossenen Bericht begründet (Stenogr. Bericht der 51. Sitzung v. 26.10.1977, S. 3914 ff.). 65 66

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Beantwortung nicht innerhalb von zwei Wochen eingeht, oder deren Fragesteller mit einer Antwort nicht zufrieden sind, erlaubt die Geschäftsordnung, diese nunmehr als Mündliche Fragen zur Fragestunde oder als Große Anfragen einzureichen72 • Ebenso kann bei Schriftlichen Fragen, die nicht fristgerecht in der Sitzungswoche beantwortet werden, vom Fragesteller ein Aufruf in der nächsten Fragestunde als Mündliche Fragen verlangt werden73 • Von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen hat man bis jetzt nur selten einen Anlaß gesehen. Häufiger wird ein anderes Verfahren gewählt: über Mündliche Fragen, soweit sie nämlich von allgemeinem aktuellen Interesse sind, können Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke eine Aussprache anschließend an die Fragestunde verlangen74 • Diese im Rahmen einer "Aktuellen Stunde" durchzuführende Kurzdebatte eignet sich besonders für die Opposition, kurzfristig drängende Themen aufzugreifen. Daß im Einzelfall die Eröffnung einer Aktuellen Stunde und ebenso die Beratung einer Großen Anfrage aus der Sicht des betroffenen Ministers nicht von nahezu gleichem Gewicht wie ein ausdrücklicher Herbeirufungsbeschluß wäre, ist nach der parlamentarischen Praxis kaum vorstellbar75 • Hier erscheint in aller Regel das zuständige Regierungsmitglied von sich aus und beschränkt sich nach Möglichkeit - im Unterschied zur Fragestunde - nicht auf die Anwesenheit eines Parlamentarischen Staatssekretärs. Ein in der Parlamentsdebatte angesprochener Regierungsvertreter sieht es als selbstverständlich an, das Wort zu nehmen und sich seiner Verantwortung vor der Volksvertretung zu stellen. Als gelegentlich während einer Aussprache im Bundestag ein Minister an seiner Bereitschaft Zweifel aufkommen ließ, Fragen von Abgeordneten zu beantworten, forderte ihn der amtierende Präsident nachhaltig auf, seine Ausführungen zu verdeutlichen; der Minister stellte dann klar, es sei "selbstverständlich Pflicht eines Bundesministers, jedem Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen "18.

72 § 110 Abs.2 GOBT; §§ 7,8 GGO H. Diese Regelung wird wegen ihrer geringen praktischen Bedeutung in der ab 1.10.1980 geltenden Geschäftsordnung des Bundestages (dazu oben Anm.19) entfallen. 73 Nr. 19 der Richtlinien für die Fragestunde, Anlage 3 zur GOBT (Nr. 15 der Anlage 4 n.F. setzt die Frist von einer Woche voraus, dazu oben Anm.58). 74 Nr. 2 der Anlage 4 zur GOBT; siehe oben Anm. 19. 75 Somit zeigt sich deutlich, wie sich das parlamentarische Zitierrecht schon durch Minderheitsverlangen konkretisieren läßt (dazu oben Anm.6). Gegen die "Konkretisierungsthese" wenden sich außer Schröder (Anm.7) vor allem: Arndt (Anm.l0), S.112 f.; Schönfeld (Anm.2), S. 9 f.; Witte-Wegmann (Anm. 47), S. 81 ff. 78 Vgl. Stenogr. Bericht der 7. Wahlperiode, 8. Sitzung v. 24.1.1973, S. 222 ff., 239.

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111. Ersuchen um Berichte Neben den Anfragen aus der Mitte des Hauses, bei denen das geschäftsordnungsmäßige Verfahren auf eine Übernahme durch Mehrheitsbeschluß verzichtet, ohne daß dadurch die Informationsbereitschaft der Bundesregierung eingeschränkt würde, werden Auskunftsersuchen auch durch Bundestagsbeschluß an die Regierung gerichtet. Da sind zunächst die Fälle, in denen die Regierung durch Gesetz verpflichtet wird, dem Bundestag regelmäßig bestimmte Berichte vorzulegen77 • Noch zahlreicher sind schlichte Parlamentsbeschlüsse78 als Ersuchen an die Bundesregierung um fortlaufende oder einmalige Berichte, sei es in der häufigen Form einer Entschließung namentlich im Zusammenhang mit einem Gesetzesbeschluß oder einer Großen Anfrage, sei es durch die Annahme eines selbständigen Antrags78 • Im Sprachgebrauch wird im allgemeinen auch das Ersuchen aufgrund selbständigen Antrags als Entschließung bezeichnet und mit diesem Begriff allein auf das Zustandekommen durch 77 Solche Berichte sind jeweils jährlich oder in Abständen von zwei bis zu vier Jahren vorzulegen. Jährlich: Jahreswirtschaftsbericht mit Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigenrates, Agrarbericht, Rentenanpassungsbericht, Unfallverhütungsbericht, Investitionsprogramm, Straßenbaubericht, Stellungnahme zum Bericht des Bundeskartellamtes, Finanzplan, Berichte der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein. Alle zwei Jahre: Wohngeld- und Mietenbericht, Subventionsbericht, Bericht zur Hochschulstatistik, Bericht zur Bundesausbildungsförderung, Stellungnahme zum Monopolkommissionsgutachten, Bericht über die Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen. Alle drei Jahre: Bericht zum Rückstellungsfonds für Altölbeseitigung. Alle vier Jahre: Raumordnungsbericht, Jugendbericht, Bericht zur Eingliederung Behinderter, Immissionsschutzbericht, Bericht der Wahlkreiskommission. Ein einmaliger Bericht (bis Ende 1981) ist aufgrund des Gesetzes zur Kostendämpfung in der Krankenversicherung vorzulegen. Vgl. übersicht der Bundestagsverwaltung, Parlamentssekretariat, Stand: 25.1.1980. 78 Dazu Richard Thoma, Der Vorbehalt der Legislative und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Rechtsprechung, in: HdbDStR, 2. Bd., Tübingen 1932, S. 221 ff.; Magiera (Anm. 8), S. 210 ff. 79 Diese Berichte sind zumeist nur einmal, im übrigen fortlaufend in angemessenen Abständen oder in bestimmten Zeitspannen von einem halben Jahr bis zu fünf Jahren vorzulegen. Einmalige Berichte haben in der Regel Erfahrungen mit bestimmten Gesetzesregelungen oder Verwaltungsmaßnahmen zum Inhalt. Fortlaufend: Bericht über die Situation der Frauen, Städtebaubericht, Bericht zur Mechanisierung bei der Steuerveranlagung, Bericht zur Berufs- und Laufbahnreform, Medienbericht, Bericht zur Entsorgungskonzeption. Halbjährlich: Berichte zur europäischen Integration. Jährlich: Bericht über die Lage der Nation, übersicht zur Beschäftigung Behinderter beim Bund, Strahlenbericht, Bericht zur Luft- und Raumfahrtindustrie u.a. Alle zwei Jahre: Bericht zur Verkehrserschließung Zonenrandgebiet, Bericht zur Entwicklungspolitik, Bericht über gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, Unfallverhütungsbericht, Bundesbericht Forschung. Alle drei Jahre: Bericht zur Anwendung des EWG-Grundsatzes gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Alle vier Jahre: Familienbericht, Sportbericht. Alle fünf Jahre: Bericht zur Kostenunterdeckung im öffentlichen Personennahverkehr. Vgl. Übersicht der Bundestagsverwaltung, a.a.O. (Anm. 77); ferner Hans-Ulrich Derlien, Das Berichtswesen der Bundesregierung, in: ZPar11975, S. 42 ff.

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schlichten Parlamentsbeschluß im Unterschied zum Gesetzesbeschluß abgestell t 80 • Entschließungen in diesem weiteren Sinne sind nach herrschender Meinung für die Regierung rechtlich nicht bindend81 • Man wird hier jedoch differenzieren müssen. Soweit die Regierung um Maßnahmen ersucht wird - beispielsweise einen Gesetzentwurf vorzulegen, bestimmte Verhandlungen einzuleiten oder auch nur einen vom Parlament geäußerten Standpunkt zu berücksichtigen - handelt es sich um Empfehlungen, denen die Regierung nur aus eigenem Entschluß folgen kann. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung des Artikels 20 Abs. 2 GG, der die Ausübung der Staatsgewalt den besonderen Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung zuweist. Dieses Gebot und gerade die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung82 hindern die Legislative, der Exekutive Weisungen zur Regelung eines Einzelfalls zu erteilen83 ; nur die Verfassung selbst kann Ausnahmen vorsehen, und sie verlangt dann für solche Zuständigkeiten des Parlaments häufig die Form eines Gesetzes84 • Ersuchen um 80 Vgl. Friedrich Klein, Zur rechtlichen Verbindlichkeit von Bundestagsbeschlüssen, in: JuS 1964, S. 181 ff. (184 f.). 81 Vgl. Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 89 Rdnrn. 2, 3. Von diesem Standpunkt aus werden Entschließungen häufig nicht einmal als Beschlüsse im Sinne des Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG angesehen: so Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art.42 Rdnr.14; von Mangoldt / Klein, Art.42 Er!. IV 2; Hamann / Lenz, Art. 42 Erl. B 2. Klein (Anm. 80), S. 183 f.; a.A.: Model/ MüHer, Art. 42 Erl. 2. Gleichwohl wird den "rechtlich unverbindlichen" schlichten Parlamentsbeschlüssen erhebliche Bedeutung zugestanden, "weil das Parlament seinem Willen ... über seine Schlüsselstellung im Gesetzgebungsverfahren und als Wahlorgan der Regierung Nachdruck mit unmittelbaren rechtlichen Folgen verleihen kann" (Magiera [Anm. 8], S. 216); siehe auch oben Anm.78. 82 Vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 27.4.1959, in: BVerfGE 9, 268 (279 ff.). 83 Der Auffassung, die Staatsleitung stehe Parlament und Regierung gemeinsam zu - vgl. Ernst Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, in: VVDStRL 1958, S. 9 ff.; Magiera (Anm.8), S. 240 ff. - ist deshalb zu widersprechen. Desgl. Wilhelm Merk, Kann der Bundestag der Bundesregierung Weisungen erteilen?, in: ZStW 1958, S. 705 ff.; Carlo Schmid in der 28. Sitzung des Bundestages der 4. Wahlperiode am 9.5.1962, Stenogr. Bericht S. 1220 f. 84 Gesetzesform ist im Grundgesetz namentlich vorgeschrieben für die Feststellung des Haushaltsplans (Art. 110), die Zustimmung zu Staatsverträgen (Art. 59), die Entscheidung über den Friedensschluß (Art. 115 lAbs. 3), die Errichtung selbständiger Bundesoberbehörden sowie neuer bundesunmittelbarer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs.3 Satz 1). Schlichte Parlamentsbeschlüsse verlangt das Grundgesetz zum inneren Bereich des Bundestags und für bestimmte Wahlen, aber auch für die Entlastung der Bundesregierung nach jährlicher Rechnungslegung (Art. 114 Abs. 1), zur Feststellung des Spannungsfalls und zur Anwendung oder Aufhebung von Maßnahmen während desselben (Art. 80 a), zur Feststellung und Beendigung des Verteidigungsfalls (Art. 115 a, 1151 Abs.l, 2), für ein Verlangen nach Aufhebung des Einsatzes der Streitkräfte im Innern (Art. 87 a Abs. 4), für Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden (Art. 87 Abs.3 Satz 2).

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Auskünfte der Regierung sind aber anders zu beurteilen. Berichtsanforderungen greifen nicht in die Entscheidungsgewalt der Regierung ein, sie sind ein legitimes und unentbehrliches Mittel für die vom Parlament wahrzunehmende Kontrolle der Regierung. Inwieweit solchen Ersuchen Rechtsverbindlichkeit zukommt, hängt davon ab, ob sie als Ausübung des parlamentarischen Interpellationsrechts in der Form einer Zitierung zu werten sind. Durch parlamentarische Ersuchen an die Regierung wird in der Regel um schriftliche Information gebeten. Das Zitierrecht gibt Anspruch lediglich auf mündliche Unterrichtung und läßt eine schriftliche Auskunft nur bei beiderseitigem Einverständnis genügen8ä • Wenn das Ersuchen um einen Bericht auch zunächst die Erwartung einer schriftlichen Äußerung zum Ausdruck bringt, so ist das Ersuchen doch zugleich dahin zu verstehen, daß hilfsweise für den Fall mangelnder Bereitschaft der Bundesregierung zu einer schriftlichen Stellungnahme eine mündliche Unterrichtung durch das zuständige Regierungsmitglied gefordert wird. Daß das Zitierrecht nicht gegenüber der Bundesregierung, sondern gegenüber ihren einzelnen Mitgliedern wahrzunehmen ist, hindert nicht, den Informationswunsch an die Bundesregierung zu richten und es dieser zu überlassen, welches Ressort die Beantwortung federführend übernimmt. Dies überschreitet nicht den Rahmen einer Zitierung86 , sondern ist weniger als das an bestimmte Regierungsmitglieder gerichtete Verlangen; verfahrensmäßig wird damit eine sachgerechte Unterrichtung des Parlaments nur erleichtert, ebenso wie es die Geschäftsordnung bei Anfragen aus der Mitte des Bundestages geregelt hat87 • Es kann auch nicht eingewandt werden, die für eine Herbeirufung notwendige Bezugnahme auf ein konkretes Beratungsthema lasse eine Zitierung nur zu einer laufenden oder doch bereits anberaumten Sitzung zu. Das Recht des Bundestages, jederzeit die Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes zu verlangen, muß auch die Befugnis einschließen, ein solches Verlangen mit einem unbestimmten, für eine Absprache noch offenen Termin auszusprechen. Sind demnach die Voraussetzungen einer Zitierung gegeben. so muß für Auskunftsersuchen des Bundestages an die Bundesregierung Rechtsverbindlichkeit bejaht werden88 • Als Auskunftsersuchen sind im übrigen nicht nur die ausdrücklichen Berichtsanforderungen zu verSiehe oben I 5. Dazu Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr.6. 87 Siehe oben 11. 88 Rechtsverbindlichkeit von Entschließungen, auch soweit diese Auskunftsersuchen an die Bundesregierung enthalten, verneint Achterberg, Parlamentsrecht (Anm. 57), S. 63. Auf der anderen Seite geht KLaus-ALbrecht SeHmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, Berlin 1966, zu weit, indem er für Entschließungen, die sich auf Vertragsverhandlungen der Regierung beziehen, Verbindlichkeit aus dem parlamentarischen Zustimmungsrecht des Art. 59 GG herleiten will. 85 86

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stehen. Auskunftsersuchen sind auch die Parlamentsbeschlüsse, mit denen die Regierung um ein Handeln ersucht wird, sei es auch nur in indirekter Form, indem das Parlament seine Auffassung zu einer bestimmten Frage der Regierung kundtut. Derartige Empfehlungen89 bedeuten eine Aufforderung an die Bundesregierung, ihr in diesem Zusammenhang beabsichtigtes oder schon vollzogenes Handeln dem Parlament darzulegen. Deshalb geht die Geschäftsordnung des Bundestages und übereinstimmend die der Bundesministerien davon aus, daß die Regierung dem Bundestag über die Ausführung seiner Beschlüsse Auskunft zu geben hat9o • Verpflichtet wird durch die Auskunftsersuchen freilich nicht die Bundesregierung als solche, weil nur deren einzelne Mitglieder vom Parlament zitiert werden können. Dem Geschäftsgang entsprechend, wonach Ersuchen des Bundestages an die Bundesregierung vom Bundestagspräsidenten dem Bundeskanzler zuzuleiten sind und von diesem in der Regel an den federführend zuständigen Minister zur Beantwortung weitergegeben werden9!, ist von einer Verpflichtung zunächst des Bundeskanzlers auszugehen. Er kommt seiner Verpflichtung nach, indem er die Beantwortung entweder sich selbst vorbehält oder auf den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Kabinettskollegen überträgt. Dabei ist es üblich, "im Namen der Bundesregierung" zu antworten. Für Auskünfte der Bundesregierung auf Ersuchen des Bundestages sieht die Geschäftsordnung beider Seiten Schriftform als Regel vor, weil sich dies als praktisches Verfahren anbietet. Verpflichten zu einer schriftlichen Stellungnahme können die Ersuchen zwar nicht9!, sie enthalten jedoch für den Fall, daß die Regierung sich zu einer Vorlage nicht bereit findet, das Verlangen, das zuständige Regierungsmitglied möge im Bundestag zum gewünschten Thema Rede und Antwort stehen. Eine solche Herbeirufung läßt allerdings unausgesprochen, welches Mitglied der Bundesregierung im Parlament erscheinen soll; die Zuständigkeit eines Ministers ist nach den angesprochenen Fragen zumeist eindeutig. über den Termin seiner Anwesenheit bleibt noch eine Verständigung möglich, sei es im Rahmen einer ausdrücklichen Zeitbestimmung des Ersuchens oder allgemeiner innerhalb angemessener Frist. Daher spricht die Geschäftsordnung die Erwartung aus, daß die Bundesregierung ihre in der Regel schriftliche Auskunft zunächst in einem Zwischenbericht erteilt, Siehe oben Anm. 82. § 115 GOBT, § 11 GGO n. Daß die Regelung des § 115 GOBT in der ab 1.10.1980 geltenden Geschäftsordnung (dazu oben Anm.19) nicht mehr enthalten ist, hat lediglich systematische Gründe. Die Geschäftsordnung des Parlaments soll nicht Pflichten eines anderen Verfassungsorgans erläutern. Die Verpflichtung der Bundesregierung bleibt von dieser Streichung unberührt. 9! § 11 GGO n. V! Siehe oben I 5. 89 90

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wenn nur so eine angemessene oder eine vom Bundestag bestimmte Frist eingehalten werden kann93 • Auch im Ältestenrat, wo üblicherweise eine Verständigung mit dem Vertreter der Bundesregierung über die angemessene Frist zur Vorlage eines Berichts gefunden wird, kam der Standpunkt zum Ausdruck, Berichte seien fristgerecht zu erstatten und könnten jeweils auf noch notwendige Ergänzungen erläuternd hinweisen94 • Im übrigen sollten die Regierungsvertreter bereits in den Ausschußberatungen Bedenken äußern, falls für Ersuchen unrealisierbare Fristen vorgesehen würden95 • Die Auskünfte der Bundesregierung können vom Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt, zum Gegenstand einer Aussprache gemacht und zur weiteren Beratung an Ausschüsse überwiesen werden98 • Für den Fall, daß die Regierung eine Auskunft verweigert oder unvollständig erteilte, gewährt die Geschäftsordnung schon Minderheiten die Möglichkeit, eine Debatte herbeizuführen: Jeder Abgeordnete kann Beanstandungen einbringen, die der Bundestagspräsident an die Bundesregierung zur schriftlichen Beantwortung weiterleitet; die Antworten, aber auch die Beanstandungen selbst, wenn eine Antwort nicht binnen vier Wochen eingegangen ist, können im Bundestag von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke auf die Tagesordnung und damit zur Aussprache gebracht werden. Von dieser Regelung wird jedoch kein Gebrauch gemacht97 • Die Bundesregierung weigert sich nicht, Auskunftsersuchen zu beantworten. Wird eine Antwort als unvollständig empfunden, dann helfen andere Verfahren schneller weiter. So kann jeder Abgeordnete seine Beanstandungen als Mündliche Fragen zur Fragestunde einreichen98 • Bei Fragen von allgemeinem aktuellen Interesse läßt sich von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke die Debatte in einer anschließenden Aktuellen Stunde durchsetzen99 ; spätestens zu diesem Zeitpunkt sieht sich das zuständige Regierungsmitglied auf den Plan gerufen. 93 Siehe oben Anm. 90. 94 ÄR-Sitzung in der 7. Wahlperiode am 22.1.1976. Kann die Bundesregierung angeforderte Berichte nicht fristgemäß vorlegen, wird von ihr erwartet - vgl. ÄR-Sitzung in der 8. Wahlperiode am 19.6.1980 -, daß sie eine Fristverlängerung im Ältestenrat zur Sprache bringt. 95 ÄR-Sitzung in der 8. Wahlperiode am 19.10.1978. 96 Vgl. 61. Sitzung des Bundestages der 4. Wahlperiode am 15.2.1963, Stenogr. Bericht S. 2783 ff. Als Regierungsvorlage, die keiner Beschlußfassung des Bundestages bedarf, können die Auskünfte vom Präsidenten mit Zustimmung des Bundestages auch direkt an Ausschüsse überwiesen werden, § 76 Abs. 2 GOBT (§ 80 Abs. 3 n.F., dazu oben Anm.19, läßt Vereinbarung im Ältestenrat genügen). 97 Das erklärt den Fortfall der Regelung des § 116 GOBT vgl. auch § 12 GGO II - in der ab 1.10.1980 geltenden Geschäftsordnung (dazu oben Anm. 19); der Fortfall ist im übrigen eine Folge der Streichung des § 115 GOBT, siehe oben Anm. 90. 98 Vgl. 19. Sitzung des Bundestages der 4. Wahlperiode am 14.3.1962, Stenogr. Bericht S. 631 f. 99 Siehe oben Anm. 74.

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Berichtsanforderungen durch einfachen Parlamentsbeschluß sind nicht weniger als solche durch Gesetz unabhängig vom Ablauf einer Wahlperiode. Der aus dem Wechsel der personellen Zusammensetzung des Parlaments herzuleitende Grundsatz der sachlichen Diskontinuität, der als Gewohnheitsrecht mit Verfassungsrang anerkannt ise oo , läßt die beim Bundestag zur Beschlußfassung eingebrachten Gegenstände, die noch nicht abschließend vom Parlament behandelt worden sind, durch das Ende der Wahlperiode erledigt seinlol . Das gilt also für Beratungsgegenstände des Bundestages, die sich in dem Stadium ab Einbringung und vor abschließender Beschlußfassung befinden. Unberührt von diesem Grundsatz bleiben demnach die Beschlüsse selbstl02 sowie solche beim Parlament eingebrachten Gegenstände, die rechtlich keiner Beschlußfassung bedürfen103 • Auf bereits gefaßte Beschlüsse, in denen das Parlament die Regierung um Bericht ersucht, ist der Grundsatz somit nicht anwendbar l04 • Die eingegangenen Berichte der Regierung unterliegen 100 Dazu Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 126 Rdnr. 2; Jürgen Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit, Berlin 1977, S. 327 ff. 101 Vgl. Schäfer (Anm.3), S. 87 ff.; Troß mann, Parlamentsrecht (Anm.13), §126 Rdnrn.3.1 bis 3.7; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art.39 Rdnrn.18 bis 20; Jekewitz (Anm. 100), S. 270 ff.

102 Die 1851 in die Geschäftsordnung des Preußischen Abgeordnetenhauses eingefügte Diskontinuitätsregelung (schon für jede Session innerhalb der Wahlperiode), vom Reichstag 1868 als § 70 GO übernommen, bezieht sich deshalb auf eingebrachte Gegenstände, die "noch nicht zur Beschlußfassung gediehen sind". Vgl. Plate (Anm. 43), S. 8 u. Vorbem. zu § 74. 103 § 126 GOBT (§ 125 n.F., dazu oben Anm. 19) sagt ausdrücklich, daß "Vorlagen, die keiner Beschlußfassung bedürfen", dem Diskontinuitätsgrundsatz nicht unterliegen. Das gilt ferner für Vorlagen, über die zu beschließen der Bundestag gesetzlich verpflichtet ist und die deshalb an den Bundestag als Institution, also nicht an das Parlament einer bestimmten Wahlperiode gerichtet sind: namentlich Petitionen wegen Art. 17 GG (nur diese werden von der Geschäftsordnung erwähnt) und die alljährliche Rechnungslegung des Bundesfinanzministers nach Art. 114 Abs. 1 GG zur Entlastung der Bundesregierung. 104 Beschlüsse sind daher in der Aufzählung des § 126 GOBT (§ 125 n.F., ebd.) nicht genannt. A.A.: Dieter Hömig / Klaus Stoltenberg, Probleme der sachlichen Diskontinuität, in: DÖV 1973, S. 689 ff. (694); von ihnen werden die Berichtsersuchen analog den Anfragen aus der Mitte des Hauses gewertet, die nach dem Wortlaut des § 126 GOBT der Diskontinuität anheimfallen. Einem solchen Analogieschluß steht jedoch entgegen, daß Anfragen eben nicht auf Parlamentsbeschluß beruhen. Zudem stehen Fragen und Antworten eher in einer persönlichen Beziehung zu den Fragestellern als die Ersuchen um Berichte, die dem Parlament als solchem, häufig fortlaufend zu erstatten sind (dazu oben Anm.79). Deshalb wird bei Anfragen die Diskontinuität kaum praktische Bedeutung gewinnen können. Im übrigen verzichtet die Diskontinuitätsregelung der ab 1.10.1980 geltenden Geschäftsordnung (dazu oben Anm. 19) auf die ausdrückliche Erwähnung der Anfragen und sieht diese demnach als Vorlagen, die keiner Beschlußfassung bedürfen, durch das Ende einer Wahlperiode nicht für erledigt an (§ 125 in Verb. mit § 75 Abs. 1 Buchst. f u. Abs. 3 n.F.). Das ist zutreffend und gilt unabhängig davon, ob Anfragen oder Antworten nach ihrem Inhalt als überholt zu betrachten sind.

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schon deshalb nicht der Diskontinuität, weil über sie der Bundestag nicht beschließen muß 105. Dem Sinn der Ersuchen entsprechend, wie er gerade durch das Verlangen nach fortlaufend in bestimmten Zeitabständen zu erstattenden Berichten zum Ausdruck kommt, sind diese Berichte dem Bundestag als Verfassungsorgan ohne Rücksicht auf seine konkret-personelle Zusammensetzung einer Wahlperiode zu erstatten106 • Der Bundestag ist deshalb nach einer Neuwahl nicht gehindert, einen schon während der vergangenen Wahlperiode eingegangenen Bericht aufzugreifen. Die noch nicht beantworteten oder die fortlaufend gemeinten Berichtsers1.lchen werden auch in der Praxis von den Beteiligten unabhängig vom Ablauf einer Wahlperiode als fortgeltend angesehen, solange sich die Ersuchen je nach ihrem Inhalt nicht von selbst erledigen. Eine Erledigung mag sich nach dem Wortlaut eines Ersuchens oder aus veränderten Umständen ergeben. Auf diese Weise kann eine Erledigung auch zum Ende einer Wahlperiode eintreten, aber ebenso früher oder später. Dies ist also kein Anwendungsfall des Diskontinuitätsgrundsatzes, der als Verfahrensregel für parlamentarische Gegenstände unabhängig von ihrem materiellen Inhalt zu gelten hat l07 • Der Verbindlichkeit von Berichtsersuchen auch über Wahlperioden hinaus steht nicht entgegen, daß gelegentlich ein solches Ersuchen durch Zeitablauf, politischen Wandel oder etwa wegen Änderung von Gesetzen hinfällig wird, ohne daß der Bundestag seinen früheren Beschluß ausdrücklich aufhebt. IV. Auskunftsersuchen der Ausschüsse Verlangt ein Ausschuß des Bundestages die Stellungnahme eines Ressorts der Bundesregierung, so kann sich der Diskontinuitätsgrundsatz bereits dadurch auswirken, daß dieser Ausschuß als Organ nur für die Dauer der Wahlperiode eingesetzt ist. Denn die Organkontinuität, die für den Bundestag unabhängig vom Wechsel der Wahlperioden gegeben ist, besteht für seine Ausschüsse nur, soweit auch diese vom Grundgesetz vorgeschrieben werden und deshalb als abstrakt verfassungsmäßige Einrichtungen anzusehen sind108 • Die übrigen Ausschüsse, die der Bundestag zur Vorbereitung seiner Verhandiungenl09 allein aufgrund seines Selbst105 Desgl. Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 126 Rdnr.3.5; Schäfer (Anm.3), S. 89 f.; Jekewitz (Anm.l00), S. 296 f.;a.A.: von Mangoldt / Klein, Art. 39 Erl. III 5 b. 106 Desgl. Schäfer (Anm. 3), S. 90. 107 A.A.: Jekewitz (Anm.l00), S.297, 311 f., aber im Ergebnis übereinstimmend. 108 Auswärtiger Ausschuß und Verteidigungsausschuß (Art. 45 a), Petitionsausschuß (Art. 45 c); auch die zusammen mit dem Bundesrat einzusetzenden Ausschüsse: Gemeinsamer Ausschuß (Art. 53 a), Vermittlungsausschuß (Art. 77 Abs. 2). 109 § 61 GOBT (§ 54 n.F., dazu oben Anm. 19).

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organisationsrechtesIlO, nicht wegen eines Verfassungsgebotes einsetzt, beenden mit Ablauf einer Wahlperiode nicht nur ihre personelle Zusammensetzung, sondern schon ihre abstrakte Existenz als Organ111 • Das Auskunftsersuchen eines Ausschusses, der nicht mehr existiert, hat sich somit erledigt. Liegt eine schriftliche Auskunft vor, kann sie auch dem Ausschuß, der die Nachfolge antritt, als Beratungsunterlage dienen. Es entspricht dieser Rechtslage, wenn Ersuchen der Ausschüsse mehr auf ein Informationsbedürfnis im Einzelfall abstellen. Gleichwohl beruhen sie auf derselben Rechtsgrundlage wie die Berichtsanforderungen des Plenums, weil Artikel 43 Abs. 1 GG das Zitierrecht ausdrücklich auch den Ausschüssen zuspricht. Auskunftsersuchen der Ausschüsse sind also nicht minder rechtsverbindlich. Damit ist den Ausschüssen ein weitgreifendes Instrument gegeben. Für dessen Handhabung sind jedoch den Ausschüssen nach ihrer Rechtsstellung engere Grenzen gezogen als dem Plenum des Bundestages. Wenn Ersuchen des Plenums an die Regierung häufig nicht nur Auskunftsverlangen, sondern auch bestimmte Empfehlungen112 aussprechen, so neigen zu einer solchen Praxis auch die Ausschüsse. Dem steht entgegen, daß die Ausschüsse vom Bundestag als Hilfsorgane eingesetzt sind, um Bundestagsbeschlüsse vorzubereiten. Ein eigenständiges Initiativrecht gesteht die Geschäftsordnung den Ausschüssen nicht zu. Gerade das Recht, dem Bundestag bestimmte Beschlüsse zu empfehlen, haben die Ausschüsse, von geregelten Sonderfällen abgesehen, nur im unmittelbaren Zusammenhang mit Vorlagen, die ihnen das Plenum überwiesen hat, wie dies vornehmlich im Gesetzgebungsverfahren geschieht. Andere Fragen aus ihrem Geschäftsbereich können die Ausschüsse nur zum Gegenstand einer Beratung machen. Durch diese Regelung wird den Ausschüssen verwehrt, an die Stelle des Parlaments zu treten und Sachbeschlüsse mit Außenwirkung zu fassen 1l3• Die Anwesenheit eines Mitgliedes der Bundesregierung können die Ausschüsse zu ihren Sitzungen verlangen. Das gilt unabhängig davon, ob sie einen überwiesenen Gegenstand oder eine sonstige Frage ihres Geschäftsbereichs behandeln114 • Die Ausschüsse haben das Recht, von Regierungs110 Art. 40 Abs. 1 GG; dazu Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 40 Rdnrn. 1 bis 3. 111 Desgl. Schäfer (Anm. 3), S. 87 f.; von Mangoldt / Klein, Art. 39 Erl. UI 5 c; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 39 Rdnr. 17. 112 Siehe oben Anm. 82. 113 Diese Interpretation des § 60 Abs. 2 GOBT (§ 62 Abs. 1 n.F., dazu oben Anm.19) wurde zuletzt klargestellt durch einen Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestages, erbeten vom Verkehrs ausschuß und diesem mitgeteilt mit Schreiben vom 24.11.1977, das der Bundestagspräsident dann allen übrigen Ausschüssen zur Kenntnisnahme zuleitete. Dazu Friedrich Karl Fromme, Zerfällt der Bundestag in seine Ausschüsse?, in: FAZ v. 13.12.1977. Vgl. auch Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 60 Rdnrn.4 bis 5.7. tu Desgl. Schröder (Anm. 1), Art. 43 Rdnr. 28.

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mitgliedern Antwort auf Fragen sowie umfassende Unterrichtung zu erhalten. Aber sie dürfen kein Ersuchen beschließen, das die Regierung oder eines ihrer Mitglieder zu Maßnahmen, welcher Art auch immer, auffordert. Denn ein solcher Ausschußbeschluß enthielte bereits eine Stellungnahme zur Sache, obwohl das Ersuchen des Parlaments um bestimmtes Handeln von der Regierung nicht mehr als die Darlegung ihres Standpunktes in der angesprochenen Sache verlangen kann115 • Reine Auskunftsersuchen sind demgegenüber nur eine Entscheidung zum Verfahren t16 , nämlich über die Art und Weise, in der ein Ausschuß sich notwendige Informationen verschafft, bevor er Sachbeschlüsse faßt, die er dann dem Plenum als Beschlußempfehlung zuleitet, sofern es sich um überwiesene Gegenstände handelt. In der Geschäftsordnung sowohl des Bundestages als auch der Bundesministerien fehlt es allerdings an einer Regelung für Ersuchen von Ausschüssen. Ausschußersuchen werden nicht wie die Ersuchen des Plenums117 an die Bundesregierung gerichtet, sondern an deren einzelne Mitglieder. Adressat ist im Regelfall das dem jeweiligen Fachausschuß korrespondierende Ressort. Das folgt aus der Bindung der Ausschüsse an die ihnen durch Einsetzungsbeschluß des Bundestages im Rahmen der Verfahrensordnung eingeräumte Befassungskompetenz, die ausschließlich die Fragen des jeweiligen Geschäftsbereichs umfaßt118 • Ein Ausschuß, der Auskunftsersuchen an die Bundesregierung, statt an einzelne Regierungsmitglieder richten würde, könnte zudem in einen Widerspruch zur Zuständigkeit des Präsidenten geraten, der den Bundestag zu vertreten119 und als dessen staatsrechtlicher Repräsentant den Schriftverkehr mit anderen Bundesorganen zu führen hat1!O.

v.

Das Informationsrecht in besonderen Fällen 1. Untersuchungsa.usschüsse

Für die Aufgaben der Sachaufklärung, wie sie der Bundestag nach Artikel 44 GG an Untersuchungsausschüsse überträgt oder der vom Bundestag nach Artikel 45 a Abs. 1 GG einzusetzende Verteidigungsausschuß von sich aus gemäß Artikel 45 a Abs. 2 und 3 GG wahrnimmt, dient gegenüber der Bundesregierung auch das Zitierrecht des Artikels 43 Abs. 1 GG121 • Dieses Recht ist hier noch erweitert. Denn die Möglichkeit des zi115 116

117 118 119

120 121

3'

Siehe oben III. Siehe oben Anm. 13. Siehe oben Anm. 91. § 60 Abs. 2 GOBT (§ 62 Abs. 1 n.F., dazu oben Anm. 19). § 7 Abs. 1 GOBT. Dazu Troßmann, Parlamentsrecht (Anm. 13), § 7 Rdnr. 1, § 60 Rdnr. 4. Desgl. Maunz, in: Maunz/ Dürig / Herzog / Scholz, Art. 44 Rdnr.48; a.A.:

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tierten Regierungsmitgliedes, eine gewünschte Auskunft zu verweigern, im allgemeinen zulässig bei Berufung auf einen konkreten wichtigen Grund 122, ist wegen des besonderen Zwecks eines Untersuchungsverfahrens enger umgrenzt. Artikel 44 Abs. 2 GG schreibt für die Beweiserhebung eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen über den Strafprozeß vor. Verwiesen wird also auf die prozessuale Aussagebefugnis von Mitgliedern der Bundesregierung nach § 54 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 des Bundesministergesetzes. Nach den genannten Vorschriften soll die Bundesregierung die Aussagegenehmigung nur bei Nachteilen für das Wohl des Bundes oder eines Landes, auch bei ernstlicher Gefährdung oder erheblicher Erschwerung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben versagen. Es fragt sich aber, ob damit schon eine sinngemäße Anwendung dieser Regelung gefunden ist, die dem Zweck der parlamentarischen Untersuchung gerecht wird. Dieselbe Frage stellt sich für die weiteren Ermittlungsbefugnisse des Ausschusses, die seinen Informationsanspruch gegenüber der Bundesregierung verstärken: Sollen Bedienstete des Bundes gehört werden oder verlangt der Ausschuß von Bundesbehörden Aktenvorlage, so sind entsprechende Voraussetzungen vorgesehen, nach denen Aussage- oder Vorlagegenehmigung verweigert werden darf 123 • Eine parlamentarische Untersuchung, die doch feststellen soll, ob öffentliche Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt worden sind, kann nicht generell wegen möglicher Beeinträchtigung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingeschränkt sein. Eine Berufung auf diesen Gesichtspunkt scheidet deshalb für eine Verweigerung der Aussagegenehmigung in einem Untersuchungsverfahren aus12' . Für die weitere Frage, ob Aussagegenehmigung und Aktenvorlage aus Gründen des Staatswohls verweigert werden können, sind im Einzelfall das Untersuchungs- und das Geheimhaltungsinteresse gegeneinander abzuwägen. Da die Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen gerade dem Allgemeinwohl dienen soll, darf die Geheimhaltung kein Verweigerungsgrund sein, wenn die beabsichtigte Beweiserhebung unmittelbar das Untersuchungsthema Ritzel / Bücker (Anm. 13), § 46 Er!. 1 c a.E., wo der Standpunkt vertreten wird, das Zitierrecht der Untersuchungsausschüsse ergebe sich nicht aus Art. 43 Abs. 1, sondern aus Art. 44 GG. 122 Siehe oben I 4. 123 Aussagegenehmigung von Bedeutung auch für die Anordnung des Zeugniszwanges gemäß §§ 51, 70 StPO - darf nach § 54 Abs. 1 StPO in Verb. mit §§ 61 Abs. 2 und 62 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (oder mit § 14 Abs. 2 des Soldatengesetzes) nur wegen der Kriterien versagt werden, die zur Aussageverweigerung bei Regierungsmitgliedern berechtigen. Aktenvorlage darf nach § 96 Stpo nicht gefordert werden, wenn die oberste Dienstbehörde ein Bekanntwerden des Akteninhalts als nachteilig für das Wohl des Bundes oder eines Landes ansieht. 124 Desgl. Horst Emke, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und Verfassungsschutzämter, in: DÖV 1956, S. 417 ff. (419).

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betrifftl25 • Die Enquete-Kommission Verfassungsreform des Bundestages der 7. Wahlperiode ist folgerichtig zu der Auffassung gelangt, daß der Begriff "Wohl des Bundes" einer Konkretisierung bedarf, nämlich nicht jeder, sondern nur ein erheblicher Nachteil zu berücksichtigen sei unu dieser nicht nur behauptet, sondern glaubhaft gemacht werden sollte126• So schlägt die Kommission eine Regelung in Artikel 44 GG vor, nach der die Bundesregierung und ihre Mitglieder zur Vorlage aller vom Untersuchungsausschuß angeforderten Akten und Unterlagen verpflichtet wird, es sei denn, sie machen glaubhaft, daß durch die Vorlage erhebliche Nachteile für die äußere, innere oder wirtschaftliche Sicherheit der Bundesrepublik oder für deren Beziehungen zu anderen Staaten eintreten; für den Fall, daß ein Mitglied der Bundesregierung Aktenvorlage oder Aussagegenehmigung verweigert, soll der Untersuchungsausschuß eine Entscheidung der Bundesregierung verlangen können127 • Auch zusätzliche Entscheidungen durch parlamentarische Institutionen sind erwogen worden, bevor sich zuletzt eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht nach Artikel 94 Abs.l Nr. 1 GG anbietet. So wird in einem Sondervotum der Kommission empfohlen, über die Zulässigkeit der Versagung einer Aussagegenehmigung oder einer Aktenvorlage den Ausschußvorsitzenden befinden zu lassen, gegen dessen Entscheidung eine Anrufung des Parlamentspräsidiums durch die Bundesregierung, ein Drittel der Ausschußmitglieder oder eine Fraktion ermöglicht werden könnte l28 • 2. Petitionsausschuß

Zunächst ist es wiederum das Zitierrecht, das den parlamentarischen Petitionsinformierungsanspruch gegen die Regierung129 stützt und den vom Bundestag nach Artikel 45 c GG einzusetzenden Petitionsausschuß berechtigt, Sachaufklärung von der Bundesregierung zu verlangen. Bei Petitionen, die keine Beschwerden über konkrete Vorfälle, sondern Bitten, namentlich als Anregungen zur Gesetzgebung enthaltenl30 , ist allein das Zitierrecht Rechtsgrundlage für die Überprüfung. Es besteht also ein Anspruch auf mündliche Information durch die Mitglieder der Bundesregierung; schriftliche Stellungnahmen sind im beiderseitigen Einverständnis zulässig und in der Praxis zumindest als vorläufige Auskunft üblich l3t • Eine Verpflichtung zur schriftlichen Äußerung besteht 125 Desgl. Ehmke (Anm. 124), S. 419 f.; von Mangoldt I Klein, Art. 44 Er!. III 5 b; Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 44 Rdnr.57. 126 Schlußbericht, a.a.O. (Anm. 3), S. 56. 127 Ebd., S. 52. 128 Ebd., S. 69. 129 Dazu Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 17 Rdnr.75. 130 Zur Unterscheidung zwischen Bitten und Beschwerden vgl. Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 45 c Rdnrn. 19, 20. 131 Siehe oben I 5. .

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nicht und kann auch nicht aus dem Grundrecht des Petenten nach Artikel17 GG auf sachgemäße Erledigung seiner Eingabe hergeleitet werden 132 • Eine solche Verpflichtung stände im Widerspruch zu dem Recht der Regierungsmitglieder und ihrer Beauftragten nach Artikel 43 Abs. 2 GG auf jederzeitige Anwesenheit und Anhörung in der Sitzung des Petitionsausschusses. Die Verfassung berechtigt die Regierung zu mündlicher Unterrichtung und verpflichtet die Regierungsmitglieder dazu, wenn der Ausschuß von ihnen Auskunft verlangt l33 ; für eine zusätzliche Verpflichtung zu schriftlicher Äußerung reicht Artikel 17 GG als Anspruchsgrundlage nicht aus. Das Recht des Petenten, sich an die Volksvertretung zu wenden, bleibt unberührt, es setzt nicht notwendigerweise eine schriftliche Information des Parlaments durch die Regierung voraus. Zur Behandlung von Beschwerdenl3f sind dem Petitionsausschuß neben dem Zitierrecht weitere, gerade gegenüber der Bundesregierung einzusetzende Auskunftsmittel gegeben, darüber hinaus wird der Regierung die Möglichkeit einer Antwortverweigerung ausdrücklich enger umgrenzt. Dies regeln der 1975 dem Grundgesetz eingefügte Artikel45c und das zugehörige Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses135 • Das parlamentarische Petitionsinformierungsrecht ist dadurch für die überprüfung von Beschwerden erheblich erweitert worden, nämlich durch das Recht auf Auskunft außer von der Bundesregierung auch von allen den Bundesministerien nachgeordneten Behörden einschließlich des Rechts auf Aktenvorlage und Zutritt zu behördlichen Einrichtungen13s • Hinsichtlich der Form der zu erteilenden Auskünfte ist zwischen Bundesministerien und sonstigen Bundesbehörden zu unterscheiden. Die Bundesregierung hat ein jederzeitiges Rederecht im Petitionsausschuß, ihre Mitglieder sind auf Verlangen des Ausschusses ausschließlich zu mündlicher Auskunft verpflichtet, wenngleich in der Regel schriftliche Äußerungen beiden Seiten genügen. Von nachgeordneten Behörden, soweit sie nicht bevollmächtigt sind, für die Bundesregierung oder eines seiner Mitglieder Erklärungen abzugebenl37 , kann demgegenüber eine schriftliche oder auch eine fernmündliche Auskunft verlangt werden138 • Alle Behörden des Bundes, eingeschlossen die Ministerien, dürfen Akteneinm A.A.: Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 17 Rdnr. 75. Siehe oben I 4, 5. 134 Siehe oben Anm. 130. 135 Vgl. H.-J. Vonderbeck, Zur Entwicklung des parlamentarischen Petitionsrechts von den Anfängen bis zur jüngsten Neuregelung für den Deutschen Bundestag, in: ZParl1975, S. 178 ff. (184 ff.); siehe auch unten S. 80 ff. (87 ff.). 136 §§ 1, 2 G 45 c. 137 In diesem Fall würden sie zu Beauftragten der Regierung mit dem Redeprivileg des Art. 43 Abs.2 GG. Dazu von Mangoldt I Klein, Art. 43 Erl. III 2; Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 43 Rdnr. 15. 138 Vgl. auch Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 45 c, Rdnr. 24. 133

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sicht, Auskünfte und Inspektionen nur aus gesetzlichen oder anderen zwingenden Geheimhaltungsgründen verweigern; die Verweigerung bedarf einer begründeten Entscheidung der jeweils zuständigen obersten Aufsichtsbehörde139 • Das Recht des Petitionsausschusses, Zeugen und Sachverständige sowie den Petenten selbst anzuhören140, ist zwar nicht mit der Kompetenz verbunden, Erscheinen und Aussage zu erzwingen. Doch können als Zeugen oder Sachverständige auch die betroffenen Bediensteten der Bundesverwaltung geladen werden l41 ; hier ist die Aussagegenehmigung nur bei entsprechender Anwendung der Bestimmung zu versagen, die das behördliche Auskunftsverweigerungsrecht regeW 42 Im übrigen kann der Ausschuß die Ausübung seiner gesetzlichen Befugnisse im Einzelfall auf eines oder mehrere seiner Mitglieder übertragen143 • Beschließt auf Antrag des Petitionsausschusses der Bundestag über die Erledigung von Petitionen - Bitten oder Beschwerden - in der Weise, daß er Eingaben zur Berücksichtigung oder zur Erwägung an die Bundesregierung überweist, so erwartet er von der Regierung binnen angemessener Frist eine schriftliche Auskunft über die Ausführung des Beschlusses zumindest in der Form eines Zwischenberichtslu. Die Auskunft wird nicht an alle Mitglieder des Hauses, sondern nur als Ausschußdrucksache an die Mitglieder des Petitionsausschusses verteilt und im übrigen den Parlamentarischen Geschäftsführern zugeleitet145 • 3. Wehrbeauftragter

Zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle im militärischen Bereich wählt der Bundestag den Wehrbeauftragten gemäß Artikel 45 b GG zu seinem Hilfsorgan146 • Wird der Wehrbeauftragte tätig - auf Weisung des Bundestages oder seines Verteidigungsausschusses147, als Petitions138 § 3 G 45 c; dazu DÜ'I'ig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 45 c Rdnrn. 27, 28. uo §§ 4, 5 G 45 c. 141 Vgl. Vonde'l'beck, Petitionsrecht (Anm.135), S. 186 f.; siehe auch unten S.89. 142 Analoge Anwendung von § 3 G 45 c bejaht auch DÜ'I'ig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 45 c Rdnr. 33. 143 § 6 G45 c. lU § 115 GOBT, § 11 GGO 11 (dazu oben Anm. 90). 145 Vgl. Vonde'l'beck, Petitionsrecht (Anm.135), S. 183 f.; siehe auch unten S. 87, 91. U6 §§ 13 bis 15 WehrbG, § 116 a GOBT (§ 113 n.F., dazu oben Anm. 19). U7 § 2 Abs.l WehrbG: Dem Plenum gegenüber hat hier der Verteidigungsausschuß insofern Vorrang, als er aus eigenem Recht gemäß Art. 45 a Abs.2, 3 GG die Stellung eines Untersuchungsausschusses hat; der Bundestag darf nämlich dem Wehrbeauftragten nur solche Vorgänge überweisen, die nicht auch Gegenstand eines Untersuchungsverfahrens des Verteidigungsausschusses sein können. Dazu Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 45 b Rdnr.11.

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instanz des SoldatenU8 , ferner aus eigener Initiative im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens bei einer Verletzung von Grundrechten des Soldaten oder der Grundsätze über die innere Führung l49 - , so ist er in der Durchführung seiner Aufgaben von Weisungen frei, nur allgemeine Richtlinien des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses sind für ihn bindend l5O • In seiner Funktion als Kontrollorgan des Parlaments hat der Wehrbeauftragte keinerlei Weisungsbefugnisse gegenüber der Exekutive. Er ist auf Informations- und Anregungsrechte beschränkt; diese sind freilich in Erweiterung der allgemeinen parlamentarischen Möglichkeiten zu speziellen Kontrollmitteln ausgestaltetl51 : Der Wehrbeauftragte kann Auskunft und Akteneinsicht vom Bundesminister der Verteidigung und allen nachgeordneten Dienststellen und Personen verlangen; zu verweigern ist dies nur aus zwingenden Geheimhaltungsgründen, die der Minister vor dem Verteidigungsausschuß vertreten muß. Der Informationsanspruch des Wehrbeauftragten erhält noch zusätzliches Gewicht durch die Möglichkeit des jederzeitigen und unangemeldeten Besuchs bei allen Einrichtungen der Bundeswehr. Darüber hinaus kann der Wehrbeauftragte die Regelung einer Angelegenheit bei betroffenen Stellen anregen, Vorgänge den zur Einleitung eines Strafoder Disziplinarverfahrens zuständigen Stellen zuzuleiten, an solchen Verfahren teilnehmen und über aufgeworfene Fragen Berichte des Bundesministers der Verteidigung oder der Justiz anfordern. So weitreichend alle diese Befugnisse schon sind, von entscheidender Bedeutung bleibt, daß der Bundestag und sein Verteidigungsausschuß die Erkenntnisse des Wehrbeauftragten, der dem Parlament zu berichten sowie Plenum und Ausschuß auf Verlangen jederzeit Rede und Antwort zu stehen hat152 , auswerten und die Bundesregierung zur Verantwortung ziehen können. 4. Gemeinsamer Ausschuß

Der von Abgeordneten aus dem Bundestag und weisungsfreien Mitgliedern des Bundesrates gemäß Artikel 53 a Abs. 1 GG zu bildende Ausschuß I53 hat als Notparlament für den Verteidigungsfall anstelle der beiden Gesetzgebungsorgane nach Artikel 115 e GG deren Rechte zu übernehmen. Um jederzeit ohne Übergangsschwierigkeiten auf diese Funktion vorbereitet zu sein, bleibt der Gemeinsame Ausschuß in be148 149

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§ 7 WehrbG. § 2 Abs. 2 WehrbG. § 5 WehrbG. § 3 WehrbG. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 u. § 6 WehrbG; §§ 116 b, 116 c GOBT (§§ 114, 115

n.F., dazu oben Anm. 19). 153 Der Gemeinsame Ausschuß besteht aus 22 Bundestags- und 11 Bundesratsmitgliedern bei einer je entsprechenden Anzahl von Stellvertretern, vgl. §§ 1 bis 5 GO GemA.

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sonderer Weise auf eine ständige Information durch die Bundesregierung angewiesen. Deshalb ist nach Artikel 53 a Abs. 2 GG der Gemeinsame Ausschuß von der Bundesregierung über deren Planungen für den Verteidigungsfall zu unterrichten, und zwar unbeschadet des Zitier- und Fragerechts des Bundestages und seiner Ausschüsse ebenfalls auf dem Gebiet der Verteidigung. Ergänzend bestimmt die Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß, daß schon außerhalb des Verteidigungsfalles der Ausschuß mindestens zweimal jährlich zu Informationssitzungen zusammentritt und im übrigen einberufen werden muß, wenn der Bundespräsident, der Bundeskanzler oder sechs Ausschußmitglieder dies verlangen154. Die gebotene Unterrichtung des Gemeinsamen Ausschusses durch die Bundesregierung hat mehr zu sein als eine Information jeweils auf Verlangen. Denn Informationen verlangen kann der Ausschuß bereits aufgrund des Zitierrechts, das ihm als einem gemischten Ausschuß von Bundestag und Bundesrat zusteht155 • Daß der Ausschuß auch außerhalb des Verteidigungsfalles das Zitierrecht hat, wird allerdings in der Literatur bestritten. Diese Auffassung sieht in der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, den Ausschuß ohne besondere Aufforderung zu unterrichten, eine ausschließliche Regelung und bejaht erst im Verteidigungsfall ein Zitierrecht des Ausschusses, weil dieser dann die Rechte des Bundestages und des Bundesrates wahrnimmt156 • Eine solche Annahme ist nicht begründet. Ein Nebeneinander von Zitierrecht und besonderem Anspruch auf laufende Unterrichtung ohne vorheriges Verlangen sieht das Grundgesetz an anderer Stelle ausdrücklich vor, nämlich für den Bundesrat im Artikel 53. Da sich beide Rechte sinnvoll ergänzen können, ist nicht einzusehen, warum für den Gemeinsamen Ausschuß das Zitierrecht vor und nach dem Verteidigungsfall ausgeschlossen sein soll; jedenfalls deutet nichts darauf hin, daß die Verfassung den Ausschluß gewollt haben könnte. Im übrigen kann doch wohl kein Zweifel bestehen, daß der Ausschuß auch im Verteidigungsfall beide Rechte besitzt, weil er den Anspruch auf laufende Unterrichtung durch die Bundesregierung neben dem Zitierrecht behält. Daher setzt die Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses ein ständiges Zitierrecht voraus, indem sie nicht nur von dem Zutrittsrecht der Regierungsmitglieder spricht, sondern auch von ihrer Pflicht, auf Beschluß des Ausschusses an seinen Sitzungen teilzunehmenl57 •

154 § 8 GOGemA; vgl. auch Jost Delbrück, in: Bonner Kommentar, Art. 53 a Rdnrn. 37 bis 39. 155 Siehe oben I 2. 156 So Schröder (Anm.1), Art. 43 Rdnr. 31 a; wohl ebenso Schäfer (Anm.3), S.46; Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 53 a Rdnr.6; Hans Lechner / Klaus Hülshoff, Parlament und Regierung, 3. Aufl., München 1971, Art. 53a Erl. 1; Delbrück, in: Bonner Kommentar, Art. 53 a Rdnrn. 34, 35. 157 § 11 Abs. 2 GOGemA. .

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Gewährt die Verfassung dem Gemeinsamen Ausschuß neben dem Zitierrecht den Anspruch auf Unterrichtung über die Verteidigungsplanungen der Bundesregierung, so ist hier eine Information gemeint, die unaufgefordert, nämlich rechtzeitig und fortlaufend gegeben wird U8 • Das folgt auch aus dem ausdrücklichen Bezug auf die Planungen der Regierung. Eine Unterrichtung über einschlägige Planungen umfaßt sinnvollerweise alle als möglich erwogenen Maßnahmen159 und macht eine Berichterstattung von gewisser Regelmäßigkeit unentbehrlich, zunächst in den ordentlichen Sitzungen des Ausschusses und bei besonderem Anlaß zusätzlich in Sondersitzungen, wie sie der Bundeskanzler jederzeit verlangen kann l60 • Schließlich hat der Ausschuß mit dem Zitierrecht eine Handhabe, seinem Informationsanspruch Nachdruck zu verleihen, indem er jederzeit die Teilnahme von Regierungsmitgliedern an seiner Sitzung beschließen kann. Hinsichtlich der Möglichkeit für die Regierung, dem Ausschuß Antworten zu verweigern, ist zunächst an die Praxis zu erinnern, die sich bei der Wahrnehmung des verfassungsrechtlichen Unterrichtungsanspruchs des Bundesrates entwickelt hat. Nach Artikel 53 GG haben der Bundesrat und seine Ausschüsse das Zitierrecht,und ausdrücklich steht dem Bundesrat der Anspruch zu, daß ihn die Bundesregierung über die Führung der Geschäfte auf dem Laufenden hält. Auch hier ist eine Verpflichtung der Regierung anerkannt, ständig und ohne Aufforderung zu informieren, zudem in einem weitgespannten Rahmen, der alle von der Verfassung übertragenen Aufgaben der Bundesregierung umfaßt161 • Es ist Praxis geworden, daß die Bundesregierung diese Informationen überwiegend in den Ausschüssen des Bundesrates erteilt. Vor allem im Ständigen Beirat, den der Bundesrat eigens zur "Aufrechterhaltung der laufenden Verbindung zwischen Bundesrat und Bundesregierung" eingerichtet hat162 , besteht ein enger Kontakt zur Regierung, die dort regelmäßig nach ihren Kabinettsitzungen berichtetl63 • Mit der Verlagerung dieser fortDesgl. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 53 a Rdnrn. 61, 63. Dazu Herzog, in Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 53 a Rdnrn. 60, 62. 160 Siehe oben Anm. 154. 161 Dazu Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art.53 Rdnrn.12, 14; ders., Staatsrecht (Anm.3), § 38 Abschn. II 1, S.368; Hans Ulrich Scupin, in: Bonner Kommentar, Art. 53 Erl. II 2; Adolf Schüle, Die Informationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat, in: Festschrift für earl Bilfinger, Köln 1954, S. 441 ff.; Gebhard Ziller, Der Bundesrat, 4. Aufl., Düsseldorf 1973, S. 79 ff. 162 So § 9 GOBR, wonach der Ständige Beirat beim Präsidium des Bundesrates eingerichtet und von den Bevollmächtigten der Länder gebildet wird, die in der Regel einmal wöchentlich zusammentreten. 183 Vgl. Jochen Abr. Frowein, Bemerkungen zu den Beziehungen des Bundesrates zu Bundestag, Bundesregierung und Bundespräsident, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, herausgg. vom Bundesrat, Bad Honnef u. Darmstadt 1974, S.115 ff. (185 f.); Ziller (Anm. 161), S. 80 f. 158

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laufenden Unterrichtung in die Ausschüsse des Bundesrates wird dem Grundsatz Rechnung getragen, daß eine in der Verfassung ausdrücklich normierte Informationspflicht der Regierung kein Zurückziehen auf Geheimhaltungserfordernisse gestattet. Nur bleibt zu erwägen, ob Sicherheitsinteressen oder der gebotene Vertrauensschutz Anlaß geben, bestimmte Auskünfte auf die vertrauliche Sitzung eines zahlenmäßig nicht zu großen Gremiums zu beschränken184 • Dieselbe Frage stellt sich in besonderer Weise für die Pflicht der Bundesregierung, über ihre Verteidigungsplanungen zu unterrichten. Zwar verlangt das Grundgesetz diese Unterrichtung zunächst gegenüber dem Gemeinsamen Ausschuß; es läßt aber ausdrücklich den Informationsanspruch des Bundestages und seiner Ausschüsse unberührt, soweit diese von ihrem Zitierrecht Gebrauch machen l85 • Das bedeutet, daß einem solchen Informationsverlangen aus dem Bundestag grundsätzlich eine Berufung auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Verteidigungsplanungen nicht entgegengehalten werden darf, daß aber eine Beschränkung der Unterrichtung auf einen engeren sachkundigen Kreis geboten sein kann, wie er sich hier neben dem Gemeinsamen Ausschuß vor allem im Verteidigungsausschuß des Bundestages oder noch vertraulicher in der Kontrollkommission für die Nachrichtendienste anbietet1s8 • 5. Parlamentarische Kontrollkommission für die Nachrichtendienste

Auf dem besonders geheimhaltungsbedürftigen Gebiet des Staatsschutzes ist eine für die parlamentarische Kontrolle notwendige Information bei Wahrung der Arbeitsfähigkeit der Nachrichtendienste überhaupt nur erreichbar, wenn der Kreis der Geheimnisträger klein gehalten werden kann. Aus dieser Erwägung wurde 1978 durch das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes 187 in Fortführung einer bisher nicht gesetzlich geregelten Praxis die Parlamentarische Kontrollkommission eingeführt. Die Zahl ihrer zur Geheimhaltung verpflichteten Mitglieder bestimmt der Bundestag und wählt diese aus seiner Mitte mit absoluter Mehrheit für die Dauer einer Wahlperiode; der Bundestag entschied sich für acht Mitglieder1s8, Stellvertreter sind nicht vorgesehen. Dazu Schüle (Anm. 161), S. 458 f.; ZiHer (Anm. 161), S.81. Art. 53 a Abs. 2 Satz 2 GG. 186 Desgl. Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 53 a Rdnrn. 65, 66; Magiera (Anm. 8), S. 319. 167 Gesetz v. 11.4.1978 (BGBL I S.453), das unter Berücksichtigung der bis dahin geltenden Praxis des parlamentarischen Vertrauensmännergremiums für die Nachrichtendienste geschaffen worden ist. 168 §§ 4, 5 Abs. 1 des Gesetzes; dazu Beschluß des Bundestages der 8. Wahlperiode in 83. Sitzung am 13.4.1978, Stenogr. Bericht, S. 6554, BT-Drucks. 8/1695. 164

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Der Parlamentarischen Kontrollkommission wird im Gesetz ein Anspruch auf umfassende Unterrichtung durch die Bundesregierung über die Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes zuerkannt169 • Der parlamentarischen Kontrolle sind also - entgegen einem ursprünglichen Gesetzentwurf - die Dienste nicht unmittelbar unterworfen; vielmehr wird die Bundesregierung in ihrer politischen Verantwortung für diesen Bereich kontrolliert. Das Gesetz betont, daß die Verantwortung der Regierung unberührt bleibt und durch diese Verantwortung auch Zeit, Art sowie Umfang der Unterrichtung bestimmt werden. Damit hält sich das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht der Kommission im Rahmen des allgemein für Ausschüsse geltenden Zitierrechts, so daß sich eine Verfassungsänderung für diese gesetzliche Regelung erübrigte170 • Das Gesetz läßt zudem ausdrücklich die Rechte des Bundestages und der Ausschüsse unberührt, um ein Informationsmonopol der Kontrollkommission auf diesem Gebiet auszuschließen. Freilich zwingt die gebotene Geheimhaltung dazu, die Informationen der Regierung über nachrichtendienstliche Tätigkeiten auf den engen Kreis der Kommission zu konzentrieren, die mindestens vierteljährlich zusammentritt, deren Einberufung jedes ihrer Mitglieder jederzeit verlangen kann und die zur Wahrung der Kontinuität auch über eine Wahlperiode hinaus in der bisherigen Besetzung bis zur Neuwahl der Kommissionsmitglieder tätig bleibt171 • Die Parlamentarische Kontrollkommission ist auch insofern kein Ausschuß der üblichen Art, als sie sich auf die Kontrolle des Informationsgebers beschränkt und dem Plenum des Bundestages nicht Beschlüsse empfehlen kann. 6. Gremium zur Kontrolle von Maßnahmen der Post- und Telefonüberwachung

Über die Durchführung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, seit 1968 in Kraft aufgrund der Ermächtigung des Artikels 10 Abs. 2 GG172, unterrichtet der für Beschränkungsmaßnahmen zuständige Bundesminister mindestens halbjährlich ein Gremium aus fünf vom Bundestag für die Dauer einer Wahlperiode gewählten Abgeordneten173 • Insoweit ist die Rechtsstellung dieses Gremiums mit der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Nachrichtendienste vergleichbar. Jedoch über die Konirollfunktion hinaus 169 §§ 1 bis 3 des Gesetzes. 170 Dazu Dieter Hömig, Zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, 42/77 S. 15 ff. (21 f., 30 f.); Hermann Borgs-Maciejewski, Die Nachrichtendienste im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, ebd., S. 33 ff. (35 f.). 171 § 5 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes. 172 Gesetz v. 13.8.1968 (BGBL I S. 949), geändert durch Gesetz v. 13.9.1978 (BGBl. I S. 1546) . . 173 § 9 Abs. 1 G 10.

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hat das Gremium bestimmten Beschränkungsmaßnahmen seine Zustimmung zu erteilen, ehe diese vom Minister angeordnet werden können17'. Dem Abgeordnetengremium steht eine unabhängige, keinerlei Weisungen unterworfene Kommission zur Seite. Deren Mitglieder, nämlich der Vorsitzende mit der Befähigung zum Richteramt und zwei Beisitzer, werden von dem Gremium nach Anhörung der Bundesregierung für die Dauer einer Wahlperiode bestellt mit der Möglichkeit einer verlängerten Amtsführung bis zur Neubesetzung175• Diese Kommission ist monatlich vom zuständigen Bundesminister zu unterrichten, nämlich über die an;." geordneten Beschränkungsmaßnahmen, die nur bei Gefahr im Verzuge schon vollzögen sein dürfen, und darüber, ob Betroffenen nachträglich Mitteilung gemacht wurde oder nicht. Auf der Grundlage dieser Unterrichtung und auch aus Anlaß von Beschwerden trifft die Kommission gerichtsähnliche Entscheidungen über Zulässigkeit und Notwendigkeit der Beschränkungsmaßnahmen sowie über das Erfordernis einer Mitteilung, im übrigen ist der Rechtsweg ausgeschlossen; den Entscheidungen hat der Minister unverzüglich nachzukommen176 • Sowohl das Abgeordnetengremium als auch die Kommission erfüllen ihre Aufgaben, ohne dadurch der Regierung ihre Verantwortung abzunehmen: Der Minister, der eine Beschränkungsmaßnahme anordnet, bleibt für die Durchführung voll verantwortlich177 •

VI. Schlußbemerkung Das Zitierrecht des Bundestages und seiner Ausschüsse nach Artikel 43 Absatz 1 GG gibt dem Parlament einen Anspruch auf umfassende Unterrichtung über alle Verantwortungs- und Tätigkeitsbereiche der Bundesregierung. Das Informationsrecht kann jederzeit in einem Verlangen auf Beschluß des Bundestages oder eines Ausschusses geltend gemacht werden, sowohl durch Auskunftsersuchen an die Regierung als auch durch Herbeirufen von Regierungsmitgliedern. Dieses Recht begründet die Antwortpflicht der Bundesregierung und nur in dem Ausnahmefall eines wichtigen Grundes das Recht, sich auf eine formelle Antwort zu beschränken. Auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Ermächtigung wird in besonderen Fällen das parlamentarische Informationsrecht durch Ge'setzesbestimmungen verstärkt, sei es durch eingeschränkte Möglichkeiten einer Aussageverweigerung der Regierung, sei es auf Seiten des Bundestages durch zusätzliche Rechte, insbesondere auf Aktenvorlage oder Zutritt zu Behörden, Befugnisse, die von Mitgliedern des Parlaments oder mit Hilfe eines Parlamentsbeauftragten ausgeübt werden. Schließ174 § 3 Abs. 1 G 10. 175 Ende der Amtszeit spätestens drei Monate nach Ablauf der Wahlperiode, § 9 Abs. 4 G 10. 176 § 9 Abs. 2 u. 3 G 10. 177 Siehe oben Anm. 82.

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lich enthält die Verfassung auch die Erweiterung des Zitierrechts durch einen Anspruch auf fortlaufende Unterrichtung, die von der Bundesregierung unaufgefordert und ständig zu leisten ist178 • Das Zitier- und Informationsrecht bedeutet für das Parlament die Legitimation, die Mitglieder der Regierung vorzuladen und zur Verantwortung zu ziehen. Parlamentarische Kontrolle der Regierung wird erst möglich, wenn diese ihr Tun und Lassen darlegt. Offenbarungspflicht der Regierung ist für eine wirksame Kontrolle durch das Parlament unabdingbar. Die Herbeirufung eines Regierungsmitgliedes setzt zwar einen Mehrheitsbeschluß des Bundestages voraus, doch fördert das Zitierrecht die Bereitschaft der Bundesregierung, schon auf Fragen aus der Mitte des Hauses Rede und Antwort zu stehen. So beruhen die verschiedenen von der Geschäftsordnung entwickelten Fragemöglichkeiten, die dem einzelnen Bundestagsmitglied oder Gruppen von nur wenigen Abgeordneten gewährt sind, in ihrer Erfolgsaussicht letztlich auf der Rechtsrnacht der dem Bundestag zustehenden Zitierbefugnis. Diese Tendenz wird noch verstärkt, indem die Geschäftsordnung der Minderheit gestattet, die Initiative für eine parlamentarische Aussprache zu ergreifen, die in ihrer Bedeutung bereits einer Herbeirufung des zuständigen Regierungsmitgliedes gleichkommt. Der Bundestag nimmt auf die Regierung, die ihm Rechenschaft ablegen muß, durch seine Verhandlungen im Plenum und in den Ausschüssen Einfluß. Die Bundesregierung in ihrer Verantwortung für die Staatsleitung zu kontrollieren, diese neben der Gesetzgebung eigentliche Aufgabe des Bundestages, ist in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt, wohl deshalb, weil sie sich bei einem Parlament von selbst versteht179 • Aber das Grundgesetz verzichtet nicht auf eine förmliche Rechtsgrundlage für die Kontrollfunktion des Parlaments: Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen. Das Zitierrecht des Bundestages gegenüber der Bundesregierung nach Artikel 43 Abs. 1 GG erweist sich als eine Kardinalnorm18o des parlamentarischen Regierungssystems. 178 A.A.: Magiera (Anm.8), S. 307 ff. Er bejaht aus dem Gesamtzusammenhang von parlamentarischem Zitierrecht, regierungseigenem Zutrittsrecht und beiderseitiger Anhörungspflicht, ferner aus den Informationsregelungen in besonderen Fällen - siehe oben V - und der allgemeinen Kommunikationspflicht der Staatsorgane eine generelle Verpflichtung der Bundesregierung zu laufender Unterrichtung des Bundestages. Auch Herzog / Pietzner (Anm.3), S. 88 ff., sprechen von einer allgemeinen Informationspflicht der Bundesregierung, nämlich "auch von sich aus" den Bundestag zu unterrichten (ebd., S. 92); sie machen jedoch die Einschränkung, daß der Bundestag von der Bundesregierung "keineswegs ebenso ,auf dem Laufenden zu halten' ist", wie dies Art. 53 Satz 3 GG zugunsten des Bundesrates verlangt (ebd., S. 90). 179 Desgl. Maunz, Staatsrecht (Anm. 3), § 36 Abschn. II 5, S.355. 180 Diese zentrale Bedeutung des parlamentarischen Zitierrechts und auch des Zutrittsrechts der Bundesregierung nach Art. 43 Abs. 2 GG betonen ebenso Herzog / Pietzner (Anm. 3), S. 88 f.; desgl. Magiera (Anm. 8), S. 312.

Regelung der Dehattendauer im Deutschen Bundestag* 1. bis 8. Wahlperiode

Bei der Festlegung der Gesamtdauer von Aussprachen im Bundestag' und der Begrenzung der Redezeiten der einzelnen Redner spielen die Fraktionen eine entscheidende Rolle. Entsprechende Vereinbarungen zwischen den Fraktionen werden von ihren Parlamentarischen Geschäftsführern getroffen; dies geschieht regelmäßig im Ältestenrat. Die Geschäftsführer sorgen auch für die Durchführung der Vereinbarungen. Aufgrund der fraktionsinternen Vorbereitungen und der interfraktionellen Vereinbarungen ist es fast immer gelungen, die abgesprochene Debattendauer im großen und ganzen einzuhalten. Dabei wird von den Geschäftsführern eine gewisse Kontrolle gegenüber den aus ihrer Fraktion gemeldeten Rednern hinsichtlich der Wortmeldung und der Redezeit ausgeübt.

I. Geschäftsordnungsdebatten Das Problem, eine Aussprache im Einzelfall zu begrenzen, stellt sich dem Bundestag nicht schon bei Ausführungen zur Geschäftsordnung. Denn hier trifft die Geschäftsordnung selbst strenge Vorschriften2 • Bemerkungen zur Geschäftsordnung dürfen sich während der Sitzung nur auf den zur Verhandlung stehenden oder unmittelbar vorher verhandelten Gegenstand oder auf den Geschäftsplan des Hauses beziehen. Eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung hat zwar Vorrang vor den Wortmeldungen zur Sache, jedoch erteilt der Präsident das Wort zur Geschäftsordnung grundsätzlich nach freiem Ermessen. Davon ausgenom• überarbeitete Fassung aus: ZParl1977, S. 404 ff. , Das Parlament tagt durchschnittlich 24 Wochen im Jahr. In jeder Sitzungswoche wird in der Regel an zwei oder drei Tagen debattiert (am Mittwoch wegen der Sitzungen der Ausschüsse nur Fragestunde oder Sitzung von 9 bis 14 Uhr, Donnerstag Sitzung von 9 bis 21 Uhr, Freitag von 9 bis 14 Uhr). In außergewöhnlichen Fällen tritt das Plenum an vier Tagen der Sitzungswoche zusammen (Dienstag bis Freitag). 2 § 34 GO. § 29 als entsprechende Regelung der neuen Geschäftsordnung (dazu unten Anm.60) enthält eine differenziertere Fassung: Der Geschäftsordnungsantrag während einer Sitzung muß sich auf den anstehenden Verhandlungsgegenstand oder auf die Tagesordnung beziehen. Außer dem Antragsteller hat je ein Sprecher der Fraktionen das Recht auf Worterteilung, sofern es sich nicht um Anträge handelt, über die das Haus nicht zu entscheiden hat, sondern denen nach der Geschäftsordnung stattzugeben ist (Verlangen oder Widerspruch).

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Regelung der Debattendauer im Bundestag

men ist das Recht auf Worterteilung für den Abgeordneten, der einen Geschäftsordnungsantrag stellen will. Im übrigen muß das Wort nur in besonders geregelten Fällen gewährt werden, so zur Fragestellung bei Abstimmungen und beim Widerspruch gegen einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung 3 • Doch auch hier gilt die allgemeine Regel, daß Bemerkungen zur Geschäftsordnung die Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten dürfen.

11. Sachdebatten Für die zeitliche Steuerung von Sachdebatten im Bundestag sind, abgesehen von der Sonderregelung der Aktuellen Stunde\ Absprachen unter den Fraktionen unentbehrlich. Der 1969 eingeführte Grundsatz, daß ein Redner nicht länger als 15 Minuten sprechen soll, hat sich nur teilweise durchsetzen können, weil die Fraktionen von dem Recht, für ihre Redner längere Redezeiten anzumelden, häufig Gebrauch machen'. Tatsächlich ist eine Debatte wohl nur zu straffen, wenn zunächst über die angemessene Gesamtdauer der Aussprache eine Verständigung erreicht wird. Die Geschäftsordnung ermöglicht daher, daß der Bundestag die 3 §§ 52 u. 29 GO. Hier ist das Rederecht schon von der Thematik eng umgrenzt, im zweiten Fall zudem auf einen Redner für und einen Redner gegen den Antrag beschränkt; beide Fälle sind von geringer praktischer Bedeutung. § 52 wird in die neue Geschäftsordnung (dazu unten Anm. 60) als § 46 n.F. übernommen, § 29 in der allgemeinen Regelung des § 29 n.F. (siehe oben Anm. 2) aufgehen. 4 Anlage 4 zur GO. Die Ende der 4. Wahlperiode eingeführte Aktuelle Stunde, die Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke beantragen oder im Anschluß an eine Fragestunde verlangen können, ist ohne Anrechnung der von Vertretern der Bundesregierung oder des Bundesrates in Anspruch genommenen Redezeit in der Regel auf eine Stunde, höchstens auf eineinhalb Stunden begrenzt; an die Beschränkung des einzelnen Redners auf fünf Minuten halten sich grundsätzlich auch Bundesregierung und Bundesrat. Nach der neuen Geschäftsordnung, die der Bundestag am 25.6.1980 - vgl. 225. Sitzung der 8. Wahlperiode, Stenogr. Bericht S. 18267 ff., dazu BT-Drucksachen 8/3460, 4127,4262 - mit Wirkung zum 1.10.1980 beschlossen hat, entfällt die Unterscheidung der Aktuellen Stunde auf Antrag und auf Verlangen, weil nunmehr Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke (oder die Fraktionen) eine Aktuelle Stunde auch unabhängig von einer Mündlichen Frage verlangen können (Nr. 1 der Anlage 5 zur GO n.F.). Neu ist auch die Regelung, daß dann, wenn ein Redner der Bundesregierung oder des Bundesrates in der Aktuellen Stunde länger als zehn Minuten spricht, ein übergang zur allgemeinen Debatte (ohne Sachanträge) von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke (oder von einer Fraktion) verlangt werden kann (Nr. 7 der Anlage 5 zur GO n.F.). 5 § 39 Abs. 2 GO: Die Fraktionen haben einmal den Anspruch auf eine Redezeit von 45 Minuten für je einen Redner; sie können zudem für jeden ihrer Redner einen Antrag auf Verlängerung stellen, dem der Präsident grundsätzlich stattgeben soll. Im übrigen kann der Präsident Redezeiten vel"längern, wenn der Gegenstand oder Verlauf einer Aussprache dies nahelegt. Zur Neuregelung in der ab 1.10.1980 geltenden Geschäftsordnung (dazu unten Anm. 60) siehe unten Anm. 64. - Bis 1969 galt noch die Regelung, daß der einzelne Redner nicht länger als eine Stunde sprechen sollte, wie es im wesentlichen der Geschäftsordnung des Reichstags der Weimarer Republik entsprach.

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Dauer der Aussprache über einen Gegenstand festsetzt 6 • Dazu bedarf es einer Auf teilung der Redezeiten auf die Fraktionen. Erst in der 7. Wahlperiode, zunächst für eine Debatte in der Mitte dieser Wahlperiode, sodann während des ganzen letzten Jahres konnte ein Verfahren praktiziert werden, das die Debattendauer durch eine generelle Aufteilung zwischen Koalition und Opposition einschließlich der Redner von Bundesregierung und Bundesrat einer strengen Kontingentierung unterzog. In der 8. Wahlperiode wurde diese konstante Aufteilung gelockert, indem für Reden der Regierungs- und Bundesratsvertreter die Regel eines Zeitausgleichs zur Gegenäußerung entwickelt werden konnte. Demgegenüber sind Ansätze in dieser Richtung während früherer Wahlperioden nicht von nachhaltigem Erfolg gewesen. Zu ausdrücklichen Vereinbarungen über die Dauer von Aussprachen kam es nur je einmal in der 6. und in der 3. Wahlperiode und im übrigen häufiger lediglich während der 1. Wahlperiode. Verfolgt man die Entwicklung von den Anfängen her, so ist eine gewisse aufsteigende Linie festzustellen. 1. Redezeiten nach Stärke der Fraktionen

In der 1. Wahlperiode war es üblich, daß der Bundestag jeweils auf Vorschlag des Ältestenrates vor allem bei der Aussprache zu Regierungserklärungen über die Debattendauer und die Verteilung der Redezeit auf die Fraktionen Beschluß faßte. Anders als im Reichstag der Weimarer Republik, der den Grundsatz gleicher Redezeit der Abgeordneten odel der Fraktionen praktiziert hatte7 , wurden jetzt die Zeitanteile nach Fraktionsstärken abgestuft, zunächst freilich sehr global, nämlich für die großen Fraktionen je eine Stunde, für die kleineren je eine halbe Stunde8 Man teilte auch gleichmäßig jeder Fraktion 15 Minuten zu9 • Dann vereinbarte man als vorläufige generelle Regelung einen mehr differenzierten Verteilungsschlüssel, so für eine Gesamtredezeit von 130 Minuten: CDU/ CSU und SPD je 30 Minuten, F.D.P. 15 Minuten, kleinere Fraktionen je 10 Minuten und die kleinste Fraktion 5 Minuten10 ; für Gesamtredezeiten von 100 und von 60 Minuten einigte man sich auf folgende Verteilung: 6

§

39 Abs. 1 GO



35 Abs. 1 Satz 1 n.F., dazu unten Anm. 60). Vgl. auch Nor-

bert Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, Berlin 1979, S. 82 f. 7 Dazu Hanns-Rudolf Lipphardt, Die kontingentierte Debatte, Berlin

1976, S. 20 ff., 25 ff. 8 Ältestenratsvereinb. v. 22.9.1949; Beschluß des Bundestages in der 7. Sitzung am 23.9.1949, Stenogr. Bericht S. 89. 9 Ältestenratsvereinb. v. 28.9.1949; Bekanntgabe der Rednerfolge in der 9. Sitzung des Bundestages vom selben Tag, Stenogr. Bericht S. 158. 10 Ältestenratsvereinb. v. 10.1.1950; dazu Beschluß des Bundestages in der 26. Sitzung am 11.1.1950, Stenogr. Bericht S. 788. Daß die Mindestredezeit auf nicht weniger als 5 Minuten festgesetzt werden soll, bestimmte ausdrücklichwenn auch erst ab 1952 - § 39 Abs. 1 Satz 4 GO in der bis 1969 geltenden Fassung. 4 Vonderbeck

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CDU/CSU und SPD je 15 bzw. 10 Minuten, alle übrigen Fraktionen je 10 bzw. 5 Minuten". Für eine längere Aussprache zu einer Regierungserklärung erhielten CDU/CSU und SPD je 50 Minuten, F.D.P. 30 Minuten, kleinere Fraktionen je 15 bis 20 Minuten und die kleinste Fraktion 10 bis 15 Minuten12 • War nur eine kurze Debatte vorgesehen, dann wählte man auch eine gleiche Redezeit für alle Fraktionen, etwa von jeweils 10 Minuten13 • Zu Beginn des zweiten Jahres der 1. Wahlperiode entschied man sich anläßlich einer auf acht Stunden festgesetzten Aussprache zu einer Regierungserklärung und damit verbundenen Anträgen erstmals für eine Verteilung der Fraktionsredezeiten nach dem Höchstzahlverfahren d'Hondt mit jeweiligem "Aufschlag" für Antragsteller14 • Die Aufteilung nach diesem System, bei kürzeren Debatten modifiziert zugunsten der kleinen Fraktionen mit einer Mindestredezeit von 5 Minuten15, wurde bis zum Ende der 1. Wahlperiode beibehalten18 • Es ist festzustellen, daß in allen Fällen, in denen es damals zur Beschränkung der Debattendauer und Aufteilung der Redezeiten kam, die Reden der Regierungs- und Bundesratsvertreter unberücksichtigt blieben. Die Vereinbarung von Redezeiten nach Fraktionsstärken ist im übrigen auch während der 2. Wahlperiode erwogen worden. So dachte man an folgenden Verteilungsschlüssel bei einer Gesamtredezeit von 115 Minuten: CDU/CSU 45 Minuten, SPD 35 Minuten, F.D.P. 15 Minuten und die beiden kleinsten Fraktionen je 10 Minuten; doch einigte man sich im Ältestenrat schon zu Beginn der Wahlperiode, die Einführung der unbeschränkten Rede zu versuchen, während den Fraktionen überlassen blieb, sich je nach Zeitablauf über eine Straffung von Debatten 11 Altestenratsvereinb. v. 17.1.1950; Hinweis des Präsidenten in der 29. Sitzung am 20.1.1950, Stenogr. Bericht S. 900, Beschluß des Bundestages in der 32. Sitzung am 27.1.1950, a.a.O., S. 982. 12 Altestenratsvereinb. v. 10.3.1950; Bekanntgabe in der 46. Sitzung des Bundestages vom selben Tag, Stenogr. Bericht S. 1561. 13 Vgl. 48. Sitzung des Bundestages v. 17.3.1950, Stenogr. Bericht S.1644. In der Regel blieb man jedoch bei gestaffelten Zeitanteilen, die im Einzelfall auch weniger als 5 Minuten betragen konnten; vgl. 65., 66., 71. Sitzung (2.6., 3.6., 25.6.1950), a.a.O., S. 2397 f., 2419 ff., 2571 ff. 14 Altestenratsvereinb. v. 25.10.1950; Beschluß des Bundestages in der 98. Sitzung am 8.11.1950, Stenogr. Bericht S. 3567. Für fraktionslose Abgeordnete war die Redezeit auf 10 Minuten begrenzt. 15 Altestenratsvereinb. v. 11.10.1951. Damit beendete man die bisher andere Praxis, vgl. etwa 105. Sitzung des Bundestages am 7.12.1950, Stenogr. Bericht S. 385 ff. Siehe auch oben Anm. 10. 16 Beschlossen wurden entsprechende Redezeiten in der Regel für große Debatten - vgl. etwa Altestenratsvereinb. v. 4.2.1952, Beschluß des Bundestages ohne ausdrücklichen Bezug auf die Anteile der Fraktionen, 190. Sitzung am 7.2.1952, Stenogr. Bericht S. 8108 - und für kürzere Aussprachen, die jeweils an nur einem Sitzungstage stattfanden - vgl. 205. Sitzung am 23.4.1952, a.a.O., S. 8819, 8845, 8852, 8861.

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zu verständigen17 • Der grundsätzliche Verzicht auf eine Begrenzung der Redezeiten rührte letztlich daher, daß es nicht erreichbar schien, die Reden der Regierungsmitglieder einzubeziehen. Regierungs- und Bundesratsmitglieder und ihre Beauftragten müssen nach Artikel 43 Abs. 2 des Grundgesetzes im Bundestag jederzeit gehört werden. Daraus folgt, daß sie das Wort unabhängig von einer Rednerliste verlangen können, sobald der gerade sprechende Redner seine Ausführungen beendet hat, darüber hinaus auch nach Ablauf beschlossener Redezeit, nach Schluß der Aussprache und ebenso außerhalb der Tagesordnung. Ergreift ein Vertreter von Bundesregierung oder Bundesrat das Wort, ist dem amtierenden Präsidenten gegenüber einer so weit gespannten Redebefugnis keine geschäftsordnungsmäßige Handhabe gegeben, die es erlaubte, auf Dauer oder Inhalt der Rede einschränkend Einfluß zu nehmen. Insbesondere besteht keine Möglichkeit, den Redner im Sinne der Geschäftsordnung zur Sache zu verweisen18 • Seine Grenze findet das Rederecht allein am Mißbrauchsverbot. Ergreifen Regierungs- oder Bundesratsmitglieder zu einem Gegenstand das Wort, für den die Redezeit der Fraktionen festgesetzt worden ist, so unterscheidet die Geschäftsordnung zwei Fälle: Wurde ihnen das Wort während der Aussprache und innerhalb des festgesetzten Zeitrahmens erteilt, dann haben die Fraktionen, deren Redezeit schon erschöpft ist, noch einen Anspruch auf ein Viertel ihrer Redezeit19 ; bei Worterteilung nach Schluß der Aussprache oder nach Ablauf der beschlossenen Redezeit ist die Aussprache wieder eröffnet20 , nunmehr zeitlich unbegrenzt, solange nicht eine neue Vereinbarung getroffen wird. Daß diese Bestimmungen aus der Sicht der Opposition nicht als ausreichend empfunden werden, um ein ausgewogenes Verhältnis gegenüber den Reden von Regierungsmitgliedern zu ermöglichen, machte der nächste Fall einer Redezeitregelung deutlich. 2. Verfassungsklage zum parlamentarischen Rederecht

In der 3. Wahlperiode wurde während einer Aussprache zu zwei Großen Anfragen am Beginn des vierten Sitzungstages gegen den in einer Geschäftsordnungsdebatte geäußerten Willen der Oppositionsfraktionen durch Mehrheitsbeschluß die weitere Aussprache auf acht Stunden begrenzt, indem die Fraktionen entsprechend ihrer Stärke nach dem Höchstzahlverfahren d'Hondt berechnete Redezeiten erhielten: CDU/CSU 17 Interfraktionelle Besprechung v. 14.10.1954. Ältestenratsvereinb. v. 10.11. 1953; dazu etwa 102. Sitzung des Bundestages der 3. Wahlperiode v. 17.2.1960, Stenogr. Bericht S. 5566. 18 § 40 Satz 1 GO (§ 36 Satz 1 n.F., dazu unten Anm. 60). 18 § 48 Abs. 2 GO (§ 44 Abs. 2 n.F., dazu unten Anm. 60). 20 § 48 Abs. 1 GO (§ 44 Abs. 1 ebd.) .

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4 Stunden und 17 Minuten, SPD 2 Stunden und 47 Minuten, F.n.p. 40 Minuten, DP 16 Minuten21 • Als im weiteren Verlauf der Debatte drei Regierungsmitglieder hintereinander das Wort ergriffen hatten, beantragte die Opposition die Aufhebung der beschlossenen Redezeitbeschränkung; der Antrag wurde abgelehnt22 •

Die zu diesem Sachverhalt von Abgeordneten der Opposition eingereichte Organklage hat das Bundesverfassungsgericht abgewiesen. Das Urteil enthält zur Redezeitvereinbarung eine Reihe von Klarstellungen!3: Die Zulässigkeit eines Beschlusses über die Dauer einer Aussprache ergibt sich aus dem Recht des Parlaments, das Ende der Debatte zu beschließen2\ ein Recht, ohne das kein Parlament auf die Dauer arbeitsfähig bleiben kann. Ihre Grenze findet eine solche Maßnahme am Wesen und an der grundsätzlichen Aufgabe des Parlaments, Forum für Rede und Gegenrede zu sein. In diesem Rahmen unterliegt das Rederecht des Abgeordneten - Bestandteil des Status, wie ihn Artikel 38 GG verleihtdem vom Parlament kraft seiner Autonomie gesetzten Schranken. Die Verteilung einer vom Bundestag beschlossenen Gesamtredezeit auf die Fraktionen ist daher mit dem Abgeordnetenstatus vereinbar. Das Redeprivileg der Regierungsmitglieder nach Artikel 43 Abs. 2 GG kann jedoch durch den Bundestag nicht beschränkt werden. Die von den Antragstellern beanstandete dreifache Wortmeldung der Regierung hat das Gericht nicht als Mißbrauch gewertet. Als Kriterien des Mißbrauchs werden genannt die Funktionsstörung des Bundestages durch übermäßige Häufung von Regierungsreden und der Gebrauch des Redeprivilegs für sachfremde Ziele, etwa um der Opposition die Darlegung ihres Standpunktes unmöglich zu machen oder sie während günstiger Rundfunk- und Fernsehempfangszeit geflissentlich von der Rednertribüne fernzuhalten. Es wird dann eingehend begründet, daß bei einer Redezeitvereinbarung die Reden der Regierungsmitglieder nicht den Mehrheitsparteien zugerechnet werden müssen. Da die Regierung mehr sei als Exponent der Parlamentsmehrheit, dürften Regierungsreden nicht nur wie eine hinzukommende, erweiterte Vertretung des Mehrheitsstandpunktes betrachtet werden. So sei es unbedenklich, wenn der Bundestag davon absehe, für alle Fälle, in denen durch Regierungsvertreter der festgesetzte Zeitplan verändert werde, einen Ausgleich anzuordnen, und statt dessen sich auf die Regelung des § 48 G0 25 beschränke. Diesen Feststellungen soll nicht widersprochen werden. Die Entscheidung läßt aber die Möglichkeit unerwähnt, daß sich Bundesregierung und 21

22 23 24

25

21. Sitzung des Bundestages am 25.3.1958, Stenogr. Bericht S. 1057 ff. Siehe a.a.O., S. 1115 ff. Vgl. Urteil v. 14.7.1959, in: BVerfGE 10,4 (12 ff.). § 30 Abs. 2 GO (§ 25 Abs. 2 n.F., dazu unten Anm. 60). § 44 n.F. (dazu unten Anm. 60).

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Bundesrat an einer Redezeitvereinbarung beteiligen. Bezeichnenderweise haben Redezeitbeschränkungen, wie die Antragsteller sie beanstandet hatten, seitdem nicht mehr stattgefunden. Soweit eine Begrenzung von Debatten zustande kam, wurden die Zeitanteile zunächst wiederum nur global nach Fraktionsstärken gestaffelt; dabei begnügte man sich mit interfraktionellen Vereinbarungen, die im Plenum gar nicht oder doch nur gelegentlich mitgeteilt wurden26 • 3. Redezeitvereinbarung mit Beteiligung von Bundesregierung und Bundesrat

Eine ganz neue Debatteneinteilung erreichte man in der 6. Wahlperiode. War die bisherige Zeitplanung an dem überkommenen Prinzip einer Gewaltenteilung zwischen Gesamtparlament und Regierung ausgerichtet, so versuchte man jetzt das für die parlamentarische Verhandlung entscheidende Gegenüber von Koalition und Opposition zum Maßstab zu nehmen. Demgemäß wurde die für die Ostverträge vorgesehene Debattendauer zwischen den Rednern der Regierung und der Koalitionsfraktionen einerseits und den Rednern der Opposition andererseits verteilt unter jeweiliger Einbeziehung von Bundesratsmitgliedern je nach Parteizugehörigkeit, und zwar anfangs im Verhältnis von 111/2 Stunden zu 101/2 Stunden; eine nachträgliche Verlängerung um 4 Stunden teilte man im Verhältnis von 140 zu 100 Minuten27 • Diese Absprachen wurden nur in den Fraktionen und nicht im Plenum des Bundestages bekanntgegeben. Die Vereinbarung wirkte sich dahin aus, daß man entgegen der Vorstellung des Ältestenrates, nur in Ausnahmefällen solle von der 15Minuten-Rede abgewichen werden28 , die Beschränkung der einzelnen Redezeiten und auch die jeweiligen Redezeitanmeldungen entfallen ließ. Das Wort erteilten die amtierenden Präsidenten nach dem Prinzip von Rede und Gegenrede. Nur einmal sprachen zwei Regierungsvertreter nacheinander, das rief Protest der Opposition hervor. Entscheidend für das Gelingen der Zeitabsprache war, daß sich Bundesregierung und Bundesrat - erstmals - in die Redeordnung einfügten. Denn daß dies nur unter Vorbehalt ihres unverzichtbaren Rechts auf jederzeitiges Gehör möglich ist29 , steht der Durchführbarkeit einer derartigen Regelung nicht grundsätzlich entgegen. 28 Vgl. etwa 87. Sitzung des Bundestages der 5. Wahlperiode v. 25.1.1967, S. 4034: CDU/CSU 100, SPD 90, F.D.P. 60 Minuten. 27 171. bis 173. Sitzung des Bundestages v. 23. bis 25.2.1972, Stenogr. Bericht S. 9739 ff. Zu dem diesen Absprachen seit längerem vorausgegangenen Meinungsstreit vgl. Peter Schindler, Zum Streit um die gerechte Redezeitverteilung, in: ZParl 2. Jg. (1971), Heft 3, S. 253 ff. Vgl. auch Werner Blischke, Verfahrensfragen des Bundestages im Jahre 1972, in: Der Staat 1973, S. 65 ff. (66 f). 28 Ältestenratsvereinb. v. 21.2.1972. 29 AA.: Lipphardt (Anm. 7), S. 71 ff., der entgegen der herrschenden Meinung mit diesem Redeprivileg keine "Freistellung von der normalen oder festgesetzten Redezeit" gewährt sieht.

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4. Redezeiten nach konstantem Verteilungsschlüssel

Als erst in der Mitte der 7. Wahlperiode erneut eine Vereinbarung zur Begrenzung einer Debatte unter Einbeziehung der Redner von Regierung und Bundesrat getroffen wurde, da tat man einen weiteren Schritt und einigte sich über einen generell anwendbaren Verteilungsschlüssel: Koalitionsfraktionen und Regierung erhielten je 30010, die Oppositionsfraktion bekam 40 010 der Debattendauer zugewiesen, wiederum unter Anrechnung der Reden von Bundesratsmitgliedern je nach Parteizugehörigkeit. Sogleich bei ihrer ersten Anwendung erwies sich diese Formel als wirksam, obwohl man noch darauf verzichtet hatte, sich über die Dauer der Aussprache zu verständigen30 • Der Verteilungsschlüssel konnte dann gut ein Jahr später erneut aufgegriffen werden, nun ging man von absoluten Redezeiten aus: Koalitionsfraktionen 55 Minuten, Regierung 20 Minuten, Opposition 45 Minuten31 • Für die nächstfolgenden größeren Debatten kam es zu ähnlichen Regelungen, dabei addierte man einfach die Zeiten für die Koalitionsfraktionen und die Regierung3!. Es wiederholte sich noch einmal der Fall der Anwendung des Verteilungsschlüssels ohne eine Festsetzung der Gesamtdauer der Aussprache, also eine Verständigung auf die knappe Formel: Koalition 60010, Opposition 4001033 • Nachdem sich diese Zeitabsprachen für einzelne Debatten bewährt hatten, ging man dazu über, alle Tagesordnungspunkte einzubeziehen, zu denen an einem Sitzungstag Wortmeldungen zu erwarten waren. Jetzt erst schritt man weiter und erhob die interfraktionelle Vereinbarung zur Dauer der Aussprachen eines Sitzungstages jeweils bei Sitzungsbeginn zum Beschluß des Hauses34 • Grundlage aller Beschlüsse blieb die Auftei30 Agrardebatte, 122. Sitzung des Bundestages am 10.10.1974, Stenogr. Bericht S. 8108 ff. 31 Sportdebatte, 219. Sitzung des Bundestages am 30.1.1976, Stenogr. Bericht S.15220 ff. 32 Steuerdebatte, 221. Sitzung des Bundestages am 12.2.1976, Stenogr. Bericht S. 15388 ff.: Koalition 55, Opposition 35 Minuten; Wirtschaftsdebatte, 227. Sitzung am 11.3.1976, a.a.O., S. 15755 ff.: Koalition 200, Opposition 130 Minuten, später Neuverteilung von 40 und 50 Minuten; Aussprache zum Bundesbaugesetz, 227. Sitzung, a.a.O., S. 15840 ff.: Koalition 145, Opposition 95 Minuten; Europadebatte, 235. Sitzung am 8.4.1976, a.a.O., S. 16348 ff.: Koalition 180, Opposition 120 Minuten; Aussprache zum Berufsbildungsgesetz, 236. Sitzung am 9.4.1976, a.a.O., S. 16051 ff.: Koalition 145, Opposition 95 Minuten. 33 Polendebatte, 224. Sitzung des Bundestages am 19.2.1976, Stenogr. Bericht S.15531 ff. 3' 247. Sitzung des Bundestages am 3.6.1976, Stenogr. Bericht S.17505, für neun Tagesordnungspunkte von im Einzelfall 30 Minuten bis zu 3 Stunden; desgl. die 248. bis 257. Sitzung, so in der 256. Sitzung am 1.7.1976, a.a.O., S. 18325, für 22 Tagesordnungspunkte von je 15 Minuten bis zu 2 Stunden. Für die 258. Sitzung am 10.11.1976 erübrigte sich die Festlegung von Redezeiten, während auf eine solche für die letzte der 7. Wahlperiode, die 259. Sitzung am 8.12.1976, mit Rücksicht auf den Gegenstand, das Abgeordnetengesetz, verzichtet wurde.

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lung der Redezeiten im Verhältnis 6 zu 4 für die Koalition - einschließlich Regierung - und die Opposition bei jeweils entsprechender Anrechnung der Reden von Bundesratsmitgliedern je nach Parteizugehörigkeit, ohne daß dies in den Beschlüssen zum Ausdruck kam. Von einer Festsetzung der Dauer einer Aussprache nicht nur durch interfraktionelle Absprache, sondern durch den Bundestag, davon geht ja auch die Geschäftsordnung aus35 • Als Bundestagsbeschluß ist die Redezeitvereinbarung von stärkerer Verbindlichkeit. Erhebt sich gegen eine überschreitung beschlossener Zeiten Widerspruch, dann bedarf diese Verlängerung eines erneuten ausdrücklichen Beschlusses36 • Tatsächlich sind in allen Fällen die festgesetzten Zeiten im wesentlichen eingehalten worden; dabei bedurfte es nur einmal eines Verlängerungsbeschlusses37 • Das jederzeitige Rederecht, das sich Bundesregierung und Bundesrat über alle Zeitabsprachen hinaus vorbehalten müssen, ist nur in einem Fall in Anspruch genommen worden, als sich ein Bundesminister nach Ablauf der beschlossenen Gesamtredezeit noch zu Wort meldete. Der amtierende Präsident erteilte ihm das Wort mit dem Bemerken, daß damit die Aussprache wieder eröffnet werde38 • Das war ein Hinweis auf § 48 Abs. 1 G0 39 , der für die neu eröffnete Debatte keinerlei zeitliche Begrenzung ausspricht. Im übrigen kommt eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift in Betracht, wenn ein Redner der Regierung oder des Bundesrates zwar noch innerhalb der festgesetzten Gesamtredezeit, jedoch nach Ablauf des Zeitanteils spricht, der nach der Redezeitverteilung für den Redner maßgebend sein sollte. So wirkt diese Bestimmung als ein Ventil, wenn im Einzelfall von Bundesregierung oder Bundesrat der abgesprochene Zeitrahmen, an den sie sich aber in der Regel halten wollen, überschritten wird. Die Bestimmung eröffnet die Möglichkeit auch für eine neue Redezeitvereinbarung, die einen Ausgleich vorsehen kann'o. Spricht dagegen ein Regierungs- oder ein Bundes§ 39 Abs. 1 Satz 1 GO (§ 35 Abs. 1 Satz 1 n.F., dazu unten Anm. 60). § 39 Abs. 1 Satz 2 GO sieht vor, daß die vom Bundestag festgesetzte Dauer einer Aussprache während der Beratung geändert werden kann; § 35 Abs.l 35

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Satz 1 n.F. (dazu unten Anm. 60) setzt dies unausgesprochen voraus. - Demgegenüber muß der Wortmeldung eines Abgeordneten, die einen nur auf interfraktioneller Vereinbarung beruhenden zeitlichen Rahmen überschreitet, vom Präsidenten stattgegeben werden (dazu Heinhard Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, Berlin 1973, S. 100 f.). In der Regel freilich hält sich der Abgeordnete an den Zeitplan seiner Fraktion. 37 250. Sitzung des Bundestages am 10.6.1976, Stenogr. Bericht S.17804. Der Beschluß enthielt auch die interne Aufteilung: CDU/CSU weitere 25, F.D.P. weitere 10 Minuten. 38 250. Sitzung, a.a.O., S. 17808. 39 § 44 Abs. 1 n.F. (dazu unten Anm. 60). Siehe auch oben II 1 a.E. 40 Mit einem Ausgleich zugunsten der Opposition für die außer Zeitplan gehaltene Rede eines Regierungsvertreters, für die eines Bundesratsmitglieds zugunsten jeweils der "Gegenseite" ist auch dem Anliegen von Lipphardt

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ratsvertreter innerhalb seines festgesetzten Zeitanteils, so ist nicht etwa § 48 Abs. 2 G041 anwendbar. Die Regelung, daß einer Fraktion nach Ausschöpfung ihrer Redezeit noch einmal ein Viertel dieser Zeit zusteht, nachdem während der Aussprache Redner von Bundesregierung oder Bundesrat zu Wort gekommen sind, ist sinnvoll nur bei einer Zeitvereinbarung, an der Regierung und Bundesrat gar nicht beteiligt sind. Denn werden diese in die Vereinbarung einbezogen, dann bedarf es, solange sie ihren abgesprochenen Zeitanteil einhalten, für die beteiligten Fraktionen keines Ausgleichs. Die Zeitvereinbarungen konnten von den Fraktionen nicht zuletzt deshalb eingehalten werden, weil man die Beschränkung der einzelnen Debattenbeiträge gemäß § 39 Abs. 2 G042 auf grundsätzlich 15 Minuten nicht außer acht ließ. Die amtierenden Präsidenten verlangten nach wie vor vom jeweiligen Redner die Anmeldung seiner Redezeit43 • Zwischenfragen an den Redner wurden entgegen sonstiger Praxis auf die jeweiligen Redezeiten angerechnet. Das Bestreben der Präsidenten, auf das Einhalten der Zeitabsprache hinzuwirken, führte bei Häufung von Wortmeldungen dazu, daß Redezeiten auf weniger als 15 Minuten gekürzt wurden4'. 5. Zeitausgleich zur Entgegnung auf Redner der Bundesregierung oder des Bundesrates

Obgleich das Verfahren, durch Bundestagsbeschluß die Dauer der Debatten nach konstantem Verteilungsschlüssel, an den sich auch Bundesregierung und Bundesrat grundsätzlich halten, festzulegen, im Laufe des letzten Jahres der 7. Wahlperiode so regelmäßig angewandt wurde, daß eine Übung in Gang gesetzt schien, ist in der neuen Wahlperiode dieses Verfahren nicht wieder aufgenommen worden. Während der 8. Wahlperiode kam es nur bei wenigen Tagesordnungspunkten zu Beschlüssen über die Begrenzung der Aussprachen. Für Zeitabsprachen begnügte man sich im allgemeinen mit interfraktionellen Vereinbarungen, die seit Mitte der 8. Wahlperiode regelmäßig im Ältestenrat getroffen, aber im Plenum zumeist nicht bekanntgegeben worden sind45 • Doch in einem Rechnung zu tragen, soweit dieser im Interesse eines Gleichgewichts der oppositionellen Gegenrede hilfsweise zu einer restriktiven Auslegung des Redeprivilegs - s.o. Anm.29 - eine entsprechende Redezeitverlängerung fordert (a.a.O., S. 102, 131). Siehe auch unten II 5. 41 § 44 Abs. 2 n.F. (dazu unten Anm. 60). 42 § 35 Abs. 1 Satz 2 bis 4 n.F. (ebd.). 43 224. Sitzung (Anm. 33), S. 15573. u 253. Sitzung am 24.6.1976, a.a.O., S. 18001. 45 Vgl. Kurzprotokolle des Ältestenrates der 8. Wahlperiode ab 42. Sitzung am 9.11.1978. Dabei bedeutet die Vereinbarung "einer Runde", daß von jeder Fraktion ein Redner spricht (vgl. 63. Sitzung des Bundestages am 15.12.1977, Stenogr. Bericht S. 4849).

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wesentlichen Punkt ist dabei die Praxis der vorausgegangenen Wahlperiode weitergeführt worden: Redezeiten der Bundesregierung und ebenso der Bundesratsmitglieder je nach Parteizugehörigkeit blieben einbezogen. Man nahm in diesen Vereinbarungen das mehr am tatsächlichen Redebedarf orientierte Ende einer Debatte in Aussicht46 und schloß von vornherein auch eine gewisse Überschreitung nicht aus47 • Nur in besonderen Fällen, in denen sich eine deutliche Regulierung des Debattenablaufs empfahl, wurden Zeitabsprachen durch Plenarbeschluß bekräftigt. Das geschah wiederholt in Haushaltsberatungen48 • Auch bei anderen Beratungsgegenständen setzte man gelegentlich durch Beschlüsse die Rededauer fest, wenn wegen mehrerer Aussprachen an einem Sitzungstag49 oder aus sonstigem Grund die Zeit drängte50 • Die Aufteilung der jeweils vereinbarten Debattendauer erfolgte anfangs in Anlehnung an den aus der 7. Wahlperiode übernommenen Verteilungsschlüssel von 60 % für Koalitionsfraktionen und Regierung, von 40 % für die Opposition; das Zeitverhältnis verschob sich dann zugunsten der Opposition, die den Grundsatz durchsetzte, daß ihr zur Erwiderung auf Reden von Regierungsvertretern die gleich lange Redezeit auch ohne Anrechnung auf vereinbarte Zeitanteile zu gewähren sei. 46 Viertägige Debatte zur Regierungserklärung, Interfraktionelle Vereinb. v. 13.1.1977 über die Gesamtredezeit ohne Verteilung auf Fraktionen und Regierung, 6. bis 9. Sitzung des Bundestages v. 17. bis 21.1.1977 (dazu Stenogr. Bericht S.380); erste Lesung des Haushalts, Interfraktionelle Vereinb. v. 3.3.1977, 16. Sitzung des Bundestages am selben Tag: Koalition 51/2, Opposition 31/2 Stunden; Rentendebatte, Interfraktionelle Vereinb. v. 15.3.1977, 18. Sitzung des Bundestages am 17.3.1977 (dazu Stenogr. Bericht S.1079): Koalition 31/2, Opposition 21/2 Stunden; drei Tagesordnungspunkte der 21. Sitzung des Bundestages am 24.3.1977 gemäß Ältestenratsvereinb. vom selben Tag: Wirtschaftsdebatte von 61/2 Stunden (dazu Stenogr. Bericht S. 1324), Aussprache zur Ausbildungsförderung von P/2 Stunden (Stenogr. Bericht S. 1343) und zum Wohnrecht von 30 Minuten, im letzten Fall bei einer Aufteilung von je 10 Minuten für jede Fraktion; zwei Aussprachen in der 23. Sitzung des Bundestages am 21.4.1977 gemäß Interfraktioneller Vereinb. u. Ältestenratsvereinb. vom selben Tag, nämlich Agrardebatte: Koalition 100, Opposition 80 Minuten, ferner Steuerdebatte: Koalition 160, Opposition 110 Minuten (dazu Stenogr. Bericht S. 1525); zweite Lesung des Haushalts, Beratungsdauer von Einzelplänen, 69. Sitzung des Bundestages v. 26.1.1978, Stenogr. Bericht S.5497; desgl. 132. Sitzung v. 25.1.1979, Stenogr. Bericht S. 10487. 47 Vgl. Ältestenratssitzung am 21.4.1977, Kurzprotokoll S. 3. 48 35. Sitzung des Bundestages am 22.6.1977, Stenogr. Bericht S. 2669: für bestimmte Einzelpläne 11/2 bzw. 21/2 Stunden bei einer - nicht in den Beschluß aufgenommenen - Aufteilung von 50:40 bzw. 90:60 Minuten für Koalition und Opposition ; 36. Sitzung am 23.6.1977, a.a.O., S.2859: für zwei Einzelpläne je eine Stunde ohne ausdrückliche Aufteilung. Auch während sonstiger Haushaltsberatungen der 8. Wahlperiode faßte man derartige Beschlüsse: vgl. Stenogr. Berichte S. 5149, 5264, 5300, 5311, 5395, 5429, 8111, 10167. 49 55. Sitzung des Bundestages am 10.11.1977, Stenogr. Bericht S.4221, 4235, 4246,4276 : vier Tagesordnungspunkte zu je 45,60 oder 90 Minuten. 50 Vgl. Stenogr. Berichte der 8. Wahlperiode, S.5738, 9079, 9948, 12576, 12637.

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Entwickelt wurde dieser Grundsatz im Rahmen eines neuartigen Versuchs, die Debatten, die als zu langatmig und daher zu wenig lebendig empfunden werden51 , durch häufige, aber kurze Beiträge flüssiger zu gestalten. Die "Aussprache mit Kurzbeiträgen" beschloß der Bundestag zuerst nur für einen Einzelfall: Man bestimmte die Dauer der Aussprache zu einem Tagesordnungspunkt und zugleich für alle Redner der Fraktionen eine Begrenzung ihrer Wortmeldungen auf je 10 Minuten52• Bezeichnenderweise erhielten also die Fraktionen - entgegen der bisherigen Praxis des Bundestages53 - gleiche Zeitanteile zugebilligt. Ein solches Verfahren kann auch über einzelne Anwendungsfälle hinaus zur Akzentuierung in der parlamentarischen Auseinandersetzung anregen, doch dürfte die strenge Beschränkung auf kurze Debattenbeiträge bei stärker umstrittenen Themen kaum zu vereinbaren sein. Das zeigte sich, als der Bundestag knapp ein Jahr später ein generelles Verfahren für die Aussprache mit Kurzbeiträgen einführte und während der zweiten Hälfte der 8. Wahlperiode zu einer häufigen Praxis werden ließ: Die Neuregelung54 - sie bestimmt für die Aussprache mit Kurzbeiträgen eine Festlegung der Gesamtdauer sowie Redezeiten bis zu zehn Minuten, die der Präsident nicht verlängern darf55 - ist bei Tagesordnungspunkten angewandt worden, zu denen die Fraktionen in der Regel nur je einen oder zwei Redner aufboten. Die größere politische Auseinandersetzung wird in der Geschäftsordnungsergänzung als "Regelaussprache" umschrieben: Der Ältestenrat setzt jeweils die Gesamtdauer und für die Fraktionen Zeitanteile fest, die jede Fraktion auf ihre Redner verteilt; "dabei soll die erste Rede in der Regel nicht mehr als 30 ... , die 51 Vgl. 34. Sitzung des Bundestages am 21.6.1977, Stenogr. Bericht S.2518, 2520. 51 56. Sitzung des Bundestages am 11.11.1977, Stenogr. Bericht S. 4316 f.: Für die Aussprache zu einer Großen Anfrage betr. Jugendkriminalität wurden im Rahmen einer Höchstzeit von vier Stunden für je fünf Redner jeder Fraktion Debattenbeiträge von je 10 Minuten festgelegt im Anschluß an die Wortmeldungen eines der Anfragenden zur Begründung und eines Regierungsvertreters zur ergänzenden Beantwortung, die jeweils knapp 112 Stunde in Anspruch nahmen. Die Beschränkung auf die Kurzbeiträge ist im wesentlichen eingehalten und auch bei weiteren Wortmeldungen der Regierung nicht überschritten worden. 53 Vgl. oben Anm.7 u. 13. 5' Ergänzung der Geschäftsordnung, vom Bundestag beschlossen in der 109. Sitzung der 8. Wahlperiode am 5.10.1978 zunächst versuchsweise für drei Monate (Stenogr. Bericht S. 8541 f.), verlängert am 15.12.1978 und am 30.3.1979 jeweils um ein weiteres Vierteljahr (Stenogr. Berichte S.9855, 11679), schließlich am 22.6.1979 fortgeführt bis zum Ende der 8. Wahlperiode (Stenogr. Bericht S. 12899). 55 Nr.2 Abs. 1 der Geschäftsordnungsergänzung (dazu oben Anm. 54). Redezeitverlängerung kann demnach allein der Bundestag beschließen; eines ausdrücklichen Beschlusses bedarf es jedoch nur, wenn sich im Haus gegen eine Verlängerung Widerspruch erhebt (vgl. 114. Sitzung des Bundestages der 8. Wahlperiode am 9.11.1978, Stenogr. Bericht S. 8964).

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übrigen Reden sollen nicht mehr als 15 Minuten dauern58 . Die "Regelaussprache" ist allerdings keine feste Einrichtung geworden, mag sie auch in Einzelfällen für Redezeitvereinbarungen als Grundlage gedient haben. Eine Folge der Neuregelung war, daß die Absprachen zur Redezeit nunmehr regelmäßig im Ältestenrat getroffen wurden, nicht nur für die Aussprachen mit Kurzbeiträgen, sondern ebenso für die übrigen Debatten jeder Sitzungswoche57 . Erleichtert wurden diese Vereinbarungen dadurch, daß der von einer parlamentarischen Opposition seit je erstrebte Zeitausgleich zum Redeprivileg der Regierung Berücksichtigung fand. In der Geschäftsordnungsergänzung für die "Regelaussprache" und die "Aussprache mit Kurzbeiträgen" ist ein solcher Zeitausgleich erstmals als Verfahrensgrundsatz normiert worden. Die Neuregelung enthält sogar eine sehr weitgefaßte Ausprägung der Ausgleichsklausel: "Wenn in einer Aussprache ein Mitglied der Regierung das Wort nimmt, so steht der Oppositionsfraktion eine gleich lange Redezeit ohne Anrechnung auf die den Fraktionen zustehenden Redezeiten ... zu", und zwar "ohne Rücksicht darauf, ob Mitglieder der Regierung einmal oder mehrmals, ob sie zu Beginn oder während der Debatte das Wort nehmen"58. Die Reden der Bundesratsmitglieder läßt diese Regelung außer Betracht5D , weil von Rednern des Bundesrates die Parteirichtungen der Koalition und der Opposition im Bundestag zu Wort kommen können. Mit der Ausgleichsklausel ist ein entscheidender Schritt zur Gestaltung der Redeordnung im Bundestag getan worden. Ein Verfahren wurde anerkannt, das nicht nur zur Stärkung der Funktion der Opposition beitragen, sondern insgesamt Abschluß und Einhaltung der interfraktionellen Vereinbarungen zur Debattendauer begünstigen kann. So hat die Ausgleichsklausel Eingang gefunden in die vom Bundestag mit Wirkung zum 1. Oktober 1980 beschlossene neue Geschäftsordnung 80 , jetzt als generelle Redezeitvorschrift, die auch die Reden der Bundesratsvertreter einbezieht81 : "Spricht ein Mitglied der Bundesregierung, des Bundesrates 58 Nr. 1 Abs. 1 der Geschäftsordnungsergänzung (dazu oben Anm. 54). 57 Siehe oben Anm. 45. 58 Nr.l Abs.2 und Nr. 2 Abs. 2 der Geschäftsordnungsergänzung (dazu oben Anm. 54) lassen die Ausgleichsklausel sowohl für die "Regelaussprache" als auch für die "Aussprache mit Kurzbeiträgen" gelten. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Regelung ist der Oppositionsfraktion in Kurzdebatten wiederholt der Zeitausgleich gewährt worden (vgl. Stenogr. Berichte der 8. Wahlperiode, S. 8596, 8710, 8890, 9705, 10740). 59 Nr.3 der Geschäftsordnungsergänzung (dazu oben Anm. 54). 80 Vom Bundestag verabschiedet in der 225. Sitzung der 8. Wahlperiode am 25.6.1980 gemäß BT-Drucksachen 8/3460, 4127, 4262 (vgl. Stenogr. Bericht S.18267 ff.); Bekanntmachung v. 2.7.1980 (BGBI. I S.1237). 81 Durch die Einbeziehung der Redner des Bundesrates kann die Ausgleichsklausel auch zugunsten der Koalitionsfraktionen wirksam werden.

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oder einer ihrer Beauftragten länger als 20 Minuten, kann die Fraktion, die eine abweichende Meinung vortragen lassen will, für einen ihrer Redner eine entsprechende Redezeit verlangen"62. Reden von Regierungsoder Bundesratsvertretern bis zu 20 Minuten Dauer bleiben demnach in dem für die Abgeordneten grundsätzlich geltenden Zeitrahmen und führen noch nicht zu einem Zeitausgleich. Das steht im Zusammenhang mit der neuen Regelung, die den Grundsatz der 15-Minuten-Rede83 strenger zur Anwendung bringen soll, um möglichst viele Abgeordnete sprechen zu lassen: Kommt es für eine Aussprache weder zu einer Zeitvereinbarung im Ältestenrat noch zu einem besonderen Plenarbeschluß, dann kann zwar jede Fraktion für einen ihrer Redner eine Redezeit bis zu 45 Minuten verlangen, im übrigen aber dürfen die Abgeordneten nicht länger als 15 Minuten sprechen, es sei denn, der Präsident verlängert die Redezeit wegen des Verhandlungsgegenstandes oder des Verlaufs der Aussprache 64 . Für eine direkte kurze Erwiderung bis zu fünf Minuten kann der Präsident jetzt vorrangig das Wort erteilen85 . Die Ausgleichsklausel mag mehr Chancengleichheit zwischen Ministern und Abgeordneten, zwischen Regierung und Opposition schaffen, und vielleicht trägt sie dazu bei, daß Bundesregierung und Bundesrat eine unmittelbare Aufeinanderfolge mehrerer Ministerreden möglichst vermeiden66 . Ob die Regel sich bewähren wird, hängt auch von ihrer Inanspruchnahme durch die Opposition ab. Daher hat der Geschäftsordnungsausschuß eine einschränkende Interpretation empfohlen, nämlich von der Vorschrift nur dann Gebrauch zu machen, wenn nach der im Einzelfall geltenden Redezeitregelung "die Fraktion, die eine abweichende Meinung vortragen lassen will, nicht oder nicht mehr das Recht hätte, länger als 20 Minuten auf Ausführungen eines Mitglieds der Bundesregierung, des Bundesrates oder eines ihrer Beauftragten zu entgegnen"87. Unberücksichtigt geblieben ist schließlich die Möglichkeit, daß zwei oder mehr Fraktionen in der Opposition stehen. In diesem Fall bietet sich an, den Zeitausgleich für Erwiderungen im Verhältnis der Fraktionsstärken aufzuteilen88 . 62 § 35 Abs. 2 GO n.F. (Anm. 60). 63 Zur bislang üblichen Einschränkung dieses Grundsatzes siehe oben Anm. 5. 64 § 35 Abs. 1 GO n.F. (Anm. 60). Die Wortentziehung durch den Präsidenten bei Redezeitüberschreitung wird von einer Kannvorschrift (§ 39 Abs.3 Satz 1 GO) zu einer Sollvorschrift (§ 35 Abs. 3 n.F.). 65 § 30 GO n.F. (Anm. 60). Bisher war die Worterteilung für eine persönliche Bemerkung zur Aussprache erst am Schluß möglich (§ 35 GO). 68 Vgl. Bundestagspräsident Richard Stücklen, Rechte der Minderheit gestärkt, in: Das Parlament v. 9.8.1980, S.l f.; ders., 225. Sitzung des Bundestages der 8. Wahlperiode am 25.6.1980, Stenogr. Bericht S. 18287. 67 BT-Drucks. 8/4127, S.38. 68 Insoweit würde man also auf eine Verteilungspraxis der 1. Wahlperiode (siehe oben II 1) zurückgreifen.

Das Rederecht der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Beauftragten im Deutschen Bundestag* Die parteipolitisch konträren Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat, mehr noch die Kanzlerkandidatur eines Bundesratsmitglieds, das Vorsitzender einer im Bundestag in der Opposition stehenden Partei ist, haben dem Rederecht, das den Mitgliedern des Bundesrates im Bundestag zusteht, besondere Aktualität verliehen. Das zeigt sich in den Debatten des Bundestages durch häufigere Wortmeldungen von Bundesratsmitgliedern. Die Interpretation des Rederechts wird zuweilen in die Auseinandersetzung einbezogen!. Es erschwert diese Diskussion, daß die Redebefugnis nach ihrem Rechtsinhalt im einschlägigen Schrifttum nicht einhellig beurteilt wird und sogar eine Deutung überwiegt, die mit der Staatspraxis nicht im Einklang steht. Dabei ist der Verfassungstext so deutlich gefaßt, daß er eigentlich Auslegungszweifel nicht aufkommen lassen sollte. Das Recht auf Anwesenheit und jederzeitiges Gehör im Bundestag und seinen Ausschüssen gewährt Artikel 43 Abs. 2 GG den ordentlichen und stellvertretenden "Mitgliedern des Bundesrates" und "ihren" Beauftragten. I. Rederecht der Bundesratsmitglieder Mit der ausdrücklichen Anknüpfung an die Mitgliedschaft in diesem Organ begründet das Grundgesetz ein subjektives Recht, das Bestandteil eines selbständigen verfassungsrechtlichen Status jedes einzelnen Bundesratsmitglieds ist2 • 1. Weitergehende Rechte als nach der Weimarer Verfassung

Gegenüber den entsprechenden Bestimmungen für den Vorgänger des Bundesrates, den Reichsrat der Verfassung von 1919,

* Wiedergabe aus: DÖV 1976, S. 555 ff.

t Vgl. insbesondere 202. Sitzung des Bundestages der 7. Wahlperiode am 26.11.1975, Stenogr. Bericht S. 13945, 13970 f., 13976 f. In der 158. Sitzung am 19.3.1975 (a.a.O., S, 11087) regte Abg. Dr.. Schweitzer. an, das Rederecht der Bundesratsmitglieder notfalls durch Änderung von Grundgesetz und Geschäftsordnung einer Revision zu unterziehen. 2 Vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog, Grundgesetz, 3. Aufl., München 1973, Art. 51, Rdnrn.23 u. 25; ders., Die Rechtsstellung der Mandatsträger im Bundesrat, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, Bad Honnef u. Darmstadt 1974, S. 193 ff. (209).

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Rederecht der Mitglieder des Bundesrates im Bundestag Artikel 33 Abs. 2 Satz 2:

"Die Länder sind berechtigt, in diese Sitzungen - nämlich des Reichstags und seiner Ausschüsse Bevollmächtigte zu entsenden, die den Standpunkt ihrer Regierung zu dem Gegenstande der Verhandlung darlegen." Abs.3: "Auf ihr Verlangen müssen die Regierungsvertreter - gemeint sind solche der Länder während der Beratung ... gehört werden." bedeutet die geltende Regelung eine Erweiterung in zweifacher Hinsicht.

a) Rederecht im Namen des Bundesrates oder einzelner Länder Die damalige Verfassungsvorschrift berechtigte die Länder, nicht aber den Reichsrat, in den Reichstag und seine Ausschüsse Bevollmächtigte zu entsenden. Jedoch konnten nach der Praxis und nach ausdrücklicher Regelung in der Geschäftsordnung des ReichstagsS dort auch Bevollmächtigte des Reichsrats das Wort ergreifen. Da abweichend vom Verfassungstext der Weimarer Zeit die Regelung des Grundgesetzes nicht den Ländern, sondern den Bundesratsmitgliedern das Teilnahmerecht zuspricht, ist in der Literatur der Schluß gezogen worden, die Mitglieder des Bundesrates könnten im Bundestag "naturgemäß nur die Meinung des Bundesrates, d.h. bei nicht einstimmig gefaßten Beschlüssen dessen Mehrheit vertreten"4. Dieser Standpunkt macht das Rederecht im Einzelfall von einem vorausgegangenen entsprechenden Beschluß des Bundesrates abhängig. Jedoch weder aus dem Wortlaut des Artikels 43 Abs. 2 GG ist das zu folgern, noch erscheint es vereinbar mit einem Statusrecht. Vor allem ist die Praxis dieser Auslegung nicht gefolgt. Ein Bundesratsmitglied, das sich im Bundestag zu Wort meldet, bedarf dazu keines besonderen Auftrags des Bundesrates5 • Ist aber anzuerkennen, daß die Bundesratsmitglieder nicht darauf beschränkt werden können, im Bundestag nur die Meinung der Mehrheit des Bundesrates zu vertreten, dann dürfen sie dort ebenso Anliegen einer Minderheit, nämlich eines oder mehrerer Länder vortragen. Tatsächlich überwiegen Fälle, in denen Bundesratsmitglieder im Bundestag für einzelne Länder das Wort nehmen, gegenüber Wortmeldungen zur Auffassung des Bundesrates als Organ. 3 Nach §§ 96, 97 GORT war eine Aussprache wieder eröffnet oder zu verlangen, wenn nach Schluß der Aussprache oder außerhalb der Tagesordnung der Regierungsvertreter eines Landes oder ein "Bevollmächtigter des Reichsrats" das Wort ergriff. 4 Hans Schäfer, Der Bundesrat, Köln und Berlin 1955, S. 59. 5 Desgl. Gebhard Zilter, Der Bundesrat, 4. Aufl., Düsseldorf 1973, S. 86.

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Ist den Bundesratsmitgliedern zuzugestehen, im Bundestag auch für ihre Länder zu sprechen, so steht dem die Feststellung nicht entgegen, daß das Rederecht auf der Mitgliedschaft im Bundesrat beruht und nicht schon auf der Eigenschaft als Vertreter einer Landesregierung 6 • Mitgliedschaft im Bundesrat als Voraussetzung für die Teilnahme an Bundestagssitzungen bedeutet nicht mehr als ein Tatbestandsmerkmal der Anwesenheits- und Redebefugnis. Entscheidend ist die Fassung des Artikels 43 Abs. 2 GG: "Mitglieder" des Bundesrates heißt nicht "Vertreter" des Bundesrates. Deshalb spricht die Wortinterpretation eher für ein Recht aufgrund des Status als Bundesratsmitglied, also ein eigenes Recht des einzelnen Bundesratsmitglieds, nämlich im Bundestag in der gleichen Weise das Wort zu ergreifen wie im Bundesrat, einschränkbar somit nur durch Weisungen der Landeskabinette7 • Lediglich daneben ist die Möglichkeit offen gelassen, daß der Bundesrat ein Mitglied beauftragt, die Meinung des Bundesrates im Bundestag vorzutragen8 • Darüber hinaus ist ein Bundesratsmitglied also nicht gehindert, im Bundestag die Ansichten der Landesregierung oder seines Ressorts zu vertreten. Daß die Praxis so verfährt9 , steht demnach im Einklang mit dem Wortlaut der Verfassung. Diese Anwendung des Artikels 43 Abs. 2 GG wird auch seinem Sinn gerecht, wie er im Zusammenhang mit anderen Verfassungsvorschriften lO zu erschließen ist. Denn wenn durch den Bundesrat das politische Gewicht der Länder auch gerade für das Zusammen6 So v. Mangoldt 1 Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Berlin 1957/74, Art. 43, Erl. IV, 1; Maunz, in: Maunz 1Dürig 1Herzog, Art. 43, Rdnr. 11. Mit der Zitierung von Schäfer folgen beide offenbar dessen enger Auslegung. Den gegenteiligen Standpunkt - wie er hier näher begründet werden soll -, daß nämlich Mitglieder des Bundesrates nicht nur als Vertreter dieses Organs, sondern ebenso als Vertreter ihrer Länder im Bundestag das Wort ergreifen können, vertritt v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., Berlin 1953, Art. 43, Erl. 3; desgl. Otto Model, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Moers/Ndrrh. 1952, Erl. zu Art. 43; Jochen Abr. Frowein, Bemerkungen zu den Beziehungen des Bundesrates zu Bundestag, Bundesregierung und Bundespräsident, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft (Anm. 2), S. 117 ff. (118 f.). 7 Das Weisungsrecht der Landesregierungen ergibt sich insbesondere aus Art. 50 GG, der von der Mitwirkung "der Länder" durch den Bundesrat ausgeht, sowie aus Art. 51 GG hinsichtlich Bestellung und Abberufung der Bundesratsmitglieder durch die Landesregierung und der länderweise gekoppelten Stimmabgabe. Nach dem Wortlaut des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GG könnte für den Bestellungsmodus auch die Zuständigkeit "der Länder" gegeben sein, nämlich durch jeweilige Regelung nach Landesverfassungsrecht, dem stehen jedoch Entstehungsgeschichte, Verfassungstradition und geltende Praxis entgegen; dazu BVerfG v. 30.7.1958, in: Entsch.8, 104 ff. (120 f). Vgl. auch Maunz, Die Rechtsstellung der Mandatsträger im Bundesrat (Anm. 2), S. 198 ff., 203 ff. S Vgl. § 33 GOBR. » Vgl. Carlo Schmid im Bundestag am 26.2.1958, 13. Sitzung der 3. Wahlperiode, Stenogr. Bericht S. 610. 10 Siehe oben Anm. 7.

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wirken mit dem Bundestag zur Geltung gelangen soll, dann ist es folgerichtig, dort die Standpunkte der Landesregierungen zu Wort kommen zu lassen. b) Jederzeitiges Rederecht Artikel33 Abs.2 Satz 2 der Weimarer Verfassung gestattete den Bevollmächtigten der Länder nur, im Reichstag "zu dem Gegenstande der Verhandlung" zu sprechen; Abs.3 gab ihnen das Recht auf Gehör "während der Beratung", im Gegensatz zu den Vertretern der Reichsregierung also nicht auch außerhalb der Tagesordnung. Artikel 43 Abs. 2 GG vollzieht dagegen eine Gleichstellung mit Vertretern der Bundesregierung: Auch Bundesratsmitglieder "müssen jederzeit gehört werden". Sie können das Wort verlangen außerhalb der Rednerliste und sobald der gerade sprechende Redner seine Ausführungen beendet hat, darüber hinaus auch nach Schluß der Beratung und ebenso außerhalb der Tagesordnung. Die Geschäftsordnung des Bundestages trägt dem ausdrücklich RechnunglI. Ergreift im Plenum des Bundestages ein Bundesratsmitglied das Wort, ist dem amtierenden Präsidenten gegenüber einer so weit gespannten Redebefugnis von der Geschäftsordnung keine Handhabe gegeben, die es erlaubte, auf Dauer oder Inhalt der Rede einschränkend Einfluß zu nehmen. Insbesondere besteht keine Möglichkeit, den Redner im Sinne des § 40 der Geschäftsordnung zur Sache zu verweisen. Daß ein Recht auf jederzeitiges Gehör einen Sachruf ausschließt, ist seit dem Reichstag der Kaiserzeit anerkannt l2 • Wenn zwar die Redebefugnis der Bundesratsmitglieder vom Bundestag nicht beschränkt werden darf, so unterliegt sie doch einer äußeren Schranke durch das Mißbrauchsverbotl3 • Mißbrauch bedeutet hier nicht weniger als einen Verfassungsverstoß 14 • In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Möglichkeit partei politischer Einflußnahme durch den Bundesrat, indem dessen Befugnisse zur Stärkung der Opposition im Bundestag eingesetzt werden, wie es sich gerade dann anbieten mag, wenn die Oppositionsparteien über die Landesregierungen die Mehrheit im Bundesrat erreichen. Mit Maunz 15 ist aus den unterschiedlichen Strukturprinzipien, der Gliederung Vgl. §§ 24 Abs. 2 Satz 1, 47, 48, 72 GOBT. Vgl. Kurt Perels, Das autonome Reichstagsrecht, Berlin 1903, S. 97; ders., in: HdbDStR, 1. Bd., Tübingen 1930, S. 465 f.; desgl. Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 13. Aufl., Berlin 1933, Art. 33, Erl. 3; vgl. auch Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog, Art. 43, Rdnr.22. 13 So BVerfG v. 14.7.1959, in: Entsch.l0, 4 ff. (17 f.), für das Rederecht der Mitglieder der Bundesregierung. 14 Desgl. Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog, Art. 43, Rdnr. 24; v. Mangoldt I Klein, Art. 43, Erl. IV, 4. 15 Rechtsstellung der Mandatsträger im Bundesrat (Anm. 2), S. 209 f.; desgl. Frowein (Anm. 6), S. 119 ff.; a.A.: Gerhard Leibholz I Dieter Hesselberger, Die Stellung des Bundesrates und das demokratische Parteiensystem in der Bun11 12

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nach Parteien im Bundestag, der föderativen Gliederung im Bundesrat, zu folgern, daß die Verfassung von den Bundesratsmitgliedern fordert, eben nicht die parteipolitische Verbundenheit zur Grundlage ihrer Stellungnahmen im Bundesrat zu machen. Dann darf dies ebensowenig in ihrem Zusammenwirken mit dem Bundestag geschehen. Maunz u weist aber auch darauf hin, daß es wenig sinnvoll wäre, etwa in das Grundgesetz den Satz aufzunehmen, daß parteipolitische Stellungnahmen durch Bundesratsmitglieder nicht zulässig sind. Politik einer Landesregierung und Politik einer Partei, von der diese Landesregierung gestellt wird, sind im konkreten Fall doch kaum voneinander abzugrenzen17 • So bleibt es weitgehend dem politischen Stil überlassen, hier den rechten Maßstab zu finden. 2. Parallele zur Bismarckschen Verfassung

Das Grundgesetz, das die Redebefugnis der Bundesratsmitglieder im Parlament gegenüber der Weimarer Verfassung in zwei Punkten erweitert hat, griff damit zurück auf die Reichsverfassung von 187l. Artikel 9 Satz 1: "Jedes Mitglied des Bundesrates hat das Recht, im Reichstag zu erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrates nicht adoptiert worden sind." Daß die damalige Vorschrift ein jederzeitiges Gehör gewährte, ergab sich schon aus der anfänglichen Stellung des Bundesrates als oberster Exekutive, da eine Reichsregierung erst allmählich entstand l8 • Die Verfassung verknüpfte das Rederecht der Ländervertreter bereits mit der Mitgliedschaft im Bundesrat und sprach zugleich aus, daß durch die Mitglieder des Bundesrates nicht nur dieses Organ, sondern ebenso die desrepublik Deutschland, u. Thomas Oppermann, Bundesrat und auswärtige Gewalt, in: Der Bundesrat als Verfassungs organ und politische Kraft (Anm.2), S. 99 ff. (108 ff.) bzw. S. 299 ff. (306 f.), m.w.N.; Winfried Steffani, 25 Jahre Bundesrat, in: ZParl, 5. Jg. (1974), S. 579 ff. (582). 16 Siehe ebd.; desgl. in: Maunz / Dürig / Herzog, Art. 43, Rdnr.24. 17 Ministerpräsident Dr. Kohl leitete seine Rede in der 202. Sitzung des Bundestages am 26.11.1975 (Stenogr. Bericht S.13945) mit dem Satz ein: "Ich stehe hier aus eigenem Recht und spreche für meine Freunde in der CDU/CSU Deutschlands." Er verwies damit zunächst auf sein Rederecht als Bundesratsmitglied. Dieses Recht konnte nicht dadurch aufgehoben sein, daß er sich zugleich als Sprecher seiner Partei bezeichnete. Die amtierende Präsidentin verdeutlichte dies mit der Bemerkung: "Sie sind natürlich als Mitglied des Bundesrates hier; Sie sprechen selbstverständlich auch für Ihre Freunde von der CDU/CSU ... " Diese Klarstellung griff der Ministerpräsident später auf: "Ich stehe hier kraft der Verfassung aus eigenem Recht und spreche auch für meine Freunde von der CDU/CSU ... " (a.aO., S. 13976). 18 Vgl. H.-J. Vonderbeck, Der Bundesrat ein Teil des Parlaments der Bundesrepublik Deutschland?, Meisenheim am Glan 1964, S. 104 ff. 5 Vonderbeck

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Landesregierungen im Parlament zu Wort kommen sollten. In diese Regelung waren zwar nicht ausdrücklich, jedoch nach unbestrittener Praxis und nach der Geschäftsordnung des Reichstags Beauftragte der Bundesratsmitglieder einbezogen19 •

11. Rederecht der Beauftragten Artikel 43 Abs. 2 GG erstreckt das Teilnahmerecht der Mitglieder des Bundesrates ausdrücklich auf "ihre" Beauftragten. Wer Beauftragter ist, entscheidet das beauftragende Organ selbst20 • Der Bundestag kann jedoch verlangen, daß Beauftragte im Einzelfall ihre Vollmacht nachweisen. Das Anwesenheits- und Rederecht der Beauftragten gilt verfassungsrechtlich für Plenum und Ausschüsse des Bundestages. Zwar wird nach parlamentarischer übung das Rederecht von Beauftragten nur in den Ausschüssen wahrgenommen; doch wäre ihr Auftreten im Plenum eben nicht unzulässig, und es wird von der Geschäftsordnung des Bundestages sogar ausdrücklich vorgesehen21 • 1. Legitimation der Beauftragten

Wie Maunz 22 zutreffend feststellt, könnte es sich wörtlich genommen in Artikel 43 Abs. 2 GG nur um Beauftragte der Mitglieder des Bundesrates handeln, während aber doch auch Beauftragte des Bundesrates als Gesamtorgan gemeint sind. Da letztere jedenfalls nicht ausschließlich gemeint sein können, ist schon damit die Frage, ob die Beauftragung etwa einen Beschluß des Bundesrates voraussetzt, zu verneinen. Entsprechend verfährt die Praxis. So sind in der Regel alle höheren Beamten der Landesvertretungen zu Beauftragten jeweils ihres Ministerpräsidenten bestellt worden, und die höheren Beamten des Sekretariats des Bundesrates gelten als Beauftragte des Bundesratspräsidentenz3 • Ebenso können Beauftragte von den Fachministern der Länder bestellt werden; denn soweit diese nicht ordentliche Bundesratsmitglieder sind, sind sie doch stellvertretende Mitglieder24 • 19 Nach § 43 GORT mußten außer den Mitgliedern des Bundesrates auch "die zu ihrer Vertretung abgeordneten Kommissarien" auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Vgl. auch Adolf Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reic1tes, Berlin 1901, S. 151. 20 Desgl. Maunz, in: Maunz I Dürig / Herzog, Art. 43 Rdnrn.12 u. 14; Franz Klein, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl., Neuwied 1973, Art. 43, Rdnr. 4. 21 Vgl. §§ 47, 48 GOBT. 22 Maunz / Dürig / Herzog, Art. 43, Rdnr. 15. 23 Dazu Ziller (Anm. 5), S. 85. 24 Art. 51 Abs.l Satz 2 GG. Vgl. Maunz, Die Rechtsstellung der Mandatsträger im Bundesrat (Anm. 2), S. 200.

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Als Beauftragter ist somit anzusehen, wer Erklärungen für und wider den Bundesrat oder eines seiner Mitglieder abzugeben oder anzunehmen bevollmächtigt ist25 • Demgemäß bestimmte die Geschäftsordnung des Bundesrates in § 27, eine Regelung, die aus der Fassung von 1953 in die geltende Geschäftsordnung nicht übernommen worden ist26 : "Die in den Sitzungen des Bundestages und in seinen Ausschüssen auftretenden Beauftragten der Mitglieder des Bundesrates (Artikel 43 des Grundgesetzes) sind durch Auftragsschreiben eines Mitgliedes des Bundesrates zu legitimieren." Von einem Recht der einzelnen Mitglieder des Bundesrates, Beauftragte zu entsenden, geht auch die Regelung aus, die für den Zutritt zu Sitzungen bestimmter Ausschüsse sowie zu geheimen Sitzungen sonstiger Ausschüsse des Bundestages vereinbart worden ist27 • An den genannten Sitzungen dürfen außer den Bundesratsmitgliedern und den Bevollmächtigten der Länder nur besonders benannte Beauftragte teilnehmen. Diese haben eine entsprechende von einem Mitglied des Bundesrates oder dem Bevollmächtigten eines Landes persönlich unterzeichnete Vollmacht mit sich zu führen. Dabei gelten die Sekretäre der korrespondierenden Bundesratsausschüsse als besonders benannte Beauftragte des Präsidenten des Bundesrates. 2. Rechtsstellung der Beauftragten

Daß sich die Bundesratsbeauftragten in den Ausschußberatungen des Bundestages auf die Wiedergabe von Mehrheitsmeinungen des Bundesrates zu beschränken hätten, ist in der Praxis des Bundestages wohl niemals von ihnen verlangt worden. Die notwendige Zusammenarbeit beider Gesetzgebungsorgane erschiene bei einer solchen Beschränkung kaum durchführbar. Dabei kommt der Mitwirkung der Beauftragten besondere Bedeutung zu, weil diese ebenso an den Ausschußsitzungen des Bundesrates teilnehmen oder dort sogar Ausschußmitglieder sind28 • Daß die Beauftragten neben der Auffassung des Bundesrates ebenso den Standpunkt ihrer Landesregierung oder auch nur eines Ressorts vortragen können, ist ihnen aber nicht nur de facto einzuräumen. Denn wenn den Bundesratsmitgliedern selbst auf der Grundlage des Artikels 43 Vgl. auch v. Mangoldt I Klein, Art. 43, ErL III, 2. Die Regelung ist lediglich aus systematischen Gründen in der Neufassung der GOBR vom 1.7.1966 entfallen. 27 Die Vereinbarung kam 1969 aus Gründen des Geheimschutzes (§ 21 a GOBT) auf Vorschlag des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestages durch Briefwechsel der Präsidenten von Bundestag und Bundesrat zustande und betrifft generell die Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses, des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen und des Verteidigungsausschusses. 28 Vgl. Art. 52 Abs.4 GG; §§ 11, 40 GOBR. 25 26

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Rederecht der Mitglieder des Bundesrates im Bundestag

Abs. 2 GG ein in dieser Hinsicht nicht beschränktes Recht zugestanden werden muß 29 , dann kann für "ihre" Beauftragten, wie die Verfassung sie ausdrücklich nennt, nicht ein minderes Recht zum Reden angenommen werden, abgesehen von Einschränkungen, die sich im Einzelfall aus ihrem Auftrag ergeben. Die grundsätzlich gleiche Redebefugnis für Bundesratsmitglieder und Beauftragte findet zudem schon dadurch eine Bestätigung, daß man in ständiger auch vom Bundestag anerkannter Praxis für die Beauftragten nicht eine Bevollmächtigung durch Bundesratsbeschluß verlangt, sondern die Vollmacht eines einzelnen Bundesratsmitglieds genügen läßt30 •

111. Zutrittsbeschränkungen Das Recht der Bundesratsmitglieder und der Beauftragten auf Anwesenheit und Gehör gilt für die Ausschüsse des Bundestages, die ausschließlich von Bundestagsmitgliedern gebildet werden31 • An gemischten Ausschüssen, wie dem Vermittlungsausschuß oder dem Richterwahlausschuß, sind ohnehin Bundesratsmitglieder bzw. Landesminister beteiligt3?. Die Rechte aus Artikel 43 Abs. 2 GG sind auch deshalb beim Richterwahlausschuß, ferner beim Wahlmännerausschuß nicht gegeben, weil beide Ausschüsse nicht als vorbereitende Beschlußorgane des Bundestages tätig werden3a • Nach der Auffassung des Bundestages ist ebenfalls kein Zutritt zu gewähren zu den nichtöffentlichen Beratungen seiner Untersuchungsausschüsse34 sowie zur Vorprüfung und Schlußberatung in den Verfahren des Wahlprüfungsausschusses35 •

Siehe oben I, 1 a. Siehe oben H, 1. 31 Desgl. Klein (Anm. 20), Art. 43, Rdnr. 5; Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog, Art. 43, Rdnr.17. 32 Vgl. Art. 77 Abs. 2, 95 Abs. 2 GG; §§ 65, 67 GOBT. 33 Vgl. § 61 GOBT; Art. 94 Abs. 1 GG; § 66 GOBT; dazu Hans Trossmann, Parlamentsrecht und Praxis des Deutschen Bundestages, Bonn 1967, S.287. 34 Vgl. Art. 44 GG; § 63 GOBT. Verweigerung des Zutritts erscheint nur bei Gefährdung des Untersuchungszweck:s, also im Einzelfall des Mißbrauchs, vertretbar; vgl. auch Trossmann (Anm.33), S. 260; Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog, Art. 44, Rdnr. 46. 35 Vgl. Art. 41 GG; §§ 5, 10 WahlprüfG u. 64 GOBT. Auch hier rechtfertigt sich eine Zutrittsverweigerung nur im konkreten Fall des Mißbrauchs; vgl. Trossmann (Anm. 33), S. 311 f. 29

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Redemöglicbkeit vor dem Deutschen Bundestag für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz* Regelmäßig jährlich seit dem 1.1.1979 erstattet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz dem Deutschen Bundestag den gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeitsbericht1 • Die parlamentarische Beratung der Berichte gibt Anlaß zu der Frage, ob der Bundesbeauftragte eine Möglichkeit hat, im Plenum des Bundestages das Wort zu erhalten. I. Das Recht des Bundesbeauftragten, sich jederzeit an den Bundestag zu wenden Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)2 schafft eine Reihe von Kontakten zwischen dem Bundestag und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfD). Der Beauftragte, zuständig für die Angelegenheiten des Datenschutzes im Bundesbereich (§ 19 Abs. 1 in Verb. mit § 7 Abs. 1 BDSG), hat nach § 19 Abs. 2 des Gesetzes -

auf Aufforderung des Bundestages (oder der Bundesregierung) Gutachten zu erstellen und Berichte zu erstatten sowie dem Bundestag einen Tätigkeitsbericht jährlich zum ersten Januar vorzulegen.

-

Nach derselben Vorschrift kann der BfD -

auf Ersuchen des Bundestages oder dessen Petitionsausschusses (oder der Bundesregierung) Hinweisen auf Angelegenheiten seines Aufgabenbereiches nachgehen, ferner sich jederzeit an den Bundestag wenden.

-

Die Berichtspflicht des BfD gegenüber dem Parlament ist ähnlich gestaltet wie die des Wehrbeauftragten. Eine Parallele zum Wehrbeauf.-

* Wiedergabe aus: DVBl. 1980, S. 439 ff.

Vgl. 1. Tätigkeitsbericht, BT-Drucks.8/2460 vom 10.1.1979; 2. Tätigkeitsbericht, BT-Drucks.8/3570 vom 18.1.1980. Druck und Verteilung der Berichte beruhten auf einer analogen Anwendung von § 76 Abs. 1 GO, der die im Bundestag einzubringenden Vorlagen nicht abschließend aufzählt (desgl. Hans Trossmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, Kommentar, München 1977, § 76 Rdnr. 1.1). Der Bundestag der 8. Wahlperiode hat die Berichte in der 164. Sitzung am 28.6.1979 (Stenogr. Bericht S. 13106 ff.) und in der 205. Sitzung am 6.3.1980 (Stenogr. Bericht S. 16397 ff., 16426) beraten und jeweils an den Innenausschuß sowie weitere Ausschüsse überwiesen. Während der Aussprachen nahm der BID im Plenarsaal auf der Regierungsbank Platz. 2 Gesetz vom 27.1.1977 (BGBl. I S. 201). 1

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Redemöglichkeit für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz

tragten ist auch dadurch gegeben, daß der BfD als Petitionsinstanz für den Staatsbürger fungiert (§ 21 BDSG). Bei seinen Aufgaben haben ihn alle Stellen der Verwaltung des Bundes zu unterstützen, insbesondere sind ihm Auskünfte, Akteneinsicht und jederzeit Zutritt in alle Diensträume zu gewähren (§ 19 Abs.l und 3 BDSG). Im Unterschied zum Wehrbeauftragten muß der BfD jedoch nicht auf Weisung des Bundestages tätig werden, vielmehr kann ihn der Bundestag oder sein Petitionsausschuß zur Prüfung von Vorgängen nur ersuchen; es liegt dann im Ermessen des BfD, ob und in welcher Weise er dieser Angelegenheit nachgeht. Darüber hinaus kann der BID sich an den Bundestag wenden, wann und in welcher Angelegenheit seines Zuständigkeitsbereiches und zu welchem Zweck auch immer er es für erforderlich hält3 • Das Gesetz sagt nicht ausdrücklich, der BID habe sich auch in diesem Fall schriftlich an den Bundestag zu wenden. Daß jedoch Schriftform gemeint sein wird, darauf deutet schon der Sachzusammenhang des Gesetzes hin, das zuvor von der Berichtspflicht des BfD spricht. Sollte hier etwa ein mündliches Vortragsrecht statuiert werden, so würde dies ein jederzeit im Plenum, also auch außerhalb der Tagesordnung zu verlangendes Rederecht bedeuten. Eine so weitgehende Befugnis hätte jedenfalls im Gesetz deutlichen Ausdruck finden müssen. Daß dies nicht geschehen ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes; ein Rederecht stand in den Beratungen nicht zur Diskussion4 • Hätte der Gesetzgeber dem BfD ein Rederecht im Parlament geben wollen, wären damit sogar verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen. In diesem Zusammenhang sei an die Beratungen erinnert, die der Ergänzung der Geschäftsordnung des Bundestages (§ 116 c) vorausgingen, durch die für den Wehrbeauftragten eine Redepjlicht im Bundestag begründet wurde. Damals verzichtete man bewußt, auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken, auf ein eigenes Rederecht des Wehrbeauftragten. Bedenken wurden geäußert, weil durch Artikel 43 Abs. 2 GG ausdrücklich nur Bundesregierung und Bundesrat das Recht eingeräumt ist, im Bundestag das Wort zu verlangen - im Gegenzug zur Anwesenheitspflicht der Mitglieder der Bundesregierung nach Abs.l auf Verlangen des Bundestages '-, während dem Wehrbeauftragten ein solches Recht von der Verfassung (Artikel 45 b) zumindest nicht ausdrücklich zugestanden wird 5 • Ein Rederecht des BfD im Bundestag würde demnach 3 Desgl. Herbert Auernhammer, BDSG, Kommentar, Köln 1977, § 19 Rdnr. 4; Hans-Joachim Drdemann 1 Rudolf Schomerus, BDSG, Kommentar, München 1978, § 19 Erl. 3; Ulrich Dammann, in: Simitis 1Dammann 1 Mallmann 1Reh, Kommentar zum BDSG, Baden-Baden 1978, § 19 Rdnrn. 26 bis 28; Ilse Schedl, BDSG, Kissing 1977, § 19 Erl. Abs. 4; Lutz Bergmann 1 Roland Möhrle, Datenschutzrecht, Handkommentar zum BDSG, Stuttgart 1977, § 19 Erl. 3. 4

5

Vgl. BT-Drucks. 7/5277 vom 2.6.1976, S. 5, 8. Vgl. BT-Drucks. IV/2797 v. 3.12.1964.

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eine verfassungsrechtliche Ermächtigung voraussetzen6 • Daß gerade dieser Gesichtspunkt in den Beratungen des Bundesdatenschutzgesetzes überhaupt nicht angesprochen worden ist, läßt den Schluß zu: Ein Rederecht hat der Gesetzgeber nicht gewollt. Somit bleibt festzustellen, daß § 19 Abs.2 letzter Satz BDSG nach Wortlaut und Zweckrichtung dahin gehend zu verstehen ist, daß er dem BfD das Recht gibt, unabhängig von dem Jahresbericht und etwaigen von Bundestag oder Bundesregierung angeforderten Berichten sich jederzeit an das Parlament zu wenden, indem er von sich aus zusätzliche Berichte dem Bundestag zuleiten kann. In der Literatur findet diese Auffassung nur indirekt eine Bestätigung. Von Kommentatoren der genannten Vorschrift wird - soweit ersichtlich - die Möglichkeit eines Rederechts gar nicht in Erwägung gezogen. Es wird lediglich die Vermutung geäußert, daß der BfD angesichts der jährlichen Berichtspflicht sich nur in ganz besonderen Ausnahmefällen veranlaßt sehen wird, dem Bundestag einen zusätzlichen Bericht oder gar mehrere weitere Berichte vorzulegen7 • Dabei wird vorausgesetzt, daß das Recht des BfD, sich an den Bundestag zu wenden, nur seine Möglichkeiten zur schriftlichen Berichterstattung erweitern, dagegen nicht auch eine Redebefugnis einräumen soll. Das Recht, jederzeit sich an das Parlament zu wenden, hat eine nähere Ausgestaltung im niedersächsischen Datenschutzgesetz (§ 18 Abs.2) gefundens. Für den dortigen Datenschutzbeauftragten gilt eine in Anlehnung an das Bundesgesetz geregelte Berichtspflicht. Sein Recht, sich jederzeit an den Landtag zu wenden, ist dahingehend ergänzt, daß der Datenschutzbeauftragte in bedeutsamen Fällen alsbald dem Landtag schriftlich oder in den Sitzungen seiner Ausschüsse mündlich zu berichten hat. Der Gesetzgeber ist in diesem Fall also offensichtlich davon ausgegangen, daß dem Datenschutzbeauftragten ein Rederecht im Plenum nicht zusteht. 11. Der Bundesbeauftragte ohne das Redeprivileg der Bundesregierung Anders als der Wehrbeauftragte (Artikel 45 b GG) ist der BfD nicht Hilfsorgan des Parlaments. Das ergibt schon die Art seiner Bestellung und seiner Organisation. Er wird auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt und ist "beim Bundesminister des Innern eingerichtet", dessen Dienstaufsicht er untersteht und bei dem er haushaltsmäßig auszuweisen ist (§ 17 Abs. 1 und 5 BDSG). Rechtsaufsicht führt 6 Schon hier stellt sich die Frage, ob der BfD als Beauftragter der Bundesregierung deren Redeprivileg aus Art. 43 Abs. 2 GG in Anspruch nehmen könnte. Darauf soll gesondert - unter Nr. II - eingegangen werden. 7 Vgl. Ordemann I Schomerus, § 19 Erl. 3 a.E.; Dammann, § 19 Rdnr. 28. 8 Gesetz vom 26.5.1978 (Nieders. GVBl. S. 421).

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die Bundesregierung (§ 17 Abs.4 Satz 3 BDSG)9. Somit hat sich der Gesetzgeber für den BfD als ein Organ der Exekutive entschieden10 • Die Zuordnung zur Exekutive wirft die Frage auf, ob dem BfD ein Rederecht im Bundestag nach Artikel43 Abs. 2 GG zustehen könnte. Diese Verfassungsbestimmung gewährt den Mitgliedern der Bundesregierung (und des Bundesrates) sowie "ihren Beauftragten" ein Recht auf Anwesenheit und jederzeitiges Gehör im Plenum und in den Ausschüssen des Bundestages. Wörtlich genommen handelt es sich bei den Genannten nur um Beauftragte der einzelnen Regierungsmitglieder, gemeint sind aber auch Beauftragte der Bundesregierung als Kollegiuml l • Als Beauftragter ist demnach anzusehen, wer bevollmächtigt ist, für die Bundesregierung oder eines ihrer Mitglieder Erklärungen abzugeben12 • Dies trifft für den BfD gerade nicht zu. Nach § 17 Abs. 4 BDSG steht er zum Bund in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis besonderer Art; seine Rechte und Pflichten sind im Gesetz abschließend geregelt (§§ 18 und 19 BDSG). Die Rechtsstellung des BfD ist entscheidend von § 17 Abs. 4 Satz 2 BDSG geprägt: Er ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Neben der Dienstaufsicht des Bundesministers des Innern besteht lediglich die Rechtsaufsicht der Bundesregierung, die sich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz beschränkt. Dagegen ist der BfD frei von einer Fachaufsicht. Es gibt für ihn keine vorgesetzte Stelle, die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit seiner Maßnahmen überwachen und ihm Weisungen zu bestimmtem Handeln erteilen könnte. Der für die Exekutive im allgemeinen geltende Grundsatz der Weisungsgebundenheit ist vom Gesetz aufgehoben im Interesse einer effektiven Kontrolle durch den BfD 13 • Die dem BfD verliehene Unabhängigkeit, die ihm eine Amtsführung auch gerade als Widerpart der Regierung ermöglichen soll, läßt ihn nicht als Beauftragten der Bundesregierung tätig werden. Ist er aber als Bundesbeauftragter nicht Beauftragter der Regierung im Sinne des Artikels 43 Abs. 2 GG, dann kann er an deren Rederecht im Parlament keinen Anteil haben. 9 Das hat Vorbilder: z.B. § 22 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29.11.1960 (BGBl. I S. 862), § 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank vom 28.10.1954 (BGBl. I S. 293). Vgl. Auernhammer, § 17 Rdnr. 11. 10 Desgl. Dammann, § 17 Rdnrn. 4 bis 7,19 und 20; Auernhammer, § 17 Rdnr. 13; Ordemann / Schomerus, § 17 Erl. 2. U Vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, 5. Aufl., München 1979, Art. 43 Rdnr. 15. 12 Desgl. von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Berlin 1957/74, Art. 43 Erl. III 2; Maunz, Art. 43 Rdnr.12. 13 Desgl. Auernhammer, § 17 Rdnrn. 9 bis 11; Dammann, § 17 Rdnrn.17 bis 20; Ordemann / Schomerus, § 17 Erl. 4.

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III. Worterteilung an den Bundesbeauftragten auf Beschluß des Bundestages Da ein Recht des BfD, im Bundestag das Wort zu ergreifen, zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob ihm das Parlament von sich aus eine Redemöglichkeit gewähren kann. Schon bei den nach Artikel 43 Abs. 2 GG im Parlament Redeberechtigten, den Mitgliedern von Bundesregierung und Bundesrat sowie deren Beauftragten, übt der Bundestag auf die Wortergreifung von Beauftragten insoweit einen Einfluß aus, als nach ständiger Praxis nur Staatssekretäre - parlamentarische oder beamtete - sprechen. Bundesregierung und Bundesrat haben dieser Übung stets Rechnung getragen, obwohl sie sich nicht aus der Verfassung ergibt l4 • Abgesehen vom Rederecht der Bundesregierung und des Bundesrates ist die Wortergreifung im Plenum des Bundestages durch Nichtmitglieder des Hauses auf Sonderfälle beschränkt worden. So erhalten nach parlamentarischer Übung bei der Eidesleistung des Bundespräsidenten vor dem versammelten Bundestag und Bundesrat sowohl der scheidende wie der neugewähIte Bundespräsident das Wort. Anläßlich eines Besuches des Präsidenten der Vereinigten Staaten im Bundestag wurde in einer laufenden Plenarsitzung dem Präsidenten Nixon Gelegenheit zu einer Ansprache gegebenl5 • Eine ausdrückliche Geschäftsordnungsregelung ist vom Bundestag für die Wortergreifung des Wehrbeauftragten getroffen worden. Nach § 116c Abs.l GO hat der Wehrbeauftragte, wenn im Plenum der von ihm vorgelegte Bericht beraten wird oder, wenn er zur Sitzung herbeigerufen worden ist, das Wort zu ergreifen, sofern dies von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke verlangt wird. Die Redepflicht des Wehrbeauftragten im Bundestag rechtfertigt sich aus seiner in Artikel 45 b GG umschriebenen Stellung als Hilfsorgan des Parlaments; sie hat ihre Grundlage im Gesetz über den Wehrbeauftragten des BundestageslS , das auf einer Ermächtigung der Verfassung beruht l7 • Nach § 6 dieses Gesetzes können der Bundestag oder sein Verteidigungs ausschuß jederzeit die Anwesenheit des Wehrbeauftragten verlangen. Die Herbeirufung des Wehrbeauftragten zu einer Bundestagssitzung können nach § 116 c Abs. 2 GO schon Abgeordnete in Fraktionsmindeststärke verlangenl8 • Dazu Trossmann, § 47 Rdnr. 2.1; Maunz, Art. 43 Rdnr. 13. 218. Sitzung der 5. Wahlperiode am 26.2.1969, Stenogr. Bericht S. 11794 ff. IS Gesetz vom 26.6.1957 (BGBl. I S. 652), geändert durch Art. 153 EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469). 17 Art. 45 b Satz 2 GG. 18 Ergänzung der Geschäftsordnung, vom Bundestag beschlossen am 27.1. 1965, BT-Drucks. IV/2797, Stenogr. Bericht S. 7844 ff. U

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Eine entsprechende Pflicht zum Reden kommt für den BfD als einem Organ der Exekutive, im übrigen mangels einer gesetzlichen Grundlage, nicht in Betracht. Die Geschäftsordnung des Bundestages kann als internes Recht keine Pflichten, aber auch keine Rechte für Nichtmitglieder begründen. Jedoch muß es dem Parlament freistehen zu beschließen, daß ein Nichtmitglied des Hauses, wer immer es sei, nicht nur von einem seiner Ausschüsse, sondern auch vom Plenum angehört werden soll. In diesem Willen wird der Bundestag auch von der Verfassung nicht eingeschränkt. Nach unbestrittener parlamentarischer Praxis haben die Ausschüsse des Bundestages das Recht, in ihren Beratungen Sachverständige und Auskunftspersonen anzuhören. Die Geschäftsordnung regelt ausdrücklich Anhörungen im Rahmen öffentlicher Informationssitzungen der Ausschüsse; diese Regelung gilt ebenso für nichtöffentliche Ausschußsitzungen19 • Die Ausschüsse zählen zu den vom Bundestag eingesetzten Organen20 • Das Recht zur Anhörung, das der Bundestag seinen Ausschüssen gewährt, ist dem Plenum des Bundestages nicht vorenthalten, mag sich eine Anhörung vor dem versammelten Parlament auch nur im Ausnahmefall anbieten, wenn ein besonderer Anlaß gegeben ist. Demnach ist der Bundestag nicht gehindert, kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie (Artikel 40 Abs. 1 GG) durch Beschluß des Hauses dem BfD eine Redemöglichkeit zu gewähren, wenn auch dieser selbst die Worterteilung wünscht. Ein solcher Beschluß bedeutet keine Abweichung von der Geschäftsordnung, die nach § 127 eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages voraussetzt. Denn die Frage, wer im Bundestag als Nichtmitglied reden darf, ist in der Geschäftsordnung allein für den Wehrbeauftragten, aber damit nicht abschließend geregelt worden, sondern im übrigen der parlamentarischen Praxis überlassen. Für einen Beschluß, dem BfD eine Redemöglichkeit im Plenum zu gewähren, genügt daher die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Artikel 42 Abs. 2 GG, § 54 Abs. 2 GO). Soll durch den Beschluß über den Einzelfall hinaus eine generelle Regelung der Worterteilung an den BfD geschaffen werden, so bedeutet dies eine Ergänzung der Geschäftsordnung. Angesichts der sehr restriktiven Praxis21 und der Besonderheit des Falles des Wehrbeauftragten müßte im Einzelfall namentlich vom ÄI1V

20

§ 73 Abs. 3 bis 6 GO; dazu Trossmann, § 73 Rdnr. 4.4. Vgl. BVerfGE 1, 144 (152); Maunz, Art. 40 Rdnrn. 3 bis 9. Jüngst hat Friedrich Schäfer eine Anregung gegeben -

21 Vorschläge zu einer Parlamentsreform, in: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, 42/80, S. 15 ff. (114) - , realisierbar ohne Änderung der Verfassung oder eines einfachen Gesetzes, nämlich Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Parlamentspräsidenten verbündeter Staaten sowie Präsidenten der europäischen Versammlungen einzuladen, vor dem Bundestag zu sprechen.

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testenrat geprüft werden, welche Gründe für eine zumindest von der Mehrheit des Bundestages gewünschte Wortergreifung des BfD sprechen könnten. Allgemein dürfte wohl die Möglichkeit ausreichen, daß ein Ausschuß den BfD, der sich auf die Vorlage eines Berichts nicht beschränken möchte, zum mündlichen Vortrag einlädt. IV. Ergebnis 1. Das Bundesdatenschutzgesetz gibt dem BfD das Recht, sich jederzeit mit zusätzlichen Berichten an den Bundestag zu wenden; es gewährt dagegen kein Rederecht.

2. Das Redeprivileg der Bundesregierung nach Artikel 43 Abs. 2 GG steht dem BfD nicht zu, weil er nicht als Beauftragter der Bundesregierung tätig wird. 3. Der Bundestag hat aufgrund seiner Geschäftsordnungsautonomie die Befugnis, dem BfD Gelegenheit zur Wortergreifung zu geben, wobei jedoch die restriktive Praxis des Bundestages beibehalten werden sollte.

Rechtliche Unverbindlichkeit der Zusage eines Verzichts auf das Doppelmandat* Zum Verfassungsgrundsatz des freien Abgeordnetenmandats I. Ein Beschluß zur Vermeidung von Doppelmandaten Bei der Kandidatenauswahl für die erste unmittelbare Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments werden verschiedentlich in den Parteien Überlegungen angestellt, wie Doppelmandate aufgrund gleichzeitiger Mitgliedschaft im Europäischen und nationalen Parlament zu vermeiden sind. So hat der Landesvorstand einer Partei für die Aufstellung der Kandidatenliste einen Beschluß gefaßt, der die Zusage eines Mandatsverzichts vorsieht: Mitglieder des Bundestages, die auf die Liste gesetzt werden, sollen bis zu einem Stichtag "verbindlich und unwiderruflich", schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle, erklären, daß sie an dem Tage, an dem sie die Wahl in das Europäische Parlament annehmen, ihr Bundestagsmandat niederlegen werden; wer eine solche mit entsprechendem Formular vorbereitete Erklärung nicht innerhalb der bestimmten Frist abgibt, soll von der Liste gestrichen werden. 11. Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten Dieses Verfahren wirft rechtliche Bedenken auf. Die Frage stellt sich, ob hier ein Verstoß gegen die freie Mandatsausübung des Abgeordneten vorliegt. 1. Verbot von Aufträgen und Weisungen Nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Mitglieder des Bundestages als Repräsentanten des ganzen Volkes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Damit ist der Grundsatz des freien Mandats ausgesprochen. Der Abgeordnete soll in seiner Entscheidung frei sein1 • In der Literatur wird diese Verfassungsvorschrift einhellig als ein Verbot von Aufträgen und Weisungen an den Abgeordneten verstanden. Die noch zur Weimarer Reichsverfassung vertretene Auffassung, daß "Aufträge" zwar erlaubt seien, ihnen aber keine rechtliche Verbindlichkeit

* Wiedergabe aus: ZParl1979, S. 213 ff. 1

Vgl. BVerfGE 7, 63 (73).

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zukomme!, vermag nicht zu überzeugen. Denn "Aufträge", die niemals binden können, sind keine3 • Aus dem Verbot von Aufträgen und Weisungen folgt, daß über die Ausübung des parlamentarischen Mandats keine Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden können'. Da die Freiheit des Parlamentariers von Aufträgen und Weisungen unverzichtbar und unentziehbar ist, sind insbesondere etwaige Zusagen von Abgeordneten gegenüber ihrer Partei oder Fraktion zur Niederlegung des Mandats unwirksam und dürfen deshalb von keiner Seite geltend gemacht werdens. Derartige Rechtsgeschäfte sind verfassungswidrig und auch wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig 6 • Versprechen von Abgeordneten, das Mandat niederzulegen, stellen einen Mißbrauch des Verzichtsrechts dar7 • Denn dieses Recht unterliegt strengen Formvorschriften. Nach § 46 Abs. 1 Nr.4 und Abs.3 des Bundeswahlgesetzes ist ein Verzicht nur wirksam und zugleich unwiderruflich, wenn er persönlich zur Niederschrift des Präsidenten des Bundestages, eines Notars oder einer Auslandsvertretung erklärt wird. Der Verzicht muß bedingungsfrei sein, kann aber auf einen bestimmten Termin datiert werden8 • Wirksam wird dann der Verzicht gemäß § 47 BWahlG durch eine Bestätigung des Bundestagspräsidenten. Der Beschluß des Landesvorstands, wonach Abgeordnete binnen einer Frist das Versprechen geben sollen, ihr Mandat niederzulegen, ist demnach wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot des freien Mandats nichtig. Ebenso wie das Verlangen der "verbindlichen und unwiderruflichen" Erklärungen rechtsunwirksam ist, so wären es auch etwaige schon abgegebene derartige Erklärungen. ! Vgl. Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, Komm., 4. Bearb., 14. Aufl., Berlin 1933, Art. 21 Erl.2; Edgar Tatarin-Tarnheyden, Die Rechtsstellung der Abgeordneten; ihre Pflichten und Rechte, in: HdbDStR, 1. Bd., Tübingen 1930, S. 413 ff. (419); Fritz Morstein Marx, Rechtswirklichkeit und freies Mandat, in: AöR, 50. Bd., NF 11. Bd., 1926, S. 430 ff. (436 f.). a Vgl. Peter Badura, in: Bonner Kommentar, Hamburg 1950 ff., Art. 38 Rdnrn.51, 58 bis 60; Theodor Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, 4. Aufl., München 1978, Art. 38 Rdnrn. 9 bis 17; von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Berlin 1957/74, Art. 38 Erl. IV 4 abis c; Karl-Heinz Mattern, Grundlinien des Parlaments, Berlin 1969, S. 26 f.; Eduard Dreher, Zum Fraktionszwang des Bundestagsabgeordneten, in: NJW 1950, S. 661 ff. , Desgl. BVerfGE 2, 1 (74); Maunz, Art. 38 Rdnr. 15. Vgl. auch Hans-Joachim Winkler, 30000 DM Strafe bei Parteiwechsel?, in: ZParl, 1. Jg. (1970), H.2, S.170 ff. S Desgl. von Mangoldt / Klein, Art. 38 Er!. IV 4 c. 8 Desgl. Wolfgang Schreiber, Handbuch des Wahlrechts, Bd.1: Komm. zum Bundeswahlgesetz, Köln 1976, § 46 Rdnr. 11. 7 Desgl. Schreiber, § 46 Rdnr. 11; Maunz, Art. 38 Rdnr. 14. 8 Vgl. Karl-Heinz Seifert, Das Bundeswahlrecht, 3. Aufl., Berlin 1976, § 46 Rdnr.7.

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Unverbindlichkeit der Zusage eines Verzichts auf das Doppelmandat 2. Verbot jeglicher Behinderung parlamentarischer Tätigkeit

Das Recht des Abgeordneten auf freie Mandatsausübung wird zusätzlich durch Artikel 48 Abs. 2 GG geschützt. Nach dieser Vorschrift darf niemand gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten auszuüben9 • Verboten ist damit auch, auf einen Abgeordneten Druck auszuüben, daß er auf sein Mandat verzichte10 • Ein solcher unzulässiger Druck wäre es, wenn das in dem fraglichen Beschluß vorgesehene Versprechen der Mandatsniederlegung unter Hinweis auf seine mangelnde Rechtsverbindlichkeit gleichwohl als "nur" moralische Verpflichtung verlangt würde. Sollten die gewünschten Erklärungen in Einzelfällen tatsächlich abgegeben worden sein, müßte es als unzulässig angesehen werden, wenn zwar die rechtliche Unverbindlichkeit eingeräumt, jedoch aus moralischen Gründen eine Einlösung des Versprechens gefordert würde. Denn auch "ehrenwörtliche" Zusagen sind ungültig l1 • Schließlich ist schon eine freiwillige Bindung des Abgeordneten an einen fremden Willen verfassungswidrig12 • Dennoch ist die Partei nicht gehindert, bei der Aufstellung einer Kandidatenliste für die Wahl zum Europäischen Parlament den Grundsatz der Inkompatibilität zwischen europäischem und nationalem Mandat zu verwirklichen. Dabei ist es unerheblich, daß der "Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung"13 eine solche Inkompatibilität nicht vorsieht, sondern im Gegenteil die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament mit der Mitgliedschaft im Parlament eines Mitgliedstaates für vereinbar erklärt (Artikel 5)14. Mit der Aufstellung einer Liste kann von der Partei die Erwartung verbunden und auch zum Ausdruck gebracht werden, daß die Abgeordneten grundsätzlich bereit sein sollen, im Falle ihrer Wahl für das Europäische Parlament das Bundestagsmandat niederzulegen. Die Partei ist auch nicht gehindert, Bewerber, die diese Bereitschaft verneinen, in die Liste nicht aufzunehmen oder von einer noch nicht endgültigen15 Liste zu 9 Das gleiche gilt nach § 2 des Abgeordnetengesetzes vom 18.2.1977 (BGBl. I S. 297), der eine Klarstellung und eine - hier nicht einschlägige - Erweiterung des Grundgesetzartikels enthält. 10 Desgl. Seifert, § 46 Rdnr. 7. 11 Desgl. von Mangoldt / Klein, Art. 38 Erl. IV 4 c. 12 Desgl. Norbert Achterberg, Das rahmengebundene Mandat, Berlin 1975, S.14. 13 Vertrag vom 20.9.1976 (BGBl. 1977 II, S. 734). 14 Ebenso bestimmt § 1 Abs.2 des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG) vom 16.6.1978 (BGBl. I S.709), daß die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zugleich Mitglieder des Deutschen Bundestages sein können. 15 Eine Liste wird unabänderlich mit der Entscheidung über ihre Zulassung durch den Landeswahlausschuß oder den Bundeswahlausschuß (§§ 12, 14 EuWG).

Unverbindlichkeit der Zusage eines Verzichts auf das Doppelmandat

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streichen16 • Doch für eine bindende Zusage der Kandidaten läßt die Verfassung keinen Raum. Für eine solche besteht weder eine Rechtsgrundlage noch ein sonstiger an die Moral appellierender Anspruch. III. Ergebnis Der Beschluß eines Parteigremiums, der von Mitgliedern des Bundestages die Zusage eines Mandatsverzichts fordert und etwaige aufgrund dieses Beschlusses abgegebene Erklärungen von Abgeordneten, das Mandat niederlegen zu wollen, sind wegen Verstoßes gegen Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 und Artikel 48 Abs. 2 des Grundgesetzes rechtsunwirksam. Eine Partei kann das verfolgte Ziel der Inkompatibilität zwischen europäischem und nationalem Mandat nur erreichen, indem sie - auf eine bindende Zusage der Kandidaten verzichtend - deutlich die Erwartung ausspricht, daß die Kandidaten bereit sind, diesen Grundsatz zu respektieren. Die Partei ist nicht gehindert, Bewerber, die diese Bereitschaft von vornherein verneinen, nicht in die Kandidatenliste aufzunehmen.

16 Für die Nominierung der Kandidaten und auch für die Festlegung ihrer Reihenfolge auf der Liste wird von § 10 Abs. 3 EuWG geheime Abstimmung in einer Vertreter- oder einer Mitgliederversammlung der Partei vorgeschrieben.

Zur Entwicklung des parlamentarischen Petitionsrechts von den Anfängen bis zur jüngsten Neuregelung für den Deutschen Bundestag'" Die Bedeutung des durch Artikel 17 unserer Verfassung gewährten Grundrechts, sich mit Bitten oder Beschwerden außer an sonstige zuständige Staatsorgane an die Volksvertretung zu wenden, ist durch eine umfangreiche Tätigkeit parlamentarischer Petitionsausschüsse in Bund und Ländern zu belegen. Neben der Rechtsbefriedung im Einzelfall erfüllt das Petitionsrecht eine besondere Funktion im parlamentarischen Regierungssystem. Es wirkt mit bei der Kontrolle des Parlaments über Regierung und vollziehende Gewalt. Das Petitionsrecht als verfassungsmäßiges Grundrecht durchzusetzen war daher in Deutschland der ersten Republik vorbehalten. Eine längere Entwicklung ging bereits voraus, seitdem die Freiheitsbewegung von 1848 die Anerkennung eines subjektiven Rechts, Petitionen an die Volksvertretung zu richten, erreicht hatte. Wenn heute durch erweiterte Rechte des Petitionsausschusses des Bundestages gerade die parlamentarische Kontrollfunktion gestärkt werden soll, so wird damit dem Ruf nach einem Bürgerbeauftragten für den Bund Rechnung getragen. Die folgende Darstellung beschränkt sich darauf, die Regelungen zum Petitionswesen des deutschen Zentralparlaments im geschichtlichen Ablauf lediglich zu registrieren. Die verschiedenen Kompetenz- und Verfahrensänderungen wären in einer umfassenderen Analyse vor dem Hintergrund der hier nicht im einzelnen darzustellenden historischen Wandlungen der Parlamentsfunktionen des weiteren zu untersuchen. Die Mehrfachfunktion des Petitionsverfahrens - zwischen Kontrolle und Initiative des Parlaments gegenüber der Regierung bis zum Rechtsschutz für den Staatsbürger - sollte mit unterschiedlicher Akzentsetzung jeweils durch die Neuregelungen gestärkt werden. I. Das Petitionsrecht des Reichstags der Bismarckschen Verfassung

Von einem Recht, Petitionen an den Reichstag zu richten, spricht die Reichsverfassung von 1871 nicht. Artikel 23 stellt nach seinem Wortlaut nur knapp auf das parlamentarische Petitionsüberweisungsrecht ab: "Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reichs Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrate resp. Reichskanzler zu überweisen." ... überarbeitete Fassung aus: ZParl1975, 8.178 ff.

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1. Ständestaatliche Tradition

Die genannte Bestimmung fügt sich ein in die Systematik der Verfassung, die auf die Normierung eines Grundrechtskatalogs verzichtet hat. Für das Petitionsrecht kommt mit dieser Formulierung die Nachwirkung einer in die vorkonstitutionelle Zeit zurückreichenden Tradition zum Ausdruck. Die einseitige Auffassung vom Petitionsrecht als einem Recht nicht des einzelnen, sondern der Stände gegenüber dem Landesherrn hatte sich fortgesetzt in den ersten Verfassungen der Staaten des Deutschen Bundes von 1815, die das Petitionsrecht eben nicht als subjektives öffentliches Recht des Staatsbürgers gewährten, sondern als ein Recht des Parlaments, dem Monarchen Bitten und Beschwerden zuzuleiten, und die in dieses Recht die Anregung zur Einbringung von Gesetzen einbezogen sahen, da es ein parlamentarisches Recht zur Gesetzesinitiative noch nicht gabt. Es ist ein Nachklang dieser gemeinsamen Wurzel von Petitionsrecht und Gesetzesinitiative des Parlaments, daß Artikel 23 der Reichsverfassung das Initiativrecht des Reichstags2 in einer mit dem Petitionsrecht verbundenen Fassung zum Ausdruck bringt. 2. Anerkennung als Individualredat

Als die Staaten des Deutschen Bundes in Anlehnung an den englischen und den französischen Rechtsbereich die Praxis entwickelten, dem einzelnen ebenso wie Gemeinschaften eine Petitionsbefugnis zuzubilligen, erließen die Landesregierungen zur Bekämpfung der Versammlungsfreiheit Verordnungen, die das Verbot von Kollektivpetitionen enthielten3 • Entsprechend lautet ein Beschluß der Bundesversammlung vom 5. Juli 1832: " ... wer irgend eine Volksversammlung dazu mißbraucht, Adressen oder Beschlüsse in Vorschlag zu bringen und durch Unterschrift oder mündliche Beistimmung genehmigen zu lassen, ist mit geschärfter Ahndung zu belegen." Einen Durchbruch haben erst die Ereignisse von 1848 erzielt. Die Frankfurter Nationalversammlung bestimmt in Artikel VII § 159 ihres Verfassungswerkes : "J eder Deutsche hat das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden schriftlich an die Behörden, an die Volksvertretungen und an den Reichstag zu wenden. t Dazu Julius Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, BerUn 1922/ 23, Bd. II, S. 21. 2 Vgl. Adolf Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, BerUn 1901, S. 177 f. 3 Dazu Hatschek, Staatsrecht, Bd. I, S. 237 ff. 6 Vonderbeck

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Zur Entwicklung des parlamentarischen Petitionsrechts Dieses Recht kann sowohl von einzelnen als von Korporationen und von mehreren im Vereine ausgeübt werden ... "

Die Verfassungen der deutschen Einzelstaaten halten diesen Stand aufrecht, als erste die oktroyierte Verfassung Preußens von 1848, deren Regelung in den Artikel 32 der Verfassung von 1850 übernommen worden ist: "Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesamtnamen sind nur Behörden und Korporationen gestattet." Daß hier Kollektivpetitionen nicht genannt werden, hat ebensowenig wie die Beschränkung von Petitionen unter einem Gesamtnamen auf Behörden und Kooperationen praktische Bedeutung erlangt4 • Im übrigen findet der Artikel 32 eine Ergänzung in Artikel 81, der neben einer Beschränkung des Petitionsrechts auf Eingaben in Schriftform (Abs. 2) eine Koppelung des Petitionsüberweisungsrechts der Kammern mit einer ministeriellen Auskunftspflicht enthält (Abs. 3). Dieser Rechtszustand wirkt auf die Bismarcksche Reichsverfassung ein. Ihr Artikel 23 wird dahingehend interpretiert, daß an den Reichstag "gerichtete" Petitionen ein entsprechendes Recht des Petenten voraussetzen. So bleibt in der Praxis das subjektive Recht, Petitionen als einzelner oder in Gemeinschaft beim Parlament einzubringen, anerkannt5 • 3. Verfahrensmäßige Ausgestaltung

Die Weiterentwicklung des Petitionsrechts erreicht der Reichstag durch Regelungen, die an die Geschäftsordnung des Preußischen Abgeordnetenhauses anknüpfen6 • Nach der Geschäftsordnung des Reichstags sind die eingehenden Petitionen vom Präsidenten unmittelbar der Kommission für die Petitionen oder den Kommissionen, die mit dem Gegenstand der Petition. bereits befaßt sind, zu überweisen (§ 28 Abs.1). Die Kommissionen haben den Inhalt der überwiesenen Petitionen allwöchentlich in Zusammenstellungen den Mitgliedern des Hauses bekanntzugeben und Entscheidungsvorschläge zu machen; zur Erörterung im Plenum gelangen solche Petitionen, bei denen es von einer Kommission oder von mindestens 15 Abgeordneten beantragt wird (§ 28 Abs. 3 bis 5)7. Um Petitionen im Plenum zu erörtern, hat sich der Reichstag bezeichnenderweise im Zusammenhang mit der Beratung von Initiativ, Vgl. ebd., S. 241. 5 Vgl. ebd., S. 241 f. 6 Dazu A. PIate, Die Geschäftsordnung des Preußischen Abgeordnetenhauses, Berlin 1904, S. 108 ff. 7 Zu einer Diskussion über dieses Verfahren kam es im Reichstag am 3.3.1886, vgl. VI. Leg.-Periode, H. Session, 57. Sitzung, S. 1271 bis 1278.

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anträgen aus dem Hause - einer ausdrücklichen Bindung unterworfen (§ 35). Initiativanträge und Petitionen sind regelmäßig an einem bestimmten Tag jeder Sitzungswoche, üblicherweise an jedem Mittwoch, dem sogenannten "Schwerinstag"S, an erster Stelle zu behandeln. Dabei ist für Petitionen ihre Reihenfolge durch die Erledigung im Ausschuß festgelegt; sie können nur dann innerhalb der Tagesordnung zurückgestellt oder von dieser abgesetzt werden, wenn nicht 30 Abgeordnete widersprechen. Von besonderer Bedeutung wird schließlich die Geschäftsordnungsvorschrift, daß jedem Petenten ein Bescheid über den Beschluß des Reichstags erteilt werden muß (§ 28 Abs. 6). Als Petitionsentscheidungen bilden sich die folgenden Kategorien heraus: überweisungen an den Bundesrat oder den Reichskanzler zur Berücksichtigung, zur Erwägung, zur Kenntnisnahme oder als Material, ferner Erledigungserklärungen durch bereits anderweitig gefaßte Beschlüsse sowie der übergang zur Tagesordnung9 • 11. Das Petitionsrecht des Reichstags der Weimarer Verfassung Die Normierung des Petitionsrechts als ein Grundrecht wird durch Artikel 126 der Reichsverfassung von 1919 verwirklicht: "Jeder Deutsche hat das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständige Behörde oder an die Volksvertretung zu wenden. Dieses Recht kann sowohl von einzelnen als auch von mehreren gemeinsam ausgeübt werden." Die Bestimmung bestätigt nicht nur eine schon vorhandene Praxis, sie enthält auch eine Klarstellung gegenüber abweichenden Ansichten in der Staatslehre. Daraus werden Folgerungen gezogen, die das Petitionsrecht weiterentwickeln. 1. Wandlung zum Grundrecht

Der Verfassungsartikel bedeutet eine Regelung des Petitionsrechts zur Ausübung nicht nur gegenüber dem Reichstag, sondern auch gegenüber den Volksvertretungen der Länder10 • über den Wortlaut der Bestimmung hinaus findet jetzt das Petitionsrecht als subjektives öffentliches Recht nach überwiegender Ansicht auch für Ausländer Anerkennung11 • 8 Initiator war der Abgeordnete Graf Schwerin-Putzlar; vgl. Julius Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, BerUn u. Leipzig 1915, S. 73 ff.; Kurt Perels, Das autonome Reichstagsrecht, BerUn 1903, S. 39 ff., 120. 9 Dazu Perels, S. 67 f. 10 Vgl. Hatschek, Staatsrecht, Bd. I, S. 243. 11 Vgl. Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Kommentar, 14. Aufl., BerUn 1933, Art. 126, Erl. 2.

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Der Petent, der Bitten oder Beschwerden beim Parlament einreicht, hat nunmehr einen gesicherten Anspruch darauf, daß zu seinem Anliegen eine parlamentarische Entscheidung getroffen wird. Die noch im Reichstag der Kaiserzeit geltende Auffassung, daß Petitionen, über die noch nicht entschieden worden ist, mit dem Ablauf einer Sitzungsperiode als erledigt gelten, ist gegenüber einem von der Verfassung gewährten Grundrecht nicht aufrechtzuerhalten. Die Bestimmung der übernommenen Geschäftsordnung, die auch Petitionen in die Diskontinuität einbezog (§ 70), wird daher gestrichen. Denn Petitionen, über die zu beschließen der Reichstag verfassungsrechtlich verpflichtet ist, sind an das Parlament weder einer bestimmten Session noch einer Wahlperiode, sie sind an die Volksvertretung als Institution gerichtet. Die Erfolgsaussicht für Petitionen verbessert sich vor allem dadurch, daß der neue Reichstag das Petitionsüberweisungsrecht in einer durch Einführung des parlamentarischen Regierungssystems gestärkten Position wahrnimmt. Zur Erledigung von Petitionen kann die Regierung vom Reichstag zur Verantwortung gezogen werden; aufgrund des auch den Ausschüssen zustehenden Zitier- und Interpellationsrechts gemäß Artikel33 der Verfassung muß der zuständige Minister insbesondere dem Petitionsausschuß Rede und Antwort stehen t2 • 2. Verfahrensmäßige Ausgestaltung

In der Neufassung der Reichstagsgeschäftsordnung von 1922 konkretisiert sich das Herbeirufungsrecht in Bestimmungen, die von der Erwartung ausgehen, daß die Regierung dem Reichstag über die Ausführung seiner Beschlüsse binnen angemessener Frist schriftliche Auskunft gibt (§§ 67, 68). Ein Herbeirufungsantrag bedarf anfangs keiner Unterstützung, nur eine Aussprache über den Antrag wird vom Verlangen einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten abhängig gemacht (§ 95); später, ab 1929, ist diese Mindestzahl von 30 Abgeordneten schon zur Unterstützung des Antrags erforderlich. Die Neufassung der vom Reichstag der Kaiserzeit übernommenen Geschäftsordnung bringt im übrigen eine weitere Rationalisierung der parlamentarischen Entscheidung über Petitionen. Zur Behandlung der vom Präsidenten dem Petitionsausschuß oder - vor allem in Fällen einschlägiger Gesetzesberatung - den Fachausschüssen überwiesenen Petitionen (§ 63) bedarf es nicht mehr des "Schwerinstages"; diese Bestimmungen werden gestrichen. Übersichten über die im Plenum zur Beschlußfassung anstehenden Petitionen, die als Drucksachen zu verteilen 12 Zur parlamentarischen Kontrollbefugnis im Rahmen der Petitionsbehandlung vgl. Rainer Pietzner, Petitionsausschuß und Plenum, Zur Delegation von Plenarzuständigkeiten, Berlin 1974, S. 40 ff.; ferner Uwe Thaysen, Parlamentarisches Regierungssystem in der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1975, S. 36 ff.

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und auf die Tagesordnung zu setzen sind, sollen vom Petitions ausschuß monatlich erstellt werden (§ 65 Abs. 1). Ausgenommen von diesen Sammelübersichten sind die Petitionen, über die von Ausschüssen schriftlicher Bericht erstattet wird. Eine Aussprache über Petitionen findet auf Antrag des zuständigen Ausschusses oder von 30 Abgeordneten statt. Die zu den Petitionen in den Sammelübersichten oder in gesonderten Berichten regelmäßig zu stellenden Ausschußanträge werden erstmals in der Geschäftsordnung katalogisiert. Es sind die schon bisher üblichen Fassungen13 , erweitert um den Antrag, eine Petition "für ungeeignet zur Beratung im Reichstag" zu erklären (§§ 64, 65 Abs. 2). Unerwähnt bleiben die den Fachausschüssen überwiesenen Petitionen, die im Zusammenhang mit der Beschlußfassung über Ausschußvorlagen, namentlich Gesetzentwürfe, für erledigt erklärt werden. Daß die parlamentarische Entscheidung über eine Petition dem Einsender mitgeteilt werden muß, bleibt weiterhin ausdrücklich vorgeschrieben (§ 66).

III. Das Petitionsrecht des Bundestages Artikel 17 des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 hat inhaltlich keine Erweiterung des zur Zeit der Weimarer Verfassung geltenden Petitionsrechts gebracht. Seine Formulierung enthält lediglich Klarstellungen des schon damals entwickelten Rechtszustands14 : "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden." 1. Das Grundrecht des Artikels 17

Entscheidend für die Durchsetzbarkeit eines Grundrechts ist der richterliche Rechtsschutz, der jetzt wesentlich verstärkt wird. Durch die Einführung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel nach § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und der Verfassungsbeschwerde nach §90 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (später ergänzt durch Artike193 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 13 Nr. 8 a BVerfGG) wird dem Petenten die Möglichkeit des Verwaltungsrechtswegs und einer abschließenden Entscheidung des höchsten Gerichts zur Überprüfung der ordnungsgemäßen parlamentarischen Erledigung seiner Eingabe garantiert. Auch wenn das Parlament es unterlassen würde, über eine Petition zu entscheiden, 13 Siehe oben Nr. I, 3. 14 Desgl. von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Berlin 1957174, Art. 17, Erl. II, 3. Aufgrund der Ermächtigung in Art. 17 a GG (eingefügt durch Gesetz v. 19.3.1956 [BGBl. I S. 111]) ist das Petitionsrecht eingeschränkt durch § 1 Abs.4 der Wehrbeschwerdeordnung v. 23.12.1956 (BGBl. I S. 1066) i.d.F. der Bekanntmachung v. 11.9.1972 (BGBl. I S.1737, ber. S.1906), worin Soldaten die gemeinschaftliche Beschwerde untersagt wird.

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kann der Petent hiergegen Verwaltungsklage erheben15 • Dieser Rechtsschutz gilt dem Anspruch des Petenten, der nicht auf die Erfüllung seines Anliegens, sondern auf sachliche Prüfung und einen Bescheid als Bekanntgabe zum Verfahren gerichtet ist. Das Petitionsrecht nach Artikel 17 ist nicht allein Deutschen, sondern ausdrücklich jedermann zugesprochen. Als Petitionsadressaten neben der Volksvertretung werden anstelle der zuständigen Behörden noch allgemeiner jegliche zuständigen Stellen bezeichnet16 • Daß Petitionen nicht der parlamentarischen Diskontinuität unterliegen und nicht durch das Ende einer Wahlperiode als erledigt gelten dürfen, wird in der Geschäftsordnung, die der Bundestag in einer ab 1952 geltenden Neufassung übernommen hat, ausdrücklich erwähnt (§ 126)17. 2. Verfahrensmäßige Ausgestaltung

Neben der Möglichkeit, die Anwesenheit von Mitgliedern der Bundesregierung zu verlangen (Artikel 43 Abs. 1 GG, § 73 Abs. 1 GO tS ), ist dem Petitionsausschuß nunmehr von der Geschäftsordnung mit dem alleu Bundestagsausschüssen zugestandenen Recht zur Anhörung von Sachverständigen und sonstigen Auskunftspersonen (§ 73 Abs. 3 bis 61e) ein weiteres Mittel zur Intensivierung seiner Beratungen gegeben. Der aus der Reichstagsgeschäftsordnung übernommene Katalog der Beschlußempfehlungen, die der Petitionsausschuß zu den ihm überwiesenen Petitionen (§ 112) dem Plenum in der Regel vorlegt, ist ergänzt worden um den Entscheidungsvorschlag, eine Petition "durch die Erklärung der Regierung" als erledigt anzusehen (§ 113 Abs. 2). Diese Form des Ausschußantrages hat dann seit der vierten Wahlperiode des Bundestages eine weitergehende Fassung erhalten, nämlich die Petition "nach Prüfung der Sach- und Rechtslage" als erledigt anzusehen. Die Geschäftsordnung erwähnt dies nicht, ebensowenig den Antrag, der seit der vierten Wahlperiode für Petitionen üblich geworden ist, die den Zuständigkeitsbereich des Parlaments selbst - ausgenommen einen schon vorliegenden Gesetzentwurf - ansprechen; es ist der Antrag, die Petition als erwägenswerte Anregung zur Kenntnis zu nehmen. Die im Plenum mindestens einmal im Monat vorzulegenden Sammelübersichten über die entscheidungsreifen Petitionen lassen eine Aussprache zu, wenn es vom Hause beschlossen wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 u. 15 Dazu H.-J. Vonderbeck, Verwaltungsgerichtliche Klage auf Erlaß eines parlamentarischen Petitionsbescheides, in: ZParl, 5. Jg. (1974), S. 307 ff.; siehe auch unten S. 93 ff. 16 Dazu Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, 5. Aufl., München 1979, Art. 17, Rdnr. 54. 17 § 125 GO n.F. (dazu unten Anm. 38). 18 § 68 GO n.F. (Anm. 38). 19 § 70 GO n.F. (Anm. 38).

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Abs. 3). Zusätzlich erhält der Petitionsausschuß die Verpflichtung, über seine Tätigkeit vierteljährlich dem Plenum mündlichen Bericht zu erstatten (§ 113 Abs. 1 Satz 2). Dieser Bericht soll durch Auswertung der eingegangenen Petitionen vor allem zu notwendigen Gesetzesinitiativen und zu Maßnahmen der Exekutive anregen20 • Die Vorschrift, dem Petenten die Art der Erledigung seiner Eingabe mitzuteilen, erfährt die Ergänzung, daß die Mitteilung möglichst mit Gründen versehen sein soll (§ 113 Abs. 421 ). Durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird diese Mitteilungspflicht bekräftigt, der Rechtsanspruch des Petenten anerkannt, daß jede ordnungsgemäße Petition zu beantworten ist und daraus gefolgert, daß diese Antwort zumindest die Kenntnisnahme vom Inhalt der Petition und die Art ihrer Erledigung ergeben muß 22 • Wenn auch ein Anspruch auf eine Begründung des Petitionsbescheides nicht zu bejahen ist, so konnte die Begründung doch zur ständigen Praxis werden. Für schriftliche Auskünfte, die die Regierung über ihr zur Berücksichtigung oder zur Erwägung überwiesene Petitionen dem Parlament in angemessener Frist zu erteilen hat, ist zunächst die Regelung beibehalten worden, diese Auskünfte als Drucksachen an die Abgeordneten zu verteilen (§§ 115, 11623). Mit Rücksicht auf die Persönlichkeitssphäre des Petenten werden seit der vierten Wahlperiode solche Auskünfte als Ausschußdrucksachen vervielfältigt und außerhalb des Petitionsausschusses nur den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen zugeleitet24 • 3. Mehr Recllte für den Petitionsaussclluß

Den Petitions ausschuß durch zusätzliche Befugnisse zu einem besonderen Instrument parlamentarischer Kontrolle, vergleichbar einem Bürgerbeauftragten, auszubauen, ist das Ziel einer vom Bundestag der siebten Wahlperiode am 27. Februar 1975 verabschiedeten Verfassungsänderung sowie einer Regelung der Befugnisse des Petitionsauschusses durch einfaches Gesetz25 • Den Anträgen gingen entsprechende Entwürfe 20 Diese Regelungen der §§ 112, 113 Abs. 1 bis 3 GO bleiben nur teilweise in den §§ 109, 112 Abs. 1 u. 2 GO n.F. (Anm.38) erhalten. Zu den Änderungen siehe unten Nr. III 3 c. 21 In der entsprechenden Vorschrift des § 112 Abs. 3 GO n.F. (Anm. 38) ist das Wort "möglichst" entfallen. Ein Anspruch des Petenten auf eine Begründung wird neuerdings in Analogie zu § 39 des Verwaltungsverfahrensgesetzes v. 25.5.1976 angenommen. Dazu Thomas Würtenberger, in: Bonner Kommentar, Hamburg 1950 ff., Art. 45 c, Rdnr.112; Prodromos Dagtoglou, ebd., Art.17 (Zweitbearbeitung), Rdnr.100. 22 BVerfG v. 22.4.1953, in: Entsch. 2, 225 ff. (230). 23 Zur Streichung dieser Bestimmungen in der GO n.F. (Anm.38) siehe unten Nr. III3 c. 2' Diese in der Geschäftsordnung nicht zum Ausdruck gebrachte Regelung beruht auf einer Vereinbarung des Ältestenrates vom 3.4.1962.

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schon während der fünften und der sechsten Wahlperiode voraus26 • Als eine Vorentscheidung zugunsten der jetzt erreichten Neuregelung wirkte sich aus, daß die Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform des Bundestages der sechsten Wahlperiode erweiterte Befugnisse des Petitionsausschusses befürwortete und aus dieser Erwägung empfahl, die Institution eines Bürgerbeauftragten für den Bund nicht einzuführen27 •

a) Verfassungsauftrag für zusätzliche Kontrollrechte des Petitionsausschusses Als sich bis zu dieser Neuregelung der Informationsanspruch des Petitionsausschusses gegenüber der Exekutive im Rahmen des allgemeinen parlamentarischen Kontrollrechts der Herbeirufung von Regierungsmitgliedern nach Artikel 43 Abs. 1 GG bewegte, konnte ein Auskunftsverlangen nicht einmal unmittelbar gegen Beauftragte der Bundesregierung, erst recht nicht gegen nachgeordnete Behörden gerichtet werden; die Zitierung von Regierungsmitgliedern schloß weder einen Anspruch auf Aktenvorlage noch gar auf Inspektion an Ort und Stelle ein28 • Als Rechtsgrundlage, die zur übertragung derartiger Aufklärungsbefugnisse an den Petitionsausschuß ermächtigt, bedurfte es daher einer Verfassungsvorschrift, die den Ausschuß aus der Ebene der generellen parlamentarischen Kontrollrechte heraushebt. Die beschlossene Verfassungsänderung hat dies durch die Einfügung eines Artikel 45 c in das Grundgesetz erreicht, der dem Bundestag die Bestellung des Petitionsausschusses zur Behandlung der gemäß Artikel 17 GG an das Parlament gerichteten Bitten und Beschwerden zur Pflicht macht und zur Regelung der Befugnisse des Ausschusses für die Überprüfung von Beschwerden auf ein Bundesgesetz verweist29 • 25 Vgl. BT-Drucksachen 7/580, 3195 u. 7/581, 3252; Aussprache zur dritten Beratung in 152. Sitzung des Bundestages v. 27.2.1975, Stenogr. Bericht S. 10531 ff. Nachdem der zu beiden Gesetzen angerufene Vermittlungsausschuß - BT-Drucks. 7/3495, 3496 - keine Änderungen empfahl- BT-Drucks. 7/3548, 3549 - und der Bundesrat am 30.5.1975 die Neuregelung billigte, wurden die Gesetze vom 15. und 19. Juli am 23. Juli 1975 verkündet: BGBl. I S. 1901 u. 1921. 28 Zu den Reformbemühungen in der 5. Wahlperiode vgl. die Darlegungen bei Uwe Thaysen, Parlamentsreform in Theorie und Praxis, Opladen 1972, passim. Dazu ferner Werner Banse, Chronik der Bestrebungen um eine Reform des Petitionswesens im Deutschen Bundestag, in: ZParl, 4. Jg. (1973), S. 171 ff.; Harald Seidel, Das Petitionsrecht, Grundlagen, Verfahren, Reformen, Frankfurt a.M. 1972. S. 60 ff. 27 Vgl. Zwischenbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform BTDrucks. VI/3829 - vom 21.4.1972, S. 28 ff. 28 Dürig, Art. 17, Rdnr.75, leitet das Petitionsinformierungsrecht nicht aus Art. 43 Abs. 1 GG, sondern aus Art. 17 GG her, ohne jedoch zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. 29 Die Bezugnahme auf ein einfaches Gesetz, in dem die Befugnisse des parlamentarischen Kontrollorgans im einzelnen zu regeln sind, ist als ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage bereits bei der Einführung des

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Die neue Verfassungsbestimmung beschränkt ihre Ermächtigung zu zusätzlichen Kontrollrechten des Ausschusses auf die Überprüfung von Beschwerden30, weil vermieden werden sollte, mit einer Einbeziehung der Behandlung von "Bitten", insbesondere zur Bundesgesetzgebung, dem Petitionsausschuß die Stellung eines Gesetzgebungsausschusses mit Kompetenzen zu verschaffen, wie sie die übrigen Bundestagsausschüsse nicht besitzen. Diese Bedenken haben erst recht nicht zugelassen, dem Petitionsausschuß ein Initiativrecht zum Aufgreifen von Mißständen unabhängig von Eingaben einzuräumen. b) Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses Die Neuregelung dieses Gesetzes erweitert die Zuständigkeiten des Petitionsausschusses auf ein Auskunftsrecht gegenüber allen Bundesbehörden und allen bundesunmittelbaren Behörden, soweit sie der Aufsicht der Bundesregierung unterstehen (§§ 1, 2)31. Die neuen Befugnisse umfassen ein Recht auf Aktenvorlage und auf Zutritt zu den Einrichtungen der betroffenen Behörden. Nur gesetzliche oder sonstige zwingende Geheimhaltungsgründe, die von der jeweils zuständigen obersten Aufsichtsbehörde in einer zu begründenden Entscheidung gebilligt worden sind, können den Aufklärungskompetenzen entgegengehalten werden (§ 3). Das Gesetz enthält ferner das Recht des Ausschusses zur Anhörung von-Petenten, Zeugen und Sachverständigen (§§ 4, 5). Bei dieser Regelung ging man davon aus, daß als Zeugen oder Sachverständige auch Bedienstete des Bundes in Betracht kommen, selbst wenn sie mit dem Vorgang befaßt waren, der Anlaß zur Beschwerde gegeben hat; ihnen kann eine Aussagegenehmigung nur nach den Kriterien versagt werden, die zur Verweigerung von Aktenvorlage, Auskunft und Zutritt berechtigen (§ 3 in analoger Anwendung)32. Die Kostenerstattung für Vorladungen richtet sich nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (§ 5). Dem Petitionsausschuß sind freilich keinerlei Sanktionsmittel gegeben, um das Erscheinen und die Aussage der zur Anhörung Geladenen herbeizuführen33 . Wehrbeauftragten durch Art. 45 b GG anerkannt worden; vgl. Dürig, Art. 45 b, Rdnr. 2, Art. 45 c, Rdnr. 3; Würtenberger, Art. 45 c, Rdnrn. 22 bis 30. 30 Beschwerden wenden sich gegen eine individuelle Beeinträchtigung durch staatliches Handeln oder Unterlassen, Bitten enthalten losgelöst von der Regelung eines Einzelfalles ein allgemeines Anliegen. Dazu Würtenberger, Art. 45 c, Rdnrn. 64,65; Dürig, Art. 45 c, Rdnr.19. 31 Von den nachgeordneten Bundesbehörden kann der Petitionsausschuß schriftliche oder auch fernmündliche Auskunft verlangen. Dazu oben s. 38 f. 32 Desgl. Dürig, Art. 45 c, Rdnr.33; Hans Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, Kommentar, München 1977, § 112, Rdnr.13; Würtenberger, Art. 45 c, Rdnr. 96. 33 Im Gegensatz zu den Untersuchungsausschüssen (Art. 44 Abs. 2 GG) fehlt dem Petitionsausschuß eine Verweisung auf Vorschriften über den Strafprozeß. Er hat insbesondere keine Befugnis zur Vereidigung (§§ 59 ff., 79 StPO),

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Die mit der Neuregelung geschaffenen Rechte des Petitionsausschusses können, so sieht es das Gesetz vor (§ 6), nach Maßgabe der Bundestagsgeschäftsordnung im Einzelfall auf bestimmte Ausschußmitglieder übertragen werden. Gerade mit dieser Delegation von Ausschußkompetenzen auf einzelne Abgeordnete ist es möglich, eine Straffung des Petitionsverfahrens mit einer Effektivität vergleichbar der Einrichtung eines Bürgerbeauftragten zu bewirken. Ein weiteres Recht erhält der Petitionsausschuß durch das Bundesdatenschutzgesetz vom 27.1.1977 (§ 19 Abs.2 34): Er kann Ersuchen an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz richten, damit dieser bestimmten Hinweisen auf Angelegenheiten seines Aufgabenbereiches nachgeht. Es mag allerdings zweifelhaft sein, ob der Petitionsausschuß der Funktion eines Bürgerbeauftragten gerecht werden kann, solange dem Ausschuß nicht das Recht gewährt wird, von sich aus Fälle unzweckmäßiger oder mißbräuchlicher Behördentätigkeit aufzugreifen35 • Bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Befugnisse des Petitionsausschusses wurde vom Ausschuß zum Ausdruck gebracht, daß er die neuen Rechte schon zur Erhaltung seiner Arbeits- und Funktionsfähigkeit sparsam, in Einzelfällen aber um so exemplarischer einsetzen wolle. An den Bundestag gerichtete Beschwerden sollen auch künftig mit den herkömmlichen Mitteln zur Sachaufklärung, durch schriftliche Stellungnahmen der Ressorts und mündliche Berichte von Regierungsvertretern, behandelt werden. Dabei wird schon das Vorhandensein weitergreifender Aufklärungsmöglichkeiten diesem Verfahren gesteigerte Effektivität verleihen. Zunächst bleibt abzuwarten, wie sich die Neuregelung in der Praxis bewährt38 • Ein Gradmesser kann sein, ob es dem Petitionsausschuß gelingt, den Ruf nach einem Bürgerbeauftragten des Bundes verstummen zu lassen37 • zwangsweisen Vorführung (§ 51 StPO) oder Festsetzung eines Ordnungsgeldes (§§ 51, 70 StPO). Dazu Dürig, Art. 45 c, Rdnrn.32, 33; Würtenberger, Art. 45 c, Rdnrn. 93, 94. 3C BGBl. I S. 201; siehe auch oben S. 69 ff. 35 Nach Art. 32 Abs. 4 der Verfassung von Berlin in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Petitionsgesetz (GVBl. für Berlin vom 1.12.1969, S.2511) hat der Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses neben den der Neuregelung für den Bundestag entsprechenden Befugnissen ein solches Initiativrecht. Erweiterte Befugnisse des Petitionsausschusses ohne ein Initiativrecht haben die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein 1969, Rheinland-Pfalz 1971 eingeführt; Rheinland-Pfalz hat sich 1974 zusätzlich für einen Bürgerbeauftragten entschieden. 38 Zuversichtlich Renate Tesche, Zur Reform des Petitionswesens im Deutschen Bundestag, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 1974/B 4, S. 19 ff., freilich unter Befürwortung eines Initiativrechts des Ausschusses; a.A.: Udo Kempj, Der Petitionsausschuß als ausreichendes Kontrollorgan?, ebd., S. 27 ff. 37 Dazu Würtenberger, Art. 45 c, Rdnrn.10, 11; vgl. auch Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform des Bundestages der 7. Wahlperiode - BT-Drucks. 7/5924 - vom 9.12.1976, S. 63 f.

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c) Verfahrensmäßige Ausgestaltung

Erst am Ende der achten Wahlperiode finden in der neuen Geschäftsordnung des Bundestages, verabschiedet am 25. Juni 1980 mit Wirkung zum 1. Oktober 198038 , die erweiterten Befugnisse des Petitionsausschusses ausdrücklichen Niederschlag. Mit Bezugnahme auf Artikel 45 c GG und das Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses (§ 108 n.F.) wird klargestelllt, daß die an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden kraft Verfassungs auftrags vom Petitionsausschuß, dagegen nicht mehr auch von Fachausschüssen dem Plenum zur Entscheidung vorzulegen sind: Der Präsident überweist die eingehenden Petitionen ausschließlich dem Petitionsausschuß; dieser hat Stellungnahmen der Fachausschüsse einzuholen, wenn die Petitionen einen Gegenstand dortiger Beratung betreffen (§ 109 Abs.1 n.F.). Die Stellungnahmen, zu denen die Fachausschüsse somit verpflichtet sind, kann der Petitionsausschuß zur Grundlage seiner Beschlußempfehlungen an das Plenum machen. Welcher Art die Entscheidungsvorschläge des Ausschusses sind, wird in der Geschäftsordnung nicht mehr erwähnt. Der Katalog der Ausschußanträge ist in den "Grundsätzen" enthalten, die der Ausschuß "über die Behandlung von Bitten und Beschwerden aufzustellen" hat (§ 110 Abs.1 n.F.)39. Zum Verfahren im Ausschuß bestimmt die neue Geschäftsordnung, daß bei Ersuchen an Behörden um Aktenvorlage, Auskunft oder Zutritt sowie vor Anhörungen das zuständige Mitglied der Bundesregierung zu benachrichtigen ist (§ 110 Abs. 2 u. 3 n.F.). Die übertragung von Befugnissen des Ausschusses auf einzelne Mitglieder muß im Einzelfall beschlossen und jeweils nach Inhalt und Umfang bestimmt werden (§ 111 n.F.). Entfallen sind die bisherigen Geschäftsordnungsvorschriften zur Pflicht der Bundesregierung, über die Ausführung von Beschlüssen des Bundestages in angemessener Frist Auskunft zu geben, wie es vor allem bei solchen Petitionen zu geschehen hat, die der Regierung zur Berücksichtigung oder zur Erwägung überwiesen worden sind40 • Diese Streichung hat lediglich systematische Gründe: Die Geschäftsordnung des Parlaments soll nicht Pflichten eines anderen Verfassungsorgans erläutern. Die Verpflichtung der Bundesregierung bleibt davon unberührt.

38

Zur Verabschiedung der neuen Geschäftsordnung vgl. BT-Drucksachen

8/3460,4127,4262; Stenogr. Bericht S. 18267 ff.; Bekanntmachung v. 2 . .Juli 1980 (BGBl. I S. 1237).

39 Dies ist bereits Praxis des Petitionsausschusses; zur Zeit gelten die "Grundsätze für die Behandlung der an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden in der 8. Wahlperiode" vom 2. März 1977. 40 §§ 115, 116 GO; dazu oben Nr. UI, 2 a.E. Die "Grundsätze" des Petitionsausschusses (siehe oben Anm. 39) gehen von einer sechswöchigen Antwortfrist als Regel aus.

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Zur Entwicklung des parlamentarischen Petitionsrechts

Neu ist schließlich die Regelung der Geschäftsordnung, daß neben den monatlichen Sammelübersichten vom Petitionsausschuß anstelle der vierteljährlich zu erstattenden mündlichen TätigkeitsberichteU ein schriftlicher Jahresbericht vorgelegt wird; dieser Bericht und auch die Sammelübersichten sind jeweils innerhalb von drei Sitzungswochen nach ihrer Verteilung auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen und führen zur Aussprache, wenn es von einer Fraktion oder von Abgeordneten in Fraktionsmindeststärke verlangt wird (§ 112 Abs. 1 u. 2 n.F.). Jahresberichte hat der Petitionsausschuß bereits in der achten Wahlperiode abweichend von der noch geltenden alten Geschäftsordnung vorgelegt: Ein Bericht über seine Tätigkeit während der ersten Hälfte dieser Wahlperiode und ein Bericht über das dritte Jahr sind vom Bundestag durch besondere Beschlüsse angefordert worden42 • Mit der Einführung des Jahresberichts soll dem Petitionsausschuß ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt und dem Bundestag eine möglichst umfassende Unterrichtung gewährt werden, vE:'t'gleichbar der Berichterstattung, die dem Wehrbeauftragten kraft Gesetzes obliegt43 • Auch hier kommt der Gedanke zur Geltung, dem Petitions ausschuß die Wirkungsmöglichkeiten eines Bürgerbeauftragten zu verleihen.

Siehe oben Nr. IrI, 2, 2. Abs. Beschlüsse zur Abweichung von der Geschäftsordnung (§ 127 GO, § 126 n.F.) in 163. Sitzung v. 27.6.1979 (Stenogr. Bericht S.13081) u. 216. Sitzung v. 13.5.1980 (ebd., S. 17396); Beratung der Berichte: ebd., S. 14036 ff., 17981 ff. 43 Vgl. BT-Drucksache 8/3460, S.114; Zwischenbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, a.a.O. (Anm. 27), S.30. 41

42

Verwaltungsgerichtliche Klage auf Erlaß eines parlamentarischen Petitionsbescheides* Eine Klärung der Frage, ob der Petitions bescheid des Parlaments ein Verwaltungsakt ist und auf welchem Klagewege ein solcher Bescheid veranlaßt werden kann, bedeutet mehr als die Schlichtung eines Theorienstreits. Die Vorstellung, ein Parlament könne vom Verwaltungsgericht durch ein Zwangsgeld nach den §§ 172, 113 Abs.4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung über eine Petition angehalten werden, mag noch als eine kaum zu praktizierende Möglichkeit abgetan werden. Von der zulässigen Klageart hängt es jedoch schon ab, ob das Parlament bei seiner Entscheidung über Petitionen an bestimmte Fristen gebunden sein könnte. Eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO kann nach Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes erhoben werden. Die ursprüngliche Regelung in § 76 VwGO, die für diese Untätigkeitsklage noch eine einjährige Ausschlußfrist vorsah, ist seit dem 1.1.1977 entfallen!.

I. Petitionsentscheid des Parlaments kein Verwaltungsakt Für die Frage, ob eine Frist auch für parlamentarische Petitionsbescheide nach Artikel 17 GG gilt und ob einem Petenten die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zusteht, ist ausschlaggebend, ob die Entscheidung über die Petition einen Verwaltungsakt darstellt. Nach allgemeiner Übereinstimmung ist ein Verwaltungsakt jede Maßnahme, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird und auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist2 • Nach den Merkmalen des Verwaltungsakts könnte beim Petitionsbescheid zweifelhaft sein, ob das Parlament hier als Verwaltungsbehörde handelt und ob der Bescheid die Regelung eines Einzelfalls bedeutet.

* überarbeitete Fassung aus: ZParl1974, S. 307 ff. ! Streichung des § 76 VwGO durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften v. 24.8.1976 (BGEl. I S. 2437). Dazu E. Eyermann / L. Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., München 1980, § 76, Rdnr.l; vgl. auch 7. Aufl., 1977, Rdnrn. 1, 3 u. 4. 2 Statt vieler earl-Herm. Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Bd. 1, 2. Halbbd., 2. Aufl., Köln 1962, § 42, Erl. IV 1. Entsprechend lautet die Legaldefinition in § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes v. 25.5.1976.

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Klage auf Erlaß eines parlamentarischen Petitionsbescheides 1. Parlament als Verwaltungsbehörde

Zur Frage der Verwaltungsbehörde muß zwischen den Begriffen "Be. hörde" und "Verwaltungsbehörde" unterschieden werden. Ist "Behörde" eine zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Stelle, so sind auch Gesetzgebungsorgane und im übrigen auch die Gerichte Behörden. Verwaltungsbehörde kann ein Parlament jedoch nur sein, soweit es in bestimmten Akten verwaltend tätig wird3 • Da Verwaltung im materiellen Sinn als Tätigkeitsinhalt jede Betätigung der Staatsgewalt umfaßt, die weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist', stellt sich die Entscheidung über Petitionen als verwaltende Tätigkeit dar und ist das Parlament insoweit als Verwaltungsbehörde anzusehen5 • Für den Bundestag gilt dies hinsichtlich seiner Petitionsentscheidungen im Plenum; denn die Parlamentsverwaltung kann Petitionsentscheidun· gen lediglich vorbereiten, der Petitionsausschuß kann nur Entscheidungsvorschläge machen und als Beschlußempfehlungen im Plenum einbringen. 2. Parlamentarischer Petitionsentscheid keine Regelung des Einzelfalls

Da für den parlamentarischen Beschluß über eine Petition das Merkmal der Verwaltungsbehörde zu bejahen ist, fragt es sich weiterhin, ob die Entscheidung eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung des Einzelfalls beinhaltet. a) Petitionen zum Zuständigkeitsbereich der Regierung

Vom Parlament als nicht unbegründet angesehene Petitionen betreffen in erster Linie den Bereich der Exekutive. Den Anliegen dieser Petenten vermag das Parlament nicht direkt abzuhelfen, sondern als äußerste 3 Vgl. Ernst Rasch, Die Behörde, in: Verw.·Archiv 1959, S. 1 ff.; Karl-Heinz Mattem, Grundlinien des Parlaments, Berlin 1969, S. 81; Hess. VGH v. 21.12.

1966, in: DÖV 1967, S. 420 ff.; Bad.-Württ. VGH v. 14.2.1967, in: DÖV 1967, S. 309 ff. 4 Desgl. Theodor Maunz, Deutsches Staatsrecht, 19. Aufl., München 1973, § 29 Abschn. I 3, S. 274 f. Vgl. auch BVerwG v. 26.3.1956, in: DÖV 1956, S. 735 f., wo festgestellt wird, daß eine Aufgabe, die der Volksvertretung übertragen ist, deshalb nicht den Charakter einer Verwaltungsobliegenheit verliert. S Desgl. Eyermann / Fröhler, § 42, Rdnr. 34. Unter Beschränkung des Begriffs "Behörde" auf die Verwaltungsbehörde, jedoch im übrigen im Ergebnis übereinstimmend Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, 5. Aufl., München 1979, Art. 38, Rdnr.8; von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Berlin 1957/74, Vorbem. Irr c vor Art. 38, jeweils mit Zitaten aus Literatur und Rechtsprechung; a.A.: Thomas Würtenberger, in: Bonner Kommentar, Hamburg 1950 ff., Art. 45 c, Rdnrn. 116, 120, jedoch wird das Petitionsverfahren als "parlamentarische Hilfstätigkeit" angesehen, die nicht zur Gesetzgebung gehört, ebd. Rdnr.113; Klaus Obermayer, Verwaltungs akt und innerdienstlicher Rechtsakt, Stuttgart 1956, S. 64 f.; Jakob Kratzer, Parlamentsbeschlüsse, ihre Wirkung und überprüfung. in: Bay. VBI. 1966, S. 365 ff. (369).

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Möglichkeit kann es solche Petitionen der Regierung zur Berücksichtigung überweisen. Daß die Regierung hierdurch nicht mit rechtlich verbindlicher Wirkung zur Aufhebung von Exekutivmaßnahmen oder zu deren anderweitiger Erledigung angewiesen wird, ist unbestritten6 • Die Regierung ist jedoch auf der Grundlage des parlamentarischen Regierungssystems auch hinsichtlich überwiesener Petitionen der Volksvertretung verantwortlich und kann durch die Mittel parlamentarischer Kontrollrechte zur Rechenschaft gezogen, insbesondere der zuständige Minister vor den Petitionsausschuß zitiert werden. Das für den Bundestag in Artikel 43 Abs. 1 GG normierte Zitier- und Interpellationsrecht wird in der Geschäftsordnung verfahrensmäßig ausgestaltet: zunächst durch § 46, der die Anzahl der Abgeordneten zur Unterstützung des Antrags auf Herbeirufung eines Regierungsmitglieds in Höhe der Fraktionsmindeststärke festlegt; sodann durch § 73 Abs. 1, wonach in Ausschüssen der Herbeirufungsantrag vom einzelnen Ausschußmitglied ohne Unterstützung durch weitere Abgeordnete gestellt werden kann. Eine zusätzliche Regelung enthalten die §§ 115, 1167 • Diese Bestimmungen gehen davon aus, daß die Bundesregierung gehalten ist, dem Bundestag über die Ausführung seiner Beschlüsse in angemessener Frist oder auch binnen einer vom Parlament bestimmten Frist schriftliche Auskunft zumindest durch einen Zwischenbericht zu geben. Für überwiesene Petitionen hat der Bundestag dieses Auskunftsverlangen auf die Information des Petitionsausschusses beschränkt; im übrigen werden parlamentsintern nur die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen unterrich tet8 • Das parlamentarische Verfahren für die Behandlung der an die Regierung zu überweisenden Petitionen mag noch so effektiv sein, es ändert nichts an der Tatsache, daß hier nicht schon vom Parlament, sondern nur von der Exekutive dem Anliegen des Petenten entsprochen werden kann. Der parlamentarische Beschluß, der für den Petenten die Überweisung seiner Eingabe an die Regierung enthält, sei es ausdrücklich zur Berücksichtigung, sei es zur Erwägung, als Material oder zur Kenntnisnahme9 , e Vgl. Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 17, Rdnr. 74, mit weiteren Literaturhinweisen. 7 §§ 46, 73 Abs. 1 werden in die vom Bundestag am 25.6.1980 mit Wirkung zum 1.10.1980 verabschiedete Geschäftsordnung (Bekanntmachung v. 2.7.1980, BGBl. I S. 1237) als §§ 42, 68 übernommen. Die Bestimmungen der §§ 115, 116 GO entfallen in der neuen Geschäftsordnung nur aus systematischen Gründen, ohne die Bundesregierung ihrer Äußerungspflicht zu entheben (siehe auch oben S. 30 f., 91). 8 Dazu oben S.87. 9 Für den Bundestag vgl. § 113 Abs. 2 Buchst. a GO; dazu H. Lechner / K. Hülshoff, Parlament und Regierung, 3. Aufl., München 1971, S.238, Erl. 7. Die ab 1.10.1980 geltende Geschäftsordnung (dazu oben Anm. 7) verzichtet auf den Katalog der Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses und beschränkt

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hat daher nur die Bedeutung einer Bekanntgabe zum Verfahren ohne unmittelbare sachliche Wirkung gegenüber dem Petenten. Der Petent erfährt, wie seine Eingabe behandelt worden ist, und kann aus dem Bescheid - noch verdeutlicht durch die in der Regel beigegebene Begründung -lediglich auf eine mehr oder minder vorhandene Erfolgsaussicht für sein Anliegen schließen. b) Petitionen zum Zuständigkeitsbereich des Parlaments

Zu Petitionen, denen nicht von der Exekutive, sondern vom Parlament selbst entsprochen werden kann, enthält der Bescheid wiederum nicht mehr als eine Bekanntgabe zum Verfahren. In diesen Fällen lautet der Parlamentsbeschluß, daß die Petition als erwägenswerte Anregung zur Kenntnis genommen werde10 • Das bedeutet, daß eine sachliche Regelung möglicherweise zu erwarten ist. Die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit einer solchen Regelung könnte allein der Begründung des Bescheids entnommen werden, die auch einen Hinweis auf die Art der Regelung enthalten wird. Häufig handelt es sich hier um den Erlaß eines Gesetzes11 • c) Petitionen zu eingebrachten Gesetzentwürfen

Bezieht sich eine von Petenten gewünschte Regelung auf einen dem Parlament vorliegenden Gesetzentwurf, ergeht bei der Verabschiedung des Gesetzes der Beschluß, der die zu dem Entwurf eingegangenen Petitionen für erledigt erklärt. In diesem Fall steht zwar der Petitionsentscheid in zumindest zeitlichem Zusammenhang mit einer Sachentscheidung, aber mit einem Gesetzgebungsakt, so daß sich die Frage einer Einzelfallentscheidung im Sinne eines Verwaltungsaktes nicht stellt.

d) Unbegründete Petitionen Für erledigt zu erklären sind im übrigen die zahlreichen Petitionen, die keinerlei Grundlage für eine mögliche Sachentscheidung abgeben. Ebenso wie ein positiver parlamentarischer Petitionsentscheid keine unmittelbare sachliche Regelung enthalten, sondern lediglich in Aussicht stellen kann, so geht auch ein Beschluß, der eine Petition nach Prüfung der Sach- und Rechtslage für erledigt erklärt12 , über eine Bekanntgabe sich auf den Hinweis, daß der Ausschuß Grundsätze über die Behandlung von Petitionen aufzustellen hat (§ 110 Abs. 1 GO n.F.). 10 Diese Formulierung wird im Bundestag seit der 4. Wahlperiode angewandt, ohne in der Geschäftsordnung erwähnt zu sein. 11 In den meisten Fällen, in denen Petenten durch eine gesetzliche Regelung, insbesondere durch eine Gesetzesänderung, geholfen werden könnte, bietet sich jedoch die überweisung an die Regierung an, nämlich "zur Erwägung" oder "als Material" für einen vorzubereitenden oder schon erarbeiteten Referentenentwurf. Dazu oben Anm. 9.

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zum Verfahren nicht hinaus: Es wird festgestellt, daß die Eingabe keinen Anlaß bietet, der als Anregung zu irgendeiner Maßnahme dienen könnte.

In allen Fällen der parlamentarischen Entscheidung über Petitionen ergibt sich demnach, daß eine solche Entscheidung keine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung eines Einzelfalls bedeutet und deshalb kein Verwaltungsakt ist l3 • 3. Parlamentarischer Petitionsbescheid als eine Bekanntgabe zum Verfahren Daß der parlamentarische Petitionsbescheid anstelle einer Regelung des Einzelfalls nur eine Bekanntgabe zum Verfahren enthält, entspricht dem Umfang der Verpflichtung des Parlaments aus Artikel 17 GG. Wie das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung festgestellt hat, muß jede ordnungsgemäße Petition eine schriftliche Antwort erhalten, der nicht eine bloße Empfangsbestätigung, sondern die Kenntnisnahme vom Inhalt der Petition und die Art, wie die angegangene Stelle die Eingabe behandelt hat, zu entnehmen ist; dagegen braucht der Bescheid eine besondere Begründung nicht zu enthalten14 • Er "soll möglichst mit Gründen versehen sein", so hat es bislang 12 Diese Beschlußformel ist im Bundestag seit der 4. Wahlperiode üblich geworden anstelle der in § 113 Abs. 2 Buchst. c GO enthaltenen engeren Fassung der Erledigterklärung "durch die Erklärung der Bundesregierung", die Petitionen zum Zuständigkeitsbereich des Parlaments nicht einschließt. Lediglich besondere Fälle einer Erledigterklärung nach Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die in § 113 Abs. 2 Buchst. b, d und e vorgesehenen Möglichkeiten, nämlich die Petition durch Beschluß über einen anderen Gegenstand für erledigt zu erklären, über sie zur Tagesordnung überzugehen oder sie als ungeeignet zur Beratung im Bundestag zu erklären. Siehe auch oben Anm. 9. 13 Im Ergebnis übereinstimmend OVG Hamburg v. 20.8.1965, in: DVBl. 1965, S.86; Bay. VGH v. 15.5.1957, in: Entsch. n.F. 10, S. 20 ff. (25); Würtenberger, Art. 45 c, Rdnrn.118 bis 120; Eyermannl Fröhler, § 42, Rdnr.34; Klaus Obermayer, Die Untätigkeitsklage und das Recht auf Bescheid, in: NJW 1956, S. 361 ff. (363); ders., Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, S.65; Walter Eitel, Das Grundrecht der Petition, Diss., Tübingen 1960, S. 230; Oskar G. Fischbach, Bundesbeamtengesetz, Kommentar, 3. Aufl., Köln 1965, § 171, Erl. X; Kratzer, S. 369; a.A.: Dürig, Art. 17, Rdnr. 81, insbes. Fußn. 4; Prodromos Dagtoglou, in: Bonner Kommentar, Hamburg 1950 ff., Art. 17 (Zweitbearbeitung), Rdnrn.139 bis 141; Ferdinand O. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, München 1974, § 42, Erl. 9 c; vgl. auch Mattern, Grundlinien ... , S.82. 14 Die Entbehrlichkeit der Begründung ist eine Bestätigung dafür, daß der Petitionsbescheid nicht als Verwaltungsakt anzusehen ist. Vgl. BVerfG v. 22.4.1953, in: Entsch. 2, 225 ff. (230), u. v. 11.7.1961, in: Entsch. 13, 54 ff. (90); OVG Hamburg, a.a.O. (Anm.13), S. 86 f.; Bay. VGH, a.a.O. (Anm.13), S.29; von Mangoldt I Klein, Art. 17, Erl. II 4; Dürig, Art. 17, Rdnrn. 8,9 u. 77; Karl-Heinz Mattem, Petitionsrecht, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd.2, Berlin 1954, S. 629 f.; a.A.: Dagtoglou, Art. 17, Rdnrn.95, 99 bis 101, insofern, als er eine Pflicht zur Begründung des Petitionsbescheids annimmt. Im übrigen weist Dürig, a.a.O., zutreffend darauf hin, daß - entgegen BVerfG v. 22.4.1953 - die Mitteilung erforderlich ist, nicht wie der Petitionsadressat die Eingabe zu behandeln gedenkt, sondern wie er sie behandelt hat.

7 Vonderbeck

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für den Bundestag die Geschäftsordnung geregelt und die Begründung zur ständigen Praxis werden lassen15 • Da das Petitionsrecht einen Anspruch auf die Erfüllung des Erbetenen nicht gewährt und Artikel 17 GG keine Rechtsgrundlage für eine Entscheidung in der Sache gegenüber dem Petenten darstelW 8 , vielmehr die Art der Erledigung der Eingabe im Ermessen des Petitionsempfängers liegt17, nämlich im Rahmen seiner Verpflichtung zur sachlichen Prüfung, deshalb kann sich der Petitionsbescheid auf eine Bekanntgabe zum Verfahren beschränken. 11. Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage Da ein parlamentarischer Petitionsbescheid keinen Verwaltungsakt darstellt, ist die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO auf Erlaß eines solchen Bescheides nicht gegeben. Daß die Klage aus § 75 VwGO entsprechend dem Wortlaut dieser Bestimmung auf die Vornahme eines Verwaltungsakts gerichtet sein muß, ist allerdings nicht unbestritten. So vertreten namentlich Eyermann / Fröhler den Standpunkt, daß mit der Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs.1 VwGO schon jedes hoheitliche Handeln, durch dessen Unterlassen der Kläger beschwert zu sein behauptet, begehrt werden könne18 • Eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist dieser Meinung überzeugend entgegengetreten mit dem Hinweis, daß eine Auslegung der Verwaltungsgerichtsordnung, die von der allgemeinen Übereinstimmung bei der Interpretation des Verwaltungsakts als eines zentralen Begriffs des Verwaltungs- und Verwaltungsprozeßrechts abweicht, nur vertretbar ist, wenn sie aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten wäre19 • Dies ist aber nicht der Fall, weil sich eine andere Klagemöglichkeit anbietet. 111. Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage Anstelle der Untätigkeitsklage als der besonderen Leistungsklage nach § 75 VwGO steht dem Petenten die allgemeine Leistungsklage zu, um den Erlaß eines parlamentarischen Petitionsbescheids zu erwirken20 • Denn 15 § 113 Abs.4 GO wird daher in die neue ab 1.10.1980 geltende Geschäftsordnung (dazu oben Anm. 7) als § 112 Abs. 3 bei Streichung des Wortes "möglichst" übernommen. Siehe auch oben S.87. 16 Desgl. Obermayer, Die Untätigkeitsklage ... , S. 363; Otto Bacho!, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, Tübingen 1951, S. 75 f. (7 Desgl. OVG Hamburg, a.a.O. (Anm.13), S.87. 18 Vgl. a.a.O. (Anm. 1), § 42, Rdnr.17; desgl. Eitel, S. 230 ff. 19 Vgl. BVerwG v. 25.2.1969, in: JR 1969, S. 272 ff., und die dort zu dem Meinungsstreit zitierte Literatur sowie die Anm. von H. Reuß, ebd. S. 274 f. 20 Desgl. BVerwG v. 25.2.1969, a.a.O. (Anm.19), S. 273; OVG Hamburg, a.a.O. (Anm. 13), S. 86; Würtenberger, Art. 45 c, Rdnrn. 117, 121 bis 123; a.A., nämlich

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nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg grundsätzlich in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben. Die verfassungsrechtliche Ausschlußklausel steht hier nicht entgegen, weil sie sich nur auf Organstreitigkeiten, jedoch nicht auf Streitigkeiten zwischen Einzelpersonen und Organen des Staates bezieht21 • Für die allgemeine Leistungsklage, die von der Verwaltungsgerichtsordnung stillschweigend vorausgesetzt wird, ist weder ein Vorverfahren noch eine Frist zur Klageerhebung einzuhalten22 • Mit der Bejahung des Verwaltungsrechtswegs durch Zulassung der allgemeinen Leistungsklage gegen einen parlamentarischen Petitionsbescheid beantwortet sich auch die Frage der Erschöpfung des Rechtswegs als Voraussetzung für die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gemäß § 90 BVerfGG, die nach überwiegender Meinung für den Petenten zulässig ist23 • IV. Umfang der gerichtlichen Prüfung Der gerichtliche Rechtsschutz umfaßt entsprechend dem Umfang der Verpflichtung des Parlaments aus Artikel 17 GG 24 nur den formellen Anspruch des Petenten auf sachliche Prüfung und Erledigung, nicht dagegen sein materielles Sachbegehren selbst; Gegenstand der Überprüfung ist der ordnungsgemäße Bescheid an den Petenten, wie das Parlament seine Eingabe behandelt hat, nicht aber der Bescheid eines bestimmten Inhalts25 • Auch dem Richter ist maßgebend, daß sich der parlamentarische Petitionsbescheid auf eine Bekanntgabe zum Verfahren beschränken kann.

für die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO: Eyermann I FröhZer, § 42, Rdnrn. 4 a u. b (siehe auch oben Anm. 18); DagtogZou, Art. 17, Rdnrn.138, 139. Dagegen lehnen den Verwaltungsrechtsweg bei Parlamentspetitionen ab: Bay. VGH, a.a.O. (Anm.13), S.25; Hans J. WoZff, Verwaltungsrecht III, München 1966, S.348; Obermayer, Die Untätigkeitsklage ... , S.363; Kratzer, S.369; Diether H. Hoffmann, Das Petitionsrecht, Diss., Frankfurt 1959, S. 67. 21 Dies ist wohl unbestritten, vgl. Dürig, Art. 17, Rdnr. 81; Eyermann / FröhZer, § 40, Rdnr. 63; DagtogZou, Art. 17, Rdnrn. 135 u. 136. 22 Vgl. BVerwG v. 25.2.1969, a.a.O. (Anm. 19), S. 273. 23 Vgl. Dürig, Art. 17, Rdnr. 81; Dagtoglou, Art. 17, Rdnrn.133 u. 134; a.A.; Kratzer, S. 369. 24 Dazu oben Nr. I, 3. 25 Desgl. Dagtoglou, Art. 17, Rdnrn.131 u. 143.

Sachverzeichnis Abgeordnete, Rederecht 14, 24 Aktuelle Stunde 14, 15 f., 26, 31 Anfragen (s. Große Anfragen, Kleine Anfragen, Mündliche Anfragen, Schriftliche Anfragen) Antwort (s. Beantwortung) Anwesenheitspflicht von Regierungsmitgliedern (s. a. Zitierrecht) 9, 18 f. - Entbindung 18 - Verweigerung 19 - Wahrnehmung durch Beauftragte der Regierung 10, 18 Auskunft (s. Beantwortung) Auskunftsersuchen 14 ff. - Beantwortungspflicht 20 ff. - durch Ausschüsse 33 ff. - in der Form von Empfehlungen 30 - schriftliche 22 f. Ausschuß (s. a. Petitionsausschuß, Unterausschuß, Untersuchungsausschuß, Verteidigungsausschuß) - Zitierrecht 16 ff. - Zutrittsbeschränkungen für Mitglieder des Bundesrates oder deren Beauftragte 68 Aussprache, Dauer (s. a. Debattendauer) - in Kurzbeiträgen 58 ff. - Regelaussprache 58 ff. - Wiedereröffnung 51, 55 Beantwortungspflicht 20 ff. - schriftliche 22, 24 - Umfang 21 - Verweigerung 21, 25, 31, 36, 38, 39 - von Anfragen 23 Beauftragte des Bundesrates 67 f. Berichte der Bundesregierung 27 Berichtsersuchen 11, 13, 27 ff. - Verbindlichkeit 29 Bürgerbeauftragter 90 Bundesbeauftragter für Datenschutz, Rederecht 69 ff., 90

Debattendauer (s. a. Redezeit) 47 ff. Diskontinuität 32 f., 84, 86 Doppelmandat, Verzicht 76 ff. Empfehlungen - Auskunftsersuchen in Form von 30,34 Entschließung - auf Berichtsersuchen 13, 27 f. Fragerecht, unselbständiges 12 Fragerechte (s. Aktuelle Stunde, Fragestunde, Große Anfragen, Kleine Anfragen, Mündliche Anfragen, Schriftliche Anfragen, Zusatzfragen, Zwischenfragen) Fragestunde 12, 23 f., 26, 31 Freies Mandat 24, 76 ff. Geheimnisschutz 21, 40, 43 f. Gemeinsamer Ausschuß 40 ff. Geschäftsordnungsdebatte 47 f. Gremium zur Kontrolle von Maßnahmen der Post- und Telefonüberwachung 44 f. Große Anfragen 23 f. Herbeirufungsrecht (s. Zitierrecht) Informationsrecht des Bundestages 9 - des Gremiums zur Kontrolle von Maßnahmen der Post- und Telefonüberwachung 44 f. - der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Nachrichtendienste 43 f. - Untersuchungsausschuß 35 ff. Inkompatibilität 78 Interpellationsrecht 12, 40 - als unselbständiges Fragerecht 12 ff.

Sachverzeichnis Kleine Anfragen 23 f. Kurzdebatte 15 f. Minderheitenrecht 11, 12, 15 f., 23 Mißbrauchsverbot 18 f., 51, 64 Mündliche Fragen 15 f., 23, 26, 31 Opposition 11, 15, 26, 51, 60 Parlamentarische Kontrollkommission für die Nachrichtendienste 43 f. Parlamentarische Staatssekretäre (s. Staatssekretäre) Petitionsausschuß 37 ff., 86 ff. Petitionsbescheid, Gründe 97 - kein Verwaltungsakt 93 ff. Petitionsrecht 80 ff. - Entwicklung 80 ff. - Grundrecht 83 ff., 85 f. - Individualrecht 81 f. - Rechtsschutz 85, 93 ff., 98, 99 - - Klageart 98 - - Umfang der gerichtlichen Prüfungskompetenz 99 Plenum, Zitierrecht 13 ff. Rederecht der Beauftragten der Bundesregierung 14 - der Beauftragten des Bundesrates 66 ff. - des Bundesbeauftragten für Datenschutz 69 ff. - der Mitglieder der Bundesregierung 14 - der Mitglieder des Bundesrates 61 ff. - der Parlamentsmitglieder 14, 24 - des Wehrbeauftragten 39 f., 73 Redezeit 47 ff. - Aufteilung 47 ff., 54 ff. - Begrenzung 51 ff.

101

Mißbrauchsverbot 18 f., 51, 64 Redezeitvereinbarungen mit Bundesregierung und Bundesrat 53 ff. - Vertreter der Bundesregierung oder des Bundesrates 51 - Zeitausgleich 56 ff. Regelaussprache 58 ff. -

Sachdebatte 48 f. Schriftliche Auskünfte 22 f., 30 Staatssekretäre, Wahrnehmung der Anwesenheitspflicht für die Regierungsmitglieder 10, 18, 26 Unterausschüsse 16 Untersuchungsausschuß 35 ff., 68 Verteidigungs ausschuß 35 Wehrbeauftragter 39 f., 73 Zitierrecht 9 ff. - Begrenzungen 13 ff. - des Petitionsausschusses 88 ff. - im Ausschuß 16 ff. - im Plenum 13 ff. - Schranken 18 Zusatzfragen 24 Zutrittsrecht - der Regierungsmitglieder im Ausschuß 22 - - im Gemeinsamen Ausschuß 41 - - im Plenum 10 - der Bundesratsmitglieder und deren Beauftragter im Plenum 62 - - Zutrittsbeschränkungen 68 - des Bundesbeauftragten für Datenschutz 69 ff. - des Petitionsausschusses 89 Zwischenbericht 30 f., 39 Zwischenfragen 24